Addandlungen
der
Shurfürflid = baierifhen
Akademie
der
BB itfenfchaften
Vierter Band,
müunchen
au finden in der akademiſchen Buchhandlung;
17 ⸗
>.
%
un
[2
J—
Borrede
ARERP
xDx ie häufigen und underfchieblichen anderweitigen Ar
7.870, Peiten, welche feit zweyen Jahren in der akademi⸗
— ſchen Druderey auf gnadigfte Anbefehlungen befoͤr⸗
dert werden müffen, haben die Ausgabe diefes vierten Bands
der akademifchen Abhandlungen bis hieher zuriick gefeget. Wir
liefern nun darinn bverfprochenermaßen einige der merkwuͤr⸗
Digften Abhandlungen, welche theild mit Haupt theils mit
Nebenpreifen gekrönet worden find,
In dem erften Theile erfcheint gleich anfangs der we;
gen feiner gründlichen und befondern Einficht in allen Theilen
der Wiffenfchaften berühmte Herr von Juſti, allwo er die
Preisfrage beantwortet: worinn der fraͤnkiſchen Boͤnige und
der Herzoge von Baiern wechfelweife Rechte und Verbind⸗
lichkeiten beftanden haben ? So wenig als man in der Gefchichte
felbiger Zeiten Umftändliches und Entfcheidendes findet; eben
fo. gefhict hat der Herr Verfaffer das Wenige, was ung die
Geſchichtſchreiber davon hinterlaffen haben , miteinander zu
verbinden gewußt, um eine Hypotheſe herauszubringen, dig
| 2 in
Vorrede.
in manchem Betracht einen hohen Grad der Wahrſcheinlich⸗
keit erreichet: und dieſe geht da hinaus, daß die Baiern, für
lange der agilolfingifhe Stamm gedauert, niemal bon den
fraͤnkiſchen Königen als ein bezwungenes Volk geachtet, noch
auch mit einigen Tribute, wie andere bezwungene deutſche
Voͤlker beleget worden, ſondern, daß die beyderſeitigen Ver⸗
bindlichkeiten auf einem bloßen Allianz⸗ und Freundſchaftsbun⸗
de beruhet, dem zufolge die Baiern den fraͤnkiſchen Königen,
und dieſe hinmwiederum den Baiern gegen ihre reciproquem |
Feinde Hüffe, Beyftand und Schuß Ieiften mußten; daß die
baierifchen Herzoge aus dem agilolfingifchen Stamme alle
Majeftätsrechte, ſowohl im geiftlichen als weltlichen Angele
genheiten ausgeübet, die Bifchöffe ſowohl als weltliche Herz
ren gerichtet, und fonft alles gethan haben, was nur ſouverai⸗
nen Fürften zuftehen kann, welches man bey den andern Herz
sogen Deutfchlands, die von der franfifchen Macht bezwungen
worden, nicht antriftz und daß endlich Baiern erft alsdann
angefangen babe, eine wahrhaft unterthanige Provinz des
fräntifchen Reichs zu werden, nachdem der legte des agilolfinz
gifhen Stammes, der unglücdliche Herzog Thaßilo, feines Reis
ches beraubet, und im ein Klofter geſtecket worden.
Die zweyte Preisfchrift in der hiftorifchen Claſſe ift vom
dem gelehreen Herrn Rector Crollius in Zweybruͤcken, umd
handelt von dent Urfprunge und Amt der Provinzialpfalzgras
fen in Deutfchland. Sie ift ziemlich weitläuftig ausgefallen,
und enthält drey Abtheilungen. Die erfte ift eine Eritifche
Anführung der verfchiedenen Meytungen derjenigen, welche im
diefer Materie gefchrieben haben, In der zweyten wird das
Amt der Provinzialpfalzgrafen beſchrieben, welches der Derr
Verfaſſer in folgenden Functionen vorſtellet: D betrachtet er
die
Yorrede
die Pfalzgrafen is den Neichsprobinzen als koͤnigliche Land⸗
richter, welche in den Streitigfeiten derjenigen, welche von
‘den berzoglichen und graflichen Gerichten befreyet waren, im
Namen des Königes Recht fprachen, 2) als Schultheißen des
Herzogs, welche in deſſen Abwefenheit des Herzogs Stellver-
treter in den ihm angehörigen Gerichten waren: 3) als fü-
nigliche Blutvögte und Friedensbefehirmer, und 4) als Fünig
liche Procurators Fifei und Oderfteuereinnehmer in der Pros
Hinz, und dieſe 4 Eigenfchaften waren in einer Perfon bereini
‘get, die in den Provinzen, welchen ein Herzog Dorgefeßet war,
Pfalzgrafen, in andern aber, welche Feine Herzoge hatten,
Land» und Burggrafen genennet wurden. In der dritten Ab-
theilung unterfucht der Hr. Berfaffer den Urfprung der Pfalz
grafen; und nachdem er hierüber berfhiedene Meynungen an
geführet; fo pflichtet er endlich denjenigen bey, welche dafuͤr
Halten, daß die Herzoge an die Stelle der ehmaligen Millo-
'rum regiorum mit 'militarifcher Commißion eingerüdet, daß
fie anftatt vorher nur temporarüi zu ſeyn, nunmehr perpetui,
ja fogar erblich geworden: weil aber ihre Gewalt dey Köni-
gen bedenklich gefchienen; fo hatten fie ihnen andere Miſſen
an die Seite gefeget, welche die Eönigliche Gerichte über die
Freyen, den Blutbann, den Landfrieden, und den filcum re-
gium beforgen müffen; und diefes ware die urfprüngliche Epo-
he der Pfalzgrafen gewefen, welche der Herr Verfaſſer um
die Zeiten 8. Heinrichs des Voglers feget, als derfelbe Herzog
Arnulphen von Baiern, und Herzog Burkharden bon Schwaben
zu Paaren getrieben. Hiernächft beftimmt er die befondern
Zeitpuncten, wo die baierifche, ſchwaͤbiſche, fächfifche, fraͤnkiſche,
weſtphaͤliſche und lothringiſche Landpfalzen ihren Anfang ges
nommen, mit ziemlicher Wahrfcheinlichkeit, und zeiget in den
‚bepgefügten Noten eine große rag weitlänftige SeieieHbeeN
Vorre dee.
Die dritte Preisſchrift im hiſtoriſchen Fache hat den
H. P. Hermann Scholliner, Benedictiner in Oberaltaich, zum
Verfaſſer: fie beſteht aus 4 Abſchnitten. Im x. wird Die Fra⸗
ge geſetzet, wann Herzog Arnulph in Baiern zur Regierung
gekommen ſey? und hiefuͤr das 907 Jahr angegeben. Im 2.
unterſuchet der Herr Verfaſſer die Art und Weiſe, wie dieſer
Herzog zur Regierung gelanget ſey? anfänglich, behauptet er,
haͤtte es derfelbe, nach Erlöfchung des Farolingifhen Stammes,
als ein Lehen, von König Arnulph und feinem Sohne Ludwig
erlanget; nach deren Tode hätten ihn die baierifchen Landftände,
in Eraft ihres unftreitigen Wahlrechts freywillig zu ihrem Herr
zoge gewählet. Der Hr. Verfaffer beweist hierbey ſehr gründe
lich, daß die nachgefolgten beyden Könige, Konrad und Heins
reich der Vogler, nur Könige der Sachſen und Franken, wels
che diefelben freywiliig erwaͤhlet, Feineswegs aber der übrigen
deutfchen Völker, die dieſer Wahl nicht beygefreten, geweſen
feyn, und daß dieſe Fürften, da fie fich gleichwohl dieſe lege
tern zu unferwerfen gefrachtet, auch wirklich unterworfen has
ben, ungerechte Ufurpatoren gewefen. Im dritten Abfchnitte
wird gezeiget, worinnen die Gerechtfamen beftanden, die Her
zog Arnulph mit andern Herzogen Deutfchlandes gemein hatte,
Und diefe waren nichts geringers, ald die vollkommene Lands-
Hoheit und Bothmäßigkeit, das Recht Krieg zu führen, und
Friede zu fchließen, und die vollkommene gefeßgebende Macht,
welche von der Eöniglichen Gewalt nur dem Namen nach uns
terfohieden war. Alle diefe Gerechtfamen baf Herzog Arnulph
nach Erlöfhung des Earolingifhen Stammes bis auf feinen
Bergleih mit 8. Heinrich dem Vogler, und auch nach dieſem,
wiewohl mit Ablegung des Eöniglichen Ziteld, in voller Maaß
ausgeübet, fowohl als andere Herzoge Deutfchlandes, ehe fie
ſich den fraͤnkiſchen und ſaͤchſiſchen Königen unterworfen haben,
127
Borrede
Herzog Arnulph Hatte aber noch andere Gerechtfamen, die ihm
befonders eigen waren, und Diefe find der Gegenftand der vier⸗
ten und legten Abtheilung Diefer Preisfchrift. Sie beftehen
hauptfächlich in dem Jure Regio, die Bifchöffe und Aebte ein
zufeßen, welches fonft keinem Herzoge in Deutfchland zus
ftund, fondern ein bloßes Regal der Kaifer und Könige war:
im Jure circa facra, das ift, Kirchenverfammlungen zu beru⸗
fen, und denfelben horzuftehen, wie beym Synode zu Dingol⸗
fingen gefcheben: im Muͤnzrecht: im Recht, Diplomata in der
nämlichen Canzleyform, wie die Kaifer und Könige, zu er:
theilen, die unter den Kirchen geſchehenen Bertaufhungen der
Guͤter und dergleichen zu beftätigen, und zu befiegeln, wel
ches ebenfalls ein Refervatum der Kaifer und Könige war: und
endlich die Data nicht nach den Faiferlichen oder Eöniglichen,
fonvern mach feinen eigenen Regierungsiahren zu bezeichnen.
Man kann nicht laͤuguen, daß der Hr. Verfaſſer diefer Preis:
fchrift, der aufgegebenen Preisfrage ein borzüglihs Genuͤgen
geleiftet habe; obſchon die Akademie Bedenken trägt, alle fei-
ne Grundfäge durchgängig gut zu heißen; fo wie fie auch bey
der bomuftifhen Abhandlung ein und das andere zu erinnern
gehabt haben würde, wenn fie ſich nicht alle Urtheile über die
ihr eingefandten und noch einzufendenden Schriften ein für alle-
mal unterfagt hätte.
Der zweyte Theil unfers Bandes enthält, nach der in
den borigen beliebten Abtheilung, dieienigen Preisfchriften, wel⸗
che in der philofophifchen Elaffe der Akademie gefrünet wor-
den find. Es find ihrer fechfe, davon aber immer zwo und
zwo bon einerlen Materie handeln; und zwar Die erftern zwo
bon der vortheilhafteften Art, Salzpfannen und Salzöfen anz-
aulegen. Die Abhandlung des Hrn. Scheidts, welche meiften-
theils
Borrede—
theils auf chhymiſchen Gründen beruhet, enthält manche nuͤtz⸗
uiche Verſuche von der zirkelförmigen Bewegung fluͤßiger Koͤr⸗
per, beſonders des Feuers; woraus der Herr Verfaſſer den
Satz leitet, daß unter allen Bauarten der Salzoͤfen die Zir⸗
kelrunde, zu ſchneller Bewegung und Verſtaͤrkung des Feuers,
mit wenigem Brennzeuge, wie auch zu Verhuͤtung des Ruß⸗
anſetzens, Die beſte ſey. Herr Angermann in feiner Abhand⸗
Jung, welche den Nebenpreis davon getragen bat, bleibt zwar
bey der viereckigten Forme ver Salzöfen und Pfannen, Er
giebt aber zwo berfchiedene Gattungen an, deren eine du Ders
fiedung der armen, und Die andere der reichen Sohle Diener
full. In diefen beyden Schriften ſtecken viele: fhöne practis
ſche, und auf Verfuche und eigene Erfahrung fowohl, als
chen.
Die zwo andern pbilofophifhen Preisfchriften "handeln
vom Wachsthum der Pflanzen, und bon VBerbefferung der vers
ſchiedenen Mängel des Erdreichs. In der erften verwirft Hr,
von Juſti ae willkuͤhrliche Hypotheſen, die man in Anfebung
der Zubereitung ded Nahrungsfafts im Pflanzen, auf die Bab-
ne zu bringen pfleget, und bauet hierinnfalls auf Feine andere
Saͤtze, als die aus deutlichen Begriffen undı richtigen Schlüfz
fen entfpringen, und durch die Erfahrung beftätiget werden. Er
unterfuchet darauf die Natur und Eigenfchaft der fruchtbar⸗
machenden Salze, beſtimmt die berfchiedenen Beichaffenbeiten
des Erdreichd, umd thut bey jedem Vorſchlaͤge zur Verbeſſe⸗
gung, die fih auf die Natur der. Sache gründen. Der Herr
Prediger Wal, defien Abhandlung mit einem Nebenpreife ge
- Erönet worden; gebt bennahe eben den Weg. Er dringt biels
mehr noch Kiefer in Die Prineipia der fruchtbarmachenden Ma⸗
ferien
auf die Theorie der Naturlehre und Chymie gegründete Sa⸗
‘
u Se Sue er
Vorrede—
terien ein, unterſuchet die Structur der Pflanzen, und erklaͤret
daraus die verſchiedenen Arten der Zubereitung des Nahrungs⸗
ſaftes. Alsdann giebt er allerhand chymiſche Vorſchlaͤge, wie
die Beſchaffenheit eines jeden Erdreichs zu erforſchen: und da
er vorausſetzet, daß die ſauren Salztheile den Wachsthum
eben fo ſehr hindern, als ihn die alcaliniſchen befoͤrdern; fo
gehen feine Vorfhläge ale dahin, dem zu verbeffernden Erd⸗
reich nach dem Maaß der darinnen befindlichen Acidorum um fg-
vielmehr Alcalinifche Materien beysufegen. Der Herr Ber:
faffer zeiget dadurch eine nicht gemeitte Kenntniß in der Chy⸗
mie; und es ift zu Vermutben, Daß feine Abhandlung den erz
ften Preis davon getragen haben würde, wenn fie in Anfehung
“ der fruchtbarmachenden Grundurfachen, und Zubereitung des
Nahrungsſaftes, weniger Willkuͤhrliches, und in Auſehung der
Verbeſſerung des Erdreiches mehr Practiſches und Ausfuͤhrli⸗
ches enthielte. Indeſſen ſind dieſe vier Abhandlungen ein Be⸗
weis, daß die churfuͤrſtl. Akademie bey ihren Preisfragen bor⸗
zuͤglich auf ſolche Dinge zu ſehen pfleget, die im gemeinen We⸗
fen ı einen gegenwärtigen und realen Nusen bringen koͤnnen.
Die dritten zwo Preisfchriften, welche die Beſtimmung
der Entfernung ded Mondes von der Erde und feiner Maffe
aus der mittlern Bewegung deffelben, in einer Analogie mit
den Körpern auj dem Erdboden, und ihrer anziehenden ſowohl,
als centerfliehenden Kraft, zum Gegenftande haben, find zwar
don Feinem fo fcheinbaren Nugen , wie die borhergehenden;
weil fie nur zum theoretifchen Fache der Mathematik, und zwar
der Aftronomie gehören; die Entfernung des Monde bon der
Erde auch ſowohl als die Verhältniß ihrer beyderfeitigen Map
fen gegeneinander Durch laͤngſtbekannte — entdecket wor⸗
XX den
Borrede —
den find. Die Art und Weiſe aber diefer Beſtimmungen, vie
ſie die akademiſche Preisaufgabe fordert, hat etwas ganz neues
und merkwuͤrdiges am ſich; weil dadurch die Entfernung des
Mondes von der Erde unabhaͤngig von aller Parallaxe, aus
der bloßen mittlern Bewegung deſſelben, und aus der Schivere
der Körper auf der Oberfläche des Erdbodens berausgebracht
werden ſoll. Wenn man nämlich die beyden Gefege der Bes
wegung voraus feßet, Daß fich die anziehende pyer ſchwerma⸗
chende Kraft der Körper gegeneinander umgekehrt berhält,
wie Die Quadrate ihrer Entfernungen, und daß ihre center
fliehende Kraft, in eben der geraden Verhältniß ſteht; und
wenn man fih den Mond als einen Körper borftellet, der nach
dieſen Berhältniffen, eines theild Durch die Schwere oder anzie⸗
hende Kraft gegen die Erde nicht anderſt, als pie auf derfelben
Oberfläche befindlichen Körper, getrieben wird, und andern
theild durch die centerfliehende Kraft fich von dem Mittelpunct
derfelben zu entfernen trachtet; fo fol durch eine richtige Ver⸗
gleihung, bermittelft der aus der Erfahrung bekannten Schwe⸗
re der Körper auf der Oberfläche des Erdbodens, und ihrer
eenterfliebenden Kraft, die Entfernung des Mondes ‚von der
Erde aus feiner befannten mittlern Bewegung herausgebracht,
und wenn dieſe in Vergleichung mit derjenigen Entfernung,
die man bisher bermittelſt der genaueſten Parallaxe gefunden
hat, vollkommen uͤbereinſtimmet, auf die Allgemeinheit obiger
Bewegungsgeſetze geſchloſſen werden, welche in Anſehung der
jenis
Vorrede.
jenigen Koͤrber, die außer unſerem Luftkreiſe find, ſonſt noch
einigem Zweifel unterworfen ſeyn koͤnnten. Beyde Preis
fchriften haben der afademifchen Erwartung eine jede in ihrer
Man, ein fattfames Genügen geleiftet; die erfte des Herrn
Albrecht Eulers ift mit den fcharffinnisften Auflöfungsformeln
aus der hoͤhern Geometrie und Infiniteſimalrechnung ange
füet, die man nur bom einem fo bewundernswärdigen mar
thematifchen Geifte, wie Herr Euler ift, erwarten kann: ſei⸗
ne Beftimmungen gehen bis auf die dußerfte Genauigkeit,
und ed wird dabey alles, was nur den geringften Einfluß in
die Bewegung des Mondes haben Fann, in forgfältige Bes
trachtung und Berechnung gezogen. Die andre des nunmehr
feligen P. Kragen der Geſellſchaft JEſu, die in Tateinifcher
Sprache eingefendet, und mit dem zweyten Preife gefrönet
worden, enthält war Feine algebraifchert Formeln; fondern
es find ale Säge darinnen auf die gemeine Geometrie und
Mechanif gebauet 2 fie verdienet aber auch durch diefe uner⸗
wartete Simplicität deſtomehr geſchaͤtzet zu werden ; wiewohl
fie freylich in der genaueften Veſtimmung aller in diefe Ma⸗
terie einfließenden Umſtaͤnde der Eulerifhen weichen muß.
Indeſſen getrauen wir uns beynahe zu behaupten , daß der
ſelige P. Kras fih und feiner Geſellſchaft Durch dieſe einzige
Schrift eben foviel Ehre grmast babe, als mit feinen übri-
gen Schriften.
—J 20⸗ Ver⸗
Borrede |
- Berfehiedene Betrachtungen haben und anf den Ent-
ſchluß gebracht, Fünftigbin die biftorifhen und philofopbifhen
Abhandlungen denjenigen zu Liebe , welche am beyden Mater
rien nicht gleichen Geſchmack finden, jede in befondern Baͤn⸗
den heraus zu geben; wie dann auch die Liebhaber die bis⸗
herigen Abhandlungen folchergeftalt um den halben Preis ab-
gefondert haben koͤnnen. Die bisher gehaltenen afademifchen
Neden werden wir geliebt3 GOtt im fechöten Bande zufammen
liefern, Womit man fich nun dem geneigten Lefer beftens
empfohlen haben wit, München Den 9 des
Weinmonats 1767
Ab⸗
4. Su
Abhbandlungen
Churbaieriſchen Akademie
der
Wiſſenſchaften
Vierten Bandes
J. Theil.
welcher
die Hiftorifhen Abhandlungen
in ſich begreift,
Dierten Bands, I. Theil, 4 a
3 itah, R, *
on: Er 4 ar 9 Eva
— F * gg —*
ba
——
oh. Heinr. Gottl. von Juſtt.
Eroͤrterung
Der Preis Frage,
Der en Bönise,
und
Der Herzoge von Baiern
Agilotfingifchen Stamme mwechfelmweife
Rechte und Verbindlichkeiten
beftanden haben,
| Wahlſpruch
Molliter auſterum ſtudio fallente laborem
ir
Abhandlungen,
IE
(>) Wanderung der Völker folgt, ift in der ganzen
Narr Reihe der gewiffen Geſchichte einer der allerdunfel-
4 ſten. Voͤlker, welche nicht den geringſten Begriff
Bon den Wiſſenſchaften hatten, ohngeachtet es einige Pedanten
unter den Gelehrten gegeben hat, welche unfern alten halb wil⸗
den Rorfahren, durch abgeſchmackte Gründe, alle Arten von
Wiſſenſchaften haben beylegen wollen , uͤberſchwemmten damalg
das römfche Reich, als den gefitteten Theil der Welt, Diefe
wilde Fluth, welche alle Arten des Ungluͤcks und Elends auf
Den Erdboden verbreitete , erſtickte vollends den ſchwachen Saas
men nüßlicher Erkfänntniß , welcher ſich fehon vorher durch die
Tyranney der Kaifer und ihrer oberften Staatsbedienten, durch
Die erfchrecklichften innerlichen Unruhen des römifchen Neiches ,
und durch einen üblen Geſchmack in den Wiffenfchaften in
einer Art von Faͤulniß befand. Es fanden fih damals ſehr
wenig Menfchen, welche Einfiht, Fähigkeit und Luft hatten,
ihre Dand an die Geſchichte zu legen; und Diefe wenigen was
A3 | deu
8
—
D Zer Zeitraum, welcher unmittelbar auf die große
rt
m
6 Won den Rechten der alten baierifchen
ren uͤberdieß in den Klöftern verftecft , wo ihnen ihr Zuftand
fehr wenig Gelegenheit gab, die wichtigften Weltbegebenheiten,
und die Verfaffung der bürgerlichen Gefellfchaften, in ihrer wah⸗
zen Befchaffenheit, und erfien Tiebfedern, zu erfahren und ein«
zufehen, und welche dannenhero nicht felten die Wirkungen ih
zer Einbildungskraft, und ihre felbft erdichteten Fabeln allent⸗
halben in der Geſchichte ausftreueten.
Die Gefchichte der großen fränfifchen Monarchie, die auß
den Trümmern des römfchen Reiches errichtet wurde, ift dans
nenhero in dem erften Zeitraum, nach der großen Wanderung
der Völker, allenthalben mit Nebel und Finfternig umhuͤllet. Es
ift kaum glaublidy, wie weit diefe Dunkelheit gehet. Es ift übere
aus zweifelhaftig, ob jemals ein Pharamund in der Welt ger
wefen ift, den ung doch viele Gefihichtfihreiber, als einen ver⸗
wundernswürdigen Helden, und den erften Stifter der fränfi-
fchen Monarchie in Sallien vorbilden wollen. Eben fo ift es durch⸗
aus ungewiß, zu welcher Zeit die Franken zuerfi in Gallien fer
ften Fuß gefaffet haben, und ob Clodovaͤus als Feind oder
Sreund der Römer feinen Sitz in Gallien aufgeſchlagen habe,
Wenigſtens haben fich die franzöfifchen Gelehrten hierüber noch
nicht vereinigen koͤnnen. Da nun die fränkifche Geſchichte ferbft
unmittelbar nach der großen Wanderung der Voͤlker mit einer
fo großen Dunkelheit umhuͤllet iftz fo iſt feicht zu errachten, daß
die Geſchichten anderer Voͤlker damaliger Zeit noch viel weni—
ger Licht haben koͤnnen; indem diefeiben gemeiniglich nur exwaͤhnet
werden, wenn ihre Begebenheiten und Schickſale einen Zuſam⸗
menhang und Verhaͤltniß mit der fraͤnki hen Geſchichte haben,
Unterdeſſen laͤßt ſich doch auch in dieſem dunkeln Zeitraum
zu einigem Licht gelangen, wern man die Damalises Begeben⸗
Bi genau und forgfäktig unterſuchet, und na) vernuͤnftigen
Gründen
Könige nnd Herzogen.
Gruͤnden und Regeln beurtheifet. Die gelehrte Welt muß es
demnach danknehmigſt erkennen , daß die Ehurfürftt, baierfche
vortreflihe Akademie der Wiffenfchaften zu München, durch ihre
dießjaͤhrige Preisaufgabe, Anlaß geben wollen, einen wichtigen
Umftand in diefem dunkeln Zeitraum beffer zu erörtern , und in
- fein möglichftes Licht zu fegen. Es ift nämlich die aufgegebene
Frage: worinnen der fränkifchen Könige, und Der Herzogen von
Baiern, aus dem Agilolfingifchen Stamme, wechſelweiſe Nechs
te und Berbindfichkeiten überhaupt beftanden, und ob erftere im
Baiern einige Krongüter, oder ein Eigenthum über die herzog⸗
lihen Domainen gehabt haben. Da ich mir vorgeſetzet habe,
diefe Aufgabe mit auszuarbeiten; fo werde ich mich zuborderff
in die Erörterung der baierfchen Gefchichte überhaupt einlaffen,
in fofern dieſelbe zu Aufklärung der aufgegebenen Frage etwas
beytragen kann, und fodann werde ich denen borgefchriebenen
Fragen felbft die erforderliche Unterfuhung widmen; in fofers
fi durch vernünftige Beurtheilungen das Wahrfcheinlichfte feſt
fegen läßt. Denn vernünftige Kenner der Gefchichte werden
gar leicht mit mir einverftanden feyn, daB die damaligen Ges
ſchichtſchreiber über diefe Frage felbft Feine eigentlihe und uns
mittelbare Nachrichten hinterlaffen haben.
Dad) diefem Endzwecke, den ich mie vorgefeget habe, ift es
nicht nöthig, daß ich hier unterfuche,, ob die Baiern von denen
in der Altern Geſchichte bekannten Bojis abftammen ; die, nach⸗
dem fie von denen Marcomannen aus Böhmen vertrieben worden,
fich in dem Norico und Vindelicien feftgefeget haben , ohnges
achtet Valeſius das Gegentheil zu zeigen fich die Mühe gegeben
hat. Noch weniger aber habe ich hier nöthig zu unterfuchen, ob
Die Baiern eine uefprüngliche celtifche Nation gewefen, oder ob
fie aus Afien nad) Deurfchland gekommen, ob fie na) Gallien
gesogen, und nachdem fie daſelbſt eine aeitlang gewohnet , ig
ihre
8» Don den Rechten der alten baieriſchen
Ihre alten Wohnplaͤtze zuruͤckgezogen ſind. Alles dieſes iſt ohnes
das mit einer ſo großen Dunkelheit umhuͤllet, daß man nichts
als ſchwache Muthmaßungen vorbringen kann, mit welchen der
gruͤndlichen Geſchichtskunde ſehr wenig geholfen wird.
Man findet ſehr wenig zuverlaͤßiges in der baieriſchen Geſchich⸗
te vom zweyten bis zum Ausgang des fuͤnften Jahrhunderts; und
gar nichts, was zu ihrem Verhaͤltniß mit den Franken gehoͤrete. In
dem Gewirre der barbariſchen Voͤlker, welche in dieſem Zeitraum das
roͤmiſche Reich anfielen, davon immer eins das andere draͤngte,
und entweder mit ſich fort riß, oder aus ſeinen Wohnplaͤtzen
vertrieb ; mögen fie ihre Graͤnzen oͤfters verändert, und ſich bald
mit dieſem bald mit jenem Volke vereiniget haben, wie fi) da⸗
von hin und wieder Epuren finden. Man weis nur, daß fie
unter der Herrfihaft des Attila geftanden haben, der fo viele Voͤl⸗
ker theils bezwang , tbeils mit ſich zu gleiher Raubbegierde
vereinigte. Allein der Tod diefes Eroberers machte zugleich auch
feiner großen Herrſchaft ein Ende, ſowohl weil feine Soͤhne in
innerliche Kriege verfiefen , als weil feine Eroberungen niemals
mit vernünftigen Einrichtungen und Grundfägen begleitet waren,
die ein dauerhaftes Reich hätten gründen koͤnnen. Die Baiern
erlangten alfo nach des Attila Tode ihre Freyheit. Allein ob fie
alsdann Könige erwählet haben , wie neuere Gefhichtfchreiber er⸗
wähnet haben, das beruhet mehr auf Muthmaßungen als auf viche
tigen Zeugniffen der Geſchichte.
Zwar, wenn Aventin a) Glauben verdienete, fo hätten ſich
die Baiern nad) des Attila Tode einen König Namens Adelger
erwaͤhlet; und hier wärden wir ſchon den erften politifchen Zur
fommenhang der Baiern mit der fränfifhen Monarchie: finden,
» Diefer König Adelger foll aus Befürchtung der anwachſenden
Macht
a) Boieriſche Chronik, 3. Buch, cap. 1. und 2
Könige und Herzogen. Rn. 1
Macht der Franken , nachdem Clodovaͤus Gallien erobert hatte,
in Verbindung mit dem Könige der Alemannen Alarich über den
Rhein gangen feyn , um Clodovaͤum anzugreifen. In der darz
auf erfolgten Schlacht, welche zu des Clodovaͤus Bekehrung Anz
laß gegeben hat, indem er, als die Schlacht auf feiner Geite
unglücklich) auszufallen fhien „den GOtt der Chriſten anvufte,
und darauf den Sieg erhielt, foll ſowohl Adelger als Alarich ges
blieben feyn; und die Baiern follen fich hierauf mit den Frans
ken in Verträge eingelaffen haben, daß fie Fünftig nur Herzoge
erwaͤhlen wollten, welche Die Könige der Franken beftättigen foll-
ten; worauffie dann bald hernach -in Verbindung mit den Franz
fen die roͤmiſchen Beſitzungen in Stalien, und in ihrer Nachbarz
ſchaft angegriffen hätten.
Allein alles diefes beruhet nichts weniger als auf richtigen
Zeugniffen der Geſchichte; und gründliche Kenner der Geſchicht⸗
Funde find heut zu Tage genugfam überzeuget, wie wenig Aven-
tinus in der alten Geſchichte Glauben verdienet. Diefe Fabeln,
die nicht einmal mit der Zeitrechnung und andern befannten Um—
fänden der Geſchichte übereinftimmen , werden von feinem einziz
gen alten Geſchichtſchreiber beftätiget. Gregorius Turonenfis b)
und andere damalige Gefchichtfcehreiber , welche dieſe Schlacht
erzählen, die Anlaß zu des Clodovaͤaͤ Bekehrung gegeben hat,
reden allein von denen Allemannen , mit weldhen diefe Schlacht
vorgefallen ift. Einige fügen noch die Speven hinzu. Kein ein—
ziger aber erwaͤhnet, daß Baiern und ihr König dabey geweſen
find. Nenn aber auch) die Baiern jich denen Allemannen in diefem
Zuge beygefellet hätten, wie es Damals gar nichts ungewöhnlis
es war ; fo ficht man nicht, wie die Niederlage der Allemannen
B die
b) Gregor. Turonenſ. Lib. 2.n. 30. edit. Borchell. p. 73. & 74. Frag-
ment, Reg, Francor. apud du Chefne Scriptor. Rer. Frauc. T. 1,
P- 526. Geſta francorym ibid, p. 701.
15 Von den Nechten der alten baieriſchen
die Wirkung hätte haben Fünnen, daß fid) die Baiern der fraͤn⸗
kiſchen Monarchie unterworfen hätten. Die Baiern hatten Deswegen
in ihren Wohnplaͤtzen nichts von den Franken zu befürchten. Alle
Gefhichtfihreiber verfihern , daß Clodovaͤus fofort nach diefer
Schlacht in das innerfte feines neuen Reiches zuruͤckgekehret iſt.
Er hatte auch mit den Burgundern und Gothen foviel zu thun,
daß er ſich ſchwerlich einfallen laſſen Eonnte, Baiern zu erobern.
Diejenigen neuern Schriftfteller c), welche vorgeben , Daß
Theodorich König von Auftrafien, Der ältefte Sohn des Clodo—
vaͤus die Baiern unter das Zoch gebracht habe, als er das König
reich Thüringen eroberte, haben eben fo wenig gültige Zeugniffe
der Gefhichte vor fih. Man findet bey allen alten Gefhicht-
fehreibern nicht ein einziges Wort, weder daß Damals die Baiern
mit den Thüringern im Buͤndniß geftanden haben, noch daß Theo»
dorich nach Eroberung des Königreichs Thüringen die Baiern
überzogen habe. Die Zwiftigkeit mit feinem Bruder Chlotarius,
dem er nach dem Leben ftellete, und das falſche Gerücht von feis
nem eigenen Tode, welches fich in Frankreich ausgebreitet hatte,
und allerley Bewegungen verurfachte , nöthigten ihn fofort nach
der Eroberung des Königreichs Thüringen , nach Auftrafien zu—
rüchzufehren d). Er Fann auch nad) der Zeit nicht die Baiern mit
Gewalt der Waffen bezwungen haben. Die älteften fränkifchen
Geſchichtſchreiber, welche die geringften Bewegungen und Unters
nehmungen dieſes Prinzen bis an feinen Tod umftändlich ber
fihrieben haben , würden gewiß nicht unterlaffen haben, eine für
die fraͤnkiſche Monarchie fo wichtige und rühmliche Begebenheit zu
beinerfen. er
Unterdeffen muß doch unter Diefem Könige der politifche Zus
fammenhang der Baiern mit der fränfifhen Monarchie entſtan⸗
den
e) Barre in der Gefchichte von Zrittfchland.
d) Gregor. Turonenf. L, 3.0. 7-9. p- m. 98. & 99.
x
Könige und Herzogen. a
den ſeyn. Verſchiedene Umftinde beweifen diefes fo ar, daß
ſich vernünftigerwerfe nicht daran zweifeln laͤßt.
Faft alle neuere Gefihichtfihreiber e) fehen es als den größten
Beweis an, daß die Unterwerfung der Baiern unter die fränkie
fhe Monarchie zur Zeit König Theodorichs von Auſtraſien ges
Pe feyn müffe, weil diefer König denen Baiern Gefege gege-
ben habe. Es ift wahr, wenn. diefes richtig bewiefen werden
könnte; fo wäre an der bereits gefchehenen Unterwerfung der
Baiern gar nicht zu zweifeln. Allein ich geftebe gern, daß mir
der Beweis , den man hiezu anführet , gar wicht hinlaͤnglich
ſcheint.
Der einzige Beweis, den man über dieſen Punct beybringt,
ift die Vorrede, welche fich in denen alten Codicibus vor denen
Gefegen der Ripuarier, Alemannen, und Baiern befinder f).
In derfelben heißt es, daß Theodorich, König der Franken, wei-
fe und in den alten Gefegen erfahrene Männer erwählet habe, die
auf fein Geheiß die Gefese der Franken, Allemannen und Baiern;
die unter feiner Herrfchaft waren, einem jedem Volke nach feinen
alten Gewohnheiten, hätten vorfchreiben müffen. Diefe Geſetze
wären hernach von Childebert und Chlotario verbeffert, und von
Dagobert in die noch vorhandene Form gebracht worden,
Wenn man hieraus ſchließt, daß Theodorich dem ganzen
Volke der Baiern Geſetze gegeben habe; fo treibt man meines
Erachtens die Auslegung über ihre gerechten Regeln und Graͤn—
zen. Es ift bekannt; und viele Stellen in denen alten Capitu—
fariis beweiſen dieſes, daß in dem eroberten Gallien ſelbſt Sa⸗
| B2 lier,
=
e) Brunner Annal. Boijor. p. r.L. 4. p. 129.130. Adlzreiter Annal.
Gent, Boic p. Lib 6. n. 6, p. 130.
f) Balutz, Capitul. Reg. Franc. Tom. 1. p. 26.
12% Don den echten der alten baierifchen
Vier Ripuarier, Baiern und Allemanier gewohnet haben. Ein
jeder wurde zu dem Volke gerechnet, wovon er abflammete, oh=
ne Daß er wegen des Ortes feiner Geburt zu den Franken ges
rechnet wurde; und einem jeden wurde nach denen Gewohnhei—⸗
ten desjenigen Volkes Mecht geſprochen, wovon er abflammete,
Da es nun unlaͤugbar if, daß in Gallien, felbft unter den
Franken, Baiern gewohnet haben; fo ift hoͤchſt wahrſcheinlich, daß
ſich denen Franken, als ſie ihre Züge nach Gallien thaten, viele
Baiern beygefellet haben, die fich mithin unter den Franken in
Gallien niederließen, und an denen Früchten der Eroberung
Theil hatten. Nichts war damals fo gewöhnlich, als daß ſich,
wenn ein Volk einen Zug unternahm, viele aus andern Voͤl—⸗
fern demſelben beygefelleten , die auf ſolchen Zügen ihr Glück
verfuchen wollten; und ihr Volk fcheint folches eben fo wenig
gewehret zu haben, als die meiften Staaten heut zu Tage ges
ſchehen laſſen, Daß ihre Untertyanen fremde Kriegsdienfte anz
nehmen. Es ftebt alſo gar nichts im Wege, warum man die—
fe Borrede nicht alfo auslegen Eönnte, daß Theodorich Denen
unter den Franken in Auſtraſien wohnenden Baiern Gefege
gegeben habe. Daß man aber in der That Diefe und Feine
andere Auslegung von dieſer Vorrede machen muͤſſe, erhellet dar—
aus, weil darinnen gefaget wird g): daß Theodorich in den als’
ten Gefegen dasjenige, was nach denen Gewohnheiten des Hey—
denthums darinnen Statt gefunden , nach den Gefesen deg
Chriſtenthums abgeändert hätte. Diefe Abänderung» nach.
den Regeln des Chriſtenthums Fann unmöglich von dem ganz
gen Volke den Baiern verflanden werden. Man finder nicht
Die geringfte Spur , daß die zwifchen dem Lech, der Donau
und dem Inn wohnenden Baiern damals fhon Ehriften gewefen
wären.
g) Cit. loc. verbis: Aadit quæ addenda erant, & improviſa & incom-
poſita refecavit, & quæ erant ſecundum conſuetudinem pagano-
zum, mutavit ſecundum legem Chriſtianorum.
Könige und Herzogem 18
wören. Die wirkliche Bekehrung des herzuglichen Haufes, und
des ganzen Volkes iſt faft ein Jahrhundert fpäter gefchehen,
obgleich vorher einige Verfuche zu Belchrung der Baiern ger
ſchehen ſeyn mögen. Wie hätte alfo Theodorich Die baierifche
Geſetze nach den Negeln des Chriſtenthums abändern koͤnnen,
da das Heydenthum ned) durchaus unter den Baiern Statt
fand? Diefen Umftand haben alle neuere Gef'hichtfihreiber ihrer
Aufmerkſamkeit entwifchen laſſen. Es ift Demnad) offenbar, daß
Theodorich nur denenjenigen Baiern , die in Auſtraſien unter
Den Franken wohneten, Gefeße gegeben haben koͤnne; weil ſich
Dafelbft das Chriſtenthum nach der Belehrung des Elodovaus/
ſehr ſchleunig ausbreitete.
Unterdeſſen obgleich Theodorich dem ganzen Volke der Bai⸗
ern keine Geſetze gegeben hat; ſo iſt es doch aus andern Um—
finden hoͤchſt wahrſcheinlich, daß zu feiner Zeit die Verbin—
dung der Baiern mit der fränfifhen Monarchie geſchehen iſt.
Als die Oſtgothen ein maͤchtiges Reich in Italien errichtet hatten,
fo ſtunden die meiſten Völker des mittaͤglichen Deutſchlandes uns
ter ihrem Schuß. Sogar die Allemannen hiengen von diefem Reich
ab, wie die damaligen Gefhichtfchreiber ausdrücklich verfichern h),
Die Doch weiter von Italien entfernet waren, als die Baiern. Es
iſt alfo gar Fein Zweifel, daß nicht auch die Baiern unter oſtgo—
thiſchem Schutz geftanden haben. Allein als die Oſtgothen in
Italien von den griechiſchen Kaiſern gedraͤnget wurden, und mit—
hin mit ſich ſelbſt genug zu thun hatten; ſo konten ſie ſich um
die Völker in Deutſchland, die ehedem von ihnen abhängig ges
weſen waren, nicht weiter befümmern. Als demnach Theodorich,
niche aber fein Vatter Clodovaͤus, Die Allemannen unter dag
Joch brachte , wie folches nach allen alten Gefbichtfihreibern
außer Streit iftz ſo konnten folches die Oſtgothen fp wenig bins
) DB 3 dern,
b) Fragmenta de morib. eft geft, Francor, apud du Chefne Scriptor,
„ger Franc. Tom 1. p» 24%
14 Gm den Rechten der, alten baierifchen
dern, daß fie vielmehr , um der Franken Freundſchaft zu. untere
halten, von welchen fie fich allein. einen: zureichenden Beyftand
wider die Griechen verfprechen konnten, ihr Recht auf Die Allemane
nen felbft aufgaben i). Gleichwie nun Theodorich obgedachter⸗
maßen auch das Königrerch Thüringen eroberte 5 fo waren Die
Baiern von mehr als einer Seite mit den Ländern der fraͤnkiſchen
Monarchie begränzet. Cie mußten alſo mit Grunde-beflcchten,
daß fie nunmehro der naͤchſte Gegenſtand der — Herrſch⸗
ſucht ſeyn wuͤrden.
Da fie nun bey dem Verfall des oſtgothiſchen Reichs ie
Italien von Daher Feinen Schuß su gewarten hatten ; fo ift es
ſehr wahrſcheinlich ‚* daß fie ſich aus eigener Bewegung in den
Schutz des auftrafifihen Neiches begeben haben : weil fie ſich
auf Diefe Art beffere Bedingungen verfprechen Eonnten , als wenn
fie warteten , big fie Durch die Gewalt der Waffen dazu gezwun⸗
gen wuͤrden. Dieſes iſt der allerwahrſcheinlichſte Urſprung von
dem Zuſammenhange und Verhaͤltniſſe der Baiern mit dem fraͤn—
kiſchen Reiche. Brunner und Adlzreiter K) in ihren baierifchen
Kahrbüchern und andere neue Gefhichtfchreiber find eben dieſer
Meynung.
Die Sache kann um fo weniger einigem Zweifel untertoorffen
ſeyn, weit fich fofort nad) Theodorichs Negierung die Folgen und
Wirkungen diefer Verbindung in der Gefchichte zu Außern ans
fangen. Wir finden nunmehro die Baiern bey allen großen Heerz
zigen der Franken z uud zwar find diefes nicht die Baiern , die
in Auftrafien unter den Franken wohneten, fondern das Volk der
Baiern in Deutfchland , wie z. E. bey dem Zuge des Leuthas
richs
i) Cit. fragment. de morib. eft geſt. Francor, Toc, cite
%) Brunner Annal. Aoic. P. I. libr. IV.p. 129. 130. Adlzreit. Annal.
— Boic. gent. P. I. Lib. VI. p. 128.
oͤnige und Herzogen. 15
richs und Bucelinus nach Italien klar iſt, die ihr Heer lediglich
in Deutſchland anwarben D. - Eben ſo zeiget fih bald darauf
die Wirkung diefer Verbindung , durch den Schug, den die Frans
fen den Baiern wirklich angedeyhen ließen, As im Jahr 563
Die Hunnen und Abaren in Baiern einfielen ; fo fihlug fie Sieg⸗
bart, König von Auſtraſien zurüc m), Adlzreiter n) meldet
zwar nichts von dieſer Hülfe der Franken , fondern er erzaͤhlet
die Sache fo, als wenn die Baiern die Hunnen und die Abaren
allein zurückgetrieben hätten. Allein meines Erachtens ift bierins
nen dem Gregorins Turonenfis und andern alten Geſchichtſchrei⸗
bern vielmehr Anſehen zuzugeſtehen.
Unterdeſſen gaben die Baiern bald darauf zu erkennen, daß
ſie mit ihrer Verbindung mit dem auſtraſiſchen Reiche nicht aller⸗
dings zufrieden waren. Garibald, Herzog von Baiern, der ein
ſehr loͤblicher Regent war, und ſich die Hochachtung der benach⸗
barten Voͤlker erworben hatte, ſuchte ſich unter dem Beyſtand
der Longobarder von der fraͤnkiſchen Abhaͤnglichkeit los zu mas
chen. Vieleicht hatten die Franken ihre Rechte uͤber die Baiern
weiter zu erſtrecken geſuchet, als es denen eingegangenen Ver⸗
frägen gemäß war : vieleicht aber war Garibad auch nut
mißvergnügt, weil fich Ehildebert , König von Auftrafien , mit
feiner Tochter Theodolinden hatte vermähfen wollen ; welches aber
Brunehild, die Mutter des Königs von Auftrafien r rückgängig,
gemacht hatte. Der mißvergnügte Garibald verheurathete feine
öltefte Tochter an den longobardiſchen Herzog Ewin zu Trident,
und Theodolinden verlobte ex an den Antharis, König der Longo⸗
au barden
Fragm. de moricut gef. Francor. ap. du Chefne Scriptor rer. Franc,
Tom. 1. p. 243.
21) Gregor, Turonenf, L, 4. n. 23. P. m. 145,
y) Adlzreiter cit. Libr. u, 8, p · 135
16 Von den Rechten der alten baieriſchen
barden ſebſt. Dieſe Verbindung der Baiern mit den Longobar⸗
den erregte an Childeberts Hofe große Aufmerkſamkeit. Da er
ſelbſt mit den Longobarden im Krieg begriffen war, und mithin
keine Voͤlker wider die Baiern ſchicken konnte; fo fuchte er Die Alle⸗
mannen zu vermoͤgen, in Baiern einen Einfall zu thun. Allein die
Allemannen hatten ſo viel Liebe und Hochachtung für den Herzog
Garibald, daß fie fich deffen ſchlechterdings weigerten. Endlich
gelung es Ehildeberten, die Thüringer und Schwaben im Jahr
588 zu einem Einfalf in Baiern anzureigen; und Geribafd wurde
genoͤthiget, mit feiner Tochter Theodalinden nach Italien zu ent
weichen , welche auf dem longobardiſchen Throne eine in Der Ges
ſchichte fehr berühmte Rolle gefpielet hat. Die Longobarden wute
den don den Griechen und Auftrafiern allzufehr in die Enge ges
trieben, als daß fie Baiern hätten ſchuͤtzen fünnen. Garibafd
blieb alfo in Stalien. Sein Sohn befam ein Longobardiſches
Herzogthum/ und fein Enkel gelangte zur Krone der Longobarden.
Indeſſen hatten fih die Batern genöthiget geſehen, fi) dem aus
fteafifchen Hofe zu unterwerfen , welcher ihnen den Thaßilo zung
Herzog feste. Diefer fcheint ein Bruders Sohn des Garibalds
geweſen zu ſeyn, ſchon vorher einen Antheil von Baiern gehabt,
ſich aber an dem auſtraſiſchen Hofe aufgehalten zu haben o).
Die innerlihen Unruhen in der fränfifhen Monarchie und
Die große Schwäche, und Faulheit der Könige, welche alle ihre
Gewalt den Oberhofmeiſtern überließen , veranlaffete die Baiz
ern, abermalige Verfuche zu thun, ſich don der fränfifchen Ab⸗
bängfichfeit fos zu machen. Die Baiern glaubten, daß ihre
eingegangenen Verträge, fie zu Feiner Verbindlichkeit gegen Die
Dberhofmeifter anmwiefen, da die Könige felbft bloffe Schatten⸗⸗
bilder
no) Fredegar, — eap. 45. Adlzreit. Annal. Boie, gent. P. I. Lib.
VI. n. 9. P. 132. Paul, Diacon· Li. 3. cap 29.
Moͤnige und Herzogen. 30 27
Bilder und in der That Schaven ihres erften Minifters waren,
Der baierifche Herzog Grimoald führete fich demnach eine Zeits
long als ein fonverainer Herr auf, und nahm gar Feine Bes
febfe von den Dberhofmeiftern an. Allein Earl Mattel hatte
nicht fobald alle innerliche Unruhen gedämpfet, und ſich eine
furchtbare Macht erworben, als er im Jahr 721. mit einem
großen Kriegesheer wider Baiern zu Felde zog. Der Herzog
Grimoald wurde geſchlagen, und fand ſelbſt in der Schlacht
ſeinen Tod. Baiern wurde gaͤnzlich ausgepluͤndert. Grimoalds
Schaͤtze und Familie fielen in die Haͤnde des Ueberwinders, der
Grimoalds Wittwe Pliteude , die vorher feines verſtorbenen
Bruders Theodobaldes Gemahlinn geweſen war, und. wider de—
ren Ehe mit dem Grimoald der heilige Corbinian ein Biſchof
und Apoſtel in dem nunmehr chriſtlichen Baiern ſehr eiferte,
nebſt einer. Prinzeßinn des Herzoglichen Hauſes, Namens Sun—⸗
nechild, ‚ mit ſich nach Auſtraſien führete p). Mit dieſer Guns
nechild vermaͤhlte ſich hernach Carl Martel nach feiner Ger
mahlinn Rotrude Tode, und zeugte mit ihr den Griffo, der
hernach ſeinen Stiefbruͤdern Carlman und Pipin, die ihn von
der Regierung ausſchloſſen, verſchiedene innerliche Unruhen
erregte, ;
Nach dem Tode Grimsalds beftieg Hugobert den baieris
ſchen Thron, und ohngeachtet des ungluͤcklichen Beyſpiels feines
Rorfahrers fuchte er dennoch das laͤſtige Zoch der fränkifchen
Dberhofmeifter abzuwerfen, Er verband fich mit den Sadfen,
die in gleicher Adficht die Waffen ergriffen. Allein Cart Mars
tels großes Gluͤck und Tapferkeit noͤthigte ihn gar bald, fi)
€ wieder
. ©) Fredegar. Scholaft. Chron. n. 108. ap. da Chefne T.I. Gregor.
Turon. Lib. I, n. 108. Adlzreit, Annal, Lib, VII. ». 20, p: 162
‚Annal, Metens ad ann. 719
18 Born den Rechten der alten baierifchen
wieder zum Gehorfam zu bequemen. Er war übrigens eim loͤb⸗
licher Regent, undein großer Befoͤrderer des Chriſtenthums .
Der Nachfolger Hugoberts war Odilo. Er vermaͤhlte ſich
mit Carl Martels Tochter Hildrude wider den Willen ihrer Bruͤ⸗
der Carlmanns und Pipins auf folgende Art. Sunnehißd,
Earl Martels Witte, die aus dem baieriſchen Haufe abſtamme⸗
te, ſah mit aͤußerſtem Mißvergnuͤgen, daß Carlmann und Pipin,
die Söhne Earl Martels erfter Ehe, ihren Sohn Griffo von der
Regierung ausfchloffen, und ihm zu feinem Unterhalt nur einige
Grafſchaften einräumten. Da fie mit ihrer Stieftochter Hildru⸗
de in vertrauter Freundſchaft lebte; ſo brachte fie es dahin, daß
dieſe an ihrem Mißvergnuͤgen Antheil nahm, und ſich gefallen
ließ, ſich ohne Vorbewuſt ihrer vollbuͤrtigen Bruͤder, Carlmanns
und Pipins, an den Herzog Odilo von Baiern zu vermaͤhlen,
welchen Sunnechild in ihre Abſi chten einzuflechten ſuchte, um
ihre Stiefſoͤhne zu zwingen, daß ſie ihrem Sohn Griffo Gerechtig⸗
keit wiederfahren laſſen moͤchten. Hildrude begab ſich demnach
in Geheim nach Baiern, und Odilo vermaͤhlte ſich mit ihr,
ohngeachtet Carlmann und Pipin ihre Schweſter mit großen Droh⸗
worten zuruͤckforderten r). Da Sunnechild unter den Franken
ſelbſt Anhaͤnger hatte, und auch den Herzog von Schwaben in
ihre Parthey zu ziehen gewußt hatte; ſo ſchmeichelte ſich Odilo,
daß dieſes eine Gelegenheit ſeyn wuͤrde, das fraͤnkiſche Joch don
Baiern abzuſchuͤtteln; zumal da er ſich auch der Sachſen, durch
geheime, Berbindung, verfihert hatte, Sunnechild begab ſich
| nach Laon, welche Stadt ihr ſehr ergeben war, und wollte daſelbſt
"ihre Anhänger u unter den Franken verjammeln. Allein Carlmann
und
q) Eckard. Tom, I. p. 352.
) Geſta Francor; in append. ap. du Cheſue Seriptor, rer. Franc. Tom.
2. P. 720. Aremp. Lib. 2, cap. *. Adlzreit. Annal. Tom, I.
Lib, VII. n. 26. p. 165.
Könige und Herzogen. 19
und Pipin waren ihr zu eilfertig auf dem Halfe , fie belagerten
Laon, und nöthigten die Stadt zur Übergabe, Sunnechild und
ihr Sohn Griffe Famen in die Gewhlt diefer Fürften , welche
Sunnechild in ein Klofter ſteckten, und den Griffo von ihr ab»,
gejondert unter guter. Auficht erziehen fießen.
Odilo hatte bald darauf den Anfall von der ganzen fran⸗
kiſchen Macht auszuſtehen. Er verſchanzte ſich hinter dem Lech,
und ſchien anfangs Carlmann und Pipin den Uebergang ſchwer
zu machen. Wenigſtens ſtunden beyde Herrn faſt 14. Tage ger
gen einander Über, che die Franken verſuchten uͤberzugehen. End⸗
lich behielt das Gluͤck des carolingifchen Geſchlechts die Dber-
band. Der Uebersang geſchah, und Odilo nebft feinen Allirten
wurde in die Flucht gefihlagen. Er felb wurde verwundet,
und Fonnte ſich Faum über den Inn retten, als die Franken, ſo
ihm verfolgten, ſich ſchon an dem Ufer dieſes Fluſſes zeigeten,
und ſich ſeiner beynahe noch auf dem Fluſſe bemaͤchtiget haͤtten.
Ganz Baiern wurde von den ſiegenden Franken auf das erſchreck⸗
lichſte verwuͤſtet. Hildrude unternahm endlich, ihren Gemahl mit
ihren Brüdern wieder auszuſoͤhnen. Sie that cine Reife nach
Auftrafien , und rührete ihre Brüder , da fie ſich felbft eben fo
ftrafbar befennete, als ihren Gemahl. Aolzreiter s) hat fich die
Mühe gegeben, feine Zahrbücher mit den beweglichen Reden aus⸗
zuſchmuͤcken, welche Hildrude bey diefer Gelegenheit gehalten ha⸗
ben ſoll. Kurz die Ausſoͤhnung erfolgte, und Odilo blieb er
* ſeine ganze Regierungszeit uͤber ruhig u:
Odilo ſtarb gegen die Mitte des achten Jahrhunderts, und
hinterließ d die Regierung feinen ee Sohn , Namens
€ 2 Thaßilo os
3) Annal. Boic. gent, P. 1. Lr
) Gefta Francor. in-append. ap. du Chefne Tom, 1. p. 721. Anndl,
Metenf: ad ann.. 744 Ta
20 Don den Nechten der alten baterifchen
Thaßilo. Bald darauf wurde Baiern abermals In einen Krieg
mit den Franken eingeflochten. Griffe der Sohn Earl Martels
von der Sunnechild, Eonnte es feine ganze Lebenszeit nicht ver⸗
fehmerzen, daß ihn feine Brüder von der Regierung ausgefhloffen
hatten. Die Sache fihien ihm defto unbilliger , als Carlmann
der Welt entfagte , ein Mönch in dem Klofter Montecaßino in
Stalien wurde, und ſich Pipin der Regierung der ganzen fränkis
ſchen Monarchie allein anmaßte, Er wiegelte die Sachſen auf;
und als er dDafelbft gefchlagen war; fo flüchtete er fih nach Baiern,
wo er fich mit oder wider Willen der Vormuͤnder des jungen
Herzogs und der Baiern, der Macht des ganzen Landes bemaͤch⸗
tigte. Jedoch ift es gar nicht wahrfcheinlich , Daß ein Flüchtling
Die Baiern wider ihren Willen zu feinen Abfichten hätte zwingen
Eönnen. Vieleicht waren den Baiern alle Gelegenheiten atges
nehm, wodurch fie Hofnung machen Eonnten , fi von der:
fraͤnkiſchen Abhänglichkeit zu entwickeln. Jedoch Pipin rückte bald
mit der ganzen fränkifchen Macht heran , um den Griffe zum
Gehorfam zu bringen. Diefer, welcher auch die Allemannen in
fein Buͤndniß zu ziehen gewußt hatte, Tagerte fi) hinter dem Inn.
Jedoch Griffe Fonnte der fränkifchen Macht nicht widerſtehen.
Die Baiern unterwarfen ſich, und dem jungen Herzog Thaßilo
wurde die Negierung gelaffen. Griffe hingegen wurde gefaͤnglich
fortgeführet, um den heimlichen Mißvergnügten in Frankreich einen,
Schrecken einzujagen, wo ihn aber Pipin bald begnadigte „ und
ihm zwölf Sraffchaften zu feinem Unterhafte einraͤumete. Den⸗
noch blieb er noch nicht ruhig. Er erregte neue innerfiche Unruhen,
die endlich feinen Tod verurfachten , die aber mit der baieriſchen
Gefhichte, und ihrem Verhaͤltniß gegen die franfifche Monar⸗
chie, keinen Zufammenbang haben u),
* Der
a) Annal. Francor. ap. du Cheſne Scriptor. rer. Franc, Tom. IL. a&
aan, 748. P. 25. Adlzreiter cit. loc, |
Koͤnige und Herzogen. 21
Der junge Herzog Thaßilo von Baier, als er zu den Jah⸗
* gelangte; worinnen er ſelbſt die Regierung zu uͤbernehmen
faͤhig war, mußte im Jahr 757. dem Pipin, der indeſſen den
koͤniglichen Nahmen der Franken angenommen hatte, nachdem
der letzte Schattenkoͤnig aus dem Merovingiſchen Stamme
mit Bewilligung des Pabſtes in ein Kloſter geſtecket war, einen
ſehr feyerlichen Huldigungs -Eyd ſchwoͤren. Eben dieſer Eyd
mußte auch Pipins Soͤhnen, Carln und Carlmannen, geleiſtet
werden, unter dem Vorwand, daß fie ſchon zu Koͤnigen ernen⸗
net waͤren; und die vornehmſten Baiern wurden gleichfalls zu
dieſen Huldigungs Eyden angehalten. Alle dieſe Eyde mußten
auf den Reliquien ſehr vieler Heiligen wiederholet werden x);
und Pipin gab dadurch) zu erkennen, wie fehr er überzeuget war,
daß die Baiern des fränkifchen Joches Üüberdrüßig waren, weil
er alle mögliche Bande anmwendete, um fie von den Verſuchen,
Diefes Zoch abzufihütteln , abzuhalten.
Seit der Zeit folgte der Herzog Thaßilo dem König Pipin,
feinem Obeim faft in allen Feldzügen. Allein im Jahr 763, ders
ließ er mißvergnuͤgt den Fränkifchen Hof, erklärete ſich, daß er
niemals wieder dahin kommen wollte, und widerrief den gefeifte-
ten Huldigungs Eyd. Um feiner Widerfesung den erforderfiz:
chen Nachdruck zu geben: fo hatte er fih nicht allein mit dem
Herzog von Aquitanien verbunden „ welcher mit Pipin im Krieg
begriffen war ; ſondern er heurathete auch die Princeßinn des
Iongobardifchen, Königes , Nahmens Luitberg, um fih des Buͤnd⸗
niffes. der Longobarden deſtomehr zu verfichern, als welche damals
dig einzige, Nation in Europa waren , welche fi) der großen Macht
mans eihefeten konnte. Allein die Sache hatte Damals Feine
PR 2 | weitern
A
we Annal, Francori ap, da’ Chefne Tom, IL n. 12. p. 26. Anal
Tilian & Lauresheim, ad anu, 757.
20: Won den Rechten den alten baierifchen
weitern Folgen. » Der Pabft „ welchem: febz. vich daran lag daß
die longobardiſche Parthey durch die Baiern nicht verſtaͤrker wuͤr⸗
de, ſoͤhnte den Herzog Thaßilo — ſeinem Pb dem HR
Iren wieder aus Wanne na, 3 moin Mr
Als Pipin geftorben war, und fein Cohn Cart, der
den Zunahmen des Großen erlangte, ſich die Eroberung des
loͤngobardiſchen Reichs vorgeſetzet hatte; fo rear er ſehr beſorget,
daß Thaßilo, der durch feine Gemahlinn mit dem longobardiſchen
Haufe jo nah verbunden war, indeffen Unruhen anfangen , und
feiner Abſicht Hinderniß in Weg legen möchte. In diefem Miß⸗
trauen drang er in den Thaßilo, daß er von neuem den Eyd der
Treue ablegen, und zwoͤlf Geiſeln zur Verſicherung geben ſollte.
So unangenehm dieſe Forderungen auch dem Herzos von Baiern
ſeyn moͤchten; fo fah er ſich doch endlich genoͤthiget, ſich den⸗
ſeiben gemäß zu begeugen. Er erfehien im Jahr 781. auf der
Mayverſammlung zu Worms, feiftete den verlangten Eyd, und
ftellete die geforderten Geifeln 2), - Unter diefen Geifeln befand
ſich ſelbſt der Sohn ‚des Herzogs: und wenn Die Annales Fran-
eprum Metenfes Glauben verdienen; ; ſo hat, Thaßilo zweymal
12 Geiſeln geben müffen ,. das. exſtemal im Jahr 781, und das
zweytemal im Jahr 787: ein Umſtand , den andere Geſchicht⸗
ſchreiber nicht erwaͤhnen.
"Dem ohngeachtet ſoll Thaßilo bald darauf abermals mit
gefaͤhrlichen Anfchlägen ſchwanger gegangen ſeyn. Als ſich da⸗
* die Birma abermals en r fo full er die Hunnen
und
n Reinhard. Annal. ‘de gefüs Pipini Reg, ad annum 763. Annal,
»Franeor, ap du Chefne' Tom. IE pν— ana
5, Annal. Francor. ap. du Chefde Tom. Il, pı 32. Annal. Metenf,
ap. eund. Tom. III. p» 233. Aventini — al 3: Buch,
P- 324» mar suite Fi zarisıles
1* Koͤnige und Herzogen. va 23
und Avaren zu einem Einfall in das fraͤnkiſche Neich angereitzet
haben. Verſchiedene vornehme Baiern ſollen Caeln dem Großen
felbſt in Geheim dieſe Nachrichten gegeben haben. Der fraͤnkiſche
"Monarch forderte in der That den Herzog auf die Mayverſamm⸗
fung nad) Zngelyeim Hier foll er von vielen Hornehmen Bai-
ern ſelbſt angeklager, und von der Verfammlung durch ein allges
‚meines Gefchrey zum Tode verdammerworden’feyn. Allein Earl ver
"Große fol ihn wegen der nahen Verwandſchaft begnadiget, und
auf feine eigene Wahl in ein Kloſter geftecker aa s welches
—* ſeine gauze Familie betraf aa),
. & wird die Sache toenigftens don den meiften damaligen
Geſchichtſchreibern erzaͤhlet. Allein Eginhard in dem Leben Carls
des Großen bb), weicher, als Notarius oder Gehrimfchreiber des
Kaifers, von allen Staats-Angelegenheiten ungleich beffere Kennt—
N hatte, als alle andere damalige, Geſchichtſchreiber, die in ihren
oͤſtern ſteckten, und nur nach den Geruͤchten, ‚und Den herum⸗
‚gehenden ungemiffen Erzählungen ſchrieben, giebt der Sache ei⸗
‚nen ganz andern Zuſammenhang. Nach ſeiner Erzaͤhlung iſt die
Verbin⸗
aa) Regind ad ann. 488. Aunal. Francor. ap. du Cheſne Tom, II. p-
17 34. & 35. Annal. Metenf. ap. eund. Tom. III. p. 285.
— * Eginhardi Vita Caroli Magni, ap, du Cheſne Tom. II. p. 97. & 98.
. verbis: :Bajoaricum deinde Bellum & repente ortum, &celeri fine
” 9% ‚eompletum eft;) quod fuperbia ſimul & fecordia Thaſſilonis Ducis
excitavit. Qui hortatu uxoris,'quz filia'Deiiderii Regis erat , ac
patris exilium'per maritum uleifei pofle putabat , juncto federe cum
; Hunisy qui Bajoariis fant ab oriente contermini non folun impe-
rata non facere, fed bello Regem provocare tentabat. Cujus con-
tumaciain, quianimia videbatur, animofitas Regis ferre nequiverat.
Ai qiq Sek proinde copiis undique contractis, Bajoariam petiturus ipfe
aud Leehnum amnem cum maximo venit exercitu, Is flut ius Bajoa-
rios
24 Don den Nechten der alten baierifchen
Verbindung des Thaßilo mis den Hunnen porhergegangen ‚che
‚er feinen Sohn Theodo und andere vornehme Baiern zu Geifeln
«geben müffen, um wieder ausgefühnet zu werden. Er meldet we⸗
der etwas von der Anklage der Baiern wider ihren Derjog , nor)
daß er von der; Mayverfammlung: verdammet worden; ſondern gr
-füget blos hinzu : daß hernach Thaßilo zu Carln dem Großen be>
»enfen ; und nicht wieder zu feinem Herzogthum gelaſſen worden,
ohne dabey eine Urfache zu melden. Man habe auch Baier
‚nicht wieder einem Herzoge anvertraut, fondern durch ‚Grafen res
gieren laſſen. Die ganze-Stelle ift ſo wichtig, daß: ich ſie ſelbſt in
der Anmerkung beyzubringen für nöthig finde. Ich glaube aber
wenig Leſer zu haben , die nicht mit mir einperftanden feyn foltten,
daß dieſe Nachricht des Eginhards mehr hiſtoriſchen Glauben ver⸗
verdiene, als alle andere damalige Geſchichtſchreiber. |
Überhaupt erhelfet aus allen Umftänden dieſer Begebenheit,
daß auf Seiten Carls des Großen fehr viel Menſchliches dabey
Borgegangen feyn mag, und fo güt ung auch die Gefchichte diefen
Fuͤrſten abbildet; fo wird er doch fihmwerlich eine Ausnahme von
der allgemeinen Regel machen, daß fich die Macht felten oder nie—
mals in menfihlichen Händen Pamnbe» die fie nicht mißbrauchen,
Earl
rios ab Alemannis dividit, Enjus in Ripa caftris:collocatis, prius-
quam provinciam intraret, animum Ducis per legatos ftatuit expe-
riri. Sed nec üle pertinaciter agere , vel fibi vel genti utile ra-
tus, fuplex fe Regi permifit; obfides ,; qui imperabantur dedit,
inter quas & filium ſuum Theodonem ; data in fuper fide cum jura-
mento, quodab illins poteftate ac defenfione nemini defe&tionem
fuadenti aflentirideberet. Sicque bello, quod quafi maximum futu-
sum videbatur , celerrimus eft finis impofitus. ’Thaffilo tamen poft
modum ad Regem evocatus, neque redire permiflus, neque provin-
«ia, quam tenebat, ulterins Duci, fed Comitibns ad regendum com-
miſſa eſt.
Könige und Herzogen. B5
Earl hatte dem koͤnigl. longobardiſchen Haufe allzuviel Boͤſes er⸗
jeiget, als daß er glauben Fonnte, daß Thaßilo und feine Ges
mahlinn mit ihm zufrieden feyn würden; und das ift nicht ſelten
für diejenigen , welche die Macht in Händen haben, ein zuzeichens
der Grund, daß fie Diejenigen vollends zu verderben ſuchen, von
welchen fie, wegen des zugefügten Unrechts, ein Mifvergnügen bes
fürchten. Carl Fonnte ſich nicht überreden, daß fein Vetter, ohn⸗
. geachtet der nahen 2fnverwandfehaft, ein gutes Herz zu ibm haben
würde; weil der Untergang des Haufes feiner geliebten Gemah—
linn ihn nothwendig viel näher rühren mußte. Der Monarch wollz
te fich alfo von allen Mißtrauen und Furcht auf einmal befreyen,
indem er feinem Better feine Staaten nahm. Diefer Weg, wel⸗
her der Fürzefte war, wurde durch den damit verknüpften Vor—
theil defto beliebter ; indem er Baiern zu feinen ot Beſitzun⸗
gen und Einkuͤnften ſchlagen konnte, wovon er bey dem Beſitz
der agilolfingiſchen Familie, außer dem Beyſtand im Kriege, keinen
Nutzen ziehen konnte.
Man muß uͤber dieß anmerken, daß die wenigſten Nachrich-
fen, die wir von den Herzogen in Baiern, agilolfingifehben Ge
ſchlechts haben, lediglich von Geſchichtſchreibern herruͤhren, wel⸗
che der fraͤnkiſchen Monarchie unterworfen waren. Man muͤßte
aber die Menſchen ſehr wenig kennen, wenn man ſich einbilden
wollte, daß ſie gegen ein ſo maͤchtiges Haus, welches gleichſam
die allgemeine Monarchie in Europa behauptete, die Wahrheit
auf das ftrengfte beobachtet hätten, Die Gefindigkeit, womit fie
über die großen Ungevechtigkeiten des catslingifchen Geſchlechts
gegen den Stamm der fränfifchen Könige hinwifchen, und eine
hiederträchtige Schmeichefey ift fat allen damaligen Gefchichtz
ſchreibern eigen. Der Monachus Sangallenfis ec) trägt kein Bez
D denken
we) Apud du Cheſne Scriptor. zer. Franc, Tom. U, p. sı. min
36 Von den Rechten der alten baterifchen
Denken zu fagen, daß ſich Damals die Sallier, Aquitanier, Spanier,
Allemannen, Sachſen, Baiern glücklich geſchaͤtzet hätten, für
fraͤnkiſche Knechte geachtet zu werden. Kann wohl die Schmei⸗
cheley auf eine unvernuͤnftigere Art reden?
Unterdeſſen mögen die Urſachen und Triebfedern dieſer Bez
gebenheit geweſen ſeyn, welche ſie wollen; ſo nahm die Regie—
rung des agilolfingiſchen Stammes der Herzoge von Baiern mit |
dieſem Thaßilo ein Ende, nachdem dieſes Geſchlecht viele Jahr⸗
hundert über die Baiern geherrſcht hatte, Der Zeitraum , in
welchem in der Geſchichte Herzoge Diefes Gefchlechts genennet
werden, beträgt von Garibald an bis zur Entthronung des Thaßilo
zwey hundert Jahre; und es ift ſehr wahrfcheinlich, daß dieſes Ge⸗
ſchlecht fehon fang vorber über die Baiern geherrfchet habe. Denn
zur Zeit, als die Verbindung der Baiern mit der fränfifchen Mo—
narchie gefihah, muß dieſes Geſchlecht fihon fehr auf dem baieri-
fchen Thron befeftiget gewefen feyn ; weil bey diefer Verbindung
feftgefeget wurde, daß die Herzoge von Baiern allezeit aus dieſem
Geſchlechte feyn follten.
Nachdem ich bis hieher die baierifche Gefchichte unter den
Agilolfingern vorgetragen habe, in foweit fie mit meinem gegen-
wärtigen Endzweck ein Verhältniß haben kann; fo komme ich nun-
mehr aufden Hauptvorwurf diefer Abhandlung; nämlich, worinz
nen die gegenfeitigen Nechte und Verbindlichkeiten der fränkifchen
Könige und der Herzöge von Baiern agilolfingifihen Stammes
bestanden haben. Da uns deutliche und eigentlihe Nachrichten
in der Geſchichte hievon gänzlich ermangeln 5 fo wird der Zufam-
bang der vorhergehenden Begebenheiten, und Die alten baierifchen
Geſetze, der hauptfächlichfte Leitfaden feyn müffen , deffen wir ung
zu bedienen haben, um durch vernünftige Gründe und Betrachtun⸗
sen das Wahrſcheinlichſte feſtzuſetzen.
| ö * Es
Könige und Herzogen, De 27
Es exhellet aus der vorhergehenden Gefchichte fehr überzeuz
gend, daß die Baiern nicht durch die Gewalt der Waffen von
den Franken zur Unterwerfung gezwungen worden find. Man
wird auch niemals eine Stelle eines glaubwürdigen damaligen
GSefchichtfchreibers ausfindig machen koͤnnen, welche in fi) ente
hielte, Daß die Franken durch das Necht des Sieges und der Erz
oberung die baierifche Nation unter ihre Herrſchaft gebracht häte
ten. Die Verbindung der Baiern mit der fraͤnkiſchen Monarchie
iſt alfo freymillig geſchehen; und hieraus muß man vernünftigerz
weife ſchließen, Daß die Baiern durch diefe Verbindung in Ks
harten und nachtheiligen Zuftand gefeßet worden find,
Diefes wird um fo mehr außer Zweifel geſetzet, da fich bey
feinem einzigen alten Gefchichtfehreiber findet ,. daß die Baiern
“Denen fräntifchen Königen einen jährlichen Tribut hätten entrichten
müffen, oder ein zinsbares Volk der fraͤnkiſchen Monarchie ger
weſen wären. Würden aber wohl die fraͤnkiſchen Gefchichtfihreiz
; ber folches anzumerken unterlaffen haben, wenn die Sache wirk-
lih Statt gefunden hätte: da fie nicht ermangeln, zu bemerken,
daß die Sachſen jährlich einen Tribut von fünf hundert. Kühen
haben entrichten müffen , fo wie fie dergleichen Zinsbarkfeit auch
bey andern Völkern nicht vergeflen haben. Man findet nicht eine
mal eine Stelle eines alten Sefhiähtfihreibers ‚ woraus ermiefen
werden Eönnte, Daß den Baiern in der Folge der Zeit, als fig,
wie die vorhergehende Geſchichte zeiget, fo öfters Verſuche mach⸗
ten, ſich von der fraͤuktſchen Abhaͤnglichkeit zu entwickeln, und
durch die fränkifchen Waffen beficget wurden, ein Tribut auferz
feget worden wäre. Auch diefes würden die fraͤnkiſchen Geſchicht⸗
ſchreiber nicht vergeſſen haben. Sie unterlaſſen nicht bey denen
Allemannen, Frieſen und andern Völkern zu bemerken, daß der
Tribut wegen ihrer Rebellion erhöher worden fey ; wie dann von
denen Sachſen aufgezeichnet ift, daß fie aus dieſer Urſach noch
D 2 jährs
a8 Bon den Rechten der alten baieriſchen
jaͤhrlich 300. Pferde liefern muͤſſen. Vermuthlich Haben die fraͤn⸗
kiſchen Koͤnige fuͤr ihre erſten Vertraͤge mit den Baiern ſo viel
Achtbarkeit gehabt, daß fie, ohngeachtet der nachherigen Siege
über fie, dieſelben nicht haben verlesen wollen, oder die Staats—
klugheit rieth ihnen , ein ftreitbares Volk, das über ihre Herr⸗
fchaft obnedem mißvergnügt war, duch einen auferlegten Tribut
nicht in Perzweiflung zu bringen.
Man wird gar nicht fehlen , wenn man bieraus fchlieht,
daß die Verbindung der Baiern mit den frinfifchen Königen,
weiter in Aichts, als in einem ewigen Buͤndniſſe beflanden hat,
vermöge deffen die Baiern fich in allen Kriegen der feänfifchen
Könige wider deren Feinde gebrauchen ließen, und Dagegen
von denen fränfifchen Monarchen gegen alle feindliche Alnfälfe
Schuß zu gewarten hatten. In diefer Verbindung erfenneten fie
die fränkifche Monarchie für ihr Haupt, ohne daß fie deshalber für
wirkliche Unterthanen zu achten waren. Dergleihen PDerbin-
dungen waren unter den deutſchen Völkern gar nichts ungewoͤhn⸗
liches. Tacitus dd) erzähle , daß fich die Semnonen für dag
Haupt aller ſpeviſchen Völker gehalten haben. Allein man wuͤr⸗
De uͤbel daraus fchließen, daß alle übrigen fvevifchen Volker der
Semnonen Unterthanen gewefen wären. Alles was fi) das
Haupt eines folchen ungleichen Bündniffes zueignen konnte, war
Die Directign der gemeinfchaftlichen Angelegenheiten, in Alnfehung
auswärtiger Völker, ohne daß deshalber das Haupt des Bind-
niffes in den innerlichen Angelegenheiten des verbundenen Vol⸗
Ees etwas zu befehlen hatt. ‘Der vornehmfte Artickel einer
folhen Verbindung war, daß die Berbundenen der Anführung
ihres Hauptes im Kriege folgeten. Diefes war bey den Deuts
{chen fo gewöhnfich, Daß alle Edelleute mit einem vornehmen und
tapfern Helden eine folhe Verbindung eingiengen , und ihm zur
Be⸗
dd) De morib. Germanor. cap. 39
PORN und Hersogen. | 29
Begleitung in alfen feinen Kricgeszügen Dieneten, wie Tacitus ee)
verſichert, deffen eigene Worte unten in der Anmerkung anzu⸗
führen nicht undientich feyn wird.
Es ift heut zu Tage bey gründlichen Nechtsgelehrten, welche
Die Kenntniß der Geſchichte mit ihrer Wiſſenſchaft verbinden,
weiter keinem Zweifel unterworfen, Daß aus Diefer allgemeinen
Gewohnheit der Deutfihen, nad) und nach, der Lehenszufammenz
bang zwifchen Dem Lehenberen und Vaſallen entftanden ift, den
Die £ongobarden zu erſt in gewiſſe Sefese und Mechte gebracht
haben. Allein deshalber Fann man nicht fagen , Daß eine Lehns—
verbindlichkeit zwifchen Denen fränkifchen Königen und denen Herz
gogen von Baiern agilolfingifchen Stammes Statt gefunden hat,
Zur Zeit als die erfte Verbindung zwifchen beyden Völkern ges
ſchah, wußte man noch von Eeinen Lehenrechten. Pieleicht wurde
Dem Thaßilo, zu deffen Zeiten Die Lehenrechte auch den Franken
gemein wurden, ein folcher Lehenseid abgendthiget, Allein wie ich
oben gezeiget habe, fo mwiederrief er auch Denfelben : und da ex
gu-diefem Wiederruf der Welt Urfachen anzeigen mußte; fo wa⸗
zen dieſe wohl böchftiwabrfcheinficher weiſe Feine andern , als die
Ungewöhnlichkeit, und neue Form des Eides, gegen die alten Berz
träge und Gewohnheiten. Aventin im 3. Buch verfichert Diefes
ausdruͤcklich. Allein, ob zwar fein Zeugniß von Eeinem großen
Gewichte it; fo muß man doch gefteben, Daß er bier wohl ger
ſchloſſen hat.
OD 3 Das,
„ee) Cit. libr. cap. 13. 14. verbis : Hz dignitas, hze vires , magno
femper electorum juvenum globo circumdari , in pace decus, in
bello prefidium, - --- Cum ventum in aciem turpe Prineipi, vir-
tute vinci , turpe comitatui, virtutem Principis non adzquare, Jan
vero infame in omnem vitam ac probrofum, fuperftitem principe fuo
@x acie recefhfle, Ilum defendere‘, tueri, fua quoque fortia facta
gloriz ejus aflignare , przcipuum facramentum eft,
so Bon den Nechten der alten baieriſchen
Das; was ich hier durch die Logic des Wahrfcheintichen feſt⸗
gefeßet habe, wird durch Das wenige, was wir von den Gerechte
famen der Herzoge von Baiern agilolfingifhen Stammes in den
alten Schriftftellern bemerfer finden, vortreflich beftätiget. Diefe
Siürften hatten, fowohl in geiftlichen als weltlichen Angelegenheiz.
ten, alle Nechte der Majeftät und Landes Hoheit auszuüben, die ein
fouverainer Fürft befisen Fann. Als der Pabſt die vier Biſchof⸗
thuͤmer in Baiern errichtete; ſo wies er ſeine Legaten blos an
die Herzoge von Baiern, nicht aber an die fraͤnkiſchen Koͤnige,
oder deren Oberhofmeiſter; ja in feiner Inſtruction ff) geden⸗
ket ev nicht einmal der fränkifchen Könige und ihrer Oberhofmei⸗
fer. Don diefer fonverainen Gewalt der baierifchen Herzoge in
geiftfichen Dingen finden fih mehr Spuren ; und die von den
fraͤnkiſchen Königen felbft gegebenen baierifihen Geſetze halten
ausdrücktich in fih, daß Die baieriſchen Regenten fogar die rich“
£erliche Gewalt über die Bifchöffe ihres Lands gehabt haben. Man
ficht nur; daß es dem Kläger frey geftanden hat , einen Biſch of
entweder vor dem Könige oder dor dem Herzoge zu verklagen gg).
Diefer außerordentliche Vorzug ift allein denen baicrifchen Herzo⸗
gen eigen geweſen; und man findet in denen allemannifchen, und
x j andern
FE) Diefe Inſtruction befindet fi Conc. Labb. Tom, IV. p. 1432. Cs
heißt dafelbft unter andern Stellen: Ut datis noftris feriptis ıta cum
duce Provineie deliberetis, quatenus conventus congregetur Sacer-
dotum & judicum , atque univerfe gentis ejusdem primariorum, &
ex quefitis Sacerdotibus atque miniftris &c. &c.
sg) Balutz, Capitular. Reg. Francor. Tom. I. in leg. Bajuarior, tit. 1.
cap. II« P. 99. verbis.: Et fi Epifcopus contra aliquem culpabilis
apparet, non pr&fumat eum occidere , quia Summus Pontifex eſt;
» x
fed mallet eum ante Regem velDucem, aut ante plebem ſuam. Er
fi conviltus de crimine negare non poflit, tunc fecundum canones
ei judicetur. Sitalis eft ceulpa ut deponatur , deponatur,aut ex
Hetur, h \ ; E)
}
Könige und Hersogem 31
andern Geſetzen keineswegs, daß ihre Sei dergleichen Gewalt
über die Biſchoͤffe gehabt haben.
So mie die baieriſchen Regenten agilolfingiſchen Stammes
Die oberſte Gewalt in geifttichen Angelegenheiten befaffen; fo übten
fie auch alle gefeßgebende Gewalt in weltlichen Angelegenheiten
aus. Sch will mich nicht auf den Aventin berufen „ welcher in
feinem’ dritten Buche erzähfer, wie die Herzoge von Baiern agi—
folfingifchen Stammes Landtäge gehalten , und darauf Gefege
und Drdnungen gemacht haben; fein Anfehen ift gar zu gering.
Allein wir haben noch felbft die Gefege und Capitularia in Händen,
Die Thaßilo gemacht hat hh). Wollte man fagen , daß er diefe
Geſetze zu einer Zeit gegeben haben koͤnne, da er fich gegen die
feänfifche Oberherrſchaft widerfpenftig bezeiget , fo widerfpricht
Demfelben der Innhalt diefer Geſetze, welche öfters von den Schul-
digkeiten gegen die fränkifchen Könige veden. Die fränkifchen Koͤ⸗
nige würden foldye auch nicht in der Sammlung der baierifchen
Gefeße , Die noch unter den Carolingern und länger gültig waren,
geduldet haben , wenn fie Thaßilo unbefugter ABeife gegeben hätte,
Ob zwar die Verbindung der baierifhen Herzoge mit den
fränfifchen Königen hauptfächlich den Schutz des einen und die
Huͤlfsleiſtung des andern in allen Kriegen und feindlichen An-
füllen zum Endzweck hatte; fo waren dennoch die Daiern nicht
fo fehr eingeſchraͤukt, daß fienicht auch für fich Krieg führen Eonn-
gen , wenn folcher nicht wider die fraͤnkiſchen Könige und ihr In⸗
fereffe war. Wir wilfen, daß Anfprand König der Longobar-
- den mit Hülfe der Baiern fein Reich wieder eroberte i); der Krie—
ge, fo fie wider die Staven , und andere benachbarte Völker
— Theilnehmung des fraͤnkiſchen Reiches, gefuͤhret haben, zu
geſchwei⸗
F bh) Lindenbrog, Codic, Leg. Antiquar. p. 439.
ü) Paul. Diac, Lib. 6. cap. 34. Siegebert ad aunum 71%
a ., Don den Rechten der alten baierifcher
gefchweigen. Es ift demnach Fein Zweifel, Daß nicht audy die baic
riſchen Herzoge agilolfingiſchen Stammesdie hoͤchſten Nechte des
Krieges und Friedens beſeſſen haben; in ſoweit die Ausuͤbung
derſelben ihrer Verbindung mit der fraͤnkiſchen Monarchie ohne
Nachtheil Statt finden Eonnte,
Ein anderer befonderer Vorzug der Herzoge von Baiern agi⸗
Yolfingifchen Stammes war ihe Erbrecht an Dem baierifchen
Thron. Hierducch wurden fie von allen andern damaligen dem
fraͤnkiſchen Reich vollkommen unferwürfigen und unterthänigen
Herzogen genugfam unterfihieden. Denn in den damaligen Zei⸗
ten wurde an die Erbiichkeit der Herzogthuͤmer und Grafſchaften
noch gar nicht gedacht. Dieſe wurde erſt in den letztern Zeiten
der Carolinger, und unter den ſaͤchſiſchen Kaiſern eingefuͤhret.
Die Herzoge und Grafen waren Damals weiter nichts ale State
halter und Richter , und mithin Staatsbediente Der fränkifchen
Könige. Man kann auch nicht fagen, daß die fränfifchen Koͤ⸗
nige aus freyem Willen und Gefallen die Herzoge don Baiern
sus der agilolfingiſchen Familie erwähleten, wie fiein andern Pro⸗
vinzen zuweilen auch den Sohn in die Bedienung feines Vatters
festen. Nein! die fränfifchen Könige geſtehen ſelbſt in den baieri⸗
fchen Geſetzen kKk), daß es eine Schufdigkeit ſey, daß die Hera
zuge von Baiern aus dem agilolfingifchen Geſchlechte ſeyn müffens
und
kk) Baluz. Capitular. Reg. Francor. Tom: 1, Leg. Bajuarior, tit, 2. cap. 20,
p. 106. De Genealogia, qui vocantur Huofi, Threzza, Sagana,
Hähilingua, Aennion, ifti funt quafi primi poft Agilolfingos, qui
funt de genere Ducali. Dlis enim duplum honorem concedimus, &
fic duplam compofitionem accipiant. Agilolfingi vero ufque ad
Ducem in quadrüplum componuntur , quia ſummi primeipes funt
inter vos. Dux vero, qui preeft in populo , ille femper de genere
„Agilolfingorwm fuit & debet eſſe; quia fic reges Anteceflores now
J
Könige nnd Herzogen. 33
and ob fie zwar hinzuſetzen, daß ihre Vorfahren ſolches diefer
‚Familie zugeftanden hätten, wegen der Treueund Klugheit eines
unter ihnen 5 fo fieht man doch leicht, Daß diefes nicht die eins
zige und urfprüngliche Urſache geweſen ſeyn kann. Es find ohne
Zweifel mehr Staats Bedienten in der fränfifchen Monardie
gewefen, Die treu und Flug waren , ohne daß man ihnen deshalber
die Erblichkeit in ihrer Würde zugeftanden hat, Es ift dannen-
hero überaus wahrſcheinlich, wie ich ſchon oben erinnert habe, daß
die agilolfingifhe Familie fhon damals den baierifhen Thron
befeffen bat , als die erfte Verbindung der Baiern mit der fränz
fifchen Monarchie geſchah, und daß dieſes ein Artickel ihres Ver⸗
trages geweſen iſt.
Dieſe Wahrſcheinlichkeit wird faſt zur demonſtrativiſchen Ge⸗
wißheit, wenn man erwaͤget, daß die fraͤnkiſchen Koͤnige nicht
nach ihrer freyen Willkuͤhr jemand aus der agilolfingiſchen Fa⸗
milie zum Herzog in Baiern verordnen konnten, ſondern daß das
Volk das Recht hatte, aus dieſem Geſchlechte einen Herzog zu
erwählen. Auch diefe Gerechtfame der Baiern mwiffen wir aus
dem eignen Geftändniß der fränkifchen Könige, in den alten baier
rifchen Gefegen 1) ; indem fie von denen Verbrechen reden, wenn
jemand dem Herzoge nad) dem Leben ftellete „ fo umfihreiben fie
E den
ſtri conceflerunt eis, ut qui de genere illorum fidelis Regi erat &
prudens , ipfum conftitnerent Ducem ad regendum populum illum,
Et pro eo, quia Dux eft , addatur ei major honor quam ceteris
parentibus ejus, ficut tertia pars addatur, fuper hoc „, quod pa-
rentes ejus componunturs
N) Cit. leg. Bajvarior. tit. 2. ap. Baluz, T. 1. p. 101. Si quis contra
N Ducem ſaum, quem Rex ordinavit in provincia illa, aut populus
fibi elegit Dock), de morte ejus confiliatus fuerit ,„ & exinde
probatus negare non poteft, in Ducis fit poteftate homo ile, &
. vita illius , & res ejus infifcentur in publieo,
34 Von den Rechten der alten baierifchen
‚den Herzog, daß er entweder von dein Könige verordnet , oder
von dem Volke erwählet feyn muͤſſe. Man kann nicht zweifeln,
daß nicht auch diefes eine Bedingung der erften Verträge gewer
fen iſt, als die Baiern mit der fränfifchen Monarchie in PBerbin-
dung traten. s Denn diefe Gerechtfame , daß das Volk ſelbſt feir
nen Herzog wählen konnte, finden wir in Feiner Provinz des fränz
kiſchen Neiches; und dieſes ift eines Der deutlichſten Kennzeichen,
daß die Baiern keine wahren und eigentlichen Unterthanen der franz
fifchen Monarchen gewefen find. Die Worte des Gefeßes find
allzu unbeftimmt , als daß man daraus die eigentliche Befchaf-
fenheit dieſer Gerechtſame feft fegen koͤnnte. Allein, da die Pers
träge ſelbſt nothwendig ausgedrücker haben müffen, in welchen
Sillen die Wahl des Volkes , und bey was für Gelegenheiten
die Einfeßung des Königes, Platz greifen follte; fo wird man vieleicht
nicht zu verwägen muthmaßen , wenn man annimmt, daß nad)
den Verträgen ordentlicher AWeifedie Wahl dem Volke zuge⸗
ftanden babe, daß aber, wenn diefe Wahl zwieſpaͤltig geweſen,
oder der Herzog wider die fränkifchen Könige die Waffen ergrifz
fen, und deshalber abgefeget worden, der König befugt gewefen,
felbft einem Herzog einzufesen. Wenigſtens zeiget die oben vor—
getragene Geſchichte ,‚daß die Könige der Franken in dem letzten
Falle diefes Necht Ausgeübet haben. As Garibald wegen fei-
ner Verbindung mit denen Longobarden von dem baicrifchen
Thron verjaget wurde ; fo feste der König der Franken den
Thaßilo den-erften zum Herzoge ein. Dergleihen Fälle finden
fi mehr in der baierifehen Geſchichte unter den Agilolfingern.
Unterdeffen hat fich das baierifhe Volk feines Rechtes, unter
den Prinzen des agiloffingifihen Stammes feinen Herzog zu erz
wählen, vieleicht niemäls, bedienet. Wenigſtens ift Davon in der
Gefihichte nichts befannt. Die Thronfolge geſchah allemal, nach
"dern ordentlichen —— vom Vater auf den Sohn,
oder
Könige und Herzogen, - 35
oder von dem Bruder aufden Bruder; wenn nicht die Abfekung
eines Herzoges hierinnen eine Aenderung machte, Ja e8 ift mehr
als ein Beyfpiel vorhanden, daß ein Vater das Land unter feine
Kinder vertheilet hat, wie folches von Theodo II. außer Zweifel
iſt. Die Gefege felbft feheinen diefe Theilung zu authorifiren, ins
dem fie vorfchreiben mm), daß der Sohn des Herzogs, der wi-
der feinen Vater rebellivet, Feinen Antheil an der Erbfolge haben,
fondern daß ihn feine Brüder davon ausfchließen follen. Wenn
er aber der einzige Sohn ift, fo foll der König einen andern er
nennen. Alles dieſes feßet jedoch voraus, daß diefes mi gutem
Willen und Genchmbaltung des Volkes gefchehen ift ; indem
vermuthlich dergleichen Verfügungen über die Thronfofge allemaf
in der Verſammlung des Volkes gemacht worden ſind. Jewe—⸗
niger aber Benfpiele von der ausgeibten Wahlgerechtigkeit deg
Volkes vorhanden find, deftomehr wird es wahrfcheintich , daß
diefes Recht ein Artikel in dem erſten Vertrage zwiſchen den
Baiern und Franfen gewefen iſt; weil man fonft nicht fieht, wie
die Geſetze dieſes Nechtes hätten erwähnen koͤnnen.
Mann Fann nicht laͤugnen, daß die Könige der Franken
das Recht gehabt haben, Befehle an die -Herzoge von Baiern
ergehen zu laffen. Diefes war der Natur eines ungleichen Bündnif-
fes nicht ungemäß ; indem denen Königen der Franken die Direction
in allen Angefegenlleiten zuftund , welche die Hülfsleiftung der
Baiern an die fraͤnkiſchen Könige , und den gemeinfohaftlichen
Deyftand betraf. Die alten baierifchen Geſetze reden auch deut
lich von der Schuldigkeit des Herzogs, diefen Befehlen fich gemäß
zu bejeigen , und verordnen widrigen Falls feine Abfegung nn),
€ 2 Allein
aım) Cit. leg. Bajuar, apnd Baluz. T. 1, tit.2.p, 104,
an) Cit. leg. Bojuar, ap. Baluz, cit. loc. capitul 9. Siguis autem Dux
de prpvineia illa, quem Rex ordinaverit, tam audax aut contu-
max
36 Don den Nechten der alten baierifchen
Allein, der Natur der Sache nach, kann das Recht der fränkifchen
Könige fich nicht dahin erftreeft haben , in den innern Landes- Anz
gelegenheiten von Baiern Befehle und Verordnungen zu erthei-
fen. Es finden ſich auch Davon in der Gefchichte Feine Spuren.
Indeſſen kann e8 gar wohl feyn, daß in den letztern Zeiten der
Agilolfinger dieſe Graͤnzen überfchritten worden find ; indem aus
vielen Umftänden gefchloffen werden kann, daß fih in dem letz⸗
ten Kahrhunderte diefes Stammes die fränfifchen Könige mehr
Gewalt und Anfehen über Batern heraus genommen haben,
Herr Barre 00) behauptet, es erhelle aus den alten baieri⸗
ſchen Sefegen, daß der Känig von Auftrafien das Recht gehabt
hätte , die Unterthanen des Herzoges von Baiern zum Tode zu
verdammen , und daß der Herzog diejenigen hätte ſchuͤtzen müffen,
welche der König abgefender, um das Urtheil zu vollziehen. Es
ift gar kein zweifel, daß fich nicht Herr Barre auf diejenige Stelle
der alten baierifchen Gefege gegründet hat, die ich unten im der
Anmerkung beybringe pp), ob er fie gleich nicht anführet. Allein
wenn man nur diefe Stelle aufmerkfam erwäget ; fo wird man
Dasjenige Drinnen gewiß nicht finden , was er aus Übereilung.
darinnen wahrzunehmen geglaubet hat. Es ift darinnen offenbar,
von
max gut levitate ftimulatus , feu protervus & elatus vel fuperbus
atque rebellis fuerit, qni Decretum Regis contemferit donata di-
gnitatis ipfius Ducati careat , etiam & in fuper fpem fupernz con-.
templationis feiat fe efle condemnatum & vim falutis amittat.
80) Gefchichte von Deutfchland 4. Band, 8. Bud, P. 733-
pp) Cit. leg, Bajuar. cit. loc. capit, 8. Siquis hominem per juſſionem
Regis, vel Ducis ſui, qui illam provineiam in poteſtate habet, oc-
eiderit, non requiratur ei nec facdofus fit, quiajuflio Domini fui
fuit, & non potuit contradicere jufionem, fed Dux defendat eum.
. %& filius ejus pro eo,
Könige und Herzogen. 37
von Reiner richterlichen Verurtheilung die Rede. Zu diefem End-
zweck hätten die Könige der Franken Eeine Leute abzufchicken nö-
thig gehabt, um ein vechtliches Urtheil vollichen zu laffen. Der
Herzog von Baiern, und feine nachgefesten Obrigkeiten hätten
allemal dafür forgen muͤſſen, daß ein ſolches Urtheil vollſtreckt
werden müffen, wenn die Könige der Franken dazu befugt gewe-
fen wären. Uberdieß , wer würde fi) haben einfallen laſſen,
diejenigen in gerichtlichen Anſpruch zunehmen, welche ein richtete
liches Urtheil des Königes vollzogen hätten? Denn von dieſer ger
richtlichen Verfolgung ift in dem Geſetz allein die Nede; indem
es heißt , daß wider einen foichen Feine Unterfuhung angeftellet,
noch derfelbe als ein Verbrecher angefehen werden follte. Was noch
mehr ift, das Gefeg redet von jemand , der auf Befehl des Koͤ—
niges odes des Herzogs jemand umgebracht hat, und alfo gar
nicht von Abgeſchickten des fränfifchen Hofes, um ein gefproches
enes Urtheil des Königes zu vollziehen. Wer fieht affo nicht,
daß aus diefem Geſetze gar Fein Recht des fränkifchen Koͤniges,
die Unterthanen des baierifchen Herzoges zum Tode zu verdammen,
gefchloffen werden ann ? An den damaligen barbarifchen Zeiten,
pflegten Die Könige und Fürften nicht felten aus eigener Will
kuͤhr und Murhmillen , aus Verdacht oder Haß, jemand umbrin-
gen zu laſſen. Die Gefhichte der merspingifchen Könige ift vol
von erfchreeftichen Grauſamkeiten, womit fie gegen ihre eigene
Familie gewöütet haber. Ron folchen Fällen , nicht aber vun
einer ordentlichen vechflichen Verurtheilung, ift alfo in diefem Ge—
feße Die Rede; und es würde ungereimt feyn , daraus ein beſon⸗
ders Recht der fraͤnkiſchen Koͤnige in Baiern zu folgern.
Sch komme nunmehr auf die letzte Frage, ob die fraͤnki—
fihen Könige in Baiern einige Kronguͤter, oder ein Dbereigen-
thum über die herzoglichen Domainen gehabt haben? Mankaun
ficher behaupten, daß fich bey den damaligen Gefchichtfehreibern
En weder
38 Don den Rechten der alten baieriſchen
weder eigentliche Nachrichten, noch ſonſt einige Spuren finden,
wodurch man bewogen würde, dieſe Frage mit ja zu beantwor⸗
ten. Dielmehr zeigen ſich verfihiedene Umftände in der Gefchichte,
und in den alten baierifchen Geſetzen, welche beweifen, daß weder
eines nod) das andere Statt gefunden hat.
Penn die fränfifeben Könige Domainen in Baiern gehabt,
oder fonft auf andere Art Einkünften daraus gezogen hätten; fo
wuͤrde in denen Länder » Theilungen der fränkifchen Prinzen darz
auf bedacht genommen , und Baiern diefen oder jenen befonders
zugetheilet worden ſeyn. Allein bey allen Theilungen, ſowohl der
fraͤnkiſchen Könige , meropingifihen Stammes, als der nachkom⸗
men Carl Wartels , die in der Geſchichte erwaͤhnet werden, wer⸗
den zwar die Länder, Die jeden zugetheilet worden find, mit Nas
men genennet; Baiern aber wird niemals darunter gedacht. Die
Koͤnige von Auſtraſien haben ſich einer Herrſchaft über Baiern an⸗
gemaßet, weil die Laͤnder uͤber dem Rhein, die an Baiern graͤnz⸗
ten, in der Theilung unter Clodovaͤus Soͤhnen, dieſer Linie zus
gefallen waren , oder weil die Baiern ihre Berbindung mit diefer
Linie eigentlich eingegangen hatten. - Allein bey der Theilung une
ter den Söhnen Carl Martels, nämlich zreifchen Karmann und
Pipin , ift Baiern Feinem von beyden insbefondere zugetheilet
worden. Die Geſchichtſchreiber erwähnen nicht allein Davon nichts,
fondern alle Umfiände ergeben , daß fih Carlmann und Pipin
aleiches Anfehen über Baiern angemaßet haben. . Da nun in
diefer Theilung, Schwaben. und Thüringen, ohngeachtet fie
gleichfalls von Herzogen vegteret wurden , Dem Carlmann zuger
theilet wurden gg), das angtänzende Baiern aber weder dem
Carlmann nod) feinem Bruder Pipin; fo kann die Urſache Feine
andere geweſen feyn, als weil es mit Baiern und deren Negenten
eine ganzandere Befthaffenheit hatte, und daß fich weder Fönigfiche
Domas
ag) Fredegar, Scholaft, Chron. cap. 110. |
Könige und Herzogen, | 39
Domainen darinnen befanden, noch andere Einfünfte daraus zu
jiehen waren. |
Wenn die fränkifchen Könige in Baiern Domainen gehabt
hätten ; fo Hätte in denen alten baierifchen Gefegen fihmwerlich ver-
mieden werden Eönnen, davon zu reden. Dieſes Stillſchweigen
ift ein großer Beweis des Gegentheils: daß bey verfchiedenen Ger
fegenheiten davon hätte etwas erwaͤhnet werden müffen, veroffen-
baret fich aus denen andern alten Gefegen, 3. E. in dem Lege
ripuariorum befindet ſich ein Eapitufar , welches die Ueberſchrift
hat: De homicidiis eorum qui in trufte regis funt rr); und ein
anderes: De homicidiis hominum regis. In denen baierifchen
Gefegen finden ſich gleichfalls die "Strafen und fogenannten
Eompofitionen der Todfchläge von allen Elaffen der Unterthanen;
aber nichts von den Leibeigenen auf denen Eöniglichen Gütern.
Eben fo ift in dem alten allemannifchen Geſetze gar leicht zu
erfehen, daß die fränkifchen Könige daſelbſt Domainen gehabt
haben; z. E. ein Capitular hat die Heberfehrift: De eo quiin curte
Regis furtum commiferit ss); allein bey allen dergleichen Gele:
genheiten fi. S.t man in denen baierifchen Geſetzen von Föniglichen
Domainen nicht die geringfte Spur.
Es hat zwar wirklich in den alten baierifchen Geſetzen ein
Eapitular den Titul: Dehis, qui in curte regis aliquid furave-
fine et). Allein Diefe Ueberfchrift iſt vermuthlich nur aus Unacht⸗
ſamkeit zugelaſſen worden, weil ſie in den Geſetzen der andern
Voͤlker gewoͤhnlich war: denn in dem Text ſelbſt ſteht nicht ein
Wort von dem Curte Regis, ſondern blos vom Curte Ducis, und
daß das Haus des Herzogs domus publica fey. Alles dieſes ber
weifet
ww) In Leg. ripuar. ap. Baluz. Tom. 1. p. 30 31.
ss) In Lege Allemann. ap. eund, Tom. r. p. 65.
tw) In Lege Bajuar. ap. Baluz, Tom. o. 105.
40 Don den. Nechten der alten baierifchen
weiſet meines Erachtens ſehr überzeugend, Daß die fränkifchen Koͤ⸗
nige in Baiern keine Domainen gehabt haben.
Eben ſo wenig koͤnnen dieſe Monarchen ein Obereigenthum
uͤber die herzoglichen Domainen gehabt haben. Die Natur der
Berbindung zwiſchen denen Herzogen vom baieriſchen agilolfin—
giſchen Etamme , und denen fraͤnkiſchen Monarchen , welche
hier: meines Erachtens mit überzeugenden Gruͤnden ausgeführet
worden, hat ſolches nicht zugelaffen. Zwar wenn der Lehenzus
zuſammenhang das Dbereigenthum in fi ſchließt; fo ift es ſehr
wahrſcheinlich, daß man unter dem Testen Herzoge Thaßilo den-
ſelben auf alle Art einzuführen bemühet geweſen ift , und vieleicht
auch denfelben Dazu genöthiget. bat. Allen aus den letztern ges
walthätigen Handlungen der fränfifchen Könige, denen bald dar—
aufdie gänzliche (vieleicht fehr ungerechte) Entzichung des ganzen
Herzogthums folgte, Fann man nicht die gegenfeitigen wahren
Rechte und Verbindlichkeiten beyder Staaten gegen einander be⸗
—
urtheilen.
Man kann zwar den Einwurf machen, daß ſich in den alten
baieriſchen Geſetzen wirklich eine Stelle findet, wor. ».8 zu erſehen
iſt, daß die fraͤnkiſchen Könige Vaſallen in Baiern gehabt har
ben un). Allein daraus würde man doc) feinen Beweis Des Ger
gentheils herleiten koͤnnen. Die fraͤnkiſchen Koͤnige konnten dieſe
Waſallen haben, ohne daß fie jemals ein Eigenthum oder Ober⸗
eigenthum in Baiern gehabt haben, Es ftund Damals einem je
den Edelmann frey, ſich ſelbſt einen Lehenherrn zu ermwählen,
oder ſich jemand zu recommendiren, wie der Ausdruck war ; und
die baieriſchen Herzoge mußten allzuviel Ehrerbietung für Die fraͤn⸗
fifchen °
un) Cit. loc. ead. pag. verbis: qui intra illum comitatum manent five
Regis vaflı, five Ducis, omnes ad placitum weniant, Et qui
neglexerit venire, damnetur quindeeim folidis.
— —
Könige und Herzogen. 41
kiſchen Monarchen haben, als daß fie ihren Edelleuten vermweh.-
ren könnten, ihre Pafallen zu werden. Zumal da fie dadurch
von ihrer Gerichtsbarkeit nichts verloren, wie felbft aus diefer
Stelle erhellet. Diefe Frechheit dauert fogar noch hundert Fahre
nad) Abgange der agilolfingifchen Familie.
Als die Söhne Ludwigs des Frommen die legte Theis
fung der väterlichen Staaten vornahmen; fo war einem jeden
Edelmanne erlaubt, fi) unter den drey Brüdern einen Lehnsherrn
zu erwählen, welchen er wollte, wenn er auch nicht in den Stag-
ten desjenigen wohhte, dem er ſich wiedmete. Allein es wurde
auch zugleich feftgefeget, daß, wenn diefe Wahl einmal gefchehen
wäre, hernach Feine weitere Veraͤnderung des Lehnsheren er-
laubt feyn follte.
Diefes ift es, mas ich von den gegenfeitigen Rechten
und Verbindlichfeiten der fränkifchen Könige mit den Herzogen
von Baiern agilolfingifchen Stammes in der Gefchichte habe
ausfindig machen Fünnen. Wenn es in gewiffer Betrachtung
nicht viel ift, und noch mangelhaft feheinet; fo fehmeichele .ich
mir, daß diefer Mangel weder an meiner Einficht, noch an meis
nem Fleiße liege; fondern daß es lediglich an der großen Dürfe
tigkeit, und Dunkelheit der Gefchichte in diefem Zeitpuncte und
‚in diefen Gegenftänden liegt, die zu erörtern waren. Ich muß
frey geftehen, daß ich bey Anfange diefer Unterfuchung nicht ger
glaubet habe, daß noch foviel ausfindig gemacht und
feftgefegt werden koͤnnte.
$ | Georg
Georg Chriſtian Crollius
Abhandlung
don dem Urſprung und Amte der Provin-
’ zialpfalzgrafen in Deutſchland.
32
*
—
o ſehr man befliſſen geweſen, in unſerer deutſchen
Reichs- und Provincialgeſchichte den Pfalzgraf⸗
ſchaften, und den Geſchlechtern, welche dieſelben in den
Provinzen des deutſchen Reichs erblich beſeſſen zu ha⸗
ben ſcheinen, nachzuſpuͤhren, und ſie auch beſonders in
Anſehung ihres Urſprungs zu beleuchten: ſo iſt doch
Die Frage, wann ſolche entſtanden oder errichtet wor
den, und was fuͤr Verrichtungen und Rechte das Amt
und die Gewalt eines Pfalzgrafen charakteriſiren, noch
nicht uͤberfluͤßig geworden. Ja es iſt die pfalzgraͤfliche
Wuͤrde in deutſchen Provinzen, in Anſehung ihres Ur⸗
ſprungs, vieleicht noch dunkler, als alle uͤbrigen Aemter
und Wuͤrden, welche wir im deutſchen Reiche antref⸗
fen. Ich gedenke nicht der Menge derjenigen, welche
entweder in der allgemeinen Reichsgeſchichte oder Wiſ⸗
fenfchaft des deutfchen Stastsrechts auch Diefes Amt
berühret, und aus andern meiftens ihre Vorſtellung
deſſelben zufammen gefragen und entlehnet haben: um
Das zu rechtfertigen, was ich hier fage. Won denen,
welche in befondern Schriften von den Pfalzgrafen ge;
handelt haben, wird zwar vorzüglich des berühmten
Rechtsgelehrten Eberhard Otto Diſſertation de Comi-
F3 tibus
46 Vorbericht,
tibus Palatinis gelobet; aber ich bin nicht fo glücklich
geweſen, , diefelbe zu erhalten und zu gebrauchen. Ich
wende mic) daher gleich zu denen und zwar neuern
Sihriftftellern, welche die rheinifche, Fächfifche, baierifche
und fchmwäbifche pfalsgräfliche Geſchichte in ein Licht zu
fegen bemüht gemwefen, um vieleicht ans Diefen Parti⸗
eulargefchichten zu dem wahren Urfprunge umd einer rich?
tigen Idee des Pfalsgrafenamts geleitet zu werden, oder
wenigſtens die Verfchiedenheit der Meynungen und Vers
mwirrungen, welche denfelben verdunfelt, zu erfennem,
Reiters will ich felbft aus Urkunden und altern Ge
ſchichtſchreibern ihr Amt und ihre Berrichtung zu beftim-
men , und alsdann durch Vergleichung eines ſolchen Ge;
mähldes mit den altern Zeiten des Deuffchen Neichs Die
Epoque in jeder Provinz zu finden fuchen, Die demfelben
eigen feyn dürfte, Dieß wird der Junhalt von folgen:
den drey Abtheilungen feyn. Kann ich mir gleich nicht
fchmeicheln, daß dieſe geringe Schrift den Beyfall der
vortreflichen Akademie und befonders der hiftorifchen
Claſſe verdienen werde, fo ift e8 mir Doch genug, aus
eigner Erfahrung überzeugt zu ſeyn, wie ſchwer es
feye, den Ausgang in einem Labyrinthe zu finden, wor⸗
innen ſich feldft gelehrte Männer verirret haben. Das
Gluͤck, den Anfangsfaden richtig anzuknuͤpfen, mag ei
nem Genie vorbehalten feyn, fo eine mehr] pragmatifche
Kaͤnntniß der Altern Zeiten mit beflern Huͤlfsmitteln
verbinden kann. ade
Erſte
Erſte Abtheilung,
worinne die verfchiedenen Meynungen derer, web
che von den Pfalsgraffchaften in den Provinzen ges
fhrieben haben, in Anfehung ihres Urfprungs und Amtes
Türzlich und Eritifch erzäbler werden,
HF
= S. 1,
FRE
& 3% fange von der tipuarifchen Pfalz zu Aachen, welche
Ar A unter dem Namen der rheinifchen Pfalzgraffchaft ber
Eannter geworden, an. Denn, ob man gleich diefelbe
zu einer Erzpfalzgrafſchaft, und ihren Befiger zum Comite Palatii
gleich anfänglich erheben wills fo haben doch noch Zweifel und
Gründe ftatt, welche die aachiſche Pfatzgraffchaft für eine Pros
vinzial⸗ oder landgraͤfliche Pfalz anfehen, und die Zeiten, in wels
chen ein Pfalzgraf zu Aachen nur noch ein Comes Palatinus der
tipuarifchen oder niederlothringifchen Provinz war, von den
aͤtern unterfeheiden laſſen, da diefer Comes Palatinus alg Erz⸗
falzgraf, Palatii Comes, unter dem Namen eines Pfalzgrafen
bey Rhein erſcheinet. Tolner, der nach Frehern und andern
Geſchichtſchreibern, der rheiniſchen Pfalz ein neues und groͤßeres
Licht
48 G. C. Crollius
Licht mittheilen wollte, bat fo vieles zu ihrer Geſchichte zuſam⸗
men getragen, daß er fie mehr verwirrer, als berichtiget hat.
Mann er den Urfprung derfelben aufklären will (a), fo macht er
68, wie viele bedürftigen Gefchichtfehreiber, Die fich mehr den Fas
den ihrer Unterfuchungen in dem Norte als in der Sache ane
knuͤpfen, und mit jenem bis in das Außerfie Alterthum ftofz
zurück gehen. Die Liebhaberey der griechifehen und römifchen Ale
terthuͤmer findet alsdann einen Stoff, aus welchem fich gewiß⸗
Lich keine Anordnungen, die dem deutſchen Reiche eigen find, ans
ders als mit mühfamer Verwirrung berausarbeiten laſſen. So
führt ung Tolner nad) Griechenland und Italien, wo infonderheit
Kom den palatinifchen Berg, und das darauf geftandene Pala-
tium des Romulus, hernach des Augufts und feiner Nachfolger
einen Gegenftand feiner Betrachtung darreicht. Daſelbſt wird
er mit dem Präfeet des Pallafts oder prefecto pretorio befannt,
welchen er mit dem Curopalates der griechiſchen Kaifer für einere
ley hält (b). Bon demfelben kommt er auf den fränfifchen Maior-
dom unter den merovingiſchen Königen, welchen er zum præfecto
pretorio.bey den Franken macht. Er mengt denſelben mit dem
Domeſtico, und dem Comite Palatii, Pfalzgrafen oder Saalgrafen
in eine confuſe Idee (c). Aus Auſtraſien, Neuſtraſien und Bur⸗
gund fuͤhrt er Perſonen auf, die ein ſo verwirrtes Amt gefuͤhrt
haben. Nachdem Tolner einmal den Maiordom und Comitem
Palatũ in eine Perſon gebracht hat, fo glaubt er, daß, gleichwie
bey den griechifchen Kaifern von Hofe aus præfecti pretorio in
die Haupttheile des Reichs ausgefandt worden, eben fo auch uns I
ter den meropingifchen Königen die Hauptprodinzen der Monar⸗
chie ihren Maiordom oder Pfalzgrafen erhalten hätten (d). So iſt
es nach ibm begreiflich, warum man ſchon damals mehrere Co-
mites Palatii und Maiores domus antreffe. Mit Pipin, der als
Maiordom feinen König entthronet hat, hörten die Maiordoms
auf;
u
«
, von den Landpfalgen, 49
auf; indem derfelbe und fein Sohn Karl einen fo großen und
der. Krone gefährlichen Beamten nicht mehr leiden wollten,
und daher. die Gewalt dieſes Amts dahin vermindert, wie fie
die Pfalzgrafen unter den Karolingern beſeſſen haben '(c). Er
fegt demnach die Reihe der meroningifchen Praͤfeeten des Pallaz
ſtes oder Maordomen in den Farolingifchen Pfalzgrafen fort, bis
auf König Konrad den I, unter welchen er deffen, Bruder Eber⸗
hard als Pfalzgr r præſectum pretoriog Erztruchſeß/ Her⸗
jogen in Franken, Praͤfeet von Eifaß ‚Grafen in Heſſen, Herrin
zu Breifach und Hagenau erfiehet. Es iſt betannt, wie er von
demſelben an ſeine Reihe der Pfalzgrafen zu Aachen oder bey
Rhein, als der oberſten Pfalzgrafen des Reichs herfuͤhrre, und
die aachiſche Pfalzgrafen mit allen den Rechten und Praͤrogativen
der heutigen Erzpfalzgrafen und Ehurfürften bekleidet. Wie weis
felhaft aber diefer Anfang und Umfang der aachiſchen Pfalzgraf⸗
ſchaft nebſt der tolneriſchen Reihe ihrer Befiger feye, iſt aus des
zweybruͤckiſchen Bibliothekarius, G. €. Crollius / darüber ange⸗
ſtellte Unterſuchungen ſchon genugſam erkennen. Dieſer letztere
laßt in feiner Schrift (f) allen Ueberfluß weg, welchen der vers
nachläßigte Unterfihied zwifhhen Den. Hofpfalzgrafen ; Comitibus
Palatii, zu den Zeiten der merovingiſchen und Farolingifihen Mo⸗
narchen und ‚den im deutſchen Neiche zu den Zeiten der fächfifchen
"Könige fihrbar werdenden Comitibus Palatinis. oder koͤniglichen
Provingialpfalzgrafen zu erzeugen pflegt. Er verbindet die Lehren
eines Conrings, Speners und Beſſels: welche dieſe Pfalzgra⸗
fenzu Nachfolgern der Procuratorum fifei tepii, und der Fönigli-
nn auf geriffe Weiſe machen, und ihnen die Gericht⸗
in den Tönigfichen Domanial-Landen, nebft der Oberauf⸗
t über. die koͤniglichen Rechte und Einkünfte beylegen; mit den
Vorſtellungen eines Aventin, Aund, Bert und Olenfchlager,
eg den Provinzialpfalzgrafen als einen dem Herzoge au
G die
F *
\ SAUER j ß gr # J * * —
N * * — J—
50 G. C. Crollius
die Seite geſetzten koͤniglichen Vikarius abbilden, ohne welchen
der Herzog nichts befehließen, noch verordnen, der fich ihm ente
gegenfegen und dem Könige feinen Bericht in nöthigen Fällen
thun konnte. Er endiget feinen Eurzen Abriß von dem Urſprunge
und Amte der Landpfalzgrafen, durch die Befchreibung , welche der.
Freyherr von Sentenberg von denfelben macht, als der fie noch
für legatos Regis, die den Herzögen als Schuftheißen oder Stell⸗
befiger zugegeben waren, anfichet. Da Tolner den aadhifchen
Pfalzgrafen gleich Anfangs außer dem Iothringifchen Reiche auch
die vheinifchfränkifchen Provinzen zu ihrem Departement zugeeignet
hatte, und überdieh das oberfte Neichs-und Hofpfalggrafename
nebft dem Reichsvikariat zutheitet, fo ſoͤndert Crollins nicht a
fein dieſen Tegtern Comitatum Palatii fapremum von der Commißion
der erfien aachifchen Pfalzgrafen ab, fondern will auch diefe in
die Gränzen des niederfothringifchen oder ripuarifchen Herzogs
thums einfchränten: indem ex einestheils die Herzoge der Frans
Een als die oberften Reichspfalzgrafen anſieht, anderntheils aber
beſondere Comites Palatinos in Oberlothringen zu erblicken glaubt,
deren Amt von den Biſchofen zu Metz lehenruͤhrig geweſen. Wenn
man Tolnern hoͤret, fo iſt der obgedachte Herzog und Pfalzgraf
Eberhard ein Nachfolger der carolingiſchen Comitum Palatii und
der merovingifchen Maiordomen. Hermann der ein Sohn Herzog -
Arnulfs in Baiern, ift dem 939 in der Nebellion gebliebenen
Eberhard in der höchften Reichspfalz zu Aachen gefolgt, und fos |
fort diefes Hermanns Abkümmlinge, bis zu ihrem Abgange. Crol⸗
lins aber fangt feine Reihe der aachifchen oder ripuarifcher Lands |
pfalzgrafen mit Hermannen dem I, der gewißlich nicht aus Baiern
zu bofen, fondern entweder Iothringifchen oder fränfifchen Urs |
fprungs feye, an. Diefer Hermann erfcheint in Ripuarien ſeit
944. als militarifcher Graf (denn er wird bald Dux bald Comes
genannt) und Crollins hält ihn zuerſt für einen koͤniglichen Vika⸗
i rius
9
von den Landpfalzen. sı
rius in Ripuarien z (dergleichen Legation oder Commißion zu den
Zeiten 8. Otten des. I Graf Sifried von Merfeburg, Saxonum
optimus, und Hermann bon Stuberfeshorn, che er Herzog ward,
in Sachen, desgleichen die nordheimifchen Grafen in dem alten
Sachſen an der Wefer verwaltet habe); hernach aber, und zwar
nad) Abfterben des Erzbifehofen und Herzogs Bruno, glaubt ex
im Zahre 966. die Epoque der dem Grafen Hermann ertheilten
pfalzgräflichen Wuͤrde zu finden, melche diefer bis zu Ende deg
soten Jahrhunderts geführet und auf feinen älteften Sohn Ehrens
fried oder Ezo fortgepflanzet hat. Alles diefes wird im Folgenden
unfere Prüfung verdienen, und in ein noch deutlicheres Licht ge-
feßt werden. Ich gehe jeßt zu andern Provinzen uber, um zu
fehen, was man darinnen den Pfalzgrafen für einen Urfprung
gebe. - |
. (8) In hift, Palat, c. V. de maioribus Domus & Comitibus Palatii pag,
137. &c. —
W) Daß ein Unterſchied geweſen zwiſchen dem præfecto prætorio und dem von
K. Honorius neukreirten Comite Caftrenfi, den einige mit dem Curo-
palate für eineriey halten, zeigt Geiger in feiner Schrift, de ſummo
palatii prafe&to Cap. II, $. III. und IV. Daß aber das Amt des
Comitis Caftrenfis , Feldgrafen, noch unterfehieden war von der Cara
palatii an dem griechifch = Faiferlichen Hofe, und der Curopalates dem
Comiti Caftrenfi untergeordnet gewefen, lehret du Buat in Origines,
ou Pancien Gouvernement de la France, de PAllemagne & de
Pltalie, P, IU, L. VIII, e. V, $. 1-1. Eben diefer treffiche
; Verfaſſer zweifelt nicht, daß dad zweyfache Amt eines Feldgraſen und
ber Cure palatii ſich an dem fränfifchen Hofe in dem Senefihallen , an
deſſen Stelle in jüngern Zeiten der Dberhofmeifter gefommen feye, verei=
e niget finde. Da die Cura palatüi in der Obſorge auf alled, was den
* Pracht des Pallaſtes betroffen, beſtanden hat, ſo iſt eine ſchlechte Aehn⸗
>00 Hchfeit zwiſchen ihm und dem fraͤnkiſchen Comite palatii. Anders has
Serr du Buatl.c. e. X, das Pfalsgrafenamt , und zwar ald ein Stück
ben Gewalt des Magiftri og ‚ongefehen, an deſſen wi
0 i 2 — X en
—
4
vo
74
i
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52 SGC. Crollius
DTitel Comitis domeſtiei⸗ gekommen ſeye, welchen erſten Domeſtieum
"rat he Haupt der Domefticorum er mit dem Comite palatüi für eine
a Perfon angiebt. Jedoch hier iſt der Det nicht, ein mehrere anzuführen,.
(ce) Daß der Comes Palatii ein dem Maiordom ; nachdem diefer, die Fönigliche
Gewalt übte, ſo wie vorher dem. Könige, untergeordneter Beamter gewe—
ſen, der über die bey Hofe angebrachten Rechtsſachen zu urtheilen, oder
nach inſtruirtem Proceße dem Ma iordom, ſo wie vor und nachher dem
Koͤnige zu referiren hatte, iſt laͤngſt gezeiget worden; ſiehe du Frefne in
SGloſſ. Pfeffinger in Vitr. Aluſtr. T. L. p. 935. Buri in Erlaͤu⸗
terung des Lehenrechts pag. 293. Wann übrigens zu dieſen Zeiten und
» vorher mehrere Pfalzgrafen zugleich vorkommen, fo weis man, daß des
oberften und eigentlichen Pfalzgrafen Stelle öfters vom andern vertretten
worden „die, alfo nur als Vice-Comites Palatii anzufehen find, ja dag
auch felbften die Benfiger in dem koͤniglichen Gerichte mit diefem Namen
beehret worden; fiehe Buri 1. c. p. 268; wobey noch die Urkunde von
* 711. in Bouquet feript, rer. Gall. T. VIII. p. 676, verglichen wer⸗
“pen kann, wo Ingobertus vice Rathbefti Comitis Palatü dem Könige
Childebert in einer Rechtsſache referirte. |
& Auſiraſien, Neuſtraſien und Burgund hatten beſondere Comites pala, 4
weil fie beſondere Koͤnigreiche waren. Die Maiordoms wurden in
denſelben gewaͤhlt, da hingegen die Pfalzgrafen vom Koͤnige beſtellt wur⸗
den. Pipin von Herſtall, Maiordom in Auſtraſien, reunirte ſchon 687
Neuſtrien mit dieſem Reiche, und ſetzte in jenem der Norbert zum Maior-
dom, ber, da er. Pipins Kreatur war, als ein Unter-Maiordom an-
zuſehen ift. Nachdem Karl Martell 717. abermalg Meuftrien und Burs
Hund unter. ſich gebracht, und den Maiordom Raginfrid überwunden, fo
er ift von der Zeit an nur ein Maiordom in der ganzen froͤnkiſchen Mo⸗
narchie, ausgenommen von 747 bis 747, da die Gebrüder ‚Karmann _
und Pipin, Karl Martels Söhne, dad Maiordomar miteinander Er
ten, und ‚jener Princeps Auftrafiz , biefer, aber Neuftrafiz war.
* Noch Abſchaffung des Malordomais bekamen der Pfalzgraf fonopf ald der
Seneſchall einen Zuwachs von Gewalt und Amtäverrichtungen, daher die
nn
Seneſchalle bisweilen maiores domus genannt werden. Die Formul |
des Pfalzgrafenamts zu dem zeiten der: Karolinger iſt aus Sinkmarn
© Überflüßig befannt. “U (£) Erz
TR von den Landpfälzen. 33
* Erlaͤuterte Reihe der Pfalzgrafen zu Aachen, oder in Niederlothringen ze
Zweybruͤcken 1762; wovon im vorigen Jahre 1765. noch eine Zugabe und
Fortſetzung herausgekommen; und noch eine weitere Fortſetzung zu er⸗
warten iſt.
uud" . g, 2 „‚
Ju Die Geſchichte der Pfalzgrafſchaft in Sachſen iſt nicht
minder in Anſehung ihres Urſprungs und Umfangs verwirrt, ohn⸗
geachtet gelehrte Maͤnner, wovon ich unter neuern nur einen C.
G. Horn (a) B. ©: Struv (b) C. H. Reinhard (c) und Hey⸗
denreich (d) anfuͤhre, derſelben ihre Nachforſchungen gewiedmet
haben. Da der letztere der neueſte iſt, und vollſtaͤndigere Nach-
richten geſammelt hat, fo will ich auch ihn hauptſaͤchlich vor Aus
gen haben. Zwar in Anfehung des gemeinen Urſprungs der Land»
pfalzgrafen und ihres Amts ift er allzufurz und verwirrt, als daß
er hierinn alleine zu Rath gezogen werden moͤge. Er meynt, daß,
obgleich die Comites Palatii dev Nömer mit den deutſchen Comitibus
Palatinis nicht völlig übereinfommen, fie dennoch darinn ähnlich
ſeyen, daß ſie gleichſam Vicarii Imperatoris geweſen, und das
boͤchſte Richteramt verwaltet haben. Er achtet jene geringer an
Macht, weil mit der monarchiſchen Herrſchaft der roͤmiſchen Kai⸗
fer eine ſolche Gewalt, als den Pfalzgrafen in den mittlern
Zeiten Deutfchlands zugefommen ‚nicht habe beftehen Eönnen; er
urtheilt endlich, daß das Anſehen der Comitum Palatii der fraͤnki⸗—
ſchen Könige lange nicht fo groß geweſen, als der Pfalzgrafen
er den fächfifehen Kaifern. Dieß ift der ganze vorkäufige Unz
richt des Verfaſſers. Der obangefuͤhrte Reinhard verdient
aher hierinn mehr nachgeſchlagen zu werden. Er bekennt zufor⸗
rſt, daß die Epoque des Urſprungs der Landpfalzgrafen noch
ſeye. Er haͤlt es aber mit Bonring, der dieſelben weder
mit den fraͤnkiſchen Comitibus Palatii, noch denen von Karl dem
m in den Provinzen beftellten Grafen und Föniglichen Vika⸗
3 rien,
-
s 8. &. Crollius
“rien, noch mit den römifchen Pfalzgrafen vermengt haben will.
Er glaubt, daß an dem fränfifchen Dofe zwar nur ein oberſter
MW falzgraf, außerdem aber noch mehrere Comites Palatii, woruns
ter er dieDomefticos oder Beyſitzer des erfterm verficher, geweſen
ſeyen, und letztere als Tönigliche Vilarien in die Provinzen vers
fandt worden. Die eigentlich fogenannten Landpfalzgrafen aber
ſetzt ex exft mit Bonringen in die Zeiten dev fächfifchen Kaiferz
ohne den Zeitpunet derfelben genau beftimmen zu koͤnnen, nod)
zu beantworten, ob fie zugleich, oder einer nad) dem andern in
den verfchiednen Provinzen angeordnet worden? Die Erblichkeit
geftehet er ihnen exit mit-dem zwölften Jahrhunderte, und beſon⸗
ders der Regierung 8. Friederichs des I ein. Ihr Amt charakterie
fiert ev nad) Aventin, und rettet die Ehre derfelben darinn, daß
fie nicht ofliciales der Herzoge, fondern des Königs geweſen.
as. inshefondere die erſte Pfalrgrafen in Sachſen betrift, fo
hält Heydenreich den. Grafen Trutmann, deffen von K. Karl dem
Großen im Jahre 789 erhaltene Commißion Schilter für eine
pfalzgräfliche anfieht Ce) , für den erften Pfalzgrafen in Sachſen.
Reinhard aber hatte ſchon vorher dagegen wohl angemerfet, daß _
obgleich des Grafen Trutmanns und, der Landpfalsgrafen Eoms
mißion eine große Achntichkeit hätten, fie dennoch nicht. einerley
wären; indem Sachfen Damals noch Feinen Herzog gehabt habe,
denen erft die Pfalzgrafen an die Seite gefeßt worden, als Land»
richter, befonders in der Terra Palatina oder den Füniglichen Do-
‚mainen. Trutmann war alfo nur ein Miflus regius, deffen Amt
zum Theile der Urſprung des pfahgräflichen ift. Auch hat Hey⸗
denreich nad) Trutmännen nur Millos regios in Sachfen ent-
deckt, aber Feine fogenannten Pfalzgrafen, bis auf die Zeiten der
fächfifchen Kaifer. Zuforderft aber berührt er die Eintheilung von
Sachſen, und Thüringen in Thuringiam Auftralem und Septen.
wionalem, Orientalem und Oceidentalem (f), und dem zufolge
| fuͤhrt
—N
von den Landpfalzen. 55
"führe er zweyerley Pfalzgrafen zu Sachſen auf, einen in Weſt⸗
und Suͤdthuͤringen, und den andern in Nord - und DOftthüringen:
bis er im Jahre 1040 beyde vermeyntlichen Pfalsgraffchaften zus
fammen Enüpft in dem Pfalzgrafen Dedo von Goſeck; als von
dem die gofecfifche Chronik befage, er fey der erfte aus feinem -
Gefchledyte, der Die Monarchiam Palatü, das ift nad) feiner Meyr
nung, die alleinige Pfalzgraſſchaft in ganz Sachſen erhalten habe,
Allein eben dadurch bat dieſer Verfaſſer den Anfang feiner pfalz-
graͤflichen ſaͤchſiſchen Gefchichte ganz unrichtig gemacht. Denw
fürs. erfte, kann er fie in Weſtthuͤringen, wozu er Weſtpha⸗
Sen, Heffen und einen großen Theil Niederfachfens rechnet, nicht
erweislich machen (g). Der Pagus Haflorum five Hefli war viel-
mehr ein Theil des Herzogthums der Franken (bh). Weftphafen
ift regio occidentalis Saxoniæ und eigentlich Sachfen genannt wor⸗
den. Orientalis terra oder Dfterland, woraus Kepdenreich eis
nen Haupttheil von Thüringen gemacht, bezeichnete in den Ältes
ſten Zeiten den in Abficht auf Thüringen öftlichen Strich Lans
des, der gegen Morgen von der Saale bis an die Mulda, und
gegen Abend von den Quellen der Elfter bis an den Einfluß der
Saale in die Elbe fich erſtreckte. Dieſe Benennung hörte jedoch
auf, als die Sorbenmwenden diefes Oſterland einnahmen und in
ihre Gaue eintheilten, und wird erft wieder im 12 Jahrhunderte
gebraucht, da fie nah Pertreibung dee Wenden dem füdlichen
Theile des Thuringiz Auftralis oder Suͤdthuͤringens an der Eifter
und Saale eigen geworden iſt (). Es bleibet mithin nur die bes
FannteTheilung in Thuringiam Septentrionalem Nordthiringen und
m, Südthüringen uͤber: wovon die Unfteut, oder nad) ans
‚der Hatz und der in der goldnen Aue fließende Fluß Helme die
heidung gewefen, und jenes dem Sachfenlande zugeworfen wor⸗
Benz fe aber unter —* Dr — iſt. Sach⸗
PER Or oe:
J "a Bern z * UL zer: wi en
56 — C. Crollius
fen ſelbſt war, mie gleichfalls bekannt iſt, in Weſtphalen, Enr
gern und Oftphalen eingetheilt (K). Insgemein wird die Weſer
Für die Scheidung zwiſchen dem weft und oftphäfifhen Sachfen
angegeben. Es erfireckte fich aber auch der große Gau, oder das
Herzogthum, Engern Dießsund jenfeits der Weſer, und ward das
her ebenfalls in das oͤſtliche und weſtliche Engern, oder das
engeriſche Oſt⸗ und Weſtphalen getheilt. Nach einer andern noch
allgemeineren Eintheilung ward das ganze, mit Nordthuͤringen
verknuͤpfte ſaͤchſiſche Herzogthum, fo wie es Otto der Erlauchte,
Heinrich der Finkler und Otto deſſen Sohn beſeſſen haben (Dr
in Saxoniam Occidentalem und Orientalem eingetheilt + wels
ches leßtere alsdann außer Oſtphalen auch Mordthüringen, das
iſt, alles was zwoifchen der Unftrut und Saale, der Aller, Elbe
- und Havel enthalten ift, im fich begreift. Hierzu kommt, daß
nachdem unter K. Otto das Herzogthum Sachfen über der Elbe
gegen die Dänen und Sclaven einen neuen Zuwachs befommen (m),
gedachter Kaifer ein neues Herzogthum an der unter Eibe, Du-
eatum Saxoni®. aquilonalem, worinnen das ‚Stift Hamburg lag,
mit Bewilligung der Fürften errichtete, und folches feinem vor⸗
treflichen Legaten Hermann von Stubeckeshorn ertheilte (n); dar
hingegen das Herzogthum an der Weſer davon unterfchieden
blieb, welches die Grafen von Nordheim als Einigliche Vikarien,
die daher auch Herzoge, fecundi a Rege, genannt werden, ver⸗
walteten (0) 5 bis beyde Provinzen oder Herzogthuͤmer in Lothar
von Supplinburg, theils durch Heurath mit der nordheimiſchen N
Erbin Nichenza, theils Dur) Belehnung mit dem billingifchen #
Herzogthume vereinigt wurden (p). Jedoch ich Herfpare das weis
tere in die dritte Abtheilung und komme nun auf die erſten fächfi- -,
Then Pfalzgrafen , nad) Anleitung mehrgemeldten Heydenreichs,
deſſen Methode aus dem, was. ich angeführt habe, ſchon einiger
maſſen beurtheilt werden kann. In Nord und Oſtthuͤringen fest
er
von den Landpfalzen. 57
er demnach zuerft Sigfrieden, welcher von dem Biſchof Diemar
ausdrücklich ein Graf von Merfeburg und von dem corveyifchen
Witehind Saxonum optimus £ a Rege fecundus genannt wird, der
zur Zeit der Krönung K. Dtten des I. Procurator Saxoniz gewe-
fen, Zum Nachfolger in diefer vermeintlichen Pfalzgrafſchaft
giebt er ihm den Grafen Gero, als der nach Ditmarn Iegatiomem
Sigfridi Comitis Merfeburgenfis erhalten hat. Albrecht von Stade
fagt kurz davon; legatio Comitatus Saxoniæ ceflit regali dono
Geroni Comiti. Webrigens lehret der Verfaſſer recht, daß diefer
Gero Marchio feptentrionalis five Orientalium gewefen : erdichter
aber, daß K. Otto ihn wegen feiner Treue und Tapferkeit zum
Herzogen in Thüringen oder Dberfachfen, fo wie in Nieder
fahfen Hermann Stubeckeshorn beftellt habe. Der einzie.
ge Grund, warum er dem Markgrafen Gero das Herzugthum
Dberfachfen. oder Thüringen Üübergiebt, beftcht darinn,. weil ex
Dux ac Marchio in Urkunden heißt (g) , wobey er.nicht wahrge-
nommen hat, daß, da Hermann ums Jahr 966. Herzog in Nie
derfachfen jenfeits der Elbe geworden (r) Markgraf Gero. ſchon
ein emeritus fenex geweſen und felbft im Jahr 965. den 19. May
geftorben war (5). Indeſſen meynt Kepdenreich, daß fih K. Otto
bey Beſtellung diefer Herzogthuͤmer verſchiedene Domainen aus⸗
geſondert habe, woruͤber er alſo auch zugleich andere Herren als
Pfalzgrafen beſtellen muͤſſen, und giebt eben dadurch zu erkennen,
daß er die legatos Regios Sigfried und Gero zu Pfalzgrafen
macht; che fie nöthig gewefen zu ſeyn fiheinen In Nord und
Oſtthuͤringen fest er fofort dem Herzog Gero als Pfahgrafen an
“die Seite den Athalberonem , als der in dem Leben des H. Bern⸗
ds, Bifchofes zu Hildesheim zuerft ausdruͤcklich als Comes
inus und möütterficher Großvater gedachten Biſchofs, der
feinem Stift von 993. bis 1023. vorgeſtanden, angegeben wird.
Diefem Athalbero den er zu einem anhaltifhen Herrn machen
2 will,
58 | ©. C. Crolfius ;
will, giebt er fehr willführlich zu Söhnen 1) Bio, Grafen von
Merfeburg, der 986. geftorben. 2) Eſicko, der Merfeburg, Alt
flatt und Thornburg zum beften K. Heinrichs des IL, gegen: defs
fen Kroncompetenten den Markgrafen Eckard befchüset, erhalten
und im Jahr 1105. fein Leben zu Luͤbeſchuͤtz befchloffen bat, wie
ſolches der Biſchof Diemar erzählt, 3) Burkard, der bey Merfe-
burg im Hosgau feine Graffhaft gehabt hat, ſchon vom Jahr
1093. an als Pfalzgraf vorfümmt, und im Jahr 1017. von diefer
Welt abgefihieden iſt. Alle diefe drey Brüder find nad) Hey⸗ '
denreich Pfalzgrafen zu Sachfen in Nord und Oftsthüringen. ge
wefen. Burkards Nachfolger it Pfalzgraf Sigfried, dem in eis
ner Urkunde K. Konrads des II. von 1029. diefe Qualität und
eine Graffibaft in dem Hosgau beygelegt wird. Er ftarb nach
den Annal. Hildesheim. im Jahr 1038. Sigfriedus pretor Palatinus,
frater Brunonis Epifeopi Mindonenfis VII. Kal. Maii moritur &9 in Win-
ciburg tumulatur, Bald darauf nämlid) 1040. fagt Heydenreich, hat
Dedo (von Goſeck) beyde Pfalzgrafſchaften zuſammen befommen.
So wie ich aus diefem Autor die Pfalzgrafen zu Sach—
fen in Nord- und Oſtthuͤringen, denen er zum Comitatu Palatino
die Grafſchaft Merſeburg anweiſet, bisher angeführt habe; ift
nun auch die Reihe der Pfalzgrafen in Weſt- und Suͤdthuͤrin—⸗
gen, oder mit ihm zu reden in Niederfachfen , Heffen und Thuͤ⸗
tingen, auszuziehen. Er anticipirt ſolche mit einem Pfalzgrafen
Arnold, der 934. der Schlacht mit den Hunnen beygewohnt hat,
wie man bey Sigeberto Gemblacenh lieſt, der jedoch ; indem‘
er diefer Schlacht gedenkt, nichts von einem Pfalzgrafen Arnold
zu Sachfen meldet; woraus zu erfehen, daß er den Turnierbir'
ern allein abgeborget ift, und der Verfaſſer öfters Ältere Ger ,|
febichtfchreiber nach andern anführe, ohne jene gefefen zu haben.
Er giebt ihm Suͤd- und Wegithäringen zum Departement, weil
Sigfried von Merfeburg Pfakgraf in Nord- und ——— zu
glei⸗
. von den: Pfalsgrafen. 59
‚gleicher Zeit vorkommt. Nachdem nun der Schatten eines Malz-
grafen Arnold verfihtwunden, fo laͤßt er eine wirkliche Perfon in
Hermannen von Stuberfeshorn auftreten, als der, vor feiner
Erhebung zum Herzuge, ein Baiferlicher Richter und Picatius, das
ift ein Pfalzgraf, oder wie eine braunfchweigifche Chronik redet,
Schultheiß in Sachſen geweſen. Als dieſer Hermann Herzog ge⸗
worden, fo wurde wahrfcheinlich Theodorich zum Pfahgrafen in
Niederfachfen berordnet, der wie Diemar von Merfeburg mel-
det, nebft feinem Bruder Sigibert im Jahr 995. geftorben ift.
Des Verfaffers Hypothefen, nach welchen Theodorich ein Graf
von Summerfenburg und Eydam des vermeintlich oberfächfifchen
Pfalzgrafen Athalbero war, verleiten ihn, daß er ihm den Tammo -
zum Sohne und Nachfolger in der Pfakzgraffchaft giebt. Und
da der Bifhof Diemar gleich nah des Pfahzgrafen Theodo-
richs Tode einen Pfalzgrafen Friedrich anführt, fo muthmaßt er,
daf diefer gleichfalls ein Sohn von jenem geweſen, und die Pfalz
grafſchaft mit feinen Brüdern Tammo und Syrus getheilt habe,
Diefer Friedrich (von Goſeck) bat nach ihm bis 1036 gelebt und
iſt der Vater des Erzbifchof Adelberts von Bremen, des Dedo,
don dem es heißt primus flirpis fu@ Monarchiam Palatii a Rege pro-
meruit, und Sriederichs des IE auch Pfalzgrafen, der nach feines
Bruders Entleibung 1056 auch Die Monarchiam Palatii erhalten (t).
n mag nun felbften urtheilen, ob dieſer Verfaſſer den Urs
prung der Pfalzgrafſchaft in Sachen aufgekläret oder verduns
kelt habe.
(a) Dill. de Comitibus Palatinis Saxonie Virembis 1709, I7I1
6 Diſſ. de Comitia Palatinatus Saxonici, als ein Programma zu ſeinen
WVoorleſungen. Yen. 1712, worinn er auf der erſten Seite in der Anz
meerkung noch einige anführt, die vor ihm mit Fleiß von diefen Pfatz-
rafen gehandelt haben, als Fabricius, Schurzfleiſch, Sagittarius,
Paullini md Horn, welchen noch Meibom in Chron, Marientha-
lenfi beygefügt werden kann.
(ec) Diſſ.
60 8. rollins
(ec) Diff, de ofliciis Imperii Saxonicis Ienz 1713. Sedt. 1 de —
Comitis Palatini Saxoniæ p. 33 -- 97.
(d) Entwurf einer Hifforie der Pfalzgrafen zu Sachſen von deren Urſprung
an bis auf die Zeiten Friderici Bellicoſi, des erſten Churfuͤrſtens zu
Sachſen aus dem markgraͤfl. meißniſchen Haufe 2c. Erfurt 1740.
(e) In Comment. ad jus feud. Alamann. C. XL, $. XVL/in Cod.
jur. alam. feud. p. 225.
(f) Eine ‚Solche Eintheifung wird auch ſchon in den Corollariis ex hiftoria
Oſterlandica, welche den Differtationen des Sagittarius de Eccar-
do I, & II, Marchionibus Mifniz in Eckharts hift. Geneal. Prin-
cipum Saxon. p. 230 -- 232. angehängt find, n. III. gelehret, fo daß
Thuringia Auftralis da8 eigentlich fogenannte Thüringen, borealis einen
Theil von Niederſachſen, occidentalis Heſſen, und orientalis das Oſter⸗
land, welches ein Theil des heutigen Meiſſens, Voigtlands und Thuͤrin⸗
gens zwiſchen der Mulda, Elſter und Saale war, bedeuten ſolle. ‚Hey:
denreih- ‚treibt die thuͤringiſchen Graͤnzen willkuͤhrlich noch weiter, wann |
er unter ber Occidentali einen großen Theil Niederſachſens, Weftphalen und
Heſſen, unter der Occidentali aber, wasvon der Saale an gegen Morgen
lag, und den Sclaven nach und nach abgewonnen worden, begreift. Lö— 9
ber in Diſſ. de Burggraviis Orlamundanis p. II. folget demſelben,
ba hingegen Sagittarius in antigg. de regno Thuring. L. IH, e.XIII.
und epift. de antiquo ftatu Thuringie p. 23,27 & 28.fy. J. ©
Reinhard in antigg. Marchionatus ut & Origg. Landgr. Thuring.
$. IL. fg. & X. und der unfterblihe Abbt Beffel in Chron. Gott-
wic, L. IV. de pagis voce Thuringia, Thuringiam Auftralem und
'Septentrionalem ; welche durch die Unftrut gefchieden waren, als die
Syaupttheile des ganzen thüringifchen Reichs angefehen haben. Lesterer
bemerft nach jenem infonderheit, daß das Saͤchſi ſche oder Nordthuͤringen
in Abſicht auf Sachſenland zur Orientali Plaga Saxoniæ gerechnet wor-
den, Thuringia occidentalis einerley mit Auſtrali ſey und Terra orien-
talis , Ofterland, ebenfalld in Thuringiam Auftralem falle, woraus erhellt,
daß Thuringia Occidentalis und Oriemtalis mehr als eine Untereintheis
‚lung, von Thuringia Auftrali anzufehen iſt.
(8) Er
”
von den Landpfalzen. 6
» @ Er beruft ſich zwar auf den Biſchof Ditmar L. IV. auf der Seite, da
des Suͤd⸗ und Mordthäringens gedacht wird, welches nach der von ihm
angeführten maderiſchen Ausgabe p. 80. nach der leibnigifchen aber
p- 956. iſt. Nun finde ich dafelbften wohl eine occidentalen regio-
nem , dad Daterland der Godila, einer Tochter Werinhars, welche mit
Bewilligung ihred Vetters, des Biſchofs Wigfrieds von Verdun, dem
Marfgrafen Lothar, ex Clara Thuringiz feptentrionalis genito, ber-
mählt worden. Allein jene regio occidentalis ift das lothringifche Weft-
reich, worinn der Bischof Wigfried, dem fonft in Chron. Verdun. eine
baierifche Abkunft gegeben wird, einen Verwandten gehabt hat an dem
ardenifchen Grafen Rüdolf; ſiehe Calmet hift. de Lorraine T. II,
L. XIX, 9. CXXXVIL, pag. 176. verglichen mit Crollius Origg-
Bipont. P.I, p. 68. Wegen des fothringifchen Weſtreichs, ſieh deb
ältern Crollius prolufionem de Weftrafia &c. 1751. und Orst. de
villa , oppido p. 13. fg.
6 a Beffels Chron. Gottwic. L. IV, p. 627. Beurfundete Rech⸗
n dem deutſch Ordenshaus und Commende Schiffenberg ꝛc. Gief-
fen 1752 ı P. 3, not. (c) fq.
¶Vergleiche damit die Anmerfung (a). x
(&) Sieh außer Beffel 1. c. L. IV. insbeſondere Steffens hiſtoriſche uns
diplomatifche Abhandlungen in Briefen 2c. Zelle 1763. pag. 45 + 51,
dem ich hier folge
(1) 3a so vor ihnen Ottens Vater Ludolf; ſieh Origg. Guclf, Tom. IV.
eb
pag. 369. not, *)
. m Siehe Adami Bremenfis hift, Eccl. L. II, c. IT, p. 42. fg. Helmolde
-
Ri €)
.
Chron, Slav. L. I, e. IX, Albertum Stadenfem ad a. 948. Chro-
nogr. Sax. ad a. 952 und andere, welche Pfeffinger in Vitr. illuſtr.
T. IL, p- 497. fg. unter verſchiednen Jahren angeführet hat.
6) Dieß lehret deutlich eine von. Scheid in Origg. Guelt. T. IV, p. 555
NE
in der Anmerfung zu (f) aus einem Manufeript. Chronico Conradi
Halberftadienfis, der ein Cozvus ift, angeführte Stelle. Tandem
ipfe Otto Imperator cum confenfu principum inferiores partes per
Albeam, in qua ef Epifcopium Hamborch, ordinavit in Ducatum e
8 * Ducatus circa Weferam adhuc firmus maneret, quod tan-
dım
0
*
>
® Eich Origg. Guelfs 1, c. p. 521. fg. nor, *)
8. Cr Crollius
dem fuerat Ducis Saxonie Witkindi, qui multo tempore vixaverat
" sontra Karolum Magnum J quod ipſe hereditaverat ſuis ſucceſſori⸗
bus, ex. qua etiam progenie Otto Magnus natus eſt. Quem Duca-
tum novum dedit viro nobili, feilicet Hermanno,, „filio Billingi Cor
mitis & tandem exaltat eum in Regno cum magna diligentia. Es
tvar alfo Hermann, Bilings Sohn, nur Herzog in Nordfachfen, fo wie
Bertholdus oder vielmehr Bernoldus Conftantienfis ad a. 2070. feinen
Urenkel Herzog Ordulf Ducem Saxoniz aquilonialis nennt
Sich von Scheids Anmerkung zu Eckharts opufeulo V. de famil.
Com. Northeim in Origg. Guelf. T. IV, p. 480, fg. und befonderö
die angehängten Urkunden, worin Otto von Norsheim Dux Saxonicus,
Saxoniz & Bavarie Dux genannt, und der Pagus Angera, in wel
chem Corvey lag, in Ducatu Ottonis Ducis gelegen zu feyn gefagt
wird; anderer Stenen bey den Scribenten zu gefeteigen. $
a u
’
9 In Eccardi hiſt. Geneal. Princ, Saxon. Probb, hiſt. gen. sage
'Marchionum Orientalium n. IL, p. 129, mo ihn K. Otto I. einmal
dileetum Ducem ac Marchionem nennt. Er felbft aber nennt ſich nur
‚Marchio in der Stiftungsurfunde des Kloſters Gernrode, J. c. n. IV.
"pP. 131. & not. V. p. 133.
(r) Sagittarius fchon hat in hiftoria antiquiffiine urbis Bardevici c. V,
(s) Ditmarus Merfeb. L. II. in Leibnitii feript. Bruns. T. I; p.334. Da
© Der Ausdruck Monarchia Palatii iſt Heydenreichs ra RE,
p- 157 und 158. ‚deutlich die Jahre beſtimmt, im welchen Herman zum.
Legaten in Nordfachfen,, fodann zum Herzogen darinnen befieht worden,
Jenes geſchah 960 dieſes 965. Ayrer in feiner Schrift: Hermannus
.officione an gente Billungus? aber hat erſteres auf 96z , letzteres
auf 966 geſetzt.
er nach dem Jahr 961. diefes Markgrafen Stiftung des Kloſters Gern-
rod erzehft, nennt ihn emeritus jam fenex. Daß er aber in diefem
Jahr geftorben, bezeugen die von Eckhart in hift, geneal. Princ, Sax»
0. 112. angezognen. Stellen.
warum er vorher die Er zu Sachſen in zwey theilet. Wie
wenig
von den Pfalzgrafen. 63
wenig aber man daraus eine Bereinigung zweyer Mfalzgraffchaften her:
leiten koͤnne, läßt fich aus dem was Crollius in der erläuterten Reihe ıc-
0 Mole AR pP Anis angeführt hat , erkennen.
5.3.
Die pfalzgräfliche baieriſche Gefehichte hat durch die neuen
Bemühungen des Heren Nitters du Buat (a) ein ziemlich veräns
dertes Anfehen erhalten. Aber dieſe Reformation felbften ift noch
nicht fo befchaffen, daß wir theils den Urfprung der baicrifchen.
Pfalzgrafſchaft, theils die Reihe ihrer Befiger, deutlich und rich—
tig erlernen koͤnnten. Da man vor ihm die baierifchen Pfalzgra⸗
fen erft von Herzog Arnulfs zweytem Sohne Arnulf dem jüngern
bevleitete, fo geht er hingegen mehr als 100 Fahre höher hinauf.
Er glaubt ganz gewiß (b), daß die Comitiva Palatii in Baiern erft
im Jahre 829. angeordnet worden, als in welchem nach eis
freyſingiſchen Urkunde Ludewig der Deutfche die Regierung:
in Baiern ſelbſt angetvetten Baiowariorum poteftatem accepit (ce). Dieß
beweiſet aber nicht einmal, daß erſt damals Baiern ſeine Pfalzgrafen
ethalten habe. Es iſt bekannt, daß Ludwig, welcher in Der Thei⸗
lung 817. ſchon Baiern zu ſeinem Antheil bekommen hatte, und
im Jahr 821. auf der Verſammlung zu Niemwaͤgen darinn be
ſtaͤtiget worden, fehon gegen das Ende des Jahrs 825. nach dem
Zeugniß Eginhards, von feinem Vater dem Kaifer Ludewig nach
Baiern gefandt worden, und daher die Sabre feiner Regierung
in Baiern von diefem Jahr an rechne: wie folches viele Urkun—
den deffelben Ichren (d): alſo würde man auch fhon von diefer
mu a an befondere Pfalzgrafen in Baiern annehmen müffen. Es
Regi
er dem feyn, wie ihm will‘, fo würden diefe Comites Pa-
gis Bavariz ke) doch nicht das feyn dörfen, was die fand»
pfalzgrafen in ſpaͤtern Zeiten geweſen, nach der eignen Regel, ſo
der Herr Ritter anderswo gegeben, daß es naͤmlich nicht moͤglich
Bi fey,
*
64 S. C. Crolius
ſey, die Pfalzgrafen, deren es von Otto des ‚I Zeiten viele in
Deutfchland gegeben, mit dem Pfalzgrafen zu vermengen, dee
unter den KRarolingern der Vornehmſte vom Hofſtaat gewefen,
und ſolches unter den ſaͤchſiſchen Königen fortan war. Ein fols
eher baierifcher Oberhofpfalzgraf aber in dem obwohl damals noch
auf gewiffe Art abhängigen baierifchen Weich würde in feiner
Maafe das Amt eines Farolingifchen Oberftenhofpfaßzgrafen vers
. treten haben, und immer unterfchieden feyn, von Den Comitibus
Provincialibus Palatinis , welche eben nicht wie jener an dem Hofe
des Königs gegenwärtig feyn mußten, fondern in ihrer Præfectur
oder Terra Palatina ſich hauptfächlich aufhielten. Die Provins -
sialpfalsgrafen follten, wie man heut zu Tage erkennt, und im
Zofgenden weiters wird gefagt werden, gleichfam den Herzogen
zur Seit geſetzte Eönigliche Controlleurs oder Ephoren feyn; der⸗
gleichen Function man gewislich nicht einem baierifchen Comiti
Palatii vor den herzoglichen Zeiten beylegen möchte, Wenn das
her auch ſolche Comites Palatii von 823 oder 829. an fihtbar was
ven, fo darf man doch von ihnen nicht die Reihe der Comitum-
"Palatinorum Provincie five Ducatus Bavarie herfuͤhren. Es
ift aber der Herr Ritter auf diefe Hypothefe verfallen, weil er
in freyfingifchen Urkunden im Jahr 831. einen Timo Comitem Pa-
latii, Desgleichen in den Jahren 843 und 845. einen Fritilo Comi-
tem Palatii, der aber auch fonften fehlechterdings Comes heiße,
vorgefunden hat (F). Ach meines Orts halte diefe Grafen für
miflos, welche manchmalen Comites Palatii (mifh in provinciam
five pagum) genannt werden (g), und wie wohlgemeldter Berfaf
fer behauptet, dasjenige alles verfchen haben, was nachher den
Pfalzgrafen obgelegen. Da er in Baiern Teinen mehr findet;
den er dem Fritilo zum Nachfolger geben könnte, fo macht er
dazu den Grafen Ratold oder Heradolt, Comitem Palatii, von
dem die Annales Fuldenfes daß er nebit dem Bifchofe Dt
. garius
ET BT nn
von den Landpfalgen. " 65
garius von Eichſtaͤdt und Hernuft, einem Sohne Herzog Hernufts,
gegen die Böhmen ausgefandt worden ſey. Diefen Ruotold,
oder wie er ihn lieber nennt, Natold laßt er hernach einen dops
pelten Markgrafen im Nordgan gegen die Böhmen und enden,
und in letzterm Betracht alfo Ducem Sorabici limitis werden, ja
er muß auch die Burggraffchaft Regensburg befeffen haben. Den
Zweifel, als ob der Ruotold Comes Palatii feine Würde wohl
nicht in Baiern, fondern am Hofe Ludewigs, der nun König aller
Deutfchen war, getragen habe, hebt er damit, daß Ludewig, nache
dem er aus einem Könige in Baiern ein König der Deutſchen gez’
worden , feinen baierifchen Pfalzgrafen zugleich zum oberften
Reichspfalzgrafen gemacht habe; er vermuthtet ferner, daß, nachdem
Natold Dux Sorabici limitis geworden, er entweder die oberfte
pfalzgeäfliche Würde beybehalten, oder fie einem feiner Söhne, näm»
lich Heinrichen von Babenberg abgetretten habe: indem diefes
letztern Sohn Adelbert Camerz nundius in Franken, und welches
einerley Amt mit dem pfalzgräflichen gewefen fey. Jedoch nache
dem das deutfche Königreich unter Ludewigs des Deutfchen drey
Söhnen wieder vertheilt worden, und der Ältefte Carfomann
Baiern als ein befonderes Königreich bekommen, fo habe auch
diefes wieder feinen eigenen Cameræ nuntium oder Pfalzgrafen,
welche Herr du Buat miteinander zu verwirren beliebet, . has
ben muͤſſen; und er iſt auch fo gluͤcklich, ſolchen im Jahre 883
in einem Meginhard, Comite Palatino zu finden (h), Mit die
ſem befchließt er die erfte Reihe feiner baierifchen Pfalzgrafen,
Denn diefes Amt: verliert fi) ihm unter Herzog Arnulfs Negies
mung in diefes Heren Familie, Er beftellt noch bey deſſen Leben
feinen mittlern Sohn Arnulf zum Pfazgraf in Baiern, und laßt
Ihn nach) dem unglücklichen Ende des Herzogs Eberhards Comi-
tis Palatii, die oberfte Reichspfatzgraffchaft dazu erwerben. Weil
er aber in dieſem 10 Jahrhunderte vor und nach Arnulf dem jüns
nl } ; sen
—
m - 7.0: < Crotius
gern keinen baieriſchen Pfalzgrafen auftreiben Tann, fo meynt er/
daß dieſe Provinzialwuͤrde eben nicht ſo hochgeachtet worden, und.
daher deren Befiser den Titel-davon zu führen nicht befliffen ge⸗
wefen. Erft ums Jahr 994, alfo unter den Zeiten. K. Otten des,
HI erfcheint wiederum ein Comes Palatinus-in der Perſon des
Aribo, Stifter des Klofters Seon (i). Um feine Muthmaßuns
gen zu vermehren, fo giebt er dieſem aͤchten Pfalzgrafen Aribo,
noch einen Vorfahren in Adelbert von Mertal, dem als einem:
rechten Erben obgemeldten Ratolds die Comitia der Pfalz in:
Baiern wieder zugeftellt worden. Da aber diefer Adelbert von
Mertal und Pfalzgraf Arnulf, der jüngere, zugleich gelebt haben:
und jener ſchon zwey Jahre vor diefem geblieben ift, fo nimmt
der Herr Ritter Arnulfen die Provinzialpfaßgraffhaft wieder,
um fo cher, da er ſchon Erzpfalzgraf des Reichs geweſen, wo⸗
bey er fi) irrig auf Tolnern bezieht, der nicht daran gedacht
bat, Arnulfen zum Nachfolger feines Pfalzgrafen Eberhards zu
machen. Der Herr Perfaffer bauet endlich felbft nicht gar viel
auf die bisher aus ihm erzehlten Einfälle, wann er ſagt: Hallui-
nor, ut vides, audalter , fed nolo, ut tibi offwiat pudor meus, maloque *
audax videri, quam vefligia non indicare, que felicius forte fequeris,
Mit dem Pfalzgrafen Aribo fangt derfeibe nun eine neue Neihe
an, die aber durch feine allzuvielen Muthmaßungen, welche er an
die Stelle mangelnder Nachrichten zu feßen pflegt, und darauf
fih gründenden Gefchfechtsverbindungen , fehr abweicht von |
den beſſern und gewiffern Nachrichten, Die der würdigfte Dis
rector der biftorifhen Elaffe, Herr E. 5. von Pfeffel in den -
Monumentis Boicis und zwar den darinn enthaltenen Monu-
mentis Seonenfibns, Rotenfibus &c. zum größten Vergnügen al? |
fer. Liebhaber der deutſchen, befonders baierifchen, Gefchichte bes |
kannt gemacht hat. Sch verlaffe aber bier Baiern, und verfpare
in die deitte Abtheilung —— den Urſprung der Pfalzgrafſchaft
in
J
—
von den Landpfalzen. 67
er anders zu beftimmen;, ‘Als auch gedachte baierifche
Denkmale von Aribo an zu benußen. Was fonften die baieri-
ſchen Sn ventin und Zund von dem Amte der
Pfalzgrafen geſagt haben, werde, ich in der ſatcade Abtheilung
an feinem Orte anführen.
(a) In ‚Originibus Boicæ domus, Norimb. 1764: T. U, L. IX,cH
6b) L. c. $. Il, Pag. 95.
ue) Jn-Meicbelbed hift. Frifing. T. 1, P. Il, n. DXL, p. 285. Nach
— "der Indi&tion müßte es 828. feyn.
(ed). Siche in Bouquets feript. rer, Gall, T. VIII monitum in Ludovici &c,
» Baioariæ & Germaniz regis diplomata p. 417; und in Hunde me-
Elsa ;: eropoli Salisburg. T. I, edit. Gewold. p- 160. woſelbſt in einer
Kar „ Fegengburgifchen Urfunde, das 18te Jahr. der Regierung des frommen
Ludewigs mit dent 6ten Jahre der Regierung K. Ludewigs in Baiern und
der gten Indiction verbunden ſteht; und mithin die baieriſche Regierungs⸗
bahre von 825 an gezählt werden, desgleichen T. Il, p.9. m. VI;)bey
Meichelbeck 1. c. in den Urfunden p. 284 und 289 ꝛc. befonders p.
102954 Aus welchen auch zu erſehen iſt, daß das Jahr 826 das erfte Jahr
nit, ipfe annus, quo filius ejus Ludovicus in Bavariam venit pag.
‚261--263, das Jahr 828 aber dasjenige, in welchem Ludewig der Deut-
ſche mit feiner Gemaplinn dahin zurücgefehrt ift im Monat May; p. 271.
ce) Ein ſolcher fheint der Graf Ernft ‚gewefen zu ſeyn, der auf Befehl K.
Ludewigs an dem Eöniglichen Hofe Gericht hielt , nad) ‚einer freyfingifchen
’ Urkunde von 955. bey Meichelbeck 1. c. n. DCCIH, p. 350.
‚Bi: © Timo heift Palacii Comes bey Meichelbeck 1. c.n. DLIX, p- 293.
Fritilo aber im Jahre 843, mac dem- verdunifchen Theilungsvertrage
ee Palatinus Comes 1. c. n. DCXXIX, p. 320; "unterm Jahre 345, n.
a DCXXXV, p. 324. Palatii Comes. &ie-gehen jeder den übrigen
Ak Grafen in der Zeugenunterfehrift vor. Schon Eckhart in Comment,
"FW deR.F.C. führt unter den Jahren 831 und 243 diefen Timo und
N Feitilo als Comites Palatii oder Palatinos in Baiern an. Ja er Iegt
dem erften ben I. c. T. Il. p. 245, was in dem von Meichelbeck in
hift. Frifing. P, U. Inftrum. n. XXI, p. 38 edirten Carmine de
52 Ti-
. Crollus
Timone Comite & de miraculo fontis 8. Corbiniani &e, bon einem
koͤniglichen Miflus -gefagt wird. Herr du Buat i in Orig. Boic. Vol, I,
P- 91, iſt vorſichtiger und beſtimmt hierinnen nichts, indem er fagt:
Nec de Timons illo accipio carmen , od Meichelbeckius exhibet: in
taudes Timohis Comitis mi: regis conferiptum, qui jüs dicebat
incorrupte in Bavaria, quique collem adiens Frifingienfem, ubi mie
dabat S. Stephanus,. fufpendi jubebatlatromes yıisaliisque pedes,
eliis manus, aliis nares adimebat, qua feviendi in graflatores po-
teflas maxima pars fuit muneris, ut. poflea dicemus. Der: Anfang
bieſes Gedichts aber laͤßt und errathen, in welche Zeit, Tiemo, miflus
vegius in Baiern zu ſetzen feye, quod contigit anno, cum Romam
"Sudor agebat iter. Dieß ift das Jahr 1046, da der Bifchof Suitger
don Bamberg feinen Aufzug nah Nom that, allwo er. zum Papſt be=
feat worden war. Schon 1041 Fommt diefer Timo als Miflus regius
‚vor, in Meichelbeck 1. c. Inftr. n. MCCXVII, p. 510. und war fein
anderer als Timo Comes Provincialis.
G) Daß ein Miflus regius in feinem Miſſatico als ein Comes Palatii ge⸗
richtet habe, lehrt Karl der Große ſelbſten in einer Urkunde, Ughelli
Ital. facr. p. 187 und 188: bujus noſtræ, ſagt derſelbe, confirma-
tionis pagina concedimus ejusdem Epifcopi miſſo vel vicedomino, ut
fit nofter miffus, & habeat poteſtatem deliberandi atque dijudican-
di tanquam noftri Comes Palatii.
(b) Meginhardus Palatinus Comes bey Meichelbeck 1. c. n. DECCLXVIL.
pag. 394
(i) Veit Arnped in feiner baierifchen Chronik L. IV, c. 8. führt folches
alfo an. Anno 994. Aribo Comes Palatinus tempore Imperatoris
Ottonis IIl. ex cafıro Comitatus fui dito Pirgel monaflerium feun |
eonftruxit. In der päpftlichen Beftätigung, wie auch in dem Priviles
gio K. Otten des III. vom Jahre 999. wird er nur Arbo ‚Comes ge=
nannt; Monumenta Boica, Vol. Il, p. 123-125; aber in dem fehr
alten Necrologio des Klofters wird ihm ausdrücklich der Titel beygelegt |
Aribo Comes Palatinus fundator hujus loci hic jaceh. |
5. 4.
.
—— von den Landpfalzen. 69
Bunt mann ae a ‚ot
Machdem im Jahre 976 Kärnthen von dem baierifchen
Reiche oder Herzogthume abgefondert worden, und in Henrico mi-
nore dem ohne eines. baieriſchen Grafen Dertholds, weichen
der gelehrte P. Froͤlich zum Water Arnulf des jüngern, geweſe—
nen baieriſchen Pfalzgrafen giebt, einen beſondern Herzog bekom⸗
men, ein Theil von Italien als eine Mark dazu geſchlagen wor⸗
den, und ſolches Herzogthum nebſt der Mark von Aquileja und
Verona feitdem immer feine von Baiern unterfchiedenen. Herzöge
behalten; fo entfteht die Frage, ob nicht auch diefes Herzogthum
feine befonderen. Pfalzgrafen gehabt habe. Der P. Froͤlich hat
ſich daher ir feinem erläuterten kaͤrnthiſchen Herzogthume auch be⸗
ſonders darquf eingelaffen (a). Er zweifelt aber, daf ein Pfalz»
graf zu dieſen Zeiten in Kaͤrnthen geweſen, und macht ſolches
nicht allein aus dem Stillſchweigen der Urkunden, ſondern auch
daraus wahrſcheinlich, weil kein koͤnigliches Palatium noch Villa
in dem eigentlichen Kaͤrnthen vorkomme (b). Erſt in dem 13ten
Jahrhunderte (c) findet man mit Gewißheit die Grafen von Goͤrtz
als Palatinos Carinthie; aber es ſcheint auch eben fo gewiß zu
feyn, daß diefelben Feine Eönigfichen Legati gewefen, fondern ledig
von den Herzogen abgehangen haben (d). Sch will mich alfo
nicht weiter hierbey aufhalten, weil doch der äftefte Urfprung der
Prosinzialpfafigrafen feine Erläuterung daher empfangen Fann.
(a) In Specimine Archontologiz Carinthiez, Viennz &c. 1758. P. II,
c. VII. de Comitibus Palatinis & Landgraviis Carinthig, p. 117. fq.
.® Es fommen dennoch predia juris regii in der Färnthifchen Provinz vor ;
fiehe 3. E. in einer Schenfung K. Heinrichs des Heiligen in Metropoli
Salisburg. T. T, -p. 96. nad) der gewoldifchen Ausgabe. Uebrigens
will ich Mosburg betreffend , als welches, wie Froͤlich aus dem Ano-
nymo Leobienfi anführt, die Burg der Färnthifchen Pfalzgrafen war,
eine, von demſelben nicht bemerfte Stelle des Alberici monachi trium
53 fom
70 8. E: Crollius
fontinm vom Jahre 880. anführen , da er von Ludwig dem jüngern, als
er feinem Bruder Karlomann in Baiern gefolgt ift,, fast: Arnulfo
quoque Ducatum Carentani cum. caflro Mofeburg‘ tradidit,
(c) DBetreffend den im IL Jahrhunderte vorkommen ſollenden kejein oder er
fin, fiehe auch Erollius erläuterte Reihe x. P- 34. not. 82.
¶d) Die Urſache mag wohl ſeyn, weil Kaͤrnthen nur eine Marchia titulo Du-
cali inſignita war, und in Markgraſſchaften feine Pfalzgrafen ſeyn ſollten.
en a Sr
J Von den Pfahetafen in Schwaben J welche zu thin
ihren Hauptſitz gehabt haben, bat 1751 der Prof. J. 3. Helffe⸗
rich eine eigne ‚Abhandlung, ‚berausgegeben (a)... - Er kann aber
‚mit feiner meiſt aus den cruſiſchen Annalen entlehnten unvollkom⸗
menen Sammlung von Nachrichten nicht hoͤher, als gegen das
Ende des eilften Jahrhunderts hinaufkommen. Eben ſo wenig
hat der geheime Archivarius Sattler (b), feine fonft ordentlicher
zufammen getragene und reichere Reihe der ſchwaͤbiſchen Pfalz⸗
grafen hoͤher treiben koͤnnen. Trithemius (c) reichet ihnen den
erſten Pfalzgrafen Chuno dar, unter dem Jahre 1080; nach wel⸗
cher Zeit unmittelbar die Gebruͤder Anſelm Pfalzgraf von Tuͤbin⸗
gen, Hugo und Sibotto Graf von Ruͤck erſcheinen. Alſo Fann
uns dieſer Anfang nichts zur Entdeckung des Zeiturſprungs der
Pfalzgrafen in den Provinzen beytragen. Sonſt aber, handelt
Lelfferich deſto weitläufiger von dem gemeinen Urfprunge Der
Pfalzgrafen und deren Nothrvendigfeit Amt und Würde in Anz .
wendung auf die fchmwäbifchen Pfalzgrafen zu Tübingen. Zuerft
redet derfelbe, nachdem er eine allgemeine Anzeige von dem frän-
Eifchen Hofe und Neihsämtern gemacht, insbefondere von dem
einzigen Hof und Reichspfalsgrafen oder oberſten Hoftichter, und
pflichtetTolnern bey, der die aachiſchen Pfalzgrafen zu Nachfolgern
— macht. Sodann kommt er auf die Provinzialpfalzgra⸗
go fen,
| von den Landpfalgen. "Sn
fen, die er mit Bonring und Spenern für, die, eigentlichen Nach⸗
folger der Eöniglichen-Millen oder bevollmaͤchtigten Eommiffarien
hält. Nach jenem, fest er dDiefe Veränderung, wodurch die Pfalz-
grafen an die Stelle der Millen getretten find in die Zeit der
Kaifer und will diefe Landpfatzgrafen nicht mit dem fränfifchen
oberften Hoftichter und deffen Beyfigern, die öfters auch den Beys
namen der Pfalzgrafen ‚tragen, verwirrt wiſſen. Unter diefer
Idee betrachtet er fie in den Provinzen Sachſen, Baiern, Schwas
ben und Franken, in welcher letztern er aber nichts als Dunfelz
heit findet. Was er weiters zur. Erläuterung der Amtsverrich⸗
tungen diefer Pfalzgrafen beybringt, ſoll an feinem Orte nicht
vergeſſen werden. Dbengerühmter Sattler ift viel Fürzer in Ans
fehung des Urfprungs der Pfalzgrafen, deffen Beſtimmung nad ihm
nicht wohl mögfich fey ; ift aber doc) mit Bonring und Beffel der
Meynung, daß vor den fächfifchen Kaifern Fein Palatinus Provin-
cialis zu finden feye, indem die Gefchäfte deffelben vorher ein
Theil der Commißion Föniglicher Millen gewefen, ehe die Pros
vinzen wieder durch Herzoge flatt der Millen vegiert wurden. 4
(a) Io. Frid. Helfferichi &c. Schediasma hiftoricum de ——— Sueviz
Palatinorum Tubingenfum familia longe illuftriflima, fatis, terris,
oflicio, dignitate & prerogativis. Tubinge 1751.
(b) Hiftorifche Befchreibung des Herzogthums Wuͤrtemberg ꝛc. Stuttgard uns
m Eftingen 1752, zweyter Theil, cap. XXV. p. ı -- 20,
— (9 In Chronico Hirſaugienſi Tom. I, pag. 252, nad) der S. galliſchen
Ausgabe.
1 To 2»
“nu: 8⸗
wa nr
x
| = 8 Seottiusn
Zweyte Abtheilung,
worlnnen das Amt der — **
beſchrieben wird.
5. 1.
ine aufgeklaͤrte Idee von dem Amte der Pfalzgrafen kann uns
*
⸗
leichter die Epoque finden laſſen, da fie nach Beſchaffenheit |
der Zeiten und der Veränderungen in dem Deutfchen Reiche noth⸗
wendig feyn Eonnten, und in den Provinzen ihren Anfang gehabt
haben. Es wird ſich fodann auch beffer eine Vergleichung ans
felfen laſſen, zwifchen ihnen und den vorherigen fränkifchen Beam⸗
sen, die ihnen aͤhnlich feyn mögen,
52
Man ift vors erfte darinnen einig, daß die Provinzial⸗
pfalzgrafen koͤnigl, Richter geweſen: allein man hat noch nicht deut⸗
lich genug ihr Verhaͤltniß gegen die Herzoge, Markgrafen, Landgra⸗
fen und Grafen, noch auch den Umfang und Die Graͤnzen ihres rich“
terlichen Amtes gezeigt. Es kann aber folches nicht beffer betrach-
tet werden, als wenn man den Pfalzgrafen oder Judicem Pala-
tinum , theils als Schuftheißen, Vicarium, Legatum des Königs,
andern theils aber auch zugleich als Schultheißen und, Stellbe⸗
fißer des Herzogs in. einer Provinz anfiehet. Um Diefes Doppelte
Verhaͤltniß des Pfalzgrafen als Landrichters in einer Provinz in
ihr gehöriges Licht zu fegen, mache ich einen Auszug von dem
vollkommenen Gemählde, welches der vortrefliche Lehrer der Deuts
Shen Rechten, der Freyhere von Sentenberg von der Gerichte |
barkeit in Deutfchland entworfen hat (a). Derfelbe theilt zufüre |
derft alle Gerichte in Eigen und Freygerichte. Jene waren ein
am
|
— ⸗
ö— — nn —
— —— En an ae ee
|
Stuͤck des Dominü und giengen auf des Deren Eigenthum, die |
von den Landpfalzen. — v3
Angehörigen dienftpflichtigen , Teibeigenen Perſonen, und die Jure
Dominii angehdrigen Sachen. Die Freygerichte aber find aus der
Dberherrlichkeit oder Imperio abzuleiten, und waren über die freye
Leute beftellet, über Leibeigene aber nur in Eentfällen. Diefe
Sreygerichte waren von verſchiedenem Grade. Die unterfte, klei—⸗
nere oder niedere Freygerichte hießen ſchlechterdings Cometia oder
Gerichte, zuweilen auch Landgerichte, und hiengen Anfangs von
der Föniglichen Gewalt ab, weil Niemand fonften eine Gericht:
barkeit über freye Leute haben Eonnte (b). Die zwote Efaffe,
unter welcher die erftere Art der Freygerichte ftunden, waren die
größere Landgerichte, oder Landgerichte fehlechterdings, dergleichen
den Landgrafihaften, Markgrafſchaften und größern Graffihafs
ten eigen waren, und wo fie nicht Ständen, als Landsgerichtes
herein, waren von den Königen überlaffen worden, durch Judices
oder Advocatos Provinciales an des Königs ftatt verfchen wur⸗
den; weder den Eleinern noch größeren Landgerichten aber war
alles unterworfen. Es gab Biſtthuͤmer, Kiöfter, Kirchen und
Städte, die davon befreyet waren, und in welchen diefelben entz
weder felbften oder durch Advocatos, in Städten, aber die Comi-
tes Civitatum, Schultheißen und Voͤgte, die Gerichtbarkeit vers _
fahen. Ya e8 waren folche exemte Stände und Städte oft nicht
einmal der dritten und größeften Art der Landgerichte gazzer Pro—
Dingen, oder den herzoglichen Dofgerichten unterworfen, und ftuns
den alsdann zu Gerichte vor dem Pfalzgrafen als Landrichter,
oder nachmals dem Hofrichter (c): ja wann die Miſſi regii oder
Legati in einem ſolchen befreyten Ort Gerichte hegten, fo gez
e es data licentia. Die dritte oder größefte Art der Lande
waren die Landgerichte ganzer Provinzen, welche, nach⸗
dem Deutfchland in große Herzogthuͤmer vertbeilt geweſen, durch
die Herzoge Namens des Königs beforget worden. Diefer Herz
ws Dieb zum Unterſchied anderer, die aud) ‚Duces genammt ware
} 8 den,
74 G. C. Crollius
den, Palatinus Archidux (d). Ein ſolcher Herzog, Dux —
war in allem ein Gleichniß und Vertretter der koͤniglichen Ges
walt, der auch eben diefelben Officialen von feiner Provinz, wie
der König von dem ganzen Reiche, hatte. Des Herzogen confel-
fus provincialis, wobey Gerichtbarkeit gepfleget wurde, hieß Pa-
latinus Conventus (e). Derfelbe hatte einen Legatum regis in:
dem Comite Palatino , als der fein Schultheiß oder in Abweſen⸗
beit fein Stellbefiger war, wie der König an dem Comite Palatii fu-
premo, und jeder Graf an feinem Vicario oder Prefeeto, einen
Schultheiß hatte (k). Alſo war der Landpfalzgraf fürs erſte der
Fönigliche Landrichter in der Provinz über alle befreyete von den
gräflichen und herzoglichen Landgerichten (g) ; zum andern dee
Föniglihe Schuitheiß des Herzoges, welcher auch in deffen Ab⸗
wefenheit die Stelle des Herzoges in der Provinzialpfalzgerechts
barkeit zu vertretten hatte. In der erftern Eigenfchaft richtete er
unter föniglichem Bann, wogegen der Markgraf unter eignem
Banngerichtbarkeit in der ihm anvertrauten Gränzpräfeetur übte,
Wann es alfo in dem alemannifchen Lehenrecht c- XLIV heißt:
Wo dem Manne feine Gewer mit Gewalte genommen
wurt, der fol fine Clagen yerlichen ernuwen vor dem obern
Herren, oder por dem Bunige, oder vor dem Kandtrichter;
Das fol er tün Darumb das er der Gewer darbet; fo ver⸗
fichet Schilter unter dem Landrichter, der ftatt des Königs, im
Fall ein unmittelbarer Vaſall von feinem Lehensherrn des Lehens
fpofiert worden, zu richten hatte, ganz unbedenklich den Comitem
Palatü in der Provinz. Dann da nicht die ganze Provinzen den
Herzogen, Markgrafen und größern®rafen waren verliehen worden,
ſondern nur ein Theil derfelben mit dem Fürften Ambacht, Eraft defs
fen fie in eignem Namen über die mittelbare freye Leute richteten,verz
Enüpft war : fo feye hingegen der Pfalzgraf, Landvogt und Reiche-
burggraf Richter über die unmittelbaren Freyen geweſen. Daher
das
von den Landpfalzen, 75
das fächfifche Landrecht (h) fage: Palansgravii feu Palatini & Lant-
gravii fub banno ut Comites jüdicant Regis; E ideo eis fexaginta fo-
Kdi pro mulöta dantur. Cuilibet Marchioni XXX, folidi mulöiz dantur,
'€3 ipfe judicat fub gratia £9 homagio fuo, und an einem andern Drte:
‘Marchio judicabit fub fibi praftito fidelitatis juramento poft fex hebdo-
mades. Zn Rücklicht auf dieſes Landrichter= oder Landvogtsamt,
fo fie unter koͤniglichem Bann verwalteten, werden fie von den
Gefchichtfihreibern regalium decretorum maximi principes (i) und ihr
Amt eine Monarchia Palatii (k) oflicium five Comitia Palatii rega-
lis (I) und Momentum curi® (m) genannt. Als K. Heinrich der I
im Jahre 1004, felbften nach Stalien zog, und bey feinem Ein-
feitte einen ftarken Widerftand von dem Afterfönige Ardoin zu erz
warten hatte, fo ließ er Durch den Comitem Palatinum (e8 mag
nun folches der Färnthifche Herzog Dtto, der als Dux Franco-
rum Comes Palatii primarius war, oder ein deffen St:i’s vertret-
tender vice Comes Palatii, oder fonften ein begleitender Pfatz-
graf geweſen feyn), unter Eöniglichem Bann in dem ganzen Heere
ein durch Kebensftrafe gefchärftes Eönigliches Verboth des Aug:
‚reiffens ausgehen (n), woraus doch fo viel erfichtlich ift, daß der
fönigliche Bann befonders dem Pfalzgrafenamt affectirt war.
Jedoch wir Dürfen die Beweife davon nicht im Kriege, und von
dem Heerbanne holen, da wir den- Pfalzgrafen fetbft in den Pros
vinzen als Richter oder Föniglihen Schultheißen in Fällen, wel
che für den König gehörten, erblichen. Die Urkunde vom Zahre
993, worinnen K. Otto der III dem Bifchofe zu Worms gewiſſe
Güter fehenkt, welche in dem Bunnengau unter der Graffchaft
Pfalzgrafen Hermanns Tagen (0), befagt, daß diefe Güter einem
der beleidigten Majeftät ſchuldigen Wicelin gehörig geweſen, dem⸗
felben aber in Beyfeyn ermeldten Pfalzgrafen, nach dem Rechte
und Urtheile der Beyfiger abgefprochen, confifeirt und fofort dem
Biſchofe übergeben worden. Dahin bezieht ſich auch eine Schen⸗
82 kungs⸗
76 G. C. Crollius
kungsurkunde K. Heinrichs des III vom Jahre ross, worinnen
er dem Stift Paffau die Güter verfeihet in gewiffen Dörfern,
qua habuit Rachwinus, in Palatino placito reus majeflatis eriminatus &$
communi omnium judicio capitali fententia dammatus (p). Ungemein
merkwuͤrdig ift auc) in Diefem Betracht das Weißthum der Rechte
eines Vogts der Füniglichen und unmittelbaren Abbtey Epternach
vom Jahre 1095, als mworinnen gefagt wird, daß der Stiftes
vogt, Graf Heinrich von Luxenburg, die gewaltthätig fich anger
maßte Rechte dem Klofter wieder zugeftellt habe, prafidente Do-
mino Heinrico Palatino Comite, cui a domino noſtro glorioffimo Impe-
ratore Auguflo Henrico in Italia exercitum ductante, Imperü commiſſæ
funt habene (9). Da die Provinzialpfalzgrafen nicht in Sachen
höherer Stände, als welche für die Könige felbften gehörten, fo :
vie chedem der Comes Palatii richten Durfte, fo verlieh hingegen
K. Heinrich der IV als er in Stalien-zog, unferm Pfalzgrafen
die höchfte Gewalt in der Eöniglichen Abbtey Epternach. Kein
Vogt Eonnte in derfelben ein placitum legitimum halten, wenn
er nicht mit dem EFöniglichen Banne (r) belieben war, welchen
aber der damalige Stiftsvogt nicht hatte. Daher eben der Pfalzs
graf die Eöniglichen Nechte dafelbit zu üben befam, nach deſſen
Abſterben, Wilhelm, des obgedachten Graf Heinrichs Bruder
und Nachfolger in der S tifts Vogtey die auctoritatem Imperia-
lem oder den Ebniglichen Bann erhielte (s). Im Jahre 1147
ließ R. Konrad der II in der Abbtey Werden an der Rur, durch
den Pfalzgrafen Hermann, "ihre Rechte der freyen Schiffart un
terſuchen, und fprach ſolche ihr wieder vollkommen zu, Judieie ')
principum regni, pofito banno, Eben diefe Abbtey erwarb fich durch |
‚Kauf den Hof Angern ꝛc. in prefentia & placito Domini Herimanni |
‚ Comitis Palatimi prafidente vice ejus Comite Hermanno de Hartenberg,
‚Advocato Curtis (t). Eine bereicherte Gefchichte der Pfalzgrafen
in den Provinzen kann noch mehrere Beyfpiele dieſer Art an die
Hand
von den. Pfalzgrafen. 7
Hand geben. Ob man hieher rechnen koͤnne, was Pfalzgraf
Friedrich von Sachſen, in der Streitigkeit zwiſchen dem Biſchofe
zu Halberftadt und dem Abbte zu Hersfeld betreffend, die von je—
nem weggenommenen Elöfterlichen Decimationes inSaxonia gethan
hat, mag ein Seder felbft. urteilen nah der Erzehlung Lam⸗
berts von Aſchaffenburg unterm Jahre 1059. Genug daß ſchon
aus obigem erhellt, daß er der koͤnigliche Nichter über die Ge-
freyete, und in den vefervaten Landen, Pfalzen und Höfen des
Königs feyn mußte In dem Belehnungsbriefe, welchen Kaifer
Karl der IV dem Landgrafen von Thüringen über die fächfifche
Pfalzgraffchaft zu Lauchſtett im Jahre 1350 ertheilte, wird die
Pfalzgrafſchaft demfelben geliehen mit Mannfchaft, Lehen, Geift-
lichen umd IBeltlichen mir dem Banne, das man nennet Obriſt⸗
gerichte, mit allen Bannftücden zc. (u). Ron placitis publicis
des Pfalzgrafen Friedrichs zu Summerfenburg, und nachher defs
fen Sohns Adelberts die zu Sehufen gehalten worden, und wos -
felbft ein von dem Kloſter Hammersleben getroffener Kauf von
dem Iestern Pfalzgrafen mit dem Eöniglichen Banne befeftiget
worden, giebt ebengedachten Pfalzgrafen Adelberts Urkunde vom
Jahre 1163 einen authentifchen Beweis (w). Dergleichen placi-
tum folleımne hielt auch der Pfalzgraf Rapoto in Baiern in dem
Jahre 1217 zu Chirſtorf (X).
=
wichtiges Denkmal des blutvogtheyfichen Amts der Pfalzgrafen
aufbehalten, wenn er den letzten Pfalzgraf Dtten von Wittel-
fpach, den er jedoch irrig Bertolf nennet, als einen ausſtreifen⸗
den Nichter darftellt: Bertolphus Palatinus de Witilimbach judex erat
Severiffimus, ita ut furibus , etiam pro dampno unius oboli vitam aufer-
ret. Et fius a quodam Abbate audivi, quotiens exiwit, laqueos cingulo |
fuo appendit, ne reorum pena caperet dilationem -- Et quia idem Pa-
latinus fine mifericordia judicavit, cum in ultionem Philippi Regis , quem
occiderat, ab Henrico, Marfchaleo ejus , interficeretur , mifericordiam
quafivit , non invenit. Als nachher die baierifche Pfalzgrafſchaft
nad) 1244 mit dem Herzogthume confofidirer worden, fo haben;
| wie
—
Dunn
von den Landpfalzen. 85
wie Zund (0) lehret, die Herzoge an ihrer ftatt die Bisthume und:
Rentmeiſter aufgerichte. Man darf aber nur die Urkunden ans
ſehen, welche das Amt der Vitzthume bejtimmen (p), fo erfiehet
man gleich, daß die Gewalt Diebe und Räuber aufjufuchen und
zu befträfen ein Stück deffelben gewefen fey. Eben angeführter
Cafarius (q) hat uns auch von Heinrich, dem Braunfchweiger,
Pfalzgrafen bey Rhein, eine hieher gehoͤrige ſchoͤne Nachricht mit⸗
getheilt: hic nobilem quendam virum prædonem, per judicium capital;
fententia damnavit &ec. Daß die Pfalzgrafen bey Rhein, welche
weniaftens vom 12ten Jahrhunderte an das Erzpfalzgrafenamt
beſeſſen haben, die Blutvogtey und Ausſtreifensgerechtigkeit in
noch vollkommnerer Maaße gehabt haben, iſt wohl nicht in Ab⸗
rede zu nehmen. Ich will mich jedoch nicht auf das Verfahren
Herzog Ruprechts des TI gegen die Raͤuber, wie auch Friedrichs
des fiegreichen Expedition gegen die Näuberifche von Adel beru-
fen, fondern bewerfe mich fürs erfte nur auf das den Pfalzgra⸗
fein zuſtehende beſondere Regal der Geleitsgerechtigkeit, jus con-
ducendi per aliena territoria, welches ſich auf die den Reiſenden und
Handelsleuten zugewährende Sicherheit auf, Öffentlichen Lands
ſtraſſen und Fluͤſſen bezieht, und zu dem Ende eine Infpedtion
Öffentlicher Straffen, und das Necht des Ausftreifens Cindaga-
tionem & perfecutionem latronum, predonum & fimilium, per
quos vie public® infeftantur) in fich begreift (r) und mit der Vog⸗
fey des Rheinſtroms verknüpft zu ſeyn feheinet (s). Das ale
‚mannifche Lehenrecht giebt ung c. XLII, $. 7, (t) den andern
Hauptbeweis. Nachdem in demfelben gefagt wird, daß wenn
die Pfaffenfürften ihrem Vogte oder Schultheißen das Gericht
Über Todfchläge und Blutteunfen gäben, diefer von dem Könige
Alsdann den Bannum fanguinis zu empfangen habe. Ferner wird
gelehrt, daß, warn der König abweſend feye, er dem Herz
zoge von Sachſen als des Reichs Marſchall Gewalt geben konne,
a ſtatt
86 G. €. Crollius
ſtatt feiner den Bann zu leihen in Sachſen, Thuͤringen ze fo
wie der Pfalzgraf bey Nhein in den andern Neichspropinzen
diefe Gewalt habe; wobey befonders die Worte merfwürdig
find: Und ohne Ime (dem Pfalgrafen) der Bünig den Ge
walt lihet oder nüt, fo bett er doch den Gewalt den Bann
zu lihende das ift von dem Rechte. Schilter macht hierzu
die gegründete Anmerkung (u): Illud peculiare obfervat textus inter.
potefiatem Saxonis & Palatins, quod hujus femper fit ordinaria, etfi
non exprefje Imperator mandet Jurisdiötionem -- Hoc itague vuli, Comi-
tem Palatinum habere poteflatem de banno inveftiendo ordinariam ipfoque
jure: Saxonem extra Saxoniam nonnifi delegatam, Sollte bierinn
nicht zugleich der Auffehluß liegen, warum die Pfalgrafen bey
Rhein, in fofern fie Nachfolger der Comitum Palatii primariorum
geworden, als oberſte Blutrichter und Vögte des Reichs ihren dritten
Wappenfihild, ehe fie Darinnen unter Churfürft Friedrich dem IL den
Reichsapfel zu führen angefangen, roth folo cocco tinctam geführet
haben Cw); als welche Farbe den Blutbann undaud) bey andern
Ständen die verliebenen Regalien oder Landeshoheit bedeutet (X).
Wuͤrde nicht die Blutfahne mit dem Kreuse, als dem Älteften
Wappen des deutſchen Reichs (y) den vorzuͤglichen Charakter des
Pfalzgrafen bey Rhein und feines oberſten veichgrichterlichen Am⸗
tes, welchem auf eine ganz befondere Weiſe der Fünigliche
Blutbann eigen war, am beten bezeichnet, und die Erfindung
einer andern Erfüllung des Schilds unndthig gemacht haben (z)?
(a) Du Buat in Origines on Pancien Gouvernement &c, P. II, c. XXX, |
6. VIL, woraus ich nach der Weberfegung , Geſchichte der alten Staats—
verfaffung ze. 1763 , nur ‚folgendes anführen wid : Demnady gab es
zweyerley Art Domanial-Richter,, die Unterrichter, weldye Ma-
jores oder Sifcalprocurstoren waren, und die Oberrichter, wel⸗
de über eine gewiffe Zahl Föniglicher Haͤuſer die Oberbefchls-
babung hatten. Erſtere waren der Urfprung der Fifcalpro=
cur
von den Landpfalzen. 87
eurätoren, oder Schultheiße, an die Stelle der letztern kamen
die Pfalsgrafen in Deutſchland und in Italien hieß man ſie
Gaſtalden.
(b) Er war prætor noxæ & exactor debiti, wie a Frefne in Glofl. voce
Sculdais bemerkt; das Sculdedum ift nach eben demſelben, poena, ı noxa,
debitum, und betraf beſonders Diebe und Mörder ; fieh ihn ferner un-
ter dem Worte Scultetus: desgleſchen Pfeffinger in vitr. illut. T, IL,
p. 819. und die von ihm daſeloſt angeführten Schriftſteler, Buri in der
Erläuterung des Lehenrechts unter den Worten Sculdaftius p. 333. In-
dex p. 286. und Vicarius, vice Cömesp. 353. Der Schultheiß war
des Grafen Richter und Vikarius; ſieh Konring de Jul. Germ.
th. XX VII, und das refponfum juris Senkenbergianum , fo die XLVI
Beilage ift zur Abhandlung von der Faiferlichen Gerichtbarkeit in Deutſch⸗
land 21. p. 143 fg. So kann man den Pfafzgrafen nennen Judicem
Ducis, vice Ducem, Vicarium five Legatum Ducis. Schilter in
Cominent. ad jus feud. Alem, c. XLII, p. 234 (b). x
(ec) In Bouguets feript. rer. Gallic, T. II, p. 621.
(d) Bey eben demfelben I. c. p. 632.
(e) Capitul. Caroli Calvi, Tit. XI, s I, Tit, XU, $. 4, Tit. XII. |
gr & Ti. X, 7.
(f) Jener in hift. Ecel. L. II, «IV, * in Chron. Slav. L J, C X.
vergleiche damit den Annaliſta Saxo unterm Fahre 936.
> (8) Das ſchwaͤbiſche Lehenrecht c- XL, $. 2, fg.
6) Schilter hat in ſeinem Comm. uͤber das angefuͤhrte Capitul des ſchwaͤ⸗
,„*
—
biſchen Lehenrechts p. 224 fq. den zu Verſtaͤndniß deſſelben ndthigen Un⸗
terſchied ſehr gruͤndlich gezeigt. Das Gericht über Todſchlaͤge und Blut⸗
tunfen Eonnte ein Biſchof haben, und leihen, aber den Bann mußte als⸗
dann der Vogt oder Richter vom Könige empfangen. Jenes betraf vor⸗
nehmlich die Cognitionem cauſæ, diefer aber dad Jus exequendi.
.o In Origg. Boic. L. IX, «I, . 2. ſieh oben erſte rg §. 3,
ne
(k) In Append. Chron, Otto Frifing. c XVIE, bey Urſtiſius T. I, p. 20%
0) In Piftorius feript, T. 1, ꝑ. 302. nach der ſtruviſchen Ausgabe.
not. (8).
(m) Sieh
88
Km) Sieh in den Gundlingianis dad XXI Stüd, $ XIX, p. 36 iq.
'(n) In Keibnigens feript. Brunſ. T. UI, p. 520.
(o) Stammbudh P. II, p. >27.
% (p) In Gefele feript. T. U, p. 1 rund 113%
..£g) L. c. p. 516
!
4 R Sieh Yertlings Diff. de —— Palatnis, $. XVI, p. 71 fgg
® ‚Sieh Pfeffinger in ‚vitr, illuftr, T. III.
die Acta compromiſſi in caufa juris Wildfangiatus condudtus &
veltigalium &c. fo zu. Mannheim 1738 wieder aufgelegt worden, p.
223 fg. wie auch in dem diefen Actis angehängten Laudo Heilbron-
nenfi p. 355 fq. womit noch das der Stadt Nürnberg im Jahre 1356
berlichene Privilegium der Geleitsgerechtigfeit verglichen werden kann.
Daß übrigens die verliehene jurisdictio criminalis nod) nicht diejes Jus
perguirendi & puniendi latrones in viis publicis inferire, ja letzte⸗
res in altern Zeiten von jener ausgenommen worden ſey; lehret das
Privilegium , fo Bifchof Mbalheppaber, Lau Mes im Jahre 940 der Abbtey
S. Arnod daſelbſt gegeben. In demfelben ſchenket der Biſchof dieſem
Kloſter nicht allein terram in circuitu monaſterii coniacentem, ſon⸗
dern uͤbergiebt demſelben auch darinn den Bann unter der Einſchraͤnkung,
fus fuerit, per oſficiales loci (monafterii) diſcutiatur, neque a no-
ſtris miniſterialibus, niſi eis tradentibus poterit in jus trahi: mox
tamen ut in via publica, ‚que dicitur Regia devenerit, a noſtris
eaptus fecundum leges vindicabitur — Integrum eis bannum excepto
vie Regie concedimus. (Manfieht hieraus, daß, wenn aud) ein Stand
die Criminaljurisdietion, ja felbft den Blutbann in feinem Gebiethe hatte,
darunter doch die vie publicz five regie, fo wie die flumina pu- '
blica, nicht begriffen waren). Unter den Zeugen diefer Lrfunde die
man in Meurife hiftoire des Evesgques de Metz &c. und Calmet A
hift, de Lorr, T. I. probb. pag. CLXXXV fintet, if fehon ein
Hamadeus Comes Palatii, woraus fih Crollins Muthmaffung beſtaͤrkt,
daß der Biſchof zu Meg die Jura Comitum Palatinorum befeffen und
nachher der Palatinatus Metenfis von ihm als ein Lehen Ben Grafen
von Luͤneville gegeben worden: fieh deffen erläuterte Reihe a6. Pr 7-
ehr k ci 19) Sn
"ut-fi quis fuper eandem terram fur vel fanguinis effufor deprehen-
| £ von den Landpfalzen. 89
rl) In Schilters Cod. Jur. Alem. fend. p. 21. U.
c) In Comment. 1. c. ps 229.
‚mr (w) ©pener in Op. Herald. fpec. prolegom. $. —*
) Dei vortreflichen geh. Raths Reinhard Abhandlung bon der Blutfahne
— * bey deutſchen Belehnungen in den Karlsruher nöglichen Sammlungen,
| Stuüͤck, 1, 5 und 6 p. 46, $. XIII.
| 9) Sich Koͤhlers hiſtoriſche Muͤnzbeluſtigungen XII. Theil pag. 263 und
Heumanns Difl. de infigni Germaniz regis ejusque titulo. Al-
kr ' torf. 1744.
| (2) &p, wie der Comes Palacü und Senefchallus oder nachher Archidapi-
* fer, zu Zeiten „der Merovinger zwey verfchiedene Perfonen, und beyde
* Oberbeamten der Krone und des Reichs, höhere geheime und Meichs—
4 raͤthe waren, fo wie auch der Camerarius, Pincerna und Comes fta-
b buli. Im deutfehen Reich wurden die beyde Würden des Erzpfalzdra⸗
fen und Erztruchfeffen miteinander in den Herzogen der Franken, und
jwipubi 2. den Pfahgrafen bey Rhein verbunden. Nachdeme fie wieder in
Fa neuer Zeiten getrennt worden, fo behielt der Erztruchfeß den Meiche-
le apfel und der Erzpfalzgraf Hätte das angeführte infigne führen Fönnen,
6— * wegen einem andern Mye⸗ inſigni bekuͤmmert zu ſeyn.
au zn | y
| ꝝ⸗ dj - > , $ eg 5.
Die vierte Hauptfunction fege ich mit allen, fo da⸗
Pfalzgrafenamt beſchrieben haben, in der Oberaufſicht des koͤnig⸗
Fiſcus, der Domainen oder Kammerguͤter und der koͤnigli⸗
ben Einkuͤnften in den Provinzen. Er koͤnnte in ſofern mit dem Co-
Mite-rei private fowohl, als dem Comite facrarum largitionum
Der Römer verglichen werden, obgleich diefe Vergleichung nicht
allem Betracht richtig ſeyn doͤrfte; noch fehickticher aber mir
en Kammerprocuratoven oder Nuneien , obgleich dies
Amt von einem größern Umfang und Wichtigkeit geweſen
feyn mußte, da fie über Provinzen gefegt waren, welche keinen Herz
8 — nach errichteten Herzogthaͤmern ein großer Theil
M der
\ - ”
‚90 BT Crollius
der Provinz der Unmittelbarkeit und dem Domanio entzogen wor⸗
den ift. Genug die Pfalzgrafen waren doch die Kammerprocurato⸗
ren, in Abficht des der königlichen Kammer noch übrig gebliebenen
‚Domanüi und der Eöniglichen Einkünften jeder Provinz, wovon ein |
Theil denſelben als eine terra palatina zu ihrem Beneficio an⸗
‚gewiefen war. Alſo hatte Pfalzgraf Ehrenfried zu Aachen alle
Maiers , majores villarum, in ganz Miederlothringen unter fich |
nach einer bekannten Stelle des. Monachi Brunwillerenfis (a); |
der von ihm erzehlt, Daß er zur Zeit des Abfterbens feiner Ger |
mahlinn, der fächfifchen Mathilde, zu Aachen ſich aufgehalten ha⸗
be oceupatus cum totius Lotharingie majorum colloguio. Die Maires
‘oder Eönigliche Hofmeyer, waren die, welche mit den ‚Judicibus |
villarum regiarum die Aufficht und Einnahme in den koͤniglichen
Villis hatten (b). Diefe, hatte gedachter Pfalzgraf aus ganz Lothe
zingen, welches nach der Sprache der niederlothringifchen Geſchicht⸗
Schreiber, Niederlsthringen bedeutet (ce), zu ſich nad) Aachen beru⸗
‚fen, und dafelbft ein befonderes Colloquium (Conventum) pala- |
tinum- gehalten. Es Fünnte dieſe Stelle auch als ein Beweis |
feines oberrichterlihen Amts, welches fich die Eönigliche Doma- |
nial - Unterrichter fubordinirte, angefehen werden. Von dem
Pfalzgrafen Arhelbero von Sachfen hat der Lebensbefchreiber des
heiligen Bernwards, Biſchofs von Hildesheim, eines Enfels von
Ddemfelben, die zwar kurze, aber Doch wichtige Nachricht anfbes
halten, die einen Fingerzeig der pfalzgräflichen Præfecturæ fifei!
regii und der Füniglichen Exadtorum giebt (d). Athelbero, palati-
nus Comes, vır plurima virtutum laude infignis , commiſſu prefetture),
exaltionem magis ex debito, quam ex. intentione gerebat, cum prole
utriusque fexus felicifime abunderet. Daß in Baiern die Formull'
des Pfalzgrafenamts gleichfalls eine ſolche Auffiht und Oberein⸗
nahme in fich gefaßt habe, dörfen wir nach dem Zeugniß eines
Aventins und Hundes, deren Ölaubwürdigfeit in ihren einzel!
Nach⸗
A
—
von’ den Landpfalgen, gı
Nachrichten immer mehr durch Urkunden beftätiger wird, nicht
wweifeln/beſonders da nad) Confolidation der Pfalzgrafſchaft mit
dem SHerzögthume, an die Stelle der Pfahzgrafen wie Vitzthume,
ſo Rentmeiſter gefommen find (e). Es befagt aber ſolches auch
Deutlich eine Urkunde Herzogs Leopold in Baiern, vom Zahre
7140, welche über einen Tauſch zwifchen dem Abbt Erbo von
Brüfling und dem vegensburgifchen Burggrafen Dtto ausgefertis
get worden if. Denn weil diefer Ießtere dem Abbten benefcium
quoddam ad jus vegni pertinens übergeben hatte, fo beftätigte der
Herzog diefen Tauſche in prefentia prineipum terræ noſtræ vide-
leet Heinrici Ratisponenfi Epifcopi, Ottonis Frifingenfis Epifco-
pi, Ottonis Comitis Palatini &e, ftatimque per manum ipfius Ot:
tonis Palatini Comitis, qui tunc temporis advocatiam' gerebat fuper
bonis regni idem concambium perfecimus; : Woraus freylich erhels
Set, daß die Pfalzgrafen die Vogtey uͤber die Föniglichen Güter
fo befeffen haben, daß Feine Vertauſchung vderfelben ohne ihren
Beytritt geſchehen koͤnnen (ee): Diefe Rammerprocuratur in Vers
Bindung mit dem Ober-Dominal-Richteramt ift es, was in Urkuns
| den durch) Iudex publicus fuperioris ordinis reipublice procurator
angedeutet wird. Rs Dtto der II, da er die Abbtey Anden oder
Cornelius Muͤnſter das Privilegium, unter unmittelbarem höchften
und alleinigen Schuß des Königs zu ftehen, im Jahre 985. bes
ſtaͤtigt (E) befiehlt daher, ut mullus sudex publicus , Juperioris aut
iaferioris ordinis reipublice procurator ad caufas iudiciario more audien-
das, in cllulas, Ekclefias, aut villas , few reliquas poffefiones , quas
moderno tempore in quibuslibet provinciis aut territoriis Imperii noftri
- ingredi prafumat , wec freda out tributa, vel manfones aut
„ aut theloneum, ripaticum , portaticum, pontaticum „ falutati-
——— pulveratieum, trobaticum, aut fideiuſſores tollere, aut
domines tam ingenuos quam fervos ſuper terram iflius monafteri_com-
manentes diſtringere, nec ullas publicas funkliones , aut redhibitiones, ve]
| & M 2 illi-
J—
{
— 4 J— 4
92 Bro
ällicitas occafiones vequirere , quibus in alıquo idem monaflerium, fibigue
ſubiecli aliquod iniuſte patiantur incommodum --- Sed --- quicquid de,
vebus pranotati monaſterii fifeus fperare poterat, totum nos pradiblo com=i
eedimus monafterio , fieut & pradeceffores noftri --- Mercatum quogue
öbidem habendum, una propria cum moneta --.. ipfis ad fupplementum‘
hereditario iure concedimus. Dergleichen milde Befreyungen der Stife
ter von aller ordinairen richterlichen Gewalt, und alfo auch jener der
königlichen Oberrichter oder Pfalzgrafen, und der damit verbunde
nen Eöniglichen Fifcalprocuratur, Cindeme das Lus fifci excorpori⸗
ret und den Stiftern gefchenkt wurde) waren in den Zeiten der.
K. Otten befonders fo häufig, daß es überflüßig iſt, weitere Bey⸗
fpiele anzuführen; aber eben Dadurch mußte das Amt und De
partement der Pfalzgrafen immer mehr Einfhränfung erleiden;
ob fie gleich öfters das, was fie als ordinarii iudices nicht mehr.
fordern mochten „ durch befondere Delegation der koͤniglichen
Gewalt oder Ermwerbung des vogttheylichen Amts erhielten.
So war Pfalzgraf Hermanns des L Sohn Heilin vermuth⸗
lih Vogt des von ihm fo: reichlich begabten Klofters Kornelius
Münfter , wie auch nachher deffen Sohn Pfalzgraf Heinrich der IL}
mit dem Zunamen des Unfinnigen, Vogt in eben diefer Abbtey
geweſen (g). Von Epternach haben wir oben Beyfpiele gehabt(h). 1
Nicht allein aber ſchmaͤhlerten dergleichen befreyende Schenkungen |
an die Stifter, fondern auch die einreiffende Gewalt der Heros,
gen 2c. den königlichen Fiſcus, und fehränften den Umfang und: |
Wichtigkeit ihrer Procurator mehr ein. Ya, da die Pfalzgrafen 1
ſich felbften von dem koͤniglichen Fiſcus; wovon fie nicht alfeim
gewiffe Terras fifcales, fondern auch andere mit ihrem richterli⸗—
chen Amt verknüpfte Utilitäten, als den Föniglihen Bannpfenning: |
in den ihnen unterworfenen Fällen, und die aus dem Geleits— |
vecht entfpringende Vedtigalia &e. ſchon als ein Beneficium 'befaf@
fen; immer mehr zu bereichern ſuchten, fo mögen die Könige die
* noch
J
von den Landpfalzen. 93
noch übrige Domanialgefälleiandern außerordentlich beftellten Ein⸗
nehmern anvertrauet haben, fo wie wir bey dem Abbe Eonrad
don Urfperg leſen, daß K. Friedrich zu feinem befondern procu-
Tatorem per omnia regalia predia Suevie einen Degenhard von
Hellenftein beſtellt Habe (id); Wie demnach der koͤnigliche Fifeus
in den Provinzen größtentheils verfchlungen ward, fo wurde auch
die Obſorge deffelben, als ein fonft wichtiges Stuͤck des Pfatp
grafenamtes (k) vernichtet und deffen Anfehen unſichtbar.
.@ De venerabilibus Comitibus Palatinis Rheni &c. c. Ir, in Keibnig
2 — Mi * pP 3
.® Buri i in Erläuterung des Lehenrechts cp. 23. fg. Judex villarum und
Maiores pag. 295 , du Buat in — ou l'ancien ni
P. II, &. XXX $. VI & VIE
5 Sieh davon die Stellen derfelben in Pfeffingers Vitr. ill, T. T, p
j 266° fg. und Valeſi us in notit, Gall. voce Lotharingia p- 286,
* In Lebnizens ſeriptt. Brunſ. T.I, p. 42
.@ Sieh im folgenden S not. (b)
(ee) \ Here ee, five Hiftoria fundat. monafterü Prufling
93 In ON u Durand Colle&t. monum, &e. T. I, p. 335.
. ) Sich Crollius Zugabe zu der erläuterten Reihe ıc. p. 108.
6 Sieh Abtheilung 2,,$. 2. nebſt der Anmerkung (q), und die erläuterte.
* Reihe ꝛc. p. 23.
0 In Chron. ſub ‚Philippo Rege p. CCCXXV. edit. 1537. |
uk) Soltte dieſes nicht auch die höhere Obficht und den Wildbann in den khnig⸗
9 lichen Forſten begriffen, und die Pfalzgrafen mithin über die koͤnigliche
8 Forſimeiſter und Butieularios in einer Provinz gefeßt geweſen feyn?
ve Es fcheint ſolches aus ihrem obriften Gericht, fo fie Mamens der Kö—
wige befaffen,, und ihrer Procuratür des Fifeus ganz natürlich zu fol⸗
a re Darum berliehe auch K. Karl der IV. im Fahr 1356 die Pfatz-
* w⸗n zu Lauchſtedt mit allen Wildbannen, den: Landgrafen von Thaͤ⸗
v⸗xα M3 ringen
— G. Ch Crotlius
Me als Reichsobriſtenjaͤgermeiſtern, und die Folge der Jagd in alen
7 RAT — Platzaraſſcheſt. f — Yieitwsonp nyonabr
— * a a * un RT ae TE * —*
un # ' ” 6. Pr Bi} r > — —— J
Die ei oe —— in den Keicheprovinzen
erftlich Eönigliche Landrichter , welche: theilsim Namen der Könis
ge in Streitigkeiten der von den graͤflichen und herzoglichen Ges
sichten Gefreyeten, als Iudices emunitatis, Recht zu ſprechen hat⸗
ten, wo die Sache, nicht felbft von ihm für den König gebracht
werden mußte: theils aber in der ganzen Provinz eines ‚Herzogs,
als deffen. Schultheiße das obrifte Gericht. befaffen , und in Abs
wefenheit deffelben die ordentliche Stellbefiger waren ; fodann |
Blutvoͤgte, Friedensbeſchirmer in der Provinz, und endlich koͤnig⸗
liche Procuratoren des Fiſcus in einer Provinz und Oberſteuer⸗
einnehmer ꝛc. In dieſer Idee find ſchon Eigenfehaften Derfelben
entwickelt, welche den Landpfalzgrafen charakteriſiren und von al⸗
len andern officialibus regni des zehenden und folgender Jahr⸗
hunderten unterſcheiden laſſen. Auch ſind in denſelben alle an⸗
dere Amtsverrichtungen gegründet, welche man ihnen cumulative |
beyzulegen pflege. Man fieht aus der Verbindung des herzog⸗
lichen Schultheißenamts mit der koͤniglichen Procuratur und Land⸗
richterſtelle in einer Perſon, wie die Abſicht ihrer Beſtellung, alſo
auch eine Ik davon, daß der Herjog fich nicht der ihm ans
vertrauten Provinz zu fehr ermeiftern, fondern in feinem Gerichte |
und auf den Provinziallandtägen jemand neben fich haben follte,
der des Königs Rechte und Intereſſe wartete, und in nöthigen'
Faͤllen dem Könige feinen Bericht zu thun hatte. Daher fagt
Aventin: Nihil eitra eius aultoritatem Duci decernere aut Ratuere k-\
sechat. Si Reguli (Ducis). Stium difplicebat, intercedebant ipñ & ad)
Cafarem referebant (8) : und hiemit ftimmen außer dem fürtreflichen I
u- (b) faft alle, die von der Pfalzgrafen Verrichtung er.
haben, |
|
von den Landpfalzen. 95 \
haben, überein (, In Gefolge diefes Nechts Fonnte man bey
ihnen gegen die Herzoge und Grafen Klagen anbringen, worinn
Ahnen zwar nicht felbft zu richten, aber. doch dem König Informa-
tion zu. geben gebührte (d). Wenn hingegen zwifchen dem Kö-
ig und deſſen Unterthanen über res filcalinas Irrungen entfkuns
den, die bey dem koͤniglichen Gerichte oder Pfalzgrafengerichte
An der Provinz unterfucht und abgethban wurden, fo war er nas
tuͤrlicher Weiſe der Richter, der in folchen caufis fifcalinis den
YAusfpruch that Ce) , fo wie der oberfte Pfalzgraf des Neichs für
Den Richter des Königes in ſolchen und andern Fällen , welche
man aus der Gefchichte beftimmen muß, gehalten wird. Jedoch
dieſes erfordert eine beſondere Unterſuchung, welche mit den
Schranken dieſer Abhandlung nicht beſtehen kann. Ich glaube
genug geſagt zu haben, um in jeder deutſchen Hauptprovinz, die
einen Herzog hatte, Die Epoque der angeordneten Pfalzgrafichaft
zu entdecken; ich fagesin jeder Provinz, die einem Herzog unters
geben war. Dann ein Landgraf war. in einer Provinz, welcher
Fein Herzog vorgefegt war, das, was ein Pfalzgraf in der herr
zoglichen Provinz feyn follte (f). Jener war wie diefer Eöniglis
her Landrichter, und: führte auch wie diefer den Föniglichen Bann
uͤber die ganze Provinz. Die koͤnigliche Grafen, welche über bes
fondere Reichsburgen und. Gebiete (g), Desgleichen in den ges
feeyten koͤniglichen Stiftern (h) gefest waren, hießen Burgwarde,
oder feit dem 12 Jahrhundert Burggrafen. - Die Neichsburg-
grafen, follen nach einigen gegen die Markgrafen ein ſolches
Berhältniß gehabt haben, wie der: Pfalzgraf gegen den Her
309 hatte (i). Wenn man aber dergleichen in herzoglichen
Provinzen findet, fo müffen fie vielmehr als kleinere Pfalzgrafen
angefehen werden, deren Gerichtsdiftrikt nicht in den Umfang der
pfalzgraͤflichen Gerichte gehörte (K).. Ein Markgraf war der Nich-
ser mit militarifch herzoglicher Gewalt in einer Gränzpropiny, wel⸗
Br En che
+
N.
96 8:8 Erolius
che ein Herzogthum decken follte (I). Er führte feinen eighen
Bann (m) und war der nächfte in der Wuͤrde nach den Herzo⸗
gen, wovon der Grund in feinem militarifchen Amt Tiegen Tonne
fe (0), daher er auch manchmalen Dux, Marchio & Dux (0) ges
nennt wurde. Ihr Amt ift älter als das herzogliche (p), wurde
aber nach deffen Wiederanordnung im zehenden Jahrhundert dem⸗
felben untergeordnet (q)y. Nach den Herzugen folgten. demnach
die Markgrafen, welche meiftens einen höhern Rang hatten (r),
als die Pfalzgrafen, welche in den herzoglichen Placitis den Schuit⸗ |
heißen des Herzogs vorftellten. Da die höhere und eigentliche
Landgrafen von Herzogen unabhängig waren, fo pflegten fie in
Föniglichen Plaeitis und Reichsverſammlungen aud) oft dem Marks
grafen voszuftehen(s). Mit ihnen darf man abernicht die in mitt⸗
Fern Zeiten fetbft in Herzogthuͤmern ſichtbar werdende Landgras
fen, Sandrichter, Landvoͤgte vermifchen (U. Diefe hatten einen |
befondern Theil der Provinz als Landrichter unter fih (u), und.
machten alfo eine Ausnahme derfelben von der yfahjgräflihen Ges |
tichtbarkeit im der ganzen Provinz. Diefe letztere mögen einge |
führer worden feyn, um die oft gefährlich werdende Macht der |
Pfalzgrafen einzuſchraͤnken, und wer weiß was für Urfachen dere
gleichen Subftituten der Pfafzgrafen noͤthig gemacht haben. Wenn
man endlich die Verrichtungen, fo den Landpfahgrafen eigen ges
weſen, mit denen vergleicht, welche äftern Officialen der Könige:
zu den Zeiten der Merovinger und Karolinger, wie auch nachher,
obgelegen haben, fo wird man finden, daß jene zur Zeit der Ras
tolinger theils in dem Amte der Comitum regalium (w) theils in
der Obficht der Miflorum vice Comitis Palatıi (x) theils in der
Procuratur der Domefticorum (y) und koͤniglichen Domanial⸗
richter enthalten geweſen. Noch naͤher iſt die Aehnlichkeit, ſo fie |
mit den Föniglichen Legaten oder Vikarien (zZ) und Procuratoe'
yon (aa) der Könige in den Provinzen gehabt haben. Die fol⸗
J gende
von den Landpfalzen. 7
‚gende Abtheilung foll diefe Vergleichung rechtfertigen, indeme fie
B Zeiturfprung der Landpfalzgrafen beflimmen wird.
Ca) Die game Stelle, worin Aventin den Pfalzgrafen charakteriſirt, iff fol-
gende in Annal, Boicis L. IV. p. 296. Comes Palatinus a) vice
Cafaris, prafidendo fenatui provincie principali, fungebatur b),
fidem Imperatoris implorantıbus aderat, & c) ius diechat d), fifcum
Augufi, prædia falica, reditus regios procurabat e), Cafareum
eenfum exigebat f) , nihil eitra eins autoritatem Duci aut decernere
aut flatuere licebat g), fi fenatus confultum Reguli (Ducis) difpli-
cebat, intercedebat & ad Cafarem referebat.
(b) Seine Beſchreibung des Pfalzgrafenamts iſt kurz und gut in dem baieri—
fhen Stammbuch P. I, p. 27: Seyn die Graffen von Orthen—
burg darzu von Ottone IV. conftituirt worden. Das Pfalz⸗
graffenamt ift nach dem Herzog das fürnehbmfte Amt in
Bayern geweft. Haben 1) das oberfte Landrecht befeffen,
2) der Rayfer Gulten, Zinß, Steur eingenommen, 3) vor
* ihnen ſeyn die Herzoge verklagt, und hernach 4) die Sachen
1.8 weiter an den Rayfer gebradht werden. Sind aber auch die-
I ſe Pfälsgraffen mir Rapoten an, 1244. ausgeftorben, und ha⸗
$ ben hernach die Herzoge in Bayern die Vitzthumb und Rent-
meifter aufgerichtet.
J ) Heider in Apol. pro Civit. Imp. Pi der Reichsvogteyen p. 7. Struw
in Corp. jur. publ. Cap. 21. $. 12. Hert de Orig. & progr. fpec«
R. G. J. rerum publ. $. VIl. in opufe. Vol. Ik, T. iL, p. 14.
und de Confultt, legibus & jud. in fpec. R. G. I. rebus, $. XIX.
in Vol, T, T. II, p. 309. Ölenf&lager in. Difl. prelim. Sur les
fonttions & de la dignitE des Comtes Palatins ‘du moyen äge,
—44 F. 3& 4 in Schannats abregé de P'hiſtoire palatine, Zelffer ich
“= — hiſt. de Com. Pal. Tubing. $. XLVIIL, p. 8ı.
(d) Rref in Diff. de varüs jurisd, Criminal. in Germ. generibus, c, II
$. 17, p 33 &c. Wenfer in append, ad Senkenbergii Diff, de
Fabula Judicii: Palatini,, in Diſq. tribus de Judieio principum. &c.
Pag. 156. '
“ Bonring Cenf, dipl. Lindav. — a, p.. 202 und Wenker 1. Ger a
| *
98 SG. C. Crollius
(£)- Jah meine damit den Landgrafen in Thuͤringen. Schilter in der XIX An⸗
merkung $. XVII zu Königähoven Ehronif p. 1070. fg. halt den Gra⸗
fen Trutman, welchen K. Karl der Große in Sachſen 789 beſtellte x.
daher für einen ſolchen Landgrafen, anderswo aber, mie bereits oben an—
gefuͤhrt worden, fuͤr den erſten Pfalzgrafen in Sachſen. Es ſind aber
meines Erachtens dieſe Landgrafen vollkommene Nachfolger der groͤßern
Grafen und Miſſen, durch welche von Karl des Großen Zeiten an, die
Provinzen regiert worden. Dieſe hatten den koͤniglichen Bann, und die
Obſorge des Eöniglichen Fifeus. Spener in feinem beutfchen Jure pu-
blico L. II, c. VI, p. 278 glaubt dahero vieleicht nicht unrecht, dag
der Pfalzgraf auch wohl Landgraf heiße, und führt aus Rigord. ad an.
1208 an: Quidam Comes Palatinus, qui Landagrava vocabatur, id
eft, Comes Palatii.
(g) Spener 1. c. p. 282. not. (f) Pfeffinger im Vitr. ill. T. II, pag. _
592 fg. Solche waren die Fonigliche Nichter oder Burggrafen zu Nürns
berg, Magdeburg, Merfeburg 2c. |
(h) Dergleichen waren im Stift Straßburg, Münfter ꝛc. Wann daher in der
epternachifchen Urkunde, welche ich oben $. 2 not. (q) angezeigt habe,
gefagt wird: Si quis infregerit bannum, quod teutonica lingua Burg
ban dicitur, pro quo fexaginta folidi folvuntur, duas partes fifeus,
tertiam accipit advocatus; fo wird damit der Friede in dem burggräf- |
lichen Diftrict diefes koͤniglichen Klofterd angezeigt. Die Befiger einer
ſolchen Stiftsburggraffehaft wurden öfters nur Advocati oder Vicedo- |
mini genennt. So erhielt das Jungfrauenftift Kemnade von K. Konz
rad -eandem libertatem, quam habet Corbeienfe monafterium, feil.
prefetturam urbis, que vulgo dieitur Burgbahn ıc. r Tolners
Cod, dipl. Pal. n. LIV, p. 48 und 49. |
(i) Sie gründen fi) auf die befannte Stelle des Gachfenfpiegeld L. 3 art. 52..
Burggravius, i. e. perpetuus Caftellanus , Fudex eſt Marchionis. |
¶ch Sieh Pfeffinger 1. c. T. U, p. 594 &c. not. (b)
(1) Dfeffinger 1. c. p. 586. Spener 1. c. p. 278 &c. not. (c)
(0) Wie oben von Gerone Marchione Orientalis Saxoniz ſ. Nordthurin-
gie ift angeführt worden. Sein Nachfolger in der Mortgraſſchaſt
ißt gl s Dux.
Theoderich heißt gleichfall (0) Be
|
|
|
|
4
von den Landpfalzen Er
) Wobon bie Gteflen bey Pfeffinger 1. e. nachzufehen find.
(0) Solches ift z. E. in dem baieriſchen Herzogthum von den nordgauiſchen
und oͤſterreichiſchen Markgrafen gewiß.
(7) Dieß iſt von den groͤßern Markgrafen zu verſtehen, von denen Spener
J. c. p. 281 wohl anmerkt: Die alten Urkunden geben, daß in
der Regel die Markgrafen nach den Herzogen, den rheini-
fen Pfalz = und thüringifchen Kandgrafen, bis gegen die
Seiten des Interregni,, ohne Unterfcheid unterſchreiben. Was
Spener aber ſagt von dem Vorgang der rheiniſchen Pfalzgrafen, iſi
vor Beſtellung des Pfalzgrafen Konrads, gebohrnen Herzogen in Fran⸗
Ten, nicht richtig; ſieh die Zeugen = Unterfchrift in K. Friedrichs des J.
Herzogenbrief, fo er dem Markgrafen von Deflerreich ertheilt im Jahre
1156.
() Spener Jus publ.L. IT, c. VI, $.V, Tom. II, p. 278. not, Doch
leidet auch diefe Regel ihre Ausnahme.
(od Dergleihen kommen felbft in Baiern vor; ſieh in der Metropoli' Salisb.
T. Il, addiet, p. 533 die Urfunde des Bifchof Altmanns von Paſſau,
wo es alſo heißt: Dominum Henricum de Vornpach, Comitem pro⸗
vincialem ex utraque parte Oeni fluminis, ſuper omnia prædia pre-
dicti monaſterii (S. Nicolai extra Pataviam) quocunque in loco in
Bajoaria funt poſita, advocatum perpetuum duximus ordinandum,
So wird auh Hermann, - genannt von Windderg, aus: dem gräflich-
formbachifchen Geſchlecht, welcher 1122 geflorben, Comes Provincialis
genennt; fieh in Monum. Boic. Vol, IV. Geneal. Com. Neuburg
P- 9 Anderer Preidum und Comitum Provinciz in Baiern nicht zu
gedenken, ald des Adalbero von Eberiperg 1034: in Meichelbeck hift.
Frif. F. I, p. 230, welcher den Comitatum Provineiz regula juſti⸗
tie Norieæ fuͤhrte.
G) Die Landgraſen in Elſas hatten nur einen Theil deſſelben. Elſas war in
das Sundgau und Nordgau abgetheiltz und jedes hatte feinem befondern
andgrafen, der über die unmittelbaren freyen Richter war.
+». Wie rt, y - a
() Eich, Marculf L. F, form. 8, p« 380, T. IL, bey Baluzius: Ideo tibi
actionem Comitatus, Ducatus ac Patriciatus in ꝑago illo ad agen-
& 1 z dum
y“
h
dum regendumque commifimus, ita ut femper erga regimine no-
ſtro ‚fidem inlibatam cuftodias & omnis populus ibidem comma-
nentes - ſub tuo regimine degant & moderentur, & eos recto tra-
mite fecundum legem & confuetudinem eorum regas, viduis &
pupillis maximus Jdefenfor appareas, latronum & malefattorum
fcelera a te reprimantur , ut Populi - debeant confiftere quieti; &
quicquid de ipfa aftione in fifei ditionibus fperatur, per temet
ipium annis fingulis zrariis noftris inferatur conf. Dfeffinger Vitr,
ill. T. 1], p. 570 fgq. Buri L c. p. 262 ſqq. Kopp de infigni
differ, inter S. R. I. Com. & nob. Immed. Set. I, VIL Den
Ausdruck Comes regalis entlehne id) aus Ottonis Monachi Foflaten-
fis vita Burckardi venerabilis Comitis in Beuquets feriptt. Gall,
T. X, p. 340 E.
(x) Gleichwie die Grafen die ordentliche Fönigliche Landrichter in einem Gau, -
und in ſolchem über ale Freye, ſowohl in Civil ald Criminal- Saden
richteten, den Eöniglichen Bann führten, und zugleih Adtores fifci,
Obereinnehmer waren; alfo waren die Fönigliche Miſſi, Miſſi Palatii
regalis, außerordentliche Michter, als königliche Legaten und Commiſſa—
rien, welche wegen der Appellation von den gräflichen Gerichten an
den König Unterricht einzuziehen, und davon dem König zu berichten,
alle Gebrechen zu beobachten, und entweder felbft zu verbeſſern und ab-
zuffenen, oder den Könige zu veferiren hatten; ungerechte Richter, Schoͤf⸗
fen ꝛc. ab = und unſtraͤflichere an ihre Stelle festen, auf den Wan-
del und Amtöverfehung der Bifchofe, Grafen und Abbte zu fehen, in
den Kirchen und Kiöftern Infpettion zu nehmen , der Wittwen und
Wayſen fich anzunehmen, die Provinz von Raubern und Dieben zu fäu-
bern, und das Volk Überhaupt gegen alle Unterdruͤckungen zu ſchuͤtzen,
die Oberaufſicht über den koͤniglichen Fiſcus und deffen Berwaltung zu
führen hatten, und andere dergleichen Derrichtungen, wovon du Frefne °
in glofl. Pfeffinger 1. c. T. II, p. 572 fq. Buril. c. p. 302 ſq.
Bonring de Judiciis German. th. XXXVI ſq. Lehmann in Chron.
Spir. L. II, c. X, Helfferich de Com, Pal. Tubing. $. XLI, pag.
62-65 und andere von ihnen angeführte Schriftftener die Beweiſe ges
fammelt haben. Helfferich 1. c. führt aus Franc. de Roy befonderm
Tractat de Miflis-Dominicis, eorumque oflicio & poteltate * u |
a |
|
“
von den Sandpfalsen, sör
daß er *81 en der koͤniglichen Kr Claſſen bringe,
1) Aufſſicht er der Juſſitz weltlichen als geiftli=
gen Sachen, 2) die Handhabung der ‚öffentlichen Policy, 3) die Bes
ſorgung der koͤniglichen Einkünfte aus den Provinzen. Sie waren end-
U Mich über mehrere Gauen gefeßt, und eine felhe ihnen untergebne Pro=
vinz hieß legatio , ‚Comitatus, ,
(y) Ihr Amt beſtand in der Oberaufficht über tie Eönigfiche Villas oder Land⸗
‚güter einer gewiſſen Provinz, und hatten mithin die auf denfelben bee
findliche Unterrichter und A&tores oder Maiores unter fih; ſ. Buri
1. c. p. 278 fgq. du’ Buat Otigines ou Pancien Gouvernent. P.
©. XXX, Dergleichen Domeſtici fonnten mit den Grafen beftehen,
indem diefe nur mit den Steuren, Zinfen und Strafgeldern, fo von de—
‚nen feiner Grafichaft Untergebnen erhoben wurden, zu thun hatten; jene
Hausgrafen aber die befondere koͤnigliche Landguͤter und Hdufer, ſowohl
in Anfehung ber Gerichtbarfeit als uhrien Verwaltung unter ihrer Ober—
aufſicht hatten.
6 So wie die koͤnigliche Miſli beſonders zu den Zeiten der Karolinger, als
———
Bi‘:
A
die Provinzen Feine Herzogen hatten und durch Grafen regiert wurden,
gemein, ja nothwendig waren, fo werben fie feltener unter den fächft
ſchen Königen. Heinrich der L und fein Sohn Otto der I, da fie aus
Herzogen in Sachſen Könige geworden , befteliten an ihrer Statt in
Sachſen Legatos, als Sigfrieden, Gero und Hermann von Stubeckes⸗
‚horn. Der erfien ihre, Commißion wird eine Legatio „ procuratio Saxo-
nix genannt, amd feheint ſonſten marfgräflich zu feyn. . Hermann: von
Stubeckeshorn, ehe er Herzog wurde, war ebenfals Vicarius poteftatis
regieæ in Sachen. Deraleichen koͤnigliche Vikariatsgewalt erblickt man
wiederum deutlich in 2. ‚von Ki * —* Sohn ging
dem Fetten
ie) Dergleichen hatte Feanfen und — zu En des 9 und Anfang des
10 Jahrhunderts, und werden manchmal auch Duces genannt, weil fie
einen ganzen. Provinz vorgefegt waren. Sie hatten die Procuratur al-
ler bonorum Auge der Provinz, und waren zugleich. die obriſte
Londrichter. In ‚Anfebung, des letztern waren ſie dad, was hernach die
erzoge waren, in Rücfict des evften aber [Seinen fe eine pfalzgraͤf⸗
€ Eommißion gehabt‘ zu n- 4
N 3 Dritte
0 7 HELELTEEE*
Drlitte Abtheilung, -
worinnen die Epoque des Urfprungs der Pfalz
graffchaften in des deuffchen Neichsprovingen
zu beftimmen geſucht wird.
SL
an ift fange mit Bonringen einig gewefen, die. Provinzial:
pfalzgrafen in Deutfchland erft von den Zeiten der fächfiz
ſchen Königen herzufeiten. Diefer einfichtsvolle Lehrer Des Staats»
rechts ſahe, daß der Eöniglichen Miffen Gewalt in die herzogliche
verfehlungen worden, indeme man fihon zu den Zeiten der festen
Farolingifehen Könige in Gachfen, Baiern, Schwaben und Lo⸗
thringen Herzoge mit faft Föniglicher Gewalt erblicket, welchen
‚ "die Grafen, wie ehedem den Miſſis untergeben geweſen; er glaube
te aber ferner, daß die ſaͤchſiſche Könige die Macht der Herzoge
wiederum. befchnitten hatten, da fie einen Theil der Gewalt der
ehmaligen Miffen den Pfalzgrafen zu Lehen gegeben, als welche
feit 8. Dtten des J. Zeiten fichtbar würden. Ich habe in den |
vorigen Abtheilungen bereits hin und wieder angeführt, daß die
“anfehnlichften Kenner der alten Staatsverfaſſung des deutſchen
Reichs und der Provinzen mit Sonringen in der Hauptſache
einig ſind.
(a) De Judiciis Germ. th. LXVXVIII & LXXXIX.
5. 2.
In neuern Zeiten aber haben einige mit dieſem Alterthum
der Landpfalzgrafen nicht zu frieden ſeyn, und ob ſie gleich nach
Anleitung des Sachſen- und Schwabenſpiegels, und ihrer Stoß
ſatoren (a), mit dem ſchwaͤbiſchen Geſchichtſchreiber Erufius (b)y\
und
von den Landpfalsen. | 103
und andern ſolche nicht vom den roͤmiſchen Conquêten in Deutſch⸗
fand Tächerlichee Weife herleiten mögen, dennoch felbige ſchon
unter den Tarolingifchen Regenten des deutfhen Reichs finden
wollen." So hat fi) Johann Heinrich Drümel, der fih durch
feine Erfindungen in dem aͤltern Staatsrecht auf eine fehr zwey⸗
deutige Weiſe bekannt gemacht, den Einfall beygehen laffen Ce),
daß er die vier Landpfalzgrafſchaften mit den Verfaſſern des
Sachſen⸗und Schwabenfpiegels, aus ſoviel befondern eigentlichen
Königreichen herfeiten wollen. Den erften befondern deurfchen
Pfalzgrafen fest er nah Frankfurt am Mayr, als Ludwig der
Deutſche von 843, Deutfchland als ein eignes und befonderes
Königreich unabhängig zu beherrfchen angefangen. Da aber
Deutfchland unter ihme noch unzertheilt war, fo feye derfelbe
Comes Palatii durdy ganz Deutfchland geweſen. Diefen Anfang
der deutſchen oberften Reichspfalz muß man zugeben. Nur ift die
Frage, ob fie nicht auf dem fürnehmften Volke der Franken, und
deren Procuratoribus oder nachherigen Herzogen gehaftet habe,
wie ich zum Beſchluß diefer Abhandlung wahrfcheinfich machen
will. Den Urfprung der befondern Pfalzen in Boiern, Schwas
ben und Franken findet Drümel in der Theilung der drey Söhne
Ludwigs des Deutſchen, von welchen der Ältefte Rarolomann Baiern
mit den dazu gehörigen Provinzen, der mittlere Ludwig Franken nebft
Sachſen und Thüringen, wozu hernach Lothringen noch völlig
gekommen, der jüngfte Karl aber Schwaben nebft Eifas und
Schweitz als ein Königreich erhalten, und jeder alfo eine beſon⸗
dere Regierung und Pfalz oder Nefidenz angeordnet hätten. Da
diefe Reiche wieder zufammen gekommen, fo feyen jene drey
altzgrafen Landpfalzgrafen geworden, und unter einem oberften
pfalzgrafen geſtanden. Der Landpfalzgraf in Franken wär
es alfo auch in Sachſen und Thüringen geweſen, bis Heinrich der
Dogelfteller, Herzogin Sachſen und Thüringen ſich Souverain ges
macht,
104 G-C. Srolius
macht / und deffen Sohn K. Otto den nie vorher gehörten Titel
König in Sachſen mit dem fränfifchen Königstitul verbunden has
be. Unter dDiefen beeden ſaͤchſiſchen Königen Deutfchlands findet
ex die Epoque eines befondern fächfifchen Landpfahgrafen. Ich
gedenke der übrigen Lappen nicht, womit er feine ganze Erfindung
behängt. Der befie Beweis würde Davon eine Reihe der unters
ſchiednen Pfalzgrafen im jedem Reich von 876 an feyn. Alleim
daran fehlt es; obgleich der Herr Ritter du Buat (d), wie oben
gemeldet kurz nach diefer Zeit einen Meginhard Comitem Palatit
in einer freyfingifchen Urkunde finder. Allein diefer Graf Megin«
hard: kommt nur: ein einzigesmal. mit dieſem Predicat vor, wele
ches: Damals Feinen: Provinzialpfalzgrafen bezeichnete. Wenn er
auch kein Miſſus, noch: ein Comes Palatır des Biſchofs zw Frey⸗
fingen geweſen ift (Ce), fo bleibt doch noch immer der oben: ange⸗
führte Unterfchied: zwifchen einem oberften Pfalzgrafen des karo⸗
fomannifch = baierifchen: Reichs „ und dem: Landypfalzgrafen Dei
baieriſchen Herzogthums, wie dieſer im: folgenden. Jahrhundert er=
fcheinet, über Wie konnte Das Amt der koͤniglichen Millorum oder
Prefectorum., die man noch in. den: Provinzen: bis an- die fächfie
ſche Könige findet, als Oberaufſeher der Grafen und Obriſtland⸗
richter, mit einer von, 880 an geſtifteten Landpfalzgrafſchaft beſte⸗
hen? wie kann die koͤnigliche Vikariatsgewalt der Herzoge Ludolf
und Otto in Sachfen mit: der über die Sachſen und Thüringer
ausgedehnten fränkischen: Pfalzgrafen vereiniger werden ? Würde
man: wohl. bemüht gewefen ſeyn, den pfalzgräflichen Urfprung der
befonders: errichteten. Koͤnigreiche zw fuchen, wenn: man entweder
gewußt oder fich erinnere hätte, daß in dev Sprache mittlerer Zei⸗
“ten Rönigreich, Regnum, und Herzogthum von einerley Bedeu⸗
tung find. Von Lothringen iſt es bekannt, daß auch. nach errich⸗
teten. Herzogthuͤmern, ſowohl Ober⸗ als Niederlothringen Regnum
Lotharũ geheißen. Der Herzog in einer ſolchen Provinz hatte
Mo-
|
—E 105
Bein: five Dueatum Regni (£), fo wie der Pfalzgraf Mo-
Barchiam ſ. Comitatum Palatii (g). Gleichwie Baiern häufig Reg-
| mim genannt mird (h),' alſo iſt auch dieſer Titel allen Neicher
ptoblnzen 5 m.in 03 3 dieß erfordert eine genauere Ent-
| wicklung.
E @ Bonring de Jud, ‚zeig. Germ. th. XC. hat die bon ihnen eingefühtte
0905, Gedichte ſchon allzugut ge ald dag fie noch verdienten angezo—
In gen zu: werden.
‘© In Annal, Suev, Vol, T, p. 74 -Vok I, p. 169.
9 In einer 1745 berauögefommenen gründfichen Unterfachung, warum deu
* Churfuͤrſten in der Pfalz die erſte Stelle ” dem König in Böhmen
Be Si; vor den mefiphätifchen Frieden gebühtte; c» I, $.'6. p. 27 fq.
.@ Eiche, wad oben aus ihm und gegen ihn angemerft worden, $ 3, der
‚ erften Abtheilung.
Du, der Graf eines biſhöſlichen Gerichts dieſen Namen führen koͤnne,
wird aus den ſtiftmetziſchen Urkunden unten gezeigt werden.
C() Eiche die von Crollius in der erfäuterten Reihe ec. pag. 48 not. 109.
angezogen Stelle aus einer. löthringifchen Urkunde,
(8) Welchen Zitel man dem Pfalzgeafen geben kann nah den Annal. Gofar
fieh oben I Abth. F. 2:
%b) ©& nennt — Merſeb. L.H Ratio; quod Reinesburg di-
00, eitur Bavarüi caput regni. Adelbold in vita Henrici S. $. 19 bey
Leibnitz feriptts T. I, p. 433 fest den Marfgrafen Hezelo in Nord—
gau unter die Comites Regni Bavariæ. Don K. Heinrich dem Heili—
gen, ald er ‚Herzog in Baiern ward, fagt dad Ckron. Quedlinburg,
* * an. 995 bey Leibnitʒ T.H, p. 282. Bavarico honorifice dona⸗
"tus eſt regno ; unzähliger anderer und * ggg Stellen je
—* geſchweigen. 7
) Adelbold in vita Hemici 8. c. 13 L. c. p. 434. Sie igitur Rex, in
regnis fingulis'antecefforis fui, prater Italiam & Alemanniam rr-
“ eeptus & ab Omnibus unanimiter collaudatus, revertitur. Wipgo iu
0 ir Conradi ſalici ad an. 1024 P. 465 ſagt in der Eriehlung von
Sch) O der
ide
06 G. C. Erolüs
der Wohl dieſes Königs: Res petit, ut dicam fummorum nomind
quædam, fin pontificum five ſecularium principum, qui tunc in reg-
mis vigebant, qıtorum ‚confiliis confuevit Francia Reges, eligere,
Darauf nennt er nach, den Erʒbiſchdſen und Biſchoͤfen, den Herzog Berne
hard in Sachſen, Herzog Adalbero in Kaͤrnthen oder Hiſtrien den Her⸗
zog Hezilo in Baiern, H. Ernſt in Alemannien, Friedrich Herzogen
der Oberlothringer, Gozelo Herzog der Ripuarier, Cuno Herzogen der
Franken und Adalrich Herzog in Böhmen ꝛc. Als die Biſchoͤfe denfel-
ben gewählt hatten, und ihnen zuerft Kuno der Franken bengetrettem
war, fagt Wippo weiter: Tune finguli de fingulis regnis eadem ver-
ba elektionis fepifiime repetebant. Daß das Herzogthum Sachen
insbefondere auch Regnum genennt, worden, hat Eckhart in Comm. de
R. F. O. T. II, p. 311, aus den Annal. Bertin. ad an. 838 ſchon
bemerkt, und erhellt ferner aus den Annal. Hildesheim ad an, 965 in
Leibnitz ſcriptt. T. 1, p. 719. Ein mehrers hievon ſieh in Sen⸗
kenbergs lebhaften Gebrauch der deutſchen Rechte ꝛtc. c. UT, §. LVIII.
p- 144 ſqq. woſelbſt er daraus die Spiegel in ihrer Sprache verbeſ—
ſernd rechtfertiget.
F. 3
Um der Sache nun naͤher zu kommen, ſetze ich den —
voraus, welcher von Niemand gelaͤugnet werden kann, und aus
dem bisherigen ſchon einiges Licht empfangen haben mag: So
lang als die Provinzen des deutſchen Reichs durch koͤnigliche Gra⸗
fen, welche nicht allein in ihren Gauen das obere Gericht beſaſ⸗
ſen, und den koͤniglichen Bann fuͤhrten, ſondern auch ſelbſt den
koͤniglichen Fiſcus mit zu beſorgen hatten, regieret worden, und
uͤber dieſe die koͤnigliche Miſſi ex Palatio oder a latere Imperatoris
die Obſicht mit einer Gewalt gefuͤhrt, worinn man nachher theils
berzogliche, theils pfalzgraͤfliche Sunctionen erſiehet: fo lang koͤn⸗
nen fo wenig Herzoge, als Pfalzgrafen in einer Provinz gedacht
und angenommen werden. Nachdeme aber diefe Milli öfters zus
gleich, befonders in den Graͤnzprodinzen als Sachſen und Baiern zc.
eine
von den Pfalzarafen. *
eine militariſche hohe Commißion zu erhalten pflegten, ſo ward
ihre Gewalt beynahe herzoglich oder markgraͤflich, ja fie kommen
felbft unter dem Predicat eines; Ducis (militaris) Marchionis oder
Præfecti vor. Als K. Karl der Große das baierifche Herzogthum,
nad Entfegung des Taßilo, zu einer ihm unmittelbar unterwürfi-
gen Provinz gemacht hatte im Jahre 788 anno, quo Dominus Rex
Karolus Bawariam acquifivit ac Taſſilonem clericavit (a), fo vertheilte
er Baiern unter Grafen und Richter, die in ihren Diftrickten
unter feinem Namen regierten und richteten (b). Er ordnete über
Diefelbe den befannten Gerold, den wir in der Qualität eines koͤ—⸗
niglichen Millus, und eines Markgrafen, militarifchen Prefedti oder
Prefidis Bavariæ antreffen (ec). Meben ihme hatten als Milli ein
Graf Meginfrid, wie auch der Erzbifchof Arno von Salzburg, und
der Biſchof Adalwin von Regensburg, denen ein Graf Orendil
als Judex, Schultheiß (d) beygegeben war, Die oberft fandriche
serliche Gewalt, an welche man ſich von den gräflichen: Landge-
richten wenden konnte. Die freyſingiſche Urkunden geben uns
nad) Gerolds Zeiten noch mehrer Millos zu erkennen, welche Karl
der Große und feine Nachfolger über die Grafen in Baiern ge-
feßt haben. Mir ift genug , daß Gerold ein Eöniglicher Mil-
fus mit militariſch⸗herzoglicher und markgraͤflicher Gewalt ge
weſen. Exforderte ader dieſe Iegtere Qualität Erinen beſtaͤndi—
‚gen Wechſel, welcher fonften. der jährlichen Legation der Mile
fen oder. Oberfandrichter und koͤniglichen Fifcalen oder Kammer
procuratorn eigen, und aud) in Baiern bey den übrigen Miflis
üblich war; fo laßt fich begreifen, warum in den Provinzen der-
gleichen Milli perpetui , die Prefides Provinciz, Præfecti oder
Marchiones, manchmalen Duces heißen, beftellt werden mußten.
Aber eben diefe Milli perpetui.cum Ducali poteftate aut Marchio-
natu find es, aus welchen die Herzoge oder Vicarii poteftatis re-
giz entjtanden find, fo daß, da fie vorher Andere Miflos regios
| O 2 zu
108 € NER
zu Collegen hatten, fie gegen das Ende der karolingiſchen Regie⸗ 4J
rung in Deutſchland ſich der Provinz alleine ermeifterten, und
folche miffatifche oder herzogliche Gewalt nicht alleine für fid) ler
bensfang behielten, fondern auch auf ihre Söhne vererbten. Bey‘ N
der Ohnmacht der Könige fuchte das Volk in der Provinz feine
‚ehemalige Mechte wieder gelten zu machen, und anjtatt daß forhe
Milli perpetui vorher von den Karolingern beitellt worden, fo ges Ä
ſchahe es nachher, Daß die Herzoge durch Wahl des Volks, oder
wenigſtens mit deffen Einwilligung einer Provinz vorgefegt worden
find. Luitpold, Miſſus und Markgraf, nepos ſ. conſanguineus ſ. pro-
pinquus K. Arnulf und feines Sohns K. Ludwigs, Comes — — |
fifimus, illuftris, venerabilis, welcher feit dem Jahre 895, die
honores des Öfterreichifcehen Markgrafen Engildeo , und fodann
die nordgauifche Markgraffchaft erhalten, befaß eine folhe Ger
walt, weswegen ihn einige Schriftjteller Ducem Bavarorum nen 4
nen (e): aber erft feinem Nachfolger und Sohn Arnulf wird die
fer Titel in groͤßerm Maaße beygelegt. Er ſelbſt nennt ſich Du-
cem Baivariorum £$ etiam adiacentium vegionum (f), König Konra
wollte den Ermächtigungen der Herzoge und ihrer algugroß wet-
denden Macht entgegen geben, und fie in die ehmals größere Ab⸗
haͤngigkeit einſchraͤnken. Nachdem er lan ge in den übrigen Pros
vinzen damit befchäftigt gewefen, fo Fam auch die Reihe an Ar⸗
mulfen, der vor ihm nicht beſtehen mochte, fondern in Ungarn
entwich und nicht eher zurück Fam, bis nach dem frühzeitigen
Tode R. Konrads (g), welcher indeffen feinen Bzuder —
zum Marchione Orientali und Præfecto Baioariæ geſetzt hatte (h),
(a) Sieh Meichelbecks hift. Frif. Tom. I, P. Infir. n. L, p. 80. i |
(b) Sieh hievon die bey Dfeffinger 1. c. T. II, p. 401 und 403 gefamme j
|
|
leten Stellen. Aus den Annalibus Reuberianis und Aeginone, als
goelche befagen, dag er die baierifche Provinz cum terminis oder mar«
eis
Ä von den Landpfalzen. 109
= eis beſtellt habe, laßt ſich die Anordnung der’ Markgrafen, als Praͤ—
fecten, ſchon fchlieffen.
(ec) Eginhard meldet; daß KR. Karl der Große zu den Ervebiticnen Przfe-
| &tos Provinciz, Comites atque Legatos gebreucht habe. Gerold,
Prefe&tus Baioarie, Caroli M. confanguinens & fignifer, Dux
oder Comes ift alfe in eine Klaffe mit den Legatis oder Miffis zu ſe—
gen. Fa in einer frenfingifchen Urkunde I. c. n. CIIL, p. 8fg. wirb
ihm dieſe Eigenfchaft ausdruͤcklich beygelegt: Peruntamen percrevit
ipfa contentio, & pervenit usque ad Palatium Domni Regis accep-
tum brevem, & perduxit ante miffos Domni Regis, id funt Kerolt,
Miginfrid, & ibidem finitum efl ea ratione Ec. Don feiner marf-
gräflihen Gewalt giebt dad Chron. Quedlinb. ad an. 799 in Leibnitʒ
ſeriptt. T. II, p. 276 Zeugniß, als welches ihn Marchionem Baioa-
riz clarum nennt. War er abwefend, wo er ald Miflus nöthig war,
fo ſchickte er ſelbſten wieder. einen Miſſum, ſieh Meichelbeck . c. m.
CXL, pag- 85
(d) Sie fommen vor in den meichelbeckiſchen Inftrumentis1. ce; num, CXV,
“ p- 87, m. CXVI, p. 88, n. CXVII, p. 89. Außer der angeführ-
ten Biſchoͤffen kommen noch vor ein Graf Audulf, ein Abbt Drotker,
v und Graf Werinharius, welche zu Regensburg das obrifte- Landgericht ges
pflogen n. CXVIH, p. 90, n. CXXII, p. 93 &c.
(e) Eich Pfeffinger 1. c. T. II, p. 408, und du Buat Origg. Domus
Boicz Vol. I, L. VI und Vol. I, L. VII, c. I. Daß biefer Graf
oder Markgraf Luitbold zugleich Föniglicher Miſſus gewefen, wie Gerold
Prefe&tus Baioariæ, beweiſet eine freyſi ngifche Urkunde l.c. N. DXXX,
© Meichelbeck in hift. Frif. P. I, p. 159 fagt davon: Conrado 1. in
Rıgem Germania electo, proceres Boii Arnolfum ſeu Arnulphum
Luitboldi in acie ca fi i filium, iam antehac finibus Boiarie, qua Orien-
tem fpelat, prafeltam, in Ducem fibi elegerunt. Sieh bey demfel-
* ben in Inſtr. n. DCCCCLXXXII, p. 420 und vergleiche den Dit—
* mar L. V. ad an. 1002 bey Leibnitz T. I, p. 368. Bavarios ab
initio Ducem eligendi liberam habere poteflatem,
(8) Miafcov in Comm. de rebus Imp. Germ. L. I, pꝓ. 8 laßt es bey
dieſer einigen Expedition gegen Arnulf bewenden.
03 (h) Sieh
m
i
g10 8. L. Krolius ı
(bh) Eich Hofinanni annal. Bamberg. L. I, $ Xviin Ludwigs ferfipt,
T. i, p. zıo und Meichelbeck in hift, Friſ. p. I, pr 160, wo er
ſich auf das Manlolpum S. Emmerami beruft.
9.4
Was ich hier Fürzlich von Baiern gefagt habe, hat Keib-
nitz (a) von Sachſen umftändlich zu erweiſen gefucht. Karl der
Große ſchickte Legatos oder Millos regis , welche über die von
ihm beftellte Grafen und Richter Obficht haben follten (b), und
öfters zugleich eine Feldherrncommißion dabey hatten, in locis ubi
mi ſſi eſſe debent. Dergleichen waren Odo legatus regis ad Albim,
Ecbertus Dux (c) Ludolf, Bruno und Otto illuſtris (d), desgleis
chen auch die Marchiones Saxonix. Die leibnitziſche Ausführung
verdient hiervon gelefen zu werden, indeme fie gleichfam ‚ein Com-
mentarius ift über die fuͤrtrefliche Beobachtung Konrings, daß
die herzogliche Gewalt aus der poteftate miſſatica entftanden ſeye.
Soviel ift indeffen bey allen Kennern des alten deutfchen Staats
ausgemacht, Daß die poteflas Ducum Saxoniz wvicaria regis gewer
fen. Heinrich der Vogelſtellet, welchem K. Konrad die vereis
nigte Vikariatsgewalt in Sachſen und Thüringen nicht laffen
wollte, machte diefem Koͤnige viele Händel, deren Ausgang von“
den Gefchichtfchreibern nicht deutlich noch auf einerley Weiſe vor⸗
‚geftellt wird (e). Heinrich ward Konrads Nachfolger im Reich,
und behielt feine Herzogthuͤmer zur Unterftügung feiner koͤnigli⸗
chen Autoritaͤt, welche von den uͤbrigen Herzogen in Baiern,
Schwaben und Lothringen nicht gleich erkannt werden wollte.
£a) In Meditt. hiſt. de initiis Ducatus Saxoniæ eiusque & aliorum Im-
perii Germanici Ducatuum vera origine, Piſtorius Amen, hiſt.
Jurid. VII und VIII Theil p. 3011 - 3032.
€) Nach des Poeta Saxo befannten Stelle ad an. 803 in Keibnig feript.
T. L, Pag. 153. f
—
von den Landpfalgen. 111
TTum fub indicibus, qnos Rex imponeret ipfis
Legatisque fuis permifüi legibas uti
Saxones patrüs & libertatis honore.
* (e)- Bon Ecberto, miflo eum poteftate Ducali, fich Echaris opuſc. III.
de Ecberti Ducis familia in Origg. Guelf. T. IV, p. 343 - 347.
am
. (a) Keibnig 1. c. p. 3021. Ducatum, feu ut ego pro illorum tempo-
tum conditione interpretor ‚ miflaticam poteftatem Ludolphi &
filiorum eius Brunonis &' Ottonis pofteaque Henriti Ducis &c.
Ce) Sieh Mafeov in Comm. de R. I. G, a Conrad. I. ad Henric. III.
. animadverf. I. ad res Conradi I, p. 1-3. Strube XXI Abhands
fung vom Urfprung der Landshoheit in Deutſchland, $. IV in den Ne:
opt benftunden T. IV, p 11-17.
4
Die koͤnigliche Mii in Schwaben oder Cameræ nuntii (a)
brauchten ebenfalls ihre millaticam poteftatem bis zur nachherigen
herzoglichen (b), und werden daher auch manchmal Herzoge ges
nannt (c). Ihr friedftährendes Verfahren reiste König Konra⸗
den, daß er fie richten und am Leben ftrafen lies, Ex beftellte
felbften 917 Burkard den I. zum Herzog, gab ihm die confifeirz
ten Güter der enthaupteten Millorum zu Lehen (d), und mag übri-
gens feine Gewalt nach feinen Farolingifch-pofitifchen Regierungs⸗
art eingefchränft haben (e). Diefes mag genug feyn, um zu jeis
gen, daß die Herzoge in Deutfchland die wahre Nachfolger der
Böniglichen Miffen oder Legaten in Deutfchland mit militavifcher
Eommißion geworden find.
| "a Ekkehardus “Junior de caſibus S. Galli cap. I. in an feriptt,
w - Alem. T. I, p. 40
BSutud, welcher von Hermanno contracio Dux Alemanniæ genennt
und in einem gehaltnen Probingialeonvent 912 im Tumult getbd⸗
vor: —* worden, war ebenſals ein Camerz nuntius oder Miſſus, wie feine
Nach:
At
1t2 ©. C. Eos nn
Nachfolger Erchanger und Berthold; ſſeh Wegelin in dem Bericht von
der Landbogtey in Schwaden pag· 5 ſq. und Koelers ara de —
Duos. Alem. edit. nov. G. VIil & nor
(e) Burchardus , (fagt bemeldter Hermann ad an. gı2) Dux Alenannie |
in conventu fuo, ortu tumultıu , occifüs eſt, pro quo Erchanger |
Ducatum invafit. Damals war aber Schwaben nach dem Zeugniß
Eckharts noch Fein formelles Herzogthum, ſondern eine dem koͤniglichen
Fiſco unmittelbar untermorfene Probirʒ. si }
(4) Sieh Herm. Contr. ad an. 977 und Ekkchardus iun. 21 e. P. 45.
(e) Denn nach Herm. Contr. ad an. 918 maßte er fich erſt in biefem Safe
eine größere Gewalt wiederum an, welche K. Konrads Nachfolger Heinz
rich wieder zu bezahmen wußte, Burchardus, Alemannia Dux fattus,
tyrannidem invafite
§. 6,
— Odhngeachtet um K. Konrad die durch den Ducatum mili- '
tarem unbändig gewordene millaticam poteftatem der Herzoge im!
die Ordnung zubringen, und die karolingiſche Reichsverfaſſung |
fo viel möglich zu behaupten bemüht war, auch fein Eönigliches
Anſehen in Baiern und Schwaben ziemlich hergeftellt hatte, bins
gegen dem Herzog Heinrich in Sachſen nicht viel anhaben fonnte
fü war doch diefes von ihm zur Nachfolge im: Reich empfohlnen
Fuͤrſten Klugheit und Tapferkeit, welche in feinen eignen Herzog \
thuͤmern einen guten Rückhalt hatte, die Ehre vorbehaften, den
Ruheſtand in den deutfchen Provinzen wieder herzuftellen, und den.
Weg zu der Einrichtung in den Herzogthümern, welchen fein noch
größerer Sohn, K. Otto der J, glücklich fortgeführet hat (a) zu bah⸗
nen. Beyde Könige trafen Das Mittel, daß fo wie ehedem mehrere
Miffi zugleich in einer Provinz oder Millatico waren, fie die miſ⸗
ſatiſche Gewalt der Herzoge und obriftlandrichterliche Commißion
cheilten. Der Herzog blieb der Dux exercitus in einer Provinz,
deſſen
von den Landpfalzen. 113
| deffen. Freye, Herrn und Grafen feine Ligü waren (b), und ihm
ihrem Seniori im Heere folgen mußten. Er befam nicht allein
Beheficia in Föniglichen oder fifcalinifchen Gütern angewieſen,
ſondern außerdem auch Graffchaften, die ihm als Grafen unter
geben waren (c). Die übrige Grafen aber ungeachtet fie feine -
höhere Gewalt und auctoritatem Ducalem , regiæ audtoriratis
vicariam, erkennen mußten, hatten ihre landreichterliche Gewalt in
denen Bauen von dem Könige, der ihnen den Eöniglichen Bann dazu
verliche(d). Da es aber in einer jeden Provinz ſolche Perfonen gab,
die von den gräflichen und hergoglichen Gerichten befreyer gewe—
fen, fo mußten diefe einen befondern Richter und Fuͤrſteher nächft
dem Könige haben, damit von demfelben die Sachen entweder
felbft gerichtet oder doc) Information genommen, und dem König
Bericht gethan werden konnte. Die terre filcales follten nicht
mehr unter der Hut und Verwaltung der Herzogen feyn, von
deren Beneficiis das, was noch dem König in einer jeden Proz.
vinz veferdivet war, abgefondert und der Dberaufficht eines Ober-
Domanial-Richters und Procutatoris , fiſci heimgemwiefen wurde,
Dieß ift der Comes Palatinus in der Provinz, welcher alſo einen
Theil der mifjatifihen Gewalt zu genießen befam, und eben da-
Durch dem Herzoge an die Seite gefeßt war, als der ohne ihn
als feinem Schultheißen Fein Placitum halten konnte. Selbſt
unter den Mills heißt öfters einer per excellentiam millus, der
andere Graf, oder wann mehrere Mili waren ‚, fo ward ihnen ein
Judex zugeordnet, dergleichen, wie oben $. 2. der Grafe Oren—
dil war (e). Ein folcher Judex, der dem Miſſo Dominico oder den
mifis regüs zugegeben war, fiheint mir die größte Achnlichkeie
‚mit dem den Herzogen beygegebtien Comite Palatino , Landrich-
ter, Großſchultheißen, der zugleich Blutvogt war, gehabt zu has
ben. Der Herzog alfo wurde in der Provinz ein Gleichniß des
Königs, und der zugeordnete Comes Palatinus ein Gleichniß des
P En
114
Erzpfalzgrafen Comitis Palati, Ich will nunmehro den Zeitur⸗
ſprung des Probimialpfalzotafen in jeder Provinz kuͤrzlich zu ent⸗
wickeln ſuchen.
G. C. Crollius
(2) Bonring de Jud. reip. Germ. th. LXXXI. fagt folches kuͤrzlich: ——
nicorum Cafarım & ſequentium «vo eadem auttoritas (miſſorum
regiorum) videtur Ducibus quodantenus iterum fubdulla (prout
& in multis alüs circumcifa ef illorum antiquifforum Ducatuum-
potentia) & faltem ex parte translata in Palatinos Comites, feudi
legibus conſtitutos. Neque enim ante hec tempora usquam legas
memoratos eiusmodi Palatinos Comites &e.
(b) Die Ligietzt , wodurch ale Freye in einer Provinz dem Herzog verpflich⸗
Ce) H
ſchen Grafen Friedrich und Anfelm, fo fie ihrem Herzog Ernſt dem IL
auf dem ſchwaͤbiſchen Landtag zu Um im Fahre 1027 gaben, als er die
ſchwaͤbiſche Herren aufforderte, bey ihm gegen den König zu halten,
Wippo in vita Conr. Sal. p. 434 beſchreibt dieſelbe alfo: Talia di-
centi duo Comites Friderieus & Anfelmus pro cateris refpondebant, j
hoc modo: Nolumus inficiari, quin vobis fidem firmiter promitte-. |
remus contra omnes, prater eum, qui nos vobis dedit: Si fervi |
effemus Regis & Imperatoris noſtri & ab eo iuri veſtro mancipati,
non mobis liceret a vobis feparari: nunc vero cum liberi fimul fi-
mus, & libertatis noſtræ fummum defenforem interea Regem & Im-
peratorem noftrum haheamus , ubi illum deferimus , libertatem amit-
timus ; quam nemo bonus, ut ait quidam, mifi cum vita, fimub
amittit; quod cum ita-fit, quiequid honefii & iufli a nobis exqui-
ritis in hoc parere volumus vobis: fi autem contra hoc vultis, illue‘ |
revertemur liberaliter, unde ad vos venimus conditionaliter. Die |
erftere Worte der Antwort ffimmen mit der gewöhnlichen Formul der |
foederum inzqualium ligiorum, welche nicht. nothiwendig mit einem
Vafallagio verfnüpft waren, überein. Nur war dad Band zwifchen *
dem Herzoge und den Provincialibus eine-Ligietas necefläria.
. Burfard in Schwaben z. E. befam bie confifeirte Güter der Camerz |
nunciornm oder 5 perpetuorum Erchanger und Berthold zu Le=
hen oder Beneficio. In Anfehung ihrer eigenen Grafſchaften beißt u
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tet waren , läßt fich genugfam abnehmen aus ber Antwort der ſchwaͤbi— |
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h
von den Landpfalgen, 115
in Urkunden oft in Comitaru Dueis Ce. movon nicht nöthig ift Bey⸗
fpiele anzuführen.
a) Die Ummittelbarkeit ber Grafen und ihr vom Koͤnig tragende Amt und
chen hat Kopp de infigni differ. Com. Imp. & nobil. unwider-
fprechlich bewiefen. Wann Grafen ihr Amt vom Herzog hatten, fo wa—
ren es Comites minores, Vice-Comites oder Judices.
ke) Alfo wird z. E. in einer freyſingiſchen Urkunde 1. c. n. CXVI, p. 88°
von einem Placito miflorum geredet: Aefedentibus miſſis domni Ka-
roli Magni Imperatoris, Arnone videlicet Archiepifcopo & Adal-
wino Coepifcopo ipfius, una cum Orendilo iudice in loco publico
Frifinga &c. in der darauf folgenden CXVII. heißt es. Dum refe-
diffent venerabiles mifi Domni Karoli Magni Imperatoris, Arno
-- 8 Adolwinus -— & Orendil Judex ad examinandas diverforum
canfas, & cum lege atque iuflitia examinandas in loco qui dicitur
Frigifingas in mallo publico &c. Diefer Judex miflus Orendil aber -
war ſonſt ein Graf, L J. c. n. CXXIV., Refedente vero Arnone
Archiepifcopo, & Orendil, & Amalrih Comitibus ad Karoz ad
saufas diverfas examinandas.
5. 7-
Als Herzog Heinrih in Sachfen von den Franken und
Sachſen war zum König gewählt worden, fo wollten weder Her⸗
zog Burkard in Schwaben, noch Herzog Arnulf in Baiern ibn
für ihren König erkennen, noch ihre herzogliche Gewalt als ein
Beneficium deffelben anfehen. Herzog Arnulf in Baiern war,da
Konrad Faum die Augen geſchloſſen hatte, in dieſe Provinz zu⸗
ruckgekommen, und affectivte eine unabhängige Regierung, und
ſitprand meldet, Daß er von den Baiern und Orientalibus
u di. den nordganifchen Franken, die zu Baiern nach des
Cameræ nuncii Adelberts Tod gefehlagen worden ‚. honorifice
empfangen und ermahnet worden, den Löniglichen Titel-anzunels
men. Als daher der neue K. Heinrich mit H. Burkard in Schwa⸗
*
P2 ben
116 G. C. Crollius
ben fertig geworden, ſo wendete er ſich mit ſeiner ganzen Macht
gegen Arnulfen, und belagerte ihn in Regensburg. Der Streit
nahm ein Ende duch einen zuͤtlichen Vergleich, kraft deſſen
Arnulf fein Herzogthum als ein Benefßcium, und über die ihm
gelaffene herzoglich » miffatifche Gewalt, auch noch das Jus re- 7
gium über die Biſchoͤffe des baierifchen Reichs erhielt. Der
Fall exiſtirte nun, daß dem Herzogen ein Pfalzgraf an die Seite
gefege werden Fonnte, und ich glaube, daß es gefcheben; daher
ich eben muthmaffe, daß Arnulf in dem erhaltnen Jure regio eis
nen gewiffen Exrfas wegen dem der miffatifhen Gewalt dadurch
entzogenen Theil empfangen habe. Aventin meldet in feinen
- Annal. Schirenfibus (a), bey diefem Vergleich zwifchen 8, Heinz
rich und H. Arnulf, noch den merkwuͤrdigen Umftand, Daß des
festen Bruder Berthold die Prefelturam Venufticam erhalten
habe. Daß der Pagus Venufta ad Comitatum Bertholdi gehörig
geweſen, ift einmal gewiß aus einer freyfingifchen Urkunde 8.
Heinrichs des I. vom Jahre 931 (b), worinn er dem Biſchof
Wolfram einige darinnen gelegene und ſeinem Stift entzogene
Prædia wieder zuzuſtellen befiehlt. Seine Worte find: Id eireo
noverint omnes fideles noftrs -- qualiter nos -- kaclenus imiufte ablatum in
ius proprietatemgue prefati monafterü (Ecclefie Frifingenfis) per hoc
noſtræ aukloritatis praceptum remittimus perpetualiter pofhdendum ; hoc
ejt, Maies & Chorzes & Chaines -- que fita eſſe nofeuntur in pago Ve-
nufta in Comitatu Bertholdi. In Gefolge dieſes koͤniglichen Erkaͤnnt⸗
nißes und Befehls raͤumte Berthold obgedachte Prædia, noch bey
Lebzeiten feines Bruders und mit deffen Zufriedenheit, auf Bitz’
ten des Bifchof Wolftams, welcher bis 938 gelebt, demſelben
> ein. Die Worte diefer Urkunde find Cc): Periholdus divma favente
elementia Dux, Rudperto & Merolto nofiris fidelibus: cognoftere vos volu-
mus, quod dileüijimus frater nofler Arnolphus una nobifcum, rogatu
Wolfram -- chm nofiris fidelibus comvenimus , ibique invicti ſimus frater ||
wofer
ee — *
——— ı
—
von den Landpfaken. 117
noſter --quasdam res eiusdem Eeclefie quondam iniuſte abſtractas cum
konfılio fidelium fuorum welaxavit -- Nos vero -- confultu iam dikli fra-
tris noflri ea@terorumque fidelium noftrorum, precibus prafati Epifcopi pe-
titionibus amnuentes, proprietatem -- ad Mayes £7 „‚Chorzes .- in manus
praditü Epifcopi poteflative remifimus: Dex König befiehlt demnach,
Daß dem Stift Freyfingen die ihm weggenommene Predia in pa-
go Venufta & Comitatu Bertholdi wieder eingeräumt werden ſol⸗
len. Der Herzog Arnulf velarirte den unrechtmäßigen Bells,
und fein Bruder Berthold übergiebt fie fofort dem Biſchof pote-
Stative, welches wie mich dunkt einen Adtum pfalzgräflicher Ge-
walt, eine Handlung eines Principis regalium decretorum ans
zeigt. Der Herr Ritter du Buat will zwar aus der leßtern Urs
kunde eine gemeinfchaftliche Regierung Arnulfs und Bertholds
als Herzoge erfinden, wann er faat (d): Hine autem conftaret Ar-
nolphum £$ Berchtoldum fratres Ducatum Baioarie fimul rexiſſe; ‚quod
nemo , mi fallor, ante nos dicere aufus ef; und nachdem er aus den
YAnmaßungen der Söhne Herzog Arnulfs folgern will, daß weil
fie alle das Herzogthum ambirt hätten eben diefes für theilber
gehalten worden: fo fagt er: His rite perpenfis conflat mihi , cem-
munem Ducatum fuifje Arnolpho £9 Bertholdo &fßc. Ja er wird noch
mehr darinnen beftärkt, indeme er in einem ihme mitgetheilten
ungedruckten Vergleich zwifchen dem Erzbifchof Ddalbert von
"Salzburg und einem viro nobili Weriant vom Jahre 928 (e)
folgende merfwirdige Stelle gefunden: Tradidit predifius Weriant
"cum Adalfuinda uxore fun in manus Odalberti Archiepifcopi & Advocati
"füi Reginperti proprietatem fuam , quam in loco Hus diclo traditione
"Arnulf £$ Bertholdi Ducum accepit. Die Entdeckung des Heren Rits
ters iſt theils unrichtig, theils richtig. Daß ein Herzogthum in
damaligen Zeiten theilbar ſeyn oder gemeinſchaftlich habe regiert
werden koͤnnen, iſt gewißlich etwas, was niemand außer dem
Herrn Ritter zu ſagen ſich getrauen wird. Daß aber die miſſa⸗
P3 tiſche
8 G. C. Crollius
tiſche Gewalt, welche die Herzoge vor K. Conrad und K. Hein⸗
rich gebraucht haben, allerdings gemindert und ein Theil derfels
ben hernach dem Pfalzgrafen zugetheilt worden, babe ich oben
mit Bonring und Keibnigen wahr zu machen gefucht: Berthold
war alfo allerdings feinem Bruder Arnulf an die Seite geſetzt,
aber ex verwaltete Eeinen Ducatum, fondern eine Prefedturam Pa-
latii, mit welcher auch Pagus Venufta als eine terra filcalis vers
Inüpft war. Diefes Gaues Benennung ift noch übrig in dem for
genannten Vinſtgow, einem Riertel der Graffchaft Tyrol: Aber
eben diefe Grafſchaft war infonderheit eine terra fifcalis oder pa-
latina. Man vergleiche nur die Urkunde K. Dtten des IL. vom
Jahre 974 (f), worinn er dem Stift Frepfingen einige in medio
Comitatuum , qui vulgo vocantur Puftrus, Salurno, Catubria conflituto
und unrechtmäßig entzogene Derter wieder zuerkennt, und die |
Schenkungen über alles, quicquid inter hos tres fupra titulatos Co- |
mitatus proprietatis habuimus, hoe eſt, ubi ingreditur fuvius Pudio )
Rionhum, ex eo loco furfum, quæcunque adiacent utrisque ripis eiusdem
fluminis, cum Comitatu Catubrie inde usque ad flumen Afulturbach Al-
pes fie appellatas erneuert, fo wird man noch mehr davon übers
zeugt werden. - Das Puſterthal, die Herrſchaft Salurno find
noch Partes integrantes der Grafſchaft Tyrol; dahingegen das
angränzende Cadowerthal zum venetianifchen Gebiete heut zu Ta⸗
ge gehörig if. Daß aber Berthold den Titel eines Ducis führt,
welchen ihm jedoch K. Heinrich felbften nicht giebt, ift bey an
dern Pfalzgrafen nichts ungewöhnliches, indeme fowohl. der erſte
Pfalzgraf Hermann zu Machen anfänglich öfters diefen Namen‘
trägt (9), als auch Pfatzgraf Arnulf der Züngere in Baiern
son alten Gefchichtfihreibern fo genannt wird (n). Wann das |
Herzogthum gemeinfchäftlich befeffen worden wäre, warum bes
rufte Arnulf allein, und nicht fein Bruder zugleich den baierifchen |
Synodum zu. Dingeffingen? Warum wande fi der Papft Leo |
der |
von den Landpfalzen. 119
der VII in feinem Schreiben an die baierifche Bifchöffe und Gra⸗
fen, allein an Arnulfs älteften Sohn Eberhard als Herzogen der
Baiern, wann feine beyde Brüder eine mitherzogliche Regierung
ambiret hätten? Und warum brauchte es noch einer Ernennung
Bertholds zum Herzogen? Als Arnulf geftorben war 937, fo ams
birten feine Söhne den Ducatum; der aͤlteſte Eberhard prätendirte
ihn zu befisen, und hatte feine Brüder zu Helfern. Es heißt von
ihnen: Regis iuſſu ire in Comitatum dedignabantur , diefe Worte find
vieleicht anders zu erklaͤrkn, als gemeiniglich gefchiehet. Dann
K. Dtto hatte nad) dem Tode Arnulfs das Herzogthum gleich
deffen Bruder Berthold, welcher felbft von Maſcov als bisheri-
get Comes Palatii per Baioariam erfannt wird (Gi), und immer
den Königen getreu geblieben war, verlichen, und den Söhnen
Arnulfs hingegen gebotten, fich mit der Pfalzgrafſchaft und ans
dern Sraffchaften zu befriedigen, ire in Comitatum regis. So⸗
wohl Wirichind von Korvey als Konrad von Urfperg bedie-
nen fich diefes Ausdrucks, welchen die meifte willführlich mit dem
ire ad Comitatum, adire Comitatum, h.e. aulam regiam, verwirren,
und auf eine Lehennehmung der poteftatis Ducalis deuten. Dem
älteften Eberhard infonderheit wollte folches nicht gefallen, und
feine Brüder das Herzogthum demfelben Tieber gönnen, als ihrem:
Better, der fie vergebens eines beſſern zu bereden ſuchte. Das
ber vebellirten fie gegen dem König; wie folches Hermannus con-
traßius in der Ordnung erzehlt: Arnolfus Dux Baioarie obüt, Duca-
tumque eins accepit Bertolfus ; Baioarii (Comites, filii Arnulfi Dueis)
cum multis alüs Regi Ottoni rebellant. Otto Rex contra Baivarios
procinelum movit peneque omncs fibi ſubiugavit. Der König mußte
mnach Bertholden mit Gewält in das Herzogthum einfegen;
Eberhard plus aliis rebellis, mußte ins Erilium. Die andere Brüs
ber unterwarfen fich, und der zweyte Arnulf trat nun in die dem äl
seften vorhin zugedacht geweſene Stelle eines Comitis Palatii,
wel⸗
120 Fa G. C. Crollius
welches Amt er nach den Zeugnißen des Lebens des heiligen Udal⸗
richs ꝛc. (K), und anderer ungezweifelt verwaltet bat, bis er im Jahr
954 in einer Rebellion gebfieben ift. Denn als nach Bertholds |
Tode (947 oder 948) der König das Herzogthum mit Vorbey⸗
gehung Arnulfs, und deffen Brüder an feinen eignen Bruder Heine
rich von Sachſen, der Judith Arnulfs Tochter Gemahl verge⸗
ben hatte, fo ward Pfalzgraf Arnolf darüber mißvergnuͤgt und
erfahe die Gelegenheit, die ihm des Königs Sohn Ludolf, Herz
zog in Schwaben darbote, zu tebellive®, und mit deſſen Huͤlfe
das Herzogthum Baiern an fich zu bringen, wie Witichind und
der ſaͤchſiſche Annaliſt anführen A): woraus faſt zu fchlieffen
- wäre, daß der ältefte Eberhard nicht mehr am Leben gewefen (m).
Wer Arnulfs Nachfolger in der Pfalzgraffchaft geworden, ift ein
Problem, deſſen Auflöfung erſt zu hoffen ift, wann neue Urkun-
den fo in die andere Hälfte des 10 Jahrhundert einfchlagen, durch
die unermuͤdete Nachforſchungen des fuͤrtreflichen Herausgebers
der Monumentorum Boicorum werden entdecket, und uns beſſere
Spuren zu Muthmaßungen geben werden. Dieſe immer wichti—
ger werdende Sammlung hat den Stifter des Klofters Seon, ich
meine den Pfalzgrafen Aribo und deſſen Famille (n), fodann die |
pfalzgraͤfliche Stifter der Abbtey Not (0) in ein folches Licht ges
ftellt, daß wir nun mit Gewißheit von 994 an bis gegen das
Ende des 11 Jahrhunderts eine vichtigere Reihe aufftellen Füns
nen, als die fonften ſcharfſichtige Muthmaßungen des Herrn du
Buat finden lieffen (p). Pfalzgraf Aribo Cein vermuthlicher Ab⸗
koͤmmling des Markgrafen Aribo, der ein Bruder und Kollege
Markgrafen Luitpolds gewefen) ftiftete ums Jahr 994 das berühmte -
Klofter Seun. Sein gleihnahmiger Sohn ward Erzbifchof von
Mainz, und ein anderer folgte ihm in der Pfalzgraffhaft, Nas
. mens Hartwig, von deffen fruͤhzeitigem Schickſal, Gemahlinn und
Söhnen, Bonrad von Urfperg und der ſaͤchſiſche Annalift
unterm
—
— von den Landpfalzen. r⸗21
unterm Jahre rrog weitere ſchoͤne Nachricht geben. Pfalzgraf
ig ſtarb fruͤhzeitig noch dor 1030 mit Hinderlaffung eines
feinen Sohns Aribo, und feiner ſchwangern Gemahlinn, die
| nad feinem Tode noch.den Botho, den nachher flreitbaren Gra-
‚ fen von Bottenftein, gebahr (q). Nach Hartwigs Tode, und da
ſein pfalzgräfliches Amt. von feinem unmündigen Sohn nicht. be>
| kleidet werden konnte, mußten andere diefe Function verfehen; und
' da glaube ich von diefer Zeit infonderheit Comites Provinciales zu
| entdecken. Eine freyfingifche Urkunde vom Sabre 1034 ftellt ung
einen Adalperonem, filium Oudalrici Comitis regula iuſtitiæ Norica
Comitatum Provincie gubernantem (x) auf. Ja felbften,. da der jun⸗
ge Aribo unter dem Praͤdicat als Pfalzgraf erſcheinet im Jahre
2046} finden fich doch nad) Comites Provinciales und Mifli (s),
welche zur formbachifchen Familie zu gehören feheinen. Aribo
ward aus einem Pfalzgrafen endlich ein Markgraf in Kärnthen,
fit nobilis Princeps de Carinchia, Es frat jedoch in feine pfatz-
graͤfliche Wuͤrde nicht fein Bruder, der tapfere Botho, fondern
Kuns von Rot, deffen Pater Popo fhon Präfes, und deffen
| &roßoarer ebenfalls ein Graf Popo gewefen: Kung, der feinen
ſchon vermählten Sohn Kuno in einem Treffen noch vor 1073
‚verloren hatte, erhielte hernach den berühmten Grafen Napoto zum
Nachfolger. in der pfaßzgräflichen Würde (£), einen eiftigen An—⸗
haͤnger K. Heinrichs des IV, welcher, wie Berthold von. Koftnig
meldet, im Jahre 1099 gefiorben. Jedoch ich befinne mich, da
nur den Urfprung der. Pfalzgrafen zu beitimmen, und nicht
€ Reihe feftzufegen babe, „welches ſchon allein eine Abhyands
fung. füllen Eönnte, und fehlieffe mit der Muthmaſſung, daß alle
vafen in Baiern aus dem Gefchlechte der Markgrafen Luitz
olds und feines. Bruders Aribo entfproffen feyn mögen.
6 Welche von dem Prof. Johannis des Conradi Philoſophi Chronieo
R Schirenfi im der neuen Ausgabe 1776 beygefügt worden, ſ. p. 200, we '
‘ Q er,
|
|
J
a
122 G. C. Crollius | =”
er don dieſem Vergleiche zwifchen dem König Heinrich und Herzog Urs |
mulfen weiter erzehlt: Arionulphus vero filiam fuam Juditham, que |
& Gucta Heinrico, filio Beinrici, Cefaris, defpondet : Berichtol
dusque frater eius præficitur præfecturæ Venuflice. Nunc Comi- |
tatus eft Tirolis Ec. Aventin beruft ſich dabey auf public, Biblioth,
diplom. Ratisb. und Paul. Longobard. |
|
©) In Meichelbecks hi. Friſ. Tl, p J. hiſt. L. III, c 1,5. IL, |
pag. 163 faq.
(ec) Sieh 1. c. p. 164.
(d) In Origg. Boic. L. VII, c. II, $. IL |
(e) Sich in dem Appendice Monum. zu den Origg. Boic. N. I. die zweytr
Urkunde, unter deren Zeugen Perthold Dux bey der Beſtaͤtigung dieſer
Uebergabe voranſteht.
(£) In Meichelbecks hiſt. Friſ. l. e. P. 179.
(g) Sieh Crollius erläuterte Reihe der Pfalzgrafen 2. P. 21-23.
Ch) Wie in den Origg. Boic, L. VII, c. IV, $. IE. p. 38 &e. aus item,
Scribenten anzeiget.
Gi) Ich will dieſes genauen Geſchichtſchreibers eigne Worte aus deſſen
ment. de R. 1. G. L. Il, $. IV, p. 35 anführen: Anno DCCCC-
XXXVII. Bavaria morte Arnulphi Ducis turbata ef - Rex aus
tem Eberkardo hoſte iudicato, ducatum dedit Bertholdo fratri Ar⸗
— nulphi, Comiti Palatii per Bavariam, eique poſſeſſionem, cum exer-
eitu profectus in Bavariam, afferuit. Ich wünfchte aber, daß Ma—⸗
ſcov den Grund diefer feiner Benennung angezeigt hätte, welchen er
verſchwiegen hat. j a
(k) Sieh die gefammlete Zeugniße in Pfeffingers vitr. illoftr. T. IT, Page
aıı (a). Der Lebensbefchreiber des heil. Udalrichs, Biſchofs von Auer
burg nennt ihn ausdruͤcklich Palatinum Comitem, und Ruorger in
vita Brunonis Archiepifcopi Colonienfis ſtellt ihn ebenfalls: als den
Steubefiger ded abweienden Herzogs dar. Was Herr du Buat von eiz
ner Pfalzgrafſchaft des ganzen Reichs die er getragen habe, fagt, und
niemand außer ihm, wiberlegt ſich felbflen; fieh oben die erfie Abth. $.
() Sieg
| vor den Landpfalzen. 13$
0) Sieh; abermald die Stellen bey; Pfeffinger I. e. p- und dir Buat I. c,
age nu,
(im), Außer ihm hatte Arnolf der Juͤngere noch zwey Bruͤder, Hermann und
Ludwig, ſieh du: Buat I. c. pag. 25, 30% und Lib. Tradit. monaft,
ſancti Emmerami Num.. 153, pag. 132. Was Hermannen: anbe-
trift, fo weiß Herr du Bias nichts mehr von ihm zu: ſagen, ald. was
in dem Leben: deö Heil. Udalrichs von ihm gemeldet wird „ daß er in dem
Treffen bey, Menchingen in. die Gefangenfehaft dieſes Biſchofs gekommen.
Wann: die Anmerkung Meiboms zu Witichinds. Annalib. in feriptt..
* T.1,p.697 richtig waͤre, (Arnulphus) Arnolfi mali filius, cuius fratres.
füere Eberhardus & Hermannus, qui & aliis W ernerus, ſo würde man
bey. Hermannen die Erzehlung des Conradi Philofophi edit. Foannis-
P- 15, von einem ſcheyriſchen Grafen Wernher, einem: Pathen des De
Udalrichs, anwenden: fönnen.. Daß Herzog Arnolf und der Bifchof: Udal⸗
‚rich. Gevattern gewefen, bezeugen auch andere. Scribenten : dag auch: öf-:
ters zwey Namen einem Herrn gegeben wordem, geben Hermann Bil—
Ming, und Luder Udo Graf von Stade 7: zu erfennen.
(n), In: Mon. Boic.. Vol. II,. wo p. 123:- 126 in den: Befſtaͤtigungsurkunden
des Papſts Enlvefter des II. und Kaifer Otten de III. vom Jahre 999;.
der: Graf Aribo, als Stifter des Kloſters vorkommt‘, und: in- ben Ex-
cerptis necrologii' vetuftiffimi‘ p. 158: eben derſelbe Comes Palatinus
genennt, und feine Brüder; Gemahlin, Soͤhne und Toͤchter angeführt wer⸗
\ den p. 158-162; wodurch die Nachricht des Andrez Ratisb. in Chron.
Bav. L. 1V, c. 8, daß Pfalzgraf Aribo diefes Kloſter geftifter, ihre
vollkommene Beglaubigung: erhalt.
(0) In Monum. Boic.. Vol, 1, Mom Rot. n. I, mt HT, p.-343-- 350:.
) In Origg, Boic; L. IX, c. H, p. 107 fgg..
Kg Eich du Buat Origg. Boic. dom. L. V, c. VI-VIET, beſonders e—
| VIL.$.1I, p. 281 fg. Pfalzgraf Hartwig lebt menigfteng noch 1025.
“(e) In Hift, Frit, P. T, hiftor. pag. 239. Meichelbeck macht: ihn daſelbſt zu:
einem Grafen von Sempt. |
(6). Dergleichen war Timo, Miffus im. Jahre 17046, ſieh oben I Abth. 5. 3.
Er mag, eben. derjenige: ſeyn, welcher and in. andern. Urkunten Prafes
D. 2. genennt.
124 G. C. Crollius .
genemt wird, fo wie auch des ums Fahr 1063 ſchon ats Pfalzgrafen, f
Aulici Prefidis, Comitis Cunonis de Rota Vater Popo und —— |
vater Popo Præſides heißen; ſieh Mon. Boica Vol. I. p. 348 _ |
« Sich du Buats Origg: Boic. L. IX, c. I, p. 123 14. $ |
|
|
5: 8.
Noch ehe K. Heinrich in Baiern gegangen war, um fein
roͤnigliches Anſehen geltend zu machen, ſo hatte ſchon Herzog
Burkard in Schwaben ſich vor ihm ſchmiegen müffen. Burkard
feheint von den Ständen in Schwaben gewählt, und fodann von.
8. Konrad beftellt worden zu feyn. Er hatte fich aber auch noch
vor dem Ende K. Konrads mehr herausgenommen, tyrannidem in-
voft, und wollte, als Heinrich Die Eönigliche Würde durch Wahl
der Franken und Sachſen empfieng, dieſem nicht unterwuͤrfig
ſeyn. Allein als Heinrich mit Heeres Macht ihn überzog, ſo ers
gab er fich mit feinem Volk und der Provinz in des Königs Ge⸗
wart. Die baierifhe Provinz giebt uns Thon eine Analogie,
nach meicher fich muthmaſſen läßt, daß der König auch in Schwas
ben werde die miffatifch»landrichterliche Gewalt getheilet, und eis
nen Pfalzgrafen angeordnet haben. Allein, von Feiner Provins
sialpfalsgraffchaft in Deutfchland hat: man in den Altern Zeiten
weniger Spuren, als von der ſchwaͤbiſchen. ch weis daher
wicht, ob ich zuviel wage, wann ich die erfte Spur eines koͤnig⸗
lichen Pfalsgrafen oder Landgrafen in einem Placito Provinciali
unter Herzog Burkard dem I, auf welchem im Zahre 926 zu Kine
fiorf in Gegenwart des Herzogs felbften, und vieler Grafen, von
einem Grafen Bernold ein Streit zwifchen den Kloͤſtern Etenheim
und Waldkirch coram cuncta frequentia utriusque provinciz, tam
Mortimavige (Ortenau) quam Brifigaviz entfchieden wurde, zu
entdecken glaube. Die Urkunde (b) ift fo merkwürdig, daß ich
einiges daraus anführen muß: Pofles autem falls eſt conientio inter
CIN-
von Den Landpfalgen. —
eonſines illarum partium, Et familin quæ pertinent ad monaſterium,
uod vocatur Waldihircha „ videntes quod illorum terreſtris Dominus
Burehardus valde fublevatus eſt per potentiam huius ‚miendi (Ducatum)
— irruentes in 'hereditatem Jantie Marie proxima loca, que adiacent
‚monaflerio Ethinheim , ficut ‚fuerunt Segetes immatur® , fucciderunt E
‚afportaverwut. PFoſtea vero Monachi, fupradiöti loci venientes ad Bur-
ebardum , interpellaverunt.eum pro ipfa iniufla prefumptione, que in
Allis fatia eſt. Ipfe vero, ut audivit , iratus eſt valde, £F ipfam iniu-
riam quam fervi illius præfato monaſterio intulerunt, feſtinanter emen-
‚dari curavit. Tradidit itaque cum manu uxoris fü Regilindæ ad mo-
aaſterium, quod dicitur Waldchircha --- ad dirimendam controverfiam
illam, ea videlicet ratione , ut ipfi fraterculi Etkinheimenfis Monaflerü --
ipfas res - fine ulla contradictione firmiter teneant aque poll ideant.
Nachdem dieſe Mebergabe mit einer Strafe ins Eönigliche Ara-
rium faneivet worden war, fo wird angefügt: Hæc tamen traditie
per regiam -poteflatem.& ommium ‚bonorum , firma £5 inconvulfa perma-
met, Und darauf folgt Der merkwürdige Schluß: Ada eſt hec
shartula modernis temporibus ‚Hleinriei Regis, fub Bernoldo Comite in
publico mallo, in oppido, quod dieitur Chincihdorof, coram cunia fre-
quentia populi ubriusque provincix, tam Mortinaugie , quam Brifigavie
qua prafentes fuerunt, guando her traditio falle eſt, teflibus fubnsta-
tis: Sign. ipfe Burchardus , cum ceteris Comitihus, qui ibi tunc aderant,
uando traditio fadta efl. Sign. Bernold. Nun folgen die übrige Gras
fen und Anwefende --- Anno incarnationis Domini noſtri Ieſu Chrifls
PCCCCXVI. Indilt. V. Die Streitſache, worinn die Leute des
dem Herzog erbangehoͤrig geweſenen Kloſters Waldkirch beklagte
waren, betraf in ſofern den Herzog mit, und darum richtete im
Namen des Koͤnigs, und beſtaͤtigte durch ſeine poteſtatem regiam
oder koͤniglichen Bann der Graf Bernold, als obriſter Richter
und Schultheiß in dem placito provinciali, wobey außer dem
Herzog noch viele Grafen, als Beyſitzer gegenwaͤrtig waren. Dieß
Q3 ſcheint
won A | E
‘126. G. C. Crollius a
feheint einer neuen Anordnung eines Pfalzgrafen und koͤniglichen
Landrichters ſowohl als Schultheißen des Herzogs‘, modernis
temporibus Henrici Regis vollkommen gemäß zu ſeyn. Schoͤpf⸗
lin (e) häft zwar diefen Bernold nor einen prefidem utriusque
provincie: der. Drtenau und des Brisgau oder Landgrafen, Det-
gleichen das Brisgau in den zäringifehen Herrn in fpätern Zeiten
gehabt hat. Ich glaube. aber: eben. fo viel Grund zu haben, in
ihm einen. dem: Landgrafen ohnehin fehr aͤhnlichen Pfalzgrafen zu
erkennen ‚ja um fo mehr, als im Jahr 972 ein unftreitiger Pfalz⸗
graf in Schwaben, gleiches: Namens, Berno (Bernold) in ei
nem Placito 8. Dtten des Tzu Koftnig fichtbar wird, den ich für
einen Abkoͤmmling obgedachten Bernolds halten möchte, da es
gewiß ift, das das pfalzgraͤfliche Amt gleich Anfangs: erblich
war (O. Weder Zelfferich, noch Sattler haben den Berno-
nem Comitem Palatinum aus den kruſiſchen Annalen angeführt).
und dadurch ihre Nachrihren von den fehwäbifchen Pfahzgrafen
in ein höheres Alter hinausgeführer. Die Urkunde, worauf ich
mich beziehe, hat Bruſius alfo angezogen (e): Eödem anno, pri-
vilegrum guoddam Curienfibus Epijcopis (ad Alamanniam: antiquitus per»
tinentibus) Imp. Otho dedit cuius fümma hac efi: verbis ex eo fere üs-
dem a me fumptis. Otho. Hartberto , venerabili Epifeopo Curienfis Ec-
clfie, quasdam Jui inris res dederat -- Curtem fuam in loco Zizuris
vocato., in Cumitatu Rhatie -- Munc autem Hiltibaldus, Hartherto
Epifeopus fubrogatus erat. Tum quidam Arnoldus, Tiriei F. conque-
Rus fwir apud‘ Othonem, eum: locum fibi contra fas fuiſſe fühtratium :
ac mazis ad ſuam Ecclfiam , Schennines vocabulo, pertinere, Impera-
tor ergo. veritatis cognoſtendo caufa, cives Curienfes Conflantiam vocaz
verot -- aliosque eiusdem Comitatus optimos quam plures. Hi füb pre:
fontia Imperatoris , ceterorumgue eins primatum ( Bernonis videl. Comi:
tis Palatini, Cunradi, Udalvie, Adalberti, Huchaldi, Rıkwuini, Gotes
fridi ,. Manegoldi ,, Lantieldi, Wolfradi,, Luitoldi Comitum , aliorum-
que
1
von den. Landpfalzen. 127
‚que optimorum quamplurium), iurando confirmarunts; illam curtem tunc,
temporis, quando ipſam tradiderit , fuiſſe iuris ac poteflatis Augufü,
enm tradendi vel non. .Igitur hanc donationem is renovavit -- Data
XV Kal. Septemb. an. Dominic incarnationis DOCCCLXXI. Inditt,
XV. anno Regni Domini Othonis tricefimo quarto , Imperü autem XIII
Adtum Conflantie. Bruſius, dieſer ſchwaͤbiſche Aventin, muth⸗
maßt von eben dem darinn angefuͤhrten Berno, daß er aus dem
Geſchlecht der Pfalzgrafen zu Tuͤbingen geweſen, als welche viele
Güter beſeſſen hätten circa Curiam Rheiz. Ohngeachtet ih
‚aber diefen Pfalzgraf Berno oder Bernold eben nicht vor einen
Anherrn der Grafen von Ruͤck, weiche wenigftens von dem En-
De des 11 Jahrhunderts an Die ſchwaͤbiſch- tübingifche Pfalzgraf—⸗
Schaft befeffen haben, ausgeben will; fo erfcheint Doch derſelbe
an der Spige der fhwäbifchen Grafen in einem koͤniglichen Pla-
cito, worin eine, Das Recht des Koͤnigs auf ein, in dem Herzogthum
Schwaben belegnes Prædium, betreffende Sache abgethan ward, als
der wahre Pfalzgraf und koͤniglicher Landrichter in der Provinz.
Auch nod) im Anfang des 11 Zahrhunderts erfcheint ein Pfalzgraf
Erneft nach) dem Herzog Dermann,in einer Urkunde Bifhof Werners
von Strasburg, wo von ihm gemeldet wird, daß er nebft dein
Herzoge, K. Heinrichen den TI. im Zahr 1005. bewogen habe, ger
dachtem Bilchof die unmittelbare Abbtey &t. Stephan zu über-
geben (ee). Kaum aber geht in demfelben ein frühes Licht auf,
fo. die ſchwaͤbiſche Pfalz beleuchtet, ſo gehet es wieder unter; bis
faſt nach hundert Jahren (F) Pfalzgraf Kuno erſcheint, wel
chen K. Heinrich der IV, als einen Hauptgegnerz in feinen Laͤn—⸗
dereyen heimgefucht, und in der Pfalzſtadt Tübingen feldften bes
‚ auc) diefe eingenommen bat, wie Trithemius in feiner
Neue Chronik unterm Jahr 1080 meldet: Poflea (Henri-
Imp.) Sueviam cum magno ſuorum exercituw ingrediens, que
Fa Rudolf fuerat oceifi, cunda devaflans, munitiones, caflella £
urbes
|
1%
|
= "SE. Crollius >
urbes etiam Jortiffimas potenter cepit &P omnes iltie hi vefifientes ad de:
ditionem coegit. Oppidum vero Palatini Comitis Chumonis, unde no-
men & titulum ſui principatus habebat , videlicet Tubingen, longa ob⸗
fidione tentans tenuit. Unter dem folgenden Jahr meldet eben der⸗
feibe, daß diefes Pfalzgrafen Kuno Sohn in dem Treffen bey
Höchftedt an der Donau geblieben, welches auch von dem Abbr
Bonrad von Urfperg und den füchfifchen Annafiften befaget wird,
und, ungeachtet fie nur denfelben Chunonem filium Chunonis Pa-
latini Comitis benennen, doch nicht auf den Sohn des Pfalzgrafen
Chuno von Not in Baiern gedeutet werden kann, indeme dieſer
ſchon 1073 tod war. Ob die nachdem vorkommende Pfalzgras
fen von Ruͤck zu Tübingen Agnaten des vorigen. Pfalzgrafen
Kuno gewefen, oder die Pfalzgrafſchaft erft Dadurch erhatten„ weil
Kun diefelde verwirkt haben: Fonnte, getrane ich mit nicht zu bes
flimmen. Die fernere Nachrichten von den Pfalzgrafen in Schwa⸗ |
ben gehören aber nicht hieher (bh), '
(a) Man ſchlage der Kürze halben hievon nach Röhler Difl. de fatis Due,
Alem. 9. V & VIE, und Maſcov deR. 1. G. Adnot. III, p. 7 ſq.
G) Es haben dieſelbe Guillimann feinem Comment. de Epife. Argentor
p. 136 ſq. und aus ihm die Berfaffer der Origg. Guelf. T. IL, pe-
481, N. XXXEX. einverleibt.
(ec) In Comm. de rebus Badenf. T. F, p. 428, cf: 37 fq.
@2 Die Pfalzgrafen in Tübingen aus dem gräfichen Geſchlecht von Ruͤck, hate
ten aufer Zübingen, Herrenberg, Böblingen, Sindelfingen rc. aud Erb
güter in Rhetia, um Eur, zu Marchthal an der Donau, f. die kruſi⸗
fee Annales p. U, L. VII, c. 1, pag. 214, und Helfferich de
Com. Pal. ſub. $. XX--XXVIE Zu Marchthal (Mertale) ſtiftete
Pfalzgraf Hugo eine Probſtey. Diefes koͤnnte auf den Gedauken leiten, ;
als od der Adelbert von Mertale (von Marchthal, wie Achilles -Pir=
minius Bafferus fagt) ein DVorfahr jener Pfalzgrafen, und wohl
gar feltften ein Pfalzgraf in Schwaben gewefen ſeye. Wann bey dem
Hepidan eine Namensverwechfelung anzunehmen erlaubt wäre, fo machte ’
ge:
von den Pfalzgrafen. 129
edachten Adelberts Vater Bertold, wohl unfer Bernold vom Jahr 926
0, und Bernold vom Fahr 972 auch zw dieſem Geſchlechte gehoͤren. Je—
wi doch dergleichen Muthmaſſungen haben noch nicht diejenige Wahr ſchein⸗
1 lichkeit, welche man auch ſelbſt in diefen Zeiten mit Recht fodert.
fe) PIE, L IV, e. XII, p. 138; aus welchem fie entlehnet worden in
Eccardi Origg. Habsb. p. 239, und Origg. Guelf, T. Ik, pag-
242. Num, IV,
(ee), Eckard Origin. Habsburg. p 110. Probat. m. IX.
Noch wollen einige vorher einen Bruder des Herzogs nachherigen Gegen-
koͤnig Nudolfs, Namens Berthold zum Pfalgrafen in Schwaben ma>
chen; wovon. aber die Beweiſe fehlen. ſiehe Scheid in den hanndveri=
ſchen Beyträgen 1760, Etüf 175. Bon Herzog, Rudolſs in. Schwa—
ben, nachmaligen Beutfchen Könige, Verwandtſchaſt mit den welphiſchen
Haufe $ 5, pr 1196. Vieleicht aber koͤnnte Graf Manegold, miles
Imperatoris, der zur Zeit H. Hermanns bes IV’, über welchen der
Bifchof von: Koftnig die Vormundſchaft führte, im Jahr Logo: dein: ob—⸗
gefesten H. Ernft ein Treffen — und geblieben iſt, Pfalzgraf in
Schwaben geweſen ſeyn.
* Sieh hievon des oftgeruͤhmten Sattlers Abhandlung von der Pfalzgraf—
ſchaft Tuͤbingen, in der hiſtoriſchen Beſchreibung des en Wuͤr⸗
tenberg ꝛc. AL Theil e. XXV, p. L- 20.
$. 9
th Babe oben S. 4 die innere Berfaffung des Herzog⸗
chums Gachfen bis auf die Zeiten K. Konrads des I kuͤrzlich vor⸗
geftellt,, und gezeigt, daß in demſelben die Herzoge aus: den
Be nen verfehenen miflis perpetuis entftanden,.
5
fie nichts anders als Fönigliche Vicarii gewefen ſeyen, deren
| und Gewalt unter Den Testen Negenten Barolingifcher
Stamms den Königen gefährlich werden wollte, und zwar im
Sachſen, um fo mehr als damit Thüringen verknüpft war... KRö-
ee. diefe doppelte miffatifche Gewalt nad) H. Ot⸗
Bu R tens
130 G. &. Crollius
tens Tode ſeinem Sohne Heinrich nicht ferner laſſen. Heinrich
aber ſuchte ſich mit Gewalt der Waffen bey dem zu ſchuͤtzen,
was ihm der König nicht gewaͤhren wollte, und regierte Sach⸗
ſen und Thuͤringen mit einer gewiſſen Unabhaͤngigkeit, welche die
Folge des Kriegs zwiſchen ihm und dem Könige ſeyn mußte, pri-
mus kbera poteflate regnavit in Saxonia (a), und bey der fonft un⸗
ruhigen und Eurzen Regierung Konrads nicht gänzlich wieder ab-
geftelle worden. Herzog Heinrich ward auf K. Konraden Em-
pfehlung. fein Nachfolger im Reich, und vereinigte nunmehro das
koͤnigliche Intereffe mit dem berzoglihen. Er hatte Urfache ger |
nug, das väÄterliche Herzogthum anfänglich in feiner Hand zu |
behalten, und er behielt es zeitlebens, fo wie fein Sohn Dtto
voch fange Zeit. Es ward diefe Provinz durch Grafen regiert,
und Eönigliche Vikarien, vicarii Ducum regii oder Legati mit |
-markgräfliher Gewalt angeordnet, die ſich Feiner herzoglichen
Auctorität rühmen Eonnten. Dergleichen waren, wie oben ſchon
gefagt worden, Graf Sigfried von Merfeburg und Markgraf,
qui procurabat Saxoniam und nad) einiger Zeit Hermann von Stus |
beckeshorn, als welcher feit 961 die Stelle eines oberjten Landriche |
ters oder Föniglichen Schultheißen in Sachſen verfehen hat, Noch
- war fein Herzog, deffen miflatica ſ. vicaria & fuprema militaris pote-,
ftas durch Anordnung eines Pfalzgrafen, der einen Theil der miſ—
fatifchen Gewalt zum Intereſſe des Königs zu verwalten hatte, |
und als Miſſus Iudex perpetuus dem Miflo Duci perpetuo zur
Seite feyn follte, einzufchränken war; mithin fallen alle Mey⸗
nungen von einer Pfalzgraffchaft Sigfrieds, Gero und Hermanns |
weg (b). Hermann war zuerft an des im böhmifchen Krieg 937 |
gebfiebenen herzoglich + ſaͤchſiſchen und Föniglichen Kriegshaupts |
manns Efig, Alice oder Efico Stelle ‚gefommen, und Princeps
militie gegen die Böhmen geworden; Er hielte fich in diefem |
Krieg ſowohl, daß ihn K. Otto felbften mit dem cingulo militari |
beehrte,
[!
|
\
|
|
|
von den Landpfalzen.
beehrte, und zw feinem Armigero, Wepener, machte. Schon
956 ſcheint ex Markgraf geweſen zu ſeyn gegen die Sclaven, die
son der Eibe an bis ans Meer wohneten, fo wie feit Sigfrieds
Rode Gero die Markgrafihaft in Nordthüringen mit der Eom-
mißion eines königlichen Legati in Sachfen oder legatione Comi-
tatus-Saxonie bekleidete. Im Jahr 96r aber, da Gero emeritus
denex war, erhielt Hermann auch eine Commiffionem f. legatio-
nemterrz und verſahe die vices prefelture, die obrift landrich⸗
terliche, oder Schultheißenftelle in Sachfen, bis er 966 zum Her⸗
zog an der Elbe in Nordfachfen erklaͤret wurde (c). Diefes: ift
der Zeitpunct, da ich einem Pfakzgrafen in Sachſen, als einen
dem: Herzog an die Seite geſetzten legatum, millum iudicem per-
‚petuum und procuratorem fiſecii regis.annehme.: Athalbero, der
mütterliche Großvater des Biſchof Bernhards, war unter den
fächfifchen Grafen derjenige, welcher von dem König diefe Pre-
fedturam und exadtionem fupremam provineialem erhielt und ſol⸗
ehe bis ums Fahr 987 verfahe Cd). Die Gränzen des Herzog⸗
thums find daher wohl auch die Graͤnzen des pfafzgräflichen De-
partements gewefen. Das Herzogthum Sachfer an der Wefer
ward noch ferner königlichen Vikarien untergeben, welche Pre-
fectur ſelbſt noch im rn Jahrhundert die Strafen von Nordheim
Dtto, Heinrich der Dicke und Kuno führten. Sie regierten
Prineipatum Saxonie, als fecundi a Rege und werden bald Du-
ces, bald Marchiones, bald Landgravii und Prineipes Saxoniæ
genannt (e) Weftphaten ſcheint eben fo wenig der Gewalt ei⸗
nes fähfifchen Pfalzgrafen unterwürfig gemefen zu feyn. Das
phaͤliſche Vehmgericht, deſſen Urfprung man von R. Kart
roßen herleitet, war das osrifts Landgerihte in Weſtpha⸗
me. unter dem Königs- Bann nad) Vehnrecht, und befons
ders Die Blutvogtey, welche den Pfalzgrafen anderswo befün-
ders — — hegte. Die Prefides; dieſer hoͤchſten Freygerichte
u R 2 hießen:
wm
hießen Freygrafen, Neichsfchuttheißen, welche noch von den Here
ren der Freyftühle, den Reichsvoͤgten, unterfchieden feyn, und an.
Diefer Statt gerichtet haben ſollen (f). Diefe Prefidatus, man
“mag darunter die Freyftühle oder Freygrafſchaften verftchen, nebft
andern Eöniglichen Rechten wurden von den geifteund weltlichen
Stände in Weſtphalen von den Älteften Zeiten her befeflen und
geübet, wie Theodorich von Yriem (g) fagt: In antigua Saxo-
nia, qua nun Weflphalia appellatur , prefidatus €? omnia Jura im-
perialia ibidem antiquis temporibus pro cuflodia pacis deputata, per vici-
nos dominos fpirituales E temporales uſurpata &c. Man wird nım
felbften urtheilen koͤnnen, ob diefes höchfte Landgericht und defs
fen Stuhlheren und Freygrafen fi mit dem Amte eines Pfalzs
grafen habe vertragen koͤnnen. Was Thüringen betrift, fo ward
ſolches Eöniglichen Vikarien mit markgräfliher Gewalt anvers
tvauet, die Feinen Herzog über fich zu erkennen hatten (h), daher
von Adelbold im Leben K. Heinrichs des IL (1) denen matoribug :
in Regno, den Herzogen Bernhard in Sachfen, Hermann in
Schwaben, und Theodorich in Lothringen, der Markgraf Eckhart
in Thüringen zur Seite geftellet wird, An die Gtelle diefer |
Markgrafen in einer unmittelbaren Provinz Famen nach Marks |
graf Eckberts des II Tod Landgrafen (K), weiche fo wenig als |
jene einen Pfalzgrafen a latere hatten, daß fie vielmehr in This |
tingen eben das gewefen zu feyn feheinen, was ein Pfalzgraf in
der dem Herzog untergebnen Provinz, und befonders darinn lies
genden terra palatina war (I). Aus diefem allem erhellt, daß die
pfalzgräfliche Auctorität in Sachſen fi) foweit erfiredfte, als |
Hermanns Herzogthum, Ducatus aquilonalis gieng. Daher ich |
ohne die ſaͤchſiſche Pfalzgrafen mit Heydenreich zu multipliciven, |
der obengenannten Athalbero als den einzigen und erften eigents
lic) fogenannten Pfalrgrafen annehme, wodurd alle Schwierige
keiten wegfallen. Ohne mic) ferner um das noch unbekannte Ges |
ſchlecht J
von den Landpfalzen, 138
ſchlecht diefes Pfalzgrafen ſowohl ats feiner Nachfolger zu bes
kuͤmmern, als wodurch nichts als ungewiffe Murhmaffungen ohne
deutlichere Urkunden zu Markt gebracht werden, nehme ich aus
dem Biſchof Diemar-und alten Denkmalen den Iheodorich zum
Nachfolger feit 987 bis 995 an. Es wird derfelbe ausdrücktich
Palatinus Comes genennt (m) und eine feiner Graffchaften, wel:
he auf feinen Sohn Syrus fiel, und nachher dem Stift Hil⸗
desheim zu Theil ward, war in Mordfachfen um das Caftellum
Mundburg beym Zufammenfluffe der Alfer und Ocker, heut zu Tag
Münden an der Aller, gelegen (n). Zn eben dem Jahre, da Pfalz⸗
graf Thiederich nebf feinem Bruder Sigebert geftorben waren,
naͤmlich 995, gedenkt der Bifhof Diemar des Pfalzgraf Fries
drichs bis 1002 (0), welcher alfo der Dritte in der Reihe feyn
würde. Schon von 1003 findet ſich Burkard als unftreitiger
Pfalzgraf in Sachfen bis 1017, da ihm Pfalzgraf Sigfried (q)
ein Bruder des Biſchofs Bruns von Minden folgte, welcher 1038
geftorben und zu Winzenburg beerdiget worden (1). Ihm folgte
Dedo, aus dem goſeckiſchen Gefchlecht,, von dem die Annales Go-
fecenfes ausdrücklich fagen: qui primus firpis ſuæ Monarchiam Pala-
tu a Rege promeruit, woraus Heydenreich eben ſich bevechtiget
bielte, zwey fächfiiche Pfalzgrafſchaften anzunchmen, die erft in
diefem Dedo im Jahr rogo vereiniget worden. Allen, wann es
von Herzog Theodorich in Oberfothringen in der Unterfchrift eis
ner Urkunde heißt: Monarchiam autem regni tenente Duce Theodo-
wico (5), würde man daraus auf eine ähnliche Reife folgern koͤn⸗
sien, daß diefer oberlothringifche Herzog auch zugleich Niederlo⸗
vereinigt beherrſchet habe; und lernet man nicht viel
daraus, daß gleichwie das Wort Monarchia regni die koͤ⸗
‚Lieutenance, des Herzogs in feiner Provinz andeutet,
alfo auch die Monarchia palatii ſchlechterdings das oflicium pala-
ti, die Fönigliche Lieutenance in der Pfalz, obwohl mit einem
MR 3 prächs
134 G. C. Crollius
praͤchtiger klingenden Worte bezeichnen? Soviel von der Pat;
Sachſen. — —V Kl — ——
(a) Sieh hievon in Strubens Pebenftunden, T. EV, Abh. XXI, $ IT,
pag. 11 ſq. et. a
tb) Ayrer in Diſq. Hermannus officione an gente Billungus $. XXIL,
p. 99 hält zwar die Grände, woraus er erweifen wid, dag Hermann
Pfalzgraf in. Sachſen geweſen, für richtig. Allein fie laufen nur auf
eine Aehnlichkeit hinaus, und fegen eine vage Idee von. dem Amt der
Pfalzgrafen voraus. So lang Sachſen keinen befondern Herzog: hatte,
fondern..ald eine unmittelbare Provinz verwaltet wurde, kann auch Fein:
eigentlich fogenannter Pfalzgraf darinn: geweſen ſeyn.
cc) Sieh oben bie I Abth. $. 2 und Ayrer ec. F. XXIV, XXVI und
XXVII. *28
(8) Die Stelle aus dem Leben des heil. Bernwards cap. I. in Leibnitz
feriptt. T« I, P. 441° ſq. iſt diefe: Ortus eſt igitur egregie indolis
puer Bernwardus , claro nofir@ gentis fanguine, ex filia Athelbero-,
nis Palatini Comitis & traditur Domino. Osdago noftro Epiſcopo
a fuo auunculo religiofo Diacano Folcmaro,, poſt quoque Traiectenſi
Epifcopo --- avus quippe eius Athelbero Palatinus Comes vir plu-
rima virtutum laude infignis, qui commiff« prefetture exattionem
magis ex debito, quam ex intentione gerebat, cum prole utriusque
" foxus feliciffime abundaret „ hume praclarum adolefcentem primis
‘aufpiciis pubeſcentis decoris florentem in affettum filii adostavit,
Nachdem Berward hierauf die Ordines empfangen hatte, und ihn fein
Oncle über das Klofier Deventer an feiner Statt fegen wollte, der Großs:
vater aber, Pfalzgraf Athelbero ihn in feinem Alter sieber ben ſich geſehen,
ſo verblieb derfelde bey diefem bis am feinen Tod. Quo defunkto, fagt,
der Lebensbeſchreiber Cap. IF, p. 443 ad palatium fe contulit in
fervitium videlicet tersii Ottonis Imperatoris,, qui feptennis adhu A
pur, cum venerabili & fapientifima matre Domina Theuphan N |
Augufla rebus preerat. K. Dtto der III war 980 gebohren, und in |
deffen ſiebenden Jahr des Alters Fam Berward an dem Hof, ald er eben) |
feinen Großvater den Pfalzgrafen verloren hatte, Alſo iſt diefer ums
Zah
son den Landpfalen. 135
Jahr 987: geſtorben. Darauf hatte Heydenreich 1. c. p. 37 nicht
| * Uhr gehabt.
c) Sieh oben die J Abth. F. 2 und Eckharts Opufc. de Com. Norihem.
4 oriee Gaelf; T. IV. Ja als 1075 Herzog Magnus in Sachſen
ſowohl als Pfalzgraf Friedrich in des Königs Gefangenfchaft geratken,
ward Otto von Nordheim Eöniglicher Vikarius in ganz ·Sachſen; ſieh
Lambert. Schafnab. p. 406 ed. Struv,
C) Sieh Senkenbergs Epiſt. de Judiciis Weſtphal. $. IV & IX, und
7 Goebel preæf. ad Freheri Comm, de feer, Iud. $. VI & XX.
As). In Nemor. Union, Tr. VI, e. 33 p. 486.
* m Eich Mlafeov de rebus 1. G. fub Henrico IV &V, p.21 iq
6 C. 5 in Keibnig feriptt. T. I, p. 432. Tune temporis poſt Henri-
"cum Ducem magnificum , maiores erant in regno Benno Dux in
F Saxonia, Herimannus Dux in Alemannia, Theodoricus in Lota-
ien ſi regno, Ekehardus, Marchio in Turingia. Diefer Eckhart
hatte, wie Ditmar meldet, den Ducatum fuper omnem Thuringiam
durch Wahl des Volks erhalten; ſieh J. ©. Reinhards antigg. Mar-
a chionatus & Origines Landg. Thuringici, $. XIH ſq. p. 23 &c.
. Des Markgrafen oder Herzog Eckharts Nachfolger Wilhelm heißt bey
* dem hildesheimiſchen Annaliſten ad an. 1034 prætor Thurin-
gorum.
„m Sieh Reinhard 1. c. $. XXXIII, p. 56 ſq. Hermann I von Winzen-
zenburg, Eckberts Nachfolger, heißt manchmal Markgraf, fich Annal.
0 Saxo ad an. 1109 meiftens aber Comes patrie ſ. provincialis. Her-
mann dem IL folgte in dem Principatu der Landgrafichaft Thüringen
1130 der ſchon mächtige Graf Ludwig in Thüringen, f. Maſcov de
rebus F. G. fub Lothario II, p. 24 fq. und Reinhard 1. c. p. 86.
"8. 8. Reinhard de ofic. Imperüi Saxon. Sect. 1, $. XIV, p. 561g.
— zeiget, daß Thüringen nie Feine Pfalzgrafen gehabt habe. Die Pfalz
sähe: ſachſen aber Fame ums Jahr 1180 an die Landgrafen von Thüringen.
Sieh Struv Dif. de Comitia Pal, Saxon. p» 14.
(m) Sieh Seydenreich 1. 0 Pr 46.
cr 0
(n) Eich °
136 G. C. Crollius —
@) Sieh die Urkunde in Schatens. Annal. Paderb, T. I, L. V, p. —
aus welchem ſie Heydenreich p. 49 genommen hat. Etwas veraͤndert
hat fie Scheid in Oxigg. Guelf. T. IV, p. 435 not. Num. 4 au
einem Chartulario Mf&to herausgegeben. Daß aber durch Müundbur-
gum Caftellum Muͤden an der Aller zu verfiehen ſeye, hat nad) Gru⸗
pen diſe. for. P. 549 Steffens in feinen Bifforifch = und diplomati⸗
ſchen Abhandlungen in. Briefen. p- 49 und 50 gezeigt.
go) Seydenreich verwirret diefen Pfalzgraf Friedrich. mit Friedrichen Graf
von Goſeck, und laßt ihn daher bis 1036 wilführlicher Weiſe leben,
weil‘ in einer Urkunde von 035 bey Eckhart in hift. Geneal, Princ.
Saxon. p. 23 ein: Fridericus Comes Palatinus unter ben Zeugen. ver=
kommt. Wer. diefer Friedrich ſeye, iſt freylich raͤthſelhaft. Adein, die
goſeckiſche Chronik nennt doch Friedrich den I von Gofek, den Stammes
vater der gofefifchen Pfalzgrafen nur Comitem — de nobili ſſima anti-
quorum Saxonum & Francorum profapia oriundum; und der ge—
wiffere Pfalzgraf Sigfried in Sachſen lebte noch bis 1030, Vieleicht
iſt jener Fridericus nur Comes Palatinus nomine talis, der pfale
graͤfliche Erblande beſas, welches nichts ungewöhnliches iſt.
¶p) Sich Heydenreich J. c. Cap. IT, ©. FE, P. 27-32. In einer Urkun—
de von 1003 bey Ludewig P. VII Religg. Mſct. p. 460 kommt er
vor als Comes Palatinus , und im Sehr 1017 farb er: Chronogr,
Saxo: ad Rh. 9.
{g) Heydenreih 1. c. $. 12, P. 31- 34.
£r) Nach dem fehon oben in der E Abrh: $. 2 angeführten Bilbesheimifißen
Annaliſten. Sollte man doch daraus nicht murhmaffen. dörfen, dag er
als der fette der Pfalzgrafen des bisherigen Geſchlechts zu. der winzen—
burgiſchen Familie gehöre? Ich werde faſt darinn beſtaͤrkt, nachdem
Eckhart in Præf. zur hiſt. Geneal. Prin. Sax. fuper. $.L, pag. 6
won Siberth oder Sigebert einenn Sohn des Grafen Immats [aus dem |
Geſchlecht Witichinds, und Stifter des Kloſters Ningefheim, Anlaß
nimmt zu ſagen: Cum vero Wincenburgium non adeo procul diſtet |
a Ringelhemio, fitque inter eins Comites, qui Palatinatum Saxonie |
aliguando tenuerunt, & Advocati huius loci farri fuerunt, ufita- |
Sum Siberti nomen, nt alibi oſtendemus; kino fufpieio wiki nafeitur |
Win-
von den Landpfalzen, 137
e AMucenburgios Comites. ab hoc Sibetho ortos. Die Namen Pfalj⸗
J graf Dieterichs und feines Bruder Sigeberts, welche in der witichindi—
hi ſchen Nachkommenſchaſt gemein find, Fönnte noch einen Schein geben,
der zu dieſer Muthmaffung führen Eönnte,
(8) In der Charta translationis S. Clementis , welche der Biſchof Hermany
von Metz 1090 ausfertigen laffen, bey Meuriſſe in feiner hiftoire des Eve-
ques de Metz p. 377 fq. und Calmet in der hift. de Lorraine edit,
nov. T. II, probb. pag. CCXLIII, vergleihe Erollius erläuterte
Reihe c P. 7, mot. 9 und P. 48, not, 109.
8. IO.
. Zn Lothringen herrfchten Gifelbert, der Fönigliche Lieute.
nant und Herzog Dito, Konrad von Worms, und Brung Erz
bifchof von Kölln, mit einer fo vollfommen miffatifchen und mili-
ariſchen Gewalt, daß fie die herzoglichen und pfalzgraͤflichen Func-
tionen vereinigt übten. Es ift diefes bereits von den größten
Kennen der Gefchichte des lothringifchen Reichs erkannt wor—
den (a); und eine befondere Ausführung dieſes Satzes wuͤrde
jegt zu weitlaͤuftig ſeyn. Gifelbert (b), Konrad (c) waren koͤnig⸗
liche Eydame, und Bruno ein Bruder K. Otten des I (d), und
erhielten Daher den. vollfommen Prefidat oder Prefelturam regni
& palatii, weil befonders König Otto fein völliges Vertrauen
auf feinen Eydam und Bruder gefegt hatte, Auch findet man
zur Zeit gedachter Herzoge nicht die geringfie Spur eines Pfalzs
grafen. Ja, nachdem Bruno das ganze lothringiſche Reich wie⸗
Derum in zwey Provinzen (regna) getheilet hatte, welchen die afte
en eines Ducatus, Mofellicorum und Ripuariorum, wieder
egeben wurden (e), fo übergab ermeldter Bruno, Archidux
Lotharingix, den Ducatum Lotharingie fuperioris oder Mofella-
norum Grafen Friedrich von Chaumontois aus dem ardennifchen
Grafengeſchlecht; und ob diefer Herzog gleich noch unter der hoͤ⸗
* S hern
—3
es 6 C. Ceomue NN #
hern Auctötität des Großherzogen oder Dierköniges ſtand 9— J
verwaltete er doch in ſeinem Herzogthum nicht nur die Præfeclu-
ram ducalem, ſondern auch palatinam. Er uͤbte dieſe letztere noch
nach) dem Tode Brunons im Jahr 966, als er zu Sunften dee
Abbtey S. Bouxieres ein Urtheil fprach (8), deffen hoͤchſtmerk⸗
& würdiges Datum Alla Francavilla in Regiis ‚Caufis zum Ueberfluß
zu erkennen giebt, daß er eine pfalzgraͤfliche Auetoritaͤt gehabt
habe. In eben dieſer Qualitaͤt ſcheint er einen Vorwand *
*
—
nommen zu haben, ſich der koͤniglichen Abbtey St. Michael in
der verdunifchen Didces zu ermächtigen, und fub titulo defenfio-”
nis die Herrſchaft darüber an fih und feine Nachkommen zw
bringen (h). Ich halte aber dafür, daß die Biſchoͤffe von Meg,
Adalbero dem I an, nicht minder in ihren Stiftslanden die pfalze
graͤflich⸗ miffatifche Gewalt gehabt haben (1), und von ihnen Co⸗
- mites Palatüi ſ. Palatini beftellt worden, deren Officium hernach
ein Beneficium der Grafen von Luneville geworden (k), die fi}
feibft manchmalen den Titel Comites Francorum (1), alfo ein
. pfalzgräfliches Praͤdicat (m) beygelegt haben. Weberhaupt aber
ift die Anmerkung Calmets (n) wohl in Acht zu nehmen, wen
er den Urfprung der vielen ſonſt zum Tothringifchen Neich gehoͤ
tig gewefenen, und frühe mit allen Negalien verfehenen Herr
fchaften, fehon von den Zeiten her, da die franzöfifche und deut
fche Könige fih immer um felbiges zankten, alfo vom Anfange
des 10 Zahrhunderts an, zu finden glaubt. Aus dieſen Urfachen
bevede ich mich deffen, was Crollius ſchon von den aachiſchen
Pfalzgrafen angemerkt hat, daß ihr Departement ſich nicht i
Dbertothringen erftrecft habe Man muß Diefes als eine Auge
‚nahme von der Regel anfehen, da Lothringen ohnehin auf an⸗
dere Weiſe angefehen und tractirt werden mußte, als die Pros
vinzen Deutſchlands. Was das Herzogthum Niederlothringen
oder Ripuarien anbetrift, ſo hatte ſolches Bruno unter ſeiner be⸗
ſon⸗
| ‚von den Landpfalgen. 139
| ern Aufficht behalten, und bis an feinen Tod verwaltet,
llius erfieht in Diefer Provinz fhon vom Jahre 945 Co) an
Grafen Hermann , der felbjt das Prädicat eines Herzogen
im Jahr 948 führt, und bey einem Eöniglichen Placito generali
| u Niemwaͤgen unmittelbar nach Konrad, dem eigentlichen Her⸗
wor des regni Lotharienfis, genennt wird, Er beherrſchte von
49 an das Kloſter Epternach, und hielt ſich 955 in der Schlacht
en die Ungarn ungemein tapfer Er fiheint um diefe Zeit eine
oteftatem militarem gehabt zu haben, dergleichen im Jahr 963
uch Godfried hakte, welchen der Erzbifchof Bruno feinem Bru—
er mit lothringiſchen Truppen zu Hülfe fandte. Nach dem To-
Brunons erfiheint Hermann in verfchiednen Urkunden, als
raͤfect verſchiedener ripuarifcher Grafſchaften, der Eifel, deg
Bunnengaues ꝛc. Crollius ijt der Meynung, daß nachdem ex
das Amt eines Föniglichen Legaten vor 965 in Ripuarien verwal-
tet habe, ſolcher in dem Durch Brunons Tode erledigten Her—
ogthum Niederlothringen von K. Otten dem J im Jahr 966 (q),
a derſelbe auf Weyhnachten zu Koͤlln die noͤthige Einrichtungen
in Anſehung des lothringiſchen Reichs machte, zum Pfalzgrafen
angeordnet worden ſeye. Allein ich moͤchte lieber Hermannen,
isherigen koͤniglichen Vicarium Ducis Brunonis in Ripuarien, ſeit-
em als einen unmittelbaren koͤniglichen Legaten oder Vicarium
n Ripuarien anſehen, der, gleichwie Hermann von Stubeckes—
orn die Vices Præfecturæ, oder das koͤnigliche Schultheißenamt
— Sachſen, von 961 bis 966 verfehen hatte, Das obrifte land»
ichterliche Amt befeffen, fo wie hingegen der ardennifche Graf
Godfried und Graf Arnulf in Flandern das Militare zu beforz
gen hatten. Erſt da K. Otto der II dem franzöfifchen Prinzen
muß fi) das Amt des tipuarifchen Legaten Hermanns völlig in
die pfalzgraͤfliche Wuͤrde verwandelt haben. Erſt in den legten
© 2 zehen
*
Karl das Herzogthum Niederlothringen im Sahre 977 verlichen, -
B 2 0 Zu 1,
140 G. C. Srolius
zehen Jahren des zehnten Jahrhunderts kommt er in Urkunden
und Schriftſtellern als Comes Palatinus vor, wovon die Beweis⸗
thuͤmer von Erollius forgfältig zufammen getragen worden, Ebem |
dieſer hat feine Nachfolger in ein helleres Licht gefeßt, als Tol⸗
ner und andere gethan haben. Aber ungeachtet ex die verfchiedne
Meynungen über diefes Deren Abfunft und feine Zweifel dage⸗
gen vorgetragen hat, fo weis er Doc) endlich felbften nichts ges
wiſſes zu beftimmen (s). Es ift mir dießmalen genug, den Ur⸗
fprung der niederlothringifchen Pfalzgrafſchaft zu Aachen —
beſtimmt zu haben.
(a) Sieh in der ſchoͤnen heffendarmftddtiihen Debuction: Jus Haſſorum in
Brabantiam commune Landgravis Hafliz utriusque domus &c.
Giefle 1748 Sect. I, $. X not. (a) p. 23 fg. Die Zeugniffe eines
Blonvells, Gramaye, Valefins und andere.
(b) Diefer Here hatte fchon mit Beyfall der Lothringer regni fummam fi
angemaßt, ehe Lothringen von K. Heinrich mit Deutfchland reunirt wor=
‘den, und übte felbften ein vollkommnes Jus regium in den lothringiſchen
Etiftern aus, fieh ermeldte Deduction Jus Haflorum &c, Sekt. I
6. IV, p. 13 not. **) Daher, als K. Heinrich ihn in feine Gewalt”
bekam, und durch ihn, wie Witichind meldet, das Lothringifche Reich
ſich näher verbinden wollte, fo gab er ihm feine Tochter zur Ehe, und
beitente ihn zum Herzog in voriger Maas, fublegato ei omni Loth
yii regno. Bigeberts Worte find ebenfalls nachdrüdlic ad a. 927.
Henricus infpetta induflria & potentia Gifelberti, filiam fuam Ger-
bergam ei defpondit, & eum iterum Lotharingie prefecit. Aachen
felbft gehörte unter feine Gewalt, wie aus Witichind bekannt ift. Als
Giſelbert in der Rebellion geblieben war, ſo ward das Herzogthum befe
fen noch minorennen Sohn Heinrich aufbehalten, und indeffi en von Or |
tone Pr=fde Lothariorum adminiſtrirt. Dieſes Wort drudt vol
kommen feinen Karakter eines Eöniglichen Legati oder Vicarii aus; fe
das Chron. Saxon. ad an. 932 und 943 in Bouguets Rn ven
Gall, T. VII, p, 22%
\ (ce) Kote |
von den Landpfalzen. er
.@ Konrad folgte im Herzogthum, nachdem ſowohl Giſelbertz Sohn, als
deifen Dormund Otto Prefes im Jahr 945 geftorben waren. Da fein
Nachfolger der- Erzbifhof Bruno noch eine ungetheilte und vollkomme—
ne miffatifche und viceföniglihe Gewalt befommen hatte, fo dörfen wir
bey Konrad um foweniger zweiflen, alö er qua Dux Francorum ohne-
hin Erzpfalzgraf war. K. Otto befreyte unter feiner Verwaltung den
Erzbiſchof von Trier von der Jurisdiction der Grafen, und gab ihm
ſelbſten Jura Comitatus im Jahr 947, und zwar in einem Placito zu
Franffurt, ſieh Hontbeims hit, Trev. dipl. T.I, n. CLXI, p
282, worinn die Worte merkwürdig find: dum refideremus in Pala-
tio Francofurth iuftitie caufa -- conveniunt poltea ad nos una
cum Archiepifcopo, qui affuerunt Epiſcopi & proceres Palatini.
| Ä (d) Sein ganzes Leben ift ein Beweis feiner ungetheilten vicefüniglichen und
-
miffatifchen Gewalt. Er hatte, wie der Continuator Reginonis fagt,
totius Lotharienfis regni Ducatum & Regnum empfangen. Sige—
bert ad an, 959 bezeuget: Archidux Lotharingie fecundas partes
in regno fratris fui potenter & induftrie adminiftravit, Ragine-
rium, Möntenfem Comitem, qui Longicollus nominabatur, apud
Valentinianas evocatum cepit & irrevocabili auxilio damnavit, pro
eo quod Regnum bellis inquietabat, -- bonis Raginerii ad fifcum
publicatis. Auotger in vita Brunonis p. 279 redet alfo von ihm:
fratrem fuum Brunonem tutorem & proviforem & ut ita dicam
Archiducem in tam periculofo tempore mifit Ec. und p- 280 Mox-
que ad Aquisgrani Pallatii properavit , ibi principes regni, quo-
rum id intererat, convenit, eos varüis multisque modis inftruxit --
Sufcepit -- traktare negotia regni apud Lotharios, & cum unicui-
que de principibus & magıftratibus fuum partiretur onus, unicui-
que fibi congruum imperaret opus, mihil tamen erat, quod non
ipfe obiret. Don feinem geübten Jure regio giebt chen diefer Ruot—
ger Beweife genug; fich auch Chronogr. Saxon. ad an, 945.
Diefer Eintheilung und- Namen wird ſchon gedacht in Annal. Bertin,
an. 8935 fieh des Valeſius Notit. Gall. p. 286, und die gerühmte
beßiſche Deduction Sect. I, $. III, not. (a) p. 6fq.
63 (E Daß
142 ©. Srotins ho.
(£) Dog Brunons Auctorität in Oberfothringen fortgewaͤhtet habe , beweiſen
unter andern die Urkunden K. Otten des I in * rer. Gall, T;
"IX, pag 357 fg.
. (g) In Calmets hift, de Lorr. ed. nov. T. II, wish, 9. CCXX fq.
(Ch) Chron. S. Michaelis in Mabillons Anale&t. T. IT, p. 387.
(Gi) Diefer Biſchof iſt es, welcher das merfwärdige Friwilegium der Abbtey
St. Arnod zu Metz im Jahr 940 ertheilte, das ich ſchon oben im
der 2 Abth. F. 4 not. (7) angezogen habe. Diefer Bifchof hatte dem.
Eönigfihen Bann und Blutvogtey in vis publicis, welchen ich für die
nen Karafter des pfalzgräflichen Amts halte.
(&) Sich Crollius erläuterte Neihe ꝛe. P. 7 und not. 8.
() Sp heißen die Lünevitifche Grafen Hermann und Gotfrieb Comites Fran-
corum Catholici; fieh die Origg. Bipontinas, P. I, c. II, pag. 75
und Calmet hift. de. Lorr. T. V, probb. ad a. 1033 und 1034.
(m) Sieh du Frefne glofl. unter dem Wort Comes Palatinus.
(n) Hift. de Lorraine T. I, præf. $. XXVIII, welchem Beytritt Yontz
beim in hift. Trev. dipl. T. I, praf. Szc. XI, %.5. }
(0) Es verdient hiebey überlegt zu werden, daß diefes eben das Jahr ſey,
in welhem 8. Otto, nad) der Erzeblung eines Marianus, Scotus,
Sigeber:s von Gemblowes und Alberichs Minds zu. Troisfone)
taines K. Otto der I ſich Lothringen erſt recht unterwürfig gemacht
habe. Das Chron. Saxon. ad an. 945 in Bouquets feriptt. T. VIII
p. 228 redet hievon alfo: Ottomi Regi Lotharienfibus ommibus fub-
aötis, Adalbero Metenfis Epifcopus , frater Friderici Ducis, reſi-
fiere conatus -- non tamen diu im rebellione permanfit. „Regnum)
enim omme ex ipfis fidei vifceribus ad Regem converfum efl: & ex-
tinttis hoftibus, pax & concordia renovatur.
(p) Von dem großen Pago Ripuario , und denen dazu gehörigen Gauen und.
Graffchaften giebt Beffel in Chron. Gottwic. L. IV fine Nach—
riht In dem 9 Jahrhundert wurden no) Mifh dahin geſchickt, ders
gleichen nach dem Capitulari Aquisgranenfi vom Jahr 825 der Erz⸗
biſchof von Köln, und Graf Ecmund waren. Ein folder Miſſus
Dominicus in Nipuarien war auch der bekannte Graf Matfried von)
dem
| von den Landpfalzen. 148
rotem aus Unkunden gewih if, daß er die Eifel und den Juůlichgau unz
step feinen Verwaltung ober Legation gehabt hat, daher ihn auch Eck⸗
| bare in hift. Fr. Or. Comitem Ripuariorum nennt; ſieh T. II, L.
| KKXXL, SE XII, p. 477 ad a. 860.
fg) Es faͤllt dieſes nach dem Stylo Juliano ins Jahr 965, dahingegen dag
u Kirchenjahr 966 mit Weinachten des erſtern Jahrs anfangt.
“(r) Sieh Sigebert ad an. 975. Frodoards Contin. in beſagten Jahren,
Alberich ad an. 974 fq.
(s) Zn der Zugabe zur erläuterten Meihe 2c. I Abth. I Zugabe p. 72 - 94.
|
|
|
|#
I? hu: Er S. II,
e Ich habe mic) vieleicht durch die von Crollins geführte
Beweiſe fuͤr die Einſchraͤnkung der aachiſchen Pfalzgrafen in Nie—
derlothringen, und die von ihm gemachte Zweifel gegen eine von
denſelben beſeſſene Oberpfalzgrafſchaft verleiten laſſen, ihnen zu
nahe zu tretten, und eine Ehre zu rauben, welche fie mit Einſtim⸗
ung aller anderer neuern Schriftſteller, befonders der pfützi-
ſchen befeffen haben follen. Eben diefe müffen dem aachiſchen
Pfalzgrafen das Herzogthum Franken, fo wie Lothringen, unters
| srdnen, indem fonft außerdem in Franken feine Spur befonder
ver Pfalzgrafen ſey. Würde man aber wohl. in Franken Pro-
tiatpfahacafen fuchen, wenn man bedächte, daß felbiges Feine
eigentliche Provinzialherzoge gehabt habe? ch nehme hier von
dem Herzogthum Franken das nordgauiſche Franken, Franciam
Örientalem f. Franconiam aus, als welches feit dem Anfang des jez
henden Jahrhunderts zu Baiern als eine Markgrafichaft gehörte,
d verſtehe Darunter diejenige Provinz , welche gegen Elfaß von
der Saur anfing, von dar die Gränzlinie gen Kaiferslautern,
ſofort gen. Kin, und dann über den Saanwald gen Koblenz,
"| weiter über Den Rhein über Montabaur, nac) Friedberg bis gen
Gelhauſen und an dem Speßhart nach Miltenberg am Mayn,
von
F
ee 8 Crollius
von da an aber über Dünkelfpiel bis an den Entzfluß, und von
dieſem bis an die Morge, und endlich ihren Einfluß in den
Rhein gegen der Saur uͤber gezogen werden koͤnnte. Die Pros
euratoren der Franken in diefem Bezirk hießen Herzoge; fie war
ven, als Herzoge Des vornehmſten Volks, auc) die erfte Fürften
des Reichs; fie waren figniferi exercitus Francorum, und mit—
hin die erfte Signiferi des ganzen Eöniglichen Heers; fie waren
bey ihrem Volk zur Zeit des erkedigten Neichs Vikarien, und manch⸗
malen die Tutores unmündiger Könige, fie waren Voͤgte der
unmittelbaren Stifter, fie fpracben die Wahl der Könige feyers
Yich aus; fie verfahen Erzaͤmter, und gaben licentiam lamentandi
ad regem. Selbſt in den Zeiten aber, da man einem, Herrn
nicht zwey Provinzen als Ducibus beneficiariis anzuvertrauen
pflegte, verwalteten fie andere, auch felbft entfernte Herzogthuͤ⸗
mer , zu einem fichern Kennzeichen, daß fie. nicht wahre Provin⸗
zialherzoge in Franken, fondern nur Stellbefiser des Königes,
als des wahren Herzogs (Regis) der Franfen, Comites Palatii
oder Prefides curie Imperialis gewefen find. > An diefen Eigen
ſchaften erfcheinen- fie, nachdem auf den Camerz nuncium We-
renherum in dem theinifchen Franken König Konrads Bruder
Eberhard , und dann Werinhers Sohn Konrad , unter dem
N rädicat eines Ducis Francorum den Comitatum Palatii bey dies
fen Volk, - welcher Primarius des Reichs zugleich war, verwal⸗
teten, und ſolche Winde in feinen Nachkommen Otto, Konrad
und Cuno dem Juͤngern fortgeführet wurde. Mach. des leßtern
Tod im Jahre 1039 war von dem ſaliſch-herzoglichen Gefchlecht
nur
———————
von den Landpfalzen. 145
nur die koͤnigliche Branche uͤbrig, welche alle Vorzuͤge, Graf⸗
ſchaften und Predia und Wuͤrden mit der Krone vereinigten und
die ihnen anklebenden Rechte, wenn ſie zu uͤben waren, andern
verliehen. Wegen dem ihnen eignen Comitatu Palatis fupremo
und obriftstichterlichen Würde waren ohnehin, bey der veränders
ten Rerfaffung, und meiftens vorwaltenden Abweſenheit der fräns
iſchen Herzoge, welche Die Könige nicht mehr immer zur Seite
haben mochten, laͤngſt eine Vorforge nöthig gewefen, und Ju-
dices facri Palatii und curix Imperialis als Eubfituten beſtellet
worden; fo wie zu den Zeiten der Eatolingifchen Regenten Vice-
Eomites Palatii, öfters: andere Comites Palarii, dem hoͤchſten Reichs⸗
und Hofgericht vorſtunden. Zw eben diefer Zeit der Könige
Heinrichs des III, EV und V mag den anchifchen Pfalzgrafen,
deren: Anctorität ſich wur eigentlich in denz Pago Ripuario offen⸗
barte, auch, die Pfalzgrafſchaft im Franken willkuͤhrlich aufgetra⸗
gen worden feyn, und folches Heinrich von Lad, Gotfried von
Calwe, und. Hermann von Stahleck, aus dem Gefchlecht der
Strafen von. Eagenellendogen , befeffen haben. Aber fihon zu
dem Zeiten Heinrichs des IV war deffen Tochtermann Friedrich
Herzog in Schwaben, auch zugleich Herzog in Franken; Konrad
fein zweyter Sohn beſaß dieſes letztere, un d verknuͤpfte eine Zeitlang
damit das Herzogthum des wuͤrzburgiſchen Frankens. Das Her⸗
wgthum des rheiniſchen Frankens ward nach der Erhebung Konz
rads zum Koͤnige wiederum eine Appertinenz des Koͤnigs und
ihrer Prinzen, bis die Vorzüge und Rechte deſſelben nebſt ans
fehnlichen Gütern in K. Friedrichs des erften Bruder Konrad mic
9 T der
r
116 ©. &. Crollius von den Landpfalzen. u
der ripuarifchen Pfalz vereiniget wurden; von welchem nicht ae
lein, fondern auch deffen Nachfolgern man fagen kann, daß fie i
fumm& in Imperio poft Imperatorem amplitudinis geweſen. Es
würde mit nicht ſchwer feyn, das bisher angeführte Durch uns
verwerfliche Beweisgruͤnde zu beſtaͤrken, wenn die Zeit und meine
Umftände mir noch einen Augenblick gönnten, diefe Abhandlung
fortzufegen, und nicht fehon Schriften vorhanden wären, wos
durch diefen Wahrheiten ein Licht zum Theil aufgeftecft worden.
Ueberdieß befinne ich mich, daß nur der Urfprung der Provins
zialpfalzgrafſchaften der Gegenftand der von der vortreflichen
Akademie zur Auflöfung aufgegebnen Frage iſt. Ich darf mir
nicht ſchmeicheln, derſelben ein Genuͤge gethan zu haben. Ich
bin aber bereit, von einſichtsvollern und mit den Werkzeugen
der hiſtoriſchen Gelehrſamkeit beſſer verſehenen zu lernen,
mas ich nicht habe ſelbſten aufloͤſen koͤnnen.
ii See ie tn re re ee. -
P. Hermann Scholinners
DBenedictiners von Oberaltaich
Beantwortung der Frage:
Mann, wie, und auf. was für Art iſt Arnulf der
Sohn Luitpolds zum Zerzogtbum Baiern Ye;
kommen? und worinn beftunden deflen lands⸗
fürftliche Gerechtfamen , die ibm entweder be;
fonders eigen waren , oder die er mit andern
erzogen Deutfchlandes gemein hatte?
Die von der churbaieriſchen Akademie für
das Jahr 1763 aufgemworfene biftorifche
| Preisfrage. |
Mann, wie, und auf was für Art iſt Arnulf der
Sohn Zuitpolds zum Aerzogtbum Baiern 1er
fommen ? und worinn beffunden deflen lands⸗
fürftliche Gerechtfamen , die ibm entweder bes
fonders eigen waren, oder die er mit andern
‚ „erzogen Deutfchlandes gemein batte?
Laſſet ſich fuͤglich in folgende Abſchnitte theilen.
= Erſter Abſchnitt. |
Wann iſt Herzog Arnulf zur Regierung gekom⸗
men?
3 Zwey⸗
Zweyter aAbbſchnitt. |
Bi, und auf was Weis iſt er dazu gelangt?
Dritter Abſchnitt. ie... REM
4"
x —*
Welches waren die Gerechtſamen/ die er mit.
andern Herzogen Deutſchlandes gemein Pt
Vierter Abſchnitt. | 5
Welches waren die Age ‚ die 7* ef
ders eigen waren ?
Die ic) fofort nach meinen — Kraͤften zu
beantworten und zu erweiſen mir vorgenommen habe.
LIE IIHIEEEEAKRERRERKERKENENE l
Erſter Abſchnitt.
Bann ift Herzog. Arnolf zur Regierung
gekommen?
5. 1.
(8 der tapfere Herzog Luitpold in dem unglüclichen Treffen
gl gegen die Hunnen mit dem größten Theil des baierifchen
Adels umgefommen war , fo meldet der fortgeſetzte Regino (a)
nebſt andern, daß ihm ſein Sohn Arnolf in dem Herzogthum
nachgefolgt ſey.
(a) Anno 907. Bavari cum Hungaris congrefl multa czde proftrati font,
in qua congreflione Luitbaldus Dux occifus eft, cui filins ſuus in
ducatn fuccefüt.
9. 2%
P. Scholinners Vorrechte Herz. Arnolfs v. Baiern. 151
u Dr si oa? AY 8. *
Daß dieſe blutige Schlacht im Jahr 907 vorgefallen ſey,
haben noch verſchiedene andere alte Geſchichtſchreiber deutlich ans
gemerkt, die bey dem Herrn Pfeffinger (a) und Herrn Stru-
we (b) beyfammen zu finden find: denen ich annoch folgende Beys
feße, die erft Fürzlich (Titel) der Here von Oefele in feinen neu
herausgegebenen baierifchen Gefhichtfehreibern der gelehrten Welt
mitgetheifet hat. Cie find ein ungenannter von St. Emmeran
aus Regensburg (c), Johann Steindel (d), wiewohl er aus
feinem Regino gewöhnlich ein Jahr zu fpät anfegt: eines andern
ungenannten biftorifche Stuͤcke (e), mit denen es endlich auch
Aventin (F) hält. —
(a) Pfeffinger ad vitriarinm Tom, II, pag. 409. edit. novifl.
(b) Struvius Corp. hift. German. pag. 247. not. 13.
(ce) Anonymus Emeramens. apud Ocfele Tom, I. p. 46 anno 907. Exer-
.. eitus Baiovariorum oceiſus fuit. ih
(d) Joannes Steindel apud Ofele Tom. cit. p. 457 anno 908. Leopol-
„dus Dux Bavariz Pater Arnoldi Ducis cum multis Bavaris ab
Hungaris oceiditur. Bavarie Duces iterum furgunt,
(e) Anonymi Farrago Hiftorica apud eundem Tom. I. P- 500 anno
907. Interfe&tio Bavarorum.
(f) Aventinus in annalibus Schyrenfibus,
| $. 3.
Wann derowegen einige als Hepidanus, und dag Breve
Chronicon S. Galli diefe Schlacht auf das folgende Jahr 908 hinaus
| ſetzen oder gar den baieriſchen Luitpold zu einem Herzog in Thuͤ⸗
ringen machen, wie Lambert von Afchaffenburg. Co irren
‚ fie offenbar und vermifchen die zwey Jahre nacheinander in Baiern,
und Thüringen gefehehene Einfälle der Hunnen miteinander, wie
ſolches ſchon der Herr von Eckard (a) angemerker ‘hat.
(a) Com-
|
|
%
Sn aaa P. Scholinners ze
(a) Commentar. de rebus Franc. Oriental. Tom. u p · * num, 128.
& pag. 819, num. 132.
y S. 4
Einen noch größern Fehler in der Zeitrechnung finde ic)
bey dem Deit Arnpeck (a), der den erdichteten unglücklichen Tod
des Herzogs Arnolf auf das Jahr 937 zwar recht anfest, ihm
aber nur 15 Fahr zur Regierung anraumt; da er doch vorhin
deſſen Anfang nnter dem König Heinrich auf das Jahr gaı bes
sechnet hatte,
(a) Vitus, Arnpeck in Chron. Bav. Lib, III. Cap. 19 & 20 2
Bern. Pez. Thefaur. anecdot. Tom. III. Parte IIL p. 139- 143.
Ada ſunt kze anne Domini 937. Ducavit annis XV infeliciter.
Wenn der mit dem König Heinrich, getroffene Vergleich erft im Jahr
922 gefchloffen worden, und von diefem ruhigen Beſitz der Anfang feis
ner Megierung gemacht wird; fo trifft diefe Mechnung mit jener genau
‚überein, der ſich die baierifchen Bifchöffe in der Kirchenverfammlung, zu
ag an. 932 bedienet haben, allwo e& heißt, daf dieß das zehen=
te Yahr der Regierung des Herzogs Arnolf gewefen fe Apud Manfi
in notis ad Baronium & Pagium ad an. 932, *jedach alle übrig? fe=
fen. den Mergleich auf das Jahr 920.
| 5. 5
Herr P. Karl Meichelbe (a) ſchreibt zwar: Arnolf fey
von den baierifchen Ständen im Jahr 912 zum Herzog erwaͤhlet
worden, da er fihon vorhin die öftliche Mark beforget hätte. Weil
aber Regino, und mit ihm. der füchfifhe Annalift den Anfang
feiner Regierung mit dem anno 907 erfolgten Tod feines Deren
Vaters verbinden, Herr Meichelbeck auch ſelbſt die Urkund auf
weiſet (b), darinn fich Arnolf ſchon im Fahr 908 einen Herzog
in Baiern, und den angrängenden Ländern nennt; fo. wird es
wohl von der elenden Negierungsart, die ex nach dem Tod des
Könige oa: angetreten hat, verflanden werden allen: 5
or,
| ¶Vorrechte Herzog Arnolfs von Baier 153
AR u:
Bavariam redeam, ibi, fi illum elegerint, eligo & laudo; fi re- _
nuerint, renuo. Nec etiam exiftimo illum efle tantz ihfipientiz,‘”
‚utex meo — hönorem as — amplificare,
i | = S 15.
Hie ſehen wir das von alter hergebrachte, in den Landes⸗
‚gegründete, Wahlrecht der baieriſchen Stände von einem
in Jahr ‚1002 auf ein neues beſtaͤtiget , der ſich ohne der⸗
pre
R vV0
zog
Ru dzynty
zog wider ihren Willen aufjudtingen : ja der fo gar in Gegen»
wart der Gefandten denjenigen für feinen Feind erklärte, der fie
"in ihrem Recht zu kraͤnken fi) unterfangen würde. Und wer follte
kuͤnftighin annoch behaupten dürfen, daß die Baiern nach erlo-
ſchenem karlingiſchen Stamme dem fränfifchen Herzog Konrad
fich zu unterwerfen fehuldig gewefen wären? Nein: das Band mit
den Karlingern, deren beyde fegtere noch) dazu von den Baiern
zu ihren und des Reichs Negenten freywillig waren ermwählet wor⸗
den, wurde durch den Tod zerrifien, das feudum oblatum (a) fiel
an die Stände zurücke, fie waren aufs Neue ein freyes Volt
für fich, und es ſtunde in ihrem Belieben, wie und auf was
Weiſe, und wen fie für ihren Oberherrn erkennen, und ſich
demfelben unterwerfen wollten. Die deutfchen Hauptvoͤlker, ders
gleichen eines Baiern unfteittig it, hatten damal noch Feine
forhe Zufammenhang und PVerbindniße unter fich, wie etwann
heut zu Tage; und irren jene Publiciften wider alle Wahrheit
der Gefchichte, die fich den Zuftand des damaligen Deutfchlan-
des nach der heutigen Seftallt vorftellen, und alle deutſche Voͤl⸗
Ber zu Sclaven der Weſtfranken und Sachſen machen wollen.
(a) Das Wort feudum oblatum ärgert die Herren Gundlingianer über ee
maffen, deffen ungeachtet fcheinet der Satz doch feine Nichtigfeit zu ha-
ben: denn daß der unglücliche Herzog Thaßilo fein baierifches Erbgut
nicht von Pippin, und deffen Sohn Karl den Großen ald ein Lehen
empfangen , fonder jener diefen freywillig übertragen habe, zeuget Ade-
marus ad an. 757. Illuc (ad comitia Compendienfia) & Thaſſilo
Dux Baioariorum cum Primoribus gentis fuz venit, & more
Francorum in manus Regis in vaflaticum manibus fuis femet ipſum
commendavit, fidelitatemque tam ipfi Regi Pipino, quam filüs |
eius Carolo, & Carolomano iureiurando fupra corpus S. Dioniſu |
promifit, & non folum ibi, fed & fuper corpus $. Martini, &
Germani fimili inramento fidem fe prædictis Dominis diebus vitz
ſuæ fervaturum eft pollicitus. Similiter, & omnes Primores, ae
maio-
!
|
\
|
z
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 169
‚ waiores natu Baioarii, qui cum eo in præſentiam Regis pervene-
runt, fidem fe Regi, & filiis eius fervaturos in prædictis venera-
dviilibus loeis promiferunt. Die Annales Nazariani ad an, 787
* merfen auch die Weiſe dieſes, an die Franken von dem Herzog Taßilo
Übertragenen Lehens mit folgenden Worten an: Carolus convocato
exercitu Francorum perexit in fines Alamannorum & Beiuwe-
riorum, ad flumen, quod appellatur Lech, Illucque veniens Def-
‚Ailo Dux Beiuweriorum ad eum, & reddidit ei cum baculo ipfam
‘ Patriam, in cuius capite fimilitudo hominis erat, & eflettus eft
vaflus eins, & fillum fuum Theodonem dedit ei obfidem. Da
nun der deutſche Farlingifhe Stamme, dem und niemand andern Thafz
filo, und die baierifche Stände ſich unterworfen hatten, mit Ludwig dem
Kindverlofpen it, fo hörte auch dieſer Zuſammenhang auf, oder es
miuß won dem Gegentheil erwiefen werben, daß die Baiern, Schwaben
und Lotharinger von ben Sachſen und Franken gleihfam verfchlungen,
ein einziged Volk mit dieſen ausgemacht, und eben das zu thun ver⸗
„bunden waren, was dieſe gewollt haben.
—8 16, |
—Wahr iſt es zwar, daß einige deutſche Voͤlker fich um
einen neuen Koͤnig umgeſehen, und Otto dem Herzog in Sach⸗
ſen, als geweſenen Vormund oder Reichsverweſer des jun⸗
sen Ludwigs, die deutſche Reichskron aufzufesen getrachtet ha⸗
ben, der aber unter dem Vorwand feines hohen Alters diefe
Bürde weislich von ſich abgelehnet, und den feänfifchen Herzog
Konrad anftatt feiner zu erwählen eingerathen hat. Doch dies
fes war nicht ‚die Geſinnung aller deutſchen Völker, fondern nut
der Franken und Sachſen allein, wie es Witichind (a) und der
ſaͤchſiſche Annaliſt (b) ausdruͤcklich melden.
@) ‚Witichindus Annal. Lib. I p. 6. edit, francofort. de an. ı62r. Regi
autem Lothowico non erat filius, omnisque populus Francorum
atque Saxonum quzrebat Ottoni Diadema imponere regni. Ipfe
4 X* 2 vero
—
16 una 0 pEScholinners hyan?
vero quaſi iam gravior annis recuſabat Imperii ons: "eins tamen
—8 confultu Cunradus guondam Dux Francorum regem,
2 Annalifla Saxo apud Eceardum Teriptor ‚Germ. n. Tom.I.
„Anno Dominicz incarnationis. IXCKL. defun&to — an
cum non eflet ei filius, omnis ‚Saxonum & Francorum populus
_querebat Ottoni Duci diadema vegni imponere , £ fed ipfe quafi
jam gravior annis onus Imperi recufavit ; tamen, eius confilio
-fupra memoratus Conradus ‚quondam Dux Francorum undtus eft
in regem. — *
ni; 17. Ä
—X Wann —22 einige, als Otto Biſchof zu Frey⸗
fing (a), Ditmar Biſchof zu Merſeburg (b), und Luitprand (c)
ſchreiben, Otto der Sachſe ſey von allen Fuͤrſten des Reichs er⸗
waͤhlet, nach deſſen Weigerung aber Konrad zum Koͤnig verord⸗
net worden: fo iſt dieſes nicht von den Fuͤrſten des ganzen Deutſch⸗
landes, fondern nur von den Vornehmſten der fränkifch - und
fächfifchen Landen zu verftehen; denn, wenn unter dem Namen der
Frauken alle übrige deutfihe- Hauptvoͤlker follten verftanden wer—⸗
den, wie Here von Gundling (d) und: mit ihm viele andere bes
haupten, fo ftehet kaum zu begreifen, warum die erftangeführz
ten Witichind ‚und Annalift nicht der Franken allein , fondern
auch der Eachfen ausdrückliche Meldung thun? Sind aber die
Sachſen nicht unter den Franken begriffen , warum follen die
Baiern, Schwaben und Lotharinger, die eben fowohl als die
Sachſen ein abgefündertes vg —— * ders
fianden werden?
(a) Otto Frifing. Lib. VI, Gig! XI. —— quod Otto ab Et
fuerit expetitus,
_cb), Ditmarus Merfeburg. Lib, dep. 9 edit. nz J anno *
Conradus Francorum quondam Dux egregius & tunc,Ludovici
ſucceſſor pueri, arcem tenebat regni, quem ob ac: fui Otto
P!®-
ı *
+
Vorrechte Herzog Arnolfs'von Baiern. 165
J prædictus Dux ab omnibus regni Principibus inregem electus, ſibi
quafi ad hoc indigno præpoſuit, feque cum filiis fidei fux, ac
poteftati fubdiderat. _
+ Luitprandus Ticinenfis Lib. IL, Cap. 1. ' Conradus Rex cundlis a
Populis ordinatur , nämlich von allen Franken, Sachſen und Thüringen.
Ka). Gundling. de. Ratu Reipnblicz German, fub Conrado T, $, IV. not.
— ** 9 Pag. m. 2%
Een ZB ———
3 will zwar nicht laͤugnen, es geftehet. es auch der Herr
von Ludwig (a) ein, daß zumeil unter dem Wort Franken das
ganze deutfche Reich zu verftehen kommt, aber dieſes aefchiehe
nur alsdann wann das oftfränkifhe mit Dem weftfränfifchen,
‚oder dem eigentlich-franzöfifchen Reich in Vergleich gezogen wird,
und es die Umftände nicht.erfordern Die übrigen deutfchen Voͤlker
zu nennen. Wenn nun der Herzog Konrad zum Koͤnig von ganz
Deutſchland waͤre erwaͤhlet worden, ſo erforderten es allerdings
die Umſtaͤnde, daß nicht nur allein der Franken und Sachſen,
fondern auch der übrigen nichtminder anfehnlichen und mächtigen
Dörfer, als der Baiern, Schwaben und Lotharinger Meldung
geſchehen wäre, wenn aud) diefe ihre Wahlftimmen dazu geges
‚ben hätten. Doch das Gegenfpiel lieget am Tage; denn die
‚Chronik von Lorch (b) fagt ausdruͤcklich, daß diefer Konrad nur
einen Theil des deutfchen Reichs um den Rhein inne gehabt ha-
ae hingegen: die mesifchen Jahrbuͤcher (c) von Ludwig dem
eutfchen melden, daß er auch über dem Rhein alles beſeſſen
habe. Ja Eckard der juͤngere Moͤnch zu St. Gallen (d) bezeugt,
daß man Heinrich dem Vogler, der eben ſo wie Konrad von den
Sachſen und Franken zu ihrem Koͤnig erwaͤhlet worden war, nur
den Sachſenkoͤnig gleichſam ſpottweis genennet habe.
6) German. Princeps poft gerofpang ſub Courado I. $. V. not» Gb
g. m, 18.
* *3 (b) Chro-
166
(b) Chronicon Laurisheimenfe. Gau, vero en Fberhardi Marchie- °
nis orientalis, Kegni partem eirca Rhenum tennit.
(ce) Annales Metenfes ad an, 843 alira Rhenum omnia tenuin
d) Eccardus Junior de cafibus S. Galli eap. 5. Henricus —E &
Froucorum conſenſu elevatur, & ungitur in Regem..... Sed
poſtea Lotharingorum Kifilbertus Eberhardum caftigatum, cur ho»
norem ſuum alieno dediflet, Regi Saxonico rebellare, fecumque
fentire perfuafit. » . . Engilbertum S. Galli Abbatem Burcardus -
primo militibus fuis petivit, poftea utique, quod cam Rege Saxo-
‚nteo fentiret, infimulatum &c.
58. 19. |
Herr Struve (a) fchlägt faft den nämlihen Weg ein,
und will bewiefen haben, daß in damaligen Zeiten unter den
Franken und Sachſen ganz Deutfchland fey verftanden worden;
aber eben diefes ift unbegreiflich, indem damals ein jedes der
deutſchen Hauptvoͤlker ihre befondere Gefege und Negenten hate
ten, auch noch nie ift ermwiefen worden, wann und bey welcher
Gelegenheit die übrigen deutſchen Völker ihre Nechte und Nämen
abgelegt, und fich der freyen Willkuhr der Sachfen und Fran⸗
fen übergeben haben, um von ihnen nad) ihrem Belieben einen
Oberherrn für ganz Deutfchland zu erkennen; da es doch uͤbri⸗
gens weltbekannt iſt, daß die ſaͤmmtliche deutſchen Voͤlker, bes
ſonders die Baiern, immerhin fuͤr ihre Freyheit geeifert, und bey
jeder gegebenen Gelegenheit, auch ſogar gegen die Karlinger ge.
ftritten haben. ;
4a) Struvins Corp. Hift. Germ, p. 250, not. 8.
6. 20,
Zudem ift fehon oben (num. 10) ertviefen worden, daß
die deutſchen Voͤlker nach der Abfesung Karl des Dicken freys
“willig
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 167
willig den undchten Arnolf, und wiederum deffen zween natürlis
che Söhne bedingnißweife ertwählet haben : bey welcher Gelegen-
beit die fuldiſchen Jahrbuͤcher ausdruͤcklich der Baiern, als eines
von den Franken unterfchiedenen Hauptvolkes, das fihon vor
den Franken fih dem Willen ihres Königs geneigt ergeuget hatte,
Ermehnung thun. Sie hatten alfo damal ihr unftrittiges Wahl—⸗
recht. Cie hatten es aber auch annoch unter dem Kaifer Heins
rich dem Heiligen (N. 20) und wer follte es ihnen in diefer Zwis
fhenzeit abzunehmen ‚bevechtiget geweſen feyn? da ja weder die
Sachſen noch Franken als gleiche Nebenftände Feinen einzigen
Titel aufweifen könnten, vermöge deffen fie fi) einiger Bothmaͤſ—
ſigkeit über die übrigen deurfchen unmittelbaren Voͤlker anzumafs
fen erfühnen dörften. Gefese nun die Baiern und Schwaben
‚hätten für fich einen eigenen König erwählet, wie fie e8 denn zu
thun allerdings befugt waren: würden wohl die Sachſen und
Franken fi darnach zw richten, und ihn auch für ihren und des
ganzen Deutfchlandes König zu erkennen fich verbunden zu feyn
erachtet haben ? waren aber diefe nicht gehalten fich dem baierifche
und ſchwaͤbiſchen König zu unterwerfen, warum follten jene einen
feänkifch » oder fächfifchen Herzog für ihren und des ganzen deuts
ſchen Reichs Dberheren erkennen, und für ibm blindlings die
Knye beugen? Es wird ſich ſchwerlich ein Unterfcheid, den man
doch ſchon fo oft zu wiſſen verlangt hat, ausfinden laſſen.
S. 21.
Und in der Thatr die Sache verhält fih fo. Nach dem
im Jahr grı erfolgten Tod des König Ludwigs, richteten die Frans
Een und Sachfen ihr Augenmerk auf den vortreflihen Herzog in
Sachſen Otto , und trugen ihm die Fönigfiche Krone an; vieleicht
waren auch einige andere Deutfche eines gleichen Sinnes: da ee
aber. diefe Ehre ausfchlug, und fie auf den fränkifchen Grafen
Konz
= Mair *
168
Konrad hinuͤber zu leiten fuchte,. fo Eonnte er zwar feine. adſcht
bey ſeinen Sachſen und den Franken erreichen, daß ſie ſofort den
Konrad im Jahr 912 zu ihren König erwaͤhlten, er aber dannoch
das meifte in der Negierung zu fagen batte (a); hingegen bey
den übrigen Deutſchen mochte er nicht durchdringen, die bey ih⸗
ren Herzogen vor ſich allein bleiben, und mit dieſem Konrad
nichts zu thun haben wollten. Es herrſchten alſo uͤberall beſon⸗
dere Herzoge, Arnolf in Baiern, Burchard und die zween Bruͤ⸗
der Berchtold, und Erchanger in Schwaben, Giſilbert in Lothas
ringen (b). Ya kaum war Herzog Otto in eben demſelben Jahr
verftorben, fo fonderte fich ‚auch, deflen Sohn Heinrich von dies
fem Konrad ab, und fieng an frey in Sachſen zu herrſchen Ce),
der auch Diefem fränkischen König am meiften zu ſchaffen machte,
«a) Witichindus Annal. Lib. I. p. m. 6. penes Ottonem tamen —⸗
1 femper & ubique vigebat Imperium.
6,2 Die Zeugen find bey dem Pfeffinger ad Vitriarium Tom. I. pag. se
‚Tom. H p. 370 ſeq. und bey dem Struve Corp. Hifi, Geriiän
'p 251. $ IV. zu finden. "
ke) Witichindas Annal. Lib. I. p. m. 6. Natus eft autem Ottoni filius...»
Henricus, qui primus libera poteftate regnavit in Saxonia. Dit-
marus Merfeburg, in Chron. Lib, I. p. m. 9. Poft hzc Ottone
fecund. Calend. Decemb, carnis uni verſæ viam intrante, fzpe me-
moratus juvenis ( Henricus) in vacuum fuccedens , hzreditatem
jure, & maximam beneficü cha gratuito regis fufcepit ex
munere &c,
"d} Chronogtaphus Saxo ad ann. 914. Conrado Regi rebellant Princi-
pes potentiffimi, Arnoldus ‘de Boiaria , Burchardus ‚de 'Suevia,
Eberhardas Comes de Francia, Gifilbertus Dux Lotharingiz , &
inter eos precipuus Henricus Dux BRUT & a
vid. Ann, Saxo ad ann, gLIr. or
9. 22.
—
|
Worrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 169
kn 22, .
za & fang diefer Konrad bey feinen Franken blieb, waren
auch die übrige Herzoge in Deurfchland ruhig; als er aber in
Die Fußftapfen der Karlinger zu tretten, und fich zu einem Negens
ten über ganz Deutfchland aufzumwerfen trachtete, widerſetzten fie
fih ihm im zweyten Jahr feiner Regierung, anno 913 oder 914
mit gewafneter Hand, mit denen es fogar fein eigener Bruder
Eberhard hielte (a), welches einige Alte rebelliren heißen, Die
Sachſen und Franken, die fih ihm vorhin freywillig unterwor⸗
fen hatten, und es nunmehr lieber mit ihrem Heinrich und Eber⸗
hard halten wollten, durften vieleicht mit dem Name der Rebel-
len belegt werden : bey den übrigen aber, die diefen Konrad nie
für ihren Heren erfennet hatten, kann das Wort rebelliren (b)
das ſich nur auf einen Unterthan ſchicket, nicht anderſt verftans
den werden, als daß fie als freye und unabhängige Völker fich
demjenigen mit gerechter Gewalt widerfegten , und gegen ihn Krieg
sten, der fie widerrechtlich ihrer Freyheit zu berauben, und uns
ter fein Zoch zu bringen fuchte (ec).
(a) Es find wiederum Pfeffinger an angezogenen Orten, und Tom. I. p. 94x
auch Struve am obigen Drt nachzufchlagen.
(b) Du Cange in gloflario verbo Rehellare
(c) Denn es iſt noch nie erwieſen worden, daß die übrigen Voͤlker, aufer den
Franken und Sachſen, diefen Konrad erwählet haben, oder den von
andern erwaͤhlten anzunehmen verbunden. gewefen ſeyn.
S. 23.
b * Am erſten ſollte es den Herzog Heinrich in Sachſen gel—
| \ den er mit Krieg und Lift in feine Klauen zu bringen vers
| ; Da aber beydes fehl ſchlug (a), wendete er fich gegen Lotha⸗
| fingen wider den —2 und wieder Erchangern in Schwa⸗
ben;
2»
a70 u ee re
= y N,
ben, endlich wider Arnulfen Herzog in. Baiern (b), der fi) aber,
weil er ſich vieleicht zu ſchwach zu feyn erachtete, ob er ſchon kurz
vorher, und in eben diefem Jahr einen herrlichen Sieg wider
die Ungarn erfochten hatte (ce); oder dem deutfchen Ehriftenblut
ſchonen wollte (d) in das fahzburgifche Gebirg, oder in Kaͤrndten
zuruͤck zoge (e).
(a) Witichindns: ae Lib. I. erzehfet es ausführlich, man ſchlage ben
Struve nach Corp. Hiſt. Pag. 251. $. V.
c(0) Struve an obigem Ort $. VL
(c) Continuator Reginonis ad ann. 913. Hungari partes Alemaniz va-
ftaverunt, & juxta Inn finvium a Bavaris, &.Alemannis oceifi
funt. Hepidanus ad eundem annum : Erchanger , Berthold frater
eius, & Vodalrichus Comes auxiliante llis nepote eorum Arnulfo |
optimo Duce Bavariorum, totum exercitum Agarenorum juxta
Inne fluvium penitus occiderunt, nifi XXX. viros,
(d) Aventin Lib. IV. Cap. 22. da er von der zweyten Flucht des Arnoifs
meldet, giebt diefe zwey Urſachen vor: Arnulfus five vim eius ‚(Con-
radi) ferre non valens, five, ne civili bello diflentientibus Hun-
gari ingruerent, Fuvavum fecedit, ibique fe continnit.
(e) Chronicon Salisburgenfe Szculo XII. inchoafum, apud Hieronym.
P:zium Tom. I. fcriptor. Auftrie ad ann. 916. Arnoldus Dux
a FJuvavo egreffus Ratisbonz a Chunrado obfeflus ef. So ift er
denn das erftemal nicht nach Ungarn geflohen‘, fondern hat ſich im falz:
burgifchen aufgehalten. Faſt ein gleiches ſchreibet Bernardus Noricus
' anno 912. Chunradus Rex Wawariz filius Chunradi Principis
fuccedit, ‚contra quem quidam Arnaldus furgit, & Babariam oc-
cupat. Sed tum a Chunrado in Ungariam pellitur, & poftea per
Juvavum regreflus Ratisbonæ eft obfeflus. Was wäre das für ein
Umwege gewefen, wenn er aus Ungarn durch Salzburg nach Haufe ge⸗
zogen wäre. Indem ihm aber zugleich Kaͤrndten zugehoͤrte, fo iſt leicht
zu glauben, was Aventin fchreibet, daß er ſich dahin Sicherheit hal-
‘ ber begeben habe. Eben diefer Meynung ift das Maufolzum S. Em-
& merami pag. 212. Gie feheint dem «Heren von Gundling de ſtatu
vo Rei-
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 171
Reipublicæ fub Conrado I. p. m. 59. glaubwürdig : es billichen fie
F zZ auch Herr von Eckart Rerum Franciz Orient. Tom, II. pag. 849.
‚at m 47. und Herr von Falkenſtein antiquit. Nordgau Tom. L. pag.
307. $ IH
$. 24
Die mehreren fowohl Alte als Neue fehreiben gemeinig-
lich Herzog Arnolf hätte fich zu den Hunnen geflüchtet, und dich-
ten er wäre mit ihrer Beyhilf wieder zurück gefommen, und Urs
fache der darauf erfolgten Verwüftungen in Deutfchland gemes
fen; nur damit fie ihm den Namen des Böfen defto wahrfchein-
licher beylegen Eonnten. Es ift aber faft unglaublich, daß er in
eben dem Fahr, oder doch bald hinnach, da er ihr ganzes Kriegs⸗
heer bis auf so Mann zu Grund gerichtet, feine Zuflucht bey ih⸗
nen fuchen, und fih dem Schuß eines Volkes, das von Anbe-
ginn her ein Erbfeind der Deutſchen, befonders der nächftgelege-
ven Baiern war, habe anvertrauen wollen. Zudem kann der Aus—
druck der Alten ad Hungaros fugit, gar leicht fo verſtanden werz
den, daß er ſich gegen die oſtlich- und füdlichen Graͤnzen feines
Baierlandes, die dazumal an Ungarn ftieffen, zurück gezogen,
nicht aber felbft in ihr Land begeben habe. Der Beyname des
Böfen dörfte vieleicht mit mehrerem Recht dem Frankenkoͤnig
Konrad beygelegt werden, als welcher durch feine unermeffene
Herrſchſucht fo viele unnöthige einheimifche Kriege angezettiet,
dadurch das Vaterland entkräfter, und den Hunnen Gelegenheit
gegeben hat, das mit fich felbft freitende Deurfchland jämmertich
(zu verwüften. Damit mich aber Niemand befchufdigen koͤnne,
tte ich Diefes ohne Grund dahin befchrieben, fo will ich
\einige Beweife anführen, daraus erhellen folle, welcher aus bey-
| deny nolf oder Konrad, dieſen Beynamen des Boͤſen billicher ver⸗
nah babe, und wie ungleiches Urtheil die Alten von ihnen ges
92 fühs
|
|
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|
1
I LT ee
führet haben, ohne mich jedoch bey den Lobſpruͤchen aufzuhalten,
die für den Herzog Arnolf bey Heren P. Candler zu leſen ſind,
und denen ich noch mehrere beyfuͤgen koͤnnte. Der hochſelige
- Neihsfürft zu St. Emmeran hat in der neueſten Auflage des kloͤ⸗
fterlichen Regensburg aus feinem Archiv eine Handfehrift des XI
Jahrhundert bekannt gemacht (a), darinn diefer Herzog Arnoif
als ein Befchüser der Chriftenheit, der fränfifche Konrad und:
fähfifhe Heinrich hingegen als ungerechte Landsverderber vor⸗
geftellet werden. Gobelinus Perfona (b) geftchet es auch, daß die⸗
fer Konrad die Neihsgrängen nicht wohl verwahret, fomit den
ungarifchen Einfällen Gelegenheit gegeben habe.
(a) Maufolzum S. Emmerani pag. 232. Et fi facultas fuppetüffet , fuper
totum Regnum, & fuper folium fibi commiflum, Tunc vero idem
Saxo Henricus, ut-multi teftantur, eiusdem Epifcopi hortatu, &
confilio hoftiliter Regnum Boiarie intravit, ubi nullus Parentum
fuorum nec tantum greflum pedis habere vifus eft, & ideo cre-
dimus, quod Dei nutu primo ingreflu ab incolis unius civitatis
eft fuperatus, & de fua parte multis vietus abfceflit, Priori nam-
que tempore, diebus videlicet Chonradi Regis criminantur eundem
Epifcopum cum eodem rege, & exercitu eius provinciam illam
non regaliter, fed hoftiliter intrafe, & non minimam igne cre-
mafle atque multis miferiis orphanos, & viduas anguftafle. Eo-
dem vero impetu venerunt ad quandam ceivitatem beati Petri
Apoftoli, & S. Emmerami familia inhabitatanı , & plenam, quam
& expugnatam incenderunt, atque CLXX. & amplius ex his &
illis defpoliaverunt, & multa miferia aflietos reliquerunt. - At-
que his peccatis faginati, & onerati divino nutu perterriti exierunt
coacti. Poft hæc & alia gloriofus Dux nofter Arnulfus virtute |
ex alto indutus, fortitudine clarus, & vittoria enituit eximius, |
quia de progenie Imperatorum & regum eft ortus, & per ipſum |
populus Chriftianus de fevienti gladio paganorum eft ——
&.in libertatem vitz translatus. ——
(b) Gobe-
are |
|
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 173
(b) Gobelinus Perfona Cosmodrom, ztat. VI. cap. 46. Cumgue Con«
radus Rex fines regni non defendit &c.
5. 25.
Mas ſich übrigens zwifchen diefem KoͤnigeKonrad und Hers
409 Arnolfen noch ferner ereignet habe, ift hie der Ort nicht weitläufs
tig. anzuführen. Kurz: Arnolf gienge in fein Baierlande zurüd,
eroberte fein Nefidenzftadt Regensburg, vertrieb den indeffen eins
gedrungenen Eberhard des. Königs Bruder (a), fochte wider den
Konrad, und verwundete ihn in der Schlacht (b), mußte aber dem
ungeachtet der Gewalt zum zweytenmal weichen, an feine Außerfte
Graͤnze gegen Ungarn zurückkehren (e), und ſich gleichwohl mit
der Hoffnung einer befjeren Gelegenheit tröften.
@ Maufolzum S. Emmerani pag. 212 ſeq. Falckenflein in antiquitati-
bus Nordgavienfibus Tom. I. p- 307 feg. Eccard rerum Franc.
Drient. Tom. Il. p. 857. n. 57.
- (b) Witechindus ann, Lib. I. pag. m. 9.
- (e) Annalifta Saxo ad ann. 917. Eccardus rerum Franc, Orient. Tom. II.
pag. 857. num, Ss
S. 26,
Indeſſen ſtirbt König Konrad anno 919, entweder an feiner
‚in der vorigen Schlacht empfangenen Wunde (f. im vorhergehen S.)
oder an der ihm von GOtt zur Strafe des zu St. Emmeran geraub-
ten Eoftbaren Evangelienbuch zugeſchickten rothen Ruhr (a). Sobald
der Herzog davon Nachricht erhalten, eilete er an. 920 mit feis
ner ganzen Familie in feine Lande zurück, und wurde von feinen
SE Landftänden, und von den Oſtfranken, (darunter vieleicht
rdgauer zu verſtehen ſind,) mit allen Ehrenbezeugungen
ingen, ia fogar zu ihrem König auserfehen (b).
. 93 - (a) Mau-
a
174 1.20. BP Scholinners
(a) Maufolzum 8. Emmerani Cap, 16. pag. 94. ech rerum Franc,
‘Orient. Tom. II. pag. 857. n. 60. ————
tb) Luitpraudus Lib. II. Cap. 7. Hoc eodem tempore Arnbikla cam
uxore, & filiis ab Hungaria (forte a confinibus) rediens honori-
fice à Bojariis, atque ab orientalibus fufcipitur. Francis , neque
enim folum fufeipitur, fed ut Rex fiat ab eis vehementer ex-
pofeitur, Vid, etiam Annalifta Saxo ad ann, 919. ”
— 8.27: j
Keil aber Konrad. Furz vor feinem Tod feinen Bruder
Eberhard und die Franken gebethen hatte, Daß fie die königliche
Krone und die übrige Reichskleinode dem fächfifchen Herzog Heinz
rich überbringen, und ihn zu ihrem König erwaͤhlen moͤchten: fo gez
ſchahe es auch, und er wurde zu Fritzlar als König ge
Daß er aber dazumal nicht zum König von ganz Deutfehland,
fondern nur der Franken und Sachſen, eben fo, wie vorhin Kon-
sad erwaͤhlet worden, erhellet nicht nur aus dem, daß weder
die Baiern,noch die Schwaben, und £otharinger bey diefer Wahl
zugegen gewefen find, ihn aud) Anfangs für ihren König nicht
erfennet haben; fondern auch aus den fächfifehen Schreibern felbft,
die der übrigen Völker mit feinem Wort, fondern nur allein der
Franken und Sachſen gedenken (a).
(a), Ditmarus Merfeburgenfis in Chron. Lib. I. p. m. g, Interim Con-
radus longa infirmitate detentus, & quia poft inimicitias ire me-
miniffe malorum eft, totius eontrarietatis, qu& fibi ex parte Hen-
rici provenerat, oblitus, fratri ſuo Eberhardo, populoque prima-
rio (utique Francorum) in unum collefto, confilium hoc dedit;
Si quando naturz commwmi eoncederet, ut Henricum ;, Regni gu-
bernaculo undique fecus aptum, eligerent, animamque fuam cum
refidua confanguineorum, ac familiarium (Francorum utique) ca-
terva firmæ ſuimet fidei committerent, & ad hoc fine aliqua di-
latione confentirent. Hanc petitionem extremam cum magno lu-
eu,
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 175
Ru, & gemitu ſuſcipientes, & impleturos fe vita comite pro-
_ mittentes, feftino ejus obita in VIII. ordinationis fox anno XIV.
Cal. Novemb. pro dolor! completo, ac exequiis in Limburg per-
actis difceflere, & concione in Friteslari celeriter poüta Henri-
cum coronayerunt.
"Witichindus annal, Lib. I. Pag. m. 9. erzehler den Verlauf dieſer Sachen
R
alſo: Cumque (Conradus) fe morbo ſenſiſſet laborare, pariter
cum defectione primæ fortunz, vocat fratrem, qui eum vifitandi
‚gratia aderat, quem ita alloquitur ; fentio, inquit, frater! diutius
me iftam vitam tenere non pofle, Deo, qui ordinavit ita impe-
rante, gravique morbo id cogente. Quapropter confiderationem
tui habeto, & quod ad temaxime refpieit, Francorum toti regno
confulito ,„ attendendo fratris tui confilio, Sunt nobis, frater!
copiz exercitus congregandi, atque ducendi: ſunt urbes, & arma
cum regalibus infigniis, & omne, quod decus regium depofeit,
‚preter fortunam, atque mores. Fortuna, frater , cum nobiliflimis
7 moribus Henrico cedit; rerum publicarum fecus Saxones fumma
eft. (So. waren denn die Sachſen dazumal ein von den Franfen abge—
‚ > fondertes und unterfhiedenes Volk: und warum follten eben die übrigen
um
5 ii
)
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unter den Franken verftanden werden ? ) Sumtis igitur his infigniis, lan-
cea facra, armillis aureis, cum chlamyde, & veterum gladio Re-
gum, ac Diademate, ito ad Henricum, facito pacem cum eo, ut
eum foederatum poflis habere in perpetuum. Quid enim necefle
eft, ut cadat populus Francorum coram eo? Ipfe enim Rex erit,
'& Imperator multorum populorum. His dictis frater lachrimans
fe confentire refpondit, Poft hzc vero Rex moritur - - - fepe-
* liturque in civitate fua Wilinaburg, cum mærore ac lacrimis om-
“ nium Francorum (Sind vieleicht auch die Übrigen deutfihen Voͤlker, die
von diefem Konrad fo vielen Ungemach erlitten haben, bey diefer Leich
zugegen. gewefen, und haben ihr ihre Thraͤnen geopfert? gewiß fie hat-
ten nicht Urfadhe, und folget vielmehr daraus, daß unter dem Wort
Franken nur diefe allein, nicht aber die übrigen Deutfchen zu verftchen
ſeyen). Ut ergo Rex imperarat, Eberhardus adiit Henricum , fe-
que cum omnibus thefauris illi tradidit, Pacem fecit, amieitiam-
que
i
—
176
-ausgeforfchet oder abgewartet, fondern den von ihnen auögeruffenen Koͤ—
- erwählet gewefen, was koͤnnte er für einen Scheingrund gehabt haben,
P. Scholinners
que promernit, quam fideliter , Suiten usque in finem ob- ·
tinuit, (mich deucht es, ich fehe hie wiederum eine Art eined feudi ob-
lati, oder vielmehr eined freundfchaftlichen Bindniſſes und Vertrags,
nicht aber einer vollkommenen Unterwerfung). Deinde congregatis.
Prineipibus, & natu majoribus exercitus Francorum in loco, qui
dicitur Fridisleri defignavit eum Regem coram omni populo Fran-
eorum, atque Saxonum (Wenn die übrigen deutfchen Völker auch zur
gegen gewefen wären, oder ihre Woahlftimmen dem Eberhard anvertrauet |
hätten, fo wurden es die fächfifhen Geſchichtſchreiber anzumerken ge—
wiß nicht vergeffen oder unterlaffen haben. Der Annalifta Saxo, nach⸗
dem er den eben angezogenen Witichind fchier von Worte zu Worte aus-
gefihrieben hat, fegt endlich eigenmächtig folgendes hinzu p. 245. apud
Eccard Tom. E feriptor. German. Ita Henricus Rex, cognomen-
to auceps communi confenfu Francorum „ Alemannorum, Bawa-
siorum & Saxonum eleftus &c. Da doch der Witichind feine Vor—
fehrift nur glatthin fagt : koc ordine Rex factus, Henricus perrexit &c.
Und der Anmalift vorhin, ohne auch der Sachſen Meldung zu thun, er=
zehlet hat, Heinrich ſey vom dem fränfifchen Kriegsheer ermählet wor=
den: Congregatis Principibus, & natu majoribus exereitus Fran-
eorum, & coneione in Fridisler eeleriter pofita Henricuin coro-
naverunt &c. aus diefem Worte celeriter koͤnnte man fchlieffen, daß
die Franfen um ihred vorigen Königs Willen zu vollziehen, die Sach
zimlich uͤbereilet, und nicht einmal die Sefimung der übrigen Deutfchen.
;
nig dem ganzen deutſchen Meich aufzubringen geſucht haben: So wie
etwann ein Schwarm roͤmiſcher Soldaten einen aus ihren Mittel zum
roͤmiſchen Kaiſer nicht ſelten ausgeruffen haben. Denn wäre dieſer
Heinrich auch von dem ſchwaͤbiſchen Herzog Burchard, und ſeinem Volk
ihne ſogleich nach vollzogener Krönung mit Krieg zu uͤberziehen, und
ſeiner Gewalt zu unterwerſen? Ein gleiches iſt auch von Baiern und,
Sotharingen zu verfiehen. Es fcheinet derowegen aufgemacht zu ſeyn⸗
daß Heinrich Anfangs nur von den Franken und ſeinen Sachſen frey⸗
willig erwaͤhlt, von den uͤbrigen aber nach der Hand durch Beyſtme
ung für einen König in ganz Deutfchland fen; erkennt worden. |
8. 27
z
alt Herzog Arnolfs von 17
S. 28.
— Heinrich war kaum auf obbeſagte Weiſe zum Koͤnig uͤber
die Franken und Sachſen erwaͤhlet, und mit der fraͤnkiſchen Kro—
ne geziert, ſo bediente er ſich ſogleich der naͤmlichen Herrſchſucht,
die er doch vorhin an den Konrad ſeinem Vorfahrer bis an ſein
Ende verabſcheuet, und ihn als ſeinen Koͤnig, zu welcher Wuͤrde
er doch von ſeinem Herrn Vatern Otto war befoͤrderet worden,
zu erkennen ſich auch mit gewafneter Hand geweigert hatte. Wenn
wahr ift, was Ditmarus Merfeburgenfis (a) ſchreibt, daß Herzog
Otto fich famt feinen Söhnen diefem Konrad freywillig unter>
worfen, Heinrich aber der Sohn nach dem Tod feines Herrn
Vaters den groͤßten Theil ſeiner Laͤnder von dem Koͤnig Konrad
zu Lehen empfangen bat, fo konnte er wohl im eigentlichen Ver⸗
fand ein Rebell genennt werden, wie ich ſchon oben N. 22, ans
gemerkt habe: hat aber diefer damalige Herzog geglaubet feinem
anerfannten König fi) mit Recht mwiderfegen zu dörfen, unter
was für einen Scheingrund Fonnte er jene mit Krieg überziehen,
und mit Gewalt ſich zu unterwerfen trachten, die ihn niemal zu
ihren König erwaͤhlet, ihn auch als ihren Heten zu verehren Feis
‚ne Schufdigkeit hatten?
- (a) Ditmar. in Chronic. Lib. I. pag. m. 9. Quem (Conradum) ob me-
zitum fui, Otto prædictus ab omnibus regni (Saxonum & Franco-
zum) in regem ele&tus fibi, quafi ad hoc indigno præpoſuit, fe-
que cum filis fidei ſuæ, ac poteftati ſubdiderat..... Poft hze
Ottone fecund. Calend. Decemb. carnis univerfe viam intrante,
fepe memoratus Juvenis (Henricus auceps) in vacuum fuccedens,
hzreditatem jure, & maximam beneficii partem gratuito regis fu-
un fcepit ex munere, & quod ei defuit, cum fuis omnibus zgre tu-
Bit, ac poftea ficut cum tritico lolium, fic ex eo latentis odii
0. flex excrevit. Könnten doch die Herrn Gegner, die dag Berfahren
5 ber baierifchen Herzogen immerhin mit den gehäßigfien Farben zu ent-
werfen pflegen, ein gleiches Unterwerfungsrecht an dem Herzog Arnolf
3 - mb
diget, fo zog Heinrich fogleich mit feinem ganzen Kriegesheer nad) |
Schwaben wider den Herzog Burchard los: und als ſich dieſer
in Erwegung feiner ungleichen Kräften ihm freywillig ergeben
hatte (a), drang er weiter in Baiern wider den Herzog Arnolf
p Sitte
und feinen ihm getreuergebenen Ständen erzwingen: Sie de gewiß
noch aͤrgere Beynaͤmen als des Böfen und Rebellen ausdenfen, und
mit dem neueften Herrn Rathe nicht ohne allen Grund fehreiben doͤr⸗
fen, es habe ben Baiern mehrmalen gegläder, daß fie wegen ih⸗
rem größten Verbrechen auch von den maͤchtigſten Königen
nach Verdienften nicht geftraft, fonder nody mit Gnaden an=
gefeben worden. Hingegen muß diefer Heinrich wider dad Zeugniß
des Ditmar und der emmeraniſchen Handfchrift (N. 26. not. 2.) dem
Witichind Lib. J. p. m. 6. heißen: Toti mundo neceflarius,, re- |
gum maximus, optimus, qui primus libera poteftate regnavit in
Saxonia, qui cum prima ztate omni genere virtutum vitam fuam
-ornaret,, de die in diem proficiebat przcellenti prudentia, & om-
nium bonorum adtuum gloria. Hat nun diefer Heinrich, unerachtet |
er fich mit feinem Herrn Dater dem König Konrad unterworfen, und
dad mehrefte von ihm zu Lehen empfangen hatte, von Mechtöwegen freu,
und eigenmächtig in Sachſen herrfihen koͤnnen, fo ziehe ih drey Schlüf-
fe daraus, die die Herrn Gegner ſchwerlich werden umftoffen Fonnen :
einmal, daß er Eein Rebell gewefen fey: hernach, daß folglich auch die
Übrigen deutfchen Bölfer , befonders die baierifchen Herzoge, die we—
der den Konrad und Heinrich Anfangs erwählet hatten, noch ihre Le—
benträger waren, ebenfals eigenmächtig, und frey ihre Ränder haben be=
herrfchen, und fich der gewaltigen Unterdruckung der Franfen und Sach—
fen widerfegen,, noch minder Rebellen im eigentlichen Verſtand genennt
werden Fnnen: endlich, daß diefe beyde fränfifch = und fächfifchen Koͤ—
nige unrechtmaͤßige Kriege geführt, und anfänglich nicht de jure, fon=
der nur de falto fich zu Könige über ganz Deutſchland aufgeworfen
haben. R
9
u
Deffen ungeacht war die Krönung zu Fritzlar kaum —
ein,
VBorrechte Herzog Arnolfgwon Vaiern. 179
ein; um auch diefen mit Gewalt der Waffen fich unterthaͤnig zu
machen. Doc) da gieng e8 nicht fogleich nach Wunſch von ftats
ten, und wird die Sache von den Alten auf eine widerftechen-
de Weife erzehlet (b); die Doch alle in dem übereinfommen, daß
endlich zwifchen beyden cin Vergleich (c) getroffen worden, wo-
rinn Arnolf den Föniglihen Titel freymwillig abs und felben
dem Heinrich beygeleget, mit ihm ein Bindniß (alliance) gefchlof-
fen, ſich aber anfehnliche Vorrechte ausgedungen habe, die ich in
dem vierten Abfchnitte beftimmen werde,
(a) Witichindus annal. Lib. I. pag. m. g. Eo ordine Rex factus Hen-
ricus, perrexit cum omni comitatu ſuo ad pugnandum contra Bur-
chardım Alemaniz Ducem: hic cum eflet bellator intolerabilis,
fentiebat tamen, quia valde prudens erat, congreflionem regis
fuftinere non pofle, tradidit femet ipfum cum univerfis urbibus,
& populo fuo.,
Herr von Gundling de Henrico aucupe !pag. m. 89. nota p. wi
aus Hepidano in vita S. Wiboradz cap. 28. einen durch Gefandte
errichteten Vergleich ermweifen.
(b) Dbangezogener Witichind am angemerften Drt erzehlet es, wie folget:
Et rebus profpere geftis tranfiit inde in Bajoariam, eni prefide-
bat Arnulfus Dux. Quo comperto in prefidio urbis, quæ diei-
tur Reginesburg obfedit eum. Videns autem Arnulfus, quia re-
fiftere Regi non fufficeret, apertis portis egreflus eft ad regem,
tradito femet ipfo cum omni Regno fuo. Qui honorifice ab eo
fufceptus, amicus Regis appellatus eft, Einen ganz andern Bericht
ertheilet hievon Laitprandus Lib. HI. cap. 7. Rex Henricus ſchrei⸗
bet er, quum obtemperare ſuis omnes juſſionibus, Arnoldumque
ſolum reſiſtene cerneret, (nicht nur Arnolf allein, ſondern auch Gi-
ſilbert Herzog in Lotharingen hatten ſich ihm dazumal noch nicht erge⸗
bben) pervalido eollecto exercitn in Bajoariam tendit: quod Arnol-
“nn dus, ut audivit, ejus non paflus eft in Bajoaria prefiolari ad-
0 ventum, verum coltettis, quibus valuit copiis huie obyiam pro⸗
00" perat; eupierat fane & ipſe Rex fieri. Quumque in eo eſſent, ut
| 2 bellum
180
vr. Scholinnerxsx
bellum pariter inire deberent,, ſicut vir fapiens , & Deum timens,
Rex Henricus cogitans, ex utraque parte irrecuperabile pofle
damnum accidere, Arnoldo, quatenus cum folo folus loquatur.
denuntiat. Putans igitur Arnoldus, quod fingulari fe acciret cer-
tamine, ad conditum folus hora ftatuta pervenit, quem fibi ob-
viam properantem Rex Henricus tali eft fermone aggreflus . . »
Bier dichtet er ihm einige ungereimte Verſe an. Hoc igitur quadrifa-
tio dicendi genere Rex Henricus Arnoldi animum mulcens, ad
-fuos redüt. Arnoldus vero quum fuis omnia retuliflet, huius-
modi ab eis audivit refponfionem - - - Aquum autem juſtum-
que nobis videtur, ut a cæteris non diflentiens hunc regem eli-
geres. Ipfe vero te, ut tam fortunatum, & pradivitem virum
hoc pa&to bearet, animique tui feritatem mulceret, ut quod pre-
deceflores non habuere tui, tibi concedatur , feilicet quatenus to-
tius Bajoariz Pontifices tue fubjaceant ditioni tuæque fit potefta-
tis uno defuncto alterum ordinare. Connivens igiter Arnoldus
huic optimo fuorum confilio Henrici Regis miles efhicitur (Witis
chind faget amicus) & ab eo, ut jam dietum eh, conceflis totius
Bajoariæ pontificibus honoratur.
Der Annalifta Saxo ad ann. 920, pag. m, 245. erzehlet dieſe beyde Mey⸗
nungen, ſaget aber ausdruͤcklich, das Gutachten der baieriſchen Staͤn⸗
den ſey dahin gerichtet geweſen: Herzog Arnolf ſolle zwar den Wahl:
ſtimmen der übrigen Voͤlker, verftehe, der Franken , Sachſen und
Schwaben beytretten, und ihn auch für feine Perfon ermählen, doch mit
diefer Bedingung, wenn der König Heinrich die baierifchen Bifchöffe
feiner Bothmaͤßigkeit unterwerfen und zugeben wollte, daß ex bey erle—
digten Biftthümern die Machfolger benennen dörfte. Ea tamen condi-
tione, find feine Worte, fi hoc fibi concederet , feilicet, ut totius
Bawariz pontifices fuz poteftati fubjacerent, unoque defun&to al-
terum fibi ordinare liceret.
RN.
Welche nun aus diefen beyden einander widerfprechenden Meynungen die
wahrhafte ſey, ift eben fo leicht nicht zu entfcheiden. Bede feheinen et= |
was Partheylichfeit für den König Heinrich zu haben, Witichind und
der Annaliſt find. für die Ehre ihrer Sachfen eingenommen: Suitprand
hat -
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baier 187
Hat etwaß dichterifches, und die flolze Anrede an dem zum Zweykampf
gerüfteten Arnolf iſt fehwerlich aus dem Mund des unbewafneten Koͤ—
nigs Heinrich gefloffen: doch die übrigen Umſtaͤnbe, die Luitprand bey:
bringet, fcheinen mehr Wahrfcheinlichfeit zu haben: denn, wenn Herzog
Arnolf ſich aus Furt binter den Mauren verftedket, ſich ihm ſogleich
ergeben, und nicht vielmehr mit gleiher Macht feinen Mitbuhler ent—
gegen gezogen wäre, wurde er fo wenig Bortheile, ald Herzog Burchard
in Schwaben durch feine freywillige Ergebung zu hoffen gehabt haben.
Es lauft aber endlich alled da hinaus, daß fie fich bede mit einander
im Frieden verglichen, Arnolf nach abgelegten Föniglichen Titel den Hein-
rich auf Einrathen feiner Stände zum König erwählet, hingegen feine
Länder nebft andern DVorrechten fich ausbebungen, und ein freundfchaft=
fiches Bindniß, wiewohl federe non nihil inequali, mit ihm errichtet
habe, amicus Regis appellatus eſt.
(ce) Diefes erhellet aus eben angezogenen Erzehlungen, mo es heißet: hoe
patto,, ca tamen conditione, ein jeder Dergleich gefchieht ja dato,
retento. Arnolf Fieffe den Föniglichen Titel fahren, behielt ſich aber
feine landsfuͤrſtliche Oberherrlichkeit auch fogar über die Bifchöffe vor.
Das Chronicon Tegernfeenfe bey Bernhard Pez Thefau, Tom. III.
parte III. p. 500. faget es deutlih. Hic eft Arnulfus ille, qui...
jure fibi in concordie viam ab Hainrico Principe de inveftiendis
‘ Eeclefiis Bavariz juxta morem antiquum conceflo abutens &c. |
. Die Monumenta Tegernfeenfia bey obigen pag. 495. fagen fogar die⸗
ſes jey ein Friedensartikel geweſen: Henricus pro pace Epilcopatue
? teırz ſuæ regio yure juxta antiquum concellt,
530
Ich will nun das, was in dieſem zweyten Abfchnitte ab»
handelt worden, ins Kürze bringen, und mit wenigen Worten
, Wie und auf was Weife Arnulf zur Regierung gelanget
ey: Unter den Königen Arnolf und Ludwig hat er fein Herzogs
um im Jahr 907. zu Lehen empfangen Num, 6-9. Nad) er⸗
Tofsenen karlingiſchen Stamme wurde er an. 912, bon den baieris -
33 - fen
i82 p. Schölimes
fehen Ständen , kraft des ihnen unfteittig zuftehenben Rechts zu
ihrem Herzog erwaͤhlet Num, ır-21. Könnte jedoch wegen der
gewaltthätigen Herrſchſucht des fränkifchen Königs Konrad wer
Länder nicht in beftändiger Ruhe befigen Num. 21-25.
Nach deffen Tod wurde er ziwar von feinen Ständen und
den Oſtfranken auf das feyerlichſte empfangen, ja ſogar von ih—
nen zum Koͤnigreich beſtimmet Num. 26. Hat aber endlich anno
920, des koͤniglichen Titels ſich begeben, Heinrich den Vogler
auch fuͤr ſich zum Koͤnig erwaͤhlet, ſich aber die Beherrſchung ſei⸗
ner Laͤnder nebſt andern koͤniglichen Vorrechten ausbedungen, die
hiernach ſollen unterſucht —
Dritter Abſchnitt.
Welches waren die Gerechtfame, die Arnolf mit.
andern Herzogen Deutfchlandes gemein hatte.
Ge
8 ift bekannt, und bedarf Feines fernern Beweifes, daß zu
den Zeiten der Karlinger, und nach deren Abgang ganz
Deutfchland ohne die Wenden betrachtet, in fünf Hauptvoͤlker,
und eben ſo viele Herzogthume eingetheilet geweſen, naͤmlich in
die Baiern, Schwaben, Franken, Lotharinger und Sachſen, uns
ter weichen letztern ſchon damal die Thüringer begriffen waren,
and unter Ludwig dem legten Karlingerfönig von befondern Herz
zogen beherrfcht worden ſey. Es koͤmmt hie nur zu unterſuchen
dor, was die damaligen Herzogen für Gerechtſame über ihre Voͤl⸗
fer und Länder auszuüben befugt gewefen feyen: und in was für
einer Verhaͤltniß fie fi) gegen die damalige Könige PeRUDee
haben ·
5.
|
| Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 183
hi Sch hab fchon oben (N. 4. 11. ſeq.) erwiefen, daß nah
Erloͤſchung des karlingiſchen Stammes die deutfchen Hauptvoͤlker
ihre vorige freye Unabhängigkeit zuruͤck bekommen haben, und
ihre den Karlingern zu Lehen aufgetragene Länder (feuda oblata)
wieder an diefelben zuruckgekehret feyen: denn fie hatten fich nie-
mand andern, als eben ihnen den Karlingern und ihren rechts
‚mäßigen Söhnen als erblichen Königen unterworfen, N. 15. not. L.
Derowegen fobald fie Karl den Dicken wegen feiner Unfähigkeit
"des Neichs entfegt hatten, dennody aber von den auch unächten
Karlingern nicht gänzlich abweichen wollten, erwählten fie frey-
"willig Arnolfen des Karlmans natürlichen Sohn (a), doch unter
diefer Bedingniß (N. 4.) wenn er von feiner rechtmäßigen Kö-
niginn keinen männlichen Erbe erzeugen würde, Sie hielten aud)
ihr Verſprechen, und erwaͤhlten nach ſeinem im Jahr 900. erfolg⸗
‚ten Tod deſſen ehelich erzeugten, wiewohl nur ſiebenjaͤhrigen Sohn
Ludwig das Kind genannt (b). Als aber auch diefer im Jahr
911, ohne Erben verfchieden, waren fie.an Feinen Lehenheren, an
feinen Beherrſcher mehr gebunden: fie waren jedes ein freyes
Volk für fih, und fund in ihrem Belieben, ob fie in diefer
Freyheit, ſo wie etwa die Schweißer und Holländer, verbleiben,
„oder was für eine Regierungsart fie unter fich beftimmen, und
unter was für Bedingniffen fie einem zuerwählenden Stadthal-
„ter ſich untergeben wollten. .
" (a) Regino ad ann. 887. Imperator corpore & animo cæpit ægrotare.
SC Menfe itaque Novembri eirca tranfitum S. Martini Triburias ve-
Kur nit, ibique conventum generalem conyocat. Cernentes optimates
Mm; regni non modo vires corporis, verum etiam animi fenfus ab eo
0. diffugere, Arnolphum filium. Carolomani, ultro in regnum attra-
N * hunt, & ſubita facta conſpiratione ab Imperatore deficientes ad
Re pre-
.
AR Söotinnes — ee
preditum virum certatim tranfeunt, ita, ut in triduo vix aliquis
5
remaneret, qui ei faltem officia humanitatis impenderet.
Annales Fuldens. ad eundem annum: Cæſar graviffina infirmitate de-
tentus eft. Ab illo ergo die, male inito confilio 4 Franci, & more
folito Saxones , & Duringi, quibusdam Bajowariorum primoribus,
& Alemanorum admixtis, cogitaverunt deficere a fidelitate Im-
peratoris, nec minns perficere, Igitur veniente Karolo Impera-
tore Franconofurt , ifi invitaverunt Arnolfum filium Karlmani.
regis, ipfumque ad feniorem elegerunt, fine mora ftatuerunt ad
regem extolli.
(b) Regino ad an. 900. Proceres, & optimates, qui ſub ditione Ar-
nolfi fuerant, ad Forchem in unum congregati, Ludovicum filium
prefati Principis, quem ex legitimo matrimonio fufceperat, re-
gem foper fe creant, & coronatum, regiisque ernamentis indu-
tum in faftigio regni fublimant,
Aarianus feotus ad ann. cit. Ludovicum filium Arnoldi. 2. Nom. |
Febr. anno ztatis fuz feptimo, quem ex legitimo matrimonio
Arnoldus genuit , proceres & optimates regem fuper fe conſti-
tuunt, & coronatum, & regiis ornamentis indutum, ad Forchaim
congregati in unum, in faftigio regni elevant,
5. 3.
Und fo geſchah es auch. Jedes diefer Völker erwaͤhlte
fi) einen Oberherrn, den fie entweder König oder Herzog nenne
ten, und ihm die Tandsfürftliche Hochheit, Jurisdiöhionem territoria-
em, fuprematum , übertiugen, wiewohl nicht ohne einige Eins
ſchraͤnkung; denn viefe erwählten Landsfürften waren in vielen
Stuͤcken an das Gutachten ihrer Stände gebunden, wie foldhes
aus den Öffentlichen Urkunden, und felbft aus dem von Herzog
Arnolf in Daiern mit Heinrich dem Vogler errichteten Vertra
erhellet; als welcher die ihm angetragene Bedingniffen nicht che
eingegangen bat, bevor er nicht das Gutachten feiner Landsſtaͤn⸗
’ den
WVorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 185
den eingehofet hatte (N. 29.). Ein gleiches wäre von den uͤbri⸗
‚gen Regenten in Deutfehland Teicht zu erweifen,
4 5. 4
Dieſe Einſchraͤnkung aber hat nur Platz, wenn man dieſe
neuen Regenten als Beherrſcher ihrer Laͤnder und gegen ihre Staͤn⸗
de betrachtet: werden ſie aber auf einer andern Seite, und in
Verhaͤltniß gegen die von den Franken und Sachſen erwaͤhlten
Koͤnige angeſehen, ſo waren ſie von ihnen voͤllig unabhaͤngig,
und uͤbten auch die landsfuͤrſtliche Hoheit in voller Maas aus,
“wie dieſes die Herren von Leibnitz (a) und von Ludwig (b),
nebſt vielen andern fattfam erwiefen haben. Denn daß die baies
riſch⸗ ſchwaͤbiſch⸗ und fotharingifche, von ihren Ständen erwähls
ten Herzoge die nämlichen Nechte in ihren Landen, fo wie Kons
rad und Heinrich in den Ihrigen auszuüben befugt gemwefen, und
dieſelben nicht erft von diefen KR. Konrad, Heinrich oder gar von
Otto dem Erften Iehenweis empfangen haben, liegt aus der Ges
ſchichte am Tage; und ift gewiß, daß jene ihren Negenten eben
ſowohl nebft dem Föniglichen Titel auch die Krone hätten auffes
h gen koͤnnen, wie es die Franken und Sachſen mit den Zhrigen
‚gemacht haben: nur mit dem Unterfchied, daß fie diefe ihre ges
kroͤnten Häupter nicht als Könige über ganz Deutfehland, wie
etwann die Franken und Sachſen, wiewohl ohne Grund, möd-
‚ten angefehen , fonder nur über ihre abgefönderte und eigene
| Lande würden erkennt und ausgerufen haben. Wirktich hat nicht
nur Aventin (N. 12. not. d) fonder auch Coſmas von Prag (c),
* baieriſchen Herzog Arnolf den Beynamen eines Koͤnigs zuge⸗
legt; es war auch feine Bildniß auf der Spitze des Kirch⸗
hung zu St. Emmeran in Regensburg mit einer koͤniglichen
Krone gegiert zu fehen (d). |
ik 7720,27 "ws ei
| Yı ‘ (a) Cæ-
x:
“un. +
au ee.
(a) Czfarinus Fürftenerius, d. i, Leibniz de an — un 18. * |
v« 60, ſeq. |
(b) In Germania Principe, Biblioth. feriptor. cap. ww. Pf 30. OR pag.
m. 798. und in Germ, Princ. poft Carolingica ſub Conrado I.
cap. IV.
‚(e) Cofinas Pragens. ‚in Chron. ann. 936. obiit Arnulfus Rex — |
(d) Maufolzum S. Emmerani cap. 32. pag. 213. der neueften BR
| nn 5. 5 |
ch fagte oben, die nach den Rarlingern in Deutfhland
aufgekommene Derzog hätten die Landshoheit in voller Maaſe auss
geuͤbet, und man fordert ohne Zweifel den Beweis von mir; ich
will ihn auch kuͤrzlich geben. Zwar was die fraͤnkiſch⸗ und ſaͤch⸗
ſiſche Könige Konrad und Heinrich betrift, fäugnen es die Herrn
Gegner ſelbſten nicht, nur daß fie von dem Vorurtheil einge⸗
nommen find +: Sie wären nicht nur von ihren Franken und
Sachſen, fondern auch von allen übrigen Völkern zu Königen über)
ganz Deutfchland erwählet worden, und hätten fich ihnen alle)
von Nechtsrvegen unterwerfen müffen; welchen Irrthum ich ſchon
in dem zweyten Abfchnitte widerlegt habe. Es ift alfo der Sa
nur von den Sachſen unter dem König Konrad, und von den)
Baiern, Franken, Schwaben und Lotharingern, unter eben Diez];
ſem Konrad und dem Heinrich zu erweiſen.
§. 6.
Die Landshoheit iſt nach meinem Begriffe, * Ma
fein Land frey und ohne Abhängigkeit von einem andern zu
herrſchen, Gefeße zu verordnen, Gtreithändel zu beurtheilen, die]!
Mebertretter der Gefege. mit Tod und andern Strafen zu bele
gen, Kriege zu führen, Veſtungen anzulegen, Fried und Bind,
niß zu Schließen, und was dergkeichen Folgen mehr feyn koͤnnen
Wenn
Vorrechte Oerzog Arnolfs von Baiern. 187
n ich nun zeige, daß, die deutſche Herzoge diefe Rechten, in.
Mn fie von ihren Ständen durch befondere Verträge daran
t gehindert worden find, ausgeübet haben, fo wird. fein
fel übrig feyn, daß ihnen nicht die landsfürftliche Hoheit,
aus. der alle übrige Gerechtfame flieffen, zugefommen fey. |
G. 7
Sie waren erftlich freye und von aller auswärtigen Macht
unabhängige Herren: oder man fage mir doch, wen fie fich zu
unterwerfen fhuldig gewefen wären? Deutfchland war nach dem
anno 843. gefchloffenen Vertrag zu Verdun ein auf ewig von
Frankreich abgefondertes Reich (a). Die Deutfihen Karlinger
waren mit dem Tode Ludwig des Kinds ausgeftorben. Der fraͤn⸗
liſche Konrad maſſete ſich zwar einer karlingiſchen Herrſchſucht
über ganz Deutſchland an: Allein es widerſetzten ſich ihm alle
deutfche Völker mit gewafneter Hand, und er Fonnte es niemal das
bin bringen, daß ihm die Sachfen und Baiern gehufdigt, und
ihn für ihren König erkannt hätten. Obſchon Dtto der Sachfe ſich
ihm nebft feinen Söhnen freymillig untergeben hatte (Num. 28.)
& hat dennoch) fein Sohn Heintidy die durch den Tod feines
Herrn Vaters erledigte Länder erblich angetretten, und dieſelben
frey und eigenmaͤchtig beherrfchet (b). Wenn aber Ditmar (c)
meldet, Daß er nicht nur die erledigte Erbfchaft angetretten, fon-
der auch den größten Theil von dem König Konrad zu Lehen em⸗
Pfangen habe: und wenn Witichind (d) fehreibt, der fränkifche
König habe Anftand genommen, diefem Prinzen, deffen Tapfer-
keit er öfters erfahren hatte, die völligen Gewalt feines Vaters
einzuraumen, fo find fie entweder von einer erblichen, oder von
jener befondern und hoͤchſten Obermacht zu verftchen, die auch
unter der Regierung K. Konrad bey dem Herzog Otto verblie⸗
ben Mt (e). Und war diefe vieleicht % Pfalzgrafenamt, oder die
—3 — Aa oberſte
me.” Pp. Schol
oberſte Gewalt die Reichs⸗ und Rechtshaͤndel in Sachſen und
Franken zu fihlichten, die etwa damal noch nicht erblich war,
und von der Gnade eines jeweiligen Königs abhieng (F): dem
ungeacht drungen die Sachſen dennoch darauf, daß, wenn gleich
der König ihm die väterliche Gewalt nicht freywillig einraumen
wollte, ex diefelbe auch wider feinen Willen an ſich zu bringen
befugt wäre (g).
(a) Vid. Pfefinger ad Vitriar. Tom. I. pag. 56.
(b) Witichindus Tom. I. ann. p. ın. 6. Henricus‘, qui primus fibera po⸗
teſtate regnavit in Saxonia & pag. 7. Igitur Patre Patriæ, &
magno Duce Ottone defundto, illuftri, & > filio Henrico
totius Saxoniz ipfe reliquit Ducatum.
(ec) Ditmar. Merfeburg. in Chron. Lib. I. p. m. 9. poft hæc Ottone II.
Calend. Decemb. carnis univerfe viam intrante, fzpe memoratus
juvenis in vacuum fuccedens, hzreditatem jure, & maximam be-
neficii partem gratuito regis fufeepit ex munere, & quod ei de-
fuit, cum fuis omnibus zgre tulit, ac poftea ficut cum tritico lo-
lium, fi ex eo latentis odii filex excrevit.e. Quod Rex caute
confidegans, ut ignotum diflimulat, & quem vi aliqua fuperare
non pr=fumfit, nota Hattonis Archiprzfulis verfutia‘. . . deci-
pere tentavit.
(d) Witichindus loc. cit. p. 7. Rex autem Cunradus, cum fzpe ex-
pertus eflet virtutem novi ducis, veritus eft ei tradere omnem
poteftatem Patris. Quo factum eft, nt indignationem incurreret
totius exercitus Saxonici: fide tamen pro laude, & gloria optimi
ducis plena locutus, promifit fe majora fibi daturum, & honore
magno glorificaturum.
(e) Idem loc. eit. penes Ottonem temen Image ſemper, & abge
' vigebat Imperium,
| (f) Vid. Pfefinger ad Vitriar. Tom. I. p. 937.
48) Witichind, cit. Saxones vero huinsmodi finnlationibus non atten-
debant, fed fuadebant duci fuo, ut fi honore paterno eum nollet
fpoute honorare, rege invito, quæ vellet obtinere poflet.
8.
wonet Herzog Arnolfs von Baiern. 169
ie pi 8. 8. & —
© wie Heinrich in Sachſen eben alſo herrſchten auch
die uͤbrigen Herzogen frey in ihren Laͤndern, und vertheydigten
ihre Freyheit mit ganzen Kriegesheeren, da Konrad dieſelben zu
ſtoͤhren anfieng (N. 21. ſeq.) Die Lotharinger, nachdem fie von
ihrem Koͤnige Karl den Einfaͤltigen abgewichen waren, erwaͤhlten
für ihren Herzog den Giſilbert, der ſich ſchon vorhin dem fräns
fifchen Konrad, da er Lotharingen an fich zu bringen fuchte, wi-
derfeßt hatte,- wiewohl er fih mit dem König Karl yar bald
wieder ausfdhnte (a). In Schwaben ſchwung ſich Erchanger,
der Mutter Bruder des Herzogs Arnulf, aus einem vormalis
‚gen Kammerverwalter , dur) das Kriegsrecht und die Bey—⸗
hilf feines Bruders Berchtold, und Burchard des Züngern zum
Herzogthum (b). Nachdem aber diefe zween Brüder den Kone
rad einmal für ihren König erkannt hatten, dennoch aber we⸗
‚gen ihrer Widerfesung in Die Acht erklaͤret, und liſtiger Weiſe
Maren enthauptet worden (c); fo iſt an ihrer Stelle Bur⸗
hard, der vorhin ebenfalls wider Konrad mit in Krieg verwickelt
geroefen, mit Beyftimmung der Ständen zum Herzog in Schwa-
ben ernennt worden, und hat der geächteten Brüder confifeirte
Güter zu Lehen empfangen (d). Sogar Eberhard, der mächtige
Graf oder Herzog in Franken, der feinen Bruder Konrad, Hein-
ti dem Vogler, und Otto den Großen erwählet, und ſich ih—
‚nen untergeben hatte,» glaubte dennoch, daß er berechtigt wäre,
ſich mit den uͤbrigen deutſchen Fuͤrſten in Bindniſſe einzulaſſen,
und fie mit Krieg zu uͤberziehen (e). Daß auch Herzog Arnoif
auf gleiche Weiſe feine Länder mit höchfter Gewalt beberrfcht
babe, ift fihon in dem zweyten Abfchnitt erwiefen worden, und
wird ſogleich mit mehrerem beſtaͤrkt werden.
(a) Pfeffinger ad. Vitriars Tom. Il. pag; 247.
[27 Anz (b) Chrom,
190 Aa; m >; Scholinners TH
(b) Chron. S. Galli ad ann. 916. Erchanger de exilio reverfus com
Burchardo, & Bertholdo, cum ceteris Patriotis fuis pugnavit, &
eos apud Walawis vieit, & Dux eorum effetus ef.
(ce) Idem Chron. ad eund. an. Erchinger, Parthold, & Lantua odel-
duntur dolofe. a:
(d) Eckardus Junior de cafibus S. Galli apud Pfeffinger Tom. I. p. 89,
Sueviz Principum aflenfu ſtatuitur Alemannis Dux primus Bur+
chardus, gentis illius nobiliffinus , & virtutum dote probatiffimus,
eni & predia damnatorum confifcata in beneficium funt tradita.
(e) Vid. Pfefiuger ad Vitriar, Tom. I. p. 941. & Tom. II. p. 370»
5. 9.
Aus dieſer freyen Landshoheit oder — —— von
einer hoͤhern Macht flieſſet geradenwegs das Recht Geſetze zu
verordnen, die Strittigkeiten der Untergebenen durch richterlichen
Spruch endlich zu entſcheiden, die Uebertretter mit Todes oder
andern Etrafe zu belegen, Kriegsheere anzumwerben, Feftungen
anzulegen, Kriege wider die Feinde des Vaterlandes zu führen,
Bindniſſe und Friede zu fehlieffen; mit einem Wort das Krieger
und Sriedensrecht jus belli & pacis eigenmächtig auszuüben. Es
haben aber die deutſchen Herzoge nach dem Fall der Karlinger
tinter der Negierung des Konrads und Heinrich des Voglers diefe
Rechte mit gutem Fug befeffen, und dieſelbe aufs eifrigfte ver⸗
fochten. Heinrich der Sachſe hat nicht nur annoch bey Lebzeiten
feines Vaters Otto ſchwere Kriege wider Die Dalemincier oder
heutige Meißner, wider die Sclaven, Böhmen und Hunnen ges
führt (a) ,fondern auch dem König Konrad mit gewafneter Hand
bis an fein Ende ſich widerfeget Cb). Er ſchloß fogar wider dies
fen Konrad mit König Karlen in Frankreich ein Bindniß Ce), und
verfochte Die deutfche Freyheit aufs eiftigfte, bis er ſelbſt zur Re⸗
gierung gelangte. einem De folgte auch Gifilbert Her⸗
Ki 509
u Ta
Pie
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. —X
jog in Lotharingen, und Eberhard in Franken, die ſich nicht nur
wider die Könige Konrad und Heinrich, fonder auch wider den
rechtmäßigen erwählten Otto den Großen in Krieg eingelaffen
haben, wie foIches die Herren Pfeffinger (d) und Struve (e)
meitläuftig ausführen. Burchard Herzog in Schwaben, nachdem
er fein Kriegsrecht an Rudolfen König in Burgund erwiefen hatte,
machte nach erhaltenem Siege mit ihm Friede (f), gab ihm feis
ne Tochter Bertha zur Ehe, traf ein Bindniß mit ihm, und lei⸗
ſtete ihm in Waͤlſchland nachdruͤcklichen Beyſtand (8).
6 Vid. Pfe finger ad Vitriar, Tom. I. p- 485. Eccard, de rebus Franc.
Orient. Tom. IL p. 819. ‚num. 132. Ftruvius corp, hift. Gerus
Tom, I, "Pag. 257.
er Str. 1. c. p. 251. $. V. |
© Eccard, 1, c. p. 842. n. 40. & pag. 857. n. 5%
_ (d) Pfeflinger Tom. I. p. 247. & 251. feg. m
.® Struvius l. [77 pP» 252. $ VI. & P2g- 260, $. VI. & VII. p» 278
8 IX. ſeq.
© Herman. contra&t. ad ann. 919. Burchardus Dux Alemanniz, Ru-
dolphum Regem apud Winterturum pugna vicit. Hepidanus in
Chron. ad h. an. Rudolphus Rex, & Burchardus Dux Aleman-
Se norum pugnaveruat apud Wintertura, & Rex ie eft.
uber ad Vitriar. Tom, 1. p. 237. ſeq ·
ah: ' 54 10,
ich nun die Landeshoheit, das Kriegs - und Fries
—* der deutſchen Herzogen erwieſen habe, ſo wird unnoͤthig
ſehn, all uͤbrige Gerechtſame namentlich auszufuͤhren, indeme ſie
aus dieſem Grund durch ein natuͤrliche Folge nothwendig flieſſen,
einem freyregierenden Herrn ohne Zweifel zuſtehen: denn
wer wird einen Regenten, der das Recht hat Kriege zu fuͤhren,
rn das * Soldaten anzuwerben, Heere zu fammeln ac.
ftrits
*
fteittig machen, wenn das erfte Pr dieſe beſtehen
kann? Ein gleiches verſtehet ſich von ſelbſt von der Macht Ge⸗
ſetze zu geben, die Uebertretter zu beſtrafen, Streithaͤndel beyzu⸗
legen, u. ſ. f. als welche mit der Oberherrſchaft in ——
VERTRETUNG ftehen, BERN.
S. ıı.
Es ſtund allerdings in der freyen Willkuhr der deutfihen
Voͤlker und ihrer Herzoge, in dieſen Verhaͤltniß bey ihrer uns
abhängigen Hochheit zu beharren, wenn fie nicht Durch die oͤftere
Einfaͤlle auswaͤrtiger Feinde, und durch die eiferſichtige "von
den Karlingern entlehnte Herrſchſucht der ſaͤchſiſchen Koͤnige, aus
der Erfahrung gelernt hätten, wie leicht ein Volk nach dem ans
dern koͤnnte aufgerieben, und fo zu fagen verfchlungen werden, wenn
jedes für fich allein ftehen follte, und ſich der Huͤlfe der uͤbrigen
nicht verſichern koͤngte. Derowegen es mir hoͤchſtwahrſcheinlich
ſcheinet, daß ſie in Erwegung dieſer uͤber kurz oder lang zu beſor⸗
genden Gefahr eines gaͤnzlichen Umſturzes, eine engere Verbüns
dung mit einander getroffen, und den gemeinfchaftlichen Schluß
gefaſſet haben, aus den einzelnen bis anher nicht zufammenhan-
genden Theifen einen ordentlich» politifchen Staatskoͤrper zu bil⸗
den, und einen aus ihren Mittel zum Könige Über ganz Deutfch,
land einftimmig zu erwählen: welches ich nach dem Tode Heins
rich des Voglers, den ſchon vorhin die mehreften dafür erkannt
hatten, bey der Wahl deffen Sohns Dtto des Großen gefchehen
zu feyn nicht ohne Grund vermuthe. Denn es find Beweiſe vor⸗
handen, daß dieſer nicht nur von den Franken und Sachſen (a),
wie vorhin Konrad und Heinrich, fonder auch von den übrigen |
Bölkern, namentlich von den Baiern und Schwaben erwaͤhlet
worden ſey (b): bey welcher Wahl und Krönung auch die erſte
Spm der Erzämter der deutſchen Ehurfürften zum Vorſchein
kommt,
|
4
Morrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 193
kommt, allwo naͤmlich die drey Erzbiſchoͤffe von Mainz, Coͤlln
und Trier wegen des Kroͤnungsrecht ſich mit einander verglichen,
die weltlichen aber, als Giſilbert Herzog von Lotharingen das
Erzkammerer, Eberhard Herzog in Franken das Erztruchſeßen,
Herman Herzog in Schwaben das Erzſchenken, Arnolf Herzog in
Baiern (c) das Erzmarſchallamt vertretten haben, wie es Witi—
chind.(d) weitlaͤuftig erzehlt. Woraus ich zwar keinesweges fihlief-
ſen will, daß dieſe Erzaͤmter ſchon damal bey dieſen Voͤlkern oder
Familien erblich geweſen: nur fo viel wollte ich anmerken, daß
bey Lebzeiten unfers Arnolf, nach einmal gefchehener Vereini—
gung; das Recht einen König in Deutfchland zu erwählen bey
den fünf Hauptvoͤlkern beftanden, und Arnolf nebft den übrigen
Herzogen dieſes fowohl, als das Erzamt feyerlichft ausgeuͤbet
babe. -
(a) Witichind. Lib. II. ann. p, m, 14. Annaliſta Saxo ad ann. 936.
(b) Ademarus in Chron, apud Labbeum Tom. II. Biblioth. M; S. pag.
"163. bey Herrn Etruve corp. hiftor, German. pag. 275. nor. 8.
Tunc Bajoarii & Alemanni ex gente eorum (Germanorum) crea-
verunt fibi Regem Ottonem.
Ce) Einige neuere baierifche Geſchichtſchreiber, namentlich der hochwuͤrdige Herr
Abbt Defing in feinen Aux. hiftor. füpplem. Tom. II, pag. 100,
und P. Candler in feiner Schutzſchrift für den Herzog Arnolf, zwei-
feln, ob diefer Otto auch vom den Baiern und Schwaben ermählet worden,
und ob ed der baierifche , oder nicht vielmehr ein anderer vieleicht fächfifcher
Arnolf gewefen ſey, der bey der Krönung ° Erzmarſchallamt verwaltet
habe , da doch alle übrige, auch Brunn. was das letzte betrifr, darinn
übereinfommen, Allein nichts zu melden von dem deutlichen Zeugniß de
angezogenen Ademarus, wer kann ſich glaubwürdig vorfelen, daß der
fhwäbifhe Herzog Herman bey der Krönung ſich habe einfinden, und
05 feine Bedienung machen wollen, wenn er dieſen Otto nicht für feinen
König, erkennt, und vorhin erwaͤhlt haͤtte. Den Herzog Arnolf betref-
kend, ſehe ich keinen einzigen Grund, warum man nicht glauben ſollte,
* Bob daß
194
P. Scholinnerß
daß er feine Wahlſtimme dieſem Otto gegeben Habe; indem er ja bey
dem mit K. Heinrich getroffenen Vergleich feines Fönigfichen Titels fid) be=
geben, und auf Einrathen feiner Stände ihn auch für ſich zum. Koͤnig
erwählt, auch übrigens mit ihm in beſter Verſtaͤndniß und Freundſchaft
bis an ſein Ende gelebet hat. Zudem wird nicht leicht ein anderer
Herzog Arnolf auszufinden ſeyn, dem man die Vertrettung dieſes Erz⸗
amts ſchicklicher zurechnen koͤnnte. Es war dieſes ein Vorrecht der deut—
ſchen Hauptvoͤlker, und ihrer Herzogen, die Witichind alle nennt, und
der es gewiß nicht wuͤrde verſchwiegen haben, wenn der baieriſche Her⸗
zog außen geblieben wäre, gleichwie er die Abweſenheit des ſaͤchſi ſchen
Seyfried angemerkt hat. Es ſcheint auch nicht, daß feine Gegenwart in
ſeinem Sande fo unentbehrlich geweſen ſey; indeme er ja, wenn von ei=
nem feindlichen Ueberfall etwas zu beforgen gewefen wäre, die Beſchuͤ—
Kung des Landes und die Anführung des Kriegeöheere einem feiner Soͤh—
nen, oder feinem Bruder in diefer Furzen BRD leicht * an⸗
vertrauen koͤnnen.
(d) Witichindus 1. c. P. m. 15. Ceflit tandem uterque eorum, Trevi-
renfis, & Colonienfis Hildeberti (Moguntini) cunctis note almi-
tatio oc. Duces vero miniftrabant. Lothariorum Dux Gifilber-
tus, ad cuius poteftatem locus ille pertinebat, omnia procurabat
(tanguam Magifter Palatii) , Eberhardus (Francorum Dux) menfz
przerat (Dapiferum egit), Herimanus Franco (Dux Alemannie)
Pincernis, Arnulfus (Dux Bavarie) equefiri ordini, & eligendis,
locandisque caftris preerat ( Archimarfchalli munus obiit ) wie es
Herr Pfeffinger Tom. I. Tit, XIII. pag. 1020. auslegt. Witichind
fahrt fort. Sifridus vero Saxonum optimus, & a rege fecundus,
gener quondam regis, tunc vero aflinitate conjunctus, eo tem-
pore procurabat Saxoniam, ne qua hoftium interim irruptio ac-
cidiffer, nutriensque juniorem Henricum fecum tenuit.
%
E02, |
Ich will nun auch alle übrige den Herzogen in Deutſch⸗
and damal gemeinfchaftliche Nechte unterfuchen, und Dderfelben,
mit einer ausnehmenden Hoheit von Arnulf gepflogene Aus⸗
uͤbung
”
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 195
üͤbung zeigen, feine beſondere Vorrechte aber in dem legten Abs
ſchnitt verſel ieben. Erſtlich zwar, was die uneingeſchraͤnkte Landes:
hoheit betrift, fo ſind davon fo viele Beweiſe aus dem Alters
thum vorhanden, daß Fein vernünftiger Zweifel übrig zu feyn
fiheinet. Gleich nad) dem Tod feines Heren Vaters bediente ex
ſich in. öffentlichen Urkunden einer Schreibart, die bey den Bars
lingiſchen Königen, und übrigen höchften Negenten üblich geweſen.
Schon das Recht offentliche Urkunden (Diplomata) auszufertigen,
und mit feinem Siegel zu befräftigen, ift ein Beweis der hödh-
ften oder diefer am nächften Eommenden Gewalt, wie Herr Heu—
mann (a) anmerkt- Die offentliche Urkund, darinn Herzog Ars
nolf den zroifchen dem freyfingifchen Biſchof Dracoif, und def-
fen Chorbiſchof getroffenen Vergleich bekräftigt, und mit Bey:
druckung feines Siegels unverbrüchlich zu haften befiehlt, fange
—* bey Herrn Mechelbeck (b) mit folgenden Worten an;
"In nomine ſanctæ & individuz Trinitatis: Arnulfus Aivi-
»a ordinante providentia Dux Bajoariorum, & etiam adjacentium
regionum omuibus Epifcopis Comitibus, & regni hajus Principi- -
bus. 'QAuidquid enim benevolentix, & gratiæ erga Dei cultores,
noftrosque, & Regni oratores oftendimus , totum hæc nobis ad
ztern® vitæ augmentum, & prefentis Regni adminieulum liquido
eredimus ee profuturum, Quapropter feire vos volumus, quod
Chuono fidelis, & afliduus orator nofter videlicet Frifingenfis
Ecclefie Chor-Epifcopus, noſtram interpellavit Clementiam, qua-
tenus complacitationem inter Dracolfum Epifeopum, & inter fe
ſactam noftra autoritate, & confcriptione, atque figilli conclu-
fione firmaremus, Cujus petitioni & voluntati, ob: ejus fidem,
& continuam orationem aurem accomodavimus, & vifcera pieta-
us oftendimus, &quæ precatus eſt implere curavimus . .. .
Nos vero, ut prælati ſumus, ejus precibus annuentes, jufimus
am Dba ei
1960. Pr Sole
ei hoc preceptum auctoritatis noſtræ conferibi, & ut nunc per
futura tempora melius 'credatur, & firmius obfervetur, figilli no-
ftri impreflione infigniri fecimus, Unde volumus, & firmiter fta-
tuimus, ut idem Chor-Epifcopus in finem inftantis vitz, 'nullo
inquietante, vel contradicente, quod complacuit, feliciter pofli-
deat, & quod libet ordinabilicer faciat, Merkwürdige Worte!
deren fich vor unferm Arnulf Fein Herzog in Deutfchland zu ge
brauchen jemals getrauet hat, und aus denen der Herr von
Eckart Ce) den Schluß zieht , daß er fich eine ſchier Fönigliche Ge⸗
walt beygelegt, und was vorhin den Königen eigenthumlich ware,
die von Biſchoͤffen und’ Aebbten mit andern getroffene Ders
taufchungen ihrer Kirchenguͤter bekräftiger fomit gleich nach dem
Tode feines Herrn Vaters die höchfte Gewalt fogar über die
Biſchoͤffe erlanget habe, Es ift aber dieſe meichelbeckiſche Urkund
nicht Die einzige: es find deren gewiß noch mehrere in den Archi⸗
ven der baierifchen Bifchöffen vorhanden, wie ich denn felbft fo
glücklich gewefen bin eine derfelben in einem Taufch und Schan-
Eungsbuch, daß vom. Zahr 923. mit einer gleich alten Feder ge
fehrieben worden; einjufeben, die alfo lautet: Conplacitatio. in-
ter „.». Epifcopum, & .... , quandam nobilem mulierem,
In nomine fand & individux Trinitatis, Arnulfus divina fa-
vente Clementia Dux. Cognofcant omnes Chrifti fideles quali-
ter .... Epifcopus noftris rogationibus, aut mandatis obaudiens,
cum confilio fidelium ſuorum feilicet clericorum‘, & Jaicorum
quandam conplacitationem cum nobili foemina . ... , nominata in
prefentia miflorum noftrorum . . . . perägere decrevit. Tradi-
dit namque . , . nobilifima foemina &e. econtra . . . Epifcopus
cum manu advocati fui . .. per rogationem , & juffionem noftram
cum confilio ,.. . tradidit in manus predidte ,.. & advocati
fui . . . locum . + . acıper noftram igitur petitionem, atque juſ-
fonem, & ut res Ecclefix fublimat® augmentarentur iterum pre-
dictæ
Vorrechte Herzog Arnolfs won Baiern. 197
dictæ conplacitationis’tfaditio renovata eſt huiusmodi &c. & ut
‘eomplacitationis ejus traditio firmam in Dei’ nomine obtineat fta-
bilitatem, de annulo noftro figillari, & teftibus fubnotatis per
aurem attractis confirmari juffmus. Adtum primum ad. , . ann.
Dom. DCCCCVII. in Kal, April. & item ad... ann, Domini
DCCCCXXXIIII. Man vergleiche diefe beyden Urkunden eines
baierifchen Herzogs mit andern, die von Ludwig dein Kind find
ausgeferttiget worden, fo wird man fie in den mehreften Stuͤcken,
und im Hauptwefen mit ihnen ähnlich finden. Bey Herrn Meichelz
beck (d) find deren zwey zu lefen, deren Anfang gleichlautend ift.
In nomine &c. Hludowicus divina favente Clementia Rex. Der
Schluß der erſten iſt dieſer: Et ut hec auctoritas noſtra per cun-
cta labentis mundi curricula firmiori folidetur flabilitate, manu
noſtra fubter eum roborantes annulo noftro juflimus figillari. Die
zweyte endigt fich fo; Et ut hoc conceflionis noſtræ preceptum
‚Firmum atque ſtabile confiftat, manu'noftra illud firmavimus, &
-figillo noftro confignari juflimus, Aus diefen beyden Urkunden
‚des Herzogs Arnolfen, deren erftere bey Lebzeiten des Königs
Ludwig, die ziweyte aber nach "dent mit König Heinrich getroffe
nem Vergleich ausgefertiget worden, läßt fich nebft andern Vor⸗
vechten die höchfte Landshoheit, und eine nur nicht dem Namen
nor Eönigliche Gewalt ohne einigen Zwang fehlieffen.
* Commentar. de re Diplomatica Imperatorum Tom, I. cap. I. $. VIII.
Quis diplomata largiri poſſit ex $. III. intelligimus. Summa nimi-
xum poteſtate, aut certe ad ſummam proxime accedente, vel ho-
noraria eos præditos efle oportet, qui tabulas Diplomatum no-
5, mine dignas condere cupiunt.
6 Hiftor. Frifing. Tom. I. parte II. inſtrumentar. pag. 429.
—* Commentar. de rebus Francie Oriental. Tom. II, pag. 822. ſeq.
0 Draculfus commutationem bonorum . . . confirmari feeit ab Ar-
nulfo duce: qui füb juvene Rege in Bajoaria regiam fere aucto-
Bb3 ritatem
sitatem fibi attribuebat, nt littere ejus a Meichelbeckio produftz
probant. Has, quia primz funt, quas a dueibus in Germanıa hac
forma datas efle icio, integras adiicio . . » Regum hadtenus ubi⸗
que fuerat, confirınare commutationes bonorum ab Epifcopis, &
Abbatibus cum aliis initas. Arnulfus vero dux primus res Ec-
elefiafticas in Bajoaria difponendas accepit, ut inde nempe, Hun-
garis continuo irruentibus, cum opes regni non fuflicerent, fup-
plementum , & fubfidium defendende Patriæ neceflarium haberet,
Liberam eum de Epifcopatibus difponendis poteſtatem flatim poft
ebitum Luitboldi accepifle, Annalifta Saxo fub anno 907. tefta-
sur: ,, Luitbaldus, inquiens, Dux Bajoariz ab Ungaris ef in
» prelio occifus, & Bawarii multa cæde proftrati funt. Arnul-
„ fus Luwitbaldi filius in ducatu fuccefüt, vir animo, & corpore
„ fpeätabilis, qui omnes Epifcopatus Bawariz fua manu diftri-
„, buere folus omniun: Bavariz ducum fingnlarem accepit potefta-
„ tem. Diefe Annerfung des Herrn von Eckard wird in dent letz⸗
ten Aöfehnitte noch gute Dienfte tfun. In dem oben angezogenen Tauſch-⸗
Buch iſt oͤſters zu erfehen, daß bey folchen Verhandlungen die Gefandte +
oder Verordnete ded Herzog Arnolf zugegen geweſen find. In pr&fen-
tia, heißet ed, miflorum Arnulfi Ducis, Wiederum cap. 82. actum
Radzfponam in przfentia, atque licentia Arnulfi Ducis anno 93%
. %d) Hiftor, Frifing. Tom. I. pag. 151. feg.
$ 13.
Es wird hoffentlich Fein? allzugroße Ausfchweifung feyn,
wenn ich bey diefer Gelegenheit mit wenigen anmerke, Daß auch
Herzog Berthold, der Bruder unfers Arnolf, der nach Zeugniß
des Aventin (a) im Zahr 920. das Tyrollerland zu beherrfchen
uͤberkommen bat, fich eines gleihen Nechts öffentliche Urfunden
unter der naͤmlichen Geſtalt auszuftellen bedient habe, dergleichen
eine bey Herrn Meichelbeck (b) zu lefen, die allem Anfehen nach
annoch bey Lebzeiten des Herzog Arnolfen, und folglich von ihm
als Regenten in Tyrol (c) gefertiget worden, fie lautet alſo:
| - Per-
— —
Vorrechte Herzog Arnolfs don Baiern. 199
pertholdus divina favente Clementia Dux, Rudberto & Meroldo
noſtris fidelibus. Coguofcere vos —— quod dilectiſſimus
frater nofter Arnolphus una nobiſcum rogatu Wolframi venera-
bilis Epiſcopi in Friſingam, prædicti Epiſcopi Parochiam, ubi ſan-
ctus Corbinianus requieſeit, cum noftris fidelibus convenimus.
Ibique invietillimus frater nofter pro remedio anime ſuæ quas-
‚ dam res ejusdem Eeclefie quondam injufte obſtractas, cum- con-
filio fuorum fidelium relaxavit. Nos vero vite noſtræ felicita-
tem, omniumque noftrorum profperitatem prof„icientes, & con-
fultu jam dieti fratris noſtri exterorumque fidelium noftrorum
precibus prefati Epifcopi, omnisque ejus familie petitionibus an-
nuentes, proprietatem beatiſſimi Chrifti confelloris Corbiniani ad
Mayes, & Chorzes, quam liber ejus illius jure effe teftatur, &
prifeis temporibus injufte ab Ecclefia ejusdem ſancti ablatam efle
conftat, in requiem B, Dei genitricis Marie, & ante dieti con-
felloris Chrifti Corbiniani, in manus pr&feripti Epifcopi potefta-
tive remifimus. Quapropter precipiendo vobis jubemus, ut ficut
gratiam noftram habere velitis, predietas proprietates ad Mayes,
& Chorzes, & omnes res jure ad easdem pertinentes, fine ulla
mora absque ullo impedimento Nunciis predidi Epifcopi reprx-
fentare, & ejus fervituti fubjugare, poteftatique illius reftituere
non tardetis. Ut autem hæc autoritas noftri precepti, & lega-
tionis firmior, & ftabilior habeatur, & a vobis credatur, & di-
ligentius perficiatur, annuli noftri impreflione figillari juflimüs :
quia hoc preceptum noftrum firmum, & inviolabile eſſe volumus,
Aus diefer Urkund, die auch zu andern Gedanken, befonders aber
zur Bertheydigüng des Herzogs Arnolf Anlaß giebt, will ich nur
Diefes einzige ſchlieſſen: Daß das noch jetzo glorreicheft vegie-
vende Churhaus Baiern in ihren damal innegehabten Ländern
br hoͤchſte und den Koͤnigen gleichkommende Gewalt ausge—
aber, und in ihren Öffentlichen. Urkunden ſich nicht nur der
I.
naͤm⸗
200: ii P. Scholinners
naͤmlichen Schreib » fonder u: Seoichungsen der Sorlngen |
bedient habe.
Ka) Aventinus in annal, Schyrens. ad ann, 920. Berchtoldus — ejus
præficitur præfecturæ Venuſticæ. Nunc comitatus eft Tyrolis. Erat
ea tempeſtate Bojorum nomen latiſſimum, nam ab oriente Hun-
garia, meridie vero Italia terminabatur.
(b) Hiftor. Frifing, Tom, I. pag. 164.
(c) Diefes erhellet auch aus der Urfund des Königs Heinrich I. bey Meichel
beck Tom. I, pag. 163. darinn er einige im Tyrol gelegene, und nach
Freyſingen gehörige Güter dem dafigen Biſchof zuruck zu geben befiehlt ;
quz fita efle nofeuntur in pago Venufta in comitatn Bertholdi
an, 931. Wiewohl aber diefer König den Berthold nur einen Grafen
zu nennen feheint, fo wird er doc) in dem oben angezogenen geſchriebe⸗
nen Tauſch- und Schankungsbuch oͤfters Herzog genennt: als cap. 23.
Pertold Dux ann. 927. und cap. 37. heißet es: tradidit namque
prædictus ... in manus Epifeppi, & advocati ſui . . . proprie-
tatem fuam quam in loco . . . dicto traditione Arnulf ,. 8 Ber-
tholdi Ducum accepit .» . . poltea iftis teitibus reno vatum eft,
quorum nomina funt Pertholt Dux . . . aun. 928,
Vitus Arenpeck apud Bernard. Pez. Thefauri Tom. IH. P. UI. p · 141.
Da er eben von der Zuruckgabe dieſer in Tyrol gelegenen Guͤter an das
Hochſtift Freyſing handelt, erinnert zugleich, dag die beyden herzogli—
hen Brüder gemeinfchaftlich diefe Zuruckgabe befördert Haben: dadurch
auch meine obige Muthmaffung, daß dieje bey Lebzeiten des Herzogs
Arnolf geſchehen ſey, beftärfet wird. eine Worte find folgende: In- |
fuper Berchtoldus Dux, & frater ſuus rogatu Wolframi Epifeopi |
Frifingenfis proprieratem beatiffimi Chrifti confefloris Corbiniani |
ad Mayes, & Chorzes injufte ab Ecclefia ejusdem ſancti Ablatam
in manus pradıdti Epifcopi remiferunt, ; 4
|
§. 14 |
Den zweyten Beweis der Landshoheit des Herzogs Atz
* ziehe ich daher, weil man die Jahre ſeiner Regierung, ſo
wie
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 201
wie der König und Kaifern in Öffentlichen Urkunden anzufegen
pflegte. In der von ihm: an. 932. nach Dingolfing ausgefchties
benen Kirchenverfammlung der baierifchen Bifchöffen heißet es:
‚Arnulfi Ducisanno X. (a). Das öfters angezogene auf Pergament
geſchriebene Tauſchbuch fange fich alfo an: In nomine ſanctæ &
individuz Trinitatis:: Tempore igitur Arnulfi Ducis Bajowario-
rum &c. Gleihwie nun aus den beygefegten Regierungsjahren deg
Herzogs Thaßilo, wie ſolche Urkunden bey Meichelbeck (b) und
Bernhard’ Pe (c) häufig vorkommen, deſſelben Landshoheit er-
wieſen wird, fo wird ja eben diefe Anmerkung auch die Landes⸗
hoheit des Herzogs Arnolf beftärken; indem er ja in die Nechte
der agilolfingifchen Herzogen eingetvetten ift, oder vielmehr vie
unabhängige höchfte Gewalt durch die freye Wahl der Stan⸗
* erlangt hat.
(6) Manſi in notis ad Baronium, & —* ad ann. 2
’n Hiftor. Frifing. Tom. I. P. If. pag. 28. Num. VII. da heihet 8
=? * regnante Domno, & inluſtriſſimo Duei Thaſſiloni anno XII. igitur
j ' cum confenfw fvmmi Ducis Thaffilonis pag. 31. N. 12. cum con- _
un? Beet Principis noftri fummi Thafhlonis &,
#5
y: ( In Codice Diplomatico pag. 10, ſeq.
—
| S. 15.
a: |
en ar Den dritien und ſtaͤrkeſten Beweis, der dem Herzog Ar⸗
nolf zugeſtandenen Landshoheit koͤnnte ich freylich aus dem mit
König Heinrich getroffenen Vergleich herleiten, darinn ihm ſo⸗
gar die hoͤchſte Gewalt über Die Biſchoͤffe und ſammtliche Geiſt⸗
lichkeit zuerkennt worden: von welchen koͤniglichen und ihm eigen⸗
chumlichen Recht das mehrere, in dem letzten Abſchnitte vorkom⸗
men ſoll. Ich will jetzt nur die Worte, deren ſich Heinrich in
dieſem Vertrage nach Zeugniß des Aventin (a) bedient hat,
Be daraus gewiß: eine ——⸗ Landeshoheit ſehr
deut⸗
a in not P. Scholinners Ara
deutlich. hervor Teichtet. Er überfaffet ihm nämlich * nur WE
‚ganze Königreich Baiern in feinem ganzen damaligen Umfang,
-fondern auch die Gewalt über feine ganze Geiftlichkeit, Bifchöffe,
Praͤlaten, Pfarrer ꝛtc. einzufesen: Er foll alles ohne Ausnahm,
‚wie er bishero in Beſitz gehabt hat, noch ferners haben, wenn er
nur den eitten Eöniglichen Titel ablegen wollte. Nach diefer fehr
weitfchichtigen: Einraumung oder vielmehr Anerkänntniß der fchon
vorhin befeflenen Rechten, fragt er endlich den Herzog, was er
noch ferners verlangen Eönnte, daß er von der höchften landsherrli⸗
chen Gewalt abhängig zu feyn glaubte? Ich ſehe den Einwurf
vor, den die Heren Gegner hie einftreuen werden. Sie werden
fagen , diefe Worte feyen nie aus dem Munde des Königs Hein-
tich gefloffen : Aventin habe fie ihm nur angedichtet xc. Ich ger
fiehe es, es ift mir felbft nicht recht glaubwürdig , daß diefe
Worte grammatikaliſch, oder. dem Buchftaben nad), fo wie fie
Aventin herfeßt, Die eigentlichen Ausdrucfe des Königs getvefen
ſeyen: diefes aber getraue ich mir wohl zu behaupten, daß er
den Sinn und. die Meynung beyder fich mit einander verglei⸗
chenden Theilen getreulich mitgetheilet habe. Luitprand und
ſeine Nachſchreiber dichten dem Koͤnig Heinrich manche ungereimte
Verſe und Worte zu, und ſie kommen dennoch im Hauptwerk
uͤberein. Ich ſtelle mir das Weſentliche in dieſem Vergleich ſo
vor. Heinrich, der damal noch nicht von allen Deutſchen er⸗
waͤhlet war, und Arnolf waren gleiche Werber um die koͤnigliche
Krone. Heinrich, der ſeine Sachſen, die Franken, und die aus
Furcht ſich ergebene Schwaben für ſich hatte, wollte auch von
den Baiern fuͤr einen Koͤnig erkennt werden. Arnolf, den nicht
nur feine Baiern, ſondern auch einige Franken (N. 26.) auf den
Thron zu ſehen verlangten, ſtellte ſich ihm entgegen. Da —9—
ſchienen zwey muntere Kriegesheere. Ein zweifelhafter Sieg ſollte
der — den Ausſchlag Bun Heinrich will es nicht wagen,
und”
|
|
|
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 203
und uadet vielmeht feinen Mitbubler zu; einer verttauttchen Untet
redung ein. Arnolf glaubt, es komme auf. einen Zweykampf an,
und. erfheint in voler Rüſtung Der, unbewafnete. Deintich
nimmt feine ganze Wohlredenheit zufammen ;, Erftellt feinem Geg⸗
ner: mit fhmeichelhaften Worten, animum ejus demulciens , vor,
wie en bereits von. dem mehren Theil ſey erwählet worden: es
fcheine diefes die Anordnung GOttes zu feyn, welcher er ja nicht
widerſtehen, fondern fo vielem Chriſtenblut ſchonen follte: wenn
es GOtt gefuͤgt hätte, daß er (Arnolf) von dem ganzen Volk zum
König wäre erwählt worden, fo würde er der. erſte geweſen feyn,
der ihn Dafür ausgerufen und erkannt hätte. Der gute Arnolf läßt
ſich bereden, und nad) eingeholten. Gutachten feiner Stände ver-
fieht er fich mit feinem Gegner, daß er den königlichen Titel fahren
kaffen, ihn auch) in feinem Name zum König erwählen, und fein
Bundsgenoffe feys wolle; (amicus regis appellatus eft) wenn
ihm. nur die höchfte Gewalt, fo wie er. fie bishero befeffen, frey
bliebe, und ihm auch die Biſchoͤffe einſetzen zu Dörfen zugeftan-
den würde. Heinrich, der nun die Fönigliche Kron auf feinem
Haupt ruhig ſchimmern fahe, war mit diefem Vergleich gar wohl
zu frieden; ergeht alle Bedingungen ein, umd lebt fernerhin in bes
ften Bernehmen mit feinen Allirten, von dem er auch getreuen Bey⸗
fand, befonders wider die Böhmen erfahren hat. Nichts ift nas
tuͤrlicher als diefe Vorftellung, die auch mit dem. oben (N, 29.)
‚angeführten Geſchichtſchreibern im. Hauptwerk genau überein
fimmt: daß man alfo das Zeugniß des Aventin wenigft in die-
fer Stelle unter die Fablen zu rechnen Feinen zureichenden Grund
bat. Hiezu kommt noch die Anmerkung eines ungenannten fäch-
ſiſchen Geſchichtſchreibers (b) , der nachdem ex diefen zwiſchen Her
zog Arnolf und König Heinrich errichteten Vertrag erzehlet hatte,
ſogleich hinzufest, daß aus diefem Grund die Herzogen in Baiern
noch bis auf feine Zeit um das Bahr 1235, den Zürften, das: iſt
—5* Ce 2 den
u OT TPR SHE it
den Biſchoͤffen cae Landes befehlen, bey Hofe und auf den
Landtaͤgen zu erſcheinen. Es iſt auch nicht zu vergeſſen / daß, de
Herzog Arnolf mit feinem Rriegsheer in Waͤlſchland gezogen wary
die ihm angettagene koͤnigliche Krone zu empfangen, Adalbert Erz⸗
biſchof von Salzburg ihm die ordentliche Heersfolge geleiſtet ha⸗
be (c) , welches alles — eine Se zu fogar wer de kr i
ſchoͤffe erweißt. ve!
(a) Aventinus V.; 22, "Non fölumı Bajoarie Rank (fagt Ring Hein
rich zu Arnolf) utpote Nariscos, Alemannos, Chambavos, 'Boethos
Diflos, Marcomannos, Vindelicos Noricos, Auſtriacos, Tyrol⸗
Uos, Athefinos, Verohas,' Styrios , Tarinthios, Venetos, Panno-
nios, tibi, ficuti poflides, permitto, verum facrarum zdium quo- _
que, opum Ecclefiafticarum , Epifeoporum, facerdotum, Myfta-
‚ #„zum,. Monachorum , antifitum omnium curatorem te eſſe jubeo,
& Patronum, IIlos tibi in clientales dico, modo nomen. inutile
regis abdicato, cuncta alia tibi habeto: quid nunc aliud tibi vis,
quod tibi poflit J füpremam territorũ tui poteſtatem deeſſe en
(b) Anonymus Saxo in hiftoria en apud. Mencke Tom. III.
feriptor. pag. 74. Inftitutiones ‚Epifcopatuum Bavariæ optinuit, &
_ de cetero Dux Epifcopatus Bawarie porrexit. Ex hoc igitur Dux
Bawarie prineipibus terre fue imperat & eisdem ad curiam ſuam
venire demandat· " | J
(c) Chron. Salisburg. Pezianum ad an. 935- Volbertus Salzburgenfis de.
invafione Italiæ rediens obütt. P. Hanfıtz fagt: Tom. II. Germ,
ſaeræ pag. 146. ‚Ducis militiam fecutus eft, welches et aus mis,
Wonten fötfl. in
5. 16. l
Ich will endlich die uͤbrigen Gruͤnde, die die von —*
—** ausgeuͤbte Landeshoheit erweiſen ſollen, kurz zuſamm faſ⸗
fen.‘ Das Kriegsrecht hat er nicht nur wider die Hunnen (N. 23.
not, i) wider die Boͤhmen @ und in Waͤlſchland, darinn er die:
Ion»
Morrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 205
longobardiſche Krone zu empfangen von einigen eingeladen wor⸗
den war (b), fondern auch wider die Könige Konrad, und Heinrich
mit Nachdruck behauptet, wie ich in dem ganzen zweyten Abs
Schnitt angemerkt habe. Kriege zu führen, mußte ex nothivendig
Soldaten anwerben (ce), er befeftigte auch zu diefem Ende feine
‚Refidenzftadt Negensburg (d), er fchloffe mit den Hunnen auch
ohne Wiſſen des Königs einen einfeitigen Frieden (e); nichts zu
melden von feiner übrigen richterlichen und landesherrlichen Obere
gewalt, die er in Bekräftigung der zwifchen Bifchöffen und an
dern getroffenen PBertaufchungen, und Beydruckung feines Sie⸗
gels (N. 22.) in anbefohlener Zuruckgabe, der den Kirchen entzos
genen Güter (N, 23.) (f) ausnehmend an Tage gelegt hat, wel-
ches aber noch deutlicher erhellen wird, wann ich ſogleich die
Vorrechte, die ihm beſonders eigen waren / unterſuchen werde.
6)2 Vitus Arenpeck i in Chron. III. 19. ad an. 921. Arnoldus Dux Bi
joarie in Bohemiam cum exereitu vadit. Chron. Salisb. an. 923.
Arnoldus Dux eum exercitu in Bohemiam vadit.
Steindel in Chron. ad an. 929. apud Oefele Tom. I. feriptor.
Bojocor. pag. 457. ‚Henricus Rex & Arnoldus Dux Bav. Boe-
mos vincunt,
(b) Steindel loc, cit. ad an. 927. Arnoldus Dux Bavariz ab exulibus
Italis faftiofis contra Hugonem Regem cum exercitu copiofo eft
13: vocatus, quem Veronenfes primi Regem Italiæ appellatum intra
‚I. meenia acceperunt &c. videatur Pfefinger ad Vitriar. Tom. Il. p«
Bei; 413. & P. Candler in Arnulpho male malo feet. II. pag. ı1.
| fe) Luitprandus Lib. II. 7. Rex Henricus quum Arnoldum folum refi-
Im ftere cerneret, pervalido collefto exercitu in Bajoariam tendit:
4 quod Arnoldus, ut audivit, ejus non eſt paſſus in Bajoaria præ-
| —* ſtolari adventum, verum collectis quibus valuit copüs, huic ob-
| dviam properat. Cupierat fane & ipfe Rex fieri &c. .
| X Arnolfus Monachus S. Emmerani Lib. I. cap. 7. Poftquum Me-
nalſterium beatiflimi Martyris Emmerami, quod prius extra fue-
Cc3 rat, ,
v3 er
- Jr
wi Ei ww *
fus Dux inter optimates opere diviſo cito conſtruxerat, ſub Rege
Henrico. Vid, etiam Maufoleum- 5 Enmerami oe ‚nova Pag.
121. & 217. * an '
(e) Breve Chron. Ratisbon. apud Oefele Tom. J. Pag. 696. Ann: ger
Arnulfus & Hungarü pacificati.
M Aventinus Lib. IV. cap. 22. $. 15. hoc confilio (Dingolfingano)
Arnulphus prædiorum Ecclefiafticorum, que Ugri depopulati fue-
rant ab aliisque occupabantur, ufus fruftus facerdotibns, mona-
chis reftituit, templa, facras ædes refiei, inftaurari juſſit. Majas |
& Caninas, item vicos, vineas, aliaque prædia prope Tyrolios
‘in Vennonnm Athefisque valle, qua adhuc ibi myſtæ Fruxines-
fes poflident, Wolframo reddidit, .
na
. Ir
In diefem dritten Abſchnitt hoffe ich erwieſen w haben, |
daß die deutſchen Hauptvoͤlker nach gänzlich erloſchenen deutfch-
karolingiſchen Mannesftamme ihr voriges Wahlrecht wieder here
vorgeſucht, und jedes derfelben einen befondern Regenten aufge
ſtellt, auch ihm die Landeshoheit, wiewohl vieleicht mit einiger
Einſchraͤnkung (N. 32.) zugeftanden haben (N. 21-33.) Sie haͤt⸗
ten diefen ihren Landesfürften eben forohl, wie die Sachſen und
Franken den Föniglihen Titel beylegen Eönnen (N. 3.) wann fie
es für gut befunden hätten: doch ſie waren im Anfang zu frieden,
daß jedes Volk für fich frey, und von aller auswärtigen Macht
unabhängig waren (Num. 6.) Diefe Herzoge beherrfihten ihre
Staaten mit einer völligen Landeshoheit, eben fo (N. 6-9.)
wie es don den Franken und Sachſen die Heren Gegner felbften
nicht laͤugnen (N.4.) Sie übten das Kriegs -und Friedenrecht
in vollee Maafe aus (N. 7-9) und verfochten ihre Freyheit ges
rat, eoepit. effe.i intra muros ea civitatis,, quos Arnul-
‚gen die Herrfchfucht der Franken und Sacfen, oder übrige Feine
De mit ganzen Kriegsheeren (N. 8.) und Buͤndniſſen mit auswaͤr⸗
tigen
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 307
tigen Königen (8.) Sie waren allerdings befugt bey diefer ih⸗
"rer Unabhängigkeit zu verbleiben, weu . fie nicht beforgt hätten,
daß jedes einzelne Volk nach dem andern leichtlich möchte aufge
tieben werden. Sie faßten derowegen die weiſe Entfchlieffung
ſich mit einander enger zu verbinden, und Otto den Großen zum
König über ganz Deutſchland zu erwählen: bey welcher Wahl
und Krönung aud) die erften Spuren der Erzämter des deutfchen
Reichs vorkommen (N. 10.) Was den Herzog Arnolf insbefondere
beteift, habe ich feine fowohl vor als nach dem mit Heinrich ges
troffenen Vergleich von ihm ausgeuͤbte hoͤchſte Landesherrlichkeit
got aus dem erwiefen, erftlich Daß er ſowohl als fein
et Berthold (N. 12.) offentliche Urkunden, auf die nämliche
Weiſe, wie die Karlinger ausgefertiget, und die Vertauſchungen
der Geiftlichen und Kirchenguͤter bekräftigt, und mit feinem Sie
gel beftärkt hat.(N, 11.) Daß man zweptens in diefen und an⸗
dern Urkunden feine und nicht des König Heinrichs Regierungs⸗
jahre ſo wie aud) unter dem Herzog Taßilo befchehen,, anges
feßet (N. 13.) Daß er drittens in dem bewußten Vergleich
nach abgelegten Eöniglichen Titel eine ganz uneingefchränkte und
hoͤchſte Landesgewalt, fogar über die Bifchöffe fih namentlich
vorbehalten und ausgedungen hat (N. 14.) Daß er endlich eis
genmaͤchtige Kriege geführt, Feſtungen angelegt, einfeitig Friede
geihlofien, mit einem Wort alles, was zur hoͤchſten Landes-
herrlichkeit gehörig, vor den Augen der ganzen Welt ausgeübt
1 15.)
Ö | Vierter
208 a ar PP Scholinners en
Vierter Abſchnitt.
Welches waren die Vorrechte, die dem hahos
Arnolf beſonders eigen gewefen? -
| Gi —
Sr: komme ich zum Hauptzweck diefer Abhandlung, dem auch
vermuthlich die hurbaterifche Akademie. meifteneheils entges
gen gefehen hat: Nämlich zur Unterfuchung derjenigen Vorrech⸗
te, die dem Herzog Arnolf eigenthumtich waren. Ich hab zwar
deren einige ſchon in dem dritten Abfchnitte berührt, von denen
ic) dennoch bie, als am ihren eigentlichen Ort nochmals Mel
dung thun muß. Das vortreflichfte aus alfen, das den erften
Platz verdient, und das mit ihm Fein anderer Herzog in Deutſch⸗
land damal gemein hatte, war wohl die Fönigliche Gewalt, jus Re. |
gium Ducum Bavarie, welches diefer große Herzog den Namen nach, 1
und in der That auch in geiftlihen Dingen, und über geiftliche
Perfonen, fogar über die Biſchoͤffe von Rechtswegen ausgeübt
bat. Er har erfilich nicht nur offentliche Urkunden, und zwar
unter der feyerlichften Formel divmma favente Clementia Dux, ders
gleichen vor ihm Fein andere deutfcher Herzog fi ch jemals bedient
hat, ausgefertige, fondern auch die von baierifhen Bifchöffen
und Prelaten mit andern getroffene Vertauſchungen mit feinem
Siegel befräftiget, das damal auch nur den Königen eigenthums |
fih war (N. 11) Es ift auch als etwas befonders anzumerken, wie
es auch der würzburgifche Gefehichtfehreiber Herr von Eckard
(N. 11.) anruͤhmt, daß der Herzog Arnolf gleich nach dem Tod |
ſeines Herrn Vaters bey Lebzeiten des letzten Karlingerkoͤnigs,
und lang vor dem mit Heinrich dem Vogler errichteten Vertrag
dieſes Vorrecht ohne einige Widerrede, weder des dawal noch
——6. min⸗
er:
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 209
Minderjährigen Königs noch feiner Reichsverweſern ausgeübt habe,
Bey nahe eines gleichen Rechts bediente fich deffen Herr Bruder
der Herzog Berchtold damaliger Regent in Tyrol (N. 13.) fo,
daß ich mit guten Grund den Schluß daraus ziehen darf, daß
bis anjego glorreicheft vegievende Churhaus Baiern habe fchon
damal vor andern hohen Haͤuſern vieles zum Voraus ge
2
et Der Name des dem durchleuchtigſten Churhaus Yaiern
zulommenden Eöniglichen Rechts (jus regium) ſcheinet vielen Uner⸗
fahrnen etwas neues, und eine ſchmeichelhafte Erdichtung zu ſeyn,
die ich jetzt eines andern belehren, und aus Altern gewiß unpats
theyifchen Geſchichtſchreibern das Widerſpiel erweiſen will. Denn
nichts zu melden von den koͤniglich⸗ agilolfingiſchen Rechten, in
wel es Herzog Arnolf ruckfaͤllig (poftliminio) eingetretten; nichts
| dem, daß nach Verſtoſſung des Herzogs Thaßilo die baieri⸗
ſchen Lande von den Karlingern unter dem Namen eines befons
dern Königreichs beherrfcht worden; nichts von dem echt der
baierifchen Stände, die als ein nach Abgang der deutſchen Kar⸗
finger unabhängiges Volk allerdings befugt waren, ihren erwähls
ten Regenten eben fo, wie die Franken und Sachfen den koͤniglichen
Ditel nebſt der Krone beyzulegen: nichts von dem Aventin, der
ausdrucklich meldet, Arnolf waͤre nach dem Tod des Koͤnigs Lud⸗
4 ig von den baierifchen Ständen wirklich zum König erwaͤhlt
wvorden (N. 12.) Nichts von dem Herzog Arnolf felbft, der noch
\ bey Lebzeiten des Königs Ludwig in einer offentlichen Urkund fein
Land ein Königreich nennt, und den Biſchoͤffen, Grafen und Fürs
ſten ſeines Reichs Befehle ertheilt (omnibus Epiſcopis, Comitibus
‚Re :gui huius Principibus (N. 12.) nichts von Coſmas von Prag,
| der den Herzog Arnoif auch nach feinem Tod mit dem Name eis
| ne Fan beehret (36, not.) rd fage ich von allen dies
| fen
ꝛi10 22 21.17) 1111177 SE
fen und andern zu melden, fo will ich mich nur Auf einige ſaͤch⸗
ſiſche und baierifche, dem Herzog Arnolf gar nicht geneigte, Ges
Schichtfchreiber beziehen, und daraus den Name des koͤniglich⸗
baierifchen Rechts erweifen. Wirichind (a) und fein Nachſchrei⸗
ber der ſaͤchſiſche Annaliſt (b), da ſie den Vergleich mit Koͤnig
Heinrichen erzehlen, melden, er haͤtte ſich dieſem nach abgelegten
koͤniglichen Titel mit ſeinem ganzen Reich freywillig ergeben;
der H. Kaifer Heinrich hat annoch im Jahr 1002. eben diefes
Land das Herzogehum des baieriſchen Reichs Bavarii Regni
ducatum genennt (N. 14.not.) So ift denn auch nad) abge
legten Föniglichen Titel dennoch) das Königliche Recht bey dem
Herzogthum Daiern verblieben. |
(a) Witichindus Lib. J. pag. m. 9. tradito femet ipfo cum om regno
fuo.
(b) Annalifta Saxo ad ann, 920. pag. m. 245. tradidit cum omni re-
gno fuo.
S. 3.
Nun auf die einheimifchen Gefchichtfehreiber zu We, |
und aus ihnen etwas mit Grund zu erweifen, muß ich zum
Voraus den Entwurf der Partheylichfeit ableinen. Der Zeuge,
den ich anführe ift ein ungenannter Mönd) von Tegernfee, den
Herr P. Per (a) in das Zehende: Herr P. Candler (b) aber in
ein fpäteres Zahrhundert zuruck fegt, darum ich mich jest nicht |
bekuͤmmere. Diefer ungenannte der vieleicht der erfte ift, der die
Fabel von dem unglücktichen Tod des Herzogs Arnolf, und den
ihm beygelegten Namen des Höfen wo nicht erdichtet, doch ſchrift⸗ |
lich hinterlaffen hat, und dem hinnach andere tegernſeenſiſ. Möns |
che, als Metellus (ec), und der Verfaſſer der tegernfeenfif. Chro⸗
nik ( nachgelaͤrmt haben; dieſer ungenannte fage ich, der auf
den Herzog Arnolf gar nicht gut zu ſprechen, und folglich von |
allem
\
{
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. ⸗1
allem Verdacht einer Schmeicheley befteyt it, ſchreibt dannoch
ohne Bedenken (e) die baieriſchen Stände ſeyen von eigenen Herz
zogen bis auf den Thaßilo alſo beherrſcht worden, daß fie Feine
m +
L ——
andere Könige erkennt hätten? Garibald ſeye von Paulus dem
Diacon ein Koͤnig genennt worden, und feine Nachfolger beſaͤſ⸗
fen bis auf den heutigen Tage, bis in das eilfte Jahrhundert,
ganz allein die Eöniglichen Rechte, nur die Krone ausgenommen;
fie Hätten immer. für diefe ihren Rechte geeiferet, und andere zu
geſchweigen, befonders Thaßilo wider den Pippin, und Arnolf
wider Heinrich Diefelben verfochten, welches koͤnigliche von als
ser hergebrachte Recht, auch diefer Heinrich ihm (den Arnolf)
in dem getroffenen Vergleich, zugeftanden hätte, Die übrigen
innländifche- Geſchichtſchreiber, die von diefem alten Recht Meks
dung thun, follen gleich unten vorkommen. |
* Bernb. ‚Pez. Theſaur. anecdot. noviſſ. Tom. III. diſſert. nen rn
partem III. pag. XXV. num, 2.
2 —* p. Agnellus Candler in Arnulfo male malo ſect. III. p· 26. 0. 12.
(ce) Apud Candler loc. cit. n. 13.
" (4) Ibidem pag. 3. n. 14.
(e Apud Pez. Tom, III. part. III. coll. 494. Norici, cum multo fan-
guine vincunt (Romanos apud Puren) ficque cum proprüs duci-
0. bus’usque ad Thaffilonem alios reges non norunt, & exiit ex
— eis radix ſancta Theodelinda, quæ regem Longobardorum (Fla-
xium Antheri) accipiens maritum, convertit per maritum Lon-
9 gobardos, & ab eis Romam ſervavit, cui S. Gregorius librum
Dialogorum ſeripſit, & mifit pro munere.
Ru Hojus Pater (Garibaldus Norieorum Rex feribitur , cujus Succeffores
| be nsque hodie (ad fzculum XI.) Regni habent jura, prater coronam
|
eo. . Hinc eft, quod juxta chronicos Thefilo, & Arnoldus ut
WR ige ceteris taceam, Theflilo contsa Pipinum » Arnoldus contra
“0 © primum Henrieum regnare fibi certabant . . . Poft hunc (Arnul-
>. fum Imp,) pater Arnoldi Ducis füfcepit ducatum , poft quem Ar-
Dd2 nol-
-212
naoldum, cui ut in ei Hönsiehe pro pw Bein
terræ fuz & Abbatias Regio jure * antiguum ag
u DEN 6. 4. 9 * u sul 4
"Nachdem ich jetzo erwieſen habe, daß der Name dieſes
koͤniglichen Rechts nicht erſt vorgeſtern erdichtet, ſondern in alten
und unpartheviſchen Geſchichtſchreibern beſtens gegruͤndet ſeye,
komme ich auf das weſentliche deſſelben. Wenn man unter dieſem
koͤniglichen Recht, die einem hoͤchſten Landesregenten, Y — 5*
Oberherrn über ſich erkennet, beykommende Majeſtaͤtsre
ſtehet, ſo war dieſes den deutſchen Herzogen nach Abgang der J
Karlinger, und bevor fie ſich mit einander unter einem Oberhaupt
etwas engers verbunden, und die Geftalt des heutigen Deutſch⸗
landes gebildet haben, ein gemeines Necht, daß jeder vermög feis f
ner unabhängigen Landeshoheit inner feinen Gränzen auszuüben
befugt war: in fofeen man es aber auf einer andern Seite ber .
trachtet, und darunter gewiffe Freyheiten verfteht, die ſich fonft
die erwaͤhlte Könige oder Kaifer, auch in den Ländern der Stäns
den vorbehalten haben, fo ift gewiß, daß in den damaligen Zeiten
kein einiger Herzog in Deutfchland geweſen, der diefes Füniglis
he echt, fo wie der Herzog Arnolf ausgeübt habe. Es ift eine
ausgemachte Sache, daß das Necht der erledigten Kirche Biſchoͤf⸗
fe zu geben, die Perfonen dazu zu ernennen, oder von einem Biſt⸗
tyum in ein anders zu verfegen, welches die Franzofen noch
heutigen Tages das jus regaliæ nennen, die Karlinger fowohl, als
‚die nachmaligen deutfchen Kaifer bis auf den Vertrag mit Papſt |
Calixt dem Zweyten ſich vorbehalten, und ausgeübt haben. Ich
Tann diefes durch einige im achten Jahrhundert unter den Kara '
lingern gefchriebene Formeln, die id) aus einem Archiv eines
„baierifchen Hochſtifts am Ende diefer Abhandlung beylegen wer⸗
de, beweiſen; daraus Deutlich gu erfehen it, daß die Biſchoͤffe
und
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 213
F Praͤlaten nicht durch eine freye Wahl, außer in dem Fall
es befondern Freyheitsbriefe, dergleichen einen das Hochſtift
Freyfing aufweiſen kann (a), fondern von den damaligen Köniz:
* zur Regierung ihrer Kirche gelangt ſind. Ich will hier nur
den Ditmar Biſchof zu Merſeburg (b) anführen, der ausdruck⸗
lich bezeugt,/ daß bis auf feine Zeiten die Könige und Kaiſer alleine
Recht gehabt haben die Bifchöffe zu ernennen, und der daraus
p den Schluß macht, daß eben dieſes den Herzog Arnolf zugeſtan⸗
dene Recht ganz ein beſonders und außerordentliches geweſen ſeye.
ingularem habuit poteſtatem. Veit Arnpeck (c) ſchreibt gleiche
Is ‚daß damal und aus alter Gewohnheit die Präfäten ihre
en und Kirchen von den Königen oder Raifern empfangen has
den, es ift aber auch nicht minder gewiß, daß diefes befondere
Vorrecht dem Herzog Arnolfen zuſtaͤndig geweſen: denn dies
ſes bezeugen nicht nur die oben (N. 29.) angezogenen Geſchicht⸗
ſchreiber, da fie von dem zwiſchen Arnolf und Heinrichen getroffe—
nen Vergleich reden, ſondern auch die eben erwehnten Ditmar
und Arnpeck, und kann gewiß von * eg in *
fel gezogen werden. —
— Meichelbech hiftor, Frifing. Tom. er p- 1. A, 152.
| #1 (b) Ditmarus Merfeburg. Lib. I. p. 329. Eo tempore, quo fupra *
moratus Rex maxime vigebat, fuit in Bavaria quidam Dux Ar-
is. aulfus nomine pr=dives in mente pariter, & corpore, qui omnes
si: J Epilcopatus in his partibus ‚conftitutos fua diftribuere mann fin-
” . ‚gularem habuit poteftatem: fed cum hic poft varios virtutum fua-
3 rum ornatus vitam hanc finiffet, fucceflorum fuorum nulli tantum
| teliquit honorem, quin potius Reges noftri, & imperatores, fum-
I mi retoris Vice in hac peregrinatione pr&pofiti, hoc foli ordi-
0 nant, meritoque præ ceteris paftoribus fuis prefunt: quia incon-
1% tn gruum ‚nimis eft, ut hi, quos Chriftus ſui memores huius terra
10° pkicipes confikuit,,, (ab aliquo ſint dominio , absque eorum qui
BE: Dd3 exem-
. 214 ai A: © PP. Scholinners — Bonlere er
aha Domini ea & eoronz. Re came
&os præcellunt. ni
6 Arnpeck apud Bernard. Pezium Tom. ii. 2 p. IM. « coll 12»
qui (Arnulfus) de confenfu fuorum ele&tioni Henrici affen,
tamen conditione, ut ei feudum omnium _Epifcoporum —
ret, feilicet, ut totius Bavariz Pontifices ſuæ poteftati fübjacerent,
uno quoque defundto alterum ordinare, feu eligere liceret. Tune
enim ut antiguo more, Epifcopi fuas — ab Iupera eratore,
vel Rege recipiebant. —J
en S, * | MR Ar
Es entſtehet aber hie eine neue — uͤber die noc wird,
tich geftritten wird, ob diefes Recht die baierifchen Prälaten zu
ernennen, ein neues dem Herzog Arnolf in dem bemußten Ber
gleich von Heinrich erft abgetrettenes, feiner Perſon allein eige⸗
nes, oder auch auf feine Erben fortzupflanzendes Recht geweſen
fey? Diejenigen, die davor halten, Arnolf habe es allererft, und
nur für feine Perfon allein durch einen foͤrmlichen Rertrag er⸗
halten, gruͤnden ſich auf den Luitprand (Num. 29.) und den
erſt angezogenen Ditmar ‚don pn ’ deren. ‚der. erſte
EEE
geben, doch) aber das Recht die Praͤlaten in feinem Land zu ders |
ordnen, daß feine Vorfahrer nicht gehabt haben, (quod pr=de-
ceffores non häbuere tui) fi) von dem König Heinrich ausdin⸗
gen ſollte. Der zweyte aber bezeugt, daß dieſes ein ganz beſon⸗
dere Gewalt fingularis poteſtas geweſen ſey, und die er keinem
feiner. Nachfolger hinterlaffen habe. Succeflorum fuorum nulli
tantum reliquit honorem. Doc. mir feheint die gegentheilige
Meynung glaubwürdiger und beffer gegründet zw feyn.- Denn‘
was hat Luitprand unter dem Wort Vorfahrer verftanden ?}
entweder die unmittelbaren, als da war fein Herr Vater oder)
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. ꝛr⸗
die karlingiſchen Koͤnige, oder die nach Verſtoſſung des Thaßilo
von Karl dem Großen aufgeſtellten Grafen, oder aber die mit⸗
telbaren Vorfahrer, naͤmlich die agilolfingiſchen Herzoge? Hat er
ſeinen Herrn Vater Luitpold, und die baieriſchen Grafen unter
der Regierung der Rarlinger verftanden, fo kann ich wohl zuge
ben, daß fie diefes Necht nicht gehabt haben, weil fie einer mehr
teren Einfehränfung unterworfen gemwefen: ich laͤugne aber als»
—* daß Arnolf in die Fußſtapfen dieſer Grafen eingetretten,
d ihnen nur allein in ihren geftimmelten Rechten nachgefolgt
| Er ift wohl feinem Heren Vater in der Negierung gefolgt;
| —* aber aus Mangel aͤltern Urkunden nicht genugſam, worinn
die Gewalt dieſes Luitpolds unter den Karlingern eigentlich be
"fanden babe? Nur fo viel weis man zuverläßig, daß die hoͤch⸗
Gewalt damal bey den karlingiſchen Koͤnigen gehaftet, und
58* das Herzogthum Baiern nach Zeugniß des Arnpeck
G. 13.) von ihnen zu Lehen empfangen habe. Von den Kar⸗
fingen kann das Wort Vorfahrer unmöglich verftanden wer⸗
den, denn es liegt am hellen Tage, daß fie die Biſchofthuͤmer
eigenmächtig vergeben haben (N. 56.) Es koͤnnen es aber auch
‚gie 4 ilolfinger nicht ſeyn, denn es hat der neueſte ſogenannte
Bi. L. P. Wiſſe (a) genugfam erwiefen, daß ihnen un
33 zugeftanden, und von ihnen ausgeuͤbet worden fey. Es
alſo die Worte des Luitprands folgenden Sinn: Herzog
olf möchte zwar den koͤniglichen Titel ablegen, dem Heinrich
feine Wahlſtimme geben, ſich aber das Recht uͤber die Biſchoͤffe
und Praͤlaten, das weder fein Herr Vater noch die vorigen Her⸗
j0 ge oder Grafen unter den Karlingern, wohl aber die Agitolfins
ger vor Karl dem Großen hatten, rucffällig (poftliminio) vorbes
halten, und unter dieſer ausdrücklichen Bedingung den Vergleich
eingehen. Das Zeugniß des Ditmar, daß Arnolf Eeinem feiner
Nachfolge diefe Ehre des koͤniglichen Rechts, die. Bifchöffe zu⸗
fegen,
FE cScholinuers
ſetzen, Re habe, erweißt meines Dunkens * mehrer,
als daß Die nachfolgenden) Regeuten in Baiern de fadio ſolches
nicht ausgeuͤbet haben, ob ſie ſchon vieleicht ‚de jure ſolches als
ein Erbrecht hätten ausüben koͤnnen. Auch die nachfolgen
Worte des Ditmar, daß vielmehr die Koͤnige und Kaiſer alleine
diefes Recht verwalten, auf Die fi) der fogenanute Herr Wiſſe
ſteifet, um Die Meynung des Herrn Verfaffers ‚des vertheydigten
Juris regü umzuftoffen, beweifen nichts. anders, als daß fie ihnen
Diefes Recht fo wie in andern ‚Ländern der deutſchen Ständen,
alfo auch) in Baiern nad) dem Tod des Herzogs Arnulf.de facto
zugeeignet haben. - Es ift befannt, daß die arnulfifchen Prinzen
von dem Kaifer Otto I. von der Erbfolge in dem Herzogthum
Baiern ausgefchloffen, und darinn erfilich Berthold ein Bruder!
des Herzogs Arnulf, nachhin aber fächfifche und andere Prinzen
aufgeftellt worden. Ich will jest die Billichkeit dieſes Verfah⸗
rens nicht unterſuchen: Dieſes ſcheint mir aber richtig zu ſeyn,
daß man daraus keinen Schluß ziehen koͤnne, als waͤre dieſes
koͤnigliche Recht nicht erblich geweſen, und auf die Söhne des
Arnulfs nicht de jure fortgepflanzet worden, obwohl die nachfol⸗
genden Kaiſere ihnen ſelbes de falio zugeeignet haben. Geſetzt
auch dieſe ungluͤcklichen Prinzen waͤren wegen einiger Wider⸗
ſpenſtigkeit von der vaͤterlichen Erbfolge rechtmäßig ausgeſchloſſen
worden, ſo haͤtten doch die unſchuldigen baieriſchen Landſtaͤnde
nach dieſer einſtweiligen burgerlichen Erloͤſchung des arnuffifchen
Stammens, ‚ihres freyen Wahlrechts (N. 12. 13.) das ihne
auch Kaifes Heinrich der H. annoch im Jahr 1co2. zuerkennt
hat, (N. 14.) nicht follen beraubt werden. Hat nun Dtto der das
malige König fich nicht gefiheuet, das offenbare Recht der bai
riſchen Ständen zu verlegen, wem foll es wundern, wenn et
“auch diefes koͤnigliche Recht auf eine Zeitlang. unterdruckt, und|
ſich ſelbſt zugeeignet hat? Es mag auch vieleicht dieſer Otte
ge⸗
er
j
| Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 217
| ‚geglaubet haben, er koͤnnte das durch das Kriegsrecht, jure, an
| — ſeine Gewalt gebrachte Baierland nach ſeinem Duͤn⸗
kel verwalten, und felbiges einem Ausländer mit einigen ihm bes
liebigen Bedingungen, und Vorbehalt des koͤniglichen Rechts zu
Lehen verleyhen : aus dem folgt aber noch keineswegs, daß die
anfänglich ausgefihloffenen, und nachhin in gerader Linie abſtam⸗
mende arnulfifchen Erben, nach ihrer abermaligen Selangung zu
ihrer väterlichen Erbſchaft, ſich diefes entzogenen Rechts hätten
| — muͤſſen: wenn nicht ſchon vorhin das bewußte Cancor-
dat zwifchen dem Papft und dem deutfchen Neich errichtet ‚ und
den Kirchen die freye Wahl zugeftanden worden wäre. Es kann
alfo aus diefen Worten des Ditmar mehrers nicht gefchloffen
werden, als daß die fremden Nachfolger in dem. baierifchen Herz
zogthum diefes dem arnulfiſchen Geblüt allein zugefommene Recht
nicht am fich gebracht haben, die ächten Nachfolger aber bis auf
die Zeiten des Concordats defjelben nur de falto beraubt gewe-
fen feyen.
6a) In dem neulich herausgegebenen Beweis der Landshoheit derer Her
zogen in Baiern über die baierifchen Biſchoͤffe ꝛc. $ V.
S. 6.
. Nach gehobenem diefen Einwurf, und beantworteten ges
| eitigen Gründen, will ich auch bejaent erweifen, daß diefeg
—* igliche Recht kein neues, und von dem Koͤnig Heinrich zuerſt uͤber⸗
lſſenes, ſonder ein altes, und den arnulfiſchen Prinzen wenigft
de jure zukommendes Erbrecht gewefen fey. Daß Herzog Arnoıf
iefes Recht nicht urfprünglich von Heinrich dem Vogler im
‚Sabre 920. fondern gleich bey dem Antritte feiner Regierung über
nommen “habe, bat ſchon der gefehrte Herr von Eckart aus
‚dem füchfifehen Annatiften angemerkt, und er feheint zu glau⸗
* es waͤre ihm dieſe Gewalt uͤber die geiſtlichen Guͤter und
ee Per
arg > it pP Scholinners BR
Perſonen darum BD worden, auf se —— den
daraus zuziehenden Vortheilen das Vaterland wider die oͤftern
Einfaͤlle der Hunnen deſto nachdruͤcklicher vertheydigen konnte.
Weil nun nach dem mit König Heinrich getroffenen Vergleich
von keinem ungariſchen Ueberfall in Baiern etwas zu leſen iſt, wohl
aber vorhin vieles davon vorkommt, ſo ſcheint es ſehr glaubwuͤrdig,
daß Herzog Arnolf ſchon vorhin dieſes Recht ausgeuͤbt, und die
Kirchenſchaͤtze erfchöpfet habe. Dieſe Muthmaſſung wird auch
durch das Zeugniß des Aventin (a) bekraͤftiget, welcher meldet,
Herzog Arnolf, weil die gewoͤhnlichen Einkuͤnften zu Beſtreitung
der Kriegsunkoſten, und Vertheydigung des Vaterlandes wider
die oͤftern feindlichen Einfaͤlle nicht erklecken wollten, habe nach
dem Tod eines jeweiligen Praͤlaten die Kirchenguͤter einem ſei⸗
ner Dfficieren anftatt des gewöhnlichen Soldes zu geniefjen übers
faffen, Der Davon zwar Den Geiſtlichen den nöthigen Unterhalt
verfehaffen follte, dag übrige aber für feinen Kriegesſold anwen⸗
den Fonnte: welches freylich von ihnen nicht allemal getreulich
beforgt, und auf diefe Weiſe manche Klöfter auch ohne Schuld
des gutmeinenden Herzogs in dem äußerften Verfall gefest wor»
den feyn. Man wolle auch diefes nicht außer Acht Taffen, daß
der angezogene Annalift von dieſem dem Herzog Arnolf befonz
‚ ders zugelommenen Recht zu zwey berfchiedenen malen Erweh⸗
nung thut. Exftlich zwar gleich bey Dem Antritt feiner Regierung
anno 907. zweytens anno 920. bey dem mit Heinrich getroffenen
Vergleich, welches ja unndthig geweſen wäre, wenn er dieſes
Recht nicht ſchon vorhin gehabt, ſondern erſt durch den letztern
Vergleich erlangt haͤtte. Arnolf trachtete nach der koͤniglichen
Krone, weil er aber ſelbe nicht ohne vieles Chriſtenblut, dem ee
doch ſchonen wollte, behaupten Fonnte, fo begiebt er fi) auf die‘
ſchmeichelhafte Vorftellung des Heinrich und Eintathen der Stänz '
de, feines Anſpruchs zur PNA Mu des Eöniglichen Titels, will
aber
| " Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 219
‚ aber das, wie höchft vermuthlich ift, fehon vorhin befeffene Necht
‚über die geiftlichen Dinge, und Perfonen ihm namentlich vorbe⸗
‚ haften wiffen, und nur unter diefer Bedingung, die ihm auch
ff fogteich zugeftanden wurde, den Vergleich eingehen.
_@ „Aventinus in annal. Schyrens, ad ann, 920, Ungeri eo, ut dixi,
tempore profani erant, crebro impetum in ſines Bojorum facie-
| bant, regionem igni, ferro, preda depopulabantur ac devafta-:
bant. Mulieres, virgines, capillis colligatas cum infantibus cap-
tivas, abducebaut, fanguinem occiforum potabant, templa diripie-
bant, atque incendebant.. Nemo, nifi in munitiflimis locis Un-
garorum preftolabatur adventum. Arionulfus igitur cum ita ſæ-
I Pius ab Ungaris premeretur, nec unde flipendium militibus da-
| „ret, haberet, confilio,. & fuafu Procerum fuorum (qui tot Mo-
niachis nihil opus efle multis de caufis afleverabant) mortuo ali-
| quo Abbate, cenobium alicui Primorum in fidem tradebat, qui
| #Monachis fatis quidem pro religione victum & amictum præbe-
| ret, id vero, quod religuum foret, pro ftipendio militari accep-
0, taret, Sed (ut funt ingenia, moresque nobilium) hoc pacto ple-
| raque monafteria ad ſummam inopiam, folitudinemgue redige-
| bantur;
5. 7.
Diefer gewiß von mir nicht erdichteten, und fehr wahr-
einfihen Muthmaſſung feße ich einen andern Beweis an die
eite, von dem fie merklich folle unterfkügt werden. Der oben
Num. 3.) angeführte tegernfeeifche Moͤnch ſchreibet ausdrück
fi, Heinrich hätte in dem bewußten Vergleih dem Herzog At-
nolf dieſes Fönigliche Recht nicht erſt auf ein neues abgetretten,
| fonder nach altem Herkommen zugeftanden, Henricus pro pace
Epifcopatus terre ſuæ, & Abbatias regio jure juxts antiguum con.
eefir. Ein gleiches fehreiben andere ungenannte Verfaſſer der
sone ſeelſchen Chronik (a), die gewiß dem Herzog Arnolf
Ee2 und
‚200 2 Schomners
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,
und feinem Geſchlecht nichts zu Liebe — ſonder ihn viel⸗
mehr als einen Antichriſt abgemahlt haben. Geſetzt aber, Her⸗
zog Arnolf haͤtte dieſes koͤnigliche Recht nicht vorhin gehabt, ſon⸗
der erſt Durch dieſen feyerlichen Vergleich an ſich gebracht: fo ift
dennoch gewiß, daß diefes ein ihm eigenthumliches Vorrecht ges
wefen, das damal feinem einigen Herzog in ‚gan ——
gemein ware.
Es iſt aber auch daraus keineswegs zu ſhtleſen, daß es
nür eine perfönliche Freyheit geweſen, die fich auf feine Nach⸗
koͤmmlinge nicht erſtrecket hätte: Denn cs war ja ein Recht, daß
er nicht aus Gnade des Königs , fonder unter einer ſchweren Bez
dingniß, titulo onerofo, und mit Ablegung des Eöniglihen Tir
tels, und des Anfpruchs zur Krone ihm vorbehalten, folgendes
nicht für ſich allein, fondern auch für ſeine maͤnnlichen Erben ers
worben hat. Wie dann Sund (b) und Lorenz Hochwart (c) in
Befchreibung der Neyhe der vegensburgifchen Biſchoͤffen ausdruck⸗
lich melden, Heinrich habe diefem Arnolf und feinen Nachfol⸗
gern diefes herrliche Recht überlaffen, und Arnolf habe es glaub-
wirdiger Weife zu Regensburg ausgeübet, und dem Sfingrim
das Biſchofthum Regensburg verlichen,, welches auch ohne Des
denken das emmeramifche Maufoläum (d) behauptet.
(a) Chron. Monaft. Tegernfeens. apud Bern. Pezium Tom, IIL Thefaur
P. III. col. 500. Cui (Henrico) fe opponens filius iniquitatis &
perditionis homo, Dux Noricorum Arnolfus, natione Comes |
Schyrenfis, qui omnimodis operam dabat, ut ele&tionem predi-
ctam extenuaret, ipfeque de femine Arnulfi primi regno prefi- |
ceretur. Hic eft Arnolfus ille, qui Ecclefias Dei, & Monafteria
* (b) Hun-
totius Bavariæ crudeliter deftruxit, ac poflefliones earum militi- |
bus fuis difribuit, jure fibi in concordie viam ab Hentico Prin- |
eipe de inveftiendis Ecclefiis Bavariz juxta morem antigquum eon-
ceflo tyrannice abutens, dum quos tueri debuit, ipfe Primus cr
pit fpeliare.
'F
|
J
1"
|
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 221
G) Hundius in Metrop. Tom. I. pag. 192.
1 2 He Laurentius Hochwart in Catalog. Epife. Ratisbon, apud D. Oefele
Tom. I. feriptor, rer. Boicar, pag. 175. Ifingrimus vel Ifimgri-
mus fuccedit anno 926. Henrico I, imperante; qui Ifingrimus non
Pe fine Ducis Arnoldi auxilio videtur Epifcopatuın adeptus. Sigui-
| dem Arnoldus Dux Bajoariz, cum Henrico aucupi Imperatori reg-
num affeftans rebellaret an. Dom. DCCCCXX. Henricus exer-
eitu colleto in prefidio Ratisbonz civitatis Arnoldum obfedit:
u 'hune autem cum virtute fapientiaque fua ad gratiam ſui Henricus
inflexiflet, Arnoldus ita Regi tandem fuferipfit, fi fibi hzc, quod
deceflores ejus non habuere, concederet; fcilicet, ut totius Ba-
joariæ Pontifices fuz poteftati fubjacerent , unoque defuncto alte-
_ zum ordinare fibi liceret: qua conceflione ilum, & fucceffor«
ſuos Henricus honoravit,
(a Ratisbona Monaftica cap. 32. pag. — edit. noviſſ. Ifingrinus ....
iſt von Herzog Arnolf aus Baiern zum Biſtthum promovirt werden.
$. 8.
Das königliche Recht, daß diefem Arnolf vor allen an⸗
dern Herzogen in Deutfihlandeigenthumfich war, zeigt fih noch
ferner in der Gewalt über die geiftlihen Dinge, in jure circa
| facra, da er im Jahr 932. die fümmtfiche baierifche Geiftlichkeit
\ auf eine Kiechenverfammlung nach Dingolfing beruffen , und all
ı dort, nach Zeugniß des Aventins (a) nicht nur die Wiederherftel-
‚ fung der von den Hunnen verwüfteten Kirchen anbefohfen, ſon⸗
dern auch zu. der Sitten- und Zuchtverbefferung feiner Geiftlichen
die heilfamften Verordnungen vorgekehrt hat. Neben dem wurde
auch von den Feyertägen, wie fie zu halten, und von verfchiede-
nen andern geiftlichen Dingen gehandelt, wie bey P. Aanfig (b)
quötefen iſt. Es erfihienen auf den Befehl des Herzogs nicht nur
die niedrigen Geiſtlichen, ſondern auch die ſammtlichen baieriſche
Soon in’ eigener Perfon, den Biſchof von Aichftätt ausge⸗
Ee3 nom⸗
222 Ei: 5 Scholinnes 247
nommen, der- Aus Unpäßithket verhindert ween Chorbiſchoͤffe
ſeine Stelle zu vertretten dahin abgeſandt hat. Merkwuͤrdig iſt,
daß die verſammleten Vaͤter in ihrer Zeitrechnung nicht die Jahre
der Regierung des Koͤnigs Heinrich, ſonder des Herzogs Aruolf,
als ihres unmittelbaren Fandesfürften , und zwar das Zehente
angefest haben (e). König Heinrich, wie bey dem Baronius (d)
zu leſen ift, ſchrieb in. eben diefem Jahr eine allgemeine Verſamm⸗
lung der deutſchen Biſchoͤffen nach Erfurt aus. Bey der ſich aber>
kein baieriſcher Biſchof einfand, vermuthlich, weil er keine Ge⸗
walt über dieſelben hatte, und Herzog Arnulf fie ſelbſt aus glei⸗
cher Abſicht nach Dingolfing beruffen hatte, daraus das Fünig-
fich baierifche Recht auf ein neues beftärkt wird. Eben diefes
Recht, Biſchoͤffe und die übrige Geiftlichkeit auf Kirchenverſamm⸗
lungen zu beruffen, haben bishero meines Wiffens Feine andere
weltlichen Negenten, als nur Könige und Kaifer fich zugeeignet:
nur die baierifchen Herzoge Taßilo und Arnolf haben ihnen da>
rinn nachgeahmet , und auch in dieſem Stuͤck ihr Fönigliches
Borrecht ohne jemands Widerrede auf das fiheinbarefte erwiefen,
(a) Aventinus IV. 22. Ad Dingolfing oppidum inferioris Bavariz, in
ripa Iſaræ fitum confilium Bajorum convocat (Arnulfus).. Interfuere
quingue Bojariz primarii facerdotes ; Hildebertus Archimyfta Ju-
vavenfis: Ifengrinus Epifeopus Reginoburgenfis, Gerardus Bathar
venfis, Wolframus Fruxinenfis, Nithardus Sabionenfis, & Sarco-
'lochus, & Godbertus facrificuli, quos Chor-Epifcopos vocant,
nuntii Udalfridi Aichftatenfis tum zgrotis. Hoc concilio Arnul-
fus prediorum Ecclefiafticorum , qu& Ugri depopulati fuerant, ab
aliisque occnpabantur, uſusfructus facerdotibus Monachis refti-
tuit: templa, facras zdes refiei, reftaurari jufi. Majas, & Ca
ninas, item vicos, vineas, aliaque pr=dia prope Tyrolios iu Ven-
nonum Athefisque valle, qu& adhuc ibi myftz Fruxinenfes pof-
z fident, Wolframo tradidit : Epifcopos, Monachos, facerdotes,
quorum quidam exzuflo feverioris religionis jugo, popplauken. vie.
‘
__vere czperant, ſub arcuoris ia jugum miſit.
kb) Ve
men ELLE — — — — ——— — nn nn nn un En nn nn nn De DE Se RE ud VE
Pr I Ne SEE ee
|
VWorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 139,
(b)'Veris MC. apud P. Hanfız Tom. Il. Gem. fiere pag. 146. anno
"5° Domini DCCCCXXXIL. regnante in Bavaria Arnoldo Duce, con-
venientibus eunetis: Bavariis ad locum, qui Dingelfinga vocatur,
in caufa fynodalis colloguii, Epifcopis videlicet, & comitibus,
aliisque populis fupra diete regionis. Refidentibus autem Epifco-
pis in Synodali concilio aliisqgue Presbyteris, & Diaconibus, ac
Clericis quum plurimis de ftatu Ecclefiaftico traftantes, feriandos
dies fubferibere fanxerunt,
(e) Manfi in notis ad Baronium, & Pagium ad hunc annum Tom, XV.
edit. Lucens. pag. 641.
(d) Baronius ad h. a, loc, cit.
F. 9.—
Ich finde noch ein ſchoͤnes Regal, deſſen zwar auch die
WR
ı N he Herzoge in Deutfchland vermög ihrer Landeshoheit be>
vechtiget geweſen waren, daß aber dazumal von Feinen derſelben,
als nur von den baierifchen Prinzen ausgeübt ward. Es ift die
fes das Münzrecht, davon man in felbigen Zeiten in Deutſch⸗
land nur von den Koͤnigen Beweiſe, von den uͤbrigen Herzogen
aber gar keine Spuren antrift. Wenigſtens hat man bishero
keine einige Muͤnze eines deutſchen Landesfuͤrſten, die in der erſten
Haͤlfte des zehenten Jahrhundert ausgepraͤgt worden waͤre, als
nur der baieriſchen Regenten aufweiſen koͤnnen. Einer meiner
wertheſten Freunden verſichert mich, daß in einem ſichern Muͤnz⸗
cabinet eine Muͤnz von dieſem Herzog Arnolf aufbehalten wird,
die vieleicht eben diejenige iſt, die in dem neueroͤfneten Groſchen⸗
cabinet (a) in Kupfer geſtochen unter folgender Geſtalt vorkommt.
Br einer Seite ſieht man ein Kreug in einem Umkreiſe: in den
oberften Winkeln des Kreuges, und in dem untern zur
n find Kugelgen. Die Umfchrift it: ARNULFUS DUX:
| = der andern Seite wird ein Gebäude vieleicht einer Kirchen
oder
— 9
a ae ®. Schounners *
oder eines Pallaſtes mit einem Kreug oben vorftelfet, in der Mitte
find die Buchftaben GOT. die Umfchrift ift Recma cıvrmas, Ich
will nicht hoffer, daß jemand diefe Münze oder das damalige baie⸗
riſche Münzrecht in Zweifel ziehen werde; denn e8 find noch andere
Stuͤcke vorhanden, die die obige Münze rechtfertigen. Der hoch⸗
wuͤrdige Here Abbt Defing hat mit die mündlich und fchriftliche
Berficherung gegeben, Daß er drey in den Grundftücken feines
Kloſters Ensdorf gefundene Münzen forgfältig verwahre, deren
zwey unter dem Name des Herzogs Eberhard eines arnolfifihen
Prinzen, die dritte aber unter dem Namen des Herzogs Ber—⸗
thold, des Arnulfs Bruders, in Negensburg von dem nämlichen
Muͤnzmeiſter VVO nach Art und Weiſe der Karlinger find aus⸗
geprägt worden (b). Vieleicht wird Jemand einwenden, die ats
nulfiſche Münz Eönnte eben ſowohl dem Farlingifchen Arnulf, bes
- vor er zum König in Deuffchland erwählt worden, als dem baieri⸗
fchen zugefchrieben werden, Allein der gelehrte Herr von Eckart (c)
der ſich um die karlingiſchen Muͤnzen muͤheſam umgeſehen hat,
geſteht dennoch aufrichtig, daß ihm von dem Koͤnig Arnolf gar
keine zu Geſicht gekommen ſey. Daraus ich denn ſchlieſſen kann,
dieſe arnulflſche Muͤnze ſey nicht von den karlingiſchen, ſondern
von dem baieriſchen Arnolf in feiner Reſidenz⸗ und Muͤnzſtadt
Negensburg geſchlagen worden; und habe dieſes Recht nicht nur
er allein, fonder auch fein’ Sohn und fein Bruder als damalige
Herzogen in Baiern ausgeübt, Es meldet zwar der Herr Verfaffer
des neueröfneten Groſchencabinets, (d) daß unter den, dem Herrn
Hofrat) Maday zuftändigen Münzen eine verwahret werde, die von
dem Kaifer Arnolf gefihlagen worden, und auf einer Seite um
das Kreutz die Umfchrift; ARNOLFUS REX auf der andern
aber F. . CONC’AECIAT, vermuthlich Moguncia eivitas, zu le⸗
fen fey , davon er auch) die Abbildung zu liefern verfpricht; von’
feinem Vorhaden aber, wie ich vermuthe, Dusch den letztern Krieg
iſt
a
J
|
N
WVorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 125
Aſt verhindert worden. Aber eben dieſe Münze, an deren Dafeyn
ich nicht zweiflen will, unterfcheider fich merklich, von der Münze
des baierifchen Arnolfs, weil erftlich diefer fih nur als Herzog,
jener aber als König angegeben bat: hernach, weil die Eönigliche
arnolfifche Münz in der Stadt Mainz, darinn die baierifchen Her
zogen nie was zu fchaffen gehabt haben, ausgeprägt worden iſt.
Aus dem wirklichen Dafeyn diefer äfteften baierifchen Münzen
fällt auch der Einwurf hinweg, als hätten die deutſchen Herzoge
das Münzregal nicht aus eigener mit der Landshoheit verbundenen
Dbermacht, fonder aus einer von den König und Kaifern verlier
henen Sreybeit, fo wie die Bifchöffe und Präfaten, ausgeübt. Denn
zu gefihweigen, daß unter fovielen annoch verhandenen Urkun—
den, darinn den Biſchoͤffen das Münzreht von den Kaifern aus
befonderer Gnade verliehen wird, noch Feine zum Vorſchein ge=
kommen iſt, Die eine gleiche den weltlichen Landesfürften zugeſtan⸗
dene: Freyheit erweiſe: ſo ſtehet ja nicht zu begreifen, wie Herzog
Eberhard, der König Otto dem L wenig gute Worte gege⸗
ben hat, ein folches von ihm habe anverlangen oder erhalten Füns
nen, da er vielmehr die nach dem Tode feines Herin Vaters
ihm zugefallene Länder, und die damit verknüpften Gerechtfamen
aus einem eigenthbumfichen Erbrecht zu behaupten ihm beyfoms
men laſſen. Und wer kann zweifeln, daß Herzog Arnolf,
da er fich in dem Vergleich mit König Heinrich, die hoͤchſte ja
Tönigliche Gewalt, nur den bloffen Titel ausgenommen, ausger
dungen hat, nicht auch das der höchiten Landesherrlichkelt zuſte⸗
hende Münzrecht fich werde vorbehalten haben? Man wird übris
gens den fernern Beweis, daß dieſes Münzrecht den damaligen
ae Fuͤrſten der deutfchen Hauptvölfer nicht aus einer will-
kuͤhtlichen Gnade der Kaiſern, ſondern aus ihrer eigentlichen
Landeshoheit zugekommen ſey, von mir nicht begehren koͤnnen;
nachdem ihn ſchon viele andere Gelehrte, befon. ers Herr von
st Lude⸗
6 | P. Chilimas =
Ludewig (e), der Berfaffer des neuerbfneten Groſchencabi⸗
nets (£) und erſt neuerlich Herr Obermayr (8) ausführz
lich gegeben haben. Letzterer meldet noch Ch), daß unter den
zu Dffenhaufen im nürnbergifchen gefundenen Münzen ein Dick
pfenning zum Vorſchein gekommen ſey, mit der Umſchrift:
auf einev Seite HRAHTOLDVS. DVX. und auf der andern
REGINA CIVITAS, unter dem Kirchgiebel VVO. und dieſer
ift vieleicht eben derjenige Münzmeifter, der die ensdorfifchen
Münzen geprägt bat. Die Muthmaffung des Heren Pfarrers
Würfel, der dieſes nebſt andern Stuͤcken erläuteret, und die ganze
Sammlung an das Münzeabinet der churbaierifhen Akademie über-
laſſen bat, daß diefer Herzog Rathold ein unächter Sohn des Farz
lingifchen Arnolf gewefen , fcheint gar nicht ohne Grund zu feyn;
indeffen will ich jenem Gelehrten, von dem man nächfteng eine
eigne Abhandlung Über diefe feltene Münze erwartet, nicht vote
greifen, fondern daraus nur dieſes fhlieffen, daß vor der Hälfte
des zehenten Jahrhundert Feine andere in Deutfchland geprägte
Münzen, als Earlingifche und baierifihe bis auf dieſe Zeit Fön-
nen aufgewiefen werden, und daß folglich das Münzrecht von
dem Herzog Arnolf, und feiner Familie vorzüglich fey ausge
übt worden.
(a) Im eilften Fach Tab. I. num. 1.
Cd) Die Worte ded Brieſs, mit dem dieſer berühmte Herr Praͤlat mich zu
bechren gewürdiget hat, find diefe-, Ager Ensdorfenfis alios tres
(nummos) ab omni fufpicione eximios edidit, qui Anurlfinum
confirmant. Duo fünt Eberhardi, Arnulfi fili, alter Bertholdi,
. Arnulfi fratris, uterque more formulaque Carolina cuſus in Re-
gina civitate, uterque ab eodem artifice VVO. Anno 938. quo
Eberhardus defüt, Bertoldus czpit &c.
(c) Eccardus verum Franc, Oriental, Tom. II. pag. 786.
d) In dem eilften Fach pag- 565.
(o ften Fach pag or.
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 2 227
Ke) Ludewig ad auream bullam P. I. p. 886. und in ber Einleitung zum
heutichen Miünzwefen mittlerer Zeiten cap; 7. $. 3. P. m. 73. Herr »
%. Jacob Moſer, , der diefe Einleitung im Jahr, 752. zu Ulm heraus:
—5 würde dem Herrn von Ludewig in dieſem Stuͤck nicht wi-
derfprochen haben, wann er von diefen baierifchen Münzen Nachricht
gehabt haͤtte.
(f) Sn obigem Fach pag. 558. ſeq.
(g) In der Hiftorifhen Nachricht von baieriſchen Münzen pag. 27. ſeq. pag.
101. ſeq.
Mn Chen allda pag. 102. und 209.
S. 10,
Sch gebe nun auch. den Innhalt diefes vierten Abfchnits
tes in einem Eurzen Auszug. Neben den Gerechtfamen, die uns
ferm Arnolf mit andern Herzogen Deutfchlandes gemein waren,
hatte er noch vieles zum Voraus: und zwar-erftlich diefes, daß
er offentliche Urkunden, und welches fonderbar, unter der feyers
lichften Formel, divina favente clementia Dux &e. auf die nämliche
Art und Weife, wie die Karofinger ausgeftellt, und die Ver—
tauſchungen der geiftlihen Güter mit feinem Siegel befräftiget
hat, welches beydes vor und neben ihm Fein anderer Herzog in
Deutfchland ihm zueignen darfte. (N. 1.) Das zweyte Vor:
recht das ihm vor andern eigenthumlich ware, ift wohl das Eis
nigliche Recht in Vergebung der Biſchofthuͤmer und Abbteyen,
welches nicht aus einer ſchmeichelhaften Erdichtung herruͤhret (N. 3.)
ſondern in alten und unpartheyiſchen Geſchichtſchreibern beſtens
| gegründet ift. (N. 3.4.) Es war diefes ein Fönigliches Recht,
| weil es nur die Könige und Kaifer alleine, und Fein anderer Hers
309, als nur die baistifchen Agifolfinger, und deren Nachfolger
| Arnolf ausgeübt haben; (N. 5.) welches er auch wahrfcheinficher _
Weiſe nicht erft von Heinrich Durch den bewußten Vergleich ei
5f2 langt,
228 P. Scholinners
langt, fondern aus alten Herkommen ererbt: (N. 6) und nicht
nur für feine Perfon , fondern auch für feine Nachkoͤmmlinge an
fich gebracht hart, wiewohl feine Söhne deflelben nicht zwar de
jure, wohl aber de fa&to fich beraubt fehen mußten (N. 6. 7. 8.)
Aus diefem Föniglichen Necht floffe auch feine Gewalt in geiftlichen
Dingen, und über die Kirchenvorfteher feiner Länder, kraft defz
fen er, nach dem Beyfpiel feines Vorfahrers des Herzog Taßilo,
die baierifchen Bifchöffe auf eine Kirchenverfammlung nach) Din⸗
gelfing zufammen berufen, und alldort die Sitten» und Zucht⸗
verbefferung, auch die Zuruckgabe der den Kirchen unrechtmäßig
entzogenen Güter anbefohlen hat: in welcher Verſammlung, und
auch fonften (N. 8.) man die Sahre feiner, und nicht des Königs
Heinrichs Negierung angemerkt bat. Das letzte ihm befons
Ders eigenthumliche Necht erhellet. aus dem Münzregal, welche
fowohl ex und feine Prinzen, als auch fein Here Bruder, außer
dieſem aber damal Fein anderer Herzog in Deutfchland, meines _
Wiffens, und zwar nicht aus einer voillführlichen Gnade des
Königs , fondern vermög feiner eigenen Landshoheit 9
hat. (Num. 9.)
Endlich ſchlieſſe ich dieſe Abhandlung mit dem ernſtlichen
Wunſch, daß mein geringe Bemuͤhung zu den ruͤhmlichſten Ab⸗
ſichten der churbaieriſchen Akademie, auch nur etwas weniges
beytragen möge,
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 229
J. Anhang.
Aus einer Handſchrift des achten Jahrhundert.
Epiſtola, quam Clerus, vel Cives ad Regem mit-
tere poſſunt.
Pi ac precellentifimo Domino illo SUGGERENTO ; Principa-
litatis veftre circumfpelta clementia novit jufta petentibus
dignanter annuere, & fui moderaminis juditio ponderante; (ponde-
rare) prefertim cum illa polcuntur generari (generali) prece cun-
ctorum, quæ omnibus profit communiter, que proficiat tam pro
ſtatu Eccleſiæ feu regimini populari, quam & ipfi regali clemen-
tie profit falutis pariter, ac mercedis, Quoniam ſanctæ memoriz
vier Apoftolicus ille illius urbis anteftis (antiftes) die obitus. fui
adpropinquante ex hac luce vifus eft difcefliffe , curfum vite ſuæ
feliciter peragens : ergo ne deftitute fint, quod abfit, oves dece-
dente Paftore, in loco ejusdem fubrogari faciatis virum illuſtrem
illum, aut venerabilem illum cathedre illius fücceflorem , in. quo
pariter eft, & circumfpeöta moderatio, fublimis feientia, nobili-
tas generis, elegantia morum, continentia laudabilis, amor ci-
vium, folicitudo paftoralis, five bone voluntatis adfenfus. Nos
fiquidem fideles fervientes veftri de civitate illa una cum fenfu
totius cleri veftr& ferenitati,- largitatis fuflragantes hanc ad vos
\ deprecatorianı dixerimus (direximus) fedulam; valete,
| - Epiltola regalis ad quemlibet Epifcopum Metropo-
litanum pro alterius fucceflore,
Domino Magnifico fedis Apoftolicz dignitatis alendo illo
Chrifto Patri, ille gratia Dei Rex. Credimus jam adveftram re-
| verentiam ea, ſanctæ recordationis ille illius urbis Anti-
5f3 | füs
230 P. Scholinners
ſtis vocatione de præſenti ſeculo —— de cujus
ſucceſſores folitudine (folicitudine) integra cum pontificibus vel
primatibus populi noftri pertraftantes, decrevimus illuftrem virum
° ölfum, feu venerabilem virum illum facerdotale honore dignifli-
mum in jam prefata urbe regaliter Chrifto. aufpice committere
dignitatem, & ideo falutationem jura dignum, ac debito honore
folventes petimus, ut cum ad vos pervenerit, ipfum, ut ordo
expofcit, benedici veftra fanetitas non moretur, & junctis vobis
cum veftris comprovintialibus, ipfum in fupra feripta urbe ponti-
ficem confecrare Chrifto aufpice fatagite, Agat ergo almitas
veftra ut & noſtræ devotionis voluntatem in cunctanter de hac
re debeat emplere, & tam vos quam ipfe pro ftabilitate regni
noftri jugi follicitudine plenius exoretis,
Epiltola regalis de cujuslibet pontifice in loco
alterius fubrogando.
- Domino almifico Apoſtolice dignitatis 5 illo
præſuli, ille gratia Dei Rex, Igitur dum juxta Apoftoli di&um
omnis poteftas fublimatur a Domino ,„ & quatenus per (poft) -
Deum in regia manet poteftate, qualiter- cundta terrena debeant
gubernari, unde oportet nobis falubre confilium pertractare ut illi
erga locis ſanctorum inflituantur cuftodes, qui digni adipfum of-
ficium gubernandum apparere nofeuntur, Igitur, dum & veftra,
& clerus vel pagenfium civitatis illius adfuit petitio, ut relicta
urbe illa, qua prius regere, & gubernare videbam (videbanıini)
in nunc fupra feripta urbe illa cathedram pontificalem fufeipere
deberetis, & dum vos apud animos noftros’& actis probata com-
mendat, & nobilitatis ordo fublimat, ac morum probitas, vel-
manfuetudo, & prudentie honeftas exornat: cum confilio & vo-
luntate pontificum procerumque noftrorum, juxta voluntatem &
confenfum cleri, & plebis ipfius eivitatis in fupra dicta urbe illa
pon-
6
Er
age
. —
Vorrechte Herzog Arnolfs von Baiern. 31
pontificalem vobis in Dei nomine commifimus dignitatem, Ba
terea per prefentem. preceptum decernimus bajulemus ut fupra
dieta urbis, ut res Ecclefie ipfius & clerus fub veftro arbitrio,
& gubernatione conliftant, & erga regimen noftrum femper fi-
dem inlibatam cuftodire debeatis, & juxta canonicam inftitutio-
nem plebem vobis commiflam aflidua predicatione, fermonibus
adortare , & erudire faciatis, & non minus pietate quam feve-
zitate conftringere ftudeatis, & curam pauperum , vel neceflita-
tes indigentium cum ingenti cura, & follicitudine procuretis, &
‚ad quifitam vobis multiplieiter gregis veftri falute nullis macu-
‚ lis forditutos ad ovile dominicum valeatis prefentare, quatenus
dum Ecclefia vobis a divina difpenfatione commiflas terrena ere-
gere, atque gubernare videmini, vobis apud zternum retributo-
rem Dominum merces fuflragetur, & ut vos univerforum
Dominum pro noftrorum fcelerum mole aflidue
exorare debeatis valete,
Me. Regi⸗
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der merfmürdigften Sachen, welche in de3 vierten
Bandes erftem Theil enthalten find.
Hypalbert Erzbiſchof zu Salzburg leiftet Herzogen Arnolf nach Waͤlſchland die
Heersfolge. Blatt. 204. L
Anfprand König der Longobarden erobert fein Reich wieder mit Huͤlfe der
Baiern. 31.
Aribo Pfahgraf ftifter im J. 994 das Klofter Seon. 120. deffen Sohn Aribo
wird Erzbifchof zu Mainz, und der andere Sohn folgt ihm in der Pfalze
grafichaft. ebendaf.
Arnulf Herzog in Baiern nennt ſich Ducem Bajoariorum, & adjacentium
regionum. 108. will den Herzog Heinrich von Sachſen nicht für feinen
König erfenmen. 115. wird von ihm zu Megenöburg belagert. 116. er=
hält von ihm das Jus regium über die baieriſchen Biſchoͤffe. ebendaf.
giebt dem Stift Freyſing durch feinen Bruder Berthold Güter zurück,
117. x. beruft den baierifhen Synodum zu Dingelfingen. 118. x.
ſtirbt. 153. ihm Fann der Name eines Boͤſen nicht heygelegt werden,
371. übte eine wneingefehränfte Landeshoheit. 195. befräftiget mit eines
Königlichen Gewalt die von den Biſchoͤffen und Aebten getroffene Ver—
taufchungen der Kirchengüter, 196. Ic. i
Athalbero Pfalzgraf von Sachen. 90,
Aventin verdient Feinen Glauben in dem, daß fich die Baiern nach des Attila
Tod einen König Namens Adelger erwählet hätten ac 8.
Baiern
15 1934
en
Beiern (die) ſetzen fi) in dem Norico und Vindelicien veſt. 7. erlangen nad)
des Attila Tode ihre Freyheit. 8. Fommen unter ofigothifchen Schug.
13. waren von mehr ald einer Seite mit den Ländern der fränfifchen Mo-
narchie begränget. 14. find bey allen großen Heerzügen der Franken. eben-
daf. verfuchen abermal, ſich von der fränfifchen Abhdngigfeit los zu ma—
chen. 16, haben denen fränfifchen Königen niemaf einen Tribut entrich
tet. 27. find Feine wahren Unterthanen von; ihnen gewefen. 34. nehmen
den König Arnolf, und deffen Sohn Ludwig für ihre Megenten an.
157. 159. waren ein freyes Volk für fi. 162. 167. ıc.
des Barre Meynung, ald ob der König ver Auftrafien das Mecht gehabt habe,
die- herzoglich = baierifche Unterthanen zum Tod zu verdammen, wird wis
derlegt. 36, und 37. _
Befreyungen der Stifter von aller ordinairen richterlihen Gewalt, waren in
den Zeiten der KR. Otten häufig. 92. wodurch das Pfalzgrafenamt im=
mer mehrere Einfehränfung leiden mußte, ebendaf.
Berthold, Bruder des Herz. Arnolfs befümmt das Tyrolerland zu beherrfchen.
198, 209.
Bifhöffe nnd Prälaten gelangen nicht durch eine freye Wahl, fondern durch
die Könige zur Megierung ihrer Kirche. 213. welches Mecht dem Hetze
Arnolf gleichfalls zugeftanden. ebendafı.
Blurbann, Blurvogt. 82. 33.
Botho Graf von Bottenftein wird gebohren. 121.
du Buat Meynung vou den Pfalzgrafen in Baiern. 63 - 66,
Burfard Herzog in Schwaben. 115. 124. ꝛc.
Czfarii Heifterbacenfis Nachricht von dem KREISE HAREN Amt der Pfale
| grafen. 84.
Carlmann wird ein Mönch in dem Kloſter Montecafino. 20.
bon Cagenellenbogen Grafen. 145.
Comes Palatinus war dem Heros zu Haltung eines Placiti an die Seite ge-
fegt. 113.
Concordat wiſchen dem Pant und gi beutfchen Reich. 217.
| Gg Cor⸗
\
' ir * Bi
Re gifker | ;
Corbinian (der heil. Biſchof) eifert wider Herzog Grimoalds Ehe, die er mit
ſeines verſtorbenen Bruders Theobalds Gemoahlinn Plitrude vollzogen. 17.
Coſmas von Prag beehrt den Herzog Arnolf nach feinem Tod mit dem Name
eines Königs, 209
Crollius Abhandlung von dem: Urſprunge und Amte der Provinzialpfalzgrafen
in Deutſchland. 45. und folg. >
Dedo Pfalzgraf in Sachſen wird von einem Geifkfichen ermordet. 84:
- Deutſchland war in 5 Hauptvoͤlker eingetheilt. 182. Jedes deren erwaͤhlte ſich
nach Erloͤſchung des Farlingifchen Stammes einen König oder Herzog.
184. 185. 193. 206.
Drümel (Heinrihd) Meynung vom Urfprung der Pfalzgrafen. 103.
Dux Palatinus war ein Dertretter der Einiglihen Gewalt. 74 2.
Edelmann, jedem diefer ſtunde frey, fi ch ſelbſt einen Lehenherrn zu erwaͤhlen. 49
Epiftole tres ex Mfe. feculi octavi. 229. &c.
Erblichkeit der Herzogthümer und Graffchaften wird erft in den letztern geiten
der Karolinger, und unter den fächfiichen Kaiſern eingeführt. 32.
Erchanger fchwingt fi zu dem Herzogthum in Schwaben. 189.
Erzaͤmter der deutichen Churfürften Fommen unter Otto dem Großen zum Vor—
fihein. 192. folg.
Farb Crothe) im Wappenſchild bedeutet den Blutbann 2. 86.
Franken (Francia orientalis) gehörte ald eine Marfgraffchaft zu Baiern. 143.
die Herzoge in Franken waren die erften Zürften des Reichs ꝛc. gleich-
wol nur prefides Curiz imperialis &c. 144. wird. mit der. ripuari=-
ſchen Pfalz vereinigt. 146. unter diefen werden nicht alle Haupt⸗
vpoͤlker verſtanden. 164.
Freyſingen hat einen Freyheitsbrief wegen der freyen Wahl. 213. ſi ferner
unter Arnulf und Otto.
Garibald Herzog in Baiern fucht fich von der fränfifchen Abhängigkeit los zu’
machen, 15. verheuratbet feine: Altefte Lochter an den longobardiſchen
Herzog
: Beygifen
Herzog Ewin zu Trient. ebendaf. die Jüngere aber verlobt er ar An—
tharis König der Longobarden. ebendaf. und folg. wird wegen feiner
Derbindung mit den Longobarden von dem baierifchen Throne ver—
jagt. 34
Gero Marchio feptentrion. &c. 57.
Gerold ein koͤniglicher Miſſus mit militarifeh = herzoglich =und marfgräfliher Ger
walt. 107. ꝛc.
Geſchichte (in der baieriſchen) iſt vom zweyten bis zum Ausgang des fünften
Sahrhunderts wenig Zuverläfiges zu finden. 8.
von Goſeck (Friedrich) Pfalzgraf in Sachſen, Vater des —— Adelberts
von Bremen. 59
Grimoald, , Herzog in Baiern zeigt fich fouverain. 17. ꝛc.
Seinrich (der Löwe) Herzog, ertheilt aus Italien in einer Streitſache des Kilos _
ſters Meicherberg ꝛc. Beſcheid. 80.
SBeinrich der Vogler. 110,
Seinnch Herzog in Sachſen, wird König. 130. aber nicht gleich vom gang
Deutfchland. 174. 177. folg. wird zu Frizlar. fen 178. faͤllt in
Baiern ein. 178. 179.
BK. Heinridy III. verleihet im Fahr 1055 dem Etift Paffau Güter. 76. ver⸗
ſammelt die. deutſchen Biſchoͤffe nach Erfurt, wobey ſich kein baieriſcher
Biſchof einfand. 222. |
®. Heinridy der Heil. giebt den baierifchen Ständen das Wahlrecht. 160. 161.
Seinrich (der Braunſchweiger) Pfalzgraf bey Rhein. 85.
Sermann I. Sohn des Herzogs Arnulf folgt dem im Jahr 939 in der Rebel—
Aion gebfiebenen Eberhard im der hoͤchſten Reichspfalz. 50.
Herzogen in Baiern üben im geiftlihen und weltlichen Angelegenheiten alle
Rechte der Majeſtaͤt und Landeshoheit aus. 30. 200. an diefe weiſet
der Papſt feine Legaten bey Errichtung der vier Bifchofthümer in
Baiern. ebendaſ. Haben die richterfiche Gewalt über die Bifchöffe ihr
res Landes. ebendaf. jene aus dem agilolfingiihen Stamme haben ein
Erbrecht auf dem baieriſchen Thron. 32» und folg. haben dans Münze
RX 223. 225. ⁊c. | pi
az Sof
rn.
a
In 5
x
f -.
Söfntepin (koͤnigliche). 90.
Hugoberr befteigt den baieriſchen Thron, und ſucht das Soc der fränfifchen
Dberhofmeifter abzuwerfen. 17. war ein Beförderer des Ehriftenthums. 18.
Iſingrim erhält von Herzog Arnolf das Biſchofthum Megeneburg. 220.
Jus belli & pacis &c. hatten die deutfchen Herzoge auszuüben. 190.
Jus regium Ducum Bavariæ. 208. 209. &c. |
von Zuſti, Erörterung der Preisfrage, worinn der fränfifchen Könige und der
Herzoge von Baiern aus dem agilolfingiihen Stamme wechfelweife
Rechte und DVerbindlichfeiten beftanden haben? 6. und folg.
Rörntben wird im Jahr 976 von dem baierifchen Herzogthum abgeföndert. 69.
die Grafen von Goͤrtz find Pfalzgrafen allda. ebendaf. Aribo wird
Marfgraf alda, 121.
K. Rarl der Große mat fih das Herzogthum Baiern Re untere
würfig. 107. 154.
Barl der Die wird des Reichs entſetzt. 154
die Rönige der Franken Hatten das Recht, Befehle an die Herzoge in Baiern
ergehen zu-laffen. 35. aber nicht in jenem Fall, wo es um die Innern
Landesangelegenheiten und Berordaungen zu -thun war. 36. ob fie in
Baiern einige Krongäter, oder ein Obereigenthum über bie herzoglichen
Domainen? 37. und folg. und ob fie Vaſallen allda gehabt Haben? 40.
K. Bonrad feste feinen Bruder zum Marchidn, orient. und Prafeet. Bajoariz.
108. läßt die Miflos in Schwaben am Leben firafen. 111. bahnt den
Weg zu Errichtung der Herzogthümer. 112. ſieh auch 165. will fi
zu einem Megenten über ganz Deutfchland aufwerfen. 169. verdient billi⸗
her , als Herzog Arnolf den Beynamen des Boͤſen. 171. 20, flirbt 173.
Borneliusmünfter (Stift). 92.
Buno von Bor Pfahgraf. 121. 127. folg.
Landgericht, dreyerley Art davon. 13. und folg.
Candgrafen werden mit den Pfolzgrafen verglichen. 95. Maren von KHerzogen |
unabhängig. 96. find eingeführt worden, die Macht der Pfalzgrafen eins
zuſchraͤnken. ebendaſ.
Hand»
ae Werhieer.
Candrechttag im Jahr zıze bey Modburg gehalten. gr.
Lehenrecht (allemannifched). 85.
Korhringen hat feine. Pfalzgrafen gehabt. 137. folg.
K. Ludwig dad Kind flirbt im Jahr gıı. 158.
Eudwigs des frommen Söhne nehmen die legte Theilung der väterlichen
Staaten vor. 41. /
Euitpold Herzog in Baiern wird in dem Treffen gegen die Hunnen getoͤdtet.
150. ihm folgt fein Sohn Arnulf in dem Herzogthum. ebendaf. und
153. ı.
. Markgraf war der Michter mer militarifchherzoglicher Gewalt in einer Graͤnz⸗
provinz. 95. war ber nächfte nach den Herzogen. 96. hatten einen hoͤ—
hern Rang, ald die Pfalzgrafen. ꝛc. ebendaf-
Martel (Carl) zieht im Jahr 721 wider Baiern zu Felde. 17.
Meynungen derer , welche von den Pfalzgraffchaften in den Provinzen, in An—
fehung ihres Urfprungs und Amtes, gefchrieben haben, werden Eritifch
erzählt. 47. und folg.
Miſſi in Lothringen. 137. folg.
Miſſi Palatini 71.82. 83. perpetui, cum ducali poteftate, aus diefen find die
Herzoge, oder Vicarii poteft. reg. entflanden. 107. jene in Echwaben
werden am Leben geftraft, und deren confifeirte Güter befünmt Bur⸗
kard I. zu Reben. 111. ſieh auch 113.
Mönd (ein ungenannter von Tegernſee) feheint der Erfinder der Fabel von
Herzog Arnolfs ungluͤcklichen Tod, und des ihm zugelegten Beynamen
des Böfen zu feyn. 210.
Münz des baierifchen Arnolfs zu Mainz aröräef. 224. 26 dieſe unterfcheidet
ſich von jener des Kaiferd Arnolf. 225. vor der Hälfte des zehenten
Jahrhunderts Fann außer den Farlingifhen und baierifchen Münzen Feine
aufgewiefen werden. 226.
Muͤnzrecht wird den Bifhöffen und Präfaten von den Kaifern aus befonderee
Gnade verliehen. 225. den weltlichen Fürften ift folches aus eigner Lands⸗
boheit zugekommen. ebendaſ. ıc.
Ö93 von
— R . ee Fe
Wi
Begifer —
von Nordheim Graſen. 131.
Odilo Herzog in Baiern vermaͤhlt ſich mit t Eat Martels a EEE 18
/
hat einen Unfall von der ganzen fränfifhen Macht auszuſtehen, und vers
ſchanzt fi hinter dem Lech = wird aber gefchlagen = verwundet, und ganz
Baiern von den Franfen verwüftet. ebendaf. flirbt. 19.
K. Otto II. reßituirt dem Etift Freyſing unrechtmaͤſig entzogene Güter. 118.
von ihm wird Berthold mit Gewalt als Herzog in Baiern eingefegt. 119.
ka :
Pagus Uaſſorum war ein Theil des Herzogthum in Franken. 55.
Papſt weiſet ſeine Legaten an die Herzoge in Baiern. Eich Herzog.
Dfalsz sgrafenamt wird eingefchrinfet. Eich Befreyungen.
Pfalsgraffbaft Cripuarifche zu Aachen). 47. 20 138. ſachſiſche 53. x En
baierifhe. 63. 91. 84. gu x ſchwaͤbiſche. 70 ꝛc. zur Lrfprung
derfelden. 202.
Pipin flüchtet ſich nach Baiern. 20. entthronet feinen König, und mit ihm hoͤ⸗
ran, die, Maiordoms auf. 48»
Placitum provineiale unter Herzeg Burkard I. TE
Potrftas miſſatica, aus diefer if die herzogliche Gewalt entflanden. 110. rır.
Provinzialpfalsgrafen find koͤnigliche Richter. 72. waren Richter über die
unmittelbaren Freyen. 74. find auh Schultheißen des Herzogs. ꝛc. 80,
üben den Blutbann. 83. richten an ihrer Statt die Vitzthume und
Rentmeiſter auf. 85. haben das Megal der ——— tisteit. 85.
‚ deögfeichen die Oberaufſicht des koͤniglichen Fiſens, der Domainen und
Kammerguͤter. 89. ſind Kammerprocuratoren. 90. und folg. hatten den
koͤniglichen Bannpfenning ꝛc. 92. bey dieſen komte man gegen die Her—
zoge und Grafen Klagen anbringen. 95. kritiſche Mehnungen hierüber.
a Meynungen. * —
— Fe, Ko
BRapoto Pfathzrof hien in Baiern ein cum foleınne zu Chir tfe 77.
Reihsburggrafen. 95 \ 8*
Reichstag zu Forchheim i im Jahr 889. 3.
von Rück Grafen. 127. 128,
Regi bei
Sachſen muͤſſen den ki Königen jährlich einen Tribut won 300 Kuͤhen
entrichten. 27. muͤſſen noch jaͤhrlich 300 Pferde liefern. 28.
P. Scholinners Beantwortung der Frage: Wann , wie, und auf was Art
ift Arnulf der Cohn Luitpolds zum Herzogthum Baierm gekommen, und
— worinn beſtunden deſſen landsfuͤrſtliche Gerechtſamen ꝛc. 151. und folg.
von Stubeckeshorn (Hermann) war koͤniglicher Schultheiß in Se 57.
59. 82. 13% folg.
2*
Pre wird von dem auſtraſiſchen Hofe zum Herzog in Baiern gefest. 16.
Scheint ein Brudersſohn des Garibalds gewefen zu — ebendaſ.
Thaßilo ein Sohn des baieriſchen Herzogs Odilo folgt feinem Vater in der Re⸗
gierung. 19. muß im Jahr 757 dem Bipin feyerlich huldigen. 20. wie—
derruft den Huldigungseyd. 21. heurathet die longobardiſche Princeßinn
Luitberg. ebendaſ. wird durch den Papſt mit Pipin wieder ausgeſoͤh⸗
net. 22. leiſtet Carl dem Großen zu Worms im Jahr 78: den ver—
langten Eyd, und muß ihm auf zweymal 24 Geiſeln geben. ebendaſ.
wird abermal zu Carl dem Großen berufen, und nicht mehr in ſein
n Herzogthum gelaſſen. 24. mit ihm nehmen die Herzoge in Baiern aus
* dem agilolfingiſchen Stamme ein Ende. 26. macht Geſetze und Capitu—
Pe farien. 41. 16
Theodelinda Zochter des Geribalds fpielt auf dem longobardiſchen Thron eine
* ſehr beruͤhmte Role. 16.
Tpeodorich König. von Auſtraſien erorbert Thüringen. 10. wird genöthigt, in
ſein Koͤni zuruck zu kehren. ebendaſ. unter ihm muß der politi—
der Baiern mit der fraͤnkiſchen Monarchie entſtan—
den ſeyn. ebendaf. giebt denen Baiern Geſetze. ebendaſ. welches ers
> Iant t wird. 12. ind 3 De .
Theodorie falzaraf in Sachſen. 133. *
au Meynung von der vheinifchen Pfalz. 48- -50.
n ein Miflus ‚regius in —— 54.
Uebergab an das Stift S. * im Jahr 1223, 81.
— — 131, folg.
J—— Ver⸗
2 R € gi f Be,
Verbindung der Baiern mit der fränfifchen Monarchie it freywillig gefchehen.
27. ware unter deutfehen Voͤlkern nichts ungewöhnliches. 28. hieraus
entſtunden die Lehen. 29.
Verhaͤltniß der Reichsburggrafen gegen die Markgraſen, und der Pfalzgrafen
gegen die Herzoge. 95.
Vertrag zu Verdun. 187.
Vinſtgow, ein Viertel der Graſſchaft Tyrol, war eine terra Fiſcalis oder pa-
latina. 118.
Vvitzthume, deren Amt. 8 .
Urkund Herzog Leopolds in Baiern, uͤber einen Tauſch zwiſchen dem. Abt Erde
von Prüfling, und dem regensburgifchen Burggrafen Dito vom Jahr
1140. 91. a
Urfprung der Pfahgraffchaften. Sieh Pfalzgrafſchaft.
Waldkirch Kloſter. 124. folg.
Wicdins Güter werden im Jahr 993 confiſcirt. 75.
185
Abhandlungen
der
Khurbaieriſchen Akademie
iſſenſchaften
DBierten Bandes
11 Theil,
welcher
die philoſophiſchen Abhandlungen
in ſich begreift.
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Abhandlung
uͤber die
Preisfrage
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der vortheilhafteften Bauart der Defin und Pfan-
nen bey Salzwerken.
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EM Lenn mir in der Chymie mit Nutzen und Vortheil arbeiten
*wollen, muͤſſen uns die dazu gehörigen Werkzeuge bes
; ar kannt ſeyn. Wir müffen ihre Eigenfchaft wiffen, wenn
fie einander zu Hülfe fommen folen. Dieſe Eigenfchaften müffen
fi) zu einander ſchicken, fie müflen eine Verhaͤltniß zu einander
haben, Es hat immer ein Werkzeug eine beffere Verhaͤltniß zu dem
andern, als dag andere, und wir Fönnen fagen, dieſes oder jenes
ſchickt fi zu dem andern am beſten: wir müffen alfo die wählen,
fo fih am beften zu und in einander ſchicken, die die rechte Vers
haͤltniß zu einander haben.
Wir haben in der Natur einen Körper, ein chymiſches Werks
| zeug/ das wir Feuer nennen. Wenn wir deſſen Wirkungen zu
unſern Abſichten recht gebrauchen wollen, muͤſſen wir. feine Eigen⸗
ſchaften kennen, und ihm andere Werkzeuge, die ſchicklichſten Ge⸗
faͤße darſtellen, worinn es ſich am beſten bewegen und wirken kann.
Bey dem Saͤlzſieden haben wir verſchiedene Werkzeuge noͤthig, dus
Salz ‚aus dem, Waſſer zu befreyen und in trockener feſter Geſtalt
darzuſtellen. Hier wird, genug feyn , wenn ic) mic) nad) der vor⸗
| | 43 ge⸗
6° Bon Salzpfannen.
gelegten Frage nur um die Oefen und Pfannen bekoͤmmere; ich
wuͤrde aber vergeblich arbeiten, wenn ich deren Bauart angeben
wollte, ehe ich einige Eigenſchaften des Feuers unterſuchte, ſo als
das Hauptwerkzeug darinn wirken ſoll.
Ich laſſe alſo einige Betrachtungen uͤber diejenigen Eigen⸗
ſchaften des Feuers voraus gehen, die eigentlich nur bey dem Baue
der Oefen und Pfannen dienen koͤnnen, die andern ſo demſelben von
den Naturforſchern beygeleget werden, habe ich nicht noͤthig.
Die aus des Feuers Bewegung entſtehende Erſcheinungen
ſind es nur, die mir den ſicherſten Weg zu dem vorhabenden Bau
der Oefen und Pfannen bey Salzwerken, worinn es wirken fol
bahnen, diefen will ich folgen. |
Das Feuer ift ein fluͤßiger Körper und daher fehr beweg⸗
lich, es wird durch den Zutritt der Luft noch leichter, als das Waſ⸗
fer, bemweget feine Bewegung wird Durch fie vermehrt und‘ geftärket,
daß es heftiger in die ihm entgegen geftellten Körper wirket.
Die wellenförmige Bewegung flüßiger Körper, als des
Feuers und des Waſſers ift, nicht ihre eigenthümfich natürliche, fon
dern fie wird dur) den Stoß und Druck der Luft verurfachet,. und
man fieht daraus fo viel, daß diefer Körper ihre Bewegung in Bo⸗
gen, und weder nad) rechten noch) fpigigen Winkeln geſchieht.
Geſchieht ihre Bewegung nach Bogen, ſo wird ſie in einem Cir⸗
kel leichter von ſtatten gehen, als nach einer geraden Linie, welche
allemal mit einer Fläche entweder parallel fäuft, oder mit ihr einen
Winkel machet. .
Verſuch.
Man fuͤlle ein rundes Gefäß mit Waſſer, man bewege die
Hand in dem Waffer nah der Kundung des Gefaͤßes/ man bes
wege
‚Bon Salspfannen, 7
wege auch hernach, wenn das Waſſer wieder in Ruhe gekommen,
die Hand nach der Richtung des Durchmeſſers des Gefaͤßes, als
nach einer geraden Linie. In dem erſten Falle wird man wenig
Widerftand fühlen, und das Waſſer fehr leicht nach dem Cirkel des
Gefaͤhes in Bewegung bringen, fo, daß es nad) herausgezogener
Hand fi) lange Zeit nach der einmal erhaltenen Eircularrichtung zu
bewegen fortfähret. In dem andern Falle ereignen ſich ganz ans
dere Erfcheinungen. Der Widerftand an der Hand ift größer, und
die Bewegung des Waſſers weder fo leicht, noch fo einförmig, noch.
fo lange anhaltend,
Ich Schließe daher: Die Bewegung flüßiger Körper in einem
Cirkel fey ihre natürlichte , und ſonderlich dem Feuer mit dem Waſ⸗
fer gemein , zumal da e8 durch Den Zutritt der Luft und Deren waͤſ—⸗
ferige Theile , indem fie von dem Feuer ausgedehnet werden, ans
geflammer und. beweget wird. Die einzige Erſcheinung ift dem
- Feuer eigen, daß es von der Erde fi) in die Höhe beweget, daß
diefer Umftand aber von der Das Feuer umgebenden Luft und ihrem:
Drucke herrühre, wird in der Naturlehre erwiefen.
Nimmt man die Luft weg, wie mit der Kuftpumpe unter
einer gläfernen Glocke, fo fenkt fih bekanntermaßen erft die Spike
der Flamme eines brennenden Fichtes , fie breiter fih an den Geis
ten aus, wird faft ganz rund, und fie würde einer völligen Kugel
ähnlich werden, wenn man alle Luft unter der Glocke wegnehmen
koͤnnte, fie wird wegen ihrer Nundung beweglicher, weil nicht mehr
fo viel Luft auf fie Drücker, fie hebt ſich, breiter ſich nad) allen
Seiten aus, fie verlöfchet, fie wird unfern Augen unfichtbar. Eben
dieſe Erfcheinung bey der Lichtflamme fieht man in den. Bergwer⸗
Ten, wo matte Wetter, oder allzumarme, ftehende Luft ſich befindet.
Die Spige einer Flamme ift fähig, fich in eine Cirkelflaͤche
bringen zu laſſen.
| Ders
g WVon Salzpfannen.
ne Merfuch.
Moan nehme ein Stück weißes Blech, fo überall gleich und
eben ift, hänge es vecht horizontal mit der einen Fläche über die
Spitze einer recht ftille brennenden Licheflamme, fo, daß fie ein
wenig damit gedruckt wird, fo legt fie eine cirkelrunde Fläche von
I
Ruß an die Fläche des Bleches. Mit einem weißen Wachslichte
"geht diefer Verſuch am beften von ftatten.
Verſuch.
Man halte eine ganze oder halbe Kugel, etwa fo groß, als
ein Spielball, von weißen Thon , oder einem Metall, ſenkrecht
über die Slammenfpige eines recht ftille brennenden weißen Wachs⸗
lichtes, fo theifet fih die Flamme nach der runden Fläche der Kus
gel auf allen Seiten gleich ‚ und breitet ihr Feuer und, Ruß dahin
aus; man nehme hingegen: einen würfelförmigen Körper von:eben:
der Größe und Materie, und halte ihn entweder mit: einer Flaͤche,
oder einer Ecke, oder wie man nur will, der Flammenſpitze ſenk⸗
zecht entgegen, fo wird Diefe Erſcheinung nicht erfolgen.
Erfahrungen
An dem Orte meines Aufenthalts hat man. vierecfigte —
runde Glasoͤfen gebauet; nad) genauer Aufmerkſamkeit aber hat ſich
befunden, daß das Feuer in den runden viel beſſer gewirket, und
ſie ſind beybehalten worden; denn in dieſen ward Das Glas in allen
Haͤfen zugleich gar, in jenen aber muſten die Haͤfen in den Ecken
2 Stunden länger ſtehen, ehe das Glas darinne gar wurde.
Der innere Raum der Oefen zum Kupfer⸗ und Bleyſchmel⸗
zen wird gewoͤhnlicher Maffen vieredfigt gemacht ;-man fieht aber
am Ende z. E. eines 8 tägigen Schmelzens , wenn der Dfen nad)
der Huͤttenleute Mundart ausgeblaſen wird , daß die Ecken in dem
Dfen
Don Salzpfannen, ‘9
Ofen dergeftalt mit Ofenbruch und Unart von Erzen ausgefüle
find, daß der vorherige vierefigte Raum des Ofens nunmehr ei
nen cylindrifchen ähnlich geworden , welchen das Senn mit Beytritt
der Luft alſo geftaktet hat.
In Engelland werden die Kalk: und Glasoͤfen rund gebauer,
Die Gebäude, morinn die Glasoͤfen zu Briſtoll ſtehen, find hohe
runde Fegelfürmige Thürme, fo zugleich die Schlöte abgeben, den
Dampf und Rauch der Steinkohlen defto beffer abzuführen. In der
ganzen Natur, wo ſich flüßige Körper bewegen müffen , find die
Gefaͤſſe dazu rund,
In dem Thierreiche beweget ſich das Blut und andere Säfte
der Thiere i in runden Gefäffen und Höhlungen.
In dem Pflanzenreiche bewegen ſich die Saͤfte der Pflanzen
in runden Staͤmmen und Stengeln, deren Saftroͤhren von gleicher
Geſtalt find.
In dem Mineralreich machen ſich die fluͤßigen Körper, als
ſonderlich das Waſſer ihre Hoͤhlungen und Gänge , wodurch fie
fließen, rund. Gutta cavat lapidem. Der ſchieferartige Kalkſtein
hat ganz kleine runde Loͤcherchen, ſo vom durchdringenden Waſſer
entſtanden. Die Roͤhrchen des Filtrierſteines find rund.
In dem metorifchen Reiche umgiebt die Luft und der Aether
die runden Körper des unermäßlichen runden Raumes der Welten,
J
a Die neuern Naturforfcher haben e8 ausgemacht , und bes
wieſen, daß die große Bewegbarfeit flüßiger Körper von der runden
Figur ihrer Theile herkomme. Ich ſchließe atfo 3 find die Theile
flüßiger Körper rund, fo werden fie fih auch in einem runden Ge-
faͤſſe leichter bewesen , als im einem ‚Gefäffe von anderer Figur,
Da num das Feuer ein flüßiger Körper iſt, ſich ſehr leicht bewegen
U Theil, W Bandes, 3 laͤßt,
1
ao Von Salzpfannen.
laͤßt, und bey der Bewegung vor fich felbft gern eine runde Figur
annimmt/ ſo muß es ſich auf alle Seiten gleich weit von feinem
Mittelpuncte bewegen; bey einer viereckigten Figur hat dieſes nicht
Statt. Wer fieht affo nicht ein, daß Pierunde Figur eines Ge
fäffes oder Behältniffes, worinn, oder worann das Feuer fich bes
wegen und feine Wehne thun foll, ſich beſſer für ihn ſchicke, als
jede eckigte.
Vieleicht iſt auch die runde Figur deswegen ſelbſt von er‘
großen Schöpfer aller Dinge zur Faſſung flüßiger Körper gewaͤh⸗
let worden, weil fie diejenige ift, fo fih zur Bewegung derfelben
am beften ſchicket, und mehr dem Innhalte nad) faſſen Fann, als
eine andere , deren dußerfte Seiten der Peripherie einer runden
gleich find. Ich fehließe hieraus : Die runde Bauart der Defen
und Pfannen , worinn und worann fi Das Feuer, als ein flüßis
ger Körper bewegen und wirken foll, ift die natürlichfte , die vor⸗
theilhaftefte, die befte. Dieſen Betrachtungen ift noch beyzufügen,
Daß der Zutritt frifcher Luft zu der Bewegung des Feuers nothwen⸗
dig, ja unentbehrlich ſey.
Das Feuer wird heftiger , wenn der Zutritt der Luft zum
Feuer von unten hinauf Durch einen Noft nad) dem Feuer gehet.
Denn nur ein einziges Afchenloch ift, wodurch die Luft unter dem
Roſt ziehen kann, brennet Das Feuer beffer, als wenn mehrere Def:
nungen in dem Afchenheerde find ; c8 wär dann, daß man zwifchen
zwoen Defnungen des Afchenheerdes eine Scheidewand bis unter den
Roſt machte, fo würde der Zutritt der Luft vermehrer ,„ und das
Feuer deſto heftiger brennen.
Wenn der Dfen oben oder an den Geiten nur kleine
Defnungen und lange Feuers» oder Rauchroͤhre bat, iſt das. Feuer
—ve⸗ als wenn die aa des Ki ſeht weit⸗
* und
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Don Salpfannen 11
und die Rauchroͤhren kurz ſind. Wenn das Feuer durch einen
ſtarken Zug der Luft auf einen Körper getrieben wird, fo brenner
es heftiger, und wirket Eräftiger auf den Körper f au wenn es in
freyer Luft vor ſich brennet. —
Wo das Feuer in einem verwahrten Ofen guft und Def-
nung findet, es mag über fich oder auf der Seite feyn, da zieht
ſich deſſen Flamme hin.
Den meiſten Naturforſchern hat der Be des Feuers
rapidiflimus und Bier gyralis gefchienen, und er iſt es auch in der
That.
Ehe ich aber nad) diefen vorausgefesten Betrachtungen über
das Feuer den Bau der Defen ımd Pfannen bey. Salzwerken ans
ftelle , muß ich einige Fehler der bisherigen Bauart anzeigen,
denn ohne Erkaͤnntniß derfeiben hat deren Verbefferung nicht Statt.
Die bisherige Bauart der Defen zu Salzpfannen ift von den ges
woͤhnlichen Brauoͤfen wenig unterfchieden gewefen , ‘man hat von
Zeit zu Zeit allerley Verbeſſerungen dabey angebracht ; fie haben
auch, gegen die gar alte Bauart gehalten, ihren Nugen gewiefen,
man. hat fie aber dennoch nicht von allen Fehlern frey fprechen koͤn⸗
nen. Die jegigen gewöhntichen Defen bey Salzwerken, fo insge⸗
mein laͤnglicht, vierecfige mit dergleichen Roͤſten in dem Heerde und
Feuerzügen um die Pfannen gebaues made find noch die —*
fie haben aber folgende Fehler: RT
7) Der Raum des Heerdes, fonderfich bey großen Pfannen,
iſt zu groß, und in den Ecken die Hitze allezeit geringer als in
dem übrigen Raume des Heerdes, fo auch don Den Seiten gilt.
2.) Die Züge um die Seiten der Pfaune ſollen die Hitze
aus dem Heerde dahin fuͤhren, damit die Sohle nicht nur in der
Mitte, fondern auch an den Seiten der Pfanne koche; dieſer
B 2 Zweck
i2 Bon Salspfannen,
Zweck aber wird nicht recht erhalten, Denn der Rauch geht mit der-
Hitze zugleich in die Züge, legt fih darinn auf allen Seiten ftark
an, fo, daß die ohnehin fehon während dem Durchgange Durch die
Züge verminderte Hitze, wegen des ſtark angelegten Ruſes an die
Pfannenfeiten feine rechte Wirkung thun kann, zu geſchweigen, daß |
fi) die Züge, wenn fie nicht inmmer gereiniget werden , worum ih
auch die Arbeiter wenig befümmern, mit Ruß veritopfen , und here |
nach das Feuer im Ofen nicht vecht —555 will, ſondern nur die
Zeit darüber verborben wird. |
|
3.) Der Roſt in dem Heerde ift insgemein fat fo Fang als
der Heerd, und die Breite des Roſtes macht ein Deittel der ganzen
Dreite des Heerdes aus. Ein ſolcher Roft muß viel Holz koſten, und |
gar zu viel friſche Luft in den Heerd hinein laſſen. i
4.) Da aud) der Heerd plat ift, fo fallen viele Kohlen und
Braͤnndte auch Die andern beyden Drittel Des Heerdes neben dem Roſt,
wo ſie außer der Anfachung der Luft liegen bleiben, und die
erforderliche Wirkung thun.
— 6 Vorn bey dem Schuͤrloche an * Bade Seiten und
in den Ecken des Dfens iſt wenig Hitze, fo dag die Sohle in der
‚Pfanne über dieſen Gegenden nicht leicht zum Sieden gebracht wird,
fondern der Zug der Flamme und der Hitze geht gerade hinter nach
der Stirne des Dfens: in’ die Löcher der Züge, f fange fie nicht mit
Ruß verftopfer find. Eben dieſes geſchieht bey Defen, deren Heer⸗
de mit feinem Roſte verfehen PR weil da die Luft Das Feuer durch
| das Dfentoch anblafen muß.
| 6) Man richtet die Pfannen nach den Oefen, und da die⸗
ſe noch fehlerhaft find, ſo hehmen auch die Pfannen an den Feh⸗
ken der Oefen Theil, und man ſieht, daß Die Sohle nur in der
Mitte und an der Stimme des Ofens ſiedet.
wu)
Don Salzpfannen. 18
FT Man macher jego fehr große Pfannen, 24 Fuß in die
Bänge, und 18 Fuß in die Breite, in der Meynung viel Satz auf
einmal zu machen; wenn man aber das greufiche Feuer und Holk
betrachtet, fo zu Heitzung folcher großen Pfannen erfodert wird;
und dennoch die Sohle nicht Überall gleich in felbigen ſiedet, über
dieß auch viel länger Zeit dazu gehöret ; che dergleichen ganz und
gar abgefotten , und voll Salz wird , fo ift nicht wohl erweislich,
Daß dergleichen große Mannen bey dem Salzſieden viel Nutzen
ſchaffen; Darf ich aber nur ein mittelmäßiges Feuer ig einem Dfen
zu meinem Zwecke unterhalten, fo ift Eundbar ,. Daß, wenn ich ein
Stuͤck Hoi; in felbiges werfe, 68 eine lange Zeit zu brennen anhalte;
werfe ich e8 aber in ein fehr großes Heuer + fo wird es ſchnell ver⸗
zehret.
8.) Die jetzige Anlage mehrerer Pfannen in —— Linie
hintereinander, ſelbige alle mit einem Feuer zu heitzen, wie bisher
bey vielen Salzwerken gebraͤuchtich geweſen, iſt nicht die Beſte.
Flamme und Hitze hat einen zu weiten Weg, ehe ſie unter die
letzte Pfanne koͤmmt; je weiter beydes fortziehen muß, je mehr ver⸗
mindert es ſich, und verlieret feine Kraft zu wirken. Der Durchs
zug der Flamme und Hise ift zu ſchnell durch Den Zug unter der
Pfanne hin, wodurch aud) die Hige unter der eriten , unter welcher
Das Feuer brennet, zu fehr vermindert wird, daß die Sohle in die=
fer Panne weder vorn bey dem Dfenloche , noch an den Seiten
zum rechten Sieden gebracht werden kann ; denn gleich in der an⸗
dern daran liegenden Pfannne ift Fein Sieden. oder Kochen ‚der
Sohle mehr zu ſpuͤhren, und in der dritten Pfanne wird die Sole
Faum warm. Diefer Schnelle Durchzug der Feuerfiamme und Hise
verleitet die Arbeiter nur deſto mehr Holz anzulegen.
9 Dieſe Anlage verſchiedener Pfannen hinter einander ver⸗
urfachet auch fehr lange Gebaͤude/ welche zur Arbeit unbequem find,
B 3 10.) Der
14 | Bon Salzpfannen.
10) Der Boden in einer vierecfigten Pfanne ſenket ſich
bie und da, er wird ungleich, bucfelicht, und die Arbeit bey dern.
Ausftechen des Salzes befihwerlid. Durch Das Senken des Bor
dens, fo aus der durch das heftige Feuer am Bleche der Pfanne
verurfachten Fiegfamkeit und der- Schwere der großen Menge Sohle
entftehet, wird auc der Nand der Pfanne aus feiner Figur getrie⸗
ben; daß derfelbe fich nicht mehr recht in Die Figur des Dfens fchis
et, und des Verſchmierens um die ‘Pfanne nimmt kein Ende,
wenn nicht ein beftändig fehädficher —* und Dampf in dem
Salzkothe ſeyn ſoll.
Nachdem ich einige Betrachtungen uͤber das Feuer, als ei⸗
nes flüßigen, beweglichen und wirkenden Koͤrpers voraus gefegetr
und etliche Hauptfehler der bisherigen Bauart der Defen und Pfan⸗
nen bey Salzwerken angezeigetr jene durch Verſuche und Erfah—⸗
zungen befiätiget habe, dieſe aber vor ſich befannt find, und bey
den Salzwerken gar zu deutlich in die Augen feuchten; fo kann
ic) nunmehr meine neue Bauart nad) den erftern deſto kecklicher
einrichten, und den legten deſto zuverlaͤßiger abhelfen.
Der Bewegung des Feuers ſollen hier Koͤrper entgegen ge⸗
ſetzet werden, in und an welchen es ſeine Wirkung thun ſoll. Die⸗
ſes ſind der Ofen und die Pfanne mit der Sohle. In dem Ofen
ſoll es ſo wirken, daß es ſeine meiſte Kraft gegen die Pfanne bringe.
An der Pfanne muß es dahero ſo anſchlagen, daß ſeine Wir⸗
kung daran gleichfoͤrmig geſchehe; dieſe bey dem Vortheile zu erhal⸗
ten, muß ich mich bey dem Baue des Ofens nach des Feuers natuͤr⸗
lichſter Bewegung richten.
Da nun des Feuers natuͤrlichſte Bewegung in einem Cirkel
ceſchieht, wie oben erwieſen worden, fo werde ih im Stande
kon, mit einem cirkelfoͤrmigen Dfen und Pfanne feiner Bewegung
zu
— —
Bon Salzofannen 15
zu Huͤlfe jr kommen, und es in feiner Be Richlungslinie
zu verſtaͤrken.
Der Bau des Ofens im Ganzen und erſtlich überhaupt be,
trachtet, foll diefer feyn: der ganze Ofen A, Tab, II, III. nach feiner
innern Einrichtung, fey Eirkel rund, aus angeführten Urfachen,
Der Feuerheerd mit dem Roſte B fey rund in dem Mittelpuncte dag
Dfens, die Flamme des Feuers gegen den Mittelpunct der Pfanne
zu treiben, und die Dige nach ihrer Peripherie gleich auszutheifen.
Die Größe des Dfens und der Pfanne D. Tab, I. I, IL iſt
zwar willführlich, Doch wird der Raum des Meerdes zwifchen dem
Dfen und der Pfanne nad) den verfchiedenen Gattungen der da—
zinn zu brennenden Materialien eingerichtet werden muͤſſen. Bey
denen, ſo ſtarke Flamme geben, als das Holz, wird der Raum des
Heerdes nebſt dem Ofen und der Pfanne groͤßer gemacht werden
koͤnnen, als bey Steinkohlen und Turf.
Das Ofen-oder Schuͤrloch C. Tab. III. ſey fo groß, daß
die zum brennen beſtimmten Materialien dadurch bequem koͤnnen in
den Ofen auf den Roſt geleget werden, es muß nur nicht allzu⸗
groß ſeyn.
Damit der innere Raum des Ofens nicht zu groß werde⸗
und ſich die Hitze des Feuers mehr nach der Pfanne ausbreite, fo
ziehe man den Ofen um den ganzen Roſt herum gegen den aͤußer⸗
ſten Rand der Pfanne in die Hoͤhe, fo wird die ſich an dem Mit-
felpuncte der Pfanne gleich austheifende Feuerflaimme beffer an ver
Pfanne erhalten, und Fein unnüger Naun im Dfen mit Feuer und
Hitze angefüllet werden dörfen, die gegen die Pfanne Feine Wir-
Eung thun koͤnnte; denn je mehr man die Hitze jufammen haften
Tann, defto kraͤftiger wirket fie, und wird mit wenigen Holje uns
erhalten werden koͤnnen.
KR Dr
16 Von Salzpfannen.
Der Grund des Ofens fey zumal an einem feuchten Orte,
wo möglich mit einer Creutzabzucht verfehen, die Feuchtigkeit das
durch abzuziehen, man mache den Grund, wie gewoͤhnlich von
Bruchſteinen. |
Das AfchentochE, Tab. III. wodurch zugfeich vermittelft der
Luft das Feuer angeblafen wird, laſſe man mis feuerbefkändigen
Eandfteinen ausmauern.
Der Dfen feldft über dem Afchenfoche, von dem unterſten
Roſte an, werde von feitgebrannten guten Backſteinen aufgemauert,
und mit an der Luft getrockneten feuerbefiändigen Thonziegeln ine
wendig, mie cin Glasofen gefüttert. Oben um den Kranz befege man
den. Dfen mit Werkjtücfen non einem feuerbeftändigen Sand dſteine.
Der ganze Ofen wird der Bequemlichkeit wegen, wie es
auch ſonſt zu geſchehen pflegt, meiſt in Die Erde geſetzet. Die aus⸗
mwendige Seite des Dfens laffe man ringsherum mit Bruchſteinen
einfaſſen, und ſolche mit Thon, oder Kiesſand gegen die Erde ver⸗
ſchießen, ſo wird man einen feſten und dauerhaften Ofen erhalten.
Ich komme nunmehr zu der eigentlicheren Beſchreibung der
Theile eines ſolchen Ofens, und will von deſſen Mittelpunct an⸗
fangen,
Der Koft B, fey doppelt, der oberfle von wohl getrockne⸗
ten feuerbeſtaͤndigen thönernen Back⸗ oder Ziegelfteinen, oder auch
wohl gebrannten gewoͤhnlichen Ziegelfteinen , an feiner unten Flaͤ⸗
ehe gemölbet, und auf der obern ganz eben: ausgegleichet, mit eines
Ziegelfteineg großen Fächern, wie Fig. I. Tab, III. im Durchmeſſer
4 Fuß gemacht.
Der oberſte Roſt fey weiter als der unterſte, damit die
großen Brännte auf dem obern, und die Heinen dDurchgefallenen
| Kohlen.
Don Salpfannem 17
Kohlen auf dem unterften Roſte defto beſſer von dem Luftzuge moͤ⸗
gen angefachet, verzchret, genutzet und Fein Roſt fo leicht verſetzet
oder verſtopfet werden.
Man koͤnnte auch den oberſten Roſt, wie Fig. 2. Tab, m.
vorgeſtellet iſt, von feuerbeſtaͤndigen bey Glasoͤfen gebräuchlichen
thoͤnernen Brandraiteln Fig. 3. machen, und ſie 3 Zoll weit von
einander legen, dahingegen jeder Brandraitel 6 Zoll ſtark und wie
Fig. 3. zuſehen, ausgeſchnitten ſeyn muß; es muͤßten aber zwey und
zwey dergleichen Brandraitel mit den Koͤpfen gegen einander auf
ein Unterſtuͤtzungsmaͤuerchen, ſo uͤber dem unter dem unterſten Roſte
ſtuͤnde, geleget werden; doch wird die erſte Art, weil ſie gewoͤlbet
wird, feſter und dauerhafter, alſo dieſer vorzuziehen ſeyn.
Der unterſte Roſt Fig. 4. Tab. III. ſey von eiſernen vier⸗
eigen 13 Zoll dicken Staͤben gemacht; fie muͤſſen aber nur 12 Zoll
weit von einander auf eine ihrer Ecfen Über ein Unterftügungsmäuers
hen, fo den Afchenheerd aus der Mitte des Afchenloches theilet, eins
geleget werden. Die Höhe zwiſchen dem oberfien und unterften
Roſte fey ı Fuß,
Die Grundfläche des Afchenheerdes fey rund, und babe 6 Fuß
zu ihrem Durchmeffer. Mach oben zugegen den unterften Roſt wird
diefer Deerd gewoͤlbet. Das Aſchenloch in diefem Heerd ſey 2 Fuß
hoch und 24 Fuß breit.
Die Höhe des Afchenheerdes von feiner Grundfläche bie an
den unterften Roſt, fey 24 Fuß.
Zwifchen dem Afchens nd Schuͤrloche fey noch ein kleine⸗
‚368 Loch F. Tab, III, von 8 Zoll ins Gevierte, Damit durch felbiges
den Nöften mit Aufichären der Kohlen und Brännde, wenn fie
fi) ja verſto fen ſollten, Enns geholfen und Luft gemacht werden,
» Bandes, U Theil, C Vor
i8 vBon Salzpfannen.
Bor dieſes Koch ſetzet man einen feuerbeſtaͤndigen Sandſtein, oder
macht ein eiſernes Thuͤrchen vor, das Loch in waͤhrendem brennen des
ri zuzuhaͤlten.
4 Des Feuerheerdes Höhe fey von dem Mittelpuncte des obers
fen Noftes 2: Fuß bis G Tab. III. wo der Feuerheerd auswaͤrts
—* wird, fo, daß vor den Abſatz h Tab. IT III zu dem Aufs
gen des Holzes 3 Fuß kommt. Die Ausbiegung des Dfeng ſteigt
bis an die Rauchloͤcher K Tab. I des Dfens nad) und nad.
Der Durchmeffer des runden Feuerheerdes richte fich nach der
Länge des Holzes , fo darinn gebrannt werden fol. Wäre die
Gcheiterlänge 4 Fuß, fo Eönnte deſſen Durchmeſſer 6 Fuß feyn,
das Holz ohne Anftoß bequem auf den Noft zu legen. Damit aber
die Scheiter nicht platt auf den oberften Roſt zu liegen kommen, fo
mache man gleich über dem oberften Roſte rund herum an den Geiten
des Feuerheerdes einen Abfag h Tab. I II III von Feuer beftäns
digen Thonziegeln oder dergleichen Sandfteinen ı Fuß breit, und
6 Zoll hoch, worauf ihre beyden Ende ruhen, bis fie in der Mit:
te entzwey gebrannt, und die Brände fi) herunter auf den obern
Roſt -fenken ; wenn wieder Holz nachgeleget , und übereinander ges
fehränfer wird, fo bleiben immer genugfame Zwifchenräume zwifchen
den Dränden und frifch aufgelegten Holze, Daß Feines das andere
verdämpfen, fondern die Luft durch den Roſt alles gehoͤrig anbla—
fen und im Brand erhalten kann. Das Holz , wenn man e8 ale
Eorden über die Peripherie des Roſtes mit den Enden auf den Abs
ſatz aufleget, wird ſich gut übereinander ſchraͤnken laffen.
Wollte man aber lieber das Scheiterhofz ringsherum in dem
Dfen mit dem einen Ende auf den obern Noft auf und in die Höhe
ftellen ; welches allemal mit dem unterften Ende, fo im Stamme
nach der Erde zugeſtanden hat, geſchehen muͤßte, ſo leicht an
der
Bon Salpfannen, 9
der Größe der Holzringe oder Jahrwuͤchſe, auch an den Aeſtmaͤh⸗
lern zu ſehen iſt, ſo wuͤrde die Flamme unter der Pfanne auch wei⸗
ter auf einmal ausgebreitet werden, und das Feuer deſto beſſere
Wirkung gegen die Peripherie der Pfanne thun: doch muͤßte in
dem Fall der Ofenheerd, gleich vom obern Roſte an, eine ſolche
erhabene Schraͤge bekommen, daß die Scheiter von ſich ſelbſt nach
dem Roſte, mie fie nach und nach abbrennen ‚- herunter glitſchen
Fönnten denn Holz, fo in die Höhe geftellet werden kann, wie es
von der Erde aufgewachſen, brennet nad) gemachter Erfahrung beſ⸗
ſer, als welches das Feuer an den Seiten berührt. Hierzu ſetze
ich noch folgenden Perfuch, welcher das kurzvorhergeſagte —
wird.
J
ri Berfuch,
Man nehme einen langen Span von buchenem oder deck
Holze, insgemein eine Echleuße genannt , womit die Bauern auf
dem Sande fich in ihren Häufern zu feuchten pflegen , und zünde ihn
gegen den Wuchs oder gegen den Span an; mag dieſes heiße, wird
ſich zeigen, wenn man ihn ein wenig bieget, ſo wird man ſehen, daß
er nicht brennen, ja wohl gar das Feuer daran verloͤſchen will. Zun⸗
det man ihn aber an dem andern Ende an , fo im Wachfen nach
der Erde zu geſtanden hat, fo brennet er ſeht gut for,
Das Hot hat: Saftröhren , mworinn der Saft: oder das
üßige Wefen , fo zum Wachsthum des. Holzes dienet, ſich von
den Wurzeln des Stammes in die Hoͤhe nach den Gipfeln zu bewe⸗
get. Diefe Saftroͤhren enthalten allemal, zumal im harten Holjze,
wenn es auch, gleich ſchon umgefchlagen it, und noch fo lang ge⸗
legen hat, noch Fuft und Feuchtigkeit. Diefes beydes wird bey dem
Anzʒuͤnden Durch die Wärme verdünnet , ausgedehnet , und biäfet
als ein Wind oder Dampf zu dem obern Theile der Saftroͤhren
Riaue gegen das Feuer wenn das Holz gegen den Span, und
4 C2
ao
29 Don Salspfanneit.
alſo an dem unrechten Orte angezündet wird , und verhindert das
Tortbrennen des Feuers an dem Hole: Zündet man aber das
Holz an dem Ende an, fo im Wachjen nach der Erde zu geftanden
bat, fo treibt das Feuer die in einen Dampf oder Luft verwandelte
Feuchtigkeit vor fich her zum Holze heraus, und Die Flamme des
Feuers gehet deſto ungehinderter , ftärker und frifcher an dem Holze
fort. Es iſt alfo viel daran gelegen, dag man das Holz; dem Feuer
mit dem rechten Ende entgegen ftelle, wenn es gut brennen foll: auch
wird hieraus folgen, daß, wo mit Wafen oder Reißigwellen gefeuert
wird, man folche nicht mit den Ruthen, fondern mit den Stamm⸗
enden in den Ofen ſtecken muͤſſe.
In den Dfen muß man das Holz bequem einlegen, und das
euer nach Gefallen regieren können , dazu it ferner nöthig ein
Ofenloch C Tab. II 2 Fuß hoch, und 2 Zuß breit.
Das Afchen- und Dfenloch merden jedes mit einer eifernem
Thür verfehen „ in welcher wieder ein feines Thürchen von 5 Zoll
hoch, und ı Zuß breit feyn muß, um dadurch an der Ofenlochsthüre
nad) dem euer zu fehen , und mit dem andern am Afchenloche den
Luftzug gegen den Roſt im Dfen zu vegieren „ Denfelben entweder
dadurd) zu vermehren, oder zu vermindern. Damit aber die großen
Thuͤren recht fehließen, muß das Ofen⸗ und Afchenloch von gehaue⸗
nen feuerbeftändigen Sandjteinen gemacht und gefüttert werden.
Das Dfenloch fteht mit feinem Fuß der obern Fläche des Abfagee
im Seuerheerde gleich. Die oberfte Defnung des Dfens, wo die
Pfanne eingehangen wird, foll dieſesmal reichlich 12 Fuß im Durch⸗
meſſer haben , damit eine Pfanne von ı2 Zuß im Durchmeſſer
darein paßt. |
Unter dem Dfenkranz werben um die Pfanne 4 Rauchloͤcher,
welche 10 Zoll hoch, und 14 Fuß breit feyn koͤnnen, in gleichen
in & Ents
|
Bon Salzpfannen. 21
Entfernung voneinander gemacht, wenn der Ofen nur eine I fans
ne heißen foll, dadurd) den Luftzug zu befördern , und den Rauch
durch Eleine gemauerte. Schlöte von ı Fuß im Fichten , entweder
perpenticular oder horizontal durch das Koth abzuführen, zugleich
‚aber auch das Salzkoth zum abtrocknen des Salzes warm zu halten,
Die ganze Höhe des Dfens von der Grundfläche des
Aſchenheerdes und deffen Übrige Biegungen zeigen die nach beygefügs
tem Masftabe gefertigten Riſſe. Der Dfenkranz wird um die Seite
der Pfanne herum bey L Tab. II, III ausgefchnitten , daß die Hige
des Feuers zwifchen den Kranz und die Pfannenfeite fchlagen Fann.
In dieſen Dfen wird eine runde Pfanne D Tab. III einge⸗
bangen, darinn die Salzſohle zu verfieden,
| Der Bau derfelben ift folgendermaßen z Cie wird von
ſtarkem eifernen Pfannenbleche gemacht, und die Bleche, wie ge
woͤhnlich, feit aneinander genietet. Es wird wohl gechan feyn, Die
Bleche zu dergleichen runden Pfannen auf einem Blechhammer, bes
fonders nach der Zirfeffläche des Pfannenbodens machen zu laffen,
welches die Arbeit des Pfannenfhmiedes erleichtern, und verkürzen
auch in der Arbeit Feinen Abgang vom Bleche verurfachen wird.
Ahr Boden foll fih von der Peripherie bis an das Centrum
um 6 Zoll fenfen, damit da, wo unten dag ftärkfte Feuer und His
Ge anfihlägt, die meifte Sohle zuftehen Fommen , und die Feuer
Flamme in dem Ofen fid) an ihrer Convexitaͤt deſto beffer theifen
Eönne ; an der Peripherie foll die Pfanne nur ı Fuß tief ſeyn,
damit die Sohle auch mit der in dem Mittelpuncte zugleich fiede.
1 In dem Mittelpuncte der Auferften Seite des Pfannenbos
dens, two Die Epige der: Flamme: anfchlägt , und am heftigſten
wirket, Tann entweder ein. großes rundes Blech noch Über dieß ans
—* C3 genie⸗
22 Don Salzpfannen.
genietet, oder diefe gegen das ‚Verbrennen mit einer DR
verſehen werden.
In dem inmendigften Mittelpunete der Pfanne fol an dem
Moden ein eijern:s ſtarkes Oehr angenietet werden, um ſie an eine
Kette, oder eifernen Ctat mit zwey Hacken, an die Hölzer, woran die
Pfanne ander Peripherie hängt, zu befeſtigen.
Auswendig verfehe man fie mit 4 eifernen Staͤben N Tab,
TIT über dag Kreutz, welche oben an der Peripherie der Pfanne mit
Oehren O gemädht feyn muͤſſen/ daß man die Pfanne daran in den
Dfen haͤngen, und die Gatzkörbe bey dem Herausnehmen des Sal⸗
zes auf die Hoͤlzer ſtellen koͤnne. Das Blech der Pfanne um ihre
Peripherie muß um 3 Zoll ausgebogen ſeyn, damit dieſer ausgebor
gene Rand zugleich auf dem Kranze des Dfens ruhe r wozu in dem
Krane ein Fatz einzubauen iſt, auf diefe Art wird die Pfanne mit
der Sohle genugfame Ruhe über dem Feuer haben, und ſich ac
wieder leicht aus dem Ofen nehmen laſſen.
Die Pfanne wird, wenn mit Holz gefeuert wird, fo —
haͤnget, daß ſie mit dem Mittelpuncte ihres Bodens 33 Fuß von
dem Mittelpunete des obern Roſtes abſtehe, mithin die ganze Hoͤhe
des Ofens mit der Pfannentiefe vom oberſten Roſte s Fuß betrage.
Da die Pfanne als ein Gewölbe anzufehen ift, wird fie
von der Hitze nicht krumm gezogen werden, folglich nicht leicht Bu⸗
cEel in ihrem Boden befommen , welche bey den bisherigen Pfannen
gar leicht entſtanden. Auf ſolche Weiſe waͤre der Bau eines Ofens
mit einer Pfanne von 12 Fuß im Durchmeffer zum Salzſieden voll⸗
braͤcht. Ich habe eine mittlere Größe für den Ofen mit einer Manz.
nie, wegen bequemerer Handthierung im felbiger angenenynen; und
man fieht leicht ein, daß diefe Größe und Vorrichtung kein gar
großes Gebäude Darüber erſodern werde, fo etwa achteckigt zu mas
N en
Von Salzbfannen. u re
rn wäre. Wollte m man aber einen Ofen mit einer größern Pfan⸗
ne bauen, ſo wuͤrde ſich aus vorhergehender Anlage auch gar leicht
die Proportion dazu finden laſſen. Zu dem Aſchen- und Ofenloche
hinunter wird eine fteinerne geraume Treppe P Tab. I, III von etli⸗
chen Stuffen angeleget , welche bey ihrem Anfanae 6 bis 8 Fuß, und
bey dem Aſchen⸗ und Ofenloche 5 Fuß breit feyn fan 4... 04
Es iſt oben gefagt worden, daß bey verfchiedenen Salʒ⸗
* mehr als eine Pfanne hinter einander von einem Feuer ge⸗
heiget werde; ich habe auch. die Fehler diefer Anlage dafelbft gezei⸗
get: die ganze Sache aber an ſich Desivegen nicht verworfen; ſon⸗
dern bin vielmehr der Meynung, daß, wenn mehrere Pfannen bey
rechter Anlage, von einem Feuer können zum gelinden Abdunſten
der Sohle, als einem mefentlichen Stücde bey den Salzſieden, ano
gebracht werden, dieſes einen fehr beträchtlichen Nutzen fchaffen-
muͤſſe. Ich mil alſo verfuhen, ob ſich Die Bauart eines runden,
Dfens mit einer dergleichen Pfanne, wierich beydes. im vorherge—
benden angegeben, zu einer vortheilhaften. Anlage mehrer Pfan⸗
nen ſchicke.
Daß ſich die Hitze in einem runden Ofen, welcher um ſeine
obere Peripherie mit Rauchloͤchern, oder Rauchroͤhren verfchen if,
überall gleich ausbreiten muͤſſe, ift aus feiner Vaart der Bewe⸗
gung des Feuers und dem ⸗Zutritte der Luft mehr als zu Far. Brei
tet fi nun die Hise nach allen Seiten gleid) aus,’ jo wird auch
der Rauch jederzeit noch mit vieler Hitze vermengt, dem Zuge der
Luft nach den Rauchloͤchern und durch diefelbigen folgen, „a end⸗
lich in die Luft unnuͤtzlich verfliegen. ——
Bey dieſen Umſtaͤnden wird ſich die runde Bauart eines
Ofens mit einer runden Salzpfanne, worunter das Feuer ange
macht wird; zus Anlage mehrerer, aber kleinerer Pfannen um ſel⸗
bige
24 Bon Salzpfannen,
bige vortreflich ſchicken, daß fie mit eben dem Feuer unter der großen
Pfanne Fönnen geheiget, und zum gelinden Abdunften- der ach
angebracht werden,
Da die Bauart des Hauptofens mit feiner Pfanne vorher
‚weitläuftig genug befchrieben ift, fo werde ich die Anlage der. Flei-
nen Pfannen um die große defto Fürzer anzeigen.
Man mache die Heinen Pfannen A Tab, I nur mit der
grohen eoncentrifceh, und lege fie ringsherum, fo weit von der großen
Pfanne an die Nauc) » und Zuglöcher des Ofens, welche in dieſem
Falle die Länge, wie bey K und eine Höhe von 12 Zoll haben müfs
fen, damit die Arbeiter oder Salzſieder bequem darzwifchen hin und
ber gehen mögen, und unter diefen kleinern Pfannen der Rauch,
Dampf und Hise hin und an deren aͤußern Peripherie aus ihrem
unter ſich habenden Heerde R Tab. II durch eine abermalige pros
portionirliche Rauchröhre S von etwa 2 Fuß breit und 10 Zoll hoch
im Fichten weit ausziehen koͤnne. Man fieht aus der Weite der
Rauchloͤcher des Ofens, welche weiter, und aus diefen, welche Heiner
find, daß fich mehr Hitze in die Heerde der Fleinen Pfannen bege-
ben werde, als auf einmal wieder heraus Durch die Fleinen Rauch⸗
föcher ziehen Fünne, woraus folget, daß die Hitze auch unter den
Heinen Pfannen gut wirken müffe, 2
Alle Kauchröhren aus den Heerden der Fleinen. Pfannen,
müffen von gleicher Länge feyn, wenn ſich die Hige aus dem Ofen
nach) allen Theilen der Pfannen gleich weit ausbreiten fol.
In allen folchen Beinen Pfannen, weil fie nicht hinter- fon
dern nebeneinander, und alle dem Dfenfeuer gleidy nahe liegen,
muß die Sohle viel beffer erwärmer, abgedunftet und das Salz
erhalten werden, als wenn fie hintereinander angeleget wären. Ya
ich getraue mir beynahe zu behaupten, Daß das Salz ans der Sohle |
in
Bon Salspfannen. a5
in den kleinen Pfannen mit dem aus der Sohle der großen zu gleis
&er Zeit anfchießen und fertig werden koͤnne. Tab. I. Man könnte
dergleichen Eleine Pfannen viere um den Dfen der großen legen,
und diefelben von ihrem innern Zirkelbogen, bis an ihren Außerften
zu rechnen 6 Fuß breit machen. ‘Ihre Länge wird fi nach ihrer
Zahl und den Durchſchnitten zu den Wegen nad) der großen Pfan⸗
ne für die Arbeiter richten.
Tab. II. Sie werden mit ihren Pfannenböden dem Fußtrit⸗
‚te der Arbeiter gleich und alfo höher, als die große Pfanne zu lies
gen kommen können, um dadurch den Zugder Hige und des Nauches
an die Seiten der großen Pfanne und in ihren eigenen Heerd deſto
beffer zu befördern.
So viel alfo Feine Pfannen um die große angeleget wer⸗
den ; fo viel müflen auch Rauch Dampf „oder Zuglöcher K Tab. I.
aus dem Dfen in ihre Heerde gehen, deren Länge oder Breite und
Höhe oben angegeben werden,
Die Heerde unter den Heinen Pfannen werden in ihrem Lim
fange etwas größer, als ihre Böden gemacht, damit fich die Hitze
in den Heerden, auch nach den Seiten diefer Pfannen ausbreiten,
fich verweilen und gegen fie wirken koͤnne; welches alles in dem
Profil deutlicher zu fehen iſt. Tab, II.
f Die Eleinen Pfannen koͤnnen, wie bey T Tab, I. zu fehen,
‚mit 2 Höhern_eingehangen werden , daß man fie leicht , theils
zum Abfcehlagen des Salzſteines in felbigen, theils zu Reinigung
ihrer Heerde und Rauchzuͤge, Fann abheben, und die Salzkoͤrbe
auf fegen,
Ich werde nicht nöthig haben, diefe Bauart mweitläuftig sb
yechtfertigen. Sie ift aus Gruͤnden der Mathematie und Phyfie
I Bandes, U Theil, D her⸗
26 Von Ealspfantten,
hergeleltet, ſo theils unwiderſprechlich, theils durch Verſuche una
Efahrungen erwieſen worden.
Nur folgende Bemerkungen will ich noch anzeigen.
Dieſe Bauart wird wenig Platz einnehmen: fie wird fuͤr
Sie Arbeiter bequem ſeyn, alles auf einmal in der Nähe zu uͤberſe⸗
ben, und bald von einer Pfanne zue andern zu kommen; fie wird
Das Holz gegen die bisher gewöhnliche Bauart gehalten, erfpahren;
weil mit weniger Feuer, folglich weniger Holz, ſtaͤrkere Wirkung .
der Hige gegen die Pfannen gebracht werden wird: fie wird dieneny
in Eürzerer Zeit viel Salz zu machen: fie wird, wenn man ein runs
des oder achtefigtes Gebäude V Tab. 1. II. darum fegen, um die
Eleinen Pfannen eine eben dergleichen Scheidewand X ziehen, außer
Diefer die Nauchröhren in die dafetbft angebrachten blechernen Oefen T
in dem aͤußerſten Raum Z des Gebäudes, welcher mit Thüren a Tab. I, ,
gu verſehen ift, führen will, zur Trocfnung und Verwahrung des Salzes
gefchickt feyn. Man wird wohl thun, wenn man diefe Defen auf
ein 2 Fuß hohes Gemäuer b Tab. I, IL von Ziegeljteinen feget, und
-darinn zum Ausfegen des Rußes ein Loch) läßt, folches aber, wenn
. gefeuert und gefotten wird, mit einem Dazu gemachten Steine vera
feget und verkleidet.
Berner wird diefe Bauart in dem Innern Raume, wo die
Pfannen fiegen, den wäfferigen Dunjt aus den Pfannen oben zum
Dache, wie durch einen Schlot e Tab. TI. leicht und geſchwind
ab» und hinausführen koͤnnen, weil die Flüßigfeiten in runden Koͤr⸗
pern beffer eirculiren: fie wird in Anfehung des ganzen aͤußerlich das
zum gefegten Gebäudes einem Gewölbe ähnfich, auch gegen Gturm
und Winde fefte feyns fie wird endlich und zulest dem Fuͤrſten,
Land und Leuten Nutzen fihaffen, und allen. bisherigen Fehlern
Oefen und Pfannen bey Salzwerken abhelfen.
Nach⸗
Bon Eakpfannen, 27
Tracherinnerung,
Die angeftellten Leute bey Berg Hütten» und Salzwerken, fg
sheils die Auffiht haben, theils die Arbeit verrichten, haben fich
insgemein an einen alten Schlendrian der verfallenden Hrbeiten
gewöhnet, und es find viele darunter, Die nichts gutes und näßlis
ches, wenn es Das Anfehen einer Neuigkeit hat, leiden koͤnnen.
Ihr fo geliebter Schlendrian ift ihnen fo an das Herz gewachſen,
daß ſie ihn auf alle moͤgliche Art beyzubehalten und alle nügliche
Verbeſſerungen aufs Außerfte zu hindern fuchen. Warum thun fie
das? Es gehet ihnen, mie Denen, Die eine Lüge öfters ſagen, zuletzt
foiche felbft glauben, und füreine Wahrheit halten; weil fie mit der
Zeit vergeſſen, daß «8 eine Lüge war : fie halten nämfich in der
That dafür, der alte Schlendrian ihrer Arbeit fey der allerbefte.
Ueberdieß fürchten fie fih, fie müßten etwas neueg fernen,
und fi) mit etwas Mühe erjt wieder Daran gewöhnen. Endlich
mögen fie auch nicht gern haben, daß durch etwas befferes der Un—
grund und Schaden ihres Schlendrians entdecfet werde: denn es
möchte ihnen fonft für Uebel gehalten werden, daß fie nicht. auch fo
Hug geweſen, Das beffere zu erfinden,
\ ch fehe im Voraus, e8 werden auch Zimmermeifter, Mauer⸗
meiſter und Pfannenfchmiede ſich meiner neuen Bauart von Salz
Eoihen, Defen und Pfannen in einem und dem andern Dinge wis
derſetzen, weil fie gewohnt find, alles viereckigt zu bauen, und damit
Fürzer davon zu fommen. Was rund gemacht werden muß, hat
‚war bey Diefen Handwerken etwas mehr Mühe; wenn fie ihnen
“aber bezahlet wird, haben fie nichts einzuwenden, Dem Zimmer:
meifter kann ich endlich ein wenig nachgeben, und ihm das Saly
koth mit der innern Scheidewand auch achteckigt machen laffen;
weil Die Bogenſtuͤcke zu Schwellen Riegeln und Pfaden eines run⸗
D 2 den
28 Bon Salzpfannen.
den Gebäudes nicht wohl zu haben find; die Pfannen und Sefen Ä
aber müfjen alles Einwendens der Handwerkslente und Arbeiter uns
geachtet rund gemacht werden, Die Urfachen find klar, dargethan
und erwieſen ·
Wiederholte Erklaͤrung der Riſſe. |
Tab. II, IL, A. Der Dfen nach feiner innern Einrichtung.
B. Der Feuerheerd 6 Fuß im Durchmeffer,
-Tab, III, €. Das Dfen » oder Schuͤrloch 2 Fuß hoch, und a
Fuß breit.
Tab. I, I, II, D. Die große Pfanne 12 Fuß im Durchmeffer,
ı Zuß an der Peripherie, und 15 Zuß im Centro tief.
Tab. II. E. Das Aſchenloch 2 Fuß hoch, und 24 Fuß breit.
Fig. 1. Der oberfte Roft mit eines Ziegelfteines großen
Löchern 4 Fuß im Durchmeffer.
Fig. 2. Der oberfte Noft ohne Brandraitel. J
Fig. 3. Ein Brandraitel, wie er von Thon zu machen, und
auszufchneiden, ift 6 Zoll ftark. |
Fig. 4. Der unterfte Noft mit eifernen 13 Zoll dicken Si
ben müffen 14 Zoll weit voneinander liegen. Cie were
den auf eine ihrer Ecken geleget, und ruhen in der Mit⸗
te auf einem Unterftüsungsmäurchen , das den Aſchen⸗
heerd fcheidet, welcher 6 Fuß im Durchmeffer hat.
F. Das Loch zwifchen den beyden Nöften 8 Zoll ins Gevierte, die
Kohlen auf dem unterfien Roſte zu ſchuͤren, daß er ſich
sicht
Don Salspfannen. 29
nicht verſtopfe, in welches ein feuerbeſtaͤndiger Sandſtein
eingepaſſet, oder ein eiſernes Thuͤrlein vorgemacht wird.
Fab. III. G. Des Feuerheerdes Höhe vom Mittelpunete des
oberften Roſtes 24 Fuß hoch.
Tab, II, IL. H. Der Abfas in dem Feuerheerde, worauf die Ens
den des Holzes zu liegen Fommen , wird von feuerbeftäns
digen Sandfteinen , oder dergleichen Thonziegeln 6 Zoll hoch⸗
und 1 Fuß breit gemacht.
Tab, IL I Die Ausbiegung des Feuerheerdes.
Tab, I. R. Die Rauchlöcher des Ofens 10 Zoll hoch, ı: Zuf
breit, wenn nur eine Pfanne angebracht wird ; werden mehr
vere Pfannen um die große angeleget, müflen dieſe Löcher
ı Fuß hoch, und fo breit als die kleinen Pfannen lang find
” gemacht werden, wie der Grundriß zeiget,
Tab. III. L. Die Yusbiegung des Dfens.
M. Die Hölzer, woran die große Pfanne eingehangen wird , und
4 worauf die Salzkörbe geftellet werden.
. Eiſerne Stäbe mit Oehren an der Außerften Seite des Pfannens
bodens , wodurch die Hölzer zum Einhängen der Pfanne
geſteckt werden,
| Tab. III. O. Die Dehre der eifernen Stäbe,
Tab. I, P, Die fleinerne Treppe zum Dfen = und Aſchenloch
hinunter bey ihrem Anfange oben 6 bis 8 Fuß breit, unten
5 Fuß breit.
Tab.I, II. G. Die Heinen Pfannen 6 Fuß breit, ihre Bin
tet ſich nach dem Durchfchnitte zu dem Wege um die große
Tanne, fie kommen mit ihren Böden dem Fußtritte des
3 Wiges
’
30 Don € alzp annen.
Weges um die oroße Pfanne gleic) , alfo hoͤher ats did |
zu liegen.
—2*
Fab. U. R. Die Heerde unter den kleinen Pannen Böen N
den innmwendig etwas weiter gemacht. ET
Tab. 1, I. S. die Nauchlöcher aus den Heerden der Meinen Pfans
nın 2 Zuß breit, ro Zoll hoch ; die Nauchröhren oder
Schloͤte müflen bis oben an ihr Ende, mo der Rauch
zum Dache ausgebet, von gleicher Länge feyn.
Tab. JI. T. Zwey Hölzer, woran die kleinen Pfannen bangen, r
Tab, I, II. V. Die äußerte Mauer des ganzen Gebäudes,
X. Die Scheidewand zwiſchen den Eeinen Pfannen, und der Say
trocknung.
V. Die blechernen Oefen zum Salztrocknen.
Tab. I, II. Z. Raͤume, wo die Salzſtuͤcke getrocknet werden.
Tab.L, a. Die Thuͤren in die Räume.
Tab, 1, II. b, Die Gemaͤuer, worauf die bfechernen Defen ee
werden,
Tab. II. e. Die Lotte oder Schlot die waͤſſerigen Duͤnſte ER
führen.
NB, Obgleich der Fuß des Maasſtabes, um mehrer Bes
quemlichkeit willen , zehentheilig angenommen ift, fo wird Doch Der
nürnberger 12 zölige Fuß Darunter verſtanden.
Johann
—
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— FE 372 pn
Johann Gottlob Angermanns
a bhandlung
uͤber die
Preisfrage
welches
die vortheilhafteſte Bauart der Oefen und Salz⸗
dfannen bey Salzwerken ſch.
Dieſe Abhandlung iſt mit 12 Dacaten belohnt
worden.
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ztrr A ii | 4
an R 2 i N | —
BE N =. 4
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9 Es hat eine hocherleuchtete und hochpreisfiche Afademie der
A Gm Bere Wiffenfchaften, den 28 März 1759, eine Frage aufs
zuuwerfen beliebers Welches die vortbeilbaftefte
j Bauart der Defen und Salspfannen bep Salz
werten ſey? dabey zugleich auch gütigft belieber, und jedem frey
geitellet, feine Gedanken hiervon zu communiciren, Dahero habe
ich gegenwärtigen Aufſatz Dienftergebenft hierdurch überfenden und
einreichen wollen,
1. ch habe mit dergleichen Bauart und Einrichtung, folcher
Defen und Pfannen viel zu thun gehabt, auch Öftere Unterfuchuns
‚gen anjtellen müffen, wie den Fehlern und Mängeln, imgleichen der
nnügen Seurung und Hohzverſchwendung foicher nach der alten
auart eingerichteten Defen und Pfannen abzuheifen , und wie
| ieſelben beſſer einzurichten ſeyn moͤchten.
2. Bey vorgedachtermaken angeſtellten Unterſuchungen der
posten uud Pfannen, hat fi) vieles efunden, welches anders eins
I Bandes, U Theih, € ge⸗
-
j
18
|
I
34 Bon Ealspfannen,
gerichtet und verbeffert norden, ohne daß das Ganze zu ändern noͤ⸗
thig gewefen waͤre. Da ſich nun aus Eyempeln und gemachten
Verſuchen am beiten urtheilen läßt, was an der Sache fey ; fo
habe ich ein paar Exempel folcher Defen und Pfannen in zwoen beyges
henden Tabellen durch Niffe vorgeftellet; in welchen allen fich ers
eignenden, und bey andern Sahjfiedereyen beobachteten und anges
merkten Fehlern und Mängeln durch viele Verſuche, nicht allein ab⸗
geholfen, fondern auch eine folche Einrichtung gemachet wurden, daß
man allen folchen-Hinderniffen, fo fich bey PVerfiedung der Sohle
und Regierung des Feuers dabey ereignet, ohne Weitlaͤuftigkeit abs
beifen können.
3. Weil aber zur genauen und gründlichen Beurtheilung
von der Einrichtung, Gebrauch und befondern Befchaffenheit fol
cher Defen und Pfannen nötbigift , daß die Fundamenta aufwelchen
folches beruhet , angezeiget und befchrieben werden; ſo habe ich zuvors
derft einige Erläuterung Davon im folgenden geben wollen. Als erfilich
von den Eigenfchaften und Grundtheilen des Salzes nach deſſen
chymiſchen Anfängen. Zum andern von Verfidung und PBerfertis
gung deffelben aus der bekannten Sohle. Zum dritten von der Feus
rung und von den Arten der Materialien des Feuerwerks, fo zu dem
Verſieden gebraucht wird. _ Und viertens von Befchaffenheit der
Pfannen und Defen, deren Einrichtung und befondern Bauart.
A. Jedoch ift in diefen vier Abfchnitten nur fo viel enthalten, als
zudiefem Vorhaben zu wiffen nöthig feyn mag. Eolches habe ich einer
bocherfauchten und hochpreistichen Akademie zu Dero reifen Einfichten
und Ueberlegung auch weiterer Ausführung übergeben wollen, ob
vieleicht eines oder das andere darunter ſich finden möchte, ſo 3
nüglicher Anmendung dienen Eünute,
+
I. Son
Ron Salzpfannen. 55
J.
Von den Arten und Beſtandtheilen.
5. Des gemeinen Kochſalzes: und zwar nach deſſen chymi⸗
Shen Anfängen, worinn daflelbe durch die bisherige Erfahrung,
and befaunten Handgriffe zerleget werden Fann,
6. Von den Artendes Salzes. Das gemeine oder Rochfalz,
wird in der Erde in ziveyerley Arten, als einer flüßigen, fo man
Sohle, und einer trockenen, fo. man Erd» oder Steinſalz nennet,
‚gefunden. In beyden Arten ift des Salz nach feinen Beftandtheis
fen nicht unterfchieden; weil das lestere, wenn e8 raffiniret werden
fol, im Waffer.. aufgelöfet wird; da es dann mit der bekannten
Sohle einerley Eigenſchaften und Gehalt hat.
7. Die Beſtandtheile des Bochſalzes beſtehen erſtlich aus
der allgemeinen Naturſaͤure, welche fluͤchtiger Eigenfchaft ift; denn
‚wenn man das Salz öfters in Waſſer auflöfet und mieder
ſtark einkochet; fo wird ſolche Noturfäure als der flüchtige Theil,
durch ſtarke Feurung von demfelben gänzlich gefchieden ; Au wel⸗
de Scheidung das Salz ganz zerſtoͤret wird,
b) Zu dem andern beftchet folches Salz aus einer alcalifchen
Erde, welchesman daraus fehen kann, weit, wenn dag Aeidum, als der
fluͤchtige Theil, von demſelben geſchieden ih die zurückgebliebene Erde
mit den Acidis effervefeiret.
* 0) Zu dem dritten beftchet es aus einer kalkichten Erde, —
ſeh nicht im Waſſer auftöfen, noch im Feuer ſchmelzen laͤßt.
di gg? H. Bon
6 - Bon Salspfannen.
x I.
Von Verſiedung der Sohle, und wie das Salz
daraus gefertiget wird.
8: Weil bekanntermaßen die Sohle aus dem wirklichen
Kochfatzer fo im Waſſer aufgeloͤſet iſt, beſtehet, und alfo, um das
Salz zu erhalten, nur das Waſſer davon gefchieden werden darf;
|
1
ſolche Ausfcheidung aber, nach jest bekannten Umftänden und Eins
richtungen der Salzſiederey, nicht anders, als durch die Wärme -
und Feuer erhalten werden kann: fo kommt es lediglich hierbey
nur auf eine feichte und geſchwinde Ausdünftung des Waſſers an,
welches durch die rechte Anbringung und Regierung des Feuers, im⸗
gleichen auf den Luftzug und die Figur des Brodenfanges erhalten wird,
Befonders aber beruhet das meifte in der rechten — und
Groͤße der Pfanne, imgleichen in der rechten Einrichtung und be⸗
fondern Structur des Ofens, um das Feuer nach Gefallen zu ver
gieren.
Nächft diefem find noch einige Umftände bey folher Ders
fiedung zu merken, fo zu Erläuterung von Befchaffenheit der Pfanne
und des Dfens befannt feyn müffen.
9. Es ift bey den meiften Satzfiedereyen gebräuchfid), da,
fobald die Sohle in die Pfanne gegoffen ift, giebt man ein Näpfe
hen rindern Geblüte (welches Farbe genannt wird) unter die Sohle
und rühret e8 um; fodann wird ein frarfes Feuer unter die Pfanne
gemacht, welches ſtarke Feuer eine ganze Stunde unterhaften wird; i
damit die Sohle fich bald erhige und ins Wallen komme, welches‘
auch in ı5 bis 20 Minuten gefchieht, in welcher Zeit die Sohle
zu fhäumen anfängt, welches man der Farbe zufchreibt. Es iſt
aber nicht mwahrfcheinlich, daß Die wenige Farbe folches thun
Eönne; indem man unter fieben bis achttaufend Kannen Sohle eine
cine
Bon Salzpfannen. 87
einzige Kanne Farbe oder rindern Gebluͤte thut; Tondern es rühret
ſolche Schäumung von der großen und gefchwinden Erhitzung der
Sohle her. Denn bey gelinder und langfamer Erhigung giebt es
keinen Schaum. Wenn nun die Sohle eine Stunde lang gekochet hat,
fo wallet fie in der Mitte der Pfanne in die Höhe, und will zu Salze
werden ; da fie an dem Rande der Pfanne kaum heiß geworden :
welches nicht allein langfamer zugeht und ſchlechters Satz giebt, fondern
au vieles an der Feurung unnüß verfchwender wird. Solche
Fehler rühren von der unrechten Einrichtung des Dfens und Negies
rung des Feuers her 3 denn wenn die Sohle in der Pfanne aller
Drten gleich kochet; fo gefchieht eine egale und geſchwinde Ausdün-
fung des Waſſers durch die ganze Pfanne. Bey Ermangfung die
fer Egalität aber giebt es eine ungleiche Art des Salzes; indem
das in der Mitte der Pfanne anders, als das an dem Nande be
ſchaffen; weil jenes Feiner und mehlichter Art ift: eswird auch leich⸗
ter fchmierig und naß: Das andere aber ift hriftallinifcher, auch in
der Dauer und Schärfe unterfhieden. Wenn nun die Sohle ob
ermwähntermaßen eine Stunde gekochet hat, alsdann fprengt man.
ein wenig Bier in die Pfanne in der Meynung, daß dadurch das
Salz ſich Förnen und chriſtalliſiren foll ; es hat aber eben die Bewandts
niß hiemit, als mit der Farbe; indem man unter obige fieben bis acht»
taufend Kannen Sohle 8 Kannen dergleichen Bier gieft. Sobald
hun die Sohle anfängt zu foocken , oder daß es Salz wird, läßt
man mitdem großen Feuer nach, und läßt es wenigftens eine’ halbe
Stunde ſtehen und foochen + alsdenn fhäufelt man das Satz, ſo
fi geförnet hat, aus der Pfanne und fchlägt es in Körbe. Mit
der übrigen noch in dee Pfanne zurückgebliebenen Sohle proccdis
get man eben auf dergleichen Art, bis alles zu Salze geworden,
welches innerhalb 4 Stunden geſchieht.
>
€ 3 II. on
38 Bon Salspfannen:
III.
Von der differenten Art des Feuerwerks, ſo bey Ver⸗
ſiedung der Sohle und Fertigung des Salzes gebraͤuch⸗
lich und erfodert wird.
10. Man hat ſonſten vor ſehr langer Zeit das Sal mit
Stroh und Reisholze geſotten, weil zu ſelbiger Zeit die Verrich⸗
tung der Oefen nur von ohngefaͤhr als ein viereckigter Kaſten, ohne
Thuͤr und Luftzug gebauet worden, in welchen man ohne dergleichen
Feuerwerk kein ſtarkes flammendes Feuer zumege bringen konnte; ins
dem man glaubte, daß ohne ein gemaltfam flammendes Feuer
kein Salz erhalten werden koͤnnte. Als man aber wahrgenommen,
befonders. von dem Strohe, daß das Salz nicht allein von Dergleis
chen Feuerwerfe, und deffen. inegafer Brauung und Hisung biss
weilen fehlecht ausgefallen ;. fondern auch von der vielen Flugaſche
foiches Feuerwerk unrein , auch das Stroh und. Neisho nah
und nach tbeuer geworden fo hat man der Sache mehr nachge⸗
dacht, und die Unterfuchung vorgenommen, mit Scheitholz Salz zu
fieden. Man hat aber bald gemerfet, Daß die zu felbiger Zeit ges
bräuchlichen ‚Defen hierzu nicht taugen. Dahero mußte man auf.
eine ganz andere Bauart und Einrichtung der. Defen denfen.
Da nun ferner das Holz nach und nach am Preiſe geftiegen : fo
ift man meiter gegangen , und. bat fi) der Steinkohlen bedienet;
bey welchen man gleichfalls ihrer kurzen Flamme wegen eine andere
Einrichtung der Defen machen mußte. |
Zu allerlegt aber ift man endlich aud auf den Torf ges
fommen, und hat ihn zu gleichem Zweck angewendet: welcher gleich⸗
falls gute Dienſte gethan hat.
11. So wie nun obgemeldte anjese mehrentheils ei
liche 4 Bau Sorten der — als mit Scheit⸗ und Reis⸗
holze/
Don Salspfannen. 39
hotze, imgfeichen mit Steinfohlen und Turfe ihre vierfchiedene
Brenn » und Flammungsarten haben , fo erfordern fie auch unters
ſchiedene Einrichtungen der Defen. Denn die beyden erjten Ars
als Scheit- und Reisholz, brauchen wegen ihrer ſtarken Feuerflamme
einen 'weitern und höhern Dfen, auch nur einen mittelmäßigen Luft
zug; hingegen die andere Art, als Steinkohlen und Torf , erfors
dern ihrer kurzen und wenigen Feuerflamme wegen einen engern und
R niedrigern Ofen, auch einen ungleich ſtaͤrkern Luftzug.
7 12. Noch ſind einige Grundregeln wegen der Wirkung und
Vermehrung des Feuers, imgleichen der Luft, ſo zu dieſem Vorhaben
dienen und zu wiſſen noͤthig find, zu merken. Es iſt bekannt, daß
das Feuer ohne Luft gar nicht brennen kann; hingegen aber durch
geſchickte Anbringung der Luft in das Feuer eine ſtarke Wirkung
deſſelben entſteht, ſo, daß wenn man zum Exempel zu einem ge⸗
wiſſen Grade der Waͤrme gelangen will, man einen beſtimmten
Theil Holz vonnoͤthen hat: wenn nämlich das Feuer frey ohne Eins
ſchließung und beſondere Anbringung der Luft. brennen joll : da
man hingegen beynahe mit der Hälfte des Holzes diefes präjtiren
kann , wenn nämlich das Feuer nach Proportion feiner Größe ein-
gefchloffen wird ; denn jemehrdas Feuer behörigermaffen eingefchloffen,
und je mehr die Luft durch folches getrieben wird, defto größer und
heftiger-wird deſſen Wirkung.
13. Ausdem vorhergehenden erhellet, daß die Luft gleichfam die
Seele und das Leben des Feuers ſey; weil ohne Luft Fein Feuer
ſeyn noch brennen kam. Ob aber die Luft einen materiellen Beys
a zu Brennung des Feuers thue, oder ob es nur bey demfelben
als etwas actuelles fich bezeige , folches ift noch immer ein Zank—
apfel der Phyficorum. Wir nehmen den materiellen Beytrag Terfuft,
als das erfie, für cin Prineipitim. Chymieum an, aus dem Grunde,
| weil das Feuer ohne Luft nicht brennen noch beſtehen kann. Dem
* die
40 Von Salzpfannen.
die Erfahrung lehret, daß, wenn das Feuer wenig Luft hat, ſol⸗
ches auch wenig Effeet und Wirkung beweiſt; hingegen wenn
ſolches vielen und ſtarken Trieb der Luft hat , einen vehementen
Effect und Wirkung thut, fo daß mit eineriey Duantität brennender
Materialien gewiß ein doppelter Effect erfolge. Dahero iftzu glauben,
daß ein, Theil der brennenden Materie in der Luft, und der, andere
: in den Körpern enthalten ſeyn müffe: welche, , menn fie sufammen
fommen und miteinander gemifchet werden , das Feuer ausmachen,
Denn wenn die Luft nur allein zu dern Anblafen des Feuers erfürs
dert würde ; fo hätte man nicht nöthig, folche Züge anzulegen, wodurch
die Luft fehfechterdings nicht nur an das Feuer, fondern Durch dasſelbi⸗
ge fich bewegen und gehen mnf. Denn man ficht, daß wenn die
Luft das Fever gleich von allen Seiten anblafen kann, dennoch
keine folche ftarfe und vehemente Wirkung erfolgen wird , als wenn
die Luft durch das Feuer fihlechterdings gehen muß. Woraus der
materielle Beytrag der Luft genugfam zu erfennen ift. |
14. Was nun die Figenfchaften und Bewegungen , auch
vechte Application der Luft zu Dem Feuer betrift, ſo iſt folgendes zu
merken : |
15. Die Eigenfehaften der Luft find , daß fie fich zuſam⸗
mendrucken fäßt, und wenn der Druck weggenommen wird , ſich
wieder ausdehnet. Diefe Eigenfihaft wird die efaftifche oder aus⸗
dehnende Kraft genennet.
16. Je mehr die Luft zuſammengedrucket wird , deſto flärs
fer vermehrt fich die elaſtiſche Kraft.
37. Ferner Drucker die Fuft , vermög ihrer efaftifchen Kraft,
nicht allein von umten in die Höhe, fondern auch nach allen Geiten,
18. Wenn ferner die Luft von allen Seiten gleichen Wis-
derſtand finder, fo gefihicht Feine Bewegung ;. wenn aber derſelbe
von
Don Salgpfannen, 41
von einer Seite gehoben wird, fo gefchieht-fogleich dahin eine Bes
wegung , wo der Widerſtand megoenommen wird.
19. Daher ruůhret die Bewegung der Luft nur don dem
ungleichen Widerftande her , weil der fihwächere Druck dem ſtaͤrckern
weichen muß,
20% Weil nun duch das Feuer und Hitze die Luft nicht
allein rarefacirt, ſondern auch, wo ſolches geſchieht, ausgetrieben
wird, die Luft aber beſtaͤndig das Gleichgewicht ſucht: ſo erfuͤllet fie
den leeren und von Luft ausgetriebenen Raum augenblicklich wieder,
14111% it
Luſt zu wiſſen noͤthig indem dieſelbe nicht einmal wie das an⸗
dere gegen das Feuer wirket, und ſolches anflammet: da einerley
Groͤße der Luft zu unterſchiedenen Zeiten ſich ſehr veraͤnderlich er—
weiſt, und bald viel bald wenig das Feuer anblaͤſt, und in Flams
‚men feget : wie folchen aber abzuhelfen fey, ift bey der Befchreibung
der Defen aus, ihrer Einrichtung zu erfehen.
— Noch iſt eine Anmerkung wegen. Veränderung der
Erläuterung
22. Des Luftzuges , wie folcher die befte und ftärkfte Wir
kung in dem Feuer thut, folhes kann aus folgenden Mafchinen und
deren Befihreibung erfehen werden. Sie find von einerley Größe,
aus cifern Bleche, im Diameter 8 Zoll, hoch aber 12 Zul. In jeder iſt
„der Luftzug beſonders angebracht. Tab. II.
223 . Die erſten beyden Maſchinen als Fig. 4. und 5. haben
einen Roſt, auch keinen Luftzug von unten in die Hoͤhe.
224. Die beyden andern, als Fig. 6. und 7. haben einen
Roſt, durch welchen die Luft in das Feuer von unten kommen, und
ſolches anblaſen kann.
IV Bandes, II Theil, & 25. Wenn
42 Bon Salspfannen.
25. Wenn in die Mafchine Fig. 4. unten gluͤende Kohlen ge⸗
leget, und folche mit todten bedecket werden, ſo loͤſchen fie aus: und
wenn man hingegen theils ſolche Kohlen oben anbrennei, fo löfchen fie
doch aus, und brennen nicht an; obgleich die Luft von oben dazu
kommen kann. Die Urfache ift, weil die Luft in ſolche Mafchine
weder von der Seite noch) von unten kommen kann: denn Die Luft druͤ⸗
cket nicht von obenher nieder, fondern vermoͤge ihrer elaſtiſchen Kraft
von unten in die Hoͤhe, und hat alſo von obenher keine Wirkung.
26. Wenn zum andern’ in die Maſchine Fig. 5. unien
glüende Kohlen geleget, und oben mit todten Kohlen bedecket wer
den; fo glimmen fie fachte nach und nad) aus, ohne daß fie eine
ſtarke und geſchwinde Hige geben. “Die Urfache if, weil von uns
ten Feine Luft in die Mafchine kommen kann, denn erſtlich ift das
rinn Fein Roſt, worauf die Kohlen liegen; die Luft aber, fo von der
Seite durch die in der Mafıhine befindlichen Köcher gehen Fan,
hat Feine rechte Wirkung; weil zu wenig Luft rarefaciret und auss |
getrieben wird, auch) die Luft den färfeften Druck und Trieb von |
unten in Die Höhe hat, |
27. Wenn ferner in die Maſchine Fig.6. auf dem Roſt x
gluͤende Kohlen geleget und mit todten bedecket werden, ſo brennen
ſolche ſtark und geben eine große Hitze: die Urſache iſt, weil die
Luft in die Maſchine durch die Thuͤre v unter Dem Roſt x fahren,
und dann ferner in die Höhe durch Die brennenden Kohlen und das
Feuer gehen Tann. Weit nun durch die Hise die Luft zwifchen den
Kohlen ausgerrieben wird, fo fährt die Luft von neuem.durch die
Thüre v umd den Roſt x in die Koblenz und je mehr feifche Lu
don neuem in die Kohlen koͤmmt, defto ftärker brennen und flammen fie
28. Wenn man endlih in die Maſchine Fig. 7. auf de
Roſt y glüende Kohlen leget und folche | mit todten be
5 decket,
Von Salzpfannen. 48
ſo brennen ſolche ſtark, geben auch eine ungleich ſtaͤrkere
Hitze, als in den andern Maſchinen. Die Urſache iſt, weil die
Luft Durch die Roͤhre z von unten in die Höhe druͤcket; da nun
inter dem Roſte y und in den Kohlen x die Luft rarefaciret, und
ausgetrieben ift, der ftärfefte Druck der Luft aber von unten in die
Höhe, befonders nach der verdünnten Luft, als einem leeren Raume,
mit Gewalt geſchieht; fo erfolge eine außerordentliche Erhitzung
der Kohlen. Wenn man den Druck der Luft noch mehr vermehs
ren will, fo darf man unten an die Röhre 2 noch eine dergleichen
Roͤhre tz een; fü vermehret ſich der Druck ungleich ſtaͤrker.
IV.
Von Beſchaffenheit der Pfannen und Defen , nebſt
deren Einrichtung und 'befondern Bauart.
29, Son der. beſten Art der Pfannen zu dem Salzſieden
und ihrem Unterſchiede iſt zu merken. Weil die Sohle in unter⸗
ſchiedenem Gehalt, als armen und reichen ſich befindet; da naͤmlich in
einer Kanne Sohle von 4 bis 16 Loth Saiz enthalten find, wel
ches man löthig nennet: Diefe Ungleichheit aber auch zu Verſiedung
der Sohle einen Unterfchied der Pfannen erfodertz indem durch die
Erfahrung bekannt ift, daß die arme Sohle mit befferm Vor⸗
sheile und Nusen in einer großen Pfanne, und mit Scheits oder
Reißholze fich verfieden läßt. Denn die Verfiedung beruhet nur blos in
der Ausdünftung des Waſſers; folglich begreift man leicht, daß in der
nämlichen Zeit aus einer großen Pfanne mehr ausdünften kann, als
aus einer Eleinen, fo hier erfodert wird; welches das erfte war.
30. Eine große Pfanne aber erfodert mehr und ſtaͤrker Feuer
als eine Heine. Da nun Scheit » und Reißholz eine größere und
ſich mehr ausbreitende Flamme als Kohlen und Torf giebt; fo ift
5 2 Bar,
4 Von Salz bfannen.
klar, daß zur armen Sohle Scheit⸗ oder Kiffen beffer Koh⸗
fen und ‘Torf ſey; welches das Andere mar!"
2.3 Was aber die reichhaltige Sohle betrift, fo kann ſolche
in Eleineen Pfannen mit Kohlen und Torf, auch mit mehrerer Mes
nage des Feuerwerkes, als in einer'großen verſotten werden ;: weil
weniger Waſſer in der Sohle enthalten ift, und alfo die große Ge-
walt des Feuers nicht nöthig hat-
32. Was, nun die geroöhnliche Materie der fäniieh, 1, 1004 \
raus fie beftehen, betrift; fo ift folche mehtentheils Eifen, auch zumeilen
Bley. Weil aber durch unterfchiedene Verſuche fowohl in eifernen
als bleyernen Pfannen mit einerley Gehalt der Sohle fih an der
Güte des Satzes Fein Unterfchied gefunden, ja in gemiffen Fällen
nicht allein der Koften und Daur halben die eifernensden bieyernen
borzuzichen find; indem bekannt, daß Das Bley ſich durch die Sal
ze auflöfen laͤßt, und zu einem Bleyzucker wird, welcher der Ger
ſundheit ſchaͤdlich und nachtheilig ift : fo ift hier gegenwaͤrtig die
Einrichtung und Vorſtellung mit eiſernen Pfannen gemacht worden.
Fun folget die Bauart und —— * ocen zu *
Salzſieden
33. Weil $ 29. angezeiget worden, daß die Sohle in
zweyerley Arten oder Gehalt (als arme und reiche) befindlich iſt,
jede Art aber nach ihrem Gehalt in befonders Dazu eingerichteten Des
fen verfotten feyn will. So find zu folchem Behuf von beyden Theis
len eine Vorſtellung, als zur armen Sohle ſo mit Scheit⸗ oder
Reißholze, und zu der reichen, fo mit Steinkohlen oder Torf am
beften verfotten werden Kann in folgenden: Kiffen und begefügter
Erläuterung — ——
Tabelle
»
| Bon Salzpfannen 45
u ei Tabelle mtr
|
f:
j
1
PR
Befchreibung des erften Dfens und der Pfanne gu — ar⸗
men Sk: fo mit Scheit oder Reißholze verforten
| werden muß.
44 ‚Fig. 1.
Hui 32 Stellet den Grundriß des Ofens mit allen ſeinen Ab⸗
theilungen und beſondern Einrichtungen vor.
abed. Als die ſchwarze Linie ſtellet die Pfanne vor, fü
Boneifernem Bleche I6 Fuß Leipziger Elen⸗Maas lang, 16 Fuß breit,
und ı Fuß tief iſt. Nota in diefer Pfanne können in Tag und
Naht 32 Stücke Salz aus 8 bis 10 loͤthiger Sohle, das Stuͤck
einen Dresner Schäffel haltend , mit 24 Tannenzoder Fichten-Scheite
holz, die Klafter 3 Elen.breit; 3. Elen hoch, und Das Ka 14
lang — werden.
9 efzh Der Roſt beſteht aus 13 Roſtſtaͤben von gegoſ⸗
fenem Eifen 6 Fuß lang 3 Zoll breit und 4 Zoll hoch: fie liegen an
den Enden 6 Zoll auf dem Gemäure, voneinander aber ı Zoll;. —
mit die er ungehindert in das Feuer kommen Fann. |
Big: Die um den Noft befindliche gelbroͤthlichte Einfaſſung iſt
von Maurziegel, ſo halb aus Thon und halb aus Ziegelerde ge⸗
brannt ſind; damit ſie der ſtarken Glut ent und fofche aus?
halten koͤnnen.
V K. Das Einheitzloch ſolches iſt mit einer eiſernen Thuͤre
2 zu dem Zumachen verfehen, um die Hitze unter der Pfanne. zu er⸗
halten.
L. Die Eſſe, durch welche der Rauch und uͤbrige Waͤrme
aus ſolcher durch blecherne Röhren und Defen auf die Buchten zur,
| 53 Trock⸗
46 Bon Salzpfannen.
Trocknung des Salzes gehet und geleitet wird: in welcher Eſſe eis
ferne Schieber eingemauret find, damit man folche verfchließen kann,
um die Wärme durch obbefagte Nöhren auf die Buchten zu leiten.
M. Sind gemaurte Kandle oder Luftzüge, fo ins Gevierte
9 Zoll im Lichten halten, Durch welche der Rauch und die übrige Hitze
in die Effe L. geleitet wird. Beſonders dienen fie dazu, Daß man
den Kuftzug unter der Pfanne vermindern und vermehren Fann, ims
gleichen, daß die Sohle an der Seite in der Pfanne mit der Sohle
in der Mitte zugleich kochet und wallet.
N. Sind zwey eiferne Schieber von Bleche, fo weit und
enge aufgeichoben werden koͤnnen; damit man die Hige unter Der
Pfanne nach Befinden zurück halten Tann: imgleichen, wenn die
Sohle an der Seite der Pfanne nicht genugfam kochen will, fo
Kann man durch Zufchiebung einestheils folcher Schieber die Kos
hung vermehren.
O. Sind Vorſtecker in den Luftzuͤgen M. damit der Rauch
und Hise allda nicht herausfahren Fann. Sie werden gebraucht
die Kuftzüge, wenn in folchen fih Ruß, imgleichen Flugaſche ger
fammelt hat, zu reinigen und auszufegen.
P. Drey Luftlöcher vorne an der Pfanne, welche gleichfalls
zu Stimmung des Feuers nötbig find. ie werden mit einem
Steine zugedecfet, welcher hin und her gefchoben werden kann, um
den Zug der Luft unter der Pfanne nicht allein zu vermehren, ſon⸗
dern folchen auch, nach welcher Seite man ihn nöthig hat, binzus
lenken; damit eine gleiche Kochung und Wallung der Sohle in der
Pfanne erhalten werde.
Q.r. Die beyden punetirten Linien zeigen den Luftfang von
beyden Seiten, wie in folhem die Luft von außen unter den Roſt
Tommen kann, um das Teuer gnugſam anzublafen.
s, Sind
Don Salspfannen. a7
s. Eind zween Schieber von Hohe, ſo auswendig vor die
| Luftzůge angebracht find. Solche koͤnnen auf und nieder geſchoben,
und durch die Löcher t. mit einem Vorftecfer befeftiget werden ; das
mit man viel oder wenig Luft in den Zug laflen koͤnne, um dag
euer unter. der Pfanne zu mindern und zu mehren,
Anmerfung
35. Wegen der Regierung des Feuers und Anbringung dee
Luft bey dem Sieden.
æ. Zuerft mird die Einrichtung des Ofens gemacht , näme
lich, es werden die beyden aͤußerlichen Luftſchieber s. die ‚Hälfte aufe
gezogen.
ß. Ferner werden die benden innerlichen Schieber n. in dee
Effe vor den Luftzügen m. ganz aufgefehoben: hingegen aber werden
die Euftlöcher P. vorne vor der Pfanne mit den Steinen ganz zus
gedecket.
Y. Noch find in der Eſſe die Schieber zu oͤfnen; damit die
Luft zum Anfang freyen Zug hat, auch der viele und große Rauch,
fo im Anfange entfteht, gerad zu der Effe hinaus gehen Fann : das
mit die Röhren, fo aus der Eſſe auf die Buchten gehen, nicht ſo
- gleich voll Ruß werden,
— —
». Nach dieſem wird das Feuer auf dem Roſte angezuͤndet,
und fo viel vermehret, bis die Sohle wenigftens in 20 Minuten zu
Be und zu Fochen anfängt.
Beobachtungen.
36. Wegen der bisweilen ſich ereignenden Maͤngel, wegen
rechtet Brennung des Feuers, und genugſamer Kochung der Sohle,
und wie ſolchen durch rechte Einrichtung der Luftzuͤge abzuhelfen ſey.
1. Es
48 Don Salspfannen,
x. Es finden fich mehrmalen bey dem erften Feuer unter der
Pfanne folgende umftände, daß das Feuer nicht zu einer Zeit woie
zu der andern- recht brennen und flammen will; folches rühret von
der Veränderung der Luft ber, wie S 21 angezeiget worden , ins
dem folche nicht einmal wie das andere befehaffen ift ; dahero fie
auch das Feuer bisweilen ſtark, bisweilen ſchwach anflammet : Dies
fer Mangel des Anflammens, und die daraus entfiehende Feuerung
‚giebt nicht allein fehlecht Satz , fondern es wird auch ungleich mehr
Holz umfonft verbrennet, r
ß. Auch ereignet fih zum andern, daß das Feuer unter der
anne auf einer Geite mehr als auf der andern ‚ imgleichen hin⸗
ten oder vorn mehr zu brennen pfleget : welches aber ſchaͤdlich iſt, und
eine ungleiche Wallung und Kochung der Sohle in der ‘Pfanne vers
urſachet. Solchem aber kann durch Veränderung der Luftzüge fol-
gender Geftalt abgeholfen werden.
y. Wenn erſtlich das Feuer nicht hell genug brennet ; fo
fehlet es Demfelben an det Luft. Dahero muß man die äußerlichen
Schieber s vor den Luftzügen höher aufziehen; Damit mehr Luft unz
ter. den Roſt geben, und Das Feuer mehr anflammen kann.
3, Wenn zum andern das Feuer nicht genugfam vorn in
der Mitte unter der Pfanne brennen will; fo muß man den mittels
fen Stein P 2 ein wenig zuruck ſchieben; Damit die dafelbit einges
ſchloſſene Luft heraus fahren Fann; alsdenn wird Dev Zug des Zeus
ers fogleich dahin gehen. | |
s. Wenn zum dritten das Fener auf einer Seite nicht recht
brennen , und nach dem Kanale m ziehen , imgleichen der Nauch
duch forhen Kanal nicht in die Effe L gehen will 5 fo darf man nur
den Etein P an folcher Seite ein wenig zuruckfchieben ; fo wird
das Feuer fogleich ſich dahin ziehen, Und weil Dusch Die Oefnung
| bey
Don Salpfannen, 49
dey dem Steine P die Flamme und Rauch wicht genugfam durchs
Tommen Tann; fo. zieht. fie fich nath dem Kanale m: und alle dies
fe Einrichtungen verurfachen eine ganz gleiche Wallung und
Kochung der Sohle in der Pfanne,
& Wenn endlich auch das Feuer unter der Pfanne zu hef⸗
tig brennet, fo darf man nur die Außerfichen Schieber s vor dem
£uftzuge ein wenig zumachen: desgleichen auch, wenn das Feuer ges
nugſam brennet, und doch die Sohle nicht recht wallen und Fochen
will; Die irfache davon iſt, weil der Trieb und Zug durch die Ra
näle m nach der Eſſe L zu ſtark geht; daher muß man die Schigs
"ber n in der. Eſſe neben dem Einheitzloch ein wenig zufchieben.
7. Wenn nun alles nach der Vorfchrift wohl obſerviert und
behandelt wird; jo wird man einen großen Unterfchied in Erfpahrung
des Hohes, imgieichen der Gleichheit des Kochens * Guͤte des
Salzes finden.
Tabelle IE
Beſchreibung des andern Ofens und der Plann⸗ zu der
reichen Sohle, fo mit Steinkohlen und Torf
verſotten werden foll,
4
37. Etellet den Grundriß des Dfens mis allen gg bes
bondern Eim ichtungen und Abtheilungen vor⸗
Bandes, NThel. 6 N
50 Bon Salzpfannen.
on aber Die fehwarze Linie ſtellet die Pfanne wor, f6
von’ eifern Bleche 10 Fuß leidziger Ehlenmaaß lang, 9 Fuß breit,
und 10 Zoll tief iſt. TON?
Nota. In diefer Pfanne können in Tag und Nacht 24 Stücke aus
36 löthiger Sohle, wovon das Stuͤck ı Dresdner⸗Schaͤffel hält,
mit + Kfafter Tannenholze zu dem Anmachen, und 4 Dresdner;
Scaͤffet Steinkohlen zu der Feuerung verſotten werden.
efgh. Der Roſt, fo aus 9 Roſtſtaͤben von gegoſſenem €
fen befteht, die 4 Fuß und 6 Zoll fang,‘ 3 Zoll breit, und 4 Zoll hoch
find. Sie liegen an den Enden z Zollauf dem Gemäuer; voneinander
aber einen Enappen Soll damit die ‚Soft — — in das Feuer
gehen kann. |
—* i. Die um den Roſt bnindiichevelbroͤthliche Einfaſſung i ve von
Mauerziegeln, ſo halb aus Thon, und halb aus Ziegelerde gebrannt
ſind; damit fie der ſtarken Glut widerſtehen, und ſolche aushalten
koͤnnen. vᷣ iR An
—
I
ven #8: 22 >
KR. Das Einheiteloch weiches ‚mit einer cifernen Thüre
9 m um ‚im Lite unter der Pfanne zu ahanen
L. Sind Zuldiher durch chf der Rauch und die uͤbri⸗
ge Hitze in den Dfen m , und den Auffag n, und ferner durch
die Roͤhre o auf die Bucht zu Trocknung des Salzes gehen Fann.
m. Der Ofen von Mauerziegeln.
n, Ein blecherner Auffag-
o. Die blecherne Röhre, fo auf bie Dust ot
ade 8 2 Br Zu,
Don Salzpfannen. 5X
p. Zween eiferne Schieber; mit welchen man die Zugloͤcher
Laufs und zufchieben kann; um ſowohl den. Zug der: Luft, als die
Hige nad) Gefallen vermehren und. vermindern zu koͤnnen.
p- Sind zwey Luftzuͤge, welche ſich bey R miteinander vers
einigen , und durch folhe Bereinigung einen Zug und Trieb unter
dem Roft befommen; wodurch die Kohlen frätkere Glut und Flam⸗
me Eriegen.
r. Sind Schieber, mit welchen man die Luftzuͤge q nad)
- Sefallen aufz und zumachen kann; um dardurch die Anblafung und
Flammung der Kohlen ju vermehren und zu vermindern.
t. Sind Loͤcher in den Schiebern; durch welche Loͤcher man
die Schieber mit Vorſteckung eines Nagels feſt ſtellen kann.
‚Nota, Die Spitze des Pfeiles zeiget den Zug der Luft an, wo ſol⸗
cher hingeht.
Anmerkungen.
Wegen Regierung des Feuers und Anbriogung
der Luft.
38. #. Zu erft wird * Einsichtung des Ofens gemacht; naͤm⸗
lich es werden die Luftſchieber r Die Haͤlfte aufgezogen.
6. Ferner werden die beyden eifernen & Schieber P in dem
- Dfen m ganz aufgemacht; damit im Anſange die dr freyen Zug
j behalte
G 2 . Als⸗
52 Bon Salzpfannen.
9. Alsdann wird auf den Roſt efgh vom Holtze Feuer
gemacht, hernach Kohlen darauf geleget , und ſelches Nachlegen
fo viel vermehret, bis die Sohle in 15 hoͤchſtens 29 Minuten
wallet und kochet.
Beobachtungen.
Wegen einiger Maͤngel, ſo ſich bisweilen wegen der Feuerung
und Kochung der Sohle ereignen.
39. Es geſchieht bisweilen, daß das Feuer nicht recht bren⸗
nen will; da muß man die Luftſchieber x höher aufziehen, und die
eifernen Schieber P in dem Ofen M ganz aufmachen, wodurd) die
Kohlen gewaltſam anzubrenn.n fangen , auch die Sohle gefchwind
ins Kochen koͤmmt.
2. Wenn nun die Kohlen genugfam flammen und bren⸗
nen, auch die Sohle in behoͤrigem Wallen und Kochen iſt; fo
fhiebet man die Schieber P im den Ofen M die Hälfte zu, wo⸗
Durch die Sohle ungleich ftärfer als zuvor, Fochet. Wenn aber die
Sohle zu ftark Eochet und wallet; fo muß man die Außerlichen
Luftſchieber r mehr niederlaffen , und dadurch die Stimmung der
Luft alfo einrichten, wie eg die Umftände erfodern ; damit die Sohle
beftändig in der gehörigen Walls und Kochung erhalten werde.
Zuſatz.
40. Daß aber die Stimmung und rechte Regierung der Luft
in den an zu Vermehrung des Feuers die ganze Hauptſache fey,
} iſt
Bon Salzpfannen. 53
iſt eine durch die Erfahrung ausgemachte Sache, Dabey: aber zu
merken, daß ſolche Stimmung der Luft, wenn fie gleich einmal ges
nau getroffen , Doc) nicht fange von einerley Dauer iſt; weil die
Luft fich beftändig,, wie die Erfahrung lehret, verändert, wie $. ar.
angemerket worden. Daher muß fih folhe Stimmung nach der
RBeränderung der Luft richten,
41. Aus diefer Urfache ift Mar, daß alle Defen, die nicht
die Eigenfchaften haben, daß man in folchen die Luft nach Gefals
len und erfodernden Umftänden regieren und einrichten kann, nichts
taugen, und mehr ſchaͤdlich als nüglich find.
42. Schluͤßlich ift noch zu gedenken, daß an dieſen beyden
Salzoͤfen, wegen befonderer Einrichtung der Brodenfängg, damit fol
che die rechte und geſchwinde Ausdünftung des Waſſers aus der
Sohle befördern helfen, vieles gelegen fey; wenn folhe Ausduͤn⸗
ee
fung recht von ftatten geben ſoll.
43. Nichtminder iſt die rechte Einrichtung der Salzbuchten
zur Trocknung des Salzes wohl anzulegen, damit die aus dein Saß
ge fich fcheidende Feuchtigkeit von foschen Buchten durch befondere
Züge und Oefnungen abgeführet werde: weil das Waſſer, fo noch
auf den Buchten aus dem Salze trocknet, nur verdünnert und in die
Luft getrieben, aber nicht gänzlich zernichtet wird. Wenn dahero folche
Seuchtigfeit auf obbefagten Buchten bfeibet, fo zieht fie fich wieder
in das Salz , und verhindert die Trocknung deſſelben. Beyde
obbeſagte Stuͤcke, nämlich die Brodenfinge und Buchten, haben
bey den meijien Salzkohten, nicht die rechte Eigenſchaften.
G 3 44. Es
54 | Bon Salzpfannen. |
44. Es hätte hiebey noch. eine befondere Vorſtellung von
Salzkothen, fo zu diefer Art Defen und Pfannen am bequemiten
und nüßfichften ift, angezeiget werden Fünnen, in welchen obbefagte
Brodenfaͤnge, imgleichen die Salzbuchten, nichtminder die an un»
terfehiedenen Orten mit. gutem Vortheile gebräuchlichen Waͤrm⸗
pfannen, angezeiget werden Fünnen: weil aber eine hocherfeuchtete
und bochpreistiche Akademie der Wiffenfchaften nur verlanget, wels
ches Die -befte Bauart. der Defen und Pfannen zu dem
Saͤlzſieden ſey, ſo iſt ſolches hier unterblig-
ben und ausgeſetzet worden.
Herrn
2; 4 Er
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Joh. Heim. Gottlobs von Juſti
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Öconomifche
- Preidfrage:
Was Gases die, Pflanzen felbft zur Zubereitung
ihres Nahrungfaftes bey, und was ift bey ihrem un:
gleihen Wachsthum der Verfchiedenheit des Erdreichs zuzufchreis
ben? Laffen fich die verfchiedene Güte deflelben, und bey ſchlech⸗
tem Erdreich die mangelnden Stuͤcke, befonders in Abfiht
aufden Ackerbau, durch chymiſche Verſuche auf
eine brauchbare Art beflimmen?
Fortunatus & ille, Deos qui novit agre- |
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Panaque, Sylvanumque Senem, Nymphas-
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ED) E er biäühende Zuftand der Landwirthſchaft iſt von überaus
N. großer Wichtigkeit für die bürgerlichen Geſellſchaften.
g—& Sie ift die Quelle des Unterhalts für das gefammte Volk;
amd ein Volk, das feine Nahrungsmittel ganz oder zum Theil von
andern Voͤlkern erlangen muß, befinder ſich in Anfehung feineg
Wohlfarth allemal in zweifelhaftigen und fihfüpfrichten Umftänden,
Sie ift ebenſowohl der hauptfächlichfte Grund des gefammten Nah—⸗
sungsftandeg. Aus ihr müffen die meiſten Materialien für die Ma—
nufacturen, Fabriquen und Gemerbe entftehen; und dieſe kuͤnſtli⸗
chen ſowohl als die natürlichen Producte geben wieder hauptſaͤchlich
den dauerhaftigen Grund. blühender Commercien an die Hand. Denn
der dconomifche Handel, welcher nur durch die Nachlaͤßigkeit und
| ſchlechte Einſicht der benachbarten Voͤlker einen guten Fortgang hat,
beruhet auf einem fo ſeichten Grunde, daß man fi niemal eine
fiber: und beftändige Rechnung darauf machen kann. Ein biühens
der Zuftand der Landwirtbfchaft iſt endlich auch eine fruchtdare
Duelle des Wohlſtandes der Familien, ſowohl für diejenigen, wel
che Die Landoͤconomie treiben, oder Landgüter befisen, als für alle
andere Stände und Etaffen des Volkes. Denn der wohlfeile Preis
Vandes / U Theil, H der
38 Betrachtungen
der Lebensmittel und die Menge der natuͤrlichen Guͤter, welche ge⸗
wonnen werden, haben ihren geſegneten Einfluß auf alle Einwohner
des Landes, ſie moͤgen ſeyn von was fuͤr Stand und Gewerbe ſie
wollen. Kurz die Landwirthſchaft iſt der erſte Grund, worauf das
ganze Gebaͤude von der Wohlfarth des Staats ruhet, und welche
gleichſam die ganze Laſt dieſes Gebaͤudes tragen muß. Dieſe Wahr⸗
beit wird in unſern Tagen immer mehr erkannt; und man wird faſt
allenthalben aufmerkfam, diefen Grund in einen guten Bon | zu
ſetzen.
Als ein ehrlicher Deutſcher, der ſein Vaterland liebet,
wuͤnſchte ich, Daß ich bier Deutſchland den Ruhm beylegen koͤnnte,
daß es diefen Grund feinee Wohlfarth bereits. in die möglichfte.
Vollkommenheit gefeget hätte, Allein es fehlet noch gar zu viel,
als daß man diefes mit Wahrheit behaupten koͤnnte. Go aufs
merkfam auch unfer erleuchtetes Jahrhundert auf Diefen wichtigen
Punet gewefen ift; fo erbficket man doch allenthalben noch große
Mängel, ſowohl in-der Einrichtung und Zufammenhange der Lands
wirthfchaft, als in der dazu erfoderfichen Erkaͤnntniß.
Die Mängel in Anfehung der Einrichtung und Zufammens
banges der Landwirthſchaft fallen einem forfehensbegierigen Auge
alfenthalben gar feicht in den Gefichtspunet. Webertriebene Frohn⸗
dDienfte, welche den Kammergütern und Edelleuten wenig Vortheil
bringen, und doc dern Landmann alle Zeit und Muth benehmen,
an der Verbefferung feiner Grundſtuͤcke Hand anzulegen ; taufens
derley Bedruͤckungen desjenigen Standes der Menfchen, von dem
man die Vollkommenheit der Landwirthſchaft erwarten muß, wo⸗
durch derfelbe in fo großes Elend und Dürftigkeit gefebet wird, daß
er kaum die befchwerfichen Bürden feines Lebens fortfhleppen kann;
geſchweige daß er Kräften und Vermögen haben follte, an die Ber
beferung feiner Grundſtuͤcke etwas zu wenden: die Leibeigenſchaf
oder
über den Ackerbau, 59
oder der Mangel des Eigenthums, welche dem Landmann unmoͤg⸗
lich Luft machen koͤnnen, das Vermögen eines andern zu verbeſ⸗
fern; mweitentlegene Felder, die halbe und ganze Stunden weit von
des Landmannes Wohnung abliegen, und die alle feine Arbeit und
Geſchaͤfte mehr als verdoppeln; die Huth und Teiftgerechtigkeit,
vermöge deren nur wenig Vieh gehalten werden kann, und welche
den Landmann hindert, feine Felder und Wieſen recht zu nusen,
und etwas an die DVerbefferung zu wenden; weil ihm diefe fremden
Viehheerden gar bald alle feine Abfichten verderben würden; das
find die Fehler und Mängel in dem Zufammenhange und der Eins
richtung der Landwirthſchaft, die man faſt in allen Staaten von
Deutfchland erblicket. Und leider! dieſe Mängel find fo groß und
fo unheilbat, daß man vernünftiger Weife nicht einmal die Hof⸗
nung faflen darf, Diefe Gebrechen dereinſt abgeändert zu fehen.
Wenn Engeland der einzige Staat von Europa iſt, welcher feine
Landwirtbfihaft in einen ziemlich hohen Grad der Vollkommen⸗
heit gefeget hatz wenn das glückliche und reiche Engeland jährlich
für 8 bis 10 Millionen Neichsthafer Getraide ausführet, und mit
hin alle Fahre um fo viel noch veicher wird; fo ift Die Urfache le—
diglich darinnen zu fuchen, Daß wir von allen diefen Mängeln und
Gebrechen in diefem glücklichen und weislich vegierten Lande gar
nichts erblicken.
Der Mangel derjenigen Erkaͤnntniß, welche zu einem voll
kommenen Zuftand der Landwirthſchaft erfodert wird, ift gewiß
‚eben fo groß. Der Landmann, der ohnedas ganz und gar unfähig
ft ſich über feine Gefchäfte richtige Grundfäge und gründliche Ne-
‚gen zu machen, Elebet an taufend Porurtheifen und Aberglauben,
und arbeitet nach dem alten Schlendrian bin, den er von feinem
Großvater geiehen hat. Und ob ſich zwar gelehrte und fähige Köpfe
in diefem — ⸗ dieſes ehedem ziemlich veraͤchtuch gehaltenen
H 2 Thei⸗
6e Kun Betrachtungen —
Theiles der menſchlichen Erkaͤnntniß angenommen, und ſolchen ale
eine Wiſſenſchaft bearbeitet haben, um der natürlichen Unwiſ⸗
fenheit des Landmannes zu fasten zu kommen; fo ift doch hies
rinnen noch überaus wenig gefhehen. Kine Menge Spielwerke
von Verſuchen, leere Ausrechnungen von wirtbfchaftlihen Nusuns
gen, welche die Umftände eines jeden Drts abändern, Eleine nichtss
bedeutende Zweifel und Fragen, damit find unfere oͤconomiſchen
Monarfihriften und andere oͤconomiſche Bücher erfülle, Man hat
Der Decongmie nur die eitle Form einer WBiftenfchaft zu geben ger
fucht. An das Wefentliche, an das Bründliche, an die erften Grunde
ſaͤtze dieſer Wiſſenſchaft, ohne welche doch nie eine Wiſſenſchaft
Statt finden kann, hat man noch gar nicht gedacht. Der Grund
von der Fruchtbarkeit des Erdbodens, von dem Wachsthum der
Pflanzen, von dem Einfluß der Witterung in die verfihiedenen Ars
fen derfelben, Sauter Dinge, die zu den erften Srundfägen der Lands
wirthſchaft gehören, find uns kaum den Außerlichen Schaalen nach
bekannt; gefchweige daß unfere Erkännmiß etwas Weſentliches das
von eingefehen haben follte,
Man.muß der erleuchteten Akademie der MWiffenfchaften
su München das Recht wiederfahren laſſen, daß ihre für diefes Jahr
aufgegebenen Preisfragen fehr auf das Weſentliche geben , und in
Die erfien Grundfüße der Oekonomie⸗Wiſſenſchaft eindringen. Allein,
wenn es mir erlaubt ift, freymuͤthig zu ſeyn; fo muß ich aud) fagen,
Daß fie für unfte ſchwache Erkaͤnntniß zur Zeit viel zu viel frage.
Die Frage, was die Pflanzen felbit zur Zubereitung ihres Nahrungs⸗
ſaftes beytragen, und deren grindliche Beantwortung würde der
Landoͤconomie ein fehr helles Ficht geben. Aber ich glaube, daß
noch Zahrhunderte verfließen werden, ehe man fie auf eine der Sa—
ehe ein vollkommenes Senügen leiſtende Art wird beantworten Füns
gen. Und wenn die Fürften fort, EHER Dusch srfchreskliche Kriege den
Erde
über den Ackerbau. 6
Erdboden zu verwuͤſten, und der Barbarey zuwinken; fo wird vies
keicht die menſchliche Erkaͤnntniß niemal aufı Diefen Grad fteigen.
Unterdeffen , fo, wie derjenige, Der in einem tiefen Keller figet, we
eine ſchwarze Finſterniß herrſchet, mit Händen und Füffen um fich
tappet, um die Treppe zu finden, die ihn zw einem fchwachen Strahl
des Lichtes führen Fan ; fo werde aud) ich mich bemühen , unfere
geringe Erfänntnig und Erfahrung zu nugen, um die Bahn zu bres
ben, Daß andere etwas von den hierzu erfoderlichen Grundfägen
fefifegen Eönnen. Ich geftehe gern, daß alles , was ich zu Erdrie«
rung diefer und der folgenden Fragen werde beybringen koͤnnen, von
keiner großen Wichtigkeit feyn wird. Aber ich eröfte mich, daß die
erleuchtete Akademie felbft nichts anders, als die erften und ſchwachen
Verſuche erwartet haben wird.
ch wage alſo meinen ſchwachen Verfuch zuvoͤrderſt bey der
erſten Frage, naͤmlich, was die Pflanzen ſelbſt zur Zubereitung
ihres Nahrungsſaftes beytragen? Es iſt der Natur der Suche ge⸗
maͤß, daß wir bey dem Saamenkorn anfangen. Heute zu Tage
kann man als einen Grundfas vorausfegen , der von einfichtigen
Naturkuͤndigern ale ungezweifelt erkannt wird, daß die ganze Pflan⸗
ge mit allen ihren Theilen fehon in dem Saamenkorn verborgen liegt;
und in der That ift dieſes der einzige Weg, wodurch man zu einem
vernünftigen Grunde von dem Wachsthum und der übereinftimmenz
Den Bildung der Pflanzen gelangen Fann. Man müßte fonft anneh⸗
men, entweder daß fich Die Pflanze ſelbſt baue, und daß fie mithin
nicht allein Erkaͤnntniß und Willen , ondern auch eine fehr große
Kunſt und Macht befige; und da würden taufendmal mehr Schwies
rigkeiten und Ungereimtheiten vormwalten , als die Hofmannianer den
Stahlianern über den Satz vorgeworfen haben, daß die menfchlis
che Seele ihren Körper bauen ſoll; oder man müßte GOtt mit dey
Bun geringfchägigen Muͤhe beladen daß er umniielbar bey je⸗
SH 3 dem
62 Betrachtungen
dem Saamenkorn beſchaͤftiget fey, um die Theile einer jeden Pflanze
ſelbſt hervor zubringen , und zu bilden. Allein, wenn man annimmt,
daf die ganze Pflanze mit allen ihren Theilen , wiewohl in einer
faft unendlichen Kleinheit in dem Saamenkorn verborgen liegt ; fo
falten alle Schwierigkeiten weg. Es ift alsdenn meiter nichts. noͤ⸗
tbig, als daß fich diefe unendlich feinen Theile nady und nad) vera
größern , und entwickeln. Dieſes kann aber allerdings durch gez
wiffe Triebfedern geſchehen „ ohne * unmittelbare Wirkungen
GoOttes dabey noͤthig ſind.
Wenn demnach alle Theile der Pflanze ſchon in ihrem
Saamenkorn verborgen liegen; ſo ſcheint nach einer vernuͤnftigen
Art zu ſchließen, daraus zu folgen, daß je groͤßer das Saamenkorn
iſt, deſto leichter muß es demſelben ſeyn, ſeinen Nahrungsſaft an ſich
zu ſaugen, und ſich zu entwickeln: dahingegen ein Saamenkorn
don einer ſehr geringen Groͤße, in welchem die Theile der Pflanze
in einer ganz unbegreiflichen Feinheit aufeinander liegen müffen, gar
feicht von mancherley Umständen Dinderniß finden kann, und mithin
erſticket wird. Diefe Schluͤſſe fiheinen auch mit der Erfahrung
übereinzuftimmen. Alle Saamenkoͤrner von einer ziemlichen Größe
finden keine Schwierigkeit hervorzufproffen , und Fommen fehr leicht
fort. Es giebt fogar Zwiebelgewaͤchſe, die man nur auf die Defe
nung eines mit Waſſer erfüllten Glaſes legen darf, ohne daß fie von
dem Waſſer berührt merden; fo werden die aus dem Waſſer aufs
freigenden Duͤnſte der Zwiebel Nahrung geben , daß fie ihren Keim
und Wurzeln treibt, bis die Wurzeln das Waſſer erreichen. , und
daraus eine ſtaͤrkere Nahrung ziehen Tonnen. Dahingegen der
Saqmen von Taback, von Majoran, von Thymian und anderes
Geſaͤme von einer großen Zartheit eine große Vorſicht erfodern,
wenn fie aufgehen follam Man Fann allemal verfichert feyn , daß
gar nichts von dergleichen Saamen aufgehen wird, wenn er nur
einen
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|
über den Ackerbau. 63
"einen Zoll tief unter der Erde liegt. Allein wenn man bedenket, daß
der eben fo zarte Mohnfaamen tief untergeharket , ja fogar geeget
"werden ann, ohne im Hervorkeimen Hinderniffe zu finden, wenn
man erwäger, daß fo viele Arten des Unfrautes einen Saamen
von einer faft unbegreiflichen Feinheit haben , der ohne alle Mühe
und Dorficht hervorwächft ; fo fieht man Teicht, Daß alle Diefe
Scheinbar ſchoͤnen Schtäffe fo viel als nichts fagen wollen , und daß
eine ganz andere Urfache in dem Saamen liegen muß, warum mans
cher Saamen ungemein leicht , und mancher nicht ohne Mühe und
Borficht hervorwaͤchſt.
Ale Saamentörner find folchergeftalt befchaffen » daß fie
Feuchtigkeit in fich nehmen Finnen, Diefe Feuchtigkeit iſt ihr er⸗
ſter Nahrungsfaft; indem derfelbe zwifchen die zarten Theilchen der
Darinnen verborgen liegenden Pflanzen eindringt, und diefelben aufs
ſchwellend macht; fo wird nur eim gewiffer Grad der Wärme ers
fodert, um ſowohl den Reim des Stängels, als der Wurzel her
vor zu treiben. ° Um diefe erfte Wirkung bervorzubringen, wird bey
den meiften Arten der Saamenkoͤrner noch Feine Erde erfodert; es
ift Feuchtigkeit und Waͤrme zureihend. Alle Erfahrungen zeigen
diefes. Das Getraide waͤchſt in der Ernde bey fang anhaltendem
Megenwetter auf den Schwaden, und fogar in der noch auf ihrem
Stängel frehenden Aehre aus. Unterdeffen findet man einen faft uns
endlichen Unterfchied in der Zeit, wenn der Keim hervorfproffer -
Bey vielen Pflanzengemächfen gefchieht diefes in warmer Witterung
in 4, 6, 8 bis 10 Tagen, und andere haben fo viel Wochen noͤ⸗
thig. Man follte bier abermal fihliegen , daß je feiner das Sans
menkorn fey , deſto längere Zeit müffe es haben, ehe die unbegreiflich
garten Theile der dDarinnen verborgen liegenden Pflanze zu einer fol
hen Größe gedeihen, daß der Keim ſich zeigen kann. Diefes teift
auch in der That bey vielen Sämereyen ein. - Die Heinften Geſaͤ⸗
k mie
64 » Betrachtungen
‚me fiegen gemeiniglich am laͤngſten in der, Erde, ehe. fie aufgehen,
Aber bey vielen fehſet aud). wieder dieſe Regel. Es giebt ſehr arte
Saamenarten, die in wenig Tagen aufgehen; und alſo muß man
abermals geftehen: „daß diefe ſcheinbare Urfache nichtsweniger als
‚die rechte iſt. Eben ſo erfodern viele Saamenarten viel Feuchtig⸗ |
Feit, andere wenig, wenn nicht ftatt Des Keimens die Faͤulniß ent⸗
ſtehen ſoll. Der Reiß will in Waſſer ſchwimmen, wenn er auf⸗
gehen ſoll; und der Saamen der Baumwollenſtaude wird von einer
ſehr geringen Feuchtigkeit, die bey tauſend andern Saamenarten
nicht einmal zum Aufgehen zureichend ſeyn wuͤrde, zur Faͤulniß befoͤr⸗
dert, fo ſehr will er ein trocknes Erdreich haben. Woher ruͤhret
dieſer Unterſchied ? Es iſt freylich wahr , Die Urſache muß in der
Natur und innern Bildung des Saamens liegen. Aber wenn man
ſagt: dieſe Wirkung iſt in der Natur der Sache gegründet , ohne
daß man eine nähere und eigentlichere Urfache angeben kann; fo far
get man im Grunde gar nichts. . Man würde noch, Elüger thun /
wenn man ſeine gaͤnzliche Unwiſſenheit geſtuͤnde, die ich fuͤr meine
Zheil über dieſe — der Wirkungen mit Mund un
Herzen bekenne.
Nach Betrachtung des Saamens kommen wir nunmehr auf
die Pflanzen ſelbſt. Heute zu Tage iſt es bey verſtaͤndigen Natur⸗
kuͤndigern keinem weitern Zweifel unterworfen, daß in den Pflanzen
ein Nahrungsſaft eirenliret, der cben den Endzwerf hat , als das
Blut in den thierifihen. Körpern. So wie die thieriichen Körper alſo
Adern haben; fo muͤſſen auch die Pfiangen mit Gefäßen verfehen
feyn, worinnen diefer Nabrungsfaft eirculiret. Ja, fie müffen auch
beſondere Gefaͤße haben „ worinnen diefer Nahrungsfaft zubereitet
wird. Denn durch diefe Zubereitung werden die unterſcheidenden
Eigenfchaften und Früchte einer jeden Pflanze Determiniret, Man
kann auf einen einzigen Baum zebenzund mehrerley Früchte propfen,
vder
über-den Ackerbau. ©5
der veutiten. Ein jeder Zweig kann eine andere Art haben. Hiay
iſt es offenbar y, daß es ein. und eben derfelbe, Nahrungsfaft ift, der
in dem Stamme hinaufſteigt. Allein, fo wie er ſich im die ver⸗
ſchiedenen Zweige vertheilet; ſo wird er in jedem Zweige auf ei
andere Art zubereitet, daraus denn die Baia der Früchte
ımalfhens- IBK, rel) > 29 | ’
Es iſt gewiß, daß die Pflanzen in der Beſchaffenheit diefeg
Zubereitungs » und Cireulationsgefäffe , in der Enge und Weite ders
felben, in Anfehung der Zeit, binnen welcher der Nahrungsfaft in
der Pflanze herumgetrieben wird, eine, faſt unendliche Berfchiedenheis
‚haben müffen. Allein in allen dieſen Dingen iſt unſere Unwiſſenheit
fo groß, daß wir noch gar nichts Davon einſehen. Unterdefien iſt es
doch dieſe Erkaͤnntniß, welche wir noͤthig haben, wenn wir auf eine
gruͤndliche Art beſtimmen wollen, was die Pflanzen ſelbſt zur Zube⸗
‚seitung ihres Nahrungsſaftes beytragen. Die Anatomie der Pflan⸗
‚gen gehöret zur Zeu nur unter die möglichen Wiſſenſchaften. Ich
zweifle auch, daß es die Naturkuͤndiger durch das Meſſer und die
Vergroͤßerungsglaͤſer in dieſer Erkaͤnntniß weit bringen werden.
Allein es giebt andere Wege, wodurch wir hierinnen unſere Er⸗
kaͤnntniß vermehren koͤnnten. 8. E. Wenn wir nur genugſam auf⸗
merkſam ſeyn wollten; ſo haͤtten wir einen ſehr leichten Weg, zu be⸗
ſtimmen, in wie viel Minuten der Nahrungsfaft i in einer jeden Ars
der Pflanzengeroächfe herum eireulire. Man darf nur im duͤrren
Sommer. die Pflanzenarten, bey. welchen man dieſe Berfuche anz
‚ftellen will, fo fang unbegoffen laſſen, bis die Blätter ſchlapp beruns
‚ter hängen... Alsdenn muß man die Minuten bemerken, weiche von
‚dem Zeitpunct eines zureichenden Begießens verfließen, ehe die Bläts
ter wieder frilc und aufgerichtet ftehen. Als ich mich chedem dieſen
Verſuchen unterjog; fo habe ich eine fehr große Verſchiedenheit in dies
‚fer Zeit der Circulation bey den Pflanzengewaͤchſen bemerket. Bey
Bundes, U Theil, J vielen
En Betrachtungen
von der Wurzel bis in die Blaͤtter hinauf ſteigt. Allein bey man⸗
chen verfließen fuͤnfzig, ſechzig und mehr Minuten, ehe dieſes ge⸗
%
ſchieht. Ich hatte mir vorgefeget, dieſe Verſuche fortzufegen , und
Die Zeit der Eireufation des Nuhrungsfaftes bey den meiften bekann⸗
vielen ſind nur 6.8 bis 12 Minuten ndthig , im welchen der Saft
%
ten Planzenarten in einer Tabelle zu bemerken. Allein hundert
andere Beſchaͤftigungen und dringendere Sorgen haben mic darzu
aidt kommen laffen.
Die Pflanzengewächfe ziehen ihten Nahrungsfaft aus der
h
Erds an ſich. Ihre Wurzeln müffen alfo mit Defnungen verfehen
ſeyn, wodurch diefes gefchehen Bann. Diele Berfuche faffen auch
Hunmehr nicht weiter zweifeln, daß die Pflangengemächfe ausdünften.
Ihre Blätter und Zweige müffen alfo gleichfalld Defnungen haben,
Eden fo ift es gewiß, daß die Pflanzen die Feuchtigkeit aus der Luft
“an fich ziehen. Bey einer großen Dürre, wenn die Pflanzen die '
Blätter hängen laffen, und die Luft mit feuchten Dünften erfuͤllet
- Wird, bemerkt man allemal , daß ſich die Blätter erfrifchen,, und
wieder aufrecht ſtehen, ehe noch das gerinfte vom wirklichen Negen
erfolgets gefehmeige, daß der Negen bis zu den ABurzeln hätte drin»
gen koͤnnen. Die Blätter und Zweige müffen demnach auch mit
Defnungen verfehen feyn , wodurch fie die Zeuchtigfeiten aus der
kLuft an ſich faugen.
Laſſet uns diefe Wahrheiten aus der Erfahrung weiter fort
fegen. Die Wurzeln und die Zweige eines Pflanzengewächfes find
"nicht wefentlich voneinander unterfchieden. Man Fann die Zweige
gu Wurzeln, und die Wurzeln zu Zweigen machen. Es werden
ſehr wenig oder gar Feine Pflanzengewächfe feyn, die man nicht
Durch Legung eines Zweiges in Die Erde fortpflanzen kann: und
wenn man einen frarken Zweig von einem ka oder einem gan⸗
J J zen
über den Ackerbau. %.
fen. Beinen Baum niederbeugt , und in die Erde graͤbt; fo werden
endlich die Ziveige zu Wurzeln werden. Wenn dieſes gefchehen iſt,
fo kann man die vorherigen Wurzeln ausgraben, und in die Höhe |
sichten; und man wird bald fehen, daß fie Blätter gewinnen und
zu Zweigen werden. - Sch fehließe daraus, daß die zarten Oefnun⸗
gen, die ein Pflanzengewaͤchs hat, ſowohl an deu Fand als an
den Zweigen ganz / von einerley Art find.
Es ift ferner eine befannte Wahrheit, daß die Mitwirkung
‚der Luft nothwendig zu dem Wachsthum der Pflanzen erfodert wird;
und zwar ift die Wirkung der freven Luft nöthig, wenn dieſer
Wachsthum auf eine gedeyhliche und dDauerhaftige Art geſchehen
fol. Pflanzengewaͤchſe, die in einem zugehaltnen Zimmer treiben
ſchießen in einen langen weißen oder gelblichten Stängel, ohne Bläte
fer und die grüne Farbe zu gewinnen; und verwelken hernach ges
meiniglich, wenn fie an die freye Luft kommen. Eben fo wird zu
Keimung und Aufgehung des Saamens nothivendig die Mitwirkung
der Luft erfodert. Eine jede Art von Saamen geht gar nicht auf
wenn fie allzutief in.der Erde liegt. Diefes fcheint ſich nach Pros
portion der Größe des Saamens zu verhalten. Sehr zarter Saas
men darf nur einige Zell tief in der Erde liegen, um gar nicht aufs:
zugehenz der größte Saamen aber wird verhindert hervorzufproffen,
wenn er Über 6 Zoll tief in der Erde liegt. Wahrfcheinlich dörfte
ſich die Wirkung der Luft kaum 6 Zoll tief in die Oberfläche einer
lockern Erde erſtrecken. Jedoch kann man dieſes nur muthmaßlich
aus der Wirkt, ng und Erfolg beftimmen , weil fich ſchwerlich eigent⸗
liche Verſuche über Diefen Punet ausfindig machen laſſen. So viet
iſt aber aus allen Erfahrungen wohl unftreitig, daß die Mitwirkung
der freyen Luft zu Dem Be der Pflanzen nothwendig ei⸗
ſodert wird.
LE Dick
68 WBekrachkungen
Diele Wahrheiten zeigen un einen, obzwar noch zlemlich ent⸗
fernten Schimmer eines Lichts, auf was fuͤr eine Art der Wachsthum
der Pflanzengewächfe gefchieht. Wenn die Pflanzengewächfe ſo⸗
wohl an ihren Wurzeln, als an ihren Blaͤttern und Zweigen als
fenthalben gleiche zarte Defnungen haben; wenn die Luft nothwen⸗
Dig zu dem Wachsthum der Pflanzen erfodert wird; fo ſcheint die
Luft Die Urfache in fich zu haben, warum die Pflanzengemwächfe die
Feuchtigfeiten und Nahrungsfäfte aus der Erde an ſich faugen.
Könnte man der Euft eine anziehende Kraft zuſchreiben; fü würde
man auf einmal eine zureichende Erklärung der Sache haben. Die
anziehende Kraft der Luft wuͤrde verurfachen, daß die zarten Defz
nangen der Wurzel die Nahtungsfäfte an ſich faugten; indem fie
in den Cireulationsgefaͤſſen gleichfam als in Hebern in die Höhe
fliegen. Allein ich getraue mie nicht, der Luft dieſe Eigenfchaft beys
zulegen. Alles, was wir bisher durch Verſuche von ihr haben be
weifen können, ift ihre Schwere und ihre ausdehnende Kraft. Als
fein in dieſen beyden Eigenfchaften fehe ich nichts, wodurch fich er⸗
klaͤren ließe, auf was für Art die Pflanzen ihre Nahrungsſaͤfte aus der
Erde an fi faugen. Aber wie vielift es nicht, was wir noch nicht
wiſſen? Die Ordnung meiner Betrachtungen wird mich unten noch
einmal auf die Mitwirkung der Luft führen, und da wird fich zei⸗
gen, ob ein mehreres Licht in der Sache hervorfeheinen wird.
Wollte man fagen, daß, da die Wärme zu dem Wachsthum
der Pflanzen erfodert werde, man den erften Grund und Die Triebs
feder des Wachsthums in derfelben fuchen müffe; Indem fie nicht
allein die Feuchtigkeiten des Erdbodens in Bewegung feße, fondern
auch die zarten Defnungen der Wurzeln erweitere, und fie gefchickt
mache, den Nahrungsfaft in fich zu nehmen; fo twürde man meines
Erachtens die Art und Weiſe von dem Wachsthum der Pflanzen
kein esweges zureichend due Es giebt eine Menge Pflanzen,
Die
ber den Aderdau. 69
0 auch Im Winter, und fogar bey großer Kälte wachſen. Der
Froſt ſetzet die Feuchtigfeiten eben fo fehr in Bewegung, als die
Wärme; ja, vieleicht noch mehr; denn die Verſuche haben ergeben,
Daß das Eis fhärfer ausdünfter, als das Waſſer bey gewöhnlicher
Sommerwaͤrme; und ob der Froft die zarten Defnungen der Wur⸗
gel zufammen zieht, oder erweitert, Das iſt noch gar nicht ausges
macht. Weberdieß, wenn die Waͤrme die einzige Triebfeder des
- MWadhsthums wäre; fo fieht man nicht, warum die Pflanzen nicht
- auch ohne Luft wachfen Eönnten. Die Pflanzen würden ſich alss
denn auch nur leidend verhalten: und das läßt fi) meines Erachs
tens am allerwenigiten behaupten ; weil ihre eigne Thaͤtigkeit aus
einer Menge von Beichaffenheiten und Umftänden gar zu deutlich
hervorſcheint. Ueberhaupt wird e8 allemal für den menfchlichen
Verſtand eine fehr fehwere Sache feyn, den eigentlichen Grund
und die erfte Triebfeder von dem Wachsthum der Pflanzen zu er⸗
forſchen. Ich will mich alſo begnuͤgen, aus demjenigen, was ich
‚oben von der innern Beſchaffenheit der Pflanzen feſtgeſetzet habe,
weltere Folgen zu ziehen.
Da oben gezeigtermaßen die Zubereitung des Nahrungsſaf⸗
les der Pflanzen auf die Beſchaffenheit ihrer Gefaͤſſe und Defnuns
gen ankommt; fo entſteht aus der Verſchiedenheit dieſer Gefäffe
die Eigenſchaft der Pflanzen, daß einige viel andere wenig Feuchs
tigkeit erfodern. Pflanzen, welche weite Defnungen an ihren Wurs
pen, Zweigen und Blättern haben, die mit weiten Circulationsge⸗
faͤſſen verfehen find, und deren Nahrungsfaft binnen wenig Minus
F ten herumeireuliret, und die folglich auch ſtark ausdünften, (denn
alles diefes hängt meines Erachtens natürlicher Weiſe zufammen )
verlangen allemal viel Feuchtigkeiten zu ihrer Nahrung, Mir fins
den in der That diefe Eigepfchaft an vielen Pflanzen, Aber über
kant iſt unfere Erkaͤnntniß hierinnen noch nicht weit gefommen,
} 33 Dir
70 Betrachtungen
Wir moͤgen vieleicht viele Pflanzen ſparſam mit Feuchtigkeiten wit.
terhalten, die einen großen Ueberfluß davon verlangen. Es iſt noch
nicht lange, daß man in Engelland zufälliger ABeife die Entderfung
gemacht hat, daß die Urſache, warum die Srenadille oder Pakionse
dlume in biefigen Himmelsgegenden zwar. bluͤhet, aber niemal
Srucht trägt, lediglich Darauf ankommt, daß wir fie nicht mit ge⸗
nugfamen Feuchtigkeiten unterhaften. Man bat gefunden, daß
wenn dieſes Pflanzengewächs mitten in einem Moraft fteht, auch
in unferm Clima die ſchoͤnſten und größten Früchte davon erfolgen,
Penn die Pflanzengewaͤchſe in ihren Zubereitungszund Cir⸗
exlationsgeräffen eine. fo große Verſchiedenheit haben; fo iſt es fehr
wahrſcheinlich, daß fie. auch nicht alle eineriey Feuchtigkeiten und
Nahrungsſaͤfte in ſich faugen. Je zärter die Defnungen und Ges
faͤſſe find, deftoweniger Fönnen fie grobe Nahrungsfäfte in ſich neh⸗
men. ° Wenn unfere Erfänntniß von den Pflanzengewaͤchſen größer‘
wäre; fo würden wir allemal eine Pflanze von weiten , und eine
andere von engen Kirculationsgefäflen nahe bey einander pflanzen
Können, ohne daß fie einander im Wachsthum hindern mürden, weil
fie nicht einerley Nabrungsfäfte an ſich ziehen. » Eben fo würde
man einen Acer, der ſchon einige Jahre Getraide getragen hafg
ohne neue Miſtung zu andern Pflanzengewächfen nugen Fünnen,
wenn man die rechte Wahl zu trefen wüßte; und es iſt leicht einzu
ſehen, wie diefeg dem Garten» und Aderbauzum Vortheil gereichen
würde. Die Sache wird in der That, aber nur noch fehr ſparſam
in der Welt ausgeübet- In Piemont feget man einen Maulbeers
baum und einen Weinſtock in ein Loch, wobey der Maufbeerbaum
dem Weinſtock zugleich zum Pfahle dienet. Beyde gedeihen voxs
treflich beyeinander , ohne daß einer dem andern die Nahrungsfäfte
entzieht ; weil der Maulbeerbaum zarte , und der Weinſtock meitg
Gefaͤſſe hat. In Exfurth hingegen pfleges man einen Acker nad)
A gner
über den Ackerbau. qı
Äner ſtarken Miftung wohl öfters zwanzig Jahr alle Jahre unaus⸗
geſetzt zunugen , ohne ihn von neuen zu Dingen, blos, weil man
eine gute Wahl mit den Setraidarten und Pflanzengewächfen anzu⸗
ſtellen weis. Denn der Acer, welcher Feine Nahrungsfäfte mehr
für Waizen und Rocken hat, ift deshalben noch mit genugfamen Nabe
sungsfäften für andere nügliche Pflanzengewaͤchſe verfehen.
' Aber was ift das, was die Pflangengewächfe aus dem Acker
an ſich ſaugen, und ihre Nahrungsfäfte daraus zubereiten , wenn fie
wohl gedeihen , und die beftmöglichfte Fruchtbarkeit zeigen. Einige
Schriftſteller in der Defonomie haben daffelbe ein Unctuoſum ges
vennet. Vieleicht aber würden fie in ziemlicher Verlegenheit geweſen
feyn , ‚wenn fie deutlicher hätten erklären follen »_ was fie darunter
derſtehen. So viel wiffen wir zwar aus der Erfahrung, daß, wenn
ein Acker in Abſicht auf die in der Landwirthſchaft gewöhnlichen Ges
traidarten und Pflanzgengewächle an fruchtbar machenden Nahs
Kungsfäften ausgezehret ift, man fie demfelben wieder erfegen kann,
„wenn man ihm verfchiedene Arten von Mift oder Afche giebt; Din⸗
Be , die entweder ein flüchtiges oder fires alkaliſches Salz in fich ente
halten, Allein daraus folget noch nicht, daß das alkalifche Salz
ver allgemeine fruchtbar machende Nahrungsfaft aller Pflanzenge⸗
waͤchſe fey. Es ift vieleicht dus alkaliſche Salz nur eine befondere
Art dieſes allgemeinen Nahrungsfaftes, welcher für die in der Lande
wirthſchaft gewoͤhnlichen Pflanzen am dieulichſten iſt. Ohngeach⸗
tet ein Acer an Nahrungsſaͤften dergeſtalt ausgezehret iſt, daß ce
kein Getraide trägt; fo hat er doch noch genug Nahrungsfäfte, um
einen Wald voller Unkraut aus fi) wachfend zu machen. Ja, das
Aullkali ift nicht einmal für die in der Landwirthſchaft gewoͤhnlichen
Pflanzengewaͤchſe das einzige Nahrungsmittel. Wenn man den duͤr⸗
Reiten Sand, der kaum alle Ellen voneinander ein Hälmchen Graß
hervorbringt , und welcher gewiß fo lang als die Welt ſteht, kei⸗
ne
"m Bekrachkungen
ne Duͤngung erhalten hat, ſehr tief rajolet; fo dann man das erſte
und zweyte Jahr von den meiſten landwirthſchaftlichen Pflanzenge⸗
waͤchſen ohne Miſtung eine gute Ernde gewarten. Einer meiner Be⸗
kannten hat noch dieſes Jahr die Probe gemacht, und fogar in duͤr⸗
sen Sande fehr ſchoͤnen Koͤhl erhalten, “
, | Pe 3
Man Bann diefen Erfolg ſchwerlich anders erflären, alsdaß
man annimmt, daß die in der Luft befindlichen Safe mit dem Re⸗
gen herunter fallen, tiefer als ein Fuß in den Sandboden eindrins
gen; welches in vielen Jahrhunderten allerdings etwas fo reichliches
son Salztheilchen betragen kann, das fi) das erfte und zwepte Jahr
davon eine Fruchtbarkeit zeiget. Ob man nun zwar zugeftehen muß,
daß fich auch urinoͤſiſche Salztheilchen in der Luft befindenz fo find
doch diefe allemal der geringfte Antheil. Das hauptfächliche in der
Luft befindfiche Salzweſen iſt Die Luftfäure- Dieſes läßt fich auf
vielfaͤltige Art beweifen ; infonderheit wenn man Pottaſche der freyen
Luft ausfeget: da ein wahrer Tartarus vitriolatus entſteht; welches
nicht Statt finden koͤnnte, wenn nicht das hauptſaͤchlichſte in der
Luft befindliche Satz faurer Art wäre, Hieraus folget,; meines Er
echten, fehr deutlich, Daß das in der Luft befindliche ſaure Salz,
der Fruchtbarkeit auch folcher Pflanzengewächfe , die für die Lande
wirthſchaft dienen „ allerdings zuträglich feyn muß, HE
Man wird demnach meines Erachtens gar nicht irren, wenk
man fefifeget, daß ein aus dem urinöfifchen Safe und der Lufte
fäure entjtehendes Mitteffalz derjenige Nahrungsſaft fey „ welchen
die Pflanzgewaͤchſe, infonderheit Diejenigen , fo für die Landwirth⸗
{draft dienen, zu ihrer Fruchtbarkeit an fich faugen. Denn ob man
war nur dem Acker durch Die Düngung das urinöfifche Salz giebt
ſo fieht man doch leicht, daß fich die Luftfäure Durch Luft und Re
"gen mit den urinoͤſiſchen Salztheilchen vereiniget , und dadurch
das
über den Ackerbau. 75
das Mittelſalz erzeuget wird, Verſchiedene Erfahrungen in der Land⸗
wirthſchaft beſtaͤtigen dieſes. Inſonderheit ift e8 eine allgemeine
Erfahrung ; daß wenn man einen Acker ſtark Dünger , und fofort
darauf fäet, die Fruchtbarkeit des erften Jahres Feineswegs fo groß
iſt, als man nad) der ftarfen Düngung vermuthen follte; fondern
die ſtaͤrkeſte Fruchtbarkeit zeiget fich erft Das folgende Zah. Die
Urſache Fann wohl Feine andere feyn , als daß das häufige urinöfi-
ſche Salz nicht Zeit genug gehabt hat, von Luft und Regen bearz
beitet, und vermittelft der darinnen befindlichen Säure in das fruchte
bare Mittelfab verwandelt zu werden. Unterdeſſen fehadet es audy
bey vielen Pflanzengewächfen nichts, wenn ein fires Alkali fich mit
der Luftfäure vereiniget, und daraus ein Mitteffatz entfieht. Dies
fes Mittelſalz ift in verfchiedenem Betracht eben fo fruchtbar,
—
Dieſe dreyerley Arten von Salz laſſen ſich auch in allen
Pflanzengewaͤchſen auf das deutlichſte zeigen. In ihrem natürlichen
gruͤnen Zuſtande herrſchet die Saͤure an ihnen, wie alle Erfahrun⸗
gen zeigen. Die Urſache davon iſt leicht begreiflich. Wenn die
- Wurzeln das in der Erde befindliche Mittelſalz an fich ziehen; fo
ziehen hingegen die Zweige und DÖlätter mit dem Feuchtigkeiten der
Luft zugleich die Puftfäure an ſich, folglich muß die Saͤure natuͤr⸗
licher Weiſe darinnen die Oberhand haben. : So bald hingegen die
- Pflanzengewächfe in don Zuftand der Faͤulniß kommen; fo entroicfelt
{ ſich das urindfiiche Salz, und berrfeher darinnen. Endfich wenn
die Pflanzen verbrannt werde, wodurch fowohl das urindfifche als
ſauere Salz verflüchtiget wird, fo bleibt allein das fire Alkali übrig.
% Daß aber die Fuft mit allen darinnen befindfichen fremd
artigen Theilchen in die Pflanzengewaͤchſe eindringt, davon find
meines Erachtens zuverfäßige Erfahrungen vorbanden. Ich weis
verſchiedene Schmeßzhürten „ deren Erzte fehr ſchwefelhaftig find,
I Bandes, I Theil, K Durch
74 Befrachfungen
Durch das Nöften und Schmelzen breitet ſich dieſer Schwefeldampf
auf eine halbe Stunde ringsumher in der Luft aus ; und wenn die
Hütte in einem Thale liegt 5 ſo wird allemal das ganze Thal mit
diefen Schwefeldämpfen erfüllet. Allein fo weit dieſe Schwefel
Dämpfe reichen, wird niemal ein Obſtbaum Frucht tragen. Sie
wachen, und gruͤnen; allein fie blühen überaus felten : und wenn
fie auch blühen ; fo wird niemal die geringſte Frucht daraus entſte⸗
ben. ch weis folche Gegenden, wo die Befiger der Gärten fih
nicht erinnern Fonnten , in dreyßig Jahren einen einzigen Apfeloder
Birne gewonnen zu haben. Mich deucht, dieſes beweiſet fehr deutlich,
daß die Luft auch mit allen ihren fremdartigen Theifchen in die Pflans
zengemächfe eindringt,
Wenn etwas darauf ankaͤme, ungerwiffe Muthmaffungen zu
‚wagen; fo koͤnnte man vieleicht in der in die Pflanzengewächle
eindringenden Lufefäure Die erfte Triebfeder der thätigen Kraft fuchen,
wie die Pflanzengewächfe vermögend find, die Nachrsngefüfte aus
der Erde an fi zu faugen. Die Säure hat eine zufammenziehende
und in gewiſſem Betracht auch eine anziehende Kraft, zumal in Abs
fiht auf andere Salze. Allein es laſſen ſich noch allzuviel Ein-
wendungen darwider machen, als daß die Sache verdiente, un |
ich mich dabey aufbielte,
Ich wende mich nunmehr zu dem zweyten Punet der aufges
benen Preisfrage, nämlich, was bey dem ungleichen Wachsthum
der Pflanzen der Verſchiedenheit des Erdreiches zuzufchreiben ſey.
Hier fehe ich nunmehr feftes Land vor mir, nachdem ich eine lange
Zeit zwiſchen den Klippen und ſchwimmenden Inſeln der Muthmaſ⸗
fungen herum geirret habe.
Hier iſt nun vor allen Dingen nöthig, daß ich zuvoͤrderſt
veſtimmen ſuche, worauf die Güte und Fruchtbarkeit eines Erdrei⸗
— ches
über den Aderban. y5
ches eigentlich ankommt. Meines Erachtens muß man fich folgenden
3
Begriff davon machen. Die Güte und Fruchtbarkeit eines Bodens
beruhet darauf, daß er mit denen fruchtbar machenden Satgen ge⸗
nugſam angeſchwaͤngert, und Feine dieſen Salzen widrige Eigenſchaft
babe : zugleich aber, daß er nicht allein zart und locker genug ſey;
damit die zarten Wurzeln Feine Hinderniß finden, tief genug einzu»
dringen; fondern auch, daß er einen feſten Stand habe, damit die _
Wurzeln der Pflanzen nicht von dem Winde entbloͤſet werden, und
vertrocknen. Ach kann mich nicht entbrechen , alle diefe Eigenfchaf-
ten,’ worinnen ich die Güte und ——— des Erdreiches ſetze,
purrühetich zu erörtern.
L Dan wird mir leicht zugeben, daß ein Fruchtbares Erd⸗
reich mit denen zur Fruchtbarkeit erforderlichen Salzen augeſchwaͤn⸗
gert feyn muͤſſe. Der befte Acker wird durch oft wiederholten Ges
brauch zu Pflangengewächfen dergeftalt ausgezehrt, daß er nichts
ergiebiges mehr trägt, wenn man ihm nicht Die ausgefogenen Sale
durch frifche Düngung erfeget, oder ihm durch die Ruhe oder fo
‚genannte Braache Zeit läßt, daß fich ihm durch Luft und Regen
die fruchtbar machenden Salze wieder mittheilen koͤnnen. Ich habe
„bereits oben gezeigt, was für Salze es find 5 die fi) im der Luft
' befinden, und daß die Ruftfäure hierunter den groͤßten Antheil aus⸗
2 u re ee
— —
macht.
H. Wenn jedoch entweder die Düngung oder die fruchtba⸗
sen Euftfalze in dem Acker wirken follen , um ihn von neuem mit
denen fruchtbar machenden Salzen anzufchwängern ; fo ſieht man
leicht , daß der Acker Feine dieſen Salzen widrige Eigenſchaft baren
muß. Es ift aber nichts der Fruchtbarkeit fo jehr zumider , als ı
das mineralifche Saure, e8 beftehe nun in Vitriol, Alaun, Schwer
fel, oder einer metallifchen Erde , womit diefes Saure verbunden
it, wie z. E. Die Ciſenerde. Man Eann ſich hiervon leicht uͤberzeu⸗
82
gel
6 Betrachtungen
gen, wenn man zehen Pfund Hein geſtoſſenen Vitriol auf das
fruchtbareſte Gartenbeet ſtreuet, und mit der obern Erde vermiſchet.
Man wird alsdenn nicht das geringſte von Gartengermächfen darauf
erzeugen koͤnnen. So bald alfo ein Boden mit dergleichen Vitriol⸗
Alaun- Schiefels oder Eifen» Erde fo ſtark vermifchet ift , daß
die in dee Düngung und der Luft befindlichen fruchtbaren Salze Dies
felben nicht überwinden, und durch die Vereinigung mit denfelben
ein weniger ſchaͤdliches Mittelſalz darſtellen koͤnnen; fo it ein fols
cher Boden für fehr fehler zu achten, und man kann wenig Frucht
barkeit Davon erwarten.
2) Eben eine ſolche der Fruchtbarkeit widrige Eigenſchaft
hat ein Grund, der allzufehr mit vegetabilifcher Säure überhäufer ift,
und welche entftcht, wenn der Boden allzufeucht und moratig iſt,
welchen man in der Landwirthſchaft einen fauren Grund zu nennen '
pfleget. Don diefer Art find auch alle Torfs und Moorfelder, wel:
he entftehen, wenn ein folcher faurer Grund viele Jahrhunderte ohne
wirthſchaftliche Verbefferung ſich ſelbſt überlaffen worden ; da er
denn öfters viele Elen tief mit nichts als Heinen Wurzeln feft ineins
ander gervachfen ift,. welches Torf genennet wird 5 Daher derfelbe
zur Feurung mit Nugen gebrauchet werden Tann. Man hat nod)
Eine andere Art von Torf, welche nicht aus dergleichen Eleinen Wur⸗
gen, fondern aus einer feſten fhwarzen Erde beſteht. Diefer Torf,
der eben fo gut brennet , iſt mit ſchwefelartigen Theilen reichlich
verfehen; und daher eben fo unfruchtbar , ob er gleich zu der vor⸗
hergehenden Claſſe von unfruchtbarem Erdreich gehoͤret.
II, Die dritte Eigenſchaft von der Güte des Erdreiches,
nämlich, daß eg mürb und focfer genug fey , damit die zarten Wur⸗
zeln allenthalben eindringen , und den Nahrungsfaft an fich faugen
koͤnnene, führe den Deweis ihrer Richtigkeit ſchon felbft N ſich.
ie⸗
über den Acerbau.
—
Dieſe Eigenſchaft beruhet auf der Natur des Wachsthums der Pflan⸗
gen; indem es leicht begreiflich iſt, daß die Pflanzen, deren Wurzeln
wegen Feſtigkeit des Bodens nicht tief in die Erde dringen koͤnnen,
auch wenig Nabrungsfäfte an fich zu faugen vermögend find. Xu
Diefem Betracht iſt dasjenige ſchwarze und graue Erdreich, das mes
der mit pitriofifchen und Eiſentheilchen, noch mit Thon oder Let⸗
sen, noch mit Sande ſtark vermiſchet iſt, das allerbeſte und frucht⸗
bareſte, das öfters 15 bis 2ofaͤltige Körner gegen die Ausſaat wies
der giebt; und die Bewohner ſolcher Gegenden koͤnnen ſich allemal
9—
vor andern gluͤcklich ſchaͤtzen.
In der That giebt es gar zu viel Gegenden, deren Aecker
die widrigen Eigenſchaften hiervon haben: und da dieſe widrigen
Eigenſchaften von verſchiedener Art ſind; ſo iſt es noͤthig, daß wir
ſie in Claſſen voneinander abſondern, und jede beſonders betrachten.
a) Die erſte Claſſe dieſer unfruchtbaren Felder beſteht in
denjenigen, die mit Thon oder Letten vermiſchet ſind; und die Un—
fruchtbarkeit verhaͤlt ſich allemal nad) der Maaße, wie dieſe Vers
miſchung ſtark oder gering iſt. Man ſagt von ihnen, daß ſie ein
ſtarkes oder ſchweres Erdreich haben; und dieſe letztere Benennung
iſt in mehr als einem Betracht wahr. Es iſt ſehr ſchwer, den rech⸗
ten Punct des Pfluͤgens und Saͤens in dieſem Boden zu treffen.
Iſt es zu feucht, fo geht das Pflügen fo ſchmiericht und ſchwer,
ET —
u a u 9
daß das befteZugvich in verdoppelter Anzahl kaum den Pflug zwin⸗
gen kann: und wenn in diefen fehmierichten Boden geſaͤet wird; fo
macht ihn die darauf folgende Dürre fo feſt, daß die Keimen kaum
in geringer Anzahl durchbrechen koͤnnen. ft es zu trocken, fo ent
ſtehen bey dem Pflügen große Stücfe und Klumpen von Erdreich,
die Feine Walze zerkleinen kann: und die Saamenförner, fo unter
ſolche Klumpen zu liegen kommen, können mit ihren zarten Keimen
83 uns
78 Betrachtungen
unmoͤglich durchdrechen. Unterdeſſen iſt doeh dieſes Erdreich nicht
abſolut unfruchtbar. Wenn die Regen dergeſtallt fanft und oft
erfolgen, daß der Boden nie weder allzunaß und ſchmiericht noch
allzutrocken wird; ſo muß man zuweilen uͤber die Fruchtbarkeit, die
ſolche Aecker zeigen, erſtaunen. Sie geben dem allerbeſten und
fruchtbareſten Erdreich nichts nah. Allein es ereignet ſich unge
mein ſelten, daß die Witterung ſo abgemeſſen erfolget; mithin iſt
dieſes Erdreich allemal von geringerer Guͤte und Fruchtbarkeit zu
achten. |
| b) Die zweyte Elaffe von Feldern, die eine geringere Güte
haben, weil wegen Seftigkeit des Bodens die Wurzeln nicht tief
genug eindringen Eönnen, find diejenigen, die aus Leimen beftehen,
oder denfelben ftark in ihrer Bermifchung haben. Die Erde des
Reiniens beſteht aus ungemein zarten und feinen Theilchen, die fich
aber wegen ihrer Schwere faft aufeinander feßen, und mirbin nicht
genugfam locker und mürbe find, daß die Wurzeln der Pflanzen
tief genug eindringen Fönnten. Unterdeffen läßt er fich in der Bears
beitung weit beffer handthieren, als die Aecker der vorhergehenden
Claſſe. Bey feuchter Witterung geht das Pflügen am beften; und
wenn der Pflug greße Klumpen bricht, welche Doch niemals ſo
feſt find „ als in den Tettichten Aeckern; fo liegt die Schuld blos an
dem Landmanne, der den Acker gar zu ſehr austrocknen laſſen, ehe
er den Pflug daran bringe : denn es hindest ihn hier nichts, fehe
zeitig im Fruͤhjahre mit dem Pflügen anzufangen; weil folches in
dieſen Aeckern gar wohl in der Näffe geſchehen kann. Wenn auch
diefe Hecker genugfam mit Mift unterhalten werden; fo wird ihre
Beftigkeit eben fd groß niet. Diefer feimichte Boden iſt demnach
allemal unter die Folder von miltelmäßiger Güte zu rechnen; und |
felten verdienet ex in dieſer Claſſe die unterſte Stk,
5 In
über den Ackerbau. 79
* c) In die dritte Claſſe des allzufeſten Erdreichs wollen wir
den kalk⸗gips⸗ und kreidenartigen desgleichen den mergelartigen
Boden rechnen. Es fehlet dieſem Boden gar nicht an den fruchts
bar machenden Salzen; vielmehr, da fie größtentheils alcaliſch find,
fo find fie deftomehr im Stande, die Luftfäure an fich zu ziehen; ins
dem das Alcali gleihfam der Magnet für die Luftfäure ift, wie alle
Erfahrungen zeigen. Allein, wenn dergfeichen Boden unfruchtbar
it, fo fehlet allemal die Beymifchung genugfamer Stauberde, wels
de den Acker locker zu erhalten im Stande wäre. Die Wurzeln .
koͤnnen alfo nicht tief genug eindringen, um die darinnen vorhanz
dene Nahrung an ſich zu faugen: und wenn trockene Witterung
einfaͤllt; fo ftehen fie zu wenig tief, als daß fie die untere Feuch⸗
tigkeit erreichen Fönnten,
d) Hicher muß man endlich auch allen fteinigten Boden
rechnen, fowohl denjenigen, der eine große Menge Eleine und große
Kiefet in fih bat, als denjenigen, in weichem Sand und andre
Steine befindlich find, Auch giebt «8 zuweilen Boden, wiewohl
ſehr felten, der aus zermalmten Steinen, oder einem fogenannten
Mulm befteht, unter welchen der Schiefermulm der allerfchlechtefte
ift. Diefe Elaffe von Feldern ift für mittelmäßig oder fchlecht zu
‚achten, nad) der Maafe, wie wenig oder viel Steine beygemifcher
find, und fo wie das übrige Erdreich gut oder fchlecht if. Webers
Haupt aber hat er den Fehler, daß die zarten Wurzeln der Pflanzen
allenthalben in ihrem Eindringen Hinderniffe vor ſich finden. Unter
deſſen wenn nur Eleine Kiefel einem fchwarzen oder grauen fruchtba⸗
sen Boden beygemifiher find; fo iſt das nicht eben allemal ein
fehlechter Acker: Ich habe auf dergleichen Feldern ein vortrefliches
Oetraide, ar fehen.
| x. Die vierte nothwendige Eigenſchaft eines fruchtbaren
Ban Daß | das Erdreich einen feften Stand habe, damit die
Wur⸗
80 Betrachtungen .
Wurzeln der Pflanzen nicht vom Winde entbidfet werden und ver⸗
trocknen. Die entgegengefeßte und mithin fehlerhafte Befchaffen-
beit haben x) alle Sandäder, im welchen ver Sand den größten
Theil ausmacht. Dergleichen Boden ift zwar locker nnd mürbe
genug; aber es fehlen ihm gemeiniglich die fruchtbarmachenden Sal⸗
ze. Und ob man gleich folche Durch die Düngung erfeger; fo wird
doch der: Sand gar keicht von dem Winde getrieben; die Wurzeln
werden mithin zum Theil entblöfet und vertrocknen. Es kommt noch
hinzu, daß der Sand, weil die Körner nur aufeinander liegen, und
nichts haben, wodurch fie zufammen paden fünnen, fowohl ges
ſchwind von der Sonne ausgetrocknet wird, weil die durch Die Hitze
in Dünfte verwandelten Feuchtigkeiten. allenthalben einen freyen
Durchgang haben, als auch einen viel größern Grad der Waͤrme
annimmt, als anderes Erdreich, wodurch die Wurzeln der Plans
zen gar feicht verdorren und abfterben. Zwar wenn.ein wohlgemi-
ſteter Sandacker eine Witterung erlanget, die unaufhoͤrlich mit gus
gen Regen und Sonnenfchein abwechſelt; fo wird nicht felten ein
Getraide Darauf erzeugef, Daß der Aernde auf den fruchtbareften
Feldern wenig nachgiebt. Allein das ift ein fehr feltener Fall, der
fich vieleicht alle geben bis zwanzig Jahre Faum einmal ereignet ; und
man Fann dem ungeachtet nicht anftehen, den Sand unter ein ſehr
unfruchtbares und mangelhaftiges Erdreich zu rechnen,
E) Unter allen Arten von Sandfeldern find diejenigen am
ſchlechteſten, die aus dem fogenannten Triebfande, oder aus Flugs
fande beftehen, wie er an einigen Orten genennet wird. Diefer Sand
iſt mehr als aller anderer ein Spiel der Winde; und die Wurzeln
der Pflanzen haben darinnen foft gar Feinen feften Stand, Weber
dieß hat er noch den befondern Fehler an fich, daß der Negen, wenn -
er fehr trocfen: iſt, nicht einmal in das Erdreich eindringt. Das
Waͤſſer fließt bey ſtarkem Degen Davon ab; oder die Sonne mache
h 68
über den Aderbau, 81
es gar bald wieder in Dünfte auffteigen. Ich habe zuweilen ge⸗
funden, daß nach dreytaͤgigem ziemlich oͤftern und ſtarken Regen die
Feuchtigkeit in ſolchen Feldern kaum einen Zoll tief eingedrungen
war; und unten befand ſich der bloße duͤrre Staubſand. Kurz
unter allem Erdreich iſt dieſes gewiß das allerſchlechteſte, und ver—
dienet kaum, Daß man fi) mis deffen Eultur Die geringfte Mühe
giebt.
Dieſes find alſo diejenigen fehlerhaftigen Beſchaffenheiten in
den verſchiedenen Arten des Erdreiches, worauf Die Unfruchtbarkeit
ankommt, und woran cs mithin liegt, wenn ſich die Pfianzenge—
wächle fo ungleich in ihrem Wachsthum bezeigen. Ich muß jedoch
biebey noc) eine Anmerkung machen. Diefe Unfruchtbarkeit der
vorhin bemerkten verfchiedenen Arten des Erdreiches ift allemal nur
in Abficht auf die in der Landwirthfchaft gewöhnfichen Pflanzenge⸗
wächfe zu verjiehen. An ſich ſelbſt und algemein ift meines Erachs
tens gar Fein Erdreich, weiches ganz und gar unfrüchtbar wäre. Es
giebt allemal Pflanzengewächle , deren Natur mit einer jeden von
denen vorhin bemerkten Erdarten übereinftimmer, und die mithin
darinnen vortreflich gedeyben. Ob zwar die Pflanzergewächfe, die
darinnen wohl fortfominen, nicht allemal für die Landwirthſchaft
nuͤtzlich ſind; ſo wuͤrden ſich doch auch nuͤtzliche Pflanzen ausfindig
machen laſſen, die mit der Natur Diefes oder jenes unfruchtbar fcheis
nenden Erdreiches uͤbereinſtimmeten; wenn unfere Erkaͤnntniß von
h den wefentlichen Eigenfhaften der Pflanzen, und was fie für Erd⸗
ü yeich lieben, nicht noch fo ſehr mangelhaftig wäre, Unterdeſſen
muͤſſen wir Die Beſchaffenheit des Erdreiches und die N usungen deſ⸗
ſelben nach unfrer zeitherigen Erkaͤnntniß beurtheilen; und es iſt zu
frühzeitig, Daß wir die Laudwirthe auf cine beſſere Wahl der Plans
| zengemächfe verweilen koͤnnten. Es entſteht Demnach die Stage;
{ ob ſich Die vorhin angezeigten fehlerhaftigen Beſchaſfenheiten des
U Bandes, LU Theil. g ei
83 Bekrachtungen
Erdreiches nicht verbeſſern laſſen, daß ſie fuͤr unſere zeither in der
Landwirthſchaft gewoͤhnlichen Pflanzengewaͤchſe fruchtbarer werden.
Dieſes ſoll nunmehr in dem letztern Theil dieſer Abhand⸗
fung eroͤrtert werden; indem ich nunmehr auf denjenigen Punct der
Preisaufgabe komme, nach welchem gefraget ‚wird, ob ſich die ver⸗
ſchiedene Guͤte des Bodens, und bey ſchlechtem Erdreich die man⸗
gelnden Stuͤcke, beſonders in Abſicht auf den Ackerbau, durch hymis
ſche Verſuche aufeine brauchbare Art beſtimmen laſſen? Ich hoffe
dieſer Frage eine Genuͤgen zu leiſten, wenn id) die vorhingezeigten Ars
ten einer mangelhaftigen Befchaffenheit des Erdreiches, welchen Die
feftgefegten Eigenfihaften eines fruchtbaren Bodens ermangeln, nach
der Reyhe durchgehe, und nicht allein zeige, wie ihre Mängel durch
chymiſche Derfuche zu erfennen find, fondern auch an die Hand
gebe, was für Zufäse und Derbefferungen man dabey anwenden '
muß, um fie zum Vortheil des Ackerbaues fruchtbarer zu machen,
| Adr. Dies erfte oben angezeigte Art eines fehferhaftigen
und unfruchtbaren Bodens war derjenige, der allzuptel mit dem mis
neralifchen Sauren, naͤmlich mit vitrioliſchen alaunhaftigen
fehwefefartigen, und Eifentheifen verfehen if. Ein folcher Boden
fieht, fo fange der Erdboden naß ift, ſehr ſchwarz aus; und man
follte ihn für das beste fruchtbarefte Erdreich halten. Allein ſobald
die Oberfläche trocken wird, fo wird er röthlich und gelb; infons
erheit derjenige; fo vitrioliſch und eiſenhaltig iſt. Wenn man etwas '
davon in einem Tiegel jtarf ergfühet, fo wird er vollfommen voth,
oder vöthlich gelb werden. Wenn man foihe zerkleinte Erde mit
Waſſer dergeftaft anfeuchtet, Daß fie wie ein Brey wird, und rühret
Eleingeftoffene Pottaſche darunter; fo wird man eine merkfiche Gähs
zung wahrnehmen. Thut man aber ſolche wohlausgetrocknete Erde
in eine Retorte mit einer Vorlage , und treibt fie bis zum maͤßigen
’ 3
über den Ackerbau. 83
Ergluͤhen; fo wird man ein fauer ſchmeckendes IBaffer in der Row
lage finden. Es giebt zwar alaunhaftige und ſchwefelhaſtige Erden,
die durch die Austrocknung an der Luft nicht röthlich oder gelb wer-
den, fondern die ihre ſchwarze Farbe vollkommen behaften. Allein
durch die übrigen hierangezeigten Verſuche wird man fie leichter Fene
nen; infonderheit wird man bemerken, Daß fie fortglühen und. das
Feuer eine lange Zeit unterhalten, wenn man fie glühend gemacht
hat, und bald aus dem Feuer wieder herausnimmt.
Wenn dieſe Art von Feldern verbeſſert und fruchtbarer ges
‚macht werden foilen; fo ift es natürlich, daß es Durch folche Zu:
füge gefchicht, welche dieſe der Fruchtbarkeit fo ſchaͤdliche mineralis
ſche Säure in ſich ſchlucken. Diefes kann allein durch ſolche Zur
füge gefehehen, die alcalifcher Natur find. Von dieſer Art if der
Kalk, die Aſche, alealifcher Mergel, den man daran erfennet, daß
‚er aufbraufet, wenn Scheiderwaffer darauf gegoffen wird; und ins
fonderheit der Muſchelſand, welcher für Diefe Aecker eine vortrefliche
DVerbefferung ift. Unterdeffen muß man in der Landwirchfchaft als
lemal dasjenige erwaͤhlen, mas in der Nähe und mit den wenig-
fen Koften zu haben if. Da nun alcaliſcher Mergel und Mufcher
fand nicht allenthalben zu haben find; fo ift gemeiniglich der Kalk
das befte Verbeſſerungsmittel, zumal wenn die Kalkſteine in der
Nähe find, und man ſolchen ſelbſt brennen Iaffen kann. Ich weis,
daß zwo Fuhren Kalk auf den Morgen eines ſehr vitrioliſchen und
eiſenhaltigen Erdreiches den Acker folchergeftalt verbeſſert haben, daß
man nunmehr zehen Jahre lang alle Jahre fat die Hälfte mehr da⸗
von geaͤrndet hat, als vorhin. Nicht ſelten ereignet es ſich, daß der⸗
gleichen Aecker ziemlich naß und feucht find ; und vieleicht muß
‚man die Urfache Des entjtandenen vitriofifchen und eifenhattigen ARe-
ſens bierinnen ſuchen. Da ift cs mun vornämlich nötbig, daß man
zugleich bey der Verbeſſerung Durch Kalk oder Mergel auf beyden
{2 Sei⸗
%% Berrachfungen
Seiten Des Ackerſtuͤckes tiefe Gräben zieht, um daſſelbe dadurch
mehr auszutrocknen; fo wird Die DVerbefferung defto wirkfamer und.
dauerhaftiger feyn. 2
Ad 2, Die zweyte obenangezeigte Art eines Erdreiches von
geringer Güte find die fogenannten Torf- oder Moorfelder, deren
Fehler hauptfächlich im einer zu ſtarken vegetabilifchen Säure bes
ficht. Es bedarf Feiner chymifchen Verſuche, um dieſes Erdreich
von allen andern zu unterfcheiden. Der Boden giebt fi von feldft
gu erkennen, wenn man nur darauf tritt. Man wird bey ſtarkem
Niedertreten fofort fpühren, daß der Boden bey jeden Tritt auf
einige Elen weit ſchwanket. Weberdieß ift der Torf genugfam von
Anfehn zu erkennen; indem er aus nichts als einem Gewebe von
zarten Wurzeln befteht, Das fich gemeiniglich Grabfcheit kief, und
zuweilen einige Elfen tief erſtrecket. Die andere Art des Torfeg, Die
nicht aus dergleichen Wurzeln beficht, Davon oben gedacht worden,
ift allemal mit einem fauren Saljwefen verfehen, und zuweilen ziems
lic) ſchwefelartig. Diefes faure Salzwefen ift zuweilen fo reichlich
darinnen vorhanden, Daß man mit großem Nutzen Aaun und Vi⸗
triol daraus fieden Fünnte. Wenigſtens habe ich in einer gewiſſen
Meichsftadt einen Torf von diefer Art gefunden, welcher dafelbft häufig
verbrannt wird, und aus welchen fi) aus jedem Pfunde 24 Loth
Vitriol und Alaun herausbringen ließ. Diefes zeiget , wie wenig eg
Leute giebt, welche die natürlichen Dinge, die fie vor Augen ha—
ben, zu unterfuchen geneigt find. : Felder, die aus tiefer Art von
Torf beftehen, muͤſſen demnach auf eben die Art verbefjert werden,
Die wir in dem vorhergehenden Abfag an die Hand gegeben haben.
Mir haben es demnach bier fediglich mit derjenigen Art von Torf
feldern zu thun, deren Boden aus einem Gewebe von Wurzeln
beftcht.
Menn |
über den Ackerbau. 85
Wenn dergleichen Moorfelder zu Aeckern gemacht werden
ſollen; fo Darf man ſich nicht vorftellen, daß man mit der Düngung
zu ihrer Verbefferung etwas ausrichten wird. Im Gegentheil zeis
gen fie fich Dadurch immer weniger fruchtbarer , wie eine vielfältige
Erfahrung beftärket hat. Eben fo wenig Nusen hat man zu gewar⸗
ten, wenn man dergleichen Felder ausbrennet , wie ebedem ſtark
gewöhnlich war. Die Erfahrung zeiget, wenn man Torf im Ofen
brennet, Daß er ungemein wenig Afche zuruͤck läßt , Die überdieß
keineswegs alcalifcher und mithin feuchtbarer Art if. Man findet
in einem Pfund folcher Afche kaum eine Spur eines firen Alcali.
Die Urfache iſt, weil folcher Torf faft gänzlich aus einer vegetabis .
liſchen Säure bejtcht, die mithin im Feuer verflüchtiger, und nichts
als die wenige Erde zurück läßt , die zwifchen dem Gewebe von
Wurzeln ſitzt. Man muß demnad) die Verbeſſerung eines folchen
Bodens ganz anders und zwar folgender Geftalt angreifen.
Man muß zupörderft den naffen und moraftigen Grund,
welchen die Moorfelder allemal haben, und welcher eben die Urtas
che von Erzeugung des Torfes ift, auszutrocknen ſuchen. Die Ges
fegenheit Des Feldes wird von felbft die hierzu nöthigen Masregeln .
an die Hand geben. Zumeilen find in der Mitte und an beyden
Seiten gezogene Gräben zureichend; und zumeilen gefchicht die Auss
trocknung am beften durch einen in Der Mitte des Moorfeldes ger
grabenen Teich. Wenn die Gräben einen Teichten Abfluß in einen
nahe gelegenen Fluß oder Bach haben Fünnen ; fo iſt die Sache
ſehr wenig Schwierigkeiten unterworfen. Unterdeffen giebt es doch
auch Mittel , ein Moorfeld auszutrocfnen , deflen Gräben Eeinen
Abflug haben Fünnen. Unter dem Moorfelde befindet fich gemeinia-
lich eine Lage Thon oder Letten: und diefes ift die Urfache des Mo⸗
raſtes; weil der Thon verhindert , Daß ſich die Feuchtigkeit nicht
tiefer indie Erde ziehen faun. Man muß unterſuchen, ob diefe
83 Schicht
86 Betrachtungen
Schicht Thon ſtark iſt, und ob fi) Darunter eine Lage Sand oder
Anderes Iocferes Erdreich befindet, welches fehr felten fehlt Nahe
an dem Moraft muß man demnach ein vieredfigtes genugfames ge⸗
raumes Loch graben laffen, bis man durch die Schicht des Thons bins
durch auf den Sand oder dası focfere Erdreich kommt. In dieſe
Grube wird ser Moraſt duch einen Graben geleitet, und wenn es
nötbig ift, fo werden auf allen Seiten und in: der. Mitte Gräben
gemacht, die untereinander zuſammenhangen, und alle auf dieſes Loch
zu geleitet werden. Hierdurch wird fich, die Feuchtigkeit alle in den
untern lockern Sand oder Erde ziehen, und das Moorfeld wird
bald ausgetrocknet werden
Penn nun diefe Austrocknung gefchehen ift; ſo Fann man mit
defto befferer Wirkung Hand an die PVerbefferung des Bodens fe
gen. Diefe Verbefferung wärde gar fuͤglich geſchehen Fünnen, wenn |
man diefem Grunde Kalk zuſetzte. Diefer würde die allzugroße ver
getabitifche Säure in ſich ſchlucken, und eine viel beffere Beſchaffen⸗
heit Des Bodens wirken, Allein diefe Verbeſſerung Tann ohne bes
trächtliche Koften nicht geſchehen; und zufällige und hernach oft
wiederholte Erfahrungen haben gezeigt , daß diefe Rerbefferung
durch ein viel weniger Koften verurfachendes Mittel gefhehen Fann.
Diefes it der Sand: wenn man den Moorgrund 13 bis 2 Zoll
hoch mit Sande befahren , denſelben durch Hacken oder Pflügen
mit dem Torfe vermifchen, und in Diefem Zuftande ein Jahr liegen
kaͤßt; ſo wid der Torf verwefen, und fid) in en gutes ſchwarzes
-feschtbares Erdreich verwandeln, welches bey allen Getraidarten ei⸗
ne gefegnete Aernde geben wird. Es ift wahr, man Fanıı nicht leicht |
eine Urſache ausfindig machen, auf was Art der Sand eine ſolche
Wirkung haben kann. Allein die Sache iſt gewiß, und in Schwe⸗
den und Deutſchland durch viele Erfahrungen richtig befunden wor⸗
den. . Vieleicht kennen wir Die Natur des Sandes noch fehr wenig,
der
über den Aderbau, 87
der auch bey andern Vermiſchungen Wirkungen zeiget , deren Urfas
he man noch nicht einfehen Finnen. 3. E. Man ſieht nicht, warum
unter den Kalk zum Mauern Sand gemifchet wird , und was dies
fer zur Feftigkeit der Mauer beytragen kann. Unterdeffen ift es doch
gewiß, daß eine Mauer, bey der man unter den Kalk keinen Sand
gemifcher hat, nicht die geringfte Feftigfeit hat; wie man fich durch
beſondere Berfuche Davon überzeuget hat.
Ada) Sch komme nunmehr zu der dritten Art eines mans
gelhaftigen Bodens, der oben mit a bemerket iſt, welcher nämfich
Thon oder Letten in feiner Vermiſchung bat. Es giebt ſowohl
ſchwarzes als graues Erdreich, welches mit dieſer der Fruchtbarkeit
widrigen Beſchaffenheit verſehen iſt. Man kann ſie indeſſen ohne
Muͤhe erkennen. In naſſer Witterung ſind dergleichen Felder uͤber⸗
aus ſchmierigt, und das Erdreich haͤngt ſich ſehr ſtark an die Schuhe
und Raͤder an. Bey duͤrrer Witterung aber bekommt ein ſolcher
Boden häufige Riſſe und Spalten; als welches inſonderheit die Eis
genfchaft des Thones bey ftarfer Austrocknung if, Um aber in der
Känntniß derfelben deſto ficherer zu gehen; fo Fann man eine ausges
trocknete Kugel Davon im Feuer durch und durch erglühen. Je mehr
fie Dadurch eine ſtarke Härte und Feſtigkeit bekommt, defto häufiger
hat fie Thon oder Letten in ihrer Vermiſchung. Man kann auch
etwas von foldem trocknen Erdreich) auf dag zartefte zerreiben , und.
mit Waſſer ſchlemmen. Nachdem man foldyes. in einem Gefäße
ſtark umgerähret hat , läßt man das Gefäß ein paar Minuten
fieben; fo wird fich die gemeine Erde gröftentheils zu Boden gefes
Get haben; und indem man das Waſſer in ein anderes Gefäß abs
gießt; fo wird fich der Thon noch darinnen befinden, afs der fich
viel länger im Waſſer erhält, als andere Erden. Wenn man nun
dieſes Waſſer fich fegen täßt, bis es ganz klar iſt, und es abgieft;
jo
88 Betrachtungen
fo wird dasjenige, was zu Boden liegt, faſt nichts als Thon ſeyn
und alle Eigenſchaften degaea zeigen.
Es iſt nur ein ſi ut Mittel —— Erdreich zu verbeſ⸗
ſern; und dieſes iſt der Mergel, inſonderheit derjenige, ſo alcaliſcher
Natur iſt und mit Scheidewaſſer aufbrauſet. Der Muſchelſand
kann zwar auch zu Verbeſſerung dieſer Aecker gebraucht werden;
aber nicht ſo gut, als der Mergel. Es iſt noͤthig, daß der Mergel
. mwenigftens einen Zoll tief auf dem Acker ausgebreitet, bernach uns
tergepflüget und geeget wind. Der Nusen einer folchen Verbeſſe⸗
tung mit Mergel, eritiecket ſich auf 24 bis 30 Jahre. Allein hernach
verliert ſich deſſen Wirkung; der Acker zeiget ſich wieder eben ſo
thonigt und ſchmierigt als vorher; und die Verbeſſerung mit Mer⸗
gel oder Muſchelſand muß von neuem vorgenommen werden. Es
iſt eine ſehr gewoͤhnliche Redensart, daß man dieſes eine Düngung -
mit Mergel nennet. Allein dieſer Ausdruck iſt gar nicht wohl ge⸗
waͤhlt. Der Mergel kann gar nicht in der Abſicht der Duͤngung an⸗
gewendet werden. Ein ſolcher friſch mit Mergel verbeſſerter Acker
hat eben: ſowohl die Düngung mit Miſt noͤthig, als ein anderer Acker,
wenn er einige Sabre vorher hintereinander Pflanzengewaͤchſe getra⸗
gen hat. Der Mergek ihut weiter nichts „ als daß er den Acker
locker und muͤrbe erhält; und in diefer Abſicht allein Tann ex zuge
feget werden, Man muß fich bierbey wohl hüten , daß man Feinew
andern als alcalifchen Mergel anwendet, Derjenige, welcher nicht |
mit Scheidewoffer aufbraufer , bat gemeiniglic) fehr viel thonigtes |
sder lettihtes Weſen in feiner Bermifchung ; und man kann den
Acker eher dardurch verſchlimmern als verbeſſern.
Ad b) Es folget nunmehr in der obigen Ordnung das mans
geihaftige Erdreich, welches ans Leimen beficht , der denfelben ſtark
in feines Vermiſchung hate Diefes Erdreich iſt an feiner gelben“
oder
über den Aderbau. 89
oder roͤthlichen Farbe, und an der wenigen Anhaͤnglichkeit feiner zar⸗
sen Theilchen aneinander, leicht von andern zu unterfcheiden. Denn "
der Leimen ſetzet ſich zwar wegen der großen Zartheit feiner Theile
feit aufeinander : allein er hat Feine Klebrichkeit und Anhaͤnglich⸗
Feit aneinander , wie der Thon-oder Letten. Und hierdurch Fann man
diefe beyderley Erdarten am beften voneinander unterfcheiden , die
fonft nach den Ausdrücken des Pöbels gar öfters miteinander vers
menget werden; indem fie-einen gelben Thon nicht felten Leimen
‚zu nennen pflegen. Die befte unterfcheidende Probe aber ift , daß
man einen Klumpen Leimen. mäßig erglühet ,„ und folchen hernach
6 bis 8 Wochen an der freyen Luft liegen läßt. Iſt es Leimen, fo
wird er, Da der Leimen nach dem Brennen die. Feuchtigkeit aus Der
Luft an fich zieht , von ſelbſt zerfallen, und ſich ohne Mühe mit
den Fingern auf das zartefte zerreiben laffen. Iſt es aber Thon
oder Letten., oder ift wenigftens der Leimen ſtark mit Thon unter
mifcht, welches fich gar oft ereignet; fo wird der Klumpen unver
Andert bleiben, und nicht zerfallen. Kin Erdreich , welches aus
einer Vermiſchung von Thon und Leimen befteht , ift eines der af
lerſchlechteſten. Es ift nicht allein fat aller fruchtbaren Salze bes
raubt, fondern es bat auch eine ſolche Feftigkeit, daß man bey
dürrer Zeit Daffelbe mit dem Pflug oder Spaten faft gar nicht bes
waͤltigen Tann, und die zarten Wurzeln des 3, Pflanzen koͤnnen alſo
ſaſt gar nicht eindringen.
Die beſte Verbeſſerung für ein Erdreich, das aus pu⸗
rem Leimen beiicht, iſt eine Öftere md ftarfe Düngung. Die Miſt⸗
erde , welche Dadurch nach und nach entſteht, ift am beften geſchickt,
den einzigen Fehler dieſes Erdreiches, naͤmlich, daß es ſich ſo ſeſt
aufeinander ſetzet, zu verbeſſern, und es locker und muͤrbe zu erhal⸗
in. Zu dem Ende dienet auch ein ſtrohigter Miſt für dieſen Boden
beſſer, als für allen andern; weil das untermiſchte Stroh den Acker
W — U Theil. M locker
\
go Betrachfungen
locker macht. Andeffen ift es gewiß, daß ein neu eultivirter Leimen,
“acer lange Zeit braucht , ehe er Durch oͤftere Miftung den Fehler
der Feftigfeit merklich verliert. Da ift nun Feine beffere und wohl⸗
feilere Verbefferung , als daß man den Acker ein paar Zoll hoch mit
Sande überfahren ; und vdenfelben durch üÜnterpflügen und Egen
Damit vermiſchen läßt. Man wird dadurch den Endzweck erreichen,
ſowohl den Acker locker zu machen, als auch zu bewirken, daß ct
m Stande ift, die Sonnenwaͤrme defto beffer anzunehmen ; indem
“Die Leimenäcker Fälterer Natur find, als andere. Man darf gar
nicht befürchten, den Acker durch den beygemifchten Sand zu vers
fchlimmern. Der dritte Theil, ja fogar die Hälfte Sand verderber
fein Erdreich. Er macht jedes Erdreich Tocferer und wärmer ; und
das find die wichtigiten Umftände zur Fruchtbarkeit; Denn es Tann
nie ein Erdreich gefunden werden , melches ohne genugfame Düns _
gung reichliche Aernden geben Eönnte : und wenn ein folcheg mit Sande
Bermifchtes leimigtes Erdreich nur Mift hat; fo wird es dem Beſten
in der Fruchtbarkeit nichts nachgeben. Die Gärtner haben dieſes
ſchon laͤngſt eingeſehen, welche ihrem Erdreich, ſowohl zur Orangerie,
als zu den meiften andern Gewächfen‘, faſt die Hälfte Sand zus
fegen , wenn von Natur Fein Sand darunter if, Wenn aber nady
dem vorhin gemeldten Verſuche und Anzeigen befunden wird , daß ein
leimichtes Erdreich zugleich mit Thon oder Letten vermifchet iſt; ſo
kann der Zufag von Sande nichts helfen. Alsdenn ift unumgängs
lich noͤthig, daß die Verbefferung nach der vorhergehenden dritten |
Claſſe des mangelhaftigen Bodens mit Mergel oder Mufchelfand ge
ſchehe: und die Erfahrung hat gezeiget , daß der Mufchelfand- bey |
dergleichen Aeckern noch befiere Dienfte thut, als der Mergel.
Ad c) Hier haben mir nunmehr den Falk gips/kreiden⸗ und
: mergelhaftigen Boden und deffen Verbefferung zu betrachten. Denn
ei war die meiſten von FR Erdarten zu Verbeſſerung eines an⸗
deren
über den Ackerbau. gr
deren mangelhaftigen Erdreiches gar dienlich find 5 ſo find’ fie doch
für fih felbft, wenn aus ihnen der Boden lediglich befteht , oder
wenn fie den größten Antheil darinnen ausmachen , von gar: geringere
Güte und allerdings für unfruchtbar zu achten s inſonderheit wegen
der Feſtigkeit eines ſolchen Ackers, wie oben gegeiget worden. Dera
gleichen Erdreich aber wird gar leicht erkannt durch die weiße Farz
ber die es an fich hat , und wodurch es fehr Leicht in Die Augen
fällt. Um aber auch. bier eine deutliche Kaͤnntniß 'dürch chymifche
Verſuche feft zu feßen ; fodarf man nur ein Quintlein von dergfeis
chen zerricbenen Erde in Scheidewaſſer thun ;0fo wird ſich diefetbe
mit großem Geraͤuſch und Aufwallen auflöfen; und nah der Maaße
desjenigen, was unaufgelöfet zurück bleibt , kann man beurtheilen,
ob das Erdreich viel oder wenig von kallichter kreiden⸗ und mer⸗
gelartiger Erde in fich hat. ee
Bey dergleichen Eidreich kann man fi ee die Diinaung
fehr wenig Verbeſſerung verfprechen. Es würden Zahrhunderte
verfließen, ehe durch den verweſeten Mift fo viel Erde entftünde,
daß der Acker genugfam locker und mürbe würde. Der Teichs
ſchlamm und die alten Wellerwwände find zwar für dergleichen Bor
den eine vortrefliche Verbeſſerung. Allein dieſe Verbefferungsmit»
tel find nicht ſo häufig zu haben, daß man fich derfelben allgemein
in einer ganzen Gegend bedienen koͤnnte. Die Engelländer , welche
auf den Ackerbau ungemein aufmerkfam find , und welche in vers
fehiedenen Provinzen auf viele Meilen weit einen Freidichten und
mergelartigen Boden haben, find dennoch feit nicht gar langer Zeit
auf ein befonderes PVerbefferungsmittel gefallen , welches vortreflichen
Mugen geleiftet hat. Diefes befteht Darinnen, Daß fie dergleichen Aecker
mit gebranntem Leimen verbeffen. Man hat in Engelland vie
lerley Arten von Defen erfunden, um den Leimen darinnen zu brens
nen, Allein hierzu werden fie von dem theuern Preis der Feue⸗
| NM 2 zung
92 Betrachtungen
rung in ihrem Lande genoͤthiget. In ſolchen Gegenden von Deutſch⸗
fand, wo das Holz nicht ſelten iſt, duͤrfte man nur auf den Acker
felbf einen Haufen von Feuerung und Leimen fegen , dergeſtalt, daß
man erſt unten eine Schicht von Holz , Neitbünden , Stoppeln
und andern Arten der: Teuerung legte; hierauf eine Schicht von
Stücken Leimen eine Viertel Ele dic feste ; und fodann mit abz
gewerhfelten Schichten von Feuerung und Leimen fortführe, big der
Haufen eine Höhe von 4 bie 6 Elen erreichet hätte. Diefer Haufe
wird alsdenn angezundets und nachdem der Leimen von felbft erfale
tet; forwird er nach gehoͤriger Proportion in ganzen Stüden auf
den Acker vertheiler. Wenn hernach Diefer gebrannte Leimen 8 bie
ı2 Wochen alfo gelegen, und vermittelft der Wirkung der Luft von
felbften zerfallen it; fo wird er alfenthalben auf den Acer gleich ges
harket, und durch) Pflügen und Egen mit deffen Erdreich auf das
befte vereiniget. Durch) dieſes Mittel hat man in Engelland weite
Felder, die vorher ganz) und gar unfruchtbar fehienen , und zu gar
nichts gebrauchet werden Fonnten, zu einträglichen Aeckern gemacht.
* Add) Haben wir die Verbefferung des obenbemerften fteis |
nigten Bodens zu erörtern. 3 Diefer Boden ift Durch das aͤußerliche
Anfehen Teicht zu erkennen; und es bedarf zu Dem Ende Feiner befon-
dern Kennzeichen und Verſuche. Die Kunft Fann auch an einem
foschen Boden wenig ausrichten. Ein fleifiger Hauswirth kann
zwar die Steine, welche Die. Größe eines Hünereyes und größer has
ben, alle Jahre von feinem Acker abtefen laflenz aber weiter Tann |
ex diefem Erdreich fehwerfich zu Huͤlfe Fommen. Unterdeffen ift doch
das allerfchlechtefte fteinigte Erdreich und fügar ein Mulm von Stei⸗
nen für einen aufmerkſamen Landwireh nicht ganz unnüge. Das
elendeſte fkeinigte Erdreich diefer Art kann allemal zu Weingärten
gebraucht werden: und fie werden. allemal darinnen fehr wohl forte
kommen; wenn nur in jedes Loch, darinnen ein Weinſtock gepflans
is get
über den Ackerbau. 63
get wird, etwas Mift und ein wenig Gartenerde gethan wird, ch
babe den vortreflichften Wein in dergleichen fteineen Mulm wachfen
fehen. Ja! man wollte mich verfichern, daß nicht einmal Gartens
erde, fondern blos etwas Mift in jedes Loch gethan worden, Es
giebt auch vielerley Arten von Bäumen, die in dem fteinigften Erds
zeich fehe wohl gedeyhen, ſowohl unter den wilden Holzſtaͤmmen,
als unter nugbaren Gartenbäumen. Unter andern habe ic) die waͤl—
fchen Nußbäume in einem überaus fehlechten fteinigten Erdreich ſehr
wohl gedeyhen, und in einem Alter von 30 Jahren zu einer fo bes
fondern Größe erwachſen geſehen / daß ein milder Holzſtamm in sa
Fa dergleichen Größe nicht erreichete.
Ade) Die Sandfelder, deren mangelbaftige Beſchaffen⸗
beit ich oben angezeiget habe, fallen gleichfalls von felbft gar Teiche
in die Augen. , Es ift alfo hier nur von deren Verbefferung zu hans
dein. Die Abficht diefer Verbefferung muß, nach den obigen Bes
trachtungen, dahingehen, daß man etwas hinzufeget, welches dem
Sande einen feftern Stand giebt, und die brennende Wärme, die
er annimmt, mäßiger. Zu diefer Abfichtift.einjedes Erdreich gut, das
in der Nähe ohne große Koften zu haben dienlich ift: nur muß man
den Thon oder £etten hiervon ausnehmen, als welcher mit Sande
untermifcht das allerunfruchtbarefte Erdreich ausmacht, das je ges
funden werden kann. Die beften Perbefferungen der Sandäcker
find der Teichſchlamm, alte Wellerwaͤnde und der gebrannte Leis
men, davon ich Furz vorhin ausführlich gehandelt habe. Allenfalls
iſt es auch ſchon eine fehr gute Verbefferung der Sandäcder, wenn
‚der Leimen nicht gebrannt, fondern nur in feinem natürlichen Zus
ſtande zugefeget wird; im Fall nur der Leimen gut, und nicht ſtark
mit Sande oder Thon vermifchet if. Wenn ein folcher guier Leis
men in Menge zu haben ift; und man breitet Denfelben zwey bis 3
Zoll hoch auf den Acker aus, um denfelben hernach mit Pfluͤgen
| M 3 und
*
A "Betrachtungen
und Egen wohl mit dem Sande zu vermifchenz fo erfodert her⸗
nach ein folcher Acker nichts als Miſt, um reichliche Aernden davon
zu ziehen. Es ift zu folchen Perbefferungen ein großer Vortheil,
wenn man auf dem zu verbeſſernden Acker ſelbſt den Leimen finden
Tann; als wodurd die Fuhren erfparet werden; indem alsdenn ein
Tagelöhner mit der Handkarre den Leimen umber'fahren kann. Dies
fes wird an den meiſten Orten gar leicht geſchehen koͤnnen; wenn:
man nur 4 bis 6 Elen tief eingräbt ; ; und die untern Erdfchichs'
fen unterfüchet: Es giebt vieleicht Feine Gegend ,'wo fich nicht in
den untern Erdfchichten Leimen finden folltes nur daß er bald nabey
bald tief unter der Oberfläche ſteht. Indeſſen fieht der Leimen auf
den meiften Anhöhen kaum ı bis 2 Elen tief unter der Oberfläche,
Denn dergfeichen Anhoͤhen find allemat durch Ueberſchwemmungen
entftanden: und gemeiniglidy beitehen fie aus Leimen. Wenn alſo
ein Sandacker eine Anhöhe hat; fo Fann man fich ziemlich gewifle
Hofnung machen, Leimen darinnen zu finden; und die Verbeflerung
wird dannenheto defto leichter gefchehen fünnen.
Denn jedoch) die Berbefferung der Sandaͤcker nicht anders
als mit großen Koſten geſchehen kann; fo findet die Sache allers
dings ihre Dedenklichkeiten. In den offenen und gleichen Feldern
in Deutſchland, wo weder die Ackerftücke mit Gräben, noch, wie
in Engeland mit lebendigen Zäunen umgeben find, Fann der Wind
in durchaus fandichten Gegenden in einigen Jahren wieder eine
Menge Sand auf den verbefferten Acker treiben. Unterdeſſen wuͤr⸗
den wir die Sandaͤcker auch ohne Verbefferung febr gut nugen koͤn⸗
nen: wenn wir nur eine beffere Wahl der Getraidatten anftellen
wollten, Rocken, Gerſte und Haber, und andere zeither in der Lands
wirthſchaft gewöhnliche Pflanzengewaͤchſe fehiefen fich fehr wenig‘
für die Sandfelder. Dahingegen ſcheint der Mays oder türkifche
Waitzen eigentlich für dieſe Felder beftimmt zu ſeyn. Diefes Ger
traide
über den Ackerbau. ur
traide kommt in den dürreften Sandfeldern fehr wohl fort, mie ſo⸗
wohl die Erfahrung in America, als in allen europäifhen Randen
genugſam bewiefen hat. Ueberdieß bedarf diefes Getraide nur fehe
‚wenig Mift; und man Fann mit einem Fuder Mift einen ganzen Mors
‚gen von 180 rheinifchen Quadratruthen düngen; weil drey Mays⸗
Förner, die beyeinander gepflanzet werden, nur ein wenig Mift ers
fodern. Diefes Getraide ift auch viel fruchtbarer, als alle andere
‚Getraidarten: und es ift nur der fechszehende Theil des Saamens
noͤthig, den wir von andern Öetraidarten auszuftreuen gewohnt find.
Dennoch ift es ſowohl zum Unterhalt der Menfchen, als infonders
heit zum Futter für alles Vieh, eben fo nüglich, als alle unfere bis⸗
herigen Öetraidarten.
Ad £) Es ift nur noch die legte und fihfechtefte Art von
mangelhaftigem Erdreich übrig, nämlich der Flug oder Triebfand;
und ic) geftehe gern, daß man fich hier von einer Verbeſſerung nicht
viel zu verfprechen hat. Die Urfache ift gar nicht, daß er Eeine
Verbeſſerung annähme; denn man Fann ihm nicht allein durch eben
die Mittel, die ich vorhin bey dem Sande vorgefchlagen habe, gar
wohl helfen: fondern wenn der Flugſand nicht fehr tief iſt; fo ift
auch das Rajolen von fehr gutem Nugen. Allein die Urfache liege
daran, daß diefer Sand zu fehr ein Spiel des Windes it; und
mithin ein folcher verbeflerter Acker gar bald wieder von neuem mit
Slugfande bedecfet werden würde. Wenn man alfo einen verbefferz
ten Ader diefer Art nicht zugleich mit Zäunen oder Planken umges
ben kann; fo ift ſchwerlich rathſam, die Verbefferung vorzunehmen.
Unterdeffen it doch ein folcher Boden nicht ganz unbrauchbar. Man
kann ihn allemal zu Maufbeerplantagen anwenden: wenn man nur
in jedes Loch, worinnen ein Maulbeerbaum zu ſtehen kommt, ein
wenig gute Erde und Mift thut. Ich habe an verfehiedenen Orten
dergleichen Plantagen in dem Argften Triebfande wohl gedeyhen fehen,
Ich
96 Betrachtungen über den Ackerbau.
Ich glaube nunmehr auch die verfchiedene Güte des Erd
reiches und die Verbefferung des mangelhaftigen Bodens folderge»
ſtalt erörtert zu haben, als es nach unſrer zeitherigen Erkaͤnntniß
in der Landwirthſchaft hat geſchehen Fünnen. Unterdeſſen gebe ich
‚gern zu, daß wir Europäer es in dergleichen Berbefferungen noch
nicht weit gebracht haben. Die Chineſer haben uns hierinnen ſehr
weit hinter ſich gelaſſen. Wenn den Nachrichten der Mißionarien
zu glauben iſt; ſo iſt kein Fuß breit Land in dieſem großen Reiche,
welches nicht der unermuͤdete Fleiß einer faſt unzaͤhlbaren Menge Vol⸗
kes nußbar zu machen gewußt hat. Sogar die dürren Felſen und die
Gipfel der Berge bat ibe Fleiß zu einträglichen Feldern gemacht.
Da man wahrfcheinfich vorausfegen Fann, daß in China eben fü,
wie bey ung, alle Arten von fihlechtem Erdreich anzutreffen geweſen
ſind; ſo koͤnnten wir hierinnen von den Chineſern noch vieles lernen:
und es waͤre zu wuͤnſchen, daß man in dem du Halde und andern
ziemlich weitlaͤuftigen Werken von dieſem Reiche mehr Aufmerkſam⸗
keit gehabt haͤtte, uns von der Art und Weiſe, wie ſie ihr Erdreich
verbeſſern, eigentliche und umſtaͤndlichere Nachricht zu geben. Denn
das wenige, was man darinnen findet, iſt von geringer Erheblich⸗
keit. Allein dergleichen Nachrichten würden einen Mann erfodert has
ben, der nicht allein Luft und Neigung zum Aderbau, fondern auch
eine gute Erkaͤnntniß darinnen hatte: und Das kann man von den
Arhebern diefer Nachrichten nicht fodern.
Hier ift alfo alles, was ich auf die aufgegebene Preisfrage
zu antworten gewußt habe. Ich werde mich glücklich fehäsen; wenn
es der Erwartung der erleuchteten Akademie einige Genüge leiftetz
oder wenn man urtheilet, daß es zum Vortheil der Landwirthſchaft,
den bürgerlichen Sefeufchaften, und der menſchlichen Er⸗
kaͤnntniß, etwas weniges beytragen kaun.
9—
Abhandlung
Des
Herrn Prediger Walls,
über die
im vorigen Stuͤck abgehandelte
Preidfrage
Diefe hart eine Belohnung von einer Medaille
on 12 fl. erhalten.
IV Bandes, II Theil, N
Terram eſſe mutabilem et folvi in
humorem.
Senecca.
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Er Frage, welche von der erleuchteten Akademie der Wif-
E31 fenfchaften zu München vorgeleget worden, feheinet fich
AN" in vier befondere Fragen zergliedern zu laſſen; und dag
ſollen fo viel Abtheilungen für meine -dermalige Abhandlung feyn.
Es wird verlanget:
1. Daß man zeige, was die Pflanzen felbft zue Zubereitung
ihres Nahrungsfaftes beytragen.
2. Was der Verfchiedenheit des Erdreichs zuzufchreiben fey,
wenn das Wachsthum ungleich befunden wird,
3. Db fich die verfehiedene Güte des Erdreichs, und
4. Ob fich bey fehlechtem Erdreiche die mangelnden Stuͤcke
beſonders in Abſicht auf den Ackerbau durch chymiſche
Verſuche,
jedoch auf eine, den Oeconomis brauchbare Art,
beftimmen laffen ?
ch wills verfuchen,, ob ich einer jeden diefer Aufgaben eine
gegründete Auflöfung werde unterlegen koͤnnen.
R2 I. Wenn.
200 Betrachtungen
1. Wenn gefragt wird, was die Pflanzen ſelbſt zur Zube⸗
reitung ihres Nahrungſaftes beytragen? ſo wird billig vorausgeſetzt,
daß der Saft, den die Wurzeln aus der Erde aufnehmen, derjeni⸗
ge noch nicht ſey, welcher das Gewaͤchs, und feine übrigen Theile,
Stamm und Zweige, Blätter, Blüthen und Früchte zu nähren,
und ihnen zu geben, was fie haben müffen, gefchickt iſt. And fo ift
es wirklich. Er bedarf einer: fernern Bearbeitung und Zubereitung,
wenn diefe Theile erzeugt und unterhalten werden füllen. Davon
verſichert ung nicht nur die finnfiche Empfindung, wenn der Ger
ſchmack von dieſen Theilen von dem, den die Wurzel hat, fo vers
fehieden iſt; und Blüthen und Früchte nicht, als nur nach: einer ge⸗
wiffen Zeit, zum Vorſchein kommen, innerhalb welcher der Saft
notbwendig mancherley Beränderungen erfahren muß: fondern es
überredet uns auch die Vernunft, daß derjenige erdigte Saft, der in
den Wurzeln iſt, zuvor manche Läuterung und Zurichtung erhalten !
haben müfje, ehe fein wilder Geſchmack in den milden und ange-
nehmen der Früchte verwandelt worden. Und wird der Wurzelſaft
mit dem von den übrigen Theilen eines Gewächfes unterfuchet und
verglichen: fo find ihre Beftandtheile und deren Mifchung fo. uns
gleich, Daß man bewogen wird, zu glauben, es fey der Wurzel
faft nicht nur aufs befte gereiniget, fondern etwas neues zu demfels
ben gekommen, und mit ihm aufs genauefte verbunden worden.
Wenn es nun unmiderfprechlich ift, Daß dem Safte der
Wurzeln eine gewiſſe Veränderung begegne, ehe die andern Theile
des Gewaͤchſes zum Vorſchein kommen; fo Fann allerdings gefolgert
‚werden, was das für eine Veränderung fey. Und da es das Ans
fehen hat, daß die Pflanzen vermöge ihrer befondern Structur Die
Veränderung des Safts bewirken, dergeftalt, Daß in andern Arten
der Gewaͤchſe der Nahrungsfaft anders befunden wird, ja ſezuweilen
in einerley Gewaͤchsarten etwas verfchieden ausfällt; woran es
liege,
über den Ackerbau. 201
liege, daß dieſes Gewaͤchs, z. E. dieſer me nicht
Saft hat, wie ein anderer.
Mr Ich Tann die Grundurfache des Pflanzen » Mechanifmi, deg
- Anfaugensder Haarroͤhrchen, und um wie viel diefes Durch die Blätter
vermehret wird, hier mit Stillſchweigen übergehen, Die Sache
iſt vom Hales fo wohl befchrieben worden , daß man nur nöthig
hat, ſich auf ihm zu berufen. Zudem gehört e8 auch nur auf eine
entferntere Art hieher , daß die Pflanzen ihren Saft aus der Erde
faugen. Hier wird nicht von der Herzuführung fowohl , als von
der Zubereitung deffelben gehandelt. Inzwiſchen kann freylich diefe
ohne jene nicht gefchehen ; und auf die ftärkere oder ſchwaͤchere
Kraft des Saugens fommt e8 zugleich mit an , daß der Saft fo,
oder fo befchaffen iſt. Man kann es für eine Kegel annehmen , daß
je ftärker der Zug oder das Saugen ift , defto flüßiger ift der Saft
im Gewaͤchſe. Ye flüßiger der. Saft, deſto geſchwinder iſt das
Waͤchsthum des Stammes, der Zweige und Blätter. Je Tangfas
mer aber derfelbe ſteigt, deſto mehr und beffere Früchten bringt
derſelbe hervor ; Darum, weil der Saft zu diefem mehr Zeit gehabt
hat, in denen Pflangengefäffen ausgearbeitet zu werden. Die Nich-
tigkeit des erſten erficht man daraus, weil , wenn die Werkzeuge
des Saugens vorhanden find, ich will ſagen, wenn das Gewaͤchs
feine Blätter hat, der Saft des Stammes meit flüßiger ift , als
wenn man daffelbe einestheils , oder gänzlich derſelben berauber.
Sch ſchließe Daher , je mehr der anſaugenden Werkzeuge, defto mehr
der Kräfte, und defto fehnelier die Bewegung. Die Bewegung
aber ift bey flüßigen Dingen ordentlich eine Hinderniß , daß fie
fich nicht genauer vereinigen , und verdicken koͤnnen. Daher, je
frärker der Zug iſt, deſto füßiger ift der Saft. Das andere Ichret
die Erfahrung. Wenn wachfen die Stängel, Blätter ) und Zwei⸗
ge yurtiger, als zur Zeit des Frühlings , da der Saft noch am
„3 waͤſ⸗
202 Betrachtungen
waͤſſerigſten it? Und eben das ift auch die Wirkung vieler Feuchs
tigkeit, die den Gewaͤchſen zugeht, daß fie ihre Theile weit ausdeh-
net, und ihren Umfang vermehret. Das drifte werde ich in dem
Folgenden zu erweifen Gelegenheit finden. Smmittelft erhellet es
ſchon einigermaßen daraus , weil wir fehen , daß alle Pflanzen zur
Zeit, da fie Früchte bringen, einen mehr Eleberichten Saft mit ſich
führen, als fie ſonſt zu haben ‚pflegen, Ein Eleberichter Saft aber,
wenn fonft die Anfaugungskraft gleichwie vorhin iſt, kann nicht fo
gefehwind in den Gefäflen des Gewaͤchſes fortgehen „ als ei
flüßiger. —
Wenn nun die Fluͤßigkeit des Pflanzenſaftes von der an⸗
ziehenden Kraft der Haarroͤhrchen, und deren Menge abhanget; die
Frucht aber von der verminderten Fluͤßigkeit des Saftes, mie im
Gegentheil der Umfang des. Gewächfes davon , Daß der Saft weni⸗
ger vileid ift ; fo erfcheint ſogleich, daß die Zubereitung des Pflan-
zenfaftes zum Theil, und erftlich auf der Kraft der anfaugenden
Werkzeuge beruhe. Jemehr der Haarröhrchen, nebſt andern drüfen-
artigen Theilen , welche beyde nicht nur im Stamme, fondern
auch in Blättern befindfich , vorhanden find , defto geſchwinder geht
der Saft. Und fo iſt er zwar in Anfehung der Zweige und Blaͤt⸗
ter zubereitet genug; aber defto weniger in Anſehung der Fruͤchte.
Sollen dieſe erzielet werden, ſo kann es nicht anders, als durch eine
gewiſſe Verminderung der Fluͤßigkeit des Saftes, und zum theil
durch Zerſtoͤrung der überflüßigen Saugungsgefaͤſſe geſchehen.
Hiernaͤchſt liegt es auch an der Beſchaffenheit derjenigen
Gefaͤſſe, mit welchen die Pflanze ihre Nahrung zu ſich nimmt,
daß der Saft , der zu ihrem Unterhalte und zu Erzeugung der
Fruͤchte dienet, wohl zubereitet werde. Wir unterfcheiden nams
lich in den Pflanzen ſowohl, als bey den Thieren die Aus⸗ und
\ Eins
über den Aderbau. JS 203
Eingänge des Nahrungsfaftes. Die Ausgänge find vornehmlich an
den Flächen der Blätter zu fuchen. Und eben die find es auch, die,
vermoͤg eines befonderen Mechanifmi, den Saft anfaugen , und ew
heben : die Eingänge aber finden ſich theils an der Wurzel, theils
am Stamme und Acften. An jener ihrem Dafeyn ift nie ein Zwei⸗
fel geweſen, wer aber diefe in Zweifel ziehen wollte, dem würden
wir Bäume zeigen, die blos dadurch zu Grunde gegangen, daß fie .
mit Moos überzogen, oder mit einer ölicht» and Fleberichten Mate
vie überftrichen gewefen. Dadurch waren fonder Zweifel gewiſſe
Eingänge verftopfet worden, die dem Baume zu feiner Unterhaltung
noͤthig find, und Durch welche er Luft , oder was ihm fonft aus
der Achmosphäre zur Nahrung vonndthen it, gehofet hat. Ze
mehr nun dergleichen Eingänge eröfnet find , deſto veichlicher wird
zwar der Nahrungsfaft zufließen koͤnnen: aber je dichter und enger
die Natur fie gebildet hat, um deſto feiner und vereinigter wird
der Saft ſeyn, und defto feichter in diejenige zarte Mifchung eins
gehen koͤnnen, welche die Befchaffenheit der Früchte erheifcher.
Man verfteht mich bereits, Daß ich die erfte Zubereitung des
Nahrungsfaftes in derjenigen Filtration fege, die da in den Drüs
fen der äußeren Rinde, welche die Wurzel, den Stamm und die Zweis
ge umgiebt , vorgeht , und von da in den Haarröhrchen fortge-
feget wird. Die Anzahl und Eapacität derfelben , die unzählige
mal anders feyn kann; und das unterfcehiedene Verhältniß der Luft
und Saftröhrchen gegen einander , find allein genug, uns begreifen
zu laſſen, wie fehr verfchieden der Saft in Pflanzen von verfchies
denen Bau und Einrichtung feyn müffe , wenn auch fihon der
Erdfaft, den die Wurzeln anfaugen, einerley iſt.
Der andere Grad der Zubereitung des Nahtungsfaftes ges
fghieht in den Knoten der Gewächfe, wo er aufs neue filtrirt, und
| alle
204 Betrachtungen
alſo immer mehr gereiniget wird. Was Knoten ſind, darf ich wohl
eben nicht muͤheſam erklaͤren. Es find die Stellen, wo ein Aſt an
dem andern anſteht. Schneidet man daſelbſt durch, fo läßt fich be—⸗
merken, wie die Saftröhrchen daſelbſt gedrungen, und verwirret, und
auf eine foldye Art fortgehen , daß der in ihnen fich bewegende Saft
nicht nur aufgehalten, fondern auch noch mehr von gröbern Theifen
befveyet werden muß. Und diefe Filtration wird fo oft wiederholet,
als oft der Saft durch einen Knoten fleigen muß. Es ift leicht zu
erachten , daß derſelbe Dadurch immer feiner, reiner , und fubtiler
werden muͤſſe. Nicht nur aber wird er alſo feiner 5 fondern auch,
da er in diefen Stellen gepreßt, und ein jedes Theilchen dem ans |
dern um fo viel näher gebracht wird , inniger gemifcht , und unter |
diefer Approrimation genauer mit ſich felbft verbunden. Doch wie |
in den Drüfen der Wurzel und Rinde nur ein Anfang der Filtras |
tion gemacht wird, die in den Knoten fortgefegt und vollbracht '
wird: alſo behaupte ich auch, Daß in den Knoten nur der Anfang
der Vermifchung, und genaueren Bereinigung des ſalzig⸗ pblogiftifchen |
Weſens vorgeht, Diefelbe aber mittels der Digeftion in den Glie⸗
dern des Gewaͤchſes fortgefeget und vollendet wird. Es wird mir
erlaubt ſeyn, Glieder zu nennen, Diejenigen Theile einer Pflans |
36, welche fich zwiſchen zween aufeinander folgenden Knoten befinden, |
Diefe Art unterfcheidet fich von den Knoten dadurch) , daß die Fas |
fern oder Haarröhrchen dafelbft gerade , oder wenn je gewunden, |
doch in gleicher Weite voneinander , und ohngezwungen fortlaufen. |
Sicht minder iſt das Holz, oder hofzichte Weſen, das den Baum |
der Pflanze ausmachet, dafelbft viel weicher , und durchdeinglicher, |
als in den Knoten ; und Diefe betragen im Umfange gemeiniglicy |
mehr , als die Glieder. Nach der Porftellung , die ich mir davon |
mache, find diefe Glieder nichts anders, als Digeftions - fo wie |
die Knoten Filtrations⸗ Gefaͤſſe. Wird der Saft in diefen auf eine |
mechanifche Art durchgearbeitet und gereiniger 5 ſo wird er in je⸗
- un |
über den Ackerbau. 205
en auf eine mehr chymiſche Weiſe unter dem Zutritt von Luft und
Waͤrme bearbeitet, zaͤrter gemacht, und in eine neue Aggregation
oder auch Mirtion verſetzt. Eben da ift es auch ‚fonder Zroeifeh,
wo das phlogiftifche Wefen aus der Luft, an deſſen Eingange in
die Gemächfe oberhalb der Erde Niemand zweifeln kann, ſich zu
- dem falzigen, das vornehmlich aus der Erde kommt, gefellet, und
mit ihm vermaͤhlt die naͤchſte Anlage zu — Saamen und
Fruͤchten ausmacht. | ö
Was mich beweget, eine folche Bearbeitung des Oflangern
fafts per filtrationem & digeflionem zu ftatuiren, und darinn die
Antwort auf den erften Hauptpunet der vorgelegten Frage zu feßen, iſt
1) Weil man nicht anders glauben Fann , als daß der am
‚genommene Saft der Früchte, da er von dem der Wurzeln fich fo
gar ſehr unterfcheidet, nicht nur von den gröbern Theilchen, die in -
der Wurzel noch den Erdgeſchmack verurfachten, abgefondert und
ſubtiliſiret, fondern: auch auf eine geheime Art gemifcht, und unter
der Hand mit einem phlogiftifchen Weſen verbunden feyn müffe,
Gewiß iſt es, daß die Säfte in den thierifchen Körpern auf dieſe
Art zur Vollkommenheit gelangen. Da aber. die thierifchen und
vegetabiliſchen Körper in vielen andern Stuͤcken miteinander überein»
kommen; fo ift die Vermuthung, daß es auch in, diefem geſchieht, Wie
viel uͤbrigens auf die Form der Gefaͤſſe bey dem Secretions⸗ und Die
geſtionsgeſchaͤfte ankomme, wiſſen, die der chymiſchen Arbeiten Füns
dig find, ‚am beſten: bier ſcheinen gewiß die Knoten und Glieder
‚ganz befonders-zu Diefer Abficht gemacht zu ſeyn. Da nicht nur
die Separatoria aͤußerſt eng, und ihre zarten Kandle noch dazu gez
| wunden find, damit die. Fluͤßigkeiten, gleich den Fluͤſſen und Ba—
ben, deren fihneller Lauf durch mancheriey Krümmen unterbrochen
ft, deſtomehr Irrdiſches abfigen, fondern aud) die Digeſtoria bey
W Bandes, I Theil. D einem
. 206 Betrachtungen |
einem Fleinen Pörperlichen Innhalte einen nad; Proportion defte
größern Umfang oder Oberfläche der Luft und Wärme darbieten,
der Luft felbft auch einen Zugang verftatten: welches alles Umftäns
de find, die bey dergleichen chymiſchen Operationen eben die vor
theilhafteſten find.
2) Die Erfahrung lehret auch, daß der Saft nur alsdenn
geſchickt ſey, Blumen, Saamen und Früchte zu conflitwiren, wenn
er verfchiedenemal durch die Separatoria und Digeftoria hindurch
gegangen, welches feine Bearbeitung und Zurichtung in dieſen Ges
fäffen anzeiget- Daher tragen nicht nur gar zu junge Bäume nicht;
weil der Werkzeug zur Zubereitung ihres Safts nicht genug vers
handen iſt: fondern die alten und höchften Bäume, oder wo es nie
drige und Zwergbaͤume find, doch die Außerften Zweige, wo der
Saft bereits durch die mehreften Knoten gegangen, tragen die meis
fien und beften Früchte. Was haben nun diefe Stellen befonders
Bor denen, die dem Stamme näher find? Nichts allem Anfehen
nach, als diefes, Daß der Saft, der bis dahin gekommen, mehr fil
trirt und mehr gemifcht ift. Zwar Eönnte es das Anfehen haben,
als wenn der freye Genuß von Luft und Eonne den mehreften Anz
theil Daran habe, wenn die äußeren Früchten die fehönften und
ſchmackhafteſten find. Ob ich nun gfeich der Luft und Sonne ihre
Wirkung nicht abſprechen Tann noch will; fo ift doc) beydes noch
nicht zureichend, Früchte, gufe und vollkommene Früchte, hervorzus
bringen. Ein junger Baum oder Weinſtock, wo die gehörige Ans
zahl der Knoten noch nicht ift, kann bey Luft und Sonne dennoch
unfruchtbar feyn. - Leute von ſcharfem Geſchmacke verfichern, daß die
Frucht von einem alten Baume, der übrigens gefund ift, milder,
als von einem jungen fey, 0b fie gleich beyde an der Sonne ſtehen,
and in einerley Boden wachfen. Weberdem follen an einem Efpas
5* der nach allen Neun Zweigen die Luft und Sonne auf
NORM,
d
über- den Aderbau, 207
gleiche Weiſe genießt, die vom Stamme entfernteſten Früchte juft
Die beften, und Diejenigen feyn, Dig ſich wegen vollkommener Mi⸗
ſchung am laͤngſten halten.
3) Ich füge dem bey, was die Kunſt zur. Vermehrung ſo⸗
‚wohl, als zur Verbeſſerung der Früchte zu thun pflegt, Man ocus
liret, man propfet, man befchneidet die Bäume, und alsdenn ſieht
die Frucht des neuen Wuchſes, wenn auch ſchon das oculirte oder
gepropfte Reis von eben dem Baume ift, derjenigen, die der Stamm
vorhin brachte, kaum noch ähnlich: ja fo oft dieſes Deuliren oder
| Propfen in ſich felbft wiederholet wird, verbeffert fich die Frucht an
Größe und Geſchmack: wie mir dann ein Pfirfihbaum vorgekom⸗
men, der smal alfo aufeinander gefeget worden, und die auferors
dentlichften Fruͤchte brachte. Was mad): aber das Propfen und
Oeuliren anders, als daß ſich ein neuer Knoten formiret, der aber,
weit Die Saftröhren in demfelben vielmehr verwirret find, als in
den natürlichen , ftatt vieler andern ift? Und was gefchieht durchs
Befchneiden? Gewiß nichts anders, als daß die Knoten in Furzer Zeit
vervielfältiget werden: und man meis, Daß Dadurch das Gewaͤchs
ebenfalls in den Stand gefest wird, frühzeitig viel und gute Früchte
zutragen. Es Fäme darauf an, es mit einem wilden Baume zu
verfuchen, ob feine harten Früchte blos durch Befchneiden, und alfo
durch Vermehrung feiner Filtrirs und Digerirgefäffe nicht Eönnten
gebeſſert werden 3 wahrſcheinlich ift es. Es giebt noch eine andere
Manier, die Früchte zu vermehren. Die befteht darinn, daß die
Zweige oder Neben eines Gewaͤchſes gebogen, gedrcher und gends
thiget werden, anders. als von fich felbft, auch wohl unterwärt®
zuwachfen. Sch habe es felbft unter andern an Weinftöcken richtig
befunden, und man möchte fagen, Daß diefes ein Handgriff fey,
den die Natur felbften braucher, Bäume je mehr und mehr feuchts
har zu PORN Demi indem die Früchte ihre Aeſte beſchweren, fo
O 2 noͤtui⸗
208 Betrachtungen
nörhigen fie dieſelben nach der Erde zuzuwachſen; zu gleicher Zeit
aber wird der Saft genöthiget, langſamer zu fließen, beffer zu dis
geriren, und deftomehr Frucht⸗Augen aufs folgende Jahr anzufegen.
a) Wenn man endlich folgende Regeln Für gut befindet, fo
find fie gewiß eben ſowohl Folgen meiner Hypotheſe, als Erfahruns
gen, die derfelben eine große Wahrfheinlichkeit geben,
@) Die erfte Negel: zur Zeit, da die Sommerlatten treis
ben, ſchone man der Blätter; zur Zeit, da die Früchte reifen
verinindere man fie, Die Blätter find die vornehmften Werkzeuge,
die dem Safte die Beivegung geben, Je mehr derfelben alſo vor-
handen find, defto fehneller fteige der Saft, deſto weniger ausgears
beitet kann er werden; unterdeffen iſt ev Dazu gut genug bereitet,
den Umfang des Gewaͤchſes zu vermehren, das if, Sommerlaten,
Holz und Blätter zu treiben. Sieht man aber auf die Früchte,
und follen diefe wohl reif werden, fo müffen der Blätter nicht zu
viel feyn. Damit der Saft nicht zu fehnell gehe, fondern bey eis
ner langfamern Bewegung eine defto beffere Crafin bekomme; wmels
ches dann zu gleicher Zeit den Nutzen hat, Daß nicht nur der Baum
wegen mehrerer Vifeiditet des Safts gegen die Anfälle der Kälte -
weniger empfindfich ift, fondern auch das Obft fich defto beffer hält,
und nicht fo feicht in die Fäufniß geht. Nun kann die langfamere
Bewegung des Saftes ihn nicht anders verbeffern, als daß fie ihm
„ Zeit Täßt zu Digeriren, und eine defto beffere Mifchung zu Stande
zu bringen. Dahero ſieht man, daß es allerdings auf eine folche
Dperation in dem Gewächfe ankommen muß.
60) Die zweyte Regel: die Schale des Stammes und der
Zweige foll ſtaͤts rein und offen gehalten werden. Hier nämlich
befinden fich Die Zugänge der Luft zu den Digeſtionsgefaͤſſen. Denn
Leewen⸗
über den Ackerbau. 209
Ceewenhoek hat in den Fichten Horizontalröhren aefunden, die
mit den VPerpendicularen zufammen gehen. Syn der Eiche desgfeis
chen; und vermutbfich iſt es überall fo. Durch folhe Horizontale
roͤhren vermifcht fich die Luft, und das in ihr befindliche phlogifton
mit der ſalzigten Feuchtigkeit der Perpendieufarröhren. Können dies
fe beyde aber wohl in eines zufammen gehen ohne Digeftion ?
Yy) Die dritte Regel: der Knoten veranlaffe man fo viel,
als möglich. Denn je mehr derfelben vorhanden find, defto cher und
‚ beffer wird der Nahrungsfaft ausgearbeitet feyn , Früchte zu conftis
£uiren, Ich habe an einem andern Drte gezeiget „ wie weit mans
damit bey dem Weinſtocke infonderheit bringen kann: die Vielheit
der Knoten aber hilft nicht nur zu Reinigung des Saftes von feinen
Eruditäten; fondern fie halten auch denfelben um fo viel länger in
denen Digeſtorüs auf: welcher Aufenthalt „, wie bey dem Krüms
men und Beugen der Zweige den Motum combinatorium des Saf⸗
tes um fo mehr befördert,
Kurz auf die erite Frage zu antworten, fo fere ich; die Ges
waͤchſe bereiten ihren Nahrungsfaft alfo, daß fie denſelben zuerft in
ihrem drüfenartigen Gewebe, und denn in denen Knoten mehrmals
von dem erdigen Weſen fecernirens und nachdem die Luft das phlos
siftifche Werfen ihnen durch die Horizontalroͤhrchen eben fo , wie
das Waſſer das Satzige und Erdige durch die Perpendieularen zus
geführet , und in den Gliedern miternander vermifcht hat; fo diges
tiven fie beydes: und je öfter dieſe Digeſtion gefchieht , wels
ches denn auf die vermehrte Zahl der Glieder ankommt ; deſto beffer
ift der Saft ausgearbeitet , und defto näher ift er feinem Zwecke,
nämlich Blumen, Saamen und Früchte dDarzufiellen. Die Frage
fauter freylich fo, als wenn die Pflanzen wirklich etwas bey der Zus
bereitung des Safts thun koͤnnten. Es iſt aber gewiß die Meys
u; O 3 nung
210 Betrachtungen J
nung der erleuchten Akademie nicht, ſie fuͤr etwas mehr als blos
leidende Werkzeuge auszugeben. Sie wollen nur ſo viel ſagen: wie
fern find die Pflanzen, als Gefaͤſſe, dazu geſchickt, daß ihr Nah⸗
tungsfaft die Vollkommenheit erreichen kann? Dieſes denke ich nun
beantwortet zu haben, da ich geſagt: ihre, Secretiongz und Diges
ftionggefäffe geben dem Safte Gelegenheit. dis zu dem Grad der
Vollkommenheit, da Früchte entftehen, zu gelangen. Je mehr fol
be Gefäffe das Gewaͤchs befiger, deſto beſſer wird-fein Saft beat» |
beitet, und defto frubgeitiger Fommt es zum Zwecke, welches iſt Die
Sucht. Jetzt gebe ih weiter; Ds
II. Es ſoll beftimmet werden , was bey dem ungleiche
Wachsthum der Pflanzen der Perfchiedenheit des Erdreiches beyzu⸗
meſſen fey.
Es ift ja freylich fichtbar genug , daß einerley Pflanze nicht
an allen Orten auf gleiche. Art in ihrem Wahsthum fortgehe,
Hier fehießt fie freudig aufs; dort erhebt fie fi kaum aus der Erde,
da fie zu kraͤnkeln anfängt „ und fich wieder zu ihrem Untergange
neiget. An einem Orte ſieht man fie mit Bluͤthen, Saamen und
Früchten uͤberſchuͤttet; am andern treibt fie nichts, als Blätter und
Holz, und ift ſchwerlich zu ihrer Vollkommenheit zu bringen, Es
kann ſeyn, daß die Urfache in ihrem Baue verborgen liegt , wie bes
fonders bey dem legten Falle wahrſcheinlich iſt; und Daß der Filtra⸗
tions» und Digeftivnsgefäffe zu wenig find ; anderswo aber , wo
man auf Blätter und Holz fieht , daran zu viel find, Es kann,
fage ich , die Urfache in der Pflanze felbft verborgen ſeyn. Aber fie
kann auch außer ihr in der Luft, die fie umgiebt , in dem Waſſer,
das nebſt der Luft ihr. die Nahrung suführet , und in der Erde,
darinn fie ſteht, und daraus fie erwächft, zu finden feyn. Hier if
die Frage nur von dir letztern, und ia wie fern bie Erde das Wachs⸗
chum hindern oder beforde.n koͤnne.
Wenn
über den Ackerbau. sıı
nit Wenn auch Helmonts Meynung von dem nährenden
Weſen der Gewaͤchſe Statt faͤnde; wenn, ſage ich, das Waſſer
(die einzige Nahrung des Pflanzenreichs wäre 5; ſo kann doch die
Erde einem Gewächfe , das einen Theil feines Stammes und feis
ner Wurzeln darinn verbirgk, und diefelben auf diefer Seite berühret,
nicht gleichgültig feyn. Denn ift es eine bindende Erde, fo kann
"die Pflanze oft nur darum nicht fortfommenz weil der Boden ihrem
‘pieleicht noch zarten Stamme allzu feft anliegt, und denfelben alfo
einklemmt, daß dem Wurzelfafte dee Weg zu den obern Theilen
verſperret, wo nicht gar der aufgehenden Pflanze vermwehret wird,
an die Luft zu kommen. Iſt aber dag Erdreich gar zu locker, wie
wenn es oft gepflügtes Sandland und Flugerde ift; fo läßt es das
Waſſer allzu geſchwind hindurch, und die Gewaͤchſe haben nicht
Zeit, ihnen daffelbe zu Nusen zu machen. Es giebt einen Boden,
Der mit freffendem corrofiven Salze untermenget, oder mit adftringis
"renden oder fiyptifchen Dinge angefüllee if. Ein folcher ift der
Mflanzgen Grab ; gleichwie corrofives und adftringirendes Was
fen ihr Gift iſt. Ich fage daher, ſelbſt Helmonts Freunde müffen
geſtehen, daß, wo nicht allzeit, Doch öfters die Verfchtedenheit des
Wachsthumes an dem Grund und Boden liege: und bey Beantwors
tung der gegenwärtigen Frage haben wir nicht erft nöthig , ung
"mit ihnen über der Sache zu vergleichen, ob die Erde mit in Die
» Pflanzen übergehe, oder ob das Waſſer fie allein ernähre,
Ich geftche indeffen, dag ich nichts weniger, al ein Hels
montianer bin; und halte dafür , daß die Nahrung der Pflanze
"größten Theils Erde fey; wiewohl nur diejenige Erde, welche mit
dem Waffer vermifcht die Salze, und mit dem anbrennlichen We—⸗
fen verbunden die Defe ausmacht 5 oder die doch fo zart iff, daß
fi eim Waſſer aufgelöft, und darinn einige Zeit gehalten werden
Bann. ‚Fur die entweder voͤllig flüchtig „oder doch der flüchtigen
ſehr
212 „Betrachtungen ”
ſehr nähe iſt. Denn , was ift wohl je für ein Schluß richtiger
geweſen, als Diefer z ‚daßeein Körper daraus entſtanden, worein
er zerlegt werden Tann, » Wenn wir Pflanzen‘, beſonders durch
euer, auflöfen, fo geht dev größte Theil derfelben unter der, Ge⸗
ftalt einer flüchtigen trockenen Erde , oder als ein Sal und Oel,
welche ‚mie ſchon gefagt, eines Theils aus Erde beftehen „ indie
Luft. Ein ſehr geringer Theil bleibt zurück, und, man pflegt ihn
zwar fix zu nennen ; ‚denen Chymies Vergtändigen ift aber wohl
bekannt „daß viel Aſche zurück bleibt, welche im übrigen doch nichts
‚anders, als die zartefte Erde iſt. Dieſe theils fluͤchtige theils ſehr
‚fubtite fire Erde muß denn gewiß in die Gewaͤchſe übergegangen
feyn; und woher ? Die Vermuthung fällt eher auf die Erde, als auf
das Waffer, da noch niemand hat ermeifen Fönnen,, daR das
Waſſer in die Erde verwandelt worden fey.
Sch * zwar wohl, was aus dem beruͤhmten Verſuche
Helmonts hat geſchloſſen werden wollen. Allein mich, duͤnket, der
Schluß war nicht gar zu richtig; weil die Erde, darein der Baum
gepflanzet war, nichts, oder. doch fehr wenig abgenommen hatte, da
«indeffen der Baum 169 ‘Pf. fchwer wars fo mußte er, feine Maſſe
som Waſſer erhalten. haben, welches fir geworden, dieweil ſonſt
nichts als Waller dazu ‚gefommen war. Denn feine Nahrung
Fonnte ja wohl im Waſſer ſelbſt enthalten, und verborgen feyn.
Und in der That, das Waffer hält eine beträchtliche Menge Erde
in ſich, wobey e8 doch ganz Har und heil ausficht. Man ftelle
es nur fo bios bin, fo offenbart ſich fein irrdifches Weſen durch
ein grünes Gewoͤlke, das fich zulest als einen zarten Schlamm zu
Boden ſetzt. Man nehme dergleichen, und laffe ein paar Tropfen
ſtarker Lauge darein fallen: im Augenblicke iſt das klare Waſſer
einer Milch gleich; und wenn es ſich wieder ausklaͤret, ſo iſt ein
RR Theil kalkichter Erde zum Grunde gegangen. Und die
Chymiei
über Den Ackerbau, | 215
Chymiei wifen es, daß auch diſtillirte Waſſer annoch Erde in ſich
halten: und wer weis, ob nicht Durch oft genug wiederholte Di—
fiillationen befunden würde, daß der größte Theil des Waffers in
Erde beſtehe. Die Verwandlung des Waſſers in einen trocknen
harten Körper, nämlich in einen Eisfchollen, macht wirklich viel
Bedenken. Ich fage demnach, es ift zwar nicht zu verwundern,
daß Helmonts Baum, ohne fonderfichen Abgang der groben Erde,
worinn er ftund, groß und fehwer geworden. Das zugegoffene
Waſſer bat darum noch nicht fig werden müffen. Es durfte nur
feinen Antheil von Erde, den es unſichtbarlich bey fich führer, fuͤr
das Gewaͤchs ablegen; fo kann in 5 Zahren ſchon ein guter Theil
irrdiſcher Materie zufammen kommen, davon der Baum nebft dem,
mas ihm aus der Luft zugieng, feine Größe und Schwere erfanr
‚gen Fonnte, er:
Ich kehre aber jest zu meiner Sache. Meine Meynung ift
diefe, daß Die alterfubtitefte Erde, diejenige, die fih im Waſſer
aufiöfen läßt, und darinnen eine Zeitlang erhalten Fann, und am
allermeiſten die, welche nicht ohne chymiſche Handgriffe yon dem
Waffer, Salzen und Oelen gefcyieden werden kann, dasjenige fen,
was die Pflanzen naͤhtt, und woraus fie erbauet find. Je zärter
nun die Erde ift, darinn fie wachſen, je mehr Nahrung für die
- Gewaͤchſe. Dagegen, je groͤber der Boden, deſtoweniger zum Un⸗
terhalte für fie. An dieſer zarten Erde figiren ſich auch die fluͤchti⸗
gen Salze und Oele, und gehen ſodann mit ihr in die Gewaͤchſe
‚über. An der groͤbern figiren fie ſich zwar auch, koͤnnen aber fo
wenig mit ihr in die Pflanzen eingehen, als die Pflanzen vermis
gend find, fie Davon los zu machen, Zum Beweife meiner Gedan—⸗
ken führe ih an
" ) Die Zartheit und Güte einer jegfichen vegstabilifchen und
animalifchen Erde. Jedermann weis, von was für Belang der
IV Bandes, I Theil, P glei⸗
214 Betrachtungen
gleichen bey dem Pflanzenbaue iſt, und wie ſeht die Gewaͤch⸗e da⸗
von zunehmen, auch ſelbſt alsdenn, wenn ſie ſchon ausgelauget,
und alles Salz und Oel von ihr geſchieden iſt. Es iſt kein Zweifel,
daß ſie in dieſen Sande nur darum das Wachsthum befoͤrdert,
weil ſie zart genug iſt, in die Gewaͤchſe uͤberzugehen.
2) Die Maxime der Ackerleute. Dieſe ſuchen die Erde ihs
res Ackers aufs befte, als fie koͤnnen, zu zertheilen, und zu zerteis
ben; weil ihnen die Erfahrung gelehret hat, daß die Srichte nirgends
beffer, als in einem zu Staube gemachten Boden gerathben. Es
feheint zwar , als wäre dabey die Abficht nur auf eine Auflockerung
des Bodens gerichtet, Damit die Wurzeln des Saamens fich allent-
halben deſto beffer verbreiten Fünnten. Allein zu dieſem Zwecke
würde ein geringere Arbeit ſchon binlänglich feyn. Der Landwirth
aber begnüget fich nicht, feinen Acer ner 2 oder 3 mal zw zerreiben,
fondern fest dieſes Gefchäft fort; meil er weis, daß ihm fein Land
Die fchönften Früchte geben würde, wenn er e8 ganz und gar pulve⸗
tifiren könnte. In Flandern und Seeland nimmt man diefes am
meiften in Acht: man bäft dafelbft denjenigen Acker zum Leinbau am
beften zubereitet, der faft zu Staube gemacht worden ; wie uns Die
Verſuche der dconomifchen Sefellfchaft zu Dublin fagen : und doch
ift der Lein Bein ſolches Gewaͤchs, deffen Wurzeln fi umher vers
breiten, und nöthig hätten , Daß man ihnen deshalb die Erde fo muͤhe⸗
fam auflockerte.
| 3) Die tullifche Acker ,/ Methode. Durch diefelbe wer,
den die Aernden immer ergiebiger; weil die Erde immer beffer zer
tieben und fein gemacht wird, daß die Gewaͤchſe ſich davon er⸗
nähren koͤnnen, und feinen Mift bedürfen.
Bey allen dem läugne ich nicht , daß die Zertheilung dee
Erde noch in anderen Abfichten ihren großen Mugen habe ch
werde
über den Aderbau, 215
werde Ihn felbft weiter unten anzeigen, Vor jetzo wäre mir nur
nöthig zu fügen, was an der Erde an und für fich zu betrachten fey,
dag das Wahstyum der Pflanzen fo verfchieden ausfällt. Das
milde Land enthält nämlich mehr zarte Theilchen , die das Gewaͤchs ’
nähren Eönnen ; als ein anders, das es nicht iſt.
Eine Art der Erde aber iſt vor der andern fo befchaffen,
daß fie mild gemacht und pulveriſirt werden Bann, alfo, daß folches
Pulver eine Zeit lang in dem Waſſer hängen bleibt, ohne zu Bos
den zu sehen. Denn eine hängt in ihren kleinſten Theitchen fefter
zufammen, als die andere ; und ich ftelle mir vor, daß der Stein
In nichts , als in der Kraft des Zufammenhanges, von des
lockerſten Erde unterfchieden iſt. Ich berede mich durch Gründe, die
bicher nicht gehören, daß ein gewiffes Acidum aus Planzenerde
den Mergel, aus Mergel den Thon, und aus Thon den Stein be
reitet: und Das in Purzer oder längerer Zeit 5 je nachdem das Acı-
dum in Dienge vorhanden, oder die Erde Ruhe genug genoffen hat,
fih mit ſolchem Acido zu fättigen, zu verbreiten, und fir zu wer⸗
den. Die Ruhe feheinet das vornehmjte zur Steinwerdung zu ſeyn;
gleichwie hingegen die Bewegung die Erde am meiteften von dee
ſteinartigen Beſchaffenheit zuruck hält. Um fo viel nun die Erdedeg
Steinart näher ift, um fo viel fehlechter ift fie für Gewaͤchſe; und
das nicht nur darum, teil fie nicht genug zerrieben werden kannz
ſondern auch, weil das Del und Salz, das, wie ich hernach fagen
werde, die Fruchtbarkeit befördert, ſich mis der fieinartigen Erde
nicht verbinden, und indie Gemächfe übergehen kann. Man pflege
daher von einer ſolchen Bodenart insgemein zu fügen, fie freffe den
Miſt; womit man aber nichts anders anzeigen will, als, er halte
bey ihr nicht fange aus; fein Salz und Del, weil es nad der
„gravitate ſpec fiea von der Steinart allzuweit entfernt if, adhärire
ſolcher Erde nicht ſehr, und koͤnne ihr folglich auch nicht aggregirt
J— | Pa win
216 Betrachtungen
werden, um mit ihr in die Pflanzen einzugehen; es werde daher bald
wieder von der Erde aufgeloͤſet, und gehe unter der Bewegung von
Luft und Waͤrme in Duͤnſten wieder fort, ohne ſeine Kraft erzeiget
zu haben. |
Inzwiſchen läßt ſich doch nichts allgemeines fegen und fa-
gen: dieſe Erde iſt pflangenartig, und folglich in ihren kleinſten
Theilchen zart; daher müffen alle Gewaͤchſe darinnen gleich gut forte
kommen; jene ift feinartig, Darum kann Feine Pflanze darinn ge
deyhen: denn es finden fich Derer wirklich etliche, die nur in einem
fteinartigen Boden, ja auf dem Felfen felbft am beften wachfen,
Indeſſen lieben die mehreften den pflanzenartigen. Die Acetofel-
lam babe ich auf einer Mauer , fo wie im beften Lande wachfen
fehen. Es ift nicht weniger auf den Endzweck, wozu man ein Ge⸗
waͤchs bauet, als auf fonft etwas zu fehen : denn eine Bodenart
ift gefchickter Dielen , eine andere jenen Zweck erreichen zu laffen,
Wenn ein Baum ins Holz wachfen und groß werden foll, fo
Dienet ihm die pflanzenartige Erde am meiften. Soll er aber an
Frucht und Saamen reich werden, fo kommt ihm der Mergel, und
die Thonarten beffer zu ftatten. Es ift eine Sache, die ich felbft
bemerkt , daß Brennholz in guter Erde erwachfen fo fehwer nicht
ift, und ſo viel Hitze nicht giebt, als das, fo auf einem magern
‚Tießigten oder thönigten Boden geftanden. Der D. Hill in dem
neulich erfehienenen Buche The Origine and produdtions of proli-
ferous Flowers macht es auch zue Regel, daß der Mergel (ich
ſetze dazu alle Thonarten) oder die Pflanzenerde, die ſich der Stein⸗
art nähert, das Holz der Bäume, der mit Pflanzentheilen angefülls
te Boden aber den Splint vermehre. Die Urfache ift leicht zu fins
den. Zn einer pflanzenartigen Erde ift der Nahrung fehr viel, die
‚das Gewaͤchs durch die Perpendieularröhren erhaͤlt, und die feine
"Größe und Umfang:vermehren ; und dir ſtarke Zufluß von dieſer
er x Seite
über den Ackerbau. 217
Seite hemmt entweder den Zugang des phlogiftifchen Weſens durch die
Horizontalwöhrchen, oder macht doch die Proportion des in den
Digerirgefäffen zufammen kommenden oͤligt « und ſalzigten Weſens
fo , daß des letzteren mehr, als des erftern iſt. In einer fteinarti-
gen Erdenart, dahin auch fehon der Mergel zu rechnen, kehrt ſich
dieſes um. Das Wachsthum iſt nicht fo ſtark, weil des Zufluffes
Bon ſalzicht erdigten Theilen nicht fo viel iftz aber des Phlogiftifchen
iſt deſtomehr; das Holz wird dadurch deſto compacter: und wer
ſieht nicht, daß es eben damit auch beydes zum Bauen und zum
Brennen deſto beſſer ſey. Ja, gewiſſe Blumenſorten arten ſich nur
darum in einer ſteinartigen Erde beſſer, gelangen eher und zu ſchoͤ⸗
nerm Flor, als in einer pflanzenartigen; weil e8 bey den Blumen
‚und Saamen mehr auf das phlogiftifche Weſen der Luft, als auf
das falzigs wäflerige und irrdifche aus der Erde ankoͤmmt. Zum
Erempel nehme man die Leveoje: der Saame von denen, die in eis
‚ner mergel» oder thon/ und überhaupt in einer fteinartigen Erde erzielet
‚worden, giebt mehrere gefüllte Blumen, als der Saame vondenen, die
im fetten pflanzenartigen Lande erwachfen 5 wie denn auch die alten
‚Stöcke, weil fie mehr phlogiftifches Weſen aus der Luft, als Sal
„Erde und Waſſer von unten her empfangen koͤnnen, wie man an ihrem
‚verminderten Wahsthum wohl abnehmen kann, ordenilich den bes
fin Saamen zu gefüllten Blumen bringen.
Man ann alfo Feinen allgemeinen Ausfpruch thun und fas
„gen ; diefe oder jene Bodenart it in allen Abfichten die befte; weil
ihre Wirkung nicht bey allerley Pflanzen zu allen Zeiten gleich vor⸗
theilhaft iſt. Könnte man Gewächfe, die geiftreiche Früchte, oder
einen dlichten Saamen tragen, in der erften Hälfte des Sommers
in einem pflanzenartigen Boden groß werden laffen; und in der ans
dern Hälfte ihnen einen fteinartigen verfihaffen ; fo würde es nicht
Übel gethan ſeyn. Bey einigen gienge es air bey andern kann
P3 man
218 Betrachtungen
man fich auf andere Art helfen, womit ich aber * dor ſetzo nicht
aufhalten will.
Meine Antwort auf die weyte — beſteht alſo darinn;
das Wachsthum der Pflanzen iſt verſchieden; weil ein Boden mehr
zarte Erde, die ſich im Waſſer eine Weile erhaͤlt, in ſich faßt, als
der anderes und derjenige am meiſten, der mit pflanzenartigen Thei⸗
len, als die fehon die gehörige Zartheit haben, angefüller iſt. Hier⸗
von hängt das eigentliche Wachsthum oder Großwerden der Weges
tabilien ab. Wenn aber die Frage nicht fomohl von der Größe,
als vielmehr von der innern Güte und Fruchtbaͤrkeit des Gewaͤchſes
ijt, wovon das, was aus der Luft eintießt, mehr Antheil hat, als
mas aus der Erde kommt: fo iſt es nıcht mehr Die vortheilhaftefte
Erde, die pflanzenartig und zart ift, und dag meifte zum efgentlis
chen Wachsthum hergiebt; fondern die, die Die wenigfte zarte Erde
enthält, nämlich die, fo fich den Steinreiche nähert. Der Kohl
kann bey jener, und das Getraide, infonderheit und namentlich der
Roggen, bey diefer zum Beweife dienen. Ein Boden , der pflanzen,
artig ift, bringt das größte, beſte und fehmackhaftefte Kraut hervor.
Ein anderer verraͤth feine Ungefchisftichkeit fo gleich Dadurch , daß
das Kraut weder fo mild, noch fo fehmackhaft if. Der Roggen
wächft dem Anfehen nach beffer in einem mit Pflanzentheilen erfühs
ten Erdreiche, als in einem thon⸗ und ſteinigten; aber die Koͤrner
find aus dieſem gemeiniglich vollfommner + das Mehl davon bäckt
fich fehöner: und dick ift fo gewiß, Daß auch Die Becker das Ger
traide aus den höheren Gegenden, wo meift thonigt⸗ und fleinigie
Felder anzutreffen, demjenigen, das in den Auen wächft , vorzu⸗
ziehen und theurer zu bezahlen pflegen. \
Uebrigens giebt e8, wie fchon gedacht, noch etwas in der
Erde, welches zwar eben nicht eine Ungleichheit im Wachsthum
macht; als N das Wachsthum ſelbſt ganz hindert , und ein
Pflanzen
über den Ackerbau. 219
Hflanzergift genennet zu werden verdienet. Es ift das afles.ftyptifche
zufammenziehende und corrofive freffende Weſen. Jenes hindert füs
fort bey den Wurzeln den Erdfaft durch die poros einzugehen. Dies
fes friße die Wurzeln feibft an , und reibt das ganze Gewaͤchs
durch deine Schärfe auf, und verderbt den aufgehenden Saamen.
Dieß trägt fih zu, da, wo die Erde ein Kuͤchenſalz bey fich Führt,
zumal wenn ein Eifen darzu fommt , oder wo vitrioliſche und alaus
nifhe Mineralien zu finden find. Ich werde in folgendem die
Merkmale angeben, woraus man diefe Erdarten von andern unter⸗
feheiden Fann. ie zu verbeffern , dörfte mehr Mühe machen, doch
ft e8 nicht unmöglih. Ich aber finde jegt Feinen Beruf bey
mir, die Möglichkeit zu zeigen,
Die erleuchtete Akademie feheinet uns nun näher auf das
Brauchbare im Ackerbaue leiten zu wollen; dahero faͤhrt fie fort zu
fragen :
III. Laͤßt fich die verfchiedene Güte des Erdreiches beftim-
inen? ch verftehe diefes nicht mehr von der Erde überhaupt, ſon⸗
dern von einem einzelnen Acker infonderheit: und ich glaube, daß der
Sinn der Frage auch auf diefe Art ausgedrücker werden koͤnne:
laſſen ſich Kennzeichen finden, an welchen man merken kann, daß
‚ein Land , das man vor fich bat, gut fey, und um wie viel es beffer
iſt, als ein anderes? Ich balte hiernaͤchſt Dafür, daß die legtern
Worte der Frage Cbefonders in Abficht auf den Aderbau , durch
chymiſche Berfuche, auf eine brauchbare Weiſe) zu dieſer dritten Ab⸗
theilung der Haupfrage fomohl, als zu der legtern gehören , und daß
Die Güte des Erdreichs durch ſolche Kennzeichen zu beftimmen ift,
die zwar qus der Chymie entlehnet , doch aber fo befchaffen find,
daß auch ein der Chymie unerfahrner Landwirth bey feinem Acker⸗
bau davon Gebrauch machen Fann.
Zu
220 Betrachtungen
Zuerſt muß ausgemacht werden, worinn die Guͤte eines in⸗
dividuellen Erdreiches beſteht. Es iſt naͤmlich nicht genug, uͤber⸗
haupt zu ſagen, nach der Beantwortung der vorſtehenden Frage:
dasjenige ift es fo von dem Pflanzengifte, dem ſchaͤdlichen fiyptifchen
und corzofiven Weſen frey, und dabey pflanzenartig und fo zart iſtz
daß das Waſſer einen großen Theil derfelden eine Zeit lang ſchwim⸗
mend erhaͤlt: fondern es muß näher beflimmet werden, welche Eigens
fchaften es befonders in Abficht auf den Getraidban haben müffe,
Denn ſelbſt in einem Striche des Landes , wo die Erde überall
pflanzenartig iſt, bemerkt man einzelne Hecker, die neben Den andern
eine vorzhgliche Tragbarkeit ausmweifen; und das heißt man eigene
lich einen guten Dicker,
Ich fage demnach: das ift ein gutes Erdreich auf einem
Acer , wenn feine Erdtheilchen den gehörigen Grad der Cohaͤſion
haben ; wenn es das principium vegetans anzunehmen gefehickt iſt;
und die von dieſem das meijte bey fich hat.
Zuerst befteht die Güte eines Landes in dem rechten Grade
der Cohaͤfion, und daß feine Erdtheildhen weder zu ftark binden,
noch zu locker. feyen. In einem allzuſehr bindenden Acker kann
das Saamenforn weder recht aufgehen , noch Das aufgegangene
feine Wurzeln genugfam verbreiten, worauf Doch bey dem Wachs⸗
thum ſehr viel ankommt. Wiederum in einem allzu lockeren finden
die Bflanzen Feinen feiten Stand + Winde. und Fröfte merfen fie
feicht aus dem Boden heraus: die Wurzeln merden an den wenig⸗
ſten Orten von der Erde berühret , und Die Feuchtigkeit verliert ſich
aus denſelben allzubald, auf deren Daſeyn doch bey nahe alles
ankommt. Co treflich fonft Das Moog befunden wird , daß alletz
ley Gewaͤchſe darinn erwachſen; ſo iſt Doch das ein großer Fehler,
daß es zu locker iſt, und noͤthig hat, von Zeit zu Zeit zuſammenge⸗
druckt zu werden. Das Mittel zwiſchen dem allzulockern und alle‘
zu
über: den Ackerbau. 221
zubindenden Lande giebt alſo den gehörigen Grad der Eohäfion ab.
Wenn eine etwas feuchte Erde, die e8 doch aber nicht mehr fo fehr
ift, daß fie anklebt, und die Finger befudelt , zufammengedrückt
wird , daß fie einen Klumpen ausmacht, deflen Zufammenhang
aber nicht größer it, als daß ihn feine eigene Schwere, wenn man
ihn aus der Hand zu Boden fallen laͤßt, zertruͤmmert; fo kann die—
fes Erdreich in Abficht auf die Cohäfion für recht gut geachtet wer⸗
den. Diefer Grad wird durch eine richtige Proportion zwiſchen der
ftein» und pflanzenartigen. Erde erhaften. Denn wie die pflanzens
artige Erde, dergleichen Afche und verfaufter Mift find, nicht zus
fanımen bangen, ob man fie fehon mit der Hand zufammen drückt,
wenn fie trocken find; fo binden im Gegentheil die fteinartigen Ers
den; wie Thon und Letten find, zuviel. Aber durch eine wohlge⸗
troffene Bermifchung der einen mit der andern entſteht eine Mirtur, die
weder zubiel noch zu wenig bindet. Eine Mifchung von gleichen Theis
len Thon und Aſche macht eine Erde, die dem Mergel gleich im
Waſſer zerfällt, und für das Mittel zwifchen dee Feftigkeit des eis
nen, und der Locherheit des andern angenommen werden Fann, das
ift, für den rechten Grad der Eohäfion, und für ein Zeichen eines
guten Landes
nr Hat ein Boden diefe Güte, fo Fann er durch Öftere Bears
beitung dabey erhalten werden. Denn wo diefes nicht gefchieht, fo
wird er mit der Zeit mergels und thonartig, und geht alfo mehr
‚und mehr in die Steinart über. ‘Denn das vitriolifche Aeidum,
deſſen die Luft voll ift, ift in einem unaufhörlichen Beftreben, fich
‚mit dem, was alealiniſch ift (und dergleichen ift ja alle pflanzenatz
tige Erde ) zu vereinigen; woraus eine Art harten Körpers entftcht,
wie etwa ein tartarus vitriolatus zeige. Wenn nun aber diefe
Rereinigung durchaus Ruhe verlanget, fo kann man derfelben nicht
| befjer zubor kommen, als wenn man das Land nicht ruhen läßt. .
I Sandes, U Theil. Q Zum
2ee Betrachtungen
Zum andern beruhet die Guͤte des Erdreichs auf einem Acker
in der Fähigkeit, das Principium vegetans an ſich zu nehmen. Die⸗
ſes Principium iſt nach der gemeinen Meynung eine Fettigkeit, die
vornehmlich in dem Miſte, und dergleichen faulenden Dingen, lie—
gen fol. Allein genauer zu reden, iſt es ein flüchtiges Salz, fo
mit dem brennlichen Weſen vermähltiift; und namentlich derjenige
flüchtige Salpeter, der ſich an alealiniſchen Erden von felbft: einis
germaßen figirt, aber durch Die Kunft nachher noch mehr bearbeitet,
und zu derjenigen oegt gebracht wird, wie er in den Kramlaͤden
vorliegt.
r Die. Safe haben. überhaupt eine wachsthuͤmliche Kraft in
ſich; und ſie wachien an und für ſich in gewiſſen Geſtalten auss
denn was heißt wachſen? Nichts anders, als dieſe Veraͤnderung
eines trockenen Koͤrpers, da er, unter dem Beytritte einer Feuchtig⸗
keit, fich aus einem gewiſſen Puncte nach und nach, ober» oder uns
terwaͤrts, oder auch nebenaus in Theilen, die mitigedachtem Punete
zufammen bangen, fortbewegt. Und eben das fieht man ja die Safe
thun. Daber ann man fagen, daß fie wachſen: und weil Feine
Pewegung ohne Kraft gedacht werden Bann, fo fcheinet es, daß in
ihnen diefe Kraft urfprünglich fey: Dahingegen fie bey den Gewaͤch⸗
fen von den Salzen erborget iſt. Diefe , indem fie ſich in ihnen, auch
ihrer Natur nach, fortbewegen und wachſen wollen, dehnen Die zus
fannmengefalteten Theile der, Pflanzen aus, und bewirken alfo ih⸗
ven Wachsehum. Da fie aber als Salbe allefamt eine freffende
Schaͤrfe haben, die das zarte Pflanzengefüge bald aufreiben würde;
fo muß noch ein gelindes dlichtes Waſſer darzu Fommen, wenn das
Pflanzenwachsthum fortgehen fol. Dieſes hält gleichfam die Spis |
Gen des Salzes ein, und giebt denfelben eine folche Gelindigkeit,
wie fie fich für fosche zarte Gewebe ſchicket. Bon der Befchaffen-
beit ift nun, wie man weis, der Salpeter. ‚Ein ſehr flüchtigeg
Sau
#
E
über den Aderbau. 223
Sauerſalz, daB aus dem vitrioliſchen, wie Alle andere, entſproſſen,
aber zugleich mit einem fluͤchtigen Oele dergeſtalt vermaͤhlet iſt, daß
die Gelindigkeit von dieſem die Schaͤrfe von jenem in Zaum haͤlt,
unterdeſſen aber doch auch jenes feine wachſsthumliche Kraft nicht ges
daͤmfet wird. Dieſes Salz iſt denn, meines Ermeſſens, ſeiner Na⸗
tur und Wirkung nach, das principium vegetationis.
Und das iſt nicht nur von vielen Zeiten her unter den Natur
Fündigern für befannt angenommen worden ; fondern es befräftigets
auch die tägliche Erfahrung. Alte Wände , die diefes Satz am
meiften haben , werden auf dem Acker ganz ungemein vortheilhaft
befunden. Und eine jede Erde, welche die Befchaffenheit hat, daß
fich der Luftfatpeter gern darinn anleget , hat eine aleiche gute Wire
tung auf das Wachsthum der Pflanzen.
Es iſt jetzt nur die Frage: Wie muß die Erde
ER die ein folches Salz, als. das principium vegetationis empfas
ben, und an fich ziehen fol? Die Frage ift feicht beantwortet :
alle Alcalia ziehen die Acida an ſich. Da nun der Luftfalpeter ein
Acidum ift, obſchon durch das mit ihm verbundene Phlogiſton feis -
ne Acidität einigermaßen gedämpft iſt; fo kann man ihn durch Alca-
ba gleihfom fangen, oder mit. den Chymieis zu reden , einigets
maßen figiren. Je alcalinifcher fie find, deſto mehr des Salpeters
wird fi) Damit verbinden. Mithin ift die alealinifche Erde diejenige,
die da fähig ift, Das. principium vegetans an fich zu ziehen; und je
alcalinifcher fie ift, deſto mehr wird ſie ſich mit demſelben berei⸗
chern.
Diefe Faͤhigkeit kann ein Boden für ſich ſelbſt haben,
Man kann fie ihm aber auch verfchaffen, wenn er fie nicht hat.
Ein jedes Land bat fie, wo Pflanzen , oder Thiere vor nicht
‚gar lange Zeit verfault, oder verbranne worden find. Und daher
22 iſt
* Betrachtungen
iſt der Boden eines Waldes, wo jaͤhrlich ſo viel Blaͤtter, Gras
und Hol; verfaulen: desgleichen Wieſen und Lohden, nicht mi der
das Lucerner⸗Feld, da es ebenfalls an verfaulten Blaͤttern und
Wurzeln nicht fehlt, gemeiniglich von beſonderer Tra barkeit. Auch
ift nun nicht zu verwundern , daß das Gras’ auf Brandftätten' fo
vortreflich waͤchſt. Alle Diefe alealinifchen Erden zichen mit. gleichſam
magnetiſcher Kraft Die Säure der Luft , und. befon?erg Die. ihr näher
verwandte falpeterichte an fich ; welches in dieſer Seitiigne eine
Art eines aufloͤslichen Mittelſalzes wird,
Iſt diefe Erde nicht ſchon fuͤr ſich von dieſer Fahigkeit, ſo
kann fie ihr Doch durch menſchlichen Fleis gegeben werden. Ein⸗
mal, wenn man glealinifche Theile in genugſamer Menge darun⸗
ter bringt: denn dieſe beladen ſich nicht nur ſelbſt mit dem falpes
trichten Acido aus der Luft; fondern Töfen auch das vitriolifche,
das die Steinwerdung verurfacht, auf, und halten damit das Erd⸗
reich von der fteinartigen Befchaffenheit ab, und zurück, - Unter dies
fen alealinifchen Theilchen. verftche ich unter andern den Mift, und
babe. bey diefer Gelegenheit zu erinneren , daß derfelbe auf Doppelte
Art wirke, und das Land des principii vegetabilis fähig mache,
Fürs :erfte Damit „daß er einem Fermente gleich Das Land auflos
ckert 3 indem er feine faulende Gährung in und unter demfelben
fortiegetz und damit der Luft, die das falpetrichte Acidum allent-
halben binträgt, wo fie nur hinkommen Tann, den Eingang in die
Erde und Fläche genug’ verſchaffet, wo fie e8 ablegen, die Erde aber
e8 an fich ziehen Bann, Zum andern dadurdy, daß er felbft, wenn
er verfaufer iſt, ein Alcali vorftellt, fo dergleichen Acidum an fich
reißt. Und dieſes ift fo gewiß, Daß es überall als ein Requifit ans
gefehen wird , Salpeter zu erhalten , daß faulende Materialien das
bey ſehn muͤſſen. Wer alſo den’ ganzen Nutzen von feinem Dünger
ziehen will, der ſoll denſelben, ehe er auf Den Acker gebracht wird,
zu
‚über Den Ackerbau. 225
u einem Hanfen zufammenfchlagen , und’ indie Goͤhrung Fommen,
wenn er aber darein gerathen, alsdenn denfelben ungefaumt auf und
in den Acker bringen laſſen 5 damit er dafelbft feine Gährung
wollende, und das Land dadurch aufgelockert werde $ welches am
beiten zur Zeit einer warmen und feuchten Witterung dergleichen
im Fruͤhjahr meiſt eintrift , geſchieht. Iſt der Dinger völlig gefaus
let , fo foll man das Land wenden, damit er an die obere Flaͤche
komme, und als eine aleafinifche Erde das Acidum deſto ungehins
derter an fih ziehe. Es foll auch bereits vergangengr Mift, gleichwie
Kalt, Aſchen und Mergel, billig nicht eher untergebracht werden, als
bis fie eine Zeit lang an der Luft gelegen , und mit mehrgemeldes
tem Acido beſchwaͤngert worden.
Man Eann fürs andere der Erde die alcalinifche Eigenſchaft
dadurch verſchaffen, daß man ſie brennet; welches die Franzoſen
und Engellaͤnder neuerli ch zum großen Bortheife des Ackerbaues eins
geft hret, Marquis de Turbilly aber in feinen Memoires fur le de-
‚frichement, und andere mehr, ausführlich genug. befchrieben haben.
‚Diefes, Mittel iſt nicht von einfachem Nugen: denn außerdem , daß
eine Erde, die in ihrer Steinwerdung noch nicht allzuweit fortge⸗
gangen, durch dieſe Calcination von ihrer vitrioliſchen bindenden
Saͤure entbunden, und in ihren alcalinifchen Stand wieder zuruͤck⸗
‚gefeget wird: fo trift auch Das; Unkraut nebſt dem Ungeziefer darinnen
‚feinen Untergang an , und ein alſo bereiteter Boden erweiſet feine
Güte a fviele Jahre hinaus. Wenn nun hieran nicht zu zweifeln
iſt, wie uns denn die vielfältigen. Verſuche Damit außer Zweifel
fegen : fo iſt dieſes Mittel zugleich ein Beweis von dem , was ich
belyaupte, daß die Güte des Bodens auf der Fähigkeit beruhe, das
principium vegetans anzuziehen; und Diefe Faͤhigken kommt darauf
an, * er alcaliniſch ie
23 Drittens
226 Betrachtungen
Drittens kommt es nun auf die Menge des vorhandenen
prineipii vegetantis oder Salpeters an. Je mehr deſſelben vorhan⸗
den, deſto groͤßer iſt des Bodens Fruchtbarkeit. Nun kann man
zwar von einer ſehr alcaliniſchen Erde dergleichen mehr erwarten,
als die es weniger iſt. Inzwiſchen kann es-gefihehen, daß des ge
dachten Acidi nicht einmal fo viel , als das anderemal in der Luft
ift, mithin von dem Boden, ob er gleich noch fo alcaliniſch iſt,
nicht viel angezogen werden kann. Denn darinn beftcht, mei
nes Erachtens‘; ‚bauptfächlich ‚die Fruchtbarkeit der Jahren , daß des
Salpeters Generation in der Luft, glücklich vonfatten geht, und
derfelbe, wenn er fich in das alcalinifhe Erdreich geleget hat, durch
Regen und Than in deffen Schoos geführet wird. Iſt etwas fol
eher Generation im Wege, welches woht. gefchehen Tann , fo wird
es diefes Acidi nicht fo viel geben, und die Erde muß alsdenn ihres
principii vegetantis zum theil beraubet feyn ; welches denn ſchlechte
Erden veranlaſſet. Man erſieht hieraus, daß die gegenwaͤrtige Guͤte
des Landes auf noch etwas mehrerm, als auf der alcaliniſchen Bes
ſchaffenheit beruhet. Naͤmlich, es muß des Salpeters wirklich eine
gewiſſe Menge vorhanden ſeyn; und je groͤßer dieſebe iſt, deſto frucht⸗
barer ift alsdenn der Boden zu achten. Das caleinirte Land, davon
vorhin gedacht worden, bringt im erften Jahre nicht fo gute Aern⸗
den, als im anderen und dritten. Die Urſache liegt darinn, weil
es nach und nad) ſich mit dem fruchtbar machenden Acido mehr und
mehr bereichert. Dieß zeigt genugfam an, daß die Faͤhigkeit eines
Erdreichs, das fruchtbare Acidum an fich zu ziehen , zwar ein Zei⸗
chen feiner Güte, noch mehr aber die wirkliche Gegenwart von Dies
fen Acido ſelbſt iſt.
IV. Es wird endlich gefragt: Taffen fich auch die Grade der
Güte eines Erdreichs, und wo fhlechter Sruchtbau iſt, das mag
dem Lande mangelt, auf eine brauchbare Art chymiſch beſtimmen?
36
über den Ackerbau. 227
Ich hoffe es durch folgende — —8 zu *
Wir haben vernommen,
a) Daß, wenn ein Erdreich gut heißen ſoll, es keine ſchaͤd⸗
liche Materialien in ſich halten muͤſſe. Es muͤſſe ſonderlich von
eortofiven Salzen, derglei hen Vitriol und gemeines Salz find, und
dem ſtyptiſchen eiſenhaften Weſen fren feyn. Diefes zu erfahrens
prüfe man die unter Händen havende Erde
1. Durch Auslaugen. Man laffe in eine ſolche Fauge eis
nige Tropfen Galläpfelfolution fallen : zeigt fih eine Schwärze, fo
ift Das Daſeyn eines vitriolifchen Weſens gewiß. Einige Tropfen
‚bon. Eilberfolution, oder von. aufgelöfeten Bleyzucker verrathen die
Gegenwart des gemeinen oder Küchenfalzes dadurch, daß die Lauge
milchigt wird. Will ſich die vitrioliſche Eigenfchaft, vieleicht we—
gen zu viel vorhandener Säure, durch die Galläpfelfolution nicht
entdecken, da man fie Doch vermuthen muß: -fo gieße man eine ftars
Fe alealinifche Lauge zupoderft in die von der Erde. Sie wird truͤ⸗
be werden, wenn ein Vitriol dahinter iſt; fie wird etwas zu Bo⸗
den fallen faffen, und wenn man, nachdem fie fich wieder ausges
Härt, mit der Galläpfelfofution —* kommt, ſo wird ſich die
— zeigen.
| 2: Durch die Calcination. Denn find mineralifche und
fehmefelhafte Theilchen vorhanden, fo wird Die Farbe der zuſam⸗
men gebrannten Erde ins röthliche oder gelbe fallen.
b) Ein gutes Erdreih muß viel zarte Tcheilchen haben.
Das ift am beften auszumachen
1. Duchs Schlaämmen. Ze mehrere Theile fih im Waſ⸗
fer rer und ſchwimmend erhalten, und je ſpaͤter ſie ſich zu
Boden
228 Betrachtungen
Boden ſetzen, deſto größer iſt des Erdreichs Guͤte. Denn in der {
That, was ift der fette Schlamm anders, Der fich beym Austreten
der Ströme über die Felder verbreitet, als die zarteften Erdtheilchen,
die fich eine Zeitlang im Waffer erhatten koͤnnen? Es ift aber Je⸗
dermann befannt, wie viel Die Hecker und Wieſen von dieſer zar—
ten Erde gewinnen. Die Leichtigkeit unterſcheidet dieſe Erdtheilchen
genugſam von der ſteinartigen Erde, und allem mineraͤliſchen We⸗
fen; auch felbft vom Mergek: als welcher bald genug im Waller
zu Boden füllt, und bemeifet durch feine Wirkung abermal, was
ich oben fehon von der Nothwendigkeit einer zarten Erde zu Ernäh-
sung der Pflanzen gefagt habe. Ich fehe diefe Probe, als eine der
vornehmften an, die Jedermann fogleich anftellen, und auch in Ers
manglung der andern fo ziemlich fich darauf verfaffen Tann, dag
er ſchließe: dieſe Erde giebt im Abpuße mehr zarte Theilchen, ale
eine andere von gleicher Quantität und in gleicher Zeit, oder au)
dieſe Erde gehet nicht fo bald zu Boden , als eine andere ; ; Daher
ift fie von mehrerer Güte.
2. Durch die Talcination. Denn was ſich in leichte Afche
verwandeln läßt, Das ift gewiß eines animalifchen oder vegetabilie
fehen Urſprungs; Dargegen mineralifche Körper folches nicht thun. |
Alle animalifche und vegetabilifche Erden aber find dem Lande zur
Befferung, und folglich ihr Dafeyn ein Zeichen feiner Guͤte. Man
kann diefen Verſuch vollkommen und fich defto gewiſſer machen,
wenn man den vorigen dazu nimmt, und die caleinirte Erde auch
noch durchs Schlämmen unterfucht.
3. Durch die Impraͤgnation. Alle lockere und leichte Er |
de, und die nicht fleinartig ift, nimmt mehr offer zu fih, als I
die das Gegentheif if. Dabero kann auch) aus der Menge Wafs I
fers , die eineriey Maas don Erde annimmt, auf die Güte deſſel⸗
ben der — jedoch nur vergleichungsweiſe, gemacht werben,
c) Es
über den Ackerbau. 229
ce) Es ift eine Eigenfchaft eines guten Landes, wenn es fehr
alealinifch ift. Diefe Eigenfchaft läßt
©) Sich vermuthen , wenn die Auflöfung von Mercurio
fublimato in der Lauge von der Erde fich roth niederfchläge. Im—
gleichen , wenn durch das Eingießen des fpiritus falis ammoniaci ein
urinöfer geruch entfteht , oder endlich Durch Beymifchung des Reils
chen» Syrups die Lauge eine grüne Farbe befommt. -
6) Sie läßt fich aber auch gewiß, und nach den Graden
beftimmen;
| 1. Durch die Saturation mit den flüßigen Sauerſalzen, als
dem Vitriolöfe, dem Bitriolfalpeter und Saljgeifte, auch mit ſchar⸗
fen Eßig. Denn je weniger e8 Erde braucht, eine beftimmte Porz
tion dieſer Säuren zu fättigen, defto alcalinifiher und beffer ift fie.
2. Durch die Fäulung. Ze cher die Lauge von einer Erde
vor der andern in die Fäulniß geht ;_ wenn man fie nur fo bins
ftellet : und je mehr fetten Schlamm fie alsdenn fallen laͤßt, deſto
alcalinifcher muß fie geachtet werden.
3. Durch das Kochen. Eine Lauge von fehr alcalinifcher
Erde wird im Kochen milchweiß, und giebt , nachdem fie erkaltet,
einen ſtarken Niederfchlag.
d) Endlich ein Zeichen der Güte vom Erdreiche iſt, wenn
des principii vegetantis, oder des Salpeters, viel darinnen iſt.
Das erſieht man
1. Wenn eine Portion Erde ausgelauget, und dieſe Lauge
mit Vitrioloͤle vermiſcht wird: entſteht davon ein Scheidwaſſer⸗
Geruch; ſo iſt das Daſeyn des Salpeters gewiß. Zu gleicher Zeit,
wenn dieſes zumal im Kalten geſchieht, faͤllt ein weißes ſelenitiſches
Satz zu Boden; und dieſes laͤßt ebenfalls nicht zweifeln, daß Sat
peter vorhanden fey.
IV Bandes, I Theil, R 2 Wenn
230 Betrachtungen über den Ackerbau.
2. Wenn in dergleichen Lange ein gefloffenes Wein teinfatz |
(Ol. Tart. p. del.) gegoffen wird ; fo giebt eg einen weißen Niederfihlag,
deſſen um fo viel mehr. iſt, je mehr Des Salpeters da ift.
3. Dünftet man eine folche Lauge, die mit lauem Waffer
‚gemacht feyn-muß, eine Zeit lang über die Erde geftanden hat, und
öfters umgerühret worden iſt; duͤnſtet man , fage.ich , felbige aufs
gelindeſte ab, z. E. Dis aufden dritten Theil ,„ und fegt ihr fodenn
vom vorhin gedachten OL Tart. p. del, etwas zu ; fo erzeigen fi,
wenn die Lauge in der Ruhe am Fühlen Drte ſteht, ordentliche Sal⸗
- peter » Chryftalln. Man wird aud)
4. Bon dem in der Erde befindlichen Salperer dadurch ver⸗
fichert, wenn die zu unterfuchende Erde zart gepülpert „ und auf
glüende Kohlen geftreuet wird. Denn wenn fie ſo, wie der Sal '
peter thut, verpuftz fo Darf man an feiner Segenwart nicht zweifeln.
Steckt san ein glattpofirtes glüendeg Eifen in dergleichen Erde, fo
wird es weiß überzogen feyn , wenn man es wieder heraus zieht, ſo⸗
fern gedachtes Salz vorhanden ift.
Nach eben Diefen Proben Taffen fich nun au) Die mangelns
den Stücke finden. Denn, was iſt leichter, als einen Mangel des
Alcali 3. E. zu entdecken? Wo aber Diefes mangelt, da fehlt es
gewiß an allen Übrigen zur Güte Des Bodens erforwderlihen Stuͤcken.
Ich werde hiervon nichts weiters fagen , um nicht in unangenchme |
Wiederholungen zu fallen. Sp befcheide ih mich auch, gewiſſe Ver⸗
ſuche, die meine vorgetragene Meynungen weiter beftätigen koͤnnten,
und theils ſchon gemacht find, theils noch mich auf ihren Ausgang
warten laffen , nebft den aus meinen Grundfügen berzuleitenden,
und durch Die Erfahrung ſchon bewährten practifchen Rortheifen der]
Länge nach anzuführen; weil fie diefe Abhandlung nur ohne Noth
eitläufiger machen würden, in welcher ich Doc) hoffe, ſchon fo viel]
beygebrcht zu haben, als zur Beantwortung der aufgewor⸗
fenen Frage genug feyn kann.
Sohann
Johann Albrecht Eulers
Beantwortung
über die
Preidfraae
In was für einer Verhaͤltniß ſowohl die mittlere
Bewegung des Monds, als auch feine mittlere Entz
fernung von der Erde mit den Kräften. ſtehen, welche
auf den Mond wirken. ?
Diefe Schrift hat 1762. dent Preis erbalten.
Denffpruch:
Letus in prefens animus, quod ultra eft,
oderit curare.
Ginleitung.
1" Diefe wichfige Frage gehörig zu beantworten, iſt
vor allen Dingen nöfhig, diejenigen Srafte, fo auf
den Mond mwirfen, auf das genauefte zu beftimmen,
- und uns Davon einen richfigen und volftändigen Begriff
zu verfchaffen.
Wenn diefes wird gefchehen feyn; fo muß aus
den Grundfäßen der Bewegungsmiffenfchaft die Wirz-
fung dieſer Kräfte auf die Bewegung des Mondes auf
das ſorgfaͤltigſte unferfucht werden.
Da aber die vorgelegte Frage fich nicht auf die
Meränderungen erftrecket, welche Daher ſowohl in der
Bewegung als Entfernung von der Erde hervorger
bracht werden; fo wird Die gegenwärtige Abhandlung
nicht wenig erleichtert und abgefürzt werden, wenn die
" Anwendung der gefundenen Siräfte nur auf die mittlere
Bewegung des Monde und feine mittlere Entfernung
von der Erde gemacht werden fol.
Demnach wird diefe — aus zween Thei⸗
len beſtehen; in deren erſterm Die aufden Mond wirfen>
den Kräfte beſtimmt, in dem andern aber der Ein:
- fluß derfelben auf Die mittlere Bewegung des Mondes
unferfucht werden fol.
Rz Erfter
Erfter Theil.
Don den Kräften, welche auf den Mond wirken.
TER 1
Kr % *
1% Ingeachtet es in der heutigen Erfänntniß der Bewegung der
— Himmelskoͤrper eine ausgemachte Sache iſt, daß dieſel⸗
“er ben alle aufeinander wirken, und daß ſogar auch die Comer
ter, wenn fie nahe. bey einem Planeten vorbey freichen, in feiner
Bewegung eine Eleine, Verwirrung. verurfachen koͤnnen; ſo iſt es
Doch zu unſerm gegenwaͤrtigen Vorhaben genug, nur die zwo
Kräfte in Betrachtung zu ziehen, welche von der Erde mit der
Sonne ihren Urfprung haben 5; da diejenigen, fo von den uͤbrigen
Planeten entſtehen, gegen dieſe für nichts zu achten find.
Die Venus möchte war wohl auf den Mond einigem Eins
fiuß haben: allein da durch die genaueften Beobachtungen noch kei⸗
ne Spur Davon wahrgenommen worden 5. fo Fönnen. wir Denfelbem
in. diefer Unterſuchung fiher außer Acht laſſen. |
Und wenn auch fehon feit den älteften Beobachtungen die
mittlere Bewegung des. Monds durch die Kraft einiger Kometen
etwas wäre verruefer worden, wie die Berechnung der babiloniſchen
Sinfterniß anzuzeigen fiheintz fo würde Doch. diefer Umſtand bey
der gegenwärtigen Frage von: Feiner Exrhebfichkeit feyn. Da nur
für ſolche Zeiten, in weichen ſich Fein dergleichen außerordentlichen |
Fall
Theone vom Monde, 235
Fall ereignet, die Verhaͤltniß zwifchen der mittleren Bewegung und
Entfernung des Monde von der Erde und zwifchen Den darauf wir⸗
Eenden Kräften gefucht wird,
+ 2. Weil demnach nur Die Kräfte der Erde und der Sons
ne hier in Betrachtung gesogen zu werden verdienen; fo machen
wir billig mit Der Unterfuchung der Kraft der Erde, oder der
Schwere den Anfang.
Ich ſetze hier zum voraus, daß die Erde, eben wie alle an⸗
dere Weltkoͤrper mit einer Kraft begabt ſey, alle andere Koͤrper an
ſich zu ziehen, deren Wirkung auf Die nahe um die Erde gelegenen
Koͤrper eigentlich die Schwere genennt wird. Dieſe Kraft mag
nun den Koͤrpern, in ſofern ſie aus Materie beſtehen, weſentlich zu
kommen, oder von einer feinern und unſichtbaren Materie gewirket
werden.
E23
* Um nun dieſe Kraft Der Erde genau zu beſtimmen, fo muͤſ⸗
fen wir erſtlich ihre Wirkung aufder Oberfläche der Erde, und dieß
nach Den verfchiedenen Gegenden derſelben in Erwegung ziehen.
Hieruͤber muß zuvorderſt die Erfahrung zu Rath gezogen werden,
welche uns Ichret, Daß alle Körper ſenkelrecht nach der Oberfläche
der Erde getrieben werden, und Daß dieſe abwärts treibende Kraft
bey einem jeden Körper fi) nad der Menge der darinn befindli-
chen Materie verhält, und aus diefer Kraft Das Gewicht eines jes
Den Körpers entjicht,
—32. Man muß aber das wirkliche Gewicht eines Körpers
wohl von der ſchwermachenden Kraft unterfcheiden. Denn erfilich
wiegt ein jeder Körper, wegen der Schwere der Luft, um fo viel
weniger, als eine gleich große Menge Luft wiegt: und deswegen
muß man Das Gewicht eines jeden Körpers mit Diefem von der Luft
her⸗
236 Theone vom Monde.
herruͤhrenden Zuſatz vermehren. Dieſes pflegt auch wirklich zu ge
ſchehen, und in den über die Kraft der Schwere angeftellten Erfah—
zungen wird immer dasjenige Gewicht in Betrachtung gezogen, wels
ches die Körper in einem luftleeren Raum haben.
Vebrigens ift dieſe Vermehrung gar nicht merklich, wenn
die Körper nur nicht von einer gar zu leichten Art find, -Denn da
die Luft Soomal leich ter gefehägt wird, als das Waſſer; ſo iſt auch
diefer Unterfchied bey Körpern, welche fihwerer find als Waſſer,
nicht einmal zu verfpühren. Alſo werde ich unter dem Gewicht eis
nes jeden Körpers immer dasjenige verſtehen, welches derfelbe in eis
nem Iuftiegren Raum haben würde.
4. Weit wichtiger aber ift diejenige Veränderung, —
J
in der Schwere der Körper durch die taͤgliche Bewegung der Erde.
um ihre Achfe verurfachet wird. Und da fich diefelbe nach den ver⸗
fehiedenen Gegenden auf der Erde anders verhaͤlt , fo muß fie
auch mit größter Sorgfalt unterfucht werden.
Die erfte Unterfuchung wird demnach auf eine gewiſſe Ge⸗
gend der Erde gerichtet fern, von welcher die Polhöhe bekannt ift.
Da nun an einerley Ort das Gemicht eines Körpers fi) wie die
darinn befindliche Materie verhält ; fo wird von einem Körper, deffen
Materie oder Maffe durch M angedeutet wird, Das Gewicht durch y M
ausgedrückt werden können : fo, daß y an eben dem Dre für alle Körper
einerley Werth behält, für verfchiedene Gegenden aber als eine veräns
derliche Größe angefehen werden muß. Diefe Größe Y laͤßt fih an
fi) ſelbſt nicht bejtimmen ; weil Maffen und Gewichte Größen von
verfchiedener Art find, und ihre Beflimmung lediglich auf den dazu
erwählten Einheiten beruhet, welche willkuͤhrlich find,
5. Hier
Theorie vom Monde, 237
5. Hier müffen wir aber unfere Abficht infonderheit auf die
Wirkung, fo das Gericht hervorzubringen vermögend ift ‚ richten,
und wobey die Erfahrung zum Grund gelegt werden muß. Man
Laffe alfo den gedachten Körper frey herunter fallen , und meffe
auf Das genauefte die Höhe, durd) welche derfelbe in einer Secunde
fällt; weiche durch die Erfahrung gefundene Höhe wir dann durch
den Buchſtaben x andenten wollen. Diefe Höhe A kann füglicher
aus andern Erfahrungen , welche man über die ſchwingende Be—
wegung eines Penduls anzujtellen pflegt, gefchloffen werden; indem
man hieraus wiederum die Länge eines einfachen Penduls beſtimmt,
weiches jede feiner Schwingungen in einer Secunde verrichtet:
denn wenn diefe Länge = 1 gefegt wird , fo ift jene Höͤhe = ar,
wo nämlich u; die Verhaͤltniß des Durchmeſſers eines Zirkels zu
- feinem Nunfans andeutet ; ſo Daß
3, 1415 9265, und 3 ar 4, 9348
Ich nehme daher die Höhe A, Durch welche ein Körper in Zeit einer
Seecunde herunter fällt, für bekannt an , und werde daraus den vor»
hergebrauchten Buchftaben Y näher beftimmen,
6. Zu dieſem Ende werde ich den Fall felbft nach den Geſe—
Gen der Bewegung berechnen. Es fey demnach unfer Körper in einer
Zeit von t Secunden fon Durch die Höhe x herunter gefallen, ins
dem er bejtändig von feinem Gewichte y M abwärts getrieben wor—⸗
den. . Wenn nun derfelde feine Bewegung weiter fortſetzet, fo beleh-
ven uns Die Öefege der Bewegung , daß die Vergeſchwinderung,
dd
fo durch die Formul IE ausgedruckt wird, fich verhafte , wie die
forttreibende Kraft , das ift wie das Gewicht yM getheilt durch
dx
ddx
die Maffe M: folglich ift — wie yoder — — hat immer einen
beſtaͤndigen Werth, welcher ſogar bey Berechnung aller moͤglichen
Bewegungen einerley bleibt.
i I Bandes; II Theil, © Da
238 Theorie vom Monde.
Da num unfer Körper in. einer Secunde durch die Höhe %
fält, fo muß er in Seeunden durch Die — hit herabfallen,
folglich wird «ht, und ddx Sahate; und daher if 7 derjenige beſtaͤn⸗
dige Werth ‚ dem bey Berechnung aller a Bewegungen
ddx _yM ah
die obige Formul gleich) gefegt werden muß, alfo daß mTmyi
7. Hieraus erfehen wir, daß, wenn in verfchiedenen Drten
der· Buchſtab y andere Werthe erhält, und alfo das Gewicht
gegen die Maffe der Körper größer oder Eleiner wird, alsdenn auch
die Höhe k, aus welcher ein Körper in einer Secunde herunter fällt,
nach eben diefer Berhäftniß größer oder Eleiner werde, Hier kommt
es nun nicht darauf an, zu was fuͤr einer Art der Größe der Buchs
ftab Y gerechnet ige foll; und e8 kann ung genug ſeyn, zu wife
fen, daß der Bruch = — einerley Werth behaͤlt. Um aber
doch hierinnen etwas "ef zu feßen, fo pflegt man fich nach einem
beftimmten Ort, als zum Erempel Paris zu richten, wo Die Höhe
des in einer Secunde geſchehenen Falls auf das genauefte_ beobachtet
worden, welche Höhe ich durch den Buchſtaben g andeuten will:
und an diefem Ort pflegt alsdann die Maffe eines jeden Körpers
feinem Gewichte gleich gefihägt zu werden, alfo, Daß hier y=ı und
h=g.
Wenn wir alfo diefe Kar annehmen , fo ift an ak
Ien andern Drten dennoch beftändig - 2 — und Y deutet hinfuͤh
ro eine blofe Zahl an, welche um He meniges bald größer bald klei⸗
ner wird, als ı, je nachdem das Gewicht Der Körper vermehret
oder vermindert wird. all
Nachdem diefes voraus gefeßt worden , fo wollen wir jege
diejenige Beränderung 7 nn die herumdrehende Bewegung der
Erde
Theorie dom Monde, ‚239
Erde in der Schwere der Körper verurfacht, durch die Rechnung bes
fimmen. Da alle Körper ſammt der ganzen Erde täglich einmal
um die Achfe herumgeſchwungen werden ſo entſteht daher eine
Kraft (vis centrifuga ), welche alle Körper von der Achfe der Erde
zu entfernen trachtet: und Naher wird es nöthig feyn, auf eine allges
meine Art die Kraft zu beftimmen, wenn ein Körper durch den Ums
freis eines Zirkels herumgeſchwungen wird. Man weis, daß diefe
Kraft derjenigen gleich ift , welche exfodert wird , daß fich dieſer
Körper frey in dem Umkreiſe des Zirfels herum bewege , und daß
diefe Kraft nach dem Mittelpuncte deffelben gerichtet ift ; nämlich,
wenn die Bewegung des Körpers gleich gefehwind angenommen wird,
wie bey dem Herumfchwunge der Erde um ihre Are wirklich gefchieht.
9.88 fey demnach (Fig. 1.) Cder Mittelpunkt des Zirkels; der
| halbe Durchmeffer deſſelben CA=CM = r ; unddie Zeit eines Umlaufs
—O Secunden: ferner foll M die Maffe des Körpers ausdrücken ;
. und die nach dem Mittelpuncte C gerichtete Kraft, welche gefucht wird,
ſey =AM, wo A eben; wie oben Y, eine gewiffe Zahl andeutet.
Nun fey in der Zeit # Secunden der Körper aus A bis in M ge
- Tommen; da wirdenn den Winkel ACM=O fegen wollen: hieraus
wird die Länge des Bogens AM=rP ; und nachdem die Linie
- PM auf AC Senkrecht gefället worden ; owird AP=x=r—r cof®
und PM=y=rfin 9 folglich
dx<=+rd O find; und dy=+rdd cold,
word O den unendlich Fleinen Bogen Mm andeutet, der in der unendlich
kleinen Zeit de dDurchloffen wird; fo wie dx » dy die unendlich klei—
nen Räumchen bedeuten, welche in eben der Zeit di, nach den Richs
+
tungen Mx und My zurückgelegt worden.
10. Nach eben dieſen Richtungen muß nun auch die Kraft
AM, fo RN MC ziehet, aufgelöfet werden; woraus, da der Wins
S 2 | kel
240 Theorie vom Monde,
EICMx=9, die Kräfte nah Me=AMcof ® und nach MP=AM
fin © oder nad My=— AM fin ® entftchen. Da nun eine jede
Diefer Kräfte auf die Bewegung, fo nach ihrer Richtung gefchieht,
befonders wirket; fo erhalten wir nad den Grundfägen der Des
wegung | | 1
ddx AM cf ® 2R_2Ahcol $
EZ ee En Ze,
ddy —AM fn® 24_ —2rfind
Er OR Zei u
Hieraus laffen ſich beyde folgende Gleichungen ziehen:
ddx fin O+ddy cold _ | }
di?
ddy fin Ah
er. ee: y fin®_ Br
Da nun de=rd® find und dy=rddcofd; fo wird
ddx =rddd fin P+rdd°col ® und ddy= rdd d cof P—rd 9*
find ; melde Werthe in jenen beyden Gleichungen angebracht
rdd? 2Ah
u I.) zo; und 2.) — en
I»
ai ‚
Aus der nen erhalten wir 2 “; und ferner = ats
weil nämlich der Winkel ACM = 9 zugleich mit der Zeit 5 vers
ſchwinden muß. Segen wir alſo PSat; fo bekommen wir aus der
oAh
zweyten Gleichung aar= Fr
Weil aber die Zeit des ganzen Umlaufs gegeben iſt, und
wir denfelben durd) den Buchftab © angedeutet Haben; fo Fönnen mir
hierdurch den Werth von @ beſtimmen. Denn, weilfür einen gans
zen Umlauf der Winkel ® auf 360 ° anwaͤchſt, fo, DaB alsdenn
O= 27; fo bekommen wir durch die erſte Öleichung ara © oder
Km
Theorie vom Monde, 241
283 ; folglich Die zweyte Gleichung 55 = = und alfo
an vorer 3
AZ 885 7: Hier iſt wie oben #=3. 1415 9265
ı2. Wenn alfo ein Körper in einem Kreis herum gefehwuns
gen wird, deffen halber Durchmeſſer = r, und einen jeden Umlauf
‚in der Zeit von © Secunden vollendet; fo bemühet er fich beftändig
von dem Mittelpunete dieſes Kreifes zu entfernen; und zwar mit eiz
ner Kraft AM: wenn nämlich M die Maaße des Körpers andeuter
27
um daß Ag,
| Da nun an Dem oben beftimmten Ort der Erde das Ger
wicht diefes Körper =yM iftz fo koͤnnen wir jest die obige Kraft
_ AM mit dem Gewicht eben deffelben Körpers yM in Bergleichung
ftellen, nach welcher ſich Die vis centrifuga des Körpers zu feinem
> } NERV R s
Gewicht wie So, zu ı verhält: wo A die Höhe-ift, aus welcher
ein Körper in einer Secunde frey herabfält.
- . Wollte man aus dem 5 S. die Länge eines alle Secunden
ſchwingenden Penduls einführen, da b=4r7!; fo befäme man
*5
0017
13. Ich will mich aber hierbey wicht laͤnger aufhalten, fon
Dern wiederum zu meinem PBorhaben wenden und beftimmen, wie
ſtark die Schwere der Körper von der täglichen Vemcanne der Er⸗
de veraͤndert wird.
Es ſey alſo (Fig. 2.) BLA ein halber Mittagsbogen auf dem
Erdboden vom Pol B bis zur Linie Agezogen; und Lderjenige Ort, von
©; wels
242 Theorie vom Monde.
welchem oben gefprochen worden ; alfo C der Mittelpunet der Erde
und BC die halbe Are, auf welche ausL die Linie LA ſenkrecht ger
zogen ift. Man ziehe ferner die LinieLR fenfrecht auf die Oberfläs
che der Erde; fo wird der Winkel ARL der Pol» Höhe des Orts
L gleich feyn, welche wir, dafte als bekannt angefehen wird, durch
den Buchſtaben p ausdrücken wollen, fo daBARL=p. Nun ift bee
kannt, daß die wirkliche Schwere unfern Körper, deffen Mafe=M,
nach der Nichtung LR hinab treibt, und daß folglich diefe nach LR
ziehende Kraft =yM iſt, nämlich dem Gewichte des Körpers; und
welche Kraft die Erfahrung ung zu erkennen giebt.
14. Weil aber dev Körper in L zugleich mit der Erde täg-
fich um die Aye BC herum gedrehet wird, fo ifk es eben fo viel, als
wenn derfelbe in dem Umkreis eines Zirkels, deſſen halber Durch⸗
meffer LA=r if, um den Miitelpunct Q in einer Zeit von 23° 56’ °
2" herum gefehtwungen würde, Und daher entfteht eine Kraft, mit
welcher ſich unfer Körper beftändig von dem Punct A nach der Kid)»
tung Li zu entfernen bemuͤhet iſt. Diefe Kraft nun ift, wie wir eben
27775
gefunden = ZModer ⸗ u. Und wenn man ſetzet O=
Be I» 5 ’ — F ——
23 ° 56 2 = 86162” ; ſo iſt dieſelbe Kraft = 1 851 704 SosxiYM,
deren Verhäftniß alfo zu dem Gewicht des Körpers YM bekannt iſt.
15. Hieraus find wir nun im Stande, die eigentliche Schwere
unfers Körpers, welche bios allein von der anziehenden oder ſchwer⸗
machenden Kraft gewirket ift, zu beflimmen. Weil das wahre Ger
wicht yM ſo wir durch) die Erfahrung erkennen, aus der Vereini⸗
gung der eigentlichen Schwere mit der eben gefundenen vi centri-
fuga entfpringt; fo Dürfen wir nur zu Diefem Ende das wirkiiche Ges
wicht YM durch die Linie LR vorftellen, und gegen Diefeibe die Liz
nie LI ſo groß BERN als die vis centrifuga gefunden worden; .
dann
i
Theorie vom Monde. 243
dann muß LR die Ecklinie von einem Parallelogramme feyn , def
fen eine Seite die Linie LI, die andere aber die eigentliche Schwere
unfers Körpers ausdrückt. Nachdem man allo die Linie IR gezogen,
fo ziebeman aus L die Linie Lr jener Parallel, und da wird LiRr
das verlangte Parallelogrammum ſern, und alfo die eigentliche
Schwere des Körpers, ſowohl ihrer Größe als Richtung nach, Durch
die Seite Lr ausgedrucft werden.
16. Zu meinem gegenwärtigen Endzweck aber wird genug
feyn , hieraus zu bemerken, daß, wenn der Dre L genau unter der
Linie angenommen wird, die eigentlihe Schwere eines Körpers der
Summe feiner wirklichen Schwere und der vis centrifuge gleich
fey. Wenn alfo das Gewicht des Körpers unter der Linie durch) YM
angedeutet wird, fo wird feine eigentliche Schwere daſelbſt = YyM+
v
Tr sun + 1 h Li >
an mon 5900 FM feyn; wo r den halben Durchmeſſer der Linie
CA, und I die Länge eines einfachen Penduls ausdruckt, fo daſelbſt
alle Secunden ſchlaͤgt.
17. Die Beobachtungen des Hrn. Bougueurs belehren uns,
daß Die Länge eines einfachen Penduls, fo zu Quito alle Secun⸗
den fchlägt = 36 Zoll 6335 Linien Parifer Maaß ſey. Wenn wir
‚aber erwegen, daß Quito fehr hoch über der Oberfläche des Meers
erhaben, und außerdem noch) eine füdliche Breite von 25 Minuten
- bat, fo werden wir , wenn fich alle unfere Unterfuchungen auf die
Oberflaͤche des Meers erſtrecken follen, für 2 eine etwas größere Läns
ge annehmen muͤſſen.
Es hat aber auch fehon der Herr Bougueur diefe Umftände
in eine genauere Betrachtung gezogen, und endlich gefunden, daß
unter der Linie auf der Oberfläche des Meers die Länge eines einfas
chen alle Secunden ſchwingenden Penduls 36 Zoll 7255 Linien Pa⸗
riſer
244 er Theorie vom Monde,
rifer Maaß ſey. Laſſet uns alfo fegen 1= 36” 7721"; und wenn
wir bey dem Durchmeſſer der Erde gleichfalls die neueften Beftimmuns
gen der Parifer Akademie folgen, fo werden wir haben r=3 2811955
Ruthen zu 6 Fuß, oder lieber in Zolln r = 236 246 076", und
1= 36", 601: woraus die eigentliche Schwere des Körpers unter
der Linie = 1,003 4777 yM gefunden wird, wo yM fein wirklich) es
Gewicht andeutet ; alfo, daß die eigentlihe Schwere um den
287:ften Theil größer iſt, ale das wirkliche Gewicht.
18. Ich habe ſchon oben bemerket, daß die Maſſe * Men⸗
ge der Materie, woraus ein jeder Koͤrper beſteht, am fuͤglichſten
durch fein Gewicht pflege ausgedruckt zu werden , wenn nur die Ges
gend der Erde beftimmt wird, wo das Gewicht beobachtet werden
fol. Wir wollen daher. dieſe Gegend. unter der Linie ferbft und
zwar auf der Oberfläche des Meers annchinen , und Daher Die
Maffe eines jeglihen Körpers, an welhen Ort der. Welt derſelbe
fi auch immer befinden mag, allezeit Durch das Gewicht ausdrü-
Een , welches derſelbe Körper haben würde, wenn er unter der Li-
nie auf die Oberfläche des Meers verfegt werden follte, Waͤre der
Körper zu groß, als Daß dieſe Verſetzung Statt finden koͤnnte, fo
muß es in den Gedanken ftückweife gefehehen. Solchergeſtalt kann
man fich fügar einen Begriff von der Maffe der ganzen Sonne
machen, wenn man fi) dieſelbe in viele taufend Theile getheitt vors
ftellet, und das Gewicht eines jeglichen, wenn er in die gedachte
Gegend verfegt würde, bemerfet, da denn die Summe aller dieſer
Gewichte die ganze Maffe der Sonne anzeigen wird,
19. Da die Maſſen mit den Gewichten Größen von einer⸗
ley Art find, und eine jegliche Kraft mit einem Gerichte in Pers
gleichung gefest werden Fannz fo Fünnen wir nun auch die Kräfte
mit den Maſſen der Körper vergleichen, de wir beyde nach einerley
Ein ,
Theorie vom Monde. 245
Einheiten, nämlich nah Gewichten ausmeflens Bey Beltimmung
der Bewegung ift diefer Umftand von der größten Wichtigkeit; meit
dabey Immer auf die Verhaͤltniß zwiſchen den Maffen der Körper
und den Kraͤften, welche darauf wirken geſehen werden muß.
Hiebey kommt aber die Hauptfach: darauf an, daß man in
Werjenigen Gegend der Erde ,. wo das Gewicht zum Maaße der
Maffe der Körper gebraucht werden fol, und alfo unter -der Linie
die Höhe, aus welcher ein Körper i in einer Secunde herab fälkt, auf
das genauefte beffinimet werde. Diefe Höhe koͤnnen wir nun aus
der Länge des einfachen Penduls, fo alle Sceunden feine Schwinguns
gen vollendet (wie fehon oben 8. 5 gemeldet) leicht ſchließen. Denn
da dieſe Länge, fo durch den Buchfiaben ! angedeuter worden, nach
den genaueiten Beobachtungen nunmehr »befannt iſt, naͤmlich
I= 36, 601 porifer Zolt, ſo daͤrfen wir diefelbe nur mit + rr =
\4, 9348 multiplieiren, und denn. befommen wir die Höhe des in einer
Secunde geſchehenen Falld g=108, 6185 Zoll, oder g= 15, 06164
Fuß / oder noch & 2, 50859. Ruthen von 6 parifer Fuß, derglei.
chen der ns Durchmeſſer Der £inie 3 28r 195 & hält.
* 21. Diefe Höhe nun raus. welcher ein Körper unter der
„der Linie in einer -Secunde fällt , wollen wir durch den Buchſtaben
g andeuten „ und Daraus werden wir den Hauptgsundfag der ganzen
Bewegungs Wiffenfchaft völlig, beffimmen „ und hernach * alle
möglichen, Bewegangen anwenden können;
Wenn nämlich) ein Körper; deſſen Maffe= M, nach: eirier:
gewiffen Gegend von einer Kraft =P getrieben wird , und derfelbe
in der Zeit von Serunden nach eben dieſer Gegend‘ ſchon den
| vn x —* —* in a. die Bewegung durch dieſe Glei⸗
"bung ausgedruckt 7 — = in welcher nun. alles. beſtimmet ik;
W Bandes, I Theil, T denn
246 Theorie vom Monde,
denn x iffiwie & eine Länger iwieine bloſe —* und Pund be⸗
ziehen m auf. einerley Einheiten, fo daß gf pa eine bloſe Zaht
wird. Wobey ich noch bemerke daß die Formel m “ die Veſchwin⸗
digkeit des Koͤrpers dergeſtalt ausdruͤckt, daß dadurch der Raum,
fo in einer Secunde durchloffen würde , angezeiget wird, Auf
diefe Weiſe hat man nun nicht nöthig, die Geſchwindigkeit durch. ci»
nen befondern Buchſtaben anzudeuten, wodurch Die SEE gt
wenig erleichtert wird.
22. Um nun unfere ‚Ainterfachung auf die Gräfe ' ae
auf den Mond wirken, fortzufegen 5-fo muß die eigentliche Schwere
unter der Linie, welche vorher heraus gebracht worden, zum Grun⸗
de gelegt werden. Wir haben aber gefunden, daß wenn die Maſſe
oder das wirkliche Gewicht eines Körpers unter der Linie durch M
Angezeiget wird, die eigentliche Schwere dieſes Körpers = 1, 0034777
XM oder = 173zM ſey als von welcher Kraft diefer Körper nach
dem Mittelpunete der Erde gezogen würde ; wenn nur. allein die ans
ziehende Kraft der Erde auf denfelben wirkte. Nehmen wir nun an,
daß in größern Entfernungen von der Erde diefe Kraft nad) dem:
Dvadrat der Entfernungen abnehme, und fegen wir den halben Durch⸗
meſſer der Linie r= 3281 1953 Ruthen von 6 parifer Fuß, fo wird
eben dieſer Körper, wenn er ſich in einer größern Entfernung u von
dem BUEReE: hie Erde befinden follte, dahin von einer Kraft
=(14235) M- = gezogen werden. '
23. Wenn demnach v die Entfernung des Monds von dem
Mittelpuncte der Erde und:M.die Maffe des Monde ausdrückte; fo
hätten wir die Kraft , von welcher der Mond nad dem Mittels
duncte der Erde getrieben wird ; allein es * Rn Um»
ſtaͤnde
CTheorie vom Monde 247
ſtaͤnde vorhanden, welche eine kleine Aenderung in Diefer Formel
verurfachen , und welche Deswegen auf das; forgfältigfte in Ermegung
gezogen zu werden verdienen, - Nachdem heut zu Tage angenoms
menen, und Durch-fo viele Erfahrungen beftätigten Lehrgebäude ift _
die Schwere nichts ‚anders, als die Wirkung „welche aus der ans
ziehenden Kraft aller Materie, woraus die Erde beſteht, entfpringt.
Man pflegt fich nämlich die. Sache fo vorzuftellen. , als wenn alle
Theile der Materie ſich untereinander nach der Verhaͤltniß ihrer
Maffe und dem umgekehrten Quadrate ihrer Entfernungen anzdgen ;
wenn demnach) die. Maffe zroeyer ſolcher Iiheilchen Durch) AundB.
und ihre Entfernung voneinander Durch » angedeutet wird, fo ver⸗
hätt ſich die Kraft, mit welcher B gegen A getrieben wird, wie
ae B und die Kraft, mit welcher A gegen B getrieben wird, wie,
Aus 4. fr" |
. 24. Nachdem nun. die. Figur der Körper befhaften if, fo
kann ſich die aus allen Theilen entſpringende Kraft ſehr verſchiedent⸗
lich verhalten, und die eigentliche Beſtimmung derfelben erfodert fire
alle Figuren der Körper eine fehr mühefame und weitläufige Rech⸗
nung. Man hat aber gefunden , daß wenn die Körper Kugelrund
find, ihre anziehende Kraft eben fo befchaffen iſt als wenn ihre
ganze Maſſe in ihrem Mittelpuncte vereiniget waͤre. Wenn man
ſich alſo zwo Kugeln vorſtellt, deren einer Maſſe = A und der
andern = —B, ihre Entfernung aber von ihrem Mittelpunete gerechnet
— ſo wird die Kugel B gegen dem Mittelpuncte der Kugel A
—
mit einer Kraft gezogen, die ſich verhält, wie — B; und die
Kugel A gegen dem Mittelpunete der Kugel B * einer Kraft, wie
—
Ben As wobey zu merken, daß die Richtung diefer Kräfte auch
ion durch den Mittelpunet inet jeden Kugel geht. Br
T 2 25. Die
BR
REIN... E
Zi, —
248 Theorie vom Monde, —
TH
| 25. Die Weltkoͤrper Fönnen ziemlich ſicher / als kugelrund
angeſehen werden: doch werde ich unten den Unterfchied ; ſo aus der
Abweichung von diefer Figur herkommen kann, etwas genauer bes
merken. Hier nehme ich alſo an, daß die Erde vollfommen rund
fen, und beobachte erſtlich, daß bey Beſtimmung der davon auf den
dond ausgeuͤbten Kraft, zugleich mit auf die Maffe des Mondes
aefehen werden muß, welches bey folchen Fleinen Kirpern , als ſich
auf der Oberfläche der Erde zu befinden pflegen , nicht nöthig iſt;
weil ihre Maſſe in Anſehung der ganzen Erde verſchwindet. So
groß demnach aus den bisher angefuͤhrten Gruͤnden die auf den
Mond wirkende Kraft der Erde ſeyn mag; ſo muß dieſelbe immer
4
um: einen ſolchen Theil vermehrt werden, als die Maſſe des Monde
in Anfehung der Erde austräge. Wenn nämlich die Maffe des
Monde zomal Eleiner it, als de Maffe der Erde ; fo muß die oben
(21) gegebene Formel 177+ Mm 7 wenn M die Maffe des Monde
bedeutet, noch um ihren soften hei vermehret, oder mit 158 multis
pliciret “werden. Diefer Umftand aber — unten deutlicher Er
führet werden.
26. Wenn aber auch Die Erde len rund waͤre, fo
ern doch der Luftkreis eine Bleine Aenderung in. der Formel 1775 M
F =, veranlaffen ; weil die Luft auch etwas zu Vermehrung der ans
er Kraft der Erde beyträgt. Zwar auf die Körper, fo ſich
auf der Oberflaͤche der Erde befinden, hat die anziehende Kraft der
Luft keinen Einfluß; weil die an allen Orten ber darauf wirkenden
Kräfte des Luftkreifes einander genau aufheben , wie fhon vom Neus
ton gezeiget worden ; und alfo bleibt Die obenbeftimmte Schwere der
auf der Oberfläche der Erde befindlichen Körper - unverändert ; je
weiter man aber in der Luft hinauf ſteigt, je mehr wird Die ans
Nuiehende Kraft der Erde von der Euft vermehret, und wir müffen erſt
bis
F Theorie vom Monde. 249
bls um Ende unſeres Luftkreiſes hinauffteigen und dafelbſt die
Schwere der Körper beſtimmen, ehe wir für die groͤßere Entfernung
die nach Verhaͤltniß ihres Duadrats verminderte vr richtig ans
anzeigen im Stande find. |
27. Wir koͤnnen in diefer — — die euf ziemlich
ſicher, als allenthalben gleich dicht annehmen, wenn wir derſelben
nur eine ſolche Höhe Aa (Fig. 3.) zueignen, daß darinn die ſaͤmmtliche
Materie der Luft enthalten ift. Da nun die Luft ungefähr doomal leich⸗
ter ift, als Waſſer und eine Waſſerſaͤn le von 32 Fuß mit dem Druck
der Luft im Gleichgewichte ſteht, fo koͤnnen wir die Höhe des Luft⸗
Ereifes Aa = 25600 Fuß oder 4267 Ruthen feßen, welche ungefähr
den 77often Theil. des halben Durchmeſſers CA der Linie ausmacht.
Wenn wir alſo egen CA=r und Aa=p fo if e= For und der ganze
Raum zwifchen A und a iftmit einer Materie angefüllt, welche Boomaf
dünner. ift als Waſſer. Ueber a aber weg Eönnen wir ung den gau⸗
gen Kaum, als völlig leer vorftellen. >
28, Wäre der Raum von A zu a völlig feer, da die wahre
unfers Körpers in A= 142, M ift, fo würde fie ina=17+;M,
map = MG = 1777 M 3434 ſeyn. Waͤre aber eben
diefer Raum mit einer J ſo dichten Materie als die ganze Erde
angefüll ſo würde die Schwere ina== Men 177;M}1$
und alfo um „Fsmal größer als im vorigen Fall ſeyn. Da aber die
Luft doomal dünner als Waſſer, und 15200mal duͤnner als Goid iſt,
wenn wir ein Mittel nehmen, und die Luft Sooomal dünner fegen
Als die Erde; fo müffenwir zu dem obigen Bruch 384. noch ssr
binzufegen, welche Vermehrung aber gar nicht zu verſpuͤhren ſeyn
wird: alſo daß wir erſt jetzt ganz ſi ſicher den Umſtand der Luft aus
der Acht laſſen Einwen, Wenn ſich demnach unſer Kolper in der En
J — fernuug
250 Theorie vom Monde.
fernung EMaambeinder,, fo wird die- Keen nad) € ftoßende Fra 4
wie wir oben gefunden = — m” ſeyn.
29. Eine gleiche Bewandtniß hat es auch mit derjenigen Uns
sreichheit, ‚welche vonder nicht vollkommen runden Figur der Erde
herrühren möchte. . Wenn der Mond um etliche wenige halbe Durchs
meffer der. Erde von ihrem Pi ittelpunet entfernet wäre; ſo koͤnnte die
Wirkung von diefer Ungleichheit ziemlich merklich werden, eben wie
bey. den Jupitertrabanten Durch Abweichung der Figur, dieſes Plane⸗
ten von der vollkommenen Rundung eine ſehr ſiafte Verwirrung in
ihrer Bewegung verurfachet wird.
Allein da die Erde ungleic) weniger von * Figur eur
vollfommene: Kugel abmeichet, als der Jupiter; und über dieſes die
Entfernung des Mondes b ynahe 6omal größer ift als der halbe
Durchmeſſer der Erden; dahingegen der ste Trabant des Jupiters
nur um 5 von feinem halben Durchmeſſer davon entferner iſt fo ift
auch ‚in der Bewegung des Mendes nicht Die, getingfie Spur von
einer fotchen Ungteichheit: zu merken, welche ihren Urfprung von der
nicht völlig runden Figur der Erden haben koͤnnte; wie dann auch
Niemand von denen, melde bisher die Bewegung des Mondes uns
terſuchet, Dergleichen beobachtet haben: .. . 2.
30. Nunmehr fünnen wir: alfo, ohne weitern Zweifel fef ſe⸗
gen, daß wenn ſich ein Körpers deffen Maffe =M von dem Mit-
tefpuncte der ErdeC in einer Entfernung CV= ufi ch befindet, Die anzier
hende Kraft ver Erde auf. denſelben dergeſtalt Due dag derfelbe
nad) der Richtung VE- mit einer Kraft = 14 * =. fortgetrieben J
werde. Setzen wir nun die : Maffe der Sanen Ene= T, fo wird
dich J —— die Sommer, = „M Ausgedruckt, als wel⸗
X 4 € 5 cher
Theorie vom Monde, 251
cher diefelbe Kraft unftreitig dropottional iſt. Hieraus erlangen
wir aber keine gaͤnzliche Beftimmung : et aber. wenn wir dieſe
Kraft, um fie genau zu beſtimmen, durch —, ZM ausdrucken ſo if x
nicht nur eine beſtaͤndige Groͤße, — wir Binnen ſogat den eis
„gentlichen Werth Davon anzeigen ,. % bie Vergleichung mit der vor⸗
hergefundenen Formehe 155 * 24 wo r den halben Durch⸗
meſſer der Linie andeutet.
31. Nun koͤnnen wir auch zu der amiehenden Kraft der
Sonne fortſchreiten, und wenn wir die ganze Maſſe der Sonne
S S fegen undeinen Körper, deffen Maffe =M, und dieEntfernung von
dem Mittelpunet der Sonne =u betrachten; ſo wird die Kraft, von
MB derfelbe nach dem Mittelpunet der Sonne getrieben wird
u den vorhingefundenen Werth hat, naͤmlich we=
ıSsrr.
ER = , alfo daß diefe Kraft durch I s Tun m—M ausgedruckt wird:
folglich kommt es hiebey nur darauf an, daß die Verhaͤltniß der
Maſſe der Sonne S zu der Maſſe der Erde T beftimmt werde; wel⸗
ches aus der mittlern Bewegung der Erde umıdie Sonne, wenn
nur die wahre Entfernung, bekannt wäre ,. gar leicht gefchehen kann.
32. Weil es hier nur auf die mittlere Bewegung der Erde
um die Sonne ankommt, fo fey vdie mittlere Entfernung der Erde
von der Sonne; und die Zeit ihres gänzlichen Umlaufs um die Sons
ne =® Secunden, Da nun die Maffe der Erde= T, und die Kraft,
s j S
von welcher fie nach der Sonne getrieben wird, = — T, fo kann ihre
Bewegung eben fo ausgerechnet werden, wie —* im roten d. ge⸗
ſachen: und die daſelbſt gefundene Formel NS eu Y gilt auf
\ hiec/
252 Theorie vom Monde, er
bier, wenn wir nur die gehörige. Anwendung machen und fegen;
SS. i
yayızar= u, AM=, Areas fo daß 1= ng
halten wir — und —— NN fo wird et —
oder da g=i ri iR Te#r 50: wodurch die Verhaͤltniß
wiſchen den Maſſen der Sonne und der Erde beſtimmt wird.
33. Nun aber iſt 1m36, 601 Zoll. und r=236 246 76
Zollz und da die Zeit‘ Des: Umlaufs der Erde um. die Sonne in
Anfehung —* Fixſterne 365 Tage 6St 930’ iſt, ſo wird O =
31 558170". Laßt uns ferner die Parallaxe der Sonne aufeine unbe⸗
ö e \ 4. ® j yalaıı 3
ſtimmte Art = & fegen, fo. iſt „= Tang. 620 00000485 & ſolglich |
= 206 265% & (wann. nämlich E in Theilen des. halben Re
ſers ausgedruckt wird) und alſo
8s8 ——— a N J
welche Zahlen entwickelt geben. 226 712.470 2 3 —
wobey ich nur folgende Fälle be nerken will u
wenn £= 10” ſo wird $=226, 712 T
wenn E= ır fi wird 8 170, 332 F
wenn = 12 fo wird-S = 1317200 T
‚wenn &= 13. p- wird 8 103/ 192 Tr
34. Befindet ſich atfo ein Körper, deffen Maffe=M in einer
‚Entfernung —=v von dem MEI der Eh — wird dieſel⸗
be dahin mit einer Kraft, ee * Mag = N * 7} M oder, = *
Di j a
Zyeorie vom Monde. 253
ICE .TM, "Hieraus fieht man alfo , daß ein geringer Uns
terſchied in * Parallaye der Sonne die anziehende Kraft derſelben
| 8
gar merklich veraͤndert, da der Werth von 7, wenn E= 10”, mehr
als 2mal größer wird, als im Fall E= 13". Wir werden aber bald
fehen, daß diefer fo wichtig feheinende Unterfcheid faft gar Feinen
merklichen in der Bewegung des Mondes verurfachet. Inzwiſchen
da jegt Die Sternfündigen die Parallare & ziemlich fiher auf 12” ans
zufegen glauben; fo erhalten wir daher die anziehende Kraft der
Sonne auf — Körper M, der in eines Weite = » davon entfernt
it = —— 131656 „, "Mm; dahingegen die Kraft der Erde in einer gleichen
Eufernung auf eben den Koͤrper = 1,35 7 = "Mift, fo daß jene Kraft
131200mal größer ift als diefe.
35 . Gemeiniglich pflegen diefe nöthigen Vorbereitungen, um
die Bewegung des Mondes zu beftimmen, nicht aus den erften Grund»
ſaͤten der Bewegungswiſſenſchaft hergeleitet zu werden ; fondern man
begnüget ſich die mittlere Bewegung des Mondes unmittelbar aus
der mittlern Bewegung der Erde zu ſchließen. Allein die Abficht, auf
die von der erleuchteren Ehurfürftlichen Akademie vorgelegte Frage,
ſchien dieſe etwas mweitläuftige Entwicfelung der dazu benäthigten
Grundfäge unumgänglich zu erfodern, Weber diefes dörfte auch)
‚manchen der Sprung von der Schwere auf unferer Erde zu den
Kräften der himmlischen Körper allzuverwägen fcheinen; und alſo
war dieſe Gelegenheit ſehr bequem, um darüber allen Zweifel zu be⸗
wehinen, und dieſe ganze Sache in ihr voͤlliges Licht zu ſetzen.
UW Bandes, I Theil. u Zroryien
is Theorie vom Monde:
Bon der Verhältniß der mittlern Bewegung des
Monds zu feiner mittlern Entfernung
‚0 von der Erde,
nt | | 36;
ar Unterfichung wird ſich am deutlichſten anftellen laſſen,
wenn wir erſtlich nur die Kraft der Erde in Betrachtung
ziehen, und daraus die mittlere Bewegung des Monds beſtimmen;
weil folchergeftalt die größten Schwierigkeiten wegfallen , und da⸗
Durch Der. Weg zur wahren Auflöfung der vorgelegten Frage beffer
gebahnet wird, Man ftelle fich alfo vor, als wenn die Erde und der
Mond allein vorhanden wären, oder die übrigen Weltkoͤrper gar feinen |
Einfluß auf ihre Bewegungen hätten ; und man deute die Maffe der
Erde dur) T, des Monds aber durch L an ; die Entfernung abet
zwifchen Dem Mittelpuncte dieſer beyden Körper ſey =v; ſo wird
Mae T ;
* Mond nach der Erde mit einer Kraft = 5% die Erde aber
“
bintidenum gegen den Mond mit einer Saft, In gti
werden; wo für. der. oben gefundene Gert) 155 * geſetzt werden
muß, und r den halben Durchmeſſer der Linie ausdruͤckt.
37. In der That wuͤrden beyde Koͤrper von dieſen Kräften
in Bewegung gefeget werden : aber bier wird nicht fomohl die
wahre Bewegung des Mondes gefucht, als vielmehr die feheinbare,
nach welcher fich derfelbe um den Mittelpunct der Erde, welcher als
ftillftehend angenommen wird, zu bewegen feheint. Und um diefe
ſchewbat Bewegung nach den ——— der Mechanik herauszu⸗
brin⸗
Theorie vom Monde. 255.
bringen; fo muß man die Kräfte, welche auf | die Erde wirken, in
einer verkehrten Richtung nach der Verhaͤltniß * ——— dem
Monde zueignen. Da nun die Erde mit der Kraft * ST gegen-den
Mond getrieben wird; fo mußimanfegen, daß * rg außer
der ihn wirklich teeibenden Kraft; noch von der ‚Kraft, * gegen
die Erde getrieben werde, und alfo wird der Mond gegen die. Erde
in fofern diefe in der Ruhe angefehen wird ‚in allem mit der Kra i
Fr L stoßen N — fi) die oben (23) angefüht
‚ten Sormetn = — ie
verſchoben ——
38. Da in einetley Enifernungen von der Erde diefe Kraft
einerley bleibt; ſo wäre es möglich, daß ſich der Mond in einem
‚Zirkel gleich geſchwind um die Erde herum bewegete: und wenn die
Zeit des Umlaufs ganz genau mit der Länge eines Monats überein
kaͤme; fo würde diefe zirkelfoͤrmige Bewegung die mittlere Bewegung
des Monds um die Erde darſtellen. Nun aber iſt die Zeit, in wel—
cher der Mond nad den Fixſternen feinen Umlauf vollendet , 27
Tage, 7 ©t. 43° 13", welche in Secunden gebracht O=2 360 593"
giebt. Wir dörfen alfo nur die im 10. 8. gemachte Rechnung auf
diefen Fall anwenden , und fen y=ı1; h=g; =»: 5;
AM= — und AL- ſo, daß hs und wir
werden befommen
a(T+L) _ arm _
— 799,” = 907 folglich
v=ıa(T+L) EOL, woraus die mittlere Entfernung de Monde
‚son de Erde v gefunden wird.
2 38,
256 Theorie vom. Monde,
38. Da a⸗333 * ſo wird
L
w’=ix371X00xrl (1+7) und weil
A= 36,601 Zoll, und r=236 246 076 Zoll; fo if
r I. ®® L
aa und folglich a HT)
u | L win ö .„L
Oder 7; =216586 (ı +7 ) und 7 5010542 % (1+ 7)
Es ift alſo nur noch die Verhältniß zwilchen den Maffen der. Erde
und der Sonne übrig, welche fich nicht wohl anders als aus der Ebbe
und Fluth des Monde ſchließen * da aber von einigen für 7 L
der Bruch ao von andern aber * heraus gebracht wird, und
dieſe letztere TR dur) die Verruͤckung * pr ug
ziemlich Be wird; fo faffet uns alfo- — annehmen r ddr
7= 79
| ya+z )=1+315; und wir werden für die mittlere Entfernung
des Monds befommen #60, 3402 r und daher die Horizontalpa⸗
rallare unter der Linie= 56, 58”, welche aber aus den Beobachtungen
"etwas größer, nämlich 57, 18” gefchloffen wird.
| Diefer Unterfchied rühret unftreitig von Der Kraft der Sonne
her, wodurch die Kraft der Erde etwas vermindert , und deswegen
der Mond näher bey der Erde feyn muß, wenn er feinen Umlauf in
eben der Zeit verrichten fol. Hätten wir hingegen dem Monde
noc) eine größere Maffe zugeeignetz fo würde feine Entfernung von
der Erde noch größer heraus gefommen feyn. Um nun auch Die Kraft
der Sonne in Betrachtung zu ziehen 5 fo feyen (Fig. 4.) die Mittelpuncte
der Sonne, der Erde und des Monde in S, T, und L; und ihre
Maffen
}
Theorie vom Monde. 257
Maffen werden durch die Buchftaben S, T, und L ausgedruckt.
Berner fey die Weite der Sonne zue Erde ST=s, die Weite
des Monds zur Erde TL=v und der Winkel STL=9; fo wird
die Weite des Mondes zur Sonne SL=vV (ss—2sucof®+ ur)
welche wir um der Kürze willen durch den Buchſtaben z ausdruͤ⸗
cken wollen.
41. Nach) dieſen Benennungen wird erſtlich der Mond zur
T
Erde ma LT mit der a — L gegogen, und hernach zur Sons
4 nach LS mit der Kraft — L Diefe find die Kräfte, welche
unmittelbar auf den Mond le weil wir aber nur auf die
ſcheinbare Bewegung der Sonne fehen, und den Mittelpunct der
Erde als fillftehend betrachten; fo müffen wir über diefes die Kräfte,
welche auf die Erde wirken, noch dem Mond in einer verkehrten
Richtung und nach der Verhaͤltniß feiner Maffe zueignen. Da
aun die Erde erftlich nach der Richtung TL vom Mond gezogen
L
‚wird mit der Kraft — T, und auch von der Sonne nad)
der Richtung Ts mit der Kraft — Y; fo entfpringen daher auf den
‚Mond noch diefe 2 Kräfte
Erſtlich nach LT eine Kraft = = x und
Zweytens nad LV eine Kraft = wenn nämlich
‚LV der Linie ST parallel gezogen —
42. Alle dieſe Kräfte, welche auf den Mond wirken, laſſen
ſich auf folgende 3 bringen:
I. Eine Kraft nach LT, welche iſt = *
u 3 II Eine
&
— Theorie vom Monde.
II. Eine Kraft nach LS, welche iſt ah 5 is 4 J —
III, Eine Kraft nach LV, welche iſt = = L 3
Dieſe Kraft nach LS laͤßt ſich fuͤglich nad) den zwoen Rich⸗
tungen LT und LU auflöfen, von welchen dieſe LU der LV entges
gen gefegt iftz und Daher. entſteht demnach eine Kraft nah LT
«Su
zs; L md
eine Kraft nach. LU=- — — |
fo, daß wir jest nur Span zwo graͤfie haben
T s
Einf die Kiafe ah er Dr
— a 73
S |
Zwehiene, die Kraft nach — L —— dr
43. Ohne ung fogleic) in eine weitläufige Entwickelung dies
ſer Formeln einzulaffen ; fo bemerke ich, daß zur Zeit Des Neumonds,
wenn d=o und col F, die Kraft LU mit LT einerley Richtung
bekommt, und weil alsdenn z=s — v; ſo wird die Kraft nad)
—* 48as
IT=—, L+ zL7,L: und weil die Weite s ungleich
1 3. 08 a
srößer ift , als v; fo ift fehr genau sts? folglich - die
T+L 225
Kraft im Neumond nah LT= u L— — L. Singe
sen im Vollmond , wenn d= 180°, wird Z=s+U, und die
Kraft nach LV zicht den Mond von der Erde weg, und Deswegen
«(T+L 8 as |
wird die Kraft nach LT= ——— = — L, welche aber,
ſo
. Theorie, vom Monde, 259
fo man für Er feinen Werth Ara fegt, nichts deſtoweniger eben
T+L 20 8
ſo, wie beym Neumonde du —— JJ zL gleich iſt.
Bey den Mondsvierteln, wenn “iR 90° wird a (ss+us) und
ziemlich genau z=s; daher alsdenn die den Mond nad der Erde .
T+L S
treibende Kraft heraus kommt = z ) L+ — L.
44. Wenn wir nun die aufden Mond fhief wirkende Kraft
nad LV, als welche an fich immer ſehr Elein ift, und den Mond
eben ſoviel rückwärts als vorwärts zieht, beyſeit fegen; fo fehen wir,
daß von der Sonne die den Mond nach der — treibende Kraft
T+L
) L im Neumond und Vollmond um ? — Er vermindert;
«Su
hingegen in den Mondsvierteln um vermehret wird. Woraus
erhellet, daß die Verminderung die Oberhand behaͤlt, und es eben
ſoviel iſt, als wenn die den Mond nach der Erde treibende Kraft in
aSv
einem fort vermindert wuͤrde, und dieß ohrigefähr um IE L; alfe,
Daß fich die mittlere Bewegung des Mondes ungefähr eben fo ver-
halten wird, als wenn. derfelbe ‘ einem fort gegen die Erde mit
T+L
einer Kraft u — L— = = getrieben würde.
MNehmen wir nun u für die mittlere Entfernung des Mondes
von der Erde , unds für die mittlere Entfernung der Sonne von
der Erde an; fo wird ung die oben im 38ften Abfchnitt gegebene Rech⸗
nung zu unferm Endzweck führen : wenn. wir nur anftatt der Kraft
T+L L 8§
J = — das iſt: wenn
wir
nr dieſe verminderte —,
360 Theorie vom Monde, -
‚Sw3
wir bi T+L diefe Formel THL— a, und fülglich anſtatt
L 3
+7 folgende 17, — 5 m fhreiben. Hieraus erhalten wir
Ya REN AM.
in welcher furdifehen Formel es genug ift für » nur den nächften
Werth zu fehreiben. . wir nun die Parallare der Sonne
gleich EN ift Tang. E=—< und 77
—r: alfo wird nad)
226712470 s° s3 y
dem 32. F. — 264) “73 Wer a) folglich
u’
o L
zoo y (Ir 2X3870803473 )
Danun ziemlich nn —=60) fo wird
6 0542 U 147 — 333) & daher bekomme man fehr nahe
22 609, 0542 W (1 +35) das iſt: u= 60, 2834 r
und die Parallare unter der Linie — 57, 2” ziemlich genau. Wo⸗
bey infonderheit zu bemerken , daß dieſe Beftimmung nicht von der
Parallaxe der Sonne abhängt, ats welche fih.in der Rechnung
gegen s? aufgehoben hat (34.).
46. Man Fann nicht wohl eine genauere Webereinftimmung
mit der Wahrheit erwarten; weil die Sternkündigen über die eis
gentliche Parallaye des Mondes noch nicht fo einig find, daß fich
nicht ein Unterfchied von mehrern Secunden in ihren Beſtimmun⸗
gen finden follte. Die oben angeführte von 57’ 18” ift aus des bes
ruͤhmten Hin, Prof. Meyers Tabellen genommen, weiche derſelbe
aus⸗
| Theorie vom Monde, 261
ausdrucklich fürden Aequator anſetzt; indem er. dabey die wahre Fir
gur der Erde mit in Betrachtung gezogen; da in den andern er
„bellen die Erde als Eugelrund angejehen wird, Die meyerifchen T
feln werden auch allenthalben fuͤr die richtigſten gehalten; und *
Umſtaͤnde ſind mit einer ſolchen Sorgfalt beſtimmt, daß man auch
an der darinn feſtgeſetzten Parallaxe des Monds nicht zweifeln darf:
doch iſt ein kleiner Fehler von etlichen Secunden unvermeidlich.
47. Wir haben alſo vielmehr Urſache, in die herausgebrachte
Formel und derſelben Berechnung einiges Mißtrauen zu ſetzen.
Denn erſtlich iſt die Maſſe des Monds gegen der Erde noch gar zu
ungewiß: und ungeachtet dieſelbe aus den verſchiedenen Meynun⸗
gen hier am kleinſten angenommen worden; ſo koͤnnte es dennoch ſeyn,
daß ſie noch kleiner waͤre. Hernach, ob es gleich nicht auf * ar
rallaxe der Sonne. bierbey ankommt; fo war doc) das Stied — au
at wilfführfich angenommen. Denn da in der That die ap den
Mond wirkende Kraft veränderlich iſt, wenn auch feine Entfernung
von der Erde einerley bliebe; He diefelbe in den Boll» und
«(T+L 2uS
Neumonden Hi — L— —- L; bey den Bitten aber durch)
L
Ende Ir Zar ausgedruckt wird, und in andern Stellungen
fich —* ſhiel — Kräfte dazu ſchlagen; fo iſt leicht zu erach⸗
"ten, daß die aus * Vermuthung daher gezogene beſtaͤndige
&(T-+1,)
Kraft u L— = L gar merklich von der Wahrheit abweis
den —
48. Wollte man aber die wahre Verhäknig zwiſchen des
Monds mittleren Bewegung und mittleren Entfernung von der Erde
auf das ſchaͤrfeſte beſtimmen; ſo muͤßten zugleich alle Ungleichheiten
IV Bandes, I Theil. 8 in
262 Theorie vom Monde,
in deffelben Bewegung auf das genaueſte unterfucher werben; als
welche alfe auf deſſelben mittlere Entfernung einen Einfluß haben.
Man würde fehen, daß auch die Ungleichheit in der feheinbaren Bes
mwegung der Sonne darein eine geringe Veränderung verurfacher,
wie denn auch die Abweichung der Mondsbahne von der Eccliptik
oder Sonnenbahne nicht müßte aus der Acht gelaffen werden.
Doch da fich diefenicht über s Grade erſtreckt; fo ift der Einfluß davon
*
J
—— —
—
—
ganz unmerklich: und deßwegen, um nur einen Abriß von der Un-
terſuchung, welche zu dieſem Ende angeſtellet werden muͤßte, zu ge⸗
ben; ſo will ich die Bewegung des Monds ſo anſehen, als wenn
dieſelbe — in der Eccliptik geſchaͤhe.
49. Man ſtelle ſich alſo (Fig. 5.) den Mittelpunet der Erde in
T vor, welchen wir als ftillftehend anfehen, und nach einer von einer »
gewiffen Epoche verfloffenen Zeit von t Secunden follen fich die Mittels
punete dee Sonne ‚und Des Monde in SundL befindens T fey die
Maffe der Erde, S der Sonne, und L des Mondes: TA fey eine nach
einer beftimmten Gegend der Welt gezogene Linie, in Anfchung wels
cher der Drt des. Monde beftimmet werden foll: man fege tie Weite
TS=s; TL=v; unddie Winkel ATS=d, ATL=P: ferner um
abzukuͤrzen, fo fey der Winkel STL=® — 9 = u; fo wird die Ent-
fernung des Monde von der Sonne SL=V (ss—2s u coly+wv),
welche wir durch z andeuten wollen. Zieht man nun LV der Linie
ST Parallel; fo haben wir gefehen (S. 42.), Daß der Mond von zwoen
Kraͤften getrieben wird.
* rw a
Die eine, fonach LT gerichtet, i
= r
h ER
Die andere aber nah LV if == = 3 ——L
Die erftere wollen wir nun um der Kürze ihn durch P, die andere
aber
|
Theorie vom Monde, | 263
aber durch A andeufen. Man muß ſich erinnern, daß hir =372 - 7
if, wor den halben Durchmeſſer der Linie andeutet.
50, Um nun aus diefen Kräften die Bewegung des Monde
zu berechnen , fo loͤſe ich diefelben nach den beyden feitgefesten
Richtungen Lx und Ly auf, deren jene mit der Linie AT parallel
lauft, diefe aber darauf fenfelrecht if. Nach eben diefen beyden
Richtungen müffen nun auch die Kräfte P und A aufgelöfer werden x
da denn die erftere eine Kraft nah LX=Pfin® und eine nach
Lxe=Q cof$d, die Ießtere aber eine ua LX = Afind und: eine .
nad) Lx=Mcofd geben. Gegen wir nun BX=x und XL=y;
fo geben uns die Grundfäße der Bewegung
ddx _ 2g(Pcof®+Acofb) she Pe An ®+ QAfın 8)
dt? L dt L
Nun aber it = BT — vcofd; und y=vfin d; folglich -
dx—= — dvcof$ +vd9 in®; und dy= du find + vdO.cofd; daher
ddx = — ddu cold + 2dud bfind + vad? cof$-+vddd find ; und
ddy — div fin + 20040 cof - va? find + vdd colY,
s1ı. Da find?=r 35. fo fihließen wir, aus diefen Formeln
ddx fin O + ddycof® =2dudd + vddd und
ddy fin O — ddx cold =ddu — vdp?
Daher erhalten wir die zwo folgende Gleichungen:
4 da FREIE
nn wo * (ſin Ocoſſ - cofHfnd) = u i
ai et 2 —
— ——2
Wir haben alſo nur für Pund a ihre Werthe zu ra * be⸗
kommen wir
2dvd dad
en 0, —— fin nz; und
53: dav-
264 Sheorie vom Monde
div— udd® — 22% (T+L) 7 u cofu.. s coſ .i.-
— Na Te a ci. su
Durch welche beyde Gfeichungen die ganze Perdegung des Monde
mit allen Ungleichheiten enthalten iſt; ſofern wir naͤmlich Die Breite
des Monds oder ſeine Abweichung von der Eccliptik hintan ſetzen.
en. Da — I ee cofy+us ) und s gar vielmal
groͤßer iſt als 0; fo giebt die Naͤherung — genau |
L — 1 30 00
— = (ss 2sUcoly+w) * = =s+ — ; daher unſere beyden
Gleichungen Diefe Geſtalt bekommen:
odudd +uddb ufin y cofy U vn 127.
403 = — 6g85 — #7 — 3805 , —
ddu—vdd®e — 22x (T+L) | zu cof y?
Frag 5 Meere vegane: ai Fi, Ad:
dadu — vdd? — T+L Sy
——— ———— (rT+3 cof2y )
Könnte man ſich nun einen er Fall vorftellen, da gleichfam ein,
anderer Mond, der von eben dieſen Kräften getrieben würde , fich
gleich geſchwind in’einem Zirkel bewegte‘; to ließe fid daraus die
mittlere Bewegung des Monds ſamt feiner Entfernung von der Erde
am füglichften beurtheilen. ' Allein bey diefen Kräften ift ein folcher
Fall nicht möglich und deßwegen ift man gezwungen, auch zugleich
die Ungleichheit in der Bewegung in Betrachtung zu zichen-
s3. Da nun o Feine beftändige Größe feyn kann; ſo wollen
wir feßen »=a+Ccolo, mo das Glied C cofw alle Aenderungen
andeuten kann, um welche die Größe v bald größer bald kleiner als
® wird 5 Daher x mit allem Recht als die mittlere Entfernung de
Mondes von der Erde eigen werden kann. Eben ſo, da 2 eine
—J ver⸗
Theorie vom Monde, 265
d
veränderfiche Größe ift; fo wollen wir feßen 2 =Z+Dcofs, we
das letzte Glied wiederum alle Ungleichbeiten in der Bewegung unter ſich
begreift, fo, daß Z die mitilere Bewegung in einer Secunde bedeus
tet. Eigentlich) ſollten viele dergleichen Ölieder angenommen werden;
weildie Ungleichheit, ſowohl in der Entfernung als Geſchwindigkeit,
von fehr vieleriey Winkeln abhängt. Allein der einzige » Fann bier _
fo angefehen werden, als wenn er die Stelle vieler vertraͤte. Es iſt
genug, a bemerken, daß einerley Winkel in den beyden Formeln für
vo und 2vorkommen ; und daß alle dieſe Winkel @ zur * t eine
gewiſſe Verhaͤltniß haben, und deßwegen fuͤr einen jeglichen 2 ale
eine beftändige Größe angefehen werden Eann,
ip = d |
54. Danıns=e+C cofo, und 9 _Z+Deofa; fo wird
du _ „Ede . „ ddu_ Cdw? £ | Re dao Die fin w
sn aha ee he apart bien” —
Man bringe nun diefe Werthe in unfere beyden Gleichungen ; fo
befommt man
— oZCdwfnw CDawfin 20 Dodo fin @ er EDdofin2w _
BIETEN" dt 2.dt
gaS
ZZ. efin2y
woraus fih ſchließen läßt, daf da feyn muͤſſe 22C+Dae=«, und
die übrigen Glieder müffen mit den Sinibus , fo aus der Entwick
gæs
lung der Formel — uf 24 entfteben, im Vergleichung ge-
fegt werden, Die andere Gleichung erhält Diefe Formel:
X 3 U. —
266 Theorie vom Monde,
I.— ne Ey x — ZZa — ZZC coſo — 2ZaD cola —2ZCD cofo
2ga( T+L) - gaSu
vu 8
Wo man jetzt æ für v ſchreiben kann, da es nur Ar die mittleren
Entfernungen ankommt. Alfo wird
2g2 (T-+L aSx
zen Tr) _E, und daher
— 2 «DD: cola? =
ZZ =
REN, S
(ZZ ner ) a? = 2g« (T+L); oder, da das Glied 7 in Anfehung:
des Vorhergehenden ſehr klein iſt; ſo kann man ſetzen:
T+L Sa?
5 A in; oder
ogaT L Sa? gr L 823
ey rm I ZZ
s. Wenn wir diefen Werth der mistlern Entfernung des
Monde von der Erde mit dem oben gefundenen ($.44.) in Ver⸗
gleihung ſtellen; fo fällt die vrilfommene Uebereinſtimmung fü
gleich in die Augen; nur mit dem Unterfchied , Daß dort die mitts
lere Entfernung durch den Buchftaben » angedeutet worden : ferner
haben wir dorten die Zeit des ganzen Umlaufs des Monde ‚. bier
aber die Daher entfpringende mittlere Bewegung für eine Secunde
in die Rechnung gebracht » aus beyden alfo erhält man; |
— Ba Me
r =60, 0542 V (+ 2Ts?
Und
Theorie vom Monde, 267
Und hierdurch wird demnach die oben gebrauchte Bermuthung über
die misilere Kraft, fo den Mond nad) der Erde treibt , vollloms
men bejtätiget, welche Dort noch vielen Zweifeln unterroorfen zu feyn
ſchien. | | —“
56. Hieraus ſieht man alſo ganz deutlich, was, nachdem
die mittlere Bewegung des Monds feſt geſetzt worden, die Maſſe
des Monds L, und auch der Sonne S, nebſt ihrer Entfernung von
der Erde zu Beſtimmung der mittlern Weite des Monds von der
Erde beytragen. Es iſt aber wohl zu bemerken, daß ſich die Maſſe
der Sonne S gegen ihre Entfernung von der Erde s volllommen
aufhebt , und bios allein die Zeit ihres jährlichen Umlaufs um die
Erde in die Rechnung kommt. Da nun diefe auf das genauefte bes
kannt iſt; fo bekommen wir für die mittlere Entfernung des Monds
von der Erde diefen Werth:
u _ 6010542
— — a —X Bin 8: 3 L
v 3170027977 Y IH 991999 3014*75)
und iſt die cotangens der Parallaxe des Monde unter der Linie.
57. Wäre alſo die mittlere Parallaxe des Monds unter der
Linie ganz genau bekannt; fo Eünnte man daraus hinwiederum die
Maffe des Monde, in Anfehung der Maffe der Erde , beftimmen.
Denn fegen wir G für die mittlere Parallaye des Monde unter der
Linie; fo wird + 0= So ag * Weil nun ziemlicd) genau
G=;7 18°, fo wollen wir für einige benachbarte Werthe die Ver
L
haͤltniß 7 berechnen:
| weng
68 Theorie von Monde,
»
wenn ſo wird ride oder
| J
6 or | " — 4 —
E
| —
—
57 00 1, 01545 —— 0, 01545
1,00666 0, 00656
1,00229 0/,00229
0, 99794 — 9, 00206
57 15
|
| ARE 1, O1105 0, 01105
| $7 10
| |
| 57 20 |
—
Hieraus erfehen wir, daß die mittlere Parallaxe des Monde unter
der Pinie gewiß Heiner feyn müfle; als 57 15"; weil die Maffe des
Monde gewiß mehr als den 437ten Theil der Mafle der Erde bes
trägt: und da diefe Maſſe nicht wohl Feiner , als den goten Theil
der Maffe der Erde — werden kann; ſo iſt dieſe Parallaxe
auf das allerhoͤchſte 57’ 5”, R
3. Sch muß aber auch dem Hrn. Prof, Meyer die Gercchs
tigkeit wiederfahren Taffen, daß er nirgendswo gefagt , Daß wenn fich
der Mond in feiner mittlern Entfernung von der Erde befinder, feine
Parallaxe alsdenn unter der Linie 57’ 18” ſey; fondern dieſe Bes
ſtimmung ift das Mittel zroifchen der größten und Eleinfien Paral-
faye, fo von ihm angegeben worden. Da fi) aber die Parallare
umgekehrt wie die Entfernungen verhalten; fo hätte hier wicht die
arithmetifche, fondern die harmoniſche Mittelzahl genommen werden
follen. Wenn nämtich die Heinfte Parallare =p, und Die größte =g ;
fo ıft diejenige, die der mittlern Entrernung zufommt, nicht (p+q)r
#24
fondern — Nun aber iſt nach des Herrn Meyers Tafeln die
kleinen
Eheorie vom Monde 269
einen. Ungfeichheiten beyfeits gefeßt , die TER Parallaxe
r* ao 3250 die groͤßte —2 =3626' ; folglich
kommt die wahre — hier in — geiogen
werden muß ⸗
3250.53626
ke RR
das iſt 57,8", und alſo um so’ Eleiner als vorher. angenommen
worden, Diefes kommt nun weit fehöner mit der obigen Rechnung
überein ; daraus, aber würde folgen, daß die Maffe des Mondes uns
gefähr der 120te Theil von der Maſſe der Erde waͤre.
59. Eine groͤßere Uebereinſtimmung mit dem Himmel iſt
auch um ſo viel weniger zu erfordern, da ein geringer Fehler in
Beſtimmung des ſich alle Secunden ſchwingenden einfachen Pens
dels, dergleichen nicht zu vermeiden, leicht eine fo geringe Abs
weichung verurfachen Fann, zu geſchweigen, daß man auch nicht
in der Parallaye des Mondes auf einige Secunden ficher ift.
Wenn man aber je fo glücklich feyn und diefe Stücke auf dns
genaueſte beftimmen Fönnte, gleichwol aber fich noch ein Untew
fcheid der hergegebenen Berechnung finden follte, alfo daß die das
hergeleitete Verhäftniß der Maffen der Erde und. des Mondes mit
der Ebbe und Fluth und der jaͤhrlichen Verruͤckung der Xquinoe-
tial· Punete nicht ſollte beſtehen, ſo muß der Grund davon in ei—
nem ganz andern Umſtand geſucht werden; und ich zweifle nicht,
daß derſelbe nicht darinn beſtehen ſollte, daß der Koͤrper des Mon⸗
des keine vollkommen runde Kugel iſt, wie hier angenommen
worden. Die ſogenannte Libration des Mondes giebt genug—
V ſam
270 3
am zu etennen, Bob dr Mon ehe wattuch von: dieſer
— unter andern auch dieſes folget daß ſein
der Schwere etwas weiter von der Erde zu ſtehen kommt,
“als wenn feine Figur vollkommen rund wäre; folglich wäre ſei⸗
un bie Parallaxe um fo
aber ganz befondere
ne mittlere "Entfernung etfong größer,
viel Heiner. Diefe Unterfuchung erfordert
e Rechnungen, welche ohne Zweifel bey dieſer Aufgabe nicht
verlangt werden; da aus dem beygebrachten die !
aufgegebene Frage völlig er i w —— .
ſeyn ſcheinet. Br —
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Lætus in preſens animus, Br ullta. eit oder
‚ üb — ‚Pa | a Be zit .
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R. P. GEORGII KRAZ S. ].
_ MATHEMAT. PROFESS.
INGOLSTAD.
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PRO PREMIO.
DE RATIONE MOTUS MEDII ET DI
STANTIE MEDLE LUNE A TERRA AD
VIRES, QUIBUS IN LUNAM PREMITUR,
QUE DISSERTATIO SECUNDO LOCO CORO-
NATA FUIT ANNO 1762.
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| & D Zuo funt; que Academia Electoralis Bavarica in quæſtione
E33 altera 20 Octobris auni preteriti propofita, folvenda
requirit, primo: quomodo diftantia une cum fua gravi-
tate * ad terram, & fecundo: quomodo gravitas lunæ cum
gravitate corporum in fuperficie terræ fit comparanda , ut exinde
diftantia lunæ a terra in determinata quadam menfura, & fi fieri
pofüit, ei, quæ hadtenus per parallaxin quefita fuit, quam proxi-
ma inveniatur. Hujus igitur queftionis folutionem fequentibus
dare licebit, gratulaturus mihimet, fi nobilifima Academia ean- ·
dem probaverit,
Cum vires corporum verfus idem centrum gravitantium
Tecepta, & ab experientia quoque firmata lege fint in ratione
reciproca duplicata diftantiarum a fuo centro, nifi aliud quid ob-
tet, & fiquidem przter eas vires, quibus nituntur verfus faum
eentrum, fimul circa idem agantur, e,g. etiam in curva elliptica,
_ quadrata temporum periodicorum fint ut cubi diftantiarum media-
rum , prout id quam proxime evenit in motu Planetarum circa
ſolem & fatellitum Jovis circa Jovem, idque neceflaria lege fieri
. neceffe eft, ut nimirum, fi vires gravitatis vel centrales fint in
tatione reciproca duplicata diſtantiarum a fuo centro , quadrata
bay Y3 tem-
274 4 Theoria Lune. —
temporum — fine ut. hi diftantiarum mediarum , sc
vicifim , dabitur guoque tum diftantia media lunz a terra, tum ..
gravitas ejusdem relate ad gravitatem corporum in fuperficie ter“
2, fiquidem in easdem’ motus leges confpirentTuna & aliud eor·
pus in ſuperſicie terræ, quod circa hujus centrum ea ratione gyra-
getuf, ut ejus vis centralis pro fua ab eodem centro diftantia,
nempe femidiametri terræ, eadem foret, que gravitatis,
2. Ad hoc igitur explorandum primo definienda erit gra-
en alicujus corporis in fuperficie terrz, e. g. fub ipfo zquatore,
" Sevindo eidem corpori is motus gyrätionis circa centrum
terre in diftaritia femidiametri tribuendus, ut ejus vis centralis
* fun gyratione fit eadem, * eſt vis‘ gravitatis.
“s
Tertio — —* angulus vel arcus, quem idem cor·
pus motu ſuo gyrationis quocunque tempore abſolveret.
Quarto quærenda diſtantia lunæ a centro terræ, quæ cum
præmiſſa lege congruat, ita ſeilicet, ut cubi diſtantiarum lunæ &
eorporis terreflris a communi fuo centro fint ut —— *7
rum periodieorum eorundem,
"Quinto denigue diftantia Jung hoc modo i inventa, ‚cum ea,
quæ per parallaxın habetur , comparanda,
3. Quoniam vero re ipfa etiam luna verfüs terram gravi-
tat, ite, ut fi abeſſet motus gyrationis, eadem vi verfus terram
defeenderet, que eſt ejus vis centripeta, vel inde jam inferri
porett, lunam quoque relate ad alia corpora terreftria iisdem gra-
vitatis legibus-comprehendi, juxta quas, prout ab initio propo-
fui, alia univerfim, de quibus conftat, eorpora verfus fua centra
— ita ur quemadmodum ex his legibus iſtorum -eorporum
vel
Theoria Lune. £ 875
vel deftantiz a centro, vel vires gravitatis determinantur,, neu-
tiquam per accidens fe habere cenfendum fit, fi diftantia lunz
juxta previe defcriptam methodum cum vera, vel’cum ea, qu&
per parallaxin -habetur., quam proxime congruat, ‘Quamgnam
hune i in finem ob ‚Tationem inferius afferendam non qualecunque
—⸗— — *
prope mare politum,
His premiflis fingula, quæ defiderantur, per fegnentis
problemata determinare licebit,
4 Problema I, Definire gravitatem corporis in fuperfieie
terrz ſub æquatore in ratione fpatii vel altitudinis, quam corpus
vi ejusdem gravitatis in vacuo libere motu uniformiter accelerato,
defcendendo e. g. intra unum minutum fecundum ‚temporis eme·
Üretur. Reſolutio. Prout aliunde conftat, primo tempus unius ofcil-
Iationis penduli i in vacuo eft ad tempus defcenfus corporis vi ſuæ
gravitatis per dimidiam longitudinem penduli ibidem in vacuo,
ut peripheria ad diametrum circuli, & fecundo, ut eft quadratum
temporis deſcenſus p per dimidiam longitudinem penduli ad quadra-
tum temporis unius ofcillationis, ita erit dimidia longitudo pen-
duli ad altitudinem, quam corpis vi ſuæ gravitatis libere defcen-
dendo motu uniformiter accelerato emetiretur in vacuo inera tem-
pus unius ofeillationis. __
Dum igitur juxta PR RERSURRER "eh Regis Galliz a
DD. Condamin, Bouguer & Goudin in terra Quitenfi , in ordine
ad determinandam menfuram gradus latitudinis, uti & longitudi-
nis, fub zquarore faltas, in ipfa fuperficie terre ad’libellam maris
compofita longitudo penduli, donec libere in aere ofcillando unum
minutum fecundum temporis una ofeillatione metiretur, fuit 36
digic, 7,7 lin., quæ ipfa longitudo,, ut pendulum in vacuo ident
tem-
6. Tieoria Eunz:
tempus abfolveret, ibidem fuiffet 36 digit. 7, 21 lin. ; Teu'43943$
lin,, dabitur fpatium, quod corpus ibidem intra unum minutum
;
|
ſecundum temporis motu uniformiter accelerato in vacuo defcen- |
— emetiretur, per hane geminam operationem logarithmicam
ut Peripheria circ, 6283. 3. 7981670
ad diametrum 2000. 3. 3010300
Li} ın
ita tempuss ı= 6 1 7781512
aa ——Ea per dimidiam longitudinem penduli.
Logarithmus temporis defcenfus per dimidiam mlongitud. — —
penduli 1. 2810142
Et ut — temporis inventi_ 2. 5620284
ad quadratum 6 -3« 5563024
ita dimidia longitudo penduli 219. 60 z lin, 4. 3416521
lin, ped, dig. In, 7. 8979545
ad fpatium petitum 2167. 34 = 15. 0.7. 3% $. 3359261
5. Problema II. Eidem corpori eum motum gyrationis
circa centrum terrz in diftantia femidiametri tribuere, ut ejus
vis centralis in fua gyratione fit eadem, que eft vis gravitatis,
Refolutio, (Fig. ı.) Cum vis centralis vel centripeta eorporis circa
fuum centrum gyrati fit ea, per quam corpus, quod alias motu zqua-
bili abiret ſecundum diredtionem tangentis e. g. bd, ab eadem
verfus centrum detorquetur , acin orbita confervatur, ita ut per
eandem, fi ponatur corpus moveri in orbita circulari abe, circa
eentrum ce eodem tempore ex d detorqueretur in e, quo velper -
tangentem ex b deferretur in d, aut per arcum ex b in e; in cir-
eulo autem abe, fiquidem arcus b e fuerit exiguus, portiones
fecantis inter tangentem & peripheriam interceptz, uti de, io
fiat in ratione duplicata tangentium b d, bi, adeoque fpatia vel
—
. Theoria. Lunz. N.
fpatiola, per quæ corpus vi centrali a directione tangentis ver-
us centrum detorquetur, in ratione duplicata temporum, quibus
eorpus zquabiliter per tangentem fuiffer progreflum, perinde ut
fpatia defcenfus dependenter a viribus gravitatis funt in ratione
duplicata temporum ejusdem defcenfus, dabitur quoque is motus
gyrationis corporis circa centrum c, ut ejus vis centralis fit ea-
dem, quæ gravitatis, fi data diametro terrz »e & portione fe-
ctoris de, feu perexiguo relate ad. diametrum terræ patio, quod
eorpus inter perbrevem temporis portionem e, g. 30 vi fuz gra-
vitatis motu uniformiter accelerato emetiretur, quæratur tangens
b d, que feilicet foret media proportionalis inter ad & de, feu
zqualis radici quadrate facti ex ad in de. Quia vero eum in
finem determinata quoque diametri terræ fub zquatore menfura
requiritur, eam ipfam juxta menfuram unius gradus longitudinis
fub zquatore, prout eam memorati ante geometre ftatuerunt
57268 hexap. *) , per hanc geminam analogiam pr&vie inveftigavi.
ut 10 ‚ 0. 00
ad 3600 2. 5563025008
ita 57268 hexap, 4. 7579120152
ad peripheriam terræ 7. 3142145160
Etut peripheria eir,6283. 3. 7981670597
ad diametrum 2000. 3. 3010299957
ita peripheria teıre 7. 3142145160
10. 6152445117
ad diametrum terre 6. 8170774520 0e = 6562622 hexap.
5ped. 9 dig.
Unde, dum fpatinm de, quod corpus vi ſuæ gravitatis motu uni-
formiter accelerato defcendendo intra tempus 30 abfolveret , fo-
ret
*) Eit ea gradus menfura 4 hexap. aucta ob rationem infra num, 11 affe-
rendam,
ar ge Theoria Lune. |
ret zquale 3 ped. 9 dig. 1, ‚83: lin., prout idem per primum
‚problema intra tempus 60 fuerat 15 ped. 0, 7,34 lin., & diame-
ter terre fub zquatore = 6562622 hexap. 5 ped. 9 dig., loga-
richmorum autem , quorum unus refpondet 6562000 hexapedis,
alter 6563000 Re, differentia = 661782,hie 1000 hexape-
dis, vel 72000 digitis convenit, dabitur ulterius primo portio.
logarichmica refpondens fpatio de, feu quantitati 3 ped. 9 dig.,
vel 45 dig. (nam, quantitas refidua ı , 835 lin, hic omnino nullius
eft cenfiderationis, ut patebit) qu& nimirum portio zqualis erit
quarto termino hujus analogix: ut 72000 dig. ad differentiam lo-
garichmicam 661782, ita 45 dig. ad 414, quæ proin quantitas
414, fi addatur logarithmo diametri terrz mox ante invento, red-
ae Tun A Zur u
detur fecundo logarichmus refpondens fummz ex ae & de feu
toti ad, nempe 6, 8170774934, ac porro faltum ex ad inde
per hanc analogiam
ut ı hexapeda = 72 dig. 1. 8573324964
adde=3 ped, dig. 1.83 lin.—45 dig. 1,83 lin, 1, 6532125138
itaad=ae+red 6. 8170774934
8. 4702900072
ad fatum petitum; nimirum ex adin de in men-
ſura hexapedarum quadratarum . 6, 6129575118
Ex cujus denique logarithmi femifle 3. 3064787559
habebitur radix quadrata ejusdem facti feu tangens bd = 2025
hexaped. ı ped. 6 dig. o.solin,, atque hoc ipfo is motus gyra-
tionis corporis circa centrum c, cujus vis centralis eadem foret,
quæ eft ejusdem vis gravitatis, per quem motum, cum Corpus
N „a . *4 —
intra idem tempus nimirum 30 angulum 5 ce vel arcum be eme-
tiretur, hic ipfe per fequens problema determinabitur.
6, Pro-
Theoria Lunæ. 279
6. Problema III, Datis femidiametro terre fub zquatore
be= 3281311 hexäp. 2 ped. 105 dig. & tangente bd= 2025
hexap, ı ped. 6 dig. o. go lin. invenire angulum bee, vel arcum
m
be, quem intra tempus 30 per fuum gyrationis motum emetire-
tur. *) Reflutio. Dabitur hic angulus, ut in quocunque triangulo
rectangulo datis cruribus, nempe per hanc analogiam
ut femidiameter terre be = 3281311 hexap,. 2
ped, 10: dig. 6 5160474563
ad tangentem b d 2025 hexap. 1 3. 30647875x9
ped, 6 —2 o. so lin.
ita radius 10, 00
[2 m m N 2 — — ¶ñ —
ad tangentem anguli b ce 2. 7. 23. 9£ 6. 7904312996
Atque hinc habebitur totum tempus periodicum dati corporis
hın m
1. 24. 46. 544
7. Problema IP, Datis teimpore periodico afumpti hadte-
nus corporis, ejusque a centro terre diftantia , uti & tempore
periodico lunæ, invenire hujus a centro terræ diftantiam jJuxta,
communem legem aliorum corporum, qu& motu viribus gravita-
tis conformi circa idem centrum gyrantur. Refolutio, Dum pre-
ter tempus periodicum corporis fub zquatore mox ante determi-
natum, ejusque a centro terræ diſtantiam de tempore periodico
lunz medio aliunde A quod nimirum eft * u 4. *
& juxta aſſignatam legem cubi diſtantiarum ſunt ut quadrata tem-
porum periodicorum, eandem lunæ ana fequeus operatio
dabit ; x
ut ie quadratum — periodici dati corporis 7 24. 46. 548 :
fen 84, 2814 3. 8565942
Ä Eu‘, ad
” Fig. J.
280 Theoria Lunz.
DB —
— temporis periodici lunæ * ?. 4. 4 57
m
feu 39343. 297 ‘ 9. 1897368
ita cubus diftantie dati corporis a centro |
terræ, ı femidiameter terr® 0. 00
ad cubum diftantie lunz ab eodem centro 5. 3331426
cujus logarichmi tertia pars ‚ I, 7777142
reddet ipfam lunæ a centro terre diftantiam = 59 +33 femidia-
Metris terræ.
!
8. Problema. V. Determinare diftantiam lunæ mediam a ter-
ra per parallaxin. Refolutioe. Etfi quidem Aftronomi circa ejus-
dem parallaxin non omnino conveniant, ita ut e,g. D. Philippus
de la Hire in fuis Bahr lunaribus — ejusdem in Iyzygiis
maximam ftatuat 61. 260, — z4. 5 D. Caſſini vero maxi-
r [2
mam 62. 11., minimam 54 33; licebit tamen pro præſenti quz-
ftione ex his mediam eignen, Krane ftatuere, nimirum maxi-
mam 61. 48 & minimam 54. ı9 pro prefenti Syzygiarum cafu,
dum luna ratione fuarum virium, ut alii Planetz, in — *
veretur, —J eg gg in apogzo refponderet parallaxis 54 19
in perigzo 61. 28. Quia vero dein vires lunæ verfus terram tum
juxta Theoriam Newtoni, tum juxta obfervationes Hallei usque
ad maximam digreflionem lunæ a fole feu 3 fignorum decrefcunt,
ita ut per has vires juxta Theoriam Newtoni diftantia lunæ a ter-
ra in maxima digreflione eflet ad diftantiam ejusdem in Syzygiis
ut zo ad 69 *) juxta obfervationes Hallei autem ut 455 ad 444,
dabitur in ratione proxima media lunz refpedtu omnium ejus pro
varja mutatione virium a terra diftantia, fi prius queratur ejus
diftan-
*) Newton Phil. natur. L. III. P, 28, Theor. 9, 4
‚ Theoria Lune. 281
diftantia maximæ & minime parallaxi in Syzygiis 61. 48, & c4 ı9
debita, atque hinc fecundo diftantia media in Syzygiis, & tertio
diftantia media in digrefione maxima, ac denique alia inter utram-
que poftremam media,
Cum ergo diftantia lunæ a centro terre fit ad hujus femi-
diametrum in loco obfervationis ut radius ad tangentem anguli
’ „
parallaxeos, erit primo vi parallaxeos 54. ı9 diftantia lunz in
Syzygiis maxima 63. 29 femid, terre, & vi parallaxeos 61. 48
diftantia minima 55. 62, atque hinc fecundo diftantia ejus in Sy-
zygüs media 59.453, & tertio prout hac in re tutius aflumere.
licet ipfas obfervationes Hallei, juxta has in maxima lunz digref-
fione diftantia ejus media 60, 79, ac denique quarto diftantia Iu-
nz univerfim media 60, 124 femid, terræ.
9. Quoniam vero hzc menfura diftantie lunæ a terra de-
terminata eft in ea ratione femidiametri terre, prout hec refpon-
det parallaxi lunæ horizontali in ipfo obfervationis loco , altera
vero precedens in ratione femidiametri terre fub ipfo zquatore,
fupereft jam, ut, dum ob figuram terre ad polos magis compref-
fam non eadem ubique ejus eft femidiameter, utraque menfura
ad unam communem reducatnr, hanc ipfam nimirum femidiame-
trorum terræ differentiam definiendo,
us, Priusguam autem de hac differentia ————
afiquid ſtatuatur, quippe quæ ab ipſius terre figura dependet,
quidnam de hac ipfa figura fentiendum , previe referendum cen-
feo. Equidem memorati num, 4, geometræ geminam hypothefin
inerementorum graduum latitudinis ab zquatore verfus polos po-
fuere, per quarum unam exceflus horum graduum ultra primum
fub zquatore fe haberent in ratione duplicata finuum latitudinis,
Z3 per
282 a Theoria Lune.
per alteram vero in ratione quadruplicata finuum latitudinis, ita,
ut, dum per eorum oblervationem ac dimenfionem gradus latitu-
diris fub æquatore * 56753 hexap,, per ze hypothefin gra-
dus latitudinis 26. 30 foret 57159. hexap., 66. 20. 57401 hexap.,
ſub polo 97525 hexap. per alteram arg hypothefin gradus la-
titudinis u: 39. 57019 hexap,, 66. 20. 57427 hexap. , fub „polo
$7712 hexap. Quia vero pofterior hypothefis cum ipfis dimenfio-
nibus i in Gallia a DD, Caflini & Picart & fub circulo polari aD.
Maupertuis factis quam proxime congruit, vi quarum juxta Pri-
mum n gradus latitudinis in meditullio Gallie feu fub latitudine
46: 30 eft 57061 & juxta alterum 57060, vel per correltionem
obfervationum aftronomicarum 57042 hexap. **), ad circulum po-
larem vero 57437 hexap, fub latitudine 66. 20 "Fk, eo minus
dubitare licebit, quod etiam ratio diametri terre fub zquatore
ad.ejusdem axin inde petita ****), nimirum ut 179 ad 178, fimi-
liter verz quam proxima fit, ita, ut etiam per ellipfin eadem
ratio diametrorum obtineatur,, fi nimirum curva fuperficiei terræ
ab æquatore verfus polum elliptica flatuatur, & gradus latitudi-
nis fub zquatore 56753 hexap. fub polo 57712; ubi nimirum,
cum parameter axis majoris fit zqualis diametro circuli ellipfin in
A ofeulantis (Fig. II.) femiaxis minor vero zqualis radiei cubicz
facti ex quadrato radii circuli ellipfin in A ofeulantis in radium
cireuli ofeulantis in B, & prior radius ad hunc faltem proxime fe
habeat ut 56753 ad 57712, inventus inde, data jam parametro
& axi minore, axis major fimiliter fe habebit ad minorem ut 179
ad 178 vel ut 179. ooo ad —* 003.
11. Quia
*) Newton. Phil. naturalis L. KK, prop. 19. Probl. 3.
**) In velatione obfervationum D. Maupertuis Germanice edita Pag. 115«
*+*) Ibidem. .
»ebk) Hift, Acad. Reg. feient. Paris. ad ann, 1744.
Theoria Lune. 283
Quia vero, prout incrementa gradaum latitudinis ab
Be itore 120 polum ſunt in ratione quadruplicata ſinuum lati-
tudinis, & per actualem dimenfionem gradus latitudinis in Gallia
& fub eireulo polari, prout numero præcedente fuit relatum, non
nihil majores funt, quam vi ſecundæ hypothefeos per computum
evaferint, etiam gradum latitudinis fub zquatore, qui juxta ean-
dem hypothefin fuiflet 57264 hexap. faltem 4 hexapedis augere
licebit, prout eundem de ftatueram num, 5. nimirum 57268
. hexap,
F 12. Quare cum ob modicam reſpective inter maximam
& minimam terre diametrum differentiam curya fuperficiei terræ
ab zquatore verfus polum parum adınodum a curva elliptica rece-
dat, ita fcilicet, ut, quamvis centrüm eirculi ellipfin modo ante
deſeripto determinatam ofeulantis in B centro ellipfeos C fit pro-
pius, viciflim autem circhli eandem ofellantis in A ab eodem
ellipfeos centro remotius , quam fi curva fuperficiei terre ab
æquatore verfus polum ALB fit ejus generis, ut exceflus gra-
duum latitudinis ultra primum fint in ratione quadruplicata finuum
latitudinis, nihilominus pro utroque cafu femiaxis major AC ad
minorem BC eandem adhuc rationem habeat, perinde quoque pro
prefenti cafu citra errorem alicujus confiderationis differentia fe-
midiametrorum terræ fub zquatore & in loco obfervationis paral-
laxeos per ellipfin determinabitur fequenti problemate,
13. Problema FT. Datis in ellipfi axi majore AM & minore
BN ac anguio GEL invenire OL ad tangentem GL, & diame-
trum FH aegnälent, Refl. St AM= 179, BN= 178, angulus
GEL = 48. so, His pofitis, cum, fi ellipfi circumferibatur cir-
culus, & ex quocungue peripherie pundto e, g. q ducatur qD
ad anin majorem AM normalis, fitque GL — ellipſin in L,
Me R pet
—
24 Theoria:Lune.
per proprietatem ellipfeos etiam Gq tangat circulum in q, & fe-
miordinata ellipfeos DL fit ad ſemiordinatam circuli ‚Dq ut CB
* CR, feu ut femiaxis zamgpr ad ſemiaxin majorem, adeoque
etiam anguli DGL eg. 4. 10 tangens DL ad Dy, dabitur primo
angulus DGq per hanc ipfam analogiam
”
ut DL vel 178 2. 25042 |
ad Dq vel 179 2. 25285 ar
o D
ita tangens ang. DGL 41, 10 9. 94171 2
12. 194156 ar
ad tangentem ang. DGq 4 19. 30 9. 94414
atque hinc — m CR=AC eftad Dg ut radius ad finum
anguli Deq = 48. 40. 30, dabitur tam femiordinata circuli Dq,
quam ellipfeos DL in eadem menfura, in qua datur femiaxis ma-
jor AC e.g.= 179, ac infuper tam normalis EL, quam fubnor-
malis DE, nec minus DC per fequentes analogias |
ut — 10.0
ad ſinum anguli DCq 48. 40. 30 9. 875627 ad)
ita Ck = AC 179 2. 252853 | i
ad Dq. 134. 42 2. 128480
Et ut CR 179 2. 252853
ad CB 178 2. 250420
ita Dq 134. 42 2. 128480
4. 378900
ad DL 133. 67 2. 126047
rurlus ut finus LDEL 48. so 9, 876678
ad radium 10. 00
ita femiordinata DL 133. 67 2. 126047
ad normalem EL 177, 57 2 249369 .
e item
Theoria. Lune. “* 285
item ut radius 10, © | NR XL
ad finum ang. DLE Pr 10 * 9. 818392
ita normalis EL 177. 57 2. 249369
ad fubnormalem DE 116, 88 2. 067761
ac Jenique ut radius 10, 0
. o 7 n
ad finum anguli Dge 41. 19. 30 9. 819760
, ita Cg = AC 179 2. 252853
* “ad DC 118, 20 2. 072613
*
BR;
En
F Unde cum triangulum. OEC fit fimile triangulo EDL, in hoc
autem fir EC=DC — DE = 118, 20 — 116. 88 = 1,32, da-
bitur quoque OE per hanc analogiam
ut radius 10, ©
vo
ad finum ang, OCE 41, 10 "9, 818392
ita EC 1. 32 | 2. 120574
ad OE o. 87 I. 938966
ut proinde ob OL=OE-+EL, OE autem = 0, 97 &EL= ı7.
475 fit OL, nempe ad tangentem GL & diametrtum FH norma-
ls ı = 178. 4 in eadem menfora, in qua femiaxis major AC
fe 179. 00,
+ 14. Quoniam igitur parallaxis June, per quam num, 8. di-
ftantia lunæ determinata fuerat, a DD, Caflini & de la Hire Pari-
fis, nimirum fub latitudine 48. so, fuit obſervaca, pro qua tan-
gens GL refert horizontem apparentem, dismeter FH rationalem,
erit femidiameter terre parallaxi horizontali lunæ in loco obfer-
vationis refpondens ad femidiametrum fub zquatore, ut OL ad AC,
feu ut 178. 44. ad 179.00, ac per confequens, cum, fi pro ea-
dem diftantia dimetienda diverf@ menſuræ adhibeantur, numerus
Aa unius
236 . .„ Theoria Lune.
unius menfurz fepius repetitz fit ad numerum alterius in ratione
reciproca earundem, erit quoque diftantia June mediocris acen-
tro tetræ num, 7. per ejus tempus periodicum mediun: i in men-
fura femidiametri terre fub zquatore definita 59. 94 ad eandem
in menfura femidiametri terre in loco obfervationis parallaxeos
ut 178. 44 ad 179. 00, feu zqualis 60. 12%, prout nimirum ea
per hanc analogiam redditur:
ut femidiameter terre in loco obfervationis 178 44 4. 251492
ad eandem fub æquatore 179. 00. 4. 252853
ita diftantia June in menfura lenilienetel
fub &quatore 2.94. 1. 777714
ad diftantiam lunæ in menfura femidiametri 6. 030567
terrz in -loco obfervationis 60. 12& 1. 779075
15. Dum ergo diftantia lunæ mediocris a centro terre vi
parallaxeos ejusdem horizontalis num. $ foret 60, 124 femid, ter-
ræ in loco "bfervationis, aliunde vero, nempe ex ejus motu pe-
riodico medio, & gravitate corporis terreftris fub æquatore, juxta
communem analogiam corporum verfus idem centrum gravitan-
tium num, 7. determinatam, in eadem communi menfura eflet 60,
ı2% femidiametrorum num, 14, profecto jam plus preftitum fuif-
fet, quam fperari, ne dicam defiderari potuiflet, dum, quod
propofite queftionis folvende primum caput erat, per prima qua-
tuor problemata fecundum communes virium gravitatis leges di-
ftantia lunæ medioeris a centro terræ in ratione ejus diftantie, quæ
jufte parallaxi per quintum problema debetur, adeo propinqua
obtenta fuit, ut ad extremas fere usque minutias congrueret, nec
nifi parte femidiametri terre differret,, nifi forte vires gra-
vitatis corporum terre fub æquatore nullam omnino cum viribus
gravitatis lunæ verfus terram connexionem habeant, aut-faltem
‚penitus diverfam ab ea, quæ datur in aliis, de quibus conftat,
uni-
Theoria Lune. - ag
univerfim corporibus , quecunque verfus unum idemque centrum
gravitant; aut quis diftantiam per problema V. num, 8 parallaki
debitam jufto majorem arguat, eo quod, ut refert Wolfuis Elem,
Aftron. part. II, c. VI. juxta feniorem, nimirum D. Jacobum
Dominicum Caflini vi parallaxeos eflet diftantia Jun maxima 61
femid, terre, mediocris 57, minima 53 & juxta Calendarium
Acad, Regiz Paris. anni 1715. maxima 62, media 58, minima 54
femid, terre.
ı6. Verum cum vicifim diftantia une mediocris in Sy-
zygüs juxta Vendelinum & Hugenium eft 60 femid. fecundum
Copernicum 605 & fecundum Streetum 602 .. ut habet New-
tonus in Princip, Math, Phil, nat, L. II. pr. 4 Theor, 4 . , ae
porro etiam non attendendo ad maximas lunæ digrefliones, fed
duntaxat parallaxin lunæ in Syzygiis aflumendo , per hanc (prout
eam fuperius num, 8. retuli ex tabulis D. de la Hire, qui eas
potiflimum juxta fuas obfervationes conftruxit, ita ut in his ipfis
Syzygiüis perquam propinque obfervationes deinceps quoque in-
ftitutz cum iisdem tabulis convenerint) diftantia lunæ maxima fo-
et 63. 57 femid. terre, media 59. 77 minima 55.97, juxta D,
Caffıni vero, qui fuas tabulas Parifiis anno 1740, edidit, diftan-
tia lunæ maxima 63. 02, media 59. 15, minima 55. 28; quorum
tamen uterque, ut conftat, fuerat aftronomus longe celeberrimus,
eo magis mox ante mediocris lunæ a centro terre diftantia a Wol-
fio relata jufto minor erit, quod, pr&terquam parallaxin Hiria-
nam inter & Caflinianam mediam elegerim, eadem hinc dedudta
mediocris lunz diftantia ob maximas hinc digrefliones infuper, ut
num. 8 innui, notabiliter augenda fit, ita, ut ob ipfam quoad
extremas fere duntaxat minutias parallaxeos incertitudinem, di-
ftantia lunæ mediocris num. 7 & 14 determinata a vera faltem pa-
zum abefle pofit, Quid autem fentiendum de eo, utrum vires
Aaz gra-
288 Theoria Lune.
gravitatis June cum viribus gravitatis corporum terreftrium fub
æquatore fimilem inter ſeſe connexionem habeant, quam ala uni-
verſim corpora verfus idem centrum gravitantia mox referam, ubi
prius, quommodo vires gravitatis lunz relate ad vires gravitatis
corporum terreftrium füb zquatore fe habeant , quod alterum
quæſtionis folvend& caput eft, expofuero,
17. Problema VII. Determinare rationem virium gravita-
tis luuz ad vires gravitatis corporum terreftrium fub »quatore,
Refolutio, Cum, fi duo corpora circa idem centrum juxta commu-
nes virium leges motu zquabili gyrentur, ipſæ vires centrales
vel gravitatis verfus fuum centrum fint reciproce in ratione du-
plicata diftantiarum , per communes autem virium leges allumptis
fola gravitate corporis fub zquatore & tempore periodico medio
lunz, hujus diftantia mediocris a centro terre per problema IV
num, 7 evaferit zqualis 59. 94 femidiametris terre fub æquatore,
erunt vires gravitatis lune ad vim gravitatis corporis allumpti
fub zquatore ut 1« co® ad quadratum numeri 59. 94 feu ut 1.
ad 35923
18. Atque hec ex hypothefi, qua pofito corpori ter-
reftri fub zquatore juxta problema IV num. 7. is motus gyratio-
nis circa centrum terre in diftantia femidiametri fub zquatore
tribueretur, quo ejus vis centralis eadem foret, quæ gravitatis.
Quodfi autem vicifim vires gravitatis lunz relate ad gravitatem
pofiti corporis fub zquatore peterentur a tempore, quo per eas-
dem motu uniformiter acceleraco defcendendo dimidium diftan-
üx fpatium, nimirum 29, 97 s-db abfolveret , fimiliter quam
proxime eadem virium ratio obtineretur.
Sic cum etiam vis corporis centralis fit equalis gravitati,
fi id motu zquabili in pefipheria circuli gyretur ea celeritate,
quam
Theoria Lune. 289
quam acquireret vi ſuæ gravitatis motu uniformiter accelerato de-
fcendendo per dimidiem longitudinem radii, &, fiea ipfa cele-
ritate motu zquabili defeenderet, eo quoque tempore totum ra-
di ſpatium abfolveret, quo ejusdem dimidium motu unitormiter
accelerato, foret primo tempus, quo luna vi ſuæ gravitatis motu
uniformiter accelerato dimidiz ſuæ a terra diſtantiæ fpatium eme-
tiretur, zquale tempori, quo ferretur motu medio per arcum
eircularem zqualem radio, feu ut ponitur mediocri ejus a centro
* ——“ 59. 94 ſemid. terræ ſub æquatore, id eſt, æqua-
le 4. 8. 21. 38. :9, eo quod nempe hoc pin tempus ad totum
" 2
tempus periodicum, quod juxta num. 7. eft * * 43. 4. 57, fit
ut raduis circuli ad peripheriam, feu ut diftantia mediocris lunæ
ad integram ejus orbitam huic relpondentem; fecundo autem
tempus defcenfus, quo corpus terre fub zquatore vi ſuæ gravi-
tatis motu uniformiter accelerato per Imiciumn fux a centro ter-
ı
re diftantie defcenderet, zquale eſſet 13, 29. 36. er prout fci-
licet num, 4 — —— idem corpus uno minuto fecundo
e
emetiretur, eſſet ı5. o. 7. 34, & num, 5 dimidium femidiametri
terre fub zquatore 1640655 — 4 ped, 5 dig. ac porro ter-
tio hoc ipfum tempus, nimirum 13. 29. 36. 214 foret ad tempus,
quo ĩdem corpus vi fu gravitatis fimili motu defcenderet per fpa-
tium zquale dimidio mediocris lunæ a terra diſtantiæ feu 29.97 femid.
terrz,velutV {ad V 29.97 ſemid. terræ, vel ut v; ad V 9. 94, nempe
nm vu
in ratione ee — adeoque ED I. 44. 27. 59. 5%
aut quam proxime 1. 44- 28, & proin quarto tempus defcenfus lune
h
ad tempus defcenfus dati corporis per fpatia zqualia ut 4 8. 2.
38. 39 ad rs. 44. 28, ac quinto denique vis gravitatis lunæ ad vim
gravitatis dati corporis, ut quadratum temporis defcenfus hujus .
Aa3 ad
290 Theoria Lune.
ad quadratum temporis defcenfus illius, feu ut 1. ad 3592}, eo
quod, fi vires gravitatis corporum fint diverf, quadrata tempo-
rum defcenfus motu uniformiter accelerato per zqualia ſpatia fine
zadiproes» ut ipfe vires gravitatis, geadragnmı. autem temporis
„ ni
4.82 1. 38. 39 fit ad quadratum temporis 1. 44: 2} 28 ut 35923 ad 1;
ut itaque, five luna, & datum corpus terr® ponantur precife vi
ſuæ gravitads defcendere, five fimul circa centrum terre gyrari,
utringue eadem ratio virium gravitatis habeatur,
19. Quoniam ergo utrovis modo vires gravitatis June
cum viribus gravitatis corporis terreftris fub zquatore adeo con-
fpirant, ac perinde quoque, fi juxta communes leges virium gra-
vitatis aliorum corporum verfus fuum centrum, uti Planetarum
verfusfolem, fatellitum Jovis verfus Jovem &c, gravitantium
mediocris lun® a fuo centro diftantia determinetur , prout per
prima quatuor problemata factum, hzc eadem quam proxime,
congruit cum ea, qu& vi quinti problematis parallaxi June debe-
tur, & in fuper, licet de ipfius quoque hujus parallaxeos deter-
minata quantitate nondum fatis conftet, eadem mediocris diftan-
tia per parallaxin inventa a vera eo minus abefle poteft, quo ma-
gis parallaxis veræ accedit, que inter variantes, quibus tamen
ut plurimum tribui potelt, media accipitur, prout ibid, nempe
num, 8 factum, profecto vix dubio locus ſupereſſe poteft, quod
non tantum luna & corpus terræ fub zquatore quoad fuas vires
gravitatis eodem modo confpirent, prout Planet® inter fefe, uti
& tam Jovis, quam Saturni fatellites, fed etiam, quod ea ipfa
mediocris lunæ diflantia, que five per quartum, five per quin-
tum — determinata fuit , veræ quam proxima fir.
20 Quod vero hæe ita fe habeant, infuper oftendit New-
tonus in fuis principüs mathematicis Philofophi@ naturalis, &
a
1
ul Ze u
Theoria Lunæ. sor
quidem primo per propofitionem 71 theorem. 31 lib. I,, quod
vis gravitatis (feu quod Newtono idem eft, vis attractionis) par-
tieule verfus centrum alicujus ſphæræ gravitantis & extra ſphæ-
ram conftitutz fit reeiproce proportionalis quadrato ſuæ diftanties
ab eodem centro, ac fecundo per propofitionem 73 theor.:33
lib. I., quod fimilium particularum extra fpheram ita gravitan
tum, fi jam eandem fpheram conflituant, vires gravitatis intra
ſphæram fint proportionales fuis ab ejusdem centro diftantüis, ſi-
quidem fphzra conftet ex ah homogeneis & — CON-
denfatis,
21. Unde igitur, fi terra eſſet ſphærica & homogenea,
merito quæcunque ejusdem extrema corpora ſine ſelectu cum luna
extra eandem conſtituta & verſus eam ipſam gravitante quoad
gravitationem in defcripta ratione comparari poſſent, per quam
nempe forent relate ad invicem reciproce in ratione duplicata
diftantiarum ab illius centro, idque ex eo quoque capite, quod
hoc principium, quoad utramque partem, nimirum tam quoad
gravitationem corporum ab invicem fejunetorum, quam conjun-
&torum per ipfam experientiam perquam idonee comprobetur:
fic, cum gravitas, prout per pendula exploratur , fit ut ipfa lon-
gitudo pendulorum, fi tempora fingularum ofeillationum fuerint
«qualia, per obfervationes autem prope æquatorem in regione
Quitenfi circa gravitatem factas (prout habet D. Bouguer in de-
feriptioue earum obfervationum) longitudo penduli ad eam, qua
ofeillationes fierent in vacuo, redufta uno minuto fecundo unam
ofeillationem abfolventis in ipfa terre fuperficie proxime ad li.
bellam maris cozquata fuerit 43973 lin. ped, Paris., in monte
Pichincha vero haud adeo procul inde diftante ad altitudinem
1466 hexap. longitudo penduli 438.93 lin,, & denique ad altitu-
dinem 2434 hexap, longitudo penduli 438. 78, gravitas corporis-
inter-
F * 4
292 Theoria Lunæ.
intermedii , fi fuperficies terræ eo usque eſſet elevata, gravita-
tem corporis infimi, hujus diftantiam a centro ponendo 3281317
hexap. (num. 6) excederet „35 partbus, & vicifliim, fi idem cor-
pus intermedium pro fua ab infimo diftantia ab ipfa fuperficie
terræ eflet penitus remotum, ejus gravitas minor foret gravitate
infimi „32 partibus: quod fi ergo, licet mons ifte folus quoad
ſubjectam terram in ordine ad gravitatem per cohzrentiam par-
tium augendam exiguam rationem haberet, faltem ob catenam
aliorum montium inde porrectorum demus augmentum gravitatis
corporis intermedii efle quartam partem totius feu „3,adeoque
ipfam gravitatem elle 439. 26, & vicifim diminutionem gravita-
tis, ob ejusdem corporis a ek terra diftantiam, itidem quarta '
parte minorem elle feu „35, per quam proin gravitas; qu& per
augmentum foret 439. 26, eflet 438. 96, ita, ut, dum eadem
per obfervationem fuerat 438. 93 , gravitas per memorata princi-
pia determinata ab obfervata non nifi „> partibus differret, qua-
lem differentiam fpedtatis omnibus profe&to nemo curabit. Quo
eodem modo, fi gravitas fupremi corporis determinetur , eadem
foret 438. 80, ubi per obfervationem erat 438, 78, ut itaque
premiffa merhodus’ gravitatem June & diftandiam cum corpore in
fuperficie terræ comparandi ac definiendi ratione ſatis manĩſeſta