ABHANDLUNGEN

aus dem

Gebiete der Naturwissenschaften

herausgegeben vom

Naturwissenschaftlichem Verein

ik Hamburg.

—— XVII. Band.

INHALT:

Über . ` nismus des Hydrodynamischen Widerstandes. Von Dr. FR. AHLBORN.

HAMBURG. L. FRIEDERICHSEN & Co. 1902.

Druck von Grefe A Tiedemann.

Uber den

Mechanismus des Hydrodynamischen Widerstandes.

Von

Dr. FR. AHLBORN. Hamburg-Uhlenhorst.

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Über den Mechanismus des Hydrodynamischen Widerstandes

von

Dr. FR. AHLBORN.

Jeder innerhalb eines beliebigen Mediums bewegte Kôrper erfahrt dabei eine Hemmung, durch welche die Bewegung schliesslich zum Stillstand gebracht wird, falls kein neuer Antrieb erfolgt. Diese Hemmung bezeichnet man bekanntlich als den Wider- stand des Mediums und bestimmt ihn quantitativ durch das Mass der Kraft, die zur dauernden Unterhaltung der Bewegung innerhalb des Mittels aufgewandt werden muss.

Allein so nützlich eine derartige summarische Bestimmung für die Lósung von mancherlei praktischen Aufgaben auch sein mag, so genügt sie doch nicht dem wissen- schaftlichen Bedürfnis, da sie über die Art und das Wesen des Widerstandes selbst nichts aussagt. Ist die Quantitát des Widerstandes einmal experimentell bestimmt, so tritt die Frage auf, wozu und in welcher Weise denn nun eigentlich die ermittelte Kraftmenge verbraucht wird, oder was sie leistet.

Beim Fluge des Geschosses und des Vogels durch die Luft, am schwimmenden Schiff, am Fisch oder Torpedo, am Drachen, am Segel u. s. w., immer hat man sich vorzustellen, dass ein Teil jener Kraft verbraucht wird, um die Bahn für die Bewegung frei zu machen, das Medium zu verdrängen, ein anderer Teil, um das Medium wieder in die Bahn zurückzuführen, der Rest zur Uberwindung der Reibung an der Oberfliche des bewerten V ^--^^rs. Danach können wir unterscheiden:

Verdrängungs- oder Druckwiderstand, der an allen mehr oder wenig vo rn gerichteten Körperflächen zur Geltung kommt; 3augungs- oder Zugwiderstand an den nach hinten gerichteten Ober-

fläche ` teibungswiderstand, der vorwiegend an den Seitenflächen des be- wegte | ; zur Entwicklung gelangt. r allgemein angenommenen Theorie der Schiffswiderstánde, welche in Engla:.' ` “sS durch die trefflichen Arbeiten von W. FROUDE und R. E. FROUDE

begründet und ausgeführt worden ist, setzt sich der Widerstand zusammen aus einem Hauptanteil, der sich in der Bildung von Wellen áussert, ferner aus der Reibung an der Schiffshaut und endlich aus einem nicht náher bestimmbaren »wirbelmachenden« Anteil.

Dass bei dieser Einteilung abgesehen von der Hautreibung das Hauptgewicht auf die sekundären Widerstandsphanomene der Wellen- und Wirbelbildung gelegt wird, und dass die Verdrangung und Zurückführung des Mediums in die Bahn für das Zustandekommen des Widerstandes scheinbar ohne Belang sind, hat seinen Grund in der historischen Ent- wicklung und der mehr theoretischen als experimentellen Grundlage dieses wichtigen Zweiges der Widerstandsforschung. Für eine eingehende Darlegung dieser Verhaltnisse ist hier nicht der Ort. Es sei daher nur bemerkt, dass der Unterschied im Grunde mehr formaler als sachlicher Art ist. Die Wellenbildung ist nur eine Folge der Wasserver- drángung und des Rückflusses, und die Wirbelbildung eine Begleiterscheinung oder Form des Rückflusses oder der Saugung.

Was nun die Reibung anbetrifft, so nimmt man bekanntlich an, dass der ein- oder untergetauchte Kórper an seiner Oberflache von einer ruhenden, durch Adhásion festgehaltenen Flüssigkeitshaut überzogen wird, an deren Aussenseite die Trennung von dee bewegten, vorüberfliessenden Flüssigkeit erfolgt. Die Widerstandsarbeit dieser Trennung würde somit im Wesentlichen auf eine Überwindung der Kohásion des Mediums hinaus- laufen und daher in erster Linie von der Zahigkeit oder Viscositit der Flüssigkeiten abhángen.

. Bei der ungemein leichten Verschiebbarkeit gasfórmiger Molekel würde hiernach der Reibungswiderstand in gasfórmigen Medien gegenüber den beiden anderen Arten des Widerstandes kaum in Frage kommen. Allein die Abspülbarkeit hydrophiler Farben und ahnlicher Dinge beweist anscheinend, dass auch die Flüssigkeitshaut nicht vóllig in Ruhe bleibt, sondern mit zunehmender Strómungsgeschwindigkeit mehr und mehr in den Vorgang der Trennung hineingezogen wird.!) Der Reibungswiderstand würde somit nicht nur Kohásions-, sondern auch Adhasionskrâfte zu überwinden haben und daher auch bei gas- fórmigen Medien nicht ganz zu vernachlâssigen sein.

Übrigens ist der Trennungsvorgang in flüssigen Medien keineswegs immer ein einfaches Vorübergleiten zweier mit verschiedener Geschwindigkeit bewegten Oberflächen, wie man aus dem Worte »Reibung« schliessen könnte, sondern er setzt sich im Gebiet der Saugung nicht selten zusammen aus komplizierten, wirbelartig fortschreitenden Be- wegungen, die sich innerhalb einer gewissen Entfernung an der Oberfläche des festen Kôrpers vollziehen. -

Die Gesamtwirkung des Reibungswiderstandes zeigt sich drastisch in der Be- wegung von Schiffen, deren Böden zur Verringerung der Adhäsion zwischen Wasser und Schiffswand für den Rennsport mit aller Sorgfalt geglâttet worden, oder die in den Tropen bei langer Fahrt mit stark adhärierenden Algen und Korallen etc. bewachsen sind.

1) Die von HELMHOLTZ und v. PIOTROWSKI angestellten Versuche über die Reibung von Flüssigkeiten (HELMHOLTZ, Wissenschaftl. Abhandl, Bd. I. S. 174) zeigten, »dass die gewöhnlich gemachte Annahme, welche durch PoisEUILLE's Versuche bestátigt zu sein schien, wonach die oberflüchlichste Schicht der Flüssigkeit den Wänden des Gefässes fest anhaftet, für die wässerigen Flüssigkeiten in Metallgefüssen mit polierter oder ver- goldeter Oberfläche, wie sie von uns, um die Unverinderlichkeit der Oberfläche zu sichern, angewendet waren, nicht zutrifft, während sie andererseits für Alkohol und Äther auch in solchen Gefässen nahehin zutrifft.«

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Unsere aus China heimkehrenden Kriegsschiffe hatten bei ihrer Rückkehr fast eine Meile Fahrgeschwindigkeit eingebiisst. Die Vergrösserung des Reibungswiderstandes durch Rauheit der Oberfläche ist fast immer mit der Bildung von Wirbelbewegungen im Medium verbunden. Die Reibung tritt im allgemeinen zurück gegenüber dem Verdrângungs- und Saugungswiderstand, zumal bei querstehenden, plattenfórmigen Kórpern.

Da ein innerhalb des Mediums bewegter Kôrper ein Flüssigkeitsquantum verdrängt, dessen prismatisches Volum durch den grössten Querschnitt des Körpers und die Geschwindigkeit der Bewegung bestimmt wird, so liegt der Gedanke nahe, in dem auch NEWTON befangen war, dass der dadurch bedingte Widerstand eine einfache Funktion der Querschnittsflache sei.

Allein wenn man bedenkt, dass doch ein spitzer Pfeil besser fliegt als ein stumpfer von gleichem Querschnitt, ein schlankes Schiff schneller fahrt als ein rechteckiger Prahm u. s. w., so bedarf die Abhangigkeit des Widerstandes von der Form des bewegten Korpers keiner weiteren Bekraftigung.

In der Litteratur ist man zwar seit langer Zeit bemiiht gewesen, wenigstens fiir den Widerstand ebener, flachenhafter Korper Formeln zu erfinden, die den Widerstand abhängig erscheinen lassen von der Grösse der Fläche, von der Natur des Mediums, der Bewegungsgeschwindigkeit und einer goniometrischen Funktion des Neigungswinkels, unter dem der Strom den Korper trifft; aber da die Gestalt des Korpers nicht allgemein mathematisch fassbar ist, so haben auch jene Formeln naturgemáss nur einen beschrankten Wert, zumal sie noch dazu nicht unerheblich von einander abweichen.

Die vorhandenen empirischen Formeln sind immer nur Ausdrücke für den Gesamtwiderstand und geben weder über den Betrag der Reibung noch über das Ver- háltnis zwischen Verdrângungswiderstand und Saugung irgend welche Auskunft.

Wo diese Dinge in der theoretischen Begründung dieser Formeln überhaupt berührt werden, hilft man sich mit der Annahme, dass bei dünnen Platten ein gewisser nicht náher bestimmter Teil des Gesammtwiderstandes auf die Verdrángung, der andere auf die Saugung falle; oder man setzt voraus, dass die Saugung, sofern eine solche überhaupt stattfände, als Folgewirkung bereits mit-der Verdrängung geleistet werde, und dass daher kein Grund vorliege, sich weiter darum zu kümmern. Die Ausfüllung des Raumes hinter dem bewegten Korper soll einfach durch den Ausgleich der Spannung bewirkt werden, welche durch den Druck der vorderen Kôrperseite gegen das Medium in diesem erzeugt wird.

In der von STOKES *), RANKINE, HELMHOLTZ ®), KIRCHHOFF ®), Lord RAYLEIGH5) u. a. A. vertretenen hydrodynamischen Theorie wird dagegen angenommen, dass der Widerstand an

1) Meldung im Hamb. Correspondenten vom 14. Aug. 1901, Abendausg. 2 STOKES, Collected Papers, 1847. vol. I. pag. 310. 311. 8) HELMHOLTZ: Wissenschaftl. Abt, Bd, 1. S. ror u. ff; S. 146 u. ff; 5. 158 u. ff; 1858; 1868; 1873. 4) RIRCHHOFF: Vorlesungen tiber mathemat. Physik ; ferner: CRELLE'S Journal Bd. 70, 1869. 5) Lord RAYLEIGH: On the Resistance of Fluids. Philos. Mag. 1876. Dez.

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einer dünnen Platte allein durch den Druck des Mediums gegen die Vorderseite hervor- gerufen werde, und dass eine Saugung an der Hinterseite überhaupt nicht bestehe. Die Flüssigkeit hinter der Platte befinde sich im Verhältnis zur Tafel in Ruhe unter dem allgemeinen Drucke, der in grósserer Entfernung in dem nicht von der Platte beeinflussten Medium herrsche, sodass von diesem Kielwasser ebensowenig eine Vergrósserung des Widerstandes durch Saugung, wie ein schiebender Druck nach vorn ausgehen kónne. Der Schwierigkeit, wie ein solcher Zustand der Ruhe in dem sonst kontinuierlich zusammen- hängenden Medium in unmittelbarer Nachbarschaft des um die Seitenránder der Platte abfliessenden Wassers bestehen kónne, suchte man durch die weitere Annahme zu begegnen, dass zwischen dem ruhigen und dem bewegten Teile des Mediums eine Grenz- oder Trennungsfläche vorhanden sei, die sich von den Tafelrándern aus nach hinten weit in das Medium erstrecke und so die Kontinuitát der Bewegung des Fluidums unterbreche. Das Gleiten des bewegten Wassers an dem ruhenden werde durch eine unendlich dünne Schicht rotierender Wasserteilchen vermittelt, die HELMHOLTZ'sche Trennungs- oder

Wirbelflache.

Lord KELVIN ') vertritt demgegeniiber die Ansicht, dass, wenn das Wasser auch nur einen geringen Grad von Viscositát besitze, d. h. einen Widerstand gegen die Geschwindigkeit einer Formánderung leiste, und wenn der Rand der Scheibe unendlich scharf ware, vorn an der Grenze zwischen dem Wasser hinter der Scheibe und dem daneben von der Vorderseite her abfliessenden Wasser eine Art STOKES'scher Spalte oder HELMHOLTZ'scher Wirbelschicht von sehr geringer Dicke auftreten müsse. Vom Tafelrande werde eine Reihe von Wirbelringen abgestossen, die, wie sie sich nach hinten vom Rande entfernen, dicker werden, sich in wild tumultuarischer Weise aufrollen und den Anschein einer unregelmässigen Masse einzelner kreisformiger Wirbelringe hervorrufen. Diese Masse folge der Tafel mit immer geringer werdender Geschwindigkeit und gehe so, weiter und weiter zurückbleibend, in das vergleichsweise ruhige mittlere Kielwasser über. Die Wirbelringe unterscheiden sich aber von den HELMHOLTZ'schen dadurch, dass sie nicht unendlich klein und unendlich zahlreich sind, sondern von endlicher Grósse und Zahl mit einem wasserfreien »Vakuum« ‘im Innersten. Aber von einer Discontinuitâts- fläche, an deren Aussenseite das Wasser die allgemeine Geschwindigkeit v habe, während immer hinter der Scheibe »totes Wasser« von der Geschwindigkeit Null sei, kónne schlechterdings nicht die Rede sein, das Wasser sei nicht »tot«, sondern im Gegenteil sehr lebhaft, es wirbele rings am Rande und bewege sich sehr dicht hinter der Scheibe nach aussen mit einer Geschwindigkeit, die anscheinend viel grósser sei als v, aber ohne Stetigkeit, im Gegensatz zu der regulären Bewegung, die von der Diskontinuitätstheorie behauptet werde.

Hierzu sei nebenbei bemerkt, dass schon HELMHOLTZ besonders auf den labilen Zustand und die Unstetigkeit der Bewegungen in den Discontinuitatsflachen hingewiesen hat. Lord KELVIN schliesst aus der offenbar grósseren Geschwindigkeit (> v) des

Y Nature, 1894. p. 524 u. f. On the Doctrine of Discontinuity of Fluid Motion.

Randstromes, dass der Druck an der Vorderseite geringer sein músse, als der durch Lord RAYLEIGH aus den hydrodynamischen Formeln berechnete. Wie weit aber diese Verminderung kompensiert oder überkompensiert werde durch den (aus der Wirbelung abzuleitenden) Minderdruck oder die Saugung an der Rückseite, das sei mehr, als man aus der mathematischen Theorie allein nachweisen kónne, in einem Bewegungsproblem, das so kompliciert sei und so weit über die Moglichkeit der mathematischen Berechnung hinausgehe; das kónne wohl nur durch das Experiment geschehen. In der That sei durch die direkte Messung des Luftdruckes an Scheiben, die mit einer Geschwindigkeit von 88 Fuss an einem Rotationsapparat durch die Luft geführt wurden, durch DINES festgestellt worden, dass an der Mitte der Vorderseite eine Druckerhóhung von 1,82 i und an der Mitte der Rückseite eine Druckverminderung von 0,89 i stattfinde. Es bestehe also hinter der Tafelmitte ein »Sogg« (suction), der sehr nahezu gleich der Halfte der Druckvermehrung an der Vorderseite sei, während die Diskontinuitätsdoctrin weder einen »Sogg« noch eine Druck- vermehruug zulasse, d. h. allein eine gleichfórmige Verteilung des Drucks auf der Vorderseite.

Bei diesem Stande der Dinge wird man mit Lord KELVIN darin übereinstimmen, dass allein durch das Experiment ein Fortschritt in dieser schwierigen und wichtigen Frage zu erhoffen ist.

Man hat das Widerstandsproblem experimentell vielfach so angefasst, dass man auf verschiedene Weise den Gesammtdruck gemessen und dann angenommen hat, derselbe sei gleichmâssig über die vom Strome getroffene Oberflache verteilt. Daneben waren aber bereits durch die vor gerade 100 Jahren veröffentlichten Versuche AVANZINI's That- sachen bekannt geworden, die nur durch eine unsymmetrische Verteilung der Widerstandskráfte an schrägen Flächen erklárbar sind.

Die verschiedenen Anláufe zu einer Analyse des Widerstandes hatten das Ziel, die Verteilung desselben über die Flächen im einzelnen festzustellen. Wenn sie bisher durchaus fragmentarisch geblieben sind, so lag das an der Unzulänglichkeit der experimentellen Hülfsmittel und der ausserordentlichen Mühsamkeit der Methode. Man bediente sich dabei für Wasser der PITOT'schen Rôhre, für Luft des Differentialmanometers beides Instrumente, die wohl für statische, aber nur bedingungsweise für dynamische Druckmessungen geeignet sind, weil jeder mehr oder weniger seitlich auf die Rohróffnung treffende Strom durch Saugung die Standhóhe der Massflüssigkeit verándert. Der Verlauf der Strómungen des Mediums an den manometrisch geprüften Oberflachen ist daher bestimmend für die kritische Wertung der Beobachtungsresultate dieser Methode.

Die bisherige Forschung hat somit die wichtige Aufgabe der analytischen Bestimmung der Anordnung und Verteilung der Widerstandskráfte nicht gelóst, und eben- sowenig hat sie eine befriedigende Antwort auf die Frage gegeben, wie diese Verteilung zu stande kommt und wodurch sie verursacht wird.

Die organische Natur erzeugt für die Bewegung der Tiere und Pflanzen in flüssigen Medien, Luft wie Wasser, Hiilfsmaschinen von raffiniertem Bau, ausserordentlicher Zweckmássigkeit und bewunderungswürdiger Vollkommenheit. Diese Werkzeuge erfordern zu ihrem Verstándnis nicht nur eine genaue anatomische und mechanische Prüfung der

Teile und ihres Zusammenwirkens, sie verlangen vor allem auch eine móglichst eingehende Kenntnis der Wechselwirkung zwischen Maschine und Medium. Langjáhrige Studien über die Flug- und Schwimmbewegungen im Tier- und Pflanzenreich brachten den Verfasser zu der Einsicht, dass auf diesem Gebiete jeder Fortschritt unseres Erkennens und Ver- stehens abhângig sei von der Entwicklung der Widerstandsmechanik. Hier also hatte die Arbeit einzusetzen. Es musste versucht werden durch neue experimentelle Methoden eine systematische Analyse der Widerstandserscheinungen durchzuführen, die Anordnung der Widerstandskrâfte zu ermitteln und die Ursachen und Gesetzmassigkeiten dieser Ordnung festzustellen,

Der leitende Gedanke für das weitere Vorgehen war folgender. Wenn die Kraft, die zur Überwindung des Widerstandes nótig ist, dazu dient, das Medium aus der Bahn zu verdrángen und hinterher wieder dahin zurückzuführen, so wird man aus der Art der Bewegungen, die dadurch innerhalb des Mediums erzeugt werden, auch riickwárts auf die Kräfte schliessen können, die diese Bewegungen zu unterhalten haben.

Wir bezeichnen nun jene Bewegungen des Mediums als »Widerstands- strömungen und definieren den Widerstand als die Summe der Kräfte, die zur Unterhaltung der Widerstandsströmungen verbraucht werden.

Da hiernach der Widerstand und die Widerstandsströmungen im Verhältnis von Ursache und Wirkung zu einander stehen, so folgt, dass die Kenntnis dieser Ströme für die Analyse des Widerstandes von grundlegender Bedeutung ist, und dass daher eine genaue Beobachtung und objektive Darstellung der Strömungserscheinungen allen weiteren systematischen Untersuchungen voraufzugehen hat.

Vorweg möchte ich noch besonders auf die schönen Photographien von Luft- stromlinien von Dr. L. MACH!) in Wien, sowie auf die verdienstvollen Arbeiten von Prof MAREY ?) in Paris und Prof. HELE-SHAW 3) in Liverpool aufmerksam machen, durch welche namentlich die Strömungsverhältnisse an der Vorderseite von Widerstands- körpern in trefflicher Weise zur Anschauung gebracht sind.

I. Die Widerstandsstrômungen an der Wasseroberfläche.

Taucht man einen plattenfórmigen Körper, ein Kartenblatt, ein Stück Blech oder ein dünnes Brett in Wasser ein und bewegt es mit der Fláche gegen die Flüssigkeit, so fliesst dieselbe beiderseits ausbiegend mit grosser Geschwindigkeit im Bogen um die Ránder der Platte in den Raum hinter der Tafel. Dabei entsteht hinter jedem Tafelrande ein

Ð I. MACH: Sichtbarmachung der Luftstromlinien. Z. f. Luftschiff, 1896. S. 126.

2) Marry: Verschiedene Berichte über die Photogr. der Strömungen des Wassers und der Luft: Compt. rend. tom. 116, 1. Mai 1893; ibid. tom. 131. 1900, p. 160; ibid.: 1. Juli 1901. (Stromlinien durch feine Rauchfiden dargestellt.)

3) HELE-SHAW: Experiments on the Nature of Surface Resistance. Inst. Nav. Arch. 1897. p. 145—153. The Nature of Surface Resist of Water and of Stream-Line-Motion, ibid. 1898. p. 21— 46. The Distribution of Pressure etc. ibid, 1900. p. 186--197. siehe auch: Compt. rend. Juli 1901.

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Wirbel, dessen Achse sich. durch cine trompetenfórmige Vertiefung am Wasserspiegel be- merkbar macht. Um die Strómungen deutlich sichtbar zu machen, empfiehlt es sich, Bárlappsamen oder andere feine, schwimmende Stoffe auf das Wasser zu streuen.

Verwendet man dazu feine Ságespáne, so sinken dieselben langsam im Wasser unter, und es gelingt leicht, mit den Augen die Strómungen im Innern der Flüssigkeit zu verfolgen. Dabei zeigt sich, dass die beiden symmetrischen Wirbel an der Wasser- oberfliche nur die Querschnitte oder frei liegenden Endfláchen eines halben Wirbelringes sind, der der Platte folgt, so lange sie in Bewegung ist. Taucht man die Platte ganz unter Wasser, so entsteht bei der Bewegung hinter der Platte ein geschlossener Wirbel- ring, der den bekannten Rauchringen in allen wesentlichen Eigenschaften gleicht.

Zur objektiven Feststellung der Strómungserscheinungen im Niveau vor und hinter den bewegten Tafeln wurde die Photographie angewandt und hierfür der folgende Apparat zusammengestellt. (Fig. 1 u. 2).

Auf zwei kräftigen Bócken steht ein zur Aufnahme der Flüssigkeit dienender Kasten k von 2 m Lánge und 0,5 m Breite und Hóhe. Der Kasten ist mit Zinkblech ausgeschlagen und innen mit schwarzem Asphaltlack gestrichen.

In der Hóhe des oberen Randes liegen neben dem Kasten auf festen Holzunter- lagen zwei schmiedeeiserne Schienen sısa mit sorgfältig glatt gefeilten Laufflächen.

Auf den Schienen lâuft genau im Spur ein eiserner Wagen w, dessen vier solide Messingráder so glatt abgedreht sind, dass die Bewegung gleichfórmig und ohne Er- schütterung erfolgt. Mit der Plattform des Wagens durch feste Schrauben starr verbunden ist ein Ausleger a aus festem Holz, der seitwárts über den Wasserkasten hinwegragt und an seinem jenseitigen Ende vermittelst eines leichtlaufenden Messingrades r auf eine Schiene aus dickem Glasrohr ss gestützt ist.

An der Unterseite des Auslegers ist der Halter h für die Versuchskórper p befestigt. Derselbe ist aus steifem Messingrohr angefertigt, zweimal rechtwinklich gebogen, und taucht so tief in die Flüssigkeit ein, dass die an ihm befestigten Versuchskórper etwa I cm aus dem Wasser hervorragen. Genau darüber ist an einem auf dem Ausleger an- gebrachten starken, eisernen Trager die photographische Kammer c so verstellbar angeschraubt, dass sich auf der Mattscheibe bei Lupeneinstellung ein scharfes Bild der auf dem Niveau schwimmenden Barlappflôckchen ergiebt. Endlich stehen am Rande des Auslegers vorn, rechts und links über dem auftauchenden Versuchskórper zwei Vorrichtungen | zur elektrischen Zündung von Magnesiumblitzlicht (Mg + KNO»s) vermittelst durchbrennen- den Eisendrahts. Die hierzu nóthigen parallel geschalteten Stromleitungen werden durch einen Hebelkontakt kt geschlossen, den der über die Schienen fahrende Wagen automatisch zuschiebt, sobald der Ausleger mit der Kamera über der Mitte des Kastens angekommen ist. Die doppelte Beleuchtung erwies sich als vorteilhaft, um den sonst entstehenden Schatten hinter dem Versuchskórper aufzuhellen.

Der Antrieb des Wagens geschieht durch einen kleinen Elektromotor m, der zu- nächst ein Schwungrad in Bewegung setzt. Der gleichformige Gang wird durch ein- geschaltete Widerstánde derart geregelt, dass das Schwungrad jede Umdrehung in zwe!

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Sekunden vollfuhrt. Die Umdrehungen werden durch Anschlagen eines am Radumfange befestigten Stiftes 1 gegen eine Metallzunge z scharf markiert. Die Zeit wurde durch den Schlag eines auf die volle Sekunde eingestellten Metronoms t angegeben. Sobald der Takt des Schwungrades mit dem zweiten Sekundentakte gleichmassig zusammenschlug, hatte die Maschine die gewünschte Geschwindigkeit.

An der Achse des Schwungrades ist nun eine Riemenscheibe ri von genau 0,5 m Umfang befestigt. Über diese läuft ein aus starkem Gurt gefertigtes Treibband b zwischen den Schienen entlang, über die Plattform des Wagens und von da über drei in den Ecken eines Trapezes angebrachte Scheiben rs rs r4 zurück zur Scheibe an der Schwungradachse. Da diese bei 0,5 m Umfang in zwei Sekunden eine Umdrehung macht, so hat das Treibband eine Geschwindigkeit von 0,25 m sec. Mit dieser Geschwindigkeit, die natürlich jederzeit anders geregelt werden kann, bewegt sich auch der Wagen, sobald er, durch Loslassen einer kleinen Klemmwalze v, am Treibband festgemacht ist. So fáhrt er die photographische Kammer über dem Wasser dahin und, immer in ihrer optischen Achse, den eingetauchten Versuchskórper, der die Widerstandsstrómungen im Wasser hervorruft und so die Barlappflockchen am Niveau in Bewegung setzt.

Sobald der Wagen über der Mitte des Wasserbehálters angekommen ist, schliesst er den Kontakt, entzündet dadurch das Blitzlicht, und die Aufnahme ist beendet. Die Klemm- walze des Wagens stósst im Weiterfahren gegen einen über den Schienen in richtiger Hohe angebrachten Zapfen x; sie wird dadurch augenblicklich vom Treibband gelóst und der Wagen steht still, während die Maschine im Takt weiterlauft. Nachdem so die Auf. nahme automatisch vollzogen, wird der Wagen zurückgeführt, die photographische Platte gewechselt, der Versuchskórper im Wasser ausgetauscht oder anders orientiert und die Blitzlichtvorrichtung neu beschickt. Bis die Platte entwickelt, ist das Wasser inzwischen wieder vollkommen zur Ruhe gekommen, und es kann eine neue Aufnahme stattfinden.

Aus der Beobachtung der so gewonnenen zahlreichen Photogramme der Strómungserscheinungen ergeben sich die folgenden allgemeinen Thatsachen, die als Schlüssel zum Verstándnis dieser objektiven Urkunden der Widerstandsmechanik dienen kónnen.

Da die Flüssigkeit ruht, wahrend die photogr. Kammer darüber hin bewegt wird, so erscheinen die schwimmenden Bärlappsamen auf den Lichtbildern (Taf. VII—XVI) in Form feiner Linien, deren Lánge von der Belichtungsdauer abhángt, und deren Richtung den Verlauf der Widerstandsstrómungen in jeder wünschenswerten Scharfe hervortreten lásst. Wir bezeichnen diese Linien als Strómungslinien und betrachten die gewonnenen photographischen Bilder als das, was sie zu sein scheinen, námlich als Ansichten von der Bewegung eines Flüssigkeitsstromes gegen einen ruhenden Körper. Nach dem Prinzip der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung ist diese Umkehrung unbedingt statthaft. doch sind wir uns wohl bewusst, dass ein natürlicher Fliissigkeits- oder Luftstrom in Folge früherer Stórungen seines Laufs selten ein so homogenes Gefüge und eine so gleichfórmige Bewegung haben wird, wie es in unsern Strómungsbildern erscheint.

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Wiirde man eine Aufnahme machen ohne das Wasser durch einen eingetauchten Widerstandskórper zu stóren, so miissten jene Linien parallel laufen und alle theoretisch von gleicher Lange sein; sie würden daher den Eindruck einer gleichmassig strömenden Flüssigkeit hervorrufen. In Wirklichkeit fallen viele Linien lánger aus, da diese optischen Spuren leicht übereinandergreifen, wenn die Flóckchen des Bärlappmehles nahe vor- einander liegen. Da ferner der chemische Vorgang der Blitzlicht-Explosion allmáhlich anschwellend die Masse des Magnesiums ergreift und ebenso abschwellend, nicht plôtzlich, zu Ende geht, so beginnen auch die Linien sich allmáhlich auf dem dunkeln Untergrunde zu entwickeln, erreichen mit der gróssten Lichtintensitát ihre grósste Schárfe und verlieren sich am andern Ende im Dunkel, wie sie daraus entstanden. Am deutlichsten erscheinen ihre Enden begrenzt an hart verstárkten Diapositiven und deren Projektionsbildern. Solche Bilder eignen sich daher am besten zur Lángenmessung, wenn sie auch naturgemáss nicht jeden subjektiven Fehler ausschliessen.

Hat man einmal im ungestórten Areal des Photogramms, d. h. möglichst weit vor dem Versuchskörper, die Länge der Stromlinien bestimmt, so lässt sich daraus zunächst die Explosionsdauer des Blitzlichtes oder die Expositionszeit der Aufnahme ermitteln. Man braucht dazu nur noch eine Dimension des Versuchskörpers im Photogramm nachzumessen und mit der natürlichen Grösse derselben Strecke am Körper selbst zu vergleichen.

Ist z. B. im Bilde die Stromlinie im ungestörten Felde gleich 3 mm und die Länge einer Versuchsplatte gleich 25 mm, die in natura 50 mm lang ist, so folgt, dass auch die Stromlinie in natürlicher Grösse doppelt so lang, also 6 mm ist. Da nun der Wagen die Versuchsplatte mit einer sekundlichen Geschwindigkeit von 250 mm fortbewegt hat, und die Exposition nur so lange dauerte, dass die Bärlappsamen einen scheinbaren Weg von 6 mm zurücklegten, so folgt, dass die Explosion und Exposition “/sso oder rund 1/40 Sekunde gedauert hat.

Sind dann in dem durch die Widerstandsströme beeinflussten Teile des Photogramms die Stromlinien länger oder kürzer, so sind immer ihre Längen die Masse der an den verschiedenen Punkten des Widerstandsfeldes herrschenden Strömungs- geschwindigkeiten, gemessen im Massstab des Photogramms und bezogen auf die Zeit von !/4 Sek.

Da bei dem gleichförmigen Fortschreiten der Platte in jedem Zeitmoment die gleiche Wassermasse durch den Querschnitt des ganzen Bildes geht, so können wir die zwischen zwei Stromlinien liegende Wassermenge nach alter Bezeichnung, aber in anderem Sinne, als einen Wasserfaden von wechselndem Querschnitt betrachten, in dem sich die Flüssigkeit wie in einer ebenso geformten Röhre fortbewegt, sodass auch hier in der Zeiteinheit durch jeden Querschnitt dieselbe Wassermenge fliesst, und das Produkt aus Querschnitt und Strömungsgeschwindigkeit konstant ist.

Hieraus folgt, dass die Flüssigkeit zwischen parallelen Strömungslinien mit gleichbleibender Geschwindigkeit fliesst, dass die Geschwindigkeit aber abnimmt, wenn der Querschnitt oder die Breite des Wasserfadens zunimmt und umgekehrt, dass sie zunimmt, wenn der Abstand der Strömungslinien

geringer wird. Dies Ergebnis steht in vollem Einklang mit den durch die Langen der Strömungslinien gegebenen Geschwindigkeitsmassen.

Aus den so festgestellten Geschwindigkeitsdifferenzen folgt nun aber gemáss dem hydrodynamischen Grundgesetz DANIEL BERNOUILLI's, dass in der Flüssigkeit eine Trans- formation der Kraft stattindet in der Weise, dass durch die Abnahme der Ge- schwindigkeit potentielle Energie in Form von Druckspannung aufge- speichert wird, wáhrend die zunehmende Geschwindigkeit der Wasserteilchen eine Abnahme des Druckes und Umwandlung in kinetische Energie bedeutet.

Somit ergeben sich für das Studium der Strómungserscheinungen die folgenden Grundregeln: ۱

I. Parallele Strómungslinien bedeuten gleichfórmige Geschwindigkeit bei

unverändertem Druck.

II. Alle Divergenzen benachbarter Linien bedeuten eine Stauung der Wasser- faden, Abnahme der Geschwindigkeit und Zunahme des hydrodynamischen Druckes.

III. Alle Konvergenzen: Zunahme der Geschwindigkeit, Abfluss, Abnahme des Druckes.

IV. Ruhende Flüssigkeit nahe an der Oberflache der Versuchskórper:

a. vor divergenten Linien an der Vorderseite: Druckmaximum; b. hinter konvergenten Linien an der Rückseite: Druckminimum.

Da bei der Bewegung eines festen Korpers in der Flüssigkeit der Druck zu überwinden ist, mit dem das Medium auf die Oberfliche des Kórpers wirkt, so kommen für die Beurteilung der Grósse und Verteilung dieses Widerstandsdruckes auch nur die an der Körperoberfläche herrschenden Druckverháltnisse des Mediums in Frage. Daneben sind die Strómungs- und Druckzustânde in dem benach- barten Reaktionsgebiet des Widerstandes von besonderem wissenschaftlichen Interesse, da sie gleichsam die »Entwicklungsgeschichte« des Widerstandes lehren und zeigen, wie der Ueberdruck des Verdrängungswiderstandes zu stande kommt, und wie der Minderdruck der Saugung wieder beseitigt wird.

Im folgenden sollen zunächst die Haupttypen der Widerstandserscheinungen an flàchenhaften Kórpern behandelt werden.

A. Der Flüssigkeitsstrom trifft senkrecht auf die Fláchen.

I. Der Widerstandskórper ist eine 5 cm breite rechteckige Tafel aus Zink- blech, die ca. 8 cm tief in die Flüssigkeit eintaucht und vom Strome unter a = 90° getroffen wird.

a. Im vorderen Widerstandsgebiet erfolgt eine symmetrische Teilung des Stromes (Fig. 32, 33 etc. Taf. VII). Sie beginnt etwa im doppelten bis dreifachen Ab- stande der Tafelbreite, indem die Strómungslinien erst unmerklich, dann immer deutlicher nach den Seiten abweichen. Bei den âusseren Wasserfaden, die in der Entfernung von

sy.

einer Plattenbreite s-itlich vorüberziehen, ist die Abweichung eine ziemlich gleichformige und der Verlauf fast geradlinig. An den inneren Fáden nimmt die Ablenkung um so stárker zu, je mehr sie sich der Tafel náhern und je náher sie dem auf die Tafelmitte gerichteten Achsenfaden liegen. Kurz vor der Tafel weichen die Stromlinien pinselfórmig aus- einander, die äusseren zuerst, mit schwacher Krümmung, die innersten zuletzt, mit starker seitlicher Ablenkung. Während nun die äusseren Wasserfäden in der Stauung, welche diese Divergenz anzeigt, nur wenig in ihrer strómenden Bewegung verzögert werden, erfahren die axialen nahe vor der Tafel eine solche Hemmung, dass hier nicht selten statt der Stromlinien die schwimmenden Bärlappflöckchen nahezu in Ruhe erscheinen. Aber von einer vóllig ruhenden Flüssigkeit, die im Sinne der VON LOSSL’schen Lufthügeltheorie !) der bewegten Platte wie ein zugespitzter Kopf vorgelagert ist, kann nicht die Rede sein, denn wie die innersten achsialen Stromfáden unter allmáhlicher Einbusse von Geschwindigkeit in diesen kleinen, verhältnismässig ruhigen Wasserkórper einmünden, so entwickeln sich aus ihm jederseits neue Fáden, die ihm ebensoviel Flüssigkeit entziehen, als jene herbei- führen. Ein eigentliches Stagnieren des Wassers vor einer ebenen Versuchstafel findet also nicht statt..

Anders liegt die Sache, wenn die Tafel an ihrer Vorderseite eine Konkavitát besitzt oder mit einem nach vorn vorstehenden Rande versehen ist (Taf. I. Fig. 36—43 Taf. VIII u. IX). Der Hohlraum ist dann zum grossen Teil mit einer ruhenden Flüssigkeit erfüllt, in die sich die pilzfórmig umbiegenden Wasserfaden wie in ein Polster eindrücken. Die Stromlinien erhalten dadurch z. T. eine S-fórmige Gestalt, da sie sich im Bogen seitwárts und ein wenig zurück wenden müssen, um die Hóhe des Abflussrandes zu erreichen. In dem Masse wie die innersten Fäden z. T. ihre Bewegung einbüssen, indem sie in den ruhenden Wasserkórper einmünden, so entwickeln sich nahe am Rande die Wurzeln neuer Abfluss- faden, die mit kurzen Stromlinien beginnen, konvergierend zum Rande emporsteigen und dann als innerste Fáden der Randstróme scharf über den Rand hinweg nach hinten fortfliessen.

In der Litteratur begegnet man mehrfach der Meinung, dass das Medium vor einem breiten Hindernis in wirbelnde Bewegung versetzt werde. Es sei daher hervor- gehoben, dass bei keinem, wie immer gestalteten Widerstandskórper an der Vorderseite irgend welche Wirbelbildungen zu beobachten sind. Nur an der Hinterseite treten Wirbel auf, da nur hier die Bedingung ihrer Entstehung erfüllt ist, námlich das Vorhandensein zweier entgegengesetzt gerichteter Stróme.

Prinzipiell âhnlich wie die axialen Wasserfaden verhalten sich die seitlichen Stromteile, die an dem scheinbaren Ruhegebiet keinen Anteil haben. Auch ihre Strómungs- linien konvergieren gegen den Rand der Tafel, und zwar um so energischer, je nâher sie der Strommitte liegen.

Verbindet man alle diejenigen Punkte der benachbarten Wasserfäden mit einander, welche die grósste Breite derselben bezeichnen (Taf. II Fig. 5), so wird dadurch an jedem

D v. Lóssr, Die Luftwiderstandsgesetze. Wien 1896.

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l'aden das Stück mit den divergierenden Stromlinien von dem der konvergierenden, das der Aufstauchung und des zunehmenden Druckes von dem des Abflusses und des abnehmenden Druckes getrennt. Die Scheidungslinie AA beginnt im Mittelpunkte a der Tafel und làuft von da nach jeder Seite in Form zweier symmetrischen Kurvenáste, die den Mittelpunkt als Scheitel gemeinsam haben. Das ganze vordere Strómungsgebiet wird dadurch in zwei Felder geteilt, ein äusseres des steigenden Druckes, das mit seinem Scheitel bis an die Mitte der Tafel stósst, und dahinter rechts und links ein inneres Feld des abnehmenden Druckes. Die Spitze des Druck-Zunahmegebiets, also die Tafelmitte, ist der Punkt des absoluten Druckmaximums, während in jedem seitlichen Wasserfaden das relative Maximum auf dem Kurvenast liegt. Die beiden Kurven scheinen sich asymptotisch nach rechts und links einer Linie zu náhern, die die Mittellinie der Bewegung rechtwinklig schneidet und als vordere Grenze des ganzen Widerstandsgebiets anzusehen ist.

Der positive Widerstandsdruck an der Vorderfliche der Versuchstafel selbst fallt nach Massgabe der Strómungslinien anfangs kaum merklich vom Maximum nach beiden Seiten ab und zeigt erst in der náchsten Náhe des Randes infolge rapider Zunahme der Strómungsgeschwindigkeit eine stárkere Abnahme. Wie weit dieselbe reicht, insbesondere ob sie auf Null herabgeht, werden die spàter mitzuteilenden Versuche lehren.

b. Zu beiden Seiten neben dem Tafelrande liegen die Strómungslinien in dichtem Bündel nebeneinander und ihre Lange bezeichnet die Grósse der hier herrschenden Strom- schnelle. Man sollte nun meinen, dass an dieser Stelle, wo das Hindernis den Strom seitlich am weitesten versperrt, die Stromschnelle auch das Maximum der Geschwindigkeit erreiche. Allein die Stromlinien zeigen auch fernerhin, indem sie ihren seitwárts und nach hinten gerichteten Weg fortsetzen, eine wenn auch schwache lhonvergenz und erfahren somit auch noch eine entsprechende Steigerung ihrer Geschwindigkeit. Erst an der Stelle b (Fig. 5), wo die ausbiegenden Wasserfáden ihre grósste Entfernung von der Stromachse errcicht haben, wo sie im Begriff sind, sich nach innen zu wenden, und die Kon- vergenz der Stromlinien allmâhlich in Divergenz übergeht, erst hier haben die Wasserfaden das Minimum ihrer Breite und damit die maximale Strömungsgeschwindigkeit erlangt. Verfolgt man auf den vorhandenen Photogrammen den innersten Wasserfaden, der aus dem Gebiet des Hochdrucks hart über den Seitenrand der Versuchstafel nach hinten zieht, so findet man, dass sein Strómungsmaximum und damit auch das Minimum seines hydrodynamischen Druckes um eine halbe bis volle Tafelbreite hinter dem Rande der Platte liegt und um ein Drittel bis einhalb der Tafelbreite seitwárts hinausgeschoben ist. Verbindet man von diesem Punkte aus die Druckminima aller Wasserfaden des Seiten- stromes, so erhält man eine seitwárts und nach hinten gebogene Kurve BB (Fig. 5) als Gegenstiick der Maximumkurve AA. Zwischen beiden liegt das Gebiet des Abflusses, der Verdrängung, das Übergangsfeld vom höchsten zum tiefsten Druck im Widerstands- gebiet. Wie aber der Maximumkurve ein Areal der Stauung und des zunehmenden Druckes voraufgeht, in welchem er sich vom Nullniveau zum hóchsten Stande erhebt, so folgt auch hinter der Minimumlinie ein Gebiet des Rückflusses, worin der Druck von

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seinem tiefsten Stande wieder zum Normalniveau aufsteigt. Dies zeigt sich in der beginnenden Divergenz der Stromlinien, die alle von der Minimumlinie ab um so stárker gegen die Mittelachse umbiegen, je náher sie dem Innenrande des Seitenstromes liegen.

Indem nun die Stróme von beiden Seiten her in der Mittellinie bei c gegen einander treffen und sich anschmiegend weiterziehen, umschliessen sie einen im Bilde eifórmigen Raum dbcb, der in der Náhe seines vorderen Poles von der Rückseite der Versuchstafel begrenzt wird. Die Flüssigkeit in diesem Raume, der an der breitesten Stelle zwischen den gróssten Ausweichungen der Randstróme bei unseren Versuchs- bedingungen nahezu die doppelte Tafeibreite hat, wird von der Tafel nachgeschleppt und soll daher als das »Schleppwasser« oder kurz die »Schleppe« bezeichnet werden. Ihrer Lage nach entspricht die Schleppe dem bewegungslosen »toten Wasser« der hydro- dynamischen Diskontinuitätstheorie oder dem, was man in bewegter Luft als den »Wind- schattene oder den »Überwind« bezeichnet, womit dann immer die Vorstellung der Windstille verbunden wird.

Die Photographie zeigt uns nun, dass in Wahrheit eine solche Windstille oder »totes Wasser« nicht vorhanden ist. Wie námlich die Randstróme im Maximum ihrer Geschwindigkeit an den seitlichen Wassermassen der Schleppe entlang gleiten, reissen sie dieselben wie durch Friktionswirkung mit sich fort. Aber die mitgezogene Flüssigkeit kann nicht vollstindig mit den Seitenstrómen nach hinten entweichen, da hierdurch hinter der Tafel ein Vacuum entstehen würde. Sobald daher durch teilweisen Abfluss des Schleppwassers der daselbst entstehende Minderdruck eine gewisse Grósse erlangt hat, wirkt derselbe saugend auf das schon in Bewegung gesetzte seitliche Schleppwasser ein und zieht es in der Mittellinie umbiegend nach vorn gegen die Rückseite der Tafel. Diese neue innere Strómung cd in der Schleppe soll der »Nachlauf« genannt werden. Da seine Geschwindigkeit grösser ist als die der bewegten Platte im ruhend gedachten Medium, so trifft er in áhnlicher Weise auf die Rückseite der Tafel, wie der Hauptstrom auf die Vorderseite, nur ist er, mehr als dieser, seitlichen Schwankungen unterworfen, die im Gange des Widerstandsmechanismus unvermeidlich sind. Von den Schwankungen ab- gesehen, stósst der Nachlauf gegen die Mitte d der Tafel und erzeugt hier im Minder- druckgebiet eine Druckerhóhung, eine Art sekundären Maximums, das in der pinsel- fórmigen Divergenz der Stromlinien seinen charakteristischen Ausdruck findet. Der Strom wird dadurch ein wenig verzógert und. wieder in zwei Aste geteilt, die sich seitwárts wenden und auf kreisender Bahn der anziehenden Kraft des Minimums im Seitenstrom folgen. So gelangen beide nahe dem Tafelrande in Berührung mit dem Seitenstrom, verschmelzen mit ihm und nehmen zugleich seine Geschwindigkeit an. Der Kreislauf beginnt von neuem. Die ganze Schleppe ist in drehender Bewegung, die rechte Hälfte wirbelt rechts herum, im Sinne des Uhrzeigers, die linke entgegengesetzt; beiden ist der Nachlaufstrom gemeinsam, durch den sie wie zwei Schópfráder das Wasser von hinten her in den Depressionsraum hinter der Tafel hineinmahlen.

Da die Wirbel ihren Antrieb vom Seitenstrom erfahren, so haben sie auch das Maximum ihrer Geschwindigkeit und das Minimum ihres hydrodynamischen Druckes mit

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ihm gemeinsam bei b. Verlangert man daher die Kurve des Druckminimums im Seiten- strome nach innen, so bezeichnet sie auch in den Stromfáden des Wirbels die Lage dieses Minimums und endigt in der Wirbelachse als im absoluten Druckminimum des ganzen Widerstandssystems.

Sehr eigenartig gestalten sich die sonstigen Druckverhâltnisse im Schleppwasser, wie sie sich aus dem Verlauf der Stromlinien ergeben. Zunächst liegt ein Teilmaximum in der Mediane c am hinteren Schleppenende, wo die Seitenstrôme zusammenstossen. Von hier ziehen sich die Linien ce des Hochdrucks seitwárts und nach hinten über die Stromfâden der Seitenstróme, gehen aber auch nach vorn quer über die breitesten Stellen der in elliptischen Bahnen wirbelnden Wasserfaden bis zu den Mittelpunkten u der Wirbel, sodass fur die hier rotierenden Wasserteilchen das Maximum des Druckes mit dem absoluten Minimum desselben zusammenfallt. Dicht vor dem Druckplateau c am Schlepp- ende zeigt die Konvergenz der zusammentreffenden Wirbelfiden, dass der Nachlauf ein Druckgefálle gegen die Tafel hat. Da die Aufstauung des Nachlaufs an der Tafelmitte verzógernd auf die Bewegung der Wasserfaden beider Wirbel wirkt, so setzt sich das Druckmaximum von dieser Stelle aus nach beiden Seiten fort in einer Linie von halbkreis- ahnlicher oder elliptischer Form, die wieder in die Wirbelcentren auslâuft, wie die Maximallinien im hinteren Schleppengebiet. Die Linien aller Druckmaxima im Depressionsgebiet bilden eine Art Schleifenlinie.

Es ist nun die Frage aufzuwerfen: wie wirkt das so beschaffene System der Strómungen auf das Hindernis der ruhend gedachten Versuchstafel, oder von welcher Form und Grósse ist im Einzelnen der Kraftaufwand, mit welchem die bewegte Tafel diesen ganzen Komplex von Bewegungen inner- halb des Mediums hervorruft und unterhált?

Da die Bewegung der Tafel eine geradlinige ist, so folgt zunáchst, dass auch die von jedem Punkte der Oberfliche der Tafel ausgehenden Einzelkráfte ursprünglich in die Richtung dieser Bewegung fallen müssen, sowohl die von der Vorderseite entspringenden Druckkráfte, als auch die saugenden Zugkráfte der Hinterseite. Die Reibung an den Seitenflichen soll hier unberücksichtigt bleiben. Diese Thatsache führt zu der üblichen Vorstellung, dass die Elementarkráfte der Oberflachenteilchen durch lauter gleich grosse und gleichgerichtete Strecken darstellbar seien, die ihrer ganzen Erstreckung nach in die allgemeine Bewegungsrichtung fielen. Man sieht aber, dass die Wirkung eines solchen Krâitesystems keine andere sein könnte, als die des Stempels einer Saug- und Druckpumpe, der in einem enganschliessenden Cylinder die Wassermasse vor sich herschiebt resp. nachzieht. Eine solche Wirkung liegt indessen hier nicht vor, vielmehr beweisen die Strómungslinien, dass durch die von der Platte ausgehenden Widerstandskräfte eine Stauung und seitliche Ablenkung erzeugt wird. Da nun die Stauung resp. Be- schleunigung longitudinal, in der Richtung der Wasserfäden erfolgt, die Ablenkung dagegen senkrecht dazu, in transversaler Richtung, so müssen auch die Linien, in denen die Druckkrafte wirken, eine mehr oder weniger transversale Stellung zu den Stromlinien

17 haben, je nachdem sie eine stárker ablenkende oder stárker hemmende Wirkung auf die Wasserfáden ausüben.

Aus diesen Erwágungen ergiebt sich ein System von Kraftlinien, wie es in Fig. 6 dargestellt ist. Die von der vorderen Fláche der Versuchstafel entspringenden Drucklinien erscheinen als parabelähnliche Kurven, die um so mehr nach der Seite gerichtet sind, je náher ihr Ausgangspunkt dem Tafelrande liegt. Nur die innerste Drucklinie geht von der Tafelmitte geradlinig nach vorn in der allgemeinen Bewegungs- richtung, und ihre Wirkung ist eine reine Hemmung oder Stauung. In dem Masse, wie die seitwárts benachbarten Drucklinien mehr und mehr in die transversale Richtung übergehen, nimmt die hemmende Wirkung ab mit dem Cosinus des Winkels, den die Drucklinie mit der Stromrichtung bildet, und gleichzeitig steigt die ablenkende Wirkung mit dem Sinus dieses Winkels. Die äusserste, in der Nähe des Randes der Tafel ent- springende Drucklinie fg (Fig. 5) schneidet alle Wasserfáden in normaler Richtung, sie wirkt daher auch nur ablenkend. Die Schnittpunkte dieser Kraftlinie mit den Strómungs- linien sind zugleich geometrische Wendepunkte in der Krümmung der letzteren, denn die gegen die Mittellinie konvexe Bahn der Wasserfäden geht hier über in die konkave, ihre ausweichende Bewegung in die einbiegende, das Feld der Verdrángung in das des Rück- flusses in den Raum hinter der Tafel.

Zieht man von den Rándern der Tafel aus ein orthogonales Trajektorium durch die Kraftlinien, so bezeichnet dasselbe die Lage der vorderen Stau- oder Bugwelle Wi (Fig. 5 u. 6), welche bei gleichfórmiger Geschwindigkeit stationär der Platte voraufgeht, ohne merklichen Einfluss auf den Gang der vorüberziehenden Stromfáden.

Wie das Maximum des Druckes mitten vor der Tafel, so liegt das absolute Minimum in der Rotationsachse des Wirbelringes. Es besteht somit ein stationáres Gefálle zwischen beiden Orten; aber da der Abfluss nicht auf dem kürzesten Wege zum Minimum erfolgen kann, sondern auf gekrümmter Bahn um die Tafelránder verlaufen muss, so entsteht die Rotation der Schleppe und mit ihr die centrifugalen Kráíte, welche das seitliche Hervortreten des Wirbelringes über die Ránder der Tafel erzeugen. Der von vorn her erhóhte Druck der Seitenstróme halt einerseits diesen Centifugalkraften centripetal das Gleichgewicht, andererseits entlad er sich in Form tangentialer Beschleu- nigung der Wasserfáden. Beide Wirkungen lassen sich jederseits durch ein System cyklonaler Kraftlinien ausdrücken, die den thatsáchlich vorhandenen Bewegungen angepasst sind und rechts und links die entgegengesetzt gerichtete Strómung der Wirbeláste wiederspiegelt. :

Obgleich hiernach diese Kräfte thatsáchlich nur von Druckkraften des umgebenden Mediums herrühren, lassen sie sich doch als centripetale, von den Wirbelachsen aus- gehende Zugkrafte auffassen, durch welche das Minimum eine saugende Wirkung auf das umgebende Medium ausübt.

Damit erhalten wir aber zum ersten Male eine bestimmte Vorstellung von jenen nicht selten verhángnisvollen Widerstandserscheinungen, die den Seeleuten unter dem

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Namen des »Soges« (suction) geläufig sind. Wir werden daher in Zukunft diese Kräfte kurz als »Soggkrafte« und die sie darstellenden Linien als »Sogglinien« bezeichnen.

Da die abfliessende Bewegung der Wasserfaden bereits vor der Tafel an der Linie der Druckmaxima AA (Fig. 5) beginnt, so dürfen wir auch den Wirkungsbereich der Sogglinien nach vorn hin als durch jene Linie AA begrenzt betrachten. Wie bei den Drucklinien wachst die positiv oder negativ beschleunigende Wirkung der Soggkrâfte mit dem Cosinus des Winkels, den ihre Richtungen mit den Stromlinien bilden, und ihre ablenkende Wirkung mit dem sin. Daher müssen auch die Sogglinien nach vorn hin um so kleineren Winkel mit den Stromlinien bilden, je stárker deren durch den Grad der Konvergenz ausgedrückte Beschleunigung ist, und um so gróssere, je mehr sie in centripetaler Richtung wirken. ۱

Den centripetalen Komponenten der Soggkráfte stehen die durch die Wirbelung bedingten centrifugalen Krafte gegenüber, die, wie jene, von den Rotationsachsen der Wirbel soweit seitwärts reichen, wie der Einfluss des ganzen Widerstandsphanomens. Die centrifugalen Krafte sind es vor allem, welche die eigenartige Verteilung des Fliissigkeits- druckes in der Schleppe hervorrufen, sie sind es, die das stationire Minimum des Druckes in den Wirbelachsen bewirken, sie sind es auch, die den Druck in den peripherischen Wirbelteilen in einer solchen Hohe erhalten, dass thatsächlich cine Kontinuität zwischen den Seitenstrómen und der Schleppe besteht, an Stelle der von der hydrodynamischen Theorie geforderten Trennungsflachen.

Denken wir uns hinter einer im Wasser normal fortbewegten Tafel (Fig. 7 Taf. III) durch die Achse des hier vorhandenen Wirbelhalbringes eine vertikale Ebene gelegt, so schneidet dieselbe die Oberflache der Flüssigkeit in einer Linie von der Form a-b. Sie hat ihre tiefsten Punkte in den Mitten der trichterformig vertieften freien Enden des Wirbels und steigt seitlich ohne Sprung bis zur Hohe des Niveaus im Seitenstrom, während sie in dem mittleren Verbindungsstück diese Hóhe nicht ganz erreicht. Legen wir die schneidende Ebene in den Raum zwischen der Wirbelachse und der Tafel, so zeigt die Oberflichenlinie die Gestalt cd der Figur, die im wesentlichen auch die Form des Niveaus an der Rückseite der Tafel selbst wiedergiebt. Da unter den herrschenden stationáren Verhaltnissen die Niveauhóhe, d. h. die Ordinaten jener Kurven, die Grósse des vorhandenen Druckes bezeichnen, so sieht man leicht aus der Figur, wie infolge der Centrifugalwirkung der Druck im vorderen Teil der Schleppe um so grósser wird, je weiter die wirbelnden Wasserteilchen von der Wirbelmitte entfernt sind und je grósser ihre durch die Friktion des Randstromes erzeugte tangentiale Geschwindigkeit ist. Soweit das Wasser der Schleppe an der Tafel unter dem allgemeinen Nullniveau zurückbleibt, befindet es sich unter einem Minderdruck, der jederseits unweit der Ránder der Tafel seinen tiefsten Stand hat. Da nun der Widerstand allein durch den an der Tafel herrschenden Druck bestimmt ist, so folgt, dass an den ebenbezeichneten Stellen auch der stárkste negative oder saugende Widerstand von der bewegten Tafel überwunden werden muss, wie es die im letzten Teil dieser Untersuchungen des náheren mitzuteilenden experimentellen Thatsachen zur Anschauung bringen werden.

19 Zieht man von dem hinteren Druckplateau c aus eine Linie rechtwinklig über die nach hinten gerichteten Sogglinien, so bezeichnet diese Kurve die Lage der stationáren Sogg- oder Heckwelle Ws (Fig. 5 u. 6). Wie es scheint, fállt sie mit der Hochdruck- linie ce zusammen.

B. Widerstand an reckteckigen Tafeln, die unter spitzen Winkeln vom Strome getroffen werden.

Steht die Versuchstafel schrág zur Stromrichtung (Fig. 44—49. Taf. X u. XI), so verlaufen alle Widerstandsstrômungen unsymmetrisch. Die Wassermasse vor der Tafel teilt sich auch hier wieder in die beiden Seitenstróme, die um die Ránder seitwárts ab- fliessen; aber die Stromhálfte, die um den voraufgehenden »Oberrand« fliessen soll, ist anscheinend meist etwas kleiner, als der Unterrandstrom. Die Grenzlinie zwischen beiden, die in einiger Entfernung vor der Tafel noch ungefáhr die gerade Richtung auf die Mitte der Tafel hatte, wendet sich, jemehr sie sich der Tafel náhert, im flachen Bogen nach der Seite des vorangehenden Randes und trifft schliesslich. unter rechtem Winkel auf die Tafel in einem zwischen der Mitte und diesem Rande gelegenen Punkte. Dieser Punkt bezeichnet die Stelle des absoluten Druckmaximums, und die Trennungslinie ist der Ort des Gleichgewichts der transversalen hydrodynamischen Druckkrafte beider entstehenden Seitenstróme.

Die Strómungslinien auf den Photogrammen lassen klar hervortreten, dass der um den Oberrand fliessende Seitenstrom, den wir kurz den »Oberstrom« nennen wollen, früher und energischer aufgestaut und dann wieder stárker beschleunigt wird, als sein Gegenstück, der »Unterstrom«. Zieht man vom Punkte des Druckmaximums an der Tafel nach beiden Seiten die Kurven AA (Fig. 8) durch die Stellen der gróssten Breite oder Aufstauung der Stromfáden, so bezeichnen dieselben zugleich die Lage der Druck- maxima im vorderen &tromgebiet. Die Kurve ist ähnlich der entsprechenden Linie an der normal stehenden Tafel, liegt mit beiden Ästen schräg zur Hauptrichtung des Stromes und scheint sich asymptotisch einer Linie zu nâhern, welche schrág zum Strome ge- richtet ist.

Die Asymmetrie der Strómungen im vorderen Widerstandsgebiete wird auch auf die Flüssigkeit hinter der Tafel übertragen. Wie in der Normalstellung, so hat auch die schráge Tafel hinter sich eine begrenzte Wassermasse, die als Schleppe der Bewegung der Tafel folgt. Auch hier ist die Schleppe beiderseits in entgegengesetzt drehender Wirbelbewegung, aber die beiden Wirbel sind von sehr verschiedenem Querschnitt; der Oberrandwirbel ist bedeutend grósser, als der des Unterrandes. Da die tangentiale Ge- schwindigkeit an der Berührungsstelle beider Wirbel im Nachlauf dieselbe ist, so muss die Rotationsgeschwindigkeit beider Wirbel im umgekehrten Verhàltnis der Radien stehen. Der grosse Wirbel vollendet also eine Umdrehung langsamer, als der kleine. Die Ver- bindungslinie der Mittelpunkte beider Wirbel steht augenscheinlich um so schrâger zur

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Hauptrichtung der Bewegung, je kleiner der Ncigungswinkel ist, doch ist ihre Lage bei grossen Neigungswinkeln stárkeren Schwankungen ausgesetzt als bei kleinen. Der um den unteren Tafelrand kommende Seitenstrom wendet sich mit einem grossen Bündel sciner inneren Stromfâden um den angrenzenden kleinen Randwirbel und tritt so in den Nachlauf ein. Dieser trifft nun wegen des geringen Umfanges des genannten Wirbels nicht mehr die Mitte der Tafel, sondern die dem Unterrande benachbarte Halfte derselben. Die Depression hinter der Tafel wird dadurch an dieser Stelle leichter aufgefüllt als an der anderen Halfte; der Ort des gróssten Minderdruckes muss daher an der dem Oberrand benachbarten Tafelhälfte liegen.

Die vom Unterrandstrom stammenden Fáden des Nachlaufs gelangen auf S-fórmigen Bogen grósstenteils in den Bereich des grossen Oberrandwirbels, umwinden denselben an der Aussenseite und verschmelzen so mit ihm und dem Oberstrome. So kommen sie schliesslich in das hinter dem Wirbel liegende Ausgleichsgebiet, wo sie sich in einer nach der Seite des Unterrandes abweichenden, asymmetrischen Verschmelzungslinie beider Randstróme wieder mit dem Rest des Unterstromes vereinigen. In der Lücke hinter den beiden Wirbeln und vor der Vereinigungsstelle der Seitenstróme liegt am Ende der Schleppe ein nicht selten strómungsfreies, plateauartiges Gebiet relativ hohen Druckes, das nach Lage und Bedeutung dem sekundären Druckmaximum c der Normaltafel ent- spricht. Auch das andere relative Druckmaximum d des Minderdruckgebietes ist vor- handen; es liegt hinter der Tafel beim kleinen Wirbel an der Stelle, wo die Nachlauf- strömung sich gabelt. Es ist Eemerkenswert, dass dieses Maximum an der Rückseite der Tafel ungefahr ebensoweit gegen den Unterrand verschoben ist, wie das Hauptmaximum der Vorderseite gegen den Oberrand (s. Seite 25).

Wie bei der Normaltafel, so ist auch fur schragstehende Platten die Frage nach der Form und Grösse der Kräfte zu beantworten, welche die Bewegungen des vorhandenen Systems der Strómungen unterhalten.

Diese Krafte sind, wie man sieht, an der Vorderseite der Tafel Druckkrafte, die eine aufstauende, verzógernde und ablenkende Wirkung auf die herankommenden Wasser- fáden ausüben. Die Wirkung ist neben der auf das Druckmaximum gerichteten Strom- teilungslinie am stärksten und vorwiegend eine stauende, seitlich ist sie mehr ablenkend und wird am Rande der Tafel, namentlich am Unterrande, minimal. Demgemáss müssen die Kraftlinien des Verdrangungswiderstandes annáhernd die Form der gestrichelten Kurven haben, die in Fig. 8 von der Vorderseite der Tafel ausgehend gezeichnet sind. Die Linien erfahren danach von ihrer Ursprungsstelle ab eine Ablenkung aus der Hauptstrom- richtung nach der Seite; die Ablenkung ist um so stárker, je schwicher die in ihnen wirkenden Krafte sind, und sie erreicht das Maximum in der vollen Transversalstellung der vom Tafelrande entspringenden Kraftlinien.

Eine noch weiter gehende Ablenkung und Krümmung der Kraftlinien über die transversale Lage hinaus nach hinten zu ist mechanisch nicht vorstellbar, da dann eine ursprünglich nach vorn gerichtete Kraft eine nach hinten gehende Komponente haben

21 müsste, was keinen Sinn hat. Hieraus folgt zugleich, dass auch die Beschleunigung, welche die Wasserfaden schon vor der Tafel, aber hinter der Linie der maximalen Stauung erfahren, nicht direkt von den Druckkräften des Verdrängungswiderstandes her- rühren kann, sondern von saugenden Zugkraften, die wir uns, wie bei der Normaltafel (s. Seite 17), von den Wirbelcentren aus wirkend denken.

Von beiden Seiten her greifen dieselben um die Ránder der Tafel herum in das Überdruckgebiet und konvergieren gegen die vordere Stromteilungslinie. An ihren centralen Enden stehen diese Kraftlinien radial zu den wirbelnden Wasserfäden, die sie als Centri- petalkráfte in dieser Bewegung unterhalten; soweit sie aber an ihren peripherischen Enden in die tangentiale Richtung der Stromfáden umbiegen, wirken sie im vorderen Gebiet beschleunigend und nach hinten verzógernd auf die Widerstandsstróme. So vollzieht sich auch hier sowohl der Abfluss des Wassers vor der Tafel, wie der Rückfluss in den Raum dahinter unter dem Einfluss der in den Sogglinien wirkenden Wirbelkráfte. Diese Kräfte sind in unserm Falle keine ursprünglichen, von der bewegten Tafel ausgehenden Arbeits- kráfte, sondern Reaktionskrafte. Die kinetische Energie, mit welcher die bewegte Tafel vorn auf das Wasser drückt, wird in der Form der Stauung als potentielle Energie auf das Medium übertragen, und diese ist es, die sich in den Richtungen der Sogglinien entlädt und die Arbeit der Wirbelbewegung verrichtet. |

Allein dies gilt im vollen Umfange nur von den äusseren Soggkräften, deren Bereich von Anfang bis zu Ende im freien Medium liegt. Die inneren Soggkräfte, welche von der Rückseite der Tafel begrenzt werden, wirken nicht nur regelnd auf die Wirbelung im Schleppwasser, sondern üben durch dasselbe auch einen Zug auf die Tafel selbst aus, die sie dadurch in ihrer Bewegung hemmen; sie sind die für die Bewegung allein in Frage kommenden negativen oder saugenden Widerstandskrafte und werden als solche direkt von der kinetischen Energie der Tafel selbst bestritten. Fast die ganze Rückseite der Tafel steht unter dem Einfluss der inneren Sogglinien des grossen Ober- randwirbels; vom Unterrandwirbel erreichen nur wenige dieser Linien die Tafel. Da die Linien unter verschiedenen Winkeln auf die Tafel treffen, die saugende Widerstands- wirkung aber normal zur Tafelfliche erfolgt, so hängt dieselbe wesentlich vom Sinus des Winkels ab, den die Linien mit der Tafel bilden. Es ist auch anzunehmen, dass die Wirkung um so stärker ist, je kürzer die Kraftlinien desselben Wirbels sind. Hieraus ergiebt sich, dass der saugende Widerstand an der Rückseite der oberen Tafel- halfte seinen gróssten Betrag haben wird, während am Unterrande, wo die Kraftlinien mehr tangential zur Tafel gerichtet sind, auch nur eine minimale Widerstands- saugung stattfinden kann; ein Resultat, was durch die späteren Untersuchungen vollauf bestátigt wird.

Anderungen des Neigungswinkels (Fig. 44—49, Taf. X u. XI) bewirken zwar keine prinzipiellen Umgestaltungen im Gange der Widerstandsstrómungen, wohl aber charakteristische Verschiebungen der Stromteilungslinie und des Druckmaximums an der Vorderseite der Tafel, sowie Anderungen in der Lage und Grôsse der Wirbel an der Rückseite.

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Ist der Winkel nur wenig von 90% verschieden, so hat die Trennungslinie, d. i. die Linie, welche im Hochdruckgebiet die beiden seitlichen Stróme median von einander abgrenzt, bereits eine unsymmetrische Lage neben der Mittel- linie des Hauptstromes, sodass der Oberrandstrom etwas schmaler ist, als der des Unter- randes. Bei 65° Neigung der Tafel erfolgt die Teilung annähernd im Verhältnis von 2: 3, schreitet aber in diesem Sinne mit abnehmendem Neigungswinkel nicht fort, sondern ist bei 45? nicht wesentlich anders und bei 20? wieder nahezu wie 1: I, sodass, wie in der Normalstellung, die eine Halfte des Hauptstromes um den Oberrand, die andere um den Unterrand abfliesst.

Wie die Trennungslinie, so erfahrt auch das Druckmaximum, der Treffpunkt, in welchem jene Linie rechtwinklig auf die Tafel stósst, eine ungleichfórmige Verschiebung, wenn der Neigungswinkel verändert wird. Die Richtung dieser Verschiebung bleibt immer dieselbe, d. h. der Punkt rückt um so weiter vom Mittelpunkte der Tafel gegen den oberen Rand, je kleiner der Neigungswinkel wird. Aber die Anderung ist eine weit gróssere wenn die Neigungswinkel zwischen 9o? und 45? liegen, als wenn es sich um kleinere Winkel handelt. |

Um diese Abhängigkeit mit grösstmöglicher Genauigkeit darzustellen, habe ich eine grosse Zahl photographischer Aufnahmen von Widerstandsstrômungen an ebenen Platten hergestellt, die unter Neigungswinkeln von 109 bis 909 zum Strome gestellt waren, und auf den so erhaltenen Photogrammen mit Sorgfalt die Abstânde des Stromteilungs- punktes vom oberen Rande der Tafel bestimmt. Mit Hiilfe dieser Masse ist die Kurve III (Fig. 12, Taf. IV) erzielt, welche die Lage jenes Punktes für jede beliebige Neigung der Tafel AB von 09 bis 90% angiebt. Denkt man sich die Tafel um den Unterrand A ge- dreht, sodass sie aus der Lage o? nach und nach in die Stellung von 90° Neigung gegen den durch den Pfeil bezeichneten Strom übergeht, so bezeichnet der Schnitt der Kurve 111 mit der Tafel für jeden Neigungswinkel den Punkt der Stromteilung oder des Druckmaximums, wenn die Tafel A B die Lánge von 200 mm hat. Für andere Tafel. lángen ist hiernach der Punkt leicht durch Reduktion zu bestimmen, sofern die Strómungen an Platten von anderen Dimensionen einen geometrisch ähnlichen Verlauf haben, als an den Tafeln von 50 mm Lange, welche bei den Versuchen benutzt wurden.

Um über diese wichtige Frage eine Entscheidung herbeizuführen, war es nötig, einige Kontrollversuche in grósseren Verhaltnissen anzustellen.

Da aber meine materiellen Hiilfsmittel die Anstellung derartiger Versuche nicht gestatteten, so habe ich mich für den vorliegenden Zweck mit der für die Voraus- bestimmung von Schiffswiderstanden vom Norddeutschen Lloyd in Bremerhaven errichteten Versuchsstation in Verbindung gesetzt. Der Vorstand dieses vorzüglich ein- gerichteten wissenschaftlich-technischen Instituts, Herr Ingenieur JOH. SCHUTTE, ist mir in der liebenswürdigsten Weise entgegengekommen und hat mir nicht nur bereitwillig die Anstellung einiger Versuche gestattet, sondern auch die dazu erforderlichen Einrichtungen beschafft und persónlich die Durchführung der Versuche mit allen ihm zu Gebote stehen- den Hülfsmitteln gefördert und geleitet. Es ist mir eine Freude, Herrn Ingenieur SCHÜTTE

23 für das grosse, in so wirksamer und erfolgreicher Weise bethatigte wissenschaftliche Interesse meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen.

An dem dort vorhandenen, elektrisch beweglichen Wagen mit den verschiedenen Registriervorrichtungen zur Bestimmung der Widerstände an Schiffsmodellen wurden zwei starke 7 m lange eichene Balken als Ausleger nach vorn befestigt und daran vermittelst zweier kráftiger schmiedeeiserner Arme eine 5 mm dicke Stahlplatte von 1 m* derart fest aufgehängt, dass sie zur Hälfte in das ruhende Wasser eintauchte. Senkrecht über der Tafel wurde auf einem obelisken-fórmigen Geriist die photographische Kammer auf- gestellt, sodass auf den Bildern die Tafel, genau von oben gesehen, als gerade Linie er- scheinen musste. Um Stromlinien zu erhalten, wurde die 6 m breite Oberfläche des Wassers im grossen Versuchstank mit »Confetti« bestreut, kleinen kreisrunden, ausgestanzten Papierpláttchen von ca. 5 mm Durchmesser, die im Wasser nicht untersinken. Die Auf- nahmen wurden am Tage bei automatisch entzündetem Magnesium-Blitzlicht gemacht.

Sobald der Wagen in Gang gesetzt wurde, war es von grossem Interesse, zu sehen, dass die Bewegungen des Wassers prinzipiell und in allen wesentlichen Punkten bis auf einen genau so verliefen, wie bei meinen im Kleinen angestellten Versuchen mit Platten, deren Tauchtiefe nur gleich der Hälfte der Breite war. Die einzige wesentliche, sichtbare Abweichung bestand darin, dass die durch Stauung erzeugten Niveauunterschiede vor und hinter der Platte, an der grossen Tafel verhältnismässig geringer waren, als an den kleinen Platten der Hamburger Versuche. Ueber die Be- deutung dieser Erscheinung wird weiter unten in dem Abschnitt über Stauversuche die Rede sein.

Da die experimentellen Schwierigkeiten bei den Versuchen im Grossen sehr er- heblich sind, so haben wir uns auf einige Aufnahmen mit der Plattenstellung rechtwinklig zur Bewegungsrichtung und unter einem spitzen Winkel beschránken müssen. Herr SCHÜTTE hatte die Güte, die photographischen Platten nachher entwickeln zu lassen und mir die Kopien von den sechs gelungenen Aufnahmen im Format 18/24 freundlichst zur Verfügung zu stellen.

Die Geschwindigkeit, mit welcher die Platte durch das Wasser bewegt wurde, varierte von 0,46 bis 1,40 m. Da das photogr. Objektiv ca. 3 m von der Oberfläche des Wassers entfernt war, so erscheinen die Stromlinien zwar von geringerer Lánge als bei den Aufnahmen in kleineren Verhältnissen, lassen jedoch, wie die verkleinerte Repro- duktion (Fig. 50 Taf. XI) zeigt, über den Verlauf der Bewegung keinen Zweifel.

Zur Kontrolle unserer empirischen, kardioiden-ähnlichen Kurve, welche die Lage des Stromteilungspunktes an der Vorderseite ebener Tafeln von verschiedenen Neigungs- winkeln angiebt, eignete sich besonders die eine der beiden Aufnahmen mit schräger Plattenstellung (Fig. 50). Diese Tafel hat in der Photographie eine Breite von 75 mm in der Wasserlinie. Der Stromteilungspunkt hat eine Entfernung von 13 mm vom voran- gehenden Plattenrande. Berechnet man diese Strecke für den Massstab, in welchem die genannte Kurve gezeichnet ist, d. h. für eine Plattenbreite von 200 mm, so erhält man die Zahl 34,66, und die Kurve ergiebt dafür einen Neigungswinkel der Platte von gut

24 56°. Die direkte Messung des Winkels am Versuchsorte hatte dagegen, wie ich später sah, 56°30’ ergeben. Die Übereinstimmung ist eine sehr gute, denn die Kurve verlangt für den letzteren Winkel einen Randabstand des Teilungspunktes von 13,1 mm, statt der gemessenen 13,0 mm, eine Differenz, die gánzlich verschwindet, wenn man bedenkt, dass die Stelle der Stromteilung ja kein fester mathematischer Punkt ist, sondern naherungs- wcise bestimmt werden muss.

Wenn diese erfreuliche Uebereinstimmung beweist, dass unsere kardioidenähnliche Kurve der wahre Ausdruck ist für die Lage des Druckmaximums an der Vorderseite ebener Tafeln, so ist dies Ergebnis um so bemerkenswerter, als dadurch die einander widersprechenden álteren Anschauungen eine Berichtigung erfahren.

So hat Lord RAYLEIGH unter den Voraussetzungen der hydrodynamischen Gleichungen eine Formel für die Lage des Druckmaximums abgeleitet, wonach der Abstand desselben vom vorderen Tafelrande bei den verschiedenen Neigungswinkeln « ist: 2 (1 —2 cos « + cos? a) + a-sin «

m 4 + a-sin o. i

Diese Formel ergiebt in unserer Darstellungsweise die Kurve I von Fig. 12 Taf IV. Wie man sieht, sind die Polarkoordinaten dieser Kurve durchweg zu gross, zumal bei mittleren und kleineren Neigungswinkeln, und es wiirde sich z. B. nach den Messungen an der zuletzt besprochenen Aufnahme in Bremerhaven ein Neigungswinkel von 61% ergeben, statt 56° 30’. Damit ist nachgewiesen, dass die theoretische Formel Lord RAYLEIGH's für den Widerstand des natürlichen Wassers keine volle Gültigkeit hat.

Auf áhnlicher Grundlage beruht eine neuerdings für den gleichen Zweck auf- gestellte Formel von Prof. LAMB, die sich in einer der Arbeiten von Prof. HELE-SHAW (Inst. Nav. Arch. 1898. p. 31) vorfindet. Prof. LAMB benutzte die schónen Photogramme (cfr. Fig. 51) der Stromlinien, welche HELE-SHAW ”) von Flüssigkeiten erhielt, die sich zwischen eng nebeneinander stehenden Platten kontinuierlich um Hindernisse bewegen, und stellte für den Abstand d des Stromteilungspunktes vom Flachenmittelpunkte die Formel

d a. cos e auf, wo a die halbe Plattenbreite ist, Diese Formel würde nach der Bezeichnungsweise von Lord RAYLEIGII als Abstand vom Oberrande die Form a (1— cos «) annehmen, und die Polarkoordinaten der zugehórigen Kurve wáren 0—a + a-cos «=a (I + cos a),

cC. oder auch, da I + cos 2 cos? a ist,

a 0—2a cos?

D HELE-SHAW liess zwischen zwei Glasplatten von !/ao resp. Leo inch, also wenig mehr als 0,5 mm Abstand eine diinne Wasserschicht fliessen, in der er durch cine sinnreiche Vorrichtung farbige, parallele Strom- fåden erzeugte. Bei gewissen, nicht zu grossen Geschwindigkeiten bewegte sich diese Flüssigkeitsschicht ohne Wirbelbildung kontinuierlich um eingeschaltete Hindernisse, und es ergaben sich Strómungsbilder wie Fig. 51 Taf. XI,

die ich als ein Beispiel dieser eigenartigen Bewegungen den schónen Untersuchungen. HELE-SHAW's entlehnc,

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Dies ist aber die bekannte Formel der Kardioide oder Herzkurve, d. h. jener Epicykloide, welche ein Punkt des Umfanges eines Kreises vom Radius ` beschreibt, der

auf einem andern Kreise von gleichem Radius in der Ebene rollt.

Ich habe diese Kurve in die Figur 12 eingetragen und mit II bezeichnet. Sie nimmt darin die tiefste Stellung ein, schmiegt sich bei kleinen Neigungswinkeln unserer Kurve III an, weicht aber dafür bei mittleren und grossen Winkeln weiter ab als die Kurve (I) Lord RAYLEIGH's. Die vorhin für die Kontrollmessungen verwendete Platte aus den Bremerhavener Versuchen würde nach dieser Kurve eine Neigung von 50% gehabt haben; statt 56?30', wodurch denn die Ungenauigkeit der eleganten Formel Prof. LAMB's erwiesen ist. Übrigens stimmen auch die vom Prof. HELE-SHAW publizierten Abbildungen von Stromlinien an schrägen Tafeln und tafelàhnlichen cylindrischen Körpern von flach- elliptischem Querschnitt trotz der einschränkenden experimentellen Bedingungen gut mit unserer Kurve III überein.

Wenn somit die Strömungen an der Vorderseite der ebenen Tafeln mit der Anderung des Neigungswinkels eine sehr regelmássige Veründerung erfahren, so muss dagegen hervorgehoben werden, dass die Bewegungen an der Rückseite einen mehr labilen Charakter haben und auf geringfügige und zufállige Anderungen mit weitgehenden Schwankungen antworten. Aber wie regellos diese Bewegungen auf den ersten Blick erscheinen mógen: das allgemeine Prinzip der Rotation des Schleppwassers in einem Wirbelring bleibt immer gewahrt; und wenn man eine gróssere Reihe von Strómungs- bildern überblickt, so erweisen sich auch die abweichendsten Bewegungserscheinungen schliesslich doch als Schwankungen um eine mittlere typische Form der Wirbelbildung, deren Abhángigkeit von dem Neigungswinkel © unverkennbar ist. Bei « = 90° verlauft diese mittlere Wirbelung symmetrisch; bei allen spitzen Winkeln liegt eine ausgepragte Unsymmetrie vor in dem Sinne, dass mit kleiner werdendem Neigungswinkel der Unter- randwirbel kleiner wird, während sich der Oberrandwirbel, allmählich schmaler werdend, zunehmend über die ganze Hinterseite der Tafel ausdehnt und schliesslich den Unterrand- wirbel gánzlich in das nachfolgende Kielwasser verdrángt.

Wie die Verschiebung des Stromteilungspunktes an der Vorderseite, so vollzieht sich auch die Verdrángung des Unterrandwirbels bei grossen Neigungswinkeln schneller als bei kleinen; damit geht auch eine entsprechende Verschiebung des Nachlaufs Hand in Hand, der zwischen beiden Wirbelquerschnitten nach vorn fliesst. Danach liegt es a priori nahe, zuzusehen, ob nicht der Punkt, wo dieser Strom die Rückseite der Tafel trifft und sich teilt, bei seiner Verschiebung mit kleiner werdendem Neigungswinkel der- selben Gesetzmässigkeit folgt, wie der Stromteilungspunkt im Hochdruckgebiet. Diese Vermutung hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich, zumal auch bei den von HELE- SHAW untersuchten und abgebildeten »kontinuierlichen« Strómungen die um beide Ránder der Tafel herumkriechenden Randstróme unter Vermeidung wirbelnden Schleppwassers sich in einem Punkte der Rückseite treffen, der sich in genau derselben Weise dem Unterrande náhert, wie der Stromteilungspunkt der Vorderseite dem Oberrande.

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Auf Grund der uns vorliegenden Photogramme kónnen wir jedoch eine solche Übereinstimmung nur als annáhernd existierend bezeichnen, denn der betreffende Punkt an der Rückseite ist bei unseren, durch das Experiment nicht eingeengten Strómungen nicht entfernt so scharf ausgeprägt, wie in den Versuchen von HELE-SHAW. Die labilen Schwankungen des Nachlaufs erreichen gerade in diesem Punkte ihre gróssten Ausschlage, und wenn bei mittleren Neigungswinkeln der ganze obere Wirbelast auf S-fórmigem Bogen mit vom Unterrandstrom eingehüllt wird, so trifft überhaupt nur der letztgenannte Strom mehr tangential gegen den Rücken der Tafel, und es findet somit auch keine Trennung des gemeinsamen Nachlaufs an der Tafel statt. Dennoch ist nicht zu ver- kennen, dass die kreisfórmigen Stromfaden, welche den Unterrandwirbel bilden, oft an ciner Stelle gegen die Hinterseite der Tafel treffen, die jenem Punkte annáhernd entspricht, oder dass daselbst eine nahezu stagnante Wassermasse vorhanden ist, die die Stelle des relativen Druckmaximums hinter der Tafel einnimmt. Wenn wir aber annehmen, dass die Verschiebung des Stromteilungspunktes an der Rückseite derselben Gesetzmassigkeit unterworfen ist wie an der Vorderseite, so ist die Lage dieses Punktes durch die Kurve Illa Fig. 12 ebenso bestimmt, wie die des Druckmaximums durch die Kurve III. Wir erhalten IIIa dadurch, dass wir die Polarkoordinaten von III statt von A nach B in umgekehrter Richtung auf den von A ausgehenden Strahlen abtragen. Die Kurve IIa ist ein entsprechend konstruierter Kardioidenbogen der LAMB'schen Formel. Um die schwankende Lage des Stromteilungspunktes hinter der Tafel zu demonstrieren, verweise ich auf die Photogramme Fig. 44—48.

Die Schwankungen im Gange der Strómungen des Schleppwassers sind sehr auffallig und machen es verstándlich, dass man diesen ganzen Bewegungskomplex bisher einfach als turbulent und regellos, unentwirrbar bezeichnet hat. Schon in der Normalstellung der Tafel ist eine nahezu vollkommene Symmetrie der Wirbelung wohl kaum in einzelnen Momenten vorhanden. Die Photogramme zeigen stets irgend welche, zuweilen recht auffällige Unregelmissigkeiten. Bald ist der eine, bald der andere Wirbelast stárker entwickelt, mehr gerundet oder in die Lánge gezogen; bald schliessen sie sich dichter an die Tafel an, bald bleiben sie etwas zurück und lassen ein relativ ruhiges, zeitweilig fast stagnantes Schleppwasser hinter der Tafel. Dementsprechend ist auch der Nachlauf schwankend in der Richtung und Geschwindigkeit seiner Bewegung. Auf photographischen Platten, die bei der Aufnahme zweimal kurz hintereinander belichtet wurden, sieht man daher meist zwei recht verschiedene Strómungsbilder und erkennt, wie schnell die Schwankungen sich vollziehen.

Bei Platten, die unter Neigungswinkeln von 45% bis oof zum Strome stehen, sind die Schwankungen der Bewegungsvorgánge in der Schleppe oft noch grósser, als hinter den normal getroffenen Platten; auch hier mannigfache Zerrungen und Dehnungen, Vergrösserungen und Abschwachungen, Zerteilungen und Trennungen der Wirbel. Ist dann der Oberrandwirbel einmal stark in die Lànge gezogen, so wird er wohl von innen her durch Zweige des Nachlaufs durchbrochen, sodass in seinem Innern eine Kette sekundarer Wirbel entstehen, die wie eine Reihe hintereinanderliegender Rollen von dem

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gemeinsamen Band der äusseren Ringfäden zusammengehalten und getrieben werden. Da der letzte dieser Teilwirbel immer der grósste ist, so kann dadurch der Eindruck des Gesamtbildes auf den ersten Blick ein recht komplizierter werden, bis man sich durch Aufsuchen des gemeinsamen Nachlaufs überzeugt, dass das Prinzip der Widerstands- strómung dadurch nicht geándert ist.

Bei Neigungswinkeln unter 45° werden mit der Verschmälerung des Schlepp- wassers die in demselben stattfindenden Schwankungen mehr und mehr beschränkt, wenn auch keineswegs aufgehoben. Ist der Drachenwinkel ca. 209, so zeigen die Photo- gramme das folgende Strómungsbild. Dicht am oberen Tafelrande, wo die Trennungs- linie der beiden Seitenstróme die Lage des Druckmaximums bezeichnet, beginnt der Unterrandstrom über die ganze vordere Fláche der Tafel hinweg abzufliessen, während sich der schárfer abgelenkte Oberrandstrom im flachen Bogen von der Rückseite der Tafel abwendet, bis er neben der unteren Tafelhálfte einen Abstand von etwa einem Drittel der Tafelbreite erlangt hat. Hinter dem unteren Tafelrande konvergiert der Unterrandstrom gegen den vom Oberrande, und beide umschliessen so den vorn wie hinten spitz zulaufenden Raum des Schleppwassers. Fast der ganze Raum wird von dem Vorderrandwirbel erfüllt, der seitlich abgeplattet und eingeengt und nicht selten nach vorn in kleine Sekundärwirbel gespalten, in seinem hinteren, schnell rotierenden Umfange meist noch über den Unterrand hinausragt. Der Unterrandwirbel erscheint nur noch in Gestalt einiger winziger, konzentrischer Kreise in der Verlängerung der Tafel. Der Nachlauf wird fast ausschliesslich vom Vorderrandstrome gebildet und trifft nur noch auf das unterste Viertel des Tafelrückens.

Je mehr der Neigungswinkel verkleinert wird, desto weiter entfernt sich der immer kleiner werdende Unterrandwirbel von der Tafel, bis er endlich bei ganz kleinen Winkeln nur noch vorüdergehend in Gestalt einiger kleiner halbkreisfórmiger Fáden sichtbar wird oder in Form einer geringfügigen Störung zwischen den zusammenfliessenden inneren Fäden der beiden Randströme im Kielwasser verschwindet.

Man könnte die Frage aufwerfen, ob nicht in den schwankenden Bewegungen der Schleppe die Ursachen jener berüchtigten launenhaften » Tiicken« des Widerstandes zu suchen sind, von denen alle diejenigen zu erzählen wissen, die sich, wie LILIENTHAL, mit der praktischen Lösung des Flugproblems befasst haben. Sicherlich mögen die labilen Ver- hältnisse jener Strömungen auch mit Schwankungen in der Verteilung des negativen Widerstandsdruckes verbunden sein, aber diese sind offenbar immer nur von unter- geordneter Bedeutung, und die »Launen des Windes« sind thatsächlich nur Wirkungen der unregelmässigen Pulsationen und Stösse, mit denen das Medium auf das Hindernis trifft.

Die interessante Frage nach der Ursache des schwankenden Charakters der Rotationsbewegungen in der Schleppe soll hier nur kurz berührt werden. HELMHOLTZ macht an einer Stelle (Wissenschaftl. Abth. S. 108) die Bemerkung, dass die Existenz eines Geschwindigkeitspotentials die Existenz von Rotationsbewegungen der Wasserteilchen ausschliesst. Danach würde das Fehlen eines Geschwindigkeitspotentials auch eine wesentliche Bedingung für das Auftreten der Wirbelung sein. Schon EULER habe darauf hingewiesen, dass es Flüssigkeitsbewegungen ohne Geschwindigkeitspotential giebt, wie

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z. B. die Drehung einer Flüssigkeit um eine Achse mit gleicher Geschwindigkeit alle: Teilchen. In solcher Bewegung befinden sich die geradlinigen oder ringförmigen, unendlich dünnen Wirbelfáden, welche nach HELMHOLTZ der Trennungsfläche oder Wirbelflache zwischen dem ruhenden Wasser hinter der Tafel und dem daran vorüberfliessenden Wasser anliegen. Wenn nun auch nach Ausweis der Photographien eine solche Trennungsflache nicht vorhanden ist, vielmehr in Folge der Friktion zwischen Schleppwasser und Seiten- strom die angenommene Diskontinuitát der Bewegung ausgelóscht ist, so liegt doch in der Rotationsachse unserer Wirbeláste anscheinend ein Wirbelring im Sinne v. HELMHOLTZ' vor, und man kónnte daher vielleicht auf die Bewegung dieses Wirbelringes beziehen, was der berühmte Physiker über die Bewegung der aus unendlich feinen Wirbeln bestehend gedachten Wirbel- oder Trennungsflachen sagt: »wie Versuch und Theorie übereinstimmend erkennen lassen, zeichnen sie sich durch einen auffallend hohen Grad von Veränderlichkeit bei den unbedeutendsten Störungen aus, sodass sie sich Körpern, die im labilen Gleich- gewicht befindlich sind, einigermassen áhnlich verhalten.« Allein, es bleibt zu beachten, dass unser Wirbelring nicht die gleiche Rotationsgeschwindigkeit aller seiner Teilchen hat, denn die ringfórmigen Bahnen der rotierenden Teilchen (Fig. 5) sind meist excentrisch so angeordnet, dass die Rotationsachse náher dem Seitenstrome als dem Nachlaufe liegt. Die Rotationsgeschwindigkeit ist also an der Aussenseite des nachschleppenden Wirbels grosser als an der Innenseite, und man sieht an dem nicht parallelen Verlauf der rotierenden Stromlinien die Stellen, wo vorn die Geschwindigkeit zunimmt und hinten wieder abnimmt. Die Bewegung des Wirbelringes in der Schleppe ist somit doch von anderer Art, als dic Wirbelbewegungen der hydrodynamischen Theorie, die nur da auftreten kónnen, wo kein Geschwindigkeitspotential vorliegt.

Die Entstehung einer gut wirbelnden Schleppe ist wesentlich von der Tauchtiefe der Versuchstafel abhängig. Taucht man die Platte nur wenig tief ein, so tritt bei einer gewissen Geschwindigkeit des Stromes das Wasser von der Rückseite der Tafel vóllig zurück (Fig. 9 Taf. III), da der ganze Raum vom Unterrandstrome leer gesogen wird. Wo aber in geringer Entfernung hinter der Platte der Unterstrom wieder emporquillt, und die Seitenstróme einander entgegenfliessen, bildet sich eine aufbrodelnde, der Tafel nachlaufende, breit zungenfórmige Welle, deren nach vorn überstürzender Rand vom Unterstrom wieder erfasst und von neuem hochgehoben wird. So ist es anfangs eine kleine Wassermasse (Fig. 9 B), die unter dem Einflusse des Unterstromes stationár einen weiten, walzenförmigen Hohlraum umwickelt und umkreist, während der Unterstrom selbst vorbei- und weiterfliesst. Dieser Hohlraum mündet beiderseits frei mit trompetenfórmiger Offnung in den buchtigen Winkel W zwischen dem Seitenstrome und dem Grunde der zungenfórmigen Welle des Nachlaufs; es ist der Anfang des halben Wirbelringes der Schleppe. Taucht man nun die Tafel allmáhlich ticfer ein (Fig. 10.), so werden immer gróssere Wasser- massen in die wirbelnde Bewegung hineingezogen und hinter der Tafel festgehalten. Die Zunge des Nachlaufs náhert sich mehr und mehr der Tafel, indem sie sich gleichzeitig seitwârts verbreitert. In dem Moment, wo sie bei noch tieferem Eintauchen den Seiten-

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strom berührt (Fig. 11), werden die bis dahin nach vorn offenen seitlichen Buchten mit den Mündungen der Wirbelróhre abgeschnürt, der Nachlauf erreicht die Mitte der Platten- rückseite, und wir haben das typische Bild des beiderseits wirbelnden Schleppwassers unserer Photogramme, dessen eigenartige Bewegung ringsum durch die Friktion der vorüberziehenden Randstróme unterhalten wird.

II. Die Widerstandsstrómungen im Innern des flüssigen Mediums.

Als ich im Juni 1900 die ersten Photogramme der Widerstandsstrómungen im Naturwissenschaftlichen Verein zu Hamburg als Projektionsbilder vorzeigte, wurde mit Recht die Frage gestellt, ob denn die Strómungserscheinungen an der Oberflache mit denen im Innern der Flüssigkeit übereinstimmten, und ob erstere nicht wesentlich durch die Oberflichenspannung beeinflusst würden. Darauf war zu antworten, dass die Spannung in der Wasserhaut ja durch die aufgestreuten Bärlappsamen wie durch jeden anderen Staub aufgehoben wird, und dass man an suspendierten Kórperchen den unmittelbaren Zusammenhang der Strömungen unter Wasser mit denen der Oberfläche direkt mit den Augen verfolgen kónne, endlich, dass die sichtbaren trichterfórmigen Vertiefungen der zu Tage tretenden Wirbelachsen dafür den Beweis liefern, dass die Wirbelstróme am gleichen Orte auch im Innern des Wassers vorhanden sind. Immerhin war es wünschenswert, den Strómungslauf im Innern der Flüssigkeit in ebenso objektiver Weise festzustellen, wie es an der Oberfliche durch die Momentphotographie geschehen war. Für diesen Zweck wurden die folgenden Abánderungen des Apparats ausgeführt.

Zunächst erhielt der Wasserbehälter (Fig. 4 Taf. II) in der Mitte der beiden Lângswânde und im Boden je ein Fenster (fi, fs u. fs) aus mittelstarkem, geschliffenem Spiegelglas. Das Bodenfenster war im Innern, wie auch unter dem Kasten, durch eine verstellbare Blende (bi u. bs) bis auf einen 2 cm breiten mittleren Streifen abgeblendet, und das eine Seitenfenster durch einen Holzschieber s verschliessbar gemacht. Die photographische Kammer k wurde mit ihrem Tráger derart am Wagen w befestigt, dass sie in der Hóhe des anderen Seitenfensters ausserhalb vor dem Wasserbehálter vorbei- gefahren werden konnte. Bei dieser Bewegung musste der Wagen wiederum den elek- trischen Kontakt c zur Entzündung des Blitzpulvergemisches schliessen, in dem Moment, wo die Kamera vor der Mitte des Seitenfensters angekommen war. Zur Aufnahme des Pulvers diente eine Metallrinne r, die auf dem Fussboden genau unter dem Lichtspalt des Bodenfensters aufgestellt wurde. Die Entzündung geschah durch Abschmelzen eines feinen Eisendrahts im elektrischen Strom, Das Licht fiel dann durch den Spalt im Bodenfenster nach oben und beleuchtete eine vertikale Wasserschicht von der Dicke des Lichtspalts. Genau über dem Spalt wurde auf dem Niveau eine schmale, unten offene Rinne h von der Lange des ganzen Wasserbehalters angebracht, die ein wenig in das Wasser ein- tauchte. Diese Rinne wurde kurz vor jeder Aufnahme mit einer geeigneten Menge gesiebter Sägespäne aus Eichenholz beschickt, welche die Eigenschaft haben, sehr langsam

30 im Wasser niederzusinken. Ihre Fallgeschwindigkeit im Wasser betrug nur 29/o von der Geschwindigkeit der scheinbaren Strómung, die durch die Bewegung der photographischen Kamera und der Versuchstafel erzeugt wird; auf den Photogrammen konnte daher die sinkende Bewegung überhaupt nicht in die Erscheinung treten. Da die Holzpartikel bei ruhigem Wasser genau in der zu beleuchtenden Schicht schwebten, auf welche die Kammer eingestellt war, so mussten sie auch, im Moment des »Abblitzense intensiv belichtet, die gewünschte optische Wirkung auf die photographische Platte ausüben. Die Versuchstafel war durch ihren Halter t so am Ausleger a des Wagens befestigt, dass sie sich mit ihrem mittleren Querschnitt in der beleuchteten photographischen Ebene bewegte, während ihre Längsrichtung so gut wie möglich in die photographische Achse eingestellt war, damit auf dem Photogramm nur das freie Profil der Taíel als dunkle Linic erschien. Als Versuchstafeln wurden 1 mm dicke Glasscheiben von 15 cm Lánge verwendet, bei 5 cm Breite. Wie bei den Aufnahmen der Öberflächenströmungen wurde die Bewegung des Wagens durch einen Elektromotor bewirkt. Sobald dieser dem Treibband (Fig. 1 b) die durch Metronom geregelte gewünschte Geschwindigkeit erteilt hatte, wurden die Sägespäne vermittelst einer passenden, dünnen Holzleiste, auf der sie vorher gleichmássig verteilt waren, in die Rinne gekippt, und sobald die ersten Teilchen bis zur halben Wassertiefe gesunken waren, das Klemmrádchen v des Wagens eingelegt und so die Verbindung des Wagens mit dem Treibband hergestellt. In dem Augenblick, wo die Kamera vor der Mitte des Fensters angelangt ist, schliesst der Wagen den Kontakt neben der Schiene, das Blitzlicht entzündet sich, und die Aufnahme ist erfolgt.

Es war vorauszusehen, dass die Photographie der Strómungen im Wasser mit Schwierigkeiten verbunden sein würde, wegen der Absorption des Lichtes durch die Glas- platten und die Wasserschichten, und weil nur die Strahlen auf die photographische Platte gelangen, die von den Sägespänchen genau unter rechtem Winkel seitwärts reflektiert werden. Als daher die ersten Aufnahmen nur wenig befriedigende Bilder lieferten, lag es nahe, die Wirkung durch Anwendung grósserer Mengen des Blitzpulvergemisches zu steigern. Allein trotz langen Bemühens blieben die Ergebnisse ziemlich dieselben.

Noch mangelhafter fielen die Versuche aus, das Licht durch das gegenüberliegende Seitenfester in horizontaler Richtung durch das Wasser in die Kamera gelangen zu lassen. Es blieb also nur übrig, immer wieder zu versuchen, durch Verbesserung der ersten Methode günstigere Erfolge zu erzielen. Hierbei stellte sich endlich heraus, dass die Un- deutlichkeit der zuerst erhaltenen Photogramme nur durch einen leicht zu beseitigenden Nebenumstand verursacht worden war. Zufállig zeigte sich beim Reinigen des durch Mg O bestáubten unteren Fensters, dass der grósste Teil des vom Blitzlicht herrührenden weissen Oxydes nicht auf dem Fenster, sondern daneben unter dem Boden des Wasserbehälters abgelagert war, obgleich die Explosionsrinne sorgfaltig mittelst Ablotens unter das Fenster gestellt war. Der Explosionsschuss war also nicht, wie erwartet, senkrecht nach oben, sondern immer schrág nach der von der Kamera abgewandten Seite gerichtet gewesen, sodass dann natürlich immer nur ein kleiner Teil des Lichtes durch den Spalt in das Wasser gelangt war. Die Ursache dieser fatalen Erscheinung, die sich solange der Be-

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obachtung entzogen hatte, lag in dem Umstande, dass der Raum unter dem Wasserkasten nach der Seite der Kamera hin durch eine Holzwand abgeschlossen war, um das Licht abzublenden. Durch den einseitigen Widerstand der Wand waren die Explosionsgase immer in der angegebenen Weise abgelenkt worden. Als daher der Explosionsraum auch auf der anderen Lângsseite durch eine Wand abgeschlossen wurde, drang auch das Licht in reichlicher Menge durch den Spalt senkrecht nach oben in die Flüssigkeit, und von da ab zeigten denn auch die Photogramme alle Einzelheiten des Strómungsbildes in voll- auf befriedigender Klarheit und Scharfe.

Dass die Bilder im oberen Teil dunkler erscheinen, als unten, hat seinen Grund in der Absorption des Lichtes durch das Wasser und die darin schwimmenden Säge- spánchen. Strómungslinien, die sich kreuzen, erkláren sich durch die Dicke der belichteten Wasserschicht und die dadurch bedingte optische Tiefenwirkung; sie kónnen natürlich in Oberflächenbildern nicht auftreten und sind bei genügender Vergrösserung leicht zu entwirren.

Das wichtige Ergebnis dieser experimentellen Untersuchungen ist die Feststellung der Thatsache, dass die Widerstandsstrómungen im Wasser prinzipiell mit denen an der Oberfläche übereinstimmen. (Fig. 3, 4, Taf. VII, und 4, 9, Taf XI.)

Sowohl die Stauung und Teilung des Stromes vor der Tafel, wie die Bildung und Bewegung der Seitenstróme, die Wirbelung, der Nachlauf in der Schleppe alles ent- spricht unter Wasser so vollkommen den homologen Erscheinungen am Niveau, dass es als durchaus statthaft zu bezeichnen ist, den Verlauf der Widerstandsstróme innerhalb des Mediums durch die an der Oberfliche erhaltenen, leichter herzustellenden Momentbilder zu ermitteln, und die Unterwasserbilder nur soweit es zur Kontrolle wünschenswert erscheint in Anwendung zu bringen.

Geben uns die Photogramme auch nur flachenhafte Durchschnittsansichten der Widerstandsstrómungen, so ist es nunmehr doch móglich, aus diesen Profilen die Gesamtheit der Strómungen kórperlich zu rekonstruieren.

Am leichtesten gelingt dies für eine normal vom Strome getroffene kreis- fórmige Scheibe. Man braucht sich nur die Abbildung (Fig. 5, Taf. II) um die mediane Strómungsachse rotierend zu denken. Der Strom teilt sich über der Mitte der Vorder- seite und fliesst symmetrisch nach allen Seiten hin über den Rand der Scheibe ab. Ebenso gleichfórmig umfliessen die Wasserfáden den eifórmigen Kôrper des Schlepp- wassers, um sich dahinter wieder zusammenzuschliessen. Die beiden Wirbel in der Schleppe sind nur die Querschnitte eines geschlossenen Wirbelringes, der hinter der Tafel rotiert und das Wasser des Nachlaufes gegen die hintere Tafelmitte mahlt.

Dementsprechend muss dann auch der positive Widerstandsdruck an der Vorderseite der Scheibe in der Mitte am gróssten sein und nach dem Rande erst langsam, zuletzt stark abnehmen. Der negative oder saugende Druck der Hinterseite wird dagegen auf der Tafelmitte weniger stark sein als in der Náhe des Randes.

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An die kreisfórmigen Scheiben schliessen sich die regelmässigen vieleckigen mit grosser Seitenzahl an, deren Widerstandsstrómungen von denen der Kreisscheibe nicht wesentlich verschieden sein kónnen.

Auch die quadratische Scheibe steht in ihren Symmetrieverháltnissen der kreisfórmigen nicht fern. Der Hauptstrom fliesst auch hier in Form einer Glocke um die Schleppe und setzt dieselbe in wirbelnde Bewegung, wobei wahrscheinlich, in Folge der grósseren Sperrung, die Schleppe eine etwas gróssere Breite erhált, als bei einer inhalts- gleichen Kreisscheibe. Der Einfluss der Wirbelung an der Rückseite ergiebt ein inneres kreisformiges Gebiet der Auffüllung des Minderdrucks und ein ringfórmiges, umschliessendes der stárksten Saugung mit zunehmendem Druck gegen die Ránder. Da anzunehmen ist, dass auch hier das ganze Schleppwasser an der Wirbelung teilnimmt, so muss in Folge des stárkeren zentrifugalen Schwunges der hinter den Ecken herumziehenden Wasserteile der daselbst herrschende Druck ein hóherer, die Saugung eine geringere sein, als über den Seitenmitten.

An der Vorderseite ergiebt sich aus dem Gange des Stromlaufs ein kreisfórmiges, zentrales Druckplateau mit ziemlich gleichmässiger Verteilung des Druckes über die Fläche und schneller Druckabnahme am Rande. Wegen des leichteren Abflusses muss der Druck über den vorspringenden Ecken der Tafel eine weitergehende Abnahme erfahren.

Die rechteckige Tafel. Die Strómungen an einer rechteckigen Tafel lassen sich auf folgende einfache Weise kombinatorisch aus denen an einer quadratischen ableiten. Wir denken uns das Quadrat (Fig. 13 ^ Taf. V) in der Mediane durchschnitten und in den Spalt ein sehr schmales Fláchenstück a b (Taf. II) eingeschaltet. Das Quadrat ist dadurch zu einem Rechteck geworden. Da die Strómungs- und Druckverhaltnisse auf den Quadrat- hálften symmetrisch sind und sich das Gleichgewicht halten, so kónnen die Wasserfáden auf dem Schaltstückchen keine andere Richtung einschlagen wie der Faden, der vor der Trennung die mediane Stellung einnahm, d. h. sie müssen von der Mitte cc aus gleich- falls symmetrisch auf dem kürzesten Wege nach a und b abfliessen. Ist aber die Abfluss- gelegenheit und die Stromrichtung der neuen Faden die gleiche, wie bei den ursprüng- lichen Medianfaden des Ouadrats, so müssen auch die Stromgeschwindigkeiten und Druckverhaltnisse dieselben sein. Dies alles behált, wie leicht zu sehen, seine volle Giltigkeit, wenn wir das Schaltstück wachsen lassen oder beliebig gross nehmen: immer sind Richtung, Geschwindigkeit und Druck der eingeschalteten Stromfaden dieselben, wie in den Medialfâden einer quadratischen Fläche Wir erhalten somit die Vorstellung einer plateauartigen Verteilung des positiven Widerstandsdruckes über der Vorderseite einer rechteckigen Tafel (Fig. 13, Taf. III. Die hóchste Erhebung cc dieses Plateaus e'f', das Druckmaximum, liegt der Lânge nach über der Mitte ef der Tafel und bleibt bis auf halbe Plattenbreite von der Mitte der schmalen Seite des Rechtecks entfernt Das Minimum des positiven Druckes liegt, wie bei der Quadratscheibe, an den Ecken des Rechtecks.

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An der Rückseite gestalten sich die Strómungen nach Massgabe der Vorderseite. Durch die Einfügung des Schaltstückes wird der Wirbel des Quadrats in der Längs- richtung des Rechtecks gedehnt und nimmt zwischen den Querschnitten des Druckmaximums cc die Gestalt zweier Friktionswalzen an, die an den Enden durch ein bogenfórmiges Ringwirbelstück verbunden sind. Dadurch wird auch der Nachlauf in die Breite gezogen, sodass er, gegenüber dem Maximum cc der Vorderseite, eine entsprechende Auffüllung der Druckdepression bewirkt. Das Minimum des saugenden Widerstandes muss daher ausserhalb der Linie liegen, in welcher der Wirbelring theoretisch die Tafel berührt. Am Rande ist die saugende Wirkung am schwächsten hinter den Ecken, relativ am stárksten seitlich, gegenüber der Linie des Druckmaximums.

Unter den dreieckigen Tafeln schliesst sich die gleichseitige Form hinsichtlich ihrer Widerstandsverháltnisse naturgemáss an die quadratische an. Es ist anzunehmen, dass auch hier ein zentrales Druckplateau an der Vorderseite entsteht und dass der Rand. druck in der Seitenmitte relativ grósser ist als an den Ecken. An der Rückseite bewirkt der Wirbel, wie beim Quadrat, eine zentrale Auffüllung des Minderdruckes und Ab- saugung in der Randnáhe. Der ungleichen Centrifugalwirkung entsprechend muss die Absaugung und somit auch der Minderdruck an der Mitte der Dreiecksseiten grósser sein als an den Ecken. Da der Zentralabstand der Ecken des Dreiecks grósser ist als der eines inhaltsgleichen Quadrats, so wird dadurch die Breite des glockenfórmigen Rand- stromes vergróssert werden, und sonach auch der Gesamtwiderstand des Dreiecks den des Quadrats um einen gewissen Betrag übertreffen, wie dieser letztere wieder etwas grösser sein wird, als der einer kreisfórmigen Flàche. Diese Ableitungen stimmen, wie ich sehe, im Prinzip mit den Widerstandsmessungen v. LOESSL's überein, die für die drei Grund- formen des Kreises, des Quadrats und des gleichseitigen Dreiecks das Wider- standsverháltnis = 0,83 : 0,86 :0,90 ergeben haben.

Bei unregelmässigen Dreiecken, Trapezen und ähnlichen Formen nähert sich das Strómungsbild um so mehr dem an einer rechteckigen Tafel, je grósser das Verháltnis der Lánge zur Breite ist. Da der Abfluss immer auf kürzestem Wege nach der Seite des geringsten Widerstandes, d. h. nach dem Flächenrande, erfolgt, und all- gemein die Fláchenpunkte einen um so grósseren positiven Widerstand erfahren, je weiter sie vom Rande entfernt liegen, so ist die Lage des absoluten Maximums immer durch den Mittelpunkt des gróssten eingeschriebenen Kreises einer Flache bestimmt. Von hier verlaufen die Scheidelinien der Stróme nach den Ecken der Dreiecke, uad der Druck sinkt an den Ecken um so tiefer, je kleiner deren Winkel sind. Am Rande liegen die Stellen des relativ hóchsten Druckes in den Berührungspunkten des eingeschriebenen Kreises. Für Trapeze und Trapezoide lassen sich analoge Betrachtungen betreffs der 'Druck- und Stromverteilung anstellen.

Nach Analogie des Vorangegangenen ist anzunehmen, dass an der Rückseite dieser Tafeln die Randdrucke denen der Vorderseite entsprechen, und dass der Nach- lauf immer eine mit der Breite der Tafel zunehmende Aufhóhung des centralen Minder- druckes bewirkt. 5

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Schiele Stellung. Wird eine rechteckige, um eine Lángsseite gedrehte Fläche unter spitzem Winkel der Strómung entgegengestellt, so wandert, wie die photographischen Stromprofile zeigten, das Maximum in gesetzmassiger Weise gegen den voranstehenden Oberrand, und es fragt sich nun, ob dasselbe dabei die Ausdehnung cc (Fig. 14, Taf. Vj beibehált, die es in der Normalstellung hat, oder ob cine Anderung in der Erstreckung des Gebiets maximalen Druckes anzunehmen ist.

Ich bin nun der Meinung, dass eine solche Anderung in der That mit abnehmen- dem Neigungswinkel statthat, und dass die Wasserscheidelinie c' c', die das Maximum bestimmt, in demselben Masse sich seitwárts ausdehnt, wie sie sich dem Vorderrande nahert. Je kleiner nàmlich der Winkel ist, unter dem ein Wasserstrahl gegen eine Ebene trifft, um so geringer ist auch die seitliche Ausbreitung, die er auf der Fláche erfáhrt, um so mehr strómen die Fáden geradlinig in der Einfallsebene dem unteren Rande zu. Da die Fâden eine geringere Ablenkung erleiden, als bei grósserem Winkel, so ist auch der Druck geringer, der an der Ablenkungsstelle herrscht, und somit auch die Neigung zu seitlichem Ausweichen. Wenn aber in der Nahe des Seitenrandes die Zahl der Faden, die bei geringem Druck seitwárts abgelenkt werden, nur eine kleine ist, so kann auch die dadurch bedingte Druckentlastung nicht weiter reichen, als diese Ablenkung. Man wird somit annehmen dürfen, dass die Hochdrucklinie c c auch bei kleinen Neigungswinkeln sich ebensoweit gegen die seitlichen Tafelränder erstreckt, wie sie vom Oberrande ent- fernt ist.

Von der Hochdrucklinie aus muss der Druck über der Vorderfliche der geneigten Tafel nach allen Seiten allmáhlich abnehmen. Am Tafelrande müssen die Druckhóhen der dem Maximum benachbarten Oberkante grósser sein, als die an dem abgewandten Unter- rande, und der Druck an den Seitenrándern muss seine grósste Hohe in der Verlängerung der Hochdrucklinie haben. Wegen des leichteren Abflusses muss ferner der Druck an den Ecken der Tafel kleiner sein, als an den mehr gegen die Mitten der Randlinien gelegenen Punkten; und an den Ecken des Unterrandes muss der positive Widerstandsdruck seine absolut kleinsten Betráge haben.

Die gesamten über die Ránder der Tafel abfliessenden Wassermassen umgeben hinter derselben wiederum einen ringsum abgeschlossenen glockenfórmigen Raum, dessen Làngsschnitt durch die Photogramme gegeben und der durch das Schleppwasser erfüllt ist. War die Glocke bei senkrechtem Auftreffen des Stromes symmetrisch geformt, sodass sie allseits mit ihren Wolbungen über die Ránder der Tafel hinaustrat, so zieht sie sich bei schriger Tafelstellung um so mehr hinter den Oberrand zurück, als der Neigungs- winkel abnimmt, um dafür mit dem Schwanz der Schleppe um so mehr hinter dem Unterrande hervorzusehen, wenn man von vorn in der Richtung des Hauptstromes auf die Tafel blickt. Die Wirbelung im Schleppwasser vollzieht sich nach wie vor in einem Ring, aber der Ringbogen des Oberrandes erfüllt den ganzen Raum der Glocke neben resp. hinter der Tafel, wahrend der Bogen am Unterrande klein und unbedeutend im Schwanz der Schleppe wirbelt. Seitlich wendet sich der grosse Wirbelarm im Bogen nach hinten und geht so in den kleinen Wirbel am Unterrande der Tafel über, sodass

35 immer ein geschlossener Wirbelring vorhanden ist, der je nach dem Verhältnis der Lange und Breite der Tafel mehr oder weniger elliptisch zusammengedrückt erscheint. Je lánger der in der Bewegung voraufgehende obere Tafelrand ist, desto lánger ist natürlich auch der zugehörige Bogen des grossen Wirbels, während bei vorangehendem schmalen Tafel- rande auch dieser Teil des Wirbelringes nur eine geringe Erstreckung hat.

Stellen wir uns den so beschaffenen Ring plastisch vor als einen Kórper, welcher der Rückseite der Tafel derart aufgelegt ist, wie es die Profile der Photogramme zeigen, so berührt derselbe die Tafel in einer Linie, welche für die weitere Diskussion nicht ohne Bedeutung ist. Lag diese Linie bei Fláchen in der Normalstellung symmetrisch zu den Umgrenzungslinien der Tafel in Form eines Kreises oder einer ellipsenahnlichen Kurve (bei Rechtecken), so erfáhrt sie bei geneigten Tafeln eine mit abnehmendem Neigungs- winkel fortschreitende Verschiebung gegen den unteren, hinteren Flachenrand. Wie bereits bei der Besprechung der photographischen Strómungsprofile gezeigt wurde, geht diese Verschiebung annáhernd Hand in Hand mit der Verschiebung des Druckmaximums gegen den Vorderrand, aber sie vollzieht sich nicht mit derselben Regelmässigkeit, wie die letztere, da die Wirbel selbst innerhalb gewisser Grenzen nicht unerheblichen Schwankungen unterliegen. Die Form der Wirbel ist ja selbst eine so wechselnde, dass es meist nicht möglich ist, die Lage der Wirbelachse genauer anzugeben, die ja doch im náchsten Moment schon eine andere geworden ist. Immerhin zeigen die Photogramme, dass bei den meisten Neigungswinkeln der Wirbelring die Tafel überhaupt nur mit dem grossen vorderen Bogen rr (Fig. 14, II) berührt, und dass der Bogen des kleinen Wirbels grosstenteils jenseits des Unterrandes liegt.

Da nun die Nachlaufstrômung fortwahrend die Flüssigkeit durch den Innenraum des Wirbelringes gegen das von der Berührungslinie begrenzte Flächenstück des Tafel- rückens treibt, so muss dadurch eine Auffüllung oder Verringerung des Minderdruckes bewirkt werden, während ausserhalb der Berührungslinie die Fäden des Ringes die Flüssigkeit von der Tafel fortführen und somit in diesen Gebieten eine Absaugung und Vertiefung der Depression verursachen.

Im Auffüllungsgebiet muss ferner das Maximum des Druckes, womit der Nachlauf auf die Rückseite der Tafel wirkt, an derjenigen Stelle liegen, wo dieser Strom sich an der Tafelfläche teilt, um nach unten und oben zu den beiden Wirbelästen abzubiegen. Da diese Trennungslinie bei den meisten Neigungswinkeln am unteren Tafelrande liegt, oder sogar dahinter, so muss der von unten nach oben an der Rückseite emporsteigende Nachlauf in der Richtung seiner Bewegung auch ein Stromgefälle haben, d. h. der Druck muss im Auffüllungsgebiet nach oben hin gegen die Berührungslinie des Wirbelbogens geringer werden. Ausserhalb dieser Linie, im Absaugungsgebiet, muss die Druckabnahme schneller fortschreiten in dem Masse, wie sich die mehr oder weniger kreisförmigen Wasserfäden des grossen Wirbels von der Tafel abwenden. Da nun auch der obere Randstrom absaugend auf das Depressionsareal wirkt, so müsste der tiefste Minderdruck unmittelbar hinter dem oberen Tafelrande liegen. Es läge dann in der Flüssigkeit ein tiefes Minimum hart neben einem unter Hochdruck stehenden Strome. Ein solch schroffer

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Gegensatz kann aber im Fluidum nicht bestchen, da durch den Einfluss der Centralkrafte der Wirbelbewegung die Druckdifferenz ausgeglichen und ein sprungfreier Uebergang ver- mittelt wird. In Folge dieser Uebergangsbildung hat der Druck in unmittelbarer Nàhe des Randes eine steigende Tendenz. Das Minimum liegt also in geringer Entfernung vom oberen Tafelrande. Ein àhnlicher Uebergang von Minderdruck zum Hochdruck muss aus dem angegebenen Grunde offenbar auch an den Seitenrándern der Tafel vorliegen. Somit wird die Lage des absoluten Minimums des Widerstandsdruckes theoretisch durch eine Strecke d d bestimmt (Fig. 14, II), die parallel und nahe dem Oberrande der recht- eckigen Fláche verláuft, und deren Endpunkte in geringer Entfernung vom Seitenrande liegen. Von dieser Strecke nimmt die Depression allseitig ab, und zwar anscheinend etwas schneller gegen die Ränder und die Beriihrungslinie rr des Wirbels, als von dieser Linie ab bis zum unterm Tafelrande Nach Analogie der normal vom Strome getroffenen Tafeln muss auch hier der saugende Widerstand an den Ecken geringer sein als an den geraden Ràndern, und am geringsten an den unteren Tafelecken.

Anderung der Dimensionen der rechteckigen Tafel. Wenn es auch nicht statthaft ist, die auf Grund des vorliegenden photographischen Materials. gewonnenen Einblicke in die Natur des Widerstandes ohne weiteres zu verallgemeinern und auf áhnliche Tafelformen von anderen Dimensionen zu übertragen, so sind wir nunmehr doch in der Lage, die Änderungen der Widerstandsverhältnisse näher zu verfolgen, die eintreten, wenn die am oberen oder unteren Rande gemessene Lánge der Tafel variiert wird.

Zunächst fragen wir: Was wird eintreten, wenn die Tafel um eine beliebige Strecke a verlángert wird?

Wenn wir uns aus didaktischen Gründen wieder vorstellen, die Verlángerung sei auf die Weise bewirkt, dass die Tafel in der Mitte durchschnitten und dann ein Spaltstück von der Lânge a eingefügt sei, so bleiben die Strómungsverhàltnisse über den beiden Halften unverandert, und an dem Spaltstück müssen sie sich ebenso gestalten, wie sie vorher in der mittleren Tafelregion waren und nunmehr auch noch an dem benachbarten Areal der beiden Randstücke sind. Es wird also an der Vorderseite nur die Linie c c des Hochdruckmaximums und an der Hinterseite der Wirbel die Berührungslinie und die Linie d d des Maximums um die Strecke a verlängert Eine weitere oder andersartige Anderung, wie etwa eine Deformation der genannten Linien, kann offenbar aus dem Grunde nicht eintreten, weil die Abflussverhältnisse über dem Spaltstiick genau die gleichen sind wie vorher über dem mittleren Fláchenstick. Wir erhalten auch photo- graphisch immer wesentlich dieselben Strômungsprofile über der Tafelmitte wie seitwárts davon, mit Ausschluss des dem Seitenrande benachbarten Flachenteils, weil hier die Abflussbedingungen andere sind. Würde man das Spaltstück allein dem Strome aus- setzen, so würde der Gesammtwiderstand, den es erfáhrt, geringer sein, als wenn es im Verbande der Tafel steht, da an seinen dann freien Seitenrándern Druckverluste auf- treten müssen, die an der eingeschalteten Fláche ausgeschlossen sind. Kónnte man den Gesamtwiderstand des eingeschalteten Stückes für sich messen, so würde sich ebenso

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ergeben, dass er verhältnismässig grösser ist, als an den Hälften der ursprünglichen Tafel, da diese eben Randverluste hat und jenes nicht.

Hieraus ergiebt sich nun für die messende Widerstandsbestimmung die Aufgabe, den absoluten Betrag des seitlichen Randverlustes zu ermitteln. Man hátte den Gesamt- widerstand von drei gleich breiten Tafeln zu messen, einer solchen von der Lànge a, einer zweiten von der Lange b und einer dritten von der Lange a + b. Es müsste sich zeigen, dass der Widerstand der dritten Tafel grósser ist als die Summe der Widerstánde von den ersten beiden, und die Differenz würde dem verdoppelten Randverlust bei getrennten Tafeln zuzuschreiben sein. Dabei wäre dann vielleicht auch die Frage zu diskutieren, ob und wieweit die Reibung der Flüssigkeit an den Ràndern der Tafel für die Gestaltung des Widerstandes von Bedeutung ist.

Dass der Gesamtwiderstand auf langen und schmalen rechteckigen Fláchen relativ grósser ist als auf kiirzeren und entsprechend breiteren, wird durch die Messungen VON LOESSL's bestátigt, welcher fand, dass sich die Widerstünde zweier inhaltsgleichen reckteckigen Fláchen wie 92:94 verhielten, wenn das Verháltnis der Lánge zur Breite bei der ersten Tafel wie 2: und bei der zweiten wie 4:1 war.

Denkt man sich umgekehrt eine schräg gestellte rechteckige Widerstandstafel in ähnlicher Weise verkürzt, wie es oben für die Verlängerung angenommen wurde, so ergiebt sich, dass dadurch dem Gesamtwiderstande in stárkerem Grade Abbruch geschieht, als es dem Verhâltnis des verminderten Flicheninhalts entspricht, weil die Verkiirzung gleichbedeutend ist mit der Ausschaltung eines mittleren Flächenstücks, das ohne seitlichen Randverlust vom Widerstandsdrucke maximal beansprucht ist. Bei weiterer Verkürzung der Tafel erhält dieselbe quadratische Form, oder ihr Vorderrand wird kleiner als der Seitenrand. Wir verstehen nach dem Vorangegangenen die längst bekannte Thatsache, dass solche flächenhaften Körper bei schrägen Neigungswinkeln immer einen geringeren Widerstand erfahren, als Rechtecke, die mit der langen Seite quer zum Hauptstrome stehen. Ebenso ist jetzt ohne weiteres einzusehen, warum die Vergrösserung einer schrägen Tafel einen ganz verschiedenen Widerstandseffekt hat, wenn sie das eine Mal durch Verbreiterung, das andere Mal durch Verlängerung geschieht. Die Verbreiterung in der Richtung der geneigten Seitenränder vergrössert die Tafel an der Seite, wo sie den geringsten Widerstand erfährt, und ändert das Verhältnis der Länge zur Tafelbreite im Sinne einer relativen Abschwächung des Widerstandes. Die Verlängernng in der Richtung des Vorderrandes ist dagegen einer Verlängerung des maximalen Widerstandsgebietes gleichbedeutend und daher für die Erzeugung eines grösseren Widerstandes vorteilhafter, als die Verbreiterung der Tafel. So sind auch dreieckige Segel, die ihre lange Seite dem Winde zukehren, unter dem Namen der Fock-, Klüver-, Flieger- und Huari-Segel vielfach im Gebrauch und bekannt wegen ihrer guten Wirkung beim Aufkreuzen gegen den Wind, wo die breiten Vor'mwindsegel, auch bei stärkerem Abfallen des Kurses, weniger Vorteile gewähren. Schliesslich sei auch noch auf die lange und schmale Form der Flügel und isolierten Schwungfedern hingewiesen, die die Natur den Vögeln als bestes Werkzeug zur Ausnutzung des Widerstandes für kleine Neigungswinkel verliehen hat.

rt e pmm

Analyse des Widerstandes

durch

Stauversuche.

Die Photographie der Widerstandsstrómungen hat uns in den Stand gesetzt, den ganzen Komplex der Bewegungen zu übcrsehen, welche ein fester, widerstandleistender flichenhafter Kórper in dem Medium hervorruft. Aus dem Verlauf der Strómungslinien war es móglich, im einzelnen zu verfolgen, wie die Geschwindigkeit dieser Bewegungen an den verschiedenen Stellen des Widerstandsgebietes wechselt, und welcher Art überall die Verteilung des hydrodynamischen Druckes ist, der das ganze System der Widerstands- strómungen beherrscht und unterhalt. Wir konnten die Maxima und Minima dieses Druckes erkennen und der Lage nach bestimmen, die Wege bezeichnen, auf denen das Medium fortstrómend den vorhandenen Druckdifferenzen folgt, und schliesslich erhielten wir aus alledem eine klare, mechanisch begründete Vorstellung über die Anordnung und Grósse des Druckes, der an der Oberflache des Versuchskórpers allein als eigentlicher Widerstandsdruck in Frage kommt.

Nur über einen wichtigen Punkt geben uns die Photogramme keine befriedigende Auskunft, nàmlich über die absoluten Masse des Widerstandsdruckes, der an den ver- schiedenen Stellen der Versuchstafel herrscht. Alle Gróssenangaben dieser Art blieben durchaus relativ, denn es fehlt uns der Schlüssel und der Massstab, um aus den Doku- menten der Photographie die absoluten Betráge der Widerstandsgróssen abzulesen und zu messen.

Die nun mitzuteilenden Versuche sind dazu bestimmt, diesem Mangel abzuhelfen und zugleich als Kontrolle aller jener Angaben zu dienen, die wir über die Qualitát des Widerstandes auf Grund der photographischen Dokumente zu machen in der Lage waren. Der leitende Gedanke, der auf diese Versuche führte, war folgender.

Wenn es richtig ist, dass die Ursache des Widerstandes in den positiven und negativen Druckkräften liegt, mit denen das Medium auf die Oberfläche des festen Körpers einwirkt, so müssen sich diese Kräfte auch sichtbar durch eine Hebung resp. Senkung des Niveaus bemerklich machen, wenn der Korper, eine beliebige Versuchstafel, bis zu einer gewissen Tiefe in die Flüssigkeit eintaucht und dann fortbewegt wird. So lange die Tafel in Ruhe ist, steht die Flüssigkeit allein unter dem Einfluss der Schwere und

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daher vor und hinter der Tafel gleich hoch im Niveau. Sobald aber die Bewegung beginnt, wirken auch die Widerstandskráfte in der Flüssigkeit, und ihr stationárer Druck muss, im Widerspiel gegen die allein noch in Frage kommende Schwerkraft, eine Hebung resp. Senkung der freien Wasseroberfläche bedingen, die ein genauer Ausdruck für die Grósse eben jener Kráfte ist. Denn wenn z. B. das ursprüngliche Niveau an einer Stelle um I cm gehoben ist, so folgt daraus, dass an dieser Stelle in der Flüssigkeit ein Druck herrschen muss, der einer Wassersáule von 1 cm Hohe das Gleichgewicht halt.

Da der Widerstandsdruck an den verschiedenen Stellen der Tafeloberfläche ein ungleicher ist, so muss dies auch in einer entsprechenden Formung der Wasseroberflache vor und hinter der Tafel zum Ausdruck kommen. Der Hochdruck an der Vorderseite muss eine konforme Hebung oder Aufstauung des Wasserspiegels über das Ruheniveau zur Folge haben, und der Minderdruck an der Rückseite eine ebensolche Depression unter die ursprüngliche Wasserhóhe. Dem Druckmaximum muss ein höchster, dem Minimum ein tiefster Wasserstand entsprechen, und dazwischen müssen alle Übergänge vorhanden sein. Wenn die Druckverhältnisse solange unverändert fortbestehen wie die Bewegung bei gleichbleibender Geschwindigkeit anhált, so müssen auch die zugeordneten Formen des Niveaus ebensolange stationár fortexistieren, und wenn es gelingt, dieselben zu registrieren, so sind sie als Masse des Druckes für die quantitative Analyse des Wider- standes von grundlegender Bedeutung.

Die objektive Darstellung der Gestalt des Wasserspiegels wird nun in der denkbar einfachsten Weise dadurch bewirkt, dass die Flüssigkeit sich selber an der Oberfliche der Tafel abbildet, indem sie dieselbe bis zur jeweiligen Niveaulinie benetzt. Man braucht dazu weiter nichts als ein Gefáss mit Wasser und ein Stück Kartonpapier oder braune Pappe von zwei bis drei Finger Breite. Die Pappe hat den Vorzug, dass sie eine intensive Dunkelfärbung erfährt, soweit sie vom Wasser benetzt wird, während das Kartonpapier erst bei schráger Beleuchtung die Grenze zwischen der benetzten und nicht benetzten Flache erkennen lásst. Taucht man ein solches Stück Pappe senkrecht in das Wasser, so wird es auf beiden Seiten bis zu gleicher Hóhe angefeuchtet und gefürbt, und man wird nachher nicht erkennen kónnen, bis zu welcher Tiefe das Niveau an der Rückseite während der nachfolgenden Bewegung gesunken war. Dieser Übelstand ist dadurch zu vermeiden, dass man die Tafel wahrend der Fortbewegung eintaucht und wieder emporhebt. Die Bewegungen lassen sich für den Zweck einer ersten Orientierung sehr leicht mit der freien Hand ausführen, solange es nicht auf die Innehaltung eines bestimmten Neigungswinkels und einer bestimmten Geschwindigkeit ankommt.

Schon die primitivsten Versuche dieser Art bestätigen in überraschender Weise die Richtigkeit des Prinzips, dass die Verschiedenheiten des Widerstandsdruckes an der Tafel ihren vollkommenen Ausdruck finden in der Gestalt des hydro- dynamischen Niveaus, das sich an der Vorder- und Rückseite der Tafel abbildet. Die Linie dieses Niveaus erscheint vorn in Form einer sehr flachen, nach oben konvexen Kurve ss (Fig. 15 Taf. V) die sich, je nach der angewandten Geschwindigkeit, mehr oder weniger hoch über die leicht zu ergánzende Linie des statischen Nullniveaus

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erhebt: sie soll als positive Staulinie bezeichnet werden. An der Rückseite zeigt sich bei normaler Bewegung der Tafel, eine negative Staulinie oder Depressionskurve d d von der Form einer Lemniskate, mit einer mittleren Erhebung nach oben und zwei seit- lichen Ausbuchtungen nach unten. War die Bewegung schräg zur Ebene der Tafel, so hat die positive Staulinie (Fig. 16) ihre hóchste Erhebung beim vorderen Tafelrande, und die negative Kurve besitzt eine tiefe Depression nach der Seite des Vorderrandes und eine Erhebung gegen den Hinterrand.

Da die Linien beim Trocknen der Tafeln wieder verschwinden oder doch undeutlich werden, so empfiehlt es sich, dieselben mit einem scharfen Bleistift sofort nach der Erzeugung nachzuziehen. Ferner ist es angebracht, eine der beiden Linien nach der entgegengesetzten Seite der Tafel durchzuzeichnen. Fügt man dann noch die horizontale Nullinie hinzu, so bedeuten die in jedem beliebigen Punkte derselben errichteten Ordinaten der oberen Staulinie den in diesem Punkte herrschenden positiven Widerstandsdruck, wáhrend die der unteren, negativen Kurve die Masse für den zugehórigen saugenden Widerstand liefern. Jede Ánderung oder Verbiegung der Tafel, jede Verschiedenheit in der Geschwindigkeit der Bewegung oder des Neigungswinkels liefert abweichende Kurven, die alle die verànderten Druckverhaltnisse in subtilster Weise wiederspiegeln. Da es nicht moglich ist, bei freihändigen Versuchen derartige Differenzen zu vermeiden, so müssen für systematische Untersuchungen natürlich exaktere Methoden in Anwendung gebracht werden. Aber auch die einfacheren Versuche genügen vollauf, um jeden, der sie wiederholt, davon zu überzeugen, dass wir in ihnen ein unschätzbares Mittel haben, die Ergebnisse der photographischen Widerstandsanalyse zu kon- trollieren, zu bestátigen und zu erweitern.

Vervollstándigung des Apparats. Da in dem Nachzeichnen der Staulinien ein subjektives Moment liegt, durch das, zumal bei schnellem Abtrocknen der Kartontafeln, móglicherweise eine unbeabsichtigte Anderung der Originale eintreten kann, so ist es die Frage, auf welche Weise man am besten die ursprünglichen Staukurven in haltbarer Form erhált. Ich habe zu diesem Zwecke das Wasser mit Fuchsin oder Methylenblau gefarbt und dabei weissen Karton, oder Blechplatten angewandt, die mit weissem Schreibpapier glatt überklebt waren. Die farbige Flüssigkeit zeichnet sich dann mit so grosser Scharfe und Klarheit auf dem weissen Grunde ab, dass ein Nachzeichnen überflüssig wird, und man erhált die Originale als unveránderliche, dauernde Dokumente des Widerstandsdruckes. Die Kartontafeln haben vor den Blechtafeln den Vorzug, dass sich die Kurven leicht durch Durchstechen mit einer feinen Nadel auf die Gegenseite übertragen lassen; die Blechtafeln, dass sie sich weniger leicht verbiegen. Man kann das Papier von den Blech. tafeln wieder ablösen und hat dann die Kurven der Vorder- und Rückseite nebeneinander. Die Kartonplatten lassen sich übrigens vor dem Verbiegen dadurch schützen, dass man sic bis zum Versuch in einer festen Presse hält und beim Versuch selbst jede Biegung vermeidet.

Fiir die weiteren Untersuchungen musste ein Apparat geschaffen werden, der mit einer variablen, messbaren Geschwindigkeit die Versuchstafeln horizontal so durch das

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Wasser führt, dass sie wáhrend dieser Bewegung automatisch eingetaucht und nach einiger Zeit wieder herausgehoben werden. Die erste Bedingung war in dem für die photo- graphischen Versuche verwendeten Apparate bereits erfüllt. Es musste also nur noch eine Einrichtung hinzukommen, durch welche die Tafeln, unter beliebigen Winkeln eingestellt, gehoben und gesenkt werden konnten. Zu diesem Zweck wurden die Schienen der Lánge nach über den Kasten. gelegt, und die weiteren Vorkehrungen am Wagen selbst angebracht. Ein aus zwei mit einander verbundenen Stahlstáben bestehendes Gestell a a (Fig. 3 Taf. I) bewegt sich in sauber gearbeiteten Metallführungen cc und trágt oben einen Ouerstab, an dessen freien Enden zwei kleine leicht bewegliche Ràdchen r angebracht sind. Diese Râdchen laufen auf zwei besondeten Schienen ss, die oberhalb der Wagenschienen in geeigneter Höhe durch Säulen getragen werden. Dieselben senken sich in einer schiefen Ebene, sind dann eine Strecke lang unterbrochen und beginnen wieder mit einer ansteigenden schiefen Ebene. Durch diese Einrichtung wird die gewünschte Hebung und Senkung der Tafel erreicht, denn wie die Rádchen über die schiefen Ebenen hinab und wieder herauffahren, so senken und heben sie auch das Gestell an dessen unterem Ende ein mit Gradeinteilung versehenen Halter die Tafel trágt. Da die Tafel durch eine Klemmfeder am Halter befestigt ist, so lásst sie sich leicht austauschen und durch Drehung des Halters auf den gewünschten Neigungswinkel einstellen. Ist dies geschehen, so ist, wenn die Maschine die richtige Geschwindigkeit erlangt hat, weiter nichts zu thun, als dass der Wagen, wie bei den photographischen Aufnahmen, durch Loslassen der Klemm- walze am Treibband befestigt wird. Die Fortbewegung, das Eintauchen und Heben der Tafel, sowie das Lósen und Anhalten des Wagens geht automatisch von statten. Der Wagen wird zurückgeführt, die Tafel gewechselt, und eine neue Aufnahme kann beginnen, sobald man sich durch den Augenschein überzeugt hat, dass die Flüssigkeit wieder in Ruhe ist. |

Auf zwei Punkte ist bei der Anstellung der Versuche besonders zu achten: I) dass die Tafeln tief genug in die Flüssigkeit eintauchen, und 2) dass sie lange genug eintauchen und nicht zu früh wieder hochgezogen werden. Da nämlich die Druckverhaltnisse und damit auch die Stauungen von dem Gange der Widerstandsstrómungen abhängen, so muss auch alles, was die Entwicklung und den Verlauf dieser Stróme beeinflusst, eine Einwirkung auf die Stauungen ausüben. Taucht man daher die Platte so flach ein, dass sie nur in geringer Hóhe (— weniger als halbe Plattenbreite —) benetzt wird, so ist der Wirbel an ihrer Rückseite unvollstândig, der Nachlauf schafft nicht genug Wasser hinter die Tafel, und es müssen sich hóhere hydro- dynamische Niveaudifferenzen ergeben, als an der tiefer eingetauchten oder ganz unter- getauchten Tafel, wo die »Wirbelmühle« vollständig entwickelt ist.

Ganz ähnlich steht die Sache, wenn man die Tafel zwar tief genug eintaucht, sie aber so schnell wieder heraushebt, dass die Trágheit des Schleppwassers noch nicht ganz überwunden und die Wirbelbildung noch nicht vollendet ist. Es ergeben sich dann viel bedeutendere Druckunterschiede wie spáter bei gleicher Geschwindigkeit, und zwar durch Zurückweichen des Wassers an der Rückseite und ganz besonders hinter den Rándern

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an den Stellen der Druckminima. Wir werden auf diesen wichtigen Erscheinungskomplex, der die ungeheure Tragkraft der sog. »unbeeinflussten Luftsäulen«, die Wucht der Windstösse und die grosse Wirkung des Kieles am bewegten Schiff erklärt, bei späterer Gelegenheit zurückzukommen haben. Hier sollen vorerst nur die einfacheren Widerstands- erscheinungen erörtert werden.

Betrachten wir zunächst das Bild der Stauung an einer 5 cm breiten, überklebten Zinkblechtafel, die bei ca. 25 cm Geschwindigkeit etwa 4 cm tief eingetaucht war und vom Strome unter rechtem Winkel getroffen wurde, so sehen wir an der Vorderseite eine flach konvexe Staulinie (Fig. ı5), die in der Mitte höher liegt als am Rande. Die Kurve hat von der Mitte ab nach beiden Seiten ein Gefälle, doch ist dasselbe im mittleren Drittel der Tafelbreite sehr gering. Erst in einem Abstande von 5 mm vom Rande beginnt die Linie stärker abzufallen, bis sie endlich am Rande selbst steil nach unten biegt. An der seitlichen Abschnittsfliche der Blechtafel an Kartonplatten ist dies noch deutlicher zu sehen fällt die farbige Grenzlinie gegen die hintere Fläche ab und zwar nahezu ebensoweit unter die Linie des statischen Niveaus, wie sie vorn am Rande darüber erschien.

An der Rückseite bildet die Depressionslinie die schon erwähnte lemniskaten- artige Figur. Ihre beiden Minima liegen etwa 5 bis 6 mm vom Rande; ihr Maximum in der Mitte der Tafel reicht bis sehr nahe an die statische Nulllinie und erfüllt mit ganz geringem Seitengefälle wiederum etwa das mittlere Drittel der Tafelbreite. So zeigen uns die Kurven als autographische Darstellungen des vor und hinter der Tafel herrschenden Druckes eine vollkommene Übereinstimmung mit den durch die Diskussion der photographischen Strömungsbilder gewonnenen Anschauungen von der Verteilung der Widerstandskräfte.

Die Lage des Maximums in der Mitte der Vorderseite deckt sich mit der Stelle, wo die mittleren Strömungslinien auf die Tafel treffen, und die Wasserfäden die stärkste Verzögerung erleiden. Die anfangs sehr langsame, erst am Rande stärker werdende Abnahme des Überdrucks konnten wir bereits aus dem Grade der Konvergenz der abfliessenden Stromlinien erkennen Die Auffüllung des mittleren Minderdruckgebiets hinter der Tafel durch den Nachlaufstrom tritt mit grosser Deutlichkeit in der mittleren Erhebung der negativen Staulinie hervor, ebenso die seitliche Lage der beiden Minima und ihr Übergang in den höheren Druck der Randströme.

Sehr auffällig ist, dass der Nachlauf den Minderdruck so hoch fast an die Nulllinie auffüllt, sodass der danach übrigbleibende Teil des letzteren schätzungsweise nur etwa !/s bis 1⁄4 des gesamten Widerstandsdruckes ausmacht. Es ist jedoch zu bedenken, dass die Staulinien vorn wie hinten immer nur den höchsten Wasserstand anzeigen, der bei den unvermeidlichen Schwankungen des Widerstandes erreicht wird. Es wáre also immerhin denkbar, dass die Nulllinie náher der positiven Kurve liegen würde, wenn nur die niedrigsten Wasserstánde aufgezeichnet würden, oder wenn man den mittleren Stand graphisch ermittelt hätte Übrigens ist die Frage, wie gross der Anteil der Saugung an dem gesamten Widerstande ist, von ziemlich nebensachlicher Bedeutung,

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da es thatsåchlich nur auf den in jedem Punkte der Tafel vorhandenen Gesamtdruck ankommt, der durch die Summe der Ordinaten gemessen wird; und diese Summe ist von der Lage der Abscissenlinie des Nullniveaus unabhängig.

Staulinien bei schráger Tafelstellung.

Stellt man dieselbe Tafel unter sonst unveránderten Bedingungen dem Strome unter einem Winkel von 45? entgegen, so erhált man ein vollkommen unsymmetrisches Bild der Staukurven (Fig. 16 u. 19). Die vordere Linie hat ihre hóchste Erhebung etwa 5 mm vom vorangehenden Tafelrande, in einem Punkte, der mit dem durch die Photo- graphie festgestellten Treffpunkte der vorderen Stromteilungslinie zusammenfállt. Wie nun der Hauptstrom von diesem Punkte aus nach beiden Seiten gegen die Ránder fliesst, so zeigt auch die Staulinie nach beiden Seiten ein allmählich gegen die Ränder zunehmendes Druckgefalle. Auf dem kurzen, gegen den Vorderrand ziehenden Ast der Kurve nimmt der durch die Ordinaten derselben gemessene Druck schneller ab, als auf dem langen Aste, dessen seitliche Abdachung unter einem mittleren Winkel von ca. 59 erfolgt. Am hinteren Tafelrande ist der Abstand der Kurve vom Nullniveau noch etwa zwei Fünftel von der Ordinate am vorderen Rande.

Wird nun schon durch diese Form der positiven Druckkurve das Überwiegen des Widerstandes auf der in der Bewegung vorangehenden, dem Vorderrande benachbarten Tafelhálfte dokumentiert, so tritt dies Verhalten noch entschiedener an der negativen Drucklinie der Rückseite zu Tage; ja man kann sagen, dass die seit nunmehr 100 Jahren bekannten AVANZINI'schen Phánomene der Verschiebung des sog. Widerstandspunktes jetzt erst ihre volle Erklârung finden durch die eigenartigen Strômungs- und Druckverhaltnisse im Gebiet des saugenden Widerstandes. Bei allen spitzen Neigungswinkeln liegt das Maximum des negativen Widerstandes oder das absolute Minimum des hydrodynamischen Widerstandsdruckes auf der dem vorangehenden Rande benachbarten Tafelhálfte, wahrend auf der nachfolgenden Halfte die Drucklinie mehr und mehr emporsteigt und bis an die Nulllinie oder selbst darüber hinaus fortschreitet (Fig 19 II).

Schneidet man die positive Staufláche, d. h. das Flächenstück zwischen dem Nullniveau und der Staukurve, aus Karton aus und bestimmt durch Ausbalanzieren den Schwerpunkt, so erhált man damit die Lage des Angriffspunktes der Resultante des positiven Widerstandsdruckes + (Fig. 20 Taf. V) an der Nulllinie. Ebenso ergiebt sich an der negativen Staufläche oder Depressionsfliche der entsprechende Angriffspunkt des saugenden Widerstandes —r. Letzterer liegt immer näher nach dem Vorderrande der Fläche, als der Angriffspunkt der Druckresultante. Nimmt man endlich beide Flächen- stücke zusammen, so zeigt sich nach Bestimmung des gemeinsamen Schwerpunktes, dass der Angriffspunkt der Resultante R des ganzen positiven und negativen Widerstandes auf der voraufgehenden, vorderen Flächenhälfte liegt und in gesetzmässiger Weise (AVANZINI) mit abnehmendem Neigungswinkel gegen den vorderen Fláchenrand verschoben wird. Will man die mittlere Intensitát der elementaren Widerstandskrâfte ermitteln, so

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hat man nur durch Abwagen der ausgeschnittenen Flächenstücke oder durch das Polar. planimeter die Flacheninhalte der Stau- und Depressionsflachen zu bestimmen und dieselben einzeln oder in Summa durch die Flächenbreite zu dividieren.

Wie die Strômungen im Minderdruckgebiet, so wechseln auch die Formen der negativen Staulinie in sehr empfindlicher Weise mit dem Neigungswinkel, der Geschwindig- keit des Hauptstromes und vor allem noch mit der Richtung des Eintauchens der Tafel. Erfolgt das Eintauchen nicht in genau vertikaler Richtung, so wird auch die Form und Lage der Staulinien sofort von der Norm abweichen, und. die absoluten Masse der Ordinaten zeigen dann so auffallige Differenzen, dass der ziffermássige Vergleich der durch verschiedene Aufnahmen gewonnenen Staubilder sehr erschwert wird. Die charakteristische Hauptform der negativen Kurve wird jedoch von diesen Differenzen nicht wesentlich berührt.

Für genaue quantitative Messungen, die im Interesse der Sache dringend zu wünschen sind, reichen meine Apparate nicht ganz aus, da die Führung des Wagens und des Mechanismus zum Einsenken der Tafeln etwas zu leicht gearbeitet ist, und gewisse Durchbiegungen nicht ausgeschlossen sind, da mir ferner auch gegenwärtig kein durchaus gleichfórmiger (Akkumulatoren-) Strom für den Antrieb zur Verfügung steht. Es wäre auch notwendig, dass die Apparate, der sonst unvermeidlichen Erschütterungen wegen, in einem besonderen erschütterungsfreien Raume dauernd aufgestellt würden. Mir steht dazu nur ein vielbenutztes Sammlungszimmer im Oberstock des Realgymnasiums des Johanneums zu Hamburg zur Verfügung, in welchem ich die Apparate immer nur für kurze Zeit meist nur in den Ferien aufbauen kann, um sie nachher wieder abzu- brechen und in einem wenig geeigneten Bodenraume aufzubewahren.

Bei der Bedeutung, welche derartige Untersuchungen für das ganze, bisher so dunkle Gebiet der Widerstandsmechanik zweifellos haben, ist es ein unabweisbarcs wissenschaftliches Erfordernis, dass die quantitativen Versuche baldigst und mit allen Hülfsmittelfi der Feintechnik ausgeführt werden; steht doch zu hoffen, dass wir durch die mitgeteilten Methoden nicht nur über die Widerstandserscheinungen an ebenen und ge wôlbten Drachen. und Segelflachen unterrichtet werden, sondern auch über den Widerstand an andersgestalteten Kórpern, Projektilen, Schiffsrümpfen u. s. w. die bisher fehlenden experimentellen Grundlagen gewinnen werden, und dass es schliesslich einmal gelingen wird, die für jeden praktischen Zweck winschenswerte Kôrperform für maximalen resp. minimalen Widerstand im Voraus experimentell zu bestimmen.

Wie die Photogramme der Strómungen immer nur die Vorgánge in der Focal ebene darstellen, so geben auch die Staukurven nur den Druck an, der über den Punkten des jeweiligen statischen Niveaus herrscht, und es fragt sich daher, wie sich die Druck- verháltnisse über den tiefer eingetauchten oder untergetauchten Arealen gestalten. .

Da die Druckkrafte 0 abhängig sind von dem Verlauf der Widerstands strômungen, so folgt, dass jene Kräfte auch überall dort wesentlich von gleicher Grösse und Anordnung sein müssen, wo die Stróme von gleicher Art sind wie am Niveau.

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Durch die Photographie der Strôme an vôllig untergetauchten Platten hatte sich aber die prinzipielle Übereinstimmung der Strómungen unter Wasser mit denen am Niveau bei eingetauchten Platten ergeben. Nach den Vorstellungen, die wir aus jenen Photogrammen über den gesamten Strómungsverlauf weiter oben entwickelt hab>n, sind wir nunmehr dank der Staukurven in der Lage, ein nahezu vollstándiges Bild der Verteilung des Widerstandsdruckes an der ganzen untergetauchten Tafel zu entwerfen.

Denken wir uns die Tafel AB (Fig. 17, Taf. V) in der Normalstellung zum Strome mit der schmalen Seite etwa bis zum Niveau D D eingetaucht, so sind die er- haltenen Staukurven immer dieselben, gleichviel, welche Lage die Linie D D zwischen den beiden Punkten C und C hat, denn in diesem Raume sind auch, wie oben (s. S. 32) gezeigt, die Strómungen jedes Niveaus konstant.

Da nun die Intensitát des Widerstandsdruckes in jedem Punkte der Niveaulinie D D durch die zugehórigen Ordinaten der beiden Staulinien bestimmt ist und die Linie D D durch jeden beliebigen Punkt von C C gelegt werden kann, so ist auch die Inten- sitát des positiven wie negativen hydrodynamischen Druckes in jedem be- liebigen Punkte des Fláchenstiickes F F bekannt.

Zur graphischen kórperlichen Darstellung des gesamten Widerstandes über der Fláche FF bedarf es nur noch eines Schrittes. Man hat sich nur zu vergegenwartigen, dass der hydrodynamische Druck, der die Stauungen an der Tafel erzeugt und durch sie gemessen wird, als Widerstandsdruck in der Richtung senkrecht zur Tafel wirkt. Um ihn aber in dieser richtigen Ordnung zu konstruieren, hat man nur nótig, das von den beiden Staukurven begrenzte Flächenstück, dass wir kurz als die Staufláche bezeichnen wollen, um die Linie DD als Achse um einen Winkel von oof zu drehen. Verschiebt man darauf die so aufgerichtete Staufläche als Profil parallel auf der Linie C C entlang, so beschreiben die beiden Staukurven über der Fláche FF einen Kôrper, der das getreue Modell des Widerstandes ist, den dies Fláchenstiick erfáhrt.

Ein solches Modell lässt sich vermittelst des Stauflachenprofils leicht in Thon oder Paraffin ausführen. Um es auch für die Flachenstiicken C EF am Ende der Tafel näherungsweise zu vervollständigen, hat man zu beachten, dass der Druck über E und F gleich gross ist und dass er von E und F aus gegen die Ecken der Tafel abnimmt. Man dreht daher das Halbprofil über C F um eine in C senkrecht stehende Achse im Halb- kreis herum, und hat dann nur noch die Ecken durch Verlángerung der bis zum Rande des Halbkreises vorhandenen Oberflache auszufüllen. Sollte dabei in den áussersten Ecken ein Fehler unterlaufen, da wir ja den absoluten Betrag des Druckes an den Ecken nicht durch die Staulinien messen kónnen, so hat derselbe angesichts der natürlichen Schwankungen des Widerstandes im bewegten Medium keine allzu grosse Bedeutung und kann füglich wohl vernachlâssigt werden.

Mit der Herstellung des Widerstandsreliefs sind wir am Ziel unserer experimentellen Untersuchungen angelangt, denn das Relief giebt mit den Ordinaten der krummen Fláchen die Intensitát des positiven und negativen Druckes für jeden beliebigen Punkt der Tafel an und stellt den Widerstand an einem beliebigen Flàchenstück derselben, wie über der

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ganzen Tafel in allen irgendwie wünschenswerten Einzelheiten und mit allen seinen Eigen- schaften dar.

Da die Ordinaten der Staulinien ihrer Entstehung nach die Hóhen der Wasser- säulen sind, welche in jedem Punkte des Nullniveaus dem hydrodynamischen Widerstands- drucke das Gleichgewicht halten, so ist auch im Gesammtrelief die Intensitát des Druckes durch die Ordinaten in Hóhen von Wassersáulen ausgedrückt, die auf der vorderen Seite der Tafel lasten, resp. an der Hinterseite als Zugkráfte wirken, beide im gleichen Sinne und in der Richtung des Widerstandes. Kônnte man daher über der horizontal gestellten Tafel aus flüssigem Wasser einen Kôrper formen, der dieselbe Gestalt und Grósse hátte, wie das Widerstandsmodell, so würde derselbe auf jeden Punkt der Tafel statisch durch sein Gewicht in derselben Weise wirken, wie der hydrodynamische Wider- standsdruck, den die Tafel bei ihrer Bewegung im Wasser erfuhr. Das Gewicht eines solchen Wasserkórpers würde gleich dem Gesammtwiderstande sein, und die durch seinen Schwerpunkt gehende Vertikale würde auf der Tafel den Angriffspunkt der Resultante des Widerstandes bezeichnen. Ist das Modell des Widerstandes aus Paraffin hergestellt, so lásst sich leicht der Schwerpunkt und das Volum empirisch bestimmen. Das Volum in Kubikcentimetern ist dann gleich dem Gewicht eines gleich grossen Kórpers Wasser in Grammen, also gleich dem Gesamtwiderstande. Durch die Lage des Schwerpunktes würde auch hier die des Widerstandspunktes oder des Angriffspunktes der Resultante des Widerstandes bestimmt sein.

Auf Grund des vorliegenden Materials habe ich eine Anzahl von Widerstands- modellen für rechteckige, quadratische und kreisfórmige Scheiben zunáchst aus Thon her- gestellt uud auf der vorjáhrigen Naturforscher-Versammlung zu Hamburg vorgelegt. Die Fig. 70 und 71 Taf. XVI zeigen die Modelle für kreisfórmige und quadratische Scheiben von 5 cm Breite und bei einer Strómungsgeschwindigkeit von 0,25 m sec. Die konvexen, helleren Kurven stellen in beiden Fällen den Druck gegen die Vorderseite dar, während die in der Mitte vertieften, dunkleren Modelle den negativen Druck oder Sogg an der Rückseite der Platten veranschaulichen. Die Herstellung weiterer Modelle für die theoretisch und praktisch in Frage kommenden flächenhaften Körper, wie Drachenflächen, Flügel und Schiffssegel für verschiedene Neigungswinkel und Geschwindigkeiten, ist in Aussicht genommen.

Neben den Modellen behalten jedoch die Stauflachen ihren hohen Wert für die weitere vergleichende Betrachtung, da sie als Profile der kórperlich dargestellten Individuen des Widerstandes zugleich deren wesentlichen Charakter enthüllen. Für kleine Neigungs- winkel und Flächen von langrechteckiger Form genügen die Stauflachen in den meisten Fàllen vollkommen zur Darstellung des Widerstandes, da sie die Verhàltnisse über dem weitgrössten Teile der Tafel zur Anschauung bringen und die geringeren Widerstands- betráge an den schmalen, seitlichen Enden derselben den gesamten Widerstand nicht entscheidend beeinflussen.

Wie ungemein wertvoll die Dienste sind, welche uns die Stauflachen für weitere vergleichende Untersuchungen zu leisten berufen sind, mógen die folgenden kurzen An- gaben zeigen.

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Stellen wir eine 5 cm breite Platte und eine solche von 10 cm in der Normal- stellung == 90°) in denselben Strom, so zeigt die Staufläche der schmäleren Platte durchschnittlich etwas geringere Stauhöhen (Abstände der Staukurven), als die breitere (Fig. 18 Taf. I. und II), was mit den aerodynamischen Messungen LANGLEY’s qualitativ im Einklang steht; und da die Depressionslinie sich bei breiteren Tafeln mehr der Linie des Nullniveaus nähert, als bei schmalen Platten, so ist auch der Anteil der Saugung am Gesammtwiderstande bei den ersten relativ geringer als bei den letzteren. Werden dagegen dieselben Tafeln unter spitzen Winkeln dem Strome entgegengestellt, so veranschaulichen die Stauflächen (Fig. 19 Taf. I und II) die Überlegenheit der schmäleren Tafeln gegenüber den breiteren, von welchen in diesem Falle ein volles Drittel, das dem hinteren Rande benachbart ist, überhaupt keinen nennenswerten Widerstand zu leisten hat.

Es eröffnet sich damit ein ausgedehntes Gebiet für weitere vergleichende Unter- suchungen, die uns Aufklärung zu geben versprechen über den ursächlichen Zusammenhang der zahlreichen, oft widersprechenden hydrodynamischen und aerodynamischen Thatsachen, die durch die Untersuchungen eines AVANZINI, HAGEN, KUMMER, Lord RAYLEIGII, LANGLEY, v. LOESSL und anderer im Laufe des letzten Jahrhunderts bekannt geworden sind.

Da die Stauflächen neben den Strömungsphotogrammen die wichtigsten, ent- scheidenden Dokumente des Widerstandes sind, so wird es sich zunächst darum handeln, mit Hülfe technisch vollkommener Apparate eine möglichst umfangreiche Sammlung derselben für alle theoretisch oder praktisch in Frage kommenden Fälle herzustellen und in systematischer Ordnung in einem Archiv zu vereinigen. In diesem Archiv hätten auch die zugehörigen photochronographischen Aufnahmen der Widerstandsströmungen, sowie die Widerstandsmodelle Aufnahme zu finden. Mit einem so geordneten Material von Dokumenten und experimentellen Hülfsmitteln wären alle auf dem Gebiete der Wider- standsmechanik auftretenden Fragen wissenschaftlich zu beantworten; im besonderen die wichtige Frage nach der gesetzmässigen Abhängigkeit der Widerstandsgrössen von der Form, Stellung und Grösse der Flächen, sowie der Fragenkomplex, der von den AVANZINIschen Versuchen seinen Ursprung nimmt und der auf die Ermittelung des Gesetzes von der Lage und Verschiebung des Widerstandspunktes unter wechselnden Bedingungen hinzielt.

Alle bis jetzt vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen über den hydro- und aerodynamischen Widerstand bescháftigen sich, mit verschwindenden Ausnahmen, allein mit ebenen Tafeln, da es ausser der dynamometrischen Messung des Gesammtwiderstandes kein Mittel gab, die Eigenschaften desselben an gewôlbten Flächen zu ermitteln. Was wir bisher über die Bedeutung der gewölbten Flächen für den Widerstand wissen, beschränkt sich der Hauptsache nach auf die Erfahrungen der Seeleute, dass die bauschigen Segel vor dem Winde einen guten Zugeffekt geben. LILIENTHAL ist meines Wissens der einzige, der den Winddruck an gewólbten Fláchen direkt gemessen hat. Seine Flug- apparate waren mit gewölbten Tragflächen ausgestattet, aber er machte die Beobachtung, dass die Stabilität durch die Wölbungen stark beeinflusst werde, und verringerte daher mehr und mehr den Grad der Flächenkrümmung. Es ist noch heute meine auch an

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anderer Stelle ') ausgesprochene Meinung, dass dieser kühne Bahnbrecher auf dem Gebiete des dynamischen Kunstfluges sein Leben nicht in so beklagenswerter Weise verloren hatte, wenn ihm der wahre Einfluss der Flächenkrümmung auf die Gestaltung des Widerstandes bekannt gewesen wáre.

Steht eine gewôlbte Fläche mit der Höhlung dem Strom des flüssigen Mediums gerade entgegen, so ist wohl, wie die Drehung des ROBINSON'schen Schalenkreuzes der Anemometer zu beweisen scheint, der Widerstand grósser, als bei entgegengesetzter Flächenstellung, allein bei freischwebenden Flugapparaten steht diesem Vorteil der ent- schiedene Nachteil gegenüber, dass bei den unvermeidlichen Schwankungen des Systems und des Stromes der negative Widerstand an der Rückseite von den Rándern her positive Werte bekommt, dass der Wind die Oberseite trifft und der Absturz möglich oder unvermeidlich wird. Durch Anwendung ebener oder noch besser unterseits konvexer Flächen kann man eine vorteilhaftere, ja absolute Stabilität erzielen. Jedenfalls ist die Kenntnis des Widerstandes an gewôlbten Flachen für die Flugtechnik von grósstem Interesse.

O. LILIENTHAL hatte die Hypothese aufgestellt, dass die Wólbung des Vogel- flügels die Ursache des erstaunlichen Schwebevermögens so mancher dieser Tiere sei. Er glaubte auf Grund seiner Versuche den gewolbten Tragflachen für Neigungswinkel bis zu 60? nicht nur einen grósseren hebenden Luftwiderstand zuschreiben zu müssen als ebenen Tafeln, sondern führte auch durch eine eigenartige Zerlegung der Kräfte des Náheren aus, dass an solchen Flächen eine vorwartstreibende Komponente des Widerstandes auftrete. Zur weiteren Stütze dieser Ansicht berichtete L. von seiner Beobachtung, dass ein Drachen bei starkem Winde über den Zenith hinaus gegen den Wind angeflogen sei, was doch nicht móglich sei, wenn nicht eine vortreibende Kraft vorhanden wáre.

An der Richtigkeit dieser letzteren Beobachtung ist nicht zu zweifeln, da sie auch von anderer Seite, namentlich von Herrn Prof. K0PPEN bei den meteorologischen Drachenexperimenten der Seewarte, gemacht worden ist. Allein es ist nicht zulássig, die Ursache dieser seltenen Erscheinung in der Form der Drachenflachen zu suchen, da diese konstant ist, und somit auch das Vorschweben die Regel und nicht die Ausnahme sein müsste. Die Ursache des Phinomens muss also ausserhalb des Drachens in den unregel massigen Bewegungen des Windes liegen und kann hóchstens durch die Form der Drachenflachen und die Art der Belastung, die Schwerpunktslage, mchr oder weniger begünstigt werden. Offenbar handelt es sich, sobald der Drachen den Zenith überschreitet, um gewöhnlichen freien Schwebeflug mit sinkender Tendenz, der mit jeder beliebigen Drachenform erzielt werden kann, sobald der Fadenzug in der Richtung der Schwerkraft erfolgt, oder einfach durch entsprechende, richtig angebrachte Belastung ersetzt wird. Das Nahere wird man aus meiner Arbeit über den Schwebflug und die Fallbewegung in der Luft (Bd. XV dieser Abhandlungen) entnehmen kônnen. Daselbst habe ich auch die Unrichtigkeit der Kraftzerlegung dargethan, durch welche LILIENTHAL den gewölbten Fláchen eine vortreibende Komponente herausbrachte.

Ð Stabilität der Flugapparate. Bd. XV dieser Abhandl.

sue

Das Phänomen des vorschwebenden Drachens ist neuerdings auch von dem australischen Erfinder des nach ihm benannten HARGRAVE-Drachens zur Begriindung einer mit der LILIENTHAL'schen identischen Flughypothese verwendet worden. Auch nach HARGRAVE !) liegt das Geheimnis des Segelfluges in den gewôlbten Flugflachen, die nicht nur einen den ebenen Fláchen überlegenen Antrieb nach oben zu stande kommen lassen, sondern auch einen Zug des Windes nach vorn bedingen sollen.

Wenn wir den obigen Ausführungen noch hinzufügen, dass gerade die besten Segelvógel, wie der Albatros, auffallend ebene Flügel besitzen, und dass auch bei den Ruderflüglern die starken Hóhlungen der Flügel beim Tiefschlag ausgeglichen, teils sogar in Folge von Durchbiegung in Konvexitáten verwandelt werden 7, wenn wir endlich an die elementare Segelvorschrift erinnern, dass beim Aufkreuzen gegen den Wind unter kleinen Segelwinkeln, wie sie doch beim Segelfluge auch in Anwendung kommen, unbedingt straffe, móglichst ebene Segel erforderlich sind, so kónnten wir diesen Gegenstand als erledigt betrachten. Allein HARGRAVE hat in anderer Weise als LILIENTHAL seine Ansicht noch durch einige nicht uninteressante hydrodynamische Versuche zu stützen gesucht, die mich veranlassen, anschliessend den Einfluss der Flächenkrümmung auf die Form des Widerstandes weiter zu verfolgen.

HARGRAVE tauchte in ein kleines Wassergefäss einen gewölbten Aluminium- flügel, der um seinen Vorderrand drehbar war, streute Oker auf das Wasser und setzte die Flüssigkeit vermittelst eines Blasebalges in Strómung. Dabei stellte sich der Flügel aus jeder beliebigen Anfangslage immer so ein, dass die Sehne des Wölbungsbogens einen nach hinten offenen Winkel von 30 ? zur Hauptstromrichtung bildete, und es zeigte sich in der Hóhlung ein Wirbel, dessen Strómung an der Seite des Flügels nach vorn gerichtet war. HARGRAVE zieht daraus den Schluss, dass der bei A gegen die Höhlung gerichtete Druck an dem entfernteren Areale des Flügels grösser sein müsse, als der bei B in der Nähe des verdickten Vorderrandes; und die vorwârts gerichtete Wirbelstrómung müsse, indem sie gegen die gestráubten Federn an der Unterseite des Flügels treffe, einen Antrieb nach vorn auslósen, durch den das Rátsel des Segelfluges gelóst werde.

Was zunächst den Verlauf der Widerstandsstrómungen an derartigen Flächen anbetrifft, wie sie HARGRAVE in Anlehnung an gewisse Formen von Vogelflügeln für seine Versuche gebrauchte, so bestätigen meine Photogramme (Fig. 52— 59 Taf. XII u. XIII) durchaus die Richtigkeit der Beobachtungen HARGRAVE's, soweit sie sich auf die hohle Seite der Flügel beziehen. Während bei einem Supinationswinkel von 40? (Fig. 52) an der dem Strome zugewandten hohlen Seite der Tafel nur die charakteristischen

DL HARGRAVE: The Possibility of Soaring. Journal of the Royal Soc. of N. S. Wales 1897. p. 205—213.

2) Über die in der Fluglitteratur sonst wenig beachteten Deformationen der Flüchenwólbungen vergleiche man den Abschnitt in des Verfassers »Mechanik des Vogelfluges« Bd. XIV dieser Abhandlungen.

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Stauungserscheinungen der Stromfáden auftreten, zcigte sich bereits bei 30? und 259 (Fig. 53) eine typische Wirbelung als Ausdruck einer hier stattfindenden Saugung. Auch die folgende Figur 54, bei 20% Neigung, lásst den Wirbel deutlich erkennen, obgleich hier die Wölbung etwas flacher gewählt ist, und somit das ganze Phänomen in engeren Grenzen verlauft. Wie nun in den folgenden Bildern der Neigungswinkel auf o? (Fig. 55) sinkt und dann die negativen Werte der Pronationswinkel von 109, 239, 30% und 40? (Fig. 56--59) erreicht, dehnt sich die Wirbelung mehr und mehr nach hinten aus, und man sieht in dem letzten Bilde den Querschnitt eines mächtigen Wirbelringes, der seinen Nachlaufstrom schräg von unten her gegen das äusserste Ende der Tafel sendet.

An der konvexen Seite der Tafel liegt bei grossen positiven Neigungswinkeln (Fig. 52 ff.) eine Schleppe von der Form eines stark unsymmetrischen Wirbelringes, dessen Vorderrandast den ganzen Raum hinter der Tafel erfüllt, wahrend sein Gegenstück, gegen den Unterrandstrom gepresst, in eine Reihe sekundârer Wirbelchen aufgelost ist, und die Mitte des Nachlaufs gegen den unteren Tafelrand stósst. Mit abnehmendem Neigungswinkel. schrumpfen diese Wirbel mehr und mehr zusammen, wie gleichzeitig die an der hohlen Tafelseite zunehmend sich entwickeln.

Durch den Verlauf der Strómungen erklárt sich nach den früher mitgeteilten Regeln die Anordnung des hydrodynamischen Druckes, wie er durch die Staukurven dargestellt wird. Die Fig. 22—28 Taf. VI geben die Staulinien für dieselben Neigungs- winkel der gekrümmten Flächen, für welche die photographischen Aufnahmen der Strom- linien gelten. Man ist somit in der Lage, das Strómungsbild mit den Stauerscheinungen zu vergleichen und den innigen Zusammenhang zwischen Strómung und Druck zu verfolgen.

Die Staulinien an den hohlen Seiten der Flügel sind stárker ausgezogen, als die von der konvexen Seite. Das Stauwasser an der Hohlseite ist durch Wasserschraffen markiert, das der Gegenseite ist punktiert.

Bei einem Supinationswinkel von 40% (Fig. 22) zeigt sich bereits ein auffallender Unterschied gegenüber den ebenen Platten. Während bei diesen letzteren beide Stau- kurven in der Náhe des Vorderrandes ihren hóchsten Stand erreichen (Fig. 20), liegt bei der gewölbten Fläche das Druckmaximum über der zweiten Hälfte der Tafel, nicht weit vom Hinterrande, und an der Rückseite fehlt die so charakteristische Ausbuchtung der Depressionslinie, die bei ebenen Tafeln immer über der vorderen Tafelhalfte liegt. Die Wôlbung der Fläche hat also eine ausgesprochene Verschiebung des Gesamt- widerstandes gegen den hinteren Rand zur Folge.

Bei 30? Neigung zeigt sich an der konvexen Rückseite eine fast symmetrische Depressionslinie mit randwárts ansteigenden Schenkeln. In der Hohlung fállt die positive Staukurve von einem nahe dem Hinterrande liegenden Maximum gleichfórmig gegen den Vorderrand ab, hat aber hier eine leichte Depression, sodass die zwischen beiden Kurven liegende Stauflache dort eine auffällige Verschmälerung erfährt. Mit weiter abnehmendem Neigungswinkel wird diese Depression grósser und grósser, und bald liegt ein Teil jener Kurve tiefer als die Staulinie an der Rückseite. Die Platte hat nunmehr beim Vorder- rande Überdruck an der Rückseite. Die Staulinien haben die Form einer unsymmetrischen

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Schleifenlinie angenommen und umschliessen nun zwei durch einen druckfreien Indifferenz- punkt getrennte Stauflächen. Die kleinere, vordere Fläche ist das Mass des von hinten her gegen die Höhlung gerichieten Druckes, die grössere stellt den nach hinten ge- richteten Widerstandsdruck dar.

Bei Neigung, wo die ebene Fläche überhaupt keinen Seitendruck erfährt, finden wir an der gewölbten Tafel (Fig. 25) noch beide entgegengesetzt wirkenden Widerstandsareale vor. Die horizontalen Richtungen ihrer Resultanten sind durch die kleinen Pfeile am Querschnitt der Platte angegeben, im Staubild durch nach unten resp. oben gehende Pfeilchen angedeutet.

Werden die Neigungswinkel negativ, so nimmt das Widerstandsareal am Vorder- rande mehr und mehr zu, während das am Hinterrande kleiner wird und endlich, je nach .dem Grade der Krümmung, verschwindet.

Das Resultat dieser Untersuchung ist sonach, dass an gewölbten Flächen bei kleineren positiven und negativen Neigungswinkeln zwei ent- gegengesetzt wirkende Widerstandsklomplexe auftreten, welche die Tafeln um eine Längsachse so zu drehen streben, dass sich der Vorderrand in der Richtung gegen die Höhlung, der Hinterrand nach der Seite der Konvexität bewegt. |

Ist nun, wie bei den Versuchen HARGRAVE's, eine gewölbte Tafel an einem Längsrande drehbar befestigt, so wird dieser natürlich in einem Flüssigkeitsstrome zum Vorderrande und die beiden Gruppen der Widerstandskräfte wirken nun wie einem einarmigen Hebel in entgegengesetzter Richtung auf den Apparat. Da der Hebelarm der dem Vorderrande benachbarten Widerstände kleiner ist, als der vom freien Tafelrande, so ist klar, dass zwischen diesen Kräften erst dann das Gleichgewicht herrschen kann, wenn diejenigen des kürzeren Hebelarmes entsprechend grösser sind als die am langen Hebel wirkenden. Bis dahin folgt die Tafel einer Drehung im Sinne der letztgenannten Kräfte. Diese Drehung hat aber, wie unsere Staukurven lehren, die Wirkung, dass sie eben diese Kräfte selbst vermindert und die Gegenkräfte wachsen lässt, bis bei einer ganz bestimmten Neigung die Gleichgewichtslage erreicht ist. Und bei HARGRAVE's Versuchen war dies eben bei dem Neigungswinkel von 30° der Fall. Dass diese automatische Einstellung der Trägheit der Massen wegen nicht ohne Schwankungen erfolgen kann, sei nebenbei erwähnt.

Soweit man daher diese merkwürdigen Erscheinungen benutzt hat, um damit die Meinung zu begründen, dass die gewölbten Platten besonders geeignet seien, den horizontalen Luftwiderstand in Auftrieb zu transformieren, hat man sich in einem nunmehr klar zu Tage liegenden Irrtum befunden. Dem grösseren Auftrieb am hinteren Areal steht ein Abtrieb am vorderen Teil der Platte gegenüber. Beide erzeugen an einem Flügel ein Drehungsmoment, das für die Unterhaltung der Flugbewegung nicht nur überflüssig, sondern schädlich ist, da es im günstigsten Fall eine unnötige Spannung im Material hervorruft und bei ungünstiger Lage des Systemschwerpunktes verhängnisvolle Störungen des Gleichgewichts veranlassen kann.

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Seitdem man nach dem Vorgehen des Blue-Hill- Observatorium den Drachen in den Dienst der Meteorologie gestellt hat, ist man bemüht gewesen, den zuerst in Amerika benutzten HARGRAVE'schen Kastendrachen durch zweckmässige Anordnung der tragenden und steuernden Flächen in seiner Tragfähigkeit und Stabilität möglichst zu vervollkommnen. So ist es Herrn Prof. W. KOPPEN an der Deutschen Seewarte gelungen, durch einfaches Verschieben der oberen Tragflachen eine Drachenform zu erzielen, die dem HARGRAVE bedeutend an Tragkraft und Steigkraft (steigt bei weit geringerer Windstárke) überlegen ist. Diese Uberlegenheit hat natürlich ihren Grund in der besseren Ausnutzung des Luftstromes; aber wie dies zusammenhängt, darüber fehlte jede sichere Aufklárung, weil man nicht wusste, wie der Luftstrom zwischen den über cinander stehenden Fláchen verláuft und wie der Widerstand dadurch beeinflusst wird.

Durch die Photographie der Widerstandsstrómungen und mit Hülfe der Stauflâchen sind wir jetzt in der Lage, auch auf diesem ebenso interessanten wie wichtigen Gebiete praktisch wissenschaftlichen Forschens Klarheit zu verbreiten. Um dies erkennen zu lassen, füge ich die Fig. 60 Taf. XIV hinzu, welche den Verlauf der Widerstandsstrómungen an zwei übereinander stehenden Fláchen photographisch darstellen. Mit Hilfe der weiter oben angegebenen Regeln ist es leicht, zu sehen, wie der Widerstand an beiden Platten angeordnet ist, und wie beide sich gegenseitig beeinflussen. Wie gross dieser Einfluss ist, zeigt der Vergleich der Stauflächen (Fig. 21 Taf. V), welche mit einem ähnlichen etwas engeren Plattenpaare aufgenommen sind. Nur an der Vorderseite der unteren Tafel AB sind die Strómungen und Widerstandsgróssen unbeeinflusst. An der Hinterseite wird die hebende Wirkung des Minderdrucks dadurch verringert, dass die obere Tafel den Strom in den Raum zwischen beiden scharf ablenkt und dadurch die Auffüllung des Minderdruckes erleichtert. Die obere Tafel DC hat unterwarts nur am vorangehenden Rande Überdruck; nach dem Unterrande zu wendet sich der Strom sichtbar von der Tafel ab, indem er durch das Minimum der unteren Platte angesogen wird. Dadurch erhält die zweite Tafel an ihrer Vorderseite Minderdruck, das Niveau sinkt unter die Nulllinie, wo eigentlich, bei freier Lage derselben, Überdruck herrschen müsste. An der Rückseite aber führt der Unterrandwirbel der oberen Tafel in Folge des Empordrängens des Unterrandstromes der unteren Platte durch den Nachlauf solche Wassermassen nach vorn, dass hier, im Gebiet normaler Saugung, sogar ein Überdruck resultiert, der zusammen mit dem Minderdruck an der Vorderseite die obere Platte steiler zu stellen strebt, was als Drachenwirkung höchst nachteilig wäre,

Die Platten stehen beide unter grösserem Neigungswinkel zum Strome, als es bei den Drachen die Regel ist, wo, wie mir Herr Prof. KÖPPEN mitteilt, die Winkel im Durchschnitt 20—22? sind; aber soviel ist aus dem photographischen Bilde doch zu sehen, dass die mangelhafte Drachenwirkung der oberen Platte ihren Grund in der Anordnung beider Tafeln hat, und dass dem Übelstande dadurch abgeholfen werden kann, dass z. B. die obere Tafel in ihrer Richtung weiter nach oben verlegt wird.

In Fig. 64 Taf. XV sehen wir die Strömungen an zwei dementsprechend angeordneten, schwach gewölbten Drachenflächen von 23° Neigung. Die obere Tafel ist

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soweit nach vorn verschoben, dass sie vertikal über der unteren steht. Das Strómungsbild ist aber dennoch ein auffállig verschiedenes an beiden Platten, denn die im übrigen ahnliche Wirbelung ist hinter der oberen Platte weit umfangreicher als an der unteren,

Um diese Differenz auszugleichen, wurde die untere Fláche auf 40? Neigung gestellt. Die Fig. 65 zeigt, dass nnter dieser Bedingung an beiden Platten nach Form und Umfang annâhernd übereinstimmende Wirbelungen auftreten.

In áhnlicher Weise giebt Fig. 66 die Strómungen an dreiflichigen Drachen bei gleichen Neigungswinkeln, und Fig 67, wenn die untere Fläche auf 40? Neigung, die Mittelfliche aber in die Richtung des Stromes eingestellt ist. Die Zwischenplatte ist in diesem Falle als Steuerfläche gedacht, um die Steilstellung der unteren Platte im Winde zu erzwingen.

Untersucht man diese Flächenkombinationen mit Stauversuchen, so ergiebt sich für die zweiflâchige Anordnung die Thatsache, dass beide Platten bei gleicher Neigung auch nahezu denselben Widerstand erfahren (Fig. 29 Taf. VI) obwohl die obere eine erheblich gróssere Wirbelschleppe nachzieht; und dass umgekehrt die untere Platte auch einen entsprechend grósseren Widerstand hat, wenn ihr Neigungswinkel vergróssert und dadurch die Wirbelung auf denselben Umfang gebracht wurde wie bei der oberen Platte (Fig. 30). Man kann also bei benachbarten Flächenkombinationen nicht ohne weiteres aus dem Umfang der Stórungen hinter den einzelnen Platten auf die Grósse der geleisteten Widerstandsarbeit schliessen, für welche erst die Stauflichen einen Massstab liefern.

Da die Vorgánge und Wirkungen an Drachenflichen im Prinzip dieselben sind wie an Schiffssegeln, so folgt, dass unsere Untersuchungsmethoden auch geeignet sind, für die Theorie der Schiffssegel neue Unterlagen zu schaffen. Ich gehe nicht so weit, anzunehmen, dass es sobald gelingen werde, neue Segelsysteme zu konstruieren, welche den vielen vorhandenen auf alle Falle überlegen wären, aber wir besitzen doch jetzt die Hülfsmittel, durch welche wir eine vorhandene oder projektierte Segelordnung wissen- schaftlich auf ihre Wirksamkeit bei den verschiedenen Segelwinkeln prüfen kónnen, und sind also nicht mehr allein auf das nicht weiter erklárte Ergebnis der praktischen Probe angewiesen. Wir wissen jetzt, warum die breiten Segel so kräftig : vorm Winde« ziehen und warum die schmalen die besten »Amwindsegel« sind. Es ist lângst bekannt, dass von zwei hintereinander stehenden Amwindsegeln das hintere einen mangelhaften Zug leistet, wenn die Lücke zwischen beiden nicht ausgiebig genug ist. Man giebt dafür auch die richtige Erklärung, dags der Wind vom ersten Segel dann nicht leicht genug abfliessen kann. Unsere Photogramme (z. B. Fig. 61 Taf. XIV) lehren uns, dass ein Teil des am ersten Segel bereits abgelenkten Windes über die zu enge Spalte hinweg unter kleinem Neigungswinkel auf das zweite Segel trifft und dadurch dessen Wirkung herabsetzen muss, indem er es zu einem weniger wirksamen Anhang am Hinterrande des ersteren macht. Die Staubilder bestätigen diesen Bestand (Fig. 31). So wird es auch möglich sein, für andere nicht genügend aufgeklärte Segelphänomene die Begründung auf experimentellem Wege zu ermitteln. Hier möge noch Fig. 62 Taf. XIV eingeschaltet sein, in welcher der Strom die beiden Platten von Fig. 61 senkrecht trifft.

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Auch für die Prüfung der Schiffswiderstände sowie für die Beantwortung der Frage nach der besten Form des Schiffsrumpfes, welche bei gegebener Fahrgeschwindig- keit ein Minimum des Widerstandes erfährt, bieten unsere Untersuchungsmethoden neue analytische Hülfsmittel, die um so wertvoller sind, als auch auf diesem überaus wichtigen Gebiete des Schiffsbaues noch manche wichtige Fragen der Entscheidung auf experi- menteller Grundlage harren. Man hat sich bisher darauf beschränken müssen, nach der von dem englischen Gelehrten W. FROUDE angegebenen Methode die Gesamtwiderstände der Schiffsmodelle zu messen. Danach ist man in der Lage, die Anzahl der Pferdekräfte anzu- geben, welche von der Maschine des nach dem Modell gebauten Dampfers geleistet werden ' müssen, um dem Fahrzeuge die verlangte Geschwindigkeit zu erteilen. Die auffälligen Unterschiede der Widerstandsgrösse an verschieden gestalteten Schiffskörpern hat man mit vollem Recht auf die von denselben im Wasser hervorgerufenen Strömungen und Stauungen resp. Depressionen zurückzuführen gesucht. Es wird sich nun darum handeln, das ganze System der Strömungen in der Umgebung des Schiffsmodells sowohl am Niveau, wie unter Wasser photographisch festzulegen. Mit Hilfe der mitgeteilten Regeln wird man aus den Stromlinien Schlüsse über die Verteilung der Druckkräfte machen können, die den Widerstand bedingen. Die Stauungen der Bug- und Heckwelle liefern dafür weitere Anhaltspunkte, wie die Staukurven für die flächenhaften Körper. Es scheinen mir keine unüberwindlichen Schwierigkeiten vorzuliegen, wenigstens für kleinere Schiffsmodelle das System des Widerstandes durch Strómungsphotogramme, Stauflachen und Druck- relief zu ermitteln. Bei grósseren tritt allerdings die Schwierigkeit der Photographie der Strómungen unter Wasser in den Vordergrund, weil es mit den vorhandenen Mitteln nicht möglich ist, grössere Wassermassen in einer für die Momentphotographie hinreichenden Weise zu durchleuchten. Man wird sich in solchem Falle der Hauptsache nach auf das Studium der Strómungen und Stauungen am Wasserspiegel beschránken und die Strómungen unter Wasser nach Massgabe kleinerer Modelle naherungsweise ergänzen müssen. Von eingetauchten prismatischen Kórpern, deren Profile den Wasserlinien von Schiffen ent. sprechen, liegen bereits zahlreiche Strómungsphotogramme vor, die spateren Mitteilungen vorbehalten bleiben.

Neben den eingetauchten Schiffskórpern wird man endlich auch die untergetauchten Fahrzeuge, Torpedos man vergleiche die Fig. oo für einfache (0,25), Fig. 71 für die doppelte Geschwindigkeit (0,5 m sec.) und andere im flüssigen Medium bewegten Kôrper in den Kreis der Untersuchungen zu ziehen haben. Dieser Gruppe von Aufgaben würden sich dann die Widerstandserscheinungen der Projektile anschliessen, die durch die photographischen Aufnahmen von Prof. E. MACH und P. SALCHER, Dr. L. MACH u. a. in so genialer Weise zur Anschauung gebracht wurden. Unsere Fig. 63 zeigt die Strömungen des Wassers um einen prismatischen Körper vom Profil eines alten Zünd- nadelgeschosses.

In den vorstehenden Ausführungen ist immer stillschweigend die Annahme ge- macht, dass die Widerstandserscheinungen im Wasser auch auf das Medium Luft über- tragbar seien, Diese Annahme ist aber keineswegs selbstverstándlich, denn wenn man

auch die hydrodynamischen Gesetze allgemein als auf die Aerodynamik anwendbar hin- stellt, so bleibt doch immer der Unterschied bestehen, dass die Luft elastisch und zusammendrückbar ist und das Wasser nicht, oder doch nur in sehr geringem Grade. Man könnte also vermuten, dass die Strömungen in der Luft doch vielleicht merklich anders verliefen, als im Wasser. Sollte nicht etwa der aerodynamische Überdruck durch Kompression und Verdichtung der betreffenden Luftteilchen zu einer elastischen Spannung und Aufspeicherung führen, wodurch das Strómungsbild vor dem Hindernis im Ganzen verkürzt würde, während im Minderdruckgebiet aus analogem Grunde eine Dehnung der Stromerscheinungen resultierte? Ganz gewiss finden solche aus der Natur des Mediums theoretisch zu erschliessende Kompressionen statt, aber sie sind in den bei weitem meisten Fillen, namentlich wo es sich um die natürlichen Luftstróme handelt, von so geringer Grösse, dass sie füglich vernachlässigt werden müssen. Auch die stärksten Orkane, die mit 40—70 m sec. Geschwindigkeit auf feststehende Gegenstánde treffen, rufen daselbst keine merkliche Steigerung der allgemeinen atmosphärischen Luftspannung hervor. Nach v. LOESSL würde ein Luftstrom von 100 m sec. Geschwindigkeit erst eine Erhóhung des Atmosphârendruckes um (3 fie bewirken, wenn vor dem festen Körper eine stagnante Flüssigkeitsmasse, ein Stauhügel existierte. Nur bei Geschossen mit Geschwindigkeiten von mehreren 100 m würden sich erhebliche Luftspannungen von 2—3 Atmosphären bilden müssen, was dann einer Kompression auf die Halfte des Volums und darunter entspráche. Diese Berechnungen setzen voraus, dass der ganze Widerstand nur positiver oder Verdrângungwiderstand ist und ausschliesslich an der Vorderseite geleistet wird. Da nun ein nicht unerheblicher Teil desselben auf die Saugung kommt, so ist die Spannung vorn noch geringer, und es treten auch an der Rückseite entsprechende Verdünnungen auf. Die Grósse und Erstreckung dieser Druckverminderung hángt wesentlich davon ab, wie die Luft wieder in den Geschosskanal einstrómt.

Das dies im Prinzip ebenso erfolgt, wie bei unsern mit vergleichsweise minimaler Geschwindigkeit ausgeführten hydrodynamischen Versuchen, ist a priori nicht unwahr- scheinlich. Die schónen Photogramme fliegender Geschosse, welche von Herrn Dr. Lupw. MACH hergestellt und in den Wiener Sitzungsberichten mitgeteilt wurden, be- státigen dies durchaus. Herr Dr. MACH hatte die Freundlichkeit, mir die Originale dieser Aufnahmen zur Verfügung zu stellen. Man sieht, das; der ganze cylindrische Raum der Schleppe hinter dem Geschoss von einem Wirbelsystem erfüllt ist, das mit dem hydro- dynamischen Wirbelring des Depressionsgebiets in allen wesentlichen Punkten überein- stimmt. Diese Wirbelung war auch bereits auf den ersten Photogrammen fliegender Geschosse zu erkennen, die Herr Prof. E. MACH in Gemeinschaft mit SALCHER gewonnen hatte und die s. Z so viel Aufsehen erregten.

Sehen wir nun von dem Widerstande der Geschosse ab, so gilt von allen anderen Bewegungen geringerer Geschwindigkeit, dass die Zusammendrückbarkeit der Luft keinen nennenswerten Einfluss auf den Gang der Widerstandsstrómungen im unbegrenzten Raume ausüben kann. Da im übrigen die Luft wie das Wasser ein leicht bewegliches, flüssiges Medium ist, so ist die Annahme begründet, dass die Widerstandserscheinungen in beiden

56 von áhnlicher, prinzipiell gleicher Art sein werden. Diese Annahme wird in trefflicher Weise bestátigt durch eine Anzahl von kleinen Photogrammreproduktionen, die einer methodischen Arbeit von Dr. L. MACH »Ueber die Sichtbarmachung der Luftstromlinien« (Z. f. Luftschifffahrt 1896. S. 129) beigegeben sind. i

Herr Dr. MACH erzeugte in einem Rohr von 18<25 cm Querschnitt vermittelst einer Turbine einen Luftstrom, den er durch eine Heizvorrichtung optisch differenziert hatte. In diesen Strom schaltete er feste Hindernisse von verschiedenen Querschnitts- formen ein und photographierte die Stromlinien bei durchfallendem Magnesiumlicht nach der Schlierenmethode.

Die achtzehn kleinen Photogramme lassen keinen Zweifel an der kompleten Homologie der Widerstandströmungen in Wasser und Luft.

Man wird zwar bemerken, dass die Luftstromlinien und -Fäden ein krauseres, mehr strähniges Aussehen haben, und dass namentlich die Wirbelbildungen hinter den Körpern überhaupt nicht, oder nur schwach angedeutet sind, aber diese Mängel haben offenbar ihren Grund in der Methode. Die zur Erzeugung der Schlieren notwendige ungleichmässige Erwärmung der Luft, sowie die fliessende Bewegung in einem engen Kanal bringen natürlich eine gewisse Unruhe in den Strom, die bei unserer Anordnung des hydro- dynamischen Versuchs ausgeschlossen ist. Dass aber die Wirbelung nur undeutlich zu sehen ist, liegt daran, dass eben durch die Wirbelung die ursprünglichen thermischen und optischen Differenzen der Luftteilchen sehr schnell verwischt werden.

Letzteres gilt auch bezüglich der von Prof. MAREY in Paris ausgeführten vor- trefflichen Versuche, die Luftstromlinien durch feine Rauchfäden sichtbar zu machen und photographisch zu fixieren Die sehr hübschen Photogramme dieses berühmten Gelehrten zeigen ebenfalls an der Vorderseite der Tafeln die typischen Verhältnisse der Widerstands- ströme des Wassers, lassen aber, wegen der Auslöschung der Rauchfäden durch die Wirbelung die wichtigen Verhältnisse an der Rückseite im Unklaren. Wie die Aufnahmen von Dr. L. MACH, so zeigen auch die von Prof. MAREY wesentlich dieselbe Teilung des Stromes vor dem Hindernis wie unsere hydrodynamischen Bilder, dieselbe Verschiebung des Stromteilungspunktes an der Tafel bei schräger Stellung, dieselbe Bildung der Rand- ströme und, soweit das Gesichtsfeld reicht, dieselben Formen des Schleppenumfanges. Nimmt man hinzu, dass die Wirbelung thatsächlich vorhanden ist, da sie von L. MACH beobachtet und früher durch E. MacH und P. SALCHER photographisch festgestellt wurde, so bedarf es keines weiteren Beweises, dass die Widerstandsströmungen in der Luft prinzipiell mit denen des Wassers übereinstimmen.

Man kann übrigens den Ringwirbel in der Luft unmittelbar beobachten, besonders bei Schneetreiben und am Staub hinter fahrenden Eisenbahnwagen. Steht man bei trockenem Wetter auf dem Hinterperron einer auf staubiger Landstrasse fahrenden Strassen- bahn, so sieht man, wie der innere Wirbelstrom als Nachlauf den Staub nach vorn oft bis in das Innere des offenen Wagens treibt und wie rechts und links durch die drehende Bewegung der Luft die Kleider der hier stehenden Personen in ganz bestimmter Weise mit Staub bedeckt werden, je nach der Stellung, die sie im Wirbel einnehmen.

57

Wir diirfen daher in Zukunft, wie geschehen, die hydrodynamischen Befunde mit vollem Recht auch auf aerodynamische Fragen anwenden.

. Nur ein Punkt bedarf noch der Erwáhnung: wie findet man den Massstab für die Übertragung und Verwendung der hydrodynamischen Widerstandsreliefs in solche für den Luftwiderstand? Da sich bei den meisten praktischen Versuchen in ausgedehnten Flüssigkeitsmassen derjenige Widerstand überwiegend geltend macht, welcher von den Beschleunigungen der Flüssigkeit herrührt (HELMHOLTZ), und da bei nicht sehr grossen Geschwindigkeiten die Zusammendrückbarkeit der Luft nicht in Frage kommt, so sind bei gleicher Geschwindigkeit die Widerstánde des Wassers und der Luft den specifischen Massen oder Dichtigkeiten proportional zu setzen und stehen somit annähernd im Ver- háltnis von 750:1. Das Relief des Widerstandes im Wasser ist danach zugleich für den Luftwiderstand gültig mit der Massgabe, dass die Ordinaten 750-fach überhóht sind.

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2I.

58

Tafelerklårung.

Tafel I.

Seitenansicht des Apparats zur Photographic der Strömungen an eingetauchten Körpem. Nâheres im Text S. 9.

Derselbe Apparat im Querschnitt.

Apparat für Stauversuche, Näheres s. S. 41.

Tafel II.

Apparat zur Photographie der Widerstandsstrómungen an untergetauchten Körpern. Nåh, S. 29. System der Widerstandsstrómungen an einer ebenen Tafel in der Normalstellung

AaA Kurve der vorderen Druckmaxima,

Bu Minimumkurve,

ecud schleifenfórmige Linie der hinteren Druckmaxima.

Wa Bugwelle; Ws Heck- oder »Soggwelle« Dasselbe mit eingezeichneten Kraftlinien, Die von der Vorderseite der Tafel ausgehenden positiven Kraftlinien sind ausgezogen; die von den Wirbelachsen ausgchenden Sogglinien sind punktiert gezeichnet.

Tafel III.

Querprofile durch die Wirbel der Schleppe. System der Widerstandsstrómungen und Kraftlinien an einer unter 45% gegen den Strom geneigten ebenen Tafel. Bezeichnungen wie bei Fig. 5. Entwicklung des Wirbels im Schleppwasser bei zunehmendem Eintauchen der Tafel. A Ansicht von oben, B im senkrechten Längsschnitt.

Tafel IV.

Die Strahlen in dem Quadranten bezeichnen die Neigung einer 20 cm breiten Tafel AB gegen die durch den Pfeil bestimmte Hauptstromrichtung. Die Kurven geben für jeden Neigungswinkel der Tafel die Lage des Druckmaximums an der vorderen Tafelfliche an. Kurve I nach der Formel von Lord RAYLEIGH; II eine Cykloide, nach der Formel von Prof. LAMn; III empirische Kurve nach den photographischen Aufnahmen des Verfassers. II a und IIIa entsprechen der Lage der Druckmaxima an der Rückseite.

Tafel V.

Verteilung des Widerstandes über die Tafeln. cfr. Text. Staukurven einer normal und schrâg vom Strome getroffenen 5 cm breiten Platte. Querprofil des Druckreliefs. Stauflichen an normal stehenden Tafeln von einfacher und doppelter Breite. Ebenso unter 45? Neigung. Staufliche an einer schrigen Tafel mit Maximum und Minimum des Widerstandsdruckes. —r Resultante des Soggs, +r des positiven Druckes, R Resultante des Gesamtwiderstandes, Staufliche von zwei benachbarten Platten; ähnlich Fig. 6o Taf. XIV.

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30. 31.

32 u. 33.

34. 35.

36. 37-

38 u. 39.

40. 41. 42. 43-

44— 48.

49. 50.

51.

52—59.

60. 61. 62. 63.

64. 65.

59 _

Tafel VI.

Stauflichen an gewölbten Platten bei verschiedener Ncigung, entsprechend den Strómungsphoto- grammen Fig. 52— 59 Taf. XII und XIII,

Stauflichen an den beiden Drachenflächen der Fig. 64 Taf. XV.

Desgleichen zu Fig. 65.

Desgleichen zu Fig. 6r.

Tafel VII.

Widerstandsstrômungen an senkrecht eingetauchten ebenen Tafeln in der Normalstellung zum Strome (Oberfláchenstróme).

Desgleichen an untergetauchter Glastafel (Strömungen im Innern der Flüssigkeit).

Strómungen an einem rechteckigen, eingetauchten Kasten.

Tafel VIII.

Strómungen an einer Platte mit umgebogenen Rándern; die konvexe Seite geht vorauf. Dieselbe Platte mit der hohlen Seite vorauf, Platte keilfórmig gebogen.

Tafel IX.

Platte ogival gebogen, Hóhlung vorauf. Platte rinnenfórmig gehóhlt. Doppelrinne.

S-fórmig gebogene Platte.

Tafel X und XI.

Strómungen an ebenen Tafeln unter wachsenden Neigungswinkeln (Oberflichenaufnahmen). Strómungen im Innern des Wassers.

Strómungen an einer I qm grossen Stahlplatte, aufgenommen in der Modellschleppversuchsstation des Norddeutschen Lloyd zu Bremerhaven.

Kontinuierliche Strómung nach den Aufnahmen von Prof. HELE-SHAW, entlehnt aus den Transact. Inst. Nav, Arch. 1898,

Tafel XII und XIII.

Strömungen an flügelähnlich gewölbten Platten unter verschiedener Neigung. cfr. Fig. 22—328,

Tafel XIV.

Doppeldrachen unter 55? Neigung (hierzu Stauflächen Fig. 21).

Zwei schrâge Tafeln in derselben Richtung hinter einander (hierzu Staubild Fig. 31.) Dieselben Tafeln normal zum Strome.

Strómungen an dem Profil eines Ztindnadelgeschosses.

Tafel XV.

Doppeldrachen mit flach gewólbten Flächen bei gleicher Neigung von 23?. cfr. Fig. 29. Dasselbe, jedoch die untere Fláche unter 409,

66 u. 67. Wie Fig. 64 und 65, aber mit eingeschalteter Mittelfliche im Strome.

68 u. 69. 70 u. 71.

Tafel XVI.

Torpedoprofil mit einfacher und doppelter (0,5 m) Geschwindigkeit. Modelle des positiven und negativen Widerstandes an kreisfórmigen und quadrat. Platten (s. S. 46).

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