Vv.,JO - nd:

Die Mollusken-Fauna

des Holsteiner Gesteins.

Von

Dr. C. Gottsehe.

Die Mollusken-Fauna des Holsteiner Gesteins.

Von Dr. C. Gottsche.

Beyrich hat in seiner Abhandlung »über den Zusammenhang der norddeutschen Tertiärbildungen» (Abh. Berl. Akad. 1855 p. 1) für gewisse Geschiebeblöcke, welche dem oberoligocänen Sternberger Gestein petrographisch sehr ähnlich, aber durch eine ganz ver- schiedene, eigentümliche, jüngere Fauna ausgezeichnet sind, ihres wesentlich auf Schleswig- Holstein beschränkten Vorkommens halber, die Bezeichnung »Holsteiner Gestein« einge- führt. Seitdem sind bercits durch Beyrich in seinen »Conchylien des norddeutschen Tertiär- gebirges» (Berlin 1853—1856), sowie durch von Koenen in seinem »Miocän Norddeutsch- lands» (I. Marburg 1872, II. Stuttgart 1882) nicht weniger als 129 Gastropoden, 4 Pteropo- den und ı Cephalopode aus dem Holsteiner Gestein beschrieben worden; aber dennoch enthalten die Sammlungen der Herren Amtsrichter Müller und Gymnasial-Lehrer Fack in Kiel, des Herrn J. ©. Semper in Altona, des Naturhistor. Museums in Hamburg, des Kö- nigl. Mineralienkabinets in Berlin, sowie diejenige des Verfassers noch ein reiches Material für die weitere Kenntnis des Holsteiner Gesteins. Ohne der Fortsetzung der von Koe- nen’schen Monographie irgendwie vorgreifen zu wollen, schien es mir, der ich schon früher, namentlich aber in den letzten Jahren sehr viel Gelegenheit hatte, Holsteiner Gestein zu sehen, angezeigt, dieses Material mit Rücksicht auf eine Frage zu durchmustern, die gerade neuerdings aufgeworfen ist. In den Ann. de la soc. géol. de Belg. 1885. t. XII p. 206, sowie im Neuen Jahrb. f. Min. 1886. I p. 83, spricht Herr Professor von Koenen das Holsteiner Gestein von Travemünde als untermiocän an, während die Hauptmasse des Holsteiner Gesteins, gleich den Sandsteinen von Reinbeck, Melbeck und Bokup dem Mittel-Miocän zuzurechnen sei.

Eine Entscheidung über diese Frage resp. darüber, ob in der That eine Altersver- schiedenheit existiere, war nur denkbar, wenn die Fauna der einzelnen Fundorte in mög- lichster Vollständigkeit gesammelt wurde. Dafs in dieser Richtung ein gewisser Fortschritt zu verzeichnen ist, ergiebt sich daraus, dafs in der nachstehenden Tabelle z. B. von Kiel, Plön, Segeberg und Travemünde resp. 55, 43, 51 und 25 Gastropoden mehr aufgezählt werden, als in von Koenen’s Miocän I u. II. Zum Verständnis der Tabelle ist noch zu bemerken, dafs die Fundorte Flensburg, Plön, Stolpe und Travemünde (= Brothener Ufer) ein sehr eng begrenztes Gebiet darstellen, während die Rubriken Kiel, Segeberg und Hamburg auch die weitere Umgebung der betr. Orte umfassen, und zwar:

415389

4 C. GOTTSCHE, Holsteiner Gestein.

Kiel: Die Ortschaften Dorfgarden, Ellerbeck, sowie den Strand zwischen Altheikendorf und Laboe einerseits und zwischen Friedrichsort und Bülk andererseits. Segeberg: Rönnau 3 Km N, Schieren 5: Km ONO, Pronsdorf 11 Km ONO, Weede

4 Km OSO, Steinbeck 6'/; Km OSO, Högersdorf 3 Km SSW u. Wittenborn

6 Km WSW.

Hamburg: Harvestehude 3 Km N, Winterhude 5 Km N, Grofsborstel 7 Km N, Langen- horn 12 Km N, Bramfeld 7 Km NO, Farmsen 7 Km ONO, Harburg (Hannover)

10 Km SW, Schulau 16 Km W und Bahrenfeld 5 Km WNW.

Isolierte Fundorte des Holsteiner Gesteins sind anhangsweise hinter der Kolumne Bolderberg angeführt; die Angaben über Langendorf bei Dömitz beruhen auf Koch's Mitteilungen in Zeitschr. d. deutschen geolog. Ges. VIII, 1856 pag. 276, sowie auf einer briefl. Notiz desselben Herrn vom 31/3 86.

Endlich schienen einige Abweichungen in der Namengebung berechtigt; wo es notwendig war, sind dieselben in den Anmerkungen erläutert. Die letzten 5 Kolumnen stützen sich wesentlich auf die bekannte Litteratur;') aufserdem konnte für Melbeck die Berliner Sammlung, sowie für den Bolderberg cine revidierte Liste benutzt werden, welche Herr E. Van den Broeck in Brüssel nach den Originalen von Nyst, Bosquet und Le Hon im Brüsseler Museum entworfen und mir im Mai d J. gütigst zur Verfügung gc- stellt hatte. Es dürfte auffallen, dafs weder der Limonitsandstein von Morsumkliff auf Sylt, noch der Glimmerthon von Schleswig-Holstein, Lüneburg und Gtihlitz zur Ver- gleichung herangezogen sind. Dem gegenüber ist zu bemerken, dafs die Versteinerungen des Limonitsandsteins derartig in den Museen von Kopenhagen und Kiel, sowie in den Sammlungen des verstorbenen Emeritus C. P. Hansen in Keitum und des Herrn J. O. Semper in Altona zerstreut liegen, dafs ich gegenwärtig nur eine sehr lückenhafte Liste hätte geben können, zumal der Erhaltungszustand in vielen Fällen keine sichere Bestim- mung erlaubt. Andererseits repräsentiert der Glimmerthon mit seiner eigentümlichen an borealen Formen reichen Fauna eine so abweichende Facies des Miocäns, dafs sich z. B. von den Gastropoden des Holsteiner Gesteins kaum die Hälfte in dem Glimmerthon wiederfindet. Auch die miocäne Fauna aus dem Bohrloch von Kamdohl bei Liibtheen (vergl. Geinitz, Meckl. Archiv 37, 1883) schien wenig zur Vergleichung geeignet, da neben typisch miocänen Formen auch Nassa pygmaca Sch/., Borsonia plicata Deyr., Cylichna lineata /%z/., Cryptodon obtusus Deyr. und Neaera clava Pi, also ausge- sprochene Leitfossilien des Ober- und Mittel-Oligocäns erwähnt werden, und somit der Verdacht nicht ausgeschlossen ist, dafs bei der Entnahme der Bohrproben die Fossilien verschiedener Schichten vermengt seien. Ich lasse nun hier die Tabelle folgen.

1) Beyrich, Conchylien des nordd. Teertiärgebirges; v. Koenen, Miocän I und II; Gottsche, Miocän von Reinbeck, Verh, Ver. naturw. Unterh. 1878. III, pag. 17; Oehmcke, der Bokuper Sandstein, Meckl. Arch. 41, 1887, pag. 1; von Dechen, Erläuterungen zur geolog. Karte der Rheinprovinz ete, 1884. II, pag. 697 Dewalque, Prodröme 1868; Mourlon, géologie de la Belgique, II, 1881.

C. GOTTSCHE, Holsteiner Gestein.

" bedeutet Vorkommen der Art im Oligocän. | po | po 5 2 |S | ei F y : AES | 2 '#218!1512|82|12|=|18[|5 || Einzelfunde. o nach dem Material der Berliner Sammlung. Elala Sg] |E 3 6/2] Mix CEEI CAREAT AEE - =m | CG "Mies Dêshayésr DULA: nr ug Le cules) EA db al Itzehoe, Mölln, Sahl b. 2. > cf. Sismondae Bell. ............. $ EE EC NC et SEO GC WI [Skive lant, H » TE oe EE I EPE ER AO be + r ++ Langendorf h. Dömitz. a, Gar eh, EE E TR kk a du? Re) ee | 5. *Tiphys fistulosus, var. Schlotheimi Benz | 4+) +) -+| +/+ + E, e +l.. 6. ka Mee EE a EGA ege kad FETETELE a ++[+ SL, 7. Tritonium tarbellianum Grat. I+ alt aa eee oe oe kl, 8 cf. appenninicum Sassz. . en ea daa lt AE or » ende Deyk: ` eg ba eau tes EA EA ER EE E A E eA A IS WS e -|| Mölln. 10. *Cancellaria evulsa SoZ., var. Bellardii Mich. ||. ..| +| + + ERA KESA DPA e |+ dal de Ärt tt. ` EE ee, A e geg ell de el dl, e Wel leet, | CR ÉIER 127 subangulosa Wood............ I+|+1--- OP +|+1...l...|-.. ki 13. mitraeformis Broc............ ++ Es | MPS RER Pe Ss 14. » NEEN TOG, ege re ee sell dE EE AE EI E z + Itzehoe, Eckernförde, KE Spinitera IA rn Hy NE TA e BER i RS A LEUR b. Skive, Hitland 16, acutangularis ZA. ............ AE EN EA IE Te EE E lache TEEN ai RÉI > AE S EL Bart Í.. VAA 29 TEN +0...)...I+ | +] i8. Spirılla. rosticula: Base, issues un KA WA CH iE oh eo) OY ees UK: eal bes -Picula simplex Day, aan, | + ee oe ae oe oe oe oe eee | BOT NIE. MERINGUE TER: Eee HIHIHIHI ++I HE) +1 4 | + ||Itzehoe,Mölln,Langendorf. St. Fasus, attenuatus TAM roodo ah; Le... ei EN, +|...+|.. .|Turritellengest, v. Crivitz. 22; E D DEI nahe .. .|+0| + ++ |---|... Sahl b. Skive, N.-Jütland. 23. BEEN O Su KE k: eh CR d 21 8 Fa), 24. ENTE US TEE een VEN ESEL VE + | vi sens l el 2 = inornatus v. Koen. ps., non Beyr., = cf. spinicosta v. Koen., non Br.; 4 erwachsene Ex. (2 von Stolpe, je I von

Segeberg und Kiel) haben mich überzeugt, dafs die bisher als inornatus bezeichnete Art des Holst. Gesteins nur mit Murex Sismondae Bell. von Turin, oder besser noch mit einer sehr nahestehenden Art verglichen werden kann, von der das Berliner

Museum 3 Ex. von Cabanes bei Bordeaux (? M. Partschi Benoist, non Hörn.) und ı Ex. von Baden besitzt.

Koenen als spinicosta bezeichnete Stück von Stolpe gehört hierher. . = sublavatus Bast. bei von Koenen. 6., ebenso 54, 158, 179, 187 von Melbeck in je 1 Ex. nur im Museum zu Hildesheim. 15. fide von Koenen; in den Kieler Sammlungen liegen nur lose gebleichte Ex. von Stolpe, die sehr wohl dem Glimmer- thon entstammen könnten. 17. das einzige Ex. im Berliner Museum; das Ex. vom Bolderberg wurde nach Van den Broecks Mitteilung von Nyst (Dewalque, Mourlon) früher als contorta Bast. bezeichnet. 21. Das einzige Ex. von Kalübbe bei Stolpe in Coll. Müller ; interessant ist das Vorkommen in miocänen Turritellenge- steinen von Crivitz am Schweriner See, die Beyrich im Berliner Museum niedergelegt hat.

Auch das bei von

6 C. GOTTSCHE, Holsteiner Gestein.

a E * bedeutet Vorkommen der Art im Oligocan. | E pe | A | = | a 8 X | S SE E 2 3:2 a 24 5 Einzelfunde. o nach dem Material der Berliner Sammlung. $ | s È 232 2 3 S SE 2. 25. Fusus Meyni Semp. 2222222222222... E E ea: Ass Ge L.T. JI Itzehoe, 26. » pereger Zeit, die wi a) EE EE E i . -|| Sahi b. Skive, Jätland. 27. » distinctus Ze, el ra Ate |e ees eer ae 28. *Stenomphalus Wiechmanni v. Koen... . | E 9] EE) ER AARON, RAR APR, Dammerstt., Mölln, Linebg. 29. *Buccinopsis rara Zen... DEE E E EE | Oummersterf, Milla. 30. Terebra cinerea Bast. ....... EE WE NEE | Be ` 3I * > Beyrichi Zeg... | ++ Ee AE EE Fa Meel Milla. 22 > » cincta Ach), ee oe es ze BR) FOR | EE 33. » Hörnesi Beyr................... Beer ce een (es EE ae | 34. » + Basteroti Ac, Li E E EE ia 35. * > acuminata Zoe. SEENEN ee ee it Ba 36. *Nassa Schlotheimi Beyr. .......... SE +} + | F dE ean CS . u ER I Itzehee, Mölln. 37. > bocholtensis Beyr.. var. ......... Paes es SS EE +... dt Ge Langendarf. 38. holsatica Bei, bef Pb] Ay fe le AA Nea 39. costulata Aen, hate Pt She Nine EE E Ir 1 "1 "We 40. » limata Cem... SE ee GE ie sn lee 41. » Facki v. Aaen... SEN ae HE tlh «| +i i+) +)...) +) Langenderf. 42. » Meyni Zei, | . ! Te Peden WE HIH H. H oe eee i Itzehoe, Eckerafirde, 43. Phos decussatus v. Äoen. ........ oaa EE E E S EE Aller E | [Grivitt.o 44. Cassis bicoronata Zei... ee EIN he Eet a W Mölln. 45. * » subventricosa Sfey............... 8 ++ as + OR. Itzehoe, Milla. 46. Columbella attenuata Deyr............... jeg ae DEE EA SAS El, Les S 47. » Beyrichi v. Koen............. EE EE ARE hu "Lol. . ` Itzehoe. 48. *Oliva flammulata ZE ++]. en Litty ee ae, + Itzehoe.

29. Ein ausgewachsenes, trefflich erhaltenes Stück von Friedrichsort bei Kiel (Coll. Gottsche), sowie die Schlufswindung eines sehr grofsen Ex. von Plön (Coll. Müller) sind von oberoligocänen Exemplaren von Krefeld nicht zu unterscheiden; die Fragmente von Stolpe sind dahingegen kaum bestimmbar. Bei den losen Ex. von Mölln (Mus. Lübeck) und Dummerstorf (coll. Koch, Güstrow) muss es unentschieden bleiben, ob dieselben als miocäne oder oligocäne Gerölle aufzufassen sind.

37. früher von O. Semper stets als tesselata Bon. bezeichnet. Sollte diese Bezeichnung den Vorzug verdienen, so wären Dingden und Bokup zu streichen.

44. Cassis megapolitana kommt weder im Holsteiner Gestein, noch überhaupt im Miocän vor; was Beyrich früher unter diesem Namen von Bokup beschrieben hat, hat er inzwischen selbst in der Berliner Sammlung zu bicoronata gestellt.

45 = Rondeleti autt; ich habe den Speyer’schen Namen gewählt, weil ich seine Behauptung, dass die norddeutschen Miocänvorkommnisse durch kürzeres Gewinde und Form des Embryonalendes von der typischen (südeuropäischen) Rondeleti unterschieden seien, an meinem Material von Travemünde, Segeberg und Plön bestätigt finde.

46. von Stolpe sind nur 2 Ex. bekannt geworden.

47. von Segeberg und Dingden nur je ı Ex. in der Berliner Sammlung,

* bedeutet Vorkommen der Art im Oligocän. o nach dem Material der Berliner Sammlung. |

Ee SS E D HE "SE ee ae

*Ancillaria obsoleta Broc.

C. GOTTSCHE, Holsteiner Gestein.

|

| 2 |

K |

po | 3 e| y 121513 2 s’%/:|3|S 2 “|| Ain|e | o |S

ri an d e | S ; |3])a/3|%] Einzelfunde. = = Wis Io br ı8151 4/2 AR 8 |

er:

AG: ANCUANIE ‘QUSOMNE EE, lan ae) See eee see te Tap Eckernförde. Se - > cf. glandiformis ZA. .......: Kassel: De ie SA elle 51. Conus antediluvianus Drug. ............ Be ie > ei ei RR A | Ehe: 52. » tree DIES ine e ER E DH 8 LAIA EE | +| +| +| +) Langendorf. 3. » Allioni Mich annalen SEES oe. Kat 0 DR EA. *Fleüurötoma turbida Ae 8209 asus; +++! + ito} +/+ ++ „le + || Itzehoe, 55. » rotata BOE aae DE ral EDD DOE OEOE AE 86; * » coronata Min. une Pate} ted | Kee che | A, +] WE » ee Die anne Nia KEE E le sl DEEM ++ 58. » porrecta: 2 Wand re hear + +o reelle vl ft 59. » D EEN A x) Ee eS ane | eB le An 27 » Duchasteh NIE A Ate ++ ++ ++ +I". | +] bg, 61. » Steinvorthi Smp oo. oo on ve ++ tit) te te +i tl +] +] +! +) Itzehoe, Eckernförde, DS » EEN AS Al + + +i] +|...]... | TEP + | + Mölln, Sahl b. Skive, Jütl. oE $ > obeliscus Desmoul, ......... I +yty ty... elle HIHIH H 64. * » INGOTS, POEs ne +/+/+|+1...|+ AL ee) 2 a} | 4 65. » NN EE +[-+|...[+|-+o! Es Ze 66. » testira NE eis re bk ca, Leck deeg +!+/+/1+'+ 67. > elatior Cat, KON | Hecho wel T 2 ii APRS CALS ER HEN FOREN etree OE RE 68. » Selenkae 2, OR. les SIE, kt, Jk 69. Defrancia Luisae Semp................... RT IE =) P ois es Et » Oty -Manae SED. sel sald (SER ares er ai DT WE ¢ flax 71. *Mangelia obtusangula Broc. ............ + + +++) +I ++I ++ + a ET REMET ER amah ar a ld | +4], Harel = S Mee ER, Bolt, Aalen soos EE E e +|...|. HIHIHI F 74. ae IT E Ee | DA | WER ZER | Itzehoe, Lüneburg. 71,4% Ze, ER EG E E ZS Lok, Li. 1, JI Dummerstorf. TO: C EO ROIS DIOR, N eat; +i +]. + |. 79: ~ Notre, Beviechet 2 „Komm. 284 e AS +|...|. | a Cal 78. > ` Joeephrera Jeeege- ée d gieie e alles SE AER +9). we LI. (tu Itzehoe. 79. w RENCA, EE EEN +++! +|...|... SE "UNE AE AE 80. RS EE ee EIER Alt J++] +) EE

75. Von Travemiinde liegen 1 halbwiichsiges und 2 junge Ex. in Coll. Semper, von Steinbeck bei Segeberg dahingegen 4 erwachsene Ex. in der Berliner Sammlung; das lose Ex. von Dummerstorf ist im Besitz von Koch, Güstrow. Speyer citiert die Art aus dem Oberoligociin von Göttentrup.

8 C. GOTTSCHE, Holsteiner Gestein.

i TEE f = <= e pn

bedeutet Vorkommen der Art im Oligocän. E d Ee ZE Fa

o nach dem Material der Berliner Sammlung. 3 = | e E | oh KIERCHEN EI | EEN ali Srelëieiës A'S,

81. Sigaretus clathratus Réclus. ...........|... + | Eu: EE EEN Ge +

82. > cf. suturalis A7ay............. held +.... weak Pcs

83. Pyramidella plicosa Dr................. It FIFI AY... DEE ai ees

84. > elata v. Aaen... le Me EC EE

85. Eulimella Scillae Scac.................. | eee Bam: elle are IR BEE bag

86. Odontostoma conoideum Droc......... | PR: ee IE Es +o ae ieee ete a Oe ER

87. * » fraternum Semp.......... I. ak + EE ee ee ae ae a

88. Turbonilla terebellum PAzl. ........... oe T Ee Op .

89. * » costellata Grat.............. Es si een

90 » back v. Koen. ............. Peel ere eee ca ee BE EH | teg Se |

QI » striatula v. Koen. ........... N... FE EEN | LJ ar

92 > plicatula Broc. .............. lee heen | ae 8 |

93 > denseplicata v. Koen. ....... GE yes EY a ee

94. » Grateloupi œ’ Orb... | EEN ER en eer

95. » Hörnesi v. Koen............. hood he ee = RER Zeg sl

96. » Neumayri v. Koen. ......... E eal rte ae ott Eee et oe

97. » subumbilicata Grat.......... ENA T eg ge E oe

98. Monoptygma acicula Dubois. .......... eee pee ER Sore ee ee

99. ? > semilineata v. Korn. dE 7 ee HEH |

100. Aporrhais alata Lzchw......... ....... SR + Hot ltl t it] t _..|| Langendert.

101. * a fpeciosa Schl., var. Margerini Koz. | ++ ++I +++ LE eee . 1 Milla, Itzehoe

102. Cerithium spina Partsch. ............... E E RER Er

103. Eulima lactea @’Ord. ...............2.2 fee lee ge Bee | |

104. » Eichwaldi Horn. ............... I oe | E GE E

105. » subulata Don, re me

106. Niso eburnea Risso. .................... d KSE en SE EE a

107. Turritella marginalis Broc. ............ E bere dk eis em 1 Itzehoe.

108. * > Geinitzi Spey. oo. tr ZC polyp P EE EE EE E

109. À » subangulata Broc. ............ A boo BEE SER poe ee ae. eto

110. Scalaria subreticulata @’Ord............. ... al Zee eee |- | Itzehoe.

III. » frondicula S. Hood, el, 9 NEE séi

112. *Solarium Dumont Bosg................ seen E

113. Xenophora Deshayesi Ach, EI EI tht ttt oo Langendort.

114. Trochus Mülleri v. Aven. .. 2222222... a. sata aiser. E21 +; -| ? Langendert.

109. fide von Koenen. Miocän II, No. 192. »selten und klein im Holsteiner Gesteine, ohne Fundortsangabe.

| HRE | * bedeutet Vorkommen der Art im Oligocan. 2 = E > | P 14 E E rad o nach dem Material der Berliner Sammlung. | E als 2 Ä e > bk = 2 S K | 3 | Kinzelfunde. IEN 7 HE aja al 115. Trochus Tournoueri v. Aven. ............ el | EES . | 116. *Adeorbis carinata Pil. .....222222222..l.. ol... ie Ai | 1 + | 117. Lacuna Dunkeri v. Kven............... een ene u eege sl 118. *Calyptraea chinensis Jl eS Mes ee eb heat + l 119. *Patella compressiuscula Aars?.......... AEN ER DE E EG EE Kale SH ER | 120. Dentalium Bouéi Desk... ee I sce ch ae a SS 12T. » aff. badense Za, EE E EIER E EE E HH 122. entale Zu. u... E ee Aare + 123. Cadulus cf. subfusiformis Are, II INES LIE. WERL SER te ae ER 124. Tornatella tornatilis Z.................. | elle ee ee i ieee fee SE S 125. pinguis d'Orcë S u de Ee Aan SE | EE | EE 126. elata v. Koen. ..............|... gous EE SEEN LU ER DOE 127. *Orthostoma terebelloides Al. ........ T "tte er ae 128. Ringicula buccinea Drocchk............. BR ARE DE a ee titi t fit + | Langenderf. 129. » Grateloupi E’Orb............. SPE LEILA + +... ENEE OD I 30. » ventricosa Sow............... + | d +|+o| + ....!... WW | RR | 8 131. *Atys utriculus Droe... +++ H tI + tit 4... 45. 132. *Bulla acuminata Drug. ................. Hef RE bP E+ eee le. Leg: 3: Weiss EE ele Para E GER ENER 134. » elongata Zuchw................... GE E EN BER ek dere 135. » cylindracea Penn. ................ + ++ ++] + oo ce ees | a | Langendorf. 136. Bellardii v. Aven. ................ I... A EE REN SER collated a oe 137. *Scaphander lignarius Z., var. Grateloupi}) + ++ +/+[+ ce’ | 4|... ... Mölln, Langendorf. 138. Philine intermedia v. Koen. `... Bee ee ER Eulen, ER 139. » undulata v. Aven. .... S siecle |+ l T cas Ä 8 140. » complanata v. Aben............ Selina WE EE 141. » rotundata v. Koen. r.l, +| e 142. *Nautilus (Aturia) Aturi Dat, See + ee 143. Hyalaea perovalis v. Aaen... ll, N El ae ee 144. Cleodora deflexa v. Koen... aa E ee ee E u nip ae 145. *Vaginella depressa Daud .............. SE fe era fr) EE) BE D dE ER | 146. *Limacina hospes Role (= Spirialis val- | | vatna- IOS) ee lia eine tebe + lol...) Mendisch-Wehningen b. t47- EE deen leegen stier [Dömitz. TAGs. ANOIR SD eege eebe VÉBHSE D E 149. Pecten Gérardi Myst. ooo lee... +++] RB bia Pa BE ER !

C. GOTTSCHE, Holsteiner Gestein.

| | |

C. GOTTSCHE, Holsteiner Gestein.

152. unbestimmbar; 2 junge Ex. in Coll. Fack.

10

* bedeutet Vorkommen der Art im Oligociin. | = | pe E EI = e a = 2 o nach dem Material der Berliner Sammlung. | F = | Poe 3 > = ae E ia my, S i Einzelfunde. 150. Pecten opercularis Jr 8 acne oe N sls aa o 151. » cf. tigerinus Ai... | a sos

152. Avicula ap k E E E E WEG

153. Modiola sericea ër ...+tı ++) AIA H. + Jard

154. EES b A telen

155. Mytilus op ge ett RE ee er EE SE

‚156. Pinna sp, ee as ti... Möl, 157. Lima subauriculata Long, nee UNE e ee al en

158. Arca latesulcata Aye, Fee oe pape E A E ee

159 * » ef. Speyeri Aeng, 8... EE er ee es ae nee

160 Pectunculus glycimeris Je ee E ee ee > Itzehoe, Mölle,Langendorf. 161. » ?glycimeris,var.(tumida,obliqua) .... PA Ta D E GE EE Lüneburg. 162. Limopsis aurita Zoe, + , +i + | ee | + | + i + | + ... Mölln. 163. anomala Schw. 0.22.22... re TR ` bas E EZE GE

164. Nucula laevigata Aus, eae | Shotts | lee. Aes | 1" | eee

165. » Haesendoncki Axe Ä BE . sit + 4 +

166. E EE al ee papa iments EC EE

167. E en OS oe DEE DEE

168. Leda Westendorpi Ae, a est EE e + | + + + | 20 5 ze

i69- | pela eg get a Klees - Jo) ee een | eee

170. *Yoldia glaberrima Mä................. +|+|+1+|+ + ki, "kA... JI Itzehoe, 171.* » Philippiana Nyst.. ER ee E

172. Cardita an scalaris Wood............... EE EEN BER EAU EA AI IR e

173. Astarte aff. concentrica Gf.............' +) 4... a ae eee It Itzehoe, 174. *Spaniodon nitidus Ass. ................ se ee oe SES ee

175. Circe minima J/ont..................... | Aa Meth ae iS aes oes A WE EE ac eal

176. Cryptodon sinuosus Zou, +l... + g + ek so N ee E Itzehoe. 177. Lucina borealis Lo. Mm 2104 BEL] EA. E SE EE Bl |

178. A EE tt Ken else eee

179. Diplodonta op... E ee a ee GE | NEE E

155. bei Fack »das Vorkommen von Miocängestein unter Diluvialgeschieben in Holstein,« Schriften des Naturw. Ver. Schlesw.-Holst. I, p. 249, 1875 als Congeria amygdaloides Dkr. aufgeführt; aber schlanker in der Form, und nach dem Schlot:

ein echter Mytilus. 159. bei Melbeck und Hamburg nur je cinmal beobachtet.

könnte also eventuell oberoligocän sein. 160. unter Umständen gewisse Blöcke, namentlich bei Schulau, Flensburg und Niehuus so ausschliefslich erfüllend, dafs

man

von e, wahren Pectunculus-Gestein reden kann.

Das betreffende Geschiebe von Harburg enthält sonst Nichts,

C. GOTTSCHE, Holsteiner Gestein. II

* bedeutet Vorkommen der Art im Oligocan. = bo 3 pe Ek Fal o nach dem Material der Berliner Sammlung. F 3/8 ZS S p 213 2 8 Kinzelfunde. S'NIEIëlëlcIëIzé A|

180. *Cardium cingulatum G/. Jecke SE oe) 2. Sömatllum. Se, ode Kaes 2 |. EM A 182. » Maple: Are. in a) | | Pe (HIHIHIHI Roe oe 183. ? sp. nova aff. decorticatum S. Wood. S DS RE 3 aala Langendorf. 184. » turonicum: Cal. ra WR DIR KR e E AER a VE e 185. K PAPER me. ec en I+ WEE S TON E DEE St Bi gek T80.: Cyprus minda: EE EEN e mul FEW PORN IM) NEE LION IRRE CHEN URN LER Ce 187. Isocardia lunulata NMys2. ............... +/+/+1+1+1+1+ +!+|...l... Itzehoe, Mölln. 188. » harpa Gf. TK A TE PS N | NN e, Ve ETR LA 7 oy ia) RT + RER +| Xanten (Mus. Bonn). 189. Venus islandicoides LÈ. ............... ||... HIHIHIHI +1 +1...|+1+1...]... Itzehoe. Igo. a Malian e soi po aes tee ae eels ase al A +l..I#+l#1...|+ AE e E E ET ET GE Ee os SEIN, ECH GR 192. > EE EE TEL LEE. WER, ES TEE, des la D E de ION TEE EES e EE EEN E NEE CC, TRR, DE EA na 194: STONA E EE ++1+1+|+|+|...|... +l...+1 + || Itzehoe. 195. > See ee E WE GE ebe CENA POES KETEN ION EER 196. Syndosmya (Ligula) prismatica Mont. |.. Ir It AHIHIHIHI a. | ber? -Solecurtus: stneillatus Z. »,.2:2.448: 25: ba +1l...[+!+01+|...|. 198. Ensis Rollei Horn. o.n EES dE +/+/+/+| +1 +1 +1...1...|:..1.. „|| Itzebee. 199. Panopaea Ménardi Desh...... .........|... +/+ ]...J+o)+)/+/ ++] +/+ |... Itzehoe. 200. Cyrtodaria (Glycimeris) angusta Vys¢.)...)+/+]+ /+4]...} 2 + 201. Saxicava arctica Ze; ai iine tara ÁA rap | epee tet 4 TS DE GEN Nu AT 202. *Pholadomya (? Duscht G/) .. ue HIHIHI... 203,7 KETTEN desses EIEE ba Dach E Se PER 204. hraca. ventricosa PA... gaang da, "HRACE NMA ESEESE S Mölln. 208°. *Mactra ‘trinaeria: Aen, on HIHIHIHI +++ ++ | + |...) + || Mölln. 206. “Corbula: pibba COieeg u... ++ tittle] HIHIHI +] +l +] Itzehoe. 207. » TE ERT GG ER EN herr ik eg ls dl calle süss 208. > BASTI EECH, DH ME HR EE E AS E LR GE ER E 2 200. ‚Nesera tostat gue, ey on 9s ccc lh sabes +|+I+|...|+ gelt, Pe) re 210. » SOSEPN AGA Ices En Mace al kk DE oy ae ee HIHIHI ln. Mi. Aylophaga dorsalis Zeta eegen da elen ehh o E ee degkeet VER EE de CE EE, AS Cer AENT ES DI Ae) ie es ee

Summa 212 aus dem Holsteiner Gestein. | 52 | 96 | 84 |172] 99 | QI | 79 61 7 79 | 68 | 84 | 46 |

198. nicht Stoffelsi Nyst vom Bolderberg; auch mit den Wiener Arten nicht identisch. 211, das einzige Ex. von Travemünde in Coll. Semper; etwa 2'/2 mal so grofs, als lebende Ex., die zum Vergleich vor- lagen; aber in Form und Skulptur nicht zu unterscheiden,

12 C. GOTTSCHE, Holsteiner Gestein.

Eine genaue Durchsicht der Tabelle wird zeigen, dafs wirklich durchgreifende Unterschiede der einzelnen Fundortsgruppen kaum existieren. Weder Nassa Meyni Deyr., noch Phos decussatus v. Aoen., weder Columbella Beyrichi v. Aoen., noch Isocardia harpa Gf. können als leitend für einzelne Abänderungen angesehen werden. Um aber den Vergleich zu erleichtern, habe ich zumal die Pelecypoden weder vollständig aufgezählt, noch mit der nötigen Schärfe bestimmt sind die Gastropoden, Pteropoden und Cephalopoden, also dasjenige Material, auf welches auch Herr Professor von Koenen seine eingangs erwähnten Schlüsse basiert, in einer zweiten Tabelle vereinigt, die jeden Kom- mentar überflüssig macht.

Verbreitung der 146 Gastropoden, Pteropoden, Cephalopoden an den einzelnen

Fundorten. b i a |e Mle | ele | al _ S = fanl Y v 3 | E Q d = | Q u | 8) kend Be _- | Ba GA | = ~ AEAEE |lSISilslselalaei4i ai S| els] Pl ele |S ls |e ol] | nI|EIE IS | Mée aes SS TR EE 42 | 36 | 66 | 59 |127| 68 | 58 | 43 | 38 | 48 | 43 | TT feed Gap ENEE 42 | 19 | 27 | 23 | 37 |27 |30|20|11|15|r1 | 2 | | ERTEILT ER TREE I9 | 36 | 31 | 24 | 34 | 27 | 24 | 23 | 16 | 16 | 13 | nur Flensburg o a Ap wën, ee ae Paes See as 27 | 31 | 66 | 42 | 65 | 45 | 36 | 28 | 25 | 28 | 24 | nur Kiel 1 ai RER EEE TEE 23 | 24 | 42 | 59 | 56 | 41 | 37 | 31 | 22 | 27 | 23 | nur Plön o nu E TEESE LIE I E A E ET 37 | 34 | 65 | 56 |127| 6o | 48 | 39 | 31 141 38| nur Stolpe 34 ER Ae Te EE EES 27127/45141 | 60 | 68 | 47 | 30 | 20 | 28 | 23 | nur Segeberg 2 SERVE Age AE a ee 30 | 24 | 36 | 37 | 48 | 47/58) 29| 16| 27 ı8| nur Travemünde 3 | | | | EN Det Se EEN ......| 20 | 23 | 28 | 31 | 39 | 30 | 29 | 43 | 19 | 24 | 20 | nur Hamburg o EE HE TI | 16 | 25 | 22 | 31 | 20 | 16 | 19 | 38 | 28 | 22 | nur Melbeck 2

Es erübrigt ein Blick auf die den einzelnen Fundorten eigentümlichen ') Gastro- poden-Arten: Flensburg, Plön und Hamburg besitzen deren überhaupt nicht, Kiel, Se- geberg, Travemünde und Melbeck nur wenige, nämlich

Kiel: Bulla Bellardii v. Koen.

Segeberg: Spirilla rusticula Bast.

Dentalium aff. badense /a. Travemünde: Tritonium cf. apenninicum Sassz. Sigaretus cf. suturalis May. Niso eburnea Az7sso. Melbeck: Cancellaria cancellata Z. Cadulus cf. subfusiformis Sars.

Eine Ausnahme macht Stolpe mit 34 Arten, nämlich :

Cancellaria spinifera Graf. (zweifelhaft! vergl. bei No. 15)

1) Eigentümlich in dem Sinne, als die betr. Arten bisher an anderen Fundorten des Holsteiner Gesteins noch nicht beobachtet wurden.

C. GOTTSCHE, Holsteiner Gestein. 13

Fusus attenuatus //7/.

» eximius Deyr. Terebra cinerea Bast. Ancillaria cf. glandiformis Zé. (juv!) Pleurotoma elatior v. Koen. Defrancia Luisae Sep. Voluta Bolli Koch.

Natica Beneckei v. Koen.

14 Pyramidellaceen.

Trochus Tournoueri v. Aven. Adeorbis carinata P/7/. Lacuna Dunkeri v. Aven. Tornatella elata v. Koen. Bulla Weissi v. Koen. Philine 4 sp.

Hyalaea perovalis v. Koen. Cleodora deflexa v. Koen.

Zieht man aber die beiden zweifelhaften !) Arten ab, so bleiben als wichtige Formen eigentlich nur Fusus attenuatus /z/,, Fusus eximius Beyr. und Voluta Bolli Koch; denn die anderen Arten sind kleine, zierliche Sachen, die sich wohl aus einem Gestein von der Weichheit der Stolper Abänderung, aber nie aus Gesteinen von der gewöhnlichen harten Beschaffenheit der Plöner, Segeberger und Travemünder Blöcke herauspräparieren lassen.

Ich halte demnach dafür, dafs die Hauptmasse der als »Holsteiner Gestein« bezeichneten Sandsteingeschiebe, nemlich Columne 1—7 und die Einzelfunde aufser Langen- dorf als gleichalterig zu betrachten sind, und dafs nur ganz vereinzelte Geschiebe, welche auch im Gesteinscharakter an Bokup und Reinbeck erinnern, die aber aufser bei Melbeck und Langendorf in Hannover, nur bei Hamburg als grofse Seltenheit vorgekommen sind, einem etwas jüngeren Niveau angehören.

Ob nun das typische Holsteiner Gestein besser als unter- oder mittelmiocän betrachtet wird, kann ich bei der Zerfahrenheit der Litteratur über Bordeaux und das Wiener Becken nicht entscheiden, da es mir wenigstens nicht gelingen will, ein hin- reichend scharfes Bild von der Verteilung der dortigen Faunen in den verschiedenen Schichtenkomplexen und Alterstufen zu gewinnen. Dafs es aber älter ?) ist, als der Glimmer- thon (Beyrich’s Lager des unteren Elbgebietes), geht aus der verhältnismäfsig grofsen Zahl von oligocänen Formen hervor, welche das Holsteiner Gestein beherbergt, und so-

x

1) Ganz ausgelassen wurden: Cassis megapolitana Beyr. (v. Koenen I No. 81), Mitra Borsoni Bell. (ib. No. 135) und Marginella Beyrichi Semp. (ib. No. 142); die erste Art fehlt im Miocän (vergl. sub. 44), die zweite entstammt einer Glimmerthonkonkretion und bei der dritten ist das Alter unsicher.

2) Beyrich, Semper und von Koenen haben das immer als selbstverständlich betrachtet; nur ich selber (Sedimentärgesch. Sch. Holst. p. 56) sprach vor 4 Jahren eine gegentheilige Ansicht aus, die ich hiermit zurückziehe.

14 C. GOTTSCHE, Holsteiner Gestein.

dann aus dem Umstande, dafs von den Gastropoden des Holsteiner Gesteins nur 42°/o, von denen des Glimmerthons aber 56°/o im Pliocän fortgelebt haben.

Auf die Verbreitung des Holsteiner Gesteins ist neuerdings von Fack in Schr. Nat. Ver. Schl. Holst. 1875. Ip. 243 und von mir selber in Sedimentärgesch. Sch. Holst. Yokohama 1883. No. 70 p. 56 und in Zeitschr. d. deutschen geol. Ges. 1886. XXXVIII p. 247 mehrfach hingewiesen worden, so dafs ich mit der Bemerkung schliefsen will, dafs mir gegenwärtig miocäne Geschiebe vom Alter des Holsteiner Gesteins bekannt sind aus Fitland (Sahl bei Skive am Limfjord und Fredericia), Schleswig (12 Punkte), Holstein und Lauenburg (37 Punkte, davon nur 4 in der westlichen Landeshälfte), Nord- hannover (5 Punkte), Mecklenburg (Crivitz und Wendisch-Wehningen) und der Ahern- provinz (Xanten).

Es befindet sich das von mir untersuchte Material

von Flensburg in Coll. Gottsche,

von Kiel in Coll. Fack, Müller und Mus. Berlin, von Plön ın Coll. Müller,

von Stolpe in Coll. Fack, Müller und Gottsche, von Segeberg in Mus. Berlin, Sem. Segeberg und Coll. Müller, von Travemünde in Mus. Berlin und Coll. Semper,

von Hamburg in Mus. Hamburg und Coll. Semper, von Melbeck in Mus. Berlin und Mus. Hildesheim, von Itzehoc in Mus. Hamburg,

von Mölln in Mus. Hamburg,

von Langendorf in Coll. Koch,

von Crivitz in Mus. Berlin,

von Sahl bei Skive in Mus. Kopenhagen.

Ich erfiille eine angenehme Pflicht, indem ich denjenigen Herren, die mich mit Material oder mit ihrem Rat unterstützt haben, in Sonderheit den Herren Geheimrat E. Beyrich-Berlin, Gymnasiallchrer M. W. Fack-Kiel, Oberlandesbaumeister F. Koch- Güstrow, Amtsrichter C. Müller-Kiel, Senator H. Roemer-Hildesheim, Kaufmann J. O. Semper- Altona und Konservator E. Van den Broeck-Brüssel auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank ausspreche.

Die Deutschen Sisswasser-Bryozoen.

Eine Monographie von |

Prof. Dr. Karl Kraepelin,

Oberlehrer am Realgymnasium des Johanneum.

I. Anatomisch-systematischer Teil.

Mit VII Tafeln.

ER OR OD OST a

Vorbemerkung.

Die vorliegende Arbeit bildet den ersten Teil einer Monographie der deutschen Süfswasserbryozoen, welche mich durch mehrere Jahre beschäftigt hat. Veranlassung zu derselben gab in erster Linie die Entdeckung eines aufsergewöhnlichen Formenreich- tums dieser Tiere bei Hamburg und der hieraus erklärliche Wunsch, jene Formen systematisch unterscheiden zu lernen. Dabei ist denn, wie dies zu geschehen pflegt, das Ziel allmählich immer weiter gesteckt worden, ja schliefslich vielleicht zu weit für einen Mann, der nur wenige Mufsestunden wissenschaftlich zoologischen Studien widmen kann. Dennoch wage ich zu hoffen, dafs meine Untersuchungen nach manchen Richtungen neue Gesichtspunkte darbieten. \Vo aber das Können zu schr hinter dem Wollen zurück- geblieben sein sollte, da möge eine billige Kritik den oben beregten Umstand mit in Rechnung ziehen. |

Herrn Maler F. Hempel, der mit grofser Hingebung unsere deutschen Formen mit seinem Pinsel naturwahr wiederzugeben erfolgreich, sich bemüht hat, bin ich zu auf- richtigem Danke verpflichtet; desgleichen Herrn Dr. F. Stu/lmann, der als junger Studiosus so manche Centurie von Serienschnitten für mich anfertigte und mit anderen meiner ehemaligen Schüler bei der Beschaffung des reichen Materials mich eifrig unterstützt hat. Dank auch schulde ich den verschiedenen Institutsvorständen und Fachgenossen für zahl- reiche Zusendungen und Notizen, welche mir im Verlaufe meiner Studien zur Verfügung gestellt wurden.

Den zweiten Teil dieser Monographie, die Entwickelungsgeschichte der Süfswasser-

bryozoen, hoffe ich binnen Jahresfrist dem zoologischen Publikum vorlegen zu können.

Hamburg, den ı. August 1887. Karl Kraepelin.

INHALT.

A. Historisches, Litteratur .

D

. Allgemeines . C. Anatomie . Die Leibeswand

2. Das Polypid

3. Die Leibeshöhle nd ihre deen D. Allgemeine Lebensbedingungen und Lebens-

erscheinungen E. Systematik 3 Bestimmungstabelle der: Carmen, Victorella Paludicella Fredericella . Plumatella (Alcyonella, irana . Lophopus Pectinatella . Cristatella

F. Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Süss- wasserbryozoen .

ln

Pag.

We

43 66

79 89 92 93 gO 99 104 125 133 138

Die deutschen Sülswasserbryozoen

von

Prof. Dr. K. Kraepelin.

A. Historisches. Litteratur.

Die Geschichte unserer Kenntnis der Süfswasserbryozoen, welche einen Zeit- raum von fast 12 Jahrhunderten umfafst, ist mehrfach Gegenstand eingehender Studien gewesen. Namentlich sind es die Werke von Dumortier und van Beneden. wie von Allman, welche die bis zur Mitte unseres Jahrhunderts erschienenen Arbeiten chronologisch aufzählen und kritisch beleuchten. Es wäre ein vergebliches Beginnen, diese mit grofser Sorgfalt ausgeführten historischen Studien bewährter Forscher durch eine neue Analyse der älteren Autoren überbieten zu wollen. So mag denn an Stelle derselben hier eine kurze Skizze der verschiedenen Epochen folgen, welche nach meiner Ansicht in der allmählichen Entwickelung unseres Wissens über die Bryozoen sich herausheben lassen. Das hieran sich anschliefsende Litteraturverzeichnis aller mir bekannt gewordenen Spezial- schriften über Süfswasserbryozoen ist vornehmlich beigefügt, um dadurch eine Verein- fachung der im Verlauf meiner Arbeit gegebenen notwendigen Zitate zu ermöglichen.

Die erste Periode in der Geschichte der Süfswasserbryozoen läfst sich charak- terisieren als die Periode der nach und nach erfolgenden Entdeckung und Beschreibung unserer europäischen Süfswasserformen, des Kampfes um die Bedeutung der wichtigsten Organe und Organsysteme, wie des Darmtraktus, der Statoblasten, der Wimperembryonen etc. Sie beginnt mit dem Jahre 1741, der ersten Beobachtung einer Süfswasserbryozoc durch Trembley und schliefst im wesentlichen ab mit der Entdeckung des Nervensystems durch Dumortier im Jahre 1835. Die Beschreibung, welche Trembley von seinem »Polype a panache«, dem späteren Lophopus von Dumortier, im Jahre 1744 gab, ist für die da- malige Zeit aufserordentlich exakt zu nennen. Er erkannte klar die verschiedenen Abschnitte des Darmtraktus, die Bewegung der Leibesflüssigkeit, den grofsen Retraktor, welcher die Tentakelkrone in die gallertartige Körpermasse zurückzieht. Ja, auch die Bedeutung der Statoblasten als »Eier«, welche schon vor ihm von Jussieu und Réaumur entdeckt waren,

6 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

vermag er zwei Jahre später zu bestätigen, wenn er an Donnet schreibt, dafs er die trockenen Eier »gleich den Eiern des Seidenwurmes« nach England übergeführt und dort im kommenden Frühjahr das Auskriechen der Polypen beobachtet habe. Ähnliche Zu: verlässigkeit der Angaben finden wir unter den älteren Autoren nur noch etwa bei Baker. dem fast gleichzeitigen Entdecker des Lophopus (»Bell flower animal«) in England, und O. Fr. Müller. Die Mehrzahl der auf jene ersten Entdecker folgenden Beobachter hat neben der Beschreibung dieser oder jener neuen Form nur das zweifelhafte Verdienst, die klare Auffassung 7rembleys und Bakers durch abenteuerliche Behauptungen ver- dunkelt zu haben. Zu ihrer Entschuldigung mag jedoch die Tatsache angeführt werden, dafs sie in den von opaken Röhren umschlossenen Plumatellen und Alcyonellen weit ungünstigere Untersuchungsobjekte vor sich hatten, als Zrewblcy und Laker im Lophopus, der fast ein Jahrhundert lang nicht wieder aufgefunden werden konnte. Den Reigen in dieser Periode des Rückschlags uud der irrigen Ansichten beginnt Avese/, welcher in.der Beschreibung seiner »Vederboschpolypen« (Plumatella und Cristatella juv.) den Darm- traktus als solchen nicht anerkennen will und die Statoblasten im Innern der Röhren fur Nahrungsstoffe, für die Samen von Lemna, erklärt. Sodann behauptet Lichtenstein 1797, dafs die Bryozocn mit dem Süfswasserschwamm im wesentlichen identisch seien, während Raspail 1827 alle die verschiedenen bis dahin beschriebenen Formen lediglich als ver- schiedene I£öntwickelungszustände einer und derselben Art auffafst, den »Magens Zrem- dleys nicht finden kann und dessen Retraktor auf cine »Hautfalte. zurückführt. Auch noch Meyen, der Entdecker bewimperter Embryonen, wird durch eben diese Entdeckung so sehr irre geleitet, dafs er im Jahre 1834 (Reise um die Erde, S. 293) die Statoblasten für Keime von Parasiten in Anspruch nehmen zu müssen glaubt.

Inzwischen war die Zahl der aufssefundenen Formen erheblich vermehrt worden. Auf Koesels Entdeckung der »Vederboschpolypens (Plumatella und Cristatella) folgte im Jahre 1768 die der «Tubularia fungosa« (Alcyonella) durch /rr/las in Rufsland, der » Tubu- laria sultana« (Fredericella) 1774 durch Llamenbach bei Göttingen, endlich der » Alcyonella articulata« (Paludicella) 1829 durch LArenberg bei Berlin. Natürlich konnte es bei der Langsamkeit, mit welcher zu damaliger Zeit zoologische Beobachtungen auch im Auslande bekannt wurden, nicht ausbleiben, dafs ein und dasselbe Tier von verschiedenen Forschern im Laufe der Jahre aufs neue beschrieben wurde, dafs eine verwirrende Synonymie sich herausbildete, die bei der Mangelhaftigkeit der meisten Diagnosen -— auch dann nicht völlig zur Klarheit zu bringen war, als man nach Ziwnds bahnbrechenden Vorschlägen auch die Bryozoen des süfsen Wassers mit Gattungs- und Artnamen zu bezeichnen begann. Der erste, schon von Zzuxd in Anwendung gebrachte Gattungsname war Tubipora (1758), da er die Süfswasserbryozoen mit den Polypen gleichen Namens für nahe verwandt hielt. Pallas bezeichnete die von ihm entdeckte Form als Tubularia fungosa. Cuvčer schuf im Jahre 1804 die Gattung Cristatella, Lamarck die Gattungen Plumatella und Alcyonella, neben welchen die Gattung Tubularia mit sehr heterogenen Elementen fortbestand. Dies ungefähr waren die Resultate, welche die Bryozoenforschung gegen das Ende unserer ersten Periode aufzuweisen hatte. Unklarheit und widersprechende Behauptungen über

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süsfwasserbryozoen . 7

die wichtigsten Organsysteme und deren physiologische Bedeutung auf der einen Seite, buntes Zusammenwerfen heterogener Formen, mangelnde Einsicht in die systematische Gliederung derselben auf der andern. Letztere konnte naturgemafs erst gewonnen werden, nachdem der anatomische Bau unserer Tiere im wesentlichen definitiv festgelegt war. Dies aber geschah vor allem durch Dumortier 1835. den wir daher als abschliefsend für die erste Periode bezeichnet haben. Die Irrtümer Aoese/s und Raspar/s konnte er mit Leichtigkeit als solche nachweisen, da ihm zum erstenmal wieder seit /rembleys und Bakers Zeit ein transparenter »Polype a panache«, ein Lophopus, zu Gebote stand. Die Organsysteme der Haut, der Atmung, Blutbewegung, Verdauung, Bewegung, Generation werden eingehend besprochen, das Nervensystem wird als Schlundganglion nachgewiesen und die verschiedene Vermehrung der Bryozoen durch wimpernde Embryonen And durch »Eier« (Statoblasten), je nach der Jahreszeit, hervorgehoben.

Auf diesen Forschungen konnte endlich als auf sicherer Grundlage getrost weiter gebaut werden. In Frankreich, Belgien und England entwickelte sich ein reger Wetteifer im Studium unserer Tiere, cine Blütezeit der Forschung begann, wie sie selbst durch Zrenr- bleys staunenerregende Beobachtungen nicht hervorgerufen war. Den äufseren Abschlufs dieser swezten Periode in Europa sehe ich in dem Erscheinen der grofsen A//manschen Monographie »The fresh-water Polyzoa« im Jahre 1856, welche zusammenfassend Alles vor Augen führt, was im Laufe von nur zwei Dezennien geleistet worden. Die Abtren- nung der Bryozoen von den Coelenteraten, die Gliederung derselben in natürliche Ord- nungen, Familien und Gattungen: das sind die Charaktermerkmale dieser Periode auf systematischem Gebiet, während in anatomisch-physiologischer Hinsicht unsere Kenntnisse so weit gefördert wurden, als dies ohne die Anwendung moderner technischer Hilfsmittel, ohne Tinctionen und ohne Anfertigung von Schnitten, überhaupt möglich erscheint.

Schon Dumortier hatte den Polype a panache zur Gattung Lophopus erhoben. Ihm folste zunächst Gervars, welcher 1837 die Gattung Paludicella, 1839 die Gattung Fredericella schuf und gleichzeitig diese beiden Gattungen als Gruppe der Polypiaria infundibulata den andern Süfswasserformen, den Polypiaria hippocrepia, gegenüberstellte. Somit waren die sämtlichen, bis auf den heutigen Tag geltenden Gattungen der curo- päischen Süfswasserbryozoen geschaffen und auch das Einteilungsprinzip gefunden, welches dieselben in zwei differente Gruppen, die Lophopoden und Stelmatopoden oder, wie Allman will, in die Phylactolaemen und Gymnolaemen zerlegte. Bald folgte die Erkennt- nis, dafs ‘die »Polypes composes« unmöglich bei den »Radiaten« verbleiben könnten, wie dies zuerst, neben Arenberg und Thomson, Milne Edwards im Jahre 1837 (Ausgabe von Lamarcks Animaux sans vertebres Bd. II.) klar zu legen suchte. Zahlreiche Schriften von Dumortier, van Beneden, Hancock und Allman förderten mächtig unsere Kenntnisse in anatomischer, biologischer und physiologischer Hinsicht, und dieses neue Wissen wurde mit dem altüberkommenen zum Teil in umfangreichen, mit prächtigen Abbildungen ausgestatteten Monographien (Dumortier und van Beneden, Allman) niedergelegt.

So schien am Ende der fünfziger Jahre ziemlich Alles erreicht, was mit den da- maligen Mitteln zu erreichen war, wenigstens zunächst für die europäischen Formen.

8 K. KRAEPELIN, Die deutschen Siifswasserbryozoen.

Schon aber war durch Zew/y bekannt geworden, dafs die Bryozoen des süfsen Wassers durchaus nicht auf Europa beschränkt seien, sondern im mittleren Nordamerika in aufser- ordentlicher Fülle und Formenmannigfaltigkeit sich vertreten finden. Kein Wunder daher, dafs nun auch in anderen Erdteilen Umschau gehalten wurde, welche zur Entdeckung teils altbekannter, teils neuer, fremdartiger Formen namentlich in Indien (Carter 1858), sodann auch in Australien (A//n 1860) führte, ohne dafs dadurch höhere und allgemeinerc- Gesichtspunkte für unsere Tiergruppe gewonnen wurden. Nur in Amerika drängte die Fülle des vorhandenen Materials zu eingchenderem Studium, zu einer monographischen Bearbeitung nach +l//wanscher Art, welcher sich //yat (1866. --1869) unterzog und so gewifsermafsen eine Nachblüte dieser in Europa mit Jusen abschliefsenden Periode in Amerika hervorrief.

Die dritte und letzte Periode in der Geschichte der Süsswasserbryozoen möchte ich als die histiologisch-embryologische bezeichnen. Nicht als ob bis zu diesem Zeit- abschnitt keinerlei Versuche gemacht wären, den feineren Bau der Gewebe oder die Entwickelung des Eies, der Knospe und des Statoblasten genauer zu ergründen, es mussten aber alle diese Versuche der älteren Forscher erfolglos bleiben, so lange die mikroskopische Technik nicht genügende Mittel an die Hand gab, so schwierige Fragen ernstlich in Angriff zu nehmen. Nirische (1868) war der erste, welcher mit den Hilfs- mitteln der modernen Technik die Fragen nach dem histiologischen Bau des Bryozoen- körpers, nach der Entwickelung der Statoblasten, später auch der Knospen zu lösen unternahm und dadurch eine neue Epoche im Studium der Phylactolacmen nicht allein, sondern der gesamten Bryozoenklasse herauffiihrte. Manches ist auf diesem Wege bereits erreicht worden; dennoch sind wir noch weit von dem zu erstrebenden Ziele entfernt. Hinüber und herüber noch schwanken die Ansichten über die Beteiligung der Keimblätter bei der Entwickelung der Knospe, über die Deutung des perienterischen Hohlraums, das Verhältnis von »Cystid« und »Polypid« und über so manche andere Frage von hoch- wichtiger, für unsere Gesamtauffassung des Broyzoenorganismus geradezu fundamentaler Bedeutung. Gilt es doch, aus den Ergebnissen, welche die histiologisch-embryologische Forschung der gegenwärtigen Epoche uns liefern soll, eine begründete Ansicht zu ge- winnen nicht allein über den phylogenetischen Zusammenhang der so mannigfachen Formgebilde der Süsswasserbryozoen unter sich und über ihre etwaige Ableitung von marinen Gruppen, sondern auch über die verwandtschaftlichen Beziehungen, welche die Gesamtklasse der Bryozoen mit den grofsen Kategorien der übrigen tierischen Lebewesen verbinden. Es hiefse eine Geschichte der Bryozoenkunde überhaupt schreiben, wollte ich die. zahlreichen Arbeiten moderner Forscher hier aufzählen, welche dieses Ziel mehr oder minder bewufst vor Augen gehabt haben. Auf die Süsswasserbryozoen, das mag hier nur hervorgehoben werden, ist der grofse Gedanke Lamarck’s und Darwin’s bisher kaum jemals in bewufster Weise angewandt worden, wie denn auch die embryologischen Arbeiten von .Vztsche weitaus das Hervorragendste darstellen, was bis zur Stunde über die Entwickelung von Knospen und Statoblasten der Phylactolaemen bekannt geworden ist.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 9

Litteraturverzeichnis, chronologisch geordnet. *)

Trembley: Mémoires pour servir a l'Histoire d'un genre de Polypes d'eau douce. Leyden, 1744. Erste Entdeckung einer Süfswasserbryozoe (T.ophopus). Er kennt den Darmtraktus und seine Teile, den Retraktor, Funiculus, Blutzirkulation. Die kleinen Körnchen im Blut sind vielleicht Eier.

Baker: An attempt towards a natural history of the Polype in a letter to Martin

Folkes. London, 1743. Nur über Hydra, mit kurzer Erwähnung der Ent- deckung Trembleys. Baker: Empl. of microscope. London, 1753. Beschreibung von TLophopus.

4. Back: Kurze Nachrichten von Wasserpolypen in Abh. d Schwed. Acad d. Wiss.,

IO.

Il.

13

1745, tom. VIII.; übersetzt von Kästner, Hamburg. Beschreibt Lophopus und einen »Polype a panache fixe« (Alcyonella?). Statoblasten in den Herbströhren. Roesel: Insektenbelustigungen. Nürnberg, 1754. Beschreibt zuerst Plumatella und junge Cristatella (kleiner Vederboschpolyp). Leugnet Darm Trembleys, hält Statoblasten für Lemna-Samen. Schaeffer: Die Armpolypen im süssen Wasser. Regensburg, 1754. Beschreibt den »Kammpolypen« (Plumatella). Statoblasten sind Eier.

Pallas: Elenchus Zoophytorum. Hagae-Comitum, 1766. Trembley’s Polype als Tubularia cristallina, Roesel’s Vederboschpolyp als Tubularia gelatinosa aufgeführt.

Pallas: Descriptio Tubulariae fungosae prope Volodemirum observatae in Nov. Comm. Acad. Petr. XII. p. 565, 1768. Entdeckung von Alcyonella fungosa bei Vlademir.

Leendert Bomme: Bericht aangaande verscheiden zoonderlinge Zee-Insecten in Acta etc. Vlissingen, 1769. Beobachtet Wimperbewegung an den Tentakeln.

O. Fr. Müller: Vermium terrestrium et fluviatilium Historia. Lipsiae, 1773. Schäffers Kammpolyp als Tubularia repens beschrieben. Roesels Irrtümer betr. Magen und Statoblasten werden widerlegt.

Slumenbach im Göttinger Magazin I. Jahrg., p. 117, 1774 beschreibt Tubularia sultana. Abbildung hierzu in seinem Handbuch der Naturgesch., Göttingen, 1779.

. Eichhorn: Beiträge zur Naturgeschichte der kleinsten Wasserticre in den Gewässern

um Danzig. Danzig, 1776. Hat Cilien an den Tentakeln einer Plumatella beobachtet. O. Fr. Müller: Animalcula Infusoria fluviatilia et marina. Hauniae, 1786. Be-

schreibt unter dem Namen Leucophra heteraclita die Embryonen einer Plumatella als Infusorien.

*) Enthält nur die Spezialarbeiten über Süfswasserbryozoen. Die älteren Werke (vor Allman) sind

nur so weit von mir eingesehen, als sie auf der Stadtbibliothek zu Hamburg vorhanden waren; im übrigen

referiere ich über dieselben nach den kritisch-historischen Abschnitten der Arbeiten von Dumortier, van Beneden

und Allman.

IO

14.

15.

18.

19.

20.

21.

22:

23.

24.

25.

26.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Bruguière beschreibt 1789 in seiner Encyclop. method., Vers, pag. 24 die Tubularia fungosa Pallas als Alcyonium fluviatile.

Lichtenstein behauptet 1797 in den Skrivter af Naturhist. Selskabet, Kiobenhavn, pag. 104, dafs Spongilla lediglich nur aus Süfswasserbryozoen bestände.

Cuvier stellt 1798 in seinem »Tableau élementaire de l'histoire naturelle des Animaux e den Koeselschen kleinen Federbuschpolypen als Gattung Cristatella zu den Vorticellen.

Vaucher: Observations sur les Tubulaires deu douce in Bull. Soc. Philom. 1804 p. 157.— Er beschreibt Schäffers Kammpolyp und eine neue Tubularia lucifuga. In derselben Nummer giebt Dosc eine Gattungsdiagnose für diese Süfswasser- formen, welche von den marinen Tubularien getrennt werden müfsten.

Laktarck: Histoire naturelle des animaux sans vertèbres. Paris, 1816. Vol. 6 Er “nennt die Bosc'sche Gattung Plumatella, die Bruguiére’s Alcyonella und gesellt ihnen die Cuvier'sche Gattung Cristatella zu. Letztere beiden bilden mit Spon- gilla und Difflugia die erste Sektion seiner »Polypes a polypier«, Plumatella mit Tubularia und Cellaria die zweite. Alcyonium fluviatile heifst nun Alcyonella stagnorum.

Lamouroux: Histoire des Polypiers coralligenes flexibles, Caen, 1816. Er ändert den Namen Plumatella in Naisa.

Raspail: Histoire naturelle de l’"Alcyonelle fluviatile in Mém. Soc. d'Histoire nat. de Paris, tom IV. 1827. Alle Siifswasserbryozoen sind nur verschiedene Ent- wickelungsstadien einer Spezies. Trembley's Magen und Retractormuskeln existieren nicht. Funiculus ist Ovarium. Gute Beschreibung der Statoblasten.

Meyen: Naturgeschichte der Polypen in Isis, 1828. Erste Entdeckung wimpernder Embryonen (Leucophra heteroclita Muller).

Meyen: Nachträgliche Bemerkungen zur Naturgeschichte der Polypen des süfsen Wassers in Isis, 1830. Tubularia sultana Blumenbach ist = Difflugia protei- formis.

Ehrenberg: Symbolae Physicae, Evertebrata (Dec. I. fol. a), Berol., 1829—31. Beschreibung der Paludicella als Alcyonella articulata.

Dalyell: On the propagation of certain Scottish Zoophytes in Rep. Brit. Assoc. 1834; auch in Frorieps Notizen Bd. 42. Beschreibt Cristatella mirabilis und ihre Statoblasten.

Dumortier: Recherches sur l'anatomie et la physiologie des polypes comp. d’eau douce in Bull. de l’Acad. de Bruxelles, 1835; auch in Frorieps Notizen Bd. 49 und separat. Trembleys Polyp wird zur Gattung Lophopus erhoben. Irrtümer Roesels und Raspails werden klar gelegt, Nervensystem erkannt. Wimperem- bryonen. Wichtigste anatomische Arbeit bis zu diesem Zeitpunkt.

Gervais hält 1835 in d. Bulletin zoologique 2. sect. p. 123 die Gattung Lophopus für identisch mit Plumatella.

27.

28.

30. SE

32,

33-

34.

35.

36.

37-

. Dumortier und Van Beneden: Histoire naturelle des Polypes composés d'eau douce.

39. 40.

41.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. II

Turpin: Étude microscopique: de la Cristatelle in Ann. Sc. nat. 1836, tom VII, 2e série. Er beobachtet das Auskriechen der Cristatella aus den Statoblasten. Faeces sind junge Statoblasten, die erst später Dornen bekommen.

Gervais: Recherches sur les Polypes d'eau douce des genres Plumatella, Cristatella et Paludicella in Ann. Sc. nat. 2e série VII, 1837; Auszüge in Compt. rend. tom III, in l'Institut IV (1836) und Soc. Philom. (1837). Ehrenbergs Alcyonella arti- culata wird zur Gattung Paludicella erhoben und mit Tubularia sultana als Gruppe der Polypiaria infundibulata den Polypiaria hippocrepia mit hufeisenförmiger Tentakelkrone gegenübergestellt.

Teal: On Alcyonella stagnorum in Trans. Phil. Soc. Leeds, I, pag. 116, 1837. Nichts Neues.

Johnston, A.: History of the British Zoophytes. Edinburgh 1838. Nur compilatorisch.

Van Beneden: Quelques observations sur les Polypes d'eau douce in Bull. Acad. Bruxelles, 1539, tom. VI; auch in Fror. Not. Bd. 17 und in Ann. sc. nat. Tom. 14, 1840. Die Fluktuationen in der Leibeshöhle werden durch Cilien hervorgebracht. Am Grunde der Tentakelkrone befindet sich »une bouche aquifère e. Ganglion; Flimmernde Embryonen; Spermatozoen.

Gervais: Observations sur les Polypes d'eau douce in Ann. Franc. et Etrang. d'Anatom., 1839; Auszüge in Compt. rend. Tom. VIH und l'Institut VII. Blumenbach'’s Tubularia sultana wird zur Gatt. Fredericella erhoben, Lophopus von Plumatella generisch nicht getrennt. System: Polypiaria infundibulata (Gatt. Fredericella, Paludicella) Polyp. hippocrepia (Gatt. Cristatella, Alcyonella, Plumatella).

Van Beneden: Recherches sur la structure de l’oeuf dans un nouveau genre de po- lypes in Bull. Ac. Bruxelles, 1840, Tom. VI.

Coste: Propositions sur l'organisation des polypes fluviatiles in Compt. rend. 1841. Ohne Figuren. Anatomie des Darmtractus, Nervensystems, Muskelsystems. Die Broyzoen sind von den Radiaten fortzunehmen und zu den Mollusken zu stellen.

Coste: Observation relative a la Tubulaire sultane in Compt. rend. 1841. Organi- sation derselben wie bei den Hippocrepia.

Nordmann: Uber einen mit günstigem Erfolg angestellten Versuch, Sifswasserpolypen von Paris nach Odessa zu verpflanzen in Bull. sc. Ac. Petersbourg VIII, 1841. Statoblasten krochen aus.

Laurent: Sur la physiologie de l’Alcyonelle in Soc. Philom etc., 1841, p. 61-—63.

rer part. in Nouv. Mémoir. de l'Acad. Roy. de Bruxelles Tom. XVI. 1842. Historische Übersicht. Hassal: On Plumatella repens in Ann. Mag. Nat. Hist. Vol. 10, 1842.

Allman: On the Muscular System of Paludicella and other Ascidian Zoophytes of fresh water in Proc. Roy. Irish Acad., 1843. Muskulatur von Paludicella. Allman: On Plumatella repens in Reports of British Association, 1843. wenn

Variationen; Muskulatur.

12 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

42. »Wlman: Synopsis of the genera and species of Zoophytes inhabiting the fresh waters of Ireland in Rep. Brit. Assoc., 1843 und in Ann. Mag. Nat. Hist., 1844. Systematisch.

43. Van Deneden: Recherches sur les Bryozoaires, 1845.

44. dddman: On the Larva state of Plumatella in Proc. Roy. Ir. Acad., 1846.

45. dMman: On the Structure of Cristatella mucedo in Rep. Brit. Assoc., 1846. Ganglion; gestreifte Muskclfasern. stier. anfangs von einer Membran umhüllt.

46. Lan Beneden: Recherches sur les Bryozoaires fluviatiles de Belgique in Nouv. Mém. de l'Acad. Roy. de Belgique Tom. XXI, 1848. Wichtige neue Arbeit mit [.itteraturverzeichnis, Synonymik, Besprechung der einzelnen Organsysteme.

47. Dumortier und Van Beneden: Histoire naturelle des Polypes composes d'eau douce, 2e partie in Complement au tom. XVI des Mém. de l'Acad. Roy. des Sciences de Bruxelles, 1848. -— Mit Allman’s Monographie die wichtigste ältere Arbeit über Süfswasserbryozoen in bibliographischer, anatomischer, systematischer und iconographischer Hinsicht. Die Abbildungen ubertreffen vielfach die des Allman- schen Werkes an Naturtreue.

48. Dalyell; Rare and remarkable Animals of Scotland, represented from living subjects. London 1847/48. --- Beschreibung v. Cristatella »vagans«, Alcyonella »gelatinosa« und Plumatella repens.

49. ©. Siebold: Über Blepharophora Nymphaeae Perty in Fror. Not. 3. R. Bd. 7, 1848. Ist Alcyonella fungosa.

50, man; On Lophopus cristallinus in Rep. Brit. Assoc., 1849. Lophopus bei Dublin. Plumatella »curallioides«. |

51. man: On the Nervous System and certain other points in the Anatomy of the

Bryozoa in Rep. Brit. Assoc., 1849. Nervensystem von Plumatella. 52. Aiman: The Natural History of the genus Alcyonella in Proc. Roy. Irish Acad., 1850. Muskulatur, Nerven, Embryonen. Historisches.

53. Ian Beneden: Sur la Classification des Bryozoaires in l'Institut 18, 1850.

54. Hancock: On the Anatomy of the Fresh-water Polyzoa, with description of three new species in Ann. Mag. Nat. Hist., 1850. Vergleich zwischen Bryozoen und Brachiopoden. Plumatella » Allmani«e, »punctata: ; Paludicella »procumbens«.

55. man: On the reproductiv System and Development of the gemmae in Paludicella in Proc. Irish Acad. Vol. 5, 1850.

56. Aman: Report on the present state of our knowledge of the fresh-water Polyzoa in Rep. Brit. Assoc. 1850. Zusammenfassung.

57. Leidy: On some american fresh-water Polyzoa, On Cristatella magnifica, On Pluma- tella diffusa in Proc. Acad. Nat. Sc. Philadelphia Vol. 5, pag. 261, 265, 320. 1851. Erste Nachricht über das Vorkommen von Bryozoen in Amerika.

58. Al/man: On the Homology of the Organs of the Tunicata and the Polyzoa in Transact. Roy. Ir. Acad., 1852, Vol. XXII. Ilomologien beider Gruppen.

59.

61.

63.

64.

65.

66. 67.

68.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 13

Laurent: Sur la Cristatella mucedo Cuv. in Soc. Philom., 1852; auch in l'Institut 1852.

Leidy: On Urnatella gracilis and a new spec. of Plumatella (Pl. vesicularis) in Proc. Acad. Nat. Sc. Philadelphia Vol. VII, 1854, p. 191—92.

Allman: A Monograph of the Fresh-water Polyzoa, London 1856, 119 Seiten mit 11 Taf. Hauptwerk über die Süfswasserbryozoen und mit den Arbeiten von Dumortier und van Beneden die Grundlage, auf der alle späteren Autoren fulsen. Das Werk zerfällt in einen anatomisch-physiologischen (auch Homologien), einen historisch-geographischen und einen systematischen Teil. Auch die ausländischen Formen werden berücksichtigt.

. Leidy: On Cristatella Idae in Proc. Ac. Nat. Sc. Philadelphia, 1858. pag. 189.

Systematisch.

Carter: Description of a lacustrine Bryozoon allied to Flustra (Hislopia) in Ann. Mag. Nat. Hist. 3 Ser. Vol. I pag. 169—171, 1858. Erste Beobachtung von Bryozoen in Asien (Nagpoor, Indien).

Carter: On the Identity in structure and composition of the so called leedlike body of Spongilla with the winter Egg of the Bryozoa and the presence of starch granules in each in Ann. Mag. Nat. Hist. (3) Vol. III pag. 332, 1859. Ver- gleich der Spongillengemmulae mit Statoblasten. Lophopus, Plumatella und Pa- ludicella bei Bombay.

Aplin; On Fresh-water Polyzoa in Australia in Ann. Mag. Nat. Hist. (3) Vol. 6, pag. 454, 1860. 2 Plumatellen bei Melbourne, deren eine Pl. emarginata Allm.

Mac Gillivrais: Description of a New Species of Plumatella in Transact. Roy. Soc. Victoria Vol. V p. 203—204, 1860. Plumatella »Aplinie bei Melbourne, der Pl. emarginata Allman nahestehend.

Hancock: On a new Species of Plumatella and on the occurrence of Fredericella sul- tana near Newcastle and of Lophopus cristallinus in Northumberland in Trans. Tyneside Nat. Field Club Vol. IV p. 67—68, 1860. Mir nicht zugänglich gewesen.

Houghton: On'Fresh-water Polyzoa in Pop. Sc. Review Vol. H p. 307—10, 1863. Mir nicht zugänglich gewesen. Fredericella wurde auch im Winter lebend ge- funden.

. Hyatt: Observations on Polyzoa, Suborder Phylactolaemata, in Communications Essex

Instit. Vol. IV p. 228 und Vol. V p. 97—112, 145—160, 193—232. 1865—66. Umfassendste amerikanische Arbeit über TEEN mit zahlreichen neuen Beobachtungen über die »Ectocyste«, die »Endocyste«, die Statoblasten Knospen und Embryonen, Muskeln, Nervensystem etc. Die sitzenden Statoblasten werden hier zum ersten Mal eingehend behandelt. Treffliche biologische Beob- achtungen und längere Auseinandersetzungen über die verwandtschaftlichen Be- ziehungen der verschiedenen Formen zu einander. Diese Arbeit scheint in Deutschland wenig bekannt geworden zu sein; auch Nitsche (1868) lässt sie unerwähnt.

14

70.

71.

73.

74.

75-

76.

77.

79.

80.

Sr.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen,

Parfitt: On two new Species of Fresh-water Polyzoa in Ann. Mag. Nat. Hist. (3) Vol. 18, p. 171—173, 1866. Plumatella »lineata«e und Pl. -Limnas«e. Be- schreibung von Statoblasten der Paludicella.

Ranson, F. and T. Graham Ponton: Notes on Lophopus cristallinus in Pop. Sc. Review, Vol. 5, p. 438—441, 1866. Mir nicht zugänglich gewesen.

. Nitsche, H.: Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte der phylactolaemen

Süsswasserbryozoen, insbesondere von Alcyonella fungosa. Berlin 1868; auch im Arch. Dubois und Reichert 1868. Wichtigste anatomische Arbeit der neueren Zeit. Erste eingehende Schilderung der Statoblastenentwickelung.

Kent, W.: On a new Polyzoon Victorella pavida from the Victoria Docks in Quaterl. Journ. Mier, Sc., new Serie, Vol. 10, p. 34—39, 1870. Systematisch.

Metschnikoff, El.: Beiträge zur Entwickelung einiger niederer Tiere, 6. Alcyonella. Bull. de l'Acad. de St. Petersbourg, Vol. 15, p. 507—508, 1871. Kurze Notiz über Knospung der »Polypidee in der Larve.

Nitsche, H.: Untersuchungen über die Knospung der Sufswasserbryozoen, insbes. der Alcyonella, in Sitzungsber. naturf. Gesellsch. Leipzig, 1874, p. 31 36. Knospe entsteht aus Ectoderm und Entoderm des Mutterzoveciums; aus ersterem entsteht inneres Darmepithel und Ganglion.

Horsley: Plumatella repens. Note on its statoblasts in Quaterl. Journ. Microsc. Sc. Vol. 14, p. 217, 1874. Ohne Bedeutung.

Korotnieff, A.: Knospung von Paludicella, in Nachr. der K. Gesellsch. d. Liebh. der Naturk. Moskau, Vol. 10 Pt. 2, 1874. Russisch, mir nicht zugänglich gewesen.

. Nitsche, H.: Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen in Z. f. wiss. Zool. Vol. 25 Suppl. 3,

1875. V. Uber die Knospung der Bryozoen. A. Über die Knospung der Polypide der phylactolaemen Süfswasserbryozoen, mit 2 Taf, p. 343—361. Schema der 2 Hauptarten der Knospenbildung nach der Allman-Nitsche’schen Auffassung des Bryozoenkorpers. Ausführliche Darlegung der unter No. 75 auf- geführten vorläufigen Mitteilung über die Polypidentwickelung.

Allman, G. F.: Recent Progress in our Knowledge of the Structure and Development of the Phylactolaematous Polyzoa in Journ. Linn. Soc. Vol. 14, p. 489—505, 1878. Zusammenfassung der Arbeiten von 1861—78.

Leidy, F.: On Cristatella Idae in Proc. Acad. Nat. Science. Philadelphia, 1879, p. 203—4. Biologisch, gemeinschaftliche Kolonien.

Reinhard. W.: Zur Kenntnis der Süfswasserbryozoen in Zool. Anz. 1880, p. 208—12. Vorläufige Mitteilung über Eientwickelung, Spermatozoen, Larven von Alcyo- nella, Statoblasteninhalt von Cristatella.

. Reinhard, W.: Embryologische Untersuchungen an Alcyonella fungosa und Cristatella

mucedo in Verhandl: Zool. Sect. VI. Vers. Russ. Naturf.; auch in Zool. Anz. 1880, p. 234—35. Kurze Rekapitulation der vorigen Arbeit.

83. 84. 85.

86.

87. 88.

89.

QI.

92.

93.

94.

95.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswas serbryozoen. 15

Fullien, F.: Description d'un nouveau genre de Bryozoaire Cheilostomien des eaux douces de la Chine et de Cambodge et de deux espéces nouvelles in Bull. Soc. Zool. France, 1880, p. 77—79. —- Gattung Norodonia.

Reinhard, W.: Zur Kenntnis der Süfswasserbryozoen in Zool. Anz. 1881, p. 349—50; auch in Arch. zool. exper. Tom. X No. 1. Vorlauf. Mitteilung uber Bildung der Leibeswand im Statoblasten von Cristatella.

Allen, H.: Vitality of Fresh-water Polyzoa in Proc. Acad. nat. sc. Philadelphia H p. 223— 24; auch in Journ. R. Microsc. Soc. (2) Vol. 3, p. 45, 1882. Pluma- tella vesicularis lebt fort, nachdem sie 16 Stunden ausser Wasser gewesen.

Kafka, ¥.: Böhmische Bryozoen in Anz. 2. Vers. böhm. Ärzte und Naturf., 1882, p. 39. Böhmisch geschrieben; faunistisch.

Reinhard, W.: Skizze des Baues und der Entwickelung der Sufswasserbryozoen, Charkow 1882. Russisch geschrieben; wesentlich Rekapitulation von Bekanntem; mangelhafte Zeichnungen. |

Whitelegge, T.: Proc. Linn. Soc. N. S.-Wales, May, June and Sept. 1883. Findet Plumatella repens und Fredericella sultana in Australien.

Leidy, F.: Urnatella gracilis in Journ. Acad. Nat. Sc. Philadelphia Vol. 9, p. 5—16, 1833; Auszug in Proc. Ac. Nat. Sc. Philadelphia 1884 Pt. III p. 282 und in Ann. Nat. Hist. Vol. 15, p. 274—75. -— Systematisch-biologisch. Urnatella zu den Entoprocten.

. Potts, Edw.: On a supposed new species of Cristatella in Proc. of Acad. Nat. Sc.

Philadelphia Vol. Il 1884, p. 193—199. Cristatella lacustris, Unterschiede von den verwandten Arten.

Potts, Edw.: On Paludicella erecta in Proc. Acad. Nat. Sc. Philadelphia Vol. II pag. 213—14, 1884; auch in Ann. Mag. Nat. Hist. Vol. 14, p. 437—39. Systema- tisch; dürfte neue Gattung sein.

Kraepelin, K.: Zur Biologie und Fauna der Süsswafserbryozoen in Zool. Anzeiger 1884, p. 319—21. Hamburger Bryozoenfauna; Pectinatella.

Jullien. F.: Monographie des Bryozoaires d'eau douce avec 250 gravures dans le | texte in Bull. Soc. Zool. France. Tom 10, 2e et 3e Part. pag. 91—207, 1885; Auszug im Journ. R. Mier Soc. (2) Vol. 6, p. 228—29. Zusammenfassung unserer system. Kenntnisse, Einziehung vieler Allman’scher Arten; Fredericella ist »mon- struosité« von Plumatella lucifuga Vaucher. Schlechte Holzschnitte, viele Kopien nach Allman, Hyatt, van Beneden.

Schmidt, F.: Die Süfswasserbryozoen Livlands, in Sitzungsber. Dorpat. Naturf. Ges. Bd. VII p. 350—59, 1885. Faunistisch.

Bousfield, E. C.: The Victorella pavida of Saville Kent. With figg. in Ann. Mag. Nat. Hist. Vol. 16, p. 401—407. Systematisch. Victorella hat Kaumagen, ist mit den Cylindroecien verwandt.

97.

98

99

K. KRAEPELIN, Die deutschen Sifswasserbryozoen.

. Kraepelin. K.: Uber die Phylogenie und Ontogenie des Süfswasserbryozoen, in Tagebl. 59. Vers. D. Naturf. p. 133—135; auch in Biol. Centralbl. Bd. 6, p. 599—602. Vorläufige Mitteilung. Ostroumoff, A.: Einiges über die Metamorphose der Sufswasserbroyzoen, in Zoolog. Anz. 1886, p. 547—48. Umklappen und Einstülpen des Mantels der Alcyonella- embryonen. . Reinhard. W.: Zur Kenntnis der Süfswasserbryozoen, in Zool. Anz. 1887, p. 19—20. Gegen Ostroumoff.

. Korotneff. A.: Zur Entwickelung der Alcyonella fungosa, in Zool. Anz. 1887, p. 193— 194. Beschreibt Bildung einer »gürtelförmigen Placentae der Embryonen im Ooecium vor Entwickelung der Knospen und der »Mantelfalte«.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 17

B. Allgemeines.

I. Die Stockbildung der Süsswasserbryosoen. Die bisher entdeckten Formen der Süfswasserbryozoen sind sämtlich koloniebildend, wie die grofse Mehrzahl ihrer marinen Stammesgenossen, wenn sie auch nicht annähernd eine solche Mannigfaltigkeit in der Anordnung und Verknüpfung der Einzeltiere, in der Gliederung und den Wachstums- erscheinungen des ganzen Stockes aufzuweisen haben, wie diese. Immerhin ist doch auch bei ihnen der äufsere Habitus der Kolonie verschiedenartig genug. Bald finden wir die Einzelticre scharf von einander durch Scheidewände abgegliedert, wie dies bei den Mceresbryozoen die Regel, bald sinken die Individuen mehr und mehr zu botzen Organen der Gesamtkolonie herab, indem sie alle in eine gemeinschaftliche Leibeshöhle zurückziehbar sind, wie dies für die marinen Alcyonidien charakteristisch ist. Im ersteren Falle können die Kinzeltiere flustridenartig in einer Fläche angeordnet sein, wie bei der indischen Hislopia, oder aber sie bilden lange, gegliederte Reihen, wie die Norodonien des tropischen Asiens und die gestreckten, verästelten Stöcke unserer heimischen Palu- dicella. Im andern Falle, bei nicht streng von einander abgegliederten Individuen, kommt es nicht selten zur Bildung hirschgeweihartig oder moosartig verzweigter Röhren, welche nur an ihrem Grunde mit einander kommunizieren, wie bei den Fredericellen und Plumatellen, oder die ganze Kolonie bildet einen verschiedenartig geformten »Gallert- klumpen«, dessen Innenraum von den Einzeltieren als gemeinschaftlicher Zufluchtsraum bei äufseren Insulten benutzt wird (Pectinatella, Cristatella, Lophopus). Dabei kann dann die Individualität des Einzelwesens in so hohem Mafse zurücktreten, dafs die Form der Kolonie als systematisches Merkmal in den Vordergrund tritt, ja dafs dieselbe, gleich einem Sipho- nophorenstocke, zur freien Ortsbewegung befähigt wird (Cristatella). In anderer Weise wieder zeichnen sich die Pectinatellen aus, insofern es hier nicht die Kolonien, die Tier- stöcke sind, welche die höchste Individueneinheit darstellen, sondern ganze Gruppen solcher Cormi, welche, in regelmäfsiger Weise ancinandergelagert und mit einander eng verbunden, ein Individuum höherer Ordnung von ganz gewaltigen Dimensionen aufbauen. Solche Klumpen von Kopfgröfse und über ı Kilogr. an Gewicht, verglichen mit den winzigen, kaum pferdehaardicken Röhrchen der Victorella, sind in der That geeignet, die Behauptung zu illustrieren, dafs auch in der kleinen Formengruppe der Süfswasser- bryozoen Gegensätze sich finden, wie man sie bei dem sonst so gleichartigen anatomischen Bau, den gleichartigen äufseren Lebensbedingungen nicht erwarten sollte.

2. Einzeltiere. Allgemeine Orientierung und Nomenclatur. Die den Stock zu- sammensetzenden Einzelwesen, welche, wie oben hervorgehoben, durchaus nicht immer

2 3

`~

I8 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

scharf von einander getrennt sind, hat man früher wohl mit dem Namen Zosecien belegt, ausgehend von der Vorstellung, dafs es sich gewissermafsen um ein Doppeltier handele. ein vornehmlich als l.ecibeswand entwickeltes Crsé@d und ein aus demselben hervorstülp- bares Nahrtier, das /o/ypzd. Da wir diese Auffassung aus später zu erörternden Gründen für verfehlt halten, so werden im folgenden die Ausdrücke Zooecium und Cystid stets durch Zzxse/tier (Individuum) resp. Lerbeswand*) ersetzt werden. Die Bezeichnung Po- lypid wird zwar hin und wieder für jenen eigentümlichen Komplex animaler und vegetativer Organe, welcher in dem »Cystid« beweglich aufgehängt ist, zur Anwendung kommen,

soll aber in keinem Falle ein vollständiges Einzelwesen bedeuten.

Wie bei den marinen Bryozoen, so pflegt auch die mehrschichtige Leibeswand der Siifswasserformen nach aufsen Caufecv/arbildungen zum Schutze abzusondern. Die- selben als »Ectocyste« der eigentlichen Leibeswand, der »Endocyste« gegeniiberzustellen, mufs für um so verfehlter gelten, als bei fast keiner der zahlreichen Tiergruppen, die derartige Cuticularbildungen produzieren, weder bei Mollusken und Gliederfüsslern, noch bei Würmern ein solcher Sprachgebrauch für nötig oder auch nur für erspriefslich be- funden wurde. Diese Cuticularbildungen sind fast stets rein chitinöser Natur, doch finden sich in seltenen Fällen auch Kalkeinlagerungen. Die Festigkeit des Chitins ist gröfseren Schwankungen unterworfen; aus ihr erklärt sich zum grofsen Teil der ver- schiedenartige Habitus hirschgeweihartig verzweigter und gallertig klumpiger Stöcke.

Von der Leibeswand, welche gleich derjenigen der Würmer mit einem allseitig entwickelten Hautmuskelschlauche versehen ist, und welche im übrigen abgeschen von der Knospung nur gewisse Hautdrüsen und die Ovarien direkt aus sich hervorgehen läfst, ziehen zahlreiche Muskeln und bindegewebige Faserstränge zu jenem frei beweg- lichen Organkomplex, für welchen wir die Bezeichnung Polypid beibehalten wollen. Der- selbe besteht im wesentlichen aus einem vollständigen Darmtraktus mit daran lagerndem Zentralnervensystem und einer verschieden gestalteten, den Mund umsäumenden Tentakel- krone. Skizzieren wir uns, der alten Anschauung folgend, die Leibeswand als einfachen, unten geschlossenen Hohlzylinder mit starren Wandungen, so ragt beim lebenden, un- gestörten Tier das »Polypid« mit seiner weit ausgebreiteten Tentakelkrone und einem beträchtlichen Teil des Darmtraktus aus der vorderen Öffnung dieses Hohlzylinders heraus, um sich bei äufseren Insulten mit zusammengelegter Tentakelkrone bis tief in das Innere desselben zurückzuziehen. Natürlich müfsen beide Bewegungen, das Ausstrecken, wie das Zurückziehen, durch eine Reihe von Vorrichtungen limitiert sein, als deren wich- tigste die Verbindungshaut anzusehen ist, welche von dem oberen Rande des Hohl- zylinders als direkte, aber nicht mehr durch Cuticularbildungen starre, sondern mem- branöse Fortsetzung der Leibeswand scheinbar bis zur Basis der Tentakelkrone sich

*) Dieser Ausdruck bedarf nur in den Fällen einer schirteren Prazisierung, in denen es sich um einen Gegensatz zu der ebenfalls als Leibeswand aufzufassenden »Tentakelscheidee und der Aufsenwand der Tentakel- krone handelt. In diesen Fällen wird die Leibeswand des »Cystids« speziell als »Cystiderm« unterschieden werden (vergl. pag. 19).

K. KRAEPELIN. Die de ıtschen Süfswasserhbryozoen. 19

erstreckt und in ihrem wesentlichen Teile als Tentakelscheide bezeichnet wurde. Durch Zurückziehen des »Polypid« wird sie als zartwandiger Cylinder in das Innere der Leibes- höhle eingestülpt und bildet nun thatsächlich eine scheidenartige Umhüllung der zusammen- gelegten Tentakelkrone; beim Hervorstrecken krempt sie sich jedoch bis auf einen kleinen eingestülpt bleibenden Teil, die durch besondere Bänder zurückgehaltene »Dupli- catur« Niisches, nach aufsen um und erscheint nunmehr als direkte Fortsetzung der Leibeswand. Schon bei dieser Auffassung springt das Unpassende der Bezeichnung » Tentakelscheide« für jene Verbindungshaut von »Cystid« und »Polypid« in die Augen, da hierbei thatsiichlich nur die Verhältnifse beim retrahterten Polypid berücksichtigt werden. Noch unglücklicher erscheint jedoch jener Name, wenn wir das Polypid lediglich als einen vermöge der membranösen Ausbildung des mittleren Teils der Leibeswand in seiner Lage verschiebbaren Organkomplex des tentakeltragenden Vorderkörpers dessen Wandung, wie später gezeigt werden soll, ohne scharfe Grenze abwärts in die »Ten- takelscheide« übergeht auffassen. Ich habe mich daher entschlossen, jenen allerdings seit Jahrzehnten eingebürgerten Namen aufzugeben und durch eine Bezeichnung zu ersetzen, welche die Beziehungen jener »Verbindungsmembran« zur Leibeswand And zur Aufsenwand des »Lophophors« hervortreten läfst, indem ich die »Tentakelscheide« als » Kamptoderm«*) dem »Cystiderm« (der Leibeswand des »Cystids«) und dem »Lopho- derm« (der. Aufsenwand des Lophophors) gegenüberstelle.

Die Tentakelkrone zeigt mannigfache, für ganze Gruppen charakteristische Gestalt- formen. Bald stehen die einzelnen, mit Flimmerhärchen besetzten Fangarme im einfachen Kreise um die Mundöffnung, einen trichterförmigen Raum vor derselben umschliefsend, bald zeigt sich dieser Trichterraum von der einen Seite mehr oder weniger tief eingebuchtet, so dafs er die Form eines Doppelhufeisens darbietet. Der Darmkanal, dessen Eingang nicht selten durch einen beweglichen Deckel, ein Epistom, geschützt ist, läfst allgemein drei scharf begrenzte Abschnitte unterscheiden, ein Speiserohr, einen Mitteldarm oder Magen und einen Enddarm. Der Mitteldarm hat die Form eines weit in das Innere der Leibes- höhle hineinragenden Blindsackes, aus dem am Vorderende Speiserohr und Enddarm unweit von einander entspringen. Demgemäfs mündet auch der Enddarm nicht am hinteren Kör- perpol, sondern zieht nach vorn, um dicht unterhalb der Tentakelkrone das Kamptoderm seitlich zu durchbrechen. Zwischen dieser Mündung des Enddarms und dem Oesophagus findet sich, letzterem eng aufliegend, das Zentralnervensystem in Gestalt eines Schlund- ganglions. Die Lage desselben, sowie die Ausmündung des Enddarms gestatten eine Orientierung des Bryozoenkörpers auch da, wo die trichterförmige Tentakelkrone den Schein radialsymmetrischer Tiere erweckt. Um alle praesumptiven Deutungen, welche Ausdrücke wie Dorsal- und Ventralseite, oder Neural- und Haemalseite mit sich bringen würden, zu vermeiden, sollen im Verlauf dieser Arbeit stets die Bezeichnungen Neural- oder Analseite und Abanalseite gebraucht und das Tier dabei so orientiert werden, dafs die Abanalseite nach unten, die Analseite nach oben gekehrt ist. Von verschiedenen Punkten

*) Von xzeuntos biegsam und deu Haut.

20 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryezoen.

des »Polypids« ziehen, neben den bewegenden Muskeln, aus mehreren Schichten bestehende (rewebsstränge zur Leibeswand; ciner derselben, welcher vom Inde des Darmblindsacks ausgeht und in der Regel durch die Produktion von Sperma und cigentiimlichen Dauer- knospen, den sogenannten Statoblasten, Bedeutung hat, wird als Funiculus bezeichnet. Besondere Organe für Blutzirkulation, Atmung und Perzeption von Sinneseindrücken sind nicht vorhanden. Ebenso wenig Gebilde, welche etwa den Exkretionsorganen der Würmer an die Seite zu stellen wären. In einzelnen Fällen werden jedoch sckretorische Haut- drüsen beobachtet.

3. System. Die Süfswasserformen gchören verschiedenen Gruppen der Bryozoen an. Eine dieser Formen, die Urnatella Leidy, die auf Amerika beschränkt sein dürfte und der weit abstehenden Formenreihe der - Endoprocten« angehört, ist bei der oben gegebenen kurzen Orientierung über die wichtigsten Organe des Bryozoenkörpers nicht berücksichtigt. Von den übrig bleibenden Tetoprocten ist es die Ordnung der Phylac- tolaemen, mit deutlichem Epistom und hufeisenförmiger Anordnung der Tentakeln, welche bei weitem das Hauptkontingent aller Süfswasserbryozoen stellt, nämlich die bisher be- schriebenen Gattungen Fredericella, Plumatella, Alcyonella, Hyalinella, Lophopus, Pectinatella und Cristatella. Den Gymnolaemen gehören von heimischen Formen nur die Gattungen Paludicella und Victorella an, und zwar ist letztere speziell der Unter- ordnung der Ctenostonen zugewiesen. Die Stellung der asiatischen Gattung Norodonia ist von Jullien (93) nicht näher präzisiert worden, jedenfalls soll sie keine Chilostome sein, während die indische Hislopia wohl am besten gerade der Unterordnung der Cheilostomata in der Nähe der Flustriden einzureihen ist. In einer Monographie der deutschen Süflswasser- bryozoen werden jene aufsercuropäischen Formen, welche keine direkten Beziehungen zu den einheimischen Gattungen zeigen und aller Wahrscheinlichkeit nach aus ganz anderen Phylen der marinen Bryozoen sich ableiten, aufser acht gelassen werden können, so dafs die nachfolgenden Blätter lediglich der Besprechung der sog. Phylactolaemen (l.ophopoden \ und der beiden obengenannten Grattungen Paludicella und Victorella gewidmet sind.

4. Konservierung und Untersuchungsmethoden. Das Material, welches meinen Unter- suchungen zu Grunde liegt, namentlich den anatomischen und den im II. Teile zu ver- öffentlichenden embryologischen, ist fast ausnahmslos mit heifsem Sublimat getötet und später in 95°/o Alkohol konserviert worden. Versuche, die Polypide in ausgestrecktem Zustande zu erhalten, gelangen besonders gut mit Chloralhydrat, doch glaube ich bemerkt zu haben, dafs durch dieses Verfahren, welches für Schaustücke sehr zu empfehlen, die histiologische Struktur der Gewebe nicht unerheblich alteriert wird und daher für Schnitt- serien weniger brauchbares Material liefert. Versuche mit Kohlensäure, Tabakrauch, Chloroform und andern lähmenden Mitteln ergaben nicht die gewünschten Resultate. Bei der Überführung in Alkohol bedurfte es in der Regel keiner grofsen Vorsicht; nur Palu- dicella und Victorella erwiesen sich in dieser Hinsicht sehr empfindlich, so dafs es schwer hielt, die Operation ohne Schrumpfung der Röhren zu Ende zu führen. Zur Herstellung brauchbarer Flächenbilder habe ich die Formen mit gebräunter Cuticula zweckmäfsig mehrere Stunden in eine Mischung von Alkohol und Äther gebracht, wodurch der Farb-

K. KRAEPELIN, Die deutschen Siifswasserbryozoen. 21

stoff gröfstenteils entfernt wurde. Das zu Schnittserien benutzte Material wurde allmählich mit Paraffin durchtränkt (Chloroform-Paraffin); die Schnitte selbst erst auf dem Objekt- träger mit verschiedenen Karmintinktionen, Haematoxylin oder Eosin gefärbt. Die Karmin- färbung erschien mir hierbei im allgemeinen als die dankbarste. Versuche mit Osmium- säure, die nervösen Elemente deutlicher zur Anschauung zu bringen, erwiesen sich, gleichviel in welcher Weise sie angestellt wurden, als völlig verfehlt, da in allen Fällen nur eine gleichmäfsig aschgrauc Färbung aller Gewebe erzielt wurde. Statoblasten lieferten nur dann brauchbare Schnitte, wenn ihre Cuticula vor der Konservierung mit einer feinen Nadel durchstochen war. Flächenbilder der Statoblastenschale erhält man durch Kochen mit Kalilauge, doch genügt es auch, die Statoblasten mehrere Tage in konzentrierter Kalilauge liegen zu lassen; die Bilder werden nur blasser, als beim Kochen. Das Studium der frischen Gewebe ist namentlich für die Zellen der Körperwand, die Muskulatur, den Darm und die Entwickelung der Spermatozoen unerlässlich.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen

ty lo

C. Anatomie. I. Die Letbeswand.

Die äufsere Leibeswand der Siifswasserbryozoen, die »Iindocyste« „l//mans. ist zuerst von diesem Forscher, später von Zitat (69)*) und .\etsche (72) genauer beschrieben worden. Alle drei stimmen darin übercin, dafs dieselbe aus mehreren Schichten, be- grenzenden Epithelien und davon eingeschlossenen Muskelfaserschichten, gebildet werde. Im einzelnen allerdings weichen die Angaben ziemlich erheblich von einander ab. So glaubt Allman (61, pag. 11— 13), die äufsere Epithelschicht als eine protoplasmatische Schicht, die nur teilweise in wirklich abgegrenzte Zellen sich differenziert habe, mit freien, eingebetteten Kernen charakterisieren zu sollen, während //yaf dieselbe aus 2 verschie- denen Zelllagen, einer äufseren grofsmaschigen und einer inneren kleinmaschigen bestehen läfst. Mitsche (72, pag. 10) spricht wieder nur von einer einzigen äufseren Zellenlage, findet aber ın derselben 2 differente Zellformen, eine polyedrische und eine rundliche mit wand- ständigem Kern und klumpigem, stark lichtbrechendem Inhalt. Die Muskellage wird nach ihm durch eine homogene »Stützmembran« gestützt, von der wieder die beiden andern Forscher nichts beobachtet haben. Fur Lophopus glaubt Juan (61, pag. 13) in der äufseren Zelllage ein äufserst feines Kanalnetz mit einer Unsumme von »brilliant corpuscles« konstatieren zu können, während A\z/sce (72, pag. 11) etwas Ähnliches bei Alcyonella nicht entdecken konnte. Die innere Epithelschicht der Leibeswand wurde von Allman nicht direkt beobachtet, doch führt er an, dafs die Auskleidung der Leibeshöhle mit Flimmercilien besetzt sei Nzische (72. pag. 6) sah sie auf Querschnitten, vermochte aber nicht zu entscheiden, ob dieselbe aus distinkten Zellen oder nur aus um die Kerne gelagerten Zellterritorien bestehe. Alle Forscher stimmen wieder darin überein, dafs die Dicke der Leibeswand, die Höhe der Zellen, wie die Dichte der Faserschichten an den verschiedenen Stellen des Körpers sehr variiere und gegen die Mündung, kurz vor dem Übergang in die »Tentakelscheide«, ein Maximum erreiche.

Meine eigenen Beobachtungen führen zu dem Schlufs, dafs man im allgemeinen bei der Mehrzahl der Formen 4 verschiedene Schichten der Leibeswand anzunehmen hat: 1) Ein äufseres Epithel, cin Chitin absonderndes »Ectoderm«, 2) Eine äufsere Ringmuskelfaserschicht, 3) Eine innere Langsmuskelfaserschicht, 4) Ein inneres, die Leibeshöhle auskleidendes Epithel.

*) Die Zahlen beziehen sich auf das Litteraturverzeichnis Pag. 9—16.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 23

Dabei ist von vornherein zu bemerken, dafs als eigentliche Komponenten der Leibeswand lediglich die beiden Epithelschichten anzusehen sind, da die Muskelfaser- schichten sich durchaus nicht immer und an allen Stellen der Körperwand deutlich entwickelt finden. Bei Paludicella z. B. ist die Ringfaserschicht auf ganz distinkte Stellen der Leibeswand lokalisiert, und eine Längsmuskulatur als besondere Schichtlage wird hier vollständig vermifst. Von einer homogenen »Stützlamelle« im Sinne NVitsche's habe ich mich nirgend überzeugen können. Die Schichten 3 und 4 scheinen mir dem zu entsprechen, was bei marinen Bryozoen als mesenchymatöses Parenchymgewebe bezeichnet wurde. (Vgl. z. B. I7gelius Zool. Anz. 1887 p. 238.)

a. Die äussere Lpithelschicht, das »Ectodermalepithel«, dürfte in jedem Falle hervorgegangen sein aus einer einfachen Lage’ polyedrischer Zellen mit grofsen runden Zellkernen mit deutlichen Kernkörperchen. Zellmembranen sind niemals vorhanden, wenn auch anfangs die Zellen ziemlich scharf von einander sich abheben. Dieses einfache Ge- webe, das als solches wohl nur an den Knospungszonen deutlich in die Erscheinung tritt, kann nun nach zwei divergenten Richtungen sich umformen, indem es entweder zu einer mehr oder weniger homogenen, durch Vakuolenbildung hie und da netzmaschig erscheinen- den Plasmaschicht wird, in der nun die Kerne distinkt hervortreten (Leibeswand vonVictorella und Paludicella Taf. I Fig. 1 ec), oder aber durch Umwandlung gewisser Zellen sich weiter differenziert. Dem von uns als Ausgangspunkt gewählten Gewebe am nächsten steht entschieden das Ectodermepithel von Fredericella. Fig. 3 zeigt ein Stück“) derselben von der Fläche, Fig. 14 ein solches im Längsschnitt. Man erkennt, dafs neben dem Gros der polygonalen Zellen einzelne andere auftreten, welche durch Vacuolenbildung die Form eines Siegelringes erhalten haben (Flächenansicht Fig. 3 bei r), während in der Vacuole ein gallertartig fester Klumpen mit starkem Lichtbrechungsvermögen zu er- kennen ist (Fig. 14 bei g). Bei den Alcyonellen und Plumatellen (Flächenbider Fig. 4 und 5) finden wir jene »Siegelringzellen« mit den merkwürdigen Gallertballen in gröfserer Zahl wieder, ja auch die Bilder von Lophopus und Pectinatella (Fig. 10; Fig. 6 und 7, lassen ohne weiteres auf ähnliche Verhältnisse schliefsen, wenngleich bei ersterem die »Siegelringe« erstaunlich grofs und unregelmäfsig geworden sind und keinen deutlichen Gallertballen mehr im Innern zeigen. Ob jene Ringzellen genetisch den polyedrischen Zellen gleich sind oder, wie ‚\7/sche anzunehmen scheint, eine ganz neue Form der Zellen bedeuten, sowie ferner, ob die eigentümlichen Gallertballen »/racellular oder zuzercellular entstanden sind, wird durch Flächenbilder, wie das in Fig. ı2 dargestellte, leicht ent- schieden. Man sieht hier deutlich, dafs es sich bei der Bildung der Ringzellen lediglich um eine ¢zvzéracellulare Vacuolenbildung handelt und dafs der Gallertballen zweifellos im Innern der einzelnen Zelle seine Entstehung nimmt. Schwieriger zu lösen ist dann die weitere Frage, ob wir die Ballen als Seret der zugehörigen Zellen aufzufassen

- EN

*) Hier wie bei den Epithelzeichnungen der übrigen Phylactolaemen ist hervorzuheben, dafs es schwer hält, bei der ungemeinen Vielgestaltigkeit der verschiedenen Particen der Leibeswand wirklich Zy2ische Bilder zu entwerfen.

24 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

haben, wie dies //fatschek*) durch den Namen »Sckretballen« wohl andeuten will, oder ob dieselben vielmehr als direktes Umwandlungsprodukt des Zellplasma’s selbst entstehen. Ich mufs gestehen, dafs ich mich vergebens bemüht habe, aus den Bildern, wie sie erwachsene Tiere in Flächen- und Querschnittsansichten bieten, hierüber ein festes Urteil zu gewinnen; endlich glaube ich an Querschnitten eben ausgekrochener Embryonen zu sicheren Resultaten gelangt zu sein. Fig. 11 stellt einen Querschnitt durch das Aufsenepithel einer jungen Cristatella dar. Man sieht, dafs langcylindrische Zellen in weiteren Abständen die eigentliche Grundlage des Epithels bilden, insofern sie an der Aufsenseite bogenförmig zu einer kontinuierlichen Schicht, einem Syncythium, an- einanderschliefsen. Dazwischen stehen dann kürzere Zellen, die nicht bis an die Aufsen- membran heranreichen und sich durch die gänzlich veränderte Skulptur ihrer oberen Partie auszeichnen, die in ihrer hyalinen, gallertigen Beschaffenheit weiter nichts darstellt, als den später frei zwischen den Zylinderzellen eingelagerten Gallertballen. Unmittelbar unter diesem metamorphosierten Teil des Zellplasmas sieht man dann das unveranderte Protoplasma becherförmig auseinanderweichen und sich mit zarten, nach oben gerich- teten Fortsatzen den Cylinderzellen dicht anlegen. Dieser Befund scheint mir zunächst zu bestätigen, dafs es sich in dem Aufsenepithel des Bryozoenkörpers in der That ursprüng- lich nur um ezne Art von Zellen handelt, da man die zwischengelagerten Zellen, z. B. die in Fig. 11 bei x gezeichnete, nur um ein geringes zu verlängern braucht, um sie, so lange sie noch nicht im oberen Teil metamorphosiert sind, zu regelrechten Cylinderzellen umgewandelt zu sehen. Sodann aber dürfte erwiesen sein, dafs es sich bei der Gallert- ballenbildung nicht sowohl um eine Sekretion, als um cine teilweise Umformung des Zellplasmas selbst handelt. Augenscheinlich kann diese Umformung im Laufe des Zell- lebens immer weiter fortschreiten, wobei dann in der Mehrzahl der Fälle von der ursprünglichen Zelle weiter nichts übrig bleibt, als ein wandständiger Kern mit zartem Protoplasmareif, d. h. jene oben beschriebenen Siegelringzellen, wie ich solche in ver- schiedenen Stadien der Rückbildung auf den Querschnitten Fig. 16 u. 17 von Cristatella dargestellt habe. Ob bei diesen Wandlungsprozessen schliefslich auch der Kern der Zelle selbst mit in den Gallertballen aufgenommen werden kann, ist eine Frage, die ich ent- schieden bejahen möchte. Ich stütze mich hierbei nicht sowohl auf Flachenbilder wie Fig. 8, aut welchen bei tieferer Einstellung des Tubus fast in jedem Ballen ein Kern sichtbar wird; dieselben sind nicht einwandfrei, da hier der Kern schr wohl in Wirklich- keit unter dem Ballen liegen kann. Ich glaube aber doch einige Fälle mit Sicherheit beobachtet zu haben, in welchen der Zellkern vollständig in die Peripherie des Gallert- ballens hineingenommen war. Nicht zu verwechseln sind übrigens diese distinkt sich farbenden Kerne mit vielfach, namentlich bei Cristatella, auftretenden helleren, rundlichen Flecken im Gallertballen, die sogar in der Mehrzahl vorhanden sein können (Fig. 16). Endlich möge noch erwähnt sein, dafs die Masse des Ballens durchaus nicht immer

*\ Hatschek: Embryonalentwickelung und Knospung der Pedicellina echinata in Z. f. wissensch, Zool Bd XXIX, 1877, p. 539.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserhryozoen. 25

homogen ist, sondern in vielen Fällen ein deutlich gekörneltes Ausschen zeigt. cine Erscheinung, die vielleicht cin Bildungsstadium der »Gallerte« aus dem Protoplasma kennzeichnet.

Nach dem Gesagten bietet die Erklärung der Flächenbilder, wie der Schnitt- ansichten von Fredericella, Alcyonella und Plumatella keine Schwierigkeiten mehr; ja auch das Flächenbild des Epithels von Cristatella (Fig. 8) können wir verstehen, wenn wir annehmen, dafs das sich dem Auge darbietende Maschennetz von zusammenhängen- den Protoplasmasträngen eben nur die Kopfansicht der oben beschriebenen Cylinderzellen darstellt, während die in den Maschen sichtbaren, scheinbar mit Kernen versehenen rund- lichen Klumpen die Gallertballen sind, welche, viclleicht noch von einem zarten protoplas- matischen Ring umgeben, die Kerne der »Ringzellen« überlagern.

Etwas anders hingegen liegen die Verhältnisse bei Lophopus und Pectinatella, insofern hier eine Erscheinung noch weiter entwickelt ist, die schon bei den früher be- sprochenen Formen in geringerem Mafse zu beobachten war, die Bildung von zwercel- lularen Spaltraumen. Als solche möchte ich nämlich, im Gegensatz zu der Vacuolenbildung, welche der Umwandlung des Plasmas in einen Gallertballen voraufgeht, das einfache Aus- einanderweichen der Zellen oder Zellterritorien, sowie die Zerfaserung des Zellplasmas in einzelne Stränge bezeichnen. Schon die Querschnitte namentlich der Cristatella (Fig. 17) und Plumatella (Fig. 20) lassen erkennen, dafs die Cylinderzellen auch dort, wo sie unmittel- bar benachbart sind, nicht dicht aneinander schliefsen.e Gelangt diese Eigentümlichkeit zu gröfserer Entwickelung, so mufs sie sich natürlich auf Flächenbildern in der Art bemerklich machen, dafs die einzelnen Kopfansichten der Cylinderzellen von hellen Höfen umgeben er- scheinen, wie dies in Fig. 6, Flächenbild der Sohle von Pectinatella, der Fall ist. Man ersieht leicht, dafs hier das Gros der Cylinderzellen noch unverändert bleibt, und dafs nur die Minderzahl zu »Siegelringzellen« umgeformt ist. Einen erheblichen Fortschritt in dieser Richtung zeigt dann das dorsale Epithel von Pectinatella (Fig. 7). Die Zahl der »Ring- zellen« ist bedeutend gewachsen, die Cylinderzellen erscheinen in der Kopfansicht nicht mehr so massig, wie an der Sohle, ja sie sind schon, wenn sie auch noch hier und da klumpig beisammen liegen, an einzelnen Stellen zu einem deutlichen Maschennetz grup- piert, welches die Ringzellen umrahmt und an andern, hier nicht dargestellten Präparaten sogar vollständig zu dem Netzbilde Fig 8 von Cristatella sich entwickeln kann. Es lassen sich so die Bilder des Pectinatellenepithels, dessen Querschnitt in Fig. 18 und 22 zu sehen, ohne Schwierigkeit auf diejenigen von Cristatella zurückführen, ja wir können das Epithel der ersteren gewissermafsen als eine Vorstufe des Epithels der letzteren in Anspruch nehmen. Nur darauf möchte ich das Augenmerk richten, dafs es bei Crista- tella ausschliefslich um ein Cylinderzellenmaschennetz und von diesem umschlossene Ring- zellen mit Gallertballen sich handelt, während bei Pectinatella die hier und da noch gehäuft und unvermittelt neben einander stehenden Cylinderzellen zwischen sich auch auf der Flächenansicht noch Hohlräume zeigen, die nicht von Gallertballenbildung sich her- leiten und als zxzercellulare Spalträume bezeichnet werden können. Behalten wir dies im Auge, so fehlt uns nicht das Bindeglied für das Verständnis des Epithelaufbaus bei

4

26 kK. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen.

Lophopus. Fig. 10 giebt ein Flächenbild, Fig. 23 einen (Querschnitt der Aufsenwand dieses Tieres. Neben den gewaltigen Hohlräumen der Gallertballen, die übrigens vielfach auch in kleineren Dimensionen sich vorfinden, zeigt uns die Flächenansicht ein dichtes, unregelmäfsiges Maschennetz*) von Protoplasmasträngen, in deren Knotenpunkten die Kerne liegen. Der Querschnitt lehrt, dafs es sich hierbei nicht allein um ein Auseinanderweichen der einzelnen Zellterritorien, sondern auch um eine Zerfaserung des Zellplasmas unter massenhafter Vacuolen- und Spaltbildung handelt, so dafs es unmöglich erscheint, die Grenzen der einzelnen Zelle festzustellen. Es dürfte nicht zu gewagt sein, die hier in die Erscheinung tretenden Verhältnisse lediglich als eine Weiterentwickelung der schon bei Pectinatella besprochenen Spaltraumbildung aufzufassen, zumal wenn man aus einer Vergleichung der Fig. 22 und 23 erkennt, dafs auch in den übrigen Geweben der Haut zwischen beiden Formen eine nicht zu verkennende Ähnlichkeit herrscht. Wirkliche Gallertballen scheinen übrigens bei Lophopus nicht dauernd aufzutreten; dieselben mögen vielmehr, wie aus den leeren Ringzellen zu schliefsen, gleich bei ihrer Bildung verflüssigt werden. Leider haben mir keine Jugendformen dieser Gattung zur Verfügung gestanden.

Die Frage nach der chemischen Zusammensetzung der Gallertballen habe ich nicht zu lösen vermocht. Aber auch ihre physeologische Deutung bietet manche Schwierigkeiten. Einen Speicher für die Cuticularsecretion, an den man wohl zunächst denken könnte, stellen sie jedenfalls nicht dar, da überall im Tierreiche die Cuticularbildungen in ganz anderer Weise als wirkliches, Anfangs flüssiges Sekret zu Stande kommen, und da ferner die Entwickelung jener Gallertballen im Allgemeinen fast genau im umgekehrten Verhältnis zur Entwickelung der Cuticula steht, wie die derbwandigen Fredericellen im Vergleich mit den cuticularlosen Cristatellen beweisen mögen. Ebensowenig ist die An- nahme, dafs es sich vielleicht um aufgespeicherte Keservenahrungsstoffe handelt, durch irgend welche stichhaltigen Gründe zu stützen. Vielmehr könnte man nach Analogie der Speichel- und Labdrüsen höherer Tiere vermuten, dafs jene aus dem teilweisen Zer- fall von Zellen hervorgegangenen Gallertballen diejenigen chemischen Produkte darstellen, welche im Verlaufe des Lebensprozesses aus dem Organismus ausgeschaltet werden. Für diese Hypothese würde nicht allein das Fehlen spezifischer nierenartiger Organe bei den Bryozoen sprechen, sondern auch die Thatsache, dafs bei der Gattung Pectinatella eine Art von Hautdriisen sich findet, die in ihrem Bau augenscheinlich nur dadurch von der Struktur des äufseren Epithels sich unterscheiden, dafs die in Zellvacuolen gebildeten Gallertballen körnig zerfallen und durch Platzen des »Ringes- der Vacuole nach aufsen gelangen (Taf. I. Fig. 25). Die bei auffallendem Licht milchweifse, aus äufserst kleinen, stark lichtbrechenden Körnchen bestehende Substanz wird in grofsen Massen produziert und heftet sich an die Spitzen des Lophophors, wie dies im systematischen Teile noch näher zu erörtern. Sie mufs unter allen Umständen als Sc&ret bezeichnet werden und dürfte auch chemisch nicht wesentlich von den Gallertballen verschieden sein. Doch

*) Die kleinen Lücken dieses Maschennetzes sind es augenscheinlich, welche 4//man zu der Annahme seiner »brilliant corpuscles« veranlafst haben.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 27

wie dem auch sei, nehmen wir die Thatsache der Gallertballenbildung bei Fredericella als gegeben an, so läfst sich fernerhin für die Wezterentwickelung dieser Verhältnisse wohl noch der Gesichtspunkt geltend machen, dafs durch die Vermehrung der Ballen ein Mittel sich darbot, bei gleicher Dicke der Aufsenwandung das Lichtbrechungsvermögen derselben demjenigen des Wassers anzunahern und so durch verminderte Sichtbarkeit grofseren Schutz gegen Nachstellungen zu gewähren. Kann es doch keinem Zweifel unter- liegen, dafs, wie vielfach im Tierreich, so auch bei den Süfswasserbryozoen die Formen- mannigfaltigkeit nach zwei divergenten Richtungen hin sich entwickelt hat, welche durch die beiden Prinzipien der Nachahmung nicht animaler Körper Moos«tierchen) und des Un- sichtbarwerdens vorgeschrieben sind. Recht gut stände mit der oben aufgestellten Ansicht die schon früher erwähnte Thatsache im Einklang, dafs die Gallertballenbildung bei Pec- tinatella vornehmlich an der Räückenwandung zu excessiver Entwickelung gelangt.

Werfen wir schliefslich noch einen vergleichenden Blick auf die mit Ausnahme von Fig. 13 durchweg bei gleicher Vergröfserung gezeichneten Quer- und Längsschnitte (Fig. 13—23), so werden wir durch die verschiedene Dicke des Aufsenepithel, wie der gesamten Leibeswand höchlich überrascht. Dabei soll nur noch kurz hervorgehoben werden, dafs solche Schwankungen der Wanddicke nicht blos zwischen verschiedenen Gattungen, sondern an ein und demselben Tier zu konstatieren sind, wie Fig. 17 u. 19 beweisen mögen. Auch die Fig. 22 u. 23 sind Schnitten entnommen, welche schon in kurzer Entfernung von der wiedergegebenen Stelle eine über das mittlere Mafs nicht hinausgehende Wandstärke zeigten.

b. Muscularıs. Die auf das äufsere Epithel folgenden A/uskellagen lassen in ihrer Ausbildung bei den einzelnen Gruppen nicht minder grofse Verschiedenheiten erkennen.

Bei Paludicella ist, wie schon oben hervorgehoben, lediglich eine Ringmuskulatur entwickelt, d. h. also diejenige Lage, welche bei den übrigen Formen die äussere ist. Diese Ringmuskeln der Paludicella bilden breite Querbänder rechts und links an der oralen Seite des Tieres und sind meist in Bündeln zu 2, 3 bis 6 Fasern vereinigt. Jede Faser enthält einen einzigen, oberflächlich gelagerten Kern ziemlich in der Mitte der Faser. (Fig. ı qm). Letztere selbst ist im Querschnitt rundlich, glashell und besitzt ein äufserst winziges, aber deutliches Lumen. Mit beiden Enden ist sie unmittelbar am Aufsenepithel befestigt (Fig. 13 qm), der sie sich wie ein innerer Tonnenreif anschmiegt. Nur das vordere und das hintere Viertel des Körpers sind ohne diese Ringmuskulatur, die namentlich bei durchsichtigen, jugendlichen Individuen als ein System von stark lichtbrechenden, gruppenweise verteilten Querstreifen aufserordentlich scharf hervortritt. Ganz ähnliche Verhältnisse beobachtet man bei Victorella, mit dem einzigen Unterschiede, dafs die Zahl der Quermuskeln eine noch weit gröfsere ist, dafs dieselben meist nur in Gruppen zu 2 und 3 auftreten und auch noch am basalen Teile, wie an der Mündungs- zone (vgl. Fig. 75 u. gt Taf. III) des Körpers zu finden sind. Auch hier gelang es mir nicht, eine besondere Längsmuskelschicht aufzufinden, doch mag schon jetzt darauf hingewiesen werden, dafs dieselbe bei beiden in Rede stehenden Formen augenscheinlich durch die lang spindelförmig ausgezogenen Zellen des Innenepithels ersetzt wird.

28 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Die Muskellagen der Fredericella sind schwierig nachzuweisen, da Längs- und Querschnitte keine sicheren Resultate geben, das Studium von Flächenbildern aber durch die stark yebraunte und überdies durch Diatomeenrcste völlig inkrustierte Cuticula erschwert wird. Dennoch war es möglich, durch längere Behandlung mit Äther die Cuticula soweit aufzuhellen, dafs wenigstens an einzelnen Stellen der Körperwand der Muskelbeleg beı geeigneter Einstellung des Tubus ziemlich klar zu erkennen war. Danach handelt es sich vor allem um eine Schicht ungemein zarter, in grofsen Abständen zu einander parallel verlaufender Längsfasern, welche hie und da von einzelnen sehr blassen, nament- lich durch quergelagerte Kerne markierten Querfasern überkreuzt werden.

Bei Alcyonella und den Gallertformen sind bereits von früheren Forschern ge- nauere Angaben über das Auftreten der Muskelschichten gemacht. Schon Allman kon- statiert ein Netz von gekreuzt verlaufenden Quer- und Langsmuskeln bei Lophopus. Die einzelnen Fasern sollen nach ihm aus spindelförmigen Zellen bestehen, welche sich mit ihren Enden aneinander reihen. Ein ähnliches Muskelnetz beschreibt //ya’ (69) von den Plumatellen, während /zische (72, pag. 17) namentlich die Muskellagen der Alcyonella fungosa näher studierte. Derselbe hebt zunächst hervor, dafs Quer- und Längsmuskeln charakteristische Verschiedenheiten zeigen, insofern erstere stets breiter, bandförmig, weniger lichtbrechend, letztere zart, rundlich, stärker lichtbrechend erscheinen. Im Gegen- satz zu Allman sieht er die spindelförmigen Zellelemente der Muskelfasern nicht mit ihren Enden aneinandertreten, sondern findet, dafs die spitzen Enden dem Seitenrande einer Nachbarfaser im spitzen Winkel sich einfügen. Die Entwickelung der Quermus- kulatur ist eine viel mächtigere als die der Längsfasern, welch’ letztere namentlich am hinteren Körperende, wo die Muskulatur überhaupt am schwächsten ausgebildet ist, als ziemlich weit von einander entfernte parallele Fäden auftreten. An den Quermuskeln beobachtet er hie und da eine feine Langsstreifung; die gesamte Muskellage glaubt er von einer homogenen Membran als »Grundlage« gestützt. Meine eigenen, auch auf die »Gallertformen« ausgedehnten Beobachtungen stimmen in Bezug auf die Längs- und Quermuskulatur der Plumatellen und Alcyonellen der Hauptsache nach mit den Angaben Nitsches überein (Fig. 32). Nur wollte es mir in keinem Falle gelingen, eine homogene »Stützmembran« im Sinne dieses Forschers nachzuweisen. In Bezug auf die Verbindung der einzelnen Fasern mit einander konnte ich zwar bei Alcyonellen nicht zu bestimmten Resultaten gelangen, da es ungemein schwer ist, Anastomosen sicher von blofsen Über- kreuzungen zu unterscheiden. Sichere Aufklärung über diesen Punkt lieferten mir aber sehr dünne Tangentialschnitte eines wenige Tage alten Pectinatellaembryo. Dieselben liefsen nicht allein erkennen, dafs zwischen den in diesem Falle breiteren Fasern der inneren Muskellage zahlreiche Anastomosen im spitzen Winkel auftreten (Taf. I, Fig. 31 Im), sondern auch, dafs die Querfasern mehrfach in der Nähe ihres Kernes deutlich in eine Reihe gabelförmiger Äste zerfallen, wie dies allerdings erst bei Anwendung von Oelim- mersion (Fig. 33) mit Sicherheit festgestellt werden konnte, während die bei schwächerer Vergröfserung studierten Bilder (Fig. 31) lediglich einen ziemlich regelmäfsigen Wechsel breiterer, stärker lichtbrechender Streifen und feinster Fasern zur Anschauung brachten.

+

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 29

Aus dem Beobachteten ergiebt sich im allgemeinen weit mehr die Vorstellung einer in lange Fasern ausgezogenen und hie und da netzig verbundenen Protoplasmalage, als die von scharf umgrenzten und von einander sich abhebenden Muskelindividuen. Dafs eine derartige Auffassung von den Muskellagen der Leibeswand ın der That viel für sich hat, ist im folgenden noch näher zu erörtern. Dabei soll natürlich nicht geleugnet werden, dafs bei erwachsenen Tieren schliefslich eine distinkte Sonderung der einzelnen Muskel- fasern in ihrer ganzen Länge sich herausbilden kann, wie denn namentlich die Langs- fasern bei Alcyonellen und Plumatellen in so weiten Abständen parallel zu einander ver- laufen, dafs sie als Einzelindividuen scharf geschieden sind. Eine gruppenweise Ver- teilung der Quermuskulatur, wie sie für Paludicella charakteristisch, konnte ich weder bei den hier in Rede stehenden hirschgeweihartigen, noch bei den »Gallertformen« nachweisen.

Letztere zeigen von allen Phylactolemen entschieden die grofsartigste Entwickelung der subcutanen Muskellage, wenn auch bei ihnen die einzelnen Partien der Leibeswand in Bezug auf diesen Punkt so grofse Verschiedenheiten darbieten, dafs es kaum möglich erscheint, allgemein gültige Habitusbilder von der Muscularis der einzelnen Formen zu ent- werfen. Bei Lophopus und Pectinatella sind es namentlich gewisse Teile der Seitenwand, bei Cristatella die Sohle, welche durch kräftige Entwickelung der Muskellagen sich aus- zeichnen. Als Beleg für die Richtigkeit dieser Behauptung mögen zunächst die beiden Fig. 16 und 17 dienen. “Fig. 16 stellt einen Querschnitt durch die Rückenwand, Fig. 17 einen solchen durch die Sohle einer Cristatellakolonie dar. Es erhellt auf den ersten Blick, dafs die Muskellagen bei letzterer um ein Beträchtliches stärker entwickelt sind, als bei ersterer. Dabei scheint es zunächst auffallend, dafs auch bei diesen Schnitten die äufsere Muskellage im Querschnitt, die innere als Faser sich darstellt, während man doch erwarten sollte, dafs bei einem Schnitte senkrecht zur Längsachse der Kolonie die Quermuskeln in Fasern, die Längsmuskulatur in Querschnitten in die Erscheinung trete. Eine kurze Überlegung aber lehrt, dafs letzteres Raisonnement ein falsches ist. Die Cristatellakolonie stellt in ihren ersten Anfängen ein aufrecht der Unterlage aufsitzendes Einzeltier dar. Bei ihm mufs jeder Schnitt parallel der Längsachse des Polypids, also senkrecht zur Unterlage, die äufsere Ringmuskulatur im Querschnitt, die innere Längs- muskulatur im Verlauf der Faser treffen. Diese Verhältnisse ändern sich nun nicht, wenn dem ersten Polypid durch seitliche Knospung ein zweites und drittes hinzugefügt wird, und so erklärt es sich, dafs auch die lang wurmartig gestreckte Kolonie mit Hunderten von Polypiden von einer äufseren Muskellage überzogen wird, die für die Gesamtheit der Kolonie allerdings als parallel der Längsachse verlaufende Längsfaserschicht erscheint, ın Wirklichkeit aber nichts ist, als eine ins Ungeheuerliche ausgedehnte, die Gesamtheit der Individuen umfassende Ringfaserschicht. Zu bemerken ist hierbei aufserdem, dafs durch die zahlreichen Polypidöffnungen der Rückenfläche der Verlauf der Fasern in hohem Mafse alteriert wird und dafs in der Nähe derselben von senkrecht gegeneinander gestellten Muskellagen kaum mehr die Rede ist (Vergl. Fig. 29). Ähnliches gilt von dem Muskelnetz der Pectinatella, bei welcher ich, gleichwie bei Lophopus, an verschic- denen Körperstellen, so namentlich an gewissen Partien der Seitenwand und in der Sohle,

30 K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen.

nicht nur 2, sondern 3 getrennte Faserschichten erkennen konnte, von denen zwei sich recht- winklig schneiden, während die dritte im Winkel von 45° zu beiden gelagert ist. Einen Querschnitt durch eine solche Stelle zeigt etwa Fig. 22, die aufserdem geeignet er- scheint, über den Zusammenhang der Muskulatur mit den umgrenzenden Epithelien einigen Aufschlufs zu geben. Bei hp gehen die äufseren Epithelzellen direkt über in eine homogene Schicht, der einzelne Kerne eingelagert sind, und welche augenscheinlich als nicht in Zellen gesondertes Protoplasma der äufseren Epithellage, keineswegs aber als eine Nitschesche »Stützmembran« aufzufassen ist. Inmitten dieser homogenen Schicht erscheinen als dunkle, von hellen Höfen umgebene Striche die Querschnitte der »Quermuskulatur« qm, die nach diesem Befunde offenbar als Derivat der aufseren Epithellage aufgefafst werden mufs. Erst hierauf folgt die Längsfaserschicht (Im), welche wieder direkt in die innere Epithellage überzugehen scheint und daher mit dieser in genetischem Zusammenhange stehen dürfte. An der rechten Seite der Figur ist zu dem allen noch eine äufsere Schicht schräg geschnittener Fasern (tm) hinzugetreten, die nach dem Gesagten ohne weiteres als Differenzierungsprodukt des homogenen Protoplasmas und somit der äufseren Epithel- lage angesprochen werden mufs. Zu ganz ähnlicher Auffassung der Muskellagen als Ab- spaltungsprodukten der umgrenzenden Epithelien führen Bilder, wie sie der Querschnitt durch die Seitenwand von Lophopus nahe dem Grunde des Stockes darbietet (Fig. 23). Eine homogene Protoplasmalage ist hier nicht entwickelt, dagegen erscheinen die Quer- schnitte der oberen Muskelschicht qm dirckt von den basalen Teilen der äufseren Epithelzellen umschlossen und mit denselben im Zusammenhang, so dafs man der Vor- stellung sich kaum erwehren kann, die gesamte Quermuskelschicht sei lediglich ein Zer- faserungsprodukt des basalen Zellplasmas der äufseren Epithellage.

c. Das /nnenepithel der Leibeswand. Dasselbe ist von den bisherigen Forschern wenig studiert worden. Bei Paludicella ist es an dem gesamten basalen Teile der Körper- wand überhaupt nicht als zusammenhängende Schicht nachzuweisen, sondern tritt nur, wie auch bei Victorella, in einzelnen Streifen lang spindelförmiger, ungemein zarter Zellen in die Erscheinung (Fig. ı, en). Mächtiger hingegen ist es in der Nähe der Mündung am Vorderende des Körpers entwickelt, namentlich dort, wo die Körperwand durch eine quer gestellte »Rosettenplatte« nach vorn sich von einem zweiten Individuum abgrenzt. Hier erkennt man auf Flächenbildern (Fig. 2) unter der nur durch rundliche Kerne (ec) ihr Vorhandensein dokumentierenden äufseren Epithellage ebenfalls lang gestreckte spindel- förmige Zellen, deren jede einen länglichen Kern enthält. Dieses merkwürdige Epithel, welches namentlich in den mittleren Partien des Körpers durch Anastomosierung einen parenchymatösen Charakter annimmt, bietet insofern ein besonderes Interesse, als es einer- seits augenscheinlich einen Ersatz für die der Paludicella fehlende Längsmuskelfaserschicht darstellt, somit kontraktil sein dürfte, andererseits aber einen willkommenen Beweis für die oben versuchte Ableitung der Längsmuskelschicht aus dem Innenepithel bietet, wenn wir annehmen, dass eben bei dieser einfachen Form eine Differenzierung in zwei getrennte Lagen, deren eine mehr epithelialen Charakter bewahrt, deren andere den von Fasern angenommen, noch nicht eingetreten ist. Der Einwand, dass es sich hierbei doch vielleicht

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 31

um eine echte Laingsmuskulatur handele, durch welche etwa eine nur ganz gering ent- wickelte innere Epithellage völlig verdeckt werde, wird durch Quer- und Längsschnitte auf das bündigste widerlegt. Im übrigen dürften sich diese Befunde den Verhältnissen bei den marinen Bryozoen anschliessen, bei denen ja der epitheliale Charakter der die Leibeshöhle auskleidenden Gewebsschicht vielfach völlig vermisst wird.

Bei den Plumatellen, Alcyonellen und wahrscheinlich auch bei Fredericellen stellt das Innenepithel einen äusserst zarten, nur nach der Mündung zu stärkeren Beleg der Körperwand dar. Nizsche wagt es nicht zu entscheiden, ob an demselben deutliche Zell- grenzen vorhanden sind, da er die Zellen nur im Querschnitt beobachtete. Ich muss die Anwesenheit besonderer Zellmembranen entschieden in Abrede stellen. Ein glücklicher Tangentialschnitt liefs mich Bilder beobachten und ähnliche konnte ich auch bei Pec- tinatella konstatieren wie das in Fig. 24 wiedergegebene. Dasselbe lehrt, trotz der möglichen Schrumpfung infolge der Konservierung, dass es sich, wie bei dem Aufsen- epithel, nur um membranlose, um distinkte Kerne gclagerte Zellterritorien handelt, die nach allen Richtungen protoplasmatische Fortsätze aussenden, durch welche sie netzmaschig verbunden sind. .Mit diesem Bau der inneren Zelllage lassen sich auch die Bilder der Querschnitte (Fig. 21 von Plumatella, Fig. 16 von Cristatella etc.) sehr wohl in Einklang bringen, insofern hier gewissermafsen nur sporadisch einzelne Zellkerne mit umgebendem Protoplasma der Leibeswand von innen angelagert erscheinen. Selbstverständlich ist dabei keineswegs ausgeschlossen, dass diese Zellen zu einer kompakteren, weniger durchbrochenen Schicht sich zusammenschliefsen können, wie dies sicher namentlich in der Nähe der Mündungen und in der Knospenzone der Fall ist. Dabei ist es mir in hohem Grade wahrscheinlich, dass diese protoplasmatischen Zellen direkt zu langen, in das Innere des Bryozoenleibes eintretenden Fasern auswachsen können, die wir als Muskelfasern zu be- zeichnen berechtigt sind. Ich denke hierbei an die sogen. vorderen Parietovaginalmuskeln, welche, wie später noch genauer zu erörtern, nicht aus der Längsfaserschicht der Leibes- muskulatur, sondern direkt aus dem die Leibeshöhle auskleidenden Epithel sich ableiten.

Während das Innenepithel der Cristatella von demjenigen der eben besprochenen Gruppen keine wesentlichen Verschiedenheiten zeigt, finden wir an den Seitenpartien der Leibeswand von Lophopus und Pectinatella diese innere Zelllage zu ganz excessiver Entwickelung gelangt (Fig. 22 und Fig. 23). Eine Membran ist auch hier nicht vorhanden; dagegen bietet namentlich das Bild von Lophopus (Fig. 23) insofern neue Verhältnisse, als hier auch in dem Innenepithel ganz ähnliche Vacuolen zur Ausbildung gelangt sind, wie sie für die äussere Epithellage so charakteristisch waren. Für die im früheren ver- suchte Deutung des Nutzens dieser Vacuolen- und Gallertballenbildung ist es von Belang zu wissen, dass gerade Lophopus durch die ungemeine Durchsichtigkeit der Leibeswand vor allen anderen Formen sich auszeichnet. Die mächtigen, lang cylindrisch oder keulen- förmig gestalteten Zellen sinken übrigens nach allen Richtungen von diesen eigenartigen Wandpartien schnell wieder zu normaler Gröfse herab, so dafs Oberfläche und Basis der Kolonie von den gleichen Teilen der Cristatella keine wesentlichen Differenzen zeigen.

Die Frage, ob das Innenepithel der Leibeswand durchweg oder in grofser Ausdeh-

32 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

nung mit Flimmerhaaren besetzt sci, wie die früheren Autoren berichten, wage ich nicht endgültig zu entscheiden. Szcker nachzuweisen vermochte ich dasselbe nur in den Armen des Lophophors, was mit der Thatsache gut in Einklang stehen würde, dafs gerade in diese Hohlräume die festen Partikelchen der Leibesfliissigkeit mit grosser Energie ein- und aus- treten. Ausgeschlossen bleibt natürlich nicht, dafs auch noch sonst einzelne Partien der inneren Leibeswand Cilien tragen; jedenfalls aber haben meine Studien an Schnitten nach dieser Richtung nur zu negativen Resultaten geführt.

Im bisherigen haben wir die äufsere Körperwand der Bryozoen wesentlich als einen oben und unten offenen Hohlcylinder aufgefafst. Es würde nunmehr unsere Aufgabe sein, diejenigen Teile der Leibeswand etwas näher ins Auge zu fassen, welche etwa das Einzel- tier basalwärts von den Nachbarindividuen abschliefsen, resp. im oberen Teil die Ver- bindung mit dem aus der Mündung hervorragenden Polypid vermitteln. Ehe wir jedoch zu einer Untersuchung dieser Gebilde schreiten, wollen wir vorerst noch kurz die Cuticular- ausscheidungen besprechen, welche jener Hohlcylinder in weitaus den meisten Fällen her- vorbringt, und welche in der Systematik der gesamten Bryozoen von jeher als sogen. Ectocycte eine hervorragende Rolle gespielt haben.

Cuticularbildungen der Haut. Dats die Cuticularbildungen, welche den Bryozoen- körper zu umschliefsen pflegen, im allgemeinen chitinöser Natur sind und der obersten Epithelschicht der Leibeswand ihren Ursprung verdanken, ist seit <d///man nicht mehr zweifelhaft*). Ebenso weis man sot .‚Vr/sche (72, pag. 13), dafs, entsprechend der all- mählichen Bildung, nicht selten eine Art Schichtung in den dickeren Partien dieser Cuticula zu erkennen ist. Die Chitinausscheidungen sind anfangs und auch wohl noch lange Zeit ziemlich dünnflüssig und klebrig; dies erhellt nicht allein aus der Thatsache des Anhaftens an der Unterlage, sondern namentlich auch aus der Inkrustierung der Chitinschicht mit allen möglichen Substanzen, Steinchen, Exkrementen und besonders Diatomeenschalen, wobei es hervorgehoben zu werden verdient, dafs diese letzteren nicht selten senkrecht im Chitin stecken, also von letzterem gewissermafsen umflossen sein müssen, wie dies in Fig. 21 angedeutet ist. Kalkeinlagerunyen, wie sie bei marinen Bryozoen so häufig, fehlen mit einer einzigen Ausnahme gänzlich. Im übrigen zeigt die Härte, Färbung und Maächtigkeit der Cuticularausscheidungen bei den ver- schiedenen Süfswasserformen eine derartige Mannigfaltigkeit, dafs es der Mühe lohnt, sie im einzelnen zu verfolgen.

Die Cuticula der Ctenostomengattung Victorella ist äufserst zart, sehr elastisch, glashell und nur wenig inkrustiert. Bei der Gattung Paludicella gilt Ähnliches nur für die jugendlichen Individuen, bei welchen man ebenfalls die inneren Organe durch die leicht gelblich gefärbte Cuticula deutlich erkennen kann. Je älter indes die Individuen werden, desto dunkler und starrer erscheint die Wandung, so dafs die abgestorbenen Gehäuse schliefslich ein tiefes Braun zeigen, das noch überdies durch Inkrustation völlig

*) Dumortier und van Peneden (47, pag. 42) glaubten noch an eine aus Zellen gebildete Epidermis im Sinne der Wirbeltiere.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 33

in Schwarz übergehen kann. Wie ungemein biegsam die hellbraune »pergamentartige« Cuticula der jungen Individuen ist, wird der am besten erfahren, welcher die Stöckchen zwecks Konservierung aus Wasser in Alkohol überführt. Selbst bei gröfster Vorsicht und tropfenweise erfolgendem Zusatz von Alkohol wird er beobachten, dafs viele der eben noch strotzenden Körper zu blattartig dünnen Platten zusammengesunken sind, die nur durch erneuten Wasserzusatz wieder einigermafsen in die frühere Form zurückgeführt werden können. Es beweist diese Erscheinung, die mir bei keiner anderen Tiergruppe in auch nur annähernd so unangenehmer Weise aufgefallen ist, dafs jene Cuticula augen- scheinlich für Wasser, nicht aber für Alkohol durchdringlich ist. Nicht ohne Interesse scheint es mir, dafs ich bei dieser Gattung in vielen Fällen winzige Kalkkörperchen zer- streut auf der Cuticula nachweisen konnte (Taf. 1, Fig. ı k), die bei den sogenannten Winterknospen sich weit zahlreicher entwickelt zeigen und winzigen Porenkanälen der Chitinschicht aufsitzen.

Während am Stocke der Paludicella, gemäfs der ausgeprägten Gliederung, der ausnahmlosen Abgrenzung der Einzeltiere durch Septa, die Färbung der Cuticula ge- wissermafsen stufenweise von Tier zu Tier heller wird bis zu den fast farblosen Indivi- duen der äufsersten Zweigenden, findet bei den hirschgeweihartig verzweigten Phylacto- laemen, den Fredericellen, Alcyonellen und Plumatellen eine solche Veränderung der Cuticula in Farbe und Dicke in der Regel viel allmählicher vom Grunde des Stockes her statt. Dennoch herrschen hier im einzelnen nicht unerhebliche Verschiedenheiten, nicht allein bei den verschiedenen Gattungen und Arten, sondern auch bei den Individuen derselben Art. Am gleichförmigsten noch erscheint die Cuticula von Fredericella; sie ist in der Regel, bis auf die äufsersten hyalinen Zweigspitzen, von derb pergamentartiger brauner Beschaffenheit und fast stets derartig von Diatomeenschalen wol meist den ausgeworfenen Exkrementen entstammend bedeckt, dafs sie völlig opak zu nennen ist. Bei den massigen Klumpen schwammartiger Alcyonellen finden wir ganz ähnliche Verhältnisse, insofern auch hier nur die äufsersten, frei zu Tage tretenden Röhrenenden hyalin bleiben. Sobald aber das Massiv der Röhren etwas lockerer wird, die Röhren nicht mehr durch dichtes Aneinanderlagern sich polyedrisch abplatten, pflegt auch der hyaline Endabschnitt der Röhren sich erheblich zu vergröfsern. Dabei ist jedoch zu be- merken, dafs in dieser Hinsicht die einzelnen Arten charakteristische Unterschiede zeigen, und dafs es Formen giebt, die auch bei völlig lockerer Verzweigung gleich der Frederi- cella fast in der ganzen Länge ihres Stockes die braune Cuticula beibehalten. Die Plumatellen sind in gewissen Formen von den Arten der bisherigen Gattung Alcyonella nicht zu trennen, wie später ausführlich dargelegt werden soll. Für sie gilt in Bezug auf die Cuticula natürlich dasselbe, was soeben über die Alcyonellen hervorgehoben wurde. Daneben aber finden sich Formen, bei welchen die Farblosigkeit und Durch- sichtigkeit der Cuticula nicht auf die jüngeren Zweige der Colonie beschränkt bleibt, sondern gleicherweise für den Stock in seiner Gesamtheit derartig charakteristisch ist, dafs Fullen (93, pag. 133) dieselben als Genus Hyalinella von den übrigen Plumatellen abtrennen konnte. Ohne dieser generischen Abgliederung zustimmen zu wollen, da alle

5

34 K. KRAEPELIN, Die deutschen Siifswasserbryozoen.

denkbaren Übergänge nachzuweisen sind, müssen wir das Auftreten vollkommen hyaliner Arten bei den Plumatellen doch insofern mit hohem Interesse konstatieren, als durch diese augenscheinlich die Brücke zu den sogenannten Gallertformen, den Lophopus, Pectinatellen und Cristatellen geschlagen wird. Dafs Lophopus eine glashelle homogene Cuticula besitzt, war schon iman bekannt, der dieselbe jedoch nur dadurch zu kon- statieren vermochte, dafs er die Kolonie durch teilweise Trockenlegung zu energischer Kontraktion brachte, wobei dann die Cuticula als weiter heller : Gallertmantel sichtbar wurde. Ich habe dieselbe durch cin ähnliches Experiment und aufserdem auf Schnitten nachweisen können, will jedoch dabei bemerken, dafs man unter dieser »gallertartigen « Cuticula sicher nicht an cine von dem braunen, pergamentartigen Chitin der hirschgeweih- artigen Formen spezifisch verschiedene Substanz zu denken hat, sondern lediglich an cin zarteres, in manchen Fällen vielleicht wasserreicheres Chitin, welches des Farbstofis ent- behrt. Einen direkten Beweis für diese Behauptung lieferte die Gattung Pectinatella. Dieselbe besitzt auf der Oberfläche ihrer Kolonie ebenfalls eine hyaline, zarte Cuticula. An der Basis der Kolonie aber geht letztere über in cine gewaltige »Gallertschicht« von oft 5—6 cm Dicke, welche als mächtiger, halbkugelig gewölbter Klumpen den ganzen, zu einem Individuum höherer Ordnung vereinigten Kolonickomplex unterlagert. Diese Gallertmasse, welche zweifellos mit der Oberfliichencuticula homolog ist und in gleicher Weise von dem Aufsenepithel der basalen Leibeswand ausgeschieden wird, war in ge- nügenden Mengen zu beschaffen, um eine chemische Untersuchung zu gestatten, die Herr Dr. F. Wibel, Direktor des hiesigen chemischen Staatslaboratoriums, bereitwilligst und freundlichst übernahm. Derselbe hat mir darüber folgenden Bericht mitgeteilt:

Chemische Untersuchung der hyalinen Ausscheidungen von Pectinatella magnifica.

Die mir zur Untersuchung überwiesenen merkwürdigen grofsen Ausscheidungen zeigen im frischen Zustande eine gut durchscheinende hyaline Masse von immerhin über- raschender Konsistenz, welche von zahlreichen, sehr dünnen Membranen als Scheidewänden durchzogen erscheint. Ihrer genaueren chemischen Analyse stellen sich eigenartige Schwierigkeiten entgegen. Zuvörderst repräsentieren scheinbar sehr grofse Mengen wegen des unten erwiesenen, fast beispiellosen Wassergehaltes eine nur sehr geringe Quantität verfügbaren Untersuchungsmateriales, und wird dieser Übelstand ferner durch die leichte Zersetzbarkeit der Masse gesteigert, die sich selbst bei ganz kurzem Verweilen in ge- wöhnlichem oder destilliertem Wasser durch die kräftige Entwickelung von Schwefelwasser- stoff kundgiebt. Line Aufbewahrung in Alkohol, Chloroform u. s. w. ist wiederum un- thunlich, weil dadurch ein mehr oder minder starkes Zusammenschrumpfen der Masse, offenbar durch Herausdrängen des Wassers, bewirkt wird. Endlich aber ist die aufser- ordentlich starke Imbibition mit Wasser auch insofern geeignet, das analytische Bild zu beeinträchtigen, als ja bei einer einfachen Gesamt-Analyse alle in diesem Wasser ent- haltenen Bestandteile an Mineralsalzen und Organischen Substanzen auf Rechnung der eigentlichen Masse gesetzt werden würden, cin Umstand, der gerade in vorliegendem Falle, wo es sich um das häufig recht unreine Bille-Wasser handelt, nicht aufser acht

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 35

gelassen werden darf. Wenn ich deshalb die weitere Prüfung mit leicht ausgeprefster und dadurch von der Hauptmenge des imbibierten Wassers befreiter Substanz ausgeführt habe, so ist hiebei wieder zu berücksichtigen, dafs damit auch vielleicht dieser selbst zu- vehorige Bestandteile, namentlich organischer Natur, fortgeführt sein können. Aus allen diesen Gründen wird eine wirklich exakte Analyse nur dann ermöglicht werden, wenn man über eine grofsce Menge frischen Materials verfügt, wenn man in der Lage ist, die- selbe so schnell als möglich nach den verschiedenen Richtungen hin zu untersuchen, und wenn man das Flufswasser der betreffenden Lokalität aus derselben Zeit zur Vergleichs- analyse vor sich hat.

Unter diesen Vorbehalten gebe ich nachstehend die Resultate der im hiesigen Chemischen Staats-Laboratoriun ausgeführten Bestimmungen.

1. Trockenrückstand, resp. Wasser-Gehalt. Aus gewöhnlicher, mit Wasser im- prägnierter und nur äufserlich mit einem Tuche leicht abgetrockneter Originalsubstanz im Gewichte von 49 Gramm, wurden bei thunlichst beschleunigtem Verdunsten im Va- kuum über Schwefelsäure (ohne jede Temperaturerhohung, um Zersetzung zu vermeiden) erhalten 0,16 Gramm == 0,33 Div "Rückstand.

Aus in Alkohol konservierter Masse = 16,268 Gramm wurden bei gleicher Be- handlung gewonnen 0,074 Gramm = 0,45°/o Rückstand. Berücksichtigt man, dafs in der mit dem spezifisch leichteren Alkohol imprägnierten Masse die relative Gewichtsmenge des Rückstandes gröfser erscheinen mufs, dafs ferner eine sekundäre Ausscheidung von Salzen durch den Alkohol (z. B. von Ca SOs) keineswegs ausgeschlossen ist, und endlich, dafs an diesem Rückstande überhaupt die sämtlichen Bestandteile des eingeschlossenen Flufswassers partizipieren, so wird man die Zahl für den Rückstand -= 0,3 °/o für die annähernd richtigste, wenn auch eher noch zu hoch erachten dürfen. Dann hat man

für die Masse: Gesamtrückstand bei ca. 15° C. 0,3%o

Wasser-Gehalt = 99,7 Hin

Es dürfte demnach die vorliegende Substanz eines der wasserreichsten organi- sierten Gebilde, wenn nicht das wasserreichste sein, welches man bis jetzt kennt.

2. Pressrückstand. Die zur weiteren Untersuchung verwendeten Originalmassen wurden in einem feinen Leinentuche gut bis zur Erschöpfung ausgeprefst, so dafs aber nur ganz dünnflüssige Lösungen abtropfen konnten. Aus äufseren Gründen war eine Bestimmung des Prefsrückstandes im Verhältnis zur Originalsubstanz nicht ausführbar; die erhaltene Menge des ersteren schleimigen, mit den erwähnten Membranen durch-

zogenen Residuums betrug 59 Gramm. Bei einer lange Zeit in Alkohol aufbewahrten Probe wurden auf 65,053 Gramm

der äufserlich gereinigten und abgetrockneten Gallerte 13,935 Gramm == 21,42 °/o Prefs- rückstand mit 0,225 Gramm -= 0,35°/, Trockenrückstand bei 15° C. erhalten. Es sind

also ca. 78'/2°/y Flüssigkeit ausgeprefst worden, woraus immerhin ersichtlich wird, eine wie grofse Menge derselben lediglich mechanisch in dem Gebilde festgehalten wird; ein wie erheblicher Rest aber auch noch anderweitig in demselben gefesselt bleibt, welcher

36 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

durch Pressen nicht zu entfernen ist. Ubrigens dürfen natürlich diese Zahlen nicht auf die Verrechnung der frischen und in Wasser aufbewahrten Masse verwendet werden.

3. Salzsaure Ixtraktion. Die 59 Gramm Prefsrückstand wurden bis zur Er- schöpfung mit ganz verdünnter, höchstens etwa 4°/o H Cl-Lösung behandelt. Das ein- gedampfte Filtrat betrug bei 100° getr. 3,52°/o. Davon waren

Organ. Substanzen + Wasser = Glühverlust 2,64 °/o

Asche Mineralbestandteile 0,88 °/o welche hauptsächlich aus den Phosphaten von Kalk, Thonerde, Eisen und schwefelsaurem Kalk neben etwas Magnesia bestand.

4. Kali-Extraktion. Der Rückstand von 3. wurde mit (SOs-freier) KHO- Lauge dreimal ausgekocht. In dem eingedampften und mit reinem Salpeter geschmol- zenen Filtrate wurden (als Ba SO4 bestimmt) gefunden

Schwefel (aus Albuminaten) = 0,0534 Gramm = 0,09°/o oder unter Annahme von 1,5°/o S als Mittelwert Schwefelhaltige Albuminate 6,0°/o. Mit dem so erwiesenen relativen Reichtum an Schwefel wird auch die oben berührte kräftige Schwefelwasserstoff-Entwickelung resp. der leichte Zerfall der Masse begreiflich.

5. Chitin-Rückstand. Der nunmehr gebliebene Rückstand wog nach dem Aus- waschen mit Hz O, Alkohol und Äther, in welche Flüssigkeiten nichts Besonderes über- ging, und nach dem Trocknen bei 100°C = 0,735 Gramm == 1,25°/o und stellte eine grauweifse Masse dar, welche bei dem Erhitzen noch immer etwas eisenhaltige Asche lieferte, im übrigen aber auf Chitin hinwies. Nicht nur die eingeleiteten direkten Re- aktionen bestätigten diese Vermutung, sondern es gelang namentlich auch die Überführung in salzsaures Glykosamin nach Ledderhose und Tiemann in sehr schöner Weise, so dafs unter teilweiser Abscheidung von Humus-Substanzen 0,4820 Gramm gut krystallisiertes Glykosamin-Salz mit allen charakteristischen Reaktionen gewonnen werden konnten.

6. Zusammenfassung. Aus vorstehenden Daten ergiebt sich sonach die annähernd zuverlässige Konstitution der seltsamen Massen wie folgt:

Original-Substanz.

Wasser 99,7 Hin Gesamtrückstand bei 15° C. 0,3 fin 1000 Ausgepresste Masse (Pressrückstand) I) Wasser 89,23 °/o 2) Mineralbestandteile (Ca, Al, Fe, Mg, Pe Os, SOs) 0,88 » 3) Organische Substanzen ca. 9.89 » davon a) in H Cl loslich ca. 2,64 °/o b) in KHO Joel (aus 0,09 °/o S ber.) Albuminate ca. 6,00 » c) Chitin (nicht ganz aschenfrei) ca. _ 1,25 »

100,00 Dr. F. Waibel.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 37

Bei Cristatella gelang es mir nicht, auf der Oberfläche der Kolonie eine deut- lich markierte Cuticularschicht nachzuweisen, wodurch die alte Behauptung Allmans (61, pag. 13), dafs Cristatella der »Ectocyste« entbehre, scheinbar bestätigt wird. Anderer- seits ist hervorzuheben, dafs die sogenannte Sohle der Kolonie eine bis 3 mm dicke »Gallertschicht« ausscheidet, welche zuerst von Letdy beobachtet und schon von Hyatt als Homologon der »Ectocystee gedeutet wurde. Nach den Vorkommnissen bei Pec- tinatella kann es keinem Zweifel unterliegen, dafs //yart hierin das Richtige getroffen hat, wobei es allerdings noch fraglich ist, ob jene Gallertunterlage von dem Epithel der Sohle allein hervorgebracht wird, oder ob dabei auch die Zellen der Oberfläche der Kolonie beteiligt sind. In letzterem Falle hätten wir uns zu denken, dafs das Sekret der Hautzellen bei den Cristatellen in dem Grade dünnflüssig ist, dafs es eine erhärtende, zusammenhängende Schicht auf dem Rücken zu bilden nicht mehr im stande ist, son- dern an den Seiten abfliefsend mit dem Sekret der Sohle zu einer basalen »Gallert- schicht« verschmilzt. Augenscheinlich hat diese letztere erheblich andere Funktionen, als die Cuticula der übrigen Formen, da sie keineswegs mehr ein Schutzgehäuse der Kolonie darstellt, auch beliebig zurückgelassen werden kann, wenn die Kolonie einen andern Ort zum Aufenthalt wählt, so dafs der Ausdruck »Ectocyste« von Hyatt sicher etwas gewagt ist. Immerhin wird man gegen die morphologische Gleichstellung der Sohlengallerte von Cristatella und der »Ectocyste« der übrigen Formen kaum etwas einwenden können, um so weniger, als bei den letzteren manche Erscheinungen nach- zuweisen sind, welche jene Änderung der Funktion allmählich vorbereiten. Schon bei den »hirschgeweihartigen« Gattungen liegt die Cuticula der oberen Zellschicht der Leibeswand durchaus nicht überall so dicht an, wie etwa diejenige eines Wurms oder Arthropods. Dies ist vielmehr nur an dem vorderen Körperpol der Fall, wo die Ectodermzellen noch mehr den embryonalen Charakter bewahrt haben. Dennoch dürfte es schwer halten, aus diesem nur an wenigen Punkten mit der Haut verwachsenen, festen Gehäuse das Tier unversehrt herauszuschälen, und noch schwerer, letzteres selbst mit seiner ungemein zarten Leibeswand am Leben zu erhalten. Anders bei Lophopus. Hier war es leicht, nachdem sich die Kolonie infolge unzuträglicher Behandlung stark kontrahiert hatte, die Cuticula in toto abzulösen und dann die Kolonie gewissermafsen nach überstandener »Häutung« von neuem zum Festsetzen an der Unterlage, Ausscheidung einer Cuticula, kurzum zu normalem Weiterwachsen zu bringen. Was endlich Pectinatella anlangt, so gelingt es bei ihr ohne Schwierigkeit, die einzelnen Kolonien des Gesamtklumpens von der dicken Gallertunterlage abzulösen (Taf. VI, Fig. 137), eine Operation, die zur Herbstzeit von den Stöcken spontan vollzogen wird, und die wahrscheinlich dadurch sich ermöglicht, dafs eine oberflächliche Schicht der »Gallertmasse« völlig verflüssigt wird. Der zurückbleibende Teil der Gallerte, oft über ı Kilogr. an Gewicht, ist augenscheinlich der zarten Basal- membran der Cristatella in Parallele zu stellen.

Die Leibeswand am vorderen und hinteren Korperpol. Eine scharfe Abgrenzung der Einzeltiere am hinteren Körperpol findet man nur bei wenigen Süfswasserbryozoen. Unter diesen ist die Gattung Paludicella durch das ausnahmslose Auftreten von Scheide-

38 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

wänden, welches thr auch den früheren Namen Plumatclla »articulata« eingetragen hat, ausgezeichnet. Dieselben erscheinen als senkrecht zur Längsachse des Tieres wie der Kolonie gestellte, chitinösc, kreisrunde Septa, die in der Mitte von feiner Öffnung durch- bohrt sind und somit den sogenannten Roscttenplatten der marinen Bryozoen an die Seite zu stellen sind. Die eigentliche Leibeswand, hier lediglich aus dem äufseren und inneren Epithel bestehend, liegt beidseitig der Roscttenplatte dicht auf (Fig. 39: und ist augenscheinlich die Erzeugerin derselben. Wahrend aber das äufsere Epithel (ec) nach der Mitte der Platte zu allmählich dünner wird und bei der zentralen Öffnung schliefs- lich ganz verschwindet, entwickelt sich das innere Epithel (en) gerade hier beidseitig zu einem hochgewölbten Polster birnförmig aufgctriebener Zellen (bz). Die Stiele der Zellen dieser gegenfüfslerisch zu beiden Sciten der Plattenöffnung angeordneten Polster stecken in einer anscheinend homogenen oder schwach streifigen Masse; durch die feine Platten- öffnung aber sieht man eine Reihe von stark lichtbrechenden Chitinkanälchen hindurch- treten, welche sich beiderseits in die streifige Masse verfolgen lassen. Es liegt nach diesem Befunde die Vermutung nahe, dafs diese Chitinkanälchen zarte Leitungsröhren von den Birnzellen der einen Seite zu denen der andern seien, und dafs wir in dem ganzen ‚Apparat cine Vorrichtung zu erblicken haben, durch welche Nährstofflosungen des einen Tieres mittels siebartig wirkender Cautelen in die Korperhohle des Nachbar- individuuns übergeführt werden. Ahnliches habe ich bei keiner anderen Siifswasser- bryozoé beobachtet. Bei Victorella finden sich Scheidewände überall da, wo Tochter- zooecien oder Stolonen vom Mutterzovecium geknospet werden (Taf. H, Fig. 75), während die zur Knospe auswachsende Anschwellung des Stolo selbst von letzterem nicht abge- gliedert wird (Taf. III, Fig. 97). Näheres über den Bau dieser Septen bei Victorella habe ich nicht feststellen können, glaube aber nicht, dafs er von dem der Paludicella wesentlich verschieden ist.

Fredericella und die übrigen hirschgeweihartigen Formen bilden zwar »gelegent- lich« Septa, deren Auftreten später noch genauer erörtert werden soll; dieselben zeigen aber an ihrer sehr grofsen zentralen Durchbohrung nichts von jenem spezifischen Bau der Paludicellaplatten, wenngleich auch hier natürlich die beiden Schichten der Letbes- wand der chitinösen Scheidewand sich anlegen. Dafs bei den hyalinen Formen eine Scheidung der Individuen überhaupt nicht mehr eintritt und schliefslich der Stock einen einzigen grofsen Hohlraum zu bilden scheint, in den die Polypide nach Belieben sich zuruckzichen, wurde schon im früheren ausgeführt. Dennoch ist zu bemerken, dafs in diesen Fällen, selbst bei der Cristatella, immerhin noch gewisse Schranken existieren, welche den Innenraum in eine Anzahl getrennter, wenn auch mit einander kommuni- zierender Kammern teilen. Diese aus Muscularis plus Innenepithel der Leibeswand ge- bildeten Septen (Taf. HI, Fig. 89 se) sind dann allerdings nicht jenen quergestellten Platten der verzweigten Formen homolog; sie müssen vielmehr als Neubildungen auf- gefafst werden, wenn man sie nicht, was wohl richtiger, als Homologa der äufseren Röhrenwandung anschen will, bei welchen die Beteiligung des Aufsenepithels als überflüssig in Wegfall gekommen ist. |

K. KRAEPELIN, Die deutschen Siifswasserbryozoen. 39

Am vorderen Körperpol des als Hohleylinder gedachten Bryozoenindividuums ist die Leibeswand, das Cystiderm, wie ich sie im früheren bezeichnete, zunächst nach innen eingestülpt, um dann, wieder aufwärts biegend, als Aampftoderm (früher -Tentakelscheide ) die Verbindung mit der Basis der Tentakelkrone des »Polypids« herzustellen. Dieser ganze, im bisherigen noch nicht besprochene Abschnitt der l.eibeswand zeigt gewisse charakteristische Eigentimlichkeiten, die zum Teil schon durch Veränderungen der Mun, dungszone des Cylinders selbst eingeleitet werden. Zu letzteren Erscheinungen wäre zunächst das allmähliche Dünnerwerden der Cuticula bet den hirschvewethartigen Formen im ganzen Umkreis der Mündung oder doch an einer sich scharf keilförmig markicrenden Stelle der Analseite des Cylinders (der »Furche. A//mans) zu rechnen. Sodann aber vor allem das Auftreten von 4 starken cuticularen Verdickungsleisten in der Nähe der Mün- dung von Paludicella und Victorella, welche längsverlaufend die Kanten einer qua- draiischen Säule darstellen und so die verbindende elastische Cuticula zwingen, allmählich nach aufwärts aus dem runden in den quadratischen Querschnitt überzugehen. Die Mün- dung selbst bietet somit das Bild eines Quadrates, in dessen 4 Ecken die 4 Verdickungs- leisten senkrecht zur Bildfläche endigen. So wenigstens ist cs bei ausgestrecktem »Po- lypid« (Fig. 99, Taf. HI). Anders, wenn letzteres in die Leibeshöhle zurückgezogen wurde. Alsdann erscheinen die 4 T.ängsleisten nur mit ihren basalen Teilen als Stütz- stäbe der Aufsenwand; der gröfsere Abschnitt dersciben und mit ihnen natürlich auch die dazwischen ausgespannte dünnere Cuticularmembran, ist nach innen eingeschlagen (Fig. 104) und stellt so einen elastischen Verschlufs der Mündung dar, der überdies noch durch eine zarte, vielfach gefaltete Membran mb, welche das zentrale Lumen verstopft (vgl. Fig. 100, bei dem eben sich ausstülpenden Polypid), vervollständigt wird. Ermöglicht wird diese Einbiegung der augenscheinlich stark verdickten Chitinstäbe bei Paludicella lediglich durch keilförmige Einkerbungen des Chitins an der Innenseite, die in kurzen Zwischenräumen auf einander folgen und den Stäben ein eigentümlich ge- runzeltes oder zerhacktes Aussehen geben (Fig. 99 ch). Betrachten wir die Mündung eines ausgestreckten Tieres im Längsschnitt, so erkennen wir leicht, dafs die äufsere Cuticula keineswegs dort thr Ende erreicht, wo die 4 Chitinstabe am Mündungsrande ziemlich plötzlich durch Verflachung zur normalen Dicke der Chitinwand dem Auge ent- schwinden, dieselbe stülpt sich vielmehr als zarte Membran zunächst nach innen ein (Fig. 99 rw), um gleich darauf wieder nach aufsen umzubiegen und nun als ungemein zarter hyaliner Becher (mb) die Basis der Tentakelkrone glockenartig locker zu umschlie- (sen. Dieser Becher ist es, welcher bei zurückgezogenem Polypid das zentrale Lumen des oberen Mündungsabschnittes, so weit es nicht durch die einwärts geborene Leibes- wand mit seinen 4 Stützstäben selbst verschlossen wird, verstopft, dabei aber nicht nach innen gestülpt wird, sondern seine Mündung stets nach oben kehrt, so dafs er z. B. bei Vic- torella, wo die Verhältnisse ganz ähnliche sind, als längsgcfaltete Membran ziemlich weit aus der Mündung heraussieht (Fig. 75, Taf. HI, mb). Es kann keinem Zweifel unterliegen, dafs dieser hyaline Becher bei Paludicella und Victorella es ist, nicht, wie Allman glaubt, der Apparat der 4 Stützleisten, welcher den »setac« der übrigen Ctenostomen entspricht.

40 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Es liegt daher die Vermutung nahe, dafs auch bei diesen nicht einzelne »Borsten« auf- treten, sondern eine gefaltete Bechermembran, doch ist es mir bei mangelndem Ver- gleichsmaterial nicht möglich, die Frage endgültig zur Entscheidung zu bringen. Natürlich bedürfen auch die eben besprochenen Cuticularmembranen einer sie hervorbringenden Zellenschicht. Es läfst sich daher schon a priori schliefsen, dafs das Cystiderm an der Mündung gleicherweise nach innen umbiegen wird, wie die von ihm abgesonderte Cuticula. Dies ist in der That der Fall und zwar in weit höherem Grade. als man etwa nach der Länge des oben beschriebenen hyalinen Chitinbechers erwarten sollte. Betrachten wir die Verhältnisse zunächst bei eingestülptem Polypid, so sehen wir im optischen Längsschnitt die Einstülpung der äufseren Körperwand bis tief in das Innere des Körpers, ja bis über die Hälfte seiner Gesamtlänge bei Paludicella, sich hineinziehen, um am Grunde der Tentakelkrone in ringförmiger Zone mit dieser in Verbindung zu treten. (Taf. III, Fig. 104 kd). Diese Einstülpung läfst deutlich zwei histiologisch scharf geschiedene Abschnitte erkennen. Der der Mündung nächste ist charakterisiert durch die verhältnismäfsig beträchtliche Dicke seines zylindrischen Epithels (Fig. 104 r w), welches von dem eingestülpten Teile des allmählich immer zarter werdenden chitinösen Stützapparates innen überkleidet wird. Nach längerem Verlauf, in welchem vier ge- waltige pyramidale Muskelbündel (Fig. 104 pm) von der Leibeswand her an dieses Ein- stülpungsrohr herantreten, zeigt dann dasselbe eine deutliche Ringeinschnürung (Fig. 104 bei y); die Wandung wird plötzlich ungemein zart und umschliefst nun von hier ab als zweiter Abschnitt die zusammengelegte Tentakelkrone bis zu deren Grunde (Fig 104 kd). Der erste Abschnitt des Kamptoderms, den wir als Randwuls! bezeichnen wollen, ist somit der Erzeuger des chitinösen Stützapparates, dürfte aber auch die hyaline Becher- membran hervorgebracht haben, die wol als Abspaltungsprodukt des zarten Chitinbelegs am Grunde des Randwulstes aufzufassen ist. Der zweite Abschnitt des Kamptoderm, welcher als dünnwandige Membran die eingezogene Tentakelkrone umschliefst, wird in seinem oberen Dritteil durch vier vom Cystiderm entspringende Bänder, die sogenannten »hinteren Parietovaginalmuskeln«, fixiert (Fig. 104 db), welche beim eingestülpten Tier nach abwärts gerichtet sind, beim Ausstülpen des Polypids aber fast genau in entgegen- gesetzter Richtung nach aufwärts verlaufen und nunmehr den Punkt markieren, an welchem das Kamptoderm bei völlig ausgestülptem Polypid im spitzen Winkel wieder nach aufsen umgebogen ist. (Fig. 99, 100 u). Es bleiben somit von dem gesamten langen Ein- stülpungsrohr, welches das Kamptoderm in das Innere des Körpers bildet, bei der Pro- trusion des Polypids gewisse Partien unter allen Umständen eingestülpt, nämlich ein kleiner unterer Rest des als Randwulst bezeichneten ersten Abschnittes (Fig. 99 rw) und das obere Dritteil des zweiten Abschnittes bis zu dem Punkte u, wo die vier Parieto- vaginalstränge ein weiteres Umkrempen des Rohres nach aufsen verhindern. Azsgestülpt hingegen wird der obere (gröfste) Teil des Randwulstes, soweit er mit dem chitinösen Stützapparat belegt ist, und die unteren zwei Dritteile des zweiten membranösen Ab- schnittes, wobei jedoch zu bemerken, dafs nach Lage der Verhältnisse auch das zweite Dritteil, vom Fixationspunkte der Parietalstränge an, nicht wirklich frei nach aufsen her-

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. Al vortritt, sondern nur nach aufwärts gerichtet ist, im übrigen aber noch vom ersten Dritt- teil, wie von der äufseren Leibeswand umschlossen bleibt. -- Die Zellschichten, welche das Kamptoderm der Paludicella zusammensetzen, sind nicht leicht festzustellen. Im allgemeinen scheinen nur die beiden Epithellagen daran beteiligt zu sein; doch unter- liegt es keinem Zweifel, dafs namentlich im »Randwulst« auch muskulöse Elemente auf- treten, welche als Ringfasern (Fig. 104 rm) verlaufen und die früher erwähnte Ein- schnürung kurz oberhalb der Tentakelspitzen (bei eingezogenem Polypid) durch ihre Kon- traktion hervorrufen. Schon A//man zeichnet an dieser Stelle einen Ringmuskel, der allerdings in dieser Massigkeit und scharfen Umgrenzung nicht in die Erscheinung tritt. Dafs der histiologische Bau des Kamptoderm bei Victorella ein analoger, läfst sich mit Bestimmtheit annehmen, konnte jedoch bei der Zartheit der betreffenden Gcbilde nicht strikte nachgewiesen werden.

Bei den Gattungen der Phylactolaemen finden sich zwar mannigfache Abweichungen von den bei Paludicella geschilderten Verhältnissen, dennoch ist es nicht schwer, die ver- schiedenen Abschnitte des Kamptoderm auf einander zurückzuführen. Fig. 34 (Tafel I) zeigt den oberen Teil der Einstülpung der Leibeswand bei Fredericella im Längsschnitt. Man erkennt sofort, dafs auch hier das Kamptoderm aus zwei durchaus differenten Ab- schnitten besteht, deren oberer, Cylinderepithel tragender durchaus dem Randwulst der Paludicella entspricht (rw), während der tiefer eingestülpte, membranöse Teil (mk) ganz wie dort in seinem oberen Drittcil Scitenstränge (db) abgiebt, welche als »hintere Paricto- vaginalmuskeln« den Punkt markieren, an welchem bei vorgestrecktem Polypid das Kampto- derm wieder nach aufsen umbiegt. Abweichungen von dem Verhalten bei Paludicella finden sich lediglich in Bezug auf die bekleidende Chitinschicht, sowie in der Ausbildung der Muskelstränge, welche den »Randwulst« mit der Leibeswand verbinden. Von den vier Verdickungsleisten der Paludicella, welche den vorderen Abschnitt des Körpers bei Paludicella und Victorella aus der cylindrischen in die prismatische Form übergehen liefsen und welche, bei eingestülptem Polypid, mit ihrer verbindenden Membran bis tief in die »Mündung« hineingestülpt waren, finden wir bei Fredericella ebensowenig eine Spur, wie von der hyalinen Bechermembran. Vielmehr verdünnt sich die chitinöse Cuti- cula des Cystiderms schon an der Mündung derart, dafs man ein Eintreten derselben in die letztere nicht nachweisen kann.*) Nicht minder verschieden zeigt sich das Verhalten der sog. »vorderen Parietovaginalmuskeln«. Während es sich bei Paludicella und Vic- torella um vier gewaltige Muskelpyramiden handelt, welche von der Leibeswand an das Epithel der vier Stützstäbe in deren unterem Drittel herantreten und augenscheinlich be- stimmt sind, die derben Chitinstäbe mit Macht nach innen zu biegen, sehen wir bei Fredericella nur einzelne, wenn auch zahlreiche, zarte Fäden (dm) die Leibeswand nicht alleın mit dem Randwulst verbinden, sondern auch mit dem oberen membranösen Teil des Kamptoderm bis zur Insertion der »hinteren Parietovaginalmuskeln«. Erklärt wird

*) Ähnliches gilt von den übrigen Phylactolaemen, nur bei Plumatella punctata Hancock sieht man deutlich das Chitin in den eingestülpten Kamptodermeylinder eintreten.

6

42 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

u.

diese Verschiedenheit in der Ausbildung der in Rede stehenden Muskelgruppe natürlich durch die Verschiedenheit der Funktion. Nicht mehr um das Hineinbeugen gewaltiger Chitinstreben handelt es sich bei Fredericella, sondern lediglich um eine Dilatation des eingestülpten Kamptodernicylinders, wenn das Polypid nach aufsen vordringt. Dafs auch die Zahl der hinteren Parietovaginalstrange nicht mehr auf die Zahl 4 beschränkt ist, kann beim Fortfall der prismatischen Körperform nicht wunder nehmen; immerhin bleibt ihre Zahl eine geringe.

Die übrigen phylactolaemen Gattungen schliefsen sich in der Ausbildung ihres Kamptoderms eng an Fredericella an, lassen jedoch in ihrer phylogenetischen Reihe eine allmähliche Reduktion des einst so komplizierten und für das Leben im Meer jeden- falls hoch wichtigen Apparates erkennen. Fig. 42 (Taf. D giebt einen Längsschnitt des Kamptoderm bei Alcyonella. Derselbe zeigt keine wesentlichen Differenzen von dem bei I’redericella Beobachteten, doch ist die Zahl der feinen Faserstringe dm, der oberen Parietovaginalmuskeln, erheblich gewachsen, wie namentlich die perspektivische Ansicht Fig. 38 lehren mag, während der Unterschied zwischen Randwulst (rw) und membranösen Teil des Kamptoderm weit weniger scharf hervortritt, als bei den früher besprochenen Formen. Aus letzterer Thatsache wird es erklarlich, dafs Netsche bei Alcyonclla den gesamten eingestülpt bleibenden Teil des Kamptoderm als histiolocisch und physiologisch gleichartigen Abschnitt betrachten konnte, den er mit dem Namen »Duplikatur« belegte. Die »hinteren Paritovaginalstränges (db) sind mächtig entwickelt und weit zahlreicher als bei Fredericella. Während bei den Plumatellen und Alcyonellen die »Duplikatur. noch von beträchtlicher Länge ist, tritt sie bei den sog. Gallertformen auf Kosten des wieder ausstülpbaren membranösen Teils des Kamptoderms mehr und mehr zurück, wie die bei gleicher Vergröfserung wic Fig. 42 gezeichneten Fig. 41 von Lophopus und Fig. 40 von Pectinatella beweisen mögen. Bei Lophopus ist cine Unterscheidung von »Randwulst« und »membranösem Teil der Duplicatur« kaum noch angedeutet; die vor- deren »Parietovaginalfasern« (dm) sind kurz und nicht sehr zahlreich; die »hinteren Parietovaginalstränge« (db) zwar wohl entwickelt, aber ebenfalls kurz. Ganz Ähnliches gilt von Cristatella, bci welchem die hinteren Parictovaginalstrange sich unmittelbar an dem Ende des Randwulstes inserieren, während Pectinatella (lig. 40) zwar noch einen kurzen membranösen Teil zwischen Randwulst und hinteren Parictalsträngen erkennen läfst (mk), im übrigen aber durch die Kürze der »Duplikatur« und die geringe Ent- wickelung der vorderen Parietalfasern (dm) eng an die beiden verwandten Formen sich anschliefst. Fine besondere Eigentümlichkeit bietet Pectinatella nur insofern, als hier der untere Abschnitt des Randwulstes (rw) mit seinen halbinondförmig gruppierten, sich stark tingierenden Cylinderzellen fast den Habitus einer Drüse angenommen hat.

Wie sehr die im vorstehenden geschilderten Verhältnisse sich darstellen als der Ausdruck einer von Form zu Form mehr zurücktretenden Schutzvorrichtung kann erst dadurch richtig gewürdigt werden, dafs man die in den gleich stark vergröfserten Fig. 34 und 40—42 gegebenen relativen Gröfsenverhältnisse der Einstiilpungen mit den relativen Gröfsenverhältnissen der Tiere selbst vergleicht, insofern sich alsdann ergiebt,

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 43

dafs beispielsweise die Duplikatur der Fredericella mindestens um das zweifache im Ver- haltnis länger ist, als die von Pectinatella oder Cristatella. Eine wichtige Folge dieser allmählichen Reduktion der »Duplikatur« ist natürlich das dadurch veranlafste weitere Heraustreten des Polypids aus der Leibeshéhle. Paludicella und Fredericella lassen aufser der Tentakelkrone nur ein kleines Stück des Vorderdarms aus der Mündung hervor- treten. Plumatella und Alcyonella zeigen schon ein Stück des Mitteldarms; noch weiter entwickelt sind diese Verhältnisse bei Lophopus und Pectinatella (Fig. 106), während eine völlig vorgestreckte Cristatella fast mit ihrem gesamten Darm aus der Mündung hervorragt, so dafs nur die unterste Spitze des Fundus vom Cystiderm bedeckt bleibt. *)

Der /ustiologısche Bau des Kamptoderm bei den Phylactolaemen läfst deutlicher als bei Paludicella die Formelemente der äufseren Leibeswand erkennen. Von den zwischen den beiden Epithellagen eingeschlossenen Muskelschichten erkennt man die Längsfaserschicht deutlich auf Längsschnitten (Fig. 42 Im), während die Quermuskulatur, die übrigens auf den Randwulst beschränkt sein dürfte, namentlich auf Flächenbildern hervortritt (Fig. 38 qm). Die vorderen und hinteren »Parietovaginalmuskeln« sollen in ihrem feineren Bau im Zusammenhang mit den übrigen dic Leibeshöhle durchziehenden Muskelsträngen später besprochen werden.

2. Das Polypid.

Der Organkomplex, welcher bisher unter dem Namen Polypid zusammengefafst und vielfach als Individuum der Leibeswand mit scinen Organen, dem »Cystid., gegenüber- gestellt wurde, besteht im wesentlichen aus dem Verdauungstraktus und dem Central- nervensystem. Es ist vielleicht, trotz der veränderten Auffassung, welche wir über das Ver- hältnis des Polypids zum »Cystid« hegen, nicht unangebracht, den einmal eingebürgerten Namen beizubehalten, da derselbe nichts präjudiziert, und jener Organkomplex nament- lich für den oberflächlichen Beobachter immerhin ein so einheitliches Gebilde darstellt, dafs man eines besonderen Namens nicht wohl entbehren mag. Dennoch lehrt eine nähere Betrachtung, dafs es gar nicht so leicht ist, überall die Grenze dieses »Polypids« genau zu bestimmen, und dafs namentlich dann eine schr heikle Aufgabe gestellt sein würde, wenn man nach der Ad/man-Nitscheschen Auffassung sämtliche Organe des Bryo- zoenkörpers entweder dem »Polypid« oder aber dem »Cystid:, der Leibeswand, zuweisen sollte. Müfste doch in diesem Falle darüber Klarheit geschaffen werden, ob die ver- schiedenen Muskelstränge, welche von der Leibeswand zu Darm und Tentakelkrone ver- laufen, ob der Funiculus, der ein ähnliches Bindeglied darstellt, ja endlich, ob die »Ten- takelscheide« der Autoren mit ihrer Fortsetzung dem »Lophoderm« ganz oder teilweise dem einen oder dem andern »Individuum« zuzurechnen sei. Es kann keinem Zweifel

*) Dass dieses weite Hervortreten der Polypide nicht eine notwendige Folge der allmählichen Reduktion der »Cystidröhrene« ist, wie //vatt (69, pap. 203—5) glaubt, geht schon aus dem Umstande hervor, dass die ebenfalls fast röhrenlosen Arufinen Plumatellen (P. vesicularis etc.) keineswegs weit aus dem »Coenoeciume hervor-

ragen, sondern mit der llauptinasse ihres Darmtraktus von demselben umschlossen bleiben (Vgl. Fig. 124 Taf. V).

44 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

unterliegen, dafs bei einem solchen Versuch die Entscheidungen lediglich nach Willkür getroffen werden müfsten, da auch die Eintwickelungsgeschichte, wie schon jetzt bemerkt werden mag, entweder keine sicheren Kriterien an die Hand giebt, oder aber die Ent- scheidung in anderem Sinne treffen lafst, als wie wir es beim fertigen Individuum erwarten. In Bezug auf letzteren Punkt will ich nur darauf hinweisen, dafs z. B. das Kamptoderm. die » Tentakalscheide :, zweifelsohne in ihrer Gesamtheit aus dem Material der Polypid- knospe hervorgeht und somit dem Polypide zuzurechnen wäre, während sie beim er- wachsenen Tier lediglich als Fortsetzung der Letbeswand erscheint und in diesem Sinne im bisherigen auch von uns aufgcfafst wurde. Glücklicherweise fallen alle diese Schwierig- keiten hinweg, sobald man die Vorstellung zweier distinkter, zu einer höheren Einheit verbundener Individuen aufgicbt und das Polypid lediglich als einen durch seine freie Beweglichkeit sich besonders abhebenden Organkomplex des Bryozoenkörpers auffafst; ja, wir werden es in diesem Sinne nur in der Ordnung finden, wenn an den verschieden- sten Punkten eine scharfe Grenze zwischen ihm und den übrigen Organen überall nicht zu konstatieren ist.

Um eine klare Vorstellung über das Verhältnis von »Polypid und .Cystid« zu- nächst nach ihrer Lagerung und Verbindung mit einander zu gewinnen, wollen wir für einen Moment den Bryozoenkörper mit einem einfachen Anthozoon, etwa einer Actinie, in Parallele stellen. Letztere zeigt am Grunde des Individuums cine weite, ungeteilte Leibeshohle, die weiter nach oben sich verjüngt und hier durch radiar vom zentralen Munddarm zur Leibeswand verlaufende Septa in Kammern geteilt wird. Die direkte Fortsetzung dieser Kammern endlich, also ebenfalls Teile der schr verengten Leibeshöhle, sind dann die Hohlräume der das Ganze krönenden Tentakeln. Die äufsere Begrenzung der letzteren ist also cine kontinuierliche Fortsetzung der Leibeswand, während ihre orale Wandung direkt in das Epithel des Munddarms überscht, wie noch klarer erkannt wird, wenn man sich die Tentakelkrone nicht als eine Summe von im Kreise angeordneten Schläuchen, sondern als kontinuierlichen Trichter, als cine trichterförmig erweiterte Vor- darmhöhle vorstellt. Die Verhältnisse bei den Bryozocn sind den eben geschilderten durchaus analog, wenn wir davon abschen, dafs der Munddarm der Anthozoen hier zu einem vollständigen, nach vorn seitlich die Leibeswand mit Afteröffnung durchbrechenden Darmtraktus entwickelt ist, und wenn wir gleichzeitig berücksichtigen, dafs die bei Antho- zoen so mächtig entwickelten radiären Septa bei den Bryozoen nur in geringer Mächtig- keit unmittelbar an der Basis der Tentakelkrone auftreten. Dies vorausgeschickt, können wir die oben gegebene allbekannte Schilderung des Anthozocnlingsschnitts ohne weiteres auf den Bryozoenkörper übertragen. Die am Grunde weite, ungeteilte Leibeshöhle ver- jüngt sich infolge der kegelförmigen Gestalt des Körpers nach oben hin, namentlich in dem nur vom weichhäutigen Kamptoderm umgrenzten Abschnitt mehr und mehr, wah- rend gleichzeitig der zentrale Teil ihres Lumens von dem von oben hercinragenden Darm ausgefüllt wird. Endlich da, wo der Munddarm sich plötzlich erweitert, um in die oben supponierte trichterföürmige Vordarmhöhle überzugchen, treten kurze, radial gestellte Septa auf, welche Leibeswand (Kamptoderm) und Darmrohr mit einander verbinden und

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 45

so die Kammern erzeugen, die wir bei den Anthozoen als Vorräume der Tentakellumina kennen gelernt haben. Auch hier erscheint demnach im weiteren Verlauf die Aufsen- wand der Tentakeln als direkte Fortsetzung der Leibeswand, als »Lophoderm«, wie ich es nennen möchte, während die orale Seite kontinuierlich in das Epithel des Oesophageal- rohrs sich fortsetzt. Ein wenig komplizierter gestalten sich diese Verhältnisse, wenn die Tentakelkrone nicht mehr einen einfachen Trichter, sondern, wie bei den Phylactolacmen, ein hufeisenförmig eingebogenes Gebilde darstellt; im Prinzipe aber wird dadurch nichts eciindert. Es folgt aus dem Gesagten, dafs cs strenge genommen durchaus unzulässig ist, das »Polypid« als zusammengesetzt aus Darmkanal und Tentakelkrone aufzufassen, nur aus dem Grunde, weil das Kamptoderm am Grunde der »Septa« bei der plötzlich sehr verengerten Leibeshöhle scheinbar mit dem Polypid verschmilzt und hier abzureifsen pflegt, wenn man das »Polypid« zu isolieren versucht: das eigentliche »Polypid« ist nichts als der Darmkanal plus der oralen Wandung der Tentakelkrone, also, kurz gesagt, der gesamte cingestillpte Darmtraktus des Tieres mit dem supraoesophogealen Ganglion, während das Lumen der Tentakeln der Leibeshöhle, ihre Aufsenwandung der Leibes- wand zuzurechnen ist. Nach Feststellung dieser Thatsachen, die übrigens schon Nische der Hauptsache nach richtig erkannte, ohne daraus die Konsequenzen zu ziehen, wenden wir uns zur Besprechung der einzelnen Teile des ziemlich kompliziert gebauten Organ- komplexes, wobei wir, gleich den früheren Autoren, die Tentakclkrone als einheitliches Gebilde (vom Beginn der Septa an) auffassen wollen, da so die Beschreibung geringeren Schwierigkeiten begegnen dürfte und es auch unzulässig erscheint, genctisch einheitliche Bildungen, wie es die Tentakeln als Ausstülpungen der Leibeshöhle sind, in der Bespre- chung getrennt zu behandeln.

Der Darmkanal. Derselbe läfst bei allen Süfswasserbryozoen deutlich drei von einander abgesetzte Abschnitte Vorderdarm, Mitteldarm und Enddarm unterscheiden, für welche man wohl unbedenklich, wenn auch nicht im entwickelungsgeschichtlichen Sinne, die Nomenklatur der früheren Autoren Oesophagus, Magen, Rectum in Anwendung bringen kann. Die vorderc, etwas erweiterte Mündung des Oesophagus hat man wohl als Mundhöhle unterschieden, während der Magen nach Allman in einen Cardia- und einen Pylorteil zerfällt. Dicse letztere Unterscheidung gründet sich darauf, dafs von dem blindsackförmigen Magen Oesophagus und Enddarm nicht in gleicher Höhe entspringen, letzterer vielmehr auf einem stufenförmigen Vorsprung des vom Oesophagus herabziehenden Magenschlauches sich inseriert (Fig. 106 cd, Taf. II). Der gesamte er- weiterte Endsack dieses Magenschlauches ist es, der nach d//man als Pylorusteil bezeichnet wird, während der vom Insertionspunkt des Rectum nach vorn zum Oesophagus ziehende verengerte Abschnitt (Fig: 106 ca) den Cardiateil darstellt, der zuweilen (Victorella) noch eine besondere Anschwellung, den sog. Aaumagen (Fig. 91 km, Taf. III) der Autoren, erkennen läfst. Wo die 3 Hauptabschnitte des Darmtraktus in einander übergehen, zeigt das Darmlumen durch je eine einspringende Ringfalte sich stark verengt. Zwischen Oeso- phagus und Cardiateil stellt dieselbe eine »konische Projektion« dar (Fig. 27); zwischen Pylorteil und Rectum tritt die kegelförmige Bildung der Falte weniger scharf hervor

46 K. KRAEPELIN, Die deutschen Sufswasserbryozoen.

(Fig. 30). Das Rectum inseriert sich stets an der Neuralscite des Magenschlauches und tritt, neben dem Oesophagus nach vorn ziehend, wenig unterhalb des Schlundganglions mit dem Kamptoderm in Verbindung, dasselbe mit seiner Mündung durchbrechend (Fig. 106 cd). Es ist im allgemeinen von birnformiger Gestalt, kann sich jedoch auch in cinen fast retortenartigen Hals ausziehen. Es ist nirgend, wie .Vé¢sche glaubt, mit dem Cardiateil oder gar mit dem Oesophagus verwachsen, sondern besitzt in ganzer Lange eigenes Epithel.

Das relative Längenverhältnis der 3 Abschnitte des Darmtraktus schwankt bei den verschiedenen Bryozoenformen in ziemlich weiten Grenzen: Bei Paludicella und Vic- ` torella ist der Oesophagus aufserordentlich gestreckt, wie auch das Rectum; Oesophagus plus Cardiateil besitzen ungefähr die Länge des Pylorteils (Fig. 104, Taf. HI), während die- selben bei Pectinatella und Cristatella etwa nur halb so lanır sind, als der letztere. Im allgemeinen kann man sagen, dafs bei den Gallertformen namentlich der Oesophagus mehr und mehr gegen den Magen in seiner Entwickelung zurücktritt, da er, trotz der gewaltigen Gröfse dieser Tiere, noch nicht die halbe absolute Länge cines Paludicella- oesophagus erreicht und auch noch von dem ciner Alcyonella an Lange übertroffen wird. Es ist bei dieser auffallenden Verschiedenheit in den Längenverhältnissen zwischen Mitteldarm und den beiden andern Abschnitten des Darmtraktus sicher nicht an eine Änderung in der Funktion der einzelnen Teile zu denken; es liegt vielmehr auf der Hand, dafs es sich hier lediglich um Wandclungen handelt, die mit dem im früheren geschilderten so verschieden entwickelten Modus der LEinstülpung des Kamptoderms, d.h. des Zurückziehens des Polypids, im Zusammenhang stehen. Wo dieser Mechanismus am vollkommensten zur Ausbildung gekommen ist (bei Paludicella und Victorella), werden an die Fähigkeit der Lagenveränderung der nach vorn gerichteten Darmabschnitte ganz andere Anforderungen gestellt, als dort, wo cs sich, wie bei den »Gallertformen:, nur um ein momentanes Zurückzucken in eine weite, allen Polypiden gemeinsame Hohle handelt. Ein Blick auf die Fig. 104 und 106 move dem Gesagten zur Erläuterungs dienen. Wir erkennen sofort, dafs der lange, winklig geknickte Oesophagus ber Palu- dicella, gleicherweise wie das sich lang zuspitzende Rectum, cine weit beträchtlichere Lagenverschiebung der Tentakelkrone nach vorn gestatten, ohne den Magen selbst zu alterieren, als der vom Rectum nur im stumpfen Winkel abgebogene kurze Cardiateil einer Pectinatella (Fig. 106 zp).

Was den /rstiologischen Bau des Darmtraktus anlangt, so sieht man schon auf lMächenbildern am lebenden Tier, dafs der Magen in sciner Gesamtheit von Oesophagus und Rectum zunächst bei den Phylactolaemen insofern abweicht, als er deutlich mar- kierte, meist braun gefärbte Längsstreifen (ue 106 zz) in seiner inneren Wandung erkennen läfst, welche den beiden andern Abschnitten unter allen Umständen fehlen. Schon hierin findet der aprioristische Gedanke, dafs der »Magen« andere funktionelle Aufgaben habe, als Vorder- und Enddarm, cine gewisse Stütze, während gerade aus der Gleichartigkeit des Baues von Cardia- und Pylorteil cin gewichtiger Grund gegen die willkürliche Annahme l//mans gefunden werden mufs, beide seien funktionell von ein-

K. KRAEPELIN, Die deutschen Siifswasserbryozoen. | 47

ander verschieden. Die Angaben A//mans über die den Darmkanal aufbauenden Zell- lagen übergehe ich, da es für ihn unmöglich sein mufste, ohne Anfertigung von Quer- und Langsschnitten das richtige zu treffen. Auch //yat ist in dieser Hinsicht nicht viel glücklicher gewesen. Nitsche war der erste, der erkannte, dafs der Aufbau des gesamten Darmtraktus im wesentlichen durch die gleichen Zelllagen geschehe, indem er allgemein I) eine äussere Epithelschicht, 2) eine Tunica muscularis und 3) eine znunere Epithelschicht unterscheidet. Letztere ist es nach ihm vornehmlich, welche sich in den drei Abschnitten verschieden verhält und deren verschiedenartigen Charakter bedingt. Meine eigenen Be- obachtungen haben mich zu dem nämlichen Resultat geführt.

Die äussere I:pithelschicht überzieht den gesamten Darmtraktus in gleichförmiger Lage als verhältnismäfsig zarte Membran, welche durchaus dem Innenepithel des Cysti- derms entspricht und am After und Mund kontinuierlich in dasselbe übergeht. Die membranlosen Zellen dieses Epithels zeigen im allgemeinen eine spindelförmige Gestalt, deren Längsachse der Richtung des Darms folgt. Auf Querschnitten (Taf. IT, Fig. 54—57pe) . sieht man jedoch keine scharfen Grenzen dieser Spindeln, sondern man erhält das Bild einer homogenen Membran in welcher die Zellkerne scharf hervortreten. Dafs Cardiateil und Rectum nicht, wie MVrische (72 pg. 16) will, durch diese Epithelschicht an einander gekittet sind, möge hier nochmals hervorgehoben werden, resultiert übrigens schon ohne weiteres aus den Bildern, welche die zurückgezogenen Polypide (Fig. 104, 106 zp) darbieten.

Die Muskellage ist lediglich eine Quermuskulatur. Fig. 42 zeigt allerdings an der Stelle, wo das Kamptoderm mit der Darmwand in Verbindung tritt (bei z), ein kurzes Herabsteigen der inneren Längsmuskulatur des ersteren am Darm. Dieselbe wird aber bald so zart, dafs sie nicht weiter nachgewiesen werden konnte. Die Quermuskulatur ist im ganzen Verlauf des Darmkanals deutlich erkennbar, zeigt aber naturgemäfs be- trächtliche Schwankungen ihrer Ausbildung. Im unteren Drittel des Magenblindsacks erscheint dieselbe in excessivster Entwickelung (Fig. 28 qm), während das Rectum nur eine dünne Lage besitzt. (Fig. 56 qm). Die Muskulatur des Oesophagus, ungefähr von gleicher Entwickelung wie die des Cardiateils (Fig. 27, Fig. 54 qm), schwindet nach oben zu allmählich und ist schliefslich dort, wo die Mundhöhle in den Tentakeltrichter übergeht, nicht mehr nachzuweisen (Vgl. Fig. 61, Taf. II, qm). Die Gestalt der Muskel- fasern ist spindelförmig; ihre spitzen Enden schieben sich ineinander und scheinen vielfach miteinander zu anastomosieren, wie schon Mitsche (72 pag. 16) dies beschreibt. Derselbe beobachtete an den Fasern des Oesophagus und des Magengrundes auch eine eigentüm- liche Schrägstreifung, die entweder »über die ganze Breite der Faser sich erstreckt oder in entgegengesetzter Richtung an beiden Seiten beginnend, in der Mitte unter einem Winkel zusammenstöfst, wodurch die Faser eine Art gefiederter Zeichnung erhält.« Dieselbe wurde auch von mir namentlich bei Alcyonella gesehen und beruht sicher auf einer eigenartigen Struktur der Faser, da eine »homogene Stützmembran«, auf deren Faltung Nzische diese Zeichnung eventuell zurückführen zu können glaubt, meines Erachtens nicht existiert und die ‚wellige Krümmung der Fasern«, die er als zweite Möglichkeit ins Feld führt, auf Schnitten, an denen ich die Erscheinung sehr gut beobachtete, nicht wohl in Betracht kommen kann.

48 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Während die Muskelfasern des Oesophagus und des oberen Magendrittels im Querschnitt, wie solche durch einen Längsschnitt des Darmkanals erhalten werden, als quadratische, stark lichtbrechende Plättchen sichtbar werden, welche der Basıs des inneren Darmepithels eingelagert erscheinen”) (Fig. 42 qm), ziehen sich diese Plättchen im mitt- leren Dritteil des Magens mehr und mehr in die Breite, indem sie sich gleichzeitig viel schärfer von dem inneren Darmepithel absetzen. Wir erhalten so ein Bild wie Fig. 28 qm, auf welchem die Muskelfasern bei verhältnismäfsig geringer Hohe zu so gewaltiger Breite ausgewachsen sind, dafs die Dicke ihrer Schicht derjenigen des inneren Cylinderepithels zum mindesten gleichkommt. Diese gewissermafsen auf die hohe Kante gestellten Muskel- bänder sind es vornehmlich, welche die oben erwähnte eigentümliche Streifung erkennen lassen. Weiter nach dem Grunde des Magens nimmt die Breite der Bander wieder schnell ab, um dort, wo sich am äufsersten Ende jener eigentümliche, als Funiculus bekannte Strang (f) ansetzt, zu einem Minimum, das jedoch immer noch nachweisbar, herabzu- sinken. Die Kerne jener breiten Muskelbänder erscheinen centrifugal gelagert und be- rühren meistens das Aufsenepithel des Darms.

Das /nnenepithel des Darms bildet im allgemeinen die mächtigste Schicht des ganzen Traktus und stellt sich in allen Fällen als ein mehr oder minder hohes Cylinder- epithel dar, welches in den einzelnen Abschnitten des Darmkanals charakteristische, augen- scheinlich funktionelle Unterschiede bedingende Verschiedenheiten zeigt. Der Eingang in den Oesophagus, die Mundhöhle der Autoren, ist charakterisiert durch ein einfaches, sehr hohes Cylinderepithel mit langem Flimmerhaarbesatz (Fig. 42 1c). Diese Flimmer- härchen verkürzen sich nach innen mehr und mehr, so dafs im cigentlichen Oesophagus den einzelnen Cylinderzellen nur noch kurze protoplasmatische Spitzchen aufsitzen (Fig. 54 Taf. II), die von Nzösche seltsamerweise als eine »innerste« Epithelschicht des Oesophagus gedeutet wurden. Gleichzeitig zeigen die im Querschnitt polygonalen und sicher membran- losen Zellen eine starke Neigung zur Vakuolenbildung, die im basalen Ende der Zellen, mit Ausnahme von Cristatella, bei allen Formen in die Erscheinung tritt, während der dem Darmlumen zugekehrte Zellabschnitt eine homogene protoplasmatische Beschaffenheit zeigt. Die Kerne liegen da, wo das durch die Vakuolen strangartig zerfaserte Plasma zur homogenen Masse des inneren Zellabschnittes sich zusammenzicht (Fig. 54). Nach dem, was im früheren über den Bau der äufseren Leibeswand gesagt wurde, hat die chen be- schriebene Erscheinung nichts Auffallendes, wie N7/sche glaubt, der wohl im wesentlichen richtig gesehen, in diesem Falle aber die einfachste und natürlichste Deutung nicht ge- funden hat. An der Übergangsstelle des Oesophagus in den Cardiateil, auf der kegel- formig nach abwärts gerichteten Ringfalte, nehmen die Zellen des Cylinderepithels be- trächtlich an Länge zu; auch die Vakuolenbildung zeigt einen weit höheren Grad der Ausbildung, so dafs cs fast den Anschein gewinnt, als ob der Oesophagus gegen den

*) Da das innere Darmepithel dem Ectodermepithel der Leibeswand morphologisch gleichwertig ist, so entspricht die Quermuskulatur des Darms der äusseren Ringfäserschicht des Cystiderms und wird, wie letztere

(vgl. Pag. 30), aus dem anliegenden Epithel hervorgegangen sein,

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 49

Magen völlig durch einen kegelförmigen Pfropf amoeboid zerfaserter Plasmamasse ver- stopft sei, wie dies in Fig. 27 (Taf. I) wiederzugeben versucht wurde.

Das /nnenepithel des Magens, des Cardiateiles sowohl, wie des Pylorteils, ist bei den Phylactolaemen vor allem dadurch charakterisiert, dafs es sich in 2 ziemlich scharf von einander verschiedene Zellarten differenziert hat, welche, zu streifenartig verlaufenden Gruppen vereinigt, in regelmäfsigem Wechsel aufeinander folgen. Die eine Gruppe von Zellen ist durch mächtige Vacuolenbildung ausgezeichnet, die aber hier nicht sowohl dic Basis, als vielmehr den dem Darmlumen zugekehrten Teil der Zellen in ein protoplasmatisches Maschennetz verwandelt (Taf. II, Fig. 55 zz). Diese Zellgruppen bilden stark in das Mageninnere vorspringende Längsleisten, so dafs das Lumen des Magens im Querschnitt durch sie eine mehr oder weniger sternförmige Gestalt erhalt. An ihrer Basis, wo der Kern gelagert ist, heben sich die einzelnen Zellen dieser merkwürdigen »Zottenreihen« ziemlich scharf von einander ab; weiter nach innen scheint es in vielen Fällen unmöglich, die von Vacuolen durchsetzte Plasmamasse den einzelnen Zellterritorien zuzurechnen (Fig. 55), doch erhält man andererseits, z. B. bei Pectinatella und Fredericella (Taf. II, Fig. 57), auch Bilder, bei welchen die Zellen bis zur Spitze ziemlich scharf von einander sich abheben. Die Stränge dieses protoplasmatischen Maschennetzes sind keineswegs homogen, sondern von einer Unsumme kleiner, rundlicher, blafsbrauner Körnchen durchsetzt, durch welche die ganze Zellschicht schon auf der Flächenansicht des Darms als brauner Längsstreifen sich bemerkbar macht. Sucht man diese körnchenhaltigen Zellen zwecks weiteren Studiums zu isolieren, so erhält man runde Protoplasmakügelchen, in welchen die kleinen braunen Körnchen eingebettet liegen, ein Kunstprodukt, das A//man zur An- nahme seiner »Leberzellen« führte. Die Spitzenteile der »Zottenzellen« endigen schliefslich im freien Magenlumen häufig mit ungemein zarten hyalinen Zipfeln von sehr variabler Gestalt, doch scheint es, dafs diese jedenfalls protoplasmatischen Fortsätze auch in das Zellinnere zurückgezogen werden können, wie denn die Magenquerschnitte eines Lophopus nur abgerundete Zellenden erkennen liefsen.

Die zweite Art von Cylinderzellen des Magens ist viel kürzer und durch den gänzlichen Mangel der Vacuolenbildung ausgezeichnet (Fig. 55, 57 lz). Sie sind ebenfalls in Gruppen vereinigt und füllen die Längsthäler aus, welche durch die vorspringenden Leisten der »Zottenzellen« gebildet werden. Auch hier liegt der Kern am basalen Ende der Zelle; der Inhalt erscheint ziemlich homogen feinkörnig protoplasmatisch. Der in das Mageninnere vorspringende Apicalteil der Zelle aber zeigt nicht sowohl hyaline Spitzen- fortsätze, wie die Zellen der ersten Gruppe, sondern scheint überhaupt nicht scharf be- grenzt zu sein, erweckt vielmehr die Vorstellung, als ob er in körnigem Zerfall begriffen sei. Durch Färbemittel werden diese Zellen der zweiten Gruppe weit intensiver gefärbt, als die »Zottenzellen«, so dafs ein Blick auf einen gut gelungenen Magenquerschnitt oder auch Tangentialschnitt (Fig. 43 von Fredericella) genügt, um die durchaus differente Natur dieser beiden bisher noch von keinem Beobachter auseinandergehaltenen Zell- formen zu erkennen. Die Zottenleisten des Magens, 8—12 an der Zahl, laufen im allgemeinen der Längsachse des letzteren parallel; sie beginner unmittelbar an der

7

50 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Mündung des Cardiatciles und reichen bis zum Fundus herab. Ihr Querschnitt ist nicht überall der gleiche: die anfangs stumpfen, ja fast halbkreisförmigen Vorsprünge werden im unteren Abschnitt des Pylortciles zu lanzettförmig zugespitzten Zipfeln, die dann endlich am Magengrunde allmählich ganz verschwinden.

Bei Paludicella (und Victorella) ist eine solche Verschiedenheit zweier Zellarten allerdings ebenfalls schon nachzuweisen. Die »Zoziensellen« bilden aber keine vorsprin- genden Leisten, sondern kleiden den Darm derart gleichmafsig aus, dafs dessen Lumen kreisförmig erscheint. Die vacuolenlosen Zellen sind nicht in Gruppen vereinigt, sondern stehen eznzeln zerstreut zwischen den Zottenzellen, wie Fig. 44 lz (Taf. II) im Längsschnitt des Darıns zeigt. Der Tangentialschnitt Fig. 60 läfst diese Anordnung noch deutlicher hervortreten. Er erinnert an ein Stück Bienenwabe, in der regellos einige Zellen mit

Honig gefüllt sind. `

Das /nnenepithel des Rectums besteht in allen Fällen wieder aus lauter gleichartigen Zellen von verhältnismäfsig niedriger cylindrischer Form (Fig. 56), so dafs das innere Lumen des Enddarms eine beträchtliche Weite zeigt und, da die Zellen alle annähernd von gleicher Höhe, einen rundlichen Querschnitt besitzt. Die Zellen zeigen sich nicht wesentlich von den »Zottenzellen« des Magens verschieden, da ihr Kern hier wie dort peripherisch liegt und hierauf centripetal eine reiche Vacuolenbildung folgt, die allerdings jener der »Magenleisten« nicht gleichkommt, dennoch aber auch hier ein protoplasmatisches. nach dem Darmlumen zu immer blasser und zarter werdendes Maschennetz erzeugt, das physiologisch zu gleichen Leistungen wie das des Magens befähigt erscheint. Pigment- körnchen treten auch hier auf; bei Cristatella sind aufserdem die ganzen Zellen in- tensiv blau gefärbt. Eine Annäherung an das Oesophagusepithel könnte man vielleicht darin sehen, dafs die Vacuolenbildung vielfach schon an der Basis der Zellen, also unter- halb des Kernes stattfindet (Fig. 56), während das Auftreten grofser, stark lichtbrechender Gallertballen (g in den Vacuolen), denen der Körperwandung völlig conform, dem End- darm allein eigentümlich sein dürfte. Die Apicalteile der Rectumzellen enden stumpf, doch schien es mir hier und da, dafs die »Schleimfäden«, welche die Kotballen um- hüllen, mit den Zellenden in direkter Verbindung stehen.

Im vorstehenden habe ich den histiologischen Bau des Darmtraktus vornehmlich an dem Beispiel der Alcyonella fungosa geschildert, nach deren Schnitten auch die Mehrzahl der beigefügten Zeichnungen gefertigt ist. Es versteht sich von selbst, dafs in einzelnen Details bei den anderen Phylactolaemen mehrfach Abweichungen hervortreten, doch scheinen sie mir zu unwesentlich, um sie des näheren hier aufzuführen. Erwähnen will ich nur, dafs sie sich vornehmlich auf die Ausbildung des Vacuolensystem, die gröfsere oder geringere Zahl der Magenleisten, deren Form und die Zahl der sie zusam- mensetzenden oder ihnen zwischengelagerten Zellen beziehen. Der Grundtypus aber ist überall der gleiche, und nur bei Paludicella uud Victorella finde ich neben dem oben geschilderten abweichenden Verhalten der Zellen des inneren Magenepithels noch die weitere Modifikation, dafs ein mächtiges Flimmerepithel an der Pylorusklappe des Magens

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 51

(Fig. 104 pk, Taf. III) entwickelt ist, wodurch der Mageninhalt in eine rotierende Bewe- gung versetzt wird, wenn er zum Rectum emporsteigt.

Phystologische Deutung der Darmabschnitte. In betreff der Funktion der einzelnen Darmabschnitte dürfte bereits Allman insofern das richtige getroffen haben, als er den Oesophagus vornehmlich als Schlundrohr, den Magen als den eigentlich verdauenden Abschnitt betrachtet. Auch Nische (72, pg. 82) hebt hervor, dafs schon die Schnellig- keit, mit welcher die Speise den Oesophagus passiert, die Annahme verbiete, dafs dem- selben eine verdauende Thätigkeit zukomme. Dagegen wendet er sich gegen die Hypothese Allman’s, dafs der Cardiateil eine andere physiologische Funktion besitze, als der ihm histiologisch gleich gebaute Pylorteil. Ich kann mich dieser Auffassung nur an- schliefsen und glaube ebenfalls, dafs in der That der ganze Magen als physzologtsche Einheit zu betrachten sei. Leider wissen wir über die Art der Verdauung bislang so gut wie nichts, und auch meine eigenen Studien haben nicht zu zweifellosen Ergebnissen geführt. Allman und Nitsche betrachten die »Zottenzellen« mit den gelben Körnchen als »Lebersellen«, sagen aber nicht, wie sie sich im speziellen die Verarbeitung und Assimilation der Nahrungsstoffe durch die nach ihrer Ansicht mit Membran versehenen Epithelzellen denken. Nach dieser Richtung glaube ich allerdings insofern einen erheb- lichen Schritt vorwärts gethan zu haben, als ich die Membranlosigkeit sämtlicher Epithel- zellen des Darmtraktus zweifellos erwiesen und gezeigt habe, dafs im Magen wie im Rectum überall die in das Lumen des Darmrohrs hineinragenden Zellen zu einem unge- mein zarten, protoplasmatischen Maschennetz umgewandelt sind. Hält man nun mit dieser Einrichtung die weitere Thatsache zusammen, dafs die Contenta des Magens sowohl wie des Rectums von :schleimiger« d h. doch wohl protoplasmatischer Faden- masse umsponnen und umhüllt sind, die von den letzten Ausläufern des Maschennetzes in nichts sich unterscheiden, ja hie und da mit ihnen in Verbindung zu stehen "scheinen, so gelangt man ganz naturgemäfs zu der Vorstellung, dafs es sich hier um eine Art von amoeboider Verdauung, um ein direktes Aufnehmen der Nährstoffe durch das Protoplasma der »Darmzotten« handle. Ist diese Auffassung richtig, so erscheinen die braunen Körnchen in den Zellsträngen des Maschennetzes nicht mehr als »Leberpigmentes, son- dern im Gegenteil als aufgenommene, im Protoplasma weiter zu assimilierende Partikelchen, und diese Auffassung gewinnt noch dadurch an Wahrscheinlichkeit, dafs jene »Pigmente:« regelmäfsig verschwinden, sobald das Tier eine zeitlang zum Fasten verurteilt war. Nichts steht dann ferner der Annahme im Wege, dafs jene zweite Art von Zellen, welche in den Thälern der Magenleisten gruppenweise vereinigt stehen, und welche ohne eine Spur von Vacuolenbildung an ihrem freien Ende körnig zu zerfallen scheinen, nun wirklich echte Leberzellen seien, d. h. Zellen, deren Inhalt die spezielle Aufgabe hat, die Nähr- stoffe chemisch umzuformen und zur Assimilation durch das protoplasmatische Netz der Zottenzellen vorzubereiten. Bei diesen Annahmen würden wir auch für den histiologischen Bau des Rectums volles Verständnis erhalten, insofern uns das Fehlen der von mir hypo- thetisch aufgestellten Leberzellen darüber belehrte, dafs eine eigentliche chemische Um- wandlung der Nahrungsstoffe durch hinzugefügte Reagentien hier nicht ‚mehr statthabe,

52 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

dafs aber die Aufnahme der umgewandelten Nährstoffe durch vacuolenreiche, membran- lose Protoplasmamassen erst in diesem Endabschnitte ihren Abschlufs finde. Dies im allgemeinen die Ansicht, welche ich mir vornehmlich auf Grund der histiologischen Be- funde an konserviertem Material gebildet habe. Ich zweifle nicht, dafs eingehenderes Studium am lebenden Organismus, verbunden mit zielbewufsten Experimenten, zu sicherern Resultaten führen wird. Bei dem gänzlichen Mangel irgend welcher Hypothese über den Verdauungsmodus der Bryozoen glaubte ich aber die obigen Andeutungen nicht zurückhalten zu sollen, zumal ja schon a priori die Vermutung naheliegt, dafs in das Darmlumen vorspringende, also das Bedürfnis nach Flächenvergröfserung dokumentierende Zellmassen nicht sowohl der Sekretion, als vielmehr der Resorption dienen werden, während andererseits die Lage der tief im Grunde von Falten verborgenen Zellreihen für die Nahrungsaufnahme durchaus ungeeignet erscheint.

Die gewaltige Muskulatur des Magengrundes gestattet natürlich ausgiebige, wellen- formig auf und nieder steigende peristaltische Bewegungen, die bei Paludicella noch durch das oben erwähnte Wimperepithel der Pylorusklappe unterstützt werden. Eine energische Kontraktion jener Muskeln vom Fundus nach oben, welche das Magenlumen völlig verengt, mufs schliefslich den Austritt der Contenta aus dem Magen zur Folge haben. Dafs aber hierbei nicht sowohl der Oesophagus, als vielmehr das Rectum in Frage kommt, dafs also nicht zugleich mit dem Eintritt der Contenta in den Enddarm auch ein Erbrechen derselben in die Mundhöhle erfolgt, wird trotz der gleichlaufenden Richtung beider Abschnitte augenscheinlich dadurch verhindert, dafs einmal der Oeso- phagus eben mit einer »konischen Projektion« in den Magen hineinragt und durch diese »mausefallenartig« nach unten abgeschlossen ist, während zweitens das Rectum durch seine tiefere Insertion dem naturgemäfs vornehmlich im Grunde des Magens sich an- sammelnden Speisebrei zunächst liegt. Die ganze Winkelstellung der in Betracht kom- menden Flächen in Fig. 30 läfst erkennen, dafs in der That die von unten emporge- drängten Contenta in erster Linie durch die Pylorusklappe austreten werden. Dafs die dennoch nach links ausweichenden Massen trotzdem nicht, den Oesophagealkonus sprengend, alsbald in den Mund gelangen, das eben scheint mir durch die höhere In- sertion des Oesophagus am Magen erreicht zu werden, oder mit andern Worten, hierin dürfte die eigentliche physzologesche Bedeutung eines » Cardiateiles« gelegen sein.

Die Tentakelkrone. Während die Hauptmasse des Darmtraktus fast völlig frei und nur durch einige später zu besprechende Muskeln und Bänder fixiert in die Leibes- höhle hineinragt, ändern sich diese Verhältnisse am vorderen oesophagealen Pol ganz plötzlich dahin, dafs nunmehr die äufsere Körperwand mit ihm in engste Berührung tritt und so jenes anscheinend einheitliche Gebilde aufbauen hilft, welches wir als Tentakel- krone bezeichnen. Am einfachsten dürfte sich die Darstellung dieser Verhältnisse da gestalten, wo wir es, wie bei Victorella und Paludicella. lediglich mit einer Zrichterför- migen Tentakelkrone zu thun haben, die sich ohne Zwang als eine trichterförmig er- weiterte Vordarmhöhle auffassen läfst. Die Innenwand dieses Trichters mufs sich dann als die direkte Fortsetzung des Darmrohres mit seinen zwei Epithellagen, die Aufsen-

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 53

wand als die Fortsetzung der Leibeswand mit ihren Schichten herausstellen; die äufserste Spitze der Tentakeln wäre der Punkt, an welchem die äufsere Leibeswand als Darmrohr nach innen sich einstülpt. Diese Beziehungen bedürften keiner weiteren Auseinandersetzung, wenn die Wandung der Vordarmhöhle thatsächlich einen kontinuierlichen Trichter darstellte und nicht vielmehr durch tiefe Einschnitte in Tentakel zerschlitzt wäre. Durch diese Komplikation wird es sofort klar, dafs inneres Darmepithel und äufseres Körperepithel nicht nur am oberen Trichterrande ineinander übergehen, sondern auch in der ganzen Länge der einzelnen Tentakeln, und es entsteht die Frage, wie weit die cylindrische Wandung der Tentakeln dem Darmepithel, wie weit sie der Leibeswand, dem Lopho- derm, zuzurechnen ist. Serienquerschnitte durch die oberen Partien eines Paludicella- polypids müssen diese Frage der Entscheidung näher bringen. Sie lehren zunächst (Taf. II, Fig. 53), dafs der obere Teil des Oesophagus einen fast herzförmigen Quer- schnitt mit dreispitzigem Lumen besitzt, der ein wenig höher (Fig. 52) in eine neuralwärts etwas eingedrückte Ellipse übergeht. Von der Körperwand her sieht man schon hier Stränge des Innenepithels derselben radial zum Darm ziehen und mit dem Aufsenepithel des Darmkanals in Verbindung treten (Fig. 52 s). Die solchergestalt aus dem Aus- kleidungsepithel der Leibeshöhle gebildeten Septa teilen natürlich die bis dahin einfache Leibeshöhle in radiale Kammern, die auf dem folgenden Querschnitt *) (Fig. 51 kh) schon erheblich an Weite verloren haben, da die Septa nunmehr als kurze dicke Balken erscheinen, welche neben dem Epithel im Innern auch noch je einen Streifen der Mus- cularis erkennen lassen. Gleichzeitig zeigt das Aufsenepithel der Leibeswand am peri- pherischen Ende jedes Balkens stark nach innen vorspringende Verdickungen (Fig. 51 ld), und es kann schon jetzt keinem Zweifel unterliegen, dafs die engen Kammerlumina weiter aufwärts zu den entsprechenden Tentakellumina sich entwickeln werden. Fig. 50 lehrt dann weiter, dafs nunmehr auch das Innenepithel des Darmkanals durch Faltung zwischen die Kammern sich eingeschoben und den von aufsen hineingewucherten Ecto- dermverdickungen der Körperwand die Hand gereicht hat, wodurch dann jedes Kammer- lumen kh zunächst von dem zarten Innenepithel der Körperhöhle, sodann aber von den Verbindungszellen des äufseren Körperepithels mit dem inneren Darmepithel umgrenzt ist. Fig. 49 endlich zeigt einen Querschnitt durch die zusammengelegte, eingezogene Tentakelkrone. Die Tentakeln liegen dicht aneinander, lassen deutlich ein inneres Lumen erkennen, welches in gleicher Weise wie auf dem vorhergehenden Schnitt begrenzt ist, und werden vom eingezogenen Kamptoderm (kd), im weiteren Umkreise aber vom Cystiderm (cd) umschlossen, welches letztere auf den übrigen Schnitten nicht mitgezeichnet ist. In wieweit hier nun die äufsere Wandung des einzelnen Tentakels vom inneren Darmepithel, in wieweit vom Aufsenepithel der Körperwand gebildet wird, ist auch durch

h

*) Die Zeichnungen dürften vielleicht für die Klarlegung obiger Verhältnisse in zu kleinem Mafsstabe ausgeführt erscheinen. Es lag mir aber daran, für Paludicella dieselbe Vergröfserung anzuwenden, die bei den Darstellungen der Alcyonellaquerschnitte (Fig. 66 bis 73) gewählt wurde, um das relative Gröfsenverhältnis beider hervortreten zu lassen,

54 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

die obige Schilderung nicht klar ersichtlich. Nur soviel erscheint zweifellos, dafs bei Paludicella nicht blos die Ausserwand der Tentakeln, sondern auch ein Teil ihrer Seitenwande vom äufseren Körperepithel gebildet wird, weil sonst die eigentümlichen Zellwucherungen (Fig. 51 ld) keine Erklärung fänden. Auch dieses nicht völlig befrie- digende Ergebnis aber lehrt, dafs bei Paludicella das äufsere Körperepithel an der Bildung der Tentakelwandung in weit höherem Mafse beteiligt ıst, als bei den Phylactolaemen, wo, wie wir unten sehen werden, neben der Oralflache der Tentakeln auch die beiden Seiten derselben ausschliefslich vom Darmepithel überkleidet werden. Auf dem Längs- schnitte Fig. 65 erkennt man dann endlich noch, dafs die Oesophagealhöhle an der Übergangsstelle in den Vordarmtrichter durch Einbuchtung der Darmwand verengt ist, und dafs diese Einbuchtung an der Neuralseite energischer ist, als an der gegenüber- liegenden. Es ist wohl nicht zu gewagt, diesen vom Nervenknoten (gk) unterlagerten, das Darmlumen verengenden Vorsprung dem Epistom der Phylactolaemen in Parallele zu stellen. Dort wo das (bei eingezogenem Polypid) von oben herabziehende Kamptoderm (kd) in die äufsere Begrenzungswand des Tentakeltrichters, in das Lophoderm (ld) übergeht, finden starke Muskelfasern ihre Insertion (Fig. 65 mr, Fig. 53 mr), deren Verlauf und Funktion weiter unten zu schildern ist.

Etwas komplizierter gestalten sich die Verhältnisse bei den Formen, bei welchen die Tentakelkrone keinen einfachen zerschlitzten Trichter darstellt, sondern durch Einbuch- tung von der Neuralseite her aus der radialen in eine bilateralsymmetrische Form über- gegangen ist. Der Querschnitt erhält hierdurch die Form eines Doppelhufeisens, deren beide Bögen die Mundöffnung zwischen sich einschliefsen. Gleichzeitig zieht sich die Leibeshöhle rechts und links vom Nervenzentrum in der Verlängerung der Schenkel jener Hufeisen tutenförmig aus, so dafs die Mehrzahl der Tentakeln nun nicht mehr als unmittelbare Ausstülpung der peri-oesophagealen, auch hier durch Septa in Kammern geteilten Leibeshöhle erscheint, sondern als sekundäre Ausstülpung jener beiden grofsen tutenformigen Aussackungen, die man seit A//man als Arme des Lophophors bezeichnet. Die Entwickelung dieser beiden Arme und damit auch die Zahl der aus ihnen entsprin- genden Tentakeln ist bei den verschiedenen Phylactolaemen sehr verschieden, nicht minder aber die Winkelstellung, welche" der Lophophor zum Oesophagus bei den Bewe- gungen des lebenden Tieres einnehmen kann. Ist das Tier eingezogen oder im Begriff sich zurückzuziehen, so richten sich die beiden Arme steil aufrecht, liegen also gewisser- mafsen in der Verlängerung des Darmtraktus. Alsdann stellt natürlich die von den beiden hufeisenförmigen Tentakelreihen umschlossene Vordarmhöhle einen tiefen Trichter dar, der nur durch seine Form von dem der Paludicella sich unterscheidet. Ist aber das Tier in aller Ruhe hervorgestreckt, so pflegen die Lophophorarme sich fast im rechten Winkel zum Oesophagus zu stellen, und ihre obere Begrenzungswand, auf welcher die Tentakeln seitlich entspringen, bildet nunmehr den Boden eines äufserst flachen, hufeisen- förmig gebogenen Beckens, in dessen Mitte, da, wo der vordere Stollen des Hufeisens zu denken wäre, der Eingang in den senkrecht abwärts führenden Oesophagus gelegen ist. Geschiitzt wird dieser Eingang bei allen hierher gehörigen Formen durch einen

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 55

epiglottisartigen Vorsprung der Neuralseite des Beckens, durch das »Epistom«, das sich demnach als mediane, über dem Gehirn zwischen den beiden Lophophorarmen gelegene Ausstülpung der peri-oesophagealen Leibeshöhle charakterisiert.

Die vorstehende allgemeine Schilderung läfst erkennen, dafs Nische in der That Recht hat, wenn er (72, pag. 23) die Tentakel der »Haemalseite« als primäre, diejenigen der Lophophorarme als sekundäre Ausstülpungen der Leibeshöhle bezeichnet. Die Abanal- seite wird es daher auch sein, welche in ihrem anatomischen Aufbau sich eng an die Verhältnisse bei Paludicella anschliefst, während die Neuralseite infolge der Ausbildung der Arme gewisse Eigentümlichkeiten erwarten läfst. In der That lehrt ein Blick etwa auf Fig. 70 (Taf. II), einen Querschnitt durch Alcyonella fungosa, dafs zwischen der Leibeswand und dem Oesophagealrohr in der ganzen abanalen Peripherie des Mundes ganz ähnliche balkenartige Septa (s) entwickelt sind, wie bei Paludicella. Deutlicher als dort erkennt man hier, dafs dieselben nicht ausschliefslich aus dem Innenepithel der Leibeshöhle (= Aufsenepithel des Darmtraktus) bestehen, sondern dafs an ihrer Bildung auch noch die innere Längsfaserschicht der Muscularis (mf) beteiligt ist. Wie bei Palu- dicella, so sind auch hier die so gebildeten Kammerräume (kh) die Vorstufen der Ten- takellumina.

An der Neuralseite des Mundes (Fig. 70) erkennen wir zu beiden Seiten des breiten Gehirns 2 umfangreiche Hohlräume (lh), welche auf den folgenden Schnitten, Figur 69 bis 66, in gleicher Weise wiederkehren. Es sind dies die Lumina der Lophophorarme, welch’ letztere bei dem vorliegenden Exemplar senkrecht nach oben gerichtet waren, da es im eingezogenen Zustande getötet wurde. Schon aus diesen Bildern folgt, dafs die Stellung der Septa, welche die Vorkammern für die Tentakelhöhlen zu bilden haben, an der Neuralseite nicht mehr die gewöhnliche radiale sein kann, wie wir sie an der Abanal- seite beobachten, sondern in irgend einer Weise alteriert sein mufs. Fänden sich auch in den Armen radial zum Munde verlaufende Septa, so müfsten dieselben auch die in den Fig. 70—66 im Querschnitt gezeichneten Lumina derselben radial durchsetzen; wären aber etwa Septa senkrecht zur Längsachse der Arme entwickelt, welche also die Innen- höhle derselben in hintereinander liegende Kammern zerlegen würden, so müfste auf einem der aufeinander folgenden Serienquerschnitte statt des weiten Lumens ein Diaphragma in die Erscheinung treten. Keines von beiden ist aber der Fall; dennoch treten Septa auf, wie schon die Seitenflächenansicht des Lophophors am lebenden Tier erkennen läfst (Fig. 106 al). Aufklärung über diesen Punkt vermögen nur Schnitte zu geben, welche senkrecht zur Längsachse des völlig ausgebreiteten, horizontal nach hinten gerichteten Lophophors geführt sind. Dieselben lehren uns, dafs in der That quer zur Längsachse des Lophophors gestellte Septa vorhanden sind. Dieselben sind aber weit entfernt, die gewaltige Höhlung seiner Arme vollkommen diaphragmaartig zu durchsetzen und so in hintereinander liegende Kammern zu teilen; sie erscheinen vielmehr als schmale, an der Innenseite der Aufsenwand des Arms aufsteigende halbmondförmige Leisten, welche an die Deckenwölbung der Armhöhle sich ansetzen, um hier mit der von der entgegenge- setzten Innenseite heraufziehenden Septalfalte unterhalb des Lophophornerven zusammen-

56 K. KRAEPELIN, Die deutschen Stitswasserbryozoen.

zutreffen (Fig. 64 s). Vergegenwärtigen wir uns noch einmal, was früher über die Form der Vordarmhöhle bei den Phylactolaemen gesagt wurde, so sehen wir leicht ein, dafs diese Stellung der Septa die einzig natürliche ist. So lange jene Vordarmhöhle die Form eines Trichters innehielt, wie bei Paludicella, war die ausschliefslich radiäre Steilung der Septa das von vornherein gegebene. Sobald aber dieselbe in die Form eines huf- eisenförmig gebogenen, auch jetzt noch allseitig von Tentakeln umstellten Beckens über- ging, konnten die jene Tentakeln vorbereitenden Septa nicht mehr radial zur zentralen Ocsophagealöffnung gerichtet sein, sondern stellten sich lediglich senkrecht zu der jewei- ligen Krümmung des hufeisenförmigen Beckens ein, um auch jetzt noch ihre Aufgabe, jeder Tentakelhöhle einen kammerartigen Vorraum herzurichten, erfüllen zu können. Die eigentümliche, balkenartige Zeichnung in Fig. 106 al wird nunmehr verständlich sein. Es markieren diese Balken die Ansatzstellen der hier an der Innenwand der Armhöhlung leistenartig emporsteigenden Septa der äufseren Tentakelreihe; sie erscheinen also in Kopfansicht. Die zwischen ihnen bleibenden Lücken müssen als hellere eiförmige Flecke hervortreten, weil das Licht hier nur die einfache, unverdickte Lophophorwand zu durch- dringen hat.

Es unterliegt nach dem Gesagten keinem Zweifel, dafs die beiden Lophophor- arme im Innern grofse ungeteilte Hohlräume besitzen, und es ist a priori anzunehmen, dafs dieselbe in offener Kommunikation mit der allgemeinen Leibeshöhle sich befinden werden. Schon Allman und Nitsche behaupten dies und führen zum Beweise die leicht zu beobachtende Thatsache an, dafs die Gebilde der Leibeshöhle, Blutkörperchen, Sper- matozoen etc. ohne Hindernis bis in die Spitzen der Arme aufsteigen können. Wir werden im folgenden den Weg aufzusuchen haben, durch welchen diese Kommunikation hergestellt wird und daran die weitere Untersuchung knüpfen, ob nun auch die Höh- lungen der einzelnen Tentakeln direkt oder indirekt mit der allgemeinen Leibeshöhle in Verbindung stehen.

Im bisherigen hatten wir die stillschweigende Voraussetzung gemacht, dafs die intime Verbindung, welche am Grunde der Tentakelkrone zwischen der äufseren Leibes- wand, dem Kamptoderm, und dem Darmkanal zweifellos vorhanden ist, ausschliefslich durch das Auftreten der radialen Septa hervorgerufen sei. Wäre dies richtig, so würde daraus ohne weiteres folgen, dafs in der That jede Tentakelhöhle am Grunde mittels der Septalkammern mit der allgemeinen Leibeshöhle kommuniciere. Ein näheres Studium aber lehrt, dafs die Sachlage durch den Umstand eine völlige Änderung erfährt, dafs das Kamptoderm ein wenig unterhalb der Septa noch einmal eng an den Darmtraktus sich anlegt und hier in halbringförmiger Zone an der Abanalseite mit letzterem verschmilzt. Während also senkrechte Radial- und Tangentialschnitte durch die Basis der Tentakel- krone in der Septalzone bald ein Tentakel- und Kammerlumen (Fig. 42 tl), bald ein Flächenbild der diaphragmaartigen Septa zeigen, erweist sich die untere Verwachsung des Kamptoderm mit der Abanalseite des Darmtraktus als eine kontinuierliche, so dafs jeder Schnitt eine brückenartige Verbindung beider (Inncnepithel plus Muscularis, Fig. 42 Im) erkennen läfst. Es leuchtet ein, dafs dieses »Ligament« zwischen Kamptoderm und

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 57

Darm die direkte Kommunikation zwischen dem abanalen Teil der Leibeshöhle und den darüber liegenden Kammerhöhlen unmöglich machen mufs. Aber auch von der Neural- seite ber kann man nicht in die letztere eindringen, da an den beiden Endpunkten des halbringtormig den Oesophagus umgreifenden Ligaments, wo das Kamptoderm plötzlich im Bogen vom Darm sich abhebt, um dem weiter rückwärts gelegenen Enddarm sich zu verbinden, je eine gewaltige Querbriicke, in der Längsrichtung des Darms verlaufend, den Eintritt in die supraligamentären Räume verhindert (Fig. 72 qb, Querschnitt). Da die Septa nicht unmittelbar über dem Ligament ansetzen, sondern erst etwas höher, so folgt, dafs zwischen Ligament und Kammern ein abanaler Halbringkanal (rk) verlaufen mufs, der nach oben mit den durch die Septen gebildeten Kammern und somit indirekt mit den Höhlungen der einzelnen Tentakeln kommuniziert. Zweifellos ist dieser Kanal mit einer lymphatischen Flüssigkeit gefüllt, die dem Blute im allgemeinen analog sein dürfte, zumal jenes Ligament entwickelungsgeschichtlich sicher erst gebildet wurde, als die Tentakelausstülpungen im wesentlichen bereits vorhanden waren. Fig. 73 stellt einen Horizontalschnitt durch diesen Halbringkanal dar. Rechts und links sieht man die beiden ihn abschliefsenden Querbalken (gb). Ein etwas tiefer geführter Schnitt würde die beiden Schichten pe und kd + ld dicht aneinander gelagert zeigen, also das Ligament treffen. Septa sind in der gezeichneten Figur noch nicht vorhanden, treten aber schon auf dem nächsthöheren Schnitt (Fig. 72) in Andeutungen auf, um auf den dann folgenden (Fig. 71, 70) sich voll zu entwickeln.

Betrachten wir nunmehr die Verhältnisse an der Neuralseite, so erkennen wir aus Fig. 73 und 72 zunächst, dafs die Verbindungsstelle des Kamptoderm mit dem Polypid hier jedenfalls höher hinaufgerückt ist, als an der Abanalseite, da horizontale Querschnitte erst nach und nach in ihrer Reihenfolge nach aufwärts gröfsere Bogenstiicke des Kamptoderms zur Anschauung bringen. Sodann lehren jene Bilder, dafs vom Liga- ment an das Kamptoderm beidseitig im Bogen sich nach der Neuralseite wendet, um hier durch radiale Brücken mit dem Nervenzentrum in Verbindung zu treten (Fig. 71 bb, Fig. 59 bb). Bei eingezogenem Polypid mufs natürlich die eingestülpte Leibeswand in dappeltem Querschnitt erscheinen, deren äufserer das Kamptoderm (kd), deren innerer, mit dem Polypid in innige Beziehung tretender, das Lophoderm (ld) repräsentiert. Je höher die Schnittzone gelegen ist, desto weiter müssen beide, am Grunde in spitzem Winkel in einander übergehende Schichten sich von einander entfernen. Dicht unter der Mündung des Darms hängen sie nur noch mit schmaler Brücke (Fig. 70) zusammen, um wenig höher (Fig. 69 bis 66) sich ganz von einander abzuheben.

Es ist somit klar, dafs rechts und links vom Zentralnervensystem jederseits eine grofse Höhlung sich findet, welche durch Gehirn, Lophoderm, den das Ligament ab- schliefsenden Querbalken und die letzt erwähnte Radialbrücke bb zwischen Lophoderm und Gehirn begrenzt wird (Fig. 71). Sie kommuniziert nach unten frei mit der Leibes- höhle und setzt sich ohne Unterbrechung in dem entsprechenden Arm des Lophophors fort, so dafs in der That durch diese beiden Thore der Inhalt der Leibeshöhle bis in die äufsersten Spitzen der Arme emporzusteigen vermag. Es bliebe noch die Frage zu

8

58 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

erledigen, ob denn nun das Armlumen direkt mit den Höhlungen der auf seiner Ober- fläche entspringenden Tentakeln in Verbindung stehe. A priori läfst sich wohl erwarten, dafs die Tentakeln der Arme kein wesentlich anderes Verhalten zeigen werden, als die- jenigen der Abanalseite des Mundes, welche ja mit dem Ringkanal in freier Kommuni- kation stehen. Auch die Beobachtung A7/sche's. der Spermatozoen im Innern der Ten- takeln sah, stimmt hiermit überein. Dennoch glaube ich wenigstens eine Verengerung des Tentakeleingangs annehmen zu müssen, da einmal die Flächenbilder (Fig. 106 ab deutlich erkennen lassen, dafs die Septa des Lophophors nach oben hin sich kapitälartig verbreitern und mit einander in Verbindung treten, andererseits aber Querschnitte senk- recht durch den Lophophor (Fig. 64) ein direktes sich Fortsetzen des Armlumens in das Tentakellumen nicht mit voller Deutlichkeit erkennen liefsen. Wie weit die im vor- stehenden geschilderten Verhältnisse der Phylactolaemen schon bei Paludicella vorbereitet sind, wage ich nicht zu entscheiden. Bilder wie Fig. 52 und 53 lassen den Gedanken jedoch nicht ausgeschlossen erscheinen, dafs auch hier schon eine Andeutung der Lopho- phorhöhlen vorhanden ist.

Verfolgen wir nunmehr die Wandlungen, durch welche die Septalregion der Tentakelkrone (Fig. 70—67) allmählich in die der Zeien Tentakeln übergeht, so lassen die nächsthöheren Querschnitte vor allem eine stark markierte Faltenbildung der Darmwand erkennen, durch welche die zum Lophoderm ziehenden Septa auf ein Minimum reduziert werden (Fig. 67). Verdickungen des Lophoderms, welche diesen Falten bei Paludicella entgegenwuchern (Fig. 51) sind hier absolut nicht vorhanden, so dafs die schliefsliche Vereinigung von innerem Darmepithel und äufserem Lophodermepithel (Fig. 67, 66) allein durch die Ausbiegungen des ersteren bis zur Körperwand erreicht wird. Fig. 67 lafst daher klar erkennen, dafs nicht nur die Oralfläche, sondern auch die beiden Seitenflächen jedes einzelnen Tentakels dem Darmepithel angehören, und dafs nur deren Aufsenfläche allein der Körperwand zuzurechnen ist, eine Thatsache, die für die weiter unten zu be- sprechende histiologische Struktur der Tentakeln immerhin nicht ohne Bedeutung ist. Wenn die Verschmelzung des Darmepithels mit dem Lophoderm sich vollzogen hat, und hiermit das Kammerlumen zum wahren Tentakellumen geworden ist, schwindet die Kon- tinuität des bis dahin einem Faltenfilter nicht unähnlichen Mundtrichters (Fig. 67) in den ausspringenden Ecken der Falten, wie Fig. 66 erkennen läfst, während das Lophoderm noch cine Weile seinen Zusammenhang zu bewahren pflegt (Fig. 66 im, Fig. 63 im) und nun das darstellt, was man seit A//man mit dem Namen der /ntertentakularmembran be- legt hat. Dieselbe besteht naturgemäfs aus 2 Schichten, dessen Innenepithel jedoch sehr reduziert erscheint (Fig. 63), und bietet auf Flächenansichten des Lophophor das Bild einer geschweiften, am Grunde der Tentakelkrone von Tentakel zu Tentakel schwimmhautartig hinziehenden Membran, deren gröfsere oder geringere Entwickelung Alman für die Cha- rakterisierung der Arten verwenden zu können geglaubt hat. Bei Paludicella ist dieselbe nicht nachzuweisen.

Uber den histiologischen Bau der Tentakelkrone ist nach Darlegung der all- gemeinen Verhältnisse nicht viel besonderes zu sagen. Ihre Aufsenwandung bewahrt,

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 59

wie dies von vornherein zu eıwarten, den Charakter der Leibeswand bis zur Spitze der Tentakeln insofern, als in ihrer ganzen Ausdehnung bald häufiger, bald spärlicher jene Vacuolenbildung mit Gallertballen sich bemerkbar macht, die wir als Hauptmerkmal der äufseren Hautschicht im früheren kennen gelernt haben. Besonders auffallend zeigt sich diese Vacuolenbildung bei Cristatella, wo sie in grofser Häufigkeit auftritt. Dabei glaube ich jedoch hervorheben zu sollen, dafs ich einen einzigen Gallertballen, wie er namentlich im Cystiderm die Regel, hier im Lophoderm niemals bemerkte; meist war die Vacuole der Hauptsache nach mit Flüssigkeit und einigen kleinen, stark lichtbrechenden Körnchen ausgefüllt, wie dies Fig. 45 bei v zeigt; in anderen Fällen (bei Plumatellen) erschienen die Körnchen so gehäuft, dafs sie fast den ganzen Hohlraum der Vacuole einnahmen. Im übrigen erscheint die äufsere Schicht des Lophoderms nirgends als Cylinderepithel, wie die des Cystiderms, sondern gleicht in seiner Struktur mehr der zum Plattenepithel verflachten Zellenlage des Kamptoderms. Auf der Aufsenflache der Tentakeln hat .‚Vr/sche (72, pag. 27) paarweise gestellte, lange steife Borsten beobachtet, die an gehärteten Exemplaren nicht mehr zu finden waren. Ich bin in der Lage, die Richtigkeit dieser Behauptung zu be- kräftigen und glaube, diese steifen, unbeweglichen Gebilde als Zasthaare in Anspruch nehmen zu sollen.

Die Oral- und die Seitenbekleidung der Tentakeln entspricht namentlich in ihren basalen Teilen noch ganz dem Innenepithel des Darmkanals, in das es ohne scharfe Grenze allmählich übergeht. Erst da, wo die Faltung des Vordarmtrichters völlig ent- wickelt ist (Fig. 67), zeigt sich eine beginnende Differenzierung der Zellen, insofern die einspringenden Falten an ihrer Spitze das cylindrische Darmepithel behalten, welches dann an den Seiten allmählich in das erheblich niedrigere Epithel: der ausspringenden Falten übergeht. Ist dann, wenige Schnitte höher, durch Verwachsung des Lophoderms mit den ausspringenden Winkeln des Faltentrichters und durch Schwinden der Inter tentacularmembran der Tentakel selbst gebildet, so besitzt er im Querschnitt fast die Gestalt eines Rechtecks (resp. Dreiecks), dessen 2 orale Ecken stark abgerundet sind (Fig. 46). Auch jetzt noch erhält sich an dieser oralen Rundung das radial ausstrahlende Cylinderepithel und ist fast bis zur äufsersten Spitze der Tentakeln auf Querschnitten nachzuweisen, während die Seitenwände beträchtlich dünner erscheinen und jederseits nur wenige meist 2 Zellkerne aufzuweisen haben, die auf noch höher geführten Schnitten, wo die Form des Rechtecks allmählich in die eines Ovals übergegangen (Fig. 47), immer spärlicher werden, so dafs alsdann vielfäch auf Querschnitten nur die gehäuften Kerne der Oralseite und die ebenfalls genäherten, wenn auch minder zahlreichen des aboralen Lophoderms in die Erscheinung treten. Gleich dem Innenepithel des Oesophagus ist derjenige der Vordarmhöhle mit Flimmerhärchen besetzt. Soweit die Falten des Trichters von gleichartigem Epithel überkleidet werden, scheint auch dessen Bewimperung eine kontinuierliche zu sein. Wo sich aber in der Zone des Freiwerdens der Tentakeln deutliche Differenzen zwischen Oralflache und Seitenwandung herausbilden, zeigt sich eine Diskontinuität insofern, als nun 3 durch wimperlose Flächen getrennte Wimperzonen, eine orale und zwei laterale, auftreten und bis zur Spitze für jeden einzelnen Tentakel nach-

60 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

weisbar sind. Die lateralen Wimpern schlagen weit lebhafter als die oralen und zwar, wie Nitsche richtig bemerkt, in einer Ebene senkrecht zur Längsachse der Tentakeln, obgleich die nicht isochrone Bewegung derselben, das zeitlich später erfolgende Nieder- schlagen der höher stehenden, bei schwacher Vergröfserung die Täuschung erweckt, als ob eine Wellenbewegung der Flimmern von der Basis der Tentakeln zur Spitze und von dort auf der andern Seite wieder zur Basis verliefe. Die Wimpern der Oralseite, welche bei verhältnismäfsig geringer Länge im spitzen Winkel aufwärts gerichtet sind, schlagen nach unten. Ob die steifen Borsten, welche Nifsche auf den wimperfreien Seitenstreifen beschreibt, wirklich hier ihre Insertion haben, konnte ich nicht mit Sicherheit feststellen.

Die /nnenauskleidung der »Kammern« und der Tentakelhöhlen ist nach dem früher Gesagten natürlich nichts als die Fortsetzung des Innenepithels der Leibeshöhle. Der morphologische Charakter des letzteren hat augenscheinlich auch in diesen äufsersten Divertikeln der Leibeshöhle keine grofsen Veränderungen erfahren, wenngleich von einer amoeboiden Verbindung der Zellen (vgl. Pag. 31) nirgend die Rede ist; weit auffallender erscheint die Thatsache, dafs dieses verhältnismäfsig zarte Epithel eine weit gröfsere Widerstandskraft besitzt, als das es umschliefsende ectodermale Epithel, indem bei Maceration vielfach dasselbe noch als kontinuierlicher, dünnwandiger Schlauch erhalten bleibt, wenn die Zellen des Aufsenepithels sich längst eine nach der andern abgelöst haben und flimmernd davongeschwommen sind. Die Kerne dieses Plattenepithels sind sparsamer als die des Ectoderms und liegen vornehmlich in je einer Längsreihe an den beiden Lateralflachen der Tentakelhöhlung, die dann auf Querschnitten dic »seitlichen Wülste« Nitsches darstellen, die er übrigens selbst schon als das innere Epithel aufzufassen geneigt ist. Gelegentlich sind diese Kerne dann auch an der oralen und an der aboralen Seite nachzuweisen, Gegen das freie Ende der Tentakeln sieht man hie und da Quer- balken vom Innenepithel gebildet, welche das Lumen der Tentakeln überbrücken (Fig. 45`, ohne dafs anzunehmen wäre, dieselben bildeten völlig abschliefsende Diaphragmen. Die Höhlung der Lophophorarme zeigt einen deutlichen Flimmerbesatz, durch welchen die in dieselben eintretenden Formgebilde der Leibeshöhle in lebhafte Zirkulation versetzt werden. Im Lumen der Tentakeln selbst konnte ich mich von einer solchen Bewimperung nicht überzeugen.

Sehr schwer zu entscheiden ist die Frage, wie weit endlich die zwischen den beiden Epithelschichten eingeschaltete Muscularis am Aufbau der Tentakelkrone beteiligt ist. .Vztsche macht seine »homogene Stützmembran« zur Grundlage des ganzen Tentakel- gerüstes. Sie ist es, nicht das Innenepithel, welche nach ihm jenen oben erwähnten, durch Maceration zu erhaltenden membranösen Schlauch bildet, der dann nur an den beiden Seiten durch die »epithelialen Wülste« ausgekleidet sein soll. Ich habe mich, wie bei den Schichten der Leibeswand, so auch hier nicht von dem Vorhandensein einer solchen Stützmembran überzeugen können, mufs vielmehr jene mittlere Gewebsschicht, welche im Innern der Septa vom Lophoderm zum Darmkanal radial herüberzieht, (Fig. 70 mf) als Stränge der Muscularis in Anspruch nehmen, da sie deutliche Faserung und Kerne erkennen läfst. Soviel ist also aus Schnitten mit Leichtigkeit zu ersehen, dafs

K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen. 61

an der Basis der Tentakelkrone Muskelelemente noch sehr wohl entwickelt sind. Ja auch die Arme des Lophophors entbehren nicht derselben, wie ich namentlich von ihrer oberen Wandung behaupten kann, nachdem mir ein glücklicher Tangentialschnitt parallel zur Längsachse der Arme und senkrecht zur Tentakelbasis eine wohl ausgebildete Schicht subcutaner zur Spitze des Lophophors verlaufender Längsfasern gezeigt hatte, die übrigens schon //yatt zu erkennen glaubte und als »Lophophoric reflexorse bezeichnete. Inwieweit aber nun diese Muscularis am Aufbau der Tentakeln selbst beteiligt ist, das wage ich nicht zu entscheiden. Es ist ja zweifellos, dafs den einzelnen Tentakeln nicht minder wie den Armen des Lophophors eine grofse Bewegungsfähigkeit zukommt; auch ist es richtig, dafs auf Querschnitten, wie Nzische beobachtete, an der oralen Seite einzelne stark lichtbrechende Punkte zwischen den beiden Epithelien sichtbar werden (Fig. 46 Ik), die man für Muskelquerschnitte in Anspruch nehmen könnte. Dennoch wage ich keine feste Meinung auszusprechen, da eine Beweglichkeit recht wohl auch ohne besondere Muskelelemente denkbar wäre, und andererseits jene hellen Punkte möglicherweise dem Nervengewebe (siehe später) angehören.

Das Zpistom ist schon von den älteren Autoren der Hauptsache nach richtig geschildert. Auf seiner Oralseite finden wir das hohe, flimmernde Cylinderepithel des Vorderdarms wieder, das aber nach der Spitze sich schnell verflacht und hier in ein flaches, anscheinend flimmerloses Epithel übergeht, welches die Rückenwand des Epistoms überkleidet, um dann kontinuierlich in das orale Epithel der Tentakeln sich fortzusetzen. Das Lumen des Epistoms ist sehr klein und gröfstenteils durch paarige, (wie auf Quer- schnitten des Epistoms zu erkennen) muskelartige Stränge ausgefüllt, etwa den »vorderen Parietovaginalmuskeln« gleichend (Fig. 59 em), welche von der oralen Seite nach hinten ziehen und hier sich teils am Deckengewölbe, teils an den Seiten inserieren. Sie sind sicher bei dem eigentümlichen Auf- und Niederklappen des Epistoms, welches schon Aliman be- schreibt, beteiligt, doch ist mir ihre Wirkungsweise nicht völlig klar geworden. Nach ihrer Insertion können sie augenscheinlich nur ein Aufrichten hervorrufen. Hyatt (69, pag. 104) beschreibt daneben noch einen in der Medianlinie verlaufenden Depressor, doch habe ich denselben nicht auffinden können. Vom hinteren Grunde des Deckengewölbes zieht jeder- seits ein Gewebsstrang (vs) abwärts zum Gehirn, wodurch die Kommunikation der Epistom- höhle mit der Leibeshöhle eingeengt, nicht aber völlig aufgehoben wird. Auch dieser paarige Bindegewebsstrang könnte höchstens das Wiederaufrichten des Epistoms unter- stützen. Bei Cristatella findet sich oberhalb des Epistomgrundes jederseits ein merk- würdiger drüsenartiger Ballen von der Gröfse des Ganglienknotens, über dessen Natur ich nicht habe zur Klarheit kommen können. Das Gewebe dieser »Drüse« zeigt in einer amoeboiden, vakuolenreichen Plasmamasse zahlreiche Kerne; ein Ausführungs- gang in den Oesophagus ist nicht vorhanden, wohl aber eine mit feinkörnigem Plasma gefüllte Kommunikation mit der Lophophorhohle. . An irgend welche Beziehung zu den Exkretionsorganen der Pedicellina oder gar der Würmer ist wohl um so weniger zu denken, als bei den übrigen Süfswasserbryozoen ähnliche Bildungen völlig vermifst werden.

62 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Was die sonstigen Verschiedenheiten anlangt, welche die einzelnen Süfswasser- formen in Bezug auf die Ausbildung der Tentakelkrone zeigen, so mufs deren Schilderung vornehmlich dem systematischen Teile vorbehalten bleiben. Nur darauf sei schon jetzt aufmerksam gemacht, dafs die 3 Gattungen Victorella, Paludicella und Fredericella mit ihren resp. 8, 16 und 20—24 Tentakeln erkennen lassen, dafs wir als die Grundzahl dieser Gebilde die Zahl 4 ansehen müssen. Bei den übrigen Süfswasserformen verwischt sich allerdings dieser Grundtypus mehr und mchr, wie cs zu geschehen pflegt, wenn höhere Multiplen eines Organes auftreten, dennoch läfst sich auch noch bei ihnen recht wohl eine Andeutung der Grundzahl erkennen, wenn wir sehen, dafs die Tentakelzahl der Alcyonellen und Plumatellen von 40—60, die der Pectinatellen von 60—80, die der Cristatellen um 90 zu schwanken pflegt. Mit dem allmählichen Wachsen der Ten- takelzahl mufs natürlich eine Verlängerung der Lophophorarme Hand in Hand gehen, und ergiebt sich schon hieraus eine bedeutende Verschiedenheit der in Frage kommenden Gattungen. Von einer »Verkümmerung« der Arme bei Fredericella kann dabei keine Rede sein; sie sind für die geringe Zahl der ihnen eingefügten Tentakeln wohl ent- wickelt, wie Fig. 62 dies beweisen mag, und vielmehr als Anfangsglied einer aufsteigenden, denn als Endglied einer absteigenden Entwickelungsreihe aufzufassen.

Das Nervensystem. Das Centralorgan des Nervensystems wurde zuerst von Dumortier und van Beneden bei einigen Formen der Süfswasserbryozoen beobachtet und dann von Allman (61, pag. 31) auch bei.den übrigen mit Ausnahme von Paludicella nachgewiesen. Dasselbe wird von letzterem als nierenförmiger Ballen am Grunde des Epistoms geschildert, von dem je ein rückläufiger Nerv in die Lophophorarme eintreten soll, während 2 andere Nerven in die Masse des Oesophagus hinter dem Munde zu ver- folgen sind. yatt (69, pag. 104 ff.) nimmt nach dem Vorgange von Dumortier und van Beneden 2 Ganglien an, die durch eine Kommissur verbunden seien, und beschreibt neben einem Lophophornervenfaar noch einen epistomalen, brachialen und polypidalen Nervenstamm. JVtsche (72, pag. 30 ff.) endlich findet einen zarten Schlundring und zwei in die Lophophorarme. ausstrahlende Nervenstämme, deren Nerven auf der Intertentakular- membran auslaufen. Sinnesorgane haben, mit Ausnahme der steifen Tentakelborsten, von keinem der bisherigen Forscher nachgewiesen werden können.

Wenden wir uns zunächst zur Gattung Paludicella, bei welcher bisher ein Nervenzentrum noch nicht beobachtet wurde, so zeigt ein Blick auf die Fig. 53—51 gk, dafs dasselbe hier sehr wohl entwickelt ist, wenn auch bei der ungemeinen Kleinheit des Objekts ein genaueres Studium der von ihm ausgehenden Nerven nicht möglich war. Mag doch an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen werden, dafs alle Versuche, nach bekannten Methoden die Nervenstränge zu klarerer Anschauung zu bringen, mifslungen sind. Immerhin erkennt man aus Fig. 52, dafs es sich bei Paludicella um ein ballen- förmiges Ganglion mit peripherischen Kernen und zentraler fein granulierter Masse handelt, welches zwischen den beiden Epithelien des Oesophagus gelagert ist, somit dem Innenepithel des letzteren dicht aufliegt. : Auf dem nächst höheren Schnitt Fig. 51 sieht man dann zwei mächtige Hörner (sr) diesem nunmehr verflachten Ganglion entstrahlen,

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 63

welche beidseitig den Oesophagus umgreifen und fast bis zur Mitte der Abanalseite sich verfolgen lassen. In Übereinstimmung mit diesem Befunde zeigt denn auch Fig. 65, dafs ein annähernd medianer Längsschnitt das Nervenzentrum an beiden Seiten des Oeso- phagus an der analen, wie an der abanalen getroffen hat. Es kann daher keinem Zweifel. unterliegen, dafs wir es bei der Gattung Paludicella mit einem wohl entwickelten Schlundring zu thun haben, von dem aus aller Wahrscheinlichkeit nach die im Kreise um den Mund gestellten Tentakeln mit Nerven versehen werden. Die blassen Stränge, welche in Fig. 52 s vom Nervenzentrum radial auszustrahlen scheinen, sind natürlich nicht nervöser Natur, sondern sind die früher besprochenen Kammersepta. Weiteres konnte ich bei Paludicella nicht mit Sicherheit feststellen.

Etwas mehr läfst sich über die nervösen Elemente der Phylactolaemen sagen, wenngleich namentlich der Verfolg der peripherischen Nervenbahnen auch hier nicht immer geglückt ist. Als Prototyp für die Beschreibung wähle ich wieder die auch von Nitsche untersuchte Alcyonella fungosa, da wesentliche Abweichungen von diesem Urbilde bei anderen Formen nicht beobachtet wurden. Allman und Nitsche geben dem Ganglion der Phylactolaemen eine nierenförmige Gestalt, da es auf der dem Oesophagus aufliegenden Seite eine tiefe Furche besitze, während es auf der Dorsalseite gewölbt sei. Ich mufs dieser Auffassung zunächst insofern entgegentreten, als es sich nicht um eine Furche handelt, sondern um eine komplizierte Gehzrnhohle, welche allseitig von nervöser Substanz umgeben ist, so dafs das Ganglion von der Seite (Fig. 58, medianer Längs- schnitt) nicht einer Niere, sondern einem Ellipsoid vergleichbar ist, in dessen Innern eine schräg nach unten und hinten ziehende Höhle gh erkennbar wird. Fig. 58 lehrt ferner, dafs das Ganglion, wie bei Paludicella, dem inneren Epithel oder vielmehr der Muscularis desselben (qm) direkt aufliegt, während das Aufsenepithel am Grunde des Nervenzentrums vom Oesophagus sich abhebt, um ersteres als »Gehirnhaut« zu überkleiden, worauf es oberhalb des Ganglions wieder dem Darmtraktus sich anschmiegt und nun in das Innen- epithel des Epistoms übergeht. Durch diese Einlagerung zwischen Aufsen- und Innen- epithel des Darms wird das Gehirn in seiner Lage fixiert, doch dürften hierzu noch andere Verbindungsstränge vorhanden sein. Der Tangentialschnitt Fig. 59 läfst in der That erkennen, dafs sowohl vom unteren als vom oberen Dorsalteil jener Hirnhaut Binde- gewebsbrücken ausgehen, welche sich an das Lophoderm resp. an den Grund des Epistom- gewölbes ansetzen. Die unteren dieser Stränge, welche natürlich paarig sind, wie auch Fig. 72 und 71 bb erkennen lassen, entsprechen wohl dem, was //yatt als brachialen und polypidalen Nervenstamm bezeichnet hat, und wurden schon im früheren erwähnt, wo es sich um die Schilderung des Zusammenhangs zwischen Lophoderm, Nervensystem und Enddarm handelte (Pag. 57). Ihre nicht nervöse, bindegewebige Natur scheint mir aufser Zweifel zu sein, da ihr Epithel sich kontinuierlich in das der äufseren Leibeswand fortsetzt und in ihrem Innern dieselbe feinstreifige Längsmuskelfaserschicht auftritt, die für die Kammersepta so charakteristisch war.

Der Bau des Ganglions selbst ist weit komplizierter als der mediane Längsschnitt Fig. 58 vermuten läfst, wie die Querschnitte Fig. 68 bis 72 beweisen mögen. Histio-

64 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

logisch wäre zunächst hervorzuheben, dafs die Ganglienzellen alle peripherisch im äufseren Umfang des Ganglions oder an der Oberfläche der Hirnhöhle gelagert sind, während die Faserstränge, die sich im Querschnitt als äufserst feine Punkte markieren, im Innern verlaufen. Die Querschnitte Fig. 68 bis 72 lassen erkennen, dafs der Breitendurchmes- ser des Ganglions ungleich gröfser ist als dessen Dickendurchmesser. Die im Längs- schnitt als geschlängelter Spalt auftretende Hirnhöhle (Fig. 58) bietet auf den Quer- schnitten sehr verschiedene Bilder. In Fig. 69 und Fig. 70 erscheint sie als zusam- menhängende Lücke gh, welche den analen massigen Teil des Ganglions von dem äufserst dünnen, nur aus einer Lage von Ganglienzellen gebildeten oesophogealen Ab- schnitt scheidet, welch’ letzterer dann allerdings zu beiden Seiten sich verdickt und hier mit seinen gehäuften Ganglienzellen offenbar einen Nervenkern (nk) darstellt. Der auf Fig. 69 folgende nächst höhere Schnitt Fig. 68 zeigt dann jene Lücke schon ‘in zwei seitliche Spalten getrennt, indem eine mediane Brücke zwischen beide sich ein- schiebt, die aber wohl weniger aus Ganglienzellen, als aus den Zellen der tangential am oberen Rande des Gehirns durchschnittenen Hirnhaut bestehen dürfte. Aber auch auf den nächst tieferen Schnitten bleibt die Hirnhöhle nicht einfach. Indem sie nämlich in ihrem medianen Teile plötzlich von der Ventralscite des Gehirns nach hinten zieht (vgl. Fig. 58), bildet sie ein tief herabreichendes Divertikel, das fast das Zentrum des Gan- glions einnimmt, während die Seitenteile der Höhle ihre ursprüngliche Richtung bei- behalten und daher auf dem Querschnitt (Fig. 71) als zwei vordere Lateraltaschen sh durch eine mächtige Nervenbrücke von dem weiter analwärts gelegenen zentralen Diver- tikel gh getrennt erscheinen. Der noch tiefer geführte Schnitt Fig. 72 hat dann schon die ganglionäre Bodenauskleidung des letzteren tangential getroffen, während die beiden Lateraltaschen als schmale Spaltraume noch deutlich erkennbar sind. Wir sind hiermit ziemlich am unteren Ende des Gehirns angelangt, da schon der nächst tiefere Schnitt Figur 73 nur noch die äufserste Spitze desselben zeigt. Der auf diesem letzteren fast kreisrund erscheinende Oesophagus ist in Figur 72 beträchtlich verengt und dorsalwarts abgeflacht. Die vor den Lateraltaschen liegenden Ganglienzellen gehen jederseits in fein gestreifte Fasermassen über, welche, sich ungemein schnell verjüngend, von rechts und links den Oesophagus umgreifen, unmittelbar unter der Stelle, wo derselbe zum gefalteten Vordarmtrichter sich erweitert, und so, an der Abanalseite sich vereinigend, einen äufserst zarten, nur hie und da einzelne Nervenkerne aufweisenden Sch/undring darstellen. Es leuchtet ein, dafs dieses zarte Gebilde mit dem bei Paludicella beobachteten, aus mas- senhaften Ganglienzellen bestehenden Schlundring (Fig. 51 sr) nicht homolog sein kann, wenn auch zugegeben werden mufs, dafs, wie dort, so auch hier die um den Schlund herumzichenden Fasern die Tentakeln der Abanalseite innervieren werden. Ein weiteres Studium lehrt nun in der That, dafs dieser zarte Ring am basalen Teile des Gehirns bei den Phylactolaemen nur eine winzige untere Portion des Schlundringes der Paludi- cella repräsentiert, dazu bestimmt, auch die wenigen, dem Ringkanal aufsitzenden abanalen Tentakeln mit Nerven zu versehen, während die Hauptmasse jenes Schlundringes der ja auch schon bei Paludicella nicht völlig geschlossen erschien oder doch plötzlich an der

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 65

Abanalseite zu äufserster Zartheit herabsank (Fig. 51) bei der Ausbildung der Lopho- phorarme gabelartig auseinanderweichend sich aufrichtete, um eben diese Arme in ganzer Länge zu begleiten. Auf diese Weise wird es verständlich, wenn wir sehen, dafs die- selben vor den Lateraltaschen gelegenen Ganglienzellgruppen, welche an der Basis des Gehirns den zarten Schlundring aus sich hervorgehen liefsen, und welche man durch die ganze Schnittserie bis oben hinauf fast gleichmäfsig entwickelt findet, schliefslich an der Spitze des Ganglions mit den Seitenpartien des zentralen Teils je ein gewaltiges hohles Ganglienhorn bilden (Fig. 67 In), welches, bei vertikaler Stellung des Lophophors, dem Gehirn senkrecht aufsitzt und unter schneller Herabminderung seines Querschnitts und Verlust seines Lumens als der bereits von Nische richtig beschriebene Lophophornerv unter der Deckenwölbung jedes Armes bis zu dessen Spitze verläuft. Figur 61 zeigt einen dieser beiden mächtigen Nervenarme, nach meiner Ansicht also die wahren Ho- mologa der Hauptmasse des Paludicellaschlundringes, im Längsschnitt, wobei natürlich das Gehirn selbst ziemlich entfernt von der Medianebene tangential getroffen ist. Man erkennt die gewaltigen Massen von Ganglienzellen, welche denselben zusammensetzen, die rasche Verjüngung infolge der reichlichen Nervenabgabe, sowie das den Nerven um- hüllende, sich lediglich als Fortsetzung der Hirnhaut darstellende Epithel (pe). Sind doch auch hier die nervösen Elemente zwischen den beiden Epithelien des Darms gelegen, wie dies noch besser. auf Querschnitten (Fig. 66 In, Fig. 64 In) festgestellt werden kann. Aus der Figur 61 geht endlich deutlich hervor, dafs die von dem Lophophornerv sich abzweigenden Nervenfasern (nf) in der That die einzelnen Tentakeln innervieren, indem sie in gleicher Weise, wie oben geschildert, zwischen Aufsen- und Innenepithel derselben sich einschieben. Die Zahl der Nervenfasern für den einzelnen Tentakel vermochte ich nicht zu bestimmen, wie ich denn auch nicht sagen kann, ob etwa nur die Oralseite der- selben mit Nerven versehen wird. Trotz ihrer ungemeinen Zartheit liefsen sich die Fasern, welche in ihrem Verlauf stets mindestens eine Ganglienzelle eingestreut zeigten, zuweilen ziemlich weit in das Innere der Tentakeln verfolgen, so dafs man die im früheren ausgesprochene Vermutung gerechtfertigt finden wird, jene auf dem Tentakelquerschnitt hie und da auftretenden stark lichtbrechenden Körnchen (Pag. 61, Fig. 46 Ik) möchten sich als Nervenquerschnitte erweisen. Nitsche ist der Meinung, dafs die Fasern des Lophophornervs zur Intertentakularmembran verlaufen und auf derselben ausstrahlen.

Von anderen Nerven, welche dem Zentralorgan entspringen, habe ich sicher noch solche beobachtet, die, aus dessen Basis hervorgehend, senkrecht nach abwärts verlaufen und bald zwischen den beiden Epithelien des Oesophagus verschwinden (Fig. 61 dn). Auffallend war bei diesen ebenfalls paarig auftretenden Nerven das fast völlige Fehlen der Kerne; nur ungemein zarte und blasse Fasern bildeten den Stamm desselben. Auch nach vorn in das Epistom lassen sich vom oberen Rande des Gehirns rechts und links nervöse Elemente verfolgen. Dieselben -diirften jedoch nur aus je einer einzigen Faser bestehen, da sie den in die einzelnen Tentakel tretenden feinen Strängen genau gleichen. Selbstverständlich durchsetzen auch sie nicht die Höhle des Epistoms, sondern ziehen an der Oralseite desselben zwischen den beiden Epithelien nach vorn.

66 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Weitere peripherische Nerven habe ich nicht beobachtet, wie auch meine Be- mühungen, spezifische Nervenendigungen zu finden, erfolglos geblieben sind. Es ist daher wohl zweifellos, dafs die höheren Sinnesorgane durchaus fehlen, und dafs nur das Tast- vermögen, vermittelt durch die früher beschriebenen steifen Tentakelborsten, auf einer verhältnismäfsig hohen Stufe der Entwickelung steht. Vielleicht ist jedoch auch eine gewisse Geschmacksempfindung vorhanden, wie man wohl aus dem Umstande folgern könnte, dafs die Polypide von Lophopus sich krampfhaft und dauernd einzogen, als ich sie mit dem ausgeprefsten Zellinhalt einer Cladophora zu füttern versuchte. l

Was im vorstehenden über das Nervensystem der Alcyonella mitgeteilt worden, gilt, wie schon oben bemerkt, im wesentlichen auch für die übrigen Gattungen der Phy- lactolaemen. Als Beleg verweise ich nur noch auf den Querschnitt des Gehirns von Cristatella (Fig. 63 gk), der sich leicht auf die Alcyonellaquerschnitte Fig. 69 und 70 zurückführen läfst.

3. Die Leibeshöhle und ihre Organe.

Der von der Leibeswand umschlossene Raum, in welchen das Polypid mit seinem Magenblindsack frei hineinragt, soll von uns ohne Präjudiz als Lertbeshöhle bezeichnet werden. Dieselbe ist rings geschlossen, wie schon Dumortier und v. Bencden gegenüber den älteren Autoren behauptet haben. Weder für die Einfuhr von Wasser noch für die Ausfuhr von Spermatozoen, Embryonen oder Statoblasten existieren irgend welche Spalten, Kanäle oder gar spezifische Organe. Sie setzt sich, wie früher ausführlich dar- gelegt, in die beiden Arme des Lophophors kontinuierlich fort, wird von Muskeln und Fasersträngen durchzogen und ist mit einer klaren Flüssigkeit angefüllt, in welcher man- nigfache Formelemente frei herumschwimmen. Diese Flüssigkeit mufs als das Blut der Bryozoen in Anspruch genommen werden, da im übrigen von einem besonderen Blut- gefäfssystem keinerlei Andeutung zu finden ist. Die Formelemente charakterisieren sich teils als Spermatozoen, teils als protoplasmatische Körperchen von sehr verschiedener Form, die wohl als Derivate der die Leibeshöhle auskleidenden Epithelien angesprochen werden müssen. Aus der lebhaften Bewegung aller dieser Gebilde läfst sich schliefsen, dafs das Blut durch Wimpercilien in Zirkulation erhalten wird. Nachzuweisen waren dieselben, wie schon früher bemerkt, auf Schnitten nur in den Armen des Lophophor, doch mögen sie auch noch an anderen Stellen der Körperwand auftreten. Hyatt hebt hervor, dafs der Blutstrom dorsal emporsteige, um ventralwärts aus den Armen des Lo- phophor abzufliefsen. Bei ausgestrecktem Polypid ist dies sicher richtig; bei zurück- gezogenem erleidet hingegen diese Blutzirkulution mannigfache Modifikationen, wie denn namentlich bei den Formen, deren Leibeshöhlen mit einander kommunizieren, eine so stereotype Bewegung der Formelemente keineswegs zu erkennen ist.

Die Muskeln und Faserstränge der Leibeshöhle. In dem vorhergehenden Ab- schnitt ist bereits ausführlich dargelegt, dafs der obere Teil des Darmtraktus, die sogen. Vordarmhöhle, durch das Herantreten des Kamptoderms, die Ausbildung der Kammer- septa und schliefslich durch die Vereinigung des äufseren Körperepithels mit dem inneren Darmepithel zur Bildung der äufseren Tentakelwandung mit den oberen Partien der

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 67

Leibeswand in so innige Beziehungen. getreten ist, dafs man das Ganze als einheitliches Gebilde, als Tentakelkrone, auffassen konnte. Es erübrigt nun noch, diejenigen strang- artigen Gewebe näher ins Auge zu fassen, welche unterwärts von der Tentakelkrone teils zwischen Darm und Leibeswand sich ausspannen, teils die verschiedenen Abschnitte der letzteren Cystiderm und Kamptoderm mit einander in Verbindung setzen. Diese Stränge sind teils mächtige Muskelbündel, dazu bestimmt, die verschiedenen, ge- waltigen Lagenveränderungen des Polypids herbeizuführen, teils Bänder von mehr binde- gewebigem Charakter, insofern das Innenepithel der Leibeshohle an ihrem Aufbau bc- teiligt ist. Schon die früheren Autoren haben die Mchrzahl derselben nach Verlauf und Anheftung richtig beschrieben, so dafs die folgenden Ausführungen vielfach nur eine Rekapitulation von bereits bekannten Thatsachen darstellen. Wo meine Beobachtungen den früheren widersprechen, soll dies im einzelnen Fall hervorgehoben werden, da eine zusammenhängende Darstellung der allmählichen Entwickelung unserer Kenntnis dieser Gebilde von van Beneden bis auf Nitsche zu weit führen dürfte.

Im allgemeinen werden wir nach der Funktion und auch nach dem histiologischen Bau drei grofse Gruppen von Strängen zu unterscheiden haben: 1) die Bewegungs- muskeln des Polypids, mit ausgeprägt muskulösem Charakter, 2) die Muskeln der Miin- dungszone, die »vorderen Parietovaginalmuskeln« Allmans und 3) die bindegewebigen Bänder, welche ein zu weites Ausstiilpen des Kamptoderms wie des ganzen Polypids zu verhindern haben, die »hinteren Parietovaginalmuskeln« und die Funiculi. Allman führt in seiner Monographie bei der Besprechung des Muskelsystems allerdings noch eine Reihe weiterer Muskeln resp. muskelartiger Bänder auf. Dieselben gehören aber entweder der allgemeinen Muscularis der Leibeswand an, wie die Ringmuskeln (Sphincter) des Kampto- derms (vgl. Pag. 41 u. 43), die »Lophophoric Reflexors« //yatis (vgl. Pag. 61), oder sie sind schon bei der Besprechung der Tentakelkrone von mir geschildert worden, wie die Muskeln des Epistoms (Pag. 61) oder die sogen. » Tentakelmuskeln« (A//man, pag. 25), welche sich lediglich als die Kammersepten an den Seiten der Lophophorarme herausstellten.

Die grofsen Bewegungsmuskeln des Polypids sind offenbar bei Paludicella (und Victorella) am einfachsten. Sie stellen hier ein einziges gewaltiges Muskelpaar dar, welches unmittelbar unter der Tentakelkrone an den beiden abanalen Seiten des im Querschnitt herzformigen Oesophagus in breiter Zone sich ansetzt (Fig. 53 mr und 65 mr), um, senkrecht nach abwärts ziehend, der abanalen Wandung des »Cystids« da sich einzufügen, wo dasselbe in die stielförmige Verschmälerung übergeht (Fig. 104, Taf. III, mr). Jede Faser dieser mächtigen Muskelbündel besteht aus einer einzigen Zelle, deren Kern der Faser etwas unterhalb der Mitte seitlich anliegt. Im ausgestreck- ten Zustande, bei vorgestülptem Polypid, ist jede Muskelfaser bedeutend dünner, als im kontrahierten, und zeigt dann eine ungemein scharfe und schöne Querstreifung, die bei den zusammengezogenen Fasern völlig vermifst wird (Fig. 36, Taf. I).

Bei den meisten Phylactolaemen ist eine erhebliche Differenzierung dieses paarigen, lediglich als Ketraktor wirkenden Muskels der Paludicella eingetreten, insofern hier derselbe in ‚eine Reihe getrennt verlaufender Bündel gespalten ist, die nun gemäfs

68 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

ihrer verschiedenen Insertion sehr mannigfache Bewegungseffekte hervorzubringen im stande sind.*) Von diesen verschiedenen Portionen des ursprünglich einheitlich zu denkenden grofsen Bewegungsmuskels ich sehe der leichteren Beschreibung halber ab von der durchweg hervortretenden d:/ateral symmetrischen Anordnung der Muskelbündel sind der sogen. »efraktor« und der »Rotator der Tentakelkrone« schon seit Allman bekannt. Ersterer inseriert sich an der Seite der oberen Partien des Oesophagus, meist ober- warts in zwei getrennte Bündel, ein orales und ein oesophageales (Fig. 106 mr‘ u. mr‘), gespalten, während letzterer am Grunde des Lophophorarms entspringt, dort, wo mächtige Bindegewebsbrücken Gehirn und Lophoderm mit einander verbinden. Beide Muskeln ziehen dann dicht neben einander parallel nach unten, um schliefslich getrennt an der Seitenwand (Alcyonellen) resp. am Boden (Gallertformen) des »Cystids« sich zu fixieren. Während die beiden eben besprochenen Bündel ziemlich weit nach der Neuralseite zurückgeschoben sind, tritt eine dritte Portion im Gegensatz hierzu vornehmlich an der abanalen Seite in die Erscheinung. Sie inseriert sich nicht mehr am Oesophagus, son- dern weiter abwärts am Cardiateil des Magens und soll von uns nach der später zu beschreibenden Wirkungsweise als Cardialflexor (Fig. 106 cf) bezeichnet werden. Schon Hyatt und Nische haben diese Muskelbündel gesehen; letzterer verlegt aber ihren In- sertionspunkt weiter neuralwärts an das Epithel, welches nach seiner Meinung Cardia und Rectum mit einander verbindet. Seiner weiteren Behauptung, dafs auch der Pylorus- teil in seinem oberen Abschnitte Muskelbündel entsende, die bei eingezogenem Polypid nun nicht mehr abwärts gerichtet sind, sondern schräg nach oben und aufsen ziehen, um durch ihre Kontraktion die Ausstülpung des Polypids vorzubereiten, mufs ich entschieden widersprechen. Nur die äufserste Spitze des blindsackartigen Magens pflegt auch bei Fredericella noch ein paar einzelne Fasern auszusenden, welche von der unmittel- baren Umgebung der Funiculusinsertion gleicherweise, wie Ale im bisherigen besprochenen Muskelbündel, nach abwärts zur Seitenwand oder zum Boden der Leibeswand herabziehen (Fig. 106 fm), wie schon //yatt beobachtete. Eine Querstreifung aller dieser Muskel- bündel, ähnlich derjenigen des Paludicellenretraktors, war an konserviertem Material im ausgestreckten Zustande fast immer deutlich zu beobachten, wie Allman angiebt, Nitsche aber bestreitet (72, pag. 36). Die Dicke der einzelnen Fasern variiert auch hier, wie bei Paludicella, je nach dem Kontraktionszustand beträchtlich. Jede Faser besitzt etwa in ihrer Mitte einen seitlichen Kern, der von beidseitig am Faden sich fortsetzendem Protoplasma überkleidet wird (Fig. 35, Taf. 1.).

Die zweite Gruppe von Fasersträngen, die nicht direkt mit dem Polypid in Be- ziehung steht, sondern die Mündungszone des Kamptoderm mit der eigentlichen Leibes- wand verbindet, ist im früheren bereits von mir erwähnt worden und soll hier nur der Übersichtlichkeit halber nochmals kurz berücksichtigt werden. Schon Alman hat erkannt, dafs diese sogenannten »vorderen Parietovaginalmuskeln« bei Paludicella und den Phy- lactolaemen in durchaus verschiedener Ausbildung sich finden, insofern es bei ersterer

*) Nur bei Fredericella gelang es mir nicht, cine solche Teilung in diskrete Bjindel nachzuweisen.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 69

um 4 gewaltige Pyramidenmuskel, bei letzteren um eine mchr oder minder grofse Zahl einzelner zarter Muskelfasern sich handelt. Durch meine früheren Darlegungen (Pag. 40 ff) über den verschiedenen Modus des Mündungsverschlusses finden diese Differenzen zwischen den beiden in Rede stehenden Gruppen ihre physiologische Erklärung, so dafs hier nur noch über den histiologischen Bau dieser Faserstränge ein paar Worte hinzuzufügen wären. Die vier Pyramidenmuskeln der Paludicella unterscheiden sich dem Anscheine nach kaum von den grofsen Retraktoren des Polypids, da sie ebenfalls aus einzelligen Fasern mit mit- telständigem seitlichen Kern bestehen. Eine Querstreifung war jedoch an ihnen nicht zu beobachten, andererseits dürften sie aber auch morphologisch von jenen verschieden sein, wie namentlich aus der Analogie mit den gleichnamigen Muskeln der Phylactolaemen zu folgern wäre. Bei letzteren nämlich ist es wohl kaum zweifelhaft, dafs die grofsen Bewegungsmuskeln des Polypids als losgelöste Faserstränge der zwischen den beiden Epithellagen der Leibeswand eingeschalteten Muscularis und zwar von deren Längsfasern aufgefafst werden müssen, wie namentlich aus Fig. 22, aber auch wohl aus Fig. 14 zu folgern ist. Jene einzelnen Faserstränge hingegen, welche bei den Phylactolaemen das Kamptoderm der Leibeswand nähern (Fig. 34, 38, 40—42 dm) und als vordere Parieto- vaginalmuskeln ich nenne sie wohl besser Dilatatoren der Mündung den 4 Pyra- midenmuskeln der Paludicella homolog erscheinen, sind lediglich langgezogene Zellen speziell des /nnenepithels der Leibeswand, wie dies namentlich bei Embryonen an Schnitten auf das unzweifelhafteste nachgewiesen werden kann. Diese morphologische Verschieden- ` heit zwischen den Dz/atatoren der Mündung und den Reiraktoren des Polypids ist nun meines Erachtens zwar nicht sehr erheblich, da ja auch die Längsfaserschicht der Mus- cularis wahrscheinlich vom Innenepithel der Leibeshöhle sich ableitet, dennoch dürfte sie zur Erklärung des verschiedenen Habitus und der verschiedenen Wirkungsweise *) beider Fasersysteme beitragen, wie es denn hierdurch auch verständlich wird, dafs bei Paludicella die äufsere Körperwandung im ganzen Verlauf der Retraktoren nicht mo- difiziert erscheint, während in der Nähe der Pyramidenmuskeln das früher geschilderte, lang spindelförmige Innenepithel der Leibeswand ziemlich plötzlich verschwindet. Es drängt sich so der Gedanke auf, eben diese Spindelzellen seien hier direkt zur Bildung der Pyramidenmuskeln verwendet worden. Fig. 104 giebt eine Andeutung dieser Verhält- nisse, ist aber zu schwach vergröfsert, um dieselben klar hervortreten zu lassen. Wenden wir uns endlich zu der leisten Gruppe von Fasersträngen, welche die Leibeshöhle durchziehen, so ist zunächst hervorzuheben, dafs dieselben ganz allgemein durch eine Bekleidung mit den Zellen des Innenepithels charakterisiert sind. Da diese Epithelzellen einer etwa durch andere muskulöse Elemente bewirkten Verkürzung oder Verlängerung des einzelnen Stranges nur hinderlich sein können, so leuchtet a priori ein, dafs bei allen hier in Betracht kommenden Gebilden die Wirkung als Ligament vor der- jenigen als Muskel in den Vordergrund treten wird. Es smd »Seile«, welche die Gröfse

*) Schon Mitsche hebt hervor, dass die Kontraktion der Ketraktoren plötzlich, diejenige der Dilatatoren allmählich erfolge.

70 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryuzoen.

eines Bewegungskurses limitieren, nicht aber selbst wenigstens nicht in erster Linie —— Bewegung hervorrufen. Aus diesem Grunde mufs zunächst der Name »hintere Parieto- vaginalmuskeln« für jenen Kranz von bandartigen Strängen fallen, welche das Kampto- derm etwas unter dem Randwulst mit der Leibeswand verbinden (Fig. 34, 40—42 db: und ein Ausstülpen des ersteren nur bis zu ihrer Ansatzstelle gestatten. Wir wollen sie als »Duplikaturbänder«s bezeichnen. Dieselben sind, wie schon früher bemerkt, bei Paludicella nur in der Vierzahl vorhanden (Fir. 104 db) und scheinen bei den Alcyo- nellen den Höhepunkt ihrer Ausbildung zu erreichen. Schon .Vetsche (72, pag. 9) hat bei diesen erkannt, dafs es sich hier nicht um cinfache Muskelfasern handele, sondern um ein zusammengesetztes Gebilde, insofern eine innere Faserschicht vom Epithel der Leibeshöhle umkleidet werde. Fig. 42 db läfst diese Auffassung als richtig erkennen. Das hier dargestellte Duplikaturband zeigt im optischen Längsschnitt deutlich eine innere Faserschicht, deren Zusammenhang mit der Leibeswand im Präparate gelockert ist, während sie am andern Ende kontinuierlich in die zwischen den beiden Epithelien des Kamptoderms gelagerte Muscularis übergeht. Da letztere vornehmlich als Längsfaser- schicht entwickelt ist, so müssen wir auch die Innenfasern des Duplikaturbandes den Längsfasern zurechnen, woraus dann nach dem früher Gesagten folgern würde, dafs die in Rede stehenden Stränge trotz ihrer zusammengesetzten Natur doch nur die eine der beiden ursprünglichen Zelllagen der Körperwand repräsentieren. Die Gleichartigkeit ihrer Faserelemente mit denjenigen der Tentakelscheide weist ferner darauf hin, dafs ihre Kontraktionsfähigkeit nicht grofser sein wird, als die des letztgenannten Organs, so dafs unsere oben vorgenommene Namensänderung auch hierdurch gerechtfertigt erscheinen wird.

Einen ganz analogen Bau, wie die Duplikaturbänder, scheint auf den ersten Blick jener so viel besprochene Strang zu haben, der den Magenblindsack des Polypids mit der Leibeswand verbindet und von A//man mit dem Namen Funiculus belegt wurde. Nitsche findet in seinem Innern die »homogene Stützmembran« mit deutlichen, den Längsmuskeln der Leibeswand entsprechenden Fasern; das Ganze ist vom Epithel der Leibeshöhle überkleidet, welches am Fundus des Darms direkt in das Aufsenepithel des Darmtraktus übergeht. Der einzige Unterschied zwischen Funiculus und Duplikaturbändern besteht nach Vitsche darin, dafs bei ersterem ein Übertritt seiner Längsfasern in die Muscularis der Leibeswand nicht stattfindet.

Abgesehen von der »homogenen Stützmembran« entspricht diese Schilderung so ziemlich dem, was auch ich geschen habe. Es kann in der That keinem Zweifel unter- liegen, dafs das Innere des vom »Peritonealepithel« überkleideten Funiculus eine mehr oder weniger deutliche Längsstreifung zeigt, die bei den Phylactolaemen wohl mehr durch lang spindelförmige kernhaltige Zellen, bei Paludicella aber durch deutliche, die ganze Länge des Funiculus durchziehende, ebenfalls kernhaltige Stränge, die sich sogar teilweise von der Hauptmasse desselben trennen können (Fig. 37), hervorgerufen wird. Dennoch glaube ich ernstliche Bedenken tragen zu sollen, diese Innenfasern mit Nzzsche der Längsfaserschicht der Leibesmuskulatur zu identifizieren. In erster Linie nötigt hierzu die durchaus eigenartige Funktion des Funiculus als Erzeuger der Statoblasten, jener

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 71

merkwürdigen Dauerknospen, die bei den Phylactolaemen zunächst bestimmt erscheinen, die Art für den Winter zu erhalten. Der Statoblast besitzt eine Chitinschale, die doch mit Wahrscheinlichkeit als Ausscheidungsprodukt einer ectodermalen Zelllage zu betrachten sein wird; er läfst dann im Frühjahr ein vollkommen fertiges Individuum mit wohl ent- wickelter Leibeswand aus sich hervorgehen und führt so auf’s Neue zu der theoretischen Forderung, dafs beide Zelllagen des mütterlichen Körpers bei dessen Aufbau beteiligt gewesen sein müssen, sofern wir nicht etwa eine Entstehung der Statoblasten aus eizellen- artigen Sporen annehmen wollen. Es sind somit in erster Linie aprioristische Gründe, welche es zunächst bei den Phylactolaemen in hohem Grade unwahrscheinlich machen, dafs die innere Faserschicht des Funiculus in der That nichts sei, als eine vom Innen- epithel abzuleitende Muscularis. Aber auch die genauere Betrachtung der beiden Ansatz- punkte des Funiculus an Magen und Leibeswand läfst erkennen, dafs die Verhältnisse hier wesentlich anders sind, als bei den Duplikaturbändern. Weniger tritt dies hervor bei der Ansatzstelle des Funiculus f am Darm (Fig. 28). Die äufsere Epithellage des Darms geht hier ohne merkbare Veränderung in diejenige des Funiculus über, ein Zu- sammenhang des inneren Darmepithels hingegen mit dem Faserzuge des Funiculus ist nicht nachzuweisen; andererseits aber auch nicht, und dies ist eine auffallende Differenz mit den Duplikaturbändern, ein Übergang der Funiculusfasern etwa in die Längsmuskulatur des Darms. Letztere ist vielmehr überhaupt nicht vorhanden, so dafs das Innere des Funiculus am Darmfundus plötzlich wie abgeschnitten erscheint und höchstens mit der Quermuskulatur desselben in Verbindung zu bringen wäre. Weit günstiger für die Be- gründung unserer aprioristischen Ansicht von der ectodermalen Natur des Funiculusinnern erweist sich ein Längsschnitt durch den Ansatzpunkt an der Leibeswand. Auch hier sehen wir deutlich den Übergang des Funiculusepithels in das Innenepithel der Leibes- höhle (Fig. 26 en). Das mit zahlreichen radial gestellten Kernen ausgestattete Funiculus- innere dagegen legt sich eng an die Zellen des Aufsenepithels der Leibeswand und er- weckt durchaus den Anschein, als wenn es aus letzterem hervorgegangen sei. Eine Muskularis der Leibeswand ist hier nicht nachzuweisen. Eine sichere Entscheidung dieser hochbedeutsamen Frage nach der Abstammung des inneren Fasergewebes des Funiculus kann natürlich erst die Entwickelungsgeschichte bringen. Darauf sei jedoch zum Schlufs auch schon jetzt hingewiesen, dafs dieses Fasergewebe, weit entfernt in jeder Lebensphase des Individuums immer denselben muskulären Charakter zu bewahren, bald zu feinsten Fibrillen sich auszieht, wenn die Wucherung der Spermatozoenmutterzellen im Umkreise des Funiculus beginnt, bald rundliche, sich scharf abhebende Ballen von Zellen aus sich hervorgehen läfst (Fig. 26 sk), welche die erste Anlage der werdenden Statoblasten darstellen. |

Das Vorstehende mag genügen, um es zu rechtfertigen, dafs wir dem Funiculus der Phylactolaemen trotz seiner scheinbaren Übereinstimmung mit den Duplicaturbändern eine exceptionelle Stellung einräumen. Dennoch wird er mit letzteren wenigstens die eine Funktion gemein haben, dafs er ein zu weites Herausstülpen des mit ihm verbundenen Organs, in diesem Falle des Magens, verhindert. Am meisten tritt diese letztere Aufgabe

72 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. bei Paludicella in den Vordergrund, wo bei der exccssiven Länge des ganzen Darm- traktus, der weit beträchtlicheren Gröfse des Bewegungsexkurses, cine stärkere Lagen- verschiebung des Magens weit eher zu befürchten wäre. Nicht nur am Grunde trägt daher der Paludicellamagen ein solches Leitseil, sondern auch weiter hinauf im oberen Dritteil seiner Länge (Fig. 104 f, Taf. II), wie dies schon Allman richtig erkannt hat. Beide Funiculi der Paludicclla lassen in ihrem histiologischen Bau keinerlei Differenzen erkennen. Ihr Inneres zeigt scharf begrenzte lange Faserzüge, die ganz den Eindruck von Muskelfasern hervorrufen, ohne dafs deswegen die Möglichkeit genommen wäre, sie mit dem Fasergewebe des Phylactolaemenfunikulus zu homologisieren. Vielmehr dürfte diese schärfere Ausprägung der Faserung, die als Entfernung vom mehr embryonalen Gewebszustand erscheint, auf den Umstand zurückzuführen sein, dafs Statoblasten an diesen Funiculis nicht zur Entwickelung kommen. Dem oberen Funiculus fehlt auch, soweit ich beobachten konnte, die Spermatozoenbildung, die am unteren, wenn auch nicht ausschliefslich, in ähnlicher Weise wie bei den Phylactolaemen vom umkleidenden Epithel ausgeht (Fig. 104 sp).

Das Ausstülpen und Einsiehen des Polypids. Nachdem wir im vorstehenden die verschiedenen Muskelgruppen und Faserstränge des Bryozoenkörpers kennen gelernt haben, kann es nicht schwer fallen, die mannigfachen Bewegungsleistungen desselben an der Hand jener Daten zu erklären und genauer festzustellen.

Schon Allman (61, pag. 29) vertritt die Ansicht, dafs das „lusstälpen des Polypids allein durch die Kontraktion der Körperwand mittels der Flüssigkeit der Leibeshöhle bewirkt werde. Nrische (72, pag. 38) stimmt dem in der Hauptsache bei, glaubt aber, dafs hierbei auch gewisse Muskeln zwischen Pylorus und Körperwand beteiligt seien. Da die letzteren nach meiner Darlegung nicht existieren, so bleibt in der That als einziger Motor für die Vorwärtsbewegung des Polypids die Leibeswand übrig, die nur durch die Dilatatoren des Kamptoderm in den vorbereitenden Momenten unterstützt wird. Besonders wird natürlich hierbei die Quermuskulatur der Körperwandung in Betracht kommen, die im allgemeinen weit kräftiger entwickelt ist, als die Längsmuskulatur. Dabei ist in Er- wägung zu ziehen, dafs wie Niische zuerst hervorgehoben, bei den Formen mit festerer Chitincuticula,. den Fredericellen und Alcyonellen, letztere am hinteren Körperpol mit der eigentlichen Leibeswand nicht mehr im Zusammenhang steht, den etwaigen Kon- traktionen der Leibeswand also nicht mehr zu folgen braucht. Am vorderen Körperpol hingegen, wo dieser Zusammenhang besteht, pflegt auf der oberen Seite der mit der Unterlage verwachsenen Cystidröhre eine weniger stark chitinisierte hyaline Längslinie in allen den Fällen sich auszubilden, in denen die Dicke des Chitins cin gewisses Mafs überschreitet. Durch diesen zarten hyalinen Längsstreif im Chitinrohr, der nach vorn zu, sich plötzlich dreieckig erweiternd, in die zarte Mündungszone übergeht, wird das derbwandige Chitinrohr gewissermafsen federnd gemacht und die Möglichkeit der Volum- verminderung auch noch da erhalten, wo sonst bei gleichartiger Ausbildung des Chitin- rohrs die Muskelwirkung der darunter liegenden Leibeswand für diesen Effekt zu schwach wäre. Es St erklarlich, dafs infolge der nun thatsächlich erfolgenden Kontraktionen der

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 73 Querschnitt des Chitinrohrs mehr oder weniger deutlich dreieckig wird, indem die fest- liegende Ventralseite natürlich unbeweglich bleibt, der hyaline Streif aber zu einer Firste oder Kante auf der Höhe der Rückenlinie durch die Annäherung der beiden Seitenteile des Rohrs emporgeprefst wird. Allman hat diesen von Pigment und anhaftenden Fremd- körpern freien Streif mit seiner vorderen Verbreiterung als »Kiel« und »Furches be- schrieben und ihm grofse Bedeutung für die Systematik beigelegt. Nach dem oben Ge- sagten liegt es auf der Hand, dafs seine schärfere oder schwächere Ausprägung lediglich eine Funktion der gröfseren oder geringeren Festigkeit der abgesonderten Cuticularschicht ist, und dafs selbst bei gleicher Dicke der letzteren Verschiedenheiten der Ausbildung von Kiel und Furche schon da hervortreten müssen, wo es sich in dem einen Falle um ein der Unterlage aufliegendes, im andern um ein frei aufrechtes Rohr handelt. Es kann uns daher nicht wunder nehmen, wenn wir, wie später näher zu erörtern, eine weitgehende Variation dieser Gebilde bei ein und derselben Form beobachten. Bei Paludicella und Victorella, bei denen ein Sich-Abheben der Leibeswand von der Cuticularschicht in den unteren Partien des Individuums nicht zu konstatieren, besitzt das Chitin offenbar Elastizität genug, um den Kontraktionen der hier ja ganz besonders stark entwickelten, tonnenreifen- artigen Quermuskulatur Folge zu leisten.

Bei den »Gallertformen« mit gemeinsamer Leibeshöhle erscheint es besonders auffallend, dafs einzelne Polypide sich ausstülpen können, während andere ruhig in der Leibeshöhle zurückbleiben. Man könnte zur Erklärung dieser Erscheinung vielleicht die aufserordentlich komplizierte Muskulatur der Körperwand heranziehen, welche es ermöglicht, dafs der »Blutdruck« eben nur auf bestimmte Individuen konzentriert wird; wesentlicher jedoch dürfte hierbei die Erwägung sein, dafs ein Polypid ja nur dann aus der Körper- höhle herausgeprefst werden kann, wenn vorher durch die Dilatatoren des Kamptoderm die Mündung genügend erweitert ist. Der Punkt, bis zu welchem Polypid und Kampto- derm aus der Leibeshöhle herausgeprefst werden, wird natürlich durch die Duplikatur. bänder limitiert,

Das ausgestreckte Polypid ist mannigfacher Bewegungsformen fähig. Das Auf- richten und Zurücklegen der Lophophorarme wurde schon früher erwähnt und dürfte durch das Wechselspiel der »Retraktoren« und »Rotatoren« unter Beihilfe des »Lopho- phoric Reflexorss (Pag. 61) hervorgerufen werden. Die Rotatoren sind augenscheinlich an der Drehung der ganzen Tentakelkrone beteiligt, doch ist mir diese jedenfalls ziemlich komplizierte Bewegung nicht ganz klar geworden. Sie ist bei denjenigen Formen be- sonders auffallend, bei welchen das Polypid sehr weit aus der Leibeshöhle hervorragt. Indem hier das langcylindrische, zartwandige Kamptoderm den durch einseitige Kon- traktion der oesophagealen Muskelbündel bewirkten Beugungen des ganzen Polypids keinerlei Widerstand entgegensetzt, werden die an und für sich schon tangential an- greifenden Muskeln mehr ‚oder weniger in eine Schräglage gebracht und sind hierdurch im stande, ausgiebigere Rotationswirkungen hervorzubringen, als dort, wo die Tentakel- krone nur wenig über den starren Cylinder der Leibeswandung emporragt. Die Tentakeln selbst können sich augenscheinlich alle einzeln und unabhängig von einander bewegen,

Io

74 K. KRAEPELIN, Die deutschen Siifswasserbryozoen.

in der Mitte oder an der Spitze sich umbiegen etc. So lange Muskelfasern an ihnen nicht nachgewiesen sind, wird man vielleicht annehmen können, dafs den Epithelzellen selbst eine ziemlich beträchtliche Kontraktilität zukomme, cine Annahme, die um so weniger gewagt erscheint, als wir später bei der Besprechung der Ortsbewegung von Cristatella zu einem gleichen Schlusse gezwungen werden.

Das Zinziehen des Polypids wird - - jedenfalls bei den »Gallertformen« durch das Abbiegen des Cardiateils vom Rektum durch die früher beschriebenen Cardia-Flexoren (Fig. 106 cf) eingeleitet. Es mufs durch deren Kontraktion schon allein, ohne andere Muskelwirkung, ein Aufrichten der Lophophorarme herbeigeführt werden. Es folgt das gänzliche Einziehen durch die grofsen Retraktoren und Rotatoren, wobei dann auch der Magengrund durch die dort sich inserierenden Stränge weiter in das Innere gezogen wird. Der Verschlufs der Mündung erfolgt dann bei den Phylactolaemen durch Konstriktion der Ringmuskulatur des eingestülpten Kamptoderms sowie der benachbarten Partieen der Leibeswand (bei den Gallertformen), während bei Paludicella jene vier mächtigen Pyra- midenmuskeln in Aktion treten, um, wie früher beschrieben, ein gut Teil der eigentlichen Leibeswand mit seinem elastischen Stabapparat in das Innere zu zichen. Eine Dilatations- wirkung dieser Muskeln auf das eingestülpte Kamptoderm, wie -lman sie annimmt, und wie sie für die Homologisierung derselben mit den Dilatatoren der Phylactolaemen nur erwünscht sein könnte, ist mir der ganzen Sachlage nach wenig wahrscheinlich.

Die Vermehrungsorgane. Die Vermehrung der Bryozoen geschieht teils auf ge- schlechtlichem Wege, teils ungeschlechtlich.

Sperma und £7 finden sich ausnahmslos in demselben Individuum und entwickeln sich stets aus Zellen des Peritonealepithels. Bei Paludicella sitzen die rundlichen Eier mehr vereinzelt an der analen Seite der Leibeswand etwas oberhalb der Stelle, wo sich der obere Funiculus inseriert (Fig. 104 0), während die »Spermatosporene (sp) teils in traubigen Klumpen dem unteren Funiculus aufsitzen, teils den benachbarten Teilen der Leibeswand anhaften. Bei Victorella scheint die Spermatozoenbildung gleich der Eibildung ausschliefslich auf die Leibeswand beschränkt (Fig. 91 sp und o). Die Spermatozoen der Paludicella zeichnen sich durch ihre lang cylindrische Gestalt aus; man kann an ihnen einen fein zugespitzten, stark lichtbrechenden Kopf, einen Hals und einen allmählich abge- rundeten Schwanzteil unterscheiden. Die Bewegung derselben erinnert an die der Tubifex- arten, doch können sie sich auch 8formig oder &förmig in einander schlingen. Bei den Phylactolaemen sind mehrere Eier zu einer Art Ovarium vereinigt, das einen eigenen peritonealen Überzug besitzt. Es liegt, im Gegensatz zu Paludicella, adanal und der Mündung weit mehr genahert. Die Spermatosporen bilden gewaltige Traubenmassen am oberen Teil des Funiculus, der dadurch im Querschnitt ein vielfach gelapptes Aussehen bekommt. An der Leibeswand habe ich Spermatozoenbildung bei dieser Gruppe nicht mit Sicherheit beobachtet. Dagegen konnte ich mich verschiedentlich überzeugen, dafs auch das Aufsenepithel des unteren Pylorusteiles zu Spermatosporen sich umzubilden im stande ist. Die Spermatozoen gleichen in Form und Bewegung durchaus denen der Paludicella. Die genauere Beschreibung der hier kurz aufgeführten Generationsorgane,

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. - 75

die verschiedenen Stadien ihrer Entstehung wie die Entwickelung des aus dem Ei hervorgehenden Embryo bleibt einem besonderen zweiten Teile dieser Monographie vorbehalten.

Die ungeschlechtliche Vermehrung bringt sehr verschiedenartige Gebilde zur Ent- wickelung: Die »emgentlichen Knospen«, die » Winterknospen« der Victorella und Palu- dicella und die Statoblasten der Phylactolaemen. Da auch die hierbei statthabenden Vorgänge eine eingehende Schilderung im zweiten Teile erfordern, so mögen an dieser Stelle nur kurz einige allgemeinere Angaben Platz finden, soweit sie zum Verständnis der Systematik nötig erscheinen.

In Bezug auf die Änospung haben wir scharf zwischen der äusseren Knospung der Gymnolaemen und der zxneren Knospung der Phylactolaemen zu unterscheiden. Bei ersteren hat jede Primitivanlage einer Knospe sofort eine entsprechende Ausbuchtung der Leibeswand mit ihrer Cuticularschicht zur Folge, und -diese Ausbuchtung wird schon in den ersten Stadien durch ein Septum vom mütterlichen Organismus abgegrenzt. Bei den Phylactolaemen erscheint die junge Knospe anfangs lediglich als ein von der Leibes- wand nach innen in die Leibeshöhle hineinragender Zapfen, der bei seinem Wachstum stets direkt von der Leibesflüssigkeit umspült wird, und dessen Vorhandensein vielfach äufserlich erst dann bemerkbar wird, wenn die Knospe fast bis zum Durchbruch nach aufsen fertig entwickelt ist. Dieses Extrem der innerlichen Entwickelung läfst sich aller- dings nur bei den »Gallertformen« mit gemeinschaftlicher Leibeshöhle, bei Lophopus, Pectinatella und Cristatella, nachweisen. Schon bei Plumatellen und Alcyonellen pflegt eine leichte Ausbuchtung der Leibeswand, die später zur Bildung eines Seitenzweiges führt, mit den mittleren Knospungsstadien parallel zu gehen, und bei Fredericella lassen die eigentümlich verbreiterten, fast klumpigen Enden der Zweige (vgl. Fig. 121 Taf. V, Fig. 74 Taf. III) erkennen, dafs hier sogar noch weit jüngere Knospenanlagen zu einer divertikel- artigen Ausbuchtung der Leibeswand geführt haben. Es liegt nahe, diese Befunde als Übergangsstadien der rein äufserlichen Knospung der Gymnolaemen zu der rein inner- lichen der Gallertformen aufzufassen.

Nicht alle Punkte der Leibeswand erscheinen zur Hervorbringung von Knospen befähigt; vielmehr ist es in der Regel eine ganz bestimmte Stelle derselben, welche als Knospungszone bezeichnet werden mufs. Bei Victorella liegt dieselbe augenscheinlich an der Neuralseite des Individuums, etwas oberhalb der Stelle, wo die grofsen Pyramiden- muskeln sich inserieren (Fig. 75 kn). Hier wenigstens findet man stets die jüngsten An- lagen der Knospen. Offenbar ist aber die Leibeswand auch nach der ersten Knospen- anlage noch in lebhaftem Längenwachstum begriffen. Es rückt dadurch diese erste Anlage scheinbar tiefer, und es entwickelt sich über derselben eine zweite Anlage, über dieser eine dritte (Fig. 75) und so fort, bis man schliefslich ein Bild erhält, wie es der Hauptstamm der gezeichneten Figur darbietet, einen flötenartigen Cylinder, dessen Wind- löcher die Ausgangspunkte für eine ganze Reihe neuer, geknospeter Individuen darstellen. Hervorzuheben ist bei Victorella noch eine zweite Art von Knospen, die nicht direkt zur Bildung von polypidtragenden Individuen führt, sondern lange fadige Wurzelfäden (wz)

76 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

entstehen läfst, die den Stock auf der Unterlage befestigen helfen. Auch sie knospen neuralseitig, aber nicht am distalen, sondern nur am basalen Teile des Körperrohrs.

Wesentlich verschieden von den eben geschilderten Verhältnissen erscheint aut den ersten Blick die Knospenbildung der Paludicella, indem hier zunächst eine apzcale, sodann aber noch zwei /atera/e Knospenzonen (Fig. 120, Taf. IV) zu unterscheiden sind. Erstere führt, bei subapicaler Lage der Mündung, zur geradlinigen Verlängerung des Stockes, unter scharfer Abgliederung der einzelnen Tiere durch die Rosettenplatten und die keulenformige Verschmälerung des Basalteils jedes Individuums. Man könnte ver- sucht sein, diese apicale Knospung der Paludicella der neuralseitigen von Victorella in Parallele zu stellen, indem man sich das distale Körperende von Paludicella soweit rückwärts gekrümmt denkt, dafs die Mündung eine apicale Lage erhält; alsdann würde ın der That die vordem apicale Knospe dieselbe Stelle an der oberen Neuralseite ein- nehmen, die wir bei Victorella als Knospungszone kennen gelernt haben. Aus später zu erörternden Gründen dürfte indessen eine solche Homologisierung zu verwerfen sein.

Die beiden seitlichen Knospungszonen der Paludicella treten im oberen Drittel des keulenförmigen Körpers etwas unterhalb der Mündung auf und erzeugen jene gegen- ständigen, fast wagerechten Seitenäste, welche dem Stock der Paludicella ein so ganz eigenartiges, sparriges Aussehen verleihen. Wir wollen in einem phylogenetischen Schlufs- abschnitt dieses ersten Teiles versuchen, auch für diese merkwürdige Bildung durch Ver- gleich mit anderen Bryozoenformen eine Erklärung zu finden.

Bei den Phylactolaemen mit hirschgeweihartigem Stock ist es ausschliefslich der obere Teil der Mündungszone, welcher Knospen erzeugt. Die anscheinend gabel- spaltige Verästelung des Stockes kommt hier dadurch zu stande, dafs die Knospe bald eine Aussackung der Leibeswandung hervorruft, welche, zum langen cylindrischen Rohr aus- wachsend, dem mütterlichen Körper an Umfang gleichkommt. Sogar als terminale Fort- setzung des Stockes kann sie auftreten, wenn das Mutterrohr an der Knospungsstelle winkelig von der ursprünglichen Richtung abbiegt, wie dies namentlich oft bei Fredericella der Fall ist. Bei den »Gallertformen« ist die Zahl der Knospen meist beträchtlich ver- mehrt, so dafs z. B. bei Cristatella zu beiden Seiten des lang wurmförmigen Stockes eine ganze Reihe verschiedener Knospenstadien getroffen werden, wenn man von der Mittellinie desselben einen Radialschnitt zum Rande führt (Fig. 89, Taf. II).

Die sogenannten Winterknospen der Paludicella, welche von van Beneden entdeckt und, wie es scheint, seit dieser Zeit nicht wieder aufgefunden wurden, stellen sich lediglich als Modifikationen der gewöhnlichen Aufsenknospen dar. Letztere nehmen im Herbst und unter besonderen Umständen auch schon früher eine von der gewöhnlichen, gestreckt keulenförmigen Gestalt abweichende Form an, sind bald bauchig ellipsoidisch, bald ganz unregelmäfsig (Taf. IV, Fig. 117), bleiben auf einer bestimmten Stufe des Wachstums stehen und umgeben sich mit einer starren hellgelben nach van Beneden grau- schwarzen Cuticula, die durch ihren grofsen Gehalt an Kalkkörperchen ausgezeichnet ist. Währenddem schwindet der Inhalt aus allen erwachsenen Röhren, ja diese selbst gehen zum grofsen Teil zu Grunde, so dafs schliefslich fast nur noch jene Winterknospen übrig

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 77

sind, die teils der Unterlage fest aufliegen, teils aber auch an den aufrechten Zweigen, soweit diese nicht zerstört sind, frei in das Wasser hineinragen. Im nächsten Frühjahr zerplatzt die harte Chitinbekleidung der Winterknospe in zwei Hälften (Taf. III, Fig. 98), aus deren Spalt das junge Individuum direkt hervorwächst, wie dies schon van Deneden durch eine Reihe von Abbildungen erläutert hat. Ähnliche Gebilde finden sich auch bei Victorella (Fig. 92), sowie bei einer von Potts (91) in Pennsylvanien entdeckten Bryozoen- form, die er als Paludicella erecta beschrieben, die aber mit ihrer terminalen Mündung und nach ihrem ganzen Habitus dem Genus Victorella ungleich näher steht, und für die ich, da sie uns im phylogenetischen Abschnitt dieser Arbeit noch vielfach beschäftigen wird, zu Ehren des Entdeckers die neue Gattung Pottsiella aufstellen möchte. Einige Exemplare der Winterknospen dieser Form, welche der Entdecker mir zu senden die Freundlichkeit hatte, entwickelten sich im folgenden Frühjahr prächtig in meinen Aquarien.

Die Statoblasten, welche schon den Forschern des vorigen Jahrhunderts bekannt waren und mannigfache Deutungen erfahren haben (Roese/, Meyen), wurden anfangs meist kurzweg als die »/zer« der Bryozoen, nach der Entdeckung der Wimperembryonen aber als die » Wintereier« dieser Tiere bezeichnet, bis A//man dieselben als » Dauerknospen« (Statoblasten) definierte, da bei dem Mangel eines Keimbläschens, eines Keimflecks und einer Dotterfurchung die Vorstellung eines »Eies« völlig aufzugeben sei (61, pag. 40). Sie finden sich ausschliefslich bei den Phylactolaemen, wenngleich Parfitt (70) 1866 die- selben auch bei Paludicella nachgewiesen haben wollte, und stellen linsen- oder bohnen- förmige Körper dar, welche in allen Fällen von einer derben Chitinschaale umschlossen sind, die beim Kochen mit Kalilauge oder beim Auskriechen des jungen Tieres im Früh- jahr in zwei uhrglasförmige Hälften sich spaltet, ohne dafs man deshalb die Kapsel von vornherein als zweiklappig aufzufassen berechtigt wäre. Im Innern der Chitinkapsel findet sich eine körnige Dottermasse, das Bildungsmaterial für das sich entwickelnde Individuum. Die grofsen Verschiedenheiten, welche die Statoblasten der einzelnen Formengruppen von cinander zeigen, und welche in hervorragendem Mafse zur systematischen Klassifizierung verwertbar sind, liegen teils in der sehr wechselnden Form und Gröfse dieser Gebilde, teils in der Skulptur und in gewissen spezifischen Bildungen der Schale, welch’ letztere als Schwimimring und Anker oder Dornen bekannt sind.

Am einfachsten in dieser Hinsicht erweisen sich die Statoblasten der Fredericellen, deren Schale weder jene Nebenapparate, noch irgend welche besondere Skulptur er- kennen läfst. Bei den Plumatellen und Alcyonellen findet sich der sogenannte Schwimm- ring, ein System lufthaltiger Chitinkammern, als krempenförmige Umrandung des linsen- förmig flachgedrückten Statoblasten, während die Flächen der Schale dicht mit kleinen buckelförmigen Erhabenheiten besetzt sind. Durch Kochen mit Kalilauge gelingt es leicht, jede Schalenhälfte nochmals wieder in zwei Schichten zu zerspalten, deren innere eine einfache, strukturlose, uhrglasförmige Chitinklappe (Taf. III, Fig. 94) darstellt, während die äufsere, einem Strohhute mit breiter Krempe vergleichbar, die gesamten Schwimm- ringszellen in ihrer Peripherie, die erhabenen Buckel auf ihrer »Scheibe« trägt und so die einheitliche Genese von Buckeln und Schwimmringszellen erkennen läfst (Fig. 95 u. 96).

78 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Ähnlichen Bau zeigen die Statoblasten von Lophopus, doch gelang es hier nicht, eine solche Zerlegung in zwei konzentrische Schichten auszuführen. Pectinatella und Crista- tella endlich weisen neben dem Schwimmring noch eigentümliche, radial vom Rande aus- strahlende, am Ende mit Haken versehene Chitindornen auf, welche zweifellos die Auf- gabe haben, die Statoblasten im Gewirr der Wasserpflanzen, namentlich der fadenförmigen Siifswasseralgen, zu verankern. Auf die Verschiedenheit dieser Gebilde, wie auf die weiteren Unterschiede, welche die Statoblasten in Bezug auf Form, Gröfse, Farbe, Aus- bildung des Schwimmrings etc. zeigen, wird im systematischen Teile näher eingegangen werden. Nur das mag schon jetzt noch hervorgehoben werden, dafs bei einer ganzen Reihe von Süfswasserformen neben den freischwimmenden Schwimmringsstatoblasten auch sogenannte feste oder sztsende Statoblasten auftreten, welche des Schwimmrings mehr oder weniger entbehren und der Unterlage fest anhaften bleiben (Fig. 77, Längsschnitt), wenn im Herbste die Mutterkolonic zu Grunde geht. Jman ist der Entdecker dieser zweiten Statoblastenform, die dann später von //yatt genauer studiert wurde.

Das Organ, an dem die Statoblasten entstehen, ist der Zunmzculus. Ob dieser ausschliefslich, soll im zweiten Teile abgehandelt werden, wo auch die verschiedenen Stadien zu schildern sind, welche diese merkwürdigen Gebilde in ihrer Entwickelung durchlaufen, sowie die Vorgänge, welche weiterhin die Entstehung eines embryonen- artigen Individuums im Innern des Statoblasten zur Folge haben. Da die Statoblasten während der Periode ihres Wachstums mit dem Funiculus durch eine Art »Nabelstrang- verbunden bleiben, der zur Mitte der einen Schalenhälfte verläuft und so die Kom- munikation des Statoblasteninnern mit dem = miitterlichen Organismus fast bis zur völ- ligen Reife ermöglicht, so wollen wir diese Seite des Statoblasten als die ventrale, die eegeniiberliegende als die dorsale bezeichnen. Besonders im systematischen Teile, wo wir vielfach auf Verschiedenheiten in der Ausbildung beider Schalenhälften eingehen müssen, wird eine solche Unterscheidung kaum zu entbehren sein.

r

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. | 79

D. Allgemeine Lebensbedingungen und Lebenserscheinungen.

Aufenthalt. Die Süfswasserbryozoen finden sich augenscheinlich in allen Arten süfser Gewässer, im reifsenden Gebirgsbach, wie im ruhig dahinfliefsenden Strom, im klaren Waldsee, wie im stagnierenden Sumpf. Dabei ist jedoch hervorzuheben, dafs nicht für jede Form so weite Grenzen des Aufenthaltgebietes gegeben sind, dafs vielmehr die einen das klare fliefsende Wasser, die andern den Sumpf zu bevorzugen scheinen. So habe ich Paludicella stets nur in fliefsendem Wasser angetroffen, während Lophopus, Cristatella und die typische Alcyonella fast eben so ausschliefslich nur in stehendem, selbst morastigem Wasser zu finden sind. Paludicella kann auch in Drackwasser ge- deihen, wie zuerst Carter (64) von einer Form bei Bombay hervorhebt. Das gleiche gilt von Fredericella (Hyatt), wie von Plumatella, welche Aen? (73) zusammen mit seiner Victorella pavida, Cordylophora lacustris und Bowerbankia imbricata in den Victoria- docks von London sammelte. Es ist interessant zu wissen, dafs auch an dem deutschen Fundorte für Victorella, im Ryckflusse bei Greifswald, bei einem Salzgehalt von 0,3 °/o im Mittel, selbige mit Plumatella und Cordylophora sich vergesellschaftet zeigt.

Als Fixationspunkt für die Kolonien kann wohl so ziemlich alles dienen, was Halt gewährt: Blätter, Stengel und Wurzelwerk lebender, wie abgestorbener Pflanzen, Steine aller Art, auch Ziegel und Scherben, endlich die Gehäuse und Schalen toter oder lebender Mollusken.

Wie Gei die Bryozoenkolonien für gewöhnlich unter die Oberfläche des Wassers herabsteigen, vermag ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Pectinatellen habe ich nicht selten bis 3/4 Meter, Plumatellen an Seerosenstengeln oft noch viel tiefer unter Wasser angeheftet gesehen. Myatt berichtet, dafs er Pectinatella im Herbste nur noch »in grofser Tiefe« angetroffen habe, nachdem die der Oberfläche näheren Stöcke längst verschwunden waren, eine Beobachtung, die vortrefflich zu der mir gütigst gewordenen brieflichen Mit- teilung von Dr. Weltner stimmt, dafs er am 15. November 1886 in der Spree 5 Kolonien von Cristatella in 3 Meter Tiefe aufgefunden habe. Ob hierbei an eine allmähliche Wan- derung dieser mit beschränkter Lokomotion versehenen Kolonien zu denken ist, wage ich nicht zu entscheiden, glaube es aber nicht, da ältere Exemplare nach meinen Beob- achtungen kaum mehr im stande sein dürften, freiwillig den Ort zu wechseln. Keinesfalls kann ich die Behauptung Allmans bestätigen, dafs Cristatella, im Gegensatz zu allen übrigen Bryozoen, nur in vollem Sonnenlichte der Oberfläche sich wohl fühle.

80 | K. KRAEPELIN, Die deutschen Siifswasserbryozoen.

Aber selbst jene Beobachtung einer 3 Meter unter Wasser befindlichen Cristatella- kolonie giebt noch keineswegs die Grenze, bis zu welcher Bryozoen überhaupt hinab- steigen können. Berichtet doch Asper in seinen »Beiträgen zur Kenntnis der Tiefseefauna der Schweizer Seen« (Zool. Anzeiger, 1880, p. 200 ff.), dafs er an den verschiedensten Lokalitäten, namentlich aber im Vierwaldstätter- und Silvaplanasce aus Tiefen von 50—80 Metern Fredericella sultana gedredget habe, welche die Oberflächenformen unserer nor- dischen Gewässer an Grofse weit überragen. Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, dafs Abwesenheit phanerogamischer Pflanzen, Dunkelheit und enorm gesteigerter Wasser- druck für gewisse Bryozoenformen kein Hindernis ihrer Entwickelung bieten. Zu gleichen Resultaten führten mich meine eigenen Studien über die Fauna der Hamburger Wasser- leitung (Abhandl. des naturw. Vereins Hamburg Bd. IX), welche ergaben, dafs in derselben Alcyonellen, Paludicellen und Fredericellen in absoluter Finsternis, unter dem konstanten Wasserdrucke von 2!/2—51!/2 Atmosphären fröhliches Gedeihen finden.

Mehrfach habe ich Bryozoen an Lokalitäten angetroffen, die der ganzen Sachlage nach sehr wohl zeitweilig vom Wasser entblöfst sein konnten, flache steinige Rinnsale von Bächen, die zur Hochsommerzeit zum gröfsten Teil trocken liegen. Ich denke hier namentlich an ein kleines Seitenbächlein des Regens bei Furth im Wald; sodann aber auch an gewisse flache Uferstellen in der Luppe bei Leipzig und in der Bille bei Hamburg. Es scheint daher der Gedanke nicht ausgeschlossen, dafs die Süfswasserbryozoen zeit- weiligen Wassermangel ich spreche nicht von völliger Trockenheit recht wohl er- tragen können, wie denn neuerdings Allen (85) berichtete, dafs Plumatellen, die 16 Stunden aufserhalb des Wassers verbrachten, vollständig lebensfähig geblieben waren.

Geographische Verbreitung. Die Bryozoen des süfsen Wassers scheinen ihre Hauptverbreitung in den Ländern der nördlich-gemäfsigten Zone zu haben, ohne jedoch auf diese Gebiete beschränkt zu sein. Bis zum Jahre 1851 waren sie nur in Europa be- kannt, das sie in einem breiten mittleren Gürtel, etwa vom 43. bis 60. Grad nördlicher Breite bewohnen. Als nördlichsten Punkt ihres Vorkommens kennen wir Stockholm (Baek, 1745), als südlichsten die Pyrenäen (Allman) und die Umgegend von Nissa (Risso. Hist. nat. de Europe mérid.). Auf den westlichen Inseln unseres Kontinents, in /rZeaızd und Grossbritannien, gleichwie in Frankreich und Belgien sind sie in grofser Verbreitung und in mannigfachen Formen nachgewiesen, auch Deutschland und Russland sind gewifs nicht arm daran. Aus letztgenanntem Reiche sind wir namentlich über die Fauna von Dorpat (Schmidt) und die des mittleren Wolgagebietes (Pallas, Reinhard) näher orientiert. Im sädlichen Norwegen konnte ich selbst noch während der Drucklegung dieser Arbeit eine Reihe von Formen nachweisen. Als wichtigste Typen dieser europäischen Bryozoen- fauna erscheinen die Gattungen Paludicella, Fredericella, Plumatella, (Alcyonella **, Lophopus und Cristatella, zu denen noch als seltene Vorkommen die Gattungen Vic- torella und Pectinatella sich gesellen.

*) Diese Gattung ist, wie später zu erörtern, einzuziehen, da sie nur eine Wachstumsform der //eema- tellen darstellt.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. SI

Nicht minder verbreitet scheinen die Siifswasserbryozoen in Amerika zu sein, zumal wenn man in Betracht zieht, dafs hier noch weite Strecken in dieser Hinsicht un- durchforscht sind. Dennoch lehrt das bis dahin bekannt Gewordene einerseits, dafs die dortige Fauna der europäischen an Reichhaltigkeit sicher nicht nachsteht, und andererseits, dafs sie mit letzterer eine überraschende Ähnlichkeit zeigt. Findet man doch von den europäischen sieben Gattungen in Amerika nicht weniger als sechs wieder (Paludicella, Fredericella, Plumatella, Lophopus, Pectinatella, Cristatella), während die siebente (Victorella) durch ein verwandtes Genus Pottsiella (vgl. Pag. 77) vertreien wird. Die Gattung Urnatella ist bisher allein für den westlichen Kontinent nachgewiesen worden. Die Fundorte aller dieser Formen sind, den Wohnsitzen ihrer Entdecker entsprechend, fast ausschliefslich in den nördlichen atlantischen Staaten gelegen.

Aus den Zropischen Ländern kam die erste Kunde über Süfswasserbryozoen durch Carter (1858) zu uns. Derselbe konstatierte das Vorhandensein einer höchst merk- würdigen flustraartigen Bryozoe (Hislopia) bei Nagpoor in Indien, während Fudlien im Jahre 1880 eine zweite eigenartige Gattung (Norodonia) aus China und Cambodja be- kannt machte. Scheint so die Bryozoenfauna des südöstlichen Asiens eines spezifischen Charakters nicht zu entbehren, so war es auf der andern Seite in hohem Grade inter- essant, dafs daneben durch Carter und Valenciennes (1858, in l'Institut XXVI pag. 135, 144) auch einige unserer gewöhnlichen europäischen Gattungen, ja sogar Arten, beob- achtet wurden, nämlich Plumatella fruticosa von Malacca (Valenciennes), Paludicella Ehrenbergii und Plumatella repens in den Gewässern um Bombay (Carter), denen Mitchell im Jahre 1862 noch eine Lophopusart aus /ndien hinzufügen konnte (Notes on Madras in Quat. Journ. micr. scienc. (3) Vol. II pag. 61 ).

Nachdem so die Verbreitung einiger Bryozoenformen über drei verschiedene Kontinente nachgewiesen, liefs sich vermuten, dafs sie noch weiter verbreitet seien, ja dafs sie vielleicht als Kosmopoliten den ganzen Erdball bewohnen. Vieles deutet darauf hin, dafs dem in der That so ist. Schon Af/in gelang es im Jahre 1860, in der Nähe von Melbourne zwei Plumatellen aufzufinden, die jedenfalls der Plum. emarginata Allm. »sehr nahe stehen«, und später hat Whitelegge diese Funde noch um Plumatella repens und Fredericella sultana aus demselben Lande vermehrt. Ich selbst bin in der glück- lichen Lage, das Auftreten von Plumatella repens und emarginata in Japan konstatieren zu können, wo seinerzeit Hz/gendorf dieselben bei edo sammelte. Von den Pica. pinen erhielt ich durch die Freundlichkeit des Herrn Professor v. Martens aus dem Ber- liner Museum eine Süfswasserbryozoe, die sich zwar als neu erwies, sicher aber der Gat- tung Plumatella zugeordnet werden mufs. Endlich hatte Herr Professor Fritz Müller in Blumenau (Brasilien) die Güte, mir von dort eine Bryozoe zu übersenden, welche sich in nichts von unserer heimischen Plumatella emarginata verschieden zeigt. So wäre denn in der That erwiesen, dafs, mit Ausnahme von Afrika, sämtliche Erdteile von Bryozoen bevölkert sind, und dafs gleiche oder doch nahe verwandte Formen in all’ den weit von einander entlegenen Gebieten sich wiederfinden, eine Thatsache, die um so mehr überraschen mufs, als es sich um festsitzende, nicht mit willkürlichem Ortswechsel

II

82 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

ausgestattete Tiere handelt. Selbstverständlich sind es in erster Linie die äufserst wider- standsfahigen, für Wasser völlig undurchdringlichen S/atoblasten, welche eine so enorme Verbreitung unserer Tiere ermöglichten.

Uber die geographische Verbreitung der Süfswasserbryozoen speziell in Deutsch land liegen nur wenige Daten vor. Naturgemäfs sind cs vor allem die Universitäts- städte, welche in Bezug auf ihre Bryozoenfauna durchforscht wurden. So sammelte Ain menbach bei Göttingen, Meyen und Ehrenberg bei Berlin, Leidig‘”) bei Bonn, Nitsche bei Berlin und Leipsig u.s. f. Roesel fand seine »Polypens bei Nürnberg, Schäffer bei Ae gensburg, Eichhorn bei Danzig. Ich selbst habe mich bemüht, dem Material, das in den ver. schiedenen Museen Deutschlands zerstreut ist, nachzuspüren, fand jedoch meist nur wenige Exemplare weit verbreiteter Arten als einzigen Bestand vor. Dennoch glaube ich aus diesen Befunden, wie aus dem, was mir von Freunden und Schulern übersandt worden, was ich selbst auf meinen Exkursionen und Reisen zusammengetragen, mit Sicherheit folgern zu können, dafs der Reichtum an Bryozoen in unserm Vaterlande weit gröfser ist, als man bis dahin nach den wenigen vorlicgenden Daten erwarten durfte. Es ist richtig, noch giebt es ausgedehnte wasserreiche Gebiete, wie beispielsweise die beiden Mecklenburg, aus denen auch mir kein Fundort von Bryozoen bekannt geworden; aber es liegt, soweit ich nach meinen Erfahrungen urteilen kann, lediglich an dem Mangel von Beobachtern, dafs wir nicht schon jetzt die allgemeine Verbreitung der Bryozoen in Deutschland zu proklamieren in der Lage sind. Die bisher bekannten Fundorte der ein- zelnen Arten werden im systematischen Teile dieser Arbeit des weiteren besprochen werden.

Über die vertikale Verbreitung der Bryozoen hat Allman (61, pag. 75) einige Angaben gemacht. Er fand solche in einigen Seen der Pyrenäen, von denen der eine in 4590, der andere gar in 7500 Fufs Höhe gelegen ist. Ob in den Alpen noch höher gelegene Wasserbecken Bryozocn beherbergen, scheint noch nicht festgestellt.

Nahrung und Atmung. Die Nahrung der Siifswasserbryozoen dürfte einerseits aus mikroskopischen Algen (Diatomeen, Desmidiaceen‘, andererseits aber auch aus or- ganischem Detritus bestehen. Ersteres läfst sich mit Leichtigkeit an jedem Mageninhalt konstatieren, der geradezu vom Algensammler verwertet werden könnte, um die Flora eines bestimmten Gebietes mit leichter Mühe festzustellen; letzteres schliefse ich aus dem Vorkommen der Fredericellen in den Tiefen der Schweizer Seen, wie in der Hamburger Wasserleitung, wo doch jedenfalls vorwiegend, wenn nicht ausschliefslich, nur abgestorbene ‘organische Nahrung zu Gebote steht. Ob auch Infusorien verzehrt werden, habe ich nicht ermitteln können. Dumortier und van Beneden (47, pag. 75) erwähnen als Nahrung der Alcyonellen neben zahlreichen Diatomcen etc. auch die Gattung Trichoda als Nahrungsobjekt, andererseits erzählt Zeit (89) dafs er parasitische Infusorien massen- haft im Darm seiner Urnatellen angetroffen habe.

Das Nahrungsquantum, welches die Süfswasserbryozoen zu sich nehmen und in

*) Über Verbreitung der Tiere im Rhöngebirge und Mainthal etc. in Verhandl, Ver. d. preufs. Rheinl. und Westph., 38. Jahrg. 4. Folge Bd. VII p. 75 ff.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 83

kurzer Zeit*) verdauen, ist ein ganz enormes und entspricht durchaus dem überraschend schnellen Wachstum, welches diesen Tieren eigen ist. In der Gefangenschaft sind sie daher nur dann andauernd zu erhalten, wenn man für steten, Nahrung zuführenden Wasserwechsel Sorge trägt. Fütterungsversuche, welche ich einmal mit dem ausgeprefsten Saft einer Cladophora unternahm, erwiesen sich durchaus verderblich. Einziehen der Polypide und Prolapsus ani war davon die Folge. Eine Alcyonellakolonie, die in meinem Aquarium nicht genügend ernährt wurde, ging zu Grunde bis auf eine Anzahl in der Masse in ziemlich gleichen Abständen verteilter Individuen. Sie schienen sich auf Kosten der be- nachbarten, abgestorbenen ernährt zu haben und enthielten sämtlich fast reife Embryonen.

Das Atmungsbediirfnis scheint bei dem Mangel besonderer Atmungsorgane kein besonders grofses zu sein. Freilich wird dem ausgestreckten Polypid durch die flimmernde Bewegung der Wimperhärchen an den Tentakeln fortwährend frisches, lufthaltiges Wasser zugeführt; aber die Tiere vermögen erstaunlich lange in eingezogenem Zustande zu verhar- ren, wie ja schon die Angabe Alens über die 16 Stunden aufser Wasser befindliche Pluma- tella beweist. Zudem habe ich die Tiere zum Teil in durchaus morastigem, durch Schlamm- partikelchen ganz schwarz gefärbtem Wasser angetroffen. Vige/ius**) ist geneigt, auch der » Tentakelscheide«, dem Kamptoderm, gröfsere Bedeutung für die Atmung beizulegen.

Lebenslauf. In unsern Breiten dürfte der Winter mit seiner Kälte dem Leben der Bryozoenkolonien fast***) ausnahmslos ein Ziel setzen; nur die Statoblasten bleiben erhalten, um im nächsten Frühjahr eine neue » Vegetationsperiode« zu eröffnen. Inwieweit diese Verhältnisse für die tropische und subtropische Zone Gültigkeit haben, ist noch nicht entschieden, doch schreibt mir Prof. Fr. Müller, dafs er die Bryozoen in Blumenau (Brasilien) zu keiner Jahreszeit ganz vermifst habe, wenngleich sie zu Zeiten sehr üppig, zu Zeiten nur dürftig entwickelt scien.. Jedenfalls wollen wir schon jetzt die interessante Thatsache registrieren, dafs auch in jenen Ländern gleicherweise Statoblasten von den Kolonien gebildet werden.

Das Auskriechen der »Embryonen« aus den Statoblasten, resp. den Hibernacula der Gymnolaemen, erfolgt in den ersten Frühlingsmonaten, im April und Mai, wie Dumortier und v. Deneden (47, pag. 100) berichten, und wie ich bei Hamburg während mehrerer Jahre beobachtete, während die von Nordmann (36) nach Odessa überbrachten bereits im Februar ihr festes Gehäuse sprengtenf). Die jungen »Embryonen«, die in Wirklichkeit ja als bis dahin eingekapselte und durch einen Ruhezustand in ihrer Entwickelung ge- hemmte Knospen angesehen werden müssen, entbehren durchweg des Wimperkleides der »Ei-Embryonen« und sind daher in der Regel derartig bewegungsunfähig, dafs sie un-

*) Nach Dumortier und van Beneden in 2—3 Stunden (47, pag. 75).

**) W. J. Vigelius: Die Bryozoen, gesammelt während der dritten und vierten Polarfahrt des Willem Barents etc. Amsterdam 1884, pag. 46.

*&*) Houghton (68) beobachtete jedoch ein Uberwintern der Fredericella in England. Vgl. auch das im systematischen Teil über die biolog. Verhältnisse von Lophopus Gesagte.

+) Letztere Daten dürften für das Auskriechen der Embryonen im /reien wenig massgebend sein, da Nordmann seine Statoblasten im Zimmer zum Teil sogar trocken überwinterte.

84 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

mittelbar aus der zweiklappigen Schale herauswachsen, cs also dem Zufall überlassen bleibt, ob der Statoblast durch die Wasserströmung vorher an einen zum Wohnsitz für die Kolonie passenden Platz herangetrieben war. Nur bei den auskriechenden Cristatellen (und auch wohl bei Pectinatellen und Lophopus) beobachtet man freie Ortsbewegung, namentlich ein Flottieren an der Oberfläche des Wassers, wie dies schon /’o¢fs (90) sehr anschaulich beschreibt. Es ist klar, dafs bei der mangelhaften Gewähr, die der Zufall für einen passenden Ankerplatz bieten kann, zahllose junge Embryonen alljährlich zu Grunde gehen müssen, da die Statoblasten entweder auf den Strand getrieben oder sonst- wie in für eine zukünftige Kolonie ungünstige Lebensbedingungen geraten sind; aber die Zahl der von einer einzigen Herbstkolonie produzierten Statoblasten ist namentlich bei gewissen Formen (Alcyonella, Plumatella) eine so enorme, dafs selbst unter den un- günstigsten Verhältnissen übergenug zur Fortsetzung der Art übrigbleiben. Zudem finden sich gerade bei den Arten, bei welchen weder durch Dornen für eine Verankerung in der Nähe des Wohnplatzes gesorgt ist (Pectinatella, Cristatella), noch die Statoblasten in den abgestorbenen Röhren der Muttertiere an Ort und Stelle stécken bleiben (Frede- ricella), vielfach noch jene andern Statoblasten, welche wir im früheren als si/sende be- zeichneten, und welche, da sie der Unterlage fest angeleimt sind, gewissermafsen den Besitzstand sichern, den die betreffende Art einmal für sich okkupiert hatte. Wir werden im späteren sehen, dafs auf diese Weise z. B. Schnecken, welche einmal von einer Bryo- zoenkolonie besiedelt wurden, für ihr ganzes Leben von diesen Symbionten nicht wieder frei kommen.

Das Heranwachsen der jungen Statoblastenembryonen, welche wie die Ei- Embryonen gleich anfangs mehrere Polypide entwickelt zeigen, geht im allgemeinen über- raschend schnell vor sich, doch bieten sich hier bei den einzelnen Formen erhebliche Unterschiede. Während Paludicella, Fredericella und Alcyonella im Juni, ja teilweise schon gegen Ende des Mai, zu ansehnlichen Kolonien entwickelt sind, bleiben Cristatella und Pectinatella bis in den Juli hinein meist klein, erstere runde, etwa linsen- bis erbsen- grofse flache Scheiben bildend, letztere noch ohne eine Spur der später so mächtig auf- tretenden Gallertbildung und durch freie Zwischenräume noch deutlich die Entstehung des »Cormos polyblastus«*) aus vielen einzelnen Embryonen dokumentierend (vgl. Fig. 136 Taf. VI, Kolonie vom 10. Juli 86). Dabei scheint die Lebensdauer der den Stock zu- sammensetzenden Einzeltiere, resp. der »Polypide«, eine ungemein kurze zu sein. Dumortier und van Deneden (47, pag. 116) berichten, dafs die Knospen von Lophopus im Hoch- sommer nur 4—5 Tage benötigten, um sich völlig zu entwickeln. Dann mag eine Periode vollster Lebenskraft in der Dauer von 4—5 Wochen für das Polypid folgen, wie ich zu- nächst für die ferte/en Individuen aus dem Umstande schliefse, dafs dieselben am Ende der etwa eben so lange währenden Entwickelungsperiode des Ei-Embryo zu Grunde gehen. Aber auch die nicht fertilen Individuen dürften kaum längeren Lebens sich zu erfreuen haben. Wenigstens zeigte eine am 3. Juli 1885 gesammelte, etwa linsengrofse Cristatella-

*) Hackel: Uber die Individualität des Tierkörpers (Jen. Zeitschr. f. Naturw. XII, 1878 pag. 1— 20).

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 85

kolonie, welche am Rande ungefähr ein Dutzend wohl entwickelter Polypide besafs, auf der Scheibe schon die Reste einer ganzen Reihe abgestorbener Individuen, welche auch hier, wie bei den Meeresbryozoen, eine zeitlang als sogenannte »braune Körper« per- sistieren. Ähnliche Beobachtungen sind auch bei allen übrigen Süfswasserformen mit Leichtigkeit anzustellen, so dafs in der einzelnen Kolonie dem steten Knospen neuer ein fast ebenso schnelles Vergehen a//er Individuen parallel geht. Wie bei den »draunen Körpern« der Meeresbryozoen, so kann es auch hier keinem Zweifel unterliegen, dafs ein grofser Teil des protoplasmatischen Gewebes gewissermafsen wieder »eingeschmolzen « wird, um an andern Punkten des Stockes zum Wiederaufbau verwendet zu werden. Von einem direkten Zusammenhang dieser körnig zerfallenden Gebilde mit jungen Knospen, wie solcher bei den marinen Formen behauptet wird, kann in unserm Falle sicherlich nicht die Rede sein.

Schon früh sind in den jungen Kolonien Spermatozoen und Zier nachzuweisen, ja sogar die eben die Schale sprengenden Embryonen lassen nicht selten schon die ersten Anlagen dieser Organe erkennen,*) die dann alsbald zu voller Reife sich entwickeln. So fand ich bei Alcyonella bereits Mitte Mai die Geschlechtsprodukte vollkommen ausgebildet, bei Fredericella im Anfang Juni, während Paludicella, Crista- tella und Pectinatella erst im Juli zur Geschlechtsreife zu gelangen scheinen. Sperma und Ei sind stets in demselben Individuum vorhanden; ersteres in erstaunlichen Massen. Die Geschlechtsperiode umfafst nach meinen Beobachtungen etwa 3—4 Wochen. Nach dieser Zeit hat der Funiculus aller Individuen sein normales Aussehen wiedererlangt, und auch vom Ovarium ist jede Spur verschwunden. Nur einen reifenden, von einer beson- deren Hülle umschlossenen Embryo findet man an Stelle desselben, und dieser wird in allen Fällen durch Absterben des zugehörigen Polypids und dadurch bewirktes Offen- werden der Röhrenmündung nach aufsen gelangen. Die Entwickelung des Embryo dürfte etwa einen Monat in Anspruch nehmen; wenigstens konnte ich feststellen, dafs, entsprechend den obigen Daten, von »Alcyonella Benedeni« schon am 20. Juni reife Embryoen massenhaft in meinem Aquarium umherschwärmten, während Cristatella und Pectinatella erst um den 20. August herum bis zu diesem Stadium der Entwickelung gelangt waren. Von Paludicella und Fredericella habe ich reife Embryonen bis jetzt noch nicht beobachten können. :

Noch weit gröfsere Unterschiede als in der Zeit der Spermatozoen- und Em- bryonenbildung bieten die verschiedenen Gattungen in Bezug auf die Zeit der Statoblasten- bildung. Die »Winterknospen« der Paludicella bildeten sich Ende September nur unter besonderen Verhältnissen früher in wenigen Tagen im Aquarium aus Kolonien, die ich erst kurz zuvor der Elbe entnommen hatte. Auch von Fredericella ist es be- kannt, dafs sie nur zur Herbstzeit, frühestens Ende Juli, einige wenige Statoblasten hervor- bringt. Ganz anders in dieser Hinsicht verhalten sich hingegen die Plumatellen und Alcyonellen. Bei diesen beginnt die Produktion von Statoblasten schon gleich im ersten

+) Ähnliches hat Zincks (British Polyzoa p. XXXXVI) bei Farella repens beobachtet.

86 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozven.

Frühjahr mit dem Reifen der Geschlechtsprodukte, so dafs ich beispielsweise bei einer Alcyonella (»Benedeni«e) bereits am 1. Juni völlig reife Statoblasten in grofser Zahl zu konstatieren vermocht. Für Pectinatella und Cristatella waren diese Gebilde nicht vor Ende Juli in reifem Zustande nachzuweisen. Was aber in dem Verhalten der Alcyonella- statoblasten meine höchste Verwunderung hervorrief, war der Umstand, dafs dieselben, ohne einen längeren Ruhezustand durchzumachen, alsbald in derselben Vegetationsperiode Embryonen aus sich hervorgehen liefsen. Letztere waren bereits am 10. Juli wieder zu jungen Kolonien entwickelt, die auf den Trümmern der nunmehr abgestorbenen Frühjahrs- generation sich häuslich eingerichtet hatten, ja ihrerscits schon wieder in Statoblasten- bildung begriffen waren. Dafs diese Beobachtung nicht etwa auf einer Täuschung meiner- seits beruht, möge unter andern aus der Thatsache erhellen, dafs ich auf Schnitten durch eine im Anfang September gesammclte Alcyonellakolonie von den noch in den Röhren befindlichen Statoblasten selbst die verschiedensten Stadien sich entwickelnder Embryonen erhielt. Zudem gelang es mir später, für Lophopus eine ganz ähnlich schnelle Ent- wickelung der Statoblasten in meinem Aquarium nachzuweisen (vgl. den system. Teil. Es unterliegt somit keinem Zweifel, dafs die Statoblasten bei gewissen Formen nicht nur als »Winterknospen« die Art über die ungünstigen Verhältnisse der kalten Jahreszeit hinwegzuhelfen bestimmt sind, sondern dafs sie im Laufe der phylogenetischen Entwickelung auch zu einfachen Propagationsmitte/n sich herausgebildet haben, welche nun, neben der fortbestehenden geschlechtlichen Vermehrung, in ausgiebigster Weise auch im Sommer die Verbreitung der Art zu fördern im stande sind. Nach dieser Erkenntnis wird es ohne weiteres klar, dafs auch durch die Einwanderung der Süfswasserbryozoen in die Tropen mit ihrem ewigen Sommer die Produktion von Statoblasten keineswegs als nunmehr überflüssig vermindert zu werden oder gar völlig aufzuhören brauchte.

Da ich bei den verschiedenen Bryozoenarten stets nur ezne Periode der Geschlechts- rcife wahrnehmen konnte und dieser Zustand zweifellos stets nur bei den im Frühjahr aus Statoblasten oder Winterknospen hervorgegangenen Individuen eintrat, so glaube ich daraus schliefsen zu dürfen, dafs die aus den Ei-Embryonen des Hochsommers sich ent- wickelnden Kolonien bis zum Herbste lediglich Dauerknospen, nicht aber Eier und Sperma hervorbringen, Es würde sich so der gesamte Lebenslauf einer Paludicella oder Frederi- cella nach dem Schema eines ezufachen Generationswechsels vollziehen, insofern die auf geschlechtlichem Wege erzeugten Embryonen nur ungeschlechtliche Knospen, sowohl solche, welche als Sprossen die lebende Kolonie vergröfsern, als solche, welche als Dauer- knospen die Art durch den Winter erhalten, aus sich entwickeln könnten, während dann diese letzteren wieder allein befähigt wären, neben der Produktion von Sprofsknospen, auf geschlechtlichem Wege im nächsten Frühjahr sich fortzupflanzen.*) Bei den Alcyo-

*) Ob diese geschlechtliche Frühjahrsgeneration bis zum Herbst am Leben bleibt und nun gleich der Embryonengeneration die Fähigkeit erhält, ebenfalls Statoblasten hervorzubringen, habe ich nicht ermitteln können, halte es aber nach den bei den Gallertformen bestehenden Verhältnissen sehr wohl für möglich. Unser Schema

’des Generationswechsels würde sich durch diese Annahme dahin modifizieren, dass Generation a zwar stets nur Generation b, letztere aber anfangs nur a, im Herbste auch b erzeugen könnte.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 87

nellen und Plumatellen wäre dann dieser einfache, mit Arbeitsteilung verbundene Wechsel dahin modifiziert, dafs nun die aus den Statoblasten hervorgehende Frühjahrsgeneration neben den Geschlechtsprodukten nicht nur Sprofsknospen, sondern auch sofort Dauer- knospen hervorzubringen im stande ist, und dafs diese so gebildeten Dauerknospen in derselben Vegetationsperiode noch eine dritte, ebenfalls geschlechtslose Generation aus sich hervorgehen lassen können. Bei Cristatellen und Pectinatellen endlich scheinen die Verhältnisse zu gunsten der Statoblasten noch weiter verschoben zu sein. Das späte Auskriechen der Ei-Embryonen im August und September, zu einer Zeit, wo die Kolonien vielfach schon offenbar im Absterben begriffen sind, macht es in hohem Grade unwahr- scheinlich, dafs dieselben noch vor Eintritt des Winters zur Statoblastenproduktion be- fähigt sein sollten. Vielmehr möchte ich glauben, dafs diese zarten Individuen noch Ende September fand ich solche von Stecknadelkopfgröfse mit nur drei Polypiden in unsern Breiten sämtlich zu Grunde gehen, sofern sie nicht etwa an geschützten Stellen in der Tiefe des Wassers den Winter überdauern, was mir sehr unwahrscheinlich. Es scheint daher bei den in Rede stehenden »Gallertformen« ausschliefslich oder fast aus- schliefslich die Frühjahrs-Statoblastengeneration zu sein, welche zur vollen Entwickelung gelangt. Sie ist es, welche im Hochsommer die Geschlechtsprodukte erzeugt; sie ist es aber auch ferner, welche im Herbste die Statoblasten aus sich hervorgehen läfst, die dann im kom- menden Frühjahr das Spiel von neuem beginnen. Keine Alternation mehr also zweier ver- schiedener Generationen, sondern Ausbildung zweier verschiedener Vermehrungsarten bei ein und derselben Generation, wie sie schon für die Frühjahrsgeneration der Alcyonellen charak- teristisch war, und vielleicht auch schon in der Anlage bei Paludicella und Fredericella ge- geben ist. Selbstverständlich sind meine Beobachtungen über die eben berührten hoch- wichtigen Fragen nicht lückenlos und bedürfen vielfach der Ergänzung, ehe sie als feststehende Wahrheiten von der Wissenschaft hingenommen werden dürfen. Dennoch hielt ich mich zu einer kurzen Auseinandersetzung über diese Punkte verpflichtet, da sie sicher zu neuen Forschungen anregen werden, ältere Autoren aber hierüber mit Stillschweigen hinweggehen.

Über die biologischen Verhältnisse von Lophopus, den ich durch die Güte des Herrn Dr. W. Müller-Greifswald zweimal lebend zu beobachten Gelegenheit hatte, fehlen mir zu viele Daten, um ihn mit Sicherheit der einen oder andern der vorstehend unterschiedenen Gruppen einreihen zu können. Soviel glaube ich jedoch aus dem, was ich gesehen, folgern zu können, dafs die Ei-Embryonen neben zahlreichen Statoblasten fri% zur Ausbildung ge- langen und wahrscheinlich im Herbst eine neue, voll entwickelte Generation bilden, die auch ihrerseits Statoblasten hervorbringt. Es drängt sich so der Gedanke auf, dafs die Gattung Lophopus durchaus den klimatischen Verhältnissen unseres Landes angepafst ist (sie geht mindestens bis Stockholm), während Pectinatella und auch wohl Cristatella in Hinblick auf ihre späte Entwickelung und die Bildung von Eınbryonen, welche nicht zu ausgewachsenen Kolonien heranreifen, offenbar mehr für ein südlicheres Klima geeignet erscheint.

In Bezug auf die Schicksale der reifen Dauerknospe ist es nicht ohne Bedeutung, ob dieselbe an einem /reien, aufrechten Sprofs der Kolonie oder an einem der Unterlage aufliegenden sich entwickelt hat. Schon bei Paludicella tritt dieser Unterschied hervor.

88 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

$

Die »Hibernacula« der horizontal kriechenden Zweige liegen der Unterlage fest an, scheinen gewissermafsen angeleimt und können daher im nächsten Frühjahr auch nur an Ort und Stelle Kolonien aus sich hervorgehen lassen. Diejenigen der aufrechten Zweige hingegen, welche anscheinend viel später zur Ausbildung gelangen, als die festsitzenden haben weit mehr Spielraum. Büschelweise werden die abgestorbenen Röhren durch die Bewegung des Wassers losgerissen und viclleicht an weit entfernte Orte getragen, wo die daran sitzenden seitlichen Winterknospen eventuell im Frühjahr nicht minder günstige Gelegenheit zur Weiterentwicklung finden, als an dem Orte ihrer Entstehung. Ganz ähnlich verhält es sich mit den im /xnern der Zooecienröhren sich ausbildenden Stato- blasten der Fredericella. Sowohl die in den frei aufrechten, wie in den fest anliegenden Röhren zur Entwickelung gelangten Statoblasten bleiben zum gröfsten Teil unbeweglich in dem betreffenden Röhrenabschnitt stecken (Fig. 105, Taf. III), welcher allein wider- steht, wenn alles übrige zergeht. Während aber auch hier die horizontalen Röhrenstücke der Unterlage fest verbunden sind und so die einmal okkupierte Örtlichkeit der nach- folgenden Generation sichern, werden die Röhrenabschnitte der freien Sprosse zerstreut und finden anderweitig neue Fixationspunkte, an denen der aus dem Rohrstück dirckt herauswachsende junge Embryo sicheren Halt gewinnt. Schon hier bei Fredericella könnte man also in gewissem Sinne von festsitzenden und freien Statoblasten sprechen, zumal da erstere in ausgiebiger Weise durch Chitinstreben mit der Rohrwandung verbunden sind. In noch viel höherem Mafse aber zeigt sich eine solche Differenzierung bei den Plumatellen und Alcyonellen, wo, wie schon früher bemerkt, neben den »Schwimmrings statoblasten« in den aufrechten Röhren, vielfach auch schwimmringlose s¢tsende Statoblasten in den Kriechröhren zur Entwickelung gelangen. Merkwürdiger Weise habe ich indessen letztere fast ausschliefslich nur da beobachten können, wo die Unterlage wirklich Gewähr für die Anheftung einer nachfolgenden Generation bieten konnte, also an Holz, Borke. Rohr, ja selbst an Typhastengeln. Nur bei zwei Exemplaren, welche Herr Prof. vor Martens auf Seerosenblättern im Tegler See gesammelt, waren die Statoblasten, wenigstens der grofsen Mehrzahl nach, si/sende. Fine Erklärung für jene fast an Instinkt gemahnende Erscheinung habe ich eben so vergebens gesucht, wie eine solche für die merkwürdige Ausnahme. Vielleicht spielen physikalische Druckverhältnisse hierbei eine Rolle, da ja Blätter meist auf der Unterseite, andere Gegenstände von oben oder seitlich besiedelt werden, doch lagen die Verhältnisse vielfach so, dafs dieser Grund nicht ausreichend erschien. Bei Lophopus, Pectinatella und Cristatella habe ich »sitzende Statoblasten: nicht beobachtet, glaube auch, dafs die diesbezüglichen Angaben Ayatis auf Irrtum be ruhen. Überall treten hier die reifen, mit Schwimmring versehenen Statoblasten frei aus den Öffnungen abgestorbener Polypide heraus, soweit nicht im Herbst die ganze Kolonie, mit dem Rest der Statoblasten im Innern, von der Unterlage sich ablöst und nun als geballter Klumpen davonschwimmt, hierbei allmählich zergehend und die so frei werdenden Statoblasten ausstreuend, wie ich dies schon an anderm Orte (Zoolog. Anzeiger 1884, pag. 320) geschildert habe.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 89

E. Systematik.

l Wie schon auf Pag. 17 hervorgehoben, stellen die Bryozoenformen des süfsen Wassers durchaus keine einheitliche, den marinen Formen kurzweg gegenüberstellbare Gruppe dar: Urnatella ist eine der Pedicellina nahe stehende Entoprocte, Hislopia ge- hört nach Carter zu den chilostomen*), Victorella und nach der Ansicht neuerer Forscher auch Paludicella zu den ctenostomen Gymnolaemata, und nur die Gattungen Fredericella, Plumatella, (Alcyonella), Lophopus, Pectinatella und Cristatella dürften einander so nahe verwandt sein, dafs sie mit A//man zu einer einheitlichen Gruppe, zu derjenigen der Phylactolaemata vereinigt werden können. Das Hauptcharaktermerkmal für diese Ordnung sah Allman bekanntlich in dem Auftreten eines beweglichen Mund- deckels, eines Epistoms, wie in der mehr oder minder ausgeprägten hufeisenförmigen An- ordnung der Tentakeln auf einem Lophophor. Ich möchte dem ein drittes, meines Er- achtens nicht minder wichtiges Merkmal hinzufügen, die ausschliefslich zunere Knospen- bildung und das damit wohl in Zusammenhang stehende Auftreten echter Statoblasten.

Neuerdings hat Fullien (93, pag. 92 ff.) auf Grund verkümmerter Herbstexemplare von Plumatella, deren Tentakeln zu kurzen Warzen reduziert, deren Epistom überhaupt nicht aufzufinden war, die Bedeutung des Epistoms als Ordnungscharakter derjenigen des Lophophors nachstellen zu sollen geglaubt; wer aber gesehen, wie alle Bryozoen unserer süfsen Gewässer im Herbste degenerieren, wie Stück für Stück der Tentakeln und des Lophophors verschwindet, wie die Knospen bei mangelhafter Ernährung nur noch ganz kümmerliche, fast tentakellose Individuen hervorbringen, wie Infusorien die dekrepiden Polypide von innen und aufsen attakieren und anfressen, ohne dadurch das elende Dasein ihrer Opfer gleich völlig zu vernichten, der wird den Schlüssen, die man aus diesen Krankheitserscheinungen ziehen könnte, keinen absonderlichen Wert beilegen. Wir halten uns somit zunächst an die von Allman gegebene, in alle Lehrbücher übergegangene Einteilung in Gymnolaemata und Phylactolaemata, stellen auch nach wie vor mit Nitsche diese beiden Gruppen als Unterklasse der Ectoprocta den Zntoprocten gegenüber.

Weit schwieriger erscheint die Einteilung der Phylactolaemen in kleinere Gruppen und die Charakterisierung der Gattungen. Allman (61, pag. 76) unterscheidet zunächst zwei Familien, die. Cristatelliden mit der einzigen Gattung Cristatella, ausgezeichnet durch die Fähigkeit freier Ortsbewegung, und die Plumatelliden mit den fünf übrigen

*) Die Stellung der Norodonia wird von Jullien nicht näher präzisiert. Er sagt, sie gehöre nicht zu den Chilostomen, fasst sie dann aber mit Hislopia zu einer Familie zusammen (93, pag. 180).

90 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Gattungen Fredericella, Plumatclla, Alcyonella, Lophopus und Pectinatella, welche sämtlich der Unterlage angewachsen sind. //ya/t (69) hat von letzterer Gruppe die Gattung Fredericella als dritte Familie abgezweigt, während Fu/lzen (93) auch hier durchgreifende Veränderungen für angezeigt hielt. Er bestreitet zunächst und dies ist eine Ansicht. die schon Raspail und Hyatt vor ihm klar zum Ausdruck gebracht —, dafs Plumatella und Alcyonella generisch oder auch nur spezifisch zu trennen scien, und erklärt Frederi- cella für eine Abortivform der Plumatellen. So erhält er vier Gattungen, denen er eine neu geschaffene »Hyalinellax hinzugesellt, um daraus die beiden Familien der Pluma- tellidae (Plumatella, Hyalinella) und der Lophopusidae (Lophopus, Pectinatella, Cristatella) zu bilden. Erstere ist nach ihm durch die stets röhrenförmig gestreckte, verästelte Form der hornigen oder gelatinösen »Ectocystes und dornlose Statoblasten, letztere durch die massige, nur mit Tuberkeln besetzte Form der stets gallertartigen »Ectocyste« und dornige Statoblasten ausgezeichnet. Indem wir unser Urteil über die Berechtigung dieser resp. der von A//man und Hyatt aufgestellten beiden Familien für einen phylo- genetischen Schlufsabschnitt aufsparen, soll hier nur kurz erörtert werden, inwiefern die Einziehung der alten Genera Alcyonella und Fredericella, die Aufstellung der neuen Gattung Hyalinella mit den thatsächlichen Verhältnissen in Einklang steht.

Allman hatte, wie nicht zu bezweifeln, eine nur geringe Vorstellung von der aufserordentlichen Variabilität der Bryozoen, namentlich von der ungemeinen Mannig- faltigkeit der Wachstumsformen, wie sie neuerdings ja auch von den Beobachtern mariner Bryozoen übereinstimmend konstatiert worden ist. Er kannte also noch nicht den von Hincks für Meeresbryozoen mit Nachdruck hervorgehobenen Standpunkt, dafs nicht die Wachstumsform des gansen Stockes, sondern nur der Lau des einzelnen »Zoocciums« für systematische Differenzierungen verwertbar sei, und er schuf daher, gleich seinen Vor- gängern und Nachfolgern, eine Menge Arten, die vornehmlich auf das verschiedene Wachstum der Kolonie basiert waren. So glaubte er sich denn im vollsten Rechte, wenn er die von älteren Autoren überkommenen beiden Gattungen Plumatella und Alcyonella beibehielt, die ebenfalls lediglich durch Wachstumsverschiedenheiten jene hirschgeweihartig ‘verzweigt mit durchaus getrennten Zweigen, diese massig-klumpig mit meist parallelen, aufrechten, dicht an einander gelagerten und mit einander verklebten Röhren sich unterscheiden. Dabei war er sich indessen völlig klar darüber, dafs beide‘ Formen vielfach in einander übergehen, wie er mir selbst brieflich darlegte, und wie auch aus seiner Monographie an verschiedenen Stellen ersichtlich. Doch war für ihn der Um- stand mafsgebend, dafs die geographische Verbreitung beider Formen nicht zusammen- fällt, typische Alcyonellen bisher beispielsweise in Irland nicht nachgewiesen wurden, wo die gewöhnlichen Plumatellen überall verbreitet sind. //yatt (69) war dann von neueren Forschern der erste, welcher die Alcyonellen lediglich für eine durch besondere physi- kalische Verhältnisse hervorgerufene Wachstumsform der Plumatellen erklärte, da sonstige durchgreifende Unterschiede nicht zu konstatieren seien, andererseits aber alle Zwischen- glieder zwischen langgestreckten, hirschgeweihartig verzweigten Einzelröhren und dicht rasigen, ja zu massigen Klumpen verbundenen Kolonien mit Leichtigkeit nachgewiesen

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. QI

werden könnten. Ich mufs gestehen, dafs ich mich geraume Zeit gegen die völlige Identifizierung der beiden in Rede stehenden Gattungen gesträubt und lange nach ander- weitigen Unterscheidungsmerkmalen zwischen ihnen, etwa im Auftreten oder Fehlen der »sitzenden« Statoblasten, der Beschaffenheit der Chitinumhüllung etc. gesucht habe, bis ich endlich zu der Überzeugung von der Resultatlosigkeit solcher Bemühungen gelangt bin und nun auch meinerseits die Gattung Alcyonella nur als Wachstumsform der Pluma- tellen betrachte, nicht aber blos, wie Fullien (93) will, diesen alcyonellen Typus für eine spezielle Art der Plumatellen in Anspruch nehme, sondern denselben für alle stärker chitinisierten Formen dieser Gattung nachzuweisen mich bemühen werde.

Ganz anders stehe ich zu der Behauptung Fulliens (93, pag. 121), dafs Fredericella nur als eine Monstrosität der Plumatellen zu betrachten sei. Die etwa um die Hälfte ge- ringere Zahl der Tentakeln bei Fredericella spielt bei diesem Autor keine Rolle, nachdem er jene oben erwähnten Abortivformen der Plumatellen mit verkümmerter Tentakelkrone gesehen hat; aus demselben Grunde ist natürlich auch der nur der Anlage nach entwickelte Lophophor erklärlich, während das Fehlen der Schwimmringsstatoblasten insofern nicht ins Gewicht fällt, als ja auch die sitzenden Statoblasten der Plumatellen desselben ent- behren und nach Zeien mit jenen gleichgestaltet sind (!). Dagegen wird als über- zeugender Beweis für die Identität beider Formen angeführt, dafs die »Zoarien« beider nicht zu unterscheiden seien, »wenn man Tentakelkrone und Statoblasten nicht sehe« (93, pag. 121), dafs die Verzweigung beider, wie ihre Färbung übereinstimme, und dafs endlich Herr Jullien einmal beide Formen an einem entlegenen Orte (»dans solitude«) auf demselben Steinstück wirr durcheinander gewachsen gefunden habe. Es kann an dieser Stelle nicht meine Aufgabe sein, die Komik *) dieser Beweisführung des weiteren klar zu legen, insofern die nachfolgende Schilderung der Gattungen Fredericella und Pluma- tella, namentlich aber der Abschnitt über die Phylogenie der Süfswasserbryozoen, meinen Standpunkt genügend rechtfertigen dürfte; nur in Bezug auf den letzterwähnten »Beweis« Fulliens will ich schon jetzt hervorheben, dafs ich gar häufig nicht nur Fredericella und Plumatella, sondern auch diese mit Paludicella und Cordylophora auf ein und demselben Stück Stein oder Borke »dans solitude« wirt durcheinander gewachsen angetroffen habe, ohne mich deshalb von der Identität aller dieser Formen überzeugt zu halten.

Die Gattung Hyalinella ist von Fullien nach Beschreibungen amerikanischer Plumatellen aufgestellt, ohne dafs er je ein Exemplar derselben zu Gesicht bekommen. Sie wird ausschliefslich begründet durch die »gallertartige, nicht hornige, manchmal jedoch braun gefärbte Ectocyste.« Nach dem, was ich im früheren über die den Bryozoen- körper bedeckende Cuticularschicht gesagt habe (Pag. 33ff), die eben immer eine Chitin- haut bleibt, mag sie nun braun oder hyalin ausschen, kann es kaum zweifelhaft sein, dafs ein solches Merkmal bei den verschiedenen Befunden, die schon ein und dieselbe

*) Herr Jullien sagt über die Jahrzehnte lang als mustergültig allgemein anerkannte Monographie dAlimans: 11e livre d’Allman est écrit avec un sérieux d'autant comigue qu'il est plein d'erreurs, comme on le

verra plus loin«.

92

K. KRAEPELIN, Die deutschen Siifswasserbryozoen.

Kolonie nicht selten hierin aufweist, kaum als Speziescharakter, geschweige denn als einziges Kriterium einer neuen Gattung verwertbar ist. *) |

Nach diesen kritischen Vorbemerkungen können wir die genauere Beschreibung der einzelnen Gattungen und Arten folgen lassen. Als Hilfsmittel der Bestimmung dürfte jedoch vorerst ein kurzer analytischer Schlüssel zur Auffindung der für Deutschland be- kannten Gattungen am Platze sein.

Bestimmungstabelle der Gattungen.

A. Einzeltiere alle scharf von einander abgesetzt; Stock gegliedert (Taf. IV, Fig. 120;

Taf. II, Fig. 75). Knospung äufserlich (Fig. 75 kn). 8—-16 (selten 18) Tentakeln,

im Kreise angeordnet (Taf. IV, Fig. 120). Kein Epistom. Nie Statoblasten. I. Zooecien cylindrisch, hyalin, winzig (Taf. IV, Fig. 118); Mündung an der Spitze (Taf. III, Fig. 75). Wurzelfäden. 8 Tentakeln. ..... Victorella. II. Zooecien keulenförmig oder gestreckt birnförmig, ältere braun (Taf. IV,

Fig. 16—18 Tentakeln. ... 2:22 2 2 re ern. 3

120). Mündung seitlich. Sparrige Verzweigung. Keine Wurzelfaden. Ge Paludicella.

B. Einzeltiere nicht oder nur hie und da durch rudimentäre Scheidewände getrennt; Stock daher nicht deutlich gegliedert. Knospen entstehen innerlich (z. B. Fig. 74 kn). 20—90 Tentakeln, im Kreise oder im Hufeisen angeordnet. Epistom vorhanden; ebenso Statoblasten, wenigstens im Herbst.

I. Stock deutlich aus (meist gebräunten) Chitinröhren bestehend, die entweder hirschgeweihartig verzweigt (Tat. IV, Fig. 108, 119) oder zu massigen Klumpen

mit einander verklebt sind (Taf. IV, Fig. 112, 113). Statoblasten nie mit Dornen. a) Tentakeln scheinbar im Kreise angcordnet, 20—22 (Taf. V, Fig. 121).

Stock hirschgeweihartig, inkrustiert. Statoblasten fehlend (bis Juli) oder einfach bohnenförmig bis elliptisch, ohne Schwimmring (Taf. VII, EE EE a Sete die ae ae IP ee Frederwella.

Tentakeln deutlich hufeisenförmig angeordnet, 38—6o (Taf. V, Fig. 123 127). Stock hirschgeweihartig oder massig, braun oder hyalin. Stato- blasten elliptisch, in den aufrechten Röhren stets mit Schwimmring (Taf. VII, Fig. 139, 143), in den liegenden oft ohne einen solchen, aber dann fest mit der Unterlage verwachsen (Taf. VII, Fig. 141, PAO) enn em ar ee Aare: EEN Plumatella (emend.)

*) Die Aufstellung dieses Genuscharakters ist um so unerklärlicher, als gerade Zait, der genaueste Beschreiber jener amerikanischen hyalinen Plumatellen, in längerer Darlegung ausdrücklich darauf hinweist, dass die hyaline Beschaffenheit der Ectocyste bei den in Rede stehenden Formen keineswegs »an essential peculiarity of the generic structure«e, sondern »a local characteristice sei. Er schliefst seine Auseinandersetzung mit folgenden nicht mifszuverstehenden Worten (69 pag. 213): ... »in Pl. arethusa the majority are brownish; in P. vesi- cularis there are few brown individuals in proportion to the transparent; in P. vitrea all yet found are trans- parent; and in the succeeding genera every individual is transparent.«

K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen. 93

II. Stock bildet einen für alle Polypide gemeinschaftlichen, stets hyalinen Sack von verschiedener (gelappter oder lang wurmartiger) Form (Taf. VI, Fig. 132, 135, 136). Statoblasten stets mit Schwimmring, oft mit Dornen. Ten- takeln 60—90.

a) Stock deutlich gelappt, auf der Unterlage festgewachsen. Die einzelnen entweder röhrenartig gestreckten, liegenden (Fig. 116, 124, 133) oder kurz handschuhfingerartig aufrechten (Fig. 130, 132) Loben mit nur wenigen Polypiden besetzt. Statoblasten unbedornt oder nur mit einer Reihe von Randdornen.

1. Stock mit gestreckt röhrenförmigen Loben der Unterlage flach auf- liegend. Statoblasten elliptisch oder rund und dann bedornt (Fig. 153—157). |

a) Stock meist gestreckt, mit wenigen unregelmäfsig gestellten Loben (Taf. IV, Fig. 115, 116). Statoblasten elliptisch, ohne Dornen (Taf. VII, Fig. 153, 154). Oesophagusmündung und Epistom blafsgelblich.......... Plumatella (vgl. oben).

8) Loben in vollkommener Rosette geordnet (Taf. VI, Fig. 133, . 136). Viele Stöcke sitzen (im Spätsommer) auf einer mäch- tigen gemeinschaftlichen Gallertausscheidung und bilden faust- bis kopfgrofse Klumpen (Taf. VI, Fig. 137). Statoblasten kreisrund, am Rande mit einer Reihe ankerartiger Dornen (Taf. VII, Fig. 156). Oesophagusmündung und Epistom rot- braun A 2 & 20.02 be AL EEE Pectinatella.

2. Stock sackförmig aufrecht, mit kurzen, handschuhfingerartigen Loben, etwa erbsengrofs (Taf. VI, Fig. 132). Statoblasten dornenlos, aber beidendig in eine scharfe Spitze ausgezogen (Taf. VII, Fig. 149). ee ee Den re En ee ee ee ee are ee er Lophopus.

b) Stock einfach, ungelappt, regenwurmartig (in der Jugend kreisrund bis elliptisch) (Taf. VI, Fig. 135), lehmfarbig, mit mehreren (meist 6) Reihen in Quinkunx gestellter Polypide (Fig. 134), der Unterlage mit breiter Sohle lose aufliegend. Statoblasten kreisrund, beidseitig mit einem vom Rande der Scheibe, nicht des Schwimmrings, entspringenden Dornen- kranze (Taf. VII, Fig. 150—152)...... 2222000. Cristatella.

Gattung Victorella Kexz.

Historisches. Die Gattung Victorella wurde erst im Jahre 1870 von Kent auf- gestellt, der dieselbe 1868 in den Victoriadocks von London (Brackwasser mit vorwiegender Süfswasserfauna) entdeckte und als Familie der Homodiaetiden den Ctenostomen ein- reihte. Doch: (British Marine Polyzoa, London 1880 pag. CXL) stellte sie 1880 zu seinen campylonemiden Stolonifera; Bousfield (95) berichtigte 1885 einige Angaben Kents,

94 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

nachdem er die Form in den Victoriadocks wieder aufgefunden. W. Miiller entdeckte sie 1880 im Ryckflusse bei Greifswald in Pommern.

Gattungscharakter. Stock aus cylindrischen Röhren und langen Stolonen zu- sammengesetzt (Taf. III, Fig. 75). Letztere entwickeln von Zeit zu Zeit keulenförmige Anschwellungen (Fig. 75 sa, 97 sa), aus denen neue Cylinderzellen hervorwachsen. Diese sprossen teils wieder Stolonen, teils seitliche Tochterzellen (einseitig), die durch Scheide- wand von der Mutter geschieden und am Grunde etwas eingeschnürt sind. Cuticular- schicht hyalin, sich wenig inkrustierend. Mündung vierkantig, terminal an den Cylinderröhren, mit ausgeprägtem Ctenostomentypus. Polypide ohne Epistom, mit wenigen im Kreise gestellten Tentakeln. Tonnenreifartige Quermuskulatur. Knospung äufserlich. Die Sto- lonenknollen überdauern den Winter (Fig. 92).

In diese Gattungsdiagnose habe ich manches aufgenommen, was durch die früheren Autoren nicht bekannt geworden, und manches, was als Gruppenmerkmal der stoloniferen Ctenostomen, der unsere Gattung unbedingt angehört, bezeichnet werden mufs. Da aber die systematische Stellung der Süfswasserbryozoen erst in einem vergleichenden Schlufs- abschnitt behandelt werden soll, so schien es notwendig, auch die allgemeineren Charakter- merkmale hier mit aufzuführen.

Die Kolonien der Victorella bieten je nach der Jahreszeit cin schr verschiedene: Aussehen. Kent und Bousfield scheinen nur Entwickelungsphasen des Mittsommers vor sich gehabt zu haben. In Mitte Mai findet man an ihren Wohnstätten kettenartig zu- sammenhängende, aber durch dunkle Scheidewände von einander getrennte unregelmäfsige Knollen (Taf. III, Fig. 92 wk), an denen soeben kurze cylindrische Mündungskcgel sich aus- bildeten, während an anderer Stelle (wz) die Stolonen als lange fadenförmige Gebilde hervor- wachsen. Bald strecken sich die kurzen Mündungskegel zu langen Cylinderröhren, in welche nunmehr das anfangs ganz in der Winterknolle verborgene Polypid hineinrückt. Die Stolonen erzeugen nach kürzerem oder längerem Verlauf ebenfalls knollige Anschwellungen, die der Unterlage aufliegen (Taf. III, Fig. 97sa) und bald in ähnlicher Weise Cylinderzellen aus sich hervorgehen lassen, wie die Winterknollen. Es entsteht so eine Kolonie, welche mit sprofsenden Stolonen und deren Verdickungen der Unterlage dicht aufliegt, während lang cylindrische, aus jenen Verdickungen emporgewachsene Zellröhren senkrecht in das umgebende Medium hineinragen. Je weiter die Entwickelung fortschreitet, desto mehr ändert sich auch dieses Bild. Die anfangs einfachen Cylinderröhren erzeugen bald äufser- liche Knospen an ihrer einen Seitenwand; dieselben werden teils zu abwärts steigenden Stolonen, teils zu neuen Tochterzellen (mit darin sich entwickelnden Polypiden), die der Mutterzelle dauernd angeheftet bleiben und nun ihrerseits wieder Tochterzellen zweiten und dritten Grades produzieren können, wie dies Fig. 75 (Taf. III) veranschaulichen mag. Man ersieht aus der Figur, dafs die Stolonen im untersten, die Tochterzellen im oberen Abschnitte der Mutterzelle geknospet werden, und dafs die Tochterzellen von den primitiven, aus Stolonenanschwellungen hervorgegangenen Mutterzellen durch den Besitz einer basalen Rosettenplatte und eine Einschnürung kurz über derselben unter- schieden sind.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 95

Die -chitindse Cuticularschicht ist durchweg hyalin, selbst an den winterlichen Stolonenknollen, wenngleich ich hier vielfach ein lichtes Braun bemerken konnte. Die aufrechten Cylinderzellen sind meist wenig inkrustiert, stärker dagegen ihre basalen Teile und die Stolonen. Die terminale Mündung ist, wie schon früher berichtet, von einer zarten faltigen, weit hervorragenden Membran verstopft. Die /olypide sind hyalin, lang- gestreckt, mit einer kaumagenartigen Abteilung (Fig. 91 km) des Pylorus. Die Ten- takeln sind in der Zahl 8 vorhanden und sämtlich gerade gestreckt, so dafs die Stellung der Gattung zu den Campylonemiden durch Hincks sicher eine irrige ist. Über den sonstigen anatomischen Bau unserer Tiere, soweit er bei der Kleinheit der Objekte zu verfolgen war, ist schon im früheren das Wichtigste mitgeteilt. Stetoblasten finden sich nicht. Der allmähliche Rückgang herbstlicher Kolonien wurde bisher nicht beobachtet, kann aber nach den Befunden des Frühjahrs nicht zweifelhaft sein. Wir müssen an- nehmen, dafs im Herbste die erwachsenen Polypide sämtlich absterben, und dafs mit ihnen ihre hyalinen Zellgehäuse zergehen. Nur halbentwickelte basale Stolonenknollen, infolge von Verkürzung des Stolonenfadens dicht aneinandergereiht, bleiben übrig, um bei günstigeren Lebensbedingungen im Frühling weiter zu wachsen. Wir werden sehen, dafs dies Verhältnisse sind, welche in vieler Hinsicht denjenigen der Winterknospen bei Paludicella an die Seite gestellt werden müssen. i

Die Kolonien der Victorella sind ungemein winzig und leicht mit algenartigen Gebilden zu verwechseln. Fig. 118 (Taf. IV) giebt eine solche in natürlicher Gröfse. Bis jetzt scheint sie nur auf Holz, Reisig etc. beobachtet zu sein. Ihr Hauptaufenthalt ist wahrscheinlich das Brackwasser; ob sie in absolut süfsem Wasser sich findet, ist vor- laufig noch eine offene Frage. Von den Victortadocks wird berichtet, dafs sie neben Bowerbankia eine vorherrschend lacustre Fauna enthalten, ja Bousfield hebt hervor, dafs er Victorella im Surrey Canal ohne irgend welche Begleitung mariner oder auch nur brackischer Tierformen beobachtet habe. Der Salzgehalt des Ayckflusses, den Herr Dr. Müller*) auf meine Bitte hat untersuchen lassen, betrug an den Stellen, wo Victorella sich fand, im Mittel 0,3 %/o; an denselben Zweigen mit Victorella wuchsen Cordylophora und alcyonelloide Formen von Plumatella in reicher Fülle. Die bisher aufgefundenen Formen dürften alle zu einer Art gehören. 29)

Victorella pavida Kent (7870). Spesiescharakter gleich dem Gattungscharakter. Tentakelzahl 8. Fundorte: Victoriadocks bei London (Kent, Bousfield); Regent o Canal (Shepherd); Surrey Canal (Bousfield) in England.

*) Es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Dr. W. Müller in Greifswald für die reichen Sendungen an lebendem und konserviertem Bryozoenmaterial, für die liebenswürdige Bereitwilligkeit, mit welcher er jeden meiner Wünsche zu erfüllem gesucht, auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank auszusprechen.

**) Ich habe mich vergeblich bemüht, zur Begründung dieser Annahme englische Originalexemplare aufzutreiben. Alles was ich erlangen konnte, waren einige Handzeichnungen und Photographien, welche ich der Güte des Herrn Bousfield verdanke, und die wenigstens so viel unzweifelhaft feststellen, dafs ich mich in der Be- stimmung der Greifswalder Exemplare nicht geirrt habe. .

96 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Für Deutschland ist mir bis jetzt nur das eine Vorkommen im Ryckflufs bei Greifs- wald CH. Müller) bekannt geworden.

Gattung Paludicella Gervazs.

Historisches. Ehrenberg (23) entdeckte diese Gattung am Ende der zwanziger Jahre bei Berlin und beschrieb sie 1831 unter dem Namen Alcyonella articulata. 1836 beobachtete Gervazs (28) dieselbe Form bei Paris und erhob sie zur Gattung Paludicella. Van Beneden (46) wandelte 1848 den Speziesnamen »articulata« der bis dahin allein be- kannten Art in Pal. »Ehrenbergii« um und entdeckte die »Hibernaculas. Alman beob- achtete sie an verschiedenen Punkten Englands und der Schweiz und betrachtete sie als selbständige Gruppe der Gymnolaemata. 1850 beschrieb //ancock (54) eine zweite Art als Pal. procumbens, während /’arfitt (70) 1866 mit Schwimmring versehene Statoblasten gefunden zu haben glaubte. In Amerika wurden Paludicellen zuerst von Bazley und Leidy beobachtet. Letzterer unterschied 1851 die neue Form Pal. elongata, Ports (gı) im Jahre 1884 die zu einer besonderen Gattung zu erhebende Pal. erecta. Carter ‚64 berichtete im Jahre 1859 über das Vorkommen einer Paludicella in Indien.

Gattungscharakter. Stock aus scharf von einander durch Scheidewände ge-

trennten Individuen zusammengesetzt, sparrig (meist gegenständig) verzweigt, mit horniger, etwas verkalkter, brauner Cuticularschicht. Einzeltiere verlängert keulenförmig, mit seit- licher, vierkantiger Mündung nahe dem keulenförmigen Ende. Tonnenreifartige Quer- muskulatur. Tentakeln im Kreise angeordnet, gering an Zahl. Ohne Epistom. Knospung äufserlich. Keine Statoblasten, sondern Winterknospen. Im vorstehenden ist die Gattungsdiagnose so gewählt, dafs sie derjenigen der älteren Autoren entspricht, nicht aber die Pal. erecta Zait: in sich aufnehmen kann. Letztere zeigt vielmehr in allem so abweichende Verhältnisse, dafs sie unter keinen Um- ständen bei dieser Gattung verbleiben kann. Zwar bildet auch sie knollige, unregel- mäfsige »Hibernacula«, aus denen im Frühjahr die Einzeltiere mit vierkantiger Mündung. im Kreise gestellten Tentakeln und tonnenreifartigen Quermuskeln hervorwachsen, aber diese Einzeltiere sind znverzweigt, hyalin und vollkommen cylindrisch. Ihre Mündung liegt nicht seitlich unterhalb der Spitze, sondern ist endständig. Aus den »Winter- knospene wachsen lange gegliederte Wurcelfaden heraus, welche augenscheinlich im nächsten Herbst wieder zu knollenförmigen Hibernacula anschwellen können (Vgl. Fig. 749). Aus allem dem dürfte folgen, dafs wir es bei diesem Geschöpf mit einer den Cylin- droecien oder Victorelliden nahe stehenden, nicht aber der Gattung Paludicella ein- zureihenden Form zu thun haben, für welche ich den Gattungsnamen Pottsiella vorzu- schlagen mir erlaube (Vgl. Pag. 77).

Die echten Paludicellen bilden meist aufserordentlich zierliche, mehr oder minder ausgebreitete Büschel, die mit horizontal fortwachsenden Individuenreihen der Unterlage fest anhaften, daneben aber auch massenhaft aufstrebende und aufrechte Seitenzweige erkennen lassen (Taf. IV, Fig. 107). Beide Zweigarten sind in nichts von einander verschieden, können auch gleicherweise Hibernacula bilden, wie schon früher

3

-K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 97

hervorgehoben wurde. Die Seitenzweige entspringen fast im rechten Winkel jederseits etwas unterhalb der Mündung des Mutterindividuums (Fig. 120). Die ausgesprochene Gliederung wird teils durch die ausnahmslose Entwickelung der Septa zwischen den Einzeltieren, auch wenn letztere erst als ganz junge Knospen vorhanden sind, hervor- gerufen, teils durch die stielförmige Verschmälerung, mit welcher die apical und seitlich geknospeten Tochterindividuen dem Mutterindividuum aufsitzen. Die Form des Einzel- tiers wie die Art der Verzweigung ist mannigfachen Schwankungen unterworfen, bald gestreckter, bald gedrungener. In Bezug auf die Septa erscheint es bemerkenswert, dafs nicht selten in den die Hauptachse verlängernden Individuen auf das basale Septum in geringer Entfernung ein zweites folgt, welches somit den untersten Teil der stielartigen Verschmälerung als selbständiges Zwischenstück abgliedert. Die Verschiedenheiten in der Chitinisierung der Cuticula jüngerer und älterer Individuen, welche namentlich in der Änderung der Färbung vom hellsten Strohgelb bis zum dunklen Rotbraun sich markiert, wie die merkwürdige Einlagerung von winzigen Kalkkörnchen in die Cuticula wurde schon Pag. 33 hervorgehoben.

Die Polypide, deren Lagerung im Innern der »Zellen« nur bei jüngeren, durch- sichtigen Individuen deutlich erkennbar ist, sind blafsgelblich und von ungemein schmäch- tiger, gestreckter Form. Die seitliche, bei allen Individuen einer Sprofsreihe immer nach derselben Seite gerichtete Mündung erscheint als gestreckter Tubus, wenn die trichter- förmige Tentakelkrone nach aufsen gestülpt ist, wird dagegen zu einem kurzen, vier- kantigen Tuberkel, wenn die Tiere zurückgezogen sind, wie dies aus den Pag. 39 ff. ge- schilderten mechanischen Vorrichtungen seine Erklärung findet. Ist das Polypid abge- storben, so pflegt die Mündung gleichfalls als Tubus ausgezogen zu sein, die Reste der früher beschriebenen hyalinen Glocke an seiner Spitze tragend. In Bezug auf den anatomischen Bau der einzelnen Organsysteme des Polypids verweise ich auf die dies- bezüglichen Kapitel im anatomischen Teil dieser Arbeit und auf die Figuren 99, 100, 104 (Taf. III). An den Funiculis, die überhaupt nur als winzige Bändchen entwickelt sind, habe ich trotz aller darauf verwandten Mühe nie die geringste Erscheinung gesehen, welche auf Statoblastenbildung hindeuten könnte, wie denn aufser Parfitt (70) kein Beob- achter Statoblasten bei unseren Tieren gefunden hat. Auch Parfitt hält es nicht für angezeigt, dieselben abzubilden, obgleich er in derselben Arbeit Zeichnungen über angeb- lich neue Plumatellaarten veröffentlicht.

Die Winterknospen sind von sehr E Form und Gröfse; in Fig. 117 sind einige Typen derselben dargestellt. Der Kalkgehalt ihrer Cuticula ist ein weit be- trächtlicherer, als derjenige der »Cystidcuticula«; die Chitinlage zeigt sich daher dicht von feinsten Poren durchsetzt. Ihre Färbung scheint sehr zu variieren, da van Beneden sie schwarzbraun nennt, während sie in meinen Aquarien eine hell gelbbraune Farbe hatten. Sie bildeten sich Ende September in wenigen Tagen, während die erwachsenen Polypide zu Grunde gingen; doch habe ich nachträglich auch an Material vom 7. Juli beobachtet, dafs die unter einer dichten Decke aufstrebender Sprofse verborgenen, dem Substrat angeleimten »Zooecien« ihre Knospen als »Hibernacula« entwickelt hatten, eine

13

98 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

. Erscheinung, die sich daraus erklären dürfte, lafs es für die betreffenden Knospen unter den obwaltenden Umständen offenbar unmöglich war, zur Geltung zu kommen (Fig. 85 wkl, Immerhin beweist diese Thatsache, dafs auch hier acht die Kälte allein die Bildung von Dauerknospen veranlafst. Abweichend von den Statoblasten der Phylactolaemen ist bei den Winterknospen ein Embryo schon so weit vorgebildet, wie es einem gleich alten Stadium gewöhnlicher Sprofsknospen entsprechen würde. Mitte April waren die Embryonen so weit herangewachsen, dafs sie ihre Winterhülle sprengen konnten. Es geschieht dies durch einen longitudinalen Rifs, der die Winterknospe in zwei ziemlich gleiche Hälften spaltet, die jedoch an einer Seite verbunden bleiben. Aus der klaffenden Seite des Spaltes ragt alsbald das junge Individuum mit seiner noch zarten Cuticular- bedeckung hervor (Fig. 98).

In Bezug auf die dzologischen Verhältnisse der Paludicellen ist nicht viel Be- merkenswertes zu berichten. Holz, Borke und Steine bilden die gewöhnlichsten Fixations- punkte derselben, doch habe ich sie auch auf Seerosenblättern angetroffen. Als Aufent- haltsort geben A//man und Fullien ruhende oder kaum fliefsende Gewässer an, was mit meinen Beobachtungen insofern wenig übereinstimmt, als ich sie vielfach gerade in sehr bewegtem Wasser angetroffen habe, wie in der Nab bei Schwandorf, in der Luppe bei Leipzig etc. Ebenso wenig vermag ich zu bestätigen, dafs die Tiere in irgendwie merk- lichem Grade lichtscheu wären, da sie z. B. an den Reisigbündeln der Elbbuhnen dicht unter der Oberfläche des Wassers in aufserordentlicher Üppigkeit auftreten. Dagegen kann ich A//man nur beipflichten, wenn er die Tiere »exceedingly timide nennt, insofern es in der That hier wie bei Victorella oft die reine Geduldsprobe ist, wenn man das Wiederhervorkommen etwa durch Erschütterung zum Zurückziehen veranlafster Polypide beobachten will. Chloral erwies sich jedoch auch hier erfolgreich.

Spermatozoen und Eier wurden zuerst von Allman beschrieben. Ich fand die- selben Anfang Juli. Reife Embryonen sind bisher noch nicht beobachtet worden.

Die geographische Verbreitung der Paludicellen ist eine ziemlich weite, da sie sowohl in Europa und Nordamerika, als auch in /ndien nachgewiesen sind.

Dabei scheint es sich überall um genau die nämliche Art zu handeln, wenn wir wieder von der oben charakterisierten Pottsiella (= Paludicella erecta Potts) absehen. Zwar glaubte Hancok in Northumberland eine neue Form, Pal. procumbens, und Le:dy eine solche, Pal. elongata, bei Philadelphia aufgefunden zu haben, doch weist schon Alman dar- auf hin, dafs die von der altbekannten Art hervorgehobenen Unterschiede teils auf Irrtum, teils auf unwesentlichen Variationen im Wachstum oder in der Linge der Zellen beruhten.

Paludicella Ehrenbergii van Deneden (1848). Der Speziescharakter ist vorläufig mit der Gattungsdiagnose übereinstimmend, so lange nicht weitere Arten bekannt sind.*) Die Tentakelzahl wird von A//man auf 16

Di In letzter Stunde sendet mir Herr Dr. W. Miiller cine unzweifelhaft neue Art aus Greifswald ein. Dieselbe bedingt auch eine kleine Änderung der Gattungsdiagnose und soll im phylogenetischen Schlufsabschnitt noch kurz beschrieben werden.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen. 99

angegeben, und dies ist jedenfalls weitad das gewöhnliche; doch finden sich daneben auch Individuen mit 18 Fangarmen. = S S ynonyme i

1831 Alcyonella articulata Ehrenberg (23).

1832 » diaphana Nordmann, Microgr. Beiträge, Vol. VI p. 75.

1836 Paludicella articulata Gervais (28); desgl. Allman (40), Thompson, Johnston.

1848 » Ehrenbergii v. Beneden (46); desgl. Allman (61).

1850 » procumbens Hancock. (54).

1851 » elongata Leidy (57).

Fundorte: Nordamerika (Westpoint, Philadelphia). /ndien (Bombay). In Zuropa scheint sie weiter verbreitet zu sein, als man nach ihrer späten Entdeckung schliefsen sollte. Für England zählt Allman etwa ein halbes Dutzend Fundorte auf, für Frank- reich Jullien drei. In der. Schweiz findet sie sich in einer ganzen Reihe von Seen (Allman), in Belgien bei Brüssel und Louvain (Dumortier und van Beneden), in Russ- land bei Dorpat (Schmidt). In Norwegen beobachtete ich sie bei Kongsberg.

In Deutschland sind mir als Fundorte bekannt geworden: Berlin (ZArenberg); Kö- nigsberg (Braem); Greifswald (W. Müller); Naab bei Schwandorf, Luppe bei Leipzig, Elbe, Köhlbrand und Bille bei Hamburg, Röhren der Hamb. Wasserleitung (Kraepelin).

Gattung Fredericella Gervais.

Historisches. Diese Gattung wurde im Jahre 1774 von Blumenbach bei Göttingen zuerst beobachtet und als Tubularia sultana 1777 beschrieben. Gerwvazs (28) erhob die hierher gehörigen Formen 1837 zum Range einer Gattung »Fredericella«, die mit Pa- ludicella seine Gruppe der Infundibulata bildete. Er hat auch zuerst (1839) die Stato- blasten beschrieben. Coste (35) erkannte 1841, dafs sie den Hippocrepia näher stehe, und Allman stellte sie zu seiner Familie der Plumatelliden. In Amerika entdeckte Lezdy 1851 die ersten Fredericellen, in Australien Whztelegge 1883. Jullien (94) glaubte 1885, sämtliche hierher gehörige Formen für »Monstrositäten« von Plumatellen erklären zu sollen.

Gattungscharakter. Stock hirschgeweihartig verzweigt, seltener fast massig, mit aufliegenden und frei aufstrebenden Röhren, meist braun, oder doch mit Algen und Sandkörnchen inkrustiert, seltener hyalin /Hyatt). Röhren fast cylindrisch, die älteren meist dorsal gekielt, nicht gegliedert, aber hie und da mit rudimentären, ringförmigen Scheidewänden. Mündungen apical an den durch Knospenbildung meist verbreiterten oder kurz gabelspaltigen Röhrenenden (Taf. V, Fig. 121). Polypide sehr lang und schmächtig, mit Epistom und fast kreisförmig angeordneter Tentakelkrone. Tentakelzahl gering (bis 24). Statoblasten dunkelbraun, bohnenförmig oder elliptisch, stets ohne Spur eines Schwimmrings, mit glatter Oberfläche (Taf. VII, Fig. 138).

Die Fredericellen sind auf den ersten Blick durch ihre cylindrischen, am Grunde nicht stielartig verschmälerten Zweige und durch die terminalen Mündungen von den Paludicellen zu unterscheiden. Dagegen nähern sie sich in ihrem Habitus vielfach so sehr manchen Plumatellen, dafs immerhin eine gewisse Übung dazu gehört, um sie sofort

100 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

zu erkennen »si on ne voit pas les tentacules ou les statoblastes« (Jullien 93, pag. 121). Hier wie dort haben wir ein wirres, anscheinend unregelmäfsiges Gezweig brauner Chitin- röhren, die teils der Unterlage in ganzer Länge aufliegen, teils frei in das umgebende Medium sich erheben und in ihren Wachstumsformen je nach der Unterlage und den sonstigen physikalischen Bedingungen so sehr variieren können, dafs der Gesamthabitus der Kolonie keineswegs ein entscheidendes Urteil erlaubt. Bald sind es die festaufliegenden Zweige, welche vorwiegend sich entwickelt zeigen, welche lange stolonenartige Röhren bilden, an denen nur hie und da kurze aufrechte Seitenästchen bemerkbar sind (Taf. III, Fig. 76); bald treten die letzteren als langes gabelig verzweigtes Strauchwerk in die Er- scheinung, wobei dann auch die horizontalen Röhren nach kurzem Verlauf winkelig von der Unterlage sich zu erheben pflegen. Ja im extremen Fall, bei schmal begrenzter Unterlage, wie Hyatt sagt, können auch die aufrechten Fredericellazweige ganz ähnlich zu dicht gedrängten, fast parallel aufstrebenden und zum Teil mit einander verwachsenen Röhrenmassen sich entwickeln, wie dies bei den Plumatellen des näheren zu schildern sein wird. Dennoch ist es in vielen Fällen möglich, die Fredericellakolonien, selbst wenn sie mit Plumatellen wirr durcheinander wachsen, ja meist gerade dann am leichtesten, an der gröfseren Schmächtigkeit der Röhren, den vielfach spatelförmig verdickten und seicht ausgerandeten Zweigenden, dem eigentümlich lehmfarbig erdigen, opaken Kolorit der jüngeren Sprofse zu erkennen.*)

In Bezug auf die Ausbildung der Scpta habe ich beobachtet, dafs sie keineswegs so unregelmäfsig ist, als man gemeiniglich angiebt. Vielmehr zeigen sie sich überall da in cinem Hauptzweig, wo unmittelbar darunter ein jüngerer Nebenzweig seitlich hervor- gesprofst ist (vgl. Fig. 105, Taf. II). Nicht also die jungen seitlichen Knospen werden hier, wie bei Paludicella, durch Scheidewände vom Mutterindividuum abgegliedert, sondern nur dieses letztere von dem nächst höher befindlichen. Wir könnten somit die rudimen- tären Septa der Fredericellen den apzcalen Septen bei Paludicella in Parallele stellen.

Die Cuticularschicht der Röhren zeigt in ihren älteren Teilen fast immer ein dunkles Braun, das in den jüngeren Zweigen allmählich heller wird und schliefslich in ein erdiges Lehmgelb übergeht. //yatt berichtet, dafs er bei den amerikanischen Fre- dericellen auch hyaline (meist junge) Individuen beobachtet habe. Auch bei einheimischen Exemplaren konnte ich verschiedentlich wohl die fast völlige Abwesenheit des Farbstoffes beobachten, stets aber zeigten sich auch diese Exemplare fast undurchsichtig, da sie gleich den braun gefärbten mit Diatomeenpanzern, Kotresten, Erdteilchen etc. stark inkrustiert waren. Auf Blättern lebende Kolonien liefsen übrigens letztere Eigentümlichkeit weniger hervortreten, als die auf Holz und Borke gefundenen.

Die Folypide der Fredericellen, wie auch schon die äufsere Körperhaut, das Cystiderm, zeigen ein so eigenartiges Gepräge, dafs nur absolute Unkenntnis der ana-

*) Leider ist durch ein Versehen meinerseits die kolorierte Abbildung einer Fredericellakolonie in natürlicher Grösse bei den Habitusbildern auf Taf. IV vergessen worden. In Ermangelung dessen mag die Fig. 76 (Taf. III) immerhin eine Vorstellung wenigstens von der /orm der Fredericella sultana geben.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen. IOI

tomischen Befunde es entschuldigen kann, wenn Jullien sie als »Monstruosites« der Plumatellen hinstellt. Ich sehe ab von dem ganz abweichenden Bau des nur als seichte Einbuchtung auftretenden Lophophors mit seiner geringen Tentakelzahl, die nicht die ge- ringsten Spuren von Degeneration, Hemmungsbildung ‚oder sonstiger Krankheit erkennen lassen, den durchweg gegen die Plumatellen fast um die Hälfte verminderten Gröfsen- verhältnissen aller Organe, dem viel gestreckteren, weit schmächtigeren Darmtraktus: auch die Arstiologischen Verhältnisse des letztgenannten Organs, Muskulatur und Funiculus weisen zur Evidenz darauf hin, dafs wir es mit einer Zypzischen Gruppe der Bryozoen zu thun haben. Indem ich in Bezug auf die eingehendere Schilderung dieser Organe auf den anatomischen Teil verweise, sollen hier nur noch kurz die Verschiedenheiten der Statoblasten bei Fredericellen und Plumatellen hervorgehoben werden.

Schon im früheren wurde ausgeführt, dafs die Statoblasten der Fredericellen im Gegensatz zu den Plumatellen frühestens Ende Juli zur Entwickelung gelangen. Der ungemein zarte Funiculus zeigt alsdann 1—2, seltener bis 3 kleine Anschwellungen, aus denen auch nur diese geringe Zahl reifer Statoblasten hervorgeht, während der weit mächtiger ausgebildete Funiculus der Plumatellen vom Frühling bis in den Spätherbst hinein grofse Mengen derselben an sich entstehen läfst. Jene wenigen Statoblasten der Fredericella entwickeln sich in sehr einfacher Weise und lassen zur Reife namentlich jede Spur der äufseren Chitinschicht vermissen, welche bei den Plumatellastatoblasten den Schwimmring, resp. die Tuberkelschicht der sitzenden Statoblasten bildet. Sie sind daher weit entfernt, den sitzenden Statoblasten der Plumatellen zu gleichen, wie Jullien will, sondern stellen eine einfache, auf der Oberfläche durchaus glatte Chitinkapsel dar. Sie bleiben für gewöhnlich ruhig an dem Orte ihrer Entstehung in den Röhren stecken, ja sind in den horizontalen Röhren durch Chitinstreben mit letzteren verankert, so gewisser- mafsen die erste Anlage der sitzenden Statoblasten bei den Plumatellen repräsentierend. Im Frühjahr fand ich in der Regel in jedem durch die rudimentären Septa markierten Rohrabschnitt nur je einen Statoblasten (Taf. III, Fig. 105 st), dessen Embryo direkt an Ort und Stelle zur Entwickelung gelangte (Taf. III, Fig. 80 eb), dabei aus der Öffnung des seitlichen, abgestorbenen Tochtersprofses hervorwachsend, dessen Rudiment noch vom Vorjahre her erhalten geblieben. Diese Beobachtung habe ich an den frei abstehenden Zweigen gemacht; sie erklärt ohne weiteres das Fehlen eines Schwimmringes, für den in diesem Falle gar keine Verwendung wäre. Liegen in ein und demselben Rohrabschnitt zwei oder gar drei fertige Statoblasten, wie dies zuweilen vorkommt, so scheinen die tiefer befindlichen einfach »Reservestatoblasten« zu sein, wenn etwa der oberste zu Grunde geht; möglich auch, dafs der Rohrabschnitt alsdann in Teilstücke zerfällt und so den unteren Embryonen den Austritt ermöglicht. Die der Unterlage aujliegenden Röhren pflegen schon im Herbst gröfstenteils zerstört zu werden, bis auf kurze cylindrische Stücke, welche je einen oder zwei Statoblasten enthalten. Auch hier ist also die Möglich- keit der Entwickelung an Ort und Stelle gewährleistet.

Ganz anders bei den Plumatellen. Die ungeheure Massenhaftigkeit, in welcher die Statoblasten schon an einem einzigen Funiculus zur Entwickelung gelangen, läfst von

102 K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen.

vorn herein erkennen, dafs ein Verbleiben derselben am Orte ihrer Entstehung durchaus zweckwidrig sein würde, da doch nur ein oder höchstens 2 Embryonen aus den frei ve- wordenen Rohrenden hervorwachsen konnten, alle andern aber dem sichern Untergange an- heim gegeben sein würden. Es sergehen daher die Plumatellaröhren, nachdem vorher schon die Mehrzahl der mit Sckwimmring versehenen Statoblasten durch Auftrieb aus den offen gewordenen aufrechten Zweigen ausgetreten ist und sich im Wasser zerstreut hat. Von den festgewachsenen Röhren bleiben nicht, wie bei Fredericella, ganze cylindrische Ab- schnitte erhalten, sondern nur kleine ovale napf- oder schüsselförmige Basalteile (Taf. III, Fig. 77 n, Längsschnitt), welche die schwimmringlosen, sitzenden Statoblasten fest mit der Unterlage verbinden und so die Wiederbesiedelung des einmal als günstig erprobten Platzes gewährleisten. Diese schwimmringlosen Statoblasten in ihren Näpfen besitzen thatsächlich eine Chitinschicht, welche dem Schwimmring der freien Statoblasten entspricht, ja können völlig in letztere übergehen, wie im II. Teile gezeigt werden soll. Sie sind daher in keiner Weise mit den wirklich schwimmringlosen, glatten Statoblasten der Fredericella zu vergleichen, wie denn die ganzen soeben dargelegten Verhältnisse meines Erachtens erkennen lassen, dafs bei der Ausbildung der Statoblasten, wie bei dem Modus der Kolonieneubildung für Plumatellen und Fredericellen ganz verschiedene Prinzipien in Anwendung kommen.

Die Fredericellen wachsen gleich den meisten übrigen Süfswasserbryozoen sowohl auf Holz, Borke und Steinen, wie auf Wasserpflanzen. Stehende und langsam fliefsende Gewässer scheinen ihren Lieblingsaufenthalt zu bilden. Abneigung gegen das Licht glaubt auch Ad/man nicht beobachtet zu haben. Bei Insulten ziehen sich die Polypide völlig in das Innere zurück, pflegen aber nach weit kürzerer Zeit wieder hervorzukommen, als die Paludicellen und Victorellen. Das Auskriechen der Statoblastenembryonen be- obachtete ich im Anfang Mai, Sperma und Eier im Anfang Juni, reifende Embryonen im Juli. Ganz reife Embryonen habe ich nicht gefunden.

Kritik der Arten. Die Fredericellen sind in Zuropa, Nordamerika und Australien nachgewiesen. Diejenigen Zuropas (und Australiens) sind bisher von den Autoren zu einer Art gerechnet und als Fr. sultana B/bch. bezeichnet worden. In Amerika soll merkwürdigerweise diese Art durchaus fehlen und nach Lezdy (53) und Hyatt (69) durch drei andere Arten Fr. regina, pulcherrima und Walcotti vertreten sein. Leider haben diese Herrn es verabsäumt, ihre neuen Spezies derart durch Wort und Bild zu charakterisieren, dafs Zweifel an der Berechtigung derselben nicht aufkommen könnten. Was man vor allem erfährt, ist, dafs bei der einen die aufliegenden Zweige lang stolonen- artig entwickelt sind, mit wenig aufrechten Seitensprossen, während eine zweite »mehr radial verzweigt« ist, als die übrigen, und die dritte gar durch dichte Aneinanderlagerung der aufrechten Röhren einen »alcyonelloiden Typus« annehmen kann. Nach dem, was ich in Bezug auf Verschiedenheit der Wachstumsformen bei europäischen Plumatellen, aber auch bei Fredericellen, beobachtet, halte ich es für durchaus unzulässig, auf Grund solcher Merkmale neue Spezies zu begründen. Was aber die amerikanischen Forscher sonst noch für die Selbständigkeit ihrer Formen anführen, ist herzlich wenig und nur ge- eignet, unsere Zweifel an die Notwendigkeit der in die Wissenschaft eingeführten neuen

K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen. 103

Namen zu erhöhen. Die Zahl der Tentakeln ist bei allen die nämliche, wie bei den euro- päischen Formen, wie überhaupt in den »Polypiden« kein Unterschied nachzuweisen war. Die Statoblasten der F. regina gleichen in Form und Gröfse, ja sogar in der Variations- weite völlig denen der F. sultana; von F. Walcottii wurden diese für die Fixierung der Art so überaus wichtigen Gebilde überhaupt noch nicht gefunden. F. pulcherrima hat nach Hyatt (69, pag. 219) allerdings höchst seltsame Statoblasten (e mmm L und 16 mmm br. gegen die etwa 350 mmm langen und 200 mmm breiten der Fr. regina); abgesehen aber davon, dafs hier offenbar ein Druckfehler im Text. (vielleicht 50 statt 5 mmm) vor- liegt, ist es kaum anders denkbar, als dafs diese unerhört kleinen Statoblasten eben jüngere Entwickelungsstadien waren, da Hyatt selbst hervorhebt, dafs die Kolonien noch Jung gewesen seien. Das Einzige, was nach meiner Auffassung gegen eine Identifizierung der drei amerikanischen Arten (von denen zwei nur an einer einzigen Lokalität be- obachtet wurden) sprechen könnte, ist der Umstand, dafs dieselben nach Hyatt auch mit »hyalinere Cuticularschicht angetroffen werden und zwar F. regina und Walcottii selten, F. pulcherrima (die nur im Jugendzustand beobachtete) immer. Dennoch glaube ich auch dieser Erscheinung, selbst wenn sie in Amerika typischer hervortreten sollte, als wie ich sie bei einheimischen Exemplaren beobachtete (vgl. Pag. 100), kein allzu grofses Gewicht beilegen zu dürfen, wie dies auch Hyatt selbst nicht thut, wenn er sie für eine lokale Variation erklärt und hinzufügt, dafs er Fredericella kyaln erhalten habe, wenn er sie in Wasser aufzog, das frei von allen Sedimenten war. Es kommt hinzu, dafs nach //yatts eigenen Figuren auch seine »hyalinen« Fredericellen recht wohl entwickelte aufrechte Zweige zeigen, eine Thatsache, die im Vergleich mit den später zu be- sprechenden Verhältnissen bei farblosen Elumatellen schon genügend beweist, dafs diese »hyaline« Cuticula in Bezug auf F estigkeit kaum von der gebräunten oder inkrustierten unterschieden sein wird. Es dürfte daher kaum zu radikal erscheinen, wenn wir bis auf weiteres die amerikanischen Arten als identisch mit der europäischen F. sultana ansehen, aufgestellt zu einer Zeit, wo man von der weiten Verbreitung unserer Süfswasserbryozoen- spezies über verschiedene Erdteile und von der Variationsweite der Wachstumsformen eben noch keine Kenntnis hatte.

Fredericella sultana Blumenbach (1777).

Spesiescharakter mit dem Gattungscharakter zusammenfallend. Auf Grund der verschiedenen Wachstumsformen dürften eine Reihe von Varietäten zu unterscheiden sein, doch unterlasse ich eine solche Differenzierung, da in Bezug auf diesen Punkt bisher fast nur die mir lediglich aus Abbildungen bekannten amerikanischen Fredericellen genauer studiert sind. Die Zahl der Zentakeln variiert von 18—24 und beträgt in der Regel 20 oder 22. Die Form und Gröfse der Siatoblasten ist so verschieden, dafs es kaum möglich, zwei annähernd gleiche aus derselben Kolonie herauszufinden. Neben den bohnenförmigen, an einer Seite etwas nierenförmig eingezogenen, finden sich fast rechteckige, schuhförmige und völlig kreisrunde. Beim Kochen mit Kalilauge bieten die auseinandergefallenen beiden Klappen stets die allein hier auftretende . Eigentümlichkeit, dafs sie nicht mehr

104 K. KRAEPELIN, Die deutschen Stiswasserbryozoen.

aufeinander passen, indem die eine nunmehr die andere an Länge übertrifft, während letztere hingegen durch gröfsere Breite und umgeschlagene Seitenränder sich auszeichnet (Vgl. Taf. VII, Fig. 138). Die mittlere Länge der Statoblasten beträgt 0,43 mm, die mittlere Breite 0,3 mm. Die Variationsweite der Länge habe ich von 0,38 bis 0,57 mm verfolgt, diejenige der Breite von 0,21 bis 0,37 mm, so dafs also neben fast kreisrunden (0,38: 0,37) auch solche sich finden, die mehr als doppelt so lang wie breit sind.

Synonyme: 1777 Tubularia sultana Blumenbach (11). 1816 Naisa sultana Lamouroux (19). 1836 Plumatella sultana Dumortier (25) 1838 Fredericella sultana Gervais (28); desgl. die neueren Autoren.

1844 > dilatata Allman (42).

1851 » regina (?) Leidy (57). 1866 » Walkottii (?) Hyatt (69). 1866 » pulcherrima (?) Hyatt (69).

1885 Plumatella lucifuga Monstrositas Jullien (94).

Fundorte: Nordamerika (?) (Maine bis Maryland). Australien (N. S. Wales Whitelegge).

In Zuropa scheint sie durch ganz Grossbritannicn weit verbreitet (Allman). Aus Frankreich sind durch Gervais, Allman und Jullien etwa ein halbes Dutzend Fundorte bekannt. In Belgien wurde sie durch Dumortier und van Beneden bei Brüssel und Louvain beobachtet, in Holland (Leyden) durch Selenka, in der Schweiz und in ecer- italienischen Seen durch Allman und Asper. Letzterer hat sie zuerst als Bestandteil der Tiefseefauna nachgewiesen. In Russland findet sie sich bei Dorpat (Schmidt).

An deutschen Fundorten sind mir bekannt geworden: Göttingen (Dlumenbach.: Berlin, Pichelsberge (Berl. Museum); Braunschweig (W. Müller -Greifswald); Frank- furt a. M. (Noll); Königsberg (Braem); Leipzig (Voigtlander); Naab bei Schwandorf, Bille, Köhlbrand etc. bei Hamburg, Hamburger Wasserleitung (Kraepelin). An letzteren: Fundorte beobachtete ich auch eine Form mit alcyonellaartig verklebten Röhren.

Gattung Plumatella Lamarck (emend).

Historisches. Die hierher gehörigen Formen, welche die Gattungen Plumatella und Alcyonella der späteren Autoren umfassen, sind weitaus die verbreitetsten alier Süfswasserbryozoen, so dafs es nicht wunder nehmen kann, wenn dieselben schon sehr früh, fast gleichzeitig mit der ersten Entdeckung des Polype a panache, von verschiedenen Forschern beobachtet wurden. Leider aber erfordern gerade die einzelnen Arten dieser Gruppe eine so minutiöse Schilderung aller Charaktermerkmale, dafs die ungenauen und lückenhaften Beschreibungen der älteren Autoren nur in seltenen Fällen die zweifellose Identifizierung mit den etwa jetzt anerkannten Spezies ermöglichen. Schon Réaumur und Jussieu dürften (nach Dumortier und van Beneden) wenigstens die Statoblasten der Plumatellen gesehen haben; Back (1745) spricht dann von einem Polype a panache fixe.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. i05

womit wahrscheinlich hierher gehörige Formen gemeint sind. Koesels grofser »Feder- buschpolyp« und Schaeffers »Kammpolyp« waren sicher Plumatellen, und nach ihnen hat fast jeder Untersucher der Süfswasserbryozoen sie wieder gefunden. Durch Zinne wird der Gattungsname Tubipora, durch Pallas der Name Tubularia für unsere Tiere ein- geführt. Bosc und Lamarck glauben dann (1816) die bis dahin bekannt gewordenen Formen in zwei verschiedene Gattungen Plumatella und Alcyonella verteilen zu sollen, und diese Trennung wird durch die ganze erste Hälfte unseres Jahrhunderts, ja durch die Blütezeit der Bryozoenforschung fast von allen Autoritäten auf diesem Gebiete, mit Ausnahme Raspazls, aufrecht erhalten, bis //yatt im Jahre 1868 den Satz aufstellt, dafs Plumatella und Alcyonella nur zwei extreme, durch zahlreiche Übergänge verknüpfte Wachstumsformen einer und derselben Gattung seien. Dieser Ausspruch mufste aus dem Munde Zyatis um so kühner erscheinen, als echte Alcyonellen bisher in Amerika über- haupt noch nicht aufgefunden sind. Dennoch dürfte er das Richtige getroffen haben, wie ich im folgenden nachzuweisen mich bemühen werde. Die sitzenden Statoblasten dieser Gruppe wurden zuerst durch A//man bekannt gemacht, der auch neben den bis dahin unterschiedenen 3—4 Formen noch eine ganze Reihe neuer Spezies beschrieb. Diesem Beispiele ist man in Europa, Amerika und Australien mit bewundernswürdigem Eifer gefolgt, so dafs wir heute in der glücklichen Lage sind, zwei volle Dutzend Arten, auf drei Genera verteilt, herzählen zu können. I

Gattungscharakter. Kolonien aus cylindrischen Röhren gebildet, die entweder hirschgeweihartig verzweigt sind, oder massige Klumpen bilden, oder endlich als hyaline gelappte Schläuche der Unterlage dicht aufliegen. Zuweilen rudimentäre Scheidewände. Cuticula braun bis hyalin, oft inkrustiert. Polypide mit Epistom und ausgeprägt huf- eisenförmiger Tentakelkrone, mit etwa 40—60 Tentakeln. Intertentakularmembran vor- handen. Statoblasten entweder alle von gleicher Form, elliptisch, mit breitem Schwimm- ring, oder die der horizontalen Röhren ohne eigentlichen Schwimmring, grofs, mit ge- höckerter Oberfläche, einer napfförmigen Mulde des betreffenden Röhrenabschnitts auf- liegend. Keine Dornen.

Die Aufstellung des Gattungscharakters bietet für diese Gruppe, die augenschein- lich eine Übergangsgruppe mit ausgeprägter Neigung zur Variationsbildung ist, nicht un- erhebliche Schwierigkeiten. Besonders gilt dies in Bezug auf die äufsere Form des Stockes und der ihn zusammensetzenden Teile. Im allgemcinen dürfen wir den Stock noch als röhrig oder »aus Röhren zusammengesetzt« bezeichnen, da das cylindrische Rohr in der That überall den Grundtypus bildet. Während aber diese Röhren bei der einen Formenreihe vermöge ihrer festen, mehr oder weniger gebräunten Cuticular- . schicht weit verzweigte hirschgeweihartige Kolonien mit fest anliegenden und frei in das Wasser hineinragenden Ästen darstellen oder als dicht rasenartige, ja zu massigen Klumpen verklebte Gebilde von der Unterlage aufstreben, finden sich andere, durch die ungemein zarte, hyaline Beschaffenheit der Cuticula ausgezeichnete, welchen die Fähigkeit der Bildung frei aufrechter Röhren völlig abhanden gekommen ist, und welche sich daher lediglich als kürzere oder längere, der Unterlage fest anliegende, hie und da

14

106 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

durch Dichotomie oder Seitenäste verzweigte weite Cylinder darstellen, deren hyaline Oberfläche von kleinen Tuberkeln, den Mündungskegeln der Polypide, besetzt ist.

Wachstumsformen. Leider scheint es durchaus unmöglich, diese verschiedenen, im extremen Fall so typisch ausgeprägten Wachstumsformen spezifisch oder gar generisch scharf von einander zu sondern, da dieselben durch alle nur denkbaren Ubergangs- bildungen mit einander verbunden sind.

| Sprechen wir zunächst von der Verschiedenheit des Wachstums bei derbwandigen. mit brauner Cuticularschicht versehenen Formen. Es liegt auf der Hand, dafs hier neben horizontal auf der Unterlage fortwachsenden und auf derselben mannigfach sich ver- zweigenden Röhren auch frei in das Wasser hineinragende Sprosse aus jenen hervor- gehen können, die dann dem ganzen Stock ein mehr oder weniger hirschgeweihartiges oder strauchiges Aussehen geben (Vgl. Taf. IV, Fig. 119, 108). Häufen sich die auf- rechten Zweige, etwa bei beschränkter Unterlage, so erhält die Kolonie ein dicht rasiges Aussehen (Taf. IV, Fig. 110, 111), bis endlich das Extrem erreicht ist, in welchem alle aufrechten Röhren so dicht aneinanderlagern, dafs sie mit einander verklebt sind und so gewaltige, schwammartige Klumpen bilden (Fig. 112, 113). Diese letztere Wachstums- form allein ist es, welche von den früheren Autoren als Gattung Alcyonella bezeichnet wurde. Aber schon die Figuren 111, 110, 109 setzen uns in Verlegenheit, ob wir diese dicht rasigen, aber nicht verklebten Röhrenmassen als Alcyonella oder als Plumatella in Anspruch nehmen sollen, ja Fig. 108 zeigt uns geradezu eine Kolonie, die im Zentrum alcyonelloid, in der Peripherie ausgeprägt Jurschgeweihartig entwickelt ist. Schon diese wenigen Beispiele werden die Schwierigkeiten erkennen lassen, die sich der Unterscheidung der beiden sonst getrennten Gattungen entgegenstellen. Naturgemäfs aber kann die Zeichnung nur wenige ausgewählte Formen vorführen, die einfach neben einandergestellt immerhin noch different genug sich von einander abheben. Weit begründeter ist die Überzeugung, welche durch das allmähliche Auffinden aller nur denkbaren Übergänge beim Studium der Tiere selbst gewonnen wird. In Bezug auf diesen Punkt will ich nur bemerken, dafs ich viel Mühe darauf verwandte, die zahllosen Plumatella- resp. Alcyonella- kolonien, welche das Flofsholz der Bille bei Hamburg und ihrer Seitenkanäle besiedeln, zunächst einmal eingehend nach ihren Wachstumsverhältnissen zu beschreiben und zu unterscheiden, dafs ich aber bald von der Nutzlosigkeit dieser Bemühungen mich über- zeugte, da mir klar wurde, dafs ich entweder fast jedes einzelne Exemplar als typisch hinstellen, oder aber eine ganz ungewöhnliche Variationsweite der Wachstumsformen an- nehmen müsse. Dafs auch in Bezug auf alle übrigen Merkmale, namentlich in Bezug auf die Statoblasten generische Unterschiede zwischen den Plumatellen und Alcyonellen der Autoren nicht existieren, wird weiter unten gezeigt werden.

Etwas schärfer, als die derbwandigen Wachstumsformen von einander, dürften sich die kyalinen oder »gallertartigen« Formen von ihnen abgrenzen lassen, so dafs hier vielleicht eine Ar/trennung möglich ist. Freilich darf man sich nicht verhehlen, dafs auch in dieser Hinsicht die Variationsweite der verschiedenen Plumatellen eine aufser- ordentlich grofse ist. So sind beispielsweise die jungen Kolonien auf Seerosenblättern,

K. KRAEPELIN, Die deutschen Stfswasserbryozoen. 107

wie sie im Anfang und Mitte Sommer sich finden, durchweg hyalin, so dafs man die eingezogenen Polypide deutlich erkennen kann; dieselben Exemplare aber erscheinen im Herbst gebräunt und sind teils hierdurch, teils durch Inkrustation undurchsichtig ge- worden. Und was an den ganzen Kolonien, das ist vielfach auch an einzelnen Zweigen derselben zu beobachten. Während die älteren Stämme schon in intensivem Braun er- scheinen, können die jüngeren Zweige noch weithin ihre Farblosigkeit und Durchsichtig- keit bewahren, ja selbst Wachstumsformen, wie die typische Alcyonella fungosa der Autoren, welche für gewöhnlich stark gebräunte, nur unmittelbar an der Mündung plötz- lich hyalin werdende Sprosse besitzt, kann unter Umständen in allen aufrechten Röhren ihre Zartwandigkeit bewahren, wie dies Taf. V, Fig. 126, die nach einem Alcyonellen- stock aus dem Hamburger Hafen entworfen, beweisen mag. Auch Hyatt hebt von allen amerikanischen Plumatellen hervor, dafs sie zuweilen in hyalinen Varietäten auftreten können. Müssen wir so die stärkere oder schwächere Bräunung des Chitins (plus der wohl vielfach hierbei mit in Rechnung zu bringenden Inkrustierung mit Diatomeenpanzern, Exkrementen etc.) im allgemeinen als eine vom Alter, resp. von lokalen Verhältnissen abhängige, sehr variable und deshalb für Speziesunterscheidungen ziemlich irrelevante Eigenschaft betrachten, so läfst sich andererseits doch nicht leugnen, dafs in der phylo- genetischen Reihe der Plumatellen die Neigung, immer zartere, durchsichtigere Cuticular- schichten zu bilden, mehr und mehr hervortritt, mit andern Worten, dafs dieselbe Eigen- schaft, die bei den einen nur vorübergehend, oder nur unter besonderen Verhältnissen sich zeigt, bei anderen Formen so sehr fxzer¢t erscheint, dafs sie den Charakter eines typischen Merkmals annchmen kann. Letzteres wird jedoch erst da systematisch ver- wertbar sein, wo es eben durch seine excessive Entwickelung auch noch andere Wand- lungen im Stocke hervorgerufen hat, die bei den zeitweilig hyalinen nicht beobachtet werden. Dies ist nun in der That bei einer Formenreihe der Plumatellen, für welche Jullien wit Unrecht die Gattung Hyalinella aufstellte, der Fall, insofern hier die äufserst zartwandige Cuticula augenscheinlich nicht mehr ausreicht, frei von der Unterlage auf- strebenden Sprofsen genügenden Halt zu gewähren. Nur ein hyalines, der Unterlage fest aufliegendes, bald einfaches, bald gabelig oder lappig verzweigtes Rohr kommt zur Entwickelung, auf dessen Oberseite die Mündungen der Polypide nicht mehr als aufrechte Zweigsprosse, sondern nur als rundliche oder kurz kegelförmige Tuberkeln zur Ent- wickelung gelangen (Taf. IV, Fig. 115, 116; Taf. V, Fig. 125). Die natürliche Folge hiervon ist wieder, dafs die einzelnen Polypide nun nicht mehr über eigene »Cystid- röhren« verfügen, sondern im eingezogenen Zustande in dem allen gemeinschaftlichen cylindrischen Stammrohr neben und hinter einander eingebettet liegen (Taf. V, Fig. 124), kurzum, dafs Verhältnisse sich herausgebildet haben, welche in mehr als einer Hinsicht an die bei den »Gallertformen«, namentlich bei Pectinatella, auftretenden erinnern, wie auch ein Vergleich der Fig. 124 und 125 (Taf. V) mit Fig. 133 und 131 (Taf. VI) er- kennen äist Dafs bei diesen extremen Formen der Plumatellen die Cuticularschicht bei ihrer grofsen Durchsichtigkeit bedeutende Dicke besitze, ist ein Irrtum Z/yatts, der ledig- lich durch die gröfsere, an die Verhältnisse bei den »Gallertformen« erinnernde Wand-

108 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

stärke des die Chitinhaut abscheidenden Cyst:derms hervorgerufen wurde. Scheidewände konnte ich bei dieser letzt geschilderten Gruppe der Plumatellen nicht nachweisen; die- selben scheinen vielmehr ausschliefslich auf die hirschgeweihartig sprossenden Formen beschränkt zu sein, wo sie in ähnlicher Weise den Hauptstamm von Seitensprossen ab- grenzen, wie dies bei den Fredericellen geschildert wurde.

Anatomischer Bau. So verschieden die Plumatellen aus den soeben dargelegten Gründen in ihrem äufseren Habitus sich zeigen, so einheitlich erscheinen sie andererseits in Bezug auf den inneren Bau, namentlich das Polypid. Überall tritt die hufeisenförmige Tentakelkrone, das Epistom, der Darmtraktus, der Funiculus, die gesamte Muskulatur in wesentlich der gleichen Form und Ausbildung, ja so ziemlich in den gleichen absoluten und relativen Gröfsenverhältnissen uns entgegen, wenn auch die Zahl und Länge der Tentakeln oder die Ausbildung der Intertentakulaturmembran mannigfachen Schwankungen unterworfen ist. Zur Begründung selbständiger Arten werden aber diese letzteren keines- wegs herangezogen werden können, da nicht allein die jugendlichen Individuen in Bezug auf die Tentakelzahl erheblich von den älteren abweichen, sondern auch gleichalterige Polypide derselben Kolonie hierin eine ganz aufserordentliche Variationsweite zeigen. Bemerkt doch Hyatt, dafs er bei einer einzigen der von ihm aufgestellten Arten dic Tentakelzahl zwischen 40 und 60 variierend gefunden habe, und nimmt dadurch jede Möglichkeit, auf die Tentakelzahl Arten der Plumatellen zu begründen insofern, als jene Zahlen die Grenzwerte der Tentakelzahl bei sämtlichen Formen dieser Gruppe überhaupt bezeichnen dürften.

Der Aistiologische Bau der Organe des Polypids, der äufseren Körperwand und des Kamptoderms ist im anatomischen Teil eingehend geschildert, und kann hier einfach auf die betreffenden Kapitel verwiesen werden.

Statoblasten. Eine eingehendere Besprechung verlangen nur noch die S/atod/asten. welche zwar bei allen Plumatellen einen einheitlichen, typischen Bau erkennen lassen, dennoch aber so manche Differenzierungen zeigen, die zu einem tieferen Verständnis dieser chaotischen Formengruppe führen könnten. Obenan steht hier die merkwürdige, schon im früheren hervorgehobene Thatsache, dafs zahlreiche Plumatellenformen aber nicht a//e neben den mit Schwimmring versehenen Statoblasten in den basalen Röhren auch solche entwickeln, welche, bei viel bedeutenderer Gröfse, des Schwimmringes ent- behren oder doch nur mit einem mehr oder minder breiten, facettierten Rand versehen sind und so, in eine napfförmige Chitinmulde der basalen Röhre eingebettet, der Unter. lage fest anhaften bleiben, selbst wenn die ganze Kolonie der Zerstörung anheimgefallen ist. Ob diese »sitzenden Statoblasten« ebenfalls dem Funiculus entstammen oder nicht, wird im Il. Teile erörtert werden. Hier mag nur vorläufig darauf hingewiesen werden, dafs sie einen »Nabel« besitzen gleich den Schwimmringsstatoblasten, dafs ihre gehöckerte Oberfläche mit dem facettierten Rande augenscheinlich einem rudimentären Schwimmring entspricht (letzterer als die kontinuierliche, äufsere, durch Kalilauge als Ganzes von der inneren Kapsel sich abhebende Schicht genommen), und dafs es mir gelungen ist, alle denkbaren Übergänge von echten Schwimmringsstatoblasten zu sitzenden Statoblasten

K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen. 109

aufzufinden. In welcher Weise diese letzteren neben den ersteren für die Erhaltung der Art von Vorteil sein können und sein müssen, wurde schon Pag. 84 angedeutet. Hier in- teressiert uns besonders die Frage, ob etwa das Fehlen oder Vorhandensein dieser eigen- artigen Gebilde zur spezifischen oder gar generischen Trennung der Formen benutzt werden könne, und ob ferner die zwei Statoblastenarten, wo sie auftreten, etwa zwei verschiedenen Embryonenformen das Leben geben oder sonstwie zur Erklärung der so überaus mannigfachen Stockbildungen herangezogén werden können.

In Bezug auf den ersten Punkt mufs ich gestehen, dafs ich lange Zeit die Bildung von sitzenden Statoblasten neben den mit Schwimmring versehenen für ein Mittel gehalten habe, die Trennung der beiden althergebrachten Gattungen Alcyonella und Plumatella aufs neue zu begründen, da in der That kein Zweifel darüber bestehen kann, dafs jede typisch entwickelte Alcyonella, jede Form also mit zu massigen Klumpen vereinigten aufrechten Röhren, reichlich sizzende Statoblasten hervorbringt. Leider aber läfst sich von den typischen Plumatellen, den hirschgeweihartig verzweigten, lang hin- kriechenden Formen, nicht das gerade Gegenteil behaupten, wie denn schon Allman bei seiner Plumatella emarginata sitzende Statoblasten in Menge beobachtete. Es blieb trotz dieser Erfahrung immer noch der Ausweg, dafs dann wenigstens eine gewisse stärkere Cuticularisierung der äufseren Chitinwand dazu nötig sei, um derartige Gebilde zu er- zeugen, und dafs man also in dem Vorkommen derselben gewissermafsen ein Kriterium habe, bei welchem Punkte der Cuticularisierung etwa eine scheidende Gattungs- resp. Artgrenze zu ziehen sei. Aber auch dieser Standpunkt mufste aufgegeben werden, nachdem sich bei einer völlig hyalinen, typischen Plumatella repens auf Typhastengel aus dem Göttinger Museum sitzende Statoblasten, allerdings ebenfalls hyaline und gering an Zahl, nachweisen liefsen, während eine ebenso typische dunkelbraune Pl. emarginata Allman auf Seerosenblättern derselben entbehrte. Schien somit nichts übrig zu bleiben, als das Substrat für die Ausbildung der sitzenden Statoblasten verantwortlich zu machen, so erwies sich doch auch diese Annahme nicht als unter allen Umständen stichhaltig, nachdem mir ein Fall von sitzenden Statoblasten auf Seerosenblättern (vgl. Pag. 88) bekannt geworden. Wir sind daher zur Zeit völlig aufser stande, das unter so ver- schiedenen Verhältnissen nachweisbare Auftreten der sitzenden Statoblasten mit irgend welchen andern Merkmalen zu einem typischen Gattungs- resp. Artbilde zu vereinigen, d. h. es erscheint jede Möglichkeit ausgeschlossen, das Fehlen oder Vorhandensein dieser Gebilde als spezifisches oder gar generisches Merkmal zu verwerten. Dabei soll indessen nicht geleugnet werden, dafs die stärkere Chitinisierung der Cuticula bei Kolonien auf fester Unterlage das Vorhandensein derselben von vornherein ziemlich sicher erwarten läfst, während andererseits die hyalinen Formen selbst auf Holz oder Steinen derselben zu entbehren pflegen. Fragen wir aber auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen nach den Bedingungen, unter denen die sitzenden Statoblasten zur Ausbildung gelangen, so läfst sich jedenfalls so viel behaupten, dafs die Ursache keine einfache ist, dafs vielmehr, neben der stärkeren Chitinisierung der Cuticula, auch das Substrat, die Druckverhältnisse, Belichtung, Strömung und vielleicht sogar der Ursprung der Kolonie in Betracht kommen werden.

IIO K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Ob aus den beiden Arten von Statoblasten verschieden geformte » Embryonen : hervorgehen, wage ich nicht endgültig zu entscheiden, glaube es aber nach den von mir gemachten Beobachtungen nicht. Dagegen ist es sehr wohl möglich und sogar in hohem Grade wahrscheinlich, dafs der (sesamthabitus der Kolonie ein anderer wird, je nachdem dieselbe aus sitzenden oder aus Schwimmringsstatoblasten hervorgegangen ist. In der Natur der letzteren liegt es, dafs sie, durch das Wasser zerstreut, bald hierhin, bald dorthin getrieben werden. Der ausschlüpfende Embryo findet ein weites, unbesetztes Terrain, auf dem er vielleicht durch einen glücklichen Zufall der alleinige Besitzer ge- worden; er kann sich frei nach allen Richtungen hin entfalten und wird durch weithin kriechende, der Unterlage dicht anhaftende Sprosse vor allem erst für eine ausgiebige Befestigung, eine möglichste Ausnutzung des gegebenen Raumes zu sorgen haben, kurzum im allgemeinen den hirschgeweihartigen Plumatellatypus zur Entwickelung bringen. Anders die »Embryonen« der sitzenden Statoblasten. Gebannt mit vielen ihresgleichen an den Ort ihrer Entstehung werden sie gar bald durch die gleichzeitige Entwickelung der Nachbarindividuen an der freien horizontalen Ausbildung ihrer Sprosse behindert werden. Nur noch in vertikaler Richtung, frei in das umgebende Medium hinein, können die Zweige emporwuchern und bilden so bald ein rasenförmiges Gewirr von Röhren, das um so dichter werden mufs, je dichter die sitzenden Statoblasten auf der Unterlage ver- teilt waren, d. h. im allgemeinen, je gröfser die Zahl der Generationen war, die auf ein und demselben eng umgrenzten Raum vegetiert und neue Statoblastenmengen erzeugt haben. Acceptieren wir diese durchaus nicht gewagte, sondern bei klarer Überdenkung der vorhandenen Faktoren von selbst sich ergebende Hypothese, so wird uns zunächst wenigstens die Thatsache völlig begreiflich, dafs typische Alcyonellaformen noch niemals auf Blättern beobachtet wurden, weil eben die Vorbedingung, Häufung der sitzenden Statoblasten durch Generationen hindurch, auf diesem Substrat nicht erfüllbar ist. Auch die weitere Folgerung dürfte sich vielleicht nach darwinistischen Gesetzen ziehen lassen, dafs im Laufe der phylogenetischen Entwickelung die aus den sitzenden Statoblasten hervorgehenden Kolonien nunmehr eine Tendenz zu gedrängtem Wachstum auch da er- kennen lassen, wo sie vielleicht anfangs räumlich in keiner Weise beschränkt sind, wie dies namentlich bei dem Tegler Exemplar auf Seerosenblättern mit sitzenden Statoblasten der Fall ist. Dennoch reichen diese wenigen Gesichtspunkte bei weitem nicht aus, um alle die zahlreichen Fragen zu lösen, welche die so ungemein komplizierten Verhältnisse der Reproduktion und der Stockausbildung dem Forscher zur Beantwortung vorlegen. Zwar wäre es nicht eben schwer, auf dem Wege der Hypothese noch einige Schritte vorwärts zu thun; wirklich befriedigende Resultate aber wären auf diese Weise sicher nicht zu erreichen. Vielmehr ist es das Experiment allein, das hier entscheiden kann, und das dem künftigen Forscher, der planvoll zu Werke geht, manche schöne Ent- deckung in Aussicht stellt. Derselbe würde zunächst die Schicksale der Eiembryonen, den Zeitpunkt und die Art ihrer Statoblastenbildung, die gewifs nicht sehr grofse Variationsweite ihrer Wachstumsformen zu studieren haben, das Verhalten der Schwimm- ringsstatoblasten auf Holz und auf Blättern untersuchen und die Bedingungen für das

K. KRAEPELIN, Die deutschen 'Süfswasserbryozoen. III

erste Auftreten der sitzenden Statoblasten, das ja neben den oben skizzierten Ursachen auch noch an ein bestimmtes Alter gebunden sein könnte, feststellen. Endlich wäre mit sitzenden Statoblasten an einjährigen Blättern zu experimentieren und hiermit in Ver- bindung klar zu legen, ob die aus der einen oder der andern Statoblastenart hervor- gegangenen Kolonien in Bezug auf Cuticularbildung, Wachstum und Statoblastenbildung irgend welche konstanten und klar definierbaren Unterschiede erkennen lassen. *)

Die Schwimmringsstatoblasten der Plumatellen sind in jedem Falle durch ihre ellipsoidische Gestalt und durch die Eigentümlichkeit charakterisiert, beim andauernden Kochen in Kalilauge micht blofs in zwei Hälften aufzuspringen, sondern noch überdies in je eine innere und eine äufsere Chitinschicht sich zu spalten. Erstere stellt eine völlig glattwandige, uhrglasförmige Schale dar (Taf. III, Fig. 94), letztere gleicht einem Stroh. hute, dessen »Kopf« von dichter oder zerstreuter stehenden, kleinen, rundlichen Buckeln besetzt ist, während die Krempe von jenem ziemlich weitmaschigen System lufthaltiger Chitinkammern gebildet wird, das von jeher als Schwimmring bezeichnet wurde (Fig. 95, 96). »Kopf« und »Krempe« sind ziemlich scharf von einander abgesetzt; Rücken- und Bauchseite des Statoblasten zeigen beide Teile in etwas verschiedener Ausbildung, insofern auf dem Rücken (Fig. 95) das Kammersystem einen kleineren zentralen Kopfteil übrig läfst, als auf der Bauchseite (Fig. 96). Die äufsere Form und Gröfse der Stato- blasten ist so mannigfachen Schwankungen unterworfen, dafs es auch hier ungemein schwer hält, bestimmte Formenreihen gegen einander abzugrenzen. Namentlich sind es die Gröfsenverhältnisse, welche zur Benutzung als Artmerkmale sich als völlig unbrauchbar erweisen, da z. B. die Statoblasten ein und derselben Kolonie, ja desselben Sprosses um die doppelte Gröfse (Flächenmafs) von einander differieren können und diese Differenz noch erheblicher Steigerung fähig ist, wenn wir Statoblasten verschiedener Kolonien, die aber aus andern Gründen der gleichen Art zugerechnet werden müssen, gegen einander halten. Etwas konstanter und daher etwas günstiger für die Aufstellung von Artunter- schieden erweist sich die Form. Schon Aliman unterschied bei seinen Arten »Öreites und »längliche« Statoblasten, und in der That läfst sich nicht. leugnen, dafs in der Regel beide Formen ziemlich scharf von einander sich abheben. Kann ich doch infolge zahl- reicher Messungen konstatieren, dafs bei ersteren das Verhältnis von Länge und Breite zwischen 1:ı und 1:1,4 zu schwanken pflegt, während bei letzteren für dieselben Ver- hältnisse ı : 1,6 bis 1:2,8 gefunden wurden. Dabei ist noch hervorzuheben, dafs diese »langen« Statoblasten vielfach auch durch ausgeprägten Parallelismus ihrer Seitenränder charakterisiert sind. Wird es somit möglich sein, auf Grund der verschiedenen Ver- hältnisse von Länge und Breite zwei getrennte Formenreihen aufzustellen, so führt doch jeder weitere Versuch, dieselben wieder in Untergruppen zu zerlegen, die etwa durch die Ausbildung des Schwimmrings, die ovale oder runde Form der inneren Chitinkapsel, die

*) Jullien (93, pag. 107) bespricht die hier behandelten Verhältnisse in folgender Weise: »Icı elle (la Plumatelle) atteindra la forme d’Alcyonelle, à coté elle gardera celle de Plumatelle, dien malin celui qui dira pourquote (1). |

112 K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen.

Höckerbildung der Scheibenfläche, die Farbe etc. unterschieden wären, zu So augen- fälligen Unzuträglichkeiten, dafs es bei Obigem sein Bewenden haben mufs. Es unter- liegt ja keinem Zweifel, dafs in allen den eben genannten Teilen beträchtliche Differenzen sich nachweisen lassen; dieselben werden aber so allmählich durch Übergänge verknüpft. dafs die Aufstellung scharfer Grenzlinien lediglich als Akt der Willkür erscheinen müfste. Namentlich ist hier nochmals hervorzuheben, dafs meine Bemühungen, die Gattungen Alcyonella und Plumatella nach solchen Merkmalen zu scheiden, völlig erfolglos ge- blieben sind.

Die nachfolgenden Tabellen, eine kleine Auslese der Mafse, welche ich von den verschiedenen Formen mit »länglichen« und »breiten« Statoblasten erhalten habe, mögen dieser Behauptung zur weiteren Stütze dienen.

A. Alcyonella und Plumatella mit „länglichen“ Statoblasten.

e a oo

I. 2. ce 4. 5. Typische PI. fruticosa | Typische PI. fruticosa | Typische PI. fruticasa | Dichte Alc. Benedeni | Raseat. Me Benedeni Allman Allman Allman Allman Allman Altbreisach. Bille b. Hamburg. | Bille b. Hamburg. Lëns SE KE Länge | Breite |p. . L. | Länge | Beste Br. :L. Länge | Breite Ip, . es Breite pe. wi | Breite |, a L Sn _mm BR m (P mm vit mm Be. Raa E | mm | r JI mm. | mm 0,57 | 0,23 | 0,54 | 0,21 EES 05 | 0,2 1 nsl SS | 0,31 |1:1,9| 0,49 | 927 0,56 | 0,2 I: 2,79] 0,53 | 0,21 |, 0,5 0,24 a 0,49 | 0,3 0,49 | 0,26 0,53 | 0,2 0,51 | 0,23 0,49 | 0,27 0,49 4 0,26 | 0,49 | 0,24 I:2 0,51 | 0,23 0,49 | 0,23 0,49 | 0,24 0,47 | 0,29 0,47 | 0,27 | ı:ı7 0,51 | 0,2 0,41 | 0,21 |1:1,93 0,46 |! 0,29 | 1:1,6| 0,47 | 0,24 0,48 | 0,23 0,44 | 0,27 0,44 | 0,24 0,47 | 0,24 | 1:2 0,46 | 0,21 Ä 6. 7. 8. 9. ro. Typische Pl. emarginata Plumatella Rasenf. Alc. Benedeni | Piumatella emarginata | Alcyaneliside Piumat. Allman aus Allman Allman aus dem nn sede Sp Blumenau (Brasilien), Würzburg. Yedo (Japan). Ryckflufs (Greifswald). Länge Ke Breite L. Lange an Breite | = Br. : L. | Lange | E Be: L. e ae Breite | © Br, . L.| Länge | Breite "nc L mm mm ; mm mm! mm a 0,24 0.27 JI: SS EN 0,44 | 0,23 |1:1,94| 0,43 | 0,23 |1:1,87 0,23 0.26 0,43 | 0,24 0,41 | 0,24 0,26 0,23 11: 1,94] 0,41 | 0,24 0,39 | 0,21 0,23 0,26 0,4 0,26 0,37 | 0,24 |1:1,53 0,29 0,21 0,4 0,24 0,37 | 0,23 0,23 0,24 0,37 | 0,24 |1: 1,53] 0,36 | 0,23 0,23 0,37 | 0,21

Die Länge der Statoblasten von obigen 10 ausgewählten Formen variiert also, ohne irgend einen Sprung zu zeigen, von 0,57 bis 0,36 mm, die Breite von 0,3 bis oz.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 113

Das Verhältnis von Breite zur Länge variiert von 1:1.53 bis 1:2,79; als typisch kann man etwa das Verhältnis ı : 1,8 annehmen.

B. Alcyonella und Plumatella mit „breiten“ Statoblasten.

Å. 2. 3. 4. 5. Alcyonella fungosa | Alcyonelloide Pluma- | Typische Alc. fungosa} Rasenf. Plumatella | Typische Alcyonella mit freien aufrechten tella Ems aus dem Kiöhlbrand. fungosa

Zweigen. Elbe. Ryckflufs (Greifswald in Westphal ; Kiel

(Taf. V, Fig 126). yckflu st rellsw ). ın estphalen. (Taf. IV, Fig. rio). aus Kiel.

Länge | Breite B | Linge | Breite |p, . [Länge | Breite ‚Br | Lange | Breite jp, . g, | Länge | Breite "pe op omm | mm ` mm | mm | ` | mm mm "EP mm | mm | mm | mm | 0,53 0,53 | 0, 0,33 0,41 | 0,33 | | 0,31 0,47 | i O,3I 0,41 0,3 E : ! 0,3 I: 1,28 0,44 | | 0,31 0,4 0,3 0,31 0,43 0,29 0,39 | 0,34 0,29 0,4 | 0,27 |1: 1,42 0,36 0,3 0,3 1:1,33 0,39 0,29 0,36 | 0,29 0,39 0,29 | 1:1,2| 0,34 | 0,33 0,37 0,26 0,33 | 9,31 0,31 | 0,30 JI: = 6. 7. 8. Q. 10. Dichte Pl. repens | Dichte (alcyonelloide) | Typische PI. repens | Plumatella Dumortieri Plumatella auf Schilf Piumatella repens Laut Nymphaeablättern | auf Nymphaeablittern auf Schilf Bille. Gottingen. Bille. Bille. Yedo (Japan). Linge ! Breite Br. : 1 Länge | Breite Séi SE. L. | inge 1 Breite ig, . | Länge | Breite Br SS ei gr |. Breite WS mm =l mm L. mm_| mm | mm _ a mm | mm SE

__m m TI"

0,39 | 0,27 Fa 1,42 Kaes 5:36 I: 1.391 0,34 | 0,27 |

eae 0,24

0,37 | 0,27 0,34 | 0,27 0,26 |1:1,33 0,24 |1: 1,35] 0,29 | 0,24 0,34 | 0,26 0,33 | 0,27 |1:1,2] 0, 0,24 0,24 0,29 | 0,23 |1:1,25

0,31 | 0,26 |1: 1,221 0,3 0,24 | 0,27 0,24 0,27 | 0,26

0,26 0,23 |1: 1,12] 0,27 | 0,21

0,26 | 0,24

0,23 | 0,2 0,21 | 0,21 | 1:1

0,24 ! |

Die Länge der Statoblasten von obigen 10 ausgewählten Formen vartiert also, ebenfalls ohne merkbare Lücke, von 0,53 bis 0,21 mm, die Breite von 041 bis 0,21. Das Verhältnis von Breite zur Länge variiert von 1:1 bis 1:1,42; als typisch kann man etwa das Verhältnis I : 1,25 annehmen. —- Beide Tabellen lassen demnach erkennen, dafs die Aufstellung zweier getrennter Formenreihen nach dem Verhältnis von Breite zur Länge der Statoblasten nicht der Berechtigung entbehrt, dafs aber die massigen (alcyonel- loiden) Formen in keiner Weise von den locker hirschgeweihartigen (plumatelloiden) durch Gröfse oder Gestalt der Statoblasten unterschieden sind.

Über die biologischen Verhältnisse, soweit dieselben nicht schon durch die vor-

15

114 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

stehenden Darlegungen berührt wurden, wüfste ich nicht viel besonderes mitzuteilen. Bei der ungemein grofsen Variabilität der Formen liegt es nahe zu vermuten, dafs gerade die Gruppe der Plumatellen unter aufserordentlich verschiedenen äufseren Lebensbedingungen gedeihen kann. Stehende und fliefsende Gewässer, süfses und brackiges Wasser dienen ihnen gleicherweise zum Aufenthalt, jegliche Art fester Körper als Fixationspunkt. Das erste Auskriechen der Winterstatoblasten beobachtete ich am 4. Mai, die ersten Eiembryo- nen um Mitte Juni, doch unterliegt es keinem Zweifel, dafs andere Formen viel später diese Stadien durchlaufen. Auf die massenhafte Statoblastenproduktion schon im Frühling und die merkwürdig schnelle Entwickelung des darin zur Ausbildung gelangenden jungen Individuums ohne ein winterliches Ruhestadium wurde schon Pag. 86 hingewiesen.

Die Verbreitung der Plumatellen ist eine sehr grofse. Von den Kontinenten ist es nur Afrika, in dem bisher ihr Vorkommen nicht nachgewiesen wurde.

Kritik der Arten. Wenden wir uns nunmehr zur kritischen Besprechung der bisher von den Autoren unterschiedenen Spezies, so wird es gut sein, wenn wir zunächst die europäischen »Arten« ins Auge fassen. A//man führt in seiner Monographie 3 Al- cyonella- und 10 Plumatellaarten auf, denen Parfitt und neuerdings Kafka noch jeder 2 neue Plumatellen hinzugefügt haben, so dafs aus Europa allein 17 selbständige Formen mit ihren Varietäten beschrieben sind. Da wir die Alcyonellen nur als Wachstumsformen der Plumatellen betrachten können, so folgt zunächst, dafs die 3 A//manschen Alcyonella- arten auf gewisse Plumatellen zurückgeführt werden müssen, von denen sie sich eben nur durch das Zusammenwachsen der Röhren unterscheiden. Es ist Allman selbst. welcher einen solchen Zusammenhang geahnt hat, wenn er (61, pag. 105) schreibt: Plu- matella emarginata admits of an interesting comparison with Alcyonella Benedeni, to which it seems to be related exactly as PL repens is with A. fungosa«. In der That können wir im Hinblick auf die Form der Statoblasten, die Ausbildung von Kiel und Furche etc. gar nicht zweifelhaft sein, dafs Allman hiermit das Richtige getroffen hat. und dafs Alc. fungosa als eine bestimmte Wachstumsform der P1. repens, Alc. Benedeni als eine solche der Pl. emarginata Allman aufzufassen ist. Die dritte Alcyonella in Allmans Werk, A. flabellum van Beneden, welche sich durch die eigentümlich fächer- förmige Ausbreitung der Zweige an den zwei entgegengesetzten Polen der im übrigen noch stabförmigen Kolonie auszeichnet, dürfte sich als eine junge, aus einem Zzembryo hervorgegangene Kolonie erklären lassen, da diese Eiembryonen zunächst zu einem stab- förmigen, an beiden Enden mit einem Polypid besetzten Rohr auswachsen, wie dies Fig. 127 (Taf. V) veranschaulichen mag. Das weitere Wachstum dieser jungen, einer typischen Alcyonellakolonie entstammenden Embryonen habe ich leider nicht verfolgen können, doch wird man es kaum zu gewagt finden, wenn ich die in Fig. 87 und 86 (Taf. III) skizzierten Formen *), im Juli gesammelt, als weitere Entwickelungsstadien solcher

*) Dieselben verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Stud. F. Braem in Königsberg, der, obwohl selbst mit Untersuchungen über Süfswasserbryozoen beschäftigt, mir bereitwilligst die Veröffentlichung der von

ihm gemachten Funde gestattete.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 115

Embryonen in Anspruch nehme. Dieselben stellen mit ihren fächerförmig gedrängten Zweigen die typische Alcyonella Flabellum A//mans dar, sind aber im übrigen, nament- lich auch in den Statoblasten, mit Alcyonella fungosa, scil. Pl. repens übereinstimmend.

Fragen wir nun nach den Merkmalen, welche Allınan zur Aufstellung seiner Plumatellaarten bewogen haben, so finden wir neben der stets in erster Linie figurierenden Verschiedenheit des Wachstums ob dicht oder locker, kriechend oder aufrecht vor allem die stärkere oder schwächere Chitinisierung der »Ectocyste« und damit in Ver- bindung das Vorhandensein oder Fehlen eines »Kiels« und einer »Furche« (vgl. Pag. 73), die mehr oder weniger scharf hervortretende »Ringelung« der zartwandigen Mündungs- zone, die Form der Zweigenden und der Intertentacularmembran, die Zahl der Tentakeln und endlich die Form der Statoblasten. Von allen diesen Merkmalen läfst sich ohne Ausnahme nachweisen und von den wichtigsten ist dies im vorhergehenden schon genügend hervorgehoben —, dafs sie in exzessiver Weise variieren, und dafs nur viel- leicht in Bezug auf die Form der Statoblasten die Differenzierung schon in der Jetztzeit .so weit gediehen ist, dafs man selbständige Arten unterscheiden kann. Als Formen mit gestreckten Statoblasten erwähnt Allman neben der Alc. Benedeni und PL emarginata, die beide schon oben als zusammengehörig bezeichnet wurden, noch P1. stricta van Beneden, Pi. Allmani Hancock und Pi. fruticosa Allman. Erstere, von van Beneden als typisches Bild für Pl. repens dargestellt, soll durch den Mangel von Kiel und Furche von Pl. emarginata verschieden sein, Pl. Allmani hingegen lediglich durch die oberwärts zuweilen keulenförmigen »Zellen«, während Pl. fruticosa sich durch ihr aufrechtes Wachs- tum, sehr lange Statoblasten, den Besitz eines Kiels beim Mangel der »Furche« aus- zeichnet. Pl. stricta und Allmani dürfen unbedenklich in den Formenkreis der Allmanschen Pl. emarginata eingereiht werden; Pl. fruticosa hielt ich längere Zeit für eine selbständige Art, da sie in der That bei typischer Entwickelung ihrer sehr robusten, fast völlig aufrechten Zweige und der ungeheuerlich langen (1: 2,6) Statoblasten sehr leicht zu erkennen ist. Nachdem ich aber einerseits langhin der Unterlage aufliegende Exemplare mit sehr ge- streckten Statoblasten, andererseits völlig aufrechte mit verhältnismäfsig kurzen Stato- blasten (oder gar langen und kurzen bunt durcheinander) aufgefunden (Vgl. Tabelle A. 1., 2., 3. auf Pag. 112), wage ich die Selbständigkeit auch dieser Form nicht mehr aufrecht zu erhalten. Endlich wäre als hierher gehörig wohl noch die P1. jugalis Allm. zu erwähnen, von der Allman zwar Statoblasten nicht beobachtete, die aber durch ihren ausgeprägten Kiel der Emarginatareihe sich anzuschliefsen scheint. Charakterisiert wird sie, gleich Alc. Flabellum, lediglich durch die Bilateralität des Wachstums. Auch hier dürfte es sich um eine junge, aus einem Ziembryo hervorgegangene Kolonie handeln, deren weiteres Entwickelungsstadium vzellescht durch Fig. 88, eine junge Pl. emarginata mit /angen Statoblasten, dargestellt wird.

Von den in Al/mans Monographie aufgeführten Arten mit »drezten«, ungefähr Medaillonform zeigenden Statoblasten wurden Alc. fungosa, A. flabellum und Pl. repens schon oben als zu einer Art gehörig bezeichnet. Es bleiben noch die Arten P1. Du- mortieri, elegans, corallioides Allman und PL punctata Hancock zur Besprechung

116 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

übrig. Von diesen charakterisiert sich Pl. Dumortieri sofort als eine etwas derbwandigere (wohl weil ältere) und daher auch mit schwachem Kiel und Furche ausgestattete Pl. repens, wie mir namentlich auch daraus mit Evidenz erwiesen scheint, dafs dieselben Seerosen- blatter, welche im Juni ausschliefslich typische Pl. repens trugen, später im Juli und August fast ebenso ausnahmslos mit brauner gefärbten, schwach gekielten und in der Mündungszone hie und da geringelten Exemplaren, kurzum mit der A//manschen Pl. Du- mortieri besetzt waren. Von der PL coralloides hebt Aman selbst hervor, dafs sie „an intimate relation, zu Alc. fungosa besitze und lediglich durch die an den Enden nicht verklebten Röhren von letzterer unterschieden sei. Pl. elegans gleicht in der Allmanschen Abbildung ganz seiner Pl. Dumortieri, die Mündung soll nur »weniger ge- ringelt«, die Statoblasten etwas schmäler sein, ohne jedoch, wie ich hinzufügen will, die Variationsweite der Statoblasten von »Pl. repens« in dieser Hinsicht zu überschreiten. Ein dritter Unterschied von Pl. Dumortieri, der in den kürzeren Zacken der Inter- tentakularmembran gefunden wird, dürfte kaum in Betracht kommen. Pl. punctata Han- cock endlich ist von Aman nie selbst gesehen worden; er sagt, dafs sie den Jugend- formen der Pl. repens nahe stehe, ehe diese den röhrigen Typus der Erwachsenen an- genommen. Es ist dies gewifs richtig; dennoch halte ich es nicht für angezeigt, die Hancocksche Pl. punctata den obigen Formen anzuschliefsen. Zweifellos hatte Hancock eine jener extrem hyalinen Formen vor sich, welche es auch im späteren Alter nie zur Bildung aufrechter Röhren bringen, und bei denen die Polypide zum gröfsten Teil, gleich den Polypiden einer Pectinatellakolonie, in den flach aufliegenden Cylinderröhren gemein- sam ruhen und nur durch wenig vorragende Tuberkeln an der Oberseite der Röhre ihr Vorhandensein darthun (Vergl. Pag. 107). Da diese Form gleichzeitig durch die spezifische, im späteren noch genauer zu schildernde Gestalt ihrer Statoblasten recht gut von den andern Plumatellen sich abhebt, so wird sie als Repräsentant einer dritten Formenreihe zu bezeichnen sein. Einen indirekten Beweis hierfür darf man auch wohl darin erblicken, dafs sie sich stets, wo sie mit Pl. repens vergesellschaftet ist, auf das schärfste von dieser Art abhebt, wie das nach dem Leben gezeichnete Bild Fig. 110, Taf. IV (oben alcyo- nelloide Plumätella repens, unten Pl. punctata, Herbststadium) ohne weiteres erkennen läfst.

Die beiden von /arfitt (70) aufgestellten Plumatellen PL Limnas und Pi.

lineata sind so abenteuerlich in Beschreibung und Zeichnung, dafs ich über sie kein endgültiges Urteil zu fällen wage. P1. lineata dürfte der Formenreihe der Pl. emarginata angehören, PL limnas ist nach einem einzigen Exemplar mit 3 Statoblasten davon 2 abnorm aufgestellt, jedenfalls ein Wagnis, das jeden Kenner der gewaltigen Va-

riationsweite unserer Tiere mit einer gewissen Bewunderung erfüllen mufs. Was aber die Kafkaschen (86) Arten anlangt, so bin ich durch die Liberalität des Autors in der glücklichen Lage, sie aus eigener Anschauung beurteilen zu können. Danach unterliegt es keinem Zweifel, dafs seine Pl. lophopoidea als eine Wachstumsform der Hancock- schen Pl. punctata zu bezeichnen ist, während die Pl. hyalina durch Kiel, Furche und Statoblasten (im Mittel 0,32 mm l. und 0,22 mm br.) der Pl. elegans Allman nahe steht, von der sie sich nur durch den dichteren, rasigen Wuchs der Kolonie unterscheidet,

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 117

jedenfalls also dem Formenkreise der PL repens Allman eingereiht werden mufs. Über Namen und Kennzeichen einer von Hancock (67) im Jahre 1860 kreierten neuen Pluma- tella habe ich nichts in Erfahrung bringen können; jedenfalls wird sie keinen durchaus neuen Typus repräsentieren, da sie sonst wohl schwerlich nur in den »Trans. Tyneside Nat. Field Club« publiziert worden wäre.

Als Endresultat unserer Besprechung der europäischen Plumatellen dürfte sich demnach ergeben, dafs mit einigermafsen scharfen, definierbaren Grenzen nur drei Formen- reihen sich herausheben lassen, von denen zwei durch mehr oder minder entwickelte auf- rechte Zweige, hervorgerufen durch stärkere Chitinisierung, von der dritten durchaus hyalinen, fast pectinellaartigen unterschieden sind, während sie selbst wieder durch das verschiedene Verhältnis der Länge zur Breite ihrer Statoblasten, weniger scharf durch die verschiedene Ausbildung von »Kiel und Furche« von einander abweichen. Als Haupt- vertreter dieser drei Reihen würden wir einmal die Pl. emarginata Allm. plus Alc. Be- nedeni Allm.), sodann die Pl. repens (plus Alc. fungosa), endlich die Pl. punctata Han- cock anzusehen haben.

Betrachten wir nunmehr die Arten, welche von amerikanischen Forschern aufgestellt wurden, so ergiebt sich mit Leichtigkeit, dafs auch hier wieder jene obigen drei Formen- reihen, aber anscheinend auch zur diese, vertreten sind. Zezdys PL nitida ist schon nach Ad/mans Urteil in nichts von der europäischen P. repens unterschieden, und dasselbe möchte ich von der PL Arethusa Hyatt behaupten, deren recht mangelhafte Beschreibung und Abbildung (69, pag. 223—24) keinerlei Verhältnisse erkennen läfst, die die Auf- stellung einer selbständigen Art rechtfertigen könnten. Die Pi. diffusa Leidy unter- scheidet sich nach A//man (61, pag. 105) lediglich durch die »slight dilatation of the cell just below the orifice«, d. h. also so gut wie gar nicht von der europäischen PI. emarginata, und die P. vesicularis Leidy endlich ist so augenscheinlich identisch mit der Pl. punctata Hancock, dafs selbst Allman (61, pag. 102) kein unterscheidendes Merkmal zwischen beiden auffinden konnte. Allerdings hat dann noch Hyatt (69, pag. 224) eine weitere Spezies, Pl. vitrea, aufgestellt, die vornehmlich durch gröfsere Statoblasten aus- gezeichnet ist; nachdem ich aber bei Hamburg ebenfalls die hyaline Formenreihe in ganz exzessiver Weise in Bezug auf die Gröfse der Statoblasten variieren gesehen (vgl. Fig. 153 und Fig. 154, Taf. VII), glaube ich auch die Selbständigkeit der Pl. vitrea nicht an- erkennen zu sollen.

Über die sonstigen fremdländischen Formen ist wenig zu sagen. Durch Carter (64) ist das Vorkommen der Repens-Reihe in /ndien, durch Whitelegge in Australien nachgewiesen, während Apr im letztgenannten Erdteil die Emarginata-Reihe auffand, zu der sonder Zweifel auch die nach dessen Material von Gz//:vrats (66) neu aufgestellte Pl. Aplini (unterschieden gleich der Pl. diffusa Leidy durch die »upwards expanded cells«) zu rechnen ist. Ich selbst konnte nach dem Material des Berliner Museums das Auf- treten von Pl. repens und emarginata in Japan konstatieren; desgleichen gehörten die aus Brasilien von Herrn Prof. Fritz Müller mir gütigst übersandten Bryozoen ausschliefs- lich der Emarginata-Reihe an.

118 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

So scheint mir denn auch das bisher vorliegende, allerdings noch ziemlich spär- liche aussereuropaische Material deutlich darauf hinzuweisen, dafs in der That die von mir im obigen aufgestellten drei Formenreihen in den verschiedensten Faunengebieten der Erde in gleicher Weise typisch vertreten sind, und dafs neben diesen kaum wirklich neue Typen der Plumatellagruppe zu erwarten stehen. Nur von den Philippinen ist mir durch das Berliner Museum eine Form bekannt geworden, welche zwar durch die Stato- blasten eng mit den hirschgeweihartigen Formen Europas verbunden ist, im Übrigen aber eine solche Reihe von Eigentümlichkeiten besitzt, dafs sie als besondere Spezies betrachtet werden mufs.*)

Was nun endlich die Nomenklatur anlangt, so würde ich gern für meine drei Formenreihen die älteren Namen der Autoren zu Grunde legen, wenn ich nicht fürchten müfste, hierdurch noch weit mehr Verwirrung in die ohnehin recht verwickelte Nomen- klatur zu bringen, als dies durch neu gewählte Namen geschehen kann. Zwar hat schon Jullien bei seiner Reduktion der europäischen Arten eine neue Benennung in Anwendung gebracht; dieselbe zeugt aber von einer solchen Unkenntnis der verschiedenen zusammen- gehörigen Formenreihen, wirft so heterogene Elemente bunt durcheinander, dafs sie völlig wertlos ist. So umfafst seine Pl. repens neben den sicher in diesen Formenkreis ge- hörigen Pl. Dumortieri, corallioides, elegans, Alcyonella fungosa etc. auch Pl. emarginata, Alcyonella Benedeni und Pl. punctata Hancock, d. h. also Vertreter aller drei von mir unterschiedenen Arten. Für die Plumatellen mit /angen Statoblasten (Emarginata-Reihe) hat er den alten Vaucherschen Namen P1. lucifuga wieder hervorgeholt, obgleich es nach dem übereinstimmenden Urteil aller kompetenten Autoren ganz unmöglich ist, festzustellen, welche Form Vaucher seinerzeit vor sich gehabt, und Dumortier und van Beneden aus- drücklich hervorheben (47, pag. 19), dafs dieser Forscher im Text seiner mit 25—32 (0 Tentakeln versehenen PI. lucifuga runde Statoblasten zuschreibt, dafs aber in der Feur

*) Anhangsweise möge eine kurze Beschreibung derselben hier Platz finden.

Pl. philippinensis n. sp. Kolonie hirschgeweihartig verzweigt, nur mit horizontal kriechenden Asten, sehr dicht (Taf. III, Fig. 81, Stück in natürl. Gröfse). Die Verzweigung bietet vielfach deutlich das Bild eines »Dichasium«, insofern zwischen zwei annähernd gleich starken Seitenästen scheinbar die Hauptachse mit einem kurzen unverzweigten Röhrchen endigt (Taf. III, Fig. 82). Rühren fast sämtlich dunkelrotbraun (meist auch die allerjüngsten), etwas glänzend, nicht inkrustiert, stark gekielt, aber ohne hyaline Mündungszone. Letztere (bei Spiritusexemplaren) flach, deckelartig die Mündung verschliefsend. Statoblasten stets mit Schwimmring, denen der Pl. emarginata gleichend (Taf. III, Fig. 83), stark gebräunt; Länge 0,4 bis 0,471 mm, Breite oz bis 0,255; Verhältnis von Breite zur Länge wie 1:1,7 bis 1: 2,07. Zahl der Tentakeln ? Fundus des Magens spitz kegelförmig ausgezogen.

Die hervorstechendsten Eigenschaften dieser Art liegen einmal in der äusserst derbwandigen Cuticular- schicht, welche augenscheinlich auch bei ihrer Entstehung niemals schleimig oder klebrig ist, da die Kolonie mit Leichtigkeit i zofo von der Unterlage (Vallisneriablätter) abgehoben werden kann; sodann in der eigentümlichen dichasiumartigen Verzweigung und dem gänslichen Mangel aufstrebender Sprosse, der namentlich an den Rändern der Unterlage durchaus typisch hervortritt. Hier biegt nämlich die Kolonie ganz im Gegensatz zu allen mir bekannt gewordenen Plumatellen ohne Weiteres um den scharfen Rand des Blattes um, auf diese Weise auch die andere Seite besiedelnd, ohne dafs auch nur ein einziger Sprofs sich freier vom Rande des Blattes in das umgebende Medium erhöbe. Libmananflufs und See Buhi auf Luzon, Philippinen. /. Yagor legit.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 119

durch Versehen des Graveurs dieser Form die Jongen Statoblasten einer » 7udbulaire rampante« zudiktiert wurden. Unter diesen Verhältnissen scheint es unzuläfsig, dem Beispiele Fulliens zu folgen, um so mehr, als derselbe auch Fredericella sultana seiner Pl. lucifuga zurechnet, während er andererseits die sämtlichen amerikanischen Plumatellen nicht allein als selbständige Arten fortbestehen läfst, sondern einige von ihnen (Pl. vesi- cularis Leidy, Pl. vitrea Hyatt) sogar zu einem neuen Genus „Hyalinella“ erhoben hat.

Wir müssen daher, indem wir nunmehr zur Charakterisierung unserer 3 Formen- reihen und ihrer Variationen übergehen, zur Aufstellung neuer Namen unsere Zuflucht nehmen und wählen für die Emarginata-Reihe die Bezeichnung PI. princeps*), für die Repens-Reihe Pl. polymorpha, während wir für die Punctata-Reihe den Namen Pl. punctata Hancock beibehalten.

1. Plumatella princeps Kraepelin.

Stock röhrig, stets verzweigt, mit kriechenden und aufrechten Seitensprossen. Letztere entweder einfach hirschgeweihartig, oder dicht rasig, oder im extremen Fall zu massigen Klumpen mit einander verklebt. Aufsere Cuticularschicht meist derb- wandig, stark gebräunt und inkrustiert, mit mehr oder weniger stark hervortretendem "Kiel, der gegen die meist scharf abgesetzte, zartwandige Mündungszone in eine delta- artige Verbreiterung überzugehen pflegt (Taf. V, Fig. 123). Statoblasten (auf fester Unterlage) von zweierlei Form. Die mit Schwimmring versehenen gestreckt, 0,36—0,57 mm lang und 0,2—0,3 mm breit; Verhältnis von Breite zur Länge wie 1:1,53 bis 1:2,8 (Taf. VII, Fig. 143, 144, 148). Die festsitzenden meist gröfser und breiter (0,4—0,5 mm lang und 0,3—0,4 mm breit), sehr variabel in der Form, mit zartem, gezacktem Randring (Taf. VII, Fig. 146). Zahl der Tentakeln 42—48 (soweit bis jetzt beobachtet).

Synonyme: 1844 Plumatella emarginata Allman (42). 1844 n fruticosa Allman (42). 1848 3 repens van Beneden (46).

1850 Alcyonella Benedeni Allman (51). 1850 Plumatella Allmani Hancock (54); ebenso Allman (61). 1851 5 diffusa Leidy (57); desgl. Allman (61), Hyatt (69).

1858 D stricta Allman (61). 1860 j Aplini Gillivrais (66), 1885 Sos lucifuga Jullien (93); desgl. Schmidt (94).

Die aufserordentlich zahlreichen Varietäten dieser Art glaube ich Voriehmlich nach dem verschiedenen Modus des Wachstums in folgende Hauptformen scheiden zu können:

*) Der Name soll andeuten, dafs wir in dieser Art wohl die phylogenetisch d/testen Formen der Pluma. tellen zu erblicken haben (Vgl. den Abschnitt F, «lie verwandtschaftlichen Beziehungen der Süfswasserbryozoen ),

I20 . K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Var. a emarginata (= Pl. emarginata Allman, diffusa Leidy, Allmani Hancock etc Rohren weit verzweigt der Unterlage aufliegend, mit kurzen aufrechten Seiten- sprofsen, hirschgeweihartig. Kiel meist deutlich hervortretend, seltener (P. stricta Allman) fehlend (Taf. IV, Fig. 108; Taf. V, Fig. 123). Statoblasten wie bei y und d Verhältnis von Breite zur Länge wie 1: 1,6, bis I: 1,95.

Var. B fruticosa (== Pl. fruticosa Allman).

Kolonie robust, hirschgeweihartig verzweigt, aber strauchig von der Unterlage

sich abhebend; Kiel daher meist weniger entwickelt. Statoblasten meist sehr

gestreckt (Taf. VII, Fig. 148); Verhältnis von Breite zur Länge wie 1: 1,8

bis 1: 2,8.

Var. y muscosa.

Aufrechte Zweige dicht rasig, ein wirres Geflecht dicht gedrängter, aber nicht

verklebter Röhren bildend (Taf. IV, Fig. 111). Kiel nur selten schärfer hervor-

tretend. Statoblasten etwa wie bei e (Fig. 143, 144, Taf. VII).

Var. 6 spongiosa (= Alcyonella Bencden Allman).

Aufrechte Rohren zu massigen Klumpen verklebt, aus welchen nur die zarten

Mündungszonen frei sich abheben (Taf. IV, Fig. 113). Kiel meist wenig deutlich.

Statoblasten wie bei y.

Die geographische Verbreitung dieser Art ist eine ungemein weite: Nordamerika, Südamerika, Europa, Malacca, Japan, Australien.

Die Form @ emarginata, die mit ihrem dunklen Kolorit und der hirschgeweih- artigen Verzweigung, an welcher Kiel und Furche meist deutlich hervortreten, am meisten Ähnlichkeit mit den Fredericellen besitzt, bildet in der Regel ausgebreitete Kolonien au‘ Blättern, Holz und Steinen, deren Unterseite sie gern okkupiert hat. Sitzende Statoblasten sind fast stets vorhanden, selbst bei ganz lockerer Verzweigung; nur auf Blättern wurden sie von mir vermifst. Allman zählt für diese Form drei Fundorte aus /r/and auf; aus Frankreich sind etwa 6 Fundorte bekannt. In der Sckwers findet sie sich im Comer See, in Belgien bei Brüssel und Louvain, in Auss/and bei Dorpat. Aufserdem dürften die Funde von Malacca, Japan, Australien, Nord- und Südamerika dieser Form angehören.

Für Deutschland kann ich als Fundorte angeben: Dresden (Haase); Berlin (Berl. Museum); Marburg (Ruland); Königsberg (Braem); Oder, Naab, Bille bei Ham- burg (Kraepelin).

Die Varietas £ fruticosa erscheint im allgemeinen viel robuster als oe: da sie meist frei von der Unterlage sich abhebt, so sind sitzende Statoblasten in der Regel nicht typisch entwickelt, doch finden sich merkwürdige Zwischenformen zwischen sitzenden und Schwimmringsstatoblasten. Sie ist bisher nur aus /wropa bekannt und zwar durch Allman aus England und Irland (etwa 6 Fundorte), der Schweiz (Luzerner See) und den Pyrenäen ‘Seculejosee). Über ihre Verbreitung in Frankreich ist nichts bekannt. In Norwegen beobachtete ich sie in einem kleinen Waldsee bei Drammen.

‚Als deutsche Fundorte sind mir bekannt geworden: Rheintümpel bei Freiburg (Stuhlmann); Bille und Kanäle in Hammerbrook bei Hamburg (Araepelin).

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 121

Die Varietas y muscosa stellt eine Vorstufe der Alcyonella Benedeni Allman dar, von der sie sich lediglich durch die nicht oder kaum verklebten Röhren unterscheidet, während der dichtrasige Wuchs schon völlig den alcyonelloiden Typus darbietet. In grofsartiger Entwickelung beobachtete ich diese Form, welche stets auch zahlreiche sitzende Statoblasten hervorbringt, im Kohlbrand, einem Elbarm bei Hamburg, wie vor allem in den Röhren der Hamburger Wasserleitung, deren Wandungen sie in gewaltigen, mehrere Centimeter dicken Polstern auf weite Strecken hin auskleidet, von den Beamten als »Leitungsmoos« bezeichnet. Hervorgehoben zu werden verdient, dafs mir aus diesen Röhren kein einziger Rasen bekannt geworden, der durch dichtere Aneinanderlagerung und Verklebung der Zweige in die massig-klumpige Form ô spongiosa übergegangen wäre, während doch an derselben Lokalität die Pl. polymorpha ausschliefslich in der dichten Form der Alc. fungosa auftrat. Man konnte so die Polster beider Arten auf den ersten Blick ohne Prüfung der Statoblasten unterscheiden. Als weiteren Fundort nenne ich den Mainhafen bei Würzburg, dessen Steine vielfach von einer rasigen Plumatella über- zogen sind, die ich dieser Varietät zurechnen möchte.

Die Varietas d spongiosa ist eine Parallelform zur Alc. fungosa der Pl. poly- morpha. Allmans Alc. Benedeni ist vielleicht hierher zu rechnen, doch möchte ich sie lieber als eine intermediäre Form zwischen y und d in Anspruch nehmen, da nach All mans Leichnung die Verklebung der Zweige noch nicht ihre höchste Ausbildung erreicht hat; sie findet sich im Chelmar Kanal in Essex. Typische Exemplare dieser Varietät mit durchaus verklebten Zweigen erhielt ich durch Herrn Dr. Stuhlmann aus Würzburg, wo sie auf Steinen dicke flache Polster bildet. Weit merkwürdiger aber ist ihr Vor- kommen bei Hæmburg, wo sie ausschliefslich an das Auftreten der Paludina fasciata ge- bunden scheint. Hier findet man im Mai und Juni am Strande von Bille und Elbe, auf mehrere Meilen verfolgbar, Tausende und Abertausende von Paludinen, welche, nach Art der Litorinen des Meeres, dicht mit dem Polster dieser Varietät besiedelt sind, und die infolge dieser Bekleidung ebenso vielen, von den Wellen hin und hergeroliten Kartoffeln zum Verwechseln ähnlich sehen. Fig. 113 (Taf. IV) giebt ein Bild dieser eigentümlichen Symbiose, die um so merkwürdiger erscheint, als die zahllosen Steine derselben Lo- kalitäten kaum eine Spur von einer solchen Besiedelung zeigen. Fig. 114 lehrt dann, dafs diese Paludinen auch im Winter dicht mit sitzenden Statoblasten übersäet sind, die dann im nächsten Frühjahr eine neue Generation auf dem alten Wohntier hervorbringen. Schon im Juni sind die Eiembryonen und Statoblasten dieser Form zur Entwickelung gelangt, worauf die Kolonien absterben und sich stückweise von der Paludina, deren Junge ebenfalls im Juni geboren werden, ablösen. In meinem Aquarium konnte ich dann noch beobachten, dafs die jungen, wenige Tage oder Wochen alten Paludinen vielfach von Eiembryonen einen solchen stellt Fig. 127 (Taf. V) dar besetzt waren, dafs jedoch hie und da auch Schwimmringsstatoblasten den kleinen Schnecken fest anhafteten. Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, dafs die neuen Generationen der Paludina sowohl durch Eiembryonen, als auch durch Schwimmringsstatoblasten besiedelt werden, doch gelang es mir nicht, solche einjährigen Paludinen mit werdenden Plumatellakolonien

16

122 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

in der freien Natur aufzufinden. Die Entwickelung der Kolonien auf alten Paludinen aus sitzenden Statoblasten ist leicht zu verfolgen. Es werden zunächst ausschliefslic: basale Kriechröhren gebildet, welche sich rapide auf der Oberfläche der Schneckenschale ausbreiten und dabei dicht gedrängte, im spitzen Winkel schräg aufwärts gerichtete, fast dachziegelig sich deckende, kurze Dorsalsprosse erzeugen, die sich später verlängern.

Erwähnt sei schliefslich noch, dafs eine von W. Müller bei Greifswald zusammen mit Victorella und Cordylophora gesammelte Form durch die auffallend gestreckte Gestait der inneren Chitinkapsel der Statoblasten sich auszeichnete (Taf. VII, Fig. 145), während der Statoblast selbst in seinem Verhältnis von Breite zur Lange, nicht minder aber der ganze- Habitus der Kolonie fast einen Übergang zur folgenden Art darstellt.

2. Plumatella polymorpha Aracpelin.

Stock röhrig, stets verzweigt, mit kriechenden und aufrechten Seitensprofsen Letztere entweder einfach hirschgeweihartig, oder dicht rasig, oder zu massigen Klumpen mit einander verklebt. Äufsere Cuticularschicht meist zartwandig, oft fast hyalin, nament lich an den jüngeren Sprossen (Taf. V, Fig. 122), oder strohgelb; seltener (bei Var. è stark gebräunt mit scharf abgesetzter hyaliner Mündungszone (Taf. V, Fig, 128). ku meist fehlend, zuweilen aber selbst bei hyalinen Formen deutlich hervortretend. Stato- blasten auf fester Unterlage oft von zweierlei Form (auf Blättern meist nur mit einer. Schwimmringsstatoblasten rundlich oval, medaillonförmig, 0,214 bis 0,53 mm lang und 0.2 bis 0,413 mm breit; Verhältnis der Breite zur Lange 1:1 bis 1: 1,5 (Taf. VII, Fig. 130. 140); die festsitzenden oft mit netzig gezeichnetem Randring (Taf. VII, Fig. 141, 142: sonst in Form und Gröfse nicht durchgreifend von denen der Pl. prineeps verschieden Zahl der Tentakeln 42—-60.

Synonyme: 1754 Kammpolyp Schäffer (6). 1754 Federbuschpolyp Roesel (5). 1758 Tubipora repens Linné (Syst. nat. Edit X). 1766 Tubularia gelatinosa Pallas (7). 1768 H fungosa Pallas (8). 1773 S repens Müller (10). 1779 campanulata Blumenbach (11); desgl. Gmelin. 1789 Alcyonium fluviatile Bruguiere (14). 1804 Tubularia lucifuga ? Vaucher (17). 1806 n reptans Turton (Linn. Syst. nat. Vol. IV). 1816 Alcyonella stagnorum Lamarck (18); desgl. Meyen, Ehrenberg, Blainville. Carus, Dumortier, Johnston etc. 1816 Plumatella campanulata Lamarck (18); desgl. Blainville, Gervais, van Beneden. 1816 Naisa campanulata Lamouroux (19). 1816 ,, repens Lamouroux (19). 1826 Plumatella lucifuga ? Blainville (Dict. Sc. Nat. Tom 42).

K. KRAEPELIN, De deutschen Süfswasserbryuzoen. 123

1826 Plumatella calcaria ? Carus (Tab. illustr.)

1828 Alcyonella fluviatilis Raspail (20); desgl. Gervais.

1834 Plumatella repens Blainville (Actinologie p. 490); desgl. Dumortier, Allman, Johnston, Dalyell etc.

1848 Alcyonella fungosa van Beneden (46), desgl. Dumortier und v. Beneden, Allman.

1848 si flabellum van Beneden (46); desgl. Allman (61). 1848 5 anceps Dalyell (48).

1848 i gelatinosa Dalyell (48).

1850 Plumatella corallioides Allman (50); desgl. (61).

1850 eg elegans Allman (50, 61).

1850 Dumortieri Allman (50, 61).

1851 = nitida Leidy (57).

1866 = Arethusa Hyatt (69); desgl. Jullien (94).

1882 5 hyalina Kafka (87).

Diese verbreitetste und häufigste aller Bryozoenarten ist wo möglich noch viel-

gestaltiger als Pl. princeps. Nicht allein in Bezug auf die verschiedenen Wachstumsformen der Kolonie erweist sie sich gleich jener variabel; auch die Beschaffenheit und Farbe der äufseren Chitinbekleidung, die Ringelung der Mündungszone, der Kiel, die Zahl der Tentakeln, wie vor allem die Form der Statoblasten schwankt innerhalb so weiter Grenzen, dafs die verwirrende Synonymik, von der obiges Verzeichnis trotz mannigfacher Aus- lassungen doch schon beredtes Zeugnis ablegt, nur zu gut darin ihre Erklärung findet. Wir wollen im folgenden auch hier eine Gruppierung nach den Hauptwachstumsformen versuchen:

Var. a repens (= Pl. repens, lucifuga ?, Dumortieri, elegans, nitida etc. der Autoren). Röhren weithin kriechend, hirschgeweihartig locker verzweigt, mit nur kurzen, aufstrebenden Seitensprossen (Taf. IV, Fig. 119). Cuticula meist nur leicht ge- bräunt, durchsichtig (Fig. ı22), selten derbwandiger und inkrustiert (Pl. Du- mortieri). Kiel meist fehlend oder undeutlich. Statoblasten nur mit Schwimm- ring, zartwandig, hellfarbig, oft fast kreisrund, klein (Taf. VII, Fig. 139).

Var. R appressa.

Röhren kriechend, verzweigt, aber dicht aneinander gelagert und so die Unter- lage verdeckend (Taf. III, Fig. 84). Aufrechte Seitensprosse fast völlig fehlend. Cuticularschicht besonders an den Seitenwänden der Röhren leicht gebräunt und ziemlich derbwandig, während. die Mitte derselben in breiter Längslinie meist durchsichtig und fast farblos erscheint. Schwimmringsstatoblasten wie bei ve: da- neben oft noch gröfsere schwimmringlose, aber kaum festgeleimte Statoblasten.

Var. y caespitosa. Ä Röhren kriechend, reich gege mit aiee verlängerten und meist eben- falls verzweigten, aufstrebenden Sprossen, die dem Stock ein mehr oder minder rasenartiges Aussehen geben (Taf. IV, Fig. 109, Fig. 110, obere Hälfte). Cu- ticularschicht gelbbraun, derbwandig, kaum durchscheinend, mit hyaliner und hier-

124 K. KRAEPELIN, Die deutschen Sitifswasserbryozven.

durch oft kappenartig sich abhebender Miindungszone (Fig. 128, Taf. Vò, ohne

deutlichen Kiel. Schwimmrings-Statoblasten meist gestreckter, brauner und gröfser,

als bei œ und 8. Sitzende Statoblasten oft vorhanden. Hierher wohl die iZan- sche Plumatella repens var. erecta, sowie dessen P. corallioides. Var. d fungosa (= Alcyonella fungosa, stagnorum etc. der Autoren).

Basale Röhren wie bei y. Aufrechte Sprosse aber dicht aneinander gelagert, bis

auf die Mündungszone fest mit einander verklebt und so gewaltige, über faust-

grofse Klumpen bildend (Taf. IV, Fig. 112). Cuticula braun, ohne deutlichen Kiei.

Mündungszone hyalin, sich scharf abhebend. Schwimmringsstatoblasten wie bei ;

(Taf. VII, Fig. 140); sitzende stets vorhanden (Taf. VII, Fig. 141, 142).

Die Form e repens dürfte von allen Süfswasserbryozoen die häufigste sein. Sie findet sich in fliefsenden wie in stehenden Gewässern, auf grünen Blättern (namentlich Nymphaea, Potamogeton etc.), Stengeln, Wurzeln lebender Pflanzen, wie auf Holz, Borke und Steinen. Die jungen Statoblastenkolonien entwickeln sich schon Mitte Mai und sing anfangs durchaus hyalin, locker hirschgeweihartig verzweigt, ohne eigentliche aufrechte Sprosse, sondern nur mit fast weinglasartig gebauchten Mündungskegeln. Später färben sich die Röhren etwas dunkler (Pl. Dumortieri Allm.), erhalten auch wohl einen undeut- lichen Kiel. Die aufrechten. Sprofse erscheinen verlängert, ihre Mündungszone schlanker, geringelt. Schon Ende Mai fand ich neben Spermatozoen und Eiern reifende Statoblasten.

Der Verbreitungsbezirk dieser Form umfafst den gröfsten Teil von Europa, Nord- amerika, Indien und Australien. In Europa ist sie durch ganz Grossbritannien und Frant- reich ungemein häufig; aber auch in Belgien, der Schweiz, Italien, Dänemark, Norwegen. Schweden, Russland, Böhmen scheint sie nicht minder verbreitet zu sein. Dasselbe gilt von Deutschland, für welches ich allerdings zur Zeit nur folgende sichere Fundorte angeben kann: Berlin (Berliner Museum); Freiburg (Stuhlmann), Dresden (E. Haase : Greifswald (W. Müller), Halle a/S. (Taschenberg); Königsberg (Braem); Ems in Wesi- falen (Pieper), Marburg (Ruland); Saale-, Tauber- und Maingebiet mit Zuflüssen aus dem Odenwald (Leydig); Laacher See, Böhmer Wald bei Furth, Leipzig, Hamburg (Avacpe/7n..

Die Var. 8 appressa ist mir zunächst durch einige von Herrn Prof. v. Martens im Tegeler See bei Berlin gesammelte Exemplare bekannt geworden. Sie hat etwas aufserordentlich Eigenartiges, was noch dadurch erhöht wird, dafs die Kolonien, obgleich auf Seerosenblättern wachsend, fast nur sitzende Statoblasten, die allerdings nur wenig festgeklebt waren, entwickelt hatten. Später glaubte ich dann noch ein Exemplar aus dem Göttinger Museum auf Typhastengel hierher rechnen zu sollen. Auch die Pl. hyalina Kafka, von der ich leider nur ein winziges Stückchen zu Gesicht bekam, dürfte sich hier anreihen lassen, besitzt aber aufstrebende Sprosse.

Die Form y caespitosa ist weit verbreitet. Sie scheint sich überall da zu ent- wickeln, wo der zur Besiedelung gewählte Raum bei weiterem Wachstum der Kolonie nicht ausreicht, also namentlich an dünnen Stengeln, Zweigen und Wurzelwerk. Die dichtere Wachstumsform der Var. œ, welche man so häufig an den Siengeln der Seerosen- blätter beobachtet, dürfte als erstes Stadium dieser Varietät zu betrachten sein, wenn-

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. ; 125

gleich hier die Röhren meist durchgehends hyalin bleiben, und sitzende Statoblasten nicht auftreten. Andererseits ist zu beachten, dafs ich diese Form auch auf breitflächiger Unterlage angetroffen habe (vgl. z. B. Fig. 109, Taf. IV); doch mag hier neben der gröfseren Rigidität, welche die Röhrenwandungen zweifellos auf festerem Substrat erlangen, noch der Umstand in Betracht kommen, dafs ja ein relativer Platzmangel für die horizon- tale Ausbreitung der Röhren auch durch zu dichte Lagerung sitzender, der vorher- gehenden Generation entstammender Statoblasten herbeigeführt werden kann. Bei einer sehr alten Herbstkolonie der echten »Pl. repens« auf Seerosenblättern zeigte sich übrigens ein ganz ähnlicher Übergang zu dieser Form, wie solcher zwischen den Varietäten æ und y der Pl. princeps in der Mitte der Fig. 108 (Taf. IV) erkennbar ist. Besondere Erwähnung hat diese Form bei den Autoren nicht gefunden, wenn man nicht, wie ich allerdings für richtig halte, die Pl. repens var. erecta Allm. hierher ziehen will. Doch mufs ich gestehen, dafs ich so verlängerte aufrechte Sprosse, wie sie Allman zeichnet (61, dessen Taf. V, Fig. 3), nie gesehen habe. Die Mündungszone ist durchaus nicht immer von dem meist stroh- gelb gefärbten Zooeciumrohr als hyaline Kappe scharf abgesetzt; vielmehr kommt es nicht selten vor, dafs nur die basalen Röhren gebräunt sind, während die aufrechten Sprosse in ganzer Länge hyalin bleiben, wie dies Fig. 126 (Taf. V), eine Form aus dem Hamburger Hafen, erläutern mag.

Der Verbreitungsbezirk dürfte völlig mit dem der Var. e zusammenfallen. Auch aus Deutschland habe ich sie fast von allen oben angegebenen Fundorten erhalten. Eine hierher gehörige Form, von W. Müller bei Greifswald gesammelt, war durch das Auftreten aller möglichen Übergänge zwischen sitzenden und Schwimmringsstatoblasten ausgezeichnet.

Die Form 6 fungosa ist schon seit Pallas Zeiten bekannt und oft genug be- schrieben worden. Sie hat etwas so typisches, dafs man die Aufstellung einer besonderen Gattung Alcyonella sehr wohl begreifen kann. Im Hochsommer findet sie sich meist in Form gewaltiger, kompakter, mehr oder weniger gestreckt eiformiger Klumpen, welche Rohr- oder Schilfstengel als zentral die Kolonie durchziehende Unterlage haben; in an- dern Fällen bildet sie aber auch 3—5 cm dicke, massige Platten, welche einem breit- flächigen Substrat, etwa Holzplanken, aufgelagert sind, wie dies z. B. mit Kolonien der Fall war, welche Herr Ingenieur Erich bei Hadersleben für mich sammelte. Die Röhren, welche den Klumpen zusammensetzen, stehen in der Regel so dicht, dafs sie durch gegen- seitigen Druck vierkantig geworden sind; die Verklebung ist so fest, dafs sie nicht durch Präparation gelöst werden kann. Bei den auf Stengeln wachsenden Kolonien pflegen die beiden Pole des Klumpens sich ganz allmählich zu verjüngen, und hier sieht man deut- lich, dafs das Wachstum des Ganzen zunächst durch horizontal kriechende, dicht anein- andergelagerte Röhren eingeleitet wird, aus denen aber schon gleich anfangs die auf- steigenden Röhren in gedrängten Massen hervorsprossen. Die Röhren sind durchgehends bis zur hyalinen Mündungszone braun. Sitzende Statoblasten werden in grofsen Mengen produziert und sitzen später nach dem Absterben der Kolonie dicht gereiht auf der Unterlage. Die ebenfalls zahlreichen Schwimmringsstatoblasten gelangen durch Auftrieb aus den vertikalen Röhren nach aufsen, wenn die hyaline Mündungskappe zergangen ist.

126 K. KRAEPELIN, Die deutschen Sufswasserbryozven,

Eine werdende »Alcyonella fungosa«, wie sie mir von Herrn Dr. Weltner aus Berlin übersandt wurde, ist einer dichten Form der Var. y schr ähnlich, läfst aber im übrigen denselben Modus des Heranwachsens der Kolonie erkennen, wie ich ihn für die Var. d der Pl. princeps geschildert, und wie er nach dem Verhalten der beiden Polenden älterer Stöcke von vornherein zu erwarten ist. Ob aber ein Schwimmringsstatoblast oder Ei- embryo einer »Alcyonellakolonie« schon gleich in der nächsten Generation ein ähnliches Massengebilde hervorzubringen im stande ist, oder ob hierzu erst durch die Produktion von sitzenden Statoblasten der Grund gelegt sein mufs, das ist cine Frage, die zu be antworten ich zur Zeit aufser stande bin.

Die Verbreitung dieser Form d scheint auf uropa beschränkt zu sein, wenigstens tritt sie in Nordamerika entschieden nicht so typisch auf, als wie bei uns. Ebenso be- hauptet Allman, dafs er sie in /r/and trotz alles Suchens und trotzdem Pl. repens dort sehr häufig sei, nicht habe auffinden können. Aus /ingeland führt Allman ein halbes Dutzend Fundorte an und fügt hinzu, dafs sie wohl durch das Gebiet verbreitet sei: auch aus Frankreich, Holland (Leyden, Selenka), Belgien und Russland (Wladimir, Dorpat: sind verschiedene Fundorte bekannt geworden.

Für Deutschland kann ich anführen: Berlin (.Vetsche, Dewits, Weltner); Ems in Westfalen (Pieper); Dresden (Haase); Bonn (Leydig): Erlangen (Selenka); Halle (0. Taschenberg); Würzburg (Stuhlmann); Kiel (Zoolor. Institut); Frankfurt a. M. (Voli: Hadersleben (Erich); Königsberg (Braem); Hamburg (Aracpelin).

a

3. Plumatella punctata //ancock.

Stock röhrig, der Unterlage der ganzen Länge nach aufliegend, mit mehr oder weniger entwickelten horizontalen Seitenzweigen, aber ohne aufstrebende Sprosse (Taf. IV, Fig. 115, 116). Äufsere Cuticularschicht vollkommen hyalin, zart, farblos. Polypide aus zahlreichen, vertikal den Kriechröhren aufsitzenden kurzen Mündungskegeln sich hervor- streckend (Taf. V, Fig. 124, 125); diese meist geringelt, dicht mit weifsen Fleckchen besetzt. Statoblasten stets mit Schwimmring, elliptisch, auffallend regelmäfsig, 0,4 bis 0,54 mm lang und 0,27 bis 0,41 mm breit; Verhältnis von Breite zur Länge wie 1: 1.2 bis 1:1,5. Schwimmring sehr grofs und weitmaschig, auch an den Seitenrändern, von eigentümlich aschbläulicher Färbung (Taf. VII, Fig. 153, 154). Zahl der Tentakeln 40—60.

Synonyme: 1850 Plumatella punctata Hancock (54); desgl. Allman (61). 1354 7 vesicularis Leidy (57); desgl. Allman (61).

1866 j vitrea Hyatt (69) 1882 ‘3 lophopoidea Kafka (86). 1885 Hyalinella vesicularis und vitrea Jullien (93).

Es ist zu verwundern, dafs diese recht wohl charakterisierte Art von den Forschern so lange unbeachtet bleiben konnte. Nur bei oberflächlicher Betrachtung ist eine Verwechselung derselben mit den hyalinen Jugendformen der Pl. polymorpha, wie sie namentlich bei der Var. repens so häufig sind, möglich. Unterscheidet sie sich doch

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 127

von diesen in allen Fällen vornehmlich durch die dichtgedrängten, durchschnittlich noch nicht einen ganzen Millimeter von einander entfernten Mündungskegel, welche, nicht wie dort, mehr oder weniger weinglasförmig ausgebaucht sind, auch nicht in der Längs- richtung des Zooeciumrohrs im spitzen Winkel zur Unterlage schräg aufwärts streben und so gewissermafsen die Potenz des Weiterwachsens in sich tragen, ‚sondern, kleinen Vulkanen gleich, fast senkrecht aus dem gemeinschaftlichen Zooeciumrohr, sich schnell verjüngend, emporsteigen, nach unten aber mit breiter Basis ohne eigentliche Grenze in das gemeinsame Kolonialrohr übergehen.

Dieser durchaus eigenartige Habitus bleibt in allen Fällen gewahrt, so verschieden auch sonst die Wachstumsformen des Stockes, die Zahl und Länge der Tentakeln, die Gröfse der Statoblasten sich zeigen mögen. |

Soweit ich bis jetzt übersehen kann, lassen sich namentlich folgende 2 Wachs- tumsformen unterscheiden:

Var. a prostrata.

Stock weithin kriechend, lange hyaline Rohren bildend, die nur hie und da

ebenfalls kriechende Seitenröhren abgeben (Taf. IV, Fig. 115).

Var. B densa. | Stock kriechend, aufserordentlich dicht verzweigt, so dafs die Unterlage fast völlig verdeckt ist (Taf. IV, Fig. 116), ja (bei Herbstexemplaren) wie mit einer dichten Lage hyaliner Bläschen überkleidet erscheint (Taf. IV, Fig. 110, untere Hälfte). Wenn man Fig. 115 mit Fig. 116 oder (beide vergröfsert) Fig. 124 mit

Fig. 125 vergleicht, so wird man es gewifs begreiflich finden, dafs ich anfangs beide Formen, von denen ich erstere Ende September, die andere Mitte Juli gesammelt, für spezifisch verschieden hielt, um so mehr, als sie auch m den Tentakeln und in den Statoblasten erhebliche Differenzen zeigten. So besafsen die Herbstexemplare der Var. 8 ziemlich konstant im Mittel nur 40 verhältnismäfsig kurze Tentakeln (Fig. 125), während die an einer anderen Lokalitat gesammelten Kolonien der Var. œ nicht weniger als 56-60 aufserordentlich lange und dünne, sich häufig schlängelnde Tentakeln aufwiesen (Fig. 124). Auch die Statoblasten waren deutlich unterschieden. Zwar besafsen sie bei beiden Formen den gleichen Habitus, den wohl entwickelten, aschbläulichen Schwimm- ring, der im Gegensatz zu den Statoblasten der übrigen Plumatellen an den Polen kaum breiter ist, als an den Seitenrandern; aber ihre Grofsenunterschiede waren gewaltige, mit blofsem Auge sofort erkennbare, da die der Juliexemplare nur etwa ?/s der Länge besafsen, als diejenigen der Herbstexemplare (vgl. Fig. 153 und 154 auf Taf. VII). Alle diese Unterschiede haben sich bei weiterem Studium als inkonstant erwiesen. Bald be- obachtete ich, dafs die Tentakelzahl der Var. 8, wenn dieselbe nicht im September, sondern Ende Juli gesammelt wurde, 48—50, Ende August 42—44 betrug, während die- jenige der Var. e im September auf 46 herabgesunken war. Gleichzeitig konnte ich konstatieren, dafs die im Spätsommer gesammelten Statoblasten der Var. « fast die gleiche Gröfse der mir von der Var. 8 bekannten erreichten. Endlich erhielt ich noch durch die Güte des Herrn Kafka Exemplare dieser Spezies, deren Statoblasten in Bezug

128 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

auf Gröfse fast genau in der Mitte zwischen den beiden von mir anfangs beobachteten Extremen standen. Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, dafs die thatsächlich vorhandenen Unterschiede in der Zahl und Länge der Tentakeln, wie in der Gröfse der Statoblasten von der Jahreszeit und der damit in Zusammenhang stehenden Ernährun; hervorgerufen werden, wobei noch hervorgehoben werden mag, dafs die Lokalitäten, ar welchen die beiden Formen bei Hamburg gefunden wurden, in Bezug auf diesen Punkt sicher nicht gleichwertig waren. Über die Lebensschicksale unserer Art vermag ich nur wenig zu berichten. Erst verhältnismäfsig spät scheinen sich die Kolonien zu ent. wickeln, wohl erst im Juni. Am Anfang Juli fand ich die ersten, welche kaum zur Ge- schlechtsreife gelangt waren und noch am 25. Juli mit Spermatozoen vollgepfropft er schienen. Mitte Juli zeigten sich die ersten Statoblasten. Ende September hatten all Kolonien jenes eigentümliche, schon oben erwähnte blasige Aussehen angenommen, dis mit der allmählichen Degeneration der Polypide Hand in Hand geht und Leidy zu dem Namen »Pl. vesicularis« Veranlassung gab (Taf. IV, Fig. 110 untere Hälfte). Die einzelnen Bläschen, gebildet von den aufgetriebenen Mündungskegeln mit zerfallendem »brauner Körper«, findet man alsdann mit reifen Statoblasten dicht gefüllt; sie bilden gewisser- mafsen eine hyaline Decke, welche die Statoblasten auf der Unterlage festhält, auf dies Weise wahrscheinlich den Mangel der sitzenden Statoblasten verwandter Plumatellen. resp. des Dornenkranzes der Gallertformen, ersetzend. Inwieweit aber diese hyaline Decke ihre Aufgabe für den Winter erfüllen kann, vermag ich nicht anzugeben. Mir hat © den Eindruck gemacht, als wenn sie sehr allmählich verschleimt, so dafs immerhin bis zum Frühjahr in der so entstehenden, die Unterlage überziehenden Schleimschicht cin Teil der Statoblasten am Orte seiner Entstehung zurückbehalten werden mag.

Die geographische Verbreitung der Pl. punctata scheint nicht wesentlich von der- jenigen der beiden anderen Arten verschieden zu sein, wenngleich sie bisher nur in Europa und Nordamerika (Leidy, Hyatt) beobachtet wurde. In Zuropa war sie bis vor kurzem nur aus Northumberland in Zugland (Hancock) bekannt, bis Kafka sie 1892 aus Böhmen beschrieb und Schmidt 1885 ihr Vorkommen bei Dorpat konstatierte. Als deutsche Fundorte vermag ich anzuführen: Pirna in Sachsen (C. Haase), Bille bei Hamburg, Köhlbrand bei Hamburg (Kraepelin).

Gattung Lophopus Dumortier.

Historisches. Die Gattung Lophopus wurde von allen Süfswasserbryozoen zuerst entdeckt und zwar durch Zremdley April 1741 bei La Haye in Holland. Wenige Jahre später hat Baker dieselbe Form aus England beschrieben und Sack sie bei Stockholm beobachtet. Nachdem sie fast ein volles Jahrhundert hindurch nicht wieder gefunden und infolgedessen allgemein verkannt, bald als Tubularia, bald als Plumatella, Alcyonella, Naisa in den Schriften der Autoren aufgeführt worden war, entdeckte Dumortier sie 1834 bei Brüssel von neuem und gab zum ersten Male eine eingehende Schilderung ihres anatomischen Baues,. sie gleichzeitig zur Gattung Lophopus erhebend. 1859 be obachtete Lezdy diese Gattung bei Philadelphia, während Carter in demselben Jahre eine

K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen. 129

anscheinend hierher gehörige Form aus Indien beschrieb, die dann aber später der Gattung Pectinatella zugewiesen wurde. Auch Mitchell (1862, Notes fr. Madras in Quat. Journ. Mic. Sc. (3) Vol. II pag. 61) will in Indien eine Lophopusart gefunden haben.

Gattungscharakter. Kolonie sackförmig, aufrecht, bald durch Einschnitte mehr oder weniger stark gelappt und dann einem aufrechten Fingerhandschuh vergleichbar (Taf. VI, Fig. 132). Äufsere Cuticularschicht zart und hyalin, basalwärts meist inkrustiert. ` Polypide zerstreut, zu mehreren aus jedem Lobus weit hervorragend (Taf. VI, Fig. 131), mit Epistom und hufeisenförmiger Tentakelkrone (etwa 60 Tentakeln), hyalin, zurück- gezogen alle dem gemeinsamen, sackförmigen Massiv des Stockes oder dessen Loben eingebettet. Statoblasten grofs, elliptisch, aber beidendig in eine scharfe Spitze ausge- zogen, mit breitem Schwimmring, ohne Dornen (Taf. VII, Fig. 149).

Die Formen dieser Gattung sind leicht zu erkennen, wenn man es mit erwachsenen, womöglich Statoblasten tragenden Exemplaren zu thun hat. Die jungen Individuen hin- gegen, welche noch vollkommen sackförmige Gestalt haben, zeigen eine solche Überein- stimmung mit jungen Cristatellen (und auch wohl Pectinatellen), dafs es schwer ist, sie auseinanderzuhalten. Immerhin dürfte doch die äufsere Form, wie namentlich der Bau der äufseren Leibeswand auch in den frühesten Stadien einigen Anhalt zur Unter- scheidung darbieten. Die Kolonien des Lophopus sind nie sehr grofs. Tremöbley fand sie im April kaum erbsengrofs, Jullien im Juli von der Gröfse eines Fingergliedes; die von mir im Juli und im Oktober beobachteten waren durchweg weit kleiner als die letzt erwähnten. Dennoch findet sich bei den meisten Autoren die Angabe, dafs Lophopus »einer der gröfsten Polypen« des süfsen Wassers sei, was im Hinblick auf die Cristatellen, Alcyonellakolonien oder gar die gewaltigen Pectinatellen seltsam erscheint. Die Polypide sind allerdings verhältnismäfsig "Trois, erreichen aber ebenfalls nicht das Mafs der Crista- tellen und Pectinatellen.

= Die Form des stets aufrechten, mit breiter, sohlenartiger Fläche der Unterlage auf- liegenden Stockes ist äufserst variabel, so dafs so ziemlich jeder der verschiedenen Autoren &ine andere Darstellung davon gegeben hat. Die Ausbildung von Loben scheint erst verhält- nismäfsig spät zu geschehen, doch habe ich hierüber keine genaueren Daten erhalten können.

Die äufsere Leibeswand, deren histiologische Struktur im anatomischen Teil genauer besprochen wurde, ist durchweg überlagert von einer zarten hyalinen Cuticular- schicht, welche basalwärts durch Sand, Kotmassen etc. inkrustiert zu sein pflegt. Dafs sie nur locker der eigentlichen Körperwand aufliegt, wurde am besten durch das schon Pag. 37 erwähnte Experiment bewiesen, durch welches es mir gelang, die ganzen Ko- lonien aus der »Ectocyste« herauszuschälen und an andern Fixationspunkten zum Weiter- wachsen zu bringen.

Die Polypide mit ihren etwa 60 Tentakeln ragen ungemein weit aus den Mün- dungen hervor. In Bezug auf ihren Bau und ihre Muskulatur mag auf den anatomischen Teil verwiesen werden,” Eine Trennung der Leibeshöhle durch Septa, wie wir sie bei Cristatella kennen lernen werden, findet nicht statt; nur die Lobeneinschnitte bewirken eine gewisse Gliederung des Stockes. Die Statoblasten sind bedeutend gröfser, als die-

17

130 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

jenigen der Plumatellen, im Mittel 1—1,3 mm lang, 0,6—0,7 mm breit und durch die ausgeprägt kahnförmige Gestalt von allen andern Statoblasten scharf unterschieden. Durch Kochen mit Kalilauge gelang cs nicht, jede Schalenhälfte wie bei den Plumatellen ir eine innere und eine äussere Schicht zu zerlegen. Die Zellen des Schwimmrings sini verhältnismäfsig klein, die Scheibe läfst keinerlei Skulptur erkennen, sondern erschein: völlig glatt. Sitzende oder irgendwie von der gewöhnlichen Form abweichende Stat: blasten habe ich nicht beobachtet; die reifen pflegen sich im basalen Teile der gemein- schaftlichen Leibeshöhle anzuhäufen. Wie bei gewissen Plumatellen, so konnte ich auch hier zu meiner Überraschung konstatieren, dafs die Statoblasten der Frithsommergenerativ: bereits im August desselben Jahres in meinem Aquarium wieder junge Embryonen au: sich hervorgehen liefsen.

Was die dzologischen Verhältnisse anlangt, so interessiert zunächst die Frag. nach der Fähigkeit freier Ortsbewegung der Kolonie, welche von den Einen (Baker v. Beneden) behauptet, von den Andern (A//man) cbenso entschieden verneint wire Vielleicht läfst sich diese Meinungsverschiedenheit dahin interpretieren, dafs zwar dic jugendlichen Individuen einer wenn auch sehr beschränkten Ortsbewegung fähig sinc dafs aber die alten Kolonien dieser Fähigkeit verlustig gehen. Mit dieser Annahm würden einmal die Vorkommnisse bei Cristatella (siche da) schr gut im Einklang stehen. sodann aber unterliegt es auch keinem Zweifel, dafs wenigstens Baker ausschliefslicn junge, statoblastenlose Exemplare vor sich hatte. Endlich dürfte hierbei noch eine Mit teilung Zremödleys ins Gewicht fallen, welcher mit grofser Bestimmtheit unter steter Kor trole mit der Lupe beobachtet haben will, dafs die anfangs seichten Lobeneinschnitt tiefer und tiefer in das Massiv der Kolonie eindrangen und schliefslich durch völlige Ah schnürung seitliche Teilstücke derselben lieferten, die dann im Verlaufe von 8 Tage: ganz allmählich und fast unmerklich bis einen halben Zoll von der Mutterkolonie ab- gerückt waren. Dafs durch äufsere Gewalt von der Unterlage abgelöste Stöcke an anderer Stelle sich aufs neue fixieren können, unterliegt nach Zremdleys weiterer Schi- derung keinem Zweifel und wurde auch von mir in meinem Aquarium beobachtet. Ich glaube aber, dafs eine solche Fixierung nur dann gelingt, wenn beim Losreifsen ein Teil der alten basalen Cuticularschicht zerstört wurde, und so die darunter liegender secernierenden Hautzellen das neue Sekret unmittelbar mit der neuen Unterlage in Ver bindung bringen können. Jedenfalls würde sich ein solcher Modus noch am ehesten mit den bei Cristatella auftretenden Verhältnissen in Einklang bringen lassen, wo ebenfal!- die alte »Ectocyste« in Gestalt einer basalen Schleimlamelle am ersten Anheftungsort: zurückgelassen wird. Alles in allem dürfen wir demnach wohl die Gattung Lophopus in Bezug auf Bewegungsfähigkeit als eine Mittelstufe zwischen den ein für allemal fest ver- ankerten Plumatellen und den noch bis in hohes Alter hinein ihre freie Bewegungsfähiz- keit wahrenden Cristatellen ansehen. Die Bewegungsmöglichkeit ist schon gegeben, aber es mangelt noch die Willkür und die spezifische Ausbildung des lokomotorischen Apparates.

Das Zerfallen der Lophopuskolonien, wie es Trembley beschreibt, scheint eine Eigentümlichkeit zu sein, welche sich bei keiner andern Süfswasserbryozoe wiederfindtt,

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 131

wenn man nicht etwa das Zerreissen allzu lang gewordener Cristatellakolonien dem an die Seite stellen will. Auch Dumortier und van Beneden sprechen von »sacs lateraux«, die sich aber nach ihren Beobachtungen entweder mit später austretenden Wimper- embryonen füllen, oder aber, ihren zelligen Charakter bewahrend, zu wahren »Hiber- naculax werden, die sich vom Stock ablösen und den Winter überdauern. Leider war ich nicht in der Lage, diese höchst auffällige Mitteilung näher zu prüfen, glaube aber nicht an echte, den Winterknospen der Paludicella homologe Hibernacula. Wohl sind mir bei Spiritusmaterial, das ich aus Würzburg durch Herrn Prof. v. Kennel erhielt, eigentümliche, kahnförmige und polypidlose, hyaline Säcke vorgekommen, die augen- scheinlich durch Abschnürung der Loben von einer gröfseren Kolonie entstanden waren; dieselben enthielten aber im Innern Statoblasten, konnten also nicht selbst als Winter- knospen in Anspruch genommen werden. Jedenfalls verdient die ganze Frage eine weitere eingehende Untersuchung.

Die ersten von Zrembley beobachteten Lophopuskolonien fafsen an den Wurzeln von Lemna; auch Allman bildet sie auf diesem Substrat ab, bemerkt aber, dafs sie auch auf anderen Wasserpflanzen vorkämen. Ich selbst erhielt sie von Dr. W. Müller aus Greifswald auf einem fingerdicken, abgestorbenen Baumzweig, so dafs also auch diese Gattung in Bezug auf ihren Fixationsort nicht allzu wählerisch sein dürfte. Sie findet sich vorwiegend in stehenden Wasseransammlungen, Gräben, kleinen Weihern etc., doch hat Jullien sie auch in fliefsendem Wasser gesammelt. Die Hauptvegetationsperiode scheint mit derjenigen der übrigen Süfswasserbryozoen zusammenzufallen; jedenfalls kriechen die Statoblastenembryonen schon früh aus, da bereits im April mehrfach ziemlich entwickelte, wenn auch statoblastenlose Kolonien gefunden wurden. Dumortier und van Beneden geben April und Anfang Mai als Zeitpunkt des Auskriechens der Stato- blastenembryonen an. Höchst auffällig ist die Bemerkung van Benedens (46, pag. 24), dafs er seine Exemplare im Anfang Januar gesammelt habe. Wenn ich diese Angabe mit der Thatsache zusammenhalte, dafs die mir von Dr. Müller gesandten Exemplare Ende Oktober gefangen waren und augenscheinlich »medio in vitae vigore«, ohne eine Spur herbstlicher Degencration, sich befanden, so möchte ich fast glauben, dafs die Tiere, vielleicht abweichend von allen übrigen, im stande sind, milde Winter zu überdauern; doch müssen zur definitiven Entscheidung natürlich noch weitere Beobachtungen abge- wartet werden. Jedenfalls kann es nach der oben mitgeteilten Beobachtung über das Auskriechen der Statoblasten im August keinem Zweifel unterliegen, dafs jeder Sommer - zwei volle Generationen zur Entwicklung bringt, deren zweite sowohl aus Embryonen wie aus Statoblasten der Frühjahrsgeneration hervorgegangen ist.

Über Eier und Spermatozoen liegen keine speziellen Daten vor. Exemplare vom Ende Juli zeigten nur noch Spuren von Spermatozoen. Die Embryonen bilden sich nach Dumortier und van Beneden in grofser Zahl und bewegen sich längere Zeit bunt durch- einander in der gemeinsamen Leibeshöhle, ehe sie jedenfalls durch Mündungen ab- gestorbener Polypide nach aufsen gelangen. Sie entwickeln, wie die Plumatella- embryonen, gleich anfangs zwei Polypide und heften sich nach längerem Umherschwimmen

122 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbeyozoen.

in Wasser mit der Basis fest. Auch von den Statoblastenembryonen erzählen jene Forscher, dafs sie erst eine Zeit lang »flottieren«, che sie sich anheften. Ich habe aus- kriechende Augustexemplare jedoch unmittelbar zwischen den zwei Schalenhälften an- gesiedelt gefunden. 'Im Gegensatz zu den Eiembryonen bilden sich bei ihnen gleich drei Polypide, welche im Dreizack angcordnet sind.

Die Empfindlichkeit der Polypide gegen äufsere Insulte ist eine sehr geringe. Sind sie wirklich durch energische Mittel ganz in die gemeinschaftliche Leibeshöhle zurückgescheucht, so dauert cs doch nur kurze Zeit, bis sie wieder volhg hervorgestreckt sind. Nur eine Fütterung mit dem ausgepressten Safte einer Cladophora erwies sich als so unheilvoll, dafs die Tiere tagelang nicht wieder zum Vorschein kamen (vgl. Pag. 83).

Bis jetzt ist die Gattung Lophopus in Zuropa, Nordamerika und Indien (?) be- obachtet worden. Überall scheinen die Vertreter derselben recht selten zu sein. Uber die Zahl der Arten läfst sich zur Zeit noch nichts bestimmtes sagen, so lange die vor- läufigen Mitteilungen Zezdys und Artchells keine Ergänzungen gefunden haben. In Europa glaubten Dumortier und van Beneden neben der von Zremblcy beschriebenen Art noch eine zweite Spezies (L. Bakeri) entdeckt zu haben, doch ergab es sich bald, dafs sic durch die Statoblasten einer Cristatella zu diesem Irrtum verleitet waren. Somit dürfte uns nur die eine Art Lophopus cristallinus zu beschäftigen haben.

Lophopus cristallinus*) Valas (1766). Spestescharakter mit dem Gattungscharakter übereinstimmend. Synonyme: 1744 Polype a Panache Trembley (1); desgl. Baeck (4). 1753 Bell flower Animal Baker (2). 1766 Tubularia crystallina Pallas (7). 1767 o campanulata Linné (Syst. nat., edit. XII); desgl. Turton. 1789 = reptans Linné (Syst. nat., cur. Gmelin). 1816 Plumatella cristata Lamarck (18); desgl. Schweigger, Blainville. 1821 Naisa reptans Lamouroux (19); desgl. Deslongchamps. 1835 Lophopus cristallinus Dumortier (25); desgl. van Beneden, Allman. 1837 Plumatella campanulata Gervais (28). 1838 Alcyonella stagnorum Johnston (30); desgl. Allman (42). 1839 Plumatella cristallina Gervais (32). 1848 Lophopus Bakeri v. Beneden (46). 1885 j Trembleyi Jullien (93).

*) Dieser seit 50 Jahren ganz allgemein von der Wissenschaft acceptierte Name ist neuerdings von Jullien in >L. Trembleyie umgewandelt worden, weil nicht Palas, sondern 7remblev der Entdecker dieses Tieres sei. Da ich glaube, dafs man bei allgemeiner Anwendung dieses Prinzips eine wahre babylonische Verwirrung in der gesamten Nomenklatur anrichten würde, so kann ich mich nicht zur Nachfolge entschliefsen. Dürften duch die Verdienste 7remé/eys grofs genug sein, um auch ohne Herrn Fellicns Auffrischung nicht in Vergessen- heit zu gerathen.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 133

Fundorte: Nordamerika (Schuylkill-River bei Philadelphia). Zuropa: England und Irland (etwa 4 Fundorte), Frankreich (etwa 3 Fundorte), Holland (bei La Haye, Trembley), Belgien (Brüssel, Dumortier), Schweden (Stockholm, Baek).

Als deutsche Fundorte vermag ich anzugeben: Sumpf bei Tegel (/Vztsche); Teich bei Würzburg (v. Kennel); Sumpf bei Frankfurt a. M. (Noll); Rothenburg a. d. Tauber, Siegburg bei Bonn, Altwasser des Main bei Würzburg (Leydig); Ryckflufs bei Greifswald (W. Müller). Ä | Gattung Pectinatella Lezdy.

Historisches. Formen der Gattung Pectinatella wurden zuerst im Jahre 1851 von Leidy in der Umgegend von Philadelphia entdeckt und als Cristatella magnifica be- schrieben. Schon in demselben Jahre erkannte Lezdy jedoch, dafs er es mit einer neuen Gattung zu thun habe, der er den Namen Pectinatella beilegte. 1868 gab dann Hyatt (69) eine ausführliche anatomische Schilderung dieser Tiere und führte einige neue Fundorte in den Vereinigten Staaten auf. Derselbe glaubt auch eine 1859 von Carter als Lophopus aus Indien beschriebene Form dieser Gattung einreihen zu sollen. Im Herbst 1883 wurde die amerikanische Pectinatella von mir in der Bille bei Hamburg nachgewiesen.

Gattungscharakter. Kolonien rosettenartig, gelappt, nur mit horizontalen Röhren, zu vielen auf einer gemeinschaftlichen basalen Gallertausscheidung dicht gedrängt an einander gelagert und so einen zu gewaltigen Dimensionen anwachsenden »Cormos po- lyblastus« darstellend (Taf. VI, Fig. 137). Äufsere Cuticularschicht zart, hyalin; Cystiderm und Polypide blafsgelblich. Mündungen kaum als Hocker auf der Oberseite der Loben hervortretend, zerstreut oder undeutlich zweireihig alternierend angeordnet (Taf. VI, Fig. 133). Polypide weit hervorragend, mit Epistom, hufeisenförmiger Tentakelkrone, 60—80 Tentakeln. Mundeingang rotbraun. Hautdrüsen. Statoblasten grofs, fast kreis- rund, mit breitem, hutkrempenartig gebogenem Schwimmring und einer Reihe rand- ständiger, ankerförmiger Dornen (Taf. VII, Fig. 155—157).

Die obige Gattungsdiagnose ist lediglich nach der bis jetzt allein genauer be- kannten Pectinatella magnifica entworfen. Von Pectinatella Carteri Hyatt sind bisher nur die Statoblasten beschrieben, und diese allein scheinen mir bei ihrem recht ab- weichenden Bau nicht auszureichen, um über die Zugehörigkeit dieser Form zur Gattung Pectinatella ein definitives Urteil zu fällen. Jedenfalls erschien mir die merkwürdige Ver- gesellschaftung der Kolonien von P. magnifica zu Individuen höherer Ordnung *) so eigen- ` artig, dafs ich dieselbe als Charaktermerkmal der Gattung vorläufig beibehalten. zu sollen glaubte. Die aus Kolonien zusammengesetzten, als einheitliche Masse sich darstellenden erwachsenen Pectinatellaklumpen sind entschieden das Gewaltigste, was das süfse Wasser an Bryozoen beherbergt. Eine bestimmte Form ist nicht ausgeprägt, vielmehr. richtet

*) Es ist bemerkenswert, dafs zusammengesetzte Stöcke bei marinen Bryozoen fast nur aus der Kreide bekannt sind, wo es sich aber in allen Fällen um ein Nacheinander der Kolonien handelt, nicht um ein Neben- einander (Vgl. Bronn, Weichtiere, Pag. 73).

134 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

sich dieselbe ausschliefslich nach der Unterlage. An dünneren Zweigen sind die Massen daher langgestreckt (bis zu einigen Fufsen, Leidy), an den Enden klumpig abgerundet; auf breiter Unterlage bilden sie, je nach dem Alter, entweder weithin gestreckte flache Polster oder mehr und mehr kugelig von derselben sich abhebende Gebilde bis zu Kopf- gröfse und einem Gewicht von einem Kilogramm und darüber. Der Totaleindruck eines solchen Klumpens ist ein herrlicher. Auf blafsgelblichem, hyalinem Grunde, der mit weisen, runden Fleckchen wie besät erscheint, erheben sich tausende von Polypiden mit ihren zierlichen Tentakelkronen, einem dichten Sammetrasen gleichend und die Gliederung des Ganzen in rosettenförmige, allseitig mit ihren Loben ineinandergreifende Kolonien fast völlig verdeckend. Erst wenn die Tiere durch gröbere Insulte zum Zurückziehen gebracht wurden, tritt diese Anordnung deutlicher hervor. Die Rosetten selbst stellen sich dar als ein System gelappter, von einem gemeinschaftlichen Zentrum ausstrahlender Röhren, die in der Regel so dicht aneinander gelagert sind, dafs sie vielfach aneinander kleben. Jedes System bildet einen Stock für sich, der aber mit den peripherisch sich anschliefsenden Nachbarrosetten ebenfalls mittels der ungemein visciden äufseren Cu- ticularschicht mehr oder weniger verklebt zu sein pflegt. Der Durchmesser einer Rosette beträgt etwa 2—3 cm, die Dicke der Röhren wenig über ı mm. Führt man durch einen jener gewaltigen Klumpen einen Vertikalschnitt, so überzeugt man sich leicht, dat, diese Rosetten eben nur eine verhältnismäfsig dünne obere Lage (dem Querschnitt der Röhren entsprechend) der ganzen Masse bilden. Unter denselben wird das Gros der Halbkugel ausschliefslich von einer hyalinen, dem Aussehen nach fast eisartigen Masse gebildet; welche bei manchen Exemplaren im Zentrum eine Dicke von 5—6 cm besitzt. gallertartig elastisch ist, aber eine so grofse Konsistenz zeigt, dafs herausgeschnittene Würfel durchaus ihre Gestalt bewahren und dem Zerdrücken einen ziemlich erheblichen Widerstand entgegensetzen. Vielfach wird diese hyaline Masse in vertikaler wie in horizontaler Richtung von weifsen, geschlängelten Fäden durchzogen, über deren Natur und Entstehung ich mir keine Rechenschaft zu geben wufste. Gegen den Herbst färbt sie sich während der Zersetzung hie und da deutlich rosa, dabei einen intensiven Geruch nach Schwefelwasserstoff von sich gebend. Über die chemische Zusammensetzung dieser eigentümlichen Substanz ist im ersten Abschnitt dieser Arbeit, Pag. 34 ff, von Herrn Direktor Dr. Widel berichtet worden.

Die äufsere Cuticularschicht der Kolonieröhren ist ungemein zart und erst durch vorsichtige Präparation an Spiritusmaterial nachzuweisen. Sie zeichnet sich mehr als die aller verwandten Formen durch Viscidität aus, was es im hohen Grade wahrscheinlich macht. dafs die basale »Gallertee zum Teil auch durch Herabfliefsen der Chitinausscheidunger von der Röhrenoberfläche gebildet worden ist. Die secernierenden Zellen besitzen aufser- dem an der Röhrenoberfläche ziemlich dieselbe Mächtigkeit und Form (vgl. Fig. 6 und 7, Taf. I), wie diejenigen der Grundflächen. Die Röhren selbst stellen kontinuierliche Hohlräume dar, welche in keiner Weise durch Septa oder bindegewebige Bänder gekam- mert sind; sie stehen daher auch alle zentralwärts mit einander in freier kommunizierender Verbindung, so dafs die ganze Rosette nur eine einzige, durch radiale, mehr oder weniger

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 135

tief gehende Einschnitte gelappte »Leibeshöhle« enthält. Jeder vom Zentrum ausgehende Tubus oder Lappen beherbergt in seinem Innern eine ganze Anzahl (2—10) Polypide, welche im .retrahierten Zustande alle in dieser gemeinsamen Höhle Unterkunft finden. Die Mündungen liegen sämtlich auf der Oberseite der Röhren, meist in zwei unregel- mäfsigen, alternierenden Reihen, bilden aber nicht wie bei den hyalinen Plumatellen auch bei eingezogenem Polypid vorspringende Höcker, sondern liegen völlig im Niveau der Röhrenwandung. Höchst bemerkenswert sind die eigentümlichen Hautdrüsen (Taf. III, Fig. 106d; Taf. I, Fig. 25), welche unmittelbar neben den Mündungen gelagert sind und ` grofse Mengen einer weifsen, schmierigen Substanz absondern, die sich schon dem unbe- waffneten Auge in Form von zahllosen, weifsen, runden Fleckchen auf der Kolonie bemerk- bar macht Lezdy hielt sie für jüngere Statoblastenstadien und bei mikroskopischer Untersuchung eine Zusammensetzung aus vielen kleinen Fetttröpfchen, untermischt mit äufserst winzigen, lebhaft beweglichen Pünktchen erkennen läfst. Ob wir es bei diesem Drüsensekret lediglich mit einer aus dem Organismus als unbrauchbar ansgeschiedenen Substanz zu thun haben, oder ob dasselbe spezifische Funktionen hat, ist schwer zu ent- scheiden. Für letztere Annahme spricht vielleicht die Thatsache, dafs bei allen übrigen Süfswasserbryozoen ein analoges Organ durchaus vermifst wird. Das Sekret bleibt meist nicht an dem Orte seiner Entstehung. Vielmehr treffen die Spitzen der Lophophorarme, welche bei unsern Tieren mehr als sonst auf Momente nach abwärts (zurückgekrümmt) geschlagen werden, vielfach gerade auf diese Drüse, wodurch dann ein Teil der weifsen Masse an der Armspitze kleben bleibt. Fast jedes Individuum zeigt daher einen gröfseren oder kleineren opaken Klumpen am Ende der Lophophorarme (Taf. III, Fig. 106 ds), der, wenn vom Wasser fortgespült, stets wieder erneuert werden dürfte. Wäre diese Ein- richtung nur vorhanden, um das Sekret vom Körper zu entfernen, so miifste sie jedenfalls als eine höchst seltsame bezeichnet werden.

Die Polypide entsprechen im allgemeinen Bau durchaus denen von Lophopus und Cristatella, doch erscheinen sie robuster, mit weiterem Camptodermcylinder. Die Zahl der Tentakeln des Lophophors scheint aufserordentlichen Schwankungen zu unter- liegen, da Leidy z. B. 50—80, Hyatt 60—84 beobachtete. Ein sehr gutes Merkmal für die Polypide liegt in der rotbraunen Färbung der peripherischen Teile des Mundes, wie in der ebenfalls braunen Farbe der »Zottenzellen« des Magens (Taf. VI, Fig. 133). Die Muskulatur ist in Fig. 106 (Taf. III) dargestellt, wo auch die aufserordentlich scharfe Knickung des Pylorusteils gegen den Magen bei eingezogenem Polypid veranschaulicht wurde.

Die Statoblasten sind von bedeutender Gröfse (1 bis 1,15 mm im Durchmesser), fast kreisrund, jedoch etwas eckig; der breite, äufserst feinmaschige Schwimmring ist hut- krempenartig gebogen. Im ersten Moment könnte man sie mit denen von Cristatella ver- wechseln; ein Blick auf die Fig. 155—157 und Fig. 150—152 (Taf. VII) läfst jedoch eine Reihe von Verschiedenheiten schon in der äufseren Form erkennen. Hierzu kommen dann noch andere, ich möchte sagen anatomische Unterschiede weitgehender Art. Zunächst sind es die Schwimmringszellen, welche eine durchaus verschiedene Anordnung bei beiden zeigen, Bei Pectinatella sehen wir noch ganz den Typus der Plumatellen-Statoblasten beibehalten:

136 K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen.

Die Zellen des Schwimmringes sitzen einfach vertikal oder schräg einer dünnen Chitir- lamelle auf, welche als Randgürtel den Statoblasten umzieht; durch Kochen mit Kalı- lauge zerspaltet diese Chitinlainelle ganz wie bei den früher besprochenen Gattungen in zwei dünnere Lamellen, so dafs nun jede der beiden entstandenen Kapselklappen i: einen halben Schwimmring besitzt, wie dies Fig. 101 (Taf. III) versinnbildlichen mag. Die mit ankerförmigem, äufserst fein zugespitztem Ende versehenen Dornen (Fig. 101 dr, Fig. 156), welche bei Pectinatella von dem äufseren Schwimmringsrande, nicht von de: Scheibe entspringen, bleiben bei dieser Zerlegung durch Kalilauge sämtlich an der einer Klappe haften, so dafs man sagen kann, die im Querschnitt nicht rundlichen, sonderr platten Dornen der Pectinatella seien auf eine Scite des Statoblasten beschränkt. Gan: anders die Statoblasten der Cristatella; bei ihnen zeigen einmal die Schwimmringszeller eine ganz eigenartige, an gegebenem Orte näher zu beschreibende Anordnung, die danr auch einen durchaus typischen Zerfall des Statoblasten beim Kochen mit Kalilauge be dingt (vgl. Fig. 102 u. 103), während zweitens die Dornen nicht vom Rande des Schwimm- rings, sondern beidseitig auf der Scheibe des Statoblasten entspringen (Fig. 102, 103 dr somit sicher nicht als Homologa der Pectinatelladornen aufgefafst werden können. Zu: dem sind sie im Querschnitt rundlich, bei weitem zarter, länger, sförmig gebogen uni am Ende mit langen, fast hirschgeweihartigen Häkchen versehen. Die aus den Stati. blasten auskriechenden Zmödryonen sind durch ihre glashelle Färbung gleich anfangs von den gelblich gefärbten Embryonen der Cristatellen recht gut zu unterscheiden. In Fic 129 und 130 habe ich einen derselben mit ausgestreckten und mit eingezogenen Polypider dargestellt.

In Bezug auf die dzologischen Verhältnisse der Pectinatella interessiert zunächst die Frage nach der Entstehung des »Cormos polyblastus«. Lange habe ich dem Gedanken Raum gegeben, dafs doch am Ende der ganze Pectinatellaklumpen aus einem einzigen Statoblastenembryo hervorgegangen sein könne, und dafs etwa die verschiedenen Rosetter- kolonien allmählich durch Abspaltung entstanden sein könnten, ähnlich wie Zresndi:: dies von seinen Lophopuskolonien geschildert hat. Dicser Gedanke mufste jedoch nach Untersuchung jüngerer Kolonien völlig aufgegeben werden. Im Anfang Mai beobachtet. ich das erste Auskriechen der Embryonen aus Statoblasten, welche Herr Potts aus Amerika mir zu übersenden die Güte gehabt hatte. Sie sind in Fig. 129u. 130 (Taf. VI dargestellt. Obgleich dieselben bald zu Grunde gingen, konnte ich doch soviel kon- statieren, dafs erstens ihre aktive Beweglichkeit eine verhältnismäfsig geringe war, da sie in der Regel unweit ihrer leeren Statoblastenhüllen sich angesiedelt hatten, und dafs zweiten: die ältesten von ihnen seitliche kugelige Vorwölbungen als erste Andeutung der späteren Loben entwickelten. Bei zwei nahe aneinander sitzenden Exemplaren sah ich sogar, dat, die gegen einander gerichteten Vorwölbungen mit einander verklebt waren. Ich suchte dann nach frischem Material in der freien Natur, lange vergeblich, bis ich Anfang Juli 1886 in der Bille junge Kolonien fand, die auf das Unzweifelhafteste die Ent- stehung des ganzen »Klumpens« aus vielen einzelnen Statoblastenembryonen darthaten, indem die geräumige flache Unterlage zum Teil zwar schon mit ausgedehntem zusammen-

K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen. 137

hängenden Polster von Pectinatella bedeckt war, an den Rändern aber noch isoliertere Kolonien in grofser Zahl zeigte, die teils schon das Rosettenstadium erreicht hatten, zum Teil aber noch als winzige kugelige oder kaum gelappte Embryonen sich darstellten. Fig. 136 ‘Taf. VI) giebt einen Teil solcher jungen Kolonien wieder. Die Mündungen der Polypide sind nicht bei allen Rosetten angedeutet, um deren Bau deutlicher hervortreten zu lassen. Zur Erläuterung dieser Befunde will ich noch hinzufügen, dafs die Periode des Auskriechens der Statoblasten bei Pectinatella augenscheinlich eine unverhältnismäfsig lange ist, da sie sich beispielsweise bei den aus Amerika erhaltenen Exemplaren vom 17. Mai bis zum 15. Juli, wo die letzten Embryonen ihre. Hülle sprengten, erstreckte. Die basale Gallerte war bei den am ro Juli in der Bille gesammelten Kolonien noch äufserst wenig entwickelt, in der Mitte der Polster kaum ı mm dick; schon Ende Juli hatte die Gallerte bedeutend an Dicke gewonnen, doch erst Mitte August fand ich Klumpen, welche der eingangs gegebenen Beschreibung erwachsener Kolonien entsprachen. Zu dieser Zeit stehen dieselben augenscheinlich im Höhepunkt ihrer Entwickelung. Die Embryonen sind reif und schwärmen massenhaft als zarte hyaline Kugeln von sehr wech- selnder Gröfse umher; reif auch sind die Statoblasten, welche zu Hunderten die Oberfläche des Wassers bedecken, wenn ein solcher Klumpen wenige Tage im Aquarium bewahrt wurde. Der Eintritt der Geschlechtsreife erfolgt ungefähr um die Mitte des Juli, vielleicht noch später, da die Spermatozoen zu dieser Zeit kaum völlig entwickelt waren. Die Eier sitzen zu traubigen Ovarien vereinigt ausschliefslich an der dorsalen Wand der Röhren, in der Nähe der Mündungen. Gleichzeitig mit den Geschlechtsprodukten bilden sich die Statoblasten aus, die bald nachdem sie vom Funiculus abgelöst sind durch die Retraktionsbewegungen der Polypide nach dem Zentrum der rosettenförmigen Kolonie geschoben werden, wo sie sich anhäufen. Das Austreten von Embryonen und Stato- blasten dürfte vorwiegend durch die Mündungen abgestorbener Polypide erfolgen, doch erscheint mir auch ein gelegentliches Zerreifsen der zarten Leibeswand im Zentrum nicht ausgeschlossen. Die Lebensdauer der einzelnen Polypide ist jedenfalls eine ungemein kurze, da ich, ähnlich wie bei Cristatellen, schon in recht jungen Kolonien »braune Körper« konstatieren konnte, die hier so auffällig in die Erscheinung treten, dafs ich anfangs eine »braune Drüse« auf Querschnitten gefunden zu haben glaubte. Im September, und zwar ohne dafs Frost bis dahin eingetreten zu sein braucht, beginnt dann der gänz- liche Zerfall des Klumpens. Die Embryonen werden seltener, die Rosetten sind ganz mit Statoblasten vollgepfropft und hindern die Bewegung der schon Zeichen der Verkümmerung zur Schau tragenden Polypide. Hie und da löst sich eine »Rosette« von der gemeinschaft- lichen Gallerte und wird von den Wellen fortgeführt; bald lockert sich die weicher und zerfliefslicher werdende Gallerte in toto von der Unterlage und schwimmt als mächtiger, schwammartiger Klumpen davon, auf seinem Wege reichlich Statoblasten und ganze Rosetten ausstreuend, bis endlich die blofse, erst später völlig sich auflösende Gallerte übrig bleibt. Solche Gallertmassen wurden vor Jahren von Arbeitern in der Bille noch beim Eishauen im Winter aufgefunden und dem naturhistorischen Museum zu Hamburg überliefert. Natürlich war es damals unmöglich, die Natur dieser seltsamen Gebilde festzustellen.

18

138 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Die Pectinatellakolonien sind bisher nur auf Holz Baumstämmen und deren Zweigen, Brückenpfählen etc. aufgefunden worden, niemals auf grünen Blättern. Gräben, Sümpfe und langsam fliefsende Gewässer bilden ihren Aufenthaltsort.

Die geographische Verbreitung erstreckt sich, von der indischen »Pectinatella: Carteri abgesehen, über Nordamerika und Europa. Obgleich namentlich Hyatt in Bezug auf Tentakelzahl und Statoblasten erhebliche Verschiedenheiten bei den untersuchten Exemplaren konstatiert hat, so ist bisher doch noch von niemand eine Scheidung in ver- schiedene Arten versucht worden, natürlich wieder die indische, ganz abseits stehend: Form ausgenommen. Wir sind somit ausnahmsweise in der glücklichen Lage, weder mm endloser Synonymik, noch mit imaginären Spezies uns beschäftigen müssen.

Pectinatella magnifica Lerdy (1851).

Spestescharakter gleich dem Gattungscharakter. Synonyme: 1851 Cristatella magnifica Leidy. f

Die Variationen, welche //yatt in Bezug auf die Statoblasten angiebt, beziehen sich auf die Zahl der Randdornen, deren er 12—17 bei Exemplaren aus Massachusetts die auch durch geringe Tentakelzahl (60—75) ausgezeichnet waren zählte, während andere, in Maine gesammelte Tiere 20—22 Dornen an den Statoblasten und 72—84 Ten- takeln besafsen. Nach meinen eigenen Beobachtungen variiert die Dornenzahl der europäischen Exemplare zwischen 12 und 17, während diejenige der Tentakeln zwischen 60 und 80 schwankt. Wir hätten es demnach mit der ersten Form H/yatts zu thun. eine Thatsache, die deswegen nicht ohne Interesse ist, als wir auch bei den Cristatellen erfahren werden, dafs die amerikanischen Formen vielfach durch gröfsere Dornenzahl der Statoblasten vor den europäischen sich auszeichnen, ohne deshalb, wie ich nachweisen zu können hoffe, selbständige Arten zu repräsentieren.

Fundorte: Nordamerika (Philadelphia, Zezdy ; Fresh Pond, Massachusetts, /7yarr: Pennissewassee Pond, Maine, Myatt; Columbus (Mississippi), Spz//man).

Deutschland: Bille bei Hamburg (Kracpclin). Im übrigen Europa ist diese Form bisher noch nicht nachgewiesen.

Gattung Cristatella Cuvzer.

Historisches. Im Mai des Jahres 1754 beobachtete Roese/ in einem Teiche bei Nürnberg die eben aus den Statoblasten geschlüpften Jugendformen dieser Gattung. Er nannte die etwa linsengrofsen Stöckchen »den kleineren Federbuschpolyp mit dem ballen- formigen Korper«. Cuvier gründete auf die Beschreibung und Zeichnung Roese/s im Jahre 1798 (Tab. Elém., pag. 656) die Gattung Cristatella. Erst im Jahre 1834, volle 80 Jahre nach der ersten Entdeckung, wurde die Gattung zum zweitenmal, diesmal im erwachsenen Zustande, beobachtet. Es geschah dies in der Nähe von Edinburg in Schottland durch Dalyell, der seinen Fund, im Gegensatz zu Cristatella mucedo Ca:

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 139

(=: Cristat. vagans Lamarck, 1816), als Cristatella mirabilis beschrieb. Die Jugend- zustände, wie sie Řoesel gesehen, wurden dann im Jahre 1837 wieder aufgefunden von Gervais und Turpin, welche direkt das Auskriechen derselben aus Statoblasten beob- achteten, die sie im Ourquekanal gesammelt hatten. Die Statoblasten selbst hatte schon 7 Jahre vorher Meyen bei Potsdam nachgewiesen. Gervazs 1840 und Dalyell 1848 gaben die ersten Abbildungen erwachsener Stöcke. Aman (61) führte eine Reihe neuer Fundorte in Europa auf. Leidy (62), Hyatt (69) und Potts (90) beschrieben neue Arten dieser Gattung aus Nordamerika.

Gattungscharakter. Kolonie unverzweigt, gelatinös, flach wurmartig der Unterlage aufliegend (Taf. VI, Fig. 135), mit der Fähigkeit geringer Ortsbewegung. Aufsere Cu- ticularschicht fehlend oder doch nur als dünne Gallertschicht unter der Sohle entwickelt. Polypide sämtlich auf der Oberseite des Stockes, in mehreren Längsreihen, weit hervor- ragend, bei der Kontraktion aber fast ganz in den gemeinsamen Innenraum zurückziehbar. Tentakeln zahlreich (etwa 80—90), auf gestrecktem Lophophor. Am Rande des Stockes ringsum eine »Knospenzone« (Taf. VI, Fig. 134). Statoblasten grofs, kreisrund, mit Schwimmring und mit Dornen auf beiden Seiten (Taf. VII, Fig. 150— 152).

Die Cristatellen stellen nach meiner Auffassung das Endglied einer Entwickelungs- reihe der Süfswasserbryozoen dar, bei welcher das Individuum mehr und mehr auf die Stufe eines Organs zurücksinkt, und der Stock selbst dadurch so sehr das Gepräge eines Einzelwesens annimmt, dafs seine Form als wichtigstes generisches Merkmal in den Vor- dergrund tritt, ja, dafs er zu freier Ortsbewcegung befähigt worden ist. :

Hervorgerufen ist dieses Zurücktreten des »Zooeciums« als Einzelwesen zunächst durch den Mangel einer erhärtenden Chitinschicht auf der Oberfläche der Kolonie, wo- durch die Entwickelung besonderer »Zooecienröhren« unmöglich wird, der ganze Stock vielmehr lediglich einen einzigen gestreckten Sack bildet, in dessen anscheinend un- geteilten Innenraum die Polyde sich bei Insulten zurückziehen können. Dagegen sammelt sich das flüssige Chitin an der Unterseite der Kolonie zu einer strukturlosen Schleim- schicht, die bis zu 3 mm Dicke erreichen kann und nicht selten, bei Vergesellschaftung vieler Kolonien an demselben Orte, eine ausgedehnte, die Unterlage weithin überziehende Lamina darstellt, auf welcher die Einzelkolonien wie auf einem gemeinsamen Teppich ausgestreckt liegen, wie dies zuerst von amerikanischen Cristatellen (Leidy, Hyatt, Potts) berichtet wurde.

Bei näherem Studium erweist sich übrigens der Innenraum der Kolonie doch nicht so einfach, wie man nach den Verhältnissen bei Lophopus und Pectinatella erwarten sollte. Schon bei schwacher Vergröfserung erkennt man rings vom Rande entspringende, radial und vertikal gestellte Septa, welche nach innen zu sich zu verlieren scheinen. Querschnitte und Längsschnitte durch die Kolonie lehren dann auf das unzweifelhafteste, dafs diese Septa, welche aus Innenepithel plus Muscularis bestehen, als fäckenartige Ge- bilde allerdings nur am Rande der Kolonie auftreten, weiter im Innern aber immerhin noch als schmale, die Dicke des »Zoariums« balkenartig durchsetzende Bänder entwickelt sind (Taf. III, Fig. 89 se). Die weiter unten zu schildernde Art des Wachstums der Ko-

140 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

lonie wird diese Auflösung der Septa in Balken als einfachen Zerfaserungs- oder Zer- reifsungsprozefs durch Dehnung auffassen lassen.

Die Oberseite des im Querschnitte halbkrceisförmigen Stockes erscheint dicht mi: Polypiden besetzt, die aus kreisrunden, wenig erhöhten Öffnungen desselben weit, d. h. fast bis zum Ende des Darmblindsackes hervorragen (Taf. VI, Fig. 134) und nach der Ausdrucksweise mancher Lehrbücher in konzentrischen »länglichen Kreisene angeordnc: sind. Allman zählt drei solcher »konzentrischer Kreise«, die in der Rückenmitte der Kolonie einen freien Raum übrig lassen, während sie selbst wieder von einer Zone knospender Polypide in verschiedenen Altersstufen umgeben werden. In der That geben alle Beobachter nur drei solcher Polypiddoppelreihen an, während es doch keinem Zweife: unterliegen kann, dafs die knospende Randzone fortwährend neue Reihen den schen erwachsenen hizufügen mufs. Das Rätsel löst sich in sehr einfacher Weise. Die innerste Zone von erwachsenen Polypiden, welche den freien Rückenraum zunächst umzieht, is: zwar die relativ älteste des Stockes in einem gegebenen Zeitmoment, sie ist aber nich: die absolut älteste iin Gesamtleben desselben. Ganze Generationen haben vor ihr existiert. gingen aber zu Grunde, indem sie sich in eine körnige Masse, eine Art braunen Körper. umbildeten und endlich ganz verschwanden; neue Reihen rückten von der Peripherie he: an ihre Stelle, um bald dasselbe Schicksal zu erleiden. So stellt sich denn der »freic Rückenraum« Allmans dar als das Triimmerfeld untergegangener Polypidgenerationen;, es ist umgeben von der augenblicklich ältesten Zone noch Iebenskräftiger Individuen, die aber gleicherweise dem Untergange geweiht ist, sobald eine neue Randgeneration von Polypiü- knospen herangewachsen ist. Fig. 134 (Taf. VI), welche ein Stück der Kolonie von ober zeigt, wird das Gesagte illustrieren. Die Mehrzahl der Polypide ist im eingezogenen Zu. stande, wie er nur bei sehr starken Reizen hervorzurufen ist, dargestellt, um die Rang- zone mit ihren Knospen und Septen freizulegen. Man sieht, dafs die erwachsenen Polypid: in Quinkunx zu einander gestellt sind, etwa wie die Zähne einer Reibe, und dafs du Zerstörung der älteren Generationen in der Art vor sich geht, dafs zunächst die Ten- takelkrone, dann der Oesophagus und Enddarm, schliefslich der Blindsack körnig zerfait und fortgeführt wird, so dafs von dem Polypid nichts übrig bleibt, und auch die weite Mündung, aus welcher es einst hervorragte, nur durch cin kleines, gelblich gefärbte: Fleckchen auf der Rückenfläche des Stockes angedeutet wird. Durch diese Art de: Wachstums wird es möglich, dafs der Stock, trotz unausgesetzter Neuproduktion von Individuen an den Rändern, stets seine schmächtige, wurmförmige Gestalt bewahrt, die ihm selbst im späteren Alter eine wenn auch beschränkte Lokomotion ermöglicht.

Diese Fähigkeit der Ortsbewegung hat von jeher das Interesse der Forscher ir hohem Mafse auf sich gezogen. Alman glaubt auf der flachen Unterseite eine ovale Scheibe, die dem Fufse der Mollusken vergleichbar sei, wahrzunehmen. Dieser schreibt er eine besondere Kontraktilität zu und hält sie für das spezielle Kriech- und Anheftungs- organ. Weiter hat dann Reinhard (81) besondere Gebilde auf der Unterseite der Koloni zu finden geglaubt, die sich als senkrecht zur Längsachse derselben in Reihen gestellt: kleine Einstülpungen mit verschmälertem Halsteil darstellen und als Saugnäpfe funk-

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 141

tionieren sollen. Potts hingegen (90) leugnet bei seiner Cr. lacustris ausdrücklich jeden spezifischen lokomotorischen Apparat und glaubf hierin einen neuen Beweis für die Ver- schiedenheit seiner Form von Cr. mucedo gefunden zu haben.

Es kann zunächst keinem Zweifel unterliegen, dafs von einem spezifischen Bau der Leibeswand auf der Unterseite der Kolonie keine Rede ist. Vielmehr ist Form und Lagerung der einzelnen Schichten in der ganzen Wandung des Stockes abgesehen von den verschiedenen Dimensionen der einzelnen Componenten durchaus die gleiche. Na- mentlich gilt dies von den zwei Muskelschichten, der Längs- und Querfaserschicht, welche das Ectoderm unterlagern. Dieses letztere selbst zeigt an der Sohle genau dieselbe säulen- förmige Zelllage mit den weiten, dazwischen liegenden Hohlräumen, wie dies im früheren für die Leibeswand von Cristatella allgemein geschildert wurde. Dennoch hat diese Schicht eine Fähigkeit, welche dem Ectoderm der übrigen Leibeswand nicht oder doch nicht in gleichem Mafse zukommen dürfte, nämlich die, sich um ein beträchtliches kon- trahieren zu können, so zwar, dafs die langen, balkenförmigen Ectodermzellen zur Zeit der Kontraktion nur die Hälfte oder ein Drittel ihrer Länge (unter entsprechender Ver- dickung) besitzen, während die zwischen ihnen liegenden Hohlräume fast gänzlich ver- schwinden. Fig. 19 (Taf. I), welche einen Querschnitt durch eine im fixierten Zustande getötete Kolonie zeigt, wird das Gesagte erläutern und namentlich den Gegensatz zu Fig. 17 hervortreten lassen, welche einen gleichen Querschnitt der Sohle durch eine los- gelöste Kolonie darstellt.*) Der Effekt dieser eigentümlichen Kontraktilität der Ectoderm- zellen scheint mir nun der zu sein, dafs gegebenen Falls die ganze Kolonie oder ein Teil derselben von der früher besprochenen gelatinösen Unterlage sich abheben kann. Hier- mit dürften aber auch alle Faktoren vorhanden sein, welcher man zur Erklärung der Kriechbewegung und Gestaltveränderung der Cristatellen benötigt. Die wohlausgebildete Quer- und Längsmuskulatur der Koloniewandung, ein wahrer Hautmuskelschlauch, wird nicht nur Verkürzung und Verlängerung der Gesamtkolonie, sondern auch Seitwärts- biegung und Torsionsbewegungen, wie sie beim losgelösten Stock sofort einzutreten pflegen, ermöglichen. Gerade diese letzteren Bewegungen beweisen nebenbei auf das deutlichste, dafs die Bewegungsfähigkeit nicht auf die Sohle beschränkt ist. Hat nun die Kolonie gleichgültig auf welche Art einen konvenierenden Platz gefunden, so leimt sie sich durch Ausscheidung jener gelatinösen Schleimschicht auf der Unterlage fest. Durch teilweise Kontraktion der basalen Ectodermzellen ist sie dann im stande, zunächst das Ende des »Zoariums« loszulösen, durch die Thätigkeit des » Hautmuskel- schlauches« zu strecken oder zu biegen und schliefslich durch neue Sekretion wieder fest zu leimen, worauf dann die übrigen Partien der Kolonie in gleicher Weise nachfolgen. Nur bei heftigen Insulten löst sich die Kolonie in ganzer Länge von ihrer Unterlage ab

*) Um möglichen Einwänden zu begegnen, bemerke ich ausdrücklich, dafs die in den beiden Figuren gezeichneten Bilder für die festsitzende und die losgelöste Kolonie durchaus ¢yfisch sind, ja dafs Kolonien, die teilweise abgelöst waren, genau dieselbe Verschiedenheit des Ectoderms an den entsprechenden Partien der Sohle zeigten.

142 ` K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen’

und flottiert nun frei im Wasser, bis wieder irgend ein Stück der basalen Sohle einem sich darbietenden Fremdkörper angeheftet wird. Ist so die Bewegungsfähigkeit an sich aus den gegebenen anatomischen Verhältnissen erklärbar, so bleibt doch noch die Frage offen, wie so ein ganzer Tierstock mit hunderten von Einzelindividuen Bewegungen aus- führen kann, die an den verschiedenen Punkten der Kolonie synchronisch auftreten und immerhin als zweckmäfsige, zielbewufste aufgefafst werden können. Man hat hierbei wohl an ein sogenanntes »Kolonzalnervensystem« gedacht, doch glaube ich die Existenz eines solchen auf das entschiedenste in Abrede stellen zu sollen. Die diesbezüglichen Angaben Fritz Müllers (Arch. f. Naturgesch. 1860) über Seebryozoen haben sich als irrig heraus- gestellt. Wie ich im embryologischen Abschnitte auszuführen gedenke, entsteht das Zentralnervensystem in der Polypidknospe und zwar als Abspaltungsprodukt des oeso- phagealen Epithels. Die anatomische Untersuchung lehrt nun weiter, dafs von diesem Zentralganglion wohl Nerven in die Tentakelkrone und zum Oesophagus verlaufen, nicht aber an das Kamptoderm. Und doch wäre dies abgesehen vom Funiculus der einzige Weg, auf welchem Nerven aus dem Polypidganglion in die Wandung des Stockes übergehen könnten. ‘'Ebensowenig aber ist der werdende Embryo, ehe er Polypide ge- knospet hat, also lediglich ein zweischichtiges »Cystid« darstellt, im Besitz eines eigenen Nervenzentrums, welches dann bei weiterem Wachsen der Kolonie etwa die Schichten der Leibeswand mit Nerven versehen könnte. Es bleibt daher nichts übrig, als den Zellen des Ectoderms selbst eine gewisse Sensibilität zuzuschreiben, welche sie befähigt, nebst den darunter liegenden Mnskelschichten auf äufsere Reize zu reagieren.

Die Folypide der Cristatellen sind von beträchtlicher Gröfse und gröfser als die irgend einer andern Siifswasserbryozoe. Sie ragen, wie dies schon oben hervorgehoben, in ausgestrecktem Zustande so weit aus den runden Öffnungen des Stockes heraus, dafs man fast die Spitze des Fundus durch das hyaline Kamptoderm hindurch sehen kann. Letzteres erscheint daher von ganz aufserordentlicher Länge; es besitzt, im Gegensatze zu den Plumatellen, nur eine äufserst kurze Duplikatur, so dafs sie im vorgestülpten Zu- stande fast als unmittelbare Fortsetzung des Cystiderms erscheint.*) Das Hufeisen des Lophophors hat eine lang gestreckte Gestalt; die zahlreichen Tentakeln sind schlank und fortwährend in schlagender Bewegung. Die Polypide sind im allgemeinen so orientiert, dafs sie schräg aufwärts in radialer Richtung den Knospenrand überlagern. Die Neural- seite und somit die offene Seite des Lophophors ist dann in der Regel nach oben ge- kehrt. Doch sind diese Stellungen keine bleibenden, da einerseits die Polypide sich völlig aufrichten können, andererseits die Tentakelkronen durch die gewaltigen Rotatoren sich mindestens um 180° um ihre eigene Achse zu drehen im stande sind. Die Mus- kulatur des Polypids gleicht derjenigen der Pectinatellen (Taf. III, Fig. 106) und wurde schon im früheren beschrieben. Die einzelnen zur Sohle herabziehenden Fasern setzen sich in letzterer als innere Muskellage der Koloniewand fort, verlaufen also in derselben

*) Potts leugnet die »Duplikatur« ganz, ist aber, wie ich mich auf Längsschnitten überzeugte, ent- schieden im Irrtum. Die Dilatatoren sind äufserst zart und kurz, ebenso die Duplikaturbänder.

K. KRAEPELIN, Die deutschen’ Süfswasserbryozoen. 143

senkrecht zur Längsrichtung des Stockes (vgl. Pag. 29). Bei der Retraktion des Polypids faltet sich die Tentakelscheide doppelt; die Polypide versinken gänzlich in die gemein- schaftliche »Leibeshöhle«, hier sich so gut es gehen will arrangierend. Dabei ist es interessant zu sehen, wie schon Face hervorhebt, dafs hin und wieder einzelne Polypide kein Unterkommen mehr finden können und wider Willen draufsen bleiben müssen. Nur so wenigstens ist es zu erklären, dafs bei plötzlichem Töten der Kolonie etwa durch heifse Sublimatlösung vereinzelte Tiere völlig hervorgestreckt bleiben, während das Gros so tief nach innen sich versenkt hat, dafs die Oberfläche des »Zoariums« nur mit kleinen Tuberkeln besetzt erscheint und einer Reibe mit ihren in Reihen gestellten Höckern ver- gleichbar wird. Das Hervorstrecken der Polypide erfolgt natürlich, wie überall, lediglich durch Kontraktion der Muskularis der Leibeswand. *)

Die Statoblasten dürften, trotz Hyatts vermeintlicher Beobachtungen an Cristatella ophioidea, alle von gleicher Form und Herkunft sein. Die sitzenden Statoblasten der Plumatellen und Fredericellen entstehen, wie ich am andern Orte ausführlicher zu be- gründen gedenke, nicht etwa an der Leibeswand, sondern sind gleichfalls Produkte des Funiculus, die erst nachträglich mit dem Cystiderm in Verbindung treten. Es ist also in der gesamten Formengruppe der Bryozoen kein Fall bekannt, dafs Statoblasten an anderen Organen wie am Funiculus entstehen. Mufs diese Thatsache schon an und für sich die Behauptung Ayaiis, bei Cristatella bildeten sich sitzende Statoblasten an den die Kolonie durchsetzenden Septen, als recht zweifelhaft erscheinen lassen, so dürfte noch ferner in die Wagschale fallen, dafs ich bei speziell auf diesen Punkt gerichteten Unter- suchungen zu allen Jahreszeiten wenigstens bei einheimischen Cristatellen keine Andeutung zweier verschiedenartiger Statoblastenformen habe auffinden können. Inwieweit aber die Annahme, Cristatella »ophioidea« könne sich in dieser Hinsicht fundamental anders ver- halten, als die europäische Cristatella mucedo, Anspruch auf Berechtigung hat, wird die spätere Besprechung der Artunterschiede der Cristatellen ins rechte Licht setzen. Zu allem dem kommt noch der rein phylogenetische Gesichtspunkt, dafs gerade an Stelle der bei Plumatellen stattfindenden Anleimung gewisser Statoblasten nunmehr bei Pec- tinatellen und Cristatellen die andere Form der Beharrungsmöglichkeit der Statoblasten an der einmal okkupierten Lokalität durch Ausbildung von Ankern oder Dornen sich herausgebildet hat, welche eine zweite Art von Statoblasten völlig überflüssig erscheinen läfst.

*) Während der Drucklegung des vorstehenden Abschnittes geht mir von Herrn Dr. Ai Verworn eine Inauguraldissertation zu, welche speziell die Anatomie und Statoblastenentwickelung der Cristatella mucedo be- handelt. Die Resultate unserer anatomischen Untersuchungen stimmen in einer Reihe wesentlicher Punkte nicht überein, doch bin ich leider nicht in der Lage, nach nochmaliger sorgfältiger Durchsicht meiner Präparate, die früheren Schilderungen über Leibeswand, Kamptoderm, Nervensystem, Muskulatur, Verdauungsapparat etc. irgendwie zu modifizieren, wie ich auch den Erklärungsversuch für die Bewegungsfähigkeit der Cristatella von seiten des Herrn Dr. Verworm als verfehlt betrachten mufs. Inwieweit der »Funiculus als Ovarium zu betrachten: ist, und inwieweit die Auffassung der Statoblasten als »parthenogenetischer Wintereier«e gerechtfertigt erscheint, werde ich im zweiten Teile meiner Monographie näher zu erörtern haben.

144 K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoen.

Die Statoblasten der Cristatellen haben mit denen der Pectinatellen die be- trächtliche Gröfse, die kreisrunde Form und die Dornen gemein; dennoch sind sie un- schwer von ersteren zu unterscheiden. Zunächst sind sie nicht wie die der Pectinatella an zwei gegenüberstehenden Seiten hutkrempenartig gebogen, sondern gleichmäfsig flach. Der Schwimmring ist am Rande von viel beträchtlicherer Dicke und zeigt vor allem eine ungleich kompliziertere Struktur als wie dort, indem die einzelnen Luftkammern nicht einem kontinuierlichen peripherischen Chitindiscus aufsitzen, sondern einer grofsen Zahl radial gestellter Chitinbalken, von denen sie allseitig ausstrahlen, dabei aber nur an der dorsalen Seite der Chitinkapsel mit dieser in unmittelbare Berührung treten (vgl. Taf. III, Fig. 102, Querschnitt). Sehr verschieden von der vorgenannten Gattung ist auch die Bedornung der Statoblasten. Diese Dornen finden sich entgegen den Angaben Kafkas stets auf beiden Seiten des Statoblasten und zwar auf der ventralen Seite dem Rande mehr genähert, als auf der dorsalen, wo sie einem besonderen, mehr zentralwärts befindlichen Verdickungsring inseriert sind (Taf. VII, Fig. 150). Sie sind eigentümlich s- oder zförmig gebogen und durchweg schlanker und länger als diejenigen von Pectinatella, auch nicht bandartig flach, wic jene; ihr Ende ist nicht einfach anker- förmig, sondern trägt statt der 2 Spitzen nicht selten 3, 4 oder mehr, ja kann fast hirschgeweihartig verzweigt sein (Fig. 150, 151, Taf. VII). Die Flächen der eigentlichen Statoblastenkapsel sind nicht gebuckelt, wie A//man angiebt, sondern fast völlig glatt, doch lassen sie ein feines Netzwerk erhabener Leisten erkennen, das sich als Abdruck der Zellenschicht darstellt, welche die Chitinkapsel durch Ausscheidung gebildet hat. Beim Kochen mit Kalilauge quellen die Statoblasten in oner Weise auf, wie es bei keiner andern Form ähnlich sich wiederfindet, und wie ich es in Fig. 93 (Taf. III) dar- zustellen versucht habe. Sie erhalten dann die Form einer Art Kasserole. Hervor- gerufen wird diese eigentümliche Erscheinung durch die komplizierte Art des Zerfallens des Statoblasten in seine beiden Hälften, wie dies auch beim normalen Zersprengen der Schale im Frühjahr durch den auskriechenden Embryo geschieht. Schon Fotts (go) hat darauf hingewiesen, dafs hierbei nicht, wie bei allen übrigen Statoblasten und so auch bei Pectinatella, ein den Rand des Statoblasten als scharfe und breite Crista umziehender, den Schwimmringszellen als Fufspunkt dienender Chitindiscus einfach in zwei horizontale Lamellen sich spaltet (Fig. 101); es verbleibt vielmehr, bei der ganz andersartigen Be- festigung des Schwimmrings an der Kapsel und seinem weit komplizierteren Bau, die Hauptmasse des Schwimmrings der dorsalen Schale, und nur eine zarte, ebenfalls retikulierte Chitinlamelle spaltet sich innen von ihm ab, die nun, wie die Falte eines halbeingestülpten Handschuhfingers sich ausziehend, die Entfernung der beiden Schalen von einander bis zu jenem kasseroleartigen Gebilde ermöglicht. Fig. 102 zeigt einen Querschnitt durch den geschlossenen, Fig. 103 einen solchen durch den in beschriebener Weise auseinander gekochten Statoblasten. In den Fig. 93 und 103 ist am die ausgezogene Abspaltungs- lamelle. Bei weiterem Kochen mit Kalilauge reifst dann diese Lamelle vom Rande des Schwimmrings ab, und wir erhalten zwei völlig getrennte Chitinklappen (Fig. 150 und 151). Eine Zerlegung auch dieser Klappen in zwei weitere Schichten, eine äufsere, die Luft-

K. KRAEPELIN, Die deutschen . Süfswasserbryozoen. 145

zellenschicht tragende und eine innere solide, wie solches bei den Plumatellen beschrieben wurde, scheint bei Cristatella ebensowenig möglich, wie bei Pectinatella und Lophopus.

In Bezug auf die drologischen Verhältnisse ist zunächst zu bemerken, dafs die Cristatellen augenscheinlich auf stehende oder langsam fliefsende Gewässer angewiesen sind. Selbst da, wo sie in schneller dahinströmenden Wasserläufen vorkommen, wie z. B. in der Naab bei Schwandorf, oder in der Elbe bei Geesthacht, finden sie sich nur an solchen Stellen, wo die stärkere Strömung sie nicht erreichen kann. In dem Substrat, das ihnen zur Unterlage dient, sind sie, wie alle Süfswasserbryozoen, nicht wählerisch. Im Wasser schwimmende Pflanzen (Potamogeton, Stratiotes, Nymphaea, Villarsia etc.), untergetauchte Zweige, Baumstämme, Borkestücke, Steine, kurz alles, was einen festen Halt biefet, ist ihnen genehm. Sie leben auffallend gesellig, oft reihenweise neben und hinter einander und dann von jener eigentiimlichen Gallertlamelle wie von einem gemein- samen Teppich unterlagert. So erzählt Zait von einem Vorkommen der Cristatella bei Philadelphia, wo er tausende von Kolonien auf einem Raum von wenigen Quadratmetern am Grunde eines Baches beobachtete, /o¢#s von einem ähnlichen Auftreten am See von Harvey (Nordamerika), wo Stamm und Zweige abgestorbener, im Wasser liegender Bäume ganz von den langen raupenförmigen Kolonien überzogen waren. Ähnliches, wenn auch in bescheidenerem Mafsstabe, habe ich in der Bille bei Hamburg beobachtet. Die Be- hauptung Allmans, dafs die Cristatellakolonie, abweichend von allen übrigen Bryozoen, nur im hellsten Sonnenlichte sich wohl fühle und voll entfalte, kann ich in keiner Weise bestätigen. Überall, wo ein Verstecken leicht zu bewerkstelligen, habe ich die Cristatellen diesen Vorteil ausnutzen sehen. An den Blättern der Stratiotes, an welcher ich sie zu Hunderten gesammelt, safsen sie stets an der Unterseite der aloéartig schräg aufwärts gerichteten Blattfläche, und dies noch dazu in einem Morastwasser, das den Sonnenstrahlen sicher nur ein sehr beschränktes Eindringen gestattete. Ebenso fand ich fast ausschliefs- lich die Unterseite der Seerosenblätter von ihnen besetzt oder den Blattstiel unter der Blattspreite. Auf Holz und Steinen sitzen sie natürlich zuweilen auch aut der Oberfläche, doch haben sie diese Eigentümlichkeit eben mit allen übrigen Bryozoen gemeinsam. Mehr kann man sich mit dem einverstanden erklären, was Allman über Beweglichkeit und Sensibilität unserer Tiere sagt. Letztere erscheint in der That sehr gering: Auf gröbere Insulte ziehen sich allerdings die Polypide wohl in das Innere zurück, aber schon nach wenigen Sekunden sind sie wieder völlig ausgestreckt, um bei häufigerer Wieder- holung des Experiments kaum noch auf Berührung und Stofs zu reagieren. Man wird so bei der Beobachtung der verschiedenen Sensibilität der einzelnen Gattungen mit Not- wendigkeit zu dem Schlufs geführt, dass mit der allmählichen Reduktion des als Schutz- vorrichtung aufzufassenden Einstülpungsapparates (vgl. Pag. 40—42) auch die Kei een lichkeit gegen äufsere Insulte pari passu abgenommen hat.

Die Bewegungsfahigkeit ist offenbar von der Gröfse und Altersstufe in hohem Grade abhängig. Junge, soeben erst aus dem Statoblasten ausgekrochene Kolonien wechseln ihren Fixationspunkt häufig und schnell, ja flottieren auch, wie Potts dies an- schaulich beschreibt, frei an der Oberfläche des Wassers, die »Sohle« nach oben, die

19

146 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Polypide nach abwärts gekehrt. Erst wenn die anfangs schnabelschuhartige Form der Kolonie in die kreisrunde übergegangen, tritt eine gröfsere Stabilität ein. Kolonien von 2—-4 cm Länge sind immerhin noch im stande, täglich etwa den Weg von einigen Centi- metern zurückzulegen, während die langen regenwurmartigen Exemplare wohl kaum frei- willig mehr den einmal erwählten Platz verlassen.

Der Lebenslauf einer Cristatellakolonie ist ein verhältnismäfsig kurzer. Frühestens Anfang Mai, vielfach aber erst im Juni, kriechen die jungen Kolonien aus den Statoblasten, anfangs von denen der Pectinatella durch zitronengelbe Färbung sich unterscheidend. Bis in den Juli hinein bleiben die Kolonien klein, rundlich, mit wenigen Polypiden besetzt, lassen aber schon jetzt eine Reihe zu Grunde gegangener Polypide (braune Körper) und die Geschlechtsprodukte erkennen. Juli, August und allenfalls noch September sind bei uns die Monate der gewaltigsten Entwickelung. Im August dürften die Embryonen zum Ausschlüpfen gelangen, während die Produktion der Statoblasten bis in den Herbst sich fortsetzt. Endlich verkümmern auch die letzten Generationen der Polypide, und der mehr und mehr absterbende »Zoariumschlauch«, der nun mit Statoblasten dicht gefüllt ist, zergeht entweder an Ort und Stelle, oder aber er wird als mehr oder weniger ge- ballter Gallertklumpen vom Wasser in weiter entlegene Gebiete fortgeführt. Die Dornen der Statoblasten dürften besonders im Gewirr fadenförmiger Algen als Anker von Nutzen sein; an gfofseren Pflanzen oder an Holz haftet der Statoblast meist wohl nur durch die Flächenadhäsion.

Die geographische Verbreitung der Cristatellen ist nach den bis jetzt bekannten Daten auf Mitteleuropa und Nordamerika beschränkt, doch scheint ihr Vorkommen in den Tropen keineswegs ausgeschlossen, nachdem Carter in Indien eine Pectinatella auf- gefunden. |

Unterscheidung der Arten. Ein recht schwieriger Punkt ist die Frage nach der Zahl und Unterscheidung der Arten. Bis zum Jahre 1859 kannte man überhaupt nur eine Art, die europäische, schon von Cuvzer benannte Cristatella mucedo, nachdem die Cr. mirabilis Dalyell als mit dieser identisch erkannt worden. Zu dieser Zeit aber be- schrieb Lezdy zuerst eine Cristatella aus Nordamerika, die er für spezifisch verschieden von Cr. mucedo hielt und als Cr. Idae in die Litteratur einführte. yatt kreierte dann 1868 eine cbenfalls amerikanische Cr. ophioidea, der endlich von Potts im Jahre 1884 eine Cr. lacustris angereiht wurde. Die Merkmale, welche diese 4 Arten nach den Angaben der Autoren von einander unterscheiden sollen, sind sehr zahlreich, so dafs es nicht schwer sein könnte, auf Grund derselben eine gegebene Form der einen oder der anderen Species einzureihen, wenn diese Angaben alle strikte der Wirklichkeit ent- sprächen, und Zwischenglieder nicht existierten. Dem ist nun entschieden nicht so, wie ich im folgenden zu beweisen versuchen will, wobei mir allerdings der Umstand hinder- lich in den Weg tritt, dafs meine Untersuchungen fast ausschliefslich auf Material von Cristatella mucedo sich stützen, da mir von amerikanischen Formen lediglich Statoblasten der Cristatella lacustris Potts zur Verfügung standen. Eine Übersicht der bisher von den Autoren aufgeführten Unterschiede giebt folgende Tabelle:

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 147

Crist. mucedo Crist. Idae Crist. ophioidea Crist. lacustris Cuv. Leidy Hyatt Potts Länge der Kolonie........... 5 cm 2,5 cm bis 20 cm bis 15 cm Breite der Kolonie . ......... 1,3 cm 0,45 cm 1/4 Zoll = 0,83 cm Form der Kolonie ........... gestreckt oval | gestreckt, raupen- 'schlangenartig gewunden,| schlangenartig artig kleinere gerade oder spiralig EE mit spec. locomot. | l Ohne spec. i Apparat Bewegungsapparat Lebensgewohnheit............ Einzeln und Viele auf einer | Wie vor.; Gallertschicht | Wie vor. ; Gallerte | freilebend Gallertunterlage bis 3 mm dick 2—2,5 mm dick Tentakelzahl ................ mit 80 Tentakeln | mit 72 Tentakeln mit 90 Tentakeln mit 50—60 Tent. Darmtraktus................. blaugriin braun, bisweilen, blafsgelb oder grünbraun Breite der Statoblasten........ 0,769 mm I—-1,252 mm 0,8—o,830 mm Oberfläche der Statoblasten.... gebuckelt glatt rauh oder fein | granuliert Rand der Statoblasten ........ gebuchtet ganz Dornen der Dorsalseite ....... 12 20 20—22 etwa wie C. Idae Dornen der Ventralseite....... 20 50 32—37 "(etwa wie C. Idae Ende der Dornen............ an der Spitze mit 2 Haken mit 1—6 Haken | sigmaförmig

Was zunächst die Länge der Kolonie betrifft, so liegt es auf der Hand, dafs sie als Artcharakter wenig ins Gewicht fallen kann, da es sich ja um einen Tierszock handelt, der vermöge seiner knospenden Randzone zu unbegrenztem Wachstum befähigt ist, und dessen wirkliche Ausdehnung daher einmal von der Jahreszeit (ob im Juli, ob im September beobachtet), dann aber auch von den lokalen, mehr oder minder günstigen Bedingungen abhängt. Dafs dem so ist, läfst sich ohne grofse Mühe schon an der einen Cr. mucedo beweisen. <A//man giebt ihr eine Länge dis zu 5 cm, spricht aber haupt- sächlich von Exemplaren, die 2—2,5 cm Länge besitzen. Das wäre das Mafs, welches Leidy der Cr. Idae vindiziert, und welches ich selbst für den Monat August (in welchem Leidy sammelte) bei unserer Cr. mucedo für das normale halte. An derselben Lokalitat (Bille bei Hamburg), der ich die 2—3 cm langen Augustexemplare entnahm, fand ich aber später neben vielen Exemplaren von geringerer Gröfse bald auch einige, welche 7, 9, ja in einem Falle 15 cm erreichten. Dieses letztere Exemplar, welches der ganzen Länge nach einem Potamogetonstengel angeheftet war, zerrifs beim Transport in einem Wassergefäfs in eine Reihe von Teilstiicke von 2—-4 cm Länge, die nun völlig den An- schein ganzer, intakter Kolonien gewährten, wenn man nicht den Mangel der Randknospen- zone an den Enden beachtete. Diese leichte Zerreifsbarkeit durch die Bewegung des Wassers dürfte der Grund sein, weshalb man verhältnismäfsig so selten, d. h. nur unter aufsergewöhnlich günstigen Umständen, Exemplare findet, die das Mafs von 4 bis 5 cm übersteigen. Dennoch steht meine Beobachtung excessiver Länge der Cr. mucedo

148 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

durchaus nicht vereinzelt da, wie denn Nische (1868) von bis zu »fufslangen« (also 28 cm messenden) Exemplaren spricht, die er in Schimmels Teich bei Leipzig gefischt habe. Gegenüber dieser Angabe kann die Länge der Cr. lacustris (bis 15 cm) und der Cr. ophioidea (bis 20 cm) durchaus nicht als specifischer Charakter aufgefafst werden, und Herr F. Schmidt (94) in Dorpat wäre bei Beachtung dieser Verhältnisse sicher nicht zu dem Schlusse gelangt, dafs er in seinen 8—g cm messenden Exemplaren »eine ameri- kanische Art« (Cr. ophioidea) aus livländischen Gewässern vor sich habe.

Was die Breite der Kolonien anlangt, so variiert sie nicht unbetrathtlich, je nachdem die Kolonie der Unterlage flach aufliegt oder von ihr gelöst ist, je nachdem die Polypide ganz ausgestreckt sind oder sich bis zu einem gewissen Grade in das Innere zurückgezogen haben. So ist es schwer, vergleichbare Zahlen zu erhalten, zumal die einzelnen Beobachter nicht mitgeteilt haben, wie ihre Mafse zu verstehen sind. Da aber alle Autoren darin übereinstimmen, dafs gemeiniglich drei Doppelreihen von Polypiden auf den von ihnen beobachteten Kolonien entwickelt waren,*) Verschiedenheiten in der Gröfse der Polypide und ihrer Abstände von einander aber nicht angegeben werden, so dürfte eine mittlere Breite von 0,5—0,9 cm, wie ich sie bei heimischen Exemplaren beobachtete, für alle das normale sein. Über die Eigentümlichkeit der gröfseren Exem- plare von Cr. ophioidea und lacustris, der Unterlage in einer Schlangenlinie aufzuliegen oder, von derselben frei, sich spiralig um sich selbst zu drehen, ist nach dem schon früher Gesagten kaum noch ein Wort zu verlieren. Die Fig. 90 mag zeigen, wie auch eine 6, resp. 9 cm lange Cr. mucedo in dieser Hinsicht Erkleckliches zu leisten im stande ist.

In gleicher Weise dürfte die Frage nach der spezifischen Natur der Sohle, welche Potts als wirkliches Artmerkmal gegenüber seiner Cr. lacustris hervorhebt, durch die obige Darlegung über die anatomischen Grundlagen der Ortsbewegung erledigt sein. Blindes Vertrauen in die Angaben Allmans hat hier den amerikanischen Forscher zu der Annahme veranlafst, dafs er etwas durchaus Eigenartiges gefunden habe, eine Erscheinung, der wir noch mehrmals im Verfolg dieser kritischen Auseinandersetzungen begegnen werden. So schon gleich bei der Besprechung des nächsten Punktes von der gemein- samen Gallertunterlage der Kolonien. Allman erwähnt sie nicht bei Cr. mucedo, da er sie wohl iibersehen; die amerikanischen Forscher finden sie und verwerten sie daher ohne Bedenken zur Differenzialdiagnose für ihre neuen Arten.

Grofse Verschiedenheiten sollen die einzelnen »Specics« dann ferner in ihren Po- lypiden, namentlich in der Zahl ihrer Tentakeln zeigen. Dabei ist zunächst hervor- zuheben, dafs es nicht gerade zu den leichten Aufgaben gehört, die Zahl der Tentakeln eines lebenskräftigen, fast in steter Bewegung befindlichen Polypids mit absoluter Sicher- heit zu zählen. Fast immer hat man das Gefühl, dafs die Wirklichkeit von der auf

*) Hyatt sagt dies gerade zu von seiner Cr. ophividea, sogar mit dem Hinzufügen, dafs die äufserste Reihe der Polypide noch nicht völlig entwickelt wäre. Dennoch zitiert Jullien (93, pag. 165) so, als ob die Polypide in 4—8 konzentrischen Reihen ständen. Die Worte »one-fourth of an inch broad« werden übersetzt in ‚large de quatre è cvingt-cing millimétrese (7.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 149

solche Weise gefundenen Zahl um mehr als eine Einheit differieren werde. Die sichersten Resultate glaubte ich zu erhalten, wenn ich von einem in Spiritus konservierten, aus- gestreckten Polypid unter der Lupe auf dem Objekttrager die Tentakeln mit dem Messer abschnitt und diese nun mit Hilfe von Präpariernadeln behufs des Zahlens übersichtlich auseinanderlegte. Ferner kann es keinem Zweifel unterliegen, dafs, wie bei allen Süfs- wasserbryozoen, so auch bei den Cristatellen eine nicht unerhebliche Variation in der Zahl der Tentakeln bei einem und demselben Stock oder doch bei einer und derselben Species zu konstatieren ist, eine Variation, die dadurch für den Untersucher leicht noch weit erheblicher erscheinen kann, als sie in Wirklichkeit ist, dafs einerseits am heran- wachsenden Polypid die definitive Tentakelzahl erst ganz allmählich durch Sprossung an den Enden des Lophophors erreicht wird, andererseits aber die erwachsenen Polypide der jungen Kolonien augenscheinlich weit weniger Fangarme besitzen, als die der heran- gewachsenen. Zur Begründung dieser Behauptung führe ich nur an, dafs die Polypide meiner eben ausgekrochenen Cristatellakolonien, gleich denen ZRoesels, nur etwa 50—60, diejenigen der Septemberexemplare aber über 80 Tentakeln zeigten. Hält man sich alles dieses gegenwärtig, so wird man die Angaben über die verschiedene Tentakelzahl durch- aus nicht als Beweis specifischer Verschiedenheit der Formen ansehen können. Die auf- fallend geringe Tentakelzahl der Cr. lacustris Potts erklärt sich dann einfach aus dem Umstande, dafs Potts, soweit aus seinen Angaben erhellt, nur ganz junge, in seinen Aquarien ausgekrochene Kolonien auf diesen Punkt hin untersucht hat. Die »72 Ten- takeln« der Cristatella Idae sind von Leidy selbst später auf »etwa 80« erhöht worden, vielleicht aus dem Grunde, dafs er den zweiten Fund im September, den ersten dagegen im August gemacht hatte. Meine eigenen Zählungen, namentlich an Herbstexemplaren der Cr. mucedo, ergeben ein Schwanken der Tentakelzahl zwischen 80 und 90, so dafs auch die Angaben //yatts über Cr. ophioidea vollständig in den Rahmen der Variations- weite unserer europäischen Form fallen. | Ebensowenig läfst sich aus der verschiedenen Färbung des inneren Darmtraktus ein Schlufs auf die Selbständigkeit der amerikanischen Arten ziehen. Allman giebt dem Innern des Darms ein »leichtes blaugrün«, fügt aber hinzu, dafs dies nur bei wohl- genährten, gesunden Tieren auftrete; Leidy nennt die Farbe des Darmtraktus braun und sieht hierin ein Charakteristikum seiner Cr. Idae im Gegensatz zu Cr. mucedo. 20 Jahre später modifiziert er seine Angabe dahin, dafs der Magen manchmal »blafs gelb« oder »grünlich braune aussehe. Nach meinen Beobachtungen kann es keinem Zweifel unter- liegen, dafs die Farbe des Darmtraktus ganz erheblichen Schwankungen unterliegt, und zwar die des Oesophagus und des Blindsacks vom dunkel Chokoladenbraun oder Grün- braun zum Blafsgelb, je nachdem das Polypid reichliche Nahrung zu sich genommen, oder im Aquarium einige Tage gehungert hat. Der Enddarm ist immer blaugrün gefärbt, doch tritt auch diese Farbe mit ganzer Intensität erst hervor, wenn der Darm gänzlich entleert ist, während bei dem frisch aus seiner natürlichen Umgebung untersuchten Stock dieselbe so völlig durch dunkle Faecalmassen verdeckt wird, dafs erst aufmerksame, speciell auf diesen Punkt gerichtete Beobachtung das Vorhandensein der blaugrünen

150 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

Wandung konstatieren kann. Ich stehe daher nicht an, zu glauben, dafs der scheinbare Widerspruch zwischen Allan und Leidy auch hier auf ungleiche Beobachtungsbedingungen und ungenaue Beobachtung selbst sich zurückführen läfst. |

Weit schwerwiegender auf den ersten Blick für die Entscheidung der Frage nach der Selbständigkeit der aufgestellten 4 Arten sind die Angaben über die Ver- schiedenheit der Siatodlasten. Unterschiede in der Gesamtform, dem Rande und der Oberfläche, wie sie von den Autoren angegeben werden, dürften sich allerdings mit Leichtigkeit als nicht stichhaltig erweisen und auf Ungenauigkeiten der A//manschen Zeichnung zurückführen lassen. So zeichnet er den Rand des Schwimmringes in eine grofse Zahl von Spitzen ausgezogen, während derselbe in Wirklichkeit völlig kreisförmig ist und nur manchmal bei durch Kalilauge auseinandergekochten Exemplaren eine jener Zeichnung entsprechende Form annimmt. In diesem Falle pflegt nämlich die frei ge- wordene Schwimmringsmembran an den Stellen sich etwas konkav einzubiegen, wo sie nicht durch die früher geschilderten radialen Chitinstreben in voller Ausspannung er- halten wird. Ebensowenig finden sich auf der Mittelflache des Statoblasten, weder dorsal noch ventral, jene rundlichen Buckel, die der A//manschen Zeichnung ein so fremdartiges Aussehen geben. Zwar glaubt man zuweilen bei frisch präparierten Statoblasten der- gleichen zu sehen; das Bild ergiebt sich aber bald als eine durch Luftbläschen hervor- gerufene Täuschung. Vielmehr ist die Oberfläche durch ein wenig vorspringendes Netz von Chitinleisten schwach retikuliert, wie dies auch Querschnitte auf das unzweideutigste darlegen (Fig. 102). Fügen wir endlich hinzu, dafs auch die Allmansche Profilansicht wenig gelungen ist, insofern der Statoblast viel zu scharfrandig erscheint, so glaube ich alles angeführt zu haben, was die amerikanischen Forscher zur Annahme anders- artiger Form- und Strukturverhältnisse ihrer Untersuchungsobjekte bewogen hat. Ge- rade ihre Angaben über die Differenzen der amerikanischen Statoblasten in Bezug auf Form, Rand und Skulptur von den europäischen beweisen, dafs die von ihnen unter- suchten Gebilde wenigstens in den eben erörterten Beziehungen von den Statoblasten einer Cr. mucedo nicht verschieden sind. Eine direkte Bestätigung dieser Deduktion lieferte die Untersuchung der Statoblasten von Cr. lacustris, welche Herr Potts mir zu senden die Freundlichkeit hatte.

An diesen Statoblasten von Cr. lacustris konnte ich dann allerdings ferner kon- statieren, dafs in der That in Bezug auf Zahl der Dornen und Grösse Unterschiede zwischen den aufgestellten Formen vorhanden sind. Potts sagt in seiner Diagnose nichts über die Gröfse der Statoblasten von Cr. lacustris. Ich bestimmte ihren Durchmesser auf 1,0 bis 1,15 mm, so dafs sie also etwa der Cr. Idae Leidy an Gröfse gleich kommen dürften. Dabei mufs ich jedoch bemerken, dafs mir nur geringes Material zu Gebote stand, so dafs durch diese Angaben die Variationsweite der Statoblastengröfse für Cr. lacustris sicher noch lange nicht erschöpft ist. Zu dieser Vermutung werde ich um so mehr geführt, als mir das reichere Material von Cr. mucedo viel bedeutendere Zahlen- differenzen ergab, obwohl dieses Material an derselben Lokalität und fast zu derselben Jahreszeit gesammelt wurde. Die für die Statoblastengrofse von Cr. mucedo erhaltenen

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryözoen. IS!

Zahlen schwanken zwischen 0,70 und 0,97 mm, d. h. fast um ein volles Drittel des Durchmessers, so dafs die Angabe Fudliens (0,769) lediglich als eine Durchschnittszahl angesehen werden mufs, deren 3 Dezimalstellen nicht weiter imponieren dürfen. Da nun Cr. ophioidea nach Hyatt eine Statoblastengröfse von 0,80 bis 0,830 mm haben soll, so fallen diese Zahlen völlig in das Normale von Cr. mucedo; die Werte für Cr. lacustris und Cr. Idae (1—-1,352) stellen sich zwar etwas höher, sind aber weit entfernt, die Selb- ständigkeit dieser »Arten« zu begründen, da die von mir beobachteten Gröfsendifferenzen der Statoblasten innerhalb der einen Art Cr. mucedo 0,74 bis 0,97 weit erheb- licher sind, als die zwischen den gröfsten Exemplaren von Cr. mucedo und den kleinsten der amerikanischen Formen (0,97 bis 1,0). Überdies dürften ausgedehntere Untersuchungen, als die von mir angestellten, noch weit gröfsere Annäherungen jener Werte ergeben, wie wohl aus den Erfahrungen über die Variationsweite der Statoblasten bei den übrigen Phylactolaemen zu folgern ist. |

Das beste Merkmal der Artunterscheidung bietet augenscheinlich die Za)l der Dornen oder Anker, welche sowohl an der dorsalen, wie an der ventralen Seite des Statoblasten radial hervorsprossen. Ein Unterschied in ihrer Krümmung, wie in der spezifischen Bildung ihrer frei hervorstehenden Enden ist sicher nicht vorhanden; viel- mehr ist die Zahl der kleinen Häkchen an der Spitze in der That bei Cr. mucedo und Cr. lacustris so variabel, dafs es völlig zutreffend ist, wenn man die Angabe Zyatts von den 1—6 Häkchen für Cr. ophioidea auch auf sie anwendet. Hyatt giebt nun den Statoblasten seiner Cr. ophioidea auf der einen (ventralen) Seite 32—37, auf .der andern (dorsalen) 20—22 Dornen. Zur richtigen Würdigung dieser Zahlen mufs zunächst hervorgehoben werden, dafs auch das Zählen dieser Dornen, gleich dem der Tentakeln, durchaus nicht ohne Schwierigkeit ist, da einmal die sich leicht ineinander hängenden Statoblasten bei der Präparation gewöhnlich einige ihrer Anker verlieren, andererseits aber manche derselben in der Mitte sich gabeln oder aber nur als kleine Spitzchen, Tuberkeln, Vorsprünge entwickelt sind, von denen man nicht weifs, ob man sie als reelle Dornen aufzählen soll oder nicht. Aus diesen Verhältnissen, die namentlich an der dor- salen Seite sehr augenfällig sind, ergiebt sich schon von vornherein, dafs es sich augen- scheinlich um Gebilde handelt, die an Variabilität das Mögliche leisten werden. Dieses vorausgeschickt, dürften die Angaben über die Zahl der Dornen durchaus nicht so sicher eine Artunterscheidung ermöglichen, als wie es von vornherein den Anschein hat. Die Zahlenreihen für die Dornen der Cr. mucedo, wie ich sie aus dem mir zu Gebote stehenden Material gewinnen konnte, werden die oben gemachten Schlüsse vollauf be- stätigen. So zählte ich auf der ventralen Schale 20, 21, 22, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, ja mehrere Male 31 *) Dornen, auf der dorsalen 10; 12, 14, 15, 16, 18, 22, so dafs das Minimum der Dornen in Summa 30, das Maximum aber 52 betrug. -Letztere Zahl ist

egen eee ee

*) Schmidt (94) in Dorpat fand bei einer seiner livländischen Formen bis 32 Wornen und leitet daraus einen weiteren Grund her, das Entdeckte als Cr. ophioidea anzusprechen. Nachträglich finde ich eben- falls 32 Dornen bei einem Exemplar aus Königsberg. | i

152 K. KRAEPELIN, Die deutschen Sülswasserbryozoen.

aber dieselbe, welche Hyatt für seine Cr. ophioidca angiebt, und es kann daher wohl keinem Zweifel unterliegen, dafs wenigstens diese Form auch in den Statoblasten mit der europäischen Cr. mucedo so gut wie völlig übereinstimmt. Etwas anders liegen die Verhältnisse bei Cr. Idae und Cr. lacustris, welche beiden Formen in den Statoblasten und auch sonst in allen Merkmalen identisch zu sein scheinen. Die wenigen von mir untersuchten Statoblasten von Cr. lacustris zeigten eine Dornenzahl von im Maximum 74 (40 + 34), im Minimum 70 (38 + 32), Zahlen, welche mit den von Lezdy für Cr. Idae angegebenen in der Gesamtzahl sehr gut übereinstimmen, und welche immerhin eine weite Kluft zwischen sich und denjenigen von Cr. mucedo und Cr. ophioidea übrig lassen. Ob hieraus aber wirkliche Arten konstruiert werden können, mufs billig be- zweifelt werden. Thatsächlich variiert die Cr. mucedo nach durchaus nicht ausgedehnter Untersuchung in Bezug auf Zahl der Dornen mehr, als die Differenz zwischen deren Maximum und dem Minimum der Dornen bei Cr. Idae und Cr. lacustris beträgt. Rechnen wir, wie die vorausgegangene Diskussion es als notwendig erscheinen läfst, auch die Cr. ophioidea in den Formenkreis der Cr. mucedo, so wird jene Differenz von 18 Dornen (52—70) um weitere 5 vermindert, da Hyatt bei der Cr. ophioidea bis 57 Dornen zählte. Nehmen wir nun endlich für diese letztere Form, sowie für Cr. Idae, eine auch nur an- nähernd so grofse Variationsweite der Dornenzahl an, wie wir sie bei Cr. mucedo that- sächlich konstatieren konnten, so ist vorauszusehen, dafs auch die bis jetzt fehlenden Zwischenglieder mit 57—70 Dornen bei eingehenderem Studium sich finden werden. *) Will man daher auch gern zugestehen, dafs die Cristatellen der Gegenwart, ähnlich wie die Pectinatellen (Vgl. Pag. 138), in einem Differenzierungsprozesse sich befinden, der sich namentlich in der Gröfse der Statoblasten und der Zahl ihrer Dornen bemerklich macht, derart dafs die europäischen Formen im allgemeinen niedrigere Zahlenwerte in beiden Charaktermerkmalen darbieten, als die amerikanischen, so wird man andererseits nicht aufser acht lassen dürfen, dafs jene unterscheidenden Merkmale zur Zeit noch so wenig ausgeprägt sind, noch in so hohem Mafse variieren und in ihren Extremen ver- bunden sind, dafs man allenfalls wohl von Varietäten, nicht aber von selbständigen Arten zu sprechen berechtigt ist.

Cristatella mucedo Cuvier (1798).

= Zoarium beim Auskriechen aus dem Statoblasten schnabelschuhartig, dann rund- lich, später gestreckt, wurmartig. Kolonien mittleren Alters in der Regel 2—5 cm lang, gerade, und +/,—1 cm breit, Herbstexemplare oft zu bedeutender Länge (bis 28 cm) an-

*) Ich habe hierbei, indem ich Cr. Idae und Cr. lacustris, welch’ letztere nach Pots eigner Angabe in der Dornenzahl mit Cr. Idae übereinstimmen soll, identifiziere, noch gar nicht in Betracht gezogen, dafs die relativ hohe Dornenzahl der Cr. lacustris vornehmlich durch die excessive Entwickelung der dorsalen- Dornen (32 34) erreicht wird, während die Ventralseite bei meinen Exemplaren nur 38—40 Dornen aufwies. Ist also, wie ich glaube, hier eine weitzre Zahlenkombination erlaubt, so würde das Minimum der Dorsaldornen von Cr. Idae (20) mit dem Minimum der Ventraldornen von Cr. lacustris (38) die Zahl 58 ergeben, die sich ohne weiteres an die Zahl 57 (Maximum bei Cr. ophioidea) anschliefst. |

K. KRAEPELIN, Die deutschen Stifswasserbryozoet. 153

wachsend, geschlängelt oder (losgelöst) spiralig um sich selbst gedreht. Kolonien oft gesellig, auf gemeinschaftlicher Gallertunterlage. Polypide in 3 Doppelreihen, deren äufserste, dem Knospenrand nächste, sich erst völlig entwickelt, wenn die innerste ab- zusterben beginnt. Tentakeln beim erwachsenen Sommerpolypid 80—go, in der Jugend und an der jungen Kolonie weniger. Darmtraktus, mit Ausnahme des blaugrünen End- darms, braun chokoladefarbig bis blafsgelb, je nach dem Ernährungszustand. ` Statoblasten fast kreisrund, mit wulstigem Schwimmring und retikulierten Schalenflächen, 0,7— 1,25 mm breit, beidseitig mit ein- bis zweifach gebogenen, an der Spitze mit 2—6 Häkchen ver- sehenen Dornen bewehrt. Zahl der Dornen auf der Dorsalseite 10—34, an der Ventral- seite 20—50. Synonyme:

1755 Der kleinere Federbuschpolyp Roesel (5).

1798 Cristatella mucedo Cuvier (16); desgl. Turpin, Gervais, Allman, van Beneden.

1816 Cristatella vagans Lamarck (18); desgl. Schweigger, Lamouroux, Goldfufs etc.

1834 «i, mirabilis Dalyell (24). 1858 5 Idae Leidy (62). 1866 e ophioidea Hyatt (69). 1884 2 lacustris Potts (90).

Nach den früheren Darlegungen glaube ich 2 Varietäten unterscheiden zu sollen: Var. a genuina (= Cr. mucedo der Autoren, Cr. ophioidea Hyatt). Statoblasten im Mittel 0,8 mm (0,7—0,97 mm) breit. Zahl der Dornen auf der Dorsalseite 10 bis 22, an der Ventralseite 20 bis 37. Var. ß Idae (= Cr. Idae Leidy, Cr. lacustris Potts).

Statoblasten im Mittel über 1 mm (1—1,25 mm) breit. Zahl der Dornen auf

der Dorsalseite 20 bis 34, an der Ventralseite 38 bis 50.

Die Var. 8 Idae ist bis jetzt nur in den Vereinigten Staaten von Nordamerika (Rhode-Island, Pennsylvanien, Lezdy; Connecticut, Potts) gefunden. Cr. lacustris dürfte die Jugend- und Herbstzustände, Cr. Idae die Sommerstadien dieser Form darstellen.

Die Var. æ genuina ist in der alten und neuen Welt verbreitet. Aus Amerika beschrieb sie Hya¢t als Cr. ophioidea. Für Mitteleuropa ist sie aus folgenden Ländern nachgewiesen: England, Irland, Schottland (etwa ein Dutzend Fundorte), Frankreich (etwa 3 Fundorte), Belgien (van Beneden), Holland (Leyden, Selenka), Schweiz, Rufs- land (Dorpat, Charkow), Deutschland.

Als deutsche Fundorte sind mir bekannt geworden: Nürnberg (Xoesel); Leipzig (Nitsche), seit 1874 verschwunden (?); Dresden (Haase); Naab bei Schwandorf (Krae- pelin); Kiel (Kieler Museum); Frankfurt a. M. (Noll); Giefsen (Spengel); Breslau (Schneider); Königsberg (Braem); Berlin und Potsdam (Meyen, Schulze, Weltner); Hamburg (Elbe bei Geesthacht, Bille, Osterbäk, Stadtgraben, Kraepelin).

20

154 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

F. Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Süsswasserbryozoen.

Vom descendenstheoretischen Standpunkte aus unterliegt es keinem Zweifel, dafs die Süfswasserbryozoen dem Meere entstammen, aus verwandten marinen Formen durch Anpassung an das Leben im süfsen Wasser hervorgegangen sind. Ebenso sicher aber scheint es, dafs nicht eine einzige Gruppe der Meeresbryozoen den Ausgangspunkt für alle die so ungemein differenten Süfswasserformen gebildet haben kann, dafs wir vielmehr die Ahnen der Urnatella, der Norodonien, Hislopia, Victorella und der Phylactolaemen in verschiedenen Phylen, ja zum Teil in ganz verschiedenen Ordnungen der marinen Bryozoen zu suchen haben werden. Indem wir die drei erstgenannten Gattungen als nicht zum Thema gehörig von unsern Erörterungen ausschliefsen, wollen wir im folgenden versuchen, die verwandtschaftlichen Beziehungen der Victorella, Paludicella und der Phy- lactolaemen zu den marinen Formen und zu einander klar zu legen.

Die Gattung Victorella ist von ihrem Entdecker wie von allen späteren Autoren ohne Zögern der Gruppe der ctenostomen Gymnolaemata zugeordnet, da sie in der That die Merkmale dieser Gruppe auf das deutlichste zur Schau trägt. Weniger Übereinstim- mung herrscht in Bezug auf die verwandtschaftliche Stellung derselben zu den übrigen Gattungen und Familien jener Unter-Ordnung. Kent kreierte für sie eine eigene Familie der Homodiaetiden, die er den beiden anderen Familien der Alcyonidiiden und Vesicula- riden gleichwertig gegeniiberstellte. Hincks, der den Familienbegriff viel enger fafst und daher nicht weniger als 10 Familien der Ctenostomen unterscheidet, hält allerdings eben- falls die Aufstellung einer besonderen Familie (der » Victorelliden«) für die Gattung Vic- torella geboten; er subsumiert sie aber unter seine Gruppe der Siolonifera, wo sie mit den Valkeriiden und Mimoselliden die Untergruppe der Campylonemiden ausmacht. Bous- field endlich verwirft nach Penningtons Vorgang die Aufstellung einer besonderen Familie für Victorella und vereinigt sie mit den Cyl:ndroecizden.

Da mir trotz mannigfacher Bemühungen ausgiebigeres Material von den Gat- tungen der Ctenostomen nicht zur Verfügung gestanden hat, so kann ich es nicht unter- nehmen, endgültig über obige Kontroverse entscheiden zu wollen. Dennoch dürften sich aus dem genaueren Studium der Victorella selbst gewisse Gesichtspunkte ergeben, welche eine präzisere Formulierung ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen zu den übrigen Gat- tungen der Stolonifera denn um diese allein kann es sich handeln gestatten. Zu-

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 155

nächst und vor allem ist hervorzuheben, dafs die Auffassung von Kent und Hincks, als ob die »Zellen« durchgehends aus Erweiterungen der Wurzelfäden entsprängen und daher, im Gegensatz zu den Vesiculariden, niemals am Grunde eine Einschnürung zeigten, durchaus irrtümlich ist. Dies gilt nur für die jugendlichen Individuen des Frühjahrs; im Sommer und Herbst produzieren die aus den Wurzelfäden hervorgegangenen »Zellen« massenhaft Tochterindividuen, die sich durch eine deutliche Einschnürung von der Mutter- zelle absetzen, ja von ihr durch ein vollständiges Diaphragma getrennt sind, wie aus Beobachtungen beim Färben der Stöcke mit Leichtigkeit gefolgert werden kann. Es gleichen somit die älteren Kolonien in diesem Punkte durchaus den Valkerien, Bower- bankien, Cylindroecien etc., so dafs der Hauptgrund Kents für die Aufstellung seiner Familie der Homodiaetiden in Wegfall kommt, umsomehr als ich bei Zuch: (British Po- lyzoa, Taf. 79) z. B. für Cylindroecium dilatatum dieselbe Entwickelung von »Zellen« aus knolligen Erweiterungen der Wurzelfäden dargestellt sehe, die für die Jugendzustände der Victorella so charakteristisch ist. Dafs ferner Victorella eines »Kaumagens« (gizard) nicht entbehrt, wie Kent und Hincks glaubten, hat bereits Bousfield hervorgehoben. Was endlich die Einordnung unserer Gattung in die Gruppe der »Campylonemiden« betrifft, so ist es mir allerdings nicht recht klar, inwieweit es als glücklicher Griff bezeichnet werden kann, wenn man zwei ganze Gruppen von Familien danach unterscheiden will, ob zwei der Tentakeln mehr oder weniger »zurückgekrümmt« sind oder nicht; accep- tieren wir aber dieses Unterscheidungsmerkmal, so kann es trotz der Zeichnung Mincks' nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dafs Victorella gestreckte Tentakeln hat, also den »Orthonemiden« von Hincks zugerechnet werden mufs. Zwei Momentphotographien, welche Herr Bousfield mir zu übersenden die Freundlichkeit hatte, lassen in Bezug auf diesen Punkt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Zudem hat mir Herr Dr. Müller- Greifswald, der die Tiere neuerdings beobachtete, jene Thatsache auf das bündigste be- stätigt und mich schliefslich durch Übersendung lebenden Materials in den Stand gesetzt, auch meinerseits die gleiche Beobachtung zu machen. Aus dem Gesagten folgt, dafs Kents Aufstellung einer besonderen, den Alcyonidiiden und Vesiculariiden gleichwertigen Gruppe für Victorella jeder Begründung entbehrt, dafs ebenso Hincks im Unrecht ist, wenn er seine Victorelliden der Tribus der Campylonemiden einordnet. Können wir auch nicht mit derselben Entschiedenheit mit Bousfield für die Vereinigung mit den kau- magenlosen, inkrustierten Cylindroeciiden eintreten, so steht doch so viel fest, dafs unsere Gattung denjenigen stoloniferen Formen unmittelbar sich anschliefst, deren Sto- lonen aus kolbigen Anschwellungen cylindrische Zellen hervorgehen lassen. Beobachtet dürfte dies, von den Aeteiden abgesehen, vorerst nur bei gewissen Cylindroecien sein; doch scheint mir eine solche Entwickelung des Stockes aus winterlichen Stolonenknollen auch für andere Gattungen nicht ausgeschlossen. Neuere Untersuchungen, welche nicht nur die fertige sommerliche Kolonie berücksichtigen, sondern auch das Werden derselben ins Auge fassen, können hier allein zu weiterer Erkenntnis führen. Die aus den pri- mären Zellen der Victorella sekundär entspringenden, ebenfalls cylindrischen, aber am Grunde verengten Tochterzellen entsprechen dann wohl den Seitenzellen der Bower-

156 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

bankien, und ich würde nicht zögern, unsere Victorella dieser Gattung einzureihen, mit der sie in Bezug auf die Zahl der Tentakeln, die fast hyaline Cuticula, den Besitz eines wenn auch wenig ausgebildeten Kaumagens übereinstimmt, wenn es sich herausstellen sollte, dafs die jungen Bowerbankien ebenfalls aus knollenartigen Stolonenverdickungen hervorgehen.

Wie dem auch sei, die Thatsache bleibt unter allen Umständen feststehend, dafs unter den Bryozoen unseres süfsen oder fast süfsen Wassers (vgl. Pag. 95) eine Form existiert, welche in allen Teilen so sehr als typische Ctenostome sich zeigt, dafs man lediglich über die präzisere Stellung derselben in der Gruppe der Stolonifera in Zweifel sein kann. Es liegt daher von vornherein nahe, auch für die übrigen europäischen Süfs- wasserbryozoen zunächst an eine Ableitung aus ctenostomen Formen zu denken.

Für die Gattung Paludicella dürfte ein solcher Versuch kaum auf Widerstand stofsen. Allman stellte allerdings die Paludicellen als gleichwertige Gruppe der Gymno- laemata neben die Cyclostomen, Chilostomen und Ctenostomen und charakterisierte sie durch die »unvollkommene Ausstülpbarkeit der Tentakelscheide«; auch Bronn folgt in seinen Klassen und Ordnungen des Tierreichs 1862 noch dieser Anordnung. Aber schon im Handbuch von Carus und Gerstäcker (1868—75) sehen wir die Paludicellen als Familie der Ctenostomen aufgeführt, und dieser Auffassung haben sich die neueren Lehr- bücher wohl ausnahmslos angeschlossen, ohne dafs ich anzugeben wiifste, ob für diese veränderte Stellung der Gattung im System gegen die Autorität eines A//man jemals ein anderer Grund mafsgebend gewesen ist, als etwa die leichtere Übersichtlichkeit der Gruppen in den Handbüchern. Dennoch mufs ich nach dem, was im früheren über das Aus- und Einstülpen der Polypide bei Paludicella gesagt wurde (Pag. 39 ff.), mich voll und ganz auf den Standpunkt der neueren Autoren stellen und jene Gattung nach allen ihren Charaktermerkmalen für eine typische Ctenostome erklären, die allerdings auf den ersten Blick weder mit den »Halcyonellea« (Alcyonidiiden, Arachnidiiden, Flustrelliden), noch mit den »Stolonifera« nähere Beziehungen zu haben scheint. Wollte man nur die äufsere Form der Zellen in Betracht ziehen, so könnte man noch am ersten auf eine Ver- wandtschaft mit den Arachnidiiden*) schliefsen, doch glaube ich den Versuch wagen zu dürfen, unsere Paludicella direkt aus der Victorella, oder doch einer stoloniferen Form, abzuleiten. Es wäre nicht unmöglich, dafs bei diesem Versuch auch für die Arachnidii- den ein näherer Anschlufs an die Gruppe der Stolonifera erkennbar wird.

Wie im systematischen Teile geschildert, schwellen die kriechenden Stolonen der Victorella an gewissen Punkten keulenförmig an, um sich dann plötzlich wieder zu ver- jüngen und als fadenförmige, durch ein Septum von der Keule abgeschnürte Stolonen weiter zu wachsen. Diese keulenförmigen, der Unterlage fest aufliegenden Anschwellungen sind die Keimstätten je eines Polypids, welches schliefslich fast den ganzen gestreckten Innenraum der Keule ausfüllt und noch vor seiner völligen Reife aus einem kurzen vier- kantigen Tubus nahe dem Ende derselben nach aufsen hervorbricht. In diesem Stadium

*) Über inneren Bau, Tentakelzahl, Kaumagen, Einstülpungsapparat etc. der Arachnidiiden scheint leider wenig oder nichts bekannt zu sein.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 157

der Entwickelung gleicht der junge Organismus in hohem Mafse einem der Unterlage aufliegenden Paludicellaindividuum, wie dies Fig. 97 sa (Taf. III) veranschaulichen wird. Diese Ähnlichkeit verschwindet erst, wenn jener kurze Tubus mehr und mehr in die Länge wächst und so die definitive Gestalt eines langgestreckten Cylinders erhält, in dem nunmehr die Hauptmasse des Polypids eingebettet liegt. Ein Septum, das ist wohl zu beachten, trennt die keulenförmige Anschwellung nur von dem fortwachsenden, jüngeren Ende des Stolonen ab, während gleichzeitig 2 seitliche Septa (Fig. 78, Taf. III) die Stellen markieren, wo an der dicksten Stelle der Keule, zu beiden Seiten von der vertikal nach oben gerichteten Cylinderzelle, zwei neue Stolonen wagerecht und fast rechtwinkelig hervorspriefsen, um auch ihrerseits wieder nach längerem oder kürzerem Verlauf zu keulenförmigen Polypidkeimstätten anzuschwellen. Halten wir uns alles dieses gegen- wärtig und bedenken namentlich, dafs die Länge des Stolonenfadens, ehe er wieder keulig sich verdickt, eine äufserst variable ist (Vgl. z. B. Fig. 75 und 78 wz, Taf. III; besonders aber die dicht aneinander gedrängten Winterknospen Fig. 92), so werden wir ohne Schwierigkeit zu dem Schlusse geführt, dafs der massige Teil des »Paludicella- zooeciums« der keulenförmigen Stolonenanschwellung, der stielartig verschmälerte aber dem Fadenteile des Stolonen bei Victorella entspricht, während die lang cylindrische, aus der Keule senkrecht emporwachsende Zelle der letzteren bei Paludicella auf den ersten Entwickelungsstadien stehen bleibt und daher nur als kurzer seitlicher Mündungstubus in die Erscheinung tritt. Was dieser Homologisierung zur weiteren Stütze dienen kann, ist einmal die Thatsache, dafs ich mehrfach das stielförmige Ende des Paludicellaindividuums noch durch ein zweites Septum dicht über dem ersten abgegliedert fand, so dafs dann sogar ein selbständiges, beidendig durch Septen geschlossenes Stück Stolo resultierte, sowie andererseits die Beobachtung, dafs die aus den Winterknospen der Paludicella direkt hervorgehenden »Zooecien« keine Spur eines Stieles zeigen, dieser demnach nicht wohl als integrierender Teil eines solchen angesehen werden kann. Fig. 98 (Taf. III) zeigt eine solche, in den ersten Stadien der Weiterentwickelung begriffene Winterknospe; der langcylindrische, durch ein Septum abgegliederte Fortsatz ist die erste Anlage des zweiten »Zooeciums« und gleicht zum Verwechseln einem hervorsprossenden Stolo, wie er etwa in Fig. 92 bei wz dargestellt ist. Bei aller dieser Übereinstimmung ist aller- dings eine recht erhebliche Verschiedenheit nicht zu vergessen, welche indessen aus der Verkürzung der lang cylindrischen Victorellazellen auf die kurzen Mündungstuben der Paludicella ohne weiteres sich ableitet, ich meine die Fähigkeit der Victorella, aus den primären cylindrischen Zellen einerseits Stolonen, andererseits sekundäre cylindrische, aber am Grunde eingeschnürte Tochterzellen zu entwickeln, wie dies Fig. 75 in reichem Mafse vor Augen führt. Das Alles mufste bei Paludicella unterdrückt werden, wie es denn ja auch bei Victorella erst bei so vorgeschrittenen Kolonien zur Ausbildung ge- langt, dafs alle früheren Beobachter diese Knospungserscheinungen übersehen konnten.

Fassen wir noch einmal die Ergebnisse unserer Vergleichung kurz zusammen, so können wir die Gattung Paludicella als eine Victorella betrachten, deren Cylinderzellen zu konischen Protuberanzen verkürzt, deren lang fadenförmige Stolonen zu kurzen Stielen

158 K. KRAEPELIN, Die deutschen Sitfswasserbryozocn.

der keulenförmigen Stolonenanschwellungen reduziert sind. Aus ersterer Veränderung resultiert der Mangel seitlicher Tochterzellen und sonstiger Knospen an dem Mündungs- konus, wie die Lagerung des Polypids in der keulenförmigen Stolonenverdickung selbst, wie dies bei Victorella nur in den jüngeren Entwickelungsstadien (Fig. 97 sa) der Fall; durch die Verkürzung des Fadenteils der Stolonen aber wird der Eindruck hervorgerufen, als ob bei Paludicella gestreckt keulenförmige Individuen in ununterbrochener Kette ar- tikulierend auf einander folgten.

Es läfst sich trotz alledem nicht leugnen, dafs die Kluft zwischen beiden Gat- tungen in der Gegenwart immerhin eine recht beträchtliche genannt werden mufs, selbst dann, wenn wir die abgesehen von der Tentakelzahl anscheinend grofse Über- einstimmung in der inneren Organisation mit in die Wagschale werfen. Wir dürfen es daher mit Freuden begrüssen, dafs in der »Pottsiella erecta« (= Paludicella erecta Potts) augenscheinlich eine Form aufgefunden ist, welche in mehr als einer Beziehung zwischen jenen beiden Gattungen die Mitte hält. Zwar ist das vorliegende Material über dieses Tier zur Zeit noch äufserst spärlich, doch glaube ich wenigstens einige Punkte schon mit Sicherheit herausheben zu können, welche dieser Ansicht zur Stütze dienen. Aus stark chitinisierten, unregelmäfsigen Knollen, welche ganz den Winterknospen der Paludicella entsprechen, erheben sich hier lang cylindrische Schläuche, denen der Victorella ähnlich, aber im Verhältnis zur Länge von ungleich gröfserer Dicke (Taf. III, Fig. 79), so dafs eine Abnahme der relativen Höhe der Cylinderzelle ganz unverkennbar ist. Dazu kommt, dafs der untere Teil des Polypids anscheinend dauernd in der knollenförmigen Verdickung verborgen bleibt, also auch in dieser Hinsicht ein Übergangsglied darstellt. In Bezug auf die Tentakelzahl (16) ist das Tier wieder ganz Paludicella, durch den Besitz von Stolonen, die aus den »Winterknospen« als lang fadenförmige Gebilde hervorbrechen (Fig. 97 wz) und »wahrscheinlich« wieder zu neuen Knollen anschwellen, ganz Victorella. Eine seitliche Knospung von cylindrischen Tochterzellen und Stolonen an den primären Cylinderzellen, wie sie bei Victorella im Spätsommer so charakteristisch ist, scheint nicht mehr vorzukommen, vielmehr die Neubildung der Polypide ausschliefslich an die Bildung neuer Stolonenknollen und daraus hervorgehender primärer Cylinderzellen gebunden zu sein, wodurch dann augenscheinlich eine gewaltige Annäherung an die Verhältnisse bei Paludicella gegeben wäre*).

Soweit die Daten, welche eine phylogenetische Abstammung der Paludicella von der Victorella oder doch von stoloniferen Formen der Ctenostomen wahrscheinlich machen.

*) Unmittelbar vor der Fertigstellung des Drucks ist mir von Herrn Dr. IV. Aüller-Greifswald noch eine Form übersandt worden, die für die im vorstehenden behandelte Frage von so hohem Interesse ist, dafs ich sie anhangsweise hier kurz beschreiben will.

Die Kolonien, neben Victorella im Ryckflusse bei Greifswald gesammelt, gleichen in der Art der Ver- zweigung, der Form der gestreckt keulenförmigen, im Alter stark gebräunten Individuen bei oberflächlicher Betrach- tung durchaus einer völlig der Unterlage aufliegenden Paludicella Ehrenbergii (vgl. Holzschnitt Fig. B auf folgender Seite). Schon die weitere Prüfung mit der Lupe aber lehrt, dafs, an Stelle des kurzen vierkantigen, tuberkelartigen Mündungskegels der letzteren, bei der neuen Form ein cylindrisch ausgezogenes Rohr sich findet, das etwa die

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 159

Was noch besonders hervorgehoben zu werden verdient, ist der Umstand, dafs wir bei dieser Annahme auch zu einem klaren Verständnis der »Hibernacula« oder »Winterknospen« gelangen, welche nun einfach als besondere Ausbildung der knollen- artigen Stolonenanschwellungen erscheinen, wie sie bei den Aeteiden, Cylindroecien, Vic- torellen, aber auch noch bei der Pottsiella zu jeder Jahreszeit auftreten, während sie bei der völligen Anpassung an das süfse Wasser vornehmlich im Herbste, zur Erhaltung der Art durch den Winter, zur Entwickelung gelangen.

Weit schwieriger zu beantworten ist die nunmehr aufzuwerfende Frage nach der Ableitung der phylactolaemen Süfswasserbryozoen. Nach dem bisherigen darf man ver- muten, dafs auch hier die Ctenostomen den Ausgangspunkt bilden werden; aber es scheinen auf den ersten Blick verschiedene Möglichkeiten gegeben, die zum Ziele führen

En

halbe Länge des ganzen »Zooeciums« erreicht (vgl. Holzschnitt Fig. A). Zudem sind die einzelnen Individuen um die Hälfte kleiner, als bei der gewöhnlichen Paludicella, und die Zahl der Tentakeln beträgt nur 8. Letztere Befunde im Verein mit dem gestreckt cylindrischen Mündungskegel liefsen anfangs die Vermutung berechtigt er- scheinen, dafs die vorliegenden Exemplare nichts als ugendstadien der Victorella darstellen, bei denen die langen Cylinderröhren eben noch nicht voll aus den Stolonenknollen emporgewachsen seien und daher weder ihre volle Länge erreicht, noch auch seitliche Tochterzellen geknospet hätten. Diese Annahme mufste jedoch bald als durchaus unzulässig aufgegeben werden. Ich sehe davon ab, dafs beide in Rede stehenden Formen an derselben Lokalität und zu gleicher Zeit (Ende August 1887) gesammelt wurden, trotzdem aber im Gesamthabitus wie in der Ausbildung der Cylinderröhren so absolute Verschiedenheit zeigten (die der Victorella 2—3 mm lang, die der neuen Form 0,5 mm), dafs sie auf den ersten Blick zu unterscheiden waren ; weit schwerer dürfte ins Gewicht fallen, dafs die neue Bryozoe keine Spur von Stolonen besitzt, sondern in Bezug auf diesen Punkt sich völlig wie eine kriechende Paludicella verhält, wenn auch die verschmälerten Stielteile der Zovecien manchmal von beträcht-

Fig. B.

licher Länge sind (viel länger als bei dem in den Figuren dargestellten Exemplar). Als weitere Unterschiede von der Victorella bebe ich hervor, dafs die Tentakeln etwa nur */3 so lang sind, als bei jener, dafs die Mün- dungen weit weniger vierkantig erscheinen, und dafs endlich die neue Form, ganz abweichend von den Stolonen- knollen der Victorella, auch in dem bauchigen Basalteil des Zooeciums jene tonnenreifenartige Quermuskulatur besitzt, welche für die keulenförmigen Individuen der Paludicella so charakteristisch ist. Gerade dieser letztere Umstand, im Verein mit der Insertion der grofsen Retraktoren in eben diesem Basalteil, beweist zur Evidenz, dafs der keulenförmige, liegende Abschnitt bei der neu entdeckten Spezies bereits zu einem integrierenden, durchaus notwendigen Teil des ganzen Zooeciums geworden ist, in welchem das Polypid, auch wenn es erwachsen, sich fast der ganzen Länge nach zurückzieht, während die nur anfangs keulenförmigen Stolonenknollen der Victorella

160 K. KRAEPELIN, Die deutschen Sitfswasserbryozoen.

könnten. So liegt der Gedanke nahe, dafs die sogenannten Gallertformen, Lophopus, Pectinatella, Cristatella, mit ihren sackförmigen Kolonien den ebenfalls »gallertartigen« Alcyonidiiden verwandt sein könnten. Eine kurze Überlegung aber lehrt, dafs dem nicht so ist. Nicht allein das plötzliche Auftreten hochentwickelter, jedenfalls durch manchen Umwandlungsprozefs hindurch gegangener Siatoblasten bei jenen Phylactolaemengattungen widerspricht einer solchen Hypothese auf das entschiedenste; auch der völlig verschiedene anatomische Bau, die ausgeprägte Divergenz in der Bildung gewisser typischer Organe, wie der Tentakelkrone, des Epistoms etc. läfst ohne weiteres erkennen, dafs die Ähn- lichkeit der Cuticularbildung und der daraus resultierenden Gestaltung des Stockes nicht auf stammesgeschichtliche Beziehungen zurückgeführt werden kann. Hat doch auch an- dererseits der ganze Verlauf unserer anatomischen Untersuchung erkennen lassen, dafs eben jene phylactolaemen Gallertformen in jeder Hinsicht nicht als Ausgangspunkte, son-

bei der fortschreitenden Entwickelung der Cylinderröhren sich völlig zwrückbilden und bei ihrer Schmächtigkeit nunmehr gar nicht im stande sind, Teile des ganz auf das Cylinderrohr angewiesenen Polypids in sich auf- zunehmen. Andererseits ist hervorzuheben, dafs die tonnenreifenartige Muskulatur des Victorellacylinders in ganz ähnlicher Weise auch in dem cylindrischen Mündungskegel der neuen Form sich nachweisen läfst.

Es unterliegt somit keinem Zweifel, dafs wir in den von Herrn Dr. W. Miller: übersandten Exemplaren eine komplette Mittelform vor uns haben, bei der man allenfalls zweifelhaft sein könnte, ob sie der Gattung Victorella oder der Gattung Paludicella zuzuordnen sei. Nach reiflicher Erwägung glaube ich mich für letztere Gattung entscheiden zu müssen und wähle daher zu Ehren des Entdeckers für die vorstehend geschilderte Bryozoe den Namen Paludicella Mülleri.

Die Diagnosen der 3 verwandten europäischen Formen werden nun etwa folgendermafsen zu lauten haben:

A. Gattung Victorella. Vorwiegend lang cylindrische, aufrechte hyaline Röhren mit tonnenreifenartiger Quermuskulatur und apicaler Mündung, welche seitlich cylındrische Tochterindividuen und basal lange Stolonen knospen, aus deren Anschwellungen sich neue Cylınderzellen entwickeln. Während der Aus- bildung der letzteren tritt die Stolonenanschwellung mehr und mehr zurück und erscheint nicht mehr als integrierender Teil des »Zooeciums«, sondern lediglich als »Wusrzelfaden.«e Das Polypid ruht zuletzt ganz in den Cylinderzellen. 8 Tentakeln.

B. Gattung Paludicella. Vorwiegend niederliegende, gestreckt keulen- oder birnförmige Individuen mit schräg aufwärts gerichtetem, längerem oder kürzerem subapicalen Mündungskegel, der keine cylindrischen Tochterzellen knospet. Stolonen nur als stielförmige Verschmälerung der »Zooecien« entwickelt. Polypide lagern auch im Alter zum gröfsten Teile in dem keulenförmigen, mit tonnenreifenartiger Muskulatur versehenen, der Unterlage meist horizontal aufliegenden Abschnitte des »Zooeciumse. 8—18 Tentakeln.

1. Pal. Mülleri. Mündungskegel gestreckt cylindrisch, fast halb so lang als das ganze Individuum, mit tonnenreifenartiger Muskulatur, am Ende hyalin, einem kurzen Victorellacylinder vergleichbar. »Zooecien« etwa I mm lang; Zweigsprosse sämtlich der Unterlage aufliegend. 8 Tentakeln.

2. Pal. Ehrenbergii. Mündungskegel kurz, tuberkelartig, nur etwa !/ıo so lang, als das ganze Individuum, ohne deutliche Tonnenreifmuskulatur, Individuen etwa 2 mm lang, Zweigsprosse teils der Unter- lage aufliegend, teils frei in das umgebende Medium sich erhebend. 16 Tentakeln.

Die selbständige Stellung der Pottsiella wird in keiner Weise durch die Entdeckung der Pal. Mülleri alteriert, wie aus den im Text aufgeführten Daten erhellt. Beide Formen zusammen überbrücken aber durch ihre intermediäre Stellung die weite Kluft zwischen Victorella und Paludicella Ehrenbergii in so eklatanter Weise, dafs mir die anfangs nur mit Vorbehalt gegebene Ansicht über die Abstammung der -Paludicella nunmehr das Stadium der reinen Hypothese überschritten zu haben scheint.

K. KRAEPELIN, Die deutschen Siifswasserbryozoen. 161

dern als die hochdifferenzierten Axdpunkte einer phylogenetischen Entwickelungsreihe be- trachtet werden müssen. So bleibt denn nur der eine Weg, eben diesen Ausgangspunkt jener Entwickelungsreihe aufzusuchen und seine etwaigen Beziehungen zu den Ctenostomen, speziell zur Paludicella, näher ins Auge zu fassen. Als solcher bietet sich uns ohne weiteres die Gattung Fredericella, welche in Bezug auf Kleinheit der Polypide, Zahl der Tentakeln, Form des Lophophors etc., nicht minder aber in Bezug auf die primitive Ausbildung der Statoblasten, als die Urform aller Phylactolaemen sich zu erkennen giebt. Es ist nicht zu leugnen, dafs ein Vergleich zwischen Paludicella und Fredericella grofse und fundamentale Verschiedenheiten beider Gattungen hervortreten läfst, wie dies im systematischen Teile genügend hervorgehoben wurde; dennoch ist die wichtige Thatsache zu registrieren, dafs wir für viele Organsysteme nicht die Fredericella, sondern ohne grofseren Sprung auch die Paludicella als Ausgangspunkt fiir eine fortlaufende Ent- wickelungsreihe aufstellen konnten. Um hier nur wenige Daten aus friiheren Abschnitten in Erinnerung zu bringen, so reihen sich die 16 Tentakeln der Paludicella sehr wohl den 24 Tentakeln der Fredericella, den 40—50 der Plumatellen, den 60—90 der Gallert- formen an; der bei geringer Tentakelzahl noch einfach trichterformige Mundsaum der Paludicella erhält eine geringe Einbuchtung bei Fredericella zur Vergröfserung der An- satzfläche für die vermehrte Zahl der Fangarme, um schliefslich bei Cristatella zu dem gewaltig gestreckten hufeisenförmigen Lophophor sich auszugestalten. Die Körpergröfse der Polypide wächst fast im geraden Verhältnis mit der Zahl der Nahrung zuführenden Tentakeln, so dafs die Polypide von Paludicella als die winzigsten, die von Cristatella als die gröfsten sich darstellen. Die vollständige Abgliederung der Individuen von ein- ander durch Septa bei Paludicella ist bei Fredericella nur noch unvollkommen durch- geführt und wird bei den Gallertformen völlig vermifst. In gleicher Weise lassen sich Entwickelungsreihen in Bezug auf die Cuticularschicht der Haut, den Mechanismus des Vorstreckens der Polypide und die Ausbildung des Kamptoderms (vgl. Pag. 40 ff.), ja zum Teil auch in Bezug auf die Struktur der Körperwand, die Entwickelung der Mus- kulatur, die Sensibilität der Tentakelkrone aufstellen, ohne dafs wir gezwungen wären, vor der Gattung Paludicella Halt zu machen. Wesentliche Schwierigkeiten, die Phylac- tolaemen von letzterer Form phylogenetisch abzuleiten, dürften allein in der Form der »Zellen«, der Lage der Mündungen, der Art der Knospenbildung, wie in der Verschie- denheit von Statoblasten und Winterknospen zu finden sein, da die Differenz der Nerven- centren jedenfalls als durch die allmähliche Ausbildung des Lophophors bedingt aufge- fafst werden kann.

Ein allmähliches Schwinden des Stieles der Paludicella als des letzten Restes ehemaliger, in dem ruhigeren Süfswasser aber überflüssig gewordener Stolonen würde nichts Auffallendes an sich haben, zumal die Länge dieses Stieles bei den Paludicellen ganz erheblichen Schwankungen unterliegt, und bei den der Unterlage fest anhaftenden Individuen, wie bei den zu Hibernacula sich ausbildenden Knospen ein Minimum erreicht (vgl. Taf. III, Fig. 85 wk). Es wäre daher wohl zu begreifen, wie der durch eben jene stilartige Verschmälerung der Einzeltiere so scharf gegliederte Koloniesprofs mehr und

2I

162 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

mehr die Form eines einfachen, nur noch durch Septa innerlich gegliederten Cylinders annehmen könnte, wie dies bei Fredericella der Fall ist.

Etwas schwieriger erscheint auf den ersten Blick die Erklärung für die so ver- schiedene Lage der Mündung beider Formen, die bei Paludicella auf der Spitze eines besonderen subapicalen Kegels sich befindet, bei Fredericella hingegen endständig ist. Eine einfache Überlegung lehrt jedoch, dafs die scheinbar so fundamentale Divergenz in Wirklichkeit nicht viel zu bedeuten hat und sich ohne weiteres aus dem verschiedenen Modus der Knospenbildung ableiten läfst, der wieder durch das seztlich verschiedene Auf- treten der Septa bedingt wird. Wie seiner Zeit hervorgehoben ist die Knospung der Paludicella eine rein äufserliche, d. h. jede Knospenanlage wird sofort vom Mutter. zooecium durch ein Septum abgegliedert, mufs daher schon früh als deutlicher Buckel von der Wandung des letzteren sich abheben, namentlich aber bei der Weiterentwickelung des Polypids in ihrem Innern pari passu mit diesem emporwachsen. Die apicalen Knospen der Paludicella sind demnach stets schon als lange keulenförmige Gebilde an der Spitze des Mutterindividuums entwickelt, ehe letzteres selbst völlig zur Ausbildung gelangt ist. Die Mündung erscheint dadurch subapical und seitlich. Wenn aber, wie dies ziemlich deutlich zu verfolgen (vgl. Pag. 75) die rein äufserliche Knospung der Paludicellen all- mählich in eine mehr innere übergeht, wenn also die junge Knospenanlage nicht sofort durch ein Septum abgeschnürt wird, sondern lange Zeit collateral neben dem mütterlichen Polypid von derselben Leibesflüssigkeit umspült und ernährt wird, so fällt damit für die Knospe die Nötigung, als stärker markierter Buckel oder gar als lang keulenförmiger Apicalfortsatz von der Wandung des Mutterzooeciums sich abzuheben. Die Mündung des letzteren wird daher nicht, wie bei Paludicella, schon gleich anfangs von einer apicalen Knospe überragt und erscheint somit endständig, während die schon vorhan- dene, aber collateral mit dem Mutterpolypid lagernde Knospe das Bild einer Seztenknospe darbietet (vgl. Fig. 74 kn). Dafs diese Auffassung ihre Berechtigung hat, scheinen mir vor allem die späterhin auftretenden rudimentären Septa zu beweisen, für die sonst keinerlei Erklärung zu finden wäre. Nachdem nämlich die äufserlich kaum sich abhebende junge Knospe fast völlig erwachsen, wird ihr endlich durch intercalares Wachstum des betreffenden Wandstückes ein eigenes, sich mehr und mehr streckendes Cylinderrohr zu teil, wodurch sie schliefslich aus der Gemeinschaft mit dem Mutterpolypid herausrückt, der ganze Koloniesprofs aber ein gabelspaltiges Aussehn erhält. Nun endlich bildet sich am Grunde dieses neu entstandenen Cylinderrohrs, nicht auch an dem andern, bei ober- flächlicher Betrachtung diesem völlig gleichwertigen Gabelsprofs, ein rudimentäres Septum aus, welches somit dieselbe Stellung einnimmt, wie die apzcalen Septa der Paludicellen. Ein Vergleich der Fig. 80 mit dem Holzschnitt A (Pag. 159) belehrt uns, dafs bei derer Auffassung allein die Septalbildung bei Fredericella als eine gesetzmäfsige, derjenigen bei Paludicella homologe erscheint, dafs dagegen unsere gesamte Deduktion hinfällig wäre, wenn nun auch der andere der beiden anscheinend gleichen Gabelsprosse, im gewissen Sinne das Homologon des Miindungskegels, am Grunde ein Septum aufweisen würde.

Wir haben somit für die im obigen versuchte Ableitung der Wachstumsver-

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 163

schiedenheiten von Fredericella und Paludicella keine weitere Forderung zu stellen, als das zeitlich spätere Auftreten der Septa und allenfalls das weitere Rudimentärwerden eines spezifisch geformten, vierkantigen Mündungskegels, der indessen ja auch schon bei Paludicella Mülleri viel von seiner typischen Form eingebüfst hat. Es würde im weiteren Verfolg meiner Hypothese die interessante Thatsache resultieren, dafs die gesamten Röhren der Fredericella wie der übrigen Phylactolaemen den keulenförmigen Paludicella- zooecien, in letzter Instanz also den Stolonenfaden der Victorella homolog wären.

Leider bleibt nun bei dem Vergleich der Fredericella mit Paludicella noch ein weiterer Differenzpunkt, der vielleicht als allergröfstes Hindernis ihrer phylogenetischen Ableitung bezeichnet werden mufs; ich meine das Auftreten der Statoblasten bei Fre- dericella. Dennoch dürften auch hier die Verhältnisse nicht ganz so hoffnungslos liegen, als wie es wohl anfangs scheinen mag. Man hat bekanntlich lange Zeit darüber gestrit- ten, ob die Statoblasten als parthenogenetische Eier oder als Knospen aufzufassen seien. Mehr und mehr hat man sich dann für die letztere Ansicht entschieden, und ich hoffe, im zweiten Teile dieser Arbeit auch strikte beweisen zu können, dafs man hiermit das Richtige getroffen hat. Halten wir dies fest, so unterliegt es zunächst keinem Zweifel, dafs Hibernacula und Statoblasten morphologisch gleichwertig sind. Aus der Thatsache aber, dafs alle Knospen der Victorellen und Paludicellen infolge der ausgeprägten Septal- bildung äufserliche, diejenigen der Fredericella hingegen, wie oben gezeigt, in ihren jugendlichen Stadien rein innerliche sind, würde ohne weiteres sich ergeben, dafs dieser Unterschied auch in den Dauerknospen zu Tage treten müsse. Es hätte somit nicht die geringsten Bedenken, die Statoblasten der Phylactolaemen direkt aus den Hibernacula der Paludicella herzuleiten, wenn erstere, gleich den gewöhnlichen Sprofsknospen, aus der Zooecienwand hervorgingen. Dieses ist aber nicht der Fall; die Statoblasten bilden sich ausschliefslich am /unzeulus und haben mit der Leibeswand so gut wie gar keine Be- ziehungen, wenn sie auch in späteren Entwickelungsstadien (»sitzende« Statoblasten) nicht selten in nachträgliche Verbindung mit derselben treten. Als weitere, wohl nicht minder ins Gewicht fallende Differenz zwischen Hibernaculum und Statoblasten wäre dann noch hervorzuheben, dafs in ersterem ein Embryo stets schon bis zu einer gewissen Stufe ent- wickelt ist, und dafs die denselben umhüllende Wandung auf dem gewöhnlichen Wege durch Ausstülpung des Mutterzooeciums, analog den übrigen Knospen, entsteht, während die Statoblasten, wenigstens bei ihrer Reife, nur Zellkerne und Dotterkügelchen enthalten, ihre Wandung aber in höchst eigenartiger Weise durch Umwachsung des Ganzen von einer kalottenartigen Epithelschicht gebildet wird, wie dies Mitsche zuerst nachgewiesen.

Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dafs, sofern überhaupt beide Formen- gebilde in phylogenetischer Beziehung stehen, tief einschneidende Wandelungen mit den Hibernacula vorgegangen sein müssen, ehe sie sich der heutigen Form der Statoblasten näherten. Wir sind zur Zeit aufser stande, dieselben bis ms Einzelne zu verfolgen; nur wenige Andeutungen vermag ich zu geben, welche mir darauf hinzuweisen scheinen, dafs trotz alledem die aufgestellte Hypothese die richtige ist. Zunächst ist hervorzuheben, dafs aufser den Winterknospen keinerlei andere Gebilde bekannt sind, von denen sich

164 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

die Statoblasten der Phylactolaemen durch Umformung ableiten liefsen, das Rätsel also nur um so gröfser würde, wollten wir ihre Homologisierung mit den Hibernacula verwerfen. Sodann ist daran zu erinnern, dafs bei den männlichen Geschlechtszellen eine allmähliche Ukerwanderung von der Leibeswand, der sie bei Victorella wohl noch ausschliefslich entspriefsen, auf den Funiculus deutlich verfolgt werden kann, insofern bei Paludicella Leibeswand und Funiculus noch gleicher Weise mit den Spermatozoenmutterzellen besetzt sind, während bei den Phylactolaemen, zumal den höher entwickelten, ausschliefslich der Funiculus ihr Träger ist. Was aber für das eine Organ Thatsache ist, kann für das andere keine Unmöglichkeit sein, und wir verlassen daher durchaus nicht den Boden er- laubter Schlufsfolgerungen, wenn wir ein Hinüberwandern der Knospenanlagen auf den Funiculus annehmen. Sehr zu statten kommt uns für diese Annahme die Beobachtung bei Fredericella, dafs die Statoblasten Stets nur am uneren Ende des Funiculus sitzen, ja dafs der letzte oft so gelagert ist, dafs er halb der Zooecienwand, halb dem Funiculus anzugehören scheint. Auf die geringe Zahl der Statoblasten bei Fredericella habe ich schon im früheren hingewiesen; in winterlichen, abgestorbenen Kolonien sind sie gerade so verteilt, dafs man sich des Gedankens kaum erwehren kann, sie seien an die Stelle unterdrückter Seitenzweige getreten (Taf. III, Fig. 105). In wiefern die Umkleidung der Statoblasten von Fredericella derjenigen der übrigen Phylactolaemen analog sich vollzieht, habe ich noch nicht ermitteln können, da es schwer hält, fortlaufende Entwickelungsstadien dieser Form zu erhalten. Jedenfalls aber ist der Prozess ein ungleich einfacherer, wie schon aus dem gänzlichen Fehlen der Schwimmringsbildung sich folgern lafst. Zu kon- statieren wäre endlich noch, dafs das zweiklappige Aufspringen der Fredericellastatoblasten schon bei den Hibernacula der Paludicella ganz ähnlich in die Erscheinung tritt, ja, dafs das aus den Klappen hervorquellende junge Individuum in ganz analoger Weise an Ort und Stelle den Stock fortsetzt, wie dasjenige der Paludicella, mit dem einzigen Unterschiede natürlich, dafs es, bei seiner Lage im Innern eines Zooeciumrohres, aus letzterem herauswachsen mufs (Vergl. Fig. 80, Taf. III), während der junge Paludicella- embryo von vornherein von den alten, abgestorbenen Mutterröhren unabhängig ist. Nachdem im vorhergehenden der schwierige Punkt nach den phylogenetischen Beziehungen zwischen den Ctenostomen und Phylactolaemen so weit klar gelegt worden, als es mir nach der heutigen Kenntnis der Formen und ihrer Entwickelung möglich erschien, erübrigt, noch kurz die wezteren Veränderungen hervorzuheben, welche die ersten typischen Bewohner des süfsen Wassers, also die Fredericellen oder dem ver- wandte Formen, im weiteren Verlauf der phylogenetischen Differenzierung erlitten haben. Ich glaube, dafs diese sich in einfacher Weise aus den verschiedenen Lebensbedingungen, welche Meer- und Süfswasser darbieten, entwickeln lassen. Vor allem dürfte die Ver- schiedenheit des Sauerstoffgehalts beider Medien eine wichtige Rolle gespielt haben. Wie bekannt, ist das süfse Wasser weit sauerstoffarmer als das Meerwasser, entbehrt über- dies der für die Gleichmäfsigkeit der Lebensbedingungen so wichtigen stetigen Durch- mischung, welche dem Meerwasser durch Ebbe und Flut, durch Strömungen und Wellen in so hohem Mafse zu teil wird. . Es läfst sich daraus folgern, dafs bei den in das

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 165

süfse Wasser eingewanderten Meeresbryozoen vor allem das Bedürfnis nach Vergröfserung der atmenden Fläche sich geltend gemacht haben wird, mit anderen Worten, dafs aus der trichterförmigen, mit verhältnismäfsig wenigen Tentakeln besetzten Tentakelkrone durch Einbuchtung vom Rücken her ein mehr und mehr hufeisenförmiger Lophophor mit der doppelten, ja schliefslich 5—6fachen Zahl sauerstoffaufnehmender Tentakeln sich heraus- bilden mufste. Da aber bei unseren Tieren die Atmungsorgane gleichzeitig als Apparate des Nahrungserwerbs fungieren, so erwies sich die Vermehrung der Tentakeln noch nach einer zweiten Seite hin vorteilhaft: die Ernährung war eine ausgiebigere, die Polypide selbst wurden gröfser im geraden Verhältnis mit der Tentakelzahl, und es kam so zu der fast paradoxen Erscheinung, dafs die Formen des süfsen Wassers ihre marinen Verwandten an Gröfse der Einzelindividuen um ein bedeutendes übertreffen. Neben dieser Ver- gröfserung der Einzelwesen, dem üppigeren Wachstum der ganzen Kolonien, das stellen- weise, z. B. bei den alcyonelloiden Formen, das äufserste Extrem des Möglichen erreicht, mufste die vermehrte Nahrungszufuhr auch eine regere Produktion von Geschlechtsstoffen und ungeschlechtlichen, die Art fortpflanzenden Gemmen hervorrufen. So erklärt sich die Massenproduktion von Statoblasten, wie sie von den Plumatellen an aufwärts hervor- tritt, so auch das Fortschreiten in den Dimensionen der Statoblasten von den Plumatellen zu Lophopus und von hier zu den kreisrunden der Pectinatella und Cristatella,

Andere Veränderungen der in das süfse Wasser eingewanderten Meeresformen dürften aus dem geringeren Schutzbedürfnis, das die Organismen des süfsen Wassers im Verhältnis zu den marinen haben, sich herleiten. Bereits im früheren (Pag. 41) wurde darauf hingewiesen, dafs der so vollkommene und bei der geringsten Gefahr so vorzüglich funktionierende Zinstülpungsapparat der Paludicella schon bei Fredericella ein gut Teil seiner spezifischen Einrichtung verloren hat, und dafs derselbe schliefslich bei Pectinatella und Cristatella fast rudimentär zu nennen ist. Sehen wir doch auch, dafs die bis zum Darmende aus der Kolonie hervorragenden Polypide der letzteren Formen erst bei den ärgsten Insulten zu einer kurz andauernden Retraktion sich bequemen. Des weiteren rechne ich zu den Erscheinungen, welche aus vermindertem Schutzbedürfnis sich erklären, die stufenweise abnehmende Festigkeit der äufseren Cuticularschicht des Stockes. Bei Fredericella scheint fast noch durchweg, wenigstens bei europäischen Formen, die braune, derbe Cuticula zur Ausbildung zu gelangen; sie verleiht den dendritisch verzweigten Stöckchen ein jedenfalls schützendes moosartiges Aussehen. Diese wol als Mimicry auf- zufassende Schutzfärbung ist auch noch einem Teile der Plumatellen eigen, während andere, zum Teil nicht einmal spezifisch geschiedene Formen durch die Farblosigkeit ihrer Chitinbekleidung den Gedanken erwecken, dafs es sich nach dem bei pelagischen Tieren so ausgeprägt hervortretenden Prinzipe um ein möglichstes Unsichtbarmachen in dem durchsichtigen Medium des Wassers handele. Ist dieser letztere Weg der Anpassung aber einmal eingeschlagen und er stöfst bei dem geringen Schutzbedürfnis im süfsen Wasser augenscheinlich nicht auf Schwierigkeiten —, so ergeben sich bei weiterer Ent- wickelung ganz erhebliche Veränderungen der ganzen Kolonie. Das hyaline, äufserst zarte Chitin ist bald nicht mehr im stande, aufrecht von der Unterlage sich erhebenden

166 K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

‘Koloniesprossen genügende Stütze zu bieten. Letztere sinken daher mehr und mehr auf die Stufe niedriger Tuberkeln herab (Plumatella punctata, Lophopus, Pectinatella), bis dann im extremsten Falle, bei gänzlichem Schwinden der Chitinschicht auf der Ober- fläche des Stockes, die ganze Kolonie nur einen einzigen ungegliederten Schlauch dar- stellt, der mit seiner spezifischen Gestalt, seiner freien Ortsbewegung fast den Charakter eines Einzelwesens angenommen hat (Cristatella).

Versuchen wir nach den soeben entwickelten Gesichtspunkten die Formen der Phylaktolaemen in eine aufsteigende Reihe zu ordnen, so kann es keinem Zweifel unter- liegen, dafs wir den Fredericellen zunächst die Plumatella princeps, sodann PL poly- morpha und PL punctata anzuschliefsen haben. Erstere nenne ich zuerst, weil sie so- ‚wohl in der gestreckten Form der Statoblasten, als auch in Bezug auf Wachstum, Cu- tikularschicht, Inkrustierung, Ausbildung des Kiels, der Fredericella ungleich näher steht, als Pl. polymorpha. Die über die Zahl 48 nicht hinausgehende Tentakelzahl wie der Umstand, dafs auch die kriechenden, locker wachsenden Formen derselben (Var. œ emar- ginata), sobald sie auf fester Unterlage wachsen, sitzende Statoblasten, analog denen der Fredericella, erzeugen, mögen als weitere Stützpunkte für meine Ansicht aufgeführt werden. Die beiden andern Plumatellen schliefsen sich ohne weiteres der Pl. princeps an, ja ich glaube aus dem mir vorliegenden Material schliefsen zu sollen, dafs eine scharfe spezifische Scheidung, d. h. eine völlige Unterdrückung aller intermediären Formen namentlich zwischen Pl. princeps und Pl. polymorpha zur Zeit überhaupt noch nicht eingetreten ist. Der Pl. punctata kann die Gattung Lophopus unbedenklich angereiht werden, wie schon Kafka erkannte, indem er erstere als Pl. lophopoidea bezeichnete. Die Cuticularschicht ist bei Lophopus ebenfalls durchgehends hyalin, die Zahl der Tentakeln ist bis auf 60 gestiegen, die sitzenden Statoblasten sind verschwunden, dagegen zeigen sich als neu er- worbene Eigentümlichkeit die beiden scharfen Spitzen, in welche die Enden des Stato- blasten ausgezogen sind. Ob man dieselben als Vorläufer der bei den nun folgenden Gattungen Pectinatella und Cristatella hervortretenden Dornen aufzufassen hat, wage ich nicht zu entscheiden. In gewissem Sinne spricht dafür die Thatsache, dafs die indische »Pectinatella Carteri« derartige Gebilde nur an den beiden Endpolen der Statoblasten auf- weist und so wohl den Weg andeutet, auf welchem die europäischen Pectinatellen und Cristatellen zu ihrem Dornenkranze gelangt sind. Trotz dieses Fingerzeiges scheint mir die Herleitung gerade der beiden eben genannten »Gallertformen« mancherlei Schwierig- keiten zu bieten. Dafs nach dem Verschwinden der sitzenden Statoblasten infolge zu grofser Zartheit der dieselben festleimenden Cuticularschicht das Bedürfnis einer ander- weitigen Fixierung an der einmal als günstig befundenen Lokalität sich geltend machen mufste, mit andern Worten, dafs die frei werdenden Statoblasten nunmehr ankerartige ‘Dornen zum Festhaken entwickelten, ist ja wohl zu verstehen. Es fehlen aber von Pectinatella Carteri abgesehen zur Zeit die Zwischenformen, aus denen sich mit Sicher- heit schliefsen liefse, ob es Lophopus-artige oder Plumatella-artige Typen waren, welche den beiden in Rede stehenden Gattungen den Ursprung gaben. Nur soviel ist wohl mit Wahrscheinlichkeit zu schliefsen, dafs beide Formen Vorfahren besafsen, deren Stato-

K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen. 167

blasten nicht .kreisrund, sondern oblong waren, bei denen ferner nicht allseitig, sondern zunächst nur an den Polenden Dornen zur Entwickelung gelangten. Soll ich lediglich nach dem allgemeinen Habitus ein Urteil fällen, so würde ich die Gattung Lophopus nicht als eine Vorstufe zunächst der Pectinatella ansehen, da sie mir namentlich in Bezug auf Bewegungsfähigkeit höher zu stehen scheint, als letztere. Vielleicht treffen wir aber das Richtige, wenn wir für Lophopus und Pectinatella eine Parallelentwickelung aus hyalinen Plumatellen annehmen. Es würde dann Lophopus ein kurzes und infolge dieser Verkürzung mehr in vertikaler Richtung entwickeltes Sprofsstiick der Pl. punctata re- präsentieren, während Pectinatella mit der rosettenförfligen Anordnung ihrer horizontal kriechenden Loben mehr den ursprünglichen Plumatellatypus bewahrt hätte. Die Gattung Cristatella stellt augenscheinlich den Endpunkt der ganzen Formenreihe dar. Dies beweist nicht allein die typische, individualisierte Form des Stockes mit seiner Fähigkeit der freien Ortsbewegung; dafür spricht auch das Fehlen der Cuticularschicht auf der Oberseite, die gewaltige Zahl der Tentakeln und der komplizierte Bau des Schwimmrings. Gerade dies letzte Moment nun ist es, neben dem Fehlen der für Pec- tinatella so charakteristischen Hautdrüsen, vor allem, welches eine direkte Ableitung der Cristatellen von der zuletzt besprochenen Gattung unthunlich erscheinen läfst. Vielleicht sind es Lophopus-artige Vorfahren gewesen, aus denen die Cristatella hervorgegangen; vielleicht müssen wir auch noch weiter in der Reihe der Phylactolaemen zurückgehen. Jedenfalls handelt es sich also auch hier um eine Parallelentwickelung, zu der aber noch mehr als bei den übrigen Gallertformen die vermittelnden Glieder der Reihe vermifst werden. Hoffen wir, dafs eine gründliche Durchforschung der aufsereuropäischen Fauna uns der Lösung der im vorstehenden kurz skizzierten Rätsel näher bringt.

Fassen wir noch einmal kurz die Resultate unserer Untersuchung über die ver- wandtschaftlichen Beziehungen der Süfswasserbryozoen zusammen, so ergiebt sich etwa folgendes. Eine lückenlose phylogenetische Reihe, in welche sämtliche heute lebenden Formen zweifellos an bestimmter Stelle sich einordnen liefsen, existiert nicht; dagegen weisen die Befunde mit grofser Wahrscheinlichkeit darauf hin, dafs die ctenostomen Gat- tungen Victorella, Pottsiella und Paludicella in näherer verwandtschaftlicher Beziehung stehen, und dafs ferner die Gruppe der Phylactolaemen aus Paludicella-artigen: Cteno- stomen sich entwickelt habe, wobei die Gattung Fredericella den Ausgangspunkt bildete. Bei den höher differenzierten Phylactolaemen scheinen mehrfach Parallelentwickelungen stattgefunden zu haben, so dafs die Gattungen Lophopus, Pectinatella und Cristatella jede in ihrer Weise den Endpunkt einer Entwickelungsreihe darstellen. Die Aufstellung eines Stammbaumes, welcher die angedeuteten Beziehungen graphisch versinnbildlichte, unterlasse ich bei der Unsicherheit und Lückenhaftigkeit unserer heutigen Kenntnis; da- gegen dürfte es angemessen sein, zum Schlufs dieses Abschnittes noch kurz einige Be- merkungen über die für die Systematsk sich ergebenden Folgerungen beizufügen.

Dafs Victorella und Paludicella nach wie vor bei der Ordnung der Ctenostomen verbleiben müssen, kann keinem Zweifel unterliegen; anders aber steht es mit der Frage, ob wir in Zukunft noch, wie bisher, die Phylactolaemata den gesamten Gymnolaemata

168 | K. KRAEPELIN, Die deutschen Süfswasserbryozoen.

gegenüberstellen dürfen, oder ob es nicht schon jetzt rationeller wäre, die Ectoprocten zunächst in die 3 grofsen Gruppen der Chilostomen, Cyclostomen und Ctenostomen zu zerlegen, und nun erst die letzte Ordnung in Gymnolaemata und Phylactolaemata zu gliedern. Es würde so die nähere Verwandtschaft der letztgenannten Gruppe mit den Ctenostomen gewifs besser zum Ausdruck kommen, doch wage ich eine so fundamentale Änderung nicht vorzuschlagen, so lange einerseits die Ableitung der Phylactolaemen von den Ctenostomen nicht stringenter bewiesen worden, und andererseits das Verwandtschafts- verhältnis der drei grofsen marinen Ordnungen zu einander nicht klar erforscht ist.” |

Die Gattung Victorella ist nicht zum Range einer eigenen Familie zu erheben, sondern mit Pottsiella einer der von Doch: aufgestellten Familien der orthonemiden Stoloniferen, vielleicht den Cylindroecien einzureihen. Die Gattung Paludicella möchte ich, trotz ihres so eigenartigen Habitus, nach den früheren Darlegungen nicht mehr als eine den Stoloniferen und Halcyonellea gleichwertige Gruppe auffassen, sondern etwa als besondere Familie den Stoloniferen einreihen, wenn man es nicht vorziehen sollte, sie noch enger der Gattung Victorella anzuschliefsen.

Die Abteilung der Phylactolaemen ist als solche aufrecht zu erhalten. Wollen wir die Punkte markieren, an denen zur Zeit gröfsere Sprünge in der phylogenetischen Entwickelungsreihe hervortreten, so dürften wir drei Familien, die Fredericelliden, die Plumatelliden und die Cristatelliden zu unterscheiden haben, deren Charakteristik etwa folgendermafsen zu fassen wäre:

1. Fam. Fredericellidae. Tentakelzahl gering (bis 24), auf schwach hufelsenförmig eingebuchtetem Lophophor. Statoblasten ohne Schwimmring, in den röhren- förmigen Koloniesprossen verbleibend. Kolonie ohne Ortsbewegung, allseitig von chitinöser Cuticularschicht bekleidet.

2. Fam. Plumatellidae. Tentakeln zahlreich (40—80), auf tief hufeisenförmig ein- gebuchtetem Lophophor. Statoblasten alle oder zum Teil mit Schwimmring; dieser beim Aufspringen in zwei gleiche Hälften zerfallend. Kolonie ohne die Fähigkeit freier Ortsbewegung, allseitig mit chitinöser Cuticularschicht überkleidet, die zuweilen (Pectinatella) an der Basis besondere Mächtigkeit erlangt.

3. Fam. Cristatellidae. Tentakeln sehr zahlreich, auf tief hufeisenförmig eingebuchtetem Lophophor. Statoblasten mit Schwimmring; dieser beim Aufspringen fast ganz der einen Schalenhälfte verbleibend. Kolonie individualisiert, mit der Fähigkeit spontaner Ortsbewegung. Cuticularschicht nur als basale Lamelle entwickelt. Der Familie der Plumatelliden wären die Gattungen Plumatella, Lophopus und

Pectinatella, welche unter sich unzweifelhafte und nahe verwandtschaftliche Beziehungen erkennen lassen, einzuordnen. Ihre generischen Unterscheidungsmerkmale liegen vor- nehmlich in den Wachstumsverhältnissen des Stockes und in der Form der Statoblasten, wie dies im systematischen Teile des näheren erörtert wurde.

»

H

bz Birnenzellen der Rosettenplatten ; dim Dilatatoren (Vordere Parietovaginalmuskeln); £ Gallertballen ; Ad Kamptoderm (»Tentakelscheide«); pe Peritonealepithel;

muskeln); Epithel der Körperwand; / Funiculus; Darmepithel ; mk Membranöser ‘Teil des Kamptoderm ; rk Ringkanal;

Tafel I.

I. Paludicella. Stück d. Körperoberfl. Vergr. 350.

IO. II.

I2.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

IQ.

20.

2I.

. Pectinatella.

. Cristatella.

. Cristatella.

. Paludicella. Stück der Körperoberfl. in der

Nähe einer Rosettenplatte. Vergr. 350.

. Fredericella. Stück d. Körperoberfl. Vergr.350. . Plumatella princeps. Stück der Körperober-

fläche, etwa am Grunde der Tentakelscheide. Vergr. 350.

. Plumatella punctata. Stück d. Körperoberfl.

aus der Mitte des Zooeciums. Vergr. 350. Oberflichenstiick der Sohle. Vergr. 350.

. Pectinatella. Oberflächenstück des Rückens.

Vergr. 350.

Oberfliichenstiick emer jungen Vergr. 350.

Oberflichenstiick eines Embryo.

Kolonie.

Vergr. 350.

Lophopus. Stück d. Körperoberfl. Vergr. 350. Cristatella. Embryo. Körperwand im Quer- schnitt. Vergr. 620. |

Plumatella polymorpha. Stück der Körper- oberfläche, etwa am Grunde des Funiculus. Vergr. 620.

Paludicella. Körperwand längs, in der Nähe einer Seitenknospe. Vergr. 620.

Fredericella. Körperwand längs, in der Nähe der Tentakelkrone. Vergr. 350.

Fredericella. Körperwand längs, am Grunde des Zooeciums. Vergr. 350.

Cristatella. Körperwand im Querschnitt. Rücken. Vergr. 350.

Cristatella. Körperwand 1. Querschnitt. Sohle, nicht kontrahiert. Vergr. 350.

Pectinatella. Körperwand im Querschnitt, Sohle. Vergr. 350.

Cristatella. Körperwand im (Querschnitt. Sohle, kontrahiert. Vergr. 350.

Plumatella punctata. Körperw., Längsschnitt; Rücken, nahe der 'l’entakelscheide. Vor. 350. Plumatella punctata. Körperwand., Querschn. durch die Sohle. Vergr. 350.

k Kalkkörperchen;

7w Randwulst;

| Fig. 22.

»

3

H

»

»

oo

¢ Cuticularschicht;

sk Statoblastenknospe;

Pectinatella. Körperwand, Querschnit: die Seite eines Rohrs. Vergr. 350. Lophopus. Körperwand, Längsschnit: die Seite der Kolonie. Vergr. 350.

. Plumatella princeps. Innenepithel der | wand von der Fläche. Vergr. 330. . Pectinatella. Hautdrüse im Lings

Vergr. 350. . Plumatella princeps. Ansatz des Fun an der Körperwand. Längsschnitt. Ver Plumatella polymorpha. Oesophaz: Längsschnitt. Vergr. 170. Plumatella polymorpha. Längsschnitt. Vergr. 620. Cristatella, Muscularis der Körper: Rücken, Flächenansicht. Vergr. 620. Plumatella polymorpha. Ansatz d. Inc an den Magen. Längsschnitt. \erar. Pectinatella, jung. Muscularis d Körper“ Flächenansicht. Vergr. 620.

Plumatella princeps. Muscularis der Ke wand am Grunde des »Cystids«. Aer Pectinatella, Embryo. Quermuskulat:: Haut, 1 Faser. Oelimmersion. Fredericella. Mtindungszone im Längsse. Vergr. 350.

Pectinatella. Einzelne Muskelfaser aus: Muskel des Magengrundes. Vergr. 7So. Paludicella. Einzelne Muskelfaser aus : Musculus retractor. Verger, 620. Paludicella. Funicuhis v. d, Fläche. Ver. Plumatella princeps. Mündungszone der Fläche. Vergr. 160.

Paludicella. Rosettenplatte im I.ängssci Vergr. 620.

Pectinatella. Mündungszone im Längsscir Vergr. 350. Lophopus. Vergr. 350. Plumatella polymorpha. Mündungszon: Längsschnitt. Vergr. 350.

23.

27.

28. Darmfund::

Le

20. 30. SE 32: 33- AA, 35:

30.

37. 38.

39. 40.

41. Miindungszone im Längssc:

42.

db Duplicaturbänder (Hintere Parietovag~

5 Driisenzellen; ec Ectoderm; en Ins Ap Homogene Protoplasmaschicht; ze Inu lm lLängsmuskelsci.. ` gm Quermuskelschicht; 7 Ring. ` tm Vransversale Muskelschicht; v Vaki-

x Umwandlung einer Ectodermzelle in eine Ringzelle; s Verbindungsstelle des Kamptoderm mit dem Poli

Fig. 43. Fredericella.

»

»

»

Tafel II.

Stiick des Magens von der

Fläche. Vergr. 350. 44. Paludicella. Magenwand im Längsschnitt. Vergr. 350.

45. Cristatella. Ende eines Tentakels. Vergr. 620.

46. Plumatella. Basis eines Tentakels im Quer- schnitt. Vergr. 620.

47. Plumatella. Mitte eines Tentakels im Quer-

schnitt. Vergr. 620. 48. Paludicella. Mitte eines ‘Tentakels im Quer- schnitt. Vergr. 620.

49—--53. Paludicella. Serien-Querschnitte durch d. Tentakelkrone, v. oben n. unten. Vergr. 300. 54. Plumatella. Oesophagus1. Querschn. Vgr. 620.

55: » Magen » » » 620, 56. » Enddarm » » » 620. 57. Fredericella. Magen » » » 350.

58. Plumatella. Medianer Längsschnitt durch das Schlundganglion. Vergr. 300.

| |

Fig. 59.

»

6o. 61. 62. 63. 64. 65.

66—73. Plumatella polymorpha. Serienquers«

Plumatella. Seitlicher Längsschnitt durch Schlundganglion. Vergr. 300. Paludicella. Magen, inneres Tangentialschnitt. Vergr. 350. Plumatella. Tangentialer Längsschnitt dure Schlundganglion u. d. Lophophor. Verzt. Fredericella. Querschnitt d. d Tentakelkr: Vergr. 300.

Cristatella. Querschnitt durch die Basi Tentakelkrone. Vergr. 300. Plumatella. Querschn. d einen Lophophora Vergr. 170. Paludicella. Längsschnitt d. d. Oesophaz das Schlundganglion. Vergr. 300.

Epithel

durch den Vorderkörper des Polypids. oben nach unten. Vergr. 300.

bb Bindegewebsbrücke zwischen Ganglion und Lophoderm; «7 Cystiderm; dn Darmnerven; ec Ectoden ed Enddarm; em Epistommuskeln; ez Inneres Epithel der Körperwand (und der Tentakeln); ep Epiti o Gallertballen; Höhle des Ganglienknotens; g Ganglienknoten; ze Inneres Darmepithel; du Intertenl cularmembran; Ad Kamptoderm; #4 Kammerhöhle; Jg Lophoderm; /4 Lophophorhöhle; /# Lichtbrechen

Körper in den Tentakeln; Zr» Lophophornerv; ZG Leberzellen; mf Muskelfasern der Septa;

my Muel

retractor; „f Nervenfasern; Nervenkern; fe Peritonealepithel; pm Pyramidenmuskel; gd Querbric zwischen Darm und Kamptoderm; gm Quermuskulatur; Ringkanal der Tentakelkrone; ro Musculus rota: s Septum der Tentakelkrone; Seitenhöhle des Ganglion; sr Schlundring; A Tentakellumen; v Vak zs Verbindungsstrang des Ganglion mit dem Lophoderm; zs Zottenzellen.

Tafel III.

Fig.74. Fredericella. Stück ein. Zweiges. Ver. etwa 18. | Fig.gı. Victorella. Finzeltier. Vergr. go.

» 75. Victorella. Stück ein. Kolonie. Ver, etwa 35. | » 02. » Frühjahrsknospen. Vergr. etwa 35.

» 76. Fredericella. Stück einer Kolonie in natür- » 93. Cristatella. Statoblasten durch KOH ausein- licher Grösse. j ander gekocht. Vergr. etwa 50.

» 77. Plumatella. Sitzender Statoblast im Längs- » ot Plumatella princeps. Innere Chitinkapsel de> schnitt. Vergr. 170. Statoblasten. Vergr. etwa 80.

» 78. Victorella. Stolonenknolle mit sich entwickeln- » 95. Plumatella princeps. Dorsaler Schwimmring dem Cylinderrohr und Knospe, von oben ge- des Statoblasten. sehen. Vergr. etwa 35. » 96. Plumatella princeps. Ventraler Schwimmiring

» 79. Pottsiella. Junge Kolonie. Vergr. etwa 35. des Statoblasten. Vergr. etwa 80.

» 8o. Fredericella. Auskriechender Statoblasten- » 97. Victorella. Stolonenknollen mit sich ent: embryo in einem vorjährigen Röhrenstück. wickelnden Cylinderröhren. Vert, etwa 35. Vergr. etwa 30. | » 98. Paludicella. Auskriechende Winterknospe.

» 81. Plumatella philippinensis. Stück einer Kolonie Vergr. 35. in natürlicher Grösse. » 99. Paludicella. Mündungszone b. ausgestrecktem

» 82. Plumatella philippinensis. Stück einer Ko- Polypid. Vergr. 300. lonie, schwach vergrössert. » 100. Paludicella. Mündungszone. Polypid im Aus-

» 83. Plumatella philippinensis. Statoblast. Vgr. 60. strecken begriffen. Vergr. 170.

» 84. Plumatella repens var. appressa. Stück einer » ror. Pectinatella. (Juerschn. durch d. aufgesprun- Kolonie ın natürl. Grösse. | genen Schwimmring d. Statoblasten. Ver. oo.

» 85. Paludicella. Einzeltier von oben, mit Winter- » 102. Cristatella. Querschn. durch d. geschlossenen | knospe. Vergr. etwa 25. Schwimmring. Vergr. go.

» 86. Plumatella polymorpha forma »Flabellum«. » 103. Cristatella. Querschn. durch d. aufgesprun- Natürl. Grösse. genen Schwimmring. Vergr. go.

a 87. Plumatella polymorpha forma »Flabellum«, » 104. Paludicella. Einzeltier mit eingezogenen jünger. Natürl. Grösse. Polypid. Vergr. 170.

» 88. Plumatella princeps forma »jugalise. Na- » 105. Fredericella. Sprofsstück mit winterlichen türliche Grösse. Statoblasten. Schwach vergr.

» 89. Cristatella. Querschn. d d. Kolonie. Vergr.50. | » 106. Pectinatella. Stück eines Kolonierohrs mit 3

» go. Cristatella. 2 Kolonien in !/» natürl. Grösse. | Polypiden, von der Seite. Vergr. etwa 20.

al Arm des Lophophors; am Abgespaltene Membran des Schwimmrings; Ab Bindegewebsbriicke zwischen Ganglion und Lophoderm; ca Cardia; ch Chitinstaebe; cf Cardialflexor; d Driise; db Duplicaturbänder: dr Dorn des Statoblasten; ds Driisensekret; e+ Junger Statoblastenembryo; ed Enddarm; Jf’ Funiculus: fm Muskeln des Darmfundus; 4d Kamptodermg- Am Kaumagen; n Knospe; md Verschlussmembram der Mündung (bei den Ctenostomen); mr Musculus retractor; mr’ Oraler ‘Teil des Musculus retractor: mr’ Oesophagealer Teil des Musculus retractor; » Napf der Cuticula für den sitzenden Statoblasten: o Ovarium; oe Oesophagus; Pylorusklappe; øm PyramidenmuskelS py Pylorusteil des Magens: gm Quermuskulatur (der Ctenostomen); rm Ringmuskeln der Mündung; 70 Musculus rotator der Tentakel- krone; rw Randwulst; sa Stolonenanschwellung; se Septum (der Cristatella); s Sperma; s/ Statoblast: u Umbiegungsstelle des Kamptoderm;. zw Winterknospe; wz Wurzelfiden; y Ringförmige Einschniruny des Kamptoderm; z% Zurückgezogenes Polypid; zz Zottenzellen des Darms.

. 107. 108. 109. IIO. III. 112. 113. 114. 115. 116. II}. 118. IIQ.

I20.

Tafel IV.

Paludicella Ehrenbergii. Kolonie in natürlicher Grösse.

Plumatella princeps var. emarginata. Kolonie in natürlicher Grösse, auf Nymphaea. Plumatella polymorpha var. caespitosa. Kolonie in natürlicher Grösse. ` Plumatella polymorpha var. caespitosa (obere Hälfte) und Plum. punctata, Herbstform (untere Hälfte.

Plumatella princeps var. muscosa. Stück einer Kolonie in natürlicher Grösse.

» polymorpha var. fungosa. » » » > » »

» princeps var. spongiosa auf Paludina fasciata. Kolonie in natürlicher Grösse. > > » > Sitzende Statoblasten auf Paludina.

> punctata var. prostrata. Kolonie in natürlicher Grösse.

> » var. densa. » > » >

Paludicella Ehrenbergii. Winterknospen, schwach vergr. Victorella pavida. Kolonie in natürlicher Grösse. Plumatella polymorpha var. repens. Junge Kolonie in natürlicher Grösse.

Paludicella Ehrenbergii. 2 Koloniesprosse, vergr. (etwa ıofach).

Al Pa Jo R J te ORTEN 28 7 4 DN Tue LOPS EAN A. Anal li TEINS, H UNDUrG, Zei A, 1887

i a ea EEE EEE Ari venelin, Bri lozoen Fi uf. WV

TE

hemm

?

Fig.

121. 122. 123. 124. 125. 126. 127. 128.

Tafel V.

Fredericella sultana. Stückchen einer Kolonie, vergr.

Plumatella polymorpha var. @ repens (forma Dumortieri). Sprofs vergr.

Plumatella princeps var. & emarginata. Sprofsstück vergr.

Plumatella punctata var. œ prostrata, Somnferforın. Sprofstück von der Seite, vergr.

Plumatella punctata var. densa, Herbstform. Sprofsstück von oben, vergr.

Plumatella polymorpha var. y caespitosa mit aufrechten hyalinen Röhren. Stückch. e. Kolonie, vergr Plumatella princeps var. spongiosa. Statoblastenembryo vergr.

Plumatella polymorpha var. y caespitosa. Stückchen der Kolonie von oben, vergr.

ee m mn nn EE a

ae me m

Ibhandl.dnatw. Vereins, Hamburg, Bd X, 1887 Araerelın, Bryozoen Taf:

129. 130. 131. 132. 133. 134.

135. . Pectinatella. Junge, aus Statoblasten hervorgegangene Kolonien verschiedenen Alters, einen

137.

Tafel VI.

Pectinatella. Statoblastenembryo mit vorgestrecktem Polypid, vergr. » » » eingezogenem » » Lophopus. Kolonie vergr. » Kolonien in natürlicher Grösse, auf Holz. Pectinatella. Stück eines Rosettenlobus, vergr. Cristatella mucedo. Stückchen einer Kolonie, vergr. Die Mehrzahl der Polypide eingezogen. um die Randzone frei zu legen.

Cristatella mucedo. Kolonie in natürlicher Grösse.

werdenden »Cormos polyblastos« darstellend. Natürliche Grösse. Pectinatella. Fertiger »Cormos polyblastos« in natürlicher Grösse. Auf der rechten Seite sind dic

rosettenförmigen Kolonien entfernt, um die basale Gallerte zu zeigen.

Abhandl.dnatw iG erens, Hamburg, Bd X, 1887. Araenelın, Bryozoen Taf

2 of EET Sate nn

it

\\\)

ly

i N MH d duu) u Nu

Alt ICH

= AM FF FRE (Za sch

c TR Narr

I

Fig.

138. 139. 140. 141. 142. 143. 144. 145. 140. 147. 148. 149. 150. IST. 152. 153. 154. 155. 156. 157.

Tafel VII.

Statoblast von Fredericella sultana, auseinandergekocht. Vergr. etwa 60. » » Plumatella polymorpha var. æ repens. Dorsalseite. Vergr. etwa 60. » > » » var. d fungosa » » » 60. Sitzender Statoblast von Plumatella polymorpha var. d fungosa. Dorsalseite. Vergr. etwa Go » » » » » » » » Ventralseite. » » 60. Schwimmringsstatoblast von Plumatella princeps var. d spongiosa. Dorsalseite. Vergr. etwa 6o. » » » » var. y muscosa. » » » 6o. » » » » forma intermedia (vergl. Pag. 122). Vergr. etwa 60. Sitzender Stotablast von Plumatella princeps var. d spongiosa. Dorsalseite. Vergr. etwa 6o. » » » » » » » Ventralseite. » » 6o.

Schwimmringsstatoblast von Plummatella princeps var. fruticosa. Dorsalseite. Vergr. etwa 60.

» von Lophopus cristallinus. Dorsalseite. Vergr. etwa 4o. » » Cristatella mucedo. Dorsalseite. Vergr. etwa 40.

» » » » Ventralseite. » » 40.

» » » » Seitenansicht. » » 40.

» » Plumatella punctata. Herbstform. » » 60.

» » » » Sommerform. » » 60.

» » Pectinatella magnifica. Dorsalseite. Vergr. etwa 3o. » » » » Ventralseite. » » 30. > » » » Seitenansicht. » » 30.

157.

era Water, Hankfarı IM

147.

Kraenelin, Bryozoen. Taf Vu.

x Š È "I ~ 2 Cl ia ~ 8 V S S < N Š I i ¥ e = a = ~ = Q ute? $ : S S = ) ta Š G $ ET ARE < ` Kai j Ae Pe: X e | X > ; treg.: a , N S rat CU G VK `~

Das

Flaschentierchen, Folliculina ampulla,

beschrieben und abgebildet

von

Karl Möbius.

Mit einer Tafel.

MT TTZLENRI III IT e

Geschichte der Kenntnis und der verschiedenen Gattungs- namen des Flaschentierchens.

Der Entdecker des Flaschentierchens ist der dänische Zoolog Othe Friedrich Müller. Er fand es am o Oktober 1781 (wahrscheinlich bei Kopenhagen) im Seewasser, nannte es Vorticella ampulla, offenbar wegen der flaschenförmigen Gestalt seiner Hülse, zeichnete und beschrieb es und schilderte dessen eigentümliche Bewegungen so zutref- fend, D dafs über die spezifische Übereinstimmung der Infusorienform, welche die ihm nachfolgenden Beobachter mit seinem Artnamen ampulla belegten, nicht im geringsten zu zweifeln ist.

Über den Bau des Tieres konnte er sich mit den damaligen Hilfsmitteln natür- lich nur sehr unvollkommen bekannt machen. Den Bauch der Hülse zeichnete er breiter, als ich ihn jemals gefunden habe. Die beiden Kopflappen des vorgestreckten Tieres mit ihren grofsen Wimpern veranlafsten ihn, es in die Nähe der Rädertiere zu stellen.

Lamarck*) rechnete das Flaschentierchen zu den Rotiferen. Unter dem neuen Gattungsnamen Folliculina vereinigte er es mit Vorticella vaginata (O. F. Müller) und Vorticella folliculata (O. F. Müller). Seine neue Gattung Folliculina betrachtete er als ein Bindeglied zwischen den Gattungen Vaginicola und Brachionus der Division »Polypes ciliése. Diese Auffassung wiederholten Deshayes und Milne Edwards in der zweiten Auflage des Zamarckschen Werkes, Bd. II, 1836, p. 30.

Bory de St. Vincent, der Bearbeiter der »Microscopiques« der Histoire naturelles des Zoophytes der Encyclopédie méthodique, T. II, Paris 1824, nahm den Zamarckschen Namen Folliculina an, trennte aber Vorticella vaginata und folliculata von ampulla und stellte (p. 535) folgende Gattungsmerkmale auf: »Corps contractile. dépourvu de tout appendice tentaculaire, molécularié, non musculeux, contenu, sans y adhérer intimement, dans un fourreau en forme d’ampoule, parfaitement transparent et libre, par l'ouverture antérieure duquel l'animal fait saillir une tête largement bilobée, sur le limbe de laquelle se développent les rotatoires.« Er verweist dabei auf die Abbildungen O. F. Müllers

1) O. F. Müller, Animalcula infusoria fluviatilia et marina. Havniac 1786, p. 283. Tab. XL, Fig. 4—7. 2) Histoire nat. des animaux sans vertèbres. II, Paris 1816, p. 29—30.

A KARL MÖBIUS, Das Flaschentierchen.

und auf deren Kopien im Tableau encycloped. et méthodique von Drugiere 7. Livr. Paris 1791, Pl. 21, Fig. 5—8, und lafst’ Folliculina unter den Rotiferen stehen.

Ch. G. Ehrenberg hat das Flaschentierchen nicht beobachtet. Er vermutet in Folliculina ampulla (Lam.) eine Vaginicola ').

Die erste genauere Beschreibung veröffentlichten 1858 Claparède und Lachmann”). Auf Grund eingehender Untersuchungen von drei Infusorien der Norwegischen Küste, welche sie zu den Stentorinen stellten, der Arten e/egans, aculeata und ampulla, errich- teten sie einen neuen Gattungsbegriff, den sie Z'reza nannten.

In demselben Jahre, aber vor der Veröffentlichung des wichtigen Werkes der beiden Schüler Johannes Müllers, erschien Sétrethill Wrights Beschreibung von drei In- fusorienformen derselben Gattung unter den Namen Lagotia viridis, Lagotia hyalina und Lagotia atropurqurea, welche alle drei nach Ze, Stein und S. Kecut nur Varietäten von Folliculina ampulla (O. F. Müller) sind.

Strethill Wright liefs seinen Gattungsnamen Lagotia zu gunsten des Namens »Freya« fallen, als er 1862 im Quarterly Journal of microscopical science, Vol. II, p. 219 wiederum drei neue Formen derselben Gattung beschrieb. | Schon vorher hatte der nordamerikanische Mikrozoolog Leidy den Gattungsnamen Freia angenommen als er eine Frera americana beschrieb,*) welche jedoch nach Fr. Stein auch mit F. ampulla (O. F. Müller) identisch ist. Dieser ausgezeichnete Infusorien- forscher sprach sich auf der Naturforscherversammlung zu Karlsbad im Jahre 1862 für die Wiederherstellung des älteren Gattungsnamens Z'o/lteulina (Lmck.) aus,‘) nahm aber in seinem grofsen Werke: »Der Organismus der Infusionstiere«, II, 1867, S. 272 den Gattungsnamen Freia von Claparède und Lachmann wieder an, weil ze erst den wahren Bau dieser Infusoriengruppe kennen gelehrt hätten. Da aber Claparède und Lachmann die Identität ihrer Freia ampulla mit O. F. AMiillers Vaginicola ampulla, auf welche der Lamarcksche Gattungsbegriff mit basiert war, anerkannt hatten, so hat der von bierg angeführte Grund für die Beibehaltung des Namens Freia nach den Regeln einer Namen- wahl, welche aller weiteren Ungewifsheit ein Ende macht, gar keinen Wert. Und über- dies wird der Name Freia auch noch deshalb für eine Infusoriengattung unbrauchbar, weil schon 1850 C. Z. Koch den Namen »Ireya« für eine Untergattung der Spinnen- gattung Euophrys verwendet hat, der er fünf amerikanische Arten unterordnet.) Aus den hier angeführten Gründen hat sich W. Saville Kent in seinem Manual of the In- fusoria, II, p. 597 ebenfalls für den Lamarckschen Namen Folliculina entschieden. Fr. Stein hat Folliculina ampulla viel genauer beschrieben und abgebildet als seine Vorgänger und es in die Ordnung der heterotrichen Infusionstiere versetzt.

1) Die Infusionstierchen als vollkommene Organismen, Leipzig 1838, S. 296.

2) Etudes sur les Infusoires et les Rhizopodes, Genève 1858, p. 221.

3) Proceedings of the Acad. of Nat. Hist. of Philadelphia, 1859. pag. 154.

4) Amtlich. Ber. üb. d. 37. Vers. Deutsch. Naturf. u. Ärzte 1862, Karlsbad 1863, S. 161. 5) Übersicht des Arachindensystems, V, 1858, S. 66. ) g "2

KART. MOBIUS, Das Flaschentierchen. 5

Die bekannte Verbreitung des Flaschentierchens.

In der Kieler Bucht \ebt es am Pfahlwerk des Hafens, auf Seegras und gröfseren Algen bis zur Region des toten Seegrases. Es setzte sich an Glasplatten, die ich an Pfählen im Kieler Hafen befestigt hatte. Ich habe es nordwärts bis in den Kleinen Belt gefunden, Stein fand es bei Wismar, O. F. Müller an der dänischen Küste, Claparède und Lachmann bei Norwegen. An den britischen Küsten beobachteten es Strethill Wright und S. Kent; Gesa Ents") bei Neapel und Leidy an der nordamerikanischen Ostküste. Bei Genua fand A. Gruber Folliculina elegans (Clap. et Lachm.)*) Ich bin geneigt, an- zunehmen, dafs die als verschiedene Arten beschriebenen Folliculina-Formen nur ver-

schiedene lokale Varietäten von Folliculina,ampulla (O. F. Müller) sind.

Die Hülse des Flaschentierchens.

Die Hülse ausgebildeter Individuen aus der Kieler Bucht ist 0,4 bis 0,5 mm lang und erreicht einen Durchmesser von 0,1 mm. Sie ist durchscheinend bräunlichgelb oder schwach bläulich (Fig. ı und 2). Ihr Bauch ist länglich, unten meistens abgerundet, in manchen Fällen aber so zugespitzt, wie Claparède und Lachmann?) und Fr. Stern‘) die Hülse von Freia elegans zeichnen. Der Hals ist röhrenförmig und bildet mit dem Bauche meistens einen Bogen. Ihre Mündung ist kreisrund und hat einen nach aufsen gebogenen Saum. In kochender Kalilauge wird sie nicht aufgelöst. Durch Safranin wird sie stark rot gefärbt, durch Dahlia blau, durch Methylgrün grün. Pikrokarmin rötet sie nicht. An Glasplatten ist sie mit einer Längsseite des Bauches so befestigt, dafs der Hals von der Ansatzfläche schräg abgewendet ist (Fig. 3—5). Die Wand der Hülse ist am Grunde dicker als im Halse und an der Mündung. Dic meisten Hülsen sind überall glatt; bei einigen sah ich schwache ringförmige Anwachsstreifen (Fig. 5). Zweimal fand ich Hülsen mit mehreren Hälsen (Fig. 6 und 7). Die eine war leer; in der andern safs ein Tier. Wenn dieses aus dem weiteren Halse von gewöhnlicher Form seine Trichter- lappen hervorschob, so gingen diese eben dem engeren dùnnhäutigen Halse vorbei. Die andere leere Hülse hatte einen weiten dickhäutigen Hals und zwei dünnhäutige (Fig. 7). Wahrscheinlich entstehen solche mehrhalsige Hülsen dadurch, dafs junge Tiere nach der Ausscheidung eines ersten dünnhäutigen Halses durch äufsere Umstände veranlafst werden, ihrem aus der Hülse herauskommenden Vorderkörper dauernd eine andere Richtung zu geben als früher bei der Ausscheidung des ersten Halses. Dann werden sie genötigt sein, diesen zu durchbrechen, beiseite zu drängen und neben ihm einen neuen zu bilden.

Claparede und Lachmann beobachteten ähnliche Halsvermehrungen an einer Fol- liculina-Form, welche sie Freia elegans pennen, Sie beschreiben den ‘diinnhautigen

1) Uber Infusorien des Golfes von Neapel. Mitteil. aus d. zool. Stat. z. Neapel. V, 1884, S. 294. 2) Die Protozoen des Hafens von Genua. Verband, d. Leop.-Carol. Ak. Bd. 46, 1884, S. 481. 3) Infus. et Rhizop. Pl. 10, Fig. 1—4.

4) Infus. I, T. XII, Fig. 2—6.

5) Infus. et Rhiz, p. 220. T, 10, F. 2 und 3.

6 KARI. MÖBIUS, Das Flaschentierchen.

Hals aber als eine mehrlappige Klappe, welche dem zurückgezogenen Tier zum Verschlufse der Hülse dienen soll.

Fr. Stein‘) fand in den Hülsen von Folliculina elegans aus der Ostsee bei Wis- mar niemals so stark entwickelte Klappen wie Claparède und Lachmann bei Norwegischen Individuen. In nicht wenigen Fällen konnte er gar keine Klappe auffinden. Ich möchte deshalb annehmen, dafs die Halsklappen der F. elegans ebenso entstehen wie die dünnen Nebenhälse von Folliculina ampulla der Kieler Bucht.

Der Weichkorper.

Der Weichkorper des aus seiner Hiilse hervorgestreckten Flaschentierchens ist in der Mitte walzenformig, hinten spindelförmig, vorn zweilappig trichterförmig (Fig. 1). Mit der Hülse hängt nur das Hinterende zusammen. Die Ansatzfläche ist ein Kreis, dessen Durchmesser bei völlig ausgestreckten Individuen etwas gröfser ist als die Hin- terleibspitze etwas oberhalb der Ansatzfläche. Nicht selten findet man Tiere, die ihren Körper um die Hauptaxe gedrehet haben. Dann erscheinen am Hinterende desselben Spiralfalten (Fig. 1).

Bei völliger Ausdehnung beträgt die Länge der Trichterlappen ungefähr ein Viertel der ganzen Körperlänge. Ihre Breite gleicht dem Durchinesser des Mittelkörpers.

Der Körper und die Trichterlappen erscheinen längsgestreift durch dichtstehende blaugrüne Körnchen, welche in dem Ektosark dicht unter einer sehr dünnen äufsersten Plasmaschicht liegen. Diese Punktlinien sind ungefähr 0,002 mm von einander entfernt. Ihre seitlichen Abstände nehmen etwas zu, wenn der Körper verkürzt und in die Hülse zurückgezogen wird; sie nehmen etwas ab, wenn sich der Körper verlängert und aus der Hülse hervortritt. Die dünne äufserste Plasmaschicht trägt schr feine Wimpern, welche unwillkürlich schwingen (Fig ı, 2, 21).

Die freien Enden der Trichterlaßpen sind entweder abgerundet oder zugespitzt. Ihre dorsalen Ränder sind bogenförmig verbunden. Die ventralen Ränder gehen im Trichterraume in rechten Spiralwindungen hinunter bis zum Munde. An den dorsalen und an den ventralen Rändern läuft ein Saum entlang, welcher ungefähr ein Viertel der Breite des ganzen Lappens einnimmt. Er erscheint quergestreift von den Ansatzlinien der Wimperkämmchen oder Pektinellen, welche er in seiner ganzen Ausdehnung bis zum Munde hinunter trägt. Die früheren Beobachter und Beschreiber des Flaschentierchens hielten die Wimperkämmchen für dicke Wimpern. ` Ate fi hielt die Ansatzlinien der- selben für »Querfurchen«, an deren inneren Grenzen die »langen, dünnborstigen adoralen Wimpern eingefügts seien. Die Kämmchenform der vermeintlichen grofsen adoralen Wimpern ist am besten an der Spitze der Trichterlappen zu sehen, wenn diese langsam aus der Hülse hervorkommen und die Pektinellen noch nicht schlagen. Eine Abbildung

1) Organismus d. Infus. II, S. 291. 2) Infus. II, S. 382.

KARL MOBIUS, Das Flaschentierchen. 7

und eine kurze Beschreibung derselben habe ich in den Schriften des Naturwissenschaft- lichen Vereins für Schleswig-Holstein, Bd. VI, 1. Heft, schon 1885, S. 54—55 veröffent- licht. In der zoologischen Sektion der 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu Berlin 1886 trug ich vor,!) dafs die sogenannten Membranellen Sterkis und anderer Mikrozoologen nach meinen Untersuchungen verschiedener heterotricher und hypotricher Infusorien der Kieler Bucht Wimperkämmchen seien. Das zeigen gute starke Linsen deutlich, wenn man die Infusorien durch Osmiumsäuredampf so vorsichtig lähnit, dafs die Kammchen nur noch langsam schlagen und endlich stillstehen. M. Nussbarm beschrieb und zeichnete 1886 ähnliche Wimperkämmchen von Gastrostyla vorax.”)

Dicht neben dem Pektinellensaume stehen auf der Innenseite der Trichterlappen viereckige Läppchen, deren Endrand durch blaugrüne Körnchen verdickt ist (Fig. 1 und 9). Diese Läppchen bilden einen zweiten Saum innerhalb des Pektinellensaumes, stehen aber weiter von einander entfernt als die Wimperkämmchen. Sie waren den früheren Unter- suchern von Folliculina ampulla nicht bekannt.

Die Pektinellen und die viereckigen Flimmerläppchen werden willkürlich in Be- wegung gesetzt. Sie können alle ruhen; eine oder beide Saumreihen des eznen Trichter- lappens können ruhen, während die Pektinellen und Flimmerläppchen des andern Trich- terlappens schlagen. Auch kann nur eine kurze Strecke irgend eines Pektinellen- oder eines Flimmerlappensaumes bewegt werden, während die meisten Wimperkämmchen und Flimmerläppchen ruhen. Wenn sich das Tier in die Hülse zurückgezogen hat, ruhen die Pektinellen oder machen nur schwache Bewegungen. Während sich das Tier streckt und aus der Hülse hervorkommt, was stets langsam geschieht, setzt es öfters schon kurze Strecken der Pektinellen in Bewegung. Sämtliche Wimperkämmchen und Flimmer- läppchen läfst es nur nach voller Entfaltung der Trichterlappen schwingen. Dann bietet es einen wundervollen Anblick dar. l

Die Schwingungen beider Organula führen schwimmende Nährstoffe nach dem Munde.) Füttert man Indigo oder Karmin, so bewegen sich die Farbkörnchen in der rinnenförmigen Vertiefung zwischen den Flimmerläppchen nach dem Trichtergrunde hin- unter, dessen Pektinellenspiralen sie in die Mundhöhle treiben. Diese ist durch eine Einschnürung von dem Trichtergrunde abgegrenzt. Die Wand der Mundhöhle ist am Trichtergrunde am dicksten; nach dem Schlunde zu wird sie dünner und läuft, gegen die Längsaxe des Schlundes einwärts gebogen, in einen scharfen Rand aus, der die hintere Öffnung der Mundhöhle umgiebt. Sie verhält sich wie eine Muskel; denn sie macht selbständige Bewegungen, indem sie sich von vorn nach hinten verengt und da-

1) Tageblatt der Vers. d. Nat. u. Ärzte zu Berlin. S. 108.

D Über die Teilbarkeit der lebendigen Materie. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 26. S. 494, T. 19, Fig. 16 und 17, T. 21, Fig. 9.

3) Da die Organe der Metazoen oder Heteroplastiden (Goette) aus vereinigten Zellen bestehen, dagegen die Organe der Protozoen oder Monoplastiden (Goette) nur verschieden ausgebildete Teile einer Zelle sind, so habe ich sie 1885 im Biologischen Centralblatt IV, S. 392 und 448 Organula genannt.

8 KARL MOBIUS, Das Flaschentierchen.

durch die Nahrung, welche sich in der Mundhöhle angesammelt hat, in den Schlund hinunterschiebt. Einige der Profilansichten, welche die Mundhöhlenwand bei ihren Schluck- bewegungen darbietet, sind in Figur 8 dargestellt.

Am Eingange in die Mundhöhle ist eine Zalbömondförmigce Klappe, die während der Ansammlung von Nährstoffen zuweilen in die Mundhöhle hineinschlägt (Fig. 1).

Der Schlund ist eine kegelförmige Hohlung, deren Vorderrand den dünnen Hin- tersaum der Mundhöhlenwand umfafst, sich darauf etwas erweitert und dann verengt. Ihre Grenzfläche hat Längsstreifen (Fig. 1). Tine von dem Körperplasma abgegrenzte Schlundwand habe ich nicht gesehen. Jeder aus der Mundhöhle in den Schlund geprefste Nahrungsballen wird durch dessen fortschreitende Verengung ohne Stilstand tiefer gce- schoben, bis er in das verdauende Binnenplasma gelangt. So lange die Nahrungsmasse durch den Schlund gleitet, ist sie länglich rund. In dem Verdauungsplasma nimmt sic Kugelform an. Zunächst gchen die Nahrungsballen in den dickern Mittelkörper, dringen dann auch in den Hinterkörper ein und werden selbst in die Trichterlappen hinauf- geschoben, wie ich einige Male beobachten konnte (Fig. 1).

Wiederholt habe ich Zäkalkugeln aus der »lfferöfnung hervorkommen sehen. Sie liegt oberhalb und rückenwärts von der Mundhöhle unter dem linken Trichterlappen. In der Regel werden mehrere Fäkalkugeln schnell nach einander ausgestofsen, nachdem sic sich in einem deutlich abgegrenzten Aanale angesammelt haben, der wenigstens ebensolang ist wie der Schlund (Fig. 1).

Meine Voruntersucher von Folliculina ampulla kannten die Verdauungsorganula nur ungenau. Die muskulöse Mundhöhle, der gestreifte Schlund und der enddarmartige Fakalkanai waren ihnen unbekannt.

In dem distalen Teile der Trichterlappen habe ich bei Individuen mit bleichgrünem Pigment ein stärker lichtbrechendes Spongroplasma gesehen, welches unter dem streifigen I:ktoplasma liegt (Fig. 1). Bei scharfer Einstellung der Scitengrenzen ist ein solches auch im Innern des Körpers zu schen.

Der Hinterkörper enthält einen perlschnurförmigen Kern. Er besteht aus einer gröfseren Zahl runder Körper, welche durch dünne Stränge zusammenhängen. In lebenden Individuen, welche sich in ihrer Hülse ausdehnen, entfalten und zurückziehen können, erscheinen die runden Abteilungen des Kernes als helle, runde Flecke, welche bei den geringsten Formenveränderungen des Körpers verschoben werden. Ohne Anwendung von Reagentien und Farbstoffen kann man denselben nicht näher kennen lernen. In zahlreichen, mit Pikrokarmin oder Hämatoxylin behandelten Exemplaren habe ich stets perlschnurförmige Kerne gefunden, niemals einen einfachen runden Kern wie Ate ab- bildet und beschreibt.!) Vielleicht hielt er undeutlich gesehene Teile eines Kernes für Verschiebungen eines deutlicher gesehenen Kernteiles, den er aber als einen einfachen Kern ansah. Von einer Untersuchung des Kernes mit Reagentien sagt er nichts.

In den Figuren ıı—ı4 sind verschiedene Kerne abgebildet; in Figur 11 ein Kern in einem ausgestreckten Tiere; in Figur 13 ein Kern eines wenig zusammen-

') Infus. II, 286, Taf. 10 und It.

KARL MÖBIUS, Das Flaschentierchen. 9

gezogenen Tieres; in Figur 12 und 14 Kerne stark zusammengezogener Tiere. Unter einer Winkelschen Öltauchlinse sah ich bei 700maliger Vergröfserung in der durch Pikro- karmin schwach geröteten Grundmasse der runden Kernteile Reihen stark geröteter Körner. Diese meistens querlaufenden Körnerreihen scheinen Fäden zu bilden, welche sich nahe an der Oberfläche des Kernes umbiegen.

Kontraktile Höhlungen habe ich nie gesehen, obgleich ich bei vielen Individuen darnach gesucht habe. Einmal bemerkte ich undeutliche schlängelnde lichte Linien im Hinterkörper eines ausgestreckten Individuums, welche ich aber nicht als ein Wasser- gefafs zu deuten wage. /r. Stein spricht von einem »sich sehr langsam verändernden kontraktilen Behälter auf der rechten Seite des Bauches«. »In den meisten Fällen,« sagt er, »entzieht sich das Wassergefäfssystem, namentlich bei gröfseren Tieren, ganz und gar der Beobachtung«.!) Da Ate die wahre Beschaffenheit des Kernes verkannt hat, so haben ihn vielleicht bewegte Abteilungen eines Kernes veranlafst, sie als aneinander- stofsende Höhlungen einer länglichen Vakuole zu deuten.

Die Fortpflanzung des Flaschentierchens.

Über die Fortpflanzung der Folliculinen hat keiner ihrer früheren Untersucher sichere Mitteilungen gemacht. Denn ob gewisse frei schwimmende Infusorien, welche Strethill Wright?) und Claparède und Lachmann) für junge Folliculinen hielten, wirklich auch solche waren, ıst zweifelhaft.

Unter den vielen Individuen, welche ich untersuchte, fand ich nur einige male solche, die sich vermehrten. Neben dem Mutterindividuum, welches seine Trichterlappen ausgestreckt hatte, lag im untern Raum der Hülse ein spindelförmiger Spröfsling, der dunkler aussah als jenes (Fig. 2). Bald nachher zog sich das Muttertier so stark zusam- men, dafs es nur den Grund der Hülse einnahm (Fig. 15). Nun streckte der Spröfsling seinen Vorderkörper aus der Hülse hervor, dehnte sich sehr lang aus (Fig. 16), bog sich lebhaft nach verschiedenen Seiten und verliefs die Hülse. Als er sich verkürzte, sah ich mitten an der Seite einen spitzen Zipfel (Fig. ı7), der sich schnell verkleinerte (Fig. 18) und bald ganz in dem weichen Körper verschwand. Dieser Zipfel konnte nichts anderes sein, als der Strang, welcher den Spröfsling vor seiner völligen Ablösung von der Mutter mit dieser verbunden hatte. Das junge Tier war wie die Mutter längsgestreift, grün- körnig und überall mit feinen, kurzen Wimpern besetzt. Am Vorderende, wo die Wim- pern etwas länger waren, als an allen andern Körperstellen, erschien bald eine Furche, welche die erste Anlage der beiden Trichterlappen von einander trennte (Fig. 19 u. 20). Das junge Tier setzte sich fest und schied eine zarte Hülse aus, deren Dicke hinten schneller zunahm als vorn, wo auch noch kein auswärts gewandter Mündungsrand auf-

1) Infus. II, 286, Taf. XI, Fig. 11. 2) Edinburgh New Philos. Journ. 1859, Vol. X (nach Stein, Infus. II, S. 288). 3) Infus. et Rhizop. p. 218, T. IX, Fig. 9.

10 KARL MÖBIUS, Das Flaschentierchen.

trat. Wie viel Zeit von der Ablösung des Spröfslings bis zur Bildung der Hülse, wie diese in Fig. abgebildet ist, verflofs, habe ich leider nicht aufgeschrieben, erinnere mich aber, dafs die beschriebenen Vorgänge höchstens zwei Stunden dauerten. Der Mündungsrand wird erst später durch den Druck der ausgebildeten entfalteten Trichter- lappen seine spätere bleibende Form erhalten.

` Pektinellen traten vorn auf der abgerundeten Anlage der Trichterlappen auf, ehe die Hülse ihren scharf begrenzten Mündungsrand besafs (Fig. 21). Über das Verhalten des Kernes bei der Bildung des Spröfslings konnte ich leider keine Anschauungen erhalten.

Die hier beschriebene Fortpflanzung des Flaschentierchens darf nzcht Längs- teilung genannt werden; denn das Muttertier teilt sich zicht in zwei ganz gleiche Tochterindividuen; es behält alle ausgebildeten Organula, welche für die Erhaltung des Individuums bestimmt sind, und der Spröfsling erlangt diese erst, indem er sich nach seiner Ablösung artgemäfs weiter entwickelt.

Alle Längs- und Querteilungen von Infusorien, bei welchen nicht sämtliche dem individuellen Leben dienende Organula der Mutter gleichmäfsig geteilt und auf beide Spröfslinge in der Weise übertragen werden, dafs beide einander völlig gleichen, lassen sich dem neuen Begriffe der Protozoen-Unsterblichkeit, welchen Weismann!) aufgestellt hat, nicht unterordnen. Ich habe bei verschiedenen Infusorien der Kieler Bucht solche ungleichhälftige Teilungen oder richtiger gesagt, solche Ablösungen eines unentwickelten Spröfslings von einem ausgebildeten Muttertier beobachtet und hoffe sie bald veröffent- lichen zu können. Die Unsterblichkeit dieser Infusorien nach der [Vezsmannschen Auf- fassung ist nur eine fortgesetzte Vererbung der Arteigenschaften von ausgebildeten In- dividuen auf das Plasma ihres Spröfslings, eine Modifikation der Kontinuität des Keim- plasmas, wie sie nach dem Autbau des Infusorienleibes aus czver hochdifferenzierten Zelle nicht anders sein kann. Ein protozoisch ausgebildeter, einzelliger Tierleib giebt eine protozoisch unentwickelte Keimzelle ab. Das individuelle Dasein eines solchen Infusoriums beginnt wie bei den Metazoen mit dem Entstehen eines unentwickelten einzelligen Keimes. Der Unterschied gegenüber den Metazoen besteht nur darin, dafs der Keim bei seiner Ablösung fast ebenso grofs ist, wie das fortlebende Muttertier, während die freiwerdenden Keime der Metazoen viel kleiner sind als ihre vielzelligen Eltern.

Ein Blick in das psychische Leben des Flaschentierchens.

In dem Augenblick, wo sich der junge Spröfsling von seiner Mutter trennt, beginnt sein eigen-individuelles psychisches Leben, dessen Bereicherung dann von der Ausbildung und Thätigkeit der Organula abhängt. Auf die Empfindung des freien Schwimmens können erst Empfindungen des Druckes der Hülsenwand folgen, nachdem diese ausgeschieden ist. Sobald die jungen Trichterlappen mit den Pektinellen und

1) A. Weismann, Über Dauer des Lebens, Jena 1882, Derselbe, Über Leben und Tod, Jena 1884.

KARL MÖBIUS, Das Flaschentierchen. LI

Flimmerläppchen sich entfalten, um der ausgebildeten Mundhöhle Nährstoffe zuzutreiben, erhält das junge Flaschentierchen mit der Empfindung gewisser eigener Bewegungen zugleich auch die Empfindung des strömenden Wassers gegen den Trichtergrund hinab, die Empfindung des Eindringens der Nährstoffe in den Mund, des Druckes derselben gegen die Mundwand und Empfindungen der Schluckbewegungen der Mund- und Schlund- wand. Haben die Nahrungsballen ihren Weg durch das Verdauungsplasma zurückgelegt und sind sie im Fäkalkanal angelangt, so werden sie Druckempfindungen verursachen, welche Verengungsbewegungen mit Entleerungen hervorrufen.

Sollen sich Flaschentierchen unter dem Mikroskop ungestört entfalten, so mufs man sie mit dem Ansatzkörper der Hülse darunter legen und mit einem befufsten Deck- glase bedecken, welches die Hülse nicht zusammendrückt. Gewöhnlich vergeht einige Zeit, ehe das Tier aus dieser hervorkommt, wahrscheinlich weil es in seinem gewöhn- lichen Befinden durch die ungewöhnlichen Bewegungen seiner Unterlage gestört wurde. Wiederholt schiebt es sich ganz langsam vor bis zur Mündung der Hülse und zieht sich schnell wieder zurück. Nach und nach kommt es immer weiter heraus und biegt die Enden der Trichterlappen auseinander, bis es sich schliefslich furchtlos ganz ausstreckt und die Pektinellen und Flimmerläppchen spielen läfst. Befinden sich Nährstoffe im Wasser, so strudelt es sie in den Trichtergrund hinunter, füllt die Mundhöhle an, ver- schluckt die Nahrung und sammelt solche von neuem. Bisweilen fährt es plötzlich in seine Hülse zurück, um sich bald darauf wieder langsam hervorzustrecken und weiter zu fressen. Stundenlang dauert dieses behagliche Fressen in der Regel nicht, auch dann nicht, wenn gegen die Verdunstung des Wassers Sorge getragen wird. Vielleicht treten dann respiratorische Unbehaglichkeiten ein; denn wenn ich dauernd zurückgezogene Individuen mit den Glasplatten, worauf sie sich angesetzt hatten, auf einige Zeit in ein durchlüftetes Aquarium versetzte, entfalteten sie sich wieder, sobald ich sie von neuem unter das Mikroskop brachte. Es ist anzunehmen, dafs der Austausch der Atemgase vorzugsweise von den entfalteten, flimmernden Trichterlappen besorgt werden wird.

Ein nervöses Zentralorgan und besondere Stränge, welche als leitende Nerven- fasern angesprochen werden könnten, hat kein Untersucher in dem Flaschentierchen ge- funden. Die optischen Verschiedenheiten der Plasmaschichten, die streifige Beschaffenheit des Ektoplasma, die Abgrenzung des Pektinellensaumes von den innern Feldern der Trichterlappen lassen vermuten, dafs äufsere Reize, die einen Punkt der Körperoberfläche treffen, nicht nach allen Richtungen gleich stark in das Innere eindringen. So werden sich wahrscheinlich Reizungen von Pektinellen leichter in der Richtung des Pektinellen- saumes fortpflanzen als quer durch das Binnenfeld des Trichterlappens auf gegenüber- liegende Pektinellen. Dafür spricht die oft gemachte Beobachtung, dafs die Bewegung der Pektinellen gewöhnlich in distaler oder proximaler Richtung fortschreitet. Die An- fänge der dunkelsten psychischen Zustände müssen vor dem Auftreten des Nervensystems liegen. Jede Keimzelle hat schon ihre spezifische psychische Einheit. Wer das nicht zugiebt, mufs annehmen, dafs sie auf einer späteren Entwicklungsstufe von aufsen in das lebendige Individuum hineingebracht werde.

12 KARL MÖBIUS, Das Flaschentierchen.

In Infusionstieren, welche bleibende Organula haben, können Zrinnerungen ent- stehen, indem bei der Wiederholung derselben Thätigkeiten das Bewufstsein auftaucht, die mit diesen verknüpften Empfindungen bereits gehabt zu haben.

Diese Betrachtungen über das psychische Leben eines Infusionstierchens werden manchen Lesern befremdlich erscheinen. Sie haben keinen so sichern Boden, wie morpho- logische und physiologische Thatsachen, welche sich durch Raum- und Zeitmafse feststellen lassen. Das weifs ich sehr wohl. Und doch ist und bleibt das Begreifen, das Verstehen und Eindringen in das Zeden der Tiere, welches die psychische Einheit aller physiologischen Thätigkeiten der Individuen ist, bis zu den einfachsten Protozoen hinunter, das höchste Ziel der Zoologie im vollsten Sinne. Die Formen der Organe bleiben uns unverständlich, bis wir ihre phystologischen Arbeiten kennen gelernt haben, und diese bilden zusammen ein lebendiges Individuum nur auf dem Grunde einer psychischen Einheit, ohne welche die Entwickelung, sowie das Altern und Sterben keines tierischen Individuums verständlich wird. Wem dies nicht einleuchtet, möge seinen Blick auf die zoologischen Systeme und Stammbäume richten; sie werden ihm zeigen, dafs der Rang der Haupttypen nach dem Werte der psychischen Zustände abgeschätzt wird, welche die logischen Schöpfer der Systeme und Stammbäume mit den Arbeiten der Organe verknüpft denken. Die Mafse zur Ab- schätzung des Ranges entnehmen diese aber den Dewusstseinszuständen, welche an ihre eigenen physiologischen Thätigkeiten geknüpft sind.

I.

SI AAR wW N

10. II. 12: 13. 14.

15.

16.

KARI, MOBIUS, Das Flaschentierchen.

Erklärung der Abbildungen des Flaschentierchens.

Ein entfaltetes Individuum von der Bauchscite und bei verschiedenen Einstellungen des Innern gesehen. I¢s hat sich um seine Längsaxe gedrehet, daher sieht man auf dem Ansatsstiele Spiralfalten. An den Trichterlappen sieht man ruhende und bewegte /rAtinellen und Flimmerläppchen: im Grunde des Trichters die Pektinellenspiralen, unter diesen die Mundhöhle mit der Vorderklappe und der Seitenwand; unter der Mundhöhle den Sch/und mit Längsstreifen; in dem Schlunde einen Nahrungsballen, der verschluckt wird. Im Binnenplasma liegen kugelige Nahrungsballen, einige auch im rechten Trichterlappen. Unter dem linken Trichterlappen ist der Z/Akalkanal. Aus dem After kommt eine Fäkal- kugel. Im distalen Ende des linken Trichterlappens Spongioplasma.

Ein entfaltetes A/wttertier in der Hülse, neben seinem Hinterkörper ein Sprössling.

Eine ZZälse mit langem fast senkrecht aufwärts geboeenem Halse an einer Glasplatte.

Eine Hiilse mit kürserem Halse.

Eine Fäülse, deren Hals Anwachsstreifen hat.

Eine Halse mit einem dünnen Nebenhalse.

Eine /älse mit swei dünnen Nebenhälsen.

Profilbilder der A/undhihlenwand in verschiedenen Bewegungszuständen des Ver- schluckens.

Flimmerläppchen.

a Ansicht von oben; b Seitenansicht; c Profilansicht.

Ein Wimperkämmchen.

Form und Lage des Aernes in einem enffalteten Individuum.

Der Kern eines zurückgezogenen Individuums.

Kernform eines stark susammengesogenen Individuums.

Stark vergrösserter Kern eines sehr verkürzten Exemplars, durch Prkrokarmın ge- färbt. In den Abteilungen stark gerötete Körnchenfäden.

Das in Figur 2 entfaltet dargestellte Murzertier hat sich in den Grund der Hülse zurückgezogen und der Sprössiing den vordern Hülsenraum eingenommen.

Der Sprössling streckt seinen langausgedehnten Vorderkörper aus der Hülse hervor.

17 und 18. Umrisse des schwonmenden Sprösslings gleich nach dem Verlassen der Hülse.

An der linken Seite der Nabe/strang.

19 und 20. Der Sprössting mit den Anlagen der Trichterlappen.

21.

Der Sprössling mit der jungen Hülse und den ersten Wimperkammchen auf den Anlagen der Trichterlappen.

Abhund! d natw Vereins, Hamburg, Bd X. 1887.

$ $

RETIPE

Folliculina ampulla (OF Müll]

Beiträge zur Morphologie

Dekapoden und Isopoden

Dr. Georg Pfeffer.

Beiträge zur Morphologie der Dekapoden und Isopoden

von

Dr. Georg Pfeffer.

Bei Gelegenheit der Bearbeitung der Süd-Georgien-Krebse, deren erster Teil*) zugleich mit vorliegender Arbeit erscheint, habe ich Gelegenheit genommen, eine Anzahl morphologischer Merkmale der Cariden und Isopoden anders, als es bisher geschehen ist, darzustellen. Da die Erfahrungen, die ich bisher an meinen Arbeiten machte, mir ge- lehrt haben, dafs morphologische Betrachtungen, selbst von einiger Ausdehnung, nicht oder kaum beobachtet werden, wenn sie sich in einer systematischen Arbeit vorfinden, so habe ich die wichtigsten Ergebnisse der angeführten Arbeit in einigermafsen abgerundeter Form nunmehr in vorliegendem Aufsatze zusammen geschrieben. Weitere Ausarbeitungen der Einzelheiten werden im Anschlufs an die Veröffentlichungen der folgenden Teile des Süd-Georgien-Materiales erfolgen. |

Die Bildung der Kaugliedmafsen der Dekapoden.

Um für die Betrachtung der Mundgliedmafsen der Isopoden sich eine vorurteils- freie Grundlage zu schaffen, betrachte man zunächst die Verhältnisse eines höheren Krebses, z. B. des besonders lehrhaften und leicht zu beschaffenden Crangon vulgaris, zusammen mit den von mir gegebenen Darstellungen von Crangon antarcticus. Leitend ist die Gestaltung des Exopoditen mit seiner fast bei allen Dekapoden auftretenden, an- nähernd galgenartigen Form. Dieser ist an der 6., 5. und 4. Gliedmafse durchaus über- einstimmend gebaut. Auch an der dritten sieht man ihn als ein wenn auch nicht so

*) G. Pfeffer, Die Krebse von Süd-Georgien nach der Ausbeute der deutschen Station 1882—83. I. Teil. Cariden und Isopoden. ı10 pagg. und 7 Tafeln. Jahrbuch der Hamburger wissenschaftlichen Anstalten für 1886. Hamburg 1887.

4 Dr. GEORG PFEFFER, Dekapoden und Isopoden.

stark, so doch immer kräftig nach innen gebogenes, am Ende ebenso wie der Exopodit der folgenden Gliedmafsen beborstetes Gebilde. Auswärts von diesem letzteren befindet sich dic bekannte Wimperplatte, die, wie weiter unten gezeigt werden wird, als ein Homologon des durchaus gleich gebildeten, nur unbewimperten Epipoditen der 4. Glied- masfe zu deuten ist. Eine solche Auffassung entspricht durchaus nicht der jetzt herrschen- den, wonach man die Wimperplatte für den Exopoditen, den von uns als Exopoditen betrachteten Teil als Endopoditen betrachtet. Es müfste bei unserer Anschauung der Endopodit entweder verschwunden oder mit dem Exopoditen verschmolzen scin. Dafs die letzte Auffassung die richtige, lehrt die folgende Betrachtung.

Der Endopodit der 4. Gliedmafse tritt bei Crangon antarcticus als ein völlig frei entwickeltes, starres, ungegliedertes, auf demselben Niveau mit dem Exopoditen ent- springendes Gebilde auf. Dieser Endopodit ist bei Crangon vulgaris nur in seinem proximalen Teile frei, während er distal mit dem Endopoditen verwachsen ist. Diese Thatsache lehrt zum mindesten, dafs eine an den Kieferfüfsen auftretende Tendenz der Verwachsung von Endopodit und Exopodit vorhanden ist. Vergleicht man an der Hand dieser Erfahrungen die Verhältnisse der 3. Gliedmafse, so sieht man, dafs wie es am 4. Paare von Crangon vulgaris schon begonnen hat) hier Exopodit und Endopodit ver- schmolzen sind. Fast alle Eigenschaften beider Elemente sind, sei es bei auffallendem, sei es bei durchfallendem Lichte, klar zu erkennen. Dafs nunmehr die Wimperplatte der 3. Gliedmafse dem Epipoditen des 4. Paares entsprechen mufs, geht schon aus dem Lagerungs-Verhältnis hervor; es giebt eben im allgemeinen mit Ausnahme von Epipodial- Bildungen keine nach auswärts von Exopoditen gelegenen Gliedmafsen-Klemente. Aufser- dem entspricht die Wimperplatte in der That dem Epipoditen der 4. Gliedmafse in allen ihren Verhältnissen. Die Insertion, die Bildung eines vorderen und hinteren Lappens, vor allem die völlige Deckung der beiden Platten in situ, die ganz gleiche Bewimperung beider, z. B. bei Lzthodes, sind Beweise kräftigster Art. Schliefslich sei auch noch auf die aufserordentliche Ähnlichkeit der Wimperplatte mit den Pleopoden der Isopoden hin- gewiesen; diese sind, wie unten gezeigt werden wird, Epipodialbildungen.

Hat man die aus der Betrachtung von Crangon sich ergebende Basis gefunden, dafs der Taster der 3. Glicdmafse aus einer Verschmelzung‘ des Exopoditen und Endo- poditen hervorgegangen ist, so erkennt man aus dem einen oder andern Merkmale dies Verhältnis auch bei den andern Dekapoden. Von denen, die ich selbst untersucht habe, macht nur Zzökodes eine Ausnahme. Hier sieht man das nach innen umge- bogene, gar nicht zu verkennende Endstück des Exopoditen von der Spitze der Wimperplatte entspringen; es ist also der Exopodit mit der Wimperplatte verschmolzen, während das freie Ende der Endopoditen in dem Winkel zwischen der äufseren Kaulade und der Wimperplatte gelegen ist.

Von neueren Autoren erkennt eigentlich nur /7/ux/cy dem Epipoditen einen Teil an der Bildung der Wimperplatte der 3. Gliedmafse zu, indem er den hinteren Teil der Platte für das Äquivalent des Epipoditen, den vorderen für den Exopoditen hält. Dies stimmt freilich in der Hauptsache nicht zu der oben entwickelten Ansicht; immerhin

Dr. GEORG PFEFFER, Dekapoden und Isopoden. 5

edoch liegt darin vielleicht ein gut Teil Wahrheit. Bekanntlich hat bei fast allen höheren Dekapoden der Exopodit der 4. Gliedmafse eine starke Crista an seiner Aufsenseite. Diese ist z. B. bei Palaemon-Arten als ein fast völlig freier Lappen los gelöst und ent- spricht in seiner Lagerung und Bildung durchaus dem vorderen Lappen der Wimper- platte oder einem Teile derselben. Es hat aber in der That den Anschein, als ob auch die losgelöste Crista des Exopoditen mit in die Bildung der Wimperplatte eintritt, sie würde dann freilich kaum für die Veränderung des Umfangs, also des in diesem Falle mafsgebenden morphologischen Charakters, sondern nur als aborale Auflagerung für die Verdickung beitragen. Dies bei Palaemon scheinbar recht klare Verhältnis ist in vielen anderen Fällen unklar; in ebenso vielen anderen wiederum ist die Crista am Taster nach- zuweisen, ist also nicht mit dem Epipoditen verschmolzen.

Da die Kauladen proximal vom Taster entspringen, so gehören sie zum I. und 2. Gliede der 3. und 4. Gliedmafse; sie sind bei Crangon aufserordentlich schwach aus- geprägt, man wähle daher zu ihrem Studium andere Gattungen. Es wird kaum einem Zweifel begegnen, wenn man die Laden und den Taster der 2. Gliedmafse mit den be- treffenden Teilen der dritten homologisiert. Am Taster ist die Zusammensetzung aus zwei Elementen meist recht deutlich su erkennen.

Vergleicht man die 2. Gliedmafse mit der 1.*) (dem Oberkiefer), so ist vor allem das Verhältnis der beiden Laden zu beachten. Das Charakteristische an der Innenlade der 2. Gliedmafse ist eine in zwei Richtungen des Raumes stattfindende Einbiegung des Distalendes. Zunächst rollt sich das Ende etwas nach dem Munde zu ein, so dafs anstatt der bisherigen Kaukante eine Kaufläche aus dem distalen Stück der adoralen Fläche gebildet wird. Aufserdem dreht sich die Vorderecke des Distalrandes oralwärts ein, so dafs die eigentlich in der Richtung der Längsaxe des Tieres liegende Distalkante nun- mehr sehr stark auf die Ventralfläche des Körpers zugewandt ist. Schliefslich ist die Lade sehr häufig kräftig verkalkt. Für die äufsere Lade ist besonders das Aufwarts- stehen charakteristisch. l

Hält man diese Eigenschaften der Laden fest, so findet man (mit verhältnismäfsig wenig Ausnahmen) die Äquivalente der Laden der 2. Gliedmafse an der 1. sofort wieder, nämlich eine innere direkt in den Mund gewandte, zwischen Ober- und Unterlippe meist versteckte, und eine äufsere, aufsen auf dem Munde liegende. Betrachtet man die erstere bei besonders günstigen Objekten, z. B. Caridina, so erkennt man aufs deutlichste ihre Entstehung ; sie ist durchaus nach dem Typus der Lade der 2. Gliedmafse gebildet, nur etwas mehr verdickt und stärker verkalkt; beides aber tritt kaum in stärkerem Mafse auf, als es sich bei andern Gattungen an der Lade der 2. Gliedmafse vorfindet. Bei den andern Dekapoden ist die Innenlade massiver und stärker verkalkt; hat man aber das Verhältnis einmal erfafst, so erkennt man die wesentlichen Merkmale immer wieder.

Die Aufsenlade der 1. Gliedmafse ist bei aufserordentlich vielen Dekapoden als

*) Für die Verhältnisse des Oberkiefers ist Crangon das ungünstigste Objekt unter allen Dekapoden, insofern die Innenlade un terdriickt und die Aufsenlade stark verändert ist,

-

6 Dr. GEORG PFEFFER, Dekapoden und Isopoden.

eine dem betreffenden Teile des 2. Paares durchaus entsprechende, frei hochstehende, durchaus nicht kalkige Platte ausgebildet. Freilich verliert sie bei vielen andern das plattenartige ihrer Ausbildung und wird massiv und kalkig. Dafs der Taster der ı. Glied- mafse morphologisch dem der 2. gleichzusetzen ist, wird keinem Zweifel begegnen.

Claus und Boas wollen den Kauteil nur aus dem Grundgliede der Gliedmafse hervorgehen lassen. Der letztere bringt für seine Auffassung einen hübschen Beweis vor: Cetochilus, ein Copepod, besitzt eine quer entwickelte, in einem gezähnten Kaurande endigende Lade des Grundgliedes; diesem sitzt ein grofses zweites Glied auf, von dem ein innerer und äufscerer Spaltast entspringt. Ich selbst habe das gleiche Glied bei Cetochilus präpariert und die Darstellung von /vas für durchaus richtig befunden; ich halte auch die Deutung desselben Autors für vollkommen richtig; ich sche darnach, wie bei andern Krebsen, eine quer nach innen entwickelte Lade des Grundgliedes und ein vom Grundgliede aus frei hochstehendes zweites Glied; nur entwickelt dies letztere keine bis zur Begegnung mit dem Äquivalent der Gegenseite führende Lade.

Die Bildung der Kaugliedmafsen bei den Isopoden.

Nachdem bei der vorangegangenen Betrachtung der Wer von den weniger umgebildeten zu den am meisten umgebildeten Kaugliedmafsen cinmal gegangen ist, können die homologen Gliedmafsen direkt zur Vergleichung mit denen der Isopoden herangezogen werden. Der Oberkiefer ist durchaus so wie bei den Dekapoden gebildet: hier wie da eine kalkige, massive, in den Mund ragende Innenlade, eine hornige, vor dem Munde liegende Aufsenlade und ein Taster. Freilich kann der Taster verschwinden, wie bei den Idoteiden, und es kann die Innenlade bis zur Unkenntlichkeit oder völlig verkümmern, wie bei Idteiden und Seroliden; doch sind dies alles abgeleitete Verhältnisse.

Die Gleichartigkeit der 2. und 1. Gliedmafse tritt bei gewissen Isopoden viel stärker, als je bei den Dekapoden, hervor; besonders in situ zeigen sich die grofsen Grundglieder bei Chelonidium durchaus gleichartig und gleichgrofs ausgebildet. Die Innenlade ist meist schwach, zeigt aber stets die kräftige orale Eindrehung.

Die 3. Gliedmafse leitet sich am besten vor der 4. ab. Diese zeigt ein grofses Hauptglied mit einer grofsen distalen Lade und einer proximalen, als Angelglied bezeichneten Abgliederung; ferner einen vom letzteren entspringenden Epipoditen und einen am Hauptgliede inserierenden Taster. Ich bin mir nicht darüber durchaus klar geworden, ob das Hauptglied der 4. Glicdmafse als 1. oder 2. Glied zu betrachten ist. Dem Augenschein nach ist es das 2., und wenn man bei denjenigen Gattungen, welchc die meistgliedrigen Taster haben, von der Tasterspitze als siebentem Gliede zu zählen anfängt, so ist das Hauptglied gleichfalls das 2. Glied. Vergleicht man aber die 4. Gliedmafse mit der 3., so ist die Homologie der beiderseitigen Hauptglieder nicht zu bezweifeln; es giebt aber bei der 3. Gliedmafse kein weiteres, proximal vom Hauptgliede gelegenes Glied; man mülste also bei dieser Anschauung annehmen, dafs das 1. Glied ganz verschwunden ware; das ist jedoch nicht der Fall, sondern es findet sich stets ein

Dr. GEORG PFEFFER, Dekapoden und Isopoden. 7

sehr deutlicher proximaler Gelenkkopf der 3. Gliedmafse. Ich habe somit vorgezogen, das Hauptglied beider Gliedmafsen als Grundglied zu betrachten und die proximale Ab- gliederung beim 4. Paar als eine Bildung sekundärer Natur zu betrachten. Der Taster der Gliedmafse ist, wie bei vielen Aselliden noch ganz deutlich zu sehen, aus einer Verschmelzung des Endopoditen und Exopoditen hervorgegangen, und zwar ist das Verhältnis hier ebenso wie bei den Dekapoden, dafs das distale Ende (und zwar mehrere Glieder) nur dem Exopoditen angehört. Das ı. Glied des Tasters gehört demgemäfs zum Stamm der Gliedmafse. Bei der Betrachtung der 3. Gliedmafse ergiebt sich sofort, dafs die Hauptglieder homolog sind, dafs also die sog. innere Lade der 3. Gliedmafse der einzigen Lade der 4. entspricht. Die mittlere Lade der 3. Gliedmafse ist ein Fortsatz. des 2. Gliedes (also ı. Tastergliedes der 4. Gliedmafse), während die Aufsenlade das Homologon der übrigen Tasterglieder der 4. Gliedmafse, also der Gesamtheit des ver- schmolzenen Exo- und Endopoditen ist.

Es zeigt sich somit, dafs die Oberkiefer der beiden Abteilungen der Dekapoden und Isopoden durchaus gleich gebildet sind; im Grunde ist dies auch bei der 2. Glied- mafse der Fall, doch findet sich nie ein Taster. Bei der 3. Gliedmafse entsprechen die beiden Laden der Dekapoden den beiden inneren Laden der Isopoden; der Taster ent- spricht der sog. Aufsenlade; ein Epipodit ist nie vorhanden. Die 4. Gliedmasse beider Abteilungen weicht in dcr Ladenbildung etwas auseinander; auch entspricht die Ver- schmelzung vom Exopodit und Endopodit zu einem Taster nicht dem Durchschnitte; doch haben wir gesehen, dafs dies bei Crangoniden auch an der 4. Gliedmafse statthaben kann. Die Epipoditen-Bildung ist bei beiden Abteilungen eine entsprechende.

Die Uropoden der Isopoden.

Um zu einer richtigen Auffassung von den Verhältnissen der Uropoden zu kommen, betrachte man diejenigen von Limnoria von der Bauchseite. Bei dieser Gattung ähneln die Uropoden den Beinen des gewöhnlichen Typus mehr denn bei irgend einer anderen Isopoden-Gattung. Zunächst findet sich ein kräftiges, nach Art eines Hüftgliedes gebildetes ı. Glied, welches zwar festgewachsen, aber in allen seinen Begrenzungen aufs deutlichste zu erkennen ist, daran schliefst sich ein langes, annähernd cylindrisches 2. Glied, von dem die beiden kurzen Spaltäste entspringen. Es ist somit aufs deutlichste zu er- kennen, dafs die Uropoden Spaltbeine mit zweigliedrigem Stamme sind und sich dem Habitus der Thorakalbeine in ihren Grundgliedern nähern können. Wegen dieses letzteren Grundes habe ich die Gliedmafse von Limnoria zuerst betrachtet. Sieht man vom Habitus ab, so finden sich annähernd typische Uropoden auch bei den Porcellioniden. Hier ist das Grundglied noch völlig frei, jedoch mit dem zweiten völlig verwachsen. An der distalen Spitze des letzteren finden sich die beiden Spaltaste. Von diesen tritt der innere in wenigen Fällen als ein kleines rudimentäres Plättchen auf, während er in den meisten Fällen völlig unterdrückt ist. (Es ist das Verhältnis hier also umgekehrt wie bei den Sphaeromiden, wo, wenn ein Ast ausfällt, es der äufsere ist.) Vom 1. Gliede

8 Dr. GEORG PFEFFER, Dekapoden und Isopoden.

des Uropoden der Porcellioniden geht nach der Mittellinie des Tieres zu ein Fortsatz aus, derart, dafs sich der jederseitige mit dem der andern Seite in der Mittellinie in einer Kante berührt. Nahe der Mittellinie trägt jeder dieser Aste ein bewegliches, in seinem Habitus sich durchaus an ein Spaltblättchen eines Uropoden anschliefsendes, längliches Plättchen. Dies Plättchen hielt man früher für den Innenast der Uropoden, indem man das aus dem ı. und 2. Stammgliede verschmolzene Basalstück fälschlicher- weise mit dem sonst auftretenden eingliedrigen (jedoch dem 2. Gliede entsprechenden) Basalgliede anderer Isopoden verglich, von dem in der That zwei Spaltast-artige Gebilde entspringen, nämlich der wirkliche Aufsenast und das weiter zu diskutierende Gebilde. Dafs dies aber nicht der Innenast ist, geht aus der gelegentlichen Beobachtung des wirklichen, dicht neben dem Aufsenast gelegenen Innenastes hervor. Halten wir uns an die allereinfachste schematische Erklärung des von dem inneren Fortsatze des Basal- gliedes der Uropoden entspringenden Plättchens, so müssen wir es als einen Epipoditen ansprechen, vielleicht ist auch der Fortsatz der Grundglieder schon als Epipodialbildung aufzufassen. Bei Chelonidium ist das Basalglied der Uropoden auf ähnliche Weise fest- gewachsen wie bei den Sphaeromiden; die Fortsätze der Grundglieder richten sich aber stark nach hinten, so dafs sie erst Aznter dem Telson zusammen stofsen. Die Epipoditen sitzen als je eine grofse, viereckige, durch Naht halbfest mit dem Grundgliede verbundene Platte auf. Bei den Aselliden und Munniden wendet sich der Fortsatz des Basalgliedes nach hinten, dem Aufsenkontur des Telsons folgend, jedoch immer auf der Bauchseite desselben bleibend; am Ende des Schwanzschildes stofsen die beiderseitigen Fortsätze stets in einer mehr weniger deutlichen oder verwachsenen, aber fast stets deutlich wahr- nehmbaren Längsnaht zusammen. Die Epipoditen sind völlig verschwunden, jedoch in gewissen Fällen (Notasellus) als Höcker an der ihnen zukommenden Stelle wahrzunehmen. Auf diese Weise erklärt sich leicht die Afterbildung bei den mit oder ohne festgewachsene Fortsätze des Basalgliedes versehenen Gattungen, insofern bei den letzteren der After frei an der Bauchfläche mündet, bei der ersteren dagegen da, wo das Telson von den Fort- sätzen umschlossen wird, also in einem scheinbar rings vom Schwanzschilde umgebenen Loch. Bei Sphaeromiden sind die Verhältnisse nunmehr leicht zu verstehen.

Die Pleopoden der Isopoden.

Es würde wunder nehmen, wenn die oben als die allermeist typischen geschil- derten Uropoden von Limnoria keine Epipodial-Bildungen besäfsen. Es sind in der That solche vorhanden, doch zeigen sie eine völlig andere Ausbildung, als die vorhin be- schriebenen Fälle. Präpariert man nämlich die Pleopoden einer Limnoria antarctica ab, ‘so ist man nicht wenig erstaunt, nachdem man die üblichen fünf Paare hinweg genommen hat, noch auf ein sechstes Paar zu stofsen, welches, zum sechsten Segment des Nachleibes gehörend, mit dem Grundgliede der Uropoden innig verbunden ist. Die beiderseitigen Basalglieder dieses 6. Pleopodenpaares sind zu einem einzigen, über die ganze Quere des Nachleibes reichenden Gliede verbunden. Das jederseits entspringende Plattenpaar ist

Dr. GEORG PFEFFER, Dekapoden und Isopoden. 9

seitlich verschmolzen, so dafs jederseits nur eine einzige, etwa dreieckige, mit der Spitze nach hinten gerichtete Platte vorhanden ist. Diese ist am Innenrande frei, am äufseren Seitenrande dagegen am Grundgliede der Uropoden festgewachsen. Die Trennung der beiden Elemente jeder Platte ist jedoch an den Muskelzügen und, gleichwie auch an den andern Pleopodenpaaren, am Verlauf der Muskeln des Grundgliedes aufs deutlichste zu bemerken. (Ich brauche wohl kaum zu bemerken, dafs eine Verwechselung mit den aufserdem noch vorhandenen, zum Telson gehörigen Analplatten nicht vorliegt.)

Ist somit an der prinzipiellen Übereinstimmung dieser zum 6. Nachleibs-Segment gehörigen Platten mit den Pleopoden nicht gut zu zweifeln, während sie andererseits sich mit absoluter Sicherheit als Epipodialbildungen der Uropoden herausstellen, so ist es durchaus gegeben, die Pleopoden überhaupt als Epipodialbildungen aufzufassen. Man mufs dann annehmen, dafs die eigentlichen Gliedmafsen des Nachleibes bis auf die als Epimeren übrig gebliebenen Grundglieder eingegangen seien zu gunsten der als wimpernde Platten oder Kiemen übrig bleibenden Epipodite. Zur Stütze einer solchen Anschauung möchte ich noch anführen die ganz aufserordentliche Ähnlichkeit der postabdominalen Schwimmplatten der Isopoden mit den Epipodialbildungen an den Kaugliedmafsen der Dekapoden; ferner, dafs nunmehr die Kiemen der Isopoden nicht mehr aus dem bei höheren Krebsen üblichen Rahmen der Anschauung herausfallen, sondern nun, hier wie da, Epipodialbildungen sind.

Das Schwanzschild der Isopoden.

Das typische Schwanzschild der Isopoden besteht zum mindesten aus zwei ver- schmolzenen Segmenten, nämlich dem 6. Nachleibsringe und dem Telson. So findet es sich bei den Porcellioniden. Bei allen andern mir aus eigener Anschauung bekannten Familien verändert sich die Sachlage, erstens indem mehr Segmente in der "Bildung des Schwanzschildes eintreten, zweitens indem Gliedmafsenteile mit demselben ständig ver- wachsen. Über den ersten Fall will ich hier nicht sprechen, weil er nicht von prinzipieller Bedeutung ist; für die Auffassung des zweiten Falles betrachte man das Schwanzschild von Limnoria. In der Aufsicht erkennt man den plattenförmigen Hauptteil des Schildes und eine ihn vorn und seitlich umrandende Zone. Die vordere Zone erklärt sich von selbst als 6. Segment, die seitlichen Teile sind, wie man aus der Betrachtung der Ventral- fläche der Uropoden erkennt, die festgewachsenen Grundglieder der letzteren. Dafs diese Anschauung auch auf die andern Isopoden anzuwenden ist, kann man schon daraus schliessen, dafs die Spaltäste der Uropoden immer von dem einzigen, scheinbaren Grund- gliede der Gliedmafse entspringen. Da aber Spaltäste stets vom 2. Gliede entspringen, so mufs das I. entweder mit dem 2., wie bei Porcellioniden, oder mit dem Schwanz- schilde, wie bei Limnoria, verwachsen sein. Aus der Betrachtung der sicher gestellten Fälle von Limnoria und Chelonidium geht nun hervor, dafs die bei fast allen Isopoden sich vorfindende Ecke des Schwanzschildes, von der aus das scheinbare Basalglied der Uropoden entspringt, die (epimeriale) Ecke des wirklichen ı. Gliedes der Uropoden ist.

2

10 Dr. GEORG PFEFFER, Dekapoden und Isopoden,

Wie weiter oben bei Gelegenheit der Besprechung der Schwanzfüfse auseinander gesetzt ist, treten auch die Fortsätze der Grundglieder der Uropoden und deren Epipodite mit in die Bildung des Schwanzschildes ein und zwar zur Herstellung eines ventralen Randsaumes. (Desgleichen ist auch oben die Afterbildung je nach der Ausbildung eines solchen Saumes besprochen). Es sind somit fünf Elemente, welche zur Bildung des Schwanzschildes beitragen können, nämlich ı) das 6. Segment, 2) das Grundglied der Uropoden, 3) ein nach innen und hinten gerichteter Fortsatz des Grundgliedes, 4) der Epipodit der Uro- poden, 5) das Schlufssegment (Telson).

Zur Kenntnis

des Ovariums der Aalmutter

(Zoarces viviparus Cuv.) mit IV Tafeln

von

Dr. Franz Stuhlmann

Assistent am zoologisch-zootomischen Institut

der Universität Würzburg.

a

Zur Kenntnis des Ovariums der Aalmutter (Zoarces viviparus Cuv.)

Von

Dr. Franz Stuhlmann.

Bei einem mehrmonatlichen Aufenthalt in Kiel, wo ich mit der gütigen Erlaubnis von Herrn Prof. Moebius am dortigen zoologischen Institut arbeitete, machte ich es mir besonders zur Aufgabe, die Struktur des Ovarium der Aalmutter und seine Funktion zu studieren. Die Resultate dieser Untersuchung lege ich jetzt schon vor, obgleich ich mir sehr wohl bewufst bin, dafs noch verschiedene wichtige Punkte der nälieren Auf- Klärung bedürftig sind. Ich entschlofs mich jedoch zur Veröffentlichung meiner Beob- achtungen, . weil ich für die nächste Zeit nicht mehr längeren Aufenthalt an der Ostsee nehmen kann, dann aber auch, weil die Gelegenheitsursache dieser Publikation keinen Aufschub erduldete.

Nachdem im Jahre 1624 der hamburger praktische Arzt Schoenevelde in seiner ‚Ichthyologia« die Aalguappe, »lalraupe oder Aalmutter, von ihm Mustela vivipera be- nannt, zum ersten Mal beschrieben und über ihre Eigenschaft, lebendige Junge zur Welt zu bringen, berichtet hatte, wurde durch fast zwei Jahrhunderte hindurch die Kenntnis von diesem merkwürdigen Tier kaum gefördert. Die ältere Litteratur bringt uns wenig oder keine neuen Beobachtungen, sodafs ich dieselbe übergehen kann. Auch Zoch in seiner »ökonomischen Naturgeschichte der Fische« und ebensowenig Cxuzzer und Valen- ciennes (Histoire naturelle des poissons Bd. XI) reproduzieren im wesentlichen die Angaben von Schoenevelde und haben keine selbständigen Beobachtungen angestellt.

Die erste ausführlichere Arbeit über das Ovarıum und die Entwickelung des :Schleimfisches« (Blennius viviparus) ist die im Jahre 1819 erschienene Kieler Dissertation von 7h. Forchhammer, ) welcher mit grofser Sorgfalt diesen Fisch das ganze Jahr hin-

1) Th. Forchhammer. Ve blennit vivipari formatione ct evolutione observationes Diss, Kiliae 1819.

A F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

durch beobachtete. Die für die damalige Zeit ganz vorzügliche Arbeit bringt uns neben vielen wertvollen Angaben über die Entwickelung unseres Tieres auch manche Notizen über das Ovarium.

Einige Jahre später (1824) veröffentlichte Ratke ') seine grofse Arbeit über die Geschlechtsorgane der Fische, in der auch das Ovarium des Schleimfisches gründliche Berücksichtigung findet. Leider gibt er weiter keine Abbildungen als die von drei Zotten. Eine noch bedeutend ausführlichere Schilderung der Geschlechtsorgane und der Entwickelung unseres Fisches entwirft Ratke *) in seiner »Bildungs- und Entwickelungs- geschichte des Blennius viviparus oder des Schleimfisches:, ein Werk, welches man mit Recht als eine embryologische Monographie bezeichnen kann. Mit einem ganz erstaun- lichen Fleifse untersuchte Rathke die Entwickelung sämtlicher Organe dieses Fisches und ebenso, wenn auch mehr nebenbei, die Struktur des Ovariums, soweit es mit den damaligen Hilfsmitteln überhaupt ausführbar war. Fünf Tafeln illustrieren das prächtige Werk. Seit dem Erscheinen der Rathke’schen Monographie finden sich aufser einigen kurzen, in Lehrbüchern etc. zerstreuten Bemerkungen, welche jedoch wenig oder gar nichts neues bringen, während mehr als fünf Dezennien keine neue Untersuchungen dieses so interessanten Fisches. Erst 1885 bringt Jr /ntosh?) cine ganz kurze Schilderung des trächtigen Ovariums und fügt derselben einige Abbildungen bei.

Die Aalmutter, auch Aalguappe genannt, kommt in Kiel fast täglich in mehr oder weniger grofser Anzahl auf den Fischmarkt, so dafs die Beschaffung des Materials eine sehr leichte war; leider hatte ich in den Monaten Dezember bis Anfang März nur Exemplare mit reifen Embryonen, solche die eben abgelegt hatten oder junge Tiere des vorigen Jahrganges, welche noch nicht trächtig waren, zur Verfügung.

Alle Embryonen waren nahezu ım selben Stadium der Ausbildung ihrer Ge- schlechtsteile und auch die Ovarien der Muttertiere, mit Einschlufs der jungfräulichen I:xemplare zeigten denselben Entwickelungszustand der [ier für die kommende Generation.

Die Ovarien wurden herauspräpariert und meistenteils in eine kalte, konzentrierte Lösung von Sublimat gebracht. Um dieselben manchmal expandiert zu erhalten, fixierte ich sie mit den darin enthaltenen Embryonen, in andern Fällen schnitt ich sie vorher auf und entfernte vor der Konservierung die jungen Tiere daraus. Für viele Zwecke leistete mir auch die Flemming’sche Lösung vortreffliche Dienste. Die Embryonen wurden ent- weder in toto oder nach Eröffnung der Leibeshohle in Sublimat oder Chrom-Essig-Osmium- säure gebracht. Zur Färbung der auf die gewöhnliche Weise angefertigten Schnitte

D Ad Rathke. Beiträge zur Geschichte der Tierwelt. II. Darınkanal und Zeugungsorgane der Fische. in: Neueste Schriften der naturforschenden Gesellschaft zu Danzig I. 3. Halle 1824.

?) MH. Rathke. Abhandlungen zur Bildungs- und Entwickelungsgeschichte des Menschen und der Tiere If. Leipzig 1833. 1. Abth.: Bildungs- und Entwickelungsgeschichte des Sennius viviparus oder des Schleim- fisches, 61 pg. 5 Tfi.

3) Ae. Intosh. Notes from St. Andrews marine laboratory. II. On the spawning of certain marine fishes. in: Annals and Magazine of nat. hist. 5. ser. vol, 15. No. 90 p. 429. June 1885.

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 5

diente mir Borax-Carmin, Kleinenberg’sches oder Flemming’sches Haematoxylin, Saffranin und endlich die Doppelfärbung mit Ranvier's Picrocarmin und Haematoxylin, die auch hier wie bei andern Ovarien die Keimbläschen der jüngsten Eier schön rot färbt, wäh- rend beinahe alle übrigen Gewebskerne violet oder blau werden. Zum Studium der Gefafse wurden dieselben von der Aorta, oder von der arteria, resp. vena mesenterica aus mit roter und blauer Leimmasse injiziert. Um die Blutzirkulation im Leben zu beobachten, brachte ich den Tieren ca. 2—3 Pravaz’sche Spritzen einer etwa 5°/oigen Curarelösung in die Rückenmuskulatur und in die Bauchhöhle, wodurch dieselben in kur- zer Zeit narkotisiert wurden, sodafs ich das Ovarium unter dem Mikroskop ausgebreitet längere Zeit beobachten konnte.

Es sei mir gestattet, an dieser Stelle Herrn Prof. Moebtus, dem derzeitigen Di- rektor des Kieler zoologischen Instituts, für die Liebenswürdigkeit, mit welcher er allen meinen Wünschen zuvorkam, bestens zu danken. Ebenso bin ich auch den Herren Pro- fessoren Flemming und Hensen sehr verpflichtet für ihre freundlichen Ratschläge.

Ich beabsichtige, zuerst die äufsere Form des Ovariums und seine Entwickelung zu schildern, um dann auf den feineren Bau des Eierstocks, im besonderen auf die Ent- stehung der Eier einzugehen. Zum Schlufs möchte ich noch einige physiologische Fragen, so z. B. die Ernährung der Embryos in der Mutter, so weit es mir möglich ist, be- handeln.

I. Vergleichend-Anatomischer Teil.

Die jüngsten Zoarces-Embryonen, die mir zu Gebote standen, waren aus den letzten Monaten des Foetallebens. Ich untersuchte Exemplare, die am 16. November dem miitterlichen Tiere entnommen waren (Lange 3,4—3,8 mm), sowie solche aus den folgenden Monaten bis Ende Februar, wo schon die meisten Weibchen ihre Jungen ge- worfen hatten. (Länge bis zu 5,1 mm, ausnahmsweise einige Exemplare bis zu 5,8 mm). An dem Bau und Lageverhaltnis des Ovariums sowie an seiner Struktur ist während dieser ganzen Zeit keine nennenswerte Veränderung zu bemerken, vielleicht mit Aus- nahme einer ganz geringen Gröfsenzunahme desselben.

Wenn man die Bauchhöhle dieser jungen Tiere eröffnet und den Darm zur Seite legt, so sieht man an der Rückseite der Peritonealhöhle, entlang der Wirbelsäule, einen schmalen, länglichen Sack von ca. 2,2—2,4 mm Länge, der an beiden Seiten blind ge- schlossen ist das unpaare Ovarium. Dasselbe liegt ein klein wenig aufserhalb der Median- ebene des Tieres, nach rechts verschoben, an seiner Hinterseite ist es durch ein Mesoarium der Niere, resp. dem mit schönen schwarzen Pigmentzellen versehenen Peritoneum ange- heftet. Ventralwärts setzt sich an den Eierstock das Mesenterium an, welches bei unsern Tieren verhältnissmäfsig wenig entwickelt ist. Wenn man den Namen Mesoarium für den Aufhängeapparat des Ovariums an die Leibeswand vermeiden will, so kann man sagen,

6 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

dafs das Ovarium zm Mesenterium gelegen ist; bei mikroskopischer Untersuchung zeigt sich nämlich, dafs das Bauchfell jederseits direkt in das Mesenterium übergeht und das Ovarium nun zwischen die beiden Lamellen des letzteren eingeschlossen ist. Oberhalb und unterhalb des Ovars setzt sich das Mesenterium längs der Wirbelsäule weiter fort. Von einem Ausführungsgang des Eierstocks ist in diesem Stadium nicht das Geringste zu bemerken. Analwärts von dem Ovarium finden wir die bei foetalen Individuen ziemlich kleine Harnblase, in deren dorsale Wand zwei sehr kurze Ureteren einmünden. Aus der Harnblase tritt am Grunde ein feiner, unparer Harnleiter heraus, um hinter dem After an der Stelle des späteren Porus urogenitalis zu münden. Die Harnblase ist mit ihrem Fundus ebenso wie der Eierstock ein wenig rechts gelagert, sodafs ihre äufserste Spitze sich noch etwas lateralwärts vom unteren Ende des Ovariums befindet. Bisweilen reicht die Harnblase nicht bis an das Ovar hinan, bisweilen aber geht ihre Spitze noch ein wenig über das Unterende desselben hinaus. Fig. ı zeigt die oben geschilderte Lage des Ovariums nach Entfernung der Baucheingeweide.

Unter den sonstigen Eingeweiden ‚der Bauchhöhle zieht der Darm unsere Auf- merksamkeit besonders auf sich. Fig. 2 und 3 geben ein Bild desselben in etwas mehr als natürlicher Gröfse, erstere den intakten Situs nach Entfernung der Bauchdecken; in letzterer ist der Darm zur Seite geschlagen.

Der Tractus intestinalis tritt aus der Leber //) heraus, wendet sich nach einer kaum merklichen Magen-Erweiterung nach rechts, steigt eine Strecke abwärts, um sich dann umkehrend nach links aufwärts zu wenden und in den enorm entwickelten, birnen- förmigen Enddarm (ed) zu münden. (Fig. 2 u. 3.)

An dem Enddarm, der einen sehr grofsen Teil der Leibeshöhle einnimmt, sieht man helle Streifen durchschimmern, die sich beim Öffnen desselben als Ansatzpunkte grofser, radiar angeordneter Lamellen herausstellen. Der Enddarm mündet mit dem After dicht vor dem Porus »urogenitalis« nach aufsen. Ratke hat uns in seiner grofsen Monographie die Eingeweide sehr genau geschildert; ich glaubte jedoch des besseren Verständnisses wegen seine Schilderungen in kurzen Zügen wiederholen zu müssen.

Wenn man die foetalen Baucheingeweide nun auf Schnitten untersucht, so sieht man die oben geschilderten Verhältnisse noch deutlicher hervortreten. Fig. 4, welche nach einem Querschnitt durch die Mitte des Abdomens entworfen ist, zeigt uns ventral vom Riickenmark /Med) die Chorda (Ch) und die Aorta descendens (Ao). Die Vena renalis (lex) liegt im Innern der Niere /.\) und ist ziemlich stark aus der Medianebene heraus nach rechts gedrängt. An die Nicre setzt sich mittels des Mesoariums das eben- falls rechts gelegene Ovarium (Ov) an, an dem wiederum der äufserst voluminöse End- darm (fd) hängt, der das ganze Abdomen ballonartig auftreibt. Weiter nach hinten gehend, sieht man das Ovarium blind endigen und gleich darauf die Harnblase an- fangen. Der Schnitt Fig. 5 zeigt uns die Mündung der beiden, äufserst kurzen Ureteren (U) in die Harnblase (H/6/), die Vene (Ven) ist zum gröfsten Teil aus der Substanz der Niere herausgetreten, der Enddarm hat bedeutend an Durchmesser abgenommen. Fig. 6 endlich stellt einen Querschnitt durch das Tier an dem hinteren Rand des Afters (A) dar.

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 7

Es ist gerade noch der Grund der Harnblase (//6/) getroffen, aus der der Ureter (Urt) ventralwärts heraustritt.

In Fig. 7 habe ich de Bauchorgane, wie man sie in ihrer Lage durch Rekon- struktion aus einer Schnittserie erhält, in halbschematischer Weise wiedergegeben. Nach dem oben Geschilderten wird die Figur ohne Schwierigkeit verständlich sein. Der Ureter trat bei dem untersuchten Exemplar genau in Höhe des hinteren Afterrandes aus der Harnblase, die auf dem nächsten Schnitte endigte, heraus, die Niere reichte noch ca. O,I1 mm weiter nach hinten, Bei älteren, besonders bei erwachsenen Individuen erstreckt sie sich, wie ich gleich im voraus bemerken will, bedeutend weiter in den Schwanzteil hinein. Die Mündung der Harnröhre auf einer kleinen Papille befand sich ungefähr 0,22—0,24 mm hinter dem hinteren Afterrand.

Auf Querschnitten sehen wir nun auch, dafs die Befestigung des Ovariums an die Niere direkt durch die Fortsetzung des Peritonealepithels erfolgt. Das sogenannte Mesoarium ist gewöhnlich in seine beiden Blätter gespalten, die sogar bisweilen ziemlich weit von einander abstehen (Fig. 8 mesov.) Die beiden Blätter umschliefsen als Peri- tonealüberzug (p) das Ovarium, um sich ventral zum Mesenterium zu vereinigen. /mes.)

Ich beobachtete die jungen Tiere noch 2—3 Wochen nach der Geburt, ohne einen nennenswerten Fortschritt in der Ausbildung des Ovarıums zu bemerken. Höchstens war es am Schlufs dieser Zeit etwas in die Länge gewachsen. Die Harnblase hatte be- deutend an Umfang und Länge gewonnen (Fig. 9), was wohl vom Zustande ihrer Fül- lung abhängen mag. Der Enddarm war im Verhältnis zu seinem Durchmesser bei Em- bryonen bedeutend dünner geworden.

Wenn man ein Ovarium nach dem Herauspräparieren von der Fläche betrachtet, so sieht man, dafs die jungen Eier in ihm auf unregelmäfsigen Längsfalten ihren Ursprung nehmen, zwischen denen keine Eier entstehen. Es ist dies besonders bemerkenswert, weil nach Brock") und Rathke?) das Ovarium von Zoarces zusammen mit dem der Lopho- branchier vereinzelt darstellen soll, indem die Eier hier in unregelmäfsigen Protuberanzen sich bilden sollen. Bei erwachsenen Individuen ist dies nun auch der Fall, bei jungen aber zeigt sich die Annäherung an die nahen Verwandten (Blennius), wo nach Rathke 3 die Eier in Lamellen ihren Ursprung nehmen. Fig. 10 veranschaulicht uns dies Verhal- ten an dem optischen Längsschnitt eines Ovariums. Die Entstehung der Eier auf La- mellen ward von Rathke in seiner Monographie der Zoarces-Entwickelung (pag. 56) ganz richtig beschrieben, jedoch nutzte er die Beobachtung nicht weiter aus; dieselbe scheint Brock entgangen zu sein.

Leider standen mir keine Tiere in den folgenden Stadien zu Gebote, um beob-

1) Brock, Beiträge zur Anatomie und Histologie der Geschlechtsorgane der Knochenfische. in Morphol. Jahrb. IV. 1878. p. 541.

*) Rathke, Beitr. zur Geschichte der Tierwelt II. 1824. 3) Rathke, Zur Anatomie der Fische. in Miiller’s Archiv 1836. Bei den Blennius-Arten des schwarzen Meeres (Bl. sanguinolentus und BI. lepidus) sind die Ovarien paarig und die Eier auf Langslamellen angeordnet.

8 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

achten zu können, auf welche Weise nun die Kommunikation des Ovariums mit der Aufsenwelt zu stande kommt. Bei 10 cm langen Individuen, wahrscheinlich vom Anfang des August, war schon ein Ausführungsgang vorhanden. Leider war das Material zu schlecht konserviert, um zu späteren genauen Beobachtungen dienen zu können. Nur so- viel konnte ich konstatieren, dafs die Wandung des Ovarıums unmittelbar übergeht in einen breiten, dorsoventral zusammengedrückten Gang, dessen innere Wandung ein hohes Cylinderepithel trägt. Dies letztere schien die direkte Fortsetzung des inneren Ovarien- epithels (s. unten) zu sein. Leider konnte ich auch nicht einmal genau feststellen, ob und wie dieser Gang nach aufsen mündet. Die Eier sind noch wie beim Foetus auf den unregelmäfsigen Längsfalten angeordnet. Der Enddarm ist schon auf sein gewöhnliches Mats zurückgegangen, die Langslamellen in ihm bleiben aber bestechen.

Bei bedeutend gröfseren Exemplaren von 18—20 cm, die noch nicht geboren hatten, ist das Ovarium ein etwas rechts von der Medianebene gelegener Sack von 2!/s —3 cm Länge, an den sich ein etwa */1—1 cm langer, hautiger Ausführungsgang an- schliefst. Dieser liegt stets links von der Harnblase, deren unparer Ureter dicht vor der Mündung des »Oviducts« nach aufsen in dessen dorsale Wandung hineintritt. Fig. 11 stellt einen solchen Eierstock in natürlicher Gröfse dar, der an sciner Ventralseite der Länge nach aufgeschlitzt ist.

Wir sehen, dafs noch eine schwache Andeutung der reihenweisen Anordnung der Eier vorhanden ist, doch treten hier schon mehr die Protuberanzen, in denen je ein Ei sich befindet, in den Vordergrund gegenüber den gewissermafsen auseinandergezogenen Längsfalten. Der Ausführungsgang, der etwas kraftigere Wandungen als das eigentliche Ovarium zeigt, trägt an seiner Innenseite sehr feine Langsfalten; er nimmt dorsal (be Uret) den Ureter aus der Harnblase (Z72/) auf. Während also beim Foetus der Ureter fur sich ausmündete, hat der neuentstandene Oviduct diesen nun in sich aufgenommen.

In Fig. ı2 ist in halbschematischer Weise der Urogenitalapparat rekonstruiert, wie er sich bei diesen nulliparen Tieren darstellt. Nach dem Vorangegangenen wird die Figur ohne besondere Erläuterungen verständlich sein.

Bei den erwachsenen, trächtigen Individuen, die eine Länge bis zu 40 cm er- reichen, ist das Ovarium durch die in demselben enthaltenen Jungen zu einer aufseror- dentlichen Gröfse ausgedehnt, ich habe solche bis zu zu, cm Länge und Au, cm Breite gefunden. Es ist ein den gröfsten Teil der Bauchhöhle ausfüllender Sack mit ziemlich dünnen Wänden, durch die die Eianlagen, sowie die jungen Tiere hindyrchschimmern. Durch das Ovarıum sind die anderen Baucheingeweide ganz nach vorne gedrängt, nur den Enddarm resp. ein Stück des Dünndarmes findet man an seiner ventralen Wandung liegen. Der Ausführungsgang des Ovariums ist kaum noch zu erkennen, man trifft die Eianlagen, sowie die weiter unten zu besprechenden Zotten bis ganz dicht vor der Mün- dung desselben an.

Fig. 13 zeigt die Baucheingeweide eines grofsen, trächtigen Zoarces-Weibchens in ?/s natürlicher Gröfse. Wir sehen, dafs das Ovarium (Ov) mittels des Mesoariums (Mesov) an der Niere befestigt ist, an seiner ventralen Seite ist der Darm durch das

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter, 9

Mesenterium (mes) aufgehängt. Der vom Dünndarm (711 stets scharf abgesetzte und durch seine Längslamellen ausgezeichnete Enddarm (/d) ist viel enger mit dem Ovarium ver- bunden als ersterer, ja bisweilen scheint das Mesenterium hier fast ganz zu fehlen und beide nahezu verwachsen zu scin. Die Verbindung der Ausführungsgänge des Ovariums (Ov) und der rechts von diesem gelegenen Harnblase (Urt) ist ebenso wie bei den nulliparen Individuen. !) Zur Zeit der höchsten Schwangerschaft (Januar, Februar) liegen der After (A), sowie der in einem Querschlitz gelegene Porus urogenitalis (P. u. g) auf einer Erhöhung, die noch bedeutend über den enorm angeschwollenen Bauch hervorragt (Fig. 14.) Dieselbe scheint mir durch den grofsen Druck der Eingeweide verursacht zu sein. Das Ovarium ist ungemein stark durchblutet. (Fig. 13). Von der dorsalen Seite empfängt es eine ganze Reihe von Arterien. die unmittelbar aus der Aorta descendens stammen, und ventral wird es fast noch reichlicher von der sehr starken Arteria mesenterica (Art. mes) versorgt, welche in der Höhe der Leber aus der Aorta entspringt. Der Abflufs des venösen Blutes findet ganz analog dorsal- wie ventralwärts statt, und zwar entspricht annähernd (nicht ganz genau) jedem arteriellen Ästchen ein venöses. Die dorsalen Venen ergiefsen sich in die vena renalis, die ventralen vereinigen sich mit den aus dem Darm kommenden Zweigen zusammen zur Vena mesenterica, die dann bald in die Leber tritt. Die Zahl der einzelnen Ästchen ist ziemlichen individuellen Schwankungen unterworfen. ?)

Nach der Geburt der Jungen kontrahiert sich das Ovarium beträchtlich, wobei seine Wandungen bedeutend an Dicke zunehmen.

Es handelt sich nun darum, zu entscheiden, ob das Ovarium aus zwei paarigen zu einem einzigen verschmolzen ist, oder ob das linke verschwunden und nur das rechte ausgebildet ist. Ich glaube, dafs die erstere Deutung die richtige ist. Für diese Ansicht sprechen mehrere Gründe:

Erstens findet man selbst in den jüngsten von mir untersuchten Exemplaren nie- mals auch nur die geringste Spur von der Anlage eines linken Ovariums. Zweitens deutet seine Lage, zwischen den beiden Blättern des Mesenteriums eingeschlossen, welches wieder der Länge nach an dem Darm inseriert ist, darauf hin, dafs man es mit einem, beiden Körperhälften in gleicher Weise angehörigen Organ zu thun hat. Wenn man die Figuren 4 und 8 ansieht, so liegt der Gedanke sehr nahe, die rechtsseitige Lage des Ovars mit der enormen Ausbildung des Enddarmes in Verbindung zu bringen. Wie diese sich aber beeinflufst haben, vermag ich nicht zu entscheiden. Vielleicht ist das Ovar nach der Seite ausgewichen, wo der Enddarm durch die Dünndarmschlinge (cf. Fig. 2 u. 7) im vorderen Teil etwas von der Bauchwand fortgedrängt wird. Drittens, und dies ist wohl der schwerwiegendste Grund, liegen die Hoden, sowohl beim jungen wie beim er- wachsenen Männchen, genau an derselben Stelle wie die Ovarien des Weibchens zu

1) In der Zeichnung Fig. 13 sind die Bauchdecken um den After herum durchscheinend gedacht, sodafs man den Ausführungsgang des Ovariums und den Ureter sicht.

*) Rathke, Beitr. zur Gesch. der Tierwelt II. 1824 schildert das Venensystem ganz ähnlich. Ebenso sollen nach ihm die Verhältnisse bei Arerina und Ammodytes sein,

Io F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

beiden Seiten des Mesenteriums als zwei lange dünne Stränge, deren jeder von dem be- treffenden Blatt des Mesenteriums überzogen ist. Figur 15 zeigt einen Querschnitt durch die Hoden eines Foetus, an dem man ganz klar die dem Ovarıum homologe Lage er- kennen kann.

Zu allem kommt Vrerfens noch, dafs die Vene in der Niere auch stets ganz nach rechts verschoben ist, so dafs an ihrer linken Scite viel mehr Nierensubstanz liegt, als an der rechten (Fig. A Dies Verhältnis hört auf, sobald man in eine Höhe kommt, wo der enorme Durchmesser des IEinddarmes sich bedeutend reduziert hat. (Fig. 5 u. 6.)

Ich glaube, dafs man aus diesen Gründen mit grofser Wahrscheinlichkeit an- nehmen kann, dafs das Ovarium aus swei ursprünglich paarisen Organen entstanden ist. Ob dieses aber nur phyletisch geschehen ist, oder ob es sich bei der Iintwickelung noch paarig anlegt, vermag ich nicht zu sagen.

Auch Rathke 1 ist der Meinung, dafs das Ovarium von Zoarces beiden Körper- hälften angehöre. Er beschreibt den Hoden ebenfalls als unpaares Organ, weil die beiderseitigen Hälften desselben sich gegen einander abplatteten und in ihrem unteren Ab- schnitt das einfache Vus deferens zwischen sich aufnehmen. Ich glaube nicht, dafs man die Hoden deshalb als unpaar bezeichnen kann. Ich finde, dafs sie zwei ihrer ganzen Länge nach getrennte Körper sind und mufs sie deshalb auch für paarig erklären.

Die Frage nach der Morphologie des Ausführungsganges der Teleostier-Ovarien vermag ich leider nicht zu entscheiden. Nach den einfachen histiologischen Befunden möchte ich den »Oviduct« für die direkte Fortsetzung des Ovariums nach hinten halten. Fig. 16 zeigt uns einen Schnitt durch die Ubergangsstelle der Ovarialwan- dung in die Wand des Ausführungsganges. Wir sehen, dafs alle Schichten des Ova- riums, besonders aber das Keimepithel und das Epithel der Follikel sich unmittelbar in das Epithel des Oviducts fortsetzen.) Wenn wirklich eine separat entstehende Tube, wie auch Nussbaum?) dies für wahrscheinlich hält, das distale Ende des Ovariums umfassen sollte (Waldeyer'sche Hypothese), so dürfte dort wohl kaum eine solche Anordnung der Schichten anzutreffen sein. In Ermangelung der allein Aus- schlag gebenden entwickelungsgeschichtlichen Daten wage ich jedoch nicht eine feste Meinung zu äufsern. Auch ZRathke*), Brock*), Mac Leod®) und mit ihnen Hreders-

IN Rathke, Beiträge zur Geschichte der Tierwelt II, Darmkanal und Zeugungsorgane der Fische in: Neueste Schriften der naturf. Ges. zu Danzig I 3. 1824. p. 123.

?) Das von Leydig (Histologie p. 116) entdeckte Flimmerepithel habe ich bei Zoarces nicht gefunden, aber auch nicht besonders darauf geachtet, Auf den Schnitten waren jedenfalls keine Flimmerhaare nachweisbar.

Y A. Nussbaum, Die Differeupierung des Geschlechts im Tierreich im Arch, f. mikr. Anatomie Bd. 18 pg. 67. 1880.

H Rathke, Zur Anatomie der Fische. Müller's Archiv. 1836. pg. 185.

°) Brock, Untersuchungen der Geschlechtsorgane einiger Muracnoiden, in Mitth, der zoolog. Station zu Neapel, Bd. II. 1881. pg. 485.

A Mac Leed, Rech. sur la struktur et la developpement de lappaaril reproducteur femelle des

Teleosteens in Arch. de Biologie T. II. 1881,

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. II

heim’) halten die Oviducte der Teleosticr nicht für Müller'sche Gänge. Rathke läfst sogar das Ovarium ganz allmählich nach hinten wachsen, bis es die Bauchdecke berührt und dann durchbricht.

Bei Zoarces erwähnt Ratke?) allerdings aus den letzten Wochen des Embryonal- lebens einen feinen Faden, der vom Ilinterende des Ovarıums ausgehend, später hohl werden und den Oviduct bilden soll. Ich habe denselben jedoch weder durch Präpara- tion noch auf Schnittserien nachweisen können und es ist sehr gut möglich, dafs Rathke das vom Darm losgelöste Mesenterium, durch das letzterer an der Harnblase hing, für den Ausführungsgang des Ovariums ansah.

II. Histiologischer Teil.

In der Ovarialwand der jüngsten, mir zu Gebote stehenden Embryonen (vom Dezember 1885)?) waren deutlich drei scharf geschiedene Schichten zu erkennen. In Figur 17 habe ich ein Stück eines Querschnittes durch ein solches abgebildet. (Konservierung mit Sublimat und Färbung mit Pikrocarmin und Haemotoxylin). Die Ovarien der Tiere von einer Mutter sind bisweilen nicht ganz auf der gleichen Entwickelungsstufe, was viel- leicht auf verschiedene Ernährung zurückzuführen sein mag; die Differenz ist jedoch nur ausserordentlich gering. Einem der am weitesten in der Entwickelung zurückgebliebenen Ovarien ist der Schnitt Fig. 17 entnommen.

Von aussen ist der Eierstock von einem Peritonealepithel (el umgeben, welches hier zufällig zahlreichere Kerne aufwies als es sonst der Fall ist. Dieser Peritoncalbezug geht, wie Fig. 8 zeigt, dorsal unmittelbar in das Mesoarium (mesov), ventral in das Mesen- terium über. Es folgt nach innen eine noch sehr wenig differenzierte Muskularis Gol, in der man auch einige wenige Gefässe cl bemerkt. Der grösste Teil derselben ist aus glatten Muskelfasern zusammengesetzt. Sie entspricht dem »Stroma« der Autoren. Von dieser scharf abgesetzt ist die dritte und innerste Schicht des Ovariums, das »Keimepithel« (%) Bei a sehen wir eine hohe Zellschicht mit länglichen Kernen, deren Zellgrenzen aller- dings nicht scharf hervortreten. Etwas weiter nach rechts, bei 4, haben nun einzelne dieser Kerne eine Umwandlung erlitten und sich mit einem distincten Zellkörper um- ‘geben. Wir haben in ihnen die »Ureier« vor uns. An dieselben haben sich einige Kerne ‘gelegt, welche den ersten Anfang des Follikelepithels, der :Granulosa« darstellen. Diese Follikelkerne scheinen mir mit den Kernen des Keimepithels (bei @) genetisch zusammenzu-

N Widersheim, Lehrbuch d. vergl. Anatomie 2. Aufl. 1881.

*) Aathke, Abhandl. zur Bildungs- u. Entw.-Gesch. der Menschen und der Tiere II. pag. 56.

3) Einige Mitte November konservierte Embryonen, die ich der Güte des Herrn Prof. .Woedius verdanke, zeigten ganz dasselbe Verhalten, wie ich cs bei den Exemplaren vom Dezember fand.

12 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

hängen; durch das Anschmiegen an die Eizelle sind sie ein wenig abgeplattet und deshalb auf dem Querschnitt etwas schmäler als die Kerne des Keimepithels (2. e. 5), Meiner Meinung nach hat sich ez Kern des Keimepithels zum likern herausgebildet, während die Nachbarkerne sich als Follikel an die werdende liselte legten. Ob nun, wie Nussbaum ') annimmt, eine Zelle des Keimepithels sich mehrfach teilt und aus einem der Teilpro- dukte die Kizelle, aus dem andern das Follikelepithel entsteht, oder ob die beiden Zell- arten direkt vom Keimepithel abstammen, scheint mir von nur untergeordneter Wichtig- keit zu sein, da ja doch jedenfalls bei der Bildung der Eizellen eine lebhafte Zellver- mehrung stattfinden muss. Was mich persönlich betrifft, so möchte ich viel cher mit Waldeyer?), Ludwig’), Semper’) und anderen die direkte Abkunft sowol der Eier als auch der Granulosa-Zellen vom Keimepithel annehmen. Auf keinen Fall habe ich jemals Bilder erhalten, die auch nur im lintferntesten auf eine Bildung der Granulosa aus Wander- Zellen schliessen liefsen, wie //rs*) dies für die Knochenfische angiebt. Die jüngsten entstehenden Ureier umgeben sich, wie weiter unten noch genauer gezcigt werden wird, mit einigen Follikelzellen, deren Herstammung auch bei alten Individuen vom Keimepithel mir unzweifelhaft zu sein scheint.

Bei etwas älteren Embryonen ist die Entstehung der Eier aus dem scharf be- grenzten Keimepithel nicht mehr so klar, besonders, weil sehr bald die Muskulosa mit feinen Ausläufern zwischen die Eianlagen hinein wuchert. Die Bildung neuer Eier ist hier auf bestimmte Territorien beschränkt. Wir haben diese schon weiter oben als Längslamellen kennen gelernt (Fig. 10). Zwischen diesen finden wir der Mucosa nur ziemlich niedriges Epithel aufgelagert, das nicht neue Eier aus sich hervorgehen lässt. In späteren Stadien sind die Keimstätten für die sich neu bildenden Eier noch mehr zerstreut.

In Figur 18—20 sind Stücke von Querschnitten der embryonalen Ovarien (Dec. 86) abgebildet. Die Tiere wurden mit Sublimat getötet und die Schnitte mit Pikrokarmin und Haematoxylin gefärbt. Bei dieser Behandlung sieht man die jüngsten Eikerne durch eine rötlich-violette Färbung vor den Kernen des Keim- und Follikelepithels sich aus- zeichnen, die ganz blau erscheinen. Dieses Verhalten der Sexualzellen, von den jüngsten Stadien an, habe ich früher auch schon für Arthropoden betont®) und seitdem noch für manche Tiere konstatieren können. Die Kerne des »Keimepithels«, welche ziemlich regellos zwischen den Ureiern zerstreut zu liegen scheinen, zeigen in ihrer homogenen, stark gefärbten Kerngrundsubstanz eine grössere Anzahl von kleinen Chromatinbröckchen,

D AL, Nussbaum, Die Entstehung des Geschlechtes im Tierreich. in Arch. f. mikr. Anatomie, Bd. 18. 1880.

2) Waldeyer, Eierstock und Ei. Leipz. 1870. pg. So

3) H. Ludwig, Über die Eibildung im Tierreich. in: Arb. aus dem zovlog.-zootom. Inst. Würzburg, Bd. I. 1874. | 4) Semper, Das Urogenitalsystem dnr Plagiostomen etc. in: Arb. aus dem zool,-zootom, Inst. Würzb. Bd. II. 1875.

5) W. His, Untersuchung über das Fi und die Eientwicklung bei Knochenfischen. Lpzg. 1878. D F. Stuhlmann, Die Reifung des Arthropodeneies etc. in: Bericht d. Naturf.-Ges. zu Freiburg i, B. Bd. I. 1886.

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 13

die an der Peripherie des Kernes dichter als im Innern gelagert sind. Im Zentrum kann man ohne Ausnahme eine bedeutend, gröfsere Chromatinmasse konstatieren, die bei der Genese des Eies eine besondere Rolle spielt (cf. Lig. 19—20, a). Wenn ein solcher Kern sich nun zu dem einer Eizelle umbildet, so vergröfsert sich sein Volumen bedeutend unter gleichzeitiger Zunahme der zentralen Chromatinmasse, welche vorerst noch an ihrer Stelle bleibt. Die kleinen peripheren Chromatinkörner scheinen sich offenbar nicht zu vermehren. Währenddessen konzentriert sich nun um den Kern herum Zellplasma und grenzt sich scharf gegen seine Umgebung ab (vergl. die Eier in Fig. 20 bei b). Sehr früh nun legen sich einzelne Kerne an die neu entstandene Eizelle an (/). Dieselben sind zumeist etwas kleiner als die Kerne des »Keimepithels« (æ), doch findet man zwischen diesen und den Follikelkernen (f) alle Übergänge. Ich glaube, dafs einerseits die Ver- kleinerung nur scheinbar ist, weil die Follikelkerne an der Eizelle sich abgeplattet haben (JD und so auf dem Schnitte von geringerem Durchmesser erscheinen, andererseits aber scheint mir gerade eine starke Vermehrung dieser Granulosakerne stattzufinden, bei der dieselben wahrscheinlich etwas an Volumen abnehmen. |

Indem nun die Eizelle weiter heranwächst, rückt der bis jetzt zentral gelegene nunmehr recht grofse und scharf begrenzte Nucleolus aus der Mitte der Kerne an die Wandung derselben (Fig. 18—20 ¢.). Schon jetzt oder etwas später nehmen die kleinen peripheren Chromatinkörnchen immer mehr an Zahl ab, sie scheinen sich aufzulösen, bis endlich sämtliche verschwunden sind. Die Follikel- resp. Granulosa-Zellen vermehren sich konstant und umgeben das Ei in einer kontinuierlichen Schicht. |

Bald nachdem der Nucleolus sich der Wandung des Eıkerns, den wir nun als Keimbläschen bezeichnen können, angelagert hat, oft vordem die peripheren kleinen Chromatinkörnchen geschwunden sind, manchmal auch nach diesem Vorgange, tritt im Eiplasma in der Nähe des Keimbläschens eine Bildung auf, welche wir besser zunächst an Ovarien studieren, die mit /Vlemmingscher Lösung konserviert und mit Saffranin ge- färbt sind.

Fig. 21 stellt einen Flachenschnitt durch ein so behandeltes Ovarium dar. Wir sehen wieder deutlich die Keimkerne, deren zentrale Chromatinmasse hier sehr deutlich hervortritt (a). Bei der Umwandlung zum Keimbläschen können wir ganz die gleichen Vorgänge konstatieren, wie sie oben geschildert wurden. Der Kern nimmt an Umfang zu (6) und umgiebt sich mit Protoplasma. ` Dann wandert der zentrale Chromatinbrocken, den wir als Nucleolus bezeichnen können, an die Peripherie (c), während die peripheren Körnchen sich merklich verkleinern. Man sieht nun auch hier, dafs sich einige der kleineren Kerne mit etwas Zellplasma an das junge Ei herangelegt haben, um den ersten Anfang der Granulosa zu bilden (fz). In dem Keimbläschen kann man ein sehr schön ent- wickeltes Gerüst von farblosen Fäden beobachten, das, sich rings an die Peripherie an- legt und, im Zentrum am dichtesten erscheint. Bei d sind noch die letzten peripheren Chromatinbrocken als kleine Pünktchen vorhanden, in dem nächsten Stadium sind die- selben spurlos verschwunden.

Neben dem Keimbläschen, jedoch ein klein wenig von seiner Membran entfernt,

I4 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

bilden sich an verschiedenen Stellen jetzt eigentümliche Verdichtungen des Protoplasmas, die sich ein wenig stärker mit Saffranın färben als das Zellplasma. Es scheint mir, als ob hier in einer konzentrischen Schicht um das Keimbläschen herum besonderes Nähr- material abgelagert wird, das sich die Eizelle aus ihr zugeführten Substanzen bildet. Ein Austritt der vorhin erwähnten peripheren Chromatinpartikel durch die Keimbläschen- membran, der an die durch IH7/, Fol, Roule und Palbiani beschriebenen Vorgänge erinnerte, konnte niemals konstatiert werden. Überhaupt scheinen diese Auswanderungen aus dem Keimbläschen, besonders wo es sich um die Bildung von Follikelkernen, Dotter- kernen, Dotterelementen u. s. w. handelt, immer mehr an Wahrscheinlichkeit zu verlieren. Zahlreiche Forschungen, unter denen die von Korschelt!) an erster Stelle stehen, haben derartige Vorgänge als sehr zweifelhaft erscheinen lassen. Es hat sich entweder um Kunstprodukte oder pathologische Prozesse gehandelt, oder die betreffenden Bilder waren falsch gedeutet worden. Es scheint mir, dafs es sich hier um ganz ähnliche Bildungen handelt, wie ich sie bei manchen Hymenopteren beschrieben habe.*) Zwar hat Boch- mann?) bei Bienen und Ameisen diese Gebilde aus dem Kern abgeleitet, doch kann ich dieser Deutung vor der Hand nicht beipflichten, so lange nicht erneuerte Untersuchungen zu denselben Resultaten geführt haben. Hier bei Zoarces glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn ich sie als Plasmagebilde in Anspruch nehme; um durch Konservierung entstandene Kunstprodukte handelt es sich jedenfalls nicht, denn erstens finden sich diese Konkretionen bei allen, mit sehr verschiedenen Reagentien behandelten Ovarien, zweitens aber kann man sie später, wo sie in gröfseren Mengen auftreten, sehr schön auch am frischen, dem eben getöteten Tier entnommenen Ovarium wahrnehmen.

In dem in Figur 23 abgebildeten Ei sind die erwähnten Konkretionen schon be- deutend gröfser geworden, liegen aber noch dicht an der äufseren Wand des Keim- bläschens. Bei dem allmahlichen Heranwachsen der Eier (Fig. 21, e, g.) tritt noch eine bedeutende Vermehrung derselben ein, indem sie gleichzeitig sich von dem Keimbläschen entfernen, um so eine vollständige, konzentrische Schicht von einzelnen gröfseren oder kleineren Brocken zu bilden. Bei der Färbung mit Haematoxylin, nach Konservierung in Sublimat, sehen wir die Concretionen, welche ich mit dem Namen Dotterkerne ") bezeichnen möchte, bedeutend intensiver gefärbt und mehr als scharf konturierte Partikel auftreten (Fig. 20), ein Verhalten, welches sich bei älteren Eiern noch frappanter zeigt.

11 E Korschelt. Uber die Entstehung und Bedeutnng der verschiedenen Zellenclemente des Insekten- ovariums. in: Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. 43, pg. 537. 1886.

2) F. Stuhlmann. Die Reifung des Arthropodencies ete. in: Bericht der Naturf‘-Gesellschaft zu Freiburg i. B. Bd. I. 1880.

>) E, Blochmann. Über die Reifung der Eier bei Ameisen und Wespen, in: Festschrift d. nat. med. Vereins zu Heidelberg. 1886,

4) Als » Doßterkerne bezeichne ich mit Schütz (Über den Dotterkern. Bonn 1882.) »Konkretionen von besonderem, von dem gewöhnlichen Dotter verschiedenen Nahrungsmaterial, das zu irgend einer Zeit vom Ei resorbiert- wird. Er kann schon sehr früh gelöst werden oder noch im abgelegten Ei vorhanden seine. (cf. meine Schrift: Reifung des Arthropodencies pg. HIL)

F. STUIILMANN, Ovarium der Aalmutter, 15

Die hellen Vacuolen, die das gröfsere Ei in Figur 20 aufweist, bin ich geneigt für Pro- dukte der Konservierung zu halten.

Der Nucleolus lag bis jetzt als ein abgeplattetes, linsenförmiges Gebilde an der Keimblaschenwandung; in Eiern von ungefähr der Gröfse des Figur 21 bei g abge- bildeten Eies, manchmal schon bei kleineren, manchmal aber erst bei gröfseren (Fig. 24), sieht man nun, dafs sich an der Wand des Keimbläschens noch mehrere, kleinere Nu- cleolen befinden, welche sich gegen Reagentien genau ebenso wie der grofse verhalten (Fig. 24). Es fragt sich nun, ob diese kleinen Nucleolen Neubildungen sind, oder ob sie von dem grofsen Keimfleck sich abgelöst haben. Nach längerer Prüfung der Frage habe ich mich für die letztere Eventualität entschieden. Erstens sieht man auf den op- tischen Durchschnitten der Eier die kleinen Nucleolen stets mehr oder weniger in der Nähe der grofsen liegen, dann aber verkleinert sich der grofse Nucleolus, je mehr kleinere im Keimbläschen auftreten, um sich schliefslich gar nicht mehr von letzteren zu unterscheiden. Dafs bei dem ganzen Prozefs eine Massenzunahme der Nucleolus- Substanz stattfindet, erhellt sofort, wenn man in späteren Stadien die Masse der kleinen Nucleolen mit dem früheren grofsen vergleicht; dennoch aber glaube ich, dafs sämtliche aus dem einen ursprünglichen durch Abschnürung und successive Teilung ihre Entstehung genommen haben, wenn ich auch keine Bilder, die auf eine direkte Teilung des Nu- cleolus schliefsen liessen, gefunden habe.

Das Ei wächst nun in den Embryonen bis zu einer Gröfse von 0,06 mm im Durchmesser heran. In Fig. 25 ist eins der gröfsten, die man bei Embryonen findet, abgebildet. Die peripher gelegenen Nucleolen haben sich gegenüber Fig. 24 vermehrt, die Dotterkernschicht ist vom Keimblaschen etwas entfernt. Das Kernnetz hat keine wesentlichen Veränderungen erfahren, es liegt noch der Keimbläschenmembran überall an. Das Ei ist schon von einer kontinuierlichen Lage von Follikelzellen umgeben, (7) welche jedoch noch nicht, wie in späteren Stadien, zu einem regelmäfsigen Epithel zu- sammengeschlossen sind; es sind grofse, flache Zellen, welche dem Ei aufliegen.

Wie oben erwähnt, entstehen die Tier in Längslamellen des Ovariums, ihr Um- fang ist aber bis jetzt noch nicht so bedeutend, dafs sie als kugelige Protuberanzen in das Lumen des Ovariums hineinragen, wie wir dies später sehen werden. Zwischen diesen Lamellen oder Leisten besteht nun die Innenschicht des Ovars aus einem sehr niedrigen (Fig. 22 bei x) und scharf von der Muscularis abgesetzten Epithel. Der Schnitt Fig. 22 hat den Übergang zwischen Eierlamelle und Zwischenfeld nicht senkrecht ge- troffen, sondern mehr der Länge nach, so dafs wir oben in der Figur bei « reines Zwischenfeld, in ihrer Mitte und unten bei 8 den Rand der Lamelle vor uns sehen. Man kann sich mit Leichtigkeit überzeugen, dafs das Keimepithel der »Lamelle« unmittelbar in das Epithel des nicht Eier produzierenden Zwischenfeldes übergeht, oder mit andern Worten, die Fähigkeit, Eier hervorzubringen, ist auf einzelne Partien des Binnenepithels lokalisiert. Die Muscularis (w), der überall das Peritonealepithel dicht anliegt (Fig. 22, 24 f) ist in der Gegend der Zwischenfelder scharf vom Binnenepithel abgesetzt. An der Übergangszone zu den Lamellen zeigt sich aber schon, wie sie sich fester mit ihm ver-

16 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

einigt (Fig. 22, 8) und endlich an den Lamellen selbst kann man sehen, dafs feine Faser- züge der Muscularis (S/roma) zwischen die einzelnen Eier hineinwuchern, (Fig. 24 bei æ) um diese mit einer feinen Schicht fast ganz zu umfassen. Ob es sich hier um Binde- gewebselemente oder um glatte Muskelfasern handelt, wage ich nicht zu entscheiden, ich glaube jedoch sie als letztere anschen zu müssen, besonders auch, da dieselben in spä- teren Stadien vorherrschen.

Bei jungen Tierchen, welche ich 10 Tage nach dem Ausschlüpfen untersuchte, liefs sich keine weitere Veränderung feststellen. In einigen Ovarien fand ich gröfsere und kleinere Tropfen einer fettartigen Masse in den Eiern, die sich bei Konservierung mit Zlemming'scher Lösung durch Einwirkung der Osmiumsiiure intensiv schwärzten. (Fig. 26.) Ob es sich hier um Kunstprodukte oder um abnorme, pathologische Bildungen handelte, kann ich nicht entscheiden. Jedenfalls zeigten nicht alle untersuchten Ovarien diese Erscheinung; die Bildung des eigentlichen Dotters, an die man ja denken könnte, beginnt erst später und auf andere Weise (s. unten). Vielleicht hat der Mangel einer naturgemäfsen Nahrung in der Gefangenschaft auf die Ovarien eingewirkt und patholo- gische Prozesse in ihnen hervorgerufen, wie ich denn überhaupt, nicht nur bei Zoarces, zu der Überzeugung gekommen bin, dafs die Art der Nahrung schr grofse Einflüsse auf die Kierstöcke ausübt.

An Tieren von IO cm Länge, die am 5. August gefangen waren und demnach ein Alter von 6—7 Monaten hatten, konnte ich Icider den feineren Bau des Eierstocks nicht näher studieren. Dic Exemplare waren ohne liröffnung der Bauchhöhle in Spiritus gethan und infolgedessen für die mikroskopische Untersuchung nicht genügend gut kon- serviert. Ich konnte nur konstatieren, dafs die Eier noch auf Langsleisten angeordnet sind, dafs sie aber schon bedeutend weiter in das Lumen des Ovariums hineinragen, als bei den frisch ausgeschlüpften Tieren. In den Eiern zeigte das Keimbläschen viele kleine Her- vorragungen, die ich weiter unten näher beschreiben will. Der grofse Nucleolus war nicht zu erkennen; statt seiner fand ich eine grofse Anzahl der Keimbläschenmembran anliegender Keimflecken. In einiger Entfernung vom Keimbläschen konnte ich den kon- zentrischen Ring der »Dotterkerne« sehen; von den eigentlichen Dotterpartikeln war noch nichts nachzuweisen. Die Umwachsung der jungen Eier von aus der Muscularis stam- menden Faserzügen ist in diesem Stadium schon ziemlich deutlich ausgeprägt; aufser den glatten Muskelfasern sieht man auch Gefäfse das ki umspinnen.

Ich wende mich nun zu der Schilderung der Ovarien noch Jungfränlicher Tiere, die eine Länge von 17'/»—2ı cm hatten; sie mochten ungefähr ein Alter von cinem Jahr haben.

Wie oben erwähnt, sind bei den [tierstocken der nulliparen Weibchen die Leisten, auf denen die Eier entstehen, verschwunden. Man findet jedoch noch eine Andeutung von ihnen in der reihenweisen Anordnung der Eier (cf. Fig. ı1). Die Wandung zeigt eine ziemlich starke Muskularis, in welcher zahlreiche Gefäfse verlaufen. Letztere um- spinnen die nun schon bis zu viel beträchtlicherer Gröfse vorhandenen Eier. An der Aufsenseite, dicht unter der Perritoncalhülle tritt uns die Muscularis als ein dichter Filz von mehr oder weniger langen Faserzellen entgegen, gegen das Lumen des Ovars

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 17

weichen die Faserzüge stellenweise auseinander, indem sie spaltenförmige Hohlräume zwischen sich frei lassen. (cf. Fig. 37, 52. /). Vielfach sind diese Spalten von in Bildung begriffenen Gefäfsen (s. unten) durchzogen. Unter dem Binnenepithel befindet sich eine kontinuierliche Schicht von glatten Muskelfasern und Bindegewebe, in welcher sich ein dichtes Netz von sich bildenden und fertigen Gefäfsen ausbreitet (Fig. 37 el Der Ovi- dukt setzt sich ähnlich zusammen, nur dafs die Spalten fast ganz zurücktreten und auch Gefäfse in viel geringerer Zahl vorhanden sind. (Fig. 16).

Die Eier, welche fortwährend neu zu entstehen scheinen, um dann augenschein- lich generations- resp. periodenweise heranzureifen, bilden sich in ganz gleicher Weise wie beim Foetus aus der innern Epithellage. Die Stellen aber, auf denen die erste Umwand- lung der Epithelzellen zu den jungen Eianlagen stattfindet, sind hier auf sehr kleine, zerstreut liegende Regionen beschränkt; ich werde auf dieselben weiter unten bei der Schilderung des trächtigen Ovars nochmals kurz zurückkommen.

In Fig. 27 ist ein Schnitt durch eine solche Keimstätte der jungen Eier abge- bildet; es finden sich hier genau dieselben Bilder wie in den foetalen Ovarien, so dafs eine erneute Beschreibung unnötig ist. Ebenso wird ohne weiteres das fernere Heran- wachsen der Eier, wie es in den Figuren 28, 29 u. 30 veranschaulicht ist, verständlich sein. Die Objekte sind mit Sublimat konserviert und mit Haematoxylin gefärbt, so dafs, wie bereits oben erwähnt, die ‘Dotterkerne eine starke Färbung annehmen.

Bei der weiteren Reifung des Eies (Fig. 31) treibt dasselbe, indem es bedeutend an Volumen zunimmt, das Binnenepithel sackartig vor sich her, so dafs es stark in das Lumen des Ovars hineinragt. Das Keimbläschen, das in der Figur 32 stärker vergröfsert dargestellt ist, zeigt in seinem Innern ein zartes Kerngerüst (g), dessen einzelne, aus feinen Körnchen zusammengesetzt erscheinende Fäden im Gegensatz zu früher nicht die Kernmembran berühren. Während also das Keimbläschen ganz bedeutend an Volumen zu- genommen hat, löste sich das Kerngerüst in einem gewissen Augenblick von der Kern- membran ab und blieb im Innern des Keimbläschens zurück; die zahlreichen kleineren und gröfseren Keimflecke dagegen blieben hart an der Membran liegen. Die Kerngrund- substanz besteht aus einem aufserordentlich feinkörnigen, fast homogenen Plasma, das sich nur sehr wenig färbt.

An der Membran des Keimbläschens bemerken wir wellen- und zipfelförmige Er- hebungen, in welchen häufig ein kleiner Nucleolus liegt. Bei dem in Figur 32 abgebil- deten Keimbläschen ist die Membran allerdings durch die Einwirkung der Reagentien ein wenig geschrumpft und man könnte annehmen, dafs es sich hier um Kunstprodukte handle. Zwei Zonen des Eiplasmas, wie v. Bambecke') sie bei Leuciscus, Gobius, Hippo- campus, Lota und anderen Fischen erwähnt und wie sie auch andere Autoren wie Ransom bei Gasterosteus*), His bei Darbus?) etc. beschrieben haben, sind bei Zoarces nicht vor-

D) van Pambecke, Contrib. à Vhist. de la constit, de l'oeuf. I. in: Arch. d. Biologie | IV 1883. p. 804. *) Ransom, Observations on the Ovum of Osseous Fishes. (Philos. Transact. 1867. vol. 157. part II. p.440.) "H W. dis, Untersuchungen über das Ei und die Eientwickelung bei Knochenfischen. 1873. p. 19.)

3

18 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

handen, wenn man nicht das Eiplasma innerhalb und ausserhalb des Kranzes von Dotter- kernen als solche annehmen will.

In den Figuren 34—36 habe ich Randpartien von verschiedenen Keimbläschen, dic von trachtigen Ovaricn stammen abgebildet; bei ihnen ist von einer Schrumpfung keine Rede und doch sind die Protuberanzen, wie z. B. in der Figur 36 ganz aufser- ordentlich stark ausgebildet. Ganz ähnliche Gebilde hat Schu/tse') bei dem Amphibienet beschrieben, wie denn überhaupt das Keimbläschen von Zoarces ganz auffallend in seiner Ausbildung und Struktur mit den von Schultse beschriebenen Verhältnissen überein- stimmt. Aut den ersten Blick drängt sich uns der Gedanke auf, dafs wir vielleicht hier Bilder vor uns sehen, die auf die Auswanderung von morphologischen Elementen aus dem Keimbläschen deuten, besonders wenn wir in einiger Entfernung von der Kern- membran den konzentrischen Kranz der Dotterkerne erblicken. Beide genetisch in Ver- bindung zu bringen liegt schr nahe, doch sprechen mehrere gewichtige Gründe gegen diese Deutung. Erstens sahen wir, dafs die Dotterkerne zu viel früherer Zeit ent- standen, als noch von den fraglichen Protuberanzen des Keimbläschens nichts vor- handen war, dann aber sicht man niemals einen ausgewanderten Nuclcolus auf seinem Wege vom Keimblaschen zur Zone der Dotterkerne. Wenn es auch manchmal den Anschein hat, als ob ein Keimfleck aufserhalb der Kernmembran ım Eiplasma läge, so kann man bei genaucrer Untersuchung jedesmal konstatieren, dafs entweder durch das Schneiden die Membran zerrissen oder der Keimfleck aus dem Keimbläschen künst- lich herausgedrückt ist, oder dafs auf dem nächsten Schnitt der betreffende Nucleolus doch von einer Ausbuchtung der Kernmembram umgeben ist, die auf dem vorigen Schnitt nur tangential getroffen, sich den Blicken entzogen hatte. Ich glaube also, dafs man diese Portuberanzen nicht als Begleiterscheinungen der Auswanderung morpho- logischer Kernelemente, sondern wohl als amoeboide Bewegungen zu deuten hat. Über die physiologische Bedeutung derselben wage ich keine Vermutungen auszusprechen. Dafür, dafs die Protuberanzen am Keimbläschen keine Kunstprodukte waren, spricht auch noch der Umstand, dafs man sie am frisch herauspräparierten Ovarium mit grofser Deutlichkeit sehen kann. Durch Druck des Deckgläschens werden die Erhebungen ausgeglichen.

Die konzentrische Dotterkernzone (d) besteht entweder aus schr kleinen, dicht aneinander gelagerten Körnchen, wie in Figur 33. oder auch aus gröfseren, getrennten Brocken. Am frisch untersuchten Ei fällt sie uns als eine Zone von stark lichtbrechenden Körnchen auf. Um ganz ähnliche Bildungen handelt es sich offenbar bei den durch Lrock*) an den Eiern einiger Muraenoiden, sowie von Cilburnus und Cepola?) beschrie-

NO. Schultze, Untersuchungen über die Reifung und Befruchtung des Amphibieneies, I.: in Zeitschrift für wiss. Zoologie Bd. 45. pg. 177. 1887.

?) Brock, Untersuchungen über die Geschlechtsorgane einiger Muraenoiden, in: Mitteilungen aus d. zool. Station zu Neapel Bd. II. 1881. pg. 458.

3) Brock, Beitr. zur Anatomie und Histologie der Geschlechtsorgane der Knochenfische. in: Morphol. Jahrb. Bd, IV. 1878. pg. 560.

D

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 19

benen Dotterzonen; auch er fand dieselben in den Muraenoidenciern weder bei ganz jungen noch bei dotterhaltigen Eiern.

Das Follikelepithel bildet, wie Fig. 33 bei / zeigt, cine vollkommen geschlossene Schicht. Zwischen ihm und dem Ei liegt cine feine Cuticularhaut. Ob dieselbe aber .von dem Follikelepithel gebildet ist, oder ob sie eine Abscheidung des Eies selbst dar- stellt, vermag ich nicht zu sagen. Die ganze Kuppe, in welcher das Ei lagert, ist, wie erwähnt, von dem Binnenepithel des Ovariums überzogen. An dem höchsten Punkt der Kuppe (Fig. 31, 33 bei æ) liegt dieses Epithel direkt dem Follikelepithel an, rings herum aber schieben sich, nach unten immer stärker werdend, Züge von glatten Muskel- fasern und von in Bildung begriffenen Gefafsen zwischen die beiden Schichten hinein. Man sieht, wie sowohl aus der Tiefe (Fig. 31, 6) wie von den Seiten derartige Züge an das Ei herantreten; beide Partien aber sind bei diesen jungen Eiern noch nicht scharf von einander getrennt, sondern ihre Faserzüge scheinen sich mit cinander zu verweben, indem sie nur kleine Spalträume zwischen sich lassen. Aus diesen Spalten geht später der Lymphraum, in welchem das Ei liegt, hervor.

Bei der Fortentwickelung des Eies weichen nämlich diese Züge von indifferenten Zellen in zwei Blätter auseinander, von denen das eine sich dem Binnenepithel des Eier- stocks direkt anlegt (Fig. 37 «). Diese gehen direkt über in die vorhin erwähnte Schicht von Muskeln und Gefäfsen, welche überall unter dem »Keimepithel« liegt (aı). Die andere Schicht dagegen schmiegt sich dem Follikelepithel an (8), von ihr aus ziehen stärkere sowie zartere Stränge (zukünftige Gefälse) (y) gegen die äufsere dichte Muskelschicht der Ovarialwand (ul, in welche sie sich versenken. Von dem zentralen Strangbündel aus sieht man noch mehr oder weniger feine Faserzüge gegen die periphere Schicht ziehen. Der Spaltraum zwischen den beiden Lamellen, der in Kommunikation mit den oben cr- wähnten Spalten und der Ovarwand steht, ist meistenteils mit einem Plasmagerinnsel, in welchem sich mehr oder minder zahlreiche weifse Blutkörperchen befinden, angefiillt; wir werden, wie ich glaube, nicht fehl gehen, wenn wir denselben als einen »Lymphraum» be- zeichnen. Bei genauerer Untersuchung, besonders bei etwas älteren Eiern, gelingt es häufig, als Begrenzung dieses Raumes ein feines Endothel nachzuweisen, das sich jedoch erst im Laufe der Entwickelung aus indifferenten Zellen herauszubilden scheint. (Fig. 39, e, Fig. 64).

Die Ausdehnung dieses Lymphraumes richtet sich ganz nach seiner Füllung mit Leucocyten enthaltendem Plasma; bisweilen, wie gerade in der Figur 37, scheint er ballonartig aufgetrieben, dann aber auch kann man Eifollikel antreffen, wo er ganz leer ist. Die scharf umgrenzten, roten Blutkörperchen habe ich xzema/s in den Spalträumen gefunden. An dem Gipfel der ganzen Protuberanz, in welcher das Ei liegt, hängen, wie erwähnt, das Follikelepithel und das »Keimepithel« unmittelbar zusammen. Es ist klar, dafs das junge Ei, indem es so gewissermafsen in Lymphflüssigkeit schwimmt, eine ganz vorzüg- liche Nahrungszufuhr erhält. Wenn später an den gröfseren Eiern, vor allem in den Ovarien älterer Tiere, die Blutgefäfse fertig ausgebildet sind und das Ei dicht umspinnen, so findet man äufserst selten diesen Raum noch mit Lymphe angefüllt, offenbar findet dann die Ernährung der Eier unmittelbar durch diese Gefäfse statt.

20 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

Recht häufig findet man in den Ovarien von nulliparen Tieren Abortiveier und zwar scheinen dieselben meistens diesem Stadium zu entsprechen. Die Struktur der Hüllen ist ganz wie ich sie oben geschildert habe, nur sind die Verbindungsstränge zwischen dem zentralen Gefäfszug und den Seiten ungemein zahlreich (Fig. 38), wie denn überhaupt das ganze Gebilde einen äufserst hyperplastischen Eindruck macht. An Stelle des Eies findet man einen Zelldetritus (7). in den offenbar sowohl die Eizelle als auch die Follikelzellen zerfallen sind. In der Figur 39 habe ich ein Stück von dem distalen Teil eines solchen Abortivfollikels abgebildet, rechts bei d sieht man die Grenze des Detritus, der durch eine Cuticula von dem unversehrten Gewebe abgeschlossen ist. Um- geben ist dieser Eirest von einem indifferenten, faserigen Gewebe (3), in dem eine grofse Anzahl von kleinen Gefäfsen, deren jedes sein Endothel und seine Muscularis zeigt, ver- laufen. Gegen den Lymphraum ist dies Gewebe durch ein deutliches Endothel (e) be- grenzt, an das noch die Faserzüge (bei +) ansetzen. Schr interessant sind gerade für das Zoarces-Ovarium diese Abortivfollikel, da sie uns direkt hinüberleiten zu den weiter unten näher zu erläuternden Zotten. Der Abortus von Ovarialeiern, der bei Wirbel- tieren sehr häufig ist, wurde in der Klasse der Fische von Brock!) bei Conger und Myurus erwähnt, wo bisweilen der gröfste Teil aller Eier zerfallen war.

Die jüngeren Eier nulliparer Weibchen, sowie besonders die Follikel, in denen die Eier abortiert sind, bilden ein ganz vorzügliches Objekt zum Studium der Gefafsneu- bildung durch Sprossung; es wäre gewifs eine sehr dankbare Aufgabe, diese Verhält- nisse genauer zu studieren, als ich es konnte. Leider fehlte es mir zu der Zeit, als ich auf diese Gefäfse aufmerksam wurde, an frischem Material, bei dem sich wahrscheinlich vieles wird klarer erkennen lassen. Die gröfste Anzahl der Gefäfse, welche um das Ei herumwachsen, zeigt bei diesen jüngeren Tieren noch keine scharfe Differenzierung der Wandung in Endothel, Media und Adventitia. Von diesen undifferenzierten Wan- dungen aus bilden sich nun lange Ausläufer, die mit der Zeit immer stärker werden, indem zugleich mehr Kerne in dieselben hineinriicken; Zellgrenzen sind in ihnen nicht zu erkennen. Fast stets konnte ich feststellen, dafs diese Ausläufer sich an ein anderes Gefäfs ansetzten, um so die Verbindung zwischen beiden herzustellen; ja ich glaube, dafs ihre Bildung von beiden Seiten aus erfolgt, wenigstens liefsen mehr oder weniger starke Kernanhäufungen auf intensive Kernvermehrungen an der jederseitigen Ansatzstelle schliefsen.

In der Fig. 40 habe ich einen sehr feinen Ausläufer gezeichnet, in welchen noch keine Kerne hineingewandert sind. Der Fortsatz in Figur 41 zeigt uns schon mehrere Kerne; man kann deutlich sehen, wie er unmittelbar in die Gefafswandungen übergeht, gewissermafsen nur aus ihr herausgezogen erscheint. Bedeutend stärker ist ein ähnlicher Strang schon in der Figur 42; es ist in ihm keine Differenzierung in zentrale und peripherischen Partien zu erkennen. Nachdem der Durchmesser durch Einwanderung

1) 3. Brock, Untersuchungen über die Geschlechtsorgane einiger Muraenoiden, in: Mitth. der zool. Stat. zu Neapel. Bd. Il. 1881. pg. 464.

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 2I

oder Anlagerung von immer mehr Kernen mit Zellplasma noch bedeutend zugenommen hat (Fig. 44), tritt augenscheinlich in ihm ein zentrales Lumen auf, in welches nun die Blutkörperchen aus dem Muttergefäfs hineinwandern. Figur 44 zeigt uns ein solches ganz junges Gefafsstammchen, dessen Wandung noch undifferenziert ist. Vielleicht ist bei e die erste Andeutung für die Abplattung der innersten Zellen zur Bildung einer Intima zu sehen; Zellgrenzen sind jedenfalls nicht nachzuweisen. In dem unteren Teil der Figur sieht man aus diesem jungen Gefäfs schon wieder ein neues heraussprossen. Interessant ist hierbei vor allem, dafs es gar nicht erst zur Bildung von Kapillaren kommt, aus denen die Gefäfse durch Verdickung der Wand und Vergröfserung des Lumens her- vorgehen, sondern dafs sich sogleich kleine Gefäfse herausbilden, deren Wandungen erst später die Differenzierung erfahren, wie denn überhaupt an den Eiern und Zotten, wie wir später sehen werden, von Kapillaren nichts zu entdecken ist. Bekanntlich unterscheidet man drei Arten von Gefäfsneubildung: !) erstens, (primäre Gefässbildung) es wandelt sich das strangförmig angeordnete Keimgewebe direkt sowohl in Wandungselemente als auch in Blutkörperchen um (nur im Embryonalleben). Zweitens, (Sekundäre Gefassbildung, nach Billroth, O. Weber und Rindfleisch) es legen sich spindelförmige Zellen zu Strängen an- einander, so dafs sie zwischen sich einen Kanal einfassen, und drittens, (tertiäre Gefäss- bildung) es bilden sich von der Wand der Gefäfse (Kapillaren) feine Ausläufer, die hohl werden und so eine Kommunikation mit dem Muttergefäfs eingehen.

Mir scheint, dafs die von mir im Zoarces-Ovarium beobachteten Verhältnisse sich am meisten an den zweiten Bildungsmodus anschliefsen, wenn ich auch das Lumen erst ziemlich spät auftreten sah. Diese Art der Gefäfssprossung wird freilich von Ziegler bestritten, indem letzterer nur die dritte Art beim vollendeten Tier annimmt; er meint, dafs die »Sprossen«, besonders im Granulationsgewebe, sehr bald von Spindelzellen be- deckt würden und so die Stränge vortäuschten. Davon kann aber bei Zoarces nicht die Rede sein, man sieht keine gesonderte Zentralsprosse, sondern nur einen vollständig gleichartigen Strang. Sehr gewichtige Forscher, wie Aindfleisch,?) treten für die zweite Bildungsart ein.

Kehren wir nun zur Oogenese zurück.

In dem Ei, das einen Durchmesser von 0,19 mm erreicht hatte, war der Kranz von Dotterkernen noch vorhanden, doch hatte es den Anschein, als wenn er sich schon etwas in Auflösung befände; vor allem an seiner inneren Seite sah es aus, als ob einzelne Partikel sich ablösten und in dem Eiplasma verschwanden. Am Keimbläschen können wir noch immer die vielen stumpfen Höcker erkennen, in denen häufig ein oder mehrere der zahlreichen Nucleolen liegen. Im Zentrum des Keimbläschens befindet sich das äufserst feine Kerngerüst, welches aus sehr zarten Fäden besteht, die ihrerscits scheinbar aus perlschnurartig aneinandergereihten, winzigen Körnchen zusammengesetzt sind. An

1) Ich zitiere nach: Æ. Ziegler, Lehrbuch der pathol. Anatomie I. 4. Aufl. 1885. pg. 113. 2) Rindfleisch, Lehrbuch der pathologischen Gewebelchre.

22 F. SIUHLMANN, Ovarıuın der Aalmutter.

den Knotenpunkten der ziemlich weiten Maschen sieht man bisweilen etwas gröfsere Körnchen (Fig. 45). Die Kerngrundsubstanz ist sehr feinkörnig gerinnendes Plasma. _ Wenn nun das Ei noch weiter heranwächst, so tritt unter dem Schwund der Dotterkernzone der eigentliche Dotter auf. Sehr schön läfst sich seine Bildung studieren an Ovarien, welche mit /lemmings Lösung behandelt wurden. Auch die kleinsten Dotterpartikelchen färben sich durch die Osmiumsäure dieser Konservierungsflüssigkeit intensiv schwarz, so dafs man mit Leichtigkeit ihr Auftreten vom ersten Augenblick an verfolgen kann. In einem Ei von 0,225 mm Durchmesser, welches ich in der Figur 46 abgebildet habe, sieht man noch einen letzten Rest des in Auflösung befindlichen Ringes von Dotterkernen, welche sich mit Saffranin sehr schwach färben (ai), In derselben konzentrischen Zone findet man nun eine Anzahl von schwarz gefärbten Dotterpartikel- chen (d) von gröfserem oder kleinerem Durchmesser. In dem auf ca. 0,33 mm Durch- messer herangewachsenen Ei, das wir in Fig. 47 vor uns schen, hat sich der Dotter schon stark vermehrt, ist jedoch noch auf dieselbe Zone beschränkt. Man kann hier sehr viele Bilder finden, welche darauf hinzudeuten scheinen, dafs kleinere Partikel zu gröfseren verschmelzen, wenigstens sieht man häufig (so z. B. bei a), wie mehrere kleine Kügelchen sich aneinandergelegt haben und mit ihren Berührungsflächen verschmolzen sind, so dafs das ganze ein maulbeerartiges Aussehen hat. In einem etwas gröfseren Ei von 0,39 mm Durchmesser (Fig. 48, bei schwächerer Vergröfserung) sieht man den bc- deutend vermehrten Dotter in zwei konzentrisch angeordneten Hauptzonen liegen, von denen eine an der Stelle der früheren peripher, die andere dagegen zentral um den Kern herum angeordnet ist. Ob nun der Dotter wirklich in zwei Zonen des Eies auf- tritt, oder ob die innere von der aufseren abstammt, vermag ich nicht genau anzugeben. Nach den Bildern, welche ich an anderen Eiern, besonders von späteren Entwickeiungs- stadien erhielt, möchte ich mich am liebsten für die letztere Auffassung entschliefsen. Man mufs wohl annehmen, dafs gerade in dem vorliegenden Falle die Nahrung des Eies, aus welcher dasselbe den Dotter bildet, in zwei Perioden dem Ei reichlicher zugeflossen ist, als in der Zwischenzeit. Ich glaube nicht, dafs dieser Deutung irgend welche Schwie- rigkeiten entgegenstehen. Ähnliche Bilder, die übrigens bei Zoarces nicht sehr häufig sind, sah //is!) an jungen Lachseiern und auch Aroc?) hat einmal zwei Dotterzonen beobachtet. Der Dotterreichtum wächst nun immer mehr; an der Peripheric des Eies sehen wir kleine Partikelchen, während nach dem Zentrum hin sich bedeutend gröfsere Ballen finden (Fig. 49, Ei von 0,66 mm). Diese Dotterelemente zeigen gegen das zentral gelegene Keimbläschen (#6/) eine mehr oder weniger radiäre Anordnung, wie sich aus der Fig. 49 leicht ersehen läfst. Es liegt der Gedanke sehr nahe, dafs die Dotterelemente in der äufseren Zone des Eiplasmas entstanden und, indem sie miteinander zu gröfseren Ballen verschmulzen, gegen das Zentrum des Kies gerückt seien. Bestärkt wird diese Auffassung noch bedeutend, wenn wir ein Stück des Eiperipherie bei starker Vergröfserung (Seibert

1) Ac, Eierstock der Knochenfische. pag. 29. 2) Brock, Anat. u. Histol. d. Geschlechtsorgane etc. in Morphol. Jahrb. IV. p. 560.

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 23

homog. Immer. +/,, Ocul. 0) betrachten (Fig. 49 a). Man bemerkt aufsen eine Schicht feinkörnigen Protoplasmas, die ganz frei von Dotter ist; in ihr sind oft einige Va- cuolen zu erkennen, die aber möglicherweise durch Einwirkung der Reagentien ent- standen sind. Man sieht nun, wie in einer etwas mehr zentral gelegenen Zone ganz feine Körnchen von Dotter auftreten, die nach dem Inneren zu immer gröfseren Platz machen. Recht häufig treten darunter auch die maulbeerartigen Figuren auf, die ich auf Ver- schmelzung mehrerer kleiner Partikel zurückführe. Ich glaube nun aus diesen Bildern folgendes für die Dotterbildung schliefsen zu können: Der Dotter entsteht im Innern des Eies in Gestalt von äufserst kleinen Partikelchen, die ihrerseits zu immer gröfseren ver- schmelzen und dabei gegen das Eizentrum rücken. Auf diese Weise erklärt sich auch die radiäre Anordnung der Dotterelemente. Der Dotter gelangt demnach nicht als ge- formte Kornchen in das Ei, sondern wird von diesem aus seiner Substanz abgeschieden resp. aus ihm zugeführter Nahrung gebildet, die natürlich das Follikelepithel passieren mufs und dort möglicherweise nach Art von Vorgängen in Drüsenzellen verändert werden kann. Inwiefern die Dotterkernzone bei der Dotterbildung beteiligt ist, kann ich nicht senau angeben, auffallend ist nur, dafs sie offenbar aufgelöst wird und in derselben Region zur Zeit der Auflösung der Dotterkerne die ersten Dotterelemente auftreten.

In meiner Auffassung der Dotterbildung stimme ich also völlig mit Gegendaur ') und Brock?‘ überein; ebenso harmonieren meine Beobachtungen ganz mit dem, was Blochmann*) bei Formica und andern Hymenopteren gefunden hat. Jedenfalls ist an eine direkte morphologische Beteiligung des Follikelepithels an der Dotterbildung, die 11747 %) früher bei Mefa annahm, nicht zu denken, besonders auch, weil zwischen dem Ei- plasma und dem Follikelepithel die gleich zu beschreibende Zona radiata gelegen ist, während noch immer neue Dottermassen auftreten. Ebensowenig aber kann bei Zoarces von einem Zerfall des Eikörpers zu Dotterelementen die Rede sein, den HAN 5) neuerdings für die Eier von Colymbetes annimmt.

Bei der Behandlung mit Sublimat und Färbung mit Haematoxylin lösen sich die meisten Dotterballen auf oder fallen aus den Schnitten heraus; nur selten sieht man ein kugelförmiges Gebilde im Protoplasma, meistens aber deuten auf den Schnitten kreis- förmige Löcher die Stellen an, wo sich früher die Dotterkugeln befanden. Wir sehen auf diese Weise, dafs das ziemlich feinkörnige Protoplasma des Eies netzartig angeordnet ist und dafs die Dotterpartikel in die Lücken dieses Netzes eingeschlossen sind. In der Figur 52 ist ein Schnitt durch das ganze Ei abgebildet, an dem man die Struktur deut-

1) C. Gegenbaur, Über den Bau und die Entw. der Wirbeltiereier mit partieller Dotterfurchung. In: Miiller’s Archiv, 1861. pg. 405.

2) Brock l. c. Morphol. Jahrb. IV. pg. 560.

3) F. Blochmann. Uber die Reifung der Eier bei Ameisen und Wespen. Heidelberg 1886.

*) Will. Bildungeschichte und morphologischer Wert der Eier von Nepa cinerea u. Notonecta glauca in: Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 41, 1884. pg. 311.

5) ders. Oogenetische Studien. I. Die Entstehung der Eier von Colymbetes fuscus in: Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 43. 1886. pg. 364.

24 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

lich sehen kann; stärker vergréfsert ist dieselbe in der Figur 50 bei f/ zu sehen. Bei e hat sich ein Dotterelement erhalten.

An dem Keimbläschen haben nunmehr auch einige Veränderungen stattgefunden; es zeigt eine grofse Zahl von stark amocboiden Fortsätzen, die sich in das Eiplasma und zwischen die Dotterelemente erstrecken. Im Zentrum sehen wir noch das Kerngerüst, wie es oben beschrieben ist. Die Nucleolen haben sich im Gegensatz zu früheren Stadien zum gröfsten Teil von der Peripherie fort gegen das Zentrum des Keimbläschens begeben und an die äufseren Partien des Kernnetzes gelegt, ein Teil nur ist noch auf seinem alten Fleck. (Fig. 50.) Bei einem Keimbläschen, das einem noch älteren Ei entstammt (vom 6. Juni 1887) und welches etwas exzentrisch im Ei gelegen war, sind bereits sämt- liche Nucleolen in das Zentrum gerückt (Fig. 51). Für mich ist das wahrscheinlichste, dafs bei Zoarces die peripheren Nucleolen einfach gegen das Zentrum rücken. Eine ähnliche Ansammlung von Nucleolen im Zentrum hat auch das Amphibienei nach ©. Schultze., Das Kerngerüst ist in diesem Stadium noch dem früheren ähnlich, höchstens scheinen mir die Fäden verkürzt und verdickt und infolgedessen weniger zahlreich.

Leider konnte ich die Schicksale des Keimbläschens nicht weiter verfolgen, da es mir an Material von reiferen Eiern fehlte. Die letzten Exemplarc, welche ich von Kiel geschickt bekam, stammen vom 6. Juni 1887 und in deren Eiern zeigte das Keimbläschen die zuletzt geschilderte Struktur. Man findet es auf diesem Entwickelungsstadium nicht mehr völlig zentral liegend, sondern es ist mehr oder weniger nach der Peripherie gerückt.

Nach aufsen ist das Ei abgeschlossen durch eine Zona radiata (Fig. 50 3. r.) Es ist äufserst schwer zu entscheiden, ob diese Membran vom Ei selbst oder vom Fol- likelepithel abgeschieden ist; ich muls gestehen, dafs ich selbst über diesen vielumstrit- tenen Punkt kein Urteil fällen möchte, wenngleich es mir am wahrscheinlichsten ist, dafs die Zona radiata eine Bildung des Kiplasmas, also eine echte Dotterhaut ist. Man findet nämlich, dafs sie gegen das Follikelepithel scharf abgesetzt ist, während sie in das Ei- plasma allmählich überzugehen scheint. (Fig. 50) ?)

Am Follikelepithel (/) konnte ich meistenteils keine Zellgrenzen wahrnehmen. Zu beiden Seiten fand ich es häufig durch Membranen abgeschlossen, die ziemlich stark die Farbe annahmen. Ob diese nun Basalmembranen der Zellen (membranae limi- tantes) sind, oder ob sie durch Einwirkung der Reagentien entstanden sind, vermag ich nicht anzugeben.

Die äufseren Umhüllungen des Eies sind noch dieselben, wie sie oben geschildert wurden. An dem distalen Ende des ganzen Sackes, in dem das Hi liest, sind Follikel- epithel und inneres Eierstockepithel auf ciner kreisförmigen Fläche eng mit einander ver-

") O. Schultze, Untersuchungen über die Reifung und Befruchtung des Amphibieneics, I. in: Zeitschr. für wiss. Zoologie Bd. 45, pg. 117. 1887.

”) Eine ausführliche Litteraturübersicht über die Frage nach der Entstehung und Bedeutung der Zona radiata findet sich bei Brock 1. c. pg. 547 fl. und ebenso bei Zudwiy (Eibildung).

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 25

bunden. An den übrigen Stellen schieben sich die beiden Gefäfsschichten mit ihrem dazwischenliegenden Lymphraum zwischen diese beiden Epithelschichten, so dafs an dem distalen Pole, wo die Gefäfse fehlen, cine kreisförmige Delle entsteht (Fig. 52, 53. 72 u. $1 bei a). Diese dünne Stelle ist es ohne Zweifel, an welcher die Eihüllen aufreifsen und das Ei ausgestofsen wird. An den Eiern des nulliparen Eierstocks sind die Gefafse beider Schichten meistenteils noch in Entwickelung begriffen und der Lymphraum ganz mit Plasma, in welchem einige weifse Blutkörperchen liegen, angefüllt (Fig. 52). Meisten- teils findet man am Grunde eines derartigen Sackes, in welchem ein reifes Ei liegt, ein oder mehrere junge Eier und im allgemeinen in ihrer Nähe auch die Keimstätte der neu entstehenden Keimbläschen.

In der Höhlung des nulliparen Ovars findet man ein wenig schleimartiges Serum, in welchem ich keine weifsen Blutkörperchen finden konnte.

Das schwangere Ovarıum, welches wir in der Totalansicht in der Figur 13 vor uns sehen, bildet einen durch die Expansion ziemlich dünnhäutigen, durchscheinenden Sack, dessen Wandungen sehr muskulös und gefäfsreich sind. Von aufsen sieht man die Anlagen der Eier für die nächste Generation, sowie die in der Hohlung des Ovariums enthaltenen Jungen durchschimmern. Die ganze innere Oberfläche ist von dem »Keim- epithel« überzogen und zeigt kleinere Protuberanzen, in welchem je ein Ei liegt, sowie aufserdem eine beträchtliche Zahl von häutigen gröfseren Zotten (Fig. 54). Letztere stehen nicht immer so dicht, wie Fig. 54 zeigt, man findet auch Partien, wo dieselben weit weniger zahlreich sind oder sogar ganz fehlen (Fig. 55). Ganz besonders findet man die Zotten an den dorsalen und ventralen Flächen des Ovars enger stehen als an den Seitenwänden, was vielleicht damit zusammenhängen mag, dafs die grofse Masse der zuführenden Blutgefäfse in die Medianebene des Ovars eintritt und so die ihr benach- barten Partien stärker durchblutet werden. ') Die Zotten sind meistens plattgedrückt und liegen so der Ovarialwand an, indem sie durch den grofsen Ballen von Embryonen an dieselbe angeprefst werden, manchmal aber ragt auch eine solche Zotte zwischen die Embryonen hinein. Ein Blick auf die Innenfläche des Ovars bei schwächerer Vergrö- fserung zeigt uns, dafs dieselbe zum grofsen Teil mit dem »Binnenepithel« (»Keimepithel«) bedeckt ist und dafs nur hier und da in Inseln die Stellen liegen, an welchen aus den Keimzellen neue Eianlagen sich bilden (Fig. 56). ATeistenteils befinden sich diese Regionen am Grunde oder doch in der Nähe der Zotten oder grösseren Eier, also immer an den Punkten, an denen schon früher cine Eibildung stattgehabt hat (Fig. 38, 56). Es ist dem- nach durchaus nicht jede Zelle des Binnenepithels fähig, zur Keimzelle zu werden, sondern diese Anhäufungen von Bildungszellen sind streng lokalisiert und werden augenscheinlich mit zunehmendem Alter und wachsendem Ovarium in immer kleinere Stücke zerrissen. Bei den Selachieren haben wir im männlichen Geschlecht eine einheitliche »Zuwachsfalte«, an

1) Hier ist die Verteilung der Eier also bisweilen (nicht immer) anders als bei Rhodeus amarus, wo der unpaare Eierstock (Szebold, Siifswasserfische pg. 620) in der Medianebene einen eierfreien Streifen hat. (Dreck,

l. c. pg. 544).

26 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

der zeitlebens neue Sexualzellen gebildet werden (Semper); ebenso entstehen bei dem Weibchen unausgesetzt neue Eier aus dem Rest des Epithels der ursprünglichen Keimfalte und auch bei den meisten Knochenfischen ist die Bildung der Eier auf bestimmte Teile des Ovariums beschränkt; ?) bei Zoarces findet die Eibildung an viclen, winzig kleinen Keim- stätten statt. Ich glaube, dafs die Thatsache nicht unwichtig ist für die IFezsmannsche Theorie von der Kontinuität der Keimplasmas, indem sie zeigt, dafs neue Sexualzellen nicht überall entstehen können, sondern nur an gewissen zerstreuten Partien des Ovarial- Epithels, die durch Teilung der ersten faltenförmigen Regionen im embryonalen Ovarıum gebildet sind. Aufserdem aber findet die Neuformation von Sexualzellen nur dort statt, wo bereits alte Eier entstanden sind. Man kann also wohl annehmen, dafs das Keim- plasma nur auf gewisse Kerne des Ovarialepithels verteilt worden ist. In der Figur 56 ist eine solche Keimstätte von der Flache abgebildet, während sie in den Figuren 57 und 58 im Querschnitt erscheint.

Durch Behandlung mit Silbernitrat treten die Zellgrenzen des innern Epithels des Ovariums scharf hervor (Fig. 59); man kann dann konstatieren, dafs das gleiche Epithel die ganze Innenfläche des Ovariums mitsamt den Eiern und Zotten überzieht. Die Gröfse der Zellen schwankt ziemlich beträchtlich, wahrscheinlich infolge der Expansion des Eier- stocks durch die darin enthaltenen Embryonen. An dem distalen Pol der Eier, dort wo sich die Delle befindet, zeichnen sich die Epithelzellen durch ihre Kleinheit aus, doch zeigen sich hierin bedeutende Schwankungen. Figur 60 ist eine Abbildung der kleinsten Zellen, die ich an dieser Stelle auffand. Nur an der Spitze der Zotten fehlt das Epithel, wie wir noch genaucr sehen werden. Ob sich das Ovarialepithel jedesmal über die Keimstätten fortsetzt, wie Nussbaum”) dics beim Amphibienovarium fand, kann ich nicht genau entscheiden; manchmal ist dies jedenfalls der Fall, wenn auch dann die Grenze zwischen Ovarialepithel und den Keimzellen wenig ausgeprägt ist. (Fig. 58)

Dicht unter dem innern Epithel liegt nun eine dichte Schicht von kleinen Ge- fafsen, die zu einem engen Netz vereinigt sind; Kapillaren findet man niemals. Die Gefäfse, von denen ein kleines Ästchen aus der Zottenwand in Figur 61 abgebildet ist, zeigen sämtlich ein Intima, welches aus grofsen Endothelzellen besteht, deren Grenzen sich mit Silbernitrat schwärzen (Fig. 62); auf diese folgt eine starke Muscularis, der sich noch eine Adventitia zugesellt, welche jedoch nicht überall als zusammenhängende Schicht zu erkennen ist. Die Gefäfse sind durch nicht sehr zahlreiche Bündel von Binde- gewebe und glatten Muskelfasern mit einander verbunden, wie sich am Querschnitt (Fig. 57) konstatieren läfst.,

D AY Semper, Das Urogenitalsystem der Plagiostomen. in: Arbeiten aus dem zoolog. zootom. Institut Würzburg Bd. II.

H F. Brock 1. c. p. 546 weist darauf hin, dafs auf den Lamellen Reihen gröfserer Eier stets von kleineren eingefafst werden oder dafs ein grofses Ei kranzartig von kleineren umgeben wird.

D AL Nussbaum, Die Differenzierung des Geschlechts im Tierreich, in: Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. 18.

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 27

Der gröfste Teil der Ovarwandung besteht aus glatten Muskelfasern. ') Wenn man dieselbe von der Fläche betrachtet, so sieht man ein unentwirrbares Geflecht von Muskelbändern, die sich nach allen Richtungen kreuzen und miteinander verflechten. Auf dem Querschnitfe (Fig. 57) erscheinen dieselben in verschiedener Richtung ge- troffen. Wir erkennen durch Zerzupfen, dafs es flächenartig angeordnete breite Bänder von glatten Muskelfasern sind; ganz besonders stark scheint die Quermuskulatur ausge- bildet, wenn man auch Züge nach allen Richtungen streichen sieht. Ich habe mich ver- geblich bemüht, zu eruieren, ob die Muskelbänder und -Platten in irgend einer besonderen Weise im Ovarium gruppiert sind, wie z. B. im menschlichen Uterus nach Art der Zwiebelschalen. Die geringe Dicke der Wandung setzte jedoch diesem Versuche ein Hindernis entgegen. Immerhin aber glaube ich, dafs eine eigenartige und zweckmäfsige Anordnung vorhanden sein mufs, da bei seiner Entleerung das Ovarium sich in sehr regel- mifsiger Weise kontrahiert. Beim menschlichen Uterus sollen sich bei der Kontraktion die zwiebelschalenartigen Muskelblätter übereinanderschieben, sodafs unter bedeutender Verdickung der Wandung eine Verringerung des Lumens erzielt wird. Es wäre denkbar, dafs hier ähnliche Verhältnisse vorlägen, doch bin ich nicht ms Klare darüber gekom- men. Zwischen den Muskelbändern sind zahlreiche Spalten vorhanden, die mit den Lymphräumen dicht unter der Gefäfsschicht in den Follikeln in Verbindung stehen. Auf Schnitten durch das kontrahierte Ovarium sieht man unter der Gefäfsschicht zunächst einen Lymphraum und darunter eine dicke Lage von eng aneinanderliegenden und ver- schlungenen Muskelfasern. Zwischen den Muskelfasern ziehen in höheren oder tieferen Schichten einzelne Gefäfse mit mehr oder weniger dicken Wandungen hindurch (Fig. 57); dieselben führen entweder zu den Gefäfsen der »Gefäfsschicht«, oder treten an den Grund der Eier resp. Zotten. Von aufsen ist das Ovarium in seiner ganzen Ausdehnung von einem Peritonealepithel überzogen. (Fig. 57, eu Fig. 63).

Von dem »Oviduct« der jüngeren Ovarien ist bei den trächtigen so gut wie nichts mehr zu sehen, höchstens findet man auf dem letzten Stück wenige Millimeter vor der Mündung keine Eianlagen mehr. In manchen Büchern, so z. B. bei Szedold und Stannius, R. Owen und anderen findet sich die Angabe, dafs bei Zoarces viviparus das untere Ende des Ovariums keine Eier produziere, sondern statt dessen eine schleimige Flüssigkeit secerniere, von welcher die Jungen ernährt würden. Nach diesen Notizen soll der untere Abschnitt des Eierstocks zu einer Art von Uterus werden, in dem die Jungen ausgetragen werden, eine Ansicht, welche mit den thatsächlichen Verhältnissen in keiner Weise korrespondiert.

Über die Entstehung der Eier in den »Keimstätten« (Fig. 57, 58 4), sowie über die Weiterentwickelung derselben ist nichts besonderes zu erwähnen, da dieselbe natur- gemäfs vollständig mit der oben geschilderten übereinstimmt. Bei den grofsen Eiern, wie eines in der Figur 50 abgebildet ist, wäre nur zu bemerken, dafs die Gefäfse voll-

1) Leydig, (Histiologie pg. 108) macht auf die starke Entwickelung der glatten Muskulatur im Fisch-

ovarıum aufmerksam.

28 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

ständig ausgebildet sind; besonders die zentrale Gefäfsschicht des Eies ist sehr stark entwickelt und erhält ihre Blutmasse von einem aus einem oder mehreren Gefäfsen bestehenden Strang, der aus der Tiefe der Muscularis kommend, sich geradeswegs durch dic Axe des Eistieles hinzieht (Fig. 53). An den Eihüllen der trächtigen Ovarien ge- lingt es leicht, durch Behandlung mit Silbernitrat das Endothel des Lymphraumes, der sich zwischen beiden Gefäfsschichten befindet, zur Darstellung zu bringen (Fig. 64).

Ich wende mich nun zur Schilderung der »Zoften«, die, wie oben bemerkt, die Wandung des Eierstocks ziemlich dicht bedecken. Ihre Gröfse ist, wohl je nach der Kontraktion, eine verschiedene und kann bis zu 1,5 cm Länge betragen bei 2—3 mm Breite. Daneben findet man auch viele Zotten, die durch ihre Kleinheit darauf hinzu- deuten scheinen, dafs sie in ihrer Entwickelung zurückgeblieben sind. Um Entwickelungs- stadien kann es sich nicht gut handeln, da, wie wir weiter unten sehen werden, die Zotten nur einmal im Jahr zu ganz bestimmter Zeit sich bilden.

Wenn wir eine solche Zotte und zwar sind die kleineren die geeignetsten, wenn sich auch alles ebensogut, nur weniger übersichtlich, an grofsen feststellen läfst, in Quer- oder Längsschnitte zerlegen, so fällt uns sofort in die Augen, dafs ihr Bau vollständig mit dem der Eihüllen übereinstimmt. Es fehlt nur das Ei mit seinem Follikel- epithel und an seine Stelle ist eine Art von Narbengewebe getreten. In den Figuren 65—67 habe ich drei Querschnitte durch eine kleinere Zotte bei schwacher Vergröfserung abgebildet, während Fig. 68 einen Längsschnitt zeigt. Wir sehen überall die »Gefäfs- schicht« (6), welche mit der der Eier vollständig übereinstimmt. Im Innern des »Lymph- raumes« (/) sicht man die Querschnitte einiger gröfserer Gefafsstammchen (æ), die denen der Eier (Fig. 53 ei vollkommen entsprechen. In der Figur 68 sind dieselben auf dem Längsschnitt zu sehen; sie sind durch wenig Bindegewebe mit einander verbunden. Wenn wir die Schnitte weiter hinauf verfolgen, so sehen wir, dafs diese zentralen Ge- füfse sich immer mehr verzweigen und schliefslich einen grofsen Gefäfsplexus bilden (c), der einen bedeutenden Teil des Lumens an dem distalen Ende der Zotten ausfüllt. In den oberen Partien desselben finden wir zentral gelagert eine Region, in welcher keine Gefäfse vorhanden sind und der anstatt dessen durch eine Art von Narbengewebe angefüllt ist (x). In der Figur 69 habe ich ein Stück von einem Schnitt durch dies zen- trale Gewebe bei stärkerer Vergröfserung abgebildet. Die Gefäfse liegen mit ihren Wan- dungen bald völlig hart aneinander, bald aber sind sie durch Bindegewebs- und Muskel- fasern getrennt; das Gewebe, welches ich als »Narbengewebe« bezeichnen möchte (v), ist eine netzartige, protoplasmatische Grundmasse mit eingestreuten Kernen, in der man zahlreiche Vacuolen sieht.

Am distalen Pol der Zotte schlägt sich die äufsere Gefäfsschicht in die innere um und zwar so, dafs an der Zottenspitze eine mehr oder weniger starke Einziehung zu stande kommt (Fig. 68, a), die sich oft noch spaltartig in das »Narbengewebe« fortsetzt. Der innere Hohlraum der Zotte ist gewöhnlich leer; häufig aber, und zwar, wenn es überhaupt der Fall ist, bei allen Zotten des Ovars, ist derselbe prall mit Lymphe gefüllt (Fig. 68 /). Diese Lymphe zeigt in konserviertem Zustand ein geronnenes Plasma

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 29

(Fig. 70), in das einzelne weifse Blutkörperchen, von denen jedes einen stark gefärbten Kern hat, eingestreut sind.

Es tritt nun die Frage an uns heran, als was wir diese Zotten aufzufassen haben. Ich glaube, dafs ich nicht noch nötig habe, im Detail auf die Übereinstimmung zwischen den Hüllen der Eier und den Bestandteilen der Zotten hinzuweisen; dieselbe fällt sofort in die Augen. Zum Überflufs vergleiche man Figur 38, welche einen Schnitt durch einen Follikel darstellt, dessen Ei degeneriert ist, mit dem Längsschnitt durch eine Zotte. Man braucht sich nur das Epithel des distalen Endes durch den Austritt des Eies zer- rissen zu denken, so erhält man vollkommen das Bild der Zotte Dazu kommt nun noch, dafs am Pol der Zotte thatsächlich eine Diskontinuität des inneren Ovarialepithels vorliegt und dafs wir dort ein Gewebe antreffen (das »Narbengewebe«), das sehr wohl durch Degeneration des Follikelepithels und der angrenzenden Gewebspartien entstanden sein kann; wir wissen, dafs auch bei andern Tieren das Follikelepithel nach Ausstofsung des Eies degeneriert, wie von den »Corpora lutea« der Wirbeltiere bekannt ist, und wie Korschelt') dies neuerdings für die Ovarien der Insekten nachgewiesen hat. Es ist also das Ei durch Dehiscens der Follikelwandung an ihrer dünnsten Stelle, der Delle, (Fig. 52, 53 bei a) in’s Freie, d. h. in die Höhlung des Ovariums gelangt und die da- durch entstandene Wundfläche ist vernarbt worden. Es ist klar, dafs bei dieser Art des Austritts keine Zerreifsung von Blutgefäfsen eintreten kann, da an dieser Stelle keine vorhanden sind. Zorchhammer, sowie Rathke geben direkt an, dafs die Zotten im September aus den entleerten Eifollikeln hervorgehen. Man könnte bisweilen noch ein Ei an einer Zotte hängen sehen.

Ich glaube also nicht fehl zu gehen, wenn ich sage, dass die Zotten die entleerten Eifollikel oder die Corpora lutea des Ovariums sind, welche sich nicht zurückbildeten, sondern im Gegenteil einen Funktionswechsel eingingen, indem sie nunmehr durch Ver- grösserung der Oberfläche des Ovariums für die Ernährung des Embryos von hoher Wichtigkeit sind. Inwieweit dies im speziellen der Fall ist, wird weiter unten gezeigt werden. Die Zotten sind also durchaus keine Neubildungen, sondern die Eifollikel werden, wenn sie ihre ursprüngliche Funktion, die direkte Ernährung des Eies, erfüllt haben, zu einem verwandten Zweck verwandt, nämlich zu der Ernährung der losgelösten Eier und der daraus entstehenden Embryonen.

Um nun in dieser Deutung noch sicherer zu gehen, habe ich Zählungen unter- nommen. Wenn ich richtig gedeutet habe, so müfste, genau genommen, die Anzahl von Embryonen mit der Anzahl der Zotten übereinstimmen, da ja die ersteren aus den in letzteren enthalten gewesenen Eiern hervorgegangen sein sollen. Von vorne herein war mir aber klar, dass niemals eine volle Gleichheit der Anzahl vorhanden sein kann, denn erstens sahen wir ja, dafs einige Eier degenerieren und sich vielleicht noch zu Zotten umwandeln können, ferner aber findet man, dafs ein mehr oder weniger grofser

t) E Korschelt, über einige interessante Vorgänge bei der Bildung der Insekteneier, in Zeitschr. für wiss, Zoologie Bd. 45. 1887.

30 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

Prozentsatz der Embryonen mifsgebildet ist, und dafs diese Individuen einer langsamen Auflösung entgegengehen, so dafs man nicht im stande ist, ihre Zahl zu konstatieren. Es liefs sich also erwarten, dafs die Zahl der Zotten stets die der Embryonen mehr oder weniger übertreffen mufs, was denn auch in der That der Wirklichkeit entspricht. Ich zählte nämlich:

| Zotten |Embryonen

I 120 AR 2%.) 131 122 3 385 274 4 291 276 5 472 405

Um über den genaueren Gefäfsverlauf im Ovarium mir Klarheit zu verschaf- fen, injizierte ich eine gröfsere Anzahl von Zoarces-Weibchen sowohl von der Aorta und arteria mesenterica aus mit roter Leiminjektionsmasse, als auch von der vena mesen- terica aus mit blauer Masse. Dadurch, dafs ich häufig die Injektion nur teilweise aus- führte, konnte ich mit ziemlich geringer Mühe den Weg des Blutes annähernd genau feststellen.

Schon bei ganz geringer Vergröfserung sicht man am frischen Ovarium in den Zotten die zentralen Gefafse mit dem grofsen Knäuel deutlich hervortreten. Ratke schliefst aus der Beobachtung, dafs diese Gefäfse Venen seien, in denen die bekannte Leichenerscheinung der venösen Hyperaemie eingetreten sei. Figur 71 stellt eine solche Zotte dar. Lange Zeit war ich derselben Ansicht, bis mich die Injektionen eines besseren belehrten. Es ist thatsächlich nur die gröfsere Dicke der Zentralgefäfse, die es verursacht, dafs man sie bei schwacher Vergröfserung ausschliefslich gefüllt glaubt. An dem frischen Objekte läfst sich ebenfalls die Verbreitung der Gefäfse auf den gröfseren Eiern sehr schön studieren; man bekommt stets Bilder zu Gesicht, wie Figur 72 zeigt. Die Gefäfse treten in grofser Zahl an dem Rand der »Delle« aus dem Inneren heraus und laufen nun, indem sie sich zu immer gröfser werdenden Stämmchen vereinigen, gegen den »Stiel« des Eifollikels, so dafs das ganze einem Augenbulbus mit seinen Ge- fafsen nicht unähnlich sieht.

Wenn man nun von der Aorta aus nicht ganz vollständig injiziert und die Wandung des Ovariums von aufsen betrachtet, so erhält man stets Bilder, die dem auf Figur 73 abgebildeten entsprechen. Man sieht, dafs eine gröfsere Anzahl von Gefäfsen annähernd parallel in das Ovarium eintritt (s. oben) und nun oberflächlich in der Wandung verläuft. Es sind dies dieselben Gefäfse, welche auch auf dem Querschnitt der Eier- stockswandung (Fig. 57, a) in der Tiefe der Muskelschichten liegen. Die Stämme teilen sich mehrfach und die so entstandenen Ästchen machen nach kurzem Verlaufe plötzlich mehr oder weniger stark geschlängelte Krümmungen oder biegen einfach ganz scharf um und senken sich in die Tiefe der Ovarialwand. Bei genauerer Untersuchung kann man leicht konstatieren, dafs sie stets dort verschwinden, wo an der Innen-

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 31

wand des Eierstocks eine Zotte liegt und dafs sie hier zu den Zentralgefafsen der Zotten werden. Ob das scharfe Umbiegen der Gefäfse irgend einen nennbaren physio- logischen Zweck hat (z. B. die Verlangsamung des Blutstromes) oder nicht, vermag ich nicht anzugeben.

Ein ganz andcres Bild erhält man bei Injektion von der vena mesenterica aus (Fig. 74). Man nimmt dann wahr, dafs auf der Innenfläche des Ovariums ein feines Netzwerk anastomosierender Gefäfse, die oben erwähnte »Gefäfsschicht«, welche auch auf die Zotten übergeht, verläuft. Diese Gefüfse vereinigen sich zu gröfseren Ästchen, die, mit andern sich vereinigend, endlich in die Tiefe der Muskelschicht treten, um als Venenstämmchen das Ovarium zu verlassen.

Bei einer venos-arteriellen Doppelinjektion kann man dies Verhalten noch besser studieren. Man sieht, dafs in den Zotten und Eiern beide Injektionsfarben in einander übergehen. Figur 75 stellt eine solche Zotte in halbschematischer Weise dar. Das arterielle, zentrale Gefäfsstämmchen kommt aus der Tiefe der Ovarialwand, verzweigt sich sehr bald und bildet im oberen Teil der Zotte den dichten Gefäfsknäuel (c), aus welchem Gefäfse hervorgehen, die umbiegend in dichtem Netz an der äufseren Zotten- wand herablaufen, um endlich auf die Innenwand des Ovariums überzugehen.

Sehr eigentümlich ist, dafs sämtliche dieser Gefäfse eine ziemlich starke Media haben und dafs sich nirgends Capillaren finden. Die Struktur der Gefäfse (Fig. 61) wurde bereits weiter oben erörtert. Was nun die Verteilung der Gefäfse auf den Zotten betrifft, so wechselt dieselbe ziemlich, je nach der Expansion der Zottenwandung. Sie bilden ein Netz, dessen Hauptbestandteile mehr oder weniger parallel laufende Gefäfse sind, die durch zahlreiche Anastomosen verbunden sind, welche bei engerem Netzwerk (Fig. 76) in spitzem Winkel das Muttergefäss verlassen. An dem Stiel der Zotten ist das Gefäfs- netz im allgemeinen dichter (Fig. 76) als an den oberen Partien (Fig. 77).

An den ausgewachsenen Eiern findet sich ganz derselbe Gefäfsverlauf, wie an den Zotten; der innere Knäuel entspricht bei den Eifollikeln der direkt dem Follikel- epithel auflagernden dichten Gefäfsschicht, welche am Rande der Delle umbiegend, an der Aufsenwand des Follikels in die äufsere Gefäfsschicht übergeht (cf. Fig. 72).

Die Art und Weise, wie bei den jungen Eiern das Gefäfsnetz gebildet wird, habe ich nicht im Detail verfolgt. Ich konnte nur feststellen, dafs die jungen Eianlagen, sowie die »Keimstätten«e in dem Zwischenraum zwischen zwei Astchen der inneren Gefäfsschicht vom Ovarium liegen. (Fig. 56 u. 75). Bei dem weiteren Heranwachsen des Eies sieht man zuerst ganz feine, später immer stärker und zahlreicher werdende Gefäfszweige sich über das Ei hinspinnen, die aber immer ganz in den Verlauf der oberflächlichen Gefäfsschicht eingeschaltet sind. Wie diese nun aber mit den Arterien- stämmen, welche aus der Tiefe kommend das Ei dicht umspinnen, in Verbindung treten, konnte ich nicht feststellen.

Es liegt auf der Hand, dafs dadurch, dafs die gröfseren Gefäfse in der Tiefe der Ovarienwand verbleiben und nur die kleineren direkt unter der Oberfläche liegen, ein gröfstmöglicher Gas- und Flüssigkeitsaustausch an der Innenfläche des Ovariums statt-

32 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

finden kann, zumal dieselbe eine so aufserordentliche Vergröfserung durch die Zotten- bildung erfahren hat.

Um mich nun noch von der Richtigkeit meiner Anschauung, die ich durch In- jektion vom Gefäfsverlauf gewonnen hatte, durch direkte Beobachtung zu überzeugen, untersuchte ich mehrmals die Ovarien von durch Curare narkotisierten Weibchen. Ich injizierte mittels der Pravaz’schen Spritze subcutan oder in die Bauchhohle und die Riickenmuskulatur ca. 2—3 cbcm einer ungefähr 5°/oigen, wässerigen Curarelösung, der eine Spur von Salzsäure zugesetzt war, wodurch sich das Curare besser lösen soll. Nach etwa einer Viertelstunde trat die Lähmung ein, wenigstens hörten zunächst die Kontrak- tionen der Schwanzmuskulatur auf, während die Bauchdecken noch eine Weile zuckten. Auch schnappten die Tiere noch lange mit dem Maule, wie überhaupt das Curare in seiner Wirkung auf Zoarces nicht sehr zuverlässig zu sein scheint. (Auf niedere Tiere wie Seesterne (Pflüger) und Seesterneier /(/Fertwzg) ist seine Wirkung ja ebenfalls ganz aufserordentlich schwach).

Nach Eröffnung der Bauchhöhle wurde das Ovarıum an einer Seite in der dor- salen Gegend aufgeschnitten, die Jungen herausgenommen und nun die Wand des Eier- stocks auf dem Objektträger ausgebreitet und in ihrer eigenen Lymph- und Blutflüssigkeit untersucht. Der Blutstrom in den Gefafsen war ein recht lebhafter, wenn er mir auch gegenüber dem des Mesenteriums etwas verlangsamt schien. Ich konnte nun mit Leich- tigkeit konstatieren, dafs die Richtung des Stromes überall vom Gipfel der Zotte nach der Basis geht. Am Gipfel befand sich eine Stelle, die von Gefäfsen frei war, unser Narbengewebe; neben ihr sah man die kleinen Gefäfse aus der Tiefe der Zotte kommen. Ebenso konnte ich auch in den gröfseren, zentralen Gefäfsen das Blut vom Grunde nach der Spitze strömen sehen. Ganz entsprechend war bei den älteren Eiern der Blutstrom von dem oberen Pol gegen den Stiel gerichtet, so dafs meine Ansicht von dem Gefäfs- verlauf, die ich durch die Injektion gewonnen hatte, sich völlig bestätigte.

Wir haben in dem so aufserordentlich blutreichen Ovarium von Zoarces eine Anzahl von Gefäfsstämmen vor uns, die sich plötzlich zu einem aufserordentlich kom- plizierten Netze verzweigen, um schliefslich wieder zu wenigen Stämmen vereinigt, das Ovarium zu verlassen. Ich glaube, dafs man diese Erscheinung als ein Wundernetz, das allerdings hier ziemlich zusammengesetzt ist, bezeichnen kann. Da sowohl Arterien als auch Venen an seiner Bildung in grofser Anzahl beteiligt sind, so könnte man es nach der alten Nomenklatur wohl als ein Rete mirabile multipolare geminum bezeichnen, in dem sich die Gefäfse sowohl netzartig (Gefäfsschicht der inneren Ovarialwand) als auch quasten- förmig (Zotten und Eier) verzweigen.

Augenscheinlich wird durch diese starke Verzweigung aufser einer grofsen Gas und Flüssigkeit austauschenden Fläche auch eine erhebliche Verlangsamung des Blut- stromes erzielt, welche der Osmose nur zu statten kommt.

Es bleibt mir für den histiologischen Teil nur noch übrig, einige Bemerkungen über das Ovarium nach der Geburt zu machen. Während und kurz nach dem Aus- stofsen der Embryonen (im Januar und Februar) kontrahieren sich die Wände des Ova-

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 33

riums sehr stark, so dafs der vorhin 6—7 cm grofse Sack unter Verdickung seiner Wandung eine Länge von 2-- 3'/2 cm annimmt.

Die Zotten sind in der ersten Zeit unverändert; nach einer Weile, wie lange ist mir unbekannt, sicht man sie kontrahiert und mit Lymphe angcfüllt. Häufig findet die Kontraktion in den zentralen Partien stärker statt als an der Oberfläche, so dafs die Ein- ziehung an der Spitze sehr bedeutend wird, wie schon Katke angiebt; noch später aber überwiegt mehr die kurze, dicke Form der Zotten. Bei einer Anzahl von Ovarien, welche ich von Kiel geschickt bekam (vom 6. Juni 1887), war die ganze Eier- stockwand austapeziert mit dicht aneinander gedrängten, dicken Zotten (Fig. 8), zwischen denen die kleineren Eier als weifse Kügelchen lagen. Auf den Gipfeln jeder Zotte fand ich in den meisten Fällen einen kleinen braunen Punkt, der mit blofsem Auge deutlich zu sehen war. Auf Schnitten zeigte sich, dafs derselbe von einem Zelldetritus herrührte, der an der Spitze der Zotte gelegen war und eine braune körnige Beschaffen- heit hatte. Fig. 79 stellt eine Zotte bei schwacher (4-facher) Vergröfserung dar; sie ist einem Ovarium 3—4 Monate nach der Geburt entnommen. An ihrer Spitze sieht man den dunklen Fleck und an der Basis entsteht ein neues Ei, das zu dieser Zeit (6. Juni) einen Durchmesser von 1,11—1,13 mm (mit einem Follikel von 1,53—1,67 mm) zeigte. Die Eier standen noch auf derselben Ausbildungsstufe wie die in Figur 52 und 53 ab- gebildeten, nur war der Eikern etwas exzentrisch gelagert.

Wie nun die Rückbildung der Zotten weiter geschieht, kann ich nicht angeben, da mir passendes Material aus späteren Perioden fehlt. Thatsache ist nur, dafs die Zotten gänzlich verschwinden, ehe die Eier zur Reife gelangen, d h. bis zum September (nach Forchhammer und Rathke). An einem älteren, in Spiritus aufbewahrten Ovarium vom 9. Juli, das jedoch zu histiologischen Untersuchungen unbrauchbar war, konnte ich mich iiberzeugen, dafs die Zotten noch bedeutend viel kleiner gegeniiber den Exemplaren vom 6. Juni geworden waren, während indessen die Eier an Gröfse zugenommen hatten. Letz- tere waren, wie Fig. 81 zeigt, in ihren Follikelsack eingehüllt und zeigten zum weitaus gröfs- ten Teil an ihrer Basis die Anlagen der neuen Eier. Figur 81 ist nach einem Ei gezeich- net, das einem nulliparen Weibchen vom 5. August 1885 entnommen ist, deren Eier einen Durchmesser von 2,1—2,5 mm hatten. Bei dem oben erwähnten Ovarium vom 9. Juli waren die Eier ganz ebenso gebaut. |

In dem Eierstock eines am 18. Februar gefangenen, 23 cm langen Weibchens, der ca. 3 cm Länge hatte und keine Embryonen enthielt, fand ich die Zotten, die denen des Ovarıums nach der Geburt ganz ähnlich sahen, mit einem an der Stelle des »Narben- gewebes« befindlichen Detritus gefüllt. Aut einem Querschnitt, Figur 80, sieht man, dafs der innere Gefäfsknäuel der Zotte eine grofse Lücke zeigt und dafs diese mit einer gallertartigen Masse erfüllt ist (c), an deren Rande degenerierte Zellen, vielleicht auch weifse Blutkörperchen, sich befinden. Dies konnte ich an allen untersuchten Zotten des- selben Ovariums konstatieren und zwar nur bei diesem einen Ovarium. Ich kann diese Erscheinung nicht anders deuten, als dafs hier ein Weibchen vorliegt, das nicht das Glück hatte, befruchtet zu werden und dessen Eier sich nicht entwickelten, sondern rückge-

5

34 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

bildet wurden. Denkbar wäre allerdings auch noch, dafs das Ovarium in irgend einem D

pathologischen Zustande war. Aufserlich waren die Follikel nicht von den Zotten zu

unterscheiden, wie man sie zur selben Zeit nach der Geburt der Embryonen antrifft.

III. Physiologischer Teil.

Wenn man nach den vorliegenden Untersuchungen älterer Beobachter (/orch- hammer, Rathke) die Stadien, welche ich nicht beobachten konnte, ergänzt, so erhält man folgendes Bild von der ersten Entwickelung des Zoarces-Eies.

Während die Eier konstant an Gröfse zunehmen, bilden sich die Zotten immer mehr zurück, so dafs sie zur Zeit der völligen Reife der Eier nur ganz kleine Wärz- chen darstellen (Rathke). Die Eier, welche die Gröfse eines Hanfkorns erreichen, gelangen durch Bersten der Follikel an ihrer Spitze nach aufsen in die Höhlung des Ovariums und werden dort befruchtet. Dieser Vorgang findet nach Rathke im Anfang des Septembers statt. Benecke) hält es für wahrscheinlich, dafs die Befruchtung im April oder Mai stattfindet, wohl weil er die Zeit der Niederkunft in den August verlegt; M. Schmidt?) beobachtete eine Paarung Ende März und F. Bin D »hatte am 23. März 1878 Gelegenheit, die Paarung genannten Fisches im hiesigen (Frankfurt a/M.) Aquarium zu beobachten. Das Männchen legte sich dabei quer unter das Weibchen und der Akt fand unter heftiger Bewegung von Seiten des Männchens in wenigen Augenblicken statt. Zieht man die verschiedenen Umstände, Nahrung und Temperatur, welche den Trieb der Tiere beim Leben im Aquarium beeinflufsen mögen, in Betracht, so wird die Zeitangabe des Herrn Prof. B. für freilebende Tiere wohl zutreffen.« Ich mufs also in anbetracht dieser Widersprüche und ohne eigene Beobachtungen die Zeit der Befruchtung noch als eine offene Frage betrachten.

Die Befruchtung ist offenbar eine innere; auf welche Weise aber das Männchen seinen Samen in das Ovarium bringt, ist nicht näher bekannt. Thatsache ist nur, dafs das Vas deferens, besonders in seinem unteren Teile, sehr stark muskulös ist und auf einer kleinen Papille endet, welche bei der Befruchtung wahrscheinlich dem Porus urogenitalis des Weibchens angedrückt wird. Vielleicht findet auch eine Umstülpung des unteren Ab- schnitts vom Vas deferens statt, $) Ein fransenartiges Schwellgewebe, wie Brock *) es kurz, lich von /’/ofosus beschricben hat, ist bei Zoarces nicht bekannt und auch nicht vorhanden. Andere Blenniden weisen ganz ähnliche Gebilde wie /Yotosus auf, die jedoch noch nicht

") Benecke, Fische, Fischerei und Fischzucht in Ost- und Westpreufsen. Königsberg, 1881. p. 81.

D AM. Schmidt, Nachrichten aus dem zool, Garten zu Frankfurt, in: Zool, Garten Bd. 19. 1878. p.119.

5 F. Blum, in: Zoolog. Garten 23. 1882. pg. 124. »Correspondenzen.»

© We. Intosh, Notes from St. Andrews marine Laboratory II, in: Ann. and Mag. of nat. hist, 5. ser. vol. 15. No. 90. June 1885. pg. 429.

®, Brock, Über Anhangsgebilde des Urogenitalapparates bei Knochenfischen, in: Zeitschr. für wissensch.

Zoologie Bd. 45. 1887. pg. 532.

Ne

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 35

näher untersucht sind, so Alennius gattorugine, BI. tentacularis, Bl. palmicornis, Bl. pavo u. s. w.") Andere Gattungen, wie Claus und Cirrhibarris, haben eine Art von Penis, der aus einer Verlängerung des stark muskulösen Vas deferens besteht.*) Ein ähnliches papillenartiges Gebilde, auf dessen Spitze das Vas deferens mündet, soll auch, besonders zur Zeit der Brunst, Zoarces zukommen.

Schon etwas vor der Ablösung der Eier soll die Wand des Ovariums eine schleimige Flüssigkeit absondern, in welche die Eier hineinfallen. Leider hat Rathke diese Flüssigkeit nicht mikroskopisch untersucht, ob in ihr Blutkörperchen enthalten seien. Die Eier sollen in drei Wochen ihre Entwickelung durchlaufen und nach Verlauf dieser Zeit verläfst der Embryo, der zucrst mit cinem grofsen Dottersack behaftet ist, die Eihäute. Er schwimmt nun in der oben erwähnten schleimigen Flüssigkeit. In der Höhlung des Ovariums verbleibt er noch den ganzen Winter über, um erst als kleines Fischchen nach 3—4 Monaten die Mutter zu verlassen.

Die jungen, zum Ausschlüpfen reifen Tierchen liegen in der Höhlung des Ova- riums in dichtem Klumpen zusammen. Zwischen ihnen befindet sich nur aufserordentlich wenig Flüssigkeit. Die Anzahl der in einem Eierstock enthaltenen Tiere schwankt aufser- ordentlich und scheint sich nach dem Alter resp. der Gröfse des Muttertieres zu richten. Einen Einflufs auf die Gröfse und Kräftigkeit der Embryonen hat offenbar die Gröfse der Mutter nicht, da ich bei kleinen Exemplaren eben so grofse Embryonen fand wie bei grofsen, wohl aber ist ein Einflulfs auf die Anzahl derselben zu bemerken, wie bei- folgende Tabelle zeigen wird. Auch glaubte ich zu bemerken, dafs bei grofsen Weibchen, die im Verhältnisse zu andern auffallend wenig Embryonen hatten. letztere etwas gröfser und kräftiger als gewöhnlich waren.

Datum `, gp ES a 8/U. | 4/11. | 4/1. | 4/11. | All, |

Länge der Mutter in cm 5 26 34 | 37.3 38 | 39,2

IIO | 276 | 213 | 405 | 274 45-49|47-51| 56-57 |44-48 |47-52 Wie verschieden die Fruchtbarkeit ist, mögen folgende Zahlen beweisen; ich zählte:

34, 36, 48, 50, 69, 75, 85, IIO, 122, 188, 189, 213, 274, 276, 299 u. 405 Embryonen. Ich glaube, dafs man aus der Fruchtbarkeit auf das ungefähre Alter des Tieres schliefsen kann und so indirekt auch auf die minimale durchschnittliche Lebensdauer von Zoarces. Die Individuen von 17'/2—21 cm Länge sind in den Wintermonaten nullipar. Dann folgen die Exemplare von 22—23 cm mit 30—40 Embryonen, darauf 25—30 cm mit 50—180 Embryonen und endlich von 30—39 cm mit 200—400 Embryonen. Es ist mir im Laufe meiner Untersuchung sehr wahrscheinlich geworden, dafs

wir es mit windestens 4 Jahrgängen von Fischen zu thun haben. Es ist jedoch sehr gut möglich, dafs die Zoarces-Weibchen bedeutend älter als 4 Jahre werden, da ich nicht

48

Anzahl der Embryonen ..... AR, 50 Länge der Embryonen in mm . > 50 |

" cf. Cuvier ct valenciennes. Hist. nat. des poissons. vol. XI. p. 200 ff, 2

j ders. vol. XI. pg. 302. pl. 337.

36 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter,

weifs, wie alt sie sein müssen, um zum ersten Mal zu gebären und ebenfalls nicht, wie lange die alten Weibchen noch fruchtbar sind; endlich könnte auch jeder der vorhin angegebenen Prozesse sich durch mehrere Jahre erstrecken. Bemerken möchte ich noch, dafs auch Forchhammer wie Jc. Intosh die Anzahl der Embryonen in Abhängigkeit von dem Lebensalter der Muttertiere bringen.

Ich stellte mir nun die Frage, wie wohl der Stoffwechsel der grofsen Menge der Embryonen, die dicht gedrängt im Ovarium liegen, vor sich gehen könnte. Ich unter- nahm zu diesem Zwecke eine Anzahl von Wägungen (nebenbei auch, um den Grad der Fruchtbarkeit der Zoarces-Weibchen zu konstatieren) und gelangte dabei zu den

Zahlen, die in beistehender Tabelle wiedergegeben sind.

Laufende Nummer .......... 2 | 3 4 5 Ee Totallänge in em, 34: |) 373 392 38 Länge vom Kopf bis After i in cm . 15s | 10.5 16,4 16,2 mr ne age a m A =: Ele ne a WEE Gröfster Bauchumfang in cm 15,2 | 18 16,8 ı 19 er : i a sili Se TE ae Gewicht des ganzen Tieres in GE 230 | 355 -— Gewicht der Ovarialflüssigkeit . | AT z ER SES Gewicht sämtlicher Embryonen i in gr. | 76,3 116,9 u CS Gewicht der einzelnen Embryos i 0,27 0,28 | (Durchschnitt v von IO Exemplaren) Anzahl der Embryonen. . ame 276 405 ES Länge der Embryonen in mm, 49 | ee 47— -52 44—48 90 Zottenzahl |. oo meer. l 291 CR | ae (berechnet:) WW Durchschnittsgewicht des einzelnen | | 0,283 0,289 | 0,3 Embryos in gr... .... 2... | Gewicht der Flüssigkeit, die auf einen i ae i Sen Bu. 3) Embryo kommt, in Er, SE geg E Ge 0,0168 Gewicht der Mutter o%ne - Embryonen 8 8 TE. u ii in 153,6 | 238,5 | 227,9 238,1 Er Verhältnis von n Nettogewicht der Mut- WE Gel, 3) ter zu Gesamtgewicht der Embryo- 49,09 | 40,59 | 36,02 | 49,16 | 5 e E 42,48 nen (ohne Flüssigkeit) 100:x .. . Verhältnis v. Nettogew icht der Mutter a i - 6 6 as C No. 3) zur Anzahl der Embryonen 100 :X. E ae cn | en 95

Datum

© © > >o o òo č e ọọ ò> è č > > © LT o o

4. Februar 1887. | ==

F. STUHLMANN, Ovarıum der Aalmutter. 37

Zu dieser Tabelle wäre noch zu bemerken, dafs dem Exemplare No. 3 sehr wahrscheinlich vor der Wägung eine Anzahl Embryonen abgegangen waren, was ich aus der Schlaffheit der Bauchdecke und der Ovarialwand schlofs. Ich habe deshalb bei den meisten Durchschnittsberechnungen No. 3 unberücksichtigt gelassen. Aus der Tabelle ist auch ersichtlich, wie No. 3 auffallend von den andern Exemplaren sich unterscheidet, besonders in Bezug auf Menge der Ovarialfliissigkeit, was durch obige Annahme erklärt wird. Die Angaben über das Gewicht der Ovarialfliissigkeit sind nur mit Reserve auf- zunehmen, da es äufserst schwer ist, sämtliche Flussigkeit von den Embryonen zu scheiden. Ich legte den Gesamtinhalt des Ovariums auf ein Gazetuch und liefs die Flüssig- keit abtropfen, indem ich noch durch Schwenken des Tuches nachhalf. Trotzdem blieb aber von der schleimigen Masse ein Teil an den Tieren haften. Hier möchte ich noch anfügen, dafs aus der Tabelle sich eine gewisse Abhängigkeit zwischen der Zahl und der Länge der Embryonen ergibt, wie ich schon oben bemerkt hatte In No. 5, welches Tier die meisten Embryonen enthält (405), hatten letztere nur eine Länge von 44—48 mm, während die der anderen Tiere etwas länger sind. Jedenfalls ist der Unter- schied nur äufserst gering und scheint mir von dem Alter der Mutter nicht abhängig zu sein, wie denn No. ı etwas gröfsere Embryonen hatte als No. 5.

Die Fruchtbarkeit des Zoarces-Weibchens ist eine ganz aufserordentlich grofse zu nennen, besonders wenn wir bedenken, dafs die Jungen als ziemlich grofse und entwickelte Geschöpfe zur Welt gebracht werden. Die Thatsache, dafs ein /edendig gebärendes Wirbeltier bis zu 405 Junge produziert, steht gewifs isoliert da. Noch erstaunlichere Resultate erhalten wir, wenn wir die Zahlen der relativen Fruchtbarkeit betrachten: Im Durchschnitt bringt bei den gröfseren Tieren die Mutter 42,48°/o ihres Gewichtes an Frucht zur Welt; das würde um es auf menschliche Verhältnisse zu übertragen, dasselbe sein, als wenn eine 60 kg schwere Frau 25'/2 kg Frucht jedesmal hervorbringen würde! Allerdings stehen wohl manche Säugetiere hinter der Aalmutter in ihrer relativen Frucht- barkeit (in Bezug auf das Gewicht) nicht zurück. Wir entnehmen ferner der Tabelle, dafs im Durchschnitt ein 100 Gramm schweres Tier nicht weniger als 143 Embryonen produzieren würde, welche Zahl jedoch nur für die gröfsten Tiere Gültigkeit hat und bei jüngeren resp. kleineren Tieren bedeutend abnimmt.

Es liegt auf der Hand, dafs die Embryonen vom Verlassen des Eies bis zu ihrer Geburt, d. h. in der Zeit, wo sie frei in der Höhlung des Ovariums leben, eine bedeu- tende Menge von Nahrung zu sich nehmen müssen und nicht allein von dem Material des Dottersacks ihren Körper aufbauen können. Man kann nun offenbar diese Nahrung nur in der Flüssigkeit, in welcher die Embryonen liegen, suchen, und dies haben auch Forchhammer, sowie Rathke richtig gethan. Nun aber handelt es sich bei der Ernäh- rungs-Physiologie des Embryos nicht nur um die Nahrungsaufnahme desselben, sondern auch um seine Atmung und seine Abscheidung, die beide durch einfache Flüssigkeits- aufnahme nicht erklärt werden können. Ganz besondere Schwierigkeiten fur die Auffas- sung des Stoffwechsels der Embryonen werden durch den Umstand hervorgerufen, dafs alle Embryonen im Ovarium in dichtem Klumpen ohne Verbindung mit der Mutter

38 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

liegen. Ich habe niemals, auch nicht an ganz frisch getöteten Tieren geschen, dafs die Jungen im Eierstock Bewegungen machen, um dadurch einer nach dem andern die bluthaltige Schleimhaut des Ovariums zu berühren, wenn ich auch gerne zugeben will, dafs vielleicht eine äufserst langsame Lageveränderung der Embryonen zu einander statt- finden mag. Es sollen also die im Innern gelegenen Tiere ebensogut ernährt werden und atmen wie die äufseren.

Im allgemeinen ist die Ausbildung der Foeten in einem Weibchen fast die gleiche (mit Ausnahme der Monstrosa); einmal nur fand ich in einem Ovarium zwischen der Mehrzahl von 47—51 mm langen Tierchen einige solche von 28—32 mm, was viel- leicht auf eine schlechtere Ernährung derselben schliefsen liefse.

Dafs die Tiere überhaupt die Ovarialflüssigkeit durch ihren Mund aufnehmen, steht völlig fest. Sie machen Schluckbewegungen, was ich daraus sicher schliefsen zu können glaube, dafs einmal ein Tierchen eine Zotte fest im Maule sitzen hatte. Das- selbe hatte sie offenbar mit der Flüssigkeit in den Mund bekommen und nun sie zu schlucken versucht, wobei sie ihm natürlich im Schlund stecken geblieben war. Forchhammer berichtet uns, dafs schon die ganz frisch aus dem Ei geschlüpften Tiere Schluckbewegungen machen. Auch Aathke ist der Ansicht, dafs die Ernährung hauptsächlich durch den Mund, aufserdem aber auch osmotisch durch die Körperhaut stattfände.

Wenn wirklich die Ernährung durch den Mund stattfindet, so konnte ich hoffen, im Darm die Ovarialfliissigkeit nachzuweisen. Zu diesem Zwecke untersuchte ich letztere mikroskopisch und fand, dafs in einer plasmatischen Flüssigkeit grofse Mengen von weissen und roten Blutkörperchen suspendiert waren. Die Blutkörperchen stimmen in Aussehen und Gröfse völlig mit den im Blut vorhandenen überein, nur sind sie in be- deutend geringerer Zahl vorhanden Zählungen konnte ich leider aus Mangel eines Zählapparates nicht anstellen und aufserdem finden sich im Blut verhältnismäfsig viel weniger weifse Blutkörperchen als in der Flüssigkeit des Ovariums. Die Blutkörper- chen variieren etwas in der Gröfse, ich erhielt folgende Mafse in Mikromillimetern:

im Ovarium | im Blut rote | weifse | rote | weifse 12: 8| 12:10| 12:7 | 12: 8 14: 7, 16:14] 11:8 | 14:10 8: 8 7:5 $ SE, 5 6:4

Überdies war das Aussehen der roten Blutkörperchen im Ovarium gegenüber denen des Blutes völlig unverändert. Ihr Kern war 3—4 u grofs. Die weisen Blut- körperchen hatten ein ganz blasses Plasma, das häufig kleine amoeboide Vorsprünge auf- wies. Figur 82 zeigt die Bestandteile der Ovarialflüssigkeit; aufser den erwähnten Blut- korperchen sieht man noch cine gröfsere Zahl von winzig kleinen (1--3 u bis zu

F. STUNLMANN, Ovarium der Aalmutter. 39

unmefsbarer Feinheit), stark lichtbrechenden Kiigelchen, die zum Teil sich in Molekular- bewegung befanden. Über ihre Herkunft bin ich nicht in’s Klare gekommen.

Wenn man Schnitte durch den Mitteldarn der Embryonen legt, so findet man denselben ganz angefüllt mit dicht aneinandergelagerten Blutkörperchen. Plasma ist ver- hältnismäfsig sehr wenig vorhanden; es ist auch wohl wahrscheinlich, dafs dasselbe rascher resorbiert wird als die Blutkörperchen und dafs auf diese Weise eine Anreicherung der letzteren im Darm stattfindet. Figur 83 stellt einen Teil von einem Längschnitt durch den Mitteldarm dar, etwas vor seiner Einmündung in den Enddarm. Wir sehen, dafs die meistens unversehrten Blutkörperchen éd) am Rande, gegen das Darmepithel zu, in einen körnigen Detritus übergehen, woraus man vielleicht auf eine Auflösung derselben schliefsen könnte. Aufser den Blutkörperchen und wenig Plasma finden sich im Darm noch cuticulare, gefaltete und zusammengeballte Membranen oul, die sich ziemlich stark färben und bei stärkerer Vergröfserung fein punktiert erscheinen. Über ihre Herkunft ver- mag ich nichts sicheres anzugeben, sondern kann höchstens zwei Vermutungen aussprechen.

Erstens ist es denkbar, dafs es losgelöste Cuticularsäume des Darmes sind, dann aber könnten wir in ihnen die abgeworfenen Eihäute vor uns sehen, die mit der Flüssigkeit vom Tier verschluckt sind und unverdaut gewissermafsen als »Meconium« zu- rückblieben. Es ıst schon den älteren Beobachtern aufgefallen, dafs von den Eihüllen bald nach dem Ausschlüpfen der Embryonen jede Spur verschwindet, woraus Forch- hammer schliefst, dafs sie resorbiert würden. Ob wir in diesen Häuten aber wirklich ihre Reste erblicken, vermag ich nicht zu entscheiden, da ich die Struktur der reifen Eihaut nicht kenne. Die Darmwand, die in Figur 84 etwas vergröfsert im Querschnitt darge- stellt wird, zeigt unter ihrem Peritonealepithel roi eine Schicht von Längs- (/) und Quer- muskeln roi, auf welche eine bindegewebeartige Schicht folgt, die von vielen Ge- fäfsen, wahrscheinlich gröfstenteils Lymphgefafsen, durchsetzt ist. Diese ragt papillen- artig in jede Darmzotte hinein. Das Darmepithel (cf) selbst ist sehr hoch und zeigt lange Kerne; vielfach findet man Vacuolen in ihnen, vor allem an der dem Darm- lumen zugewandten Seite. In der Magengegend ist die Ringmuskulatur sehr stark ausgebildet; das Epithel zeigt eine gröfsere Zahl von acinésen Drüsen, die im Grunde der Zotten ausmünden. Die Kerne des Darmepithels sind hier einfach elliptisch und haben nicht die eigentümliche Bandform, wie weiter abwärts im Darm.

Aufser dem schon erwähnten Inhalt fand ich im Darm stellenweise, vom Magen bis in die unteren Partien des Enddarmes, einzelne Ballen von in Zerfall begriffenen Zellen. Die ziemlich anschnlichen Ballen oder Propfen konnten in allen Teilen des Darmes nachgewiesen werden und es machte mir den Eindruck, als ob sie als unverdau- liche Masse den Darm passierten. Aus Blutkörperchen sind sie wohl kaum hervorge- gangen, da ich in ihnen nie Reste derselben nachweisen konnte; ihre Herkunft habe ich nicht ermitteln können. Auch diese Massen könnte man wohl als »Kindspech« (Me- conium) bezeichnen. |

Der Enddarm ist bei den Embryonen, wie bereits oben erwähnt wurde und wie alle Beobachter angeben, aufscrordentlich grofs. Er füllt den gröfsten Teil des durch

40 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

ihn aufgetriebenen Abdomens an. In sein Inneres springen, wie Fig. 4 und 7 zeigen, eine Menge von radiären und sich verästelnden Lamellen bis ins Zentrum vor. Schon aus dieser auffallenden Gröfse darf man auf eine wichtige Funktion desselben im Em- bryo schliefsen. Diese Annahme wird noch bestärkt, wenn man bedenkt, dafs bei einem I4tagigen Tierchen der Enddarm sich um ein ganz bedeutendes verkleinert hat. Man erstaunt nun sehr, dafs man in ihm aufser etwas Detritus und den erwähnten »un- verdauten« Massen nichts mehr von den Blutkörperchen des Mitteldarmes findet, die dort fast unverändert liegen. Wenn man ein Stück der Lamellen auf dem Querschnitt bei stärkerer Vergröfserung betrachtet, so sieht man dieselben Muskelschichten wie im Mitteldarm, und auch die Lymphgefäfsschicht setzt sich in jede Lamelle hinein fort (Fig. 85 g). Das Darmepithel fällt durch seinen aufserordentlichen Reichtum an Vacuolen auf (ep) und zeigt an seiner freien Oberfläche einen Cuticularsaum (cu). Ich glaube, dafs der ungemeine Vacuolenreichtum darauf hindeutet, dafs wir es hier mit einem resor- bierenden Epithel zu thun haben. Es ist mir höchst wahrscheinlich geworden, dafs die Blutmassen des Mitteldarns erst hier im Enddarm verdaut und aufgenommen werden, und zwar sehr rasch (oder auch periodenweise), so dafs man deshalb immer nur wenig Detritusreste in demselben findet (Fig. 85 æ). Dazu kommt noch, dafs man am frisch geöffneten Embryo auf der Aufsenfläche des Enddarms ein sehr reiches Gefäfsnetz er- blickt, welches auch wohl auf hier stattfindenden regen Stoffwechsel schliefsen läfst. Das Serum wird also wahrscheinlich im Mitteldarm resorbiert, während die Blutkörper- chen anscheinend zum grössten Teil erst im Enddarım verdaut werden.

Um nun über den Nährwert des Serums, das doch den bei weitem gröfsten Teil der Ovarialfliissigkeit ausmacht, mir eine Vorstellung zu machen, prüfte ich dasselbe auf seine Figenschaften.

Die Ovarialflüssigkeit stellt eine trübe, etwas opalescierende Flüssigkeit von schmutziger, schwach gelblich-roter Farbe dar und ist tropfbar flüssig, nicht faden- ziehend. In eine Glasröhre gefüllt, setzt sich aus einer 20 cm hohen Flüssigkeitssäule nach einiger Zeit 1 cm hoch ein schmutziger, rötlicher Bodensatz ab, der fast ausschliefslich aus Blutkörperchen besteht, das darüber stehende Serum ist milchig-triibe. Beim ruhigen Stehenlassen der Flüssigkeit tritt keine Gerinnung ein, es wird also kein Fibrin gebildet, was auf den Mangel oder die Veränderung einer der beiden fibrinbildenden Substanzen des Blutes vermuten läfst. Ob dies aber die fibrinogene oder fibrinoplastische Substanz ist, bleibt natürlich unentschieden.

Beim Erwärmen der Flüssigkeit auf 60° C. entstand eine weifsliche Trübung, die sich bei 100° zu einem starken Niederschlag steigerte, die Gesamtfarbe der Flüssigkeit war jetzt etwas grünlich. Salpetersäurezusatz erzeugte eine leichte Trübung, die sich beim Erwärmen in einen starken, käsigen Niederschlag verwandelte. Ein geringer Zusatz von Essigsäure erzeugte ebenfalls Trübung und Niederschlag, der sich in Überschufs löste. Beim Eindampfen auf dem Objektträger bildeten sich lange Kristallnadeln, die wohl von den in der Flüssigkeit enthaltenen Salzen herrühren mochten. Die Murexid- probe auf Harnsäure gelang mir nicht.

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. Al

Mein Freund, Herr cand. phil. Schäffer, war so gut, die Flüssigkeit auf ihren Fiweifsgehalt zu prüfen. Er fällte das Kiweifs durch wenig Essigsäure inklusive die Blutkörperchen aus und wägte nach dem Trocknen. Das Ergebnis war ein Gehalt von 2,3°/o Eiweifs. Es war sehr schwer, bei der geringen Menge von Material zu einem genauen Resultat zu kommen, so dafs der Kiweifsgehalt nur als ein annähernder zu be- trachten ist. Harnstoff und Harnsäure waren nicht nachweisbar und wenn überhaupt, jedenfalls nur in Spuren vorhanden. |

Ich glaube nach diesen Beobachtungen sagen zu können, dafs das Serum einen ziemlich starken Gehalt an Albuminaten hat und dafs aufserdem noch Salze in ihm vor- handen sind, so dafs man wohl annehmen darf, dafs die Ovarialfliissigkeit zur Er- nährung des Embryos geeignet ist.

Nun aber die Atmung? Der Embryo hat ausgebildete Kiemen, durch die ein Gasaustausch zwischen seinem Blut und der Ovarialfliissigkeit stattfinden könnte und auch die zarte Körperhaut könnte an diesem Prozefs teilnehmen. Es ist denkbar, dafs eine gewisse Respiration auf diesem Wege erfolgt, aber ich wage nicht mir vorzustellen, dafs so dem Embryo der nötige Sauerstoff zugebracht werden kann. Wenn man in Betracht zieht, dafs auf jeden Embryo nur 16—17 Milligramm Flüssigkeit kommt, so darf man wohl kaum annehmen, dafs eine Kiemenatmung des Tieres in dieser minimalen Flüssig- keitsmenge möglich ist, wenn nicht ein äufserst reger Wechsel stattfindet; dieser ist zwar für die zur Zeit peripher gelagerten Embryonen denkbar, indem durch Diffusion fort- während neue Flüssigkeit und mit ihr Sauerstoff aus dem Blut der Mutter heraustritt; bis aber die sauerstoffreiche Flüssigkeit zu den zentral gelagerten Embryonen gelangt, wird es immerhin eine ganze Weile dauern und die gröfste Menge von Sauerstoff wird von den peripheren Tieren verbraucht werden. Es ist aber doch anzunehmen, dafs bei den offenbar höchst langsamen Lageveränderungen der Embryonen im Ovarium die zen- tralen ein ebenso grofses Sauerstoffbedürfnis haben, als die peripheren. Die Kiemen, sowie die Körperhaut können demnach wohl nur in geringem Mafse aus dem Serum Sauerstoff aufnehmen.

Wie löst sich nun die Frage nach der Atmung der Embryonen? Ich glaube, dafs wir als Träger des Sauerstoffs nicht das Plasma der ÖOvarialflüssiskeit ansusehen haben, sondern in bei weitem höherem Grade die darin enthaltenen roten Blutkörperchen, wie dies ja auch im Blute der Fall ist. Wie wir gesehen haben, verschlucken die Em- bryonen mit der Ovartalfliissickeit eine Menge von Blutkörperchen, die sich im Darm anhaufen; xz? ihnen nehmen sic aktiv Sauerstoff auf.) Es wird dann der an die Blut- körperchen gebundene Sauerstoff langsam von dem Korpergewebe und zwar offenbar su- erst vom Darm aufgenommen werden. Wenn nun alle Embryonen genügende Mengen von Flüssigkeit bekommen können, so werden sie auch mit derselben den Sauerstoff in Gestalt von roten Blutkörperchen aufnehmen. Diese letzteren werden nicht von den

TI Vielleicht in Gestalt von Oxyhaemoglobin, das allerdings unverändert durch Verdauungssekrete sein mufs, um noch im stande zu sein, seinen Sauerstoff an die Gewebe abzugeben.

42 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

peripher gelegenen Fischchen aus der Flüssigkeit herausgelesen, sondern der Gchalt an Blutkörperchen wird überall ein annähernd gleicher sein. Selbst aber, wenn derselbe un- gleich wäre, so brauchten die Tierchen nur etwas mehr Flüssigkeit zu schlucken, um ihrem Sauerstoffbedürfnis zu genügen.

So scheint mir die Physiologie der Atmung in grofsen Zügen verständlich zu sein. Es fragt sich nun, in welchen Teilen des Darmes die Atmung hauptsächlich vor sich geht. Ein gewisser Gasaustausch wird voraussichtlich an seiner ganzen inneren Oberfläche stattfinden; es ist jedoch auffallend, dafs die grofse Masse der Blutkörperchen den Mitteldarm anscheinend unverändert passiert, während dort das Serum resorbiert wird. Die Blutkörperchen reichen bis an den Enddarm, wo sie plötzlich verschwinden und voraussichtlich aufgebraucht werden. Es ist nun wahrscheinlich, wenngleich ich dies nur als Vermutung hinstellen möchte, dafs hier im Enddarm hauptsächlich die Atmung vor sich geht. Sehr spricht auch noch für diese Hypothese, dafs der so äufserst kompliziert gebaute Enddarm sehr blutreich ist. Physiologische Experimente anzustellen, ist hier mit grofsen Schwierigkeiten verbunden, wenn nicht unmöglich.

Wir hätten demnach bei Zoarces eine Ernährung der Frucht durch Uerinmilch vor uns, ähnlich wie dies Rauber!) und Bonnet?) für das Säugetierei vor seiner Verbindung mit der Mutter annehmen, mit dem Unterschied, dafs die Uterinmilch beim Säugetier nur weifse Blutkörperchen enthält und auch wohl kaum rote Blutkörperchen zur Atmung des Embryos nötig hat, da derselbe rings von Flüssigkeit umgeben, der gefäfsreichen Uteruswand dicht anliegt. Nach Tafani, ) der allerdings den Uterusinhalt verschiedener Tiere nach gebildeter Placenta untersuchte, soll die Uterinmilch aus Zellen des Placentar- epithels oder des Epithels der Uterindrüsen bestehen, deren Kerne chromatolytisch dege- nerieren. Vielleicht dürfte diese Differenz sich aus der verschiedenen Zeit der Unter- suchung erklären. Jedenfalls aber ist bei Zoarces die »Uterinmilch« ganz anderer Art. Sie enthält keine fettig- oder anderweitig degenerierte Zellen, sondern unveränderte Blut- zellen beiderlei Form. Ob bei den Sa/amander-Arten die intrauterine Ernährung der Embryonen auch durch Blutkörperchen vermittelt wird, ist mir nicht bekannt.

Zweifellos ist nun die erwähnte Flüssigkeit ein Produkt der Wand des Ova- riums. Schon Forchhammer nimmt dies in seiner Dissertation an (pg. 4) »quam (Flüssig- keit) ad interioriorem ovarii superficiem appendices villosae et quasi utriculi, multis sanguiferis vasis praediti tanto copiosius decernunt, quo magis foetus crescunt .... und ebenso sagt Rathke (pg. 8): »Um die Zeit, da sich dze Zier von den Wänden des Eierstocks abzulösen beginnen, sondert die innere Fläche jener Wände eine klare, etwas opalisierende und etwas dickliche Flüssigkeit ab.« Wie aber gelangen nun die Blut-

1) A. Rauber, Über den Ursprung der Milch und die Ernährung der Frucht im Allgemeinen. I.pz. 1879.

> Bonnet, Die Uteriusmilch und ihre Bedeutung für die Frucht, in: Beiträge zur Biologie. Festschrift für Bischoff 1882. g

3) Al. Tafani, Sulle condizioni uteroplacentari della vita fetale in: Estratto dei publicazioni del R. Instituto di studi superiori pratice et di perfezionamento in Firenze XVII. 1886, zitiert nach dem Referat von W. Arause in: biolog. Centralblatt Bd. VI pg. 613. 1886.

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 43

körperchen in die Höhlung des Ovariums? Durch Injektionsversuche konnte ich fest- stellen, dafs keine Diskontinuität im Gefäfsverlauf vorhanden ist. Ein Austritt der weifsen Blutkörperchen aus den Gefäfsen ist eine im Tierreich so allgemeine Erscheinung, dafs wir darin nichts Wunderbares zu erblicken haben, aber ein Durchtritt von roten Blutzellen durch die Gefäfswandung hat gewöhnlich in pathologischen Vorgängen seinen Grund und läfst zwei Annahmen zu: 1) Das Ovarium befindet sich in dem Zustande einer Entzün- dung, für welche ja ein Austritt von Blutzellen aus Gefäfsen durch Diapedesis charak- teristisch ist. Mit den geformten Blutbestandteilen tritt stets auch Flüssigkeit aus, die gewöhnlich verhältnismäfsig ciweifsreich ist.') Allerdings trifft die Gerinnbarkeit des Exudats, die Zzeg/er angiebt, nicht für die »Uterinmilch« von Zoarces zu.*) 2) Bei einem Stauungstranssudat soll die austretende Flüssigkeit stets ärmer an Eiweifs als die Blut- flüssigkeit sein, was ja auch wohl für unser Zoarces-Serum stimmt, wenngleich die Unter- suchung ziemlich ungenau ist und ich das Zoarcesblut nicht auf seinen Gehalt von Eiweifs geprüft habe. Das Serum des Menschen soll ca. 8°/o Eiweifs enthalten. (Zandors, Phy- siologie). Nun, ob wir das Secret des Zoarces-Ovariums als oedematoeses Stauungs- transsudat oder als serocses, katarrhalisches Ioxsudat bezeichnen wollen, jedenfalls haben wir in seiner Bildung einen Vorgang vor uns, der gewöhnlich ein pathalogischer ist, hier aber physiologisch wurde. Die enorme Hyperaemie der Wände des Ovariums spricht auch für eine Art von entzündlichem Zustand.

Ein Auswandern der Blutkörperchen aus den Gefässen konnte ich an den leben- den Ovarien curarisierter Tiere nicht sehen. Es ist diese Beobachtung mit grofsen Schwierigkeiten verbunden, besonders da aufserhalb der Gefäfse in der Untersuchungs- flüssigkeit sich viel Blut befindet, und da aufserdem die Gefäfse sehr dicht gedrängt liegen. Die Auswanderung bei derartig behandelten Ovarien wäre auch nicht beweisend, da durch den Reiz ad Aoc eine Entzündung hervorgerufen sein könnte. Auf Schnitten konnte ich jedoch bisweilen, wenn auch selten, fremde Kerne im Epithel liegen schen, nämlich an der »Delle« des Kifollikels. Figur 87 stellt einen solchen Schnitt dar, in dem ich die Kerne bei @ als durchwandernde Blutkörperchen deuten möchte.

Man könnte sich sehr wohl vorstellen, dafs durch die Lier, die gewissermafsen als Fremdkörper wirkten, die Wandung des Ovariums gereizt wurde und so in eine chronische, katarrhalische Entzündung geriet, resp. dafs durch den Reiz ein Stauungs- transsudat erzeugt wurde. Da das Iixsudat den Embryonen nützlich war, so ward durch Selektion der Entzündungsprozefs im Laufe der Artgeschichte gesteigert und so allmäh- lich zu einem charakteristischen Merkmal der Art. Dafs die Entzündung bei jeder Trächtigkeit aufs neue hervorgerufen würde, kann man wohl kaum annehmen, da die Hyperaemie des Ovariums schon vor der Loslosung der Lier vorhanden ist und auch

1) Ziegler, Lehrbuch der pathalog. Anatomie 4. Aufl. 1885. pg. 126, 138.

2) Eine Gerinnung tritt allerdings ein, wenn die Flüssigkeit noch zwischen den Embryonen im Ova- rium sich befindet und diese absterben. Doch weifs ich nicht, ob nicht dabei der Schleim der Fischchen eine Rolle mitspielt.

44 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

nach Rathkes Angaben um die Zeit der Loslösung der ersten Fier schon eine gewifse Menge von Flüssigkeit vorhanden ist.

Ganz alleinstehend scheint mir die Erscheinung am Zvarces-Ovarium nicht zu sein; man wird auch in gewissem Sinne den Uterus der Säugeticre während der Schwanger- schaft als im Zustand einer »physiologischen Entzündung« oder doch starken Hyperaemie befindlich bezeichnen können und auch während der Menstruation treten ähnliche Vor- gänge auf. Überhaupt lassen sich die Grenzen zwischen pathologischer und physiologischer Funktion kaum zichen.

Es bliebe nun noch übrig, in der Iörnährungs-Physiologie des Embryos die Ausscheidung zu betrachten, die mir jedoch am unklarsten geblicben ist. Facces werden augenscheinlich nicht gebildet, wenn man nicht die oben erwähnten Häute und Propfen als solche auffassen möchte. Doch scheinen mir dies in den Darm gelangte, unverdau- liche Stoffe zu sein und nicht Reste der Nahrung im cigentlichen Sinne. Ich glaube, dafs wir bei den Embryonen von Zoarces eine Erscheinung vor uns haben, wie sie von den Larven der Ameisenlöwen und Bienen, sowie von den meisten Parasiten bekannt ist, dafs nämlich alle aufgenommene Nahrungsmasse ohne Faeces-Riickstand assimiliert wird. Wo die Abscheidung der Kohlensäure geschieht, kann ich nicht angeben, vielleicht findet sie an den Kiemen, vielleicht im Enddarm oder auch an der Gesamtoberfläche des Körpers statt. Träger der Kohlensäure wird wohl das Flüssigkeitsserum sein, welches sie, wie im Blut, voraussichtlich an die Salze gebunden enthält. An der Wandung des Ovariums wie der Zotten wird wohl cin Gasaustausch zur Abgabe der CO: an das Blut der Mutter stattfinden. |

Über die Harnsckretion vermag ich ebenfalls keine Angaben zu machen; Harn- stoff und Harnsäure konnte zwar nicht in der minimalen Flüssigkeitsmenge, die zur Untersuchung kam (ca. 7 cbem) nachgewiesen werden, was jedoch nicht auf ihr Fehlen schliefsen läfst. Jedenfalls ist in der Harnblase immer etwas Flüssigkeit enthalten, wenn ich dieselbe auch bedeutend weniger prall gefüllt fand, als bei 14 Tage alten Fischchen.

Der Gesamtstoffwechsel der Embryonen scheint (wohl erst nach Resorption des Dottersackes) sehr langsam vor sich zu gehen. Vom 1g. November an, wo die Länge der Embryonen 34—38 mm betrug, bis zum Ende Februar, wo sie 44—57 mm lang waren, ist die Gröfsenzunahme doch nur eine verhältnismäfsig geringe zu nennen (10— 19 mm in 3!/2 Monaten) besonders wenn man bedenkt, dafs während dieser ganzen Zeit die verschiedenen Organe sich beinahe völlig in dem Zustande befinden, den wir beim ausschlüpfenden Tiere vor uns sehen.

Die Geburt der Tiere erfolgt zu schr verschiedenen Zeiten, ich erhielt ein Weib chen, das bereits geworfen hatte, schon am 7. Dezember und fand Ende Februar noch cine grofse Anzahl der Tiere trächtig. Hauptsächlich scheint die Zeit des Ausstofsens der Embryonen von Jitte Januar bis Ende Februar zu sein. JJ Schmidt!) berichtet

D M. Schmidt, Aufzucht junger Aalmuttern im Aquarium, in: Zool. Garten Bd. 23. 1882. pg. 67.

F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter. 45

uns, dafs die Jungen sogar erst im April und Mai zur Welt kamen. Es ist möglich, dafs die Zeit der Geburt auch variiert nach dem Standort der betreffenden Exemplare.

An mehreren Stellen findet sich die Angabe, ‘dafs die Embryonen im Sommer zur Welt kämen. So schreibt Zudwzie in der neuesten Auflage von Leunis Synopsis, dafs die Geburt im Juni stattfiinde, und Benecke’) ist sie sogar erst im August zur Welt .kommen; auch J/oebius und Z/cincke?) berichten, dafs sie, wenn auch vereinzelt, im Juli und den darauffolgenden Monaten reife Imbryonen im Ovarium fanden.

Es ist diese Differenz der Angaben nur dadurch zu erklären, dafs thatsächlich je nach den Orten cine bedeutende Verschiedenheit in der Zeit der Geburt existiert, (was ja nicht ausgeschlossen ist) oder es findet thatsächlich zweimal im Jahr cine Trächtigkeit statt (vielleicht der Weibchen, die im Winter nicht trächtig waren). Ich möchte dies jedoch nur mit äufserster Reserve annehmen, da auch die Berichte der alten Autoren widersprechend lauten und die Ilauptuntersucher (Zorchhammer und Rathke) nichts davon erwähnen. Schonevelde”) läfst die Jungen im Sommer zur Welt kommen, Deck *) gibt den Herbst, Zennant”) den Winter und Wellughéy*) das Frühjahr an. Zrorchhammer und Rathke, von denen ersterer in Kiel, letzterer in Danzig ein ganzes resp. mehrere Jahre hindurch die Entwickelung verfolgten, stimmen in der Angabe von Januar bis März oder April überein, was ja auch meinen Beobachtungen völlig entspricht. Immerhin aber dürfte es von Interesse sein, wenn von möglichst verschiedenen Gegenden Angaben ge- sammelt würden.

Zur Zeit der höchsten Schwangerschaft ist der Bauch der Mutter ganz aufser- ordentlich angeschwollen und die Umgebung des Afters und Porus urogenitalis in Gestalt einer grofsen Papille hervorgetrieben (Fig. 14). Auf dieser pigmentlosen Hervorragung sind viele Blutgefäfse zu schen. Häufig beobachtete ich, dafs Ovarialzotten aus dem Porus urogenitalis heraushingen. In der Wand des Ovariums ist der Blutreichtum auf das äufserste gestiegen, besonders die Zotten erscheinen dunkel purpurrot. A/c. Intosh erwähnt auch die enorme Durchblutung kurz xac% der Ablage der Jungen.

Wenn man in diesem Stadium einen leichten Druck auf die Bauchdecken aus- übt, so treten die Jungen aus dem Porus urogenitalis heraus. Die meisten erscheinen mit dem Kopf zuerst, doch bemerkte ich fast ebensoviele »Steifs- und Querlagene; auch gelangten bisweilen mehrere Fischchen zu gleicher Zeit ans Tageslicht. Die Flüssig- keit, in welche die Embryonen eingehüllt sind, erleichtert das Herausgleiten "sehr. Ein frisch geborenes junges Fischchen ist in der Figur 87 abgebildet. Man sicht, dafs der Bauch (infolge des grofsen Enddarmes) sehr stark angeschwollen ist.

N B. Benecke, Fische, Fischerei und Fischzucht in Ost- und Westpreufsen. Königsb. 1881. pg. 81. D Moebius und ZZeincke, Die Fische der Ostsee.

9) Schonevelde, Ichtyologia. Hamburg 1624. pg. 61 (nach Bloch).

*) Beck, in: Schwedische Abhandlungen pg. 45. (nach Bloch).

5) Pennant, British Zoology. UL p. 211. (nach Boch),

ê) Willughby, Historia piscium. Oxoniae 1686. p. 123.

46 F. STUHLMANN, Ovarıum der Aalmutter.

Was nun die Kraft des Austreibens anlangt, so glaube ich, dafs zwei Faktoren sich dabei ergänzen: erstens die Bauchpresse und zweitens die Kontraktion des: Ova- riums selbst. Letztere kann man leicht an frisch herausgeschnittenen Ovarien konstatieren. Wenn man ein solches auf eine Glasplatte legt, so gleiten aus der Schnittöffnung am unteren Ende die Embryonen langsam heraus, während das Ovarıum selbst sich konstant zusammenzieht. Über die Ursache, die den Anstofs zur Austreibung der Embryonen bildet, kann man kaum eine Vermutung aussprechen.

Dafs neben den ausgebildeten Embryonen sich auch mehr oder weniger ver- kümmerte und mifsgebildete befinden, beobachtete schon Ratke. Ich zählte einmal bei 34 normalen Jungen 21 abortive, ein anderes Mal bei 299 50 abortive. Dieselben sind meistens oedematös aufgetrieben. Sie zeigten die Geschlechtsdrüsen auf demselben Ent- wickelungsstadium wie die normalen. Später zerfallen die Mifsbildungen, so dafs man kaum noch ihre Form konstatieren kann.

Wenn man die Jungen von frischen, lebens-kräftigen Weibchen herausschneidet und ins Wasser setzt, so sollen dieselben sofort davonschwimmen, wie mir übereinstim- mend von den Fischern versichert wurde. Leider habe ich selbst dies nie beobachtet. Ich bekam die Weibchen erst, nachdem sie einige Stunden an der Luft gelegen hatten und bei diesen lagen die befreiten Jungen zunächst wie tot da; erst nach einiger Zeit begannen die Atembewegungen und noch später fingen sie an zu schwimmen. Sogar die aus einer hartgefrorenen Mutter nach dem Auftauen herausgenommenen Jungen begannen nach ı Stunde Atembewegungen zu machen und waren später ebenso munter als die übrigen. Auch in der 15—16° C. warmen Stube lebten einige bald auf und zappelten auf dem Präparierteller umher. Is scheint also, dafs, obgleich die Weibchen noch lebten und mit dem Schwanze schlugen, doch irgend cin Vorgang im Ovarium resp. in der Ovarialflüssigkeit stattgefunden hat, durch den die Lebensfunktionen der Jungen beeinträchtigt wurden, vorausgesetzt dafs die Angabe der Fischer richtig ist. Wahrschein- lich ist der Grund in dem Sauerstoffmangel der gefangenen Tiere zu suchen. Einige Zeit nach dem Tode der Mutter sterben, wie auch Ratke beobachtete, die Jungen ebenfalls, wohl infolge einer Entmischung der Ovarialflüssigkeit. Die Jungen sind dann starr und die Flüssigkeit zwischen ihnen geronnen, besonders der Schleimüberzug an ihrer Oberfläche.

Die jungen Fische machten kurz nach der Geburt 32 ltembewegungen in der Minute in»S° C. kaltem Wasser, während ich bet 4 Wochen alten Tieren 40—50 zählte. In Wasser von 17° C. steigert sich die Zahl der Atembewegungen junger Tiere auf 70—78 per Minute; bei Erhöhung der Temperatur auf 19° C. finden sogar 80—88 Atemzüge statt, während ich unter diesen Umständen bei 4-wöchentlichen Tieren nur 60 zählte. Bis wie weit man, ohne den Tod der Tiere zu bewirken, die Temperatur steigern kann, habe ich nicht versucht, jedenfalls aber findet bei Temperaturerhöhung eine Beschleunigung der Atembewegungen statt, die dann den Eindruck eines hastigen Schnappens machen. Ob die Beschleunigung lediglich durch die Temperatur bedingt ist oder durch eine Austreibung der im Wasser absorbierten Gase, kann ich nicht angeben. Nach einiger Zeit ver- lieren die jungen Tierchen ıhren dicken Bauch infolge einer bedeutenden Volumenab-

F. STUHI.MANN, Ovarium der Aalmutter. 47

nahme des Enddarmes. Figur 88 stellt ein solches, etwa 1o—14 Tage altes Fischchen dar. Es war seit der Geburt kaum gewachsen, was wohl zum Teil auch dem Mangel einer passenden Nahrung zuzuschreiben ist.

Die kleinen, munteren und lebhaften Tierchen sind zuerst aufserordentlich durch- sichtig, so dafs man, besonders an ihren Schwanzflossen, die Blutzirkulation vorzüglich studieren kann. Auf der Rückenflosse sieht man eine Reihe von, wahrscheinlich segmen- tal angeordneten, schwärzlich-braunen, länglichen Flecken (Fig. 87, 88). Die Grundfarbe der Tiere ist weifslich, fast hyalin. An dem Rücken und Schwanz zieht sich eine Reihe von rautenförmigen, dunklen Zeichnungen, ungefähr in Höhe der Linea lateralis entlang, die nach hinten immer kleiner und verwaschener werden. Aufserdem ist auf dem Scheitel und den Seiten des Kopfes eine braune Pigmentierung zu bemerken. Der Bauch ist, wie schon erwähnt, zuerst schr stark angeschwollen (Fig. 87), nimmt aber sehr bald an Um- fang ab (Fig. 88). Auch die grofsen, aus dem Kopfe etwas hervorragenden Augen ver- kleinern sich nach kurzer Zeit.

Im Aquarium halten sich die Tierchen meistens unter Steinen, Pflanzen und ähnlichen Dingen versteckt, wo sie wohl instinktiv Schutz suchen, auch wenn gar keine Feinde in dem Gefäfse vorhanden sind. Nach Je. /ntosh fallen sie leicht allen möglichen Fischen und sogar ihren eigenen Eltern zur Beute.

Wie wir sehen, weicht der Bau des Ovariums von Zoarces und die Ernährung der Embryonen in (demselben ziemlich bedeutend von den andern viviparen Fischen ab.

Bei den lebendig gebärenden Haien findet die Ernährung in den Tuben durch die Dottersackplacenta statt. Das Ei der Cyprinodonten und Embrotocen entwickelt sich nach Cuvier et Valenctennes,') Duvernoy,?) Wyman,?) Agassis,‘) Girard,?) Blake,®) Ryder,*),*) Fehring®) und andern zunerhalb des sehr blutreichen Follikels. Es wird bei diesen also eine ausreichende Ernährung für jedes einzelne sich entwickelnde Ei statt- finden können durch einfache Diffusion aus dem Blute.

Sehr interessant ist nun, dafs wir auch bei einem nahen Verwandten des Zoarces, nämlich C/inzs, eine ähnliche Ernährung der Jungen in den Follikeln mit grofser Wahr- scheinlichkeit annehmen müssen. Wenigstens geben Cuter et Valenciennes) von Clinus

1) Cuvier et Valenciennes, Histoire naturelle des poissons vol. 18. 1846. (Anablebs).

2) Duvernoy, Observations pour servir à la connaissance du développement de la poecile de Surinam (Poecilia surinamensis) in: Ann. des Sc. Nat. Zoolog. ser. III. T. I. 1844.

8) F. Wyman, Observations on the development of Anablabs Grovenii in: Bost. Journ. of nat. hist. vol. VI. 1850 57.

*) Agassiz, in: American Journal of Science vol. 16. 2. Ser. 1853. (Embiotoca).

5) Girard, Explorations and Surveys for a Railroad from the Missisippi river to the Pacific Ocean, IV. Fishes. 1858. (Embiotoca).

©) Blake, on the nourishment of the foetus in the Embiotocoid Fishes in: Journ. of Anat. and Phys. vol. If. 1868. und in: Proceed. of Calif. Acad. of nat. Sc. III 1867.

1) Ryder, Structure and ovarian Incubation of Gambusia patruelis in: Americ. Naturalist. 1882.

®) Ryder, On the development of viviparous osseous Fishes, in: Journ. U. S. Nat. Mus. VIII. 1885.

"o Jehring, Zur Kenntnis der Gattung Girardinus, in: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 38. 1883.

1°) Cuvier et Valenciennes, Hist. nat. des poissons vol. XI. pg. 393.

48 F. STUHLMANN, Ovarium der Aalmutter.

anguillaris an, dafs die Eier sich in gesonderten Taschen (poches) befinden und ent- wickeln, die ich nur als Follikel deuten kann. Das Tier gehört den Gewässern des Kaps an. Aufser der Gattung C’/inus ist noch Cristiceps australis von Vandiemensland leben- dig gebärend.?) Schr wahrscheinlich wird sich die Zahl der viviparen Spezies in der Familie der Blenniiden noch vermehren lassen.

Fehring ist der Ansicht, dafs die Eigenschaft des Lebendiggebärens bei Goar, dinus entstanden sei, durch das Leben in seichten T.achen, die dem Austrocknen ausge- setzt sind. Er meint, die alten Fische könnten sich wahrscheinlich leichter in tiefere Stellen flüchten, wenn das Niveau des Wassers sinkt, als die zarten, schwächlichen Jungen. Von dieser Ursache kann natürlich bei den im Meere lebenden Zoarces nicht die Rede sein. Man könnte nun den Umstand in Betracht ziehen, dafs die Jungen aus den Eiern Ende September ausschlüpfen und fast den ganzen Winter, teilweise bis in den März und April hincin von der Mutter im Ovarium ernährt werden. Auf den ersten Blick könnte es hiernach scheinen, als ob die Intraovarialernährung der Embryonen den Zweck hätte, letztere vor den Schädlichkeiten des Winters zu schützen. Sehr zweifelhaft wird man aber an dieser Erklärung, wenn man bedenkt, dafs die oben erwähnten Ver- wandten des Zoarces ebenfalls vivipar sind, obgleich bei diesen in warmem Klima leben- den Tieren keine Erhaltung der Jungen während des Winters nötig ist. Es wäre jedoch auch denkbar und sogar wahrscheinlich, dafs die verschiedenen Spezies der Blenniiden unabhängig von einander die Fähigkeit des Lebendiggebarens erworben haben, d. h. dafs erst nach der Artenspaltung diese Eigenschaft sich zeigte; doch liefse sich hierüber erst eine Entscheidung treffen, wenn ein einigermafsen vollzähliges Beobachtungsmaterial in Bezug auf die anderen Gattungen vorläge, was jedoch nicht der Fall ist.

Ebenso wird. unsere oben ausgesprochene Vermutung sich als irrig erweisen, wenn wirklich bisweilen im August Junge zur Welt gebracht werden (s. oben).

Wahrscheinlich ist mir nur, dafs der Aufenthalt der Jungen im Ovarium nicht aus- schliefslich stattfindet, um einen höheren Grad der Entwickelung der zur Welt kommenden Tiere zu erzielen, da man in den drei Monaten, in denen ich die Tierchen beobachtete, kaum einen Fortschritt in der Entwickelung konstatieren kann. Auch sind im Dezember aus der Mutter entfernte Junge genau ebenso lebensfähig, wie die, welche erst Ende Februar

herausgeschnitten oder gedrückt wurden und zwar bei jedem Weibchen. Welches aber nun die Gefahr ist, vor der die Jungen im Innern der Mutter geschützt sind, oder welches sonst die Ursache des Lebendiggebärens ist, können wir nicht feststellen. Wir kennen

eben die Lebensverhaltnisse des Zoarces wie seiner Verwandten viel zu wenig, um uns ein Urteil über die Ursachen der Entwickelung der Jungen im Ovarium bilden zu können und müssen uns deshalb bescheiden und vor ciligen Erklärungsversuchen hüten.

Würzburg, Anfang Juli 1887.

") Cuvier et Valenciennes, Histoire nat. des poissons vol. XI. pg. 405.

Figurenerklärung.

Tafel I.

Bemerkung:

Die Figuren wurden zum gröfsten Teil mit Hilfe der Camera lucida entworfen.

Die Vergröfserungen wurden nach einem Seidertschen Mikroskop für die Tischplatte, auf der gezeichnet wurde, berechnet; so dafs 28 = Obj. 00. Oc. o, 55 = Obj. I. Oc. o, 125 = Obj. III. Of. o 365 = Obj. V. Oc. o und 650 = hom. Immers. !/ız Oc. o ist. Aus technischen Rück-

sichten mufsten einige Figuren (54. 55. 69.) von ihrem Platz auf Tafel III, wohin sie ihrer Nummer nach gehörten, entfernt und auf Tafel IV gestellt werden.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

. 1. Bauchhöhlenorgane des reifen Embryos nach Fortpräparieren des Darmes. Ov—

Ovarium. Z4ö/—-Harnblase. zes —mesovarium. Vergr. ca. 3. 2. Situs viscerum eines reifen Embryos. /— Leber La—Enddarm. Md— Mitteldarm.

. 3. Dasselbe mit an die Seite gelegtem Darm. »—Milz. Ov—Ovar. H6/— Harn-

blase. Nat. Gr.

4. Querschnitt durch das Abdomen des Embryos in Höhe des Enddarms (Ze). Med Rückenmark. Ch—Chorda. Ao— Aorta. Ven —Nierenvene. Or -— Ovarium. Mes Mesenterium. M—Niere. Vergr. ca. IO.

. 5 u. 6. Zwei Querschnitte durch dasselbe Tier weiter nach hinten. U Urcteren.

Urt Ureter. a— After. Vergr. ca. 10.

. 7. Schema der Abdominalorgane des reifen Embryos. . 8. Querschnitt durch das Ovarium eines Embryos. ae zg mesoverium. mes MC-

senterium. 5—-Peritonealhülle; Sublimat, Haematoxylin u. Pikrokarmin. Vergr. 125.

. 9. 10 Tage altes Fischchen. Bauchhöhe nach Entfernung des Dames, P. u Öff-

nung des Ureters. Vergr. ca. 3.

. 10. Ovarium des 10-tägigen Fischchens. Flemmings Lösung. Verger 27. g. II. Ovarium eines 20" cm langen, nulliparen Weibchens, ventral aufgeschlitzt.

10. VI. 1887. .Hbl— Harnblase. Od »Ovidukt«. Uret Einmündung des Ureters. Nat. Gr.

. 12. Schema der Abdominalorgane des nulliparen Weibchens. . 13. Abdominalorgane des trächtigen Weibchens, von der rechten Seite. Z Leber

G.bl Gallenblase. A Milz, auf der andern Seite des Mesenteriums gelegen. Art. mes Arteria mesenterica. ao— Die freigelegte Aorta descendens. v— [vena mesenterica. Ov—Ovarium. Mesov Mesovarium. Mes—Mesenterium. D Mitteldarm. H6/—-Harnblase. Zd Enddarm. A— After. P. u.g Porus urogenitalis. Urz— Ureter. Od— Ovidukt. (Durch die Bauchdecke durch, schimmernd gedacht.) 7/3 nat. Gr.

. 14. Genitalgegend eines hochträchtigen Weibchens. A— After. P.u. ¢— Porus uro-

genitalis. Etwa "= nat. Gr.

. 15. Querschnitt durch die Hoden (H) eines reifen Embryos. p Peritonealhülle.

mesor mesorchium. nes mesenterium. Vergr. 125.

. 16. Querschnitt durch den Anfang des Ovidukts eines nulliparen Weibchens. Vergr. 55. g. 17. Querschnitt durch das Ovarium eines Embryos vom 5. Dezember. Sublimat.

Pikrokarmin-Haematoxylin. - A Keimepithel. 7 Muscularis. ø Peritoneal- hülle. g— kleine Gefäfse. a —- unverändertes Epithel. d& entstehende Eier mit Follikelzellen. Vergr. 365.

18—20. Dasselbe, jedoch etwas weiter entwickelt. Vergr. 365.

21—25. Schnitte durch embryonale Ovarien. Flemmings Lösung. Safranin. a, 4, c,d, e, g sich entwickelnde Eier. f, fi, Je Follikelzellen. 5 Peritonealhülle. m Muscularis. a@— Dotterkerne. Vergr. 365.

26. Schnitt durch das Ovarium eines ıo-tägigen Tieres. Flemmings Lösung. Sa- franin. Die geschwärzten Kugeln vielleicht Kunstprodukte oder pathologisch. Vergr. 365.

Stuhlmann, Zoarces viviparus Tafi I

d

N GN M

P SEN a SER 3 S 2 H

E, eebe eege A = d e aer Ye thie ate NIR a Been Wer besa A

Tafel 11.

. 27. Querschnitt durch eine Keimstätte eines nulliparen Weibchens. Sublimat.

Haematoxylin. Vergr. 365.

. 28—31. Schnitte durch verschieden alte Eier nulliparer Weibchen. ad Dotterkern-

zone. Fig. 28—30 Vergr. 365. Fig. 31 Vergr. 125.

. 32. Keimbläschen auf dem Stadium von Fig. 31. g Kerngerüst. a— Raum, der

durch Schrumpfung entstanden ist. Vergr. 365.

. 33. Randzone von Fig. 31. Vergr. 365. . 34— 36. Ränder von Keimbläschen auf dem Stadium von Fig. 31 mit Protuberanzen.

Sublimat. Haematoxylin. Vergr. 365.

. 37. Ei in seinem Follikel. Peritonealschicht. a Muscularis. /— Lymph-

räume. a aufsere Gefafsschicht. $§-—/jinnere Gefafsschicht. j Gefäfsstiel. Gefafse in Entwickelung. Vergr. 55.

. 38. Follikel eines 18 cm langen, nulliparen Weibchens, in dem das Ei zu einem

körnigen Detritus (d) zerfallen ist. Verger 55.

. 39. Obere Partie, links vom Detritushaufen /d) der Fig. 38, stärker vergröfsert.

/— Lymphraum. e— Endothel desselben. g— Gefäfse im Querschnitt. ep Epithel der Zotte. x—an`das Endothel sich ansetzende Gefäfsanlagen. Vergr. 365.

g. 40—-44. Sich entwickelnde Gefäfse (Sprossung) aus den Eifollikeln und den Follikeln

der Abortiveier. Homog. Immers '/:2 Oc. o Verger, 650.

. 45. Keimbläschen eines Eies, in dem die Dotterkerne schon etwas in Auflösung

begriffen sind. Verger. 650.

. 46 u. 47. Verschwinden der »Dotterkernzone« und erstes Auftreten des Dotters.

Fig. 46 0,225 mm, Fig. 47 0,33 mm Drchm. Flemmings Lösung. Vergr. 125.

. 48 u. 49. Dotterbildung bei gröfseren Eiern. Vergr. 55. . 49a. Stück der Peripherie von Fig. 49, stark vergröfsert (650). s.r Zona radiata.

J Follikelepithel.

. 50. Keimbläschen eines Eies auf dem Stadium von Fig. 49, 52 u. 53. Sublimat.

Haematoxylin. Ein Teil der Nucleolen an das Kernnetz gewandert. Vergr. 365.

Abheandl dnatw. Vereins, Hamburg, Bd X, 1887.

Stuhlmann, Zoarces vivinarus Taf. I.

. $ ` . - s Sg «® o "mr me ees "ët "em mg gg dm sai

en ut eee ee rm P e E pr

"e es * E> en D

EN Ra:

af

game e:

$ EA Se N H > ; e x S r "e 4 wert d e in E Ba? HE

E NP a aT RS EE ETI PLE eg Er CE

WARS 7 d

wem mp Se ep e ro DEE wem pp rëm CS "CS. gg mm Re TRA wt va WEE vr men EEE ET rg eee mm a- GF m

Se "em mr eee TEE ee eg

re... ows. © w p mp eee mm eee oe eee oe D ai mmm ww WER |,

Leman dei. ith Arst Werner & Winter, Frankfurt M

Tafel III.

Fig.

Fig.

Fig.

~e.

Fig.

Fig.

Fig.

Fig.

. 51. Keimbläschen eines Eies in der Gröfse von Fig. 51 u. 53, vom trächtigen Weib-

chen. Alle Nucleolen am Kernnetz. Vergr. 365.

. 52. Ei im Follikel von einem 20 cm langen nulliparen Weibchen. a— Delle. d—

äufsere Gefafsschicht. c innere Gefäfsschicht. £— Follikelepithel. d—- Gefäfs- stiel. Z— Lymphraum. oz —Jjunges Ei. Gefäfse in Bildung. Vergr. 55.

ig. 53. Ein Ei im Follikel von ungefähr demselben Stadium wie Fig. 52, aber von

einem trächtigen Weibchen. Dezember 87. Gefäfse entwickelt. Vergr. 55.

. 54 u. 55 siehe Taf. IV. . 56. Innere Schicht (Gefäfsschicht) des Ovariums von der Fläche. Die Muscularis

ist nur angedeutet. 2 Keimstätte neben einem Ei. Vergr. 125.

57. Querschnitt durch die expandierte Wand eines trächtigen Ovariums. %#-— Keim- stätte neben einem gröfseren und einem kleineren Ei. «— gröfseres Gefäfs (Arterie). / Peritonealhiille. o Gefäfsschicht des Eierstocks. Vergr. 125.

58. Eine Keimstätte (4) aus einem andern Schnitt des trachtigen Ovariums, m: Muskel. ed Innenepithel des Ovariums. Vergr. 365.

59. Epithel der inneren Ovarialwand, ebenso auf den Zotten und Eifollikeln. Sil- berbehandlung. Vergr. 365.

. 60. Epithel am Pol der Eifollikel (in der Delle). Dasselbe ist nicht immer so klein.

Silber. Vergr. 365.

. 61. Stückchen der äufseren Zottenwand mit zwei anastomosierenden Gefafsästchen,

von der Fläche. Carminfärbung. Vergr. 365.

ig. 62. Endothel der Gefäfse der Zottenwand nach Silberfiirbung. Vergr. 365. ig. 63. Peritonealepithel nach Silberfärbung. Stellenweise sind die Zellen viel kleiner,

je nach der Dehnung. Die Muskelgrenzen sind in den oberflächlichen Schichten auch deutlich geschwärzt. Vergr. 365.

64. Endothel vom Lymphraume im Eifollikel. Vergr. 365.

65—67. Drei Querschnitte einer kleineren Zotte. ó —- aufsere Gefäfsschicht. c innerer Gefäfsknäuel. /— Lymphraum. a polare Einziehung, der Delle des Eies entsprechend. Vergr. 28.

68. Längsschnitt einer Zotte, die mit Lymphe erfüllt ist. x Narbengewebe. Sonst Bezeichnung wie Fig. 65—67. Vergr. 28.

69. siehe Tafel IV. |

70. Geronnene Lymphe aus der Zotte Fig. 68 mit Wanderzellen (Schnitt). Vergr. 365.

EE wa e

DH

„uun.....

t f

Sluhlmann, Zoarces viviparus Taf m

w S d - > ei d e we . ann , ET Ge Ca GZ Ze ? PET» NET E H N S SEET In EEE 3

e EN A s eh a e =

< 1 d )) = d d vi ` À AA Lan (AA eee ROM TR

D Ki

i AA ed ZS Pec, . en si Chr Ae \- wl

y et “' a eben. # oa p. $ MI * "Tt, ~ z S- Í `

ak RE |} i \ pa yur usg a et LE age a ti - N e SCH u Ti nr Weg dree "` ag E H NS” tet OO > ay T el A (gin EE EA aR é>, , ATE wës, AW SD Cay 22 ET Qh o ` N +E = =a dek be E =) Eee = 4 ` Et ats $ EURER =.) wf BEA, HCH al io Bal er: p Inao = E pe nr SCH Re ua : KA? = E ef P ew a y "e ` e "Zäite t3 sé" CH ex ES "An Me ex Hans Ref , sede mm >" LA 2 y e TE ie Zu MONET ATS

H vA WE CH x

EE e, =, e e SE dei T roan 8 f le gt Cn, ar ee Bos eget d eh /

S e P ers es ZS À -

: D > D e ~~ = Å. ë N Ru) Te a kd Ca vn em. o vw > Io KH d ` SES SN S E ? en Be A e en ? 7 x y + op L We = el WR dg EI i er EURE Tr ad Eed e =

Abhandl.d natw. Vereins, Hamburg, Bd X, 1887 we on ®

a j Stuhlmann de},

Lith AnstvWo nore’ Winter Pramkfert M

Tafel IV.

Fig. Fig.

Fig.

. 54 u. 55. Stücke der Innenfläche eines trächtigen Ovariums mit Zotten und Eiern.

Fig. 55 von der lateralen Wand eines expandierten Ovarıums, wo jedoch bis- weilen ebenso viel Zotten sind, wie in Fig. 54 abgebildet. Nat. Gr.

. 69. Partie aus dem Schnitte Fig. 68 Taf. III, an der Grenze zwischen Gefäfsknäuel

und Narbengewebe (z). Verger. 365.

. 71. Zotte in frischem Zustande, um die durchscheinenden zentralen Gefäfse zu

zeigen. Verger ca. 17⁄2.

ig. 72. Ein Eifollikel in frischem Zustande mit den neben der Delle (a) heraustretenden

Gefäfsen. Verger ca. 25.

. 73. Stück der Ovarialwand von aufsen, von der Aorta aus injiziert, die Injektions-

masse ist nicht bis in die Zotten hineingedrungen. a— Gegend, wo auf der andern Seite eine Zotte ist. Nat. Gr.

. 74. Stück der Ovarialwand von innen. Von der vena mesenterica aus injiziert.

bei s eine abgeschnittene gröfsere und eine kleine Zotte. Vergr. 2.

. 75. Eine von der arteria und vena mesenterica zugleich injizierte Zotte. @— po-

lare Einziehung. ¢— zentraler Gefäfsknäuel. d&—-äufsere Gefafsschicht. d— zuführender zentraler Arterienstiel. Etwas schematisiert. Die Vorderwand der Zotte entfernt. Vergr. ca. Io.

. 76. Venös injizierte Partie der Aufsenwand einer Zotte vom Stiel derselben. Vergr. 55. . 77. Dasselbe von dem oberen Pole. Vergr. 55. . 78. Stück einer Ovarialwand. 3—4 Monate nach der Geburt der Embryonen, am

Pol der Zotten kleine braune Punkte (Detritus). Nat. Gr.

. 79. Eine Zotte, 3—4 Monate nach der Geburt der Embryonen. Am Stiel der-

selben das Ei für die nächste Generation. Vergr. 4.

. 80. Zotte mit zerfallendem Ei (e), Februar 87. . 81. Eifollkel vom 5, August 1885, An der Spitze die Delle, am Stiele die »Keim-

stättee.. Durchmesser 2,1—2,5 mm. Vergr. 8.

. 82. Blutkörperchen aus der Ovarialfliissigkeit. Glycerin Pikrokarmin. Bei zo weifse Blutkörperchen, die andern rot, aufserdem keine Körnchen. Vergr. etwa 300. . 83. Längsschnitt durch den Mitteldarm dicht vor seiner Einmündung in den End-

"dam. p— Peritonealepithel. /— Langsmuskelschicht. g Ringmuskulatur. bl Blutkörperchen, mm chintinige Membran (ei Karminfärbung. Vergr. 125.

. 84. Querschnitt durch ein Stück des Darmes. ef Darmepithel. Vergr. 365.

Fig.

85. Querschnitt durch eine Lamelle des Enddarmes mit der Darmwand. g Ge- fafse (Lymphe). c#—-Cuticularsaum. d— Detritus, wohl Rest der Blutkörperchen. Haematoxylin. Vergr. 365.

86. Epithel in der Nähe der Delle eines Eifollikels im trächtigen Ovarium. Bei a wahrscheinlich durchtretende Wanderzellen. Vergr. 365.

87. Ein reifes Fischchen, kurz nach dem Ausschlüpfen. Der Bauch sehr an- geschwollen durch den Enddarm. Etwas mehr als nat. Gr.

88. Ein 10—14 Tage altes Fischchen, dessen Bauch durch Verkleirerung des End- darmes bedeutend geschrumpft ist. Etwas mehr als nat. Gr.

ro iT teee Fis AA A: `

=A AMET

d Le er th Anety Werzerk Worte; Frankfurt? Lith Ant Y

50. Jahresbericht

des Naturwissenschaftlichen Vereins in Hamburg. 1887.

z Mei der Berichterstattung über die Thätigkeit des Naturwissenschaftlichen Ver- $ eins während des 50. Jahres seines Bestehens haben wir an erster Stelle eine vo) schmerzliche Pflicht zu erfüllen. Am 4. März d. J. verstarb, obgleich im hohen Alter von fast 80 Jahren, so doch unerwartet, unser unvergefslicher Ehrenpräsident

Herr Bürgermeister Gustav Heinrich Kirchenpauer, jur. utr. et phil. Dr., Magnificenz.

Während einer langen Reihe von Jahren war der Verstorbene der treueste und wirk- samste Förderer und Pfleger aller naturwissenschaftlichen Bestrebungen unserer Stadt; eine nicht geringe Zahl unserer wissenschaftlichen Anstalten und Einrichtungen verdankt seiner warmen und verständnisvollen Initiative ihre Existenz und die Möglichkeit ihrer gedeihlichen Entwickelung. Der Naturwissenschaftliche Verein insbesondere, dem er fast von seinem Beginn an als thätiges Mitglied und seit dem Jahre 1881 als Ehren- präsident angehörte, dessen Arbeiten er bis zu seinem letzten Augenblicke mit regster Teilnahme verfolgte und dessen »Abhandlungen« zu wiederholten Malen von seiner selbständigen Forscher-Arbeit Zeugnis ablegten, ist ihm zum gröfsten Danke verpflichtet. Sein Andenken wird in unserem Vereine für immer unvergessen bleiben.

Der letztjährige Bericht über die Thätigkeit des Naturwissenschaftlichen Vereins schlofs mit Ende November 1886 ab; der vorliegende bezieht sich auf die Zeit bis Ende Oktober 1887. Während dieser, 11 Monate umfassenden Zeit wurden 36 Sitzungen ab- gehalten, über welche die weiter unten mitgeteilte Übersicht das Nähere ergiebt. Die Zahl der Mitglieder belief sich am 31. Oktober d. J. auf

| 223 ordentliche Mitglieder,

28 Ehren-Mitglieder und 21 korrespondierende Mitglieder.

so dafs die Gesamtzahl 272 Mitglieder betrug.

Aufserdem wurden in Anlafs der Feier des sojährigen Bestehens des Vereins in der Sitzung vom o November g weitere Ehrenmitglieder erwählt. Das Nähere ergiebt das untenfolgende Verzeichnis.

Der Rechnungsabschlufs des laufenden Jahres erfolgt erst Ende Dezember; am I. Januar d J. betrug das Vereinsvermögen 13 690 M.

Mitteilungen aus den Sıtzungen Dezember 1886 bis Ende Oktober 1887.

In den während dieses Zeitraumes abgehaltenen 36 Sitzungen fanden, von kleineren Mitteilungen abgeschen, über folgende Gegenstände Vorträge statt.

1886.

Dezbr. I. Herr Kapt. Schick: Über Salzgehalt, Temperatur und spezifisches Gewicht des Meerwassers.

» 8. Herr Prof. Dr. Sadebeck: Uber die sogen. Grasbäume Australiens und die von denselben gewonnenen Akaroidharze.

» 15. Herr Dr. R. Timm: 1) Über die Riickenaugen von Onchidien; 2) Uber die Häutungshaare der Reptilien; 3) Vermischte zoologische Mitteilungen.

» 22. (Demonstrationsabend). Herr C. A. Höft: Über abnorm gebildete Schädel. Herr Prof. Dr. Kraepelin: Über das Nest einer brasilianischen Polybia-Art mit Parasitenlarven (Trichoscelia myra petrella).

Herr C. Zimmermann: Über das Überwintern von Schmetterlingen und Raupen.

1887.

Januar 5. (Gemeinschaftliche Sitzung mit der Gruppe Hamburg-Altona der Deutschen anthropologischen Gesellschaft). Herr Prof. Dr. Rautenberg: Über Tiernamen und Tiere bei den Germanen und in der indogermanischen Urzeit. » 12. Herr Prof. Dr. Schubert: Mitteilungen über Kaiser - Wilhelmsland und den Bismarck-Archipel. | 19. Herr Dr. von Brunn: Uber den Flufsaal und seine Vermehrung. 26. (Generalversammlung, Erledigung der statutenmäfsigen Geschäfte, Neu- wahlen u. s. w.) | Febr. 2. Herr Geheimrat Prof. Dr. Neumayer: Über den gegenwärtigen Stand der erd- und kosmisch-magnetischen Forschung in Deutschland. 3 9. Herr Dir. Dr. Bolau: Über nordatlantische Finnwale.

Febr. 16.

April

23.

2.

16. . Kapt. Koldewey: Uber die Deviation des Kompasses in eisernen Schiffen.

30.

13. 20.

27.

4.

3

Herr Oberlehrer AAlborn: Über die Reflexion des Regenbogens im ruhigen Wasser. Herr Dr. W. Krüss: Über den Einflufs der Länge des Photometers auf das

‚Ergebnis der Messung.

Herr Dr. G. Pfeffer: Über Apparate zum Zeichnen zoologischer Gegenstände. » E Grimsehl: Über den gegenseitigen Einflufs zweier gleichgestimmter

Orgelpfeifen auf die Tonstärke.

(Gemeinschaftliche Sitzung mit der Gruppe Hamburg- Altona der Deutschen

anthropologischen Gesellschaft). |

Herr Dr. med. Krause: Uber die Eskimos und ihre Stellung im Racensystem. » Dr. C. Gottsche: Über Geothentis aus dem Neocom von Helgoland und

über einige Ammoniten aus den Kreideschichten von Gaboon.

Herr Dir. Dr. Voller: Über den gegenseitigen Einflufs mehrerer gleichartiger

Lichtquellen auf die photometrisch gemessene Lichtstärke.

Herr Dr. R. Timm: Über Ringelwürmer des süfsen Wassers.

(Demonstrationsabend). Herr Dr. Emil Wollwill: Uber die Eigenschaften und Gewinnung des Magnesiums. Herr Dr. Hugo Krüss: Demonstration von Magnesiumlampen etc.

» Prof. Dr. Kraepelin

» Dr. R. Timm ER zoologische Demonstrationen.

» stud. Schäffer Herr Dr. C. Gottsche: Neuere Untersuchungen über Erdbeben. Dr. Gerh. Krüss aus München (als Gast): Uber einige neuentdeckte chemische Elemente. | (Demonstrationsabend). Herr Dr. R. Timm: ) verschiedene zoologische

» Dir. Dr. Gen Demonstrationen.

(Gemeinschaftliche Sitzung mit der Gruppe Hamburg-Altona der Deutschen anthropologischen Gesellschaft). - Herr Hermann Strebel: Vorlage und Besprechung interessanter Funde aus Höhlen im Kalkgebirge Coahuila’s in Nord-Mexico. Herr Dir. Dr. Bolau: Über einige Erwerbungen des zoologischen Gartens: den Paradiesfisch, Macropodus venustus, und einen afrikanischen Riesenschlinger, Python Sebal, mit Eiern.

. Herr Dr. Michow: Demonstration des Linggschen Erdprofiles.

» Herr Dr. med. Kotelmann: Uber Darwinismus und Farbensinn.

. Dir. Dr. Voller: 1) Über das Hydrophon von Adolf Paris. 2) Uber Trans-

formatoren.

. (Demonstrationsabend.) Herr H. Strebel: Uber Coccus axin aus Mexico.

Herr Dr. Wahnschaff: Uber Gebirgspflanzen in der norddeutschen Tiefebene. » Dr. Pfeffer: Uber das Skelett eines Schiffshalters (Echineis). » Prof. Dr. Sadebeck: Uber den Krebs der Lärchenbäume.

Juni 8. » 5. » 22.

4

» Prof. Dr. Sadebeck: Über Pflanzenkrankheiten.

» Dr. C. Gottsche: Uber die geologischen Verhältnisse von Lüneburg.

» Dr. G. Pfeffer: Über Purpur und Purpurschnecken.

» Dr. Hugo Krüss: Über das Photometrieren von elektrischen Bogen- und Glühlampen. i

` Herr F. Dencker: Über Temperaturschichtungen in der Luft.

29

Septbr. 7.

14.

Oktbr. 5. = Mitteilungen. . Herr E. Grmsehl: Uber Entfernungsmesser.

(Demonstrationsabend’. Herr Dir. Dr. Bolau: Zoologische Demonstrationen.

Herr Dr. C. Gottsche: Mineralogische Demonstrationen.

Herr Oberlehrer AAlbdorn: Einige neuere physikalische Unterrichts-Apparate. » Prof. Dr. Kraepelin: Uber die geographische Verbreitung der Süfs-

wasserbryozoen.

(Gemeinschaftliche Sitzung mit der Gruppe Hamburg- Altona der Deutschen

anthropologischen Gesellschaft.) l

Herr Prof. Dr. Rautenberg: Über die Stammesangehörigkeit der Bewohner

Skandinaviens in den ältesten Zeiten.

Herr Dr. F. Stuhlmann: Über die Hensenschen Untersuchungen betr. die

Menge der »Urnahrung« (Plankton) im Meere.

. Herr Dr. G. Pfeffer: Über die Gliedmafsen der Krebstiere. . (Demonstrationsabend). Herr Dir. Dr. Bolau: Verschiedene zoologische De-

monstrationen. : | Herr H Strebel: Tierdarstellungen aus Alt-Mexico. » Dir. Dr. Wibel: Über ein rätselhaftes, fälschlich als Raseneisenerz an- gesehenes Fundstück. Herr Dir. Dr. Bolau: 1) Uber das Fingertier; 2) Verschiedene zoologische

» Dr. R. Timm: Uber den Bau der Muschelschalen. » Dir. Dr. Voller: Über die Hertzsche Beobachtung betr. die Einwirkung ultravioletten Lichtes auf elektrische Funkenentladungen.

. (Demonstrationsabend). Herr Dr. C. Gottsche: Eurypterus und Cystideen aus

dem Silur. Herr Dr. 7. Krüss: Polyéder-Kaleidoskope.

Verzeichnis der ın Austausch empfangenen Schriften. (November 1886 bis 10. November 1887).

(Wir bitten unsere geehrten Korrespondenten, dieses Verzeichnis gleichzeitig als Empfangsbescheinigung ansehen zu wollen, wo solche nicht schon separat gegeben wurde).

Amsterdam. Koninklijke Akademie van Wetenschapen. 1) Verhandelingen. 24. Deel, Afd. Natuurkunde. 2) Verslagen en Medeelingen, Afd. Natuurkunde. III. Reeks, II. Deel, 1886.

Koninklijk Zoologisch Genootschap. Natura Artis Magistra. Bijdragen tot de Dierkunde. 13. Afd. 4. Gedeelte.

Belfast. Natural History and Philosophical Society. Report and Proceedings for the season 1885/86.

Berlin. Botanischer Verein der Provinz Brandenburg. Verhandlungen. Jahrgang 27, 1886. Jahrgang 28, 1887.

Bern. Naturforschende Gesellschaft. Mitteilungen aus dem Jahre 1886. Nr. 1143-1168.

Bonn. Naturhistorischer Verein der preussischen Rheinlande und Westfalens. Ver- handlungen. 1886, 43. Jahrgang, 5. Folge: 3. Jahrgang, 2. Halfte. 1887, 44. Jahrgang, 5. Folge: 4. Jahrgang. |

Boston. Society of Natural History. 1) Proceedings 1886. Vol. XXIII, Part. II. 2) Memoirs. Vol. III, Nr. XII u. XIII.

Bremen. Naturwissenschaftlicher Verein. Abhandlungen. IX. Band, 4. Heft (Schluss). Beigeheftet der XXII. Jahresbericht.

Breslau. Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur. ı) Jahresbericht. No. 63, 1835. No. 64, 1886. 2) Ergänzungsheft zum 63. Jahresbericht. »Rhizodendron Oppoliense Göpp«. Beschrieben von Dr. K. Gustav Stenzel. 3) Ergänzungs- heft zum 64. Jahresbericht. »Zacharias Allerts Tagebuch aus dem Jahre 1672.« Herausgegeben von Dr. Julius Krebs. |

Brünn. Naturforscher-Verein. 1) XXIV. Band, Heft I. und II, 1885. 2) IV. Bericht der meteorologischen Commission.

Brüssel. Société Entomologique de Belgique. Annales. Tome XXX, 1886. L’Académie Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique. 1) Bulletins, 55™¢ année, 3m¢ Série, 1885. T. IX. u. X. Some année, T. XI. u. XII, 1886. 57™¢ année, T. XIII, 1887. 2) Mémoires Couronnés et Mémoires des Savants Etrangers. T. XLVI—XLXIII, 1886. 3) Mémoires Couronnés et autres Mémoires. T. XXXVII—XXXIX, 1886 4) Annuaire. 52™¢ année, 1886. 53m¢ année, 1887. 5) Catalogue des Livres de la Bibliothèque. I. Partie, 1881. | II. Partie, 1883, II. Partie, 1887. Budapest. Természetrajzi Füzetek. Vol. X, No. 4, 1886. Vol. XI, No. 1, 1887. Königlich Ungarische Naturwissenschaftliche Gesellschaft. 1) Nagyäag und seine Erzlagerstätten. 2) Die Meteorologischen Verhältnisse des Monats Mai in Ungarn. 3) Morphologisch-Physiologische Beiträge zur Kenntnis der Hexarthra Polyptera, Schem. 4) Die Secundären Eruptivgesteine des Persänyer Gebirges (Separat-Abdruck aus dem Földtain Közlöny. Band XVI, Heft 7—9). 5) A Kir. Magyar Termeszettudomänyi Tärsulat Könyveinek Czimjegyzeke. II. Füzet. 1877—1885. 6) A Magyar Birodalom Moh-Flöraja. 7) Chemische und mecha- nische Analyse ungarlandischer Thone mit Rücksicht auf ihre industrielle Ver- wendbarkeit. 8) Die Kurorte und Heilquellen Ungarns. 9) Urgeschichtliche Spuren in den Geräthen der ungarischen volkstümlichen Fischerei. 10) Mathematische und naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. II. und III. Band, 1884/85. Buenos Aires. Academia Nacional di Ciencias en Cordoba. Boletino. Tomo VIII, Entrega 42 Tomo IX, Entregas 1? 4? Buffalo. Society of Natural Sciences. Bulletin. Vol. V, No. 2. Cambridge (Mass). Museum of Comparative Zoology at Harvard College. 1) Bulletin. Vol. XII No. 6. Vol. XIII: No. 1—4. 2) Annual Report. 1885/86. Cassel. Verein für Naturkunde XXXII. u. XXXII. Band. Bericht über die Vereins- jahre vom ı8. April 1884 bis dahin 1886. Danzig. Naturforschende Gesellschaft. Schriften. Neue Folge, 6. Band, 4. Heft. Davenport (Jowa, U. S. A.). Academy of Natural Sciences. Vol. IV, 1882/84- Dorpat. Naturforscher Gesellschaft bei der Universität. Sitzungsberichte. VII. Band, II. Heft, 1885. VIII. Band, I. Heft, 1886. Archiv für die Naturkunde Liv-, Ehst- und Kurlands. I. Serie, IX. Band, 4. Liefg. Dublin. Royal Society. ı) Scientific Proceedings. Vol. V, Part. 3—6. 2) Scientific Transactions. Vol. III (Series I) XI—XII. Dresden. Naturwissenschaftliche Gesellschaft »Isis.« Sitzungsberichte und Abhandlungen. Jahrgang 1886, Juli bis Dezember. Jahrgang 1887. Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Jahresbericht. Septbr. 1886 bis April 1887. Elberfeld. Naturwissenschaftlicher Verein. Jahresbericht. Heft 7. Emden. Naturforschende Gesellschaft. 71. Jahresbericht, 1885/86, Erfurt. Königliche Akademie gemeinnütz. Wissenschaften. Jahresbericht. Neue Folge, Heft XV, 1887.

Florenz. Biblioteca Nazionale Centrale. Bolletino. 1886, Nr. 20—29. 1887, Nr. 30—43. R. Istituto di Studi Superiori Pratici e di Perfezionamento.

a) Sezione di Medicina e Chirurgia. 1) Archivio della Scuola d’Anatomia

Patologica. Volume II 2) Esegesi medico legale sul methodus Testifigandi.

b) Sezione di Scienze Fisiche e Naturali. 1) Osservazioni continue della Elettricità

atmosferica istitute a Firence. 2) Linee generali della Fisiologia del Cervelleto.

San Francisco (Californien). California Academy of Sciences. Bulletin. Vol. 2, No. 5, 1886. Vol. 2, No. 6, 1887.

Frankfurt a.M. Ärztlicher Verein. XXIX. Jahresbericht. Jahrgang 1885.

Senckenbergische naturforschende Gesellschaft. 1) Bericht. 1886 und von Juni 1886 bis Juni 1887. 2) Abhandlungen. 1886, 14. Band, Heft II u. II. Frankfurt a.O. Naturwissenschaftlicher Verein des Reg.-Bezirkes Frankfurt. 1) Monatl. l Mitteilungen. 4. Jahrgang Nr. 6—12. 5. Jahrgang Nr. 1—3. 2) »Societatum Litterae« 1887 Nr. 2—5.

Freiburg LB Naturforschende Gesellschaft. Berichte. 1. Band, 1886.

St. Gallen. Naturwissenschaftliche Gesellschaft. Bericht über die Thatigkeit während des Vereinsjahres 1884/85.

Genf. Société Helvétique des Sciences Naturelles. 1) Actes. Gong Session. 2. Compte- Rendu 1885/86.

Giefsen. Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. 25. Bericht.

Glasgow. Natural History Society. Proceedings & Transactions. Vol. I. (New Series) Part. III, 1885/86.

Görlitz. Oberlausitzische Gesellschaften der Wissenschaften. »Neues Lausitzisches Magazin« 1886, 26. Band, II. Heft. 63. Band, ı. Heft.

Göttingen. Mathematischer Verein an der Universität. Bericht über sein XXXVI. Semester. 1886/87.

Nachrichten von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften und der Georg- Augusts-Universität. Nr. 1—20, Jahr 1886.

Graz. Verein der Ärzte in Steiermark. Mitteilungen. XXIII. Band. Vereins-Jahr 1886.

Greifswald. Geographische Gesellschaft. Jahresbericht. 1882—83. I. Teil, 1883—84; II. Teil, 1883—86.

Güstrow. Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. Archiv. 1886, 40. Jahrgang.

Haarlem. Musée Teyler. Archives, Serie II, Vol. II, Partie IV, 1886. Fondation Teyler. Catalogue de la bibliothéque. III. Livraison: Zoologie, IV. Livraison: Botanique.

Halle a.S. »Leopoldina«. Heft XXII, 1886 Nr. 19—24. Heft XXIII 1887 Nr. 1—18.

Naturforschende Gesellschaft. ı) Sitzungsberichte. 1885 und 1886. 2) Abhand- lungen. XVI. Band, Heft 4.

Verein für Erdkunde. 1) Mitteilungen. 1886. 2) Inhalts-Verzeichnis der Bibliothek des Vereins, 1886,

Hamburg. Deutsche Seewarte. Monatsbericht. 1) Jahrgang XI, Januar 1886 bis Dezember 1886 nebst Vorwort und Index. 2) Januar 1887 bis Mai 1887. Verein für Naturwissenschaftliche Unterhaltung. Verhandlungen. VI. Band, 1883/85. Hanau. Wetterausche Gesellschaft für die gesamte Naturkunde. Berichte über den Zeitraum vom 1. April 1885 bis 31. März 1887. Helsingfors. Societas pro Fauna et Flora Fennica. 1) Meddelanden. Heft 12 u. 13, 1886. 2) Acta. Vol. II. 3) Beobachtungen über die periodischen Erschei- nungen des Pflanzenlebens in Finnland, 1883. Klagenfurt. Naturhistorisches Landes-Museum von Kärnten. 1) Jahrbuch. 18. Heft. 2) Bericht über die Wirksamkeit des naturhistorischen Landes-Museums im Jahre 1885. 3) Diagramme der magnetischen und meteorologischen Beobachtungen zu Klagenfurt. a) Witterungsjahr 1385, b) Witterungsjahr 1886. Klausenburg. Medic. Naturwiss. Sektion des Siebenbürgischen Museums - Vereins. Revue aus dem Inhalte der Naturwissenschaftlichen, Abteilung des: »Orvos- Termeszettudomänyi Ertesitö.« IX. Band, I u. II. Heft, 1887. Ä Königsberg. Physikalisch-Ökonomische Gesellschaft. Schriften. 26. Jahrgang, 1886. Kristiania. Den Norske Nordhavs-Expedition 1876—78. Nr. XV, II. Crustacea, G. O. Sars. II. Mollusca, Hermann Friele. Nr. XVII. Alcyonida. D. C. Danielsen. Nr. XVIIa und XVIIIb. Nordhavets Dyb., Temp. og Stream. H. Mohn. Udgivet af den norskeGradmaalings-Kommission. Vandstandsobservationer, IV. Hefte. Archiv for Mathematik og Naturvidenskab. XI. bind, 3 die og 4 de Hefte, 1886. XII. bind, ıste Hefte, 1887. Landshut (Bayern‘. Botanischer Verein. X. Bericht über die Vereinsjahre 1886—87. Lausanne. Société Murithienne, Bulletin. Années 1884—86. fasc. XIII—XV. Leipzig. Museum für Völkerkunde. Vierzehnter Bericht, 1886. Linz. Verein für Naturkunde in Österreich ob der Enns. 16. Jahres-Bericht, 1886, London, Meteorological Office. Observations of the International Polar Expeditions, 1882/83. The Royal Society. 1: Proceedings. Vol. XLI, Nr. 247—252. Vol. XLII, Nr. 253—257. 2) Philosophical Transactions. Vol. 177. Part. I. & II. 3) Fellows of the Society etc. 30. November 1886. Zoological Society. Proceedings of the Scientific Meetings. Part IV, 1886. St. Louis. Academy of Science. Transactions. Vol. IV, No. 4, 1878—86. Lund. Acta Universitatis Lundensis. Tom. XXII, 1885/86, Mathematik och Naturvetenskap. Lübeck. Naturhistorisches Museum. Jahresberichte. 1885 und 1886. Lüneburg. Naturwissenschaftlicher Verein für das Herzogthum Lüneburg. Jahres- hefte. Band X, 1885/87. Magdeburg. Naturwissenschaftlicher Verein. Jahresbericht und Abhandlungen, 1886. Minneapolis (Minnesota). The Geological and Natural History Survey of Minnesota. Annual Report. 1884, Vol. XIII. 1885, Vol. XIV.

9

Modena. Società dei Naturalisti. 1) Atti, Serie IH, Vol. II. 2) Memorie, Serie III, Vol. 5. Anno XX. Montreal (Canada). The Record of Science. Vol. II, Nr. 4—6, 1886. Moskau. Société Imperiale des Naturalistes. Bulletin. Année 1886, Nr. 2-4. 1887, Nr. 1-3. München. KB Akademie der Wissenschaften. 1) Sitzungsberichte der mathematisch- physikalischen Classe. Heft 2—3, 1886. Heft 1, 1887. 2) Abhandlungen. ı5. Band, III. Abt., 1886. ı6. Band, I. Abt., 1887. 3) Gedächtnisrede auf Carl Theodor v. Siebold. Gehalten in der öffentlichen Sitzung der K. B. Akademie der Wissenschaften zur Feier ihres 127. Stiftungstages am 29. März 1886 von. R. Hertwig. 4) Gedächtnisrede auf Joseph von Frauenhofer zur Feier seines hundertsten Geburtstags von Carl Max von Bauernfeind. Münster (JW Westfälischer Provinzial-Verein für Wissenschaft und Kunst. 14. Jahres- bericht, 1885. Nancy. Société des Sciences. Bulletin. Serie II, Tome VIII, fascicule XIX, 19. Annee, 1886. Neapel. Zoologische Station. Mitteilungen, VII. Band, Heft I& I. New-Haven Connecticut Academy of Arts and Sciences. Transactions. Vol. VIII, Part ı, 1886. New-York. American Museum of Natural History. 1) Bulletin. Vol. I, No. 8, 1886. Vol. II, No. 1, 1887. 2) Annual Report of the Trustees and List of Members, 1886/87. Academy of Sciences. 1) Annals. Vol. III, Nr. 11—12, 1886. 2) Transactions. Vol. V, Nr. 7—8, 1886. Nürnberg. Naturhistorische Gesellschaft. Jahresbericht nebst Abhandlungen. VIII. Band. Bog. 4 und 5a, 1886. Ottowa. Commission Géologique et d'Histoire Naturelle du Canada. Rapport Annuel. (Nouvelle Série) Volume I, 1885. (Beigeschlossen 2 Mappen mit Karten.) Paris. Revue Internationale de l'Electricité. 2. Année Nr. 17—30. 3. Année (Tome IV) Nr. 31—40. | Société Zoologique de France. Bulletin pour l'année 1886. Tome XI, 4—6 Parties. Tome XII, 1. Partie. Petersburg. L’Académie Imperiale des Sciences. Bulletin. Tom. XXXI, Nr. 2—4. Comité Géologique. 1) Bulletins. T. V, Nr. g—11, 1886. T. VI, Nr. 1—7, 1887. 2) Mémoires. T. IV, Nr. 1, 1887. 3) Supplément au T. VI. Bibliotheque Géologique de la Russie, 1886. Philadelphia. Academy of Natural Sciences. Proceedings. Part. II u. III, 1886. Geological Survey of Pennsylvania. Annual Report for 1885 and Atlas of 8 Sheets of Maps und Sections. Wagner Free Institute of Science. Transactions. Vol. I, 1887. Pisa. Società Toscana di Science Naturali. 1) Processi verbali. Vol. V. 2 Maggio 1886, 14 Novembre 1886, 9 Gennaio 1887, 13 Marzo 1887, 8 Maggio 1887. 2) Memorie. Vol. VIII, fasc. ı und 2.

Prag. Verein »Lotos«. Jahrbuch. VII. Band. Reichenbach i/V. Verein für Naturkunde. Mitteilungen. Heft V, 1887. Regensburg. Naturwissenschaftlicher Verein. Korrespondenz-Blatt. 40. Jahrgang. Riga. Naturforscher Verein. Korrespondenz-Blatt. Vol. XXIX, 1886, Rio de Janeiro. Museu Nacional. Archivos. Vol. VI, 1—4 trimestres, 1885. Rom. Reale Accademia dei Lincei. Atti. Anno CCLXXXIH, Vol. II, 2 Semestre 1886, fasc. 7—12. Anno CCLXXXIV, Vol. III, 1 Semestre 1887, fasc. I—9 und 11—13. Vol. III, 2 Semestre 1887, fasc. 1—3. Memorie. Anno CCLCCCII. Serie 4, Vol. 1, 1884/85. Biblioteca Nazionale centrale Vittorio Emanuele. Bollettino. No.5, 1886, No. 1, 1887. R. Comitato Geologica d'Italia. Bollettino. Vol. XVII, Nr. r—12. Anno XVII, 1886. Salem (Mass.). Essex Institute. 1) Bulletin. Vol. 17, Nr. 1—12, 1885. Vol. 18, Nr. 1—12, 1886. 2) Pocket Guide to Salem, Mass. 1885. Sondershausen. »Irmischia«. Jahrgang VI, Nr. 5—8, 1886. Stuttgart. Verein für vaterl. Naturkunde in Württemberg. Jahreshefte. 43. Jahrg. 1837. Sydney. Royal Society of New South Wales. Journal and Proceedings. Vol. XIX, 1885. Tokio (Japan). Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens. Mitteilungen. 36. Heft, Juli 1887. Imperial University. ı) Memoirs of the Literature College. No. ı, 1887. 2) Journal of the College of Science. Vol. I, Part. I—-III. Toronto. The Canadian Institute. Proceedings. IV. Vol., III. Series, fasc. r—z2, 1886. Tromsø. Tromsø Museums. 1) Aarsberetning for 1885. 2) Aarshefter IX. Washington. Report of the Commissioner of Agriculture, 1885. Smithsonian Institution. 1) Annual Report. Part. ı—Il, 1884. Part I, 1885. 2) Miscellaneous collections. Vol. XXVIII—XXX. 3) Publications of the Bureau of Ethnology. 4. Annual Report, 1882—83. United States Geological Survey. 1) Bulletin. Vol. IV, No. 27—33. 2) Geological History of Lake Lahonton by J. C. Russell, 1885. 3) Mineral Resources of the United States. Division of Mining Statistics and Technology, 1885. 4) Monographs. Volume X. | Wien. K. K. Geologische Reichsanstalt. 1) Jahrbuch. Jahrgang 1886, XXXVI. Band. 2.—4. Heft. Jahrgang 1887, XXXVII. Band, 1. Heft. 2) Verhandlungen, Nr. 5—11, 1886. Nr. 2—8, 1887. K. K. Naturhistorisches Hofmuseum. Annalen. Band I, No. 4, 1886. Band II, No. 1—3, 1887. K. K. Zoologische-botanische Gesellschaft. Verhandlungen. Jahrgang 1886, Band XXXVI. Jahrgang 1887, Band XXXVII, Quartal 1 u. 2. Zürich. Naturforschende Gesellschaft. Vierteljahrsschrift. XXX. Jahrgang, Heft 1—4, 1885. XXXI. Jahrgang, Heft 1—2, 1886.

Eingegangene Bücher und Broschüren.

Berlin. Buenos-Aires.

Genf.

Halle a.S.

Hamburg.

Kiel.

München.

Paris. Schaffhausen.

Strafsburg.

Dr. L. Wittmack: Flora Brasiliensis. Fasc. XCVII. »Rhizoboleae.« Dr. H. Burmeister: Atlas de la description Physique de la Répu- blique Argentine. Pars 1. |

Henri de Saussure: Spicilegia Entomologica Genavensia. 2. Tribu

des Pamphagiens.

Prof. Dr. A. Kirchhoff: Bericht der Zentral-Kommission für wissen-

schaftlliche Landeskunde von Deutschland.

(Separatabdruck aus den Verhandlungen des 7. deutschen Geo- graphentages in Karlsruhe).

G. Gercke: ı) Einige Beobachtungen über die Eigenart der Canace

ranula Loew. (Separatabdruck aus: » Wiener Entomol. Zeitung« VI, Heft 1).

2) Dipterologische Miscellaneen. (Separatabdruck aus: » Wiener Entomol.

Zeitung« V, Heft 5).

Dr. C. Gottsche: Über das Mitteloligocän von Itzehoe. (Separatabdruck a. d. Sitzungsberichten der K. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1887. XXX).

Dr. W. Michaelsen: Enchytraeiden-Studien. (Separatabdruck aus

dem Archiv für mikroskop. Anatomie, Band XXX).

Prof. K. Möbius: 1) »Uber Miesmuscheln als Nahrungsmittel.< Vor-

trag, gehalten in der Generalversammlung des Zentral-Fischereivereins

für Schleswig-Holstein am 11. Juni 1886. 2) Schlufsbericht über den

Versuch des deutschen Fischereivereins, kanadische Austern in der Ost-

see anzusiedeln und kann an der deutschen Nordfeeküste künstliche

Austernzucht mit Gewinn betrieben werden? ¡Sonderabdruck aus den Mit-

teilungen der Sektion für Küsten- und Hochseefischerei. Nr. 1 und 2, 1887).

Carl Freiherr Löffelholz von Colberg. K. K. Hauptmann a. D.:

Die Drehung der Erdkruste in geologischen Zeiträumen. Eine neue

geologisch-astronomische Hypothese.

Dr. Donnadieu: Les veritables origines de la Question Phylloxcrique.

Alphonse Pictet und Henri de Saussure;

Catalogue d’Acridiens. (Extrait du Bulletin de la Société entomo- logique Suisse. Tom VII, Part. 9, pages 331 a 376).

E. Zacharias: Beiträge zur Kenntnis des Zellkerns und der Sexualzellen.

(Separatabdruck aus der Botanischen Zeitung. Nr. 18—24, 1887).

OS

Verzeichnis der Mitglieder, abgeschlossen Ende Oktober 1887.

Der Vorstand des Vereins besteht für das Jahr 1837 aus folgenden Mitgliedern: Erster Vorsitzender: Dir. Dr. AUGUST VOLLER.

Dir. Dr. HEINRICH BOLAU.

Dr. HuGo KRUSs.

Prof. Dr. KARL KRAEPELIN.

PAUL M. WIEBKE.

Zweiter

Erster Schriftführer:

Zweiter Archivar:

»

»

Schatzmeister:

Ahlborn, F., Dr., ord. Lehrer am Realgymnasium des Jo- hanneums

Ahlborn, H.. Oberlehrer

am

Realgymnasium d. Johanneums

Amsinck, J., Dr. med., Arzt Bahnson, Dr., Prof., Lehrer am

Reaigymnasium d. Johanneums

Bauch, E. M., Kaufmann Behn, Dr., J. F., Anwalt Behrmann, J., Kaufmann Berlien, Dr., Fabrikant Berthold, A., Dr., Anwalt Bieber, H. D., Fabrikant Bock, Aug., Münzwardein Bock, W., Dr., Lehrer Bösenberg, W., Kaufmann Bolaü, Dr., Dir. d. Zoologischen Gartens Bolte, Dr., Seewarte

Assistent

an der

| | |

Hamburg.

»

»

| Altona. |

»

A

Hamburg.

J. ARTHUR F. MEYER.

Böger, R., Dr., ord. Lehrer an der höheren Bürgerschule Brunn, G. von, Dr., Assistent

am nat.-hist. Museum Buchheister, J., Dr. med., Arzt Burau, H., Kaufmann Burmeister, H., Kaufmann Busche, G. v. d., Kaufmann Borgert, stud. Cappel, C. F. W., Kaufmann Carr, Rob. S., Kaufmann Cohen, B., Dr. med., Zahnarzt Cohen, Gustav, Kaufmann Conn, C. E., Kaufmann Conn jr., Oscar, Kaufmann Cordes, Albert, Kaufmann Culin, G. A. A., Ingenieur Crause, Philipp, Kaufmann Classen, Johs., Assistent am

physikal. Staats-Laboratorium Dahlström, F. A., Ingenieur

Hamburg.

Dehn, Max, Dr. med., Arzt Hamburg. Dencker, F., Chronometer-Fabrikant »

Dieckmann, H. W. jr., Kaufmann » Dilling, Dr., Oberlehrer an der

höheren Bürgerschule » Eckermann, G., Ingenieur » Ehrenberg,. R., Lehrer > Engelbrecht, A., Dr., Assistent

am chem. Staats-Laboratorium » Engel-Reimers, Dr. med., Arzt » Elias, Emil, Zahnarzt »

Erich, O. H., Chemiker ` Erman, B., Dr. med., Physikus »

Ernst, C. Th., Kaufmann > Fischer, Franz, Kaufmann » Fischer, G. W., Kaufmann » Fischer, H. Emil, Dr. med., Arzt »

Fischer, J. G., Dr., Privat-Ge- lehrter » Fitzler, J. Dr., Handels-Chemiker » Fixsen, J. H., Kaufmann » Fraenkel, C. Eugen, Dr. med., Arzt » Freese, H., Apotheker » Friederichsen, L., Verlagsbuch- handler » Gercke, G., Privatier » Geyer, Aug., Chemiker » Giesecke, F. Wandsbek. Gilbert, Dr., Chemiker Hamburg. Gilbert, P., Dr., Chemiker » Glinzer, E., Dr., Lehrer an der Gewerbeschule > Gofsler, E., Dr., Prases » Gravert, H., Apotheker »

Grimsehl, E., ord. Lehrer am Realgymnasium des Johanneums `

Grofs, G., Dr., Dir. der Hansa- schule

Grofskurth, Dr., ord. Lehrer an der Klosterschule Hamburg.

Günter, G. H., Kaufmann »

Bergedorf.

13

Güfsefeld, Dr., Chemiker Hamburg. Güfsefeld, Emil, Kaufmann » Guttentag, S. B., Kaufmann » Gottsche, Carl, Dr., Custos des Nat.-hist. Museums, Abteil. für Mineralien » Haas, Th., Sprachlehrer » Harms, W., Realschullehrer Ottensen. Hasche, W. O., Kaufmann Hamburg. Heinemann, Dr., Lehrer » Heinsen, C. J., Dr., Anwalt » Hipp, Dr., Apotheker » Hoft, C. A., Chirurg » Hoffmann, Alfr., Bureauchef der »Hamburger Nachrichten « > Hoffmann, E., Kaufmann » Hoffmann, G., Dr. med., Arzt N Hascnkamp, Hugo von » Hausenfelder, Johs.. Seminar- Oberlehrer » Homann, D. A., Kaufmann » Jaffé, Dr. med., Arzt » Jantzen, A., Kaufmann » Japp, J., Lehrer an der Kloster- schule » Joochim, Dr., Lehrer, an der Klosterschule » Kalisch, William, Privatier » Keferstein, Dr., ord. Lehrer am Wilhelm-Gymnasium » Kiefsling, Prof. an der Gelelir- tenschule des Johanneums > Koepcke, J. J., Kaufmann >

Koepcke, A., Dr., Realschullehrer Ottensen. Koeppen, Prof.. Dr., Meteorolog

der Seewarte Hamburg. Kotelmann, Dr. med., Arzt Hamburg. Kraepelin, Dr., Prof. am Real-

gymnasium des Johanneums . » Kratzenstein, Ferd., Kaufmann » Krause, R., Dr. med., Arzt >

Krüger, K., Dr. med., Arzt Hamburg. Krüfs, H., Dr., Optiker » Krüfs, E. J., Optiker > Koehler, L., Dr., Lehrer » Kuthe, E. F., Kaufmann »

Lange, Wich., Dr., Schulvorsteher »

Langfurth, Dr., Apotheker Altona. Lazarus, W., Kaufmann Hamburg. Lion, Eugen, Kaufmann » Lipschütz, Gustav, Kaufmann » Lipschiitz, Louis, Kaufmann » Lipschütz, Oscar, Dr. Chemiker Hamburg. Lomer, R., Dr. med., Arzt » Liiders, C. W., Custos des Mu-

seums für Völkerkunde > Luis, Vincent, Privatier > Luther, Dr., Abserv. der Sternw. » l.üttgens, E., Apotheker Wandsbek. Maafs, Ernst, Verlagsbuchhandl. Hamburg. Marcussen, Johs., Maler Wandsbek. Martens, G. H., Kaufmann Hamburg. Mejer, C., Ziegeleibesitzer Wandsbek. Meyer, Ad. Aug., Kaufmann Hamburg.

Meyer, Ed. Heinr., Ingenieur » Meyer, J. Arthur F., Kaufmann > Meyer jr., J. H. O., Kaufmann »

Meyer, Gustav, Dr. med. Arzt, » Michaelsen, W. Dr., Lehrer Hamburg. Mielck, W., Apotheker » Mielck, W. H., Dr., Apotheker > Mobius, Anton, Kaufmann » Möhle, W., Kaufmann » Neumayer, Geh. Adm.-Rat,

Prof., Dr., Dir. d. Seewarte > Niederstadt, Dr., Chemiker » Nölting, Emile, General-Konsul > Norden, S., Privatier » Oehlecker, F., Zahnarzt ? Otte, C., Apotheker »

Oldach, Hermann, Dr., Chemiker » Paefsler, Dr. med., Arzt »

Pazenstecher, Prof. Dr., Dir. des

Nat.-hist. Museum Hamburg. Patz, C. H. A., Hauptlehrer > Pentz, Carl, Apotheker » Petersen, Hartwig, Kaufmann > Petersen, Johs., Dr., ord. Lehrer

am Realgymnasium des Jo- |

hanneum. » Pfeffer, G., Dr., Assistent am

Nat.-hist. Museum. » Plagemann, J. C., Kaufmann > Plath, Carl C,, Optiker und

Mechaniker >

Prochownik, L., Dr. med., Arzt > Putzbach, F., Kaufmann ` Pedraglia, C. A., Dr. med., Arzt

Rapp, Th., Senator Rathgen, Dr. med., Arzt » Rahts, Georg, Ingenieur « Regensburger, Dr. Ä 2 Reiche, L. v., Apotheker v Reiche, H. v., Dr., Apotheker >

Reincke, J. J., Dr. med. Physikus > Reinmiiller, P., Dr., Dir. d Real- schule der Reformierten Ge-

meinde y Reusche, E, Dr. med., Arzt > Richter, W., Apotheker > Robinow, Carl, Kaufmann > Rüter, Dr. med., Arzt > Ruland, Cand., Lehrer > Sadebeck, Prof. Dr., Dir. des

Botanischen Museums >

Sandow, E., Dr., Apotheker > Schierenberg, Dr., Hauptlehrer Lockstedt. Schiffmann, Gen.-Kons. Hamburg. Schlüter, F., Kaufmann »

Schmidt, A., Privatier Blankenese. Schmidt, Justus, Kaufmann Hamburg. Schneider, Franz, Kommerzienrat >- Scholvien, W. >

Schrader C. D., Observator der

Seewarte z. Z. Neu-Guinea Hamburg.

Schubert, H., Dr. Prof. an der

_ Gelehrtenschule d Johanneums » Schultz, Wilhelm, Kaufmann ? Schulz, J. F. Hrm. Kaufmann » Schulze, Karl, Lehrer an der höheren Bürgerschule »

Schwencke, Hermann, Mechaniker »

Semper, J. O., Fabrikant Altona.

Sennewald, Dr., Lehrer an der

Gewerbeschule Hamburg.

Siemers, Edm. J. A., Kaufmann » Sieveking, Dr. med. Arzt » Sohst, C. G., Privatier ` Spiegelberg, W. Th., Apotheker >

Steinblink, E.. Schulvorsteher Altona. Steinkühler, Dr. med., Arzt Hamburg.

Stelling, C., Kaufmann » Strebel, Hermann, Kaufmann » Stuhlmann, Dr. F. > Thorn, E., Dr., Chemiker y Thorn, H., Dr. med., Arzt »

Timm, Rud., Dr., Lehrer an der

neuen höheren Biirgerschule Hamburg.

Traun, Dr., Fabrikant » Uh, B. R., Kaufmann » Ulex, G. F., Apotheker »

Ulex, H., Dr., Chemiker v Völschau, J., Reepschläger > Vogler, E. A,, Uhrmacher » Volckmann, Caes., Kaufmann » Voller, Dr., Dir. des Physikal. Staats-Laboratoriums »

Vofs, Otto,. Kaufmann Wagenknecht, Dr., Oberlehrer | am Realgymnasium Wagner, Dr., Lehrer | Wahnschaff, Th, Dr., Schul-

vorsteher

Walter, Cand. päd., Lehrer

Weber, W., Kaufmann

Weber, C. H. F., Privatier Weifs, G., Dr., Chemiker Westendarp, W., Fabrikant Wibel, F., Dr., Dir. des Che-

Wiebel, K., Prof. emerit. Wiebke, A., Kaufmann Wiebke, Paul M., Kaufmann Wiese, Emil, Praparator

Winter, Ernst, Diamanteur

Woermann, A., Kaufmann

Wohlwill, Emil, Dr., technischer Leiter der Norddeutschen Affinerie

Wolff, C. H., Apotheker und

Worlee, E. H., Kaufmann

Worlée, Ferdinand, Kaufmann

Wulff, John, Kaufmann

Zebel, Gustav, Fabrikant

Zimmermann, Carl

Zimmermann, G. Th.. Dr., Schul- vorsteher

Ehren-Mitglieder.

Asa-Gray, Prof.,, Dr., Cambridge U.-S. Burmeister, H., Prof., Dr., Buenos-Ayres. Beyrich, E., Prof., Dr., Berlin. Claus, Carl, Prof., Dr., | Wien.

Cohen, Emil, Prof., Dr., Fittig, Rud., Prof., Dr., Gottsche, C. M., Dr. med., Hegemann, Fr., Kapt.,

Hamburg.

Altona. Hamburg.

mischen Staats-Laboratoriums `

Wertheim. Hamburg.

»

Wimmel, F. L., Dr., Apotheker »

Medicinal- Assessor Blankenese.

Hamburg.

»

Greifswald.

. Strafsburg.

Altona. Hamburg.

=

Koldewey, Karl, Koch, R., Dr., ( Kühne, W., Prof Meyer, A. B. D Meyer, H. A.I

sitzender der F

Erforschung c Moebius, C., Pri Nordenskiöld, E Retzius, G., Pro Roth, J., Dr., Reye, Th., Prof.

Ferner Feier des s0jahr. ` Bezold, v., Prof. Bunsen, Prof., L Clausius, Prof., - Haeckel, Prof., Helmholtz, v., F

Brunetti, Lodovi Buchenau, Prof., Cocco Luigi, Prof. Davis, Dr.

Dick, G. F.

Engelmann, Geo, Dr. Eschenhagen, Max, Dr., Fischer-Benzon, v., Dr., Hilgendorf, Dr.,

Mügge, O., Prof., Dr., Müller, v., Ferd., Baron,

Date Due

SCH d e ) d?

= eee -= Pr Mo b Ar Da : p Ree ie g e, e D

Bremen, Raydt, Hermann, Ratzeburg. Messina. Richters, F., Dr., Frankfurt a.M. Edina, Liberia. | Röder, v., Hoym, Anhalt. Mauritius, | Ruscheweyh, Konsul Rosario. St.-Louis. Schmeltz, J. D. E, jun., Leyden. Wilhelmshafen. | Sieveking, E., Dr. med., London. Kiel. Spengel, J. W., Prof., Dr., Giefsen. Berlin. | Swanberg, L., Prof., Dr. Upsala. Münster. | Zacharias, Prof., Dr., Strafsburg. SES Melbourne. |

Kapt., Hamburg. r, F. R. S; London. f., Dr., Würzburg. h, Budapest. - . Dr., Göttingen.

rof., Dr., Freiburg i. B. rof., Dr. Göttingen. Direktor des

b. Museums, Oldenburg. , Prof., Dr., Berlin. Konsul, Hamburg.

m Anlass der hren-Mitgliedern erwählt:

r. Leipzig. A Jena.

r. Heidelberg. ., Dr. Freiburg i/Br. er.

Prof., San Jago de Chile.

\ \

aa“

A7

d

3 9 A

UT

3 2435 061

THE

"ST 914" "IM POS ITEM ç