en ware, ig 2, De er ARDRRD an u ii BAR Y er RER D KW ya Hl ? in Di wur‘ Al Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu. Derlın. — > ı; “ Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 1829. —uan ana. Nebst der Geschichte der Akademie in diesem Zeitraum. Berlin. Gedruckt in der Druckerei der Königlichen Akademie der Wissenschaften. 1832. In Commission bei F. Dümmler. im haare Historische Einleitung ........ ee he A ertee Eee SIEBERT. Seite I Verzeichnils der Mitglieder und Correspondenten der Akademie... . 2... N, HELV Abhandlungen. Physikalische Klasse. EHRENBERG: Die geographische Verbreitung der Infusionsthierchen in Nord - Afrika und West-Asien, beobachtet auf Hemprich und Ehrenbergs Reisen Seite 1 Derselbe über das Pollen der Asclepiadeen; ein Beitrag zur Auflösung der Anoma- lien in der Pflanzen-Befruchtung .. . . u... 0. 2 uoon oc. - 21 ErMAN: Beiträge zur Monographie des Marekanit, Turmalin und brasilianischen Topas in Bezug auf Elektrizität... .....0c0r0r000. ne Hl NVEETSSpubeudeneElaytoxit een ee ee ee - 63 Derselbe über die herzförmig genannten Zwillingskrystalle von Kalkspath, und ge- wisse analoge von Quarz oe. cum se nacsceneeeeeene Ri, Derselbe über das Dihexa@der, dessen Flächenneigung gegen die Axe gleich ist sei- nem ebenen Endspitzenwinkel; nebst allgemeineren Betrachtungen uber Inyentirunoskörper = u. er ae ee ea ee ee - 689 Lisk über das Cyrenäische Silphium der Alten... 2... 2.2.2220 r0000. ee U) ROSENTHAL über die Barten des Schnabel-Walfisches (Balaena rostrata) ... .. - - 127 RUDOLPHI über Balaena longimana . .... 2... eecerererennn nn - 133 Mathematische Klasse. CRELLE: Beweis, dafs die numerischen Werthe der Wurzeln algebraischer Glei- chungen immer durch p-+g Y— 1 ausgedrückt werden können, wenn p und g reelle Gröfsen bezeichnen . ....... ERDE ... Sate 1 Derselbe: Einiges zur Theorie der Potenzen ..... 2... ereeeeeennene - 13 FiscHEr: Versuch einer logischen Analyse von dem Begriff des Unendlichkleinen .. - 29 POSELGER über Aristoteles Mechanische Probleme ...... 2.2.22... 200e. EncKE über den Cometen von Pons (Erste Abhandlunw)Eense ee ee. Derselbe über die geographische Länge und Breite der Berliner Sternwarte . . . . DirKsEN über die Summe einer nach den Sinussen und Cosinussen der Vielfachen eines Winkels fortschreitenden Reihe. .....:. 2.2 .2.... Ar: Historisch-philologische Klasse. W. v. HUMBOLDT über die Verwandtschaft der Ortsadverbien mit dem Pronomen in einigen Sprachen 2.0. .:.. ne nalen arena ee $ Bopp: Vergleichende Zergliederung des Sanskrits und der mit ihm verwandten Spra- chenuVnerter\bhandlun)E area ee ee ae IDELER über das Alter der Runenkalender ......... EEE e UHDEN über die thönernen Todtenkisten der Etrusker ... 2.2.2.2 2 nee... WILKEN über die Verhältnisse der Russen zum Byzantinischen Reiche in dem Zeit- raum vom neunten bis zum zwölften Jahrhundert... . . Rırter über Alexander des Grolsen Feldzug am Indischen Kaukasus . . . . Seite 1 Jahr 04829: u ee 24. Januar hielt die Königliche Akademie der Wissenschaften ihre öffentliche Sitzung zur Feier des Jahrestages Friedrichs des Zweiten. Dieselbe wurde durch die Gegenwart Ihrer Kö- niglichen Hoheiten des Kronprinzen und der Prinzen Karl und Albrecht verherrlicht. Der Sekretar der physikalischen Klasse, Herr Erman, eröffnete die Sitzung und legte das so eben erschienene, aus den Denkschriften der Akademie vom Jahre 1826 besonders abgedruckte, Werk ihres auswärtigen Mitgliedes, des Herrn Professor und Ritter Bessel vor, des Titels: ‚Untersuchungen über die Länge des einfachen Sekunden-Pendels.” Sodann gab der- selbe im Auftrage der Akademie einen vorläufigen Bericht über die vom Herrn Dr. Erman, Mitgliede der Königsberger und Moskauer naturforschenden Societäten, auf seiner Reise durch Nordasien an- gestellten Forschungen über Geographie, Meteorologie, Klimatolo- gie und Magnetismus. Hierauf las Herr von Buch über die zer- streuten Blöcke fremder Formationen, und Herr Weifs über das Vorkommen von Elephanten- und Mammuths- Knochen in der Mark Brandenburg, und namentlich in der nächsten Umgebung von Berlin, mit Vorzeigung der ausgezeichnetsten Exemplare. Die öffentliche Sitzung am 3. Julius, dem Leibnitzischen Jahrestage, eröffnete Heır Encke, Sekretar der mathematischen Klasse, wobei er die im verflossenen Jahr erfolgte Erwählung des Herın Freiherrn von Hormayr in München und Hamaker in Leyden zu Correspondenten der historisch - philologischen Klasse der Akademie bekannt machte. Der Sekretar der physikalischen Klasse, II Herr Erman, zeigte an, dafs die Klasse den Termin zur Beant- wortung der im Jahr 1827 gegebenen Preisfrage, über die Klas- sifikation der Insekten-Larven, noch auf die folgenden zwei Jahre hinaus bis zum 31. März 1831 zu verlängern beschlossen habe. Hierauf las Herr Wilken über das Verhältnifs der Byzan- tiner zu den Russen, und Herr Ritter über Alexanders Heereszug nach Indien. Die öffentliche Sitzung am 3. August zur Feier des Geburts- tages Sr. Majestät des Königs eröffnete der Sekretar der philosophi- schen Klasse, Herr Schleiermacher. Hierauf lasen Herr Uhden über die thönernen Todtenkisten der Etrusker, Herr Wilken über . die Partheyen der Rennbahn, vornemlich im Byzantinischen Kai- serthum, und Herr Encke über die Länge von Berlin. Für das chemische Laboratorium unter Leitung des Herrn Professor Mitscherlich sind in diesem Jahr 452 Thlr. 15 Sgr. angewiesen worden. Dem Herrn Professor Gerhard in Rom wurde zur Heraus- gabe seiner Abbildungen etruskischer Denkmäler eine Unterstützung von 700 Thalern bewilligt. Im Jahr 1529 wurden von der Akademie erwählt zu Gorrespondenten der physikalischen Klasse: Herr J. E. Pohl in Wien. - J. F. Eschscholtz in Dorpat. - P. Berthier in Parıs. der mathematischen Klasse: Herr ©. G. J. Jacobi in Königsberg. - A.F. Möbius in Leipzig. - Flauti in Neapel. der historisch -philologischen Klasse: Herr Freiherr von Hormayr in München. - Hamaker in Leyden. - Freytag in Bonn. - Kosegarten in Greifswald. - OF. Neumann in München. —_— mann Verzeichnils der Mitglieder und Correspondenten der Akademie. December 1829. I. Ordentliche Mitglieder. Physikalische Klasse. Herr Hufeland. Herr /Veiß. - Alexander v. Humboldt. - Link, auch Mitglied der philosophischen Klasse. - Hermbstädt. - Seebeck. - v. Buch. - Mitscherlich. - Erman, Sekretar d. Klasse, auch Mitgl. d. philos. Kl. - Karsten. - Rudolphi. - Ehrenberg. - Lichtenstein. Mathematische Klasse. Herr Grüson. Herr Encke, Sckretar der Klasse. - Eytelwein. - Dirksen. - Fischer, such Mitglied der physikalischen Klasse. - Poselger. - Oltmanns. - Crelle. Philosophische Klasse. Herr Ancillon. Herr v. Savigny. - ‚Schleiermacher, Sekretar der Klasse. Alle drei auch Mitglieder der historisch-philologischen Klasse. Historisch-philologische Klasse. Herr Hirt, Veteran. Herr Böckh. - Wilhelm v. Humboldt. - Bekker. - DUhden. - Wilken. - Schleiermacher, iaterimist. Sckretar der Klasse. - Ritter. - Niebuhr, auch Mitglied der philosophischen Klasse. - Bopp. - Ideler. p. Raumer. II. Auswärtige Mitglieder. Physikalische Klasse. Herr Arago in Paris. Berzelius in Stockholm. Blumenbach in Götlingen. Cuvier ın Paris. Herr Jussieu in Paris. - ‚Scarpa in Pavia. Sömmerring in Frankfurt am Main. Mathematische Klasse. Herr Bessel in Königsberg. Herr Gaufs in Göttingen. Philosophische Klasse. Herr v. Göthe in Weimar. Historisch-philologische Klasse. Herr Gottfried Hermann in Leipzig. Silvestre de Sacy in Paris. Herr 4. IV. v. Schlegel in Bonn. III. Ehren-Mitglieder. Herr ©. F. S. Freih. Stein vom Altenstein in Berlin. Imbert Delonnes in Paris. Dodiwell in London. Ferguson in Edinburgh. Sir /Filliam Gell in London. Herr /Villiam Hamilton in Neapel. v. Hisinger auf Köping in Schweden. Graf v. Hoffmansegg in Dresden. “ © Colonel Leake in London. Lhutlier ın Genf. v. Lindenau in Dresden. Herr v. Zoder in Moskau. Gen. Lieut. Freih. v. Minutoli in Berlin. Gen. Lieut. Freih. v. Müffling in Berlin. Prevost ın Genf. Freih. v. Schlotheim in Gotha. Freih. ». Stein in Nassau. Graf v. Sternberg in Prag. Fr. Stromeyer in Göltingen. v. Zach in Paris. ba vI Herr Herr IV. CGorrespondenten. Für die physikalische Klasse. Accum in Berlin. Ampere in Paris. Autenrieth in Tübingen. Balbis in Lyon. Elie de Beaumont in Paris. P. Berthier in Paris. Biot ın Paris. Brera in Padua. Brewster in Edinburgh. Alexander Brongniart in Paris. Robert Brown in London. Caldani in Padua. De Candolle in Genf. Carus in Dresden. Configliacchi in Pavia. Dalton in Manchester. Des Fontaines in Paris. Dulong ın Paris. Eschscholtz in Dorpat. Florman in Lund. Freiesleben in Freiberg. Gay -Lussac ın Paris. Gmelin in Heidelberg. Hansteen in Christiania. Hausmann in Göttingen. Hellwig in Braunschweig. Herschel in Slough bei Windsor. Jameson in Edinburgh. Für v. Bohnenberger in Tübingen. Bürg ın Wien. Carlini in Mailand. Flauti ın Neapel. de Fourier in Paris. Herr Kielmeyer in Stutigard. v. Krusenstern in St. Petersburg. Kunth in Paris. Larrey in Paris. Latreille in Paris. DMohs in Wien. v. Moll in München. pyan Mons in Brüssel. Nitzsch ın Halle. Oersted in Kopenhagen. v. Olfers in Berlin. Pfaff in Kiel. Pohl in Wien. J. C. Savigny in Paris. ‚Schrader in Göttingen. Marcel de Serres in Montpellier. C. Sprengel in Halle. v. Stephan in St. Petersburg. Tenore in Neapel. Thenard in Variıs. Tiedemann in Heidelberg. Tilesius in Mühlhausen. Treyiranus d.ält. in Bremen. Trommsdorf in Erfurt. Wahlenberg in Upsala. E.H.IVeber in Leipzig. Wiedemann in Kiel. die mathematische Klasse. Herr C. G. J. Jacobi in Königsberg. Ivory in London. Legendre in Paris. Möbius in Leipzig. Olbers in Bremen. vı Herr Oriani ın Mailand. Herr Schumacher in Altona. - Poisson in Paris. - HWoltmann in Hamburg. - de Prony in Paris. Für die philosophische Klasse. Herr Degerando in Paris. Herr Fries ın Jena. - Delbrück in Bonn. - Ridolfi in Padua. Für die historisch -philologische Klasse. Herr Avellino in Neapel. Herr Jomard in Paris. - Beigel in Dresden. - v. Köhler in St. Petersburg. - Böttiger in Dresden. - Kosegarten in Greifswald. - Bröndsted in Kopenhagen. - Kumas in Smyrna. - Cattaneo in Mailand. - Lamberti in Mailand. - Graf Clarac in Paris. - v. Lang in Anspach. - Freytag in Bonn. - Letronne ın Paris. - Del Furia in Florenz. - Linde in Warschau. - Gesenius in Halle. - Mai ın Rom. - Göschen ın Götlingen. - Meier in Halle. - Jac. L. C. Grimm in Cassel. - K.O. Müller in Göttingen. - Halma in Paris. - Aünter in Kopenhagen. - Hamaker in Leyden. - Mustoxides in Corfu. - v. Hammer ın Wien. - Neumann in München. - Hase in Paris. - Et. Quatremere in Paris. - Heeren in Göttingen. - JAbel- Remusat in Paris. - van Heusde in Utrecht. - Schömann in Greifswald. - v. Hormayr in München. - Simonde-Sismondi in Genf. - Jacobs in Gotha. - Thiersch in München. AAN [2 zul \ 114 N u u “ en Im Jahr 1829 sind folgende Mitglieder der Akademie gestorben : I. Ordentliche Mitglieder der historisch - philologischen Klasse: Herr Zuttmann, Sekretar der Klasse. - Süvern. II. Auswärtiges Mitglied der physikalischen Klasse: Herr Zumphry Davy in London. IH. Ehren-Mitglied. Herr Graf Daru in Paris. IV. Gorrespondenten der physikalischen Klasse: Herr Fauguelin in Paris. der historisch - philologischen Klasse: Herr Dobrowski in Prag. - B.Trhorlacius in Kopenhagen. ———— man nm e - IKT er. m En IR sariissi analttaaı ti \ ‚ i Me 3 u u ö seit Te ae ı er E UI EEE ER di IR: ar Ar due or YA En ah j . Eu = DE ze RE > | u Zr—ı rt u reg > N ee A Br N u. = . u u 4 i i Fe ZE 3 . . a. . i Abhandlungen der physikalischen Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. zsananan anne Aus dem Jahre 1929. saaaaan ann anne Berlin. Gedruckt in der Druckerei der Königl. Akademie der Wissenschaften. 1832. Inhalt. ann EHRENBERG: Die geographische Verbreitung der Infusionsthierchen in Nord - Afrika und West-Asien, beobachtet auf Hemprich und Ehrenbergs Reisen Seite 1 Derselbe über das Pollen der Asclepiadeen; ein Beitrag zur Auflösung der Anoma- lien in der Pflanzen-Befruchtung ...... 2-2. 2c ren 00. - 21 ErMman: Beiträge zur Monographie des Marekanit, 'Turmalin und brasilianischen Topas INIBeRuUSsaum lektnizrtat ee ee are: - 4 VVEISSSUDer/den? Haytorits ecke ee nee che ee app areas - 63 Derselbe über die herzförmig genannten Zwillingskrystalle von Kalkspath, und ge- Wis seBanaloB envonW (anzu Se El Derselbe über das Dihexaöder, dessen Flächenneigung gegen die Axe gleich ist sei- nem ebenen Endspitzenwinkel; nebst allgemeineren Betrachtungen übersinverlinungskorperse ser ea ee ee eg - 89 Link über das Cyrenäische Silphium der Alten. .... 2.22.2220 ree0e00. - 115 ROSENTHAL über die Barten des Schnabel-Walfisches (Ralaena rostrata) ...... - 127 RUDOLBar über Dalnenatlongimana. .... u. eeeeee une neue ker - 133 — | —— nun j . - - . ii Wal . x tee n * e ha Treten yenlerien Fon aaa eat ’ ae re rege Tas nie . ame hi erlernen a ab ee area 2 ı- SEE ee Er ee ae ee 21 ana = din ur FH . . POTT IR ih Ki -° IB > - u. Ms 2a derenn. ent: eu 3 han li Por N kelay TRETEN Te in Fin A PET j ww: a ea nen AO reihe - ee NT ch Fler ah ee WOSLHNbeHE a an gi ee EL WE — cum ee ae en erhe ee (Hl B-Ware sure a Se a ee ee ar > ehr aaa ee ee Ada sei Bu RR 4 ” u N “ . ER 3 een ee Fee At aa Fe a ef j - R 6, = R . i nn | ’ . # . i . a u x E + ’ = . ’ \ i 5 Die geographische Verbreitung der Infusionsthierchen in Nord - Afrika und West- Asien, beobachtet auf Hemprich und Ehrenbergs Reisen, mitgetheilt von H”- EHRENBERG. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 10. Januar 18283.] Kl die wissenschaftlichen Aufgaben, welche ich mir bei meinen, auf Veranlassung und durch Unterstützung dieser Akademie mit Dr. Hemprich gemachten Reisen in Afrika und Arabien zu lösen vorgenommen hatte, ge- hört auch die der geographischen Verbreitung jener kleinsten Organismen, welche unter dem Namen der Infusionsthierchen bekannt sind, und ich wähle diese erste, bisher nie in andern Welttheilen aufmerksam beachtete Stufe der organischen Bildungen zum ersten zoologischen Gegenstande mei- ner Mittheilungen. Im gewöhnlichen Leben hat man freilich für diese Thierchen, die man mit blofsem Auge nie, oder doch nie deutlich sieht, wenig Interesse, allein dies ist nur eine Folge der Unbekanntschaft mit den- selben. Das Interesse für sie wächst immer mehr, je specieller man ihre Existenz und Eigenthümlichkeiten ins Auge fafst. Schon Leuwenhock berechnete, dafs in der männlichen Milch eines einzigen Fisches, in der niedrigst zu stellenden Zahl, sich mehr Lebendiges finde, als die Gesammt- zahl der Menschen auf der Erde dreifsig mal genommen beträgt. Ich selbst erkenne Monaden, welche ein I; bis 4; ben, und so dicht gedrängt bei einander leben, dafs ihre Zwischenräume einer Linie im Durchmesser ha- kaum gröfser sind als ihre Durchmesser. Es läfst sich leicht berechnen, wie viel ein einziges 2 Fufs tiefes Wassergefäfs mit längere Zeit ruhig stehen- dem Wasser, wie wir z. B. dergleichen zum Feuerlöschen bei den Woh- nungen sehen, deren unter den nöthigen Bedingungen enthalten müsse. Jede Phys. Klasse 1829. A: 2 EmnengerGg: die geographische Ferbreitung Cubiklinie wird, nimmt man sie auch nur zu {; ihres Raumes, mit Thierchen erfüllt, 500 Millionen, jeder Cubikzoll aber über 800,000 Millionen Thier- chen enthalten. Sind in jenen Wassergefäfsen 6 Cubikfufs Wasser, so be- stehen diese aus 10368 Cubikzollen, oder fast 18 Millionen Cubiklinien, und da in jeder einzelnen derselben 500 Millionen Thierchen leben, so enthält jener Raum 9000 Billionen lebendiger Wesen, und ein einziger davon unter das Microscop gebrachter, eine Cubiklinie grofser Tropfen enthält deren 500 Millionen, gerade soviel als es den nicht überschätzenden Berechnungen zu- folge, Menschen auf der ganzen Erde giebt. Man denkt sich nun die Zahlen der lebendigen Körper eines stagnirenden Grabens, man denkt sich mit die- sem Leben im Sommer dicht erfüllte Teiche und Seen, und endlich beachtet man, dafs zwei Drittheile der Oberfläche unseres Erdkörpers von Wasser bedeckt wird, welches, wie in der neuern Zeit die Beobachtungen des Capi- tains Scoresby wieder bestätigen, selbst als Ocean häufig fähig ist, die Ent- wicklung ähnlicher Organisationen zu begünstigen, so erhält man, auch bei höher angenommenen Gröfsen und Zwischenräumen dieser Thiere, ein Re- sultat, welches die Masse des organischen Lebens als unermefslich und für den Ausdruck unerreichbar fühlen läfst, aber jenes unscheinbare, nur dem bewaffneten Auge des Naturforschers sichtbare, in zahlioser Menge ver- streute Leben erhält auch die Bedeutung, welche sie zu einem besonders würdigen Gegenstande einer wissenschaftlichen Forschung erhebt. Die Wichtigkeit der Erforschung und fortdauernden Beachtung der Formen und Bedingungen dieser zahllosen Menge unserm gewöhnlichen Ge- sichtskreise unerreichbarer lebendiger Wesen, welche die Zahl der sichtbaren so unendlich übersteigt, wie die Sternenzahl der Milchstrafse des Himmels die dem gewöhnlichen Auge offen liegenden Sterne ins Unzählbare übertrifft, und deren Existenz für die Öconomie der Natur vom entschiedendsten und gröfsten Einflufs sein mufs, ist auch seit den ersten Zeiten der Entdeckung des Microscops eingesehen worden. Denkende Gelehrte, denen die Erklä- rung der Lebenserscheinungen, die Auffindung ihrer Bedingungen und die 8 8 Feststellung des Begriffs des Lebens am Herzen lag, haben sich schon früh bemüht, das unter dem Schleier der Kleinheit verborgen wirkende riesen- hafte Leben ans Licht zu ziehen und genau zu beachten. In der neuesten Zeit ist man sogar vielseitig auf das Resultat gekommen, dafs hier wirklich die Werkstätte der bildenden Natur, der Anfang und das Ende aller Orga- der I nfusionsthierchen in Nord- Afrika und West- Asien. 3 nismen sei. Alles Organische soll in diese Monaden wieder zerfallen, ohne je zu sterben, und aus diesen unsichtbaren und unscheinbaren Infusorien soll sich durch Verschmelzen mehrerer zu gröfseren Formen allmälig alles Orga- nische bilden, selbst der Leib des Menschen soll ein Haufe solcher Mona- den sein. Ohne mich dieser, nicht der Beobachtung, speculativen Philosophie angehörigen Meinung anzuschliefsen, habe ich mit sondern der vorgreiffenden dieser Einleitung und Erinnerung an bekannte Meinungen und Verhältnisse nur den Gesichtspunkt bezeichnen wollen, aus welchem, was ich vorzutragen gedenke, hervorgegangen, und es ergiebt sich aus derselben neben der all- gemeinen physiologischen Wichtigkeit des Gegenstandes, noch die besondre Wichtigkeit der Beantwortuug der Frage: ‚Ob die Formen der Infusionsthierchen, welche bei uns die Gewässer „ins Zahllose erfüllen, und demgemäfs den Urstoff der organischen ‚„‚Schöpfungen bilden sollen, in allen Welttheilen dieselben sind, oder „ob mit der Verschiedenheit der gröfsern Naturkörper nach den Cli- „‚maten, auch eine Verschiedenheit der kleineren Lebensformen beob- ‚„‚achtet werde, welche letztere denn einen Zusammenhang mit den „ersteren haben könnten.” Je angelegentlicher ich mich demgemäfs mit dem angegebenen Gegen- stande beschäftigt habe, desto gröfser fand ich aber die Schwierigkeiten, zu befriedigenden Resultaten zu gelangen, welche besonders darin lagen, dafs ich immer mehr einsah, dafs die bisherigen systematischen Formbestimmun- gen der Infusorien viel zu wenig auf richtigen festen Grundsätzen beruhten, Dessenungeachtet habe ich die Beobachtungen fortgesetzt, und sie besonders auf zwei Gesichtspunkte gelenkt, indem ich auszumiiteln strebte, erstlich: ‚‚„Ob es in den heifsen Zonen Infusorien gebe, welche aller Widersprüche ‚„‚einer scharfen Kritik ungeachtet, sich als besondere, nur diesen „, Zonen angehörige Formen betrachten liefsen, und ob es ebenda Infuso- ‚„‚rienformen gebe, welche allen Anforderungen einer strengen Kritik gnü- „gend, sich als den europäischen ganz gleich erweisen liefsen; zweitens: ‚Ob in dem Thauwasser der afrikanischen Länder und Wüsten Infuso- ‚„‚rien vorkämen, welche mit mehr Bestimmtheit als die unsrigen, einer- „seits für eine plötzliche Entstehung aus Urstoffen, und andrerseits für „ein meteorisches Verhalten derselben sprächen. A2 4 Emkesperg: die geographische Verbreitung Um Genauigkeit zu erreichen, hatte ich mich neben einem zusammen- gesetzten Microscop mit einem Glasmicrometer versehen, und habe alle beobachtete Formen sogleich unter dem Microscop gezeichnet und ihre wirk- liche Gröfse dabei angemerkt. Waren sie farbig, so habe ich sie sogleich in derselben Farbe colorirt. - Bevor ich nun zu den gewonnenen Resultaten übergehe, will ich zuerst auf einige Nachrichten aufmerksam machen, welche Gmelin und franzö- sische Gelehrte über das Verhalten der Infusorien in andern Welttheilen schon gegeben haben, die jedoch, wie sich erweisen wird, in unsicheren Thatsachen oder allgemeinen Ausdrücken bestehen und das wissenschaftliche Bedürfnifs nicht befriedigen. Gmelin beschreibt im Systema Naturae zwei aufsereuropäische Infu- sorien, deren eine dem indischen, die andere dem atlantischen Ocean ange- höre. Diese beiden, der Gattung Yorticella zugeschriebenen Körper sind zwar schwerlich je zu entziffern, aber gewils ist, dafs sie weder Vorticellen noch Infusorien sind. Riche, ein junger thätiger Naturforscher, welcher mit d’Entreca- steau 1791 zur Aufsuchung Lapeyrouses in See ging und dann bald starb, theilte nach einer Bemerkung in Schweigger’s Handbuche der Naturgesch. der skeletlosen Thiere p. 261. mit, dafs die Infusorien des Südoceans denen von Europa gleich wären, allein er scheint sie nicht so speciell beachtet zu haben, dafs er den Formen hätte systematische Namen beilegen können, we- nigstens sind diese nicht bekannt geworden, und somit sind seine Beobach- tungen nicht geeignet, etwas mehr festzustellen, als dafs es im Südocean ebenfalls Infusorien gebe. Herrn Georg v. Cuviers sehr ehrenvolle Eloge des geistreichen und eifrigen jungen Naturforschers, findet sich im ersten Bande der Rapports des travaux de la societe philomatique. Ex war vor Antritt seiner Reise in Paris einer der Gründer und Secretair dieser gelehrten Ge- sellschaft gewesen, und hatte sich auch mit Infusorienbeobachtungen in Paris beschäftigt, die er der Gesellschaft vorgetragen hat, von denen aber nichts gedruckt ist. Andere Nachrichten gleicher Art theilte Bose über seine in Nord-Ame- rika angestellten Beobachtungen im Jahre 1802 mit. Sie finden sich im Dictionnaire d’histoire naturelle par Deterville, und wurden in Carolina ge- macht. Der Verfasser dieser Nachricht spricht ebenfalls von den Infusorien der I nfusionsthierchen in Nord- Afrika und West- Asien. 5 im Allgemeinen, nennt aber nur drei beobachtete Formen, und bei einer genaueren Kritik ergiebt sich, dafs eine derselben vielleicht (wie Bory de St. Vincent im Diet. Classique article Silurella wohl richtig erkannt haben mag) eine flüchtig mit der Feder gezeichnete Larve eines Zntomostraci ist. Bosc nannte diese Form Cercaria cornuta, und Bory de St. Vincent hatte sie früher als eigene Infusorien - Gattung Silurella Boscil genannt und einen ähnlichen Irrthum begangen. Eine zweite amerikanische Form ist For&- cella doliolum Bosc. Auch die Charactere dieser Form lassen sich nicht an- geben. Die Figur ist, wie die erste, sehr flüchtig entworfen, und gar nicht geeignet, auf eine Schärfe der Beobachtungen hinzudeuten, wie sie jetzt nö- thig erscheint. Die dritte Form ist nicht gezeichnet, nur genannt als Rot- ‚fere, und kann mithin eine Art der Gattung Rotifer, aber auch eine andere Gattung der Räderthiere gewesen sein. Aus diesen wenig bestimmten und einigen noch unbestimmteren Beobachtungen zieht Herr Bosc pag. 186. jenes Buches das Resultat, dafs die kleinen Infusorien überall dieselben sein müs- sen, dafs aber die gröfseren in heifsen Erdstrichen ohne Zweifel oft ver- schieden sein mögen, wobei er sich auf seine Erfahrungen bezieht. Auf ähnliche Weise spricht sich, ohne auf seine Vorgänger Rücksicht zu nehmen, Bory de St. Vincent im Diet. Classique article Geographie pag. 254. aus. Er behauptet dieselben Naviewla-, Cercaria- und Folvox- Arten während des französischen Feldzuges in Rufsland im Wasser des Nie- men und auf seinen Reisen in Ile de France gesehen zu haben, ohne jedoch eine dieser Formen mit systematischen Namen zu bezeichnen. Die Unzu- länglichkeit der Reisebeobachtungen scheint der Verfasser dieser Nachrichten durch Infusionsversuche mit organischen Substanzen aus verschiedenen ent- fernten Landstrichen, die er in Paris angestellt hat, haben ergänzen zu wol- len. Es war aber von diesen nicht zu erwarten, dafs sie ein anderes Resultat, als die bekannten Pfeffer- und Zimmetaufgüsse u. s. w. schon ergeben hatten, liefern würden. Jedoch versichert Herr Bory, in jedem verschiedenen Auf- gusse eine Mehrzahl (un petit nombre) eigenthümlicher Thierarten entdeckt zu haben. Die Mittheilung der speciellen Ergebnisse ist bis jetzt noch nicht erfolgt, und jenes widerspricht meinen Erfahrungen über Infusorien ganz. Es ist noch eine auf geographische Vertheilung der Infusorien Bezug habende Beobachtung zu erwähnen übrig, welche Chamisso auf Kotze- 5) bue’s Weltumseglung (1815) im hohen Meere in der Nähe der brasiliani- 6 Ennesvene: die geographische Verbreitung schen Küste machte. Eysenhardt und Chamisso beschreiben (1820) das damals erkannte, das Meer grün färbende Thier als Paramaecium oceanicum. Die Form dieses Thieres pafst nicht übel zur Form der Cercaria viridis, in deren Nähe es wohl gehören mag. Die Gattung Paramaecium ist anders zu umschreiben, als es Müller that, und dann umfafst sie bestimmtere Formen, wozu diese nicht leicht gehören kann. Der gespaltene Hintertheil der Cerca- ria viridis bei Müller beruht auf optischer Täuschung, wie auch beim Dra- chionus uncinatus, und stört daher die Vergleichung nicht. N. 4. Nat. C. X. Ich gehe nun zu den eigenen Erfahrungen über. Infusorienbeobachtungen wurden von mir zuerst in der libyschen Wüste an allen den Orten wiederholt, wo wir Ruhetage machten; zuerst in Dscheil el achterie bei Alexandrien. Diese ersten Beobachtungen, wovon ich nur Zeichnungen gemacht, und dabei die Maafse angegeben hatte, sind verloren gegangen, doch glaube ich, alle damals beobachtete Formen in Siwa wiedergefunden zu haben. In den Brunnen bei Abusir, in Schmeime, in Medsched, bei Kasr eschdaebie, in Wadi dachan und in Bir Audscherin fand ich in dem Wasser, welches wir tranken, zuweilen Monas atomus Müll. und Monas glaucoma, eine bisher nicht beschriebene Art. Aufser diesen, durch Verlust der Papiere unvollständigen, aber nicht gerade besonders ein- flufsvollen Beobachtungen, habe ich noch an einem Orte des adriatischen Meeres, und überdiefs an zehn andern, theils afrikanischen, theils arabi- schen Orten Beobachtungen angestellt, und davon Zeichnungen und schrift- liche Bemerkungen glücklich mitgebracht. Wir beohachteten nämlich: 1. Bei Cattaro im adriatischen Meere ................. 1 Form. 2. Bei Alexandrien im Mittelmeere der libyschen Küste 3 Formen. 3. Bei Siwa in der Oase des Jupiter Ammon .......... 8 4. In Bulak bei Cahira in Ägypten in sumpfigem Nil- WASSEr. %r Aeksten sich ii Silke Dante ers lO 5. In Sues am rothen Meere im Seewasser vueeseeseene. 2 6. In Tor am rothen Meere im Seewasser, in Brunnen- wasseriund in Aufgussenrit.issasen biunnenshpn 0 he et 7. In Conferven, welche ich vom Sinai-Gebirge aus dem Bache des Thales Wadi Esle frisch nach Tor mit- rabnıelen eele der Infusionsthierchen in Nord- Afrika und West- Asien. 7 8. In Suckot in Nubien im stagnirenden Nilwasser ..... 2 Formen. OA der Nilinsel Arso in Dongala .wilaussnan.sune. 3 Ze 10. In der Festung Dongala gedid (Neu-Dongala, dersel- ben, zu deren Anlegung ich dem türkischen Gou- verneur den Plan entwerfen und zeichnen mufste) im Nilwasser ..... ER EEE ER NE TER) 11. Auf der Insel Massaua bei Habessinien im Meerwasser 14 Form. 64 Formen. Diese 64 beobachteten Formen reduciren sich systematisch auf 57 ver- schiedene Arten, welche, die einzige bei Cattaro ausgenommen, sämmtlich theils subtropischen, theils tropischen Gegenden angehören. Die 4 letzten Beobachtungspunkte, von Suckot an, gehören Erdstrichen jenseit des nörd- lichen Wendekreises gegen den Äquator hin an, und da die 28 in Tor am Sinai beobachteten Formen auch dem Wendekreise sehr nahe stehen, so gehören bei weitem die Mehrzahl, nämlich -, mehr den tropischen Gegenden an. Der wissenschaftliche Werth dieser 57 Thierchen ist folgender: Ein Theil derselben sind bereits bekannte europäische Formen, über deren Identität ich nach wiederholter Vergleichung der Maafse, Zeichnungen und Beschreibungen mit den bei Berlin lebenden Thieren weiter keinen Zweifel haben kann. Solcher Formen sind 10, nämlich: AncvıLLuna Jluviatllis. (Fibrio fluviatilis Müll.) Crosterıum Zunula Nitzsch. Korropa ceucullus Müller. Moxas atomus Müller. termo Müller. Pıramaecıun chrysalis Müller. Rorırer vulgaris Schrank. Tracnerıus /amella. (Kolpoda lamella Müller.) Virrio rugula Müller. VoRrTICELLA convallaria Müller. Ein anderer Theil der Formen sind solche, welche zwar als europäi- sche Thierarten noch nicht bekannt sind, die ich aber selbst, theils bei mei- s Ennesgeng: die geographische Verbreitung nen früheren Beobachtungen in Leipzig und Berlin, theils jetzt später wie- der in Berlin ebenfalls vorgefunden habe. Solcher Formen sind 4, nämlich: ANGUILLULA inflexa. nov. spec. CocconEMmA cistula. nov. Gen. Monvra adriatica. n. G. NavıcuLa fusiformis. n. sp. Endlich giebt es eine Anzahl von Formen, welche schon beschrie- benen, oder mir bekannten europäischen Thierarten zwar nicht ganz gleich erscheinen, aber doch entweder ihnen nicht so entfernt stehen, oder von mir nicht so genügend beobachtet werden konnten, dafs ich für rathsam hielte, ihnen eigene, von jenen festgestellten verschiedene Namen zu geben. Ich ziehe vor, diese als europäische Formen, obwohl mit Vorbehalt des Wunsches der gelegentlich von Reisenden zu wiederholenden Vergleichung, anzuerkennen, und ihre Namen nur mit einem Fragezeichen zu verschen. Solcher Formen sind 8, nämlich: Amsıyura serpentulus? (Fibrio serpentulus Müller.) CycLocuena elegans. n. G.? Diczena catellina? (Cercaria catellina Müller.) aurita. n. sp.? Excnerys pupa Müller. ? Icnrnyprum podura? (Cercaria podura Müller.) Monocerca Rattus? (Trichoda Rattus Müller.) Trienopa pyrum? (Kolpoda pyrum Müller.) Diesen übersichtlichen Zusammenstellungen zufolge sind unter den 57 beobachteten Thierarten 22 europäische und 35 afrikanische, oder un- gefähr nur {, der von mir in tropischen Gegenden beobachteten Infusorien- formen sind dieselben, welche wir in Europa, namentlich bei Berlin auch finden, dagegen aber sind 2, wenn nicht jenen Gegenden ganz eigenthüm- lich, doch bis jetzt in Europa noch nicht aufgefunden worden. der Infusionsthierchen in Nord- Afrika und IWVest- Asien. 9 Es ist im Übrigen bemerkenswerth, dafs unter den 57 Arten dieser Thiere nur 7 Formen sind, welche aufsereuropäischen Gattungen angehö- ren, dafs sämmtliche 7 einzeln in eben so viel besondere Gattungen zu stel- len sind, und dafs ich auch von keiner derselben anderswo mehrere Arten beobachtet habe. Alle übrigen Formen lassen sich zu bekannten oder von mir vorgeschlagenen europäischen Gattungen bringen. Die 7 neuen afrika- nischen Gattungen habe ich mit den Namen DISTIGMA, DISOMA, DISCOCEPHALUS, HYDRIAS, TYPHLINA, ZOOBOTRYON und ZOOCLADIUM bezeichnet. Wenn besonders solche Gattungen der Naturkörper die Länder cha- rakterisiren, welche viele Arten in ihnen zählen, so ist es merkwürdig, dafs ich an keinem der einzelnen Beobachtungspunkte von irgend einer Gattung mehr als zwei Arten finden konnte, und dafs bei Übersicht der Gesammt- heit der Beobachtungen nur die Gattungen Trichoda und Cyelidium, jede vier Arten; alle übrigen aber weniger, die meisten nur eine Art lieferten, und wenn auch zum Theil der Grund dieses Verhaltens darin liegt, dafs ich, um die Schärfe der Beobachtungen zu befördern, geneigter bin die Formen zu irennen als zu vereinen, so bin ich doch eben so entfernt, die erkannten kleinen individuellen Abweichungen der Naturkörper von gewissen Haupt- formen, welche wir Arten nennen, als selbstständige Formen zu betrachten, und habe mir nur durch lang fortgesetzte Beobachtungen die mit Thatsachen zu belegende Überzeugung erworben, dafs die Formenzahl der existirenden Infusorien, selbst bei uns, noch bei weitem nicht erschöpft sei, dafs es viel- mehr nur noch an einer festen Basis zu ihrer Systematik fehle. Ferner unterlasse ich nicht zu bemerken, dafs an keinem der als Be- obachtungspunkte angeführten Orte die angegebene Zahl der Infusorien den wahren Bestand der Formen in jenen Gegenden anzuzeigen geeignet sei. Oft konnte das Microscop nur ganz verstohlen aufgestellt werden, weil es die Aufmerksamkeit der Araber zu sehr auf sich zog, und wenn auch astrono- Phys. Klasse 1829. B 10 Enrengere: die geographische Verbreitung mische und geographische Beobachtungen durch dieselbe Neigung der eultur- losen Völker, die messingenen Instrumente, welche zu berühren und zu wie- gen ihnen verweigert wird, für Gold zu halten, gefährdet werden, so pflegt doch deren Zweck bei der Anwendung ihnen anschaulicher zu werden, als der des Microscopes es ist. Der Gedanke an Zauberei blieb allemal zurück, wo wir den Afrikanern die Wirkung des Instrumentes zeigten, und wir hat- ten oft Grund zur Vorsicht beim ernsten Gebrauch. An Orten, wo in dieser Hinsickt keine Störungen zu befürchten waren, gaben Mangel an Ob- dach bei starkem Winde, Reiseunruhe, Augenbeschwerden, anderweitige nicht zurückzustellende Beschäftigungen, ernstere Krankheiten, u.s.w. die Ursachen zur Abbrechung und Unterlassung solcher eine innere und äufsere Ruhe erfordernden Beobachtungen, so dafs ich überall die Überzeugung be- hielt, dafs länger fortgesetzte Beobachtungen bei gehöriger Ruhe eine noch weit gröfsere Zahl von Formen ergeben haben würden. Wenn ich noch wagen darf, aus der verhältnifsmäfsig nicht ganz dazu geeigneten Zahl der Beobachtungen weitere Resultate zu ziehen, so wäre vielleicht deren eines, die Formen zu bezeichnen, welche die gröfste geo- graphische Verbreitung rücksichtlich der nördlichen Breitengrade hatten. Unter diesen zeichnen vier sich aus, nämlich: ANGUILLULA fluviatilis. (Pitrio fluviatilis Müller.) Monas termo Müller. Monas glaucoma. n. sp. Paramaccıum chrysalis Müller. Anguillula fluviatilis fand sich in der Oase des Jupiter Ammon und am Sinai; Monas termo in der Oase des Jupiter Ammon und in Tor am rothen . Meere, wo ich sie sowohl im stagnirenden Seewasser als im Quellwasser des Sinaigebirges beobachtete. Monas glaucoma fand ich in der Oase des Jupiter Ammon und in Dongala. Paramaecium chrysalis fand sich in Bulak bei Cahira, auf der Insel Argo in Dongala und in der Festung Neu-Dongala. Es tritt hierbei besonders hervor, dafs die Mehrzahl dieser Formen, nämlich drei, auch in Europa allgemein verbreitet sind, während die vierte vielleicht nicht einmal durch recht wesentliche Charaktere von mir isolirt wird, was spätere Beobachtungen entscheiden müssen. der In ıfusionsthierchen in Nord- A frika und West- Asien. 11 Eins der von mir verzeichneten Infusorien, welches sich im Mittel- meer bei Alexandrien seltner, aber im rothen Meer bei Sues häufig fand, ist durch seine Gröfse merkwürdig. Es gleicht einem Fucus, und ist nicht sel- ten über ein Schuh grofs. Diese Gröfse gehört aber nicht eigentlich dem einzelnen Thiere, sondern der Verbindung mehrerer Tausend solcher Thiere, die an gallertartigen netzförmig verbundenen fortwachsenden Stielen sitzen. Die kleinen Thierchen, welche man leicht übersieht, sitzen in Trauben an den Spitzen der Zweige, und ihre Körper sind microscopisch wie die aller übrigen. Das Thierchen ist aus der Gruppe der Vorticellen, und ich habe es mit dem Namen Zoobotryon bezeichnet. Hieran schliefse ich nun eine Beobachtung über das Verhalten der In- fusionen, die ich in Tor am Sinaigebirge machte. Obwohl es in unserem Plane lag, eine Reihe von Versuchen dieser Art in Afrika mit gröfserer Sorg- samkeit und im Zusammenhange anzustellen, so waren doch an Orten wo wir uns längere Zeit aufhielten, die Umstände nie so günstig, dafs wir es hätten planmäfsig ausführen können. Das Sammeln, Beobachten und Be- schreiben der gröfseren Naturkörper der Umgegend, was nicht der Infusorien halber vernachläfsigt werden konnte, sammt Kränklichkeiten und Krankhei- ten verhinderten überall die Ausführung des Entschlusses, obwohl ich zu- weilen schon die Gefäfse aufgestellt hatte. Nur einmal gelang es mir, aber Oo ebenfalls mit Unterbrechung, eine Reihe von Versuchen zur Ausführung zu » bringen, es war während meines Aufenthaltes in Tor am Sinai, wo ich auf meines Freundes Dr. Hemprich’s Rückkehr von Alexandrien zur Reise nach Habessinien vergeblich wartete, und volle Beschäftigung an Beobachtung der herrlichen Formen der Corallenthiere fand. Gegen das Ende Octobers hatte ich vier Gläser an einem abgesonderten Orte im Corallenhause des Griechen Nicola Barmili aufgestellt, sie enthielten Brunnenwasser, Seewasser, kalten schwarzen Pfefferaufgufs und kalten Zimmtaufgufs. An den ersten zwei Ta- gen konnte ich bei Untersuchung mehrerer Tropfen nichts Lebendiges in denselben finden. Am zweiten Tage war die Oberfläche aller Wässer etwas staubig. Am dritten Tage zeigten sich bei zwei Wässern unter dem Staube der Oberfläche Monas termo und Cyelidium glaucoma?, es war im Brunnen - und Seewasser. Im Pfefferaufgufs waren dieselben Thiere, und überdies einzelne Ao/poda cucullus. Im Zimmtaufgufs war nichts zu entdecken, und ich bemerke sogleich, dafs ich binnen den 11 Tagen, wo ich die Beobach- B2 12 Enkesgerg: die geographische Verbreitung tungen ununterbrochen fortsetzen konnte, im Zimmtaufgufs nie Lebendiges beobachtet habe, doch bildeten sich Schimmelfäden an der staubigen Oberfläche. Von den übrigen drei Gläsern gaben das Brunnenwasser und der Pfefferaufgufs ebenfalls in den 11 Tagen keine weiteren, als die bereits an- gegebenen Resultate, nur wurden im letzteren die Kolpoden immer häufiger, und die Monaden schienen abzunehmen. Weit productiver als die zwei genannten war das Seewasser. Am vier- ten Tage erschien, aufser den Monaden und Cyclidien, Fibrio rugula, am achten Tage kamen dazu: Siylonychia cimex, Trachelius lamella und Disoma vacillans. Eine Reise auf das Sinaigebirge, welche 12 Tage dauerte, unter- brach nun die Beobachtungen, und nach der Rückkehr, am 22" November, fand ich alle Gläser ausgetrocknet, bis auf das gröfsere des Seewassers, in welchem die Stylonychia sich noch munter bewegte. Länger fortgesetzte Beobachtungen dieses Wassers zeigten keine neuen Formen, obwohl sein Verdunsten fast 2 Monate nöthig hatte. Das Resultat dieser Beobachtungen ist, dafs in stagnirendem Brunnen- wasser und Pfefferaufgufs sich nur europäische Infusorienformen zeigten, im stagnirenden Seewasser aber auch eigenthümliche. Ferner: dafs, wie in Europa, so auch in Arabien, Monaden im stehenden Wasser zuerst er- scheinen. Weitere Resultate wage ich aus meinen Beobachtungen nicht zu ziehen. Die specielle Beschreibung der sämmtlichen systematisch geordneten Formen, welche ich beobachtete, behalte ich mir für die Symbolas physicas von meinen mit Dr. Hemprich gemachten Reisen vor und übergebe der Akademie nur das übersichtliche Verzeichnifs derselben. Da durch Spallanzani’s bekannte Versuche die Idee der Pansper- mie, oder doch des Schwebens der Infusorien in der Atmosphäre begünstigt erschien, und auch Gleichens Beobachtungen von lebenden Infusorien im Schnee, der in der Stube schmolz, auf ein wirkliches Vorhandensein dieser Thierkörper in der Atmosphäre schliefsen lassen konnten, da ferner durch Herrn Alexander von Humboldt’s eben so geistreiche als gelehrte Zu- sammenstellungen noch eine ähnliche, aber neue Ansicht dadurch eröffnet wurde, dafs die Aufmerksamkeit auf die senkrecht aufsteigenden Strömungen der Atmosphäre hingeleitet wurde, durch welche zarte Naturkörper, theils der In ıfusionsthierchen in Nord- Afrika und West- Asien. 13 lebend, theils todt aus den Ebenen, Sümpfen und Meeren bis zu einer Höhe von 18000 Fufs unwillkührlich emporgetragen, und zum Theil auf den höch- sten Spitzen der Gebirge abgesetzt werden, zum Theil wieder in entfernte Ebenen herabsinken, so ergiebt sich dadurch das Interesse jener anderen Reihe meiner Versuche, von: der ich schon in der Einleitung gesprochen habe, und deren speciellere Resultate ich nun mittheilen will; es sind die Untersuchungen über das Verhalten der Infusorien im frisch gefallenen Thau, welche ich mir um so mehr zur Pflicht gemacht hatte, da die Akademie die- selben uns speciell aufgetragen hatte. Je mehr in unseren Gegenden allerlei Vorsichtsmafsregeln angewendet werden müssen, um nicht Feuchtigkeit und Infusorien, welche aus der näch- sten, überall mit Leben erfüllten, Umgebung stammen, als aus der Atmosphäre kommend anzusehen, und mithin falsche Resultate zu erhalten, desto ge- eigneter erschien uns die libysche Wüste zu Untersuchungen dieser Art. Der am Mittag durchglühte, alles Leben ertödtende Felsboden zeigte sich uns bei der Morgendämmerung, nicht selten dicht mit Thauperlen besät, und gab uns mit unseren ebenfalls bethauten Effecten von Holz, das Material und die Bedingungen zu scharfer Beobachtung im besten Verhältnifs. Im Ganzen habe ich in der grofsen libyschen Wüste die Beobachtun- gen des Thaues an den Ruhepunkten sechsmal angestellt, und überdies noch dreimal in Dscheil el achterie bei Alexandrien. Ich untersuchte jedesmal 15 bis 20 Thautropfen, zuweilen mehr, ich zählte aber gewöhnlich nur bis 15. Nach dieser Zahl des Minimi, beträgt die Summe der von mir in Libyen be- obachteten Thautropfen 135, deren Resultat war, dafs ich nie ein einziges Infusorium erblickte. Überdies habe ich während meines sechsjährigen Aufenthaltes am Nil und in Arabien noch mehrmals die Versuche wiederholt, und den Thau unter sehr verschiedenartigen Umgebungen beachtet. Während unserer Reise nach Dongala, stellte ich im Nil auf der Barke vor Theben mehrere Beobachtun- gen an. Von Theben südlich gab es scheinbar keinen Thau aus der Atmo- sphäre mehr, und obwohl ich in Dongala Infusorienbeobachtungen mit Nil- wasser öfter anstellte, so war doch jener Zweck nicht weiter zu verfolgen. Thautropfen, die sich an der Unterseite der Pflanzenblätter fanden, und welche vom Boden aufsteigende Wasserdämpfe anzeigten, beobachtete ich in Dongala am Nil wohl, hielt aber diese nicht für geeignet, das gewünschte 14 EnrenserG: die geographische Verbreitung Resultat zu geben. Später habe ich wiederholt Thau am rothen Meer durch das Microscop beobachtet, besonders in Dscherm el moie bei Ras Muham- med, auf unserer Reise von Sues nach Moileh. Eine sichere Bucht schützte daselbst vor dem Schaukeln der Meereswellen, und auf dem Schiffsholze bildete der Thau kleine Strömungen am Morgen. Dieselbe Beobachtungen wiederholte ich in Tor, wo wir uns am Lande ansiedelten. Nirgends habe ich auch hier weniger als 15, an manchen Orten vielmehr Tropfen beobach- tet, so dafs ich nicht zuviel zu sagen glaube, wenn ich die Zahl der Beob- achtungen auf 300 stelle. In all diesen Fällen aber habe ich niemals auch nur ein einziges lebendes Wesen gesehen. Über die in der libyschen Wüste gemachten Beobachtungen hatten wir die Ehre, bereits im ersten unserer Berichte aus Afrika, der Akademie das allgemeine Resultat von Alexandrien aus mitzutheilen. So wäre denn das Ergebnifs unserer Beobachtungen und dieses Vortrags: 1. Dafs weder in Afrika, noch in Arabien im atmosphärischen Thau Infu- sorien zu finden waren; 2. dafs es in aufsereuropäischen Erdstrichen, namentlich in Afrika und Arabien, Infusorien giebt, welche den europäischen ganz ähnlich sind, dafs diese aber von den daselbst vorkommenden Formen nur 4; an Zahl bilden, während 2 den Gegenden eigenthümlich sind ; 3. endlich ergiebt sich, dafs die Formen -Eigenthümlichkeit der Infuso- rien nicht in eben dem Maafse gegen den Äquator hin zunimmt, wie die der gröfseren Organismen, sondern, dafs sich dieselben den ery- ptogamischen Pflanzenformen anschliefsen, ohne mit gewissen gröfseren organischen Körpern in einem bestimmten Verhältnifs zu stehen. Anmerkung. Die Synonyme der folgenden Tabelle, welche mit Symb. bezeichnet sind, be- ziehen sich auf die Symbolas physicas. Die Namen mit grölserer und durchschossener Schrift bezeichnen neue Gattungen und Arten: der Infusionsthier chen in Nord- Afrika und West- Asien. 15 Tabelle I. Verzeichnifs der in Nord- Afrika und West-Asien in den Jahren 1820 bis 1826 auf meiner mit Dr. Hemprich unternommenen 19 Reise beobachteten Infusorien. Gröfse nach Pariser Linien. 9 DE a \ Sinai (Wadi Esle) ...........-- u (Pibrio serpentulus Symb.) 2. ANGUILLULA Auviatilis. ] . des Jupiter Ammon (Siwa) %" (Por. fluviat. ybie. Symb.)J \Sinai (Wadi Esle) ..........--- Br DEI BITTEN TIEKRAMONEISDEC 7 Mi ff u Donpala. ....0. een nane. 1 (Pibrio fluv. nilotic, Symb.) 4. dongalana. n.sp. Dongala........... TR 1" 5. Bacırrarıa Cleopatrae. n.sp. Mittelmeer bei Alexandrien..... a 6. Ptolemaei. n.sp. Mittelmeer bei Alexandrien.....50. 7. BACTERIUM simplex. n.sp. Agypten (Bulak) „u... 22... a 8. triloculare. n.sp. Oase des Jupiter Ammon (Siwa) 25 Gr SCHUH ÜARS-MSD Le 2 ü i i P- Sinai (Wadi Esle) ............- ET (Enchelys micros. Symb.) 10. Crosterıum Zunula Nitzsch. Sinai (Wadi Esle) ..........-- 14. multistriatum.n.Ssp.) co. . s " PA Sinai (Wadi Esle) ...........»- (Bacillar. multistr. Symb.) £ 12. COCCONEMA cistula. u. . 1 1.7 FRRRPE Sinai (Wadi Esle) ...... RER, 7: (Bacillaria cistula Symb.) Zr 13. CreLivıum? inane. n. sp. Oase des Jupiter Ammon. ....».- Era 14. glaucoma? Sinai (Wadi Esle) ...........+- (Bursaria ovulum Symb.) Tor am Sinai (in Pfefferaufgußs) #0 a 15. lendiforme. n.sp. Dongala.........ereerenreene- ni 16. planum. n.sp. Danzla een nseeihsene 2 17. CYCLOGLENA elegans.n. sp.? De 4m Ce RE ZEN 4 (Zyphlina furca Symb.n.1.) ° s 16 EurengerG: die geographische Verbreitung Gröfse nach Pariser Linien. 18. DIGLENA catellina? (Typht. furca Symb.n.2.3. $ Dongala..... aaa De aeete en Cerc. catellina Müller ?) 1 EFT Turitasınaspe® 7 pn a Symb) \ Donealat....n 2000 eesitpeetleeeren 20. DISTIGMA Planaria. noyv.Gen. Suckot in Nubien............. Er 21. DISOMA vacillans. n.G. Irothes Meere nn sangen 22. DISCOCEPHALUS rotatorius. n..G, hothes Meer sascsecs ou nu 23. Ecnmeıra splendida. n. sp. Rothes’Meer «ur „u.a... ganz 4” 24. Encneys pupa? (Ench. farcimen Mütter?) + Oase des Jupiter Ammon (Siwa) -; (Condylost. afrum Symb.) 25. Fracınarıa bipunctata. n. sp. a . P P° N Sinai (Wadı Esle)........» ee (Bacillaria bip. Symb.) Dh ale 26. —_ ___ multipunctata.n.sp. Aue e ; 2 PN Sinai (Wadı.Esle)s.scesessu a (Bacillaria multip. Symb.) a 27. —_— diophthalma. n.sp. / P- VRothes Meer «..ccccccan. ee (Bacillaria diopht. Symb.) 28. HYDRIAS cornigera. n.G. Oase des Jupiter Ammon (Siwa) 4” 29. ICHTHYDIUM Podura? n Donspalar ru een u (Diurella Pod. | Bory] Symb.) = 30. Korrpopa cucullus Müller. Tor am Sinai (in Pfefferaufgufs) 5” 31. Lerapera emarginata. n.sp. Sinai (WadiEsle)............. Ei 32. Monas atomus Müller. N N Ägypten (Bulak bei Cahira).... 715” 33. glaucoma. n. sp. oe ar ee (Folwox glaucoma Symb.) Oase des Jupiter Ammon (Siw 3 Een {M Oase des Jupiter Ammon (Siwa) 44 m 34. termo Müller. Tor am Sinai (in Pfefferaufgufs) 44" Sinai (Wadi Esle)........... en 35. Monocerca Rattus? (Trichoda Rattus Müller. Sinai (Wadi Esle). AB AL BER EREe: Er Rattulus sinaiticus Symb.) der I. nfusionsthierchen in Nord- Afrika und West- Asien. 447, Gröfse nach Pariser Linien. 36. MONURA Colurus n. G. EN j en Ar Adriatisches Meer bei Cattaro.. +; (Colurella adriatica Symb.) 24 37. NavıcuLa fusiformis. n. sp. en Br (Bosiittr fustform: Smi) \ Sinai (Wadi Esle) ............ 4 3er . interrupta n. Sp. A et: 11m (Bicttarisinkerr! Spnibi) \ Sinai, (Wadi Esle) ......... -% 39. Panamaecıum Chrysalis Müller. JfAgypten .....erseescneeeneee 45 BE Chrys. [Bory] ) Dongala (in der Festung Dongala (Insel Argo 40. — —— ?sinailticum.n.sp. Sinai (Wadi Esle) ......eccc00 4 41. Panvorısa hyalina.n. sp. ...o.». et Peritricha vacillans Symb. Donsalass essen anne nen 0 (Foloox globator Symb.) \ ° R 42. Rorırer vulgaris Schrank? (Rotifer brachyurus Symb.) 43. -— - _ errythraeus.n.sp. \ Suckot in Nubien ............ 4% \ Sinai (Wadi Esle).us.0.es000. (an R. macrurus juvenis?) . STYLONYCHIA? cimex. n.sp. en Trichoda cimex m) j Tor im Rothen Meere ...... Er - Coccudina cimex Syınb. > A 45. Tracueuıvs /amella? 1. RE RN, } Kothes Meer. en. sensen 205 46. Trıcuona asiatica.n. sp. \ Sinai (Wadi Bsle) een... 42 (Condylostoma as. Symb.) 4. —_ Nasamonum.n.sp. . . 7 P- U Oase des Jupiter Ammon (Siwa) 4 (Condylostoma Nas. Symb.) u 48. —_—— .._ ı@elhiopica. n. sp. Dongala...zeneseeoecnnnnnere En u ee Agypten (Bulak) ...erreers0re 40 (Condylost. ovatum Symb.) 50. —— pyrum? g pyrum } Sinai (Wadi Esle)..essenrreer dh (Kolpoda pyrum Symb.) 51. TYPHLINA viridis. n. G. Ägypten aucnnucdueransnennen il 52. Vırrıo rugula Müller. Tor am Sinai in Seewasser..... 5 53. VorticeLra Convallaria Müller. u an L ae eos. 75 F. cothurnata et brevip. Symb. E ( nn Dongala.......... LLeib 4 4-0 A E } . + et Urceolaria Israelitar. Symb. Phys. Klasse 1329. C 18 Eurengerg: die geographische Verbreitung 54. VorticeLra arabica.n. sp. 55. — u pärasitica.n.sp. 56. ZOOBOTRYON pellucidus.n.G. 57. ZOOCLADIUM niveum. n. G. Gröfse nach Pariser Linien. run un. Rothes Meer. ......me. de sit 2 354 A Rothes Meer... as. 00a aeoen 1 Rothes Meer bei Sues und Mittel- meer bei Alexandrien. ganz 1-6” - Leib ..... 10 Massaua (Insel bei Habessinien) Im m 3 m ganz. ..5 der Infusionsthierchen in Nord- Afrika und West- Asien. 49 Tabelle I. Verzeichnils der afrikanisch-arabischen Infusorien nach den XI Beobachtungspunkten. T. Tyeurına viridis. n. G. Adriatisches Meer bei Cattaro. VorriceLta Convallaria Müller. Moxura Colurus. n. sp. # 1. Sues am rothen Meere. Mittelländisches Meer bei Alexandrien. VORTICELLA parasitica. n. sp. Bacırnanıa Cleopatrae. n. sp. ZooBOTRYoN pellucidus. n. G. Ptolemaei. n. sp. R WE; ZooBOTRYON pellueidus. n. G. Tor am rothen Meere. m Crerivrum glaucoma Müller. Oase des Jupiter Ammon bei Siwa. Disowa vacillans. n. G: Anemaruna (lintilis Discocermauus rotatorius. n. G. (Fibrio fluviatilis Müller.) BacTerıum iriloculare. n. sp. ECHINELLA splendida. n. sp. Fracırarıa diophthalma. n. sp. Cröamtihbe sp. Korropa eucullus Müller. Excnerys pupa? Müller. Monas termo Müller. Hronıas cornigera. n. G. STYLoNxcHIA cimex.n.G. Tracherıvs /amella. (Kolpoda lamella Müller.) Visrıo rugula Müller. Monas glaucoma. n. sp: termo Müller. Trıcnova Nasamonum. n. sp. VORTICELLA arabica. n. sp. a vIL Bulak bei Cahira in Ägypten. Wadi Esle im Sinaigebirge. Bacrerium simplex. n. sp. (In Tor beobachtet im Wasser von aus Wadi Monas atomus Müller. Esle mitgenommenen Conferven.) Paramaecıum Chrysalis Müller. Ansryuna serpentulus. Trıemopa ovata. n. sp. (Fibrio serp. Müller.) C2 20 EnrenperG: die geographische Verbreitung u. s. w. ANGUILLULA Jluviatilis. (Fibrio fluo. Müller.) Bacrerıum scintillans. n. sp. Crosterivm Zunula Nitzsch. multistriatum. n. sp. CoccoxemA cistula. n. sp. Creuirum glaucoma Müller. Fracıarıa bipunctata. n. sp. multipunctata. n. sp. Lerapverna emarginata. n. sp. Monas termo Müller. Monocerca Rattus? : (Trichoda Müller.) Naviıcura fusiformis n. sp. interrupta. n. sp. PARAMAECIUM sinalticum. N. Sp. Rorirer erythraeus. n. sp. Trıcuona asiatica. n. sp. pyrum? (Kolpoda pyrum Müller.) VID. Suckot in Nubien. Distiema planaria. n. G. Rorırer vulgaris Schrank. 1X; Insel Argo in Dar Dongala in Nubien. Cyeriıum lendiforme. n. sp. Paramarcıum Chrysalis Müller. Trıcuova aethiopica. n. sp. X. Kasr Dongala, Festung in Dar Dongala. AnGvILLULA inflexa. n. sp. dongalana. n. sp. Ovceuiıum planum. n. sp. CrerocuenA elegans? n. G. DicLena catellina? (Cercaria catellina Müller.) aurita. n. Sp. Ichtuyvıum Podura. (Cercaria Podura Müller.) Monas glaucoma. n. sp. Paramaecıum Chrysalis Müller. Panponina hyalina. n. sp. XI. Insel Massaua im rothen Meere bei Habessinien. ZOOCLADIUM niveum. n. sp- ———e NO I— Über das Pollen der Asclepiadeen; ein Beitrag zur Auflösung der Anomalieen in der Pflanzen -Befruchtung. mp- Von Hm EHRENBERG. [Gelesen in der physikalischen Klasse der Akademie der Wissenschaften im November 1825, mit einigen Zusätzen gedruckt im November 1831 (')]. D. Art und Weise, wie die Befruchtung bei den Pflanzen überhaupt geschehe, ist noch immer eine physiologische Untersuchung, welche, ob- gleich die Menge der Einzelheiten der bereits bekannten Erfahrungen sehr ansehnlich ist und die aus andern Wissenschaften und aus der Technik ent- lehnten Hülfsmittel, besonders die mechanische und chemische Zerlegung und die optischen Instrumente in unserer Zeit einen immer höheren Grad von Vollkommenheit erlangt haben, viele Schwierigkeiten darbietet. Der neueste lebhafte Kampf der Partheien, welche bald den Pflanzen eine Geschlechtsfunction zusprechen, bald absprechen, ist den Botanikern im frischen Andenken. Ich enthalte mich einer ausführlichen Bezeichnung desselben und berühre nur das, was im nächsten Zusammenhange mit den Erfahrungen steht, welche ich vorzutragen mich beehre und was zur Ver- ständigung über den Gang und den Werth meiner mitzutheilenden Unter- suchungen nöthig erscheint. Das Einreifsen leicht gebauter Werke geht, wie überall so auch in der Wissenschaft rasch von Statten, aber ein fester Grund erbaut sich nur langsam und mühsam aus oft erprobten Einzelheiten. Was ich mittheilen will ist nur eine Einzelheit, aber eine Thatsache, die etwas Allgemeineres feststellt und wird also, wie ich hoffe, auch als Einzelnes nicht verschmäht werden. (‘) Ein kurzer Auszug dieses Vortrags wurde zu Anfange des Jahres 1829 in Herrn v. Schlechtendals Zeitschrift Zinnaea in lateinischer Sprache bekannt gemacht. 22 EurEnBEre Seitdem vor einer Reihe von Jahren Herr Turpin in Paris (Annales du Museum Vol. VII. 1806) auf die im Samen der Pflanzen aufserhalb der Insertionsstelle der Ernährungsgefälse befindliche kleine Nabelöffnung, welche Grew (Anatomy of F’eget.) lange zuvor, schon 1672, entdeckt hatte und die auch von spätern Botanikern oft beachtet worden ist, unter dem eignen Namen Mmicropyle durch eine monographische Bearbeitung wieder besonders aufmerksam machte, hat dieselbe zu einer Reihe merkwürdiger Verhandlungen und feiner, kunstreicher und genialer Untersuchungen auch der besten physiologischen Botaniker unserer Zeit Veranlassung gegeben. Herr Turpin hielt jene Offnung, wie einige der früheren Botaniker, für das Organ, welches den befruchtenden Stoff dem Pflanzen -Eichen zuführe und für eine Narbe der späterhin zerstörten spermatischen Gefäfse, hat aber, wie Robert Brown rügt, dasselbe nur bei reiferen Samen untersucht, also nicht in der Periode wo es seine Function erfüllt. In eine jener ganz ähn- liche Meinung über die Bildung und Bestimmung dieser Öffnung ging im J. 1815 auch der sehr achtungswerthe Botaniker Herr August St. Hilaire in seiner vortrefflichen Abhandlung von der Placenta centralis über (Mem. du Mus. d’hist. nat. 11. p. 270.) und gleichzeitig sprach Herr Mirbel (Zlem. de Physiol. veget. et de Bot. Tom.]1. p. 314.) sich dahin aus, dafs die be- fruchtenden Gefälse sowohl als die ernährenden gemeinschaftlich durch den Nabel gingen, ohne der Micropyle eine besondere Bestimmung zuzulegen ('). Nachdem der in den Jahren 1812 bis 1822 durch Schelver und Henschel geführte lebhafte Streit über die Sexualität der Pflanzen mit Ludolph Treviranus einleuchtender Gegenschrift sich abgeschlossen hatte, erklärte Herr Link im Jahre 1824 (Elementa Philos. bot. pag. 340.) die Mieropyle für die Insertionsstelle eines Faserbündels vom Sporophorum und bemerkte pag. 413, dafs die Turpinsche Hypothese grundlos sei, indem der feine befruchtende Stoff eines solchen Weges nicht bedürfe. Vielmehr möge man ihn sich richtiger mit Kielmeyer als nach Art der galvanischen Kraft auf den Embryo einwirkend denken, indem er eine Pola- rität errege, die das Leben entzünde. (‘) In seiner neueren Abhandlung über den Bau und die Entwickelung des Pflanzeneies 1829 spricht sich Herr Mirbel, obwohl zweifelhaft, für die doppelte Anheftung (gegen Brown) aus. (Annales des sciences naturelles.) über das Pollen der Asclepiadeen. 23 Hierauf folgte im Jahre 1826 über diesen das innerste Wesen und das höchste Interesse der Botanik berührenden Gegenstand die Mittheilung einer Reihe von Bemerkungen und Beobachtungen des durch seine Anregungen und Ausführungen in der Botanik so verdienstvollen Robert Brown, als ein Anhang zu Capitain King’s Beschreibung seiner Reise nach Neu-Holland. Robert Brown bestätigt darin die zweite Öffnung in den Eihäuten der Samen besonders zu der Zeit wo die Befruchtung vor sich geht, theilt mit, dafs Thomas Smith’s höchst genaue Untersuchungen die grofse Allge- meinheit der Öffnung bei Pflanzensamen aufser Zweifel setzten, dafs der Arillus der Samen, wo er existire, nur erst nach der Befruchtung sich über jene Öffnung ziehe und sie bedecke, und dafs die innere Samenhaut vor der Befruchtung aus der Öffnung der Testa mit einer durchbohrten stumpfen Spitze, einem Stigma gleich, hervorrage, die innerste Kernhaut aber un- durchbohrt sei. Herr Brown folgert daraus, dafs Abwesenheit der Öffnung ein Character der Kernhaut des Samens sei und dafs die wichtigsten Verän- derungen in Folge der Befruchtung in dem Kerne statt finden müssen. Er hält demnach die Öffnung für Leitungsorgan des Befruchtungsstoffes. Zu den physiologischen Botanikern, welche meinen, dafs man die Einwirkung des Pollens weit mehr im Innern des Fruchtknotens als im gal- vanischen Reize auf der Narbe suchen müsse, gesellte sich bald nach Robert Brown auch besonders Herr Brogniart, der zu Ende des Jahres 1826 der Akademie der Wissenschaften zu Paris eine mit schr mühsamer Beobach- tung durchgeführte und durch deutlich vergröfserte vortrefflich ausgeführte Zeichnungen erläuterte Abhandlung vorlegte, welche mehrere der fähigsten und sorgfältigsten Botaniker unserer Zeit angeregt hat, ihre Beobachtungen über diesen Gegenstand von Neuem durchzusehen und die neuesten Resultate ihrer Forschungen mitzutheilen. Herrn Brogniarts Abhandlung ward im Jahre 1827 in den durch ihn selbst redigirten Annales des sciences naturelles zuerst abgedruckt und verbreitet und der Hauptzweck derselben war, wie er selbst sagt, auf eine neue Art zu beweisen 1) dafs bei den Pflanzen die Erzeugung vermittelst zweier Geschlechter geschehe und 2) zu bestimmen auf welche Weise diese Wirkung vor sich gehe. EurEngBErt IS) > Die aus Brogniarts Arbeit hervorgegangene Idee der Pflanzenbe- fruchtung verdient, da ein vortreffliches Amicisches Microscop seine sorg- fältigen Untersuchungen unterstützte und leitete, obwohl dieselben auf der Lehre von den Samenthierchen beruhen und darin eine sehr schwache Stütze haben, allerdings alle Aufmerksamkeit und Anerkennung. Sie ist in Kürze folgende: Die kleinen Körperchen, welche in den Pollenkörnern enthalten sind und die an Umfang, Durchsichtigkeit, vielleicht auch an Gestalt und Beweglichkeit von den ähnlichen abweichen, die in andern Pflanzentheilen vorkommen, werden in den Antherenkapseln gebildet und von da dringen dieselben in die Pollenkörner und werden von diesen aufgenommen. Von den Pollenkörnern werden diese Theilchen im Moment der Befruchtung durch einen darmartigen Fortsatz, welcher plötzlich aus dem Pollenkorne hervorgetrieben wird, auf das Stigma ausgeleert. Von hier dringen diese Theilchen zwischen die Zellen des Stigmas in dessen Substanz, wo sie sich mit der zur Zeit der Befruchtung daselbst häufiger abgesonderten Feuchtig- keit mischen und sie gelangen in diesen Zwischenräumen der Zelle bis zum Anheftungspunkte der Eier an der Placenta. Ein häutiger, bis an die ÖfE- nung der Micropyle, zuweilen lang über sie hinausragender fadenförmiger Schlauch des iungen Samens, den Herr Brogniart zuerst so verlängert gesehen, saugt, wie die Eierleiter bei den Thieren, die Samenkörperchen auf und führt sie zu dem Punkte, wo sich der Embryo bilden soll. An diesem Punkte sei anfangs ein kleines Bläschen, das durch den unbegreiflichen eigent- lichen Befruchtungsact (mystere impenetrable) nun bald anfange ein Häufchen von Kügelchen aus sich zu bilden, welches der Anfang des Embryo sei. Herr Brogniart behauptet nun ferner, dafs weder das Pollenkör- perchen allein, noch das Bläschen des Eierstockes allein den Embryo aus- mache, sondern dafs aus Wechselwirkung beider als Drittes Neues, also durch Zpigenesis der Embryo entstehe, für den das Bläschen nur die Basis abgebe. Überdies ist Herr Brogniart der Meinung, dafs wohl bei Pflanzen nicht, wie es bei den Thieren doch fast ausgemacht sei, ein einzelnes Samen- körperchen (Samenthierchen) durch sein Anheften die Befruchtung bewirke, sondern mehrere, weil die Thierform eine in einer gewissen Grenze abge- schlossene sei, die Pflanzenform aber nicht. Das Resultat dieser ideenreichen, sorgfältig prüfenden Untersuchungen hat Herr Raspail durch die Behauptung, dafs die Nabelöffnung des Grew, über das Pollen der Asclepiadeen. 25 oder die Micropyle Turpins, deren Allgemeinheit Robert Brown festzu- stellen gesucht hatte, oft gar nicht existire, sondern nur ein Eindruck sei, in einer eignen Abhandlung (Memoires du Mus. T. XIV.) zu widerlegen gesucht. Ebenso widerspricht auch der Allgemeinheit der Micropyle Trevira- nus in einer vor wenig Tagen (1828) erst erschienenen kleinen gehaltvollen Schrift (De ovo vegetabili eiusqgue mutationibus pag.9.). Brogniarts Bemü- hungen werden auch von ihm mit Lob anerkannt, obwohl theils über die Samenwege bei der Befruchtung, theils über die Structur des jungen Samens die Meinungen sich wie früher theilen. Da die Micropyle von ihm und auch von Brogniart selbst nicht bei-allen Samen gefunden sei und Raspail da- von eine ganz andere Idee herbeizuführen. suchen konnte, so hält Herr Treviranus sie wenigstens für nicht so’ nothwendig zur Befruchtung, als Robert Brown und Brogniart es dargestellt hatten. Übrigens ist er der Meinung, dafs bei diesem Schwanken der Ansichten, ungeachtet der sorg- fältigsten Untersuchungen, es besser sei, die Beobachtungen erst noch weiter zu vervollständigen, als über die Bestimmung der Theile vorgreifend abzu- urtheilen. Ihm scheint es als bedürfe der feine befruchtende Samenstoff keines offneren Weges als der Pflanzensaft, der ohne sichtbare Löcher in den Zellwänden von einer Zelle zur andern übergeht. Gleichzeitig hat Herr Robert Brown seine höchst merkwürdigen Beobachtungen über die selbstständige Bewegung der Moleculen in organi- schen sowohl als unorganischen Körpern bekannt gemacht, worin auch er Herrn Brogniarts Bemühungen lobt, aber darin ihm widerspricht, dafs nur bewegte Molecülen die Pollenkörner erfüllten, sondern Herr Brown hat eigne durch Form verschiedene bewegte Körperchen und andere eigent- liche Pollentheilchen darin beobachtet, ferner dafs der Inhalt der Pollen- körner, oder die spermatische Substanz nicht anfangs frei in der Anthe- renkapsel schwebe und allmälig von den Wänden des Pollens eingesogen werde, sondern dafs dieselbe sich in den Pollenkörpern selbst ausbilde. Auch glaubt Herr Brown nicht an Öffnungen in den jungen Pollenkör- nern, wodurch spermatische Körperchen aus der Antherenkapsel eindringen könnten. Ferner zweifelt er an der Richtigkeit der Beobachtung, dafs die darmförmigen Verlängerungen, welche die Pollenkörner nach ihrem Ver- Phys. Klasse 1829. D 26 EHurEengere streuen auf dem Stigma erkennen lassen, eine häutige Hülle haben, wie diefs Brogniart behauptet. Endlich erinnert er, dafs Brogniarts Beobachtung, als gebe es vor der Befruchtung keine bewegungsfähigen Theile im Griffel und der Narbe, sich mit dem Scheine begnügt habe, indem es deren wirk- lich gebe (1). Robert Brown glaubt nun die beiden streitenden Befruchtungs- theorien, ob nämlich nur eine Berührung des Pollens und Stigmas nöthig sei, oder ob wirklich ein Eindringen des befruchtenden Stoffes aus den Pollenkörnern bis an das Pflanzenei als nothwendig erkannt werden müsse, dadurch zur Entscheidung zu bringen, dafs, weil besonders bei der Pflanzen- familie der Asclepiadeen ein Ausstreuen des Inhaltes der Pollenkörner nicht Statt finde, auch jene Brogniartsche, ‚obwohl durch einige Beobachtungen scheinbar befestigte Theorie des Eindringens der spermatischen Körperchen zu verwerfen sein werde. Denn wenn bei einer Familie die Berührung hin- reiche, sei auch bei den übrigen ein Gleiches zu erwarten. Browns Worte pag. 14. der kleinen Schrift lauten wie folgt: ‚Nach ‚„‚dem, was ich früher über die Asclepiadeen, Periploceen und Or- „chideen, besonders aber über die Asclepiadeen bemerkt habe, ist es ‚„‚schwer einzusehen, wie in dieser Familie ein wirklicher Übergang von „‚Theilchen der nie berstenden Pollen-Masse durch die Fortsätze des ‚„‚Stigmas Statt finden kann und ich habe auch nie dergleichen in diesen „‚Fortsätzen schen können, obwohl sie gewöhnlich durchsichtig genug sind, „um die Theilchen, wenn sie da wären, bemerken zu lassen. Ist aber diese „Ansicht von der Structur der Geschlechtsorgane der Asclepiadeen rich- ‚tig, so wird in Rücksicht auf diese Familie kein Zweifel mehr sein, ob die „‚Pollentheilchen durch Stigma und Griffel zu den Ovudis übergeführt werden ‚„‚oder ob nur eine bestimmte Berührung der Theilchen mit dem Stigma zur „Befruchtung nöthig sei.’ (') Über die beweglichen Körperchen als Grundbestandtheile fester Körper haben späterhin sehr weitläuftige Erörterungen Statt gefunden, welche zum Theil auf gegenseitigen Milsver- ständnissen beruhten. Sie sind besonders in den Annales des sciences naturelles und im Aten Bande der deutschen Übersetzung von R. Browns botanischen Schriften als Anhang mitgetheilt worden. — Herr C.H. Schultz läugnet in seinem 1828 erschienenem Buche über die Natur der lebendigen Pflanzen (I. p. 396.) die Allgemeinheit der Micropyle ebenfalls. über das Pollen der Asclepiadeen. 27 Diese durch Browns Darstellung so einflufsreichen Asclepiadeen hat Herr Brogniart bei seiner Darstellung der Befruchtungstheorie ganz über- gangen und alle früheren Botaniker sind der Meinung, dafs sowohl die gelben Körperchen, welche Jacquin Antheren nannte, zu keiner Zeit bersten, als dafs sie ein festes Convolut von unregelmäfsig zelliger wachsartiger Pollen- masse sind und endlich, dafs nur die Fortsätze des Stigmas, welche sich an sie anschliefsen, zur Leitung der befruchtenden aus ihnen ausgehenden Ma- terie dienen können. tod Nächst Robert Browns im Jahre 1808 gedruckter ausführlicher Behandlung der Asclepiadeen-Familie (Memoirs of the Wernerian society Vol.I. pag. 12 sqgq.), welcher Entwickelungsbeobachtung der Blumentheile zum Grunde lag, gab Herr Link im Jahre 1824 in seiner beobachtungs- reichen Schrift Zlementa Philosophiae botanicae pag. 299. seine Ansicht der Structur der Asclepiadeenblume so zu erkennen, dafs er die 5 braunen Kör- perchen, welche Jussieu und Brown für Drüsen erklärt hatten, mit Linn für wirkliche Antheren, aber von drüsiger Beschaffenheit hielt, die aus zwei durch ein dünnes Antherium unterschiedenen Loculis beständen, deren zu- sammengewachsene Valven kein Pollen führten. Sie gehören nicht zum Stigma, wie er glaubt, weil sie von ihm leicht löslich sind. Die gelben Körper nannte Herr Link Pollinaria und sagt davon pag. 300, dafs sie aus einem zelligen Gewebe oder aus ziemlich deutlichen Pollenkörnern bestehen. Die das Stigma umgebenden fleischigen oder häutigen Fortsätze nannte er Parastemonen. Im Jahre 1825 hat Herr Ludolph Treviranus die ausführlichste neuere Beschreibung der Asclepiadeenblume in seiner sehr gehaltreichen Abhandlung Bemerkungen über den Bau der Befruchtungsorgane der Gewächse gegeben, welche in seinerZeitschrift für Physiologie von 1827 gedruckt ist. Das Resultat der Untersuchungen ist folgendes: Wenn irgendwo auf eine künstliche Weise das Pollen auf die Narbe gelangen mufs, so ist dies ganz besonders bei den Asclepiadeen der Fall. ,‚,‚Die Narbe ‚„‚scheint hier keineswegs geeignet, fährt er pag. 248 fort, auf ihrer Ober- ‚fläche die befruchtende Flüssigkeit aufzunehmen, sondern nur an ihren fünf „zwischen den Antheren vortretenden Ecken, deren jedwede ein Körper „einnimmt, der bei Periploca und seinen Verwandten eine weichere, bei den D2 23 EHrENBERG „übrigen Asclepiadeen hingegen eine härtere, fast knorpelartige Beschaf- ‚„‚„fenheit hat und der eine kleine Höhle enthält. Es ist eine beachtungswerthe ‚„‚Thatsache, dafs wenn man diesen Körper gegen die Zeit der Befruchtung ‚‚von seiner Stelle nimmt, unter derselben in der Vertiefung, welche er ein- ‚genommen hatte, eine Flüssigkeit sich befindet, dergleichen auf keiner ‚„‚andern Stelle der Narbe bei unverletzter Oberfläche angetroffen wird. Von ‚„‚ihm geht ein Fortsatz aus, welcher einfach ist bei Periploca, doppelt bei „‚„Asclepias, zusammengesetzt bei Stapelia und durch welchen ein Canal sei- ‚nen Weg zu nehmen scheint. Die Extremität desselben ist zur Zeit seiner ‚vollendeten Ausbildung sehr klebrig und an solche fixirt sich der Pollen, ö ‚indem die Lage der klebrigen Stelle gegen denselben die ist, dafs sie ihn „berühren mufs, wenn seine Behälter sich öffnen und klaffen, welches alle- „mal geschieht. Hiermit tritt sogleich eine völlige Verwandlung des Pollen „‚ein, welche bei solchen Asclepiadeen, so denselben in Massen vereinigt ‚„‚besitzen, vorzüglich auffallend ist. Diese nämlich verlieren ihr toröses ‚Ansehen, ihren körnigen Gehalt, ihre Undurchsichtigkeit, werden platt, ‚„‚hart, durchscheinend und da diese Veränderung zuerst da, wo die Verbin- ‚„‚dung mit den Fortsätzen geschieht, ihren Anfang nimmt, so ist wahrschein- ‚„‚lich, dafs dem Pollen damit ein Stoff, der die Turgescenz verursacht, ent- „zogen, durch die Fortsätze den braunen Körpern mitgetheilt und so den „‚Ecken der Narbe übergeben werde, von wo er dann, vermöge der Zellen- ‚„‚verbindung, den Spitzen der angewachsenen Griffel leicht sich mittheilen „kann. Nachdem dies geschehen, trennen die genannten Körper mit ihren ‚„‚Fortsätzen sich von selber oder durch Mitwirkung äufserer Ursachen aus „ihrer Verbindung mit dem Stigma los, wiez. B. Schkuhr an dem der Peri- ‚‚ploca angemerkt hat, wo er sie nach aufgebrochner Blume nicht mehr fand.” Herr Treviranus setzt nun noch hinzu, dafs die Orchideen und Asclepiadeen sich also dadurch von der gewöhnlichen Befruchtungsweise der Phanerogamen bedeutend unterscheiden, dafs die befruchtende Flüssigkeit der Narbe nicht unmittelbar, sondern durch einen Zwischenkörper, vielleicht mit Ausschlufs der Luftberührung zugeführt wird. Ich habe die früheren Ansichten Robert Browns über die Structur der Asclepiadeen nicht umständlicher berührt, weil in der vorhin genannten 5 kleinen Schrift über die selbsth ewegten Moleculen neuere von ihm über das Pollen der Asclepiadeen. 29 enthalten sind. Herr Brown hat seine Entwicklungsbeobachtungen der ein- zelnen Blumentheile hauptsächlich an #sclepias syriaca gemacht und diese ergaben besonders, dafs im jungen Zustande die Pollenmassen sich früher ausbildeten, als die braunen Körperchen und dafs beide Theile anfangs getrennt und ohne Zusammenhang untereinander sich bilden, später aber erst die Pollenmasse an die Fortsätze der braunen Körperchen anklebe. In der genannten kleinen Schrift heifst es nun pag. 6. wie folgt: ‚„‚In den Asclepiadeen im engern Sinne ist die Pollenmasse, welche „jede Zelle der Anthere erfüllt ('), niemals in bestimmte Körner trennbar, „aber inwendig ist ihre getäfelte oder zellige Haut (?) mit kuglichen Theil- ‚„‚chen erfüllt, die gewöhnlich zweierlei Art sind. Beide Arten von Körperchen „sieht man unter Wasser gewöhnlich in lebhafter Bewegung, doch kann die ‚„‚scheinbare Bewegung der gröfseren Theilchen in diesem Falle vielleicht ‚durch das rasche Oscilliren der zahlreicheren Moleculen entstehen. Die ‚„‚Pollenmasse springt bei dieser Pflanzenfamilie nie auf, sondern sie heftet ‚sich mit einem bestimmten nicht selten halbdurchscheinenden Punkte an ‚„‚einen Fortsatz von fast gleicher Masse der von der Drüse der nahe gelegenen „‚Ecke des Stigmas kommt.’ Aus R. Browns früherer wichtigen Abhandlung über diese Familie erinnere ich nur, dafs er die Eigenschaften des Pollens bei derselben sogar zu Abtheilungsgründen benutzt hat, denn er theilte sie bekanntlich in For- men mit wachsartigem und mit körnigem Pollen. Die Asclepiadeen im engern Sinne wurden zu den Formen mit wachsartigem Pollen gerechnet. Ich beschränke mich rücksichtlich des historischen darauf nur noch zu erwähnen, dafs Herr Link in einem mündlichen freien Vortrage in der physikalischen Klasse der Akademie vor Kurzem seine frühere Meinung dahin abgeändert hat, dafs er die braunen Körperchen der Asclepiadeen als Con- (‘) Herr Brown meint die Zelle im innersten Perianthium, welches man Corona staminum. oder Parastemones genannt, die die meisten Botaniker geradehin Anthere genannt haben, indem sie die in ihr eingeschlossenen gelben Körper für reine wachsartige Pollenmasse ansahen. (?) Unter dem Namen der getäfelten zelligen Haut versteht Herr Brown hier offenbar die ganze Pollenmasse, d.h. die wahre Antherenhaut samt den wahren Pollenkörnern und die von ihm gesehenen kuglichen Theilchen sind die spermatischen inneren Theilchen der wahren Pollenkörner, nicht diese Pollenkörner, welche ich in Africa, Herr Treviranus in Europa zuerst erkannte. 30 EHrENBERG necticula ansah und die gelben wachsartigen Körper zwar für wachsartig, aber doch für Stellvertreter der Antherensäcke hielt, welches Resultat dem meiner eignen Beobachtungen am nächsten steht. Möge sich aus dem, was ich so eben vorgetragen habe und aus dem Namenverzeichnifs der Gelehrten, welche sich mit der Aufhellung des Ge- genstandes bemüht haben, einerseits das Interesse, andererseits aber auch die nicht allzugrofse Leichtigkeit der Aufgabe und ersten Untersuchung ergeben. Meine sich nun anschliefsenden Erfahrungen, welche den Hauptpunkt der Anomalie in der Asclepiadeen -Befruchtung ganz entfernen und aufhellen, habe ich fern von der Heimath auf einem sehr unbequemen arabischen Schiffe vor der Insel Dhalac begonnen und so wie ich fast in die Mitte von Africa gereist bin, um eine Anzahl Thiere der berliner Fauna zu entdecken (!), so war es mir auch beschieden, zuerst die Structur der Zsclepias Fincetoxiecum auf der Insel Dhalak an der Küste von Habessinien zu erfahren, wo ganz andre strauchartige hohe Stapelien mit Euphorbien gleichzeitig die Bäume, Sträucher und Kräuter der Landschaft bilden. Im rothen Meere auf der Insel Dhalak hatte ich nämlich im Jahre 1825 Gelegenheit eine der Stapelia quadrangula Forskals verwandte Pflanze aus der Familie der Asclepiadeen zu beobachten, welche dort mannshohe, aber blattlose, saftige Sträucher bildet. Die Blüthentheile dieser Asclepiadee sind zwar viel kleiner als die vieler andern Formen derselben Familie, welche in unsern botanischen Gärten blühen, allein es trieb mich damals irgend ein glückliches Vorgefühl zur feineren Anatomie derselben an. Bei genauerer Untersuchung der gelben Pollenmassen bemerkte ich unter dem Microscop, dafs dieselben eine von der in der Botanik für die Asclepiadeen - Familie fest- gestellten Formen ganz abweichende Structur zeigten. Ich unterschied näm- (‘) Mehrere Arten von vielmagigen Infusorien habe ich zuerst in Afrika gefunden, die ich nun auch als Bürger der berliner Fauna kenne. Sogar eine sehr ausgezeichnete Gattung der Naiden - Familie, deren erste Art ich in Dongala fand, hat sich mir auch in zwei Arten bei Berlin einheimisch gezeigt. Ich habe sie deolosoma genannt und in den Symbolis physicis abgebildet. Im Jahre 1829 habe ich ebenso mehrere ganz unbekannte Gattungen der Räderthiere in Sibirien zuerst gefunden, welche ich seitdem auch bei Berlin wiedergefunden habe, was ich in meinen Mittheilungen über die Infusorien schon erwähnt habe. über das Pollen der Asclepiadeen. 31 lich an jedem der gelben Pollenkörper eine deutliche äufsere lösbare Haut und in dieselbe eingehüllte, langgestreckte, mit den verdünnten Enden con- vergirende Schläuche. Die physiologische Wichtigkeit dieser Structur be- stimmte mich damals diese Form als eine eigne Gattung der Asclepiadeen zu betrachten und derselben den Namen Desmidorchis beizulegen, womit ich zu bezeichnen suchte, dafs dieselbe sich durch ein Bündel von Pollenschläuchen in einer Antherenhaut, anstatt der nackten, wachsartigen Pollenmassen aus- zeichne, oder dafs sie ihre spermatischen Schläuche in Bündeln führe. Als ich vor einigen Monaten (1828) die in Dhalac nach dem Leben gemalte und frisch zergliederte Pflanze in meine Symbolas physicas aufzu- nehmen beabsichtigte, schien es mir nöthig, die Pollenstructur der gewöhn- lichen Asclepiadeen vergleichend zu untersuchen und als ein Zufall mir gerade Ssclepias syriaca zuerst zuführte, an welcher Form, wie mir bekannt war, Herr Robert Brown seine so interessanten Entwickelungs- und Structur-Beobachtungen der Asclepiadeen hauptsächlich gemacht hatte, so war ich nicht wenig erstaunt, als ich bei derselben fast die gleiche Structur der habessinischen Desmidorchis erkannte. Jede der beiden vom braunen Körper des Stigmas herabhängenden gelben Pollenmassen sah ich deutlich, wenn ich sie quer durchschnitt und die einzelnen Theile mit einem feinen Messer etwas drückte (ohne sie zwischen Glasplatten zu bringen, denn da werden sie zu Brei zerquetscht), aus einer zelligen Haut bestehen, in welcher langgestreckte, schlauchförmige, frei heraustretende Pollenkörner einge- schlossen waren. Den Einflufs dieser Beobachtungen erkennend, verviel- fältigte ich sogleich meine Beobachtungen an allen mir zu Gebote stehenden Gattungen der Asclepiadeen-Familie und wie sich das Gesehene nur immer mehr bestätigte, so erschien sowohl der bisherige Eintheilungsgrund der Asclepiadeen-Familie immer mehr als unstatthaft, als auch die seit Beginn der physiologischen Botanik festgestellte schroffe Anomalie in der Bildung der Befruchtungstheile zeigte sich als ganz ungegründet. Die von mir trocken untersuchten Formen der Asclepiadeen meines Herbari sind Asclepias syriaca, Calotropis procera, Kanahia laniflora, Desmi- dorchis retrospieiens, Cynanchum cardiophylium, Pergularia tomentosa, Sar- costemma pyrotechnicum, Solenostemma Argel und noch mehrere Arten der- selben Gattungen lieferten mir ein gleiches Resultat. Ich versäumte auch 32 EHRENBERG nicht die frischen Blumen des botanischen Gartens zu benutzen und unter- suchte 3 Stapelien- Arten, St. crassa, grandiflora und vetwla, so wie Asclepias curassavica mit angustifolia, deren Blüthen im späten Herbste (1828) noch zu finden waren. Neuerlich habe ich noch Zachnostomum montevidense, Hoia carnosa und mehrere andre Arten jener Asclepiadeen- Gattungen und besonders auch lebende Blüthen der 4selepias syriaca vielfach untersucht. Bei all den genannten so verschiedenen Gattungen und Arten dieser Familie fand ich immer nur dieselbe bereits angegebene Structur der Pollenmassen. Sie bestanden sämtlich aus einer deutlichen, durchscheinenden, gelben An- therenhaut, welche mit grauen oder weifslichen, weniger durchsichtigen, langeylindrischen, keulenförmigen oder geschwänzten, grofsen Pollenkörnern erfüllt war, in deren Innerem erst die kleinen spermatischen Körperchen sichtbar waren, welche Herr Brown und mehrere andere Beobachter nach ihm betrachteten. Bei den vielfach wiederholten Untersuchungen an Blumen der 4scle- pias syriaca in den verschiedenen Altersverhältnissen und Zuständen sah ich auch seitlich, da wo die gelben Körperchen am äufseren Rande eine stumpfe Ecke zeigen, hervorhängende, Schimmelfasern ähnliche Fäden und beim Drucke schoben sich an derselben Stelle die Pollenschläuche hervor. Diese Beobachtung gelang mir vier Male in rascher Folge zu wiederholen und ich habe sie seitdem öfter zu machen Gelegenheit gehabt, nicht aber in scheinbar gleich entwickelten Blumen immer möglich gefunden. Ich erkannte daraus deutlich, dafs an jener Stelle des gelben Pollenkörpers eine natürliche Spalte sei. (Tab. I. fig. 2%.) Aus diesen Beobachtungen geht offenbar hervor, dafs die Familie der Asclepiadeen mit wachsartiger Pollenmasse sich rücksichtlich der Bildung ihrer männlichen Geschlechts- Organe an die übrigen Pflanzenformen ohne allen Zwang anschliefst, indem wirklich hier wie dort wahre Antherenbeutel vorhanden sind, in denen unmittelbar sich eine Vielzahl länglicher oder geschwänzter, freier Pollenkörner ausbildet, welche wie alle übrigen mit einer feinkörnigen spermatischen Masse erfüllt sind, deren einzelne Theilchen unter gewissen Bedingungen, vielleicht durch chemische Einwirkung an sie gebrachten Wassers oder durch Ausströmen eines flüchtigen Stoffes, dem Kampfer gleich, bewegt erscheinen. Die einzelnen Antheren dieser Ascle- über das Pollen der Asclepiadeen. 33 piadeen (in den beiliegenden Tafeln mit ce, d und e bezeichnet) bestehen demnach aus zwei einfachen, getrennten Zoculis, wie die Antheren der Gat- tung Salvia und anderer Labiaten. Diese Staubbeutelchen sind mit zwei drüsigen, beim Eintrocknen hornartigen Connectieulis (auf den Tafeln sind sie überall mit 2 bezeichnet) an ein Rudiment des Staubfadens geheftet, wel- ches die bekannten braunen Körperchen an den Ecken des Stigmas bildet nnd in den Figuren mit a bezeichnet ist. Das Filament ist am Stigma unmittel- bar festgewachsen, wie bei einigen Orchideen, sehr klein, ursprünglich breit und platt, einer Drüse gleich. Die sich späterhin nach oben zusammenrol- lenden Ränder bilden in ihrer Mitte eine einfache oder doppelte Höhle (Taf. I. Fig. 4.a*.) (!), und verhalten sich ohngefähr auf die Weise, wie die Ränder der entleerten Antheren anderer Pflanzen. Ob sie anfangs die eigentlich activen Stellen des Stigmas bedecken, dann enthüllen, darüber bin ich nicht gewifs geworden. Die wahren Staubbeutel, welche ich beschrieben habe, sind von einem eignen Perigonium, welches Herr Link Parastemones genannt hat, unterstützt und in eigne Höhlungen desselben eingesenkt, welche man oft als Antheren - Zocwlos beschrieben hat, was sie nicht sind. Auch fehlen diese Höhlungen, wie es scheint, bei der Gattung Zeptaderia. Wie bei den übrigen Pfilanzenformen öffnen sich die wahren gelben Staubbeutelchen der Asclepia- deen in einer seitlichen Längsspalte und lassen theils das Pollen, theils dessen fadenförmige Anhänge zum Ausströmen der spermatischen Masse hervortreten. Ein klebriger Überzug der Pollenkörnchen, welcher öliger Natur zu sein scheint, unterscheidet das Pollen der Asclepiadeen von anderem und hindert wahrscheinlich allein das mehr sichtbare Ausstreuen und Zerstreuen dessel- ben, ist aber kein wichtigerer Character als die Behaarung und Glätte oder die Rundung und eckigen bekannten Gestalten anderer Pollenarten. Die Familie der Asclepiadeen ist hiermit wohl fest zur Linneischen Gynandrie gewiesen und die für das Stigma noch aufgestellten Schwierig- keiten scheinen mir nicht so wichtig zu sein, dafs man dem ganzen mittleren Discus diesen Namen entziehen dürfe. (') Diefs Kräuseln des drüsigen Filaments scheint schnell vor sich zu gehen, da ich zwar platte Drüsen sah, aber überdiefs nur solche, welche schon die spätere Form des braunen Kör- perchens, der schr frühzeitig schon gefärbt ist, zeigten. Klaffende in die Höhe gebogene Ränder habe ich nie geschen, vielleicht sind diels aber die beiden Zühnchen, welche Brown sah. Phys. Klasse 1329. E 34 EHrENnBERG Rücksichtlich der Spalte, worin die Öffnung der Staubbeutel liegt, bemerke ich noch, dafs sie bei den eigentlichen Asclepiadeen an der scharfen äufseren Seite liegt, mithin leicht zu übersehen, oder vielmehr schwer zu sehen ist und nur wenn die Schläuche hervorhängen leicht erkannt wird. Bei den Stapelien hingegen wird dieselbe durch eine dicke und lange Wulst bezeichnet, welche die Naht bildet und nach der hin alle Pollenkörner ihre fadenförmigen Fortsätze convergirend hinwenden. Die Richtung dieser Spalte und ihr Verhältnifs zum Stigma bezeichnet zwei Abtheilungen der Asclepiadeen-Familie. Bei den Gattungen 4sclepias, Calotropis, Kanahia und ‚Solenostemma, also bei denen, welche mit der Form der Gattung 4scle- pias am meisten übereinstimmen, ist dieselbe dem Rande der Pistillarscheibe oder des Stigmas nicht zugewendet, sondern bildet herabsteigend einen rech- ten Winkel mit ihm. Dagegen ist die Naht und Öffnung bei den Formen, welche der Gattung ‚Stapelia zunächst stehen, Stapelia, Desmidorchis, Lachno- stomum und Hoia dem Rande der Pistillarscheibe ihrer ganzen Länge nach zugewendet und zuweilen mit ihm parallel oder aufsteigend. Endlich ist es mir noch gelungen die sonderbare Eigenthümlichkeit des Pollens der Asclepiadeen, welcher sich meist langgeschwänzt und in einer von der gewöhnlichen Form des Pollens abweichenden Gestalt zeigte, durch Beobachtung der Jugendzustände in Harmonie zu bringen. Meist zeigten nämlich die Jugendzustände der Pollenkörner eine so klebrige und weiche Beschaffenheit, dafs es nie möglich war einzelne junge Pollenkörner zu iso- liren, nur Fragmente waren zu erhalten. Daher durfte ich nicht annehmen, dafs im früheren Zustande dieses Pollen eine andere Gestalt habe als im reifen. Allein ich habe im vorigen Jahre (1830) bei #sclepias Fincetoxicum diese Son- derbarkeit der Form zu ihrer Regel zurück führen können. Wenn ich nämlich bei dieser Pflanze junge aber schon reifende Antheren untersuchte, so fand ich runde, oder eiförmige, glatte und ganz ungeschwänzte, grofse Pollenkörner, welche sich sehr deutlich isoliren liefsen (Tafel I. Fig. 3. e.), bei reiferen Antheren hingegen fand ich sehr lang geschwänztes Pollen. Hierdurch habe ich mich überzeugt, dafs das Pollen der Asclepiadeen, welches überall glatt ist, ursprünglich eine rundliche Form hat wie alles übrige Pollen und dafs zur Zeit der Befruchtung dasselbe einen schlauchförmigen Anhang bekomnt, 8 aus dem sich die spermatischen Körperchen auf das Stigma entleeren, oft über das Pollen der Asclepiadeen. 35 ohne selbst dorthin ausgeworfen zu werden. Durch diese Beobachtung gewann ich auch noch eine interessante Bestätigung für Brogniarts, von Brown angegriffene Meinung, dafs die darmförmigen Anhänge des Pollens wirklich eine Haut führen. Bei allen Asclepiadeen, die ich untersuchte, fand ich diesen Anhang mit dem bestimmtesten Character einer häutigen Verlängerung des Pollenkörpers, weshalb ich. sogar denen, welche nicht glücklich genug sind, die Schläuche der Pollenkörner anderer Pflanzen nach der Befruchtung zur Ansicht zu erhalten, rathen kann, sie bei den Asclepia- deen (A#sclepias) aufzusuchen, wo man sie, selbst bei trocknen Pflanzen der Herbarien, in den gelben Körperchen von der Natur für den Botaniker auf- bewahrt findet. Nur bei Zachnostomum montevidense habe ich durch Druck bei den wenigen von mir untersuchten frischen Blumen darmförmige Anhänge der Pollenkörner ohne deutliche Hülle gesehen, glaube aber, dafs sie nicht reif genug waren und von mir nicht wirklich zergliedert, sondern zerquetscht worden sind, weshalb also jene auf der zweiten Tafel Fig. 6. e* dargestellten Fortsätze der Anthere Producte des zerstörenden Druckes waren. Ich bemerke auch, dafs ich bei Untersuchung der Jugendzustände zwar die Antheren leicht vom Filament abbrechend gefunden, aber mich nicht über- zeugen konnte, dafs Filament und Staubbeutel erst später zusammenwüchsen, obwohl ich die dafür stimmenden Beobachter sehr hochzuschätzen weifs. Die grofse Nähe beider Theile und ihre weiche, brüchige Beschaffenheit in der früheren Zeit, wird die Meinung wohl noch eine zeitlang theilen. Nachdem ich diese Mittheilung von Beobachtungen und Erfahrungen vorgetragen habe, lenke ich zwar wieder auf den ersten Gesichtspunkt zu- rück, allein es ist nicht meine Absicht, durch weitere Ausführung dieser Darstellung gegenwärtig mich irgend einer Parthei für die Erklärung der Befruchtungsweise bei den Pflanzen anzuschliefsen. Ich halte mancher Unter- suchung zufolge jede der bisherigen Erklärungen noch für unreif, für ein Vorgreifen des Verstandes in Sachen, die der Erfahrung und Beobachtung angehören und wenigstens durch deren Bestätigung erst einen Werth erhalten. An eine Einwirkung von Samenthierchen zu glauben verbieten mir anderwei- tige eigene Beobachtungen, deren Mittheilung noch nicht gezeitigt ist, denn ich habe sowohl bei Thieren als Pflanzen meine Aufmerksamkeit auf diesen Punkt sehr angelegentlich gewendet. E2 36 EHnreEenBEere Ich wünsche durch gegenwärtigen Beitrag für die Physiologie nur so viel festzustellen, dafs Untersuchungen über jenes innerste Heiligthum der Natur, welches die Lehre von der Befruchtung einschliefst, noch manche kaum zu ahnende Vorarbeiten bedürfen, deren Nothwendigkeit und Richtung man erst sieht, wenn man sich damit eifrig beschäftigt und die auch für die geübtesten Anatomen täuschend sind, durch philosophische Speculationen aber nicht ersetzt werden. Der so genial mit Entwicklungsbeobachtungen vielseitig und mühsam untersuchte und doch jetzt erst berichtigte Gegenstand der Asclepiadeen-Structur mag denen, welche sich im Enthüllen dieses Räth- sels üben, zur Erinnerung vorliegen. über das Pollen der Asclepiadeen. 37 Erklärung der Tafeln. Rücksichtlich der beiliegenden zwei Tafeln mit Abbildungen, welche ich unter starker Vergröfserung selbst entworfen, möge Folgendes zur Erläu- terung dienen: Auf der ersten Tafel sind nur solche Formen dargestellt, welche die Öffnung der Staubbeutel im rechten Winkel vom Stigma herabhängend füh- ren, oder abgewendete Asclepiadeen-Formen (4sclepiadeae aversae), wie besonders die herabhängenden Antheren bei Fig. 2*. zeigen. Der Quer- durchschnitt einer Anthere bei 4c* zeigt das Convergiren der Pollen- schläuche nach der äufseren Seite der Anthere. Auf der zweiten Tafel sind nur solche Formen aufgenommen, welche die Antherenspalte dem Stigma zugewandt zeigen, also zugewendete Asclepiadeen-Formen (4scle- piadeae adversae). Die Buchstaben bezeichnen folgende Theile: a. das dem Stigma angeheftete, im Alter locker werdende, erst drüsige, dann hornige Filament; b. sind die Connecticula der einfachen Antherenkapseln ; c. die vollen Antheren ; d. geprefste Antheren nach ausgeleertem Pollen; e. abgeschnittene Antherentheile; /. durch Druck aus den getheilten Antheren hervorgetriebene Pollenkör- ner, meist geschwänzt; 8. bezeichnet auf der zweiten Tafel die Öffnungsstelle der Antheren- kapsel. 38 Figur 1. Figur 2. Figur 3. Figur 4. Figur 5. Figur 6. EHureEenBErc ist eine der fünf Antheren von Solenostemma Argel. Bei dem Connecticulum des linken Zoculus ist die zellige Structur desselben angegeben. Die Antherenhäute sind beide durch Eindrücke der grofsen Pollenkörner getäfelt, haben aber überdies eine eigene zellige Structur, wie Fig. e. zeigt und der linke Zoculus in der Nähe des Connecticuli. Die Pol- lenkörner sah ich nie geschwänzt, also wohl nur jung. ist eine Anthere von Zsclepias syriaca und zeigt bei 2* die Stelle der natürlichen Öffnung, durch welche die Pollen- körner theils selbst ausfallen mögen, theils blofs durch ihre Schläuche das Sperma entleeren. Diese Schläuche sind immer vorn abgestutzt, aber ohne Widerrede häutig. Die Zellen der Antheren sind vielleicht nur Pollen-Eindrücke und das eigentliche viel kleinere Zellgewebe bildet vielleicht die Punktirung. ist eine Anthere von #sclepias Vincetoxicum in natürlichem Zustande. Die Zellen sind Eindrücke des Pollen. 3e. ein etwas gedrückter Abschnitt eines jüngeren Antherensackes, 3d eines älteren, wodurch die Pollenform sich feststellt. ist eine Anthere von Calotropis procera. Die natürliche Spalte des Antherensäckchens ist gewifs da, wo die Zahl 4 steht, ebenso ist es bei 3 und 1. Der rechte Zoculus d ist gedrückt und hat eine künstliche Querspalte, wodurch sich das Pollen entleert hat. 4a* ist ein Querdurchschnitt des braunen Körperchens oder Filaments mit seinen umgebo- genen Rändern. 4c* ist ein Querdurchschnitt des linken Loculi, wodurch die Richtung der Pollenschläuche, mithin die Offnung erkannt wird. ist eine Anthere von Kanahia laniflora aus Arabien. ist eine Anthere von Lachnostomum montevidense. Die rechte Anthere ist weggelassen und dafür ein linker An- therenbeutel mit abgeschnittenem Spaltenrande dargestellt, wie er durch Druck bei * gewifs nicht die Schläuche der wahren Pollenkörner, sondern spermatische Masse in un- Figur 7. Figur 8. Figur 9. über das Pollen der Asclepiadeen. 39 regelmäfsiger cirrenartiger Form hervortreibt. Die grofsen Zellen mögen die Gröfse der Pollenkörner bezeichnen, als construirende Zellen der Antherenwand erscheinen sie zu grofs. ist eine Anthere von Stapelia grandiflora, bei welcher das Schlofs der Spalte sehr deutlich ist. Man sieht die conver- girenden Eindrücke reifer Pollenkörner in der Nähe des Schlosses. Einzelne freie Schläuche sind bei f durch Druck hervorgeschoben. Die scheinbaren Zellen der Antheren sind Eindrücke des Pollens. ist eine Anthere der habessinischen Desmidorchts retro- spiciens. ist eine Anthere von Hoia carnosa. 9d. ist eine leere Längs- hälfte eines Antherenbeutels, aus welcher die zusammen- geklebten Pollenkörner (9 f.) hervorgezogen sind; 9e. ist die andere Hälfte, noch erfüllt mit dem sich etwas auf- lockernden Pollen. Bei 9 g. ist die Öffnungsstelle der An- therenbeutel. —m&NINNNINID ar Far Burn ig RoTen IE UT air = nen ; Jobönlgerreui \ e . = Di u 5 . e .- 2 ö EI OR u u Ar . u ? h n . . | Rd F Li ’ s B% l f A \ de j . a i >» Ri je *y ee CE Br Be I ERURUR Anl wi “sh ws KB Ars ach Ania abe = wo eh änemihotte th ab niit ee |, BIUmEnRTT Pr car ahre sah A ar ee er - er el er a kahl REN re a uadind- an Ya a ih ae re Riten, nl DL ab Alb ara ir ee Der EN PINNES er Far Prah Aland Fade old BETON BAT HN RN prägnant Si: ae EICHE Bere Kids EN De a 0 he or wii ob le. sh Fre Bm AS SU ze ee en BL dan kn it WM 4 lie rat: en ne) ELLE ua I Pe en Kai talumnfarnbud, nee EETRReE HeE STD ECTTDRT TE DU TU U; LAN re ag u er 27 # a vi ul» ıyae_ elaahd alu ur We * Mr von 1 e; a . 1 “ er Pollen der . Aschgpiadeen. 1. Solenostemma Argd. 2: Arclepias sypriaca 5.. Ärelgpias Vineetzwum. % - Calotrepis ‚proera. 5. banahia lanıflera.. Kronberg. ik». EB! Schmidt. u . Be i Kar fi i Een ie KAR Ss h ee e! N x ORAL har & L I > 2 ul N) u I nn (\, e:3:2e], d.i. o, zugleich Abstumpfung der Kante, welche die Schief-End- fläche [e:e: >| mit der Seitenfläche [a:2:% e| bildet. In diese Zone von der Schief-Endfläche nach der Seitenfläche, welche wir die Kantenzone (im zwei- und- eingliedrigen System schlechthin) zu nennen gewohnt sind, gehört aber nicht allein die eben genannte Fläche | a@:2:z als sondern eben so auch die vorher genannte Fläche [e:»: #2], wie der Parallelismus der entsprechenden Linien zwischen r, &, o, M, deutlich macht; nur ist, versteht sich, die Fläche r nicht Abstumpfung der stumpfen Endkante, wie o, x c|, sondern sie würde vielmehr eine Abstumpfungsfläche der scharfen Endkante werden, welche [a:e: 002], d.i.x, wenn es allein die Endigung der Säule bildete, mit den hinteren Seitenflächen M bilden würde. Schon wenn man die 3 jetzt genannten Flächen aus der Diagonalzone vonn=|22:e:®a|,d.i.r, s, o, zusammenstellt, wird es als bemerkens- werth erscheinen, dafs, wenn wir sie alle so ausdrücken, dafs ihnen das Verhältnifs in 2 und in c gleich ist, ihr Werth in a sich verhält wie 1:4: --, und zwar so, dafs die in dieser Reihe sich folgenden Glieder abwechselnd der vorderen und der hinteren Seite des Endes angehören: % d.r |a 28: 2 z\vom ce | hinten 0,0. >a:d:-e| vorn. Aber wirklich geht dies weiter fort, und es kommt hinten wieder eine Fläche z (Fig. 1.u. 2.) in derselben Zone vor = [= d:b:+ e]. In den Linien a aber liegen die Sinus der Neigungen aller dieser Flächen in der Diagonalzone von [22 .e: «|, d.i. ihrer Neigungen gegen eine Aufrifsebne dieser Zone parallel [a : 05:00e|, während die zugehörigen Cosinus für alle geschrie- über den Haytorit. 71 bene Flächen identisch sind. Wir haben also, wenn wir derFläche |a:3: 5 die Einheit der zu vergleichenden Sinus beilegen, hinten | -«a:3:-5 | mit -;, dann vorn mit 4, wiederum hinten mit + Sinus, oder, wie wir uns der Ausdrücke gewifs am besten bedienen, hinten die zweifach schärfere, dann vorn die dreifach schärfere, abermals hinten die vierfach schärfere. Ich habe noch eine Fläche beobachtet, welche, gesetzt, dafs sie in dieselbe Zone gehört, was nicht scharf ausgemittelt werden konnte, sein würde die Fläche +. ud =] oder die sechsfach schärfere, vorn; wodurch die fünffach schärfere übersprungen wäre. Ihre weitere Deduction werde ich sogleich geben. Auch das Gegenstück der Fläche |a:2:-;c , nemlich la':2:—e |, 3 5 d.i. 2 (Fig. 1.u.2.) kommt ebenfalls, doch seltner, vor; der Unterschied beider Flächen r und £ bewährt sich a das ganz verschiedene Ansehen. Die Flächen [2ö: 0: :00a| und [+ .:3:4 a:b:-+c|, d.i. nunds, haben mit der geraden Endfläche das ähnlichste a sie sind, wie diese, starkglänzend und von geringen Unebenheiten; dagegen gleichen die Flächen im Ansehen weit mehr den Seitenflächen, und sind fast matt, und doch ebner noch als jene drei. Die Flächen | a’: 5 : 4 c | hingegen haben eine ihnen eigne Convexität und unregelmäfsige Streifung parallel der Diagonalzone von [25:c:00al|, und keineswegs Bi Glätte und Stärke des Glanzes der L ie B beiden Flächen E :01200 a| und | - d:b: = el, zwischen welchen sie in eben dieser Zone liegen. Vollkommen convex, und dabei nur wenig glänzend, sind die Abstum- pfungsflächen o der stumpfen Endkanten; ihr Ansehen und ihre Krümmung ist ganz verwandt dem der beschriebenen Flächen |a@: 20:00 |, d.i. y. Wo, an beide grenzend, die Flächen +. vb: e] noch vorkommen, da sind sie von besonderer re und Be an der drusigen Beschaffenheit der Schief-Endfläche [a: ce ob weitem weniger ne, als u) ze: ia -e] als E 005: eb n +. 3%: ze] sind bei zwischen welchen beiden sie sehr nett mern pflegen. Nach Phillips käme auch eine Fläche | @:2: | vor, die, welche er mit r bezeichnet; ich habe nicht Gelegenheit gehabt, sie zu beobachten. 72 WE nusas Erheblicher ist die von Philli ps allerdings auch beobachtete, bisher ganz in den Hintergrund getretene Fläche E :c:00a| selbst, nemlich unser o drittes zu [a :5:00c| und [@:c:005| gehöriges Flächenpaar, eben das, welches, wenn @«=c, genau die nemliche Neigung unter sich und gegen b erhält, wie die Seitenflächen der Säule selbst; eben das, welchem beim Haytorit die Fläche | 20:0:%a| als überwiegend sich substituirt. Die Phillips’schen Winkel für dieses [&:e: 000] sind 76° 44’ und 103° 16’, nach ihrer Neigung gegen die gerade Endfläche gemessen, während die Säule nach ihm 77° und 103° hat; die Winkel für [22 :c:00a| findet er, eben so gemessen, 115° 16’ (und 64° 44‘); woraus für jene folgen würde 76° 32° und 103° 28. (Man vergl. wiederum die Quarzwinkel.) Wenn wir nun also zum Behuf eines höchstmöglich vereinfachten geometrischen Grundbildes zu beliebiger Vergleichung mit sämtlichen Win- kelangaben die Grundlage des zwei- und- eingliedrigen Haytoritsystems con- struiren durch ae bee V8: Vs 278, so würden Säulenwinkel und jener Zuschärfungswinkel am Haytorit = 76° 39’ 27,5 und 103° 20’ 32/5; statt des gleichen Zuschärfungswinkels aber der [25:6:00@| = 115° 2237” (115° 16° bei Phillips). In der so merkwürdigen Diagonalzone von [20:e:o0a] hätten wir dıe Nei- gewöhnliche durch 122: e: a] d.i. gegen n (Fig. 1.02%) für [a: Bize] sowohl als & »:—c\ gleich 157° 5; Phillips fin- det für die erstere 157° 30’, für die andere 156° 50’; gun gen gegen für |. d: 2: ze] gegen [28:0: a] 139° 48’, nach Phill. 139° 42. für Zen: ol = — 128° 16 für |- i =: er 120° 364. und für _ = 411° 31 & Ihre Neigungen unter einander, so wie gegen [« : 00 5.100 ee fliefsen hieraus unmittelbar. Gegen die gerade Endfläche | ce: wa: ob wird die Neigung über den Haytorit. 13 von oder 141° 7’ 24”; nach Phillips jene 141° 20’, diese 141° 25’, gegen die Seitenfläche der Säule hätten wir dem- nach 128° 52’ 36”, von [Fe:3:+e] gegen [e: 00a: 003] 130° 12’ 10/7; nach Phill. A308) 5 von|+a:5:4c.|. — - 121° 34. Die Flächen [+ «:3: ce], welche die gewöhnliche augitartige Zu- schärfung an der hinteren Seite des Endes, deren schief laufende Endkante linienartig durch abgestumpft wird, zu bilden pflegen, würden gegen einander genau mit der Neigung der Flächen am Leueitkörper in der schärferen Endkante geneigt sein, nemlich unter 131° 4837” (der Winkel des Rhombus, dessen Diagonalen sich verhalten wie V5: 1). Phil- lips fand am Haytorit für diesen Winkel nur 130° 22’, welches, wenn es kein Druckfehler ist, mit allen übrigen Messungen am wenigsten stimmt, die doch, wie man bisher gesehen hat, unter sich ganz gut zusammenhingen. An einem hier gemessenen Krystall fand Hr. Prof. Rose diesen Winkel zu 131° 35-43’, die Glätte der Flächen war unvollkommen; die eine Fläche gab zwei Bilder statt eines, und dieses zweite Bild gab den genannten Win- kel zu 132° 17-17”. | In der horizontalen Zone, wo M, d.i. ganz das constante ist, und, ohne alle Längenstreifung, ‘keine herrschende Neigung zur Hervor- bringung anderer Flächen dieser Zone verräth, kommt nächst ihm gewöhnlich nur [e:08: 000] d.i. h, da die Säule so niedrig zu sein pflegt, dafs die Schief- Endfläche des oberen mit den Flächen des unteren Endes sich schneiden, als ein kleines, aber sehr nettes und symmetrisches Dreieck zum Vorschein ; Phillips beobachtete auch [e:28:000 ‚ sein i, und [a:32:00c|, sein o. Ein [@:43 :00c], k (Fig.1.) beobachtete ich, linienartig die Kante abstumpfend, in welcher die Schief-Endfläche [a:c:05] von der nach unten gerichteten Fläche s= + avast a (der parallelen unsrer gewöhnlich, als nach oben ge- richtet, [4 0:2: 4 ce | geschriebenen) geschnitten wird; in der nemlichen (‘) Eine Messung von Hrn. Prof. G. Rose gab die Differenz umgekehrt, nemlich 130° 18-22. Phys. Klasse 1329. K 74 Weıss Zone (1), zwischen |a :.c: 002 und |a: 45: e] beobachtete ich auch jene Fläche, welche, vorausgesetzt, dafs sie zugleich in die Diagonalzone von 25:c:00a| gehört, sich dadurch ausweisen würde als —a:»:-.|. Ge- 8 ’ 6 2 setzt dagegen, worüber die Beobachtung in ähnlichem Zweifel liefs, dafs die zweite Zone, in welcher sie liegt, die Diagonalzone von [e: 20:00] sei, wie in Fig. 1. für 7 gilt, so ist es im Gegentheil die Fläche |a: sa: 2c |. Endlich beobachtete ich, eben so linienartig, noch eine Fläche der ho- rizontalen Zone /, wiederum die Kante abstumpfend, welche das nach oben gerichtete [@: 20:00 | mit dem nach unten gerichteten [-@:3:+ | bil- dete; folglich war dies die Fläche la:88:00 » Und auf sie würde die Fläche [e: sö'r2e] =ltlailıar +e] gerad aufgesetzt sein, falls diese, und nicht [=a:2:&e die zweifelhafte,,in der Zone mit der Axe = (a ;1b-+e) beobachtete war. h lodıni Wir wiederholen es: Wer sein Auge für das Ansehen von ächten Krystallflächen im Gegensatz gegen Flächen von Afterkrystallen geübt hat, kann bei dem blofsen Anblick der Haytoritkrystalle billig nicht schwanken, mit welchem von beiden man es hier zu thun hat; und ich theile mit Herrn Brewster (?) die Verwunderung, dafs dennoch geübte Mineralogen, gewifs nur vorgefafsten Ansichten gemäfs, die Haytoritkrystalle haben können für Afterkrystalle erklären. Beobachtet man die feineren Unterschiede, welche mit mehrerer oder minderer Deutlichkeit an ächten Krystallen immer die Flä- chen verschiedenen Werthes auszeichnen und characterisiren, am Afterkrystall hingegen in der Gleich- und Einförmigkeit des Ansehens der Masse ver- schwinden, und blofs mechanisch noch den Stellen, die etwa ein Angriff getroffen hat, während er den Nachbar nicht traf, einen Unterschied lassen, aber keinen physikalisch constanten an jedem Individuum, entsprechend dem innern physikalischen Unterschied in seinen verschiedenen Richtungen ; und haben wir in dem obigen diese schönen constanten Züge der physika- lischen Eigenthümlichkeit der verschiedenen Krystallflächen des Haytorits (') Die Axe dieser Zone ist: (a;4b + ec). (*) Edinb. J. of sc. XU. 305: über den Haytorit. 75 ausführlich genug nachgewiesen, so dürften wir jeden Zweifel an der Ächt- heit der Haytoritkrystalle für beseitigt halten. Auch kann zur Bestätigung des gesagten dienen: das Vorkommen ganz anderer, wirklicher Afterkrystalle in einfachen, dünnen, hohlen, sechssei- tigen Tafeln (!), mit und zum Theil auf den Haytoritkrystallen. Wenn die Masse derselben hie und da auch einen Überzug auf den letzteren bildet, so springt sie als eine fremde, spröde und dünne Rinde mit der höchsten Leich- tigkeit von ihnen herunter, und läfst sie frisch und unangetastet zurück, als mit deren Bildung die neuere Rinde in gar keinem Zusammenhang steht. Aber die innere blättrige Structur, die man vermifst, und worauf man dann natürlich auch die Hypothese von der Afterkrystallnatur des Haytorits gründen zu können geglaubt hatte — freilich ist sie vorhanden im Haytorit und mannichfaltig genug. Bei dem Betrachten der Krystalle am Kerzenlicht bin ich die regelmäfsigen Spiegelungen aus dem Innern sogleich gewahr wor- den; und zwar sah ich sie Ben mit [e:e:00 :00b| ‚ parallel mit © el» mit as 00 25:0:000] und mit [#:000:o0e © a:00c Erin Zerschlagen n es fand erkennbar, wenn freilich, wie sich versteht, versteckt blättriger Bruch, parallel mit [e:e:3]. Aber selbst der nicht - blättrige gewöhn- liche Bruch des Haytorits hat sowohl in der Art und Weise seiner Unter- brechung durch die Anlage zum versteckt blättrigen, als in der Beschaffen- heit seines Glanzes, ganz und gar das Gepräge des ächten Krystalls, und nichts von den inneren Absonderungen verschiedener Individuen, wie sie in einem Afterkrystall verworren beisammen sind. Der Haytorit, mit einem Worte, ist ein ächter Krystall, wie irgend einer sonst. (‘) Es sind auch andere, ganz verschiedenen Fossilien gehörig, beobachtet worden, und wahrscheinlich hat man einige dieser Afterkrystalle als Haytoritkrystalle mit beschrieben. —£ IIND et gi " Shayuplt sh 14 % ig Yes Ber: g ah ss ion who bar oh Br h insyd er. [Eure “anerr » 3 fe, > Fun en z .alled & zitioasd ET; ‚ko Se Bere fo: ir 1 i | lies BER OR Gm! zeatoih age 33 20h geuginen ur urn 1077 E = | zbamitın 5 ei ‚user BEN En si oltsrernknd LLneN Piz yenshun a e Den = : ih untl seollsierirret oh eb bir u R\ De, - e .. mhk mist ey? Wi 130-% un Fo sid! dena nu Tas, al undbrıb Le a ie + Ro .+ } = a alias abönera, ‚olns art arte ale sie Igairga , \e Ssirsm eniemmadng bunflauitl ala ARE, banı aim! uuli ae W ig it else er rohr era aan erb: Ei 2 e 5 iz ur Pr - Pr} In in r rn ianliyr bun eltanrste kan ar ante erris Kelchrarın ih =. Br . 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Einflufs, welchen bei Zwillingskrystallisationen ein Individuum auf das andere während des Fortwachsens ausübt, liegt wohl nirgends directer und sprechender am Tage, als an den höchst netten, in Derbishire (Rutland Cavern) vorgekommenen Kalkspathzwillingen (Fig.3. u. 4.), welche mit dem ganz gut bezeichnenden Trivialnamen der herzförmigen Krystalle (cordi- Jorme, ch. carb. en coeur) belegt worden sind (t). Was das Wesentliche des Zwillingsgesetzes betrifft, unter welchem diese ‚‚herzförmigen’’ Kalkspathzwillinge stehen, so ist es jenes für den Kalkspath seltnere Zwillingsgesetz: dafs beide Individuen eine der Rich- tungen des vollkommenen blättrigen Bruches (parallel den Flächen des Haupt-Rhomboöders) gemein, die beiden andern dagegen, so wie die Axe des Rhomboeders, umgekehrt gegen die gemeinsame Rhomboederfläche liegen haben. Oder will man es in der beliebten, freilich weniger wissen- schaftlichen Sprache ausdrücken, so ist es, als ob beide Individuen in einer dieser Rhomboederflächen, in welcher sie an einander grenzen, um die (') Sie sind von Bournon, traitd complet de la chaux carbonatee et de larragonite, t. Il. p.66. 67. und pl.24. Fig.386-388, freilich sehr unvollkommen, beschrieben und abgebildet worden. Vielleicht, dafs er auch in seinen Fig. 450. und 449. Taf. 29., deren im Text t. I. p.70. Erwähnung geschieht, hieher gehörige Stücke hat abbilden wollen; indels muls man wohl Be- denken tragen, sowohl was er von den letzteren sagt, als abbildet, auf unsern Gegenstand zu beziehen. 78 Weıss über die herzförmig genannten Zwillingskrystalle Hälfte um einander umgedreht wären. Dies Zwillingsgesetz, obgleich das seltnere, kommt übrigens bei verschiedenen Kalkspathvarietäten vor, auch ohne die Nebenerscheinungen, welche gerade jene herzförmigen Krystalle vorzugsweise interessant machen. Das besonders belehrende an ihnen ist nemlich die Art, wie die Zwillingsverwachsung jedes der beiden Individuen bestimmt, ihre gleichartigen Flächen, sowohl die Seitenfläche der gewöhn- lichen Säule, [2:0 a: als die des gewöhnlichen Dreiunddreikantners ee (c und r bei Haüy und in den Fig.3-5.)(') auffallend unsym- metrisch auszudehnen; wobei jedoch aus der gleichen Unsymmetrie bei- der Individuen eine neue Symmetrie für den Zwilling hervorgeht. Zur Erläuterung dient Fig.5., wo die Individuen in ihrer gewöhn- lichen Symmetrie dargestellt sind. Es dehnen sich, wie man sicht, von der freistehenden Endspitze jedes Individuums aus (?) zwei jenseit der Axe einander gegenüberliegende Dreiunddreikantnerflächen, wie r’ und die ihm gegenüberliegende, unsymme- trisch aus, und zwischen beiden bildet sich eine neue scharfe Kante g. Diese scharfe Kante ist nichts andres, als das Complement der Lateralkante des Dreiunddreikantners r, also 46° 34 nach den einfachen Haüy- schen Voraussetzungen; denn essind dieselben Flächen, welche bei dem reinen Dreiunddreikantner einander in der Laateralkante schneiden, und sich im vorliegenden Fall verlängern, um sich im Complementwinkel zum zwei- (‘') Bournon’s abgebildete Krystalle haben aulser den genannten zwei Flächen e und r von Haüy (oder n.2. und 36. bei Bournon) noch die Flächen des ersten stumpferen Rhomboäders Br mE a |, sein n.4. oder Haüy’sg. In der Reihe schöner Exemplare, welche das Königl. Mineralienkabinet besitzt, sind diese Flächen bei keinem derselben vorhanden, sondern alle In- dividuen haben die reine Combination der beiden erstgenannten Flächen, d.i. der gewöhnlichen sechsseitigen Säule c mit dem gewöhnlichen Dreiunddreikantner r. Dem, was sich an der Zwil- lingsgruppe besonders merkwürdiges findet, sind auch jene Rhomboäderflächen unwesentlich, und ihr Hinzutreten würde die Schönheit der Erscheinung, wie sie an unsern Krystallen wirk- lich, und gerade in ihrer Einfachheit am grölsten ist, nicht erhöhen; daher können wir vor- läufig von ihnen abstrahiren. (°) Mit, den zusammenstolsenden entgegengesetzten Enden beider Individuen ist die Gruppe jederzeit aufgewachsen, und zeigt an diesen blols die Seitenflächen der Säule, keine den obe- ren parallelen Dreiunddreikantnerflächen. Durchwachsungen sind noch nicht vorgekommen. von Kalkspath, und gewisse analoge von Quarz. 19 tenmale zu schneiden. Eine Folge ist, dafs, wenn man den gewöhnlichen blättrigen Bruch aufsucht, je zwei Flächen desselben — die dritte ist, wie gesagt, parallel der Grenzebene beider Individuen — wie Zuschärfungsflächen eben dieser neuen Kante g, und zwar so erscheinen, dafs sie unter einander den stumpfen Neigungswinkel, d.i. den in der Endkante des Rhomboe- ders (104° nach Haüy, 105° 5’ der strengeren Messung) bilden; oder also, dafs die neue Kante selbst einer Endkante des Haupt -Rhomboe&- ders ihres Individuums parallel geht. Erreichen nun diese relativen Mehrausdehnungen der genannten Flä- chen an beiden Individuen ihr Ziel, so verdrängen sie die einspringenden Zwillingswinkel der angrenzenden Flächen 7”, r” und c’, ec” gänzlich; in an- deren Fällen bleiben noch kleine Stücke dieser einspringenden Winkel zu- rück, wie Fig. 4. zeigt. Verschwinden die einspringenden Winkel ganz, so stofsen beide Kanten g an der Zwillingsgrenze unter einem stumpfen Winkel ausspringend zusammen, und zwar offenbar unter einem Winkel, der gleich ist zweimal dem Neigungswinkei der Endkante des Haupt -Rhomboeders gegen die Längendiagonale der angrenzenden, dem entgegengesetzten Ende zugekehrten Fläche; mit andern Worten, gleich zweimal dem Lateral- winkel des Haüy’schen Hauptschnittes am primitiven Rhombo6&- der; also = 2. 71° 33'54” oder 143° 7’48” nach den Haüy’schen Kalk- spathannahmen, 2.70°51’36” oder 141° 43'412” nach den Malus’schen und Wollaston’schen Berichtigungen (!). Die sich ausdehnenden Flächen 7, r' beider Individuen stofsen in der Zwillingsgrenze ausspringend zusammen unter einem Winkel, für dessen Hälfte der allgemeine Ausdruck ist 2 sin ° cos? rad = 3c Yas®+ 30° : 25? — 0? :2 Vs’+c?. Ys’-+7c? (') Allgemein also werden die Erscheinungen denen hier völlig analog sein können, so lange das Rhomboäder ein stumpfes ist. Wäre es ein scharfes, also der Lateralwinkel des Haupt- schnittes ein stumpfer, so würden die entsprechenden Kanten g, und die sie bildenden Dreiund- dreikantnerflächen einspringende Zwillingswinkel machen. Der Grenzfall, wo die Kanten g in der Verlängerung von einander zu liegen kämen, folglich die Dreiunddreikantnerflächen, welche sie bilden, eben so, wäre der des \WVürfels, und die entsprechenden Dreiunddreikantner- flächen wären die des Pyramidenwürfels |a:+ta: al oder des Pyritoeders. s0 Weıss über die herzförmig genannten Zwülingskrystalle dies giebt 2. 82° 49’ 9/26 oder 165°38’18/5 nach den Haüy’schen Prämis- sen, oder 2.32°29, d.i. 164°58’ nach den Berichtigungen der Werthe durch Malus und Wollaston. Die Seitenflächen der Säule, wie c, c, nehmen an der relativen Aus- dehnung über ihre gleichartigen ebenfalls Theil; sie verdrängen ihrerseits die gegen die Zwillingsgrenze einwärts gekehrten Seitenflächen ce’, ce’ auch aus der Begrenzung der Gruppe, und wiederum bis zum Verschwinden der letzteren. Aus den allgemeinsten Grundsätzen der Rechnung am Rhomboe- der ergiebt sich leicht, welches der Werth des ausspringenden Zwillings- winkels ist, den sie unter einander bilden; es ist nemlich für seine Hälfte sin: cos:rad = VY4s’+3c? :c:2Ys’+c* also 2.69° 17’ 42/66 = 138° 35’ 25” nach der Haüy’schen Annahme, oder 2. 69° 2635” == 138° 53’ 16” nach der berichtigten. Derselbe Winkel einspringend ist es, welcher von den Seiten- flächen der Säule c’, c’, wenn sie an der Begrenzung Theil nehmen, als Zwil- lingswinkel gebildet wird. Von dem einspringenden Winkel aber, welchen die in der Zwillings- grenze gerad gegen einander und einwärts gekehrten Seitenflächen c”, c” bil- den, ist unmittelbar einleuchtend, dafs es der doppelte Neigungswinkel der Rhomboöderfläche gegen die Axe ist; also würde er nach Haüy genau 90° sein, nach Malus und Wollaston’s Messungen des Kalkspathes 90° 47”. Ausspringend wird derselbe Winkel am entgegengesetzten Ende durch die parallelen Flächen von c’ und c” gebildet. Wenn an diesen Zwillingen die von Bournon noch aufserdem beob- achteten und abgebildeten Flächen des ersten stumpferen Rhomboöders mit hinzutreten, so sieht man leicht, wie sie daran erscheinen müssen. Die einen, die der Zwillingsgrenze zugekehrten, müssen nemlich die durch die unsymmetrische Mehrausdehnung der gegenüberliegenden Dreiunddreikant- nerflächen 7’, r’ entstandene Kante g gerad abstumpfen; denn diese Kante eoineidirt mit der Endkante des Haupt-Rhomboeders, und ihre gerade von Kalkspath, und gewisse analoge von Quarz. 81 Abstumpfung ist also nichts andres, als die Fläche des ersten stumpferen. Am Zwillinge also bilden die zwei zusammenstofsenden Flächen den vorhin an- gegebenen Winkel, welchen die Kanten g bildeten, unverändert als Neigungs- winkel gegeneinander ausspringend; von den zwei übrigen Flächen des ersten stumpferen Rhomboeders leuchtet es gleichfalls ein, wie auch sie nur ausspringende Zwillingswinkel unter einander bilden würden. Und so hat auf sämtliche Flächen des ersten stumpferen Rhomboeäders das keine An- wendung, gleichartigen Flächen die, welche gegen die Zwillingsgrenze einen einsprin- was diesen Zwilling so merkwürdig macht, nemlich: dafs von genden Winkel bilden würden, constant und regelmäfsig verdrängt werden durch diejenigen ihnen gleichartigen, welche hier ausspringende Win- kel bilden. Dafs nun dieses in der Bildung wirksame Gesetz als eine unmittelbare Folge der allgemeinen Massenanziehung als eingreifend in die Kry- stallbildung, (welche mit jener immer in einem nothwendigen Widerstreit sich befindet) angesehen werden mufs, liegt am Tage; nicht minder aber auch das: dafs es ungereimt wäre, den ganzen Hergang als eigentliche He- mitropie darstellen zu wollen, als ob an gewissen Individuen die beschrie- benen Dreiunddreikantner- und Seitenflächen über die ihnen gleichartigen (gleichsam ohne allen Grund) sich ausgedehnt hätten, damit dann durch Umdrehung des einen um das andere, oder gar durch Halbirung und Um- drehung der Stücke um die Hälfte das Factum herauskomme, wie es hier vorliegt. Die Unsymmetrie in der Bildung des Individuums ist hier sicht- lich die Folge seiner Zwillingsstellung, und kann dieser nicht voraus- gegangen sein. Ein Gegenstück zu den jetzt beschriebenen Kalkspathzwillingen habe ich unlängst an einem — nicht minder seltenen und interessanten — Quarz- zwilling aus Dauphin€ beobachtet (s. Fig.6.). Sein Zwillingsgesetz war nicht das gewöhnliche rhomboödrische, sondern bezog sich direct auf die Verhältnisse des dihexaädrischen Systems als solches. Es war nem- Phys. Klasse 1829. L 82 Weiss über die herzförmig genannten Zwillingskrystalle lich folgendes: Beide Individuen hatten als Grenzebene gemein- schaftlich eine Fläche des ersten stumpferen Dihexaäders Baer, (!), d.i. eine gerade Abstumpfungsfläche der Endkante des ge- wöhnlichen Dihexaöders [22 =8]; und die Axen beider Individuen umgekehrt liegend gegen diese gemeinsame Ebene; das übrige 1 folgt; z.B. dafs die auf der gemeinsamen Ebene [@:22:4] senkrechten 7 Seitenflächen der sechsseitigen Säule r, r bei beiden Individuen in gleicher Richtung und gegenseitig in der Verlängerung von einander lagen, u. s. w. Betrachten wir zuerst die krystallographischen Verhältnisse eines sol- chen Zwillings näher. Die Axen beider Krystalle neigen sich gegen einander unter dem dop- pelten Neigungswinkel der Endkante gegen die Axe, also unter dem gegen- seitigen Neigungswinkel der Endkanten eines Individuums jenseit der Axe, d.i. unter 84° 47’ nach Haüy, oder 84° 35’ 12” nach Malus. Diesen Win- kel machen also die Seitenkanten m, m (Fig.7.) unter sich. Die Seiten- flächen 7’, machen nach den Haüy’schen Annahmen den einspringenden Winkel von 2.50° 14’ 16/2, d.i. von 100° 28’ 32/4, oder den von 2. 50° 9 46,4 = 100° 19 32/8 nach Malus(?). Für ihre Hälften nemlich ist sin: cos:rad= Y4a?’+c?:cYV3:2Ya’+.c? Von beiden Endspitzen neigen sich nun zwei Endkanten g, g (Fig. 7.) des Dihexaöders gegen die gemeinschaftliche Grenze und gegen einander so, dafs wir sie schicklich mit jenen Kanten vergleichen können, welche beim (') Wollte man, um die Ähnlichkeit dieses Falles mit dem vorigen des Kalkspathes weiter zu verfolgen, sich die genannte Grenzfläche wiederum als die Fläche eines Rhomboeders denken — sie würde dann dem ersten stumpferen von dem der Rhombenfläche am Quarz = [a:ta - a] entsprechen —; so würden die Seitenflächen zu denen der zweiten sechsseitigen Säule in Bezug auf dieses Rhombo&@der werden, statt derer der ersten; und daher ihr anderes Verhalten, als derer am Kalkspathzwilling. An die Stelle der Flächen lese ta des letz- teren aber wären dann getreten die Flächen [ertara in Bezug auf dies Rhomboäder der Grenzfläche. (*) Nach Haüy itarc=y5:y6; Malus’s Messungen dagegen führen auf ate=ya:y2%, wie anderwärts bemerkt worden ist. von Kalkspath, und gewisse analoge von Quarz. 83 herzförmigen Kalkspathzwilling (Fig. 3.) durch die sich verlängernden Drei- unddreikantnerflächen gebildet wurden. Beim Quarz aber neigen sich diese Endkanten in der Zwillingsgrenze nicht ausspringend gegen einander, wie dort, sondern einspringend, und zwar nothwendig mit dem doppelten gegenseitigen Neigungswinkel zweier jenseit der Axe sich gegenüberliegender Endkanten am Quarzdihexaeder, d.i. mit 2.84° 47’ oder 169° 34 nach Haüy’s Annahme, oder mit 2.84° 3512”, d.i. mit 169° 10°24” nach den Messungen von Malus. Eben deshalb stofsen auch die zwei Paare von Dihexaederflächen, wie P, ?, welche diese Endkanten unter sich bilden, in der Zwillingsgrenze nun einspringend zusammen, jedoch unter einem sehr stumpfen Win- kel einspringend; die Rechnung giebt nach den Haüy’schen Datis 170° 24 22’, nach den Malus’schen 170° 2’44”. Es findet sich nemlich für die Hälfte dieses Zwillingswinkels, d.i. für die Neigung der Dihexaederfläche, welche den einspringenden Winkel macht, gegen diejenige Fläche des ersten stumpferen Dihexaöders, welche die gemeinschaftliche Grenze der Indivi- c cd’ “:ooar] gegen [ 2a : ar :20-- | = duen bildet, also von |... „ mein ausgedrückt, sin: cos: rad = c Vı3a?+c? : (c’—a?) Y3 ; 2 Vs’+c?.YVa’+c: () Sollten nun die einspringenden Winkel gänzlich weggeschafft werden, so müfsten mit den Seitenflächen r, r die Zuspitzungsflächen ?, P nebst den ihnen jenseit der Axe entgegengesetzten sich über die Flächen 7’, v', p, p u. s.f. hinweg ausdehnen, bis diese verschwänden; es würden sich dann neue Kanten in senkrechter Richtung auf m, m von den Endspitzen aus bilden, folglich in der Zwillingsgrenze einander unter dem Complement des Winkels zwi- schen m und m, d.i. 95° 13° oder 95° 25’ treffen. Dehnten sich dagegen mit ?P, P zusammen die mit ihnen abwechselnden, oder zu Einem Rhom- boeder gehörigen Zuspitzungsflächen aus, so würde der einspringende Winkel nur theilweise weggeschafft werden und an der einen Seite bleiben. (') sist =a y-, wie bekannt. 54 Weıss über die herzförmig genannten Zwülingskrystalle In der Wirklichkeit verhielt es sich nun an dem beobachteten Zwil- ling so: Beide Individuen breiteten sich stark aus und waren ta- felartig, parallel den Seitenflächen r, r der sechsseitigen Säule, wie es Fig. 6. darstellt. Diese Figur hat übrigens, ohne in alle Einzelnhei- ten des beschriebenen Stückes eingehen zu wollen, nur die Bestimmung, die Hauptzüge desselben anschaulich zu machen. In der Wirklichkeit waren beide Individuen von verschiedener Gröfse; das gröfsere war nach unten un- verhindert und allein fortgewachsen. Hier, wo kein Zwillingsconflict mehr Statt fand, hörte das Tafelartige sogleich auf; dasselbe Individuum endete hier in gewöhnlicher Symmetrie sowohl der Seiten- als der Zuspitzungsflächen. Am oberen, d.i. dem Fig. 6. abgebildeten wirklichen Zwillingsende zeigte sich hingegen, dafs jedes Individuum zu den entschieden in das rhomboä@drische, mit drei abwechselnd gröfseren und kleineren Zuspitzungsflächen, sich neigenden gehörte. Auf die breitgewordene Seitenfläche waren an beiden Individuen auf derselben Seite zwei der gröfseren, auf der entgegengesetzten zwei der kleineren Zuspit- zungsflächen (und sogar die kleinsten von allen) aufgesetzt. Die gegen den einspringenden Winkel hin liegenden gröfseren Zuspitzungsflächen deh- ten sich nun ebenfalls nächst den breiten Seitenflächen relativ am stärk- sten aus; sie erschienen deshalb auf ihren Seitenflächen tiefer aufgesetzt, als ihre gleichartigen, und machten die Säule an dieser Stelle niedriger oder kleiner. Ihnen folgten gleichförmig die auch gegen den einspringenden Winkel gekehrten kleineren Zuspitzungsflächen; sie erschienen, eben in Folge des Tiefersichherabziehens der eben genannten gröfseren, fast nur als Abstumpfungen der Kanten, welche die letzteren mit den gegenüberliegen- den breiten Seitenflächen bildeten, ebenfalls in die Länge gedehnt, und tie- fer aufgesetzt, als ihre gleichartigen. Die vom einspringenden Winkel abgekehrten oder auswärts lie- genden Zuspitzungsflächen, sowohl die gröfseren, als die kleineren, beobachteten dagegen die gröfste Symmetrie; höchst nett, und vollkommen unter sich gleich an beiden Individuen waren die kleineren, nächst ihnen die gröfseren. Am kleineren Individuum war auch (von den nach aufsen von Kalkspath, und gewisse analoge von Quarz. 85 liegenden Zuspitzungsflächen) die kleinere und die gröfsere, mit der auf die breite Seitenfläche aufgesetzten grofsen Zuspitzungsfläche ganz gleich hoch aufgesetzt; am gröfseren die kleine eben so hoch als die letztere, die grö- fsere nur um etwas weniges tiefer. An der Seite des einspringenden Winkels fand auch ein Unterschied in der Ausdehnung der schmäleren Seitenflächen Statt, und zwar so, dafs die, auf welche die gröfseren Zuspitzungsflächen aufgesetzt waren, die kleinsten, und die dem kleineren Individuum angehörige gänzlich ver- drängt war und den einspringenden Winkel gar nicht mit bilden half. Der Unterschied der beiden nach aufsen liegenden schmäleren Seitenflächen jedes Individuums zeigte sich minder entschieden, in umgekehrter Art; dieje- nige Seitenfläche als die schmälere, auf welche die kleinere Zuspitzungs- fläche aufgesetzt war. Es ist nun sowohl in dem Sichausdehnen der breiten Seitenflächen, als der vier gegen den einspringenden Winkel gekehrten Zuspitzungsflächen, wodurch die den tiefer einspringenden Winkel bildenden Seitenflächen ver- kleinert und zum Theil sogar ganz verdrängt werden, wohl unverkennbar, dafs der gegenseitige Einflufs der beiden Individuen auf einander beim Wach- sen dahin gerichtet war, auch nur das minder Einspringende an die Stelle des mehr Einspringenden zu setzen; und begreiflich ist dieser Einflufs aus derselben Qnelle der allgemeinen Anziehung abzuleiten, wie oben bei den Kalkspathzwillingen das völlige Verdrängen der einspringenden Zwillings- winkel durch unsymmetrische Ausdehnung derjenigen Flächen, welche den ganz das ähnliche bei 8 einer Menge auch der gewöhnlichen Zwillingskrystalle, z.B. bei denen des ausspringenden hervorbringen. Unläugbar sieht man Zinnsteins oder bei den speerförmigen des Binarkieses u.s.f. Nur sind es häufiger Flächen verschiedener Art, welche wachsen, gegen die- jenigen, welche verschwinden; und dann liegt es weniger am Tage, was dem Zwillingseinflufs, und was der Gestalt des Individuums angehört; um so lehrreicher sind die Fälle, wo es gleichartige Flächen sind, welche ? ° o ’ ’ dem Zwillingseinflufs folgend, die einen sich ausdehnen, die andern sich o fo) ’ ’ verkürzen. 86 Weıss über die herzförmıg genannten Zwülingskrystalle Auch Trapezflächen sind unserm beschriebenen Quarzzwilling nicht fremd, und fordern uns noch zu einigen krystallographischen Betrach- tungen auf. Dahin gehört zuförderst die Bemerkung, dafs bei der angege- benen Zwillingsstellung beide Individuen nicht blofs die Seitenflächen r, r, sondern auch gewisse ihrer Dihexa@derflächen einander parallel haben, nem- lich diejenigen, welche die Endkanten Ah, h (Fig. 7.) unter sich bilden, de- ren Abstumpfungsfläche parallel die gemeinsame Grenzfläche der Individuen geht. Es setzt sich gleichsam eine gemeinsame Zone beider Indi- viduen, wie bei den Zwillingen auch sonst in Menge, hier auf das auffal- lendste, ein, deren Axe nemlich parallel der Endkante ist; mit anderen Worten, zwei Endkantenzonen (—wir nennen sie für gewöhnlich Kanten- zonen schlechtweg—) fallen bei beiden Individuen in Eine. Die Durch- schnittslinie }’ der Grenzebene mit der breit gewordenen Seitenfläche, welche Linie selbst der Axe der gemeinschaftlichen Zone parallel ist, hat das Merk- würdige, dafs, auf einer und derselben breiten Seitenfläche betrachtet, sie für das eine Individuum einer Linie entspricht, wie sie eine rechts herab- gehende, für die andere, wie sie eine links herabgehende Trapezfläche auf ihr bilden würde. Die Function aber vertauscht sich auf der entgegenge- setzten Seite oder auf der hinteren breiten Seitenfläche. Welchem Indivi- duum vorn die angegebene Linie eine solche war, wie sie eine rechts herab- gehende Trapezfläche auf ihm bilden würde, dem wird sie hinten zu einer der links herabgehenden entsprechenden Linie, und umgekehrt. Ein Un- terschied des Rechts und Links geht also für die zwei Individuen aus diesem Zwillingsverhalten als solchem keineswegs hervor; vielmehr verhält sich je- des nur auf derselben Seite gegen das andere Individuum gleichsam wie ein rechtes, während jenes wie ein linkes, und kehrt hingegen den umge- kehrten Character heraus auf der entgegengesetzten Seite. Wenn bei Einem Quarzindividuum zwei parallele Trapezflächen vor- kämen, was bekanntlich der Fall nie ist, so wären beide entgegengesetzter Beschaffenheit, eine rechts, eine links herabgehend. Wenn im Gegentheil bei dem Zwilling in der gemeinsamen Zone zwei parallele Trapez- von Kalkspath, und gewisse analoge von Quarz. 37 flächen vorkämen, so wären sie wirklich beide gleichartig, beide entweder rechts, oder links herabgehende. Ob nun gleich, wie eben gesagt, eine Verschiedenheit der Individuen wie Rechts und Links, in dem allgemeinen Zwillingsverhältnifs als solchem nicht lag, so findet diese Verschiedenheit dennoch an unserm Exemplare wirklich Statt; das eine Individuum, und zwar das grofse, zeigt sich an dem symmetrisch ausgebildeten Ende, mit welchem es über das kleinere fortge- wachsen ist, mit einer Rhombenfläche und einer links herabgehenden Tra- pezfläche; das kleinere hingegen, an der Seite des einspringenden Winkels (wo es noch zufällig durch ein die Queere gewachsenes drittes Individuum unterbrochen wird) mit einer linienartigen Rhombenfläche und einer rechts herabgehenden Trapezfläche. Es sind also wirklich zwei Individuen der entgegengesetzten Beschaffenheit, welche diesen Zwilling bilden ; — eine neue Widerlegung der Hemitropien -Vorstellung durch Theilung eines Individuums und Umdrehung, welche sich damit nicht reimen läfst. Eine eben solche entgegengesetzte Beschaffenheit aber trifft man auch sonst häufig unier nebeneinander gewachsenen Bergkrystallen an, welche mit 'Trapez- flächen versehen, aber keine Zwillinge, wenigstens nach irgend einem er- kannten Gesetze, sind, sondern blofse Nachbaren zu sein scheinen. —H ULLI — u . u . u | Fr . . u i u . . g . j . „ iR j . - DE er ui ee Bi er Bu free nd rent ee j FRRURRE TE" er are. FR Mel ah a Er Dan Gr Meilen) ra ar on wa ‚ah dr ara e% DE Ren Bin oo N ah Nee ee ee FOR a win 5 ra Bu ae daı co Eu 7 mai u Er A Bene een en a na RE DE a ut enilrsietes. RP, Abe u ı ee ‚ie ee i ke PIERRE. PR ur yo ar Nabe dach) nz en it a Tr dub UP Fa Es u DI Es BU LeT Senn ot re ru ee Aug isn Bi Paz er ee 2 a it a er ee POT Eur Pre u Re NEUEN RER 7 a ae N re FE EUBEUIN re 2 es a a N De TEE Re ze u. LEE u R Ru u u - . a “ u WW Über das Dihexaöder, dessen Flächenneigung gegen die Axe gleich ist seinem ebenen Endspitzenwinkel; nebst all- gemeineren Betrachtungen über Invertirungskörper. „Yon Eau W:E/HSS, RARVUUUVUVUN [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 5. November 1829.) D ihexa@der nennen wir bekanntlich diejenigen doppelt sechsseitigen Py- ramiden, deren Flächen sowohl als deren Endkanten unter sich gleich sind; sie haben eben deshalb ein reguläres Sechseck zur gemeinschaftlichen Grundfläche, auf welcher die beiden gleichen Pyramiden gerad stehen. Eine solche sechsseitige Pyramide, wie die Hälfte des Dihexaöders ist, würde man kurz auch eine reguläre nennen (!). Stumpfwinkliche oder scharfwinkliche Dihexaeder, mit einem zwischen beiden Abtheilungen in der Mitte liegenden Zwischengliede, dem rechtwinklichen, wird man am schicklichsten durch das Maafs der Nei- gung der Fläche gegen die Axe bestimmen (?), so dafs die Neigung von 45°, als das Mittel zwischen den absoluten Grenzen der Neigung, 0° und 90°, das Dihexa@der sowohl als seine einzelne Pyramide rechtwinklich macht; es werden dann sowohl je zwei jenseit der Axe sich gegenüberliegende Flä- chen der Pyramide rechtwinklich gegen einander, als en die Neigungen 8 je zweier in der Lateralkante des Dihexa@ders zusammenstofsender Flächen beider Pyramiden. Scharfwinklich nennen wir demnach die Dihexaeder, (‘) Die der vorigen Abhandlung angehörige Fig.7. wird hinreichen, die Anschauung für die folgenden Beachten zu fixiren. (°) Man könnte allerdings zwischen den zwei Bestimmungen ln. ob dasjenige Dihexaö- der das rechtwinkliche heilsen sollte, dessen Flächen oder dessen Endkanten die Neigung von 45° gegen die Axe haben. Wir ziehen die erstere Bestimmung vor, nach welcher also in 5 unserer Brchrdisen, eise s=c, statt der zweiten, wo 4a=c wäre. Phys. Klasse 1329. M 90 WeEıss deren Flächen weniger als 45°, stumpfwinklich die, deren Flächen mehr als 45° gegen die Axe geneigt sind. Wenn man die Reihe der Dihexaäder von dem stumpfsten bis zum schärfsten durchgeht, so ist klar, dafs, während der Neigungswinkel der Fläche gegen die Axe von 90° bis 0° varürt (1), der ebene Endspitzen- winkel des Dihexaöders gleichzeitig die Werthe von 60° bis 0° durchläuft. Man sollte daher meinen, der Neigungswinkel gegen die Axe werde immer der stumpfere von beiden, der ebene Endspitzenwinkel immer der schärfere sein. Dem ist aber nicht so. Schon das Beispiel des Quarzes würde den Irrthum, der in jener Folgerung läge, aufdecken. Denn gebe man dem Quarz die Haüy’schen Winkelwerthe, oder welche der emendirten man wolle — beispielsweise also nehme man mit Haüy 38° 19’ 43/74 für die Nei- gung der Fläche gegen die Axe, wobei der ebene Endspitzenwinkel 39° 24° 2"— beträgt, so hat man offenbar das umgekehrte Resultat. Es mufs also nothwendig, und zwar zwischen diesem Fall und dem Werthe von 60° für den Neigungswinkel gegen die Axe (denn bei diesem ist der ebene Endspitzenwinkel, der jederzeit < 60°, offenbar noch der klei- nere von beiden, so wie, wenn der Neigungswinkel über 60° beträgt) einen Punkt geben, wo beide Winkel einander gleich werden, d.i. ein Dihexaeder, dessen ebener Endspitzenwinkel gleich ist dem Neigungswinkel seiner Fläche gegen die Axe. Welches dieser Fall ist, ergiebt sich aus den allgemeinen Formeln für das Dihexaeder ganz leicht. Wir drücken, wie gewöhnlich, das Verhältnifs des Sinus zu Cosinus für die Neigung der Fläche gegen die Axe aus durch s:c, so ist für den halben ebenen Endspitzenwinkel das Verhältnifs von Sınus zu Cosinus, wie 7, :Vs’-++c”, mithin für den ganzen, By sin’:cos=2-—-. Y3 leere: ne 0 = 208 — 2 Va3s Ys’-+c” : 25? + 30° (?) (') Es ist nicht nöthig zu bemerken, dafs bei 90° Neigung je 6 Flächen einer Pyramide in Eine zusammenfallen, wie umgekehrt bei 0° Neigung sie der Axe parallel werden, also je zwei des Dihexaöders in die Seitenfläche der regulär -sechsseitigen Säule sich verwandeln. (*) Daher cos :rad= 25? + 30? :45? +30? = 3 a? +30? 33a? +30? = ein ger, nl also im kürzesten und vollständigen Ausdruck . REN] P sinzcostrd=aVs’+e?rta?+etra?!+c? über Invertirungskörper. 91 Sind also die zwei angegebenen Winkel einander gleich, so hat man s Yız V’+e: 2’ + 30° —=s :.@ folglich 25? + 30? = c Yız Vs’ + c® Dies quadrirt giebt 4s" + 95° + 125°c? = 125°c? + 12c* Also As! —= 3c* mithin s:c=V3:YA=Y)3; Ya y Dies giebt den gesuchten Winkel = 42° 56’ 29", 04. Dieses Dihexaeder aber hat mehrere andere merkwürdige Eigen- schaften. Zuerst will ich, nur nebenbei, bemerken, dafs dies Verhältnifs Va: Va oder Y3: Y2 uns schon einmal in unseren krystallographischen Betrachtungen aufgestofsen ist. Es war dies beim Feldspath, als wir den Haüy’schen Begriff von seiner Krystallform einer schärferen Analyse unterwarfen; es fand sich, es war dort das Verhältnifs von Sinus zu Radius für die Nei- gung der Endfläche gegen die Seitenfläche, wenn wir uns an die Haüy’schen Angaben streng hielten, d.i. die Säule von 120°, die schief angesetzte End- fläche auf die Seitenkante von 120° gerad, und so aufgesetzt annahmen, dafs der ebene Winkel der Endfläche gleich sei der Neigung der Endfläche gegen die Seitenkante. Denn wenn nach diesen Voraus- setzungen für den Feldspath sein müfste a: dic =1:V3: V nt (1), so giebt die allgemeine Formel für die Neigung der Endfläche gegen die Seitenfläche, ausgedrückt durch unser a, b und e, sin: cos:rad=aYVa’+b’+c?:be:Va’+b?.Va’+c* für den vorliegenden Fall (') Vergl. meine Abhandlung über die krystallographische Fundamentalbestimmung des Feld- spathes in den Abhandlungen der phys. Klasse für 1816, S.248. 249. va können wir auch schreiben 27 u M2 92 Wektisis Ba ter Zai \ 4— Yı2 =YV 3 y12 Ve’+b’+c =} ie yve—ı ° Y ye—ı? 3 = 4— y12 =y- I Va’+b?—=Yır3 = 2, und Ya’+c® = Yır 8 er also 3 yı2 y3(V3-—1). ::V--— / sin: cos: rad= VI -_ : I ==V3 11223 — Va2 3 24 rer ir — VViz % v 4 Wı2:V3s—ı:2=Vs3:Y2—V3 :: Y2 4 4 4 oder sinzrad=V3:Y2=Y3:Y4A=s:c für unser obiges Dihexaäder. Eine zweite dieses unmittelbarer betreffende Merkwürdigkeit aber ist: dafs, wenn wir das Verhältnifs a: c für eben dieses Dihexaeder suchen, d.i. das Verhältnifs der gröfseren Queerdimension zur Längendimension, oder des gröfseren Durchmessers des Sechsecks zur Axe des Dihexaeders (—das Verhältnifs sc gab das Verhältnifs des kleineren zu ihr an—), sich das Verhältnifs a:c gerade als das umgekehrte von s:c findet. Denn v: 6 16 2 AS —— — m 3 3 V3 also 2 aec=——-:Vn=V:V3,=Vı:YV3 v3 Diese zwei Linien a und c aber geben das Verhältnifs von Sinus zu Cosinus für die Neigung der Endkante des Körpers gegen die Axe an. Aus dieser Eigenschaft also, mit anderen Worten: dafs die Neigung der Fläche gegen die Axe und der Endkante gegen die Axe die Complemente von einander zu 90° sind, würde, wer mit diesen Gegenständen der Geo- metrie irgend vertrauter ist, sogleich schliefsen, was uns aufserdem als eine neue merkwürdige Eigenschaft unsers Körpers erscheinen mufs, nemlich: dafs er der Invertirungskörper von sich selbst ist. Den Begriff und Namen Invertirungskörper nemlich gebrauche ich in demselben Sinne, in welchem Haüy das erste schärfere Rhomboeder des Kalkspathes in Beziehung auf das Hauptrhomboeder inverse, invertirt über Invertirungskörper. 953 nannte (!). Das erste schärfere Kalkspath - Rhomboeder ist aber bekannt- lich das invertirte seines Hauptrhomboeders nur unter der Bedingung, dafs für das letztere sc =121. Allgemein aber haben wir in der Krystallographie Invertirungs- Rhomboöäder, Invertirungs- Octaäder und Invertirungs-Dihe- xa@der. Die gegenseitigen Eigenschaften je zwei solcher Invertirungskörper in jedem dieser 3 Geschlechter sind: dafs der ebene Endspitzenwinkel deseinen gleich ist dem Complemente des Neigungswinkels seines Invertirungskörpers in der Endkante, und umgekehrt: der Neigungswinkel seiner Fläche in der Endkante gleich ist dem Complemente des ebenen Endspitzenwinkels des anderen zu 180°. Wir wollen also hier zuerst diese Eigenschaft und die Gleichungen, auf denen sie beruht, für alle 3 Geschlechter im allgemeinen kürzlich erörtern. Beim Rhomboöäder tritt sie noch anschaulicher vor die Sinne, weil an ihm, als einem Parallelepiped, die Complemente, sowohl der ebenen Winkel, als der Neigungswinkel am Körper selbst vorhanden sind; von den Invertirungs-Rhomboödern können wir daher sagen, dafs sie ihre ebenen und Neigungswiukel, und zugleich Terminal- und Lateralstellen mit einander vertauschen, so dafs zu einem gegebenen Rhomboöder das Invertirungs-Rhomboöder dasjenige ist, dessen ebener Endspitzen- winkel gleich ist dem Neigungswinkel in der Lateralkante des gegebenen (?), oder dessen Neigungswinkel in der Endkante sein erstes (*) :Wie das Schema zeigt: ....... Haupt-Rhomboeder schärferes. des Kalkspathes. (inverse.) Ebener Endspitzenwinkel...... 1012.32. 13° 179° 31° 207 Neigungswinkel in der Endkante 104° 28’ 40” | 78? 27’ 47” desgleichen erstes zweites schärferes stumpferes Rhomboöder. Ebener Endspitzenwinkel...... 1142°18°.56° |, 45° 344.22” Neigungswinkel in der Endkante 1342257382 | 052.407 4° ER ee Are Haupt-Rhomboeder sein erstes des Kalkspathes. schärferes. Ebener Endspitzenwinkel ........ 101232. 130. 792 312.20. Neigungswinkel ın der Lateralkante. 75° 31’ 20” | 101° .32’ 13” 94 W'EIWsıs gleich ist dem ebenen Lateralwinkel des gegebenen. Die Bedin- gungsgleichung nun, unter welcher das Invertirungsverhältnifs zwischen zwei Rhomboedern Statt findet, findet sich, auf unsere Gröfsen s und ce zurück- gebracht, wenn wir mit diesen (unaccentuirten) Buchstaben die dem einen Rhomboöder, und mit den accentuirten s’ und c’ die dem gesuchten Inverti- rungs-Rhomboeder zukommenden Werthe bezeichnen, mit Leichtigkeit so: Es ist für den halben ebenen Endspitzenwinkel eines Rhomboeders sin.2l!cosi=.,s V3; 2, Vs’ Hict und für den halben Neigungswinkel in den Endkanten sin : cos = VYis’+c? : c V3 also für das Verhältnifs zweier Invertirungs-Rhomboeder gegen einander sV3 : V?+c = cd y3 : VYiıs’+c” d.i. s? (48? + cc”) — c= (s’ + c?) oder us?5: = ce, und 255 —= cc folglich sıd=c:2as Schon aus dieser Grundgleichung 2s’s=c'c ist klar, dafs sie nicht verändert wird, wenn man den Sinn von s?c mit dem von s’:c’ gegenseitig vertauscht, also dafs dasselbe Rhombo&der, dessen Neigungswinkel in den Lateralkanten gleich ist dem ebenen Endspitzenwinkel eines gegebenen, auch umgekehrt seinen ebenen Endspitzenwinkel gleich haben mufs dem Neigungs- winkel in der Lateralkante, d.i. dem Complement der Neigung in der End- kante des gegebenen. Wollte man aber, von dieser zweiten Hälfte der gegen- seitigen Eigenschaften von Invertirungs-Rhomboedern ausgehend, die Glei- chung suchen, also setzen s v3: V”+c* = c-V3 : Yıs?’+ c*, so erhielte man Ss? (15° +c?) = c° (S?”+c'°) wiederum 4s°s?—=c’c”, und 255 —=cc', wie vorher. über Invertirungskörper. 95 Der Würfel ist das Invertirungs-Rhomboeder von sich selbst, und man sieht leicht, dafs die Formel sich für ihn bewährt; denn für ihn als Rhomboeder ist s?c=1:Y2; also erhielte sein Invertirungs- Rhomboeder sıcd=YyY:2=ı:R =s:ec d. i. sein Invertirungs- Rhomboeder ist ihm gleich, oder er ist das Inverti- rungs-Rhombocder seiner selbst. Denn Ss! =s:c ist offenbar die Bedingungsgleichung des Invertirungskörpers seiner selbst. Wären wir mit dem Würfel in seiner rhombo&drischen Stellung und rhombo&drischen Beziehungen nicht bekannt, so hätten wir aus dem Begriffe des Invertirungs-Rhomboöders seiner selbst die Gleichung 2ss=ce, d.i. 2s’—=c’, oders:c=1:Y 2, und fänden dieses Verhältnifs, welches die Nei- gung der Fläche gegen die rhomboeädrische Axe ausdrückt, für den Würfel auch aus diesem Begriffe. Mit der Eigenschaft des Würfels, dafs er das Invertirungs-Rhombo&der seiner selbst ist, steht in direeter Verbindung, nicht allein: dafs das Rhom- boeder des Granato&ders als das erste stumpfere des Würfels, und das Rhomboeder des Tetra@ders als das erste schärfere, Invertirungs- Rhombo&der von einander sind, so wie das des Leucitkörpers (das zweite stumpfere) und das zweite schärfere des Würfels (!), und so gegenseitig alle umgekehrt und gleich weit vom Würfel abstehende Rhomboäder seines Systems; sondern auch die Invertirungsverhältnifse des Kalkspathsystems, wo, wenn s=c, mit der Eigenschaft, dafs das Haupt- rhomboeder und sein erstes schärferes, Invertirungs -Rhombo&der von einan- der sind, auch die fernere Eigenschaft verbunden ist, dafs sein erstes stum- pferes und sein zweites schärferes, sein zweites stumpferes und sein drittes schärferes u.s.f. Invertirungs-Rhomboöder von einander sind, fliefsen aus derselben Quelle; und man kann allgemein sagen: dafs diejenigen Rhom- bo@der im Invertirungsverhältnifs zu einander stehen, für deren beiderseitige Verhältnifse £ und > das des Würfels, d.i. —, das v? mittlere proportionale ist; oder für welche die Proportion gilt sale t- 6.0 lyauıT: ya (') Die Flächen des letzteren gehören dem niedrigeren Leucitoid [a rarta | an, sind aber die gegen eine rhombo&@drische Axe am schärfsten geneigten Flächen desselben. 96 Wieriiis's Auch die Eigenschaft tritt am Würfel sogleich deutlich hervor, welche wir vorhin, wie im voraus, als allen drei Invertirungskörpern ihrer selbst gemeinschaftlich andeuteten, nemlich dafs die Neigung der Fläche und der Endkante gegen die Axe einander zu 90° complementiren, also die umgekehrten Verhältnifse von Sinus zu Cosinus haben. Beim Rhombo&der ist bekanntlich allgemein für die Neigung der End- kante gegen die Axe sin:cos=2s:!c, wenn für die der Fläche gegen die Axe sin:cos=sYe Beim Würfel also 2s?c=2:Y2=YV2:ı=c:s, d.i. umgekehrt wie s:c Aus der allgemeinen Grundgleichung der Invertirungs - Rhomboäder, 255 = cc’ geht übrigens hervor, nicht allein, dafs jedes Rhombo&der wirklich ein Invertirungs-Rhomboöder sich gegenüber hat, wie es durch die Propor- tion sic =ce:2s sogleich zu construiren war, sondern auch, was für den Krystallographen von besonderem Interesse ist, dafs das Invertirungs - Rhomboeder eines jeden gegebenen ein mit diesem in einem und dem- selben rhombo&drischen Systeme vereinbares, oder aus dem gegebenen als Hauptrhomboeder ableitbares Glied ist, so lange die Verhältnifse von s:c in Quadratwurzelgröfsen sich ausdrücken lassen; denn dann ist a oder En rational; aber das heifst, um den Sinn zu fassen, welcher in dieser Formel liegt: s’ und c’ in denselben Richtungen ausgedrückt, wie s und c (nicht in den umgekehrten), giebt das Invertirungs-Rhomboäder, bei gleichem Sinus sei- ner Neigung gegen die Axe, als das mit dem 2% fachen Cosinus des gegebe- nen (!) d.i. mit einer rationalen Vervielfachung des Cosinus gegen den Sinus (oder umgekehrt), wenn s und c Quadratwurzelgröfsen sind, mithin ein jederzeit mögliches Glied desselben speciellen Krystallsystems; nur die nähere oder entferntere Deducirbarkeit aus ihm ist von den Werthen von sundc abhängig. (‘) Es würde also ein" fach-schärferes von dem gegebenen zu nennen sein, so lange 25°>c?, und umgekehrt ein fach-stumpferes, wenn c?>25s?. Diesem Sprachgebrauch entspricht dann auch, dafs das Invertirungs-Rhomboöder von sich selbst, d.i. wo 25? =c°?, weder ein schärferes, noch ein stumpferes ist. über Invertirungskörper. 97 In dem Geschlecht der viergliedrigen (oder Quadrat-) Octaöder sind die Invertirungskörper von einander nicht minder anzutreffen und von gleich einfachen Bedingungen abhängig. Nur müssen wir, wie bereits erklärt wurde, den Begriff des Invertirungskörpers, verglichen mit dem beim Rhom- boe@der, dahin erweitern, dafs wir unter ihm verstehen den Körper gleichen Geschlechts, welcher den ebenen Endspitzenwinkel und das Comple- ment des Neigungswinkels in den Endkanten (oder umgekehrt) mit dem gegebenen gegenseitig vertauscht; wir dürfen aber nicht die Neigung in der Lateralkante setzen statt des Complements der Neigung in der End- kante, oder den ebenen Lateralwinkel statt des Complementes des ebenen Endspitzenwinkels; denn diese je zwei Begriffe fallen blos beim Rhomboeder in Einen, bedeuten aber beim Octa@der, wie beim Dihexaäder, etwas gänzlich verschiedenes. Der Weg, um zu den Grundformeln für die Invertirungs-Octaeder zu gelangen, liegt am Tage. Es ist für den halben ebenen Endspitzenwinkel des viergliedrigen Octaöders, beim bekannten Gebrauch der Buchstaben s und c, sin:cos=s:YVs’+.c? und für den halben Neigungswinkel in den Endkanten, sin : cos = V2s’-+c? :c Setzen wir nun für das gesuchte Invertirungs - Octa@der s’ und c’ für s und ce, so haben wir ss V2=cc odr s:d=c:sya=c:a(!) für die Grundgleichung des Invertirungs - Octaeders durch sein gegebenes. Wiederum ist aus der Gleichung ss’ Y2 = cc’ schon einleuchtend, dafs die umgekehrte Eigenschaft für dieselben Invertirungskörper gelten müsse Oo te) p ’ da sich in der Gleichung nichts ändert, wenn s’ und c’ mit s und c vertauscht werden; also dafs dasjenige Octaöder, dessen Complement der Neigung in (') a bedeutet die halbe grölsere (@ucerdimension des Octaöders, wenn s die halbe klei- nere, oder a=sy2, wie bekannt. Phys. Klasse 1829. N 98 Weıss der Endkante gleich ist dem ebenen Endspitzenwinkel des gegebenen, auch das nemliche ist, dessen ebener Endspitzenwinkel gleich ist dem Comple- mente der Neigung in der Endkante von dem gegebenen — was allerdings im Begriff getrennt und für sich bewiesen werden mufs —. Und freilich, wenn wir von dieser umgekehrten Eigenschaft ausgehen, so gestaltet sich die Deduction wieder so: ge Vrrezee: Yos’rc Abermals 2 2 2er cs’ —=cs”’ + cc oder’2s s-==c°e . ss V2—ce, unds :c —c.3y2,, wie vorhin. Welches wird nun das Invertirungs-Octa&@der seiner selbst sein? Seine Grundgleichung ist, also Sure = Vz Dies giebt für die Neigung seiner Fläche gegen die Axe, 40° 3’ 3729; für die Neigung seiner Endkante gegen die Axe, f 4 4 sn. 008 > 8 asce Br Bee per, also das Gomplement des vorigen Winkels zu 90° (!), d.i. 49° 5622,71; für seinen ebenen Endspitzenwinkel aber 65° 31’ 4857 (für dessen Hälfte sin : cos = ı : Yı+V?) und für seinen Neigungswinkel in der Endkante - 114° 28' 1173 = 180° — 65° 31’ 4877 (für dessen Hälfte sin : cos = Ya+ 2 :Vye= Wer: 1) (') Vgl. die ähnliche Eigenschaft beim Würfel, oben S. 96. über Invertirungskörper. 99 Invertirungs-Octaeder von einander sind wiederum diejenigen, für deren Verhältnifse —, —- das des Invertirungs-Octaöders seiner selbst, --, das mittlere proportionale ist. 2 N Ein Glied des regulären Systems kann das Invertirungs- Octa@der seiner selbst nicht sein. Im Gegentheil, wenn wir von viergliedrigen Hälft- flächnern (eigentlich Sechstelflächnern) der Sechsmalachtflächner abstrahiren, so sind die übrigen viergliedrigen Octa@der, welche im regulären Systeme mit eingeschlossen sind, blos solche, deren Verhältnifs s:c eine rationelle Vervielfachung entweder des Verhältnisses 1:1 oder 1: Y2 ist. Dagegen sind Invertirungs-Octaeder von einander im regulären Systeme gar wohl vorhan- den, ja sie treffen sogar mit den einfachsten Gliedern desselben zusammen ; und die zwei eben genannten Verhältnisse 1:1 und 1:Y2 geben davon das erste Beispiel; denn Ip pr Allerdings also: das Invertirungs- Octa@der des regulären Octaäders ist kein anderes als das des Granatoäders, d.i. das erste stumpfere des regulären; und es mufs für das Invertirungs-Octaöder des regulären (für welches s:c=1:Y2) nach der obigen Grundgleichung sein SP A ER EEE wie es bekanntlich für das Octa@der des Granatdodekaeäders der Fall ist, dessen Fläche gegen die Axe 45° sich neigt. Bekanntlich beträgt die Neigung seiner Flächen in der Endkante 120°, d.i. 150°— 60°, gleich dem Complement des ebenen Endspitzenwinkels am regulären Octaeder; umge- kehrt, der Neigungswinkel in den Endkanten des letzteren 109°%2816’— 180° — 70°31’44”—= dem stumpfen ebenen Winkel des Granatdodekaöders, d.i. gleich dem Complemente des ebenen Endspitzenwinkels seines Octaeders. So wie diese zwei, Invertirungs-Octaöder von einander sind, so sind es im regulären Systeme alle, die von ihnen in umgekehrter Richtung gleich weit abstehen ; also das erste schärfere des regulären und das erste stumpfere des granatoödrischen ; letzteres ist das des Leucitkörpers, oder das zweite stumpfere des regulären; nicht minder sind Invertirungs-Octaöder von ein- ander das zweite schärfere und das dritte stumpfere des regulären u. s. f. Auch dies sind nemlich solche, für deren Verhältnisse £, 2 das des N2 100 Weırss Invertirungs-Octaöders seiner selbst, dessen ste=1: Y2, das mittlere proportionale ist; denn es ist wieder z. B. ; eyes Das erste schärfere des regulären (welches in dem gewöhnlichen Pyra- > midenwürfel versteckterweise mit enthalten ist), hat sein s;c=1:2 Das leucitoödrische sein Ss!’ =Y2:1 Aber Y2:ı=2:1Y2, entsprechend dem Invertirungsgesetz oben. Das zweite schärfere Octaöder des regulären hat s;c=1:2V2=1:V3; das dritte stumpfere dagegen, d.i. das, welches in der Pyramide des gewöhnlichen Pyramidenwürfels |a : 2a : x al unmittelbar sich zeigt, hat Ssıc=2: u Aber 2:1=Vs:ıV2=YA4: 1, wiederum gemäfs dem Invertirungsgesetz 2 4 “ der Octaeder; u.s.f; und wiederum V—- :VY- =V-:7 Man wird haben bemerken können, dafs je zwei dieser Invertirungs- Octaöder von einander im regulären System, immer entgegengesetzter Ordnungen sind, in dem Sinne, in welchem wir diese Bezeichnung für jene wesentliche Unterscheidung gebrauchen, die zwischen den gleichartigen Kör- pern in einem Krystallsysteme jedes der drei Geschlechter, von denen wir hier handeln, zu machen nothwendig ist, je nachdem nemlich die Flächen von der Axe aus gleichsinnig mit der Fläche des Hauptkörpers, oder da- hinwärts liegen, wohin die Endkanten des Hauptkörpers gerichtet sind. Ist also das reguläre Octaöder unser Ausgangspunkt, und somit erster Ordnung geselzt, so ist sein erstes stumpferes zweiter, d.i. entgegenge- setzter Ordnung. Sein erstes schärferes ist ebenfalls zweiter, sein zweites stumpferes erster, das zweite schärfere ebenfalls erster, das dritte stum- pfere zweiter Ordnung u.s.f. (die ungeraden Zahlen der Veränderung in einer solchen Hauptreihe entsprechen den Gliedern zweiter Ordnung, die geraden denen erster). Aber nicht blofs für die Invertirungs - Octaöder des regulären Systems, sondern für die Invertirungs - Octaöder in jedem viergliedrigen System, gilt dieses Gesetz. Für jedes viergliedrige Ohtaeder ist sein Invertirungs - Octaö- der ein mögliches Glied desselben Krystallsystems, so lange s:c sich in Quadratwurzelgröfsen ausdrücken lassen; aber es ist nur mög- lich als ein Octaöder entgegengesetzter Ordnung von dem gege- sen 5 benen. über In vertirungskörper. 101 Die erster Ordnung nemlich haben jederzeit eine rationale Ver- vielfachung des s:c des gegebenen; die zweiter Ordnung eine rationale Vervielfachung des Verhältnisses sY2!c=a:c. Nun, sagen wir, ist ein Invertirungs-Octa&der jederzeit in dem Krystall- Fi systeme eines gegebenen ein mögliches Glied, wenn —, wie also auch = = rationelle Gröfsen sind, d.i. wenn sic, folglich auch a:c, in Qua- dratwurzelgröfsen ausdrückbar ist. Denken wir uns die Werthe s’ und c’ des Invertirungs- Octaöders gleichsinnig mit s und c, oder mit a und c, so haben wir für das Invertirungs - Octaöder » [> ; 25° a sc =ciısV2=sYy2: = sr: —- c=a: —c c c® c= d.i. stellen wir uns s’ in der Richtung von s, und c’ in der Richtung von ce vor, so wäre bei einer rationalen Vervielfachung von c (wenn nämlich s® und c* rationale Gröfsen sind), s’ in einer irrationalen Vervielfachung von s, also das Octaeder Z von den Octaödern gleicher Ordnung mit dem gegebenen — ausgeschlossen; dagegen s in der Richtung des a=sYV2 gedacht, und ihm gleich gesetzt, wird das Verhältnifs = eine ratio- e 2 2 [2 * .. ® nale, durch — = “- ausgedrückte Vervielfachung des Verhältnisses — des gegebenen Octaäders (!), folglich das Invertirungs-Octaöder ein mögliches Glied zweiter Ordnung in dem System des gegebenen. Wir kommen nunmehr zu dem dritten Geschlechte, von welchem wir ausgingen, zu dem der Dihexaöder, zurück. Am Dihexaöder haben wir für den halben ebenen Endspitzenwinkel sin 2 C08 = n :Vs’+c0 = —L is. für den halben Neigungswinkel in der Endkante aber sin:cos = Ya’+c?.V3:c = VYis’+30°:c (‘) Das Invertirungs-Octa@der würde demnach das — oder 2 fach schärfere (so lange 25°>c?) oder das fach stumpfere (wenn 25°-s®’=e, oder sy =c« Die drei Factoren 2, Y2 und Y-- aber sind ihrerseits nichts anderes, als die Quotienten ?, mx cosß * cos« und 8 den Neigungswinkel der Endkante gegen die Axe bei den dreierlei Körpern bedeutet, oder also, wenn man unsere Linie c als den ge- ‚wenn « den Neigungswinkel der Fläche, meinschaftlichen Cosinus beider Neigungswinkel nimmt, die Verhältnifsquo- tienten der Linien, in welchen die Sinusse der Winkel @ und « liegen. Dies sind aber bekanntlich die Linien beim Rhomboeder 2sYıs=2!l beim Quadratoctaäder a:s=Y2:ı beim Dihexaeder a Es sind also Kae Neigungsverhältnisse < Sr bei den Invertirungskör- pern ihrer selbst, x ‚y4 oder y4, y&, y+ die Quadratwurzeln der 3 Verhältnisse, le, beim Rhomboöder, Quadratoctaöder und Dihexaeder die Neigungen der Endkante gegen die Axe im Vergleich mit denen der Flächen gegen die Axe in den Linien der Sinusse, dividirt durch ihre Cosi- nusse, ausdrücken. Und es ist nur ein veränderter Ausdruck, wenn wir jetzt allgemein für alle drei Geschlechter sagen, wie oben für die einzelnen: Derjenige Körper ist jederzeit der Invertirungskörper seiner selbst, bei welchem das Verhältnifs von Sinus zu Cosinus der Neigung seiner Fläche gegen die Axe das mittlere proportionale ist für das von Neigung von Phys. Klasse 1829. Ö 106 Weıss Fläche gegen die Axe und von Endkante gegen die Axe bei seinem Geschlecht. Denn die Quadratwurzel des Quotienten eines Verhältnisses ist die mittlere Proportionale zwischen der Einheit und ihm. Beim Dihexa@der, wo das erstere Neigungsverhältnifs =, das letz- ’ VE an 5 also das Verhältnifs beider = ı :Y4, ist das moittlere proportio- nale =1:Yy- =y3:yA4. Beim Quadrat-Octaeder, wo das Verhältnifs der Neigung der Fläche gegen die Axe —-, das der Endkante gegen die Axe zı ‚ das Verhältnifs beider gegen einander =ı1:Y2, ist das mittlere proportionale zwischen beiden =ı:y2— dem s:c des Invertirungs -Octaeders seiner selbst. Beim Rhomboeder aber war das Neigungsverhältnifs von Fläche gegen die Axe und von Endkante gegen die Axe — und —-, das Verhältnifs beider zu einander also —=ı:2, und das mittlere proportionale zwischen bei- den ist 1:Y2, d.i. das Verhältnifs von s:c für den Würfel, als den Inverti- rungskörper seiner selbst. Über das Invertirungs-Dihexaöder seiner selbst sind jetzt noch einige Bemerkungen zu machen. In einem jeden dihexa@drischen System sind zwei verschiedene Ord- nungen von Dihexa@dern zu unterscheiden, ganz nach der Analogie derer bei dem quadratocta@drischen; in einer und derselben Ordnung können nur Di- hexa@der verbunden sein, deren Neigungen der Fläche gegen die Axe, aus- gedrückt durch das Verhältnifs von Sinus zu Cosinus, in einem rationalen Verhältnifs gegen einander stehen, d.i. deren Verhältnisse —, z ; 5 1808 rationale Vervielfachungen von einander sind. Die beiderlei Ordnun- gen sind aber, wie beim Octa@der, nur durch irrationale Vervielfachungen der Verhältnisse ihrer — u.s.f. in einander zu verwandeln, beim Quadrat- octa@der durch Y2 und dessen Vervielfachungen, beim Dihexa@der durch Y-, folglich, wie man auch sagen kann, durch V3 und dessen rationale Verviel- fachungen ; (denn Vs ist selbst eine rationale Vervielfachung von V ;V3 = 2 Das mögliche Vorkommen der Invertirungs-Dihexa@der von einander in einem und demselben dihexa@drischen Systeme ist ebenfalls ganz analog dem beim quadratoctaädrischen. Möglich ist jederzeit das Invertirungs- über Invertirungskörper. 107 Dihexaeder, als Glied eines und desselben Krystallsystems mit einem gege- benen; aber wieder nur möglich als Dihexaöder der entgegengesetzten Ord- nung, als das gegebene ist; und die Bedingung wiederum, dafs das Verhält- nifs sic, also auch a: c in Quadratwurzelgröfsen ausdrückbar sei. Das Invertirungs - Dihexaäder nemlich bekommt also kann es sich in gleicher Ordnung befinden mit dem ersten stumpfe- 2 ren des gegebenen, wofern a eine rationelle Gröfse ist. Denn das erste stumpfere hat a:c für das Verhältnifs = der Neigung seiner Fläche gegen die Axe, während das gegebene s:c, dessen Invertirungs - Dihexaöder aber s’ıc' hat; das letztere wird also das “fach schärfere (oder das 2 fa ch stumpfere) vom ersten stumpferen des gegebenen sein, also mit ihm in einer und derselben vertikalen Zone des Krystallsystems verbunden sein kön- nen, dafern -. eine rationale Gröfse, d.i. a:c, folglich auch s: c in Qua- dratwurzelgröfsen ausdrückbar ist (1). Ausgeschlossen aber ist unter der nemlichen Bedingung das Invertirungs-Dihexa@der von der vertikalen Zone seines gegebenen Dihexaöders, d.i. von den Dihexaödern gleicher Ordnung sg cd mit ihm, weil dann keine rationale Vervielfachung von - das Verhältnifs f 2 ° 4 252 Ss.ec =i6,S VY— Ss —— 3 y3c? geben kann; denn (') Wenna:rc=1:1, so ist das Invertirungs-Dihexaöder das erste stumpfere des ge- gebenen selbst; daher ist beim Berill (und Smaragd) das Dihexa@der der Rhombenflächen s mit 45° Neigung gegen die Axe (—gleich der des Haüy’schen Kalkspath-Rhomboöders—) der Invertirungskörper des schärferen Dihexaöders der Flächen x (der Haüy’schen Abbildungen). Für das Dihexaöder des gewöhnlichen Pyramidenwürfels der Flächen a:ta:oal ist der Invertirungskörper das Dihexaöder des Würfels mit seinem Gegenwürfel. Für das des niedrigern Leucitoides ja va: a) istes das Dihexaöder des Rhomboeders des Granato@ders und seines Gegenrhomboäders; für das des Pyramiden - Granatodders ja :za:+a| ist es das Di- hexaöder des Rhomboäders des Tetraöders und seines Gegenrhombodders u. s. f. Für das Dihexaöder des Pyramidenwürfels la: 4a: al ist = =2, wela:c=y2:1, daher das Inver- tirungs-Dihexaöder das zweifach schärfere seines ersten stumpferen (vergl. das Beispiel des Berils) oder nach meiner Sprache das seiner Rhombenflächen (d.i. derer, die sich zu den gegebenen Dihexaöderflächen verhalten, wie beim Quarz die Rhombenflächen s zu den Dihexat- derflächen P und z). In diesem Sinne sind die Würfelflächen die „Rhombenflächen” des ja:za:0a R Dihexaöders der Pyramidenwürfelllächen 02 108 Weıss gäbe immer eine irrationelle Vervielfachung des s:c, falls nicht — wie beim Invertirungs - Dihexa@der seiner selbst eine Wurzelgröfse, und zwar eine rationelle Vervielfachung von Y3 ist, wie eben wenn s:c—=y3:V2 und also + — er Dafs übrigens das Invertirungs-Dihexaeder seiner selbst nicht unter denjenigen Dihexaedern gesucht werden kann, welche im regulären Krystall- systeme mit enthalten sind, so wenig als das Invertirungs- Octaeder seiner selbst, das ergiebt sich schon aus dem allgemeinen Satze, welchen wir bei einer andern Gelegenheit ausgesprochen haben: dafs die Verhältnisse aller und jeder krystallonomischen Linien im regulären Krystallsystem durch- gängig in dem von Quadratwurzelgröfsen gefunden werden, mit Aus- schlufs aller tieferen Potenzen, Kubikwurzeln, Biquadratwurzeln u. s. w. Da das Invertirungs - Dihexaeder seiner selbst die eigenthümliche Eigen- schaft besitzt, dafs auch die Neigung seiner Fläche gegen die Axe gleich ist den zwei Winkeln, welche die Invertirungseigenschaft ausmachen, d.i. sei- nem ebenen Endspitzenwinhel sowohl als dem Complement des Neigungs- winkels seiner Flächen in der Endkante, so ist die unmittelbare Folge davon: dafs der Neigungswinkel seiner Flächen in der Endkante gleich ist der Neigung derselben gegen die Seitenflächen der ersten ——ı 7) sechsseitigen Säule |a:a:» al, auf welche sie als Zuspitzungsflächen gerad gswinkel gegen die Axe. Ferner: dafs beide Winkel gleich sind der Neigung aufgesetzt sind; denn beides sind die Complemente zum Neigun der Endkante dieses Dihexaäders gegen die geradangesetzte .. c ” . . Endfläche [» a:»a:® a| ; denn dies alles sind Complemente gleicher Winkel. Dafs aber die beiden letzteren einander gleich sind, der Neigungs- winkel der Fläche gegen die Seitenfläche der Säule, und der Endkante gegen die gerad angesetzte Endfläche, ist gemeinsame Eigenschaft der drei Inver- tirungskörper ihrer selbst. Überhaupt, es heifse « der Neigungswinkel der Fläche gegen die Axe, £ der der Endkante gegen die Axe, N der Neigungs- winkel der Flächen in der Endkante, /V’ derselbe eines zweiten Körpers gleichen Geschlechts und e,e’ der ebene Endspitzenwinkel in jedem der bei- den, so ist die Invertirungseig gseigenschaft überhaupt l 180° — N’ e' 1802 — N über Invertirungskörper. 109 die Eigenschaft des Invertirungskörpers seiner selbst (aufserdem dafs e= e', N=N', oder e= 180° — N) ist, a= 90° — ß und die besondere des Invertirungs-Dihexa@ders seiner selbst a=e= 9° — ß = 180° — N Ob es nun gleich einleuchtet, dafs an den zwei andern Invertirungs- körpern ihrer selbst die Invertirungseigenschaften nicht auch mit der Eigen- schaft verbunden sein können, wie beim Dihexaöder, dafs der ebene Endspitzenwinkel gleich wäre der Neigung der Fläche gegen die Axe, so möchte doch die Frage aufgeworfen werden: ob eine ähnliche Eigen- schaft, wie die eben genannte, anderen Körpern dieser zwei Geschlechter zukomme und unter welchen Bedingungen? Da zeigt sich denn fürs erste bald, dafs vollkommen die nämliche Eigenschaft, wie beim Dihexaöder, bei beiden anderen Geschlechtern unmöglich ist. Die Reihe der Quadratocta@der, während die Neigung ihrer Flächen gegen die Axe die Werthe von 0° bis 90° durchgeht, verändert ihren ebenen Endspitzenwinkel allerdings auch von 0° bis 90°. Nichtsdestoweniger kann aufser den beiden Grenzpunkten (in welchen der Körper selbst als solcher verschwindet und sich blos in Flächen, das einemal Seitenflächen der recht- winklich vierseitigen Säule, das andremal in die Endflächen auflöst), kein Fall vorkommen, wo der eine Winkel dem anderen gleich würde. Denn: für den Neigungswinkel der Fläche gegen die Axe ist sin? cos —=s:c für den ebenen Endspitzenwinkel ist sin : cos = 25 Ys’+c? : ce? Sollten nun jemals beide Winkel gleich werden, so müfste dann sein 2 72: 2271-2 Sc —= a8 Vs rc sc d.i. eV’ rc? = ec; 110 Weiss welches unmöglich ist, so lange s und ce endliche Gröfsen, d.i. so lange der zu construirende Körper ein wirklicher Körper, ein wirkliches Octaeder sein soll. Beim Rhomboäder, abermals vom schärfsten bis zum stumpfsten fort- gegangen, verändert sich, während der Neigungswinkel der Fläche gegen die Axe die Werthe von 0° bis 90° durchgeht, der ebene Endspitzenwinkel von 0° bis 120°. Für die Neigung der Fläche gegen die Axe abermals gesetzt SITE COSE —UISECC so ist für den ebenen Endspitzenwinkel am Rhomboeder sin:cos = 2/3 s Ys’+c? : 25? — c? welche letztere Gröfse positiv oder negativ sein kann. Sollte nun der Fall der Gleichheit beider Winkel eintreten, so wäre sıc=2V35sY’+c’: + (25’— c?) also 2V3c Ye =H+ (2s’—c’) folglich 120’ + 12C’s° —= As’ + c’ — 4s?c? oder 110’ + 1605? —= As" Diese Gleichung auf die gewöhnliche Weise aufgelöst, giebt sc =YV2+-+Ver:ı= V+2V3:1ı—= VYıH3Vs : Va Hieraus aber bekommt man nicht den Neigungswinkel der Fläche ge- gen die Axe, als scharf genommen, sondern sein Complement gleich dem ebenen Endspitzenwinkel; die Rechnung nemlich giebt den Winkel zu 64° 59° 52,84, dessen Complement, 115° 0° 7,16 richtig dem ebenen Endspitzenwinkel des Rhomboeders gleich wird; und allerdings können wir uns den Neigungswinkel der Fläche gegen die Axe eben sowohl stumpf den- ken, als wir ihn als scharf zu denken gewohnt sind. Die Wahrheit ist, dafs, wenn wir ihn über 90° bis 180° fortgehen lassen, wir offenbar die nemliche Reihe von Rhomboödern vom stumpfsten bis zum schärfsten zum zweiten- male construiren, welche wir in der entgegengesetzten Folge beim Durch- über Invertirungskörper. 1411 gehen der Werthe des Neigungswinkels von 0° bis 90° erhalten hatten. Diese wiederholte Constructionsweise der Körper durch ihren gegebenen Neigungswinkel gegen die Axe ist aber in unserer algebraischen Bezeichnung der allgemeinen Werthe keineswegs ausgeschlossen worden, so wenig als in denselben die Bestimmung enthalten ist, nach welcher Seite hin die Axe durch die Fläche geschnitten wird; und eben deshalb ist es in der That keine Anomalie, dafs uns unsere Formeln auf ein Resultat führten, welches wir keineswegs im Sinn gehabt hatten. Die obige Gleichung 110’ + 16075” — As" liefs sich übrigens auf doppelte Weise auflösen, einmal, indem c als Einheit genommen wird, und s® die Gröfse ist, welche in der Auflösung direct ge- sucht wird; so erhielten wir den obigen Ausdruck; das anderemal, indem s als Einheit genommen und c* gesucht wird; dies führt zunächst auf den Ausdruck a | NEN sıc=i : VI = Yıı :Yeyr—s = I Vs V3—4 Schon hieraus ist klar, dafs dieser und der vorige Ausdruck gleich bedeutend sein müssen; und sie sind es allerdings! Aber wir kennen dieses nemliche Verhältnifs aufser diesen zwei For- men noch in einer dritten — und allerdings der einfachsten — in welcher es uns wieder bei einer weit früheren Gelegenheit erschienen ist! Sonderbar genug ebenfalls bei jener, oben S.91. erwähnten Untersuchung über den Feldspath nach den Haüy’schen Prämissen! Der Winkel 115° 0°7,16 war genau jener ('), in welchem die Neigung der schief angesetzten End- fläche gegen die Seitenkante einer Säule von 120°, und der ebene Winkel, welcher auf der Endfläche selbst an dieser Seitenkante entsteht, einander gleich wurden. Die Formel aber, auf welche wir dort für das Verhältnifs von Sinus zu Cosinus eben dieses Winkels geleitet wurden, war (?) sin:cos = Wı—ı:V3 -ı=Y2V3—ı:V)3 — ı (') s. unsere Schriften für 1816 und 1817, S.254. (2) Ebendaselbst, S. 248. 112 WEıss und das wäre offenbar der einfachste Ausdruck. Diesem also müssen aber- mals jene zwei V4+V27:V2—= Yır3V3 : V2 und Var : YzVer—s = V : V3V3—4 gleichgelten; und in der That sind sie gleichgeltend! Die Rechnung selbst hier beizufügen, wird unnöthig sein. Die Analogie des zweiten Zusammentreffens der Rechnung in einem identischen Resultate mit einem an das Haüy’sche Feldspathverhältnifs ge- knüpften liegt übrigens näher, als bei dem ersteren S. 91. erwähnten. Jener Haüy’sche Werth von 115° 0' 7,16 war nemlich der des Gleichwerdens eines Winkels, welcher von 120° im Abnehmen ist bis 0°, mit einem an- deren, welcher gleichzeitig im Zunehmen ist von 90° bis 180°; eben daraus leuchtete die Nothwendigkeit eines solchen Gleichgewichtspunktes ein ('). Jetzt sind wir in demselben Fall. Es ist, wie wir eben bemerkten, der Neigungswinkel der Fläche gegen die Axe als von 90° bis 180° im Zuneh- men anzusehen, während der ebene Endspitzenwinkel von 120° bis 0° ab- nimmt; und der Punkt, bei welchem beide einander gleich werden, ist der nemliche. Gleichbedeutend wäre es, wenn man sagte: das gefundene Rhom- boeder sei dasjenige, dessen Neigung der Fläche gegen die Axe gleich sei dem Complement seines ebenen Endspitzenwinkels. Dann betrachtete man den ersteren Winkel als von 0° bis 90° im Zunehmen, während der andere von 180° bis 60° im Abnehmen wäre; und der gefundene Winkel wäre der scharfe. Es liegen manche weitere Aufgaben den abgehandelten nicht fern. Für das Rhomboeder, und zwar für dieses allein, tritt z.B. der Fall ein, dafs der halbe ebene Endspitzenwinkel gleich sein kann dem Neigungswin- kel der Fläche gegen die Axe. Wir haben dann sıc=sV3:Vs’+c*, also =’ re, di. 2 =s®, odrsic=h:ı also den Fall des Rhomboeders des Granatoäders. Beim Quadratocta@der und Dihexaeder ist der analoge Fall nicht mög- lich; denn bei jenen würde ©) 2.2.0. 5.246. über Invertirungskörper. 113 sic=s:YVs’+c° welches unmöglich ist, so lange beide Gröfsen, s und c, endliche Werthe haben. Beim Dihexaeder würde Ss es TEE V®+ce’=s:V3.Vs’+c? — dessen Unmöglichkeit bei endlichen Werthen von s und c, die vorige, gleich- sam vervielfacht, ist. Die Neigung der Endkante gegen die Axe verändert sich freilich auch von 0° bis 90°, vom schärfsten bis zum stumpfsten Falle in jedem der 3 Geschlechter, eben so, wie die Flächenneigung. Nichtsdestoweniger kann beim Dihexaeder jener Neigung der ebene Endspitzenwinkel nicht gleich werden, wie dieser. Dies leuchtet bald ein; denn es würde [BE a Br en 12. 4 2 = aVs+ce:—- "He =uare 2 a 2.02 2 also cY’+’=2s’-+c oder Sc+et=;s’+c++$s°c°, R 4 Are Ne s? (a?-rc? d.ı. ee; er Ze (oder 0 SUN) 5 5 : — a) welches unmöglich ist. Gleich unmöglich wäre der analoge Fall beim Quadratoctaöder. Denn es würde also c=V2.Ys’+c*, welches wieder unmöglich ist. Beim Rhomboöder hingegen bliebe die Möglichkeit des analogen Fal- les allerdings noch übrig. Man erhielte nach der Voraussetzung 2sV3.V’+e:2®’— cd =2s:c also eV3.Ys’+c’ = 25? — ce? folglich 30° +3cC' =4is" + c' — 4s?c? Phys. Klasse 1829. P 114 Weıss über Invertirungskörper. d.i. 4s—=2c E7s?c? Dies giebt aufgelöst, wenn ce = 1 gesetzt wird, ®—=2(!), alos=V2 und s:c=Y2:1, bekanntlich der Fall des Rhomboäders des Grana- to@ders, an welchem diese Eigenschaft allerdings Statt findet, nur wie- derum mit dem Umstand, wie bei jenem Rhomboeder oben S.110., auf welches uns die Gleichung führte 11c’ + 168°c” — As” dafs nicht der ebene Endspitzenwinkel des Rhomboeders selbst, sondern sein Complement, also der ebene Lateralwinkel, gleich wird der Neigung der Endkante gegen die rhomboädrische Axe. Für beide aber ist sin:cos=YVs:ı. Es ist aufserdem eine der merkwür- digen Eigenschaften des Granatoeders: dafs seine Kante gegen die octaädrische Hauptaxe eben so geneigt ist, wie seine Fläche gegen dierhomboedrische Axe, und dafs beide Neigungen gleich sind dem halben stumpfen ebenen Winkel seiner Flächen, für welchen bekanntlich sin: cos—=)2:1. Solche Aufgaben aber weiter zu verfolgen, liegt wenigstens jenseit des dieser Abhandlung gesteckten Zieles. (') Wenn nemlich e=1 gesetzt ist, und s?, als das zunächst gesuchte, x genannt wird, so kann die Gleichung, die als eine unreine quadratische aufzulösen ist, in die Form gebracht wer- den 2» — x =+; also Pe u Pie - +V- A) Ye 8 ee Über das Cyrenaische Silphium der Alten. Von H#-, BIEN:K; mummnmrmwvwwVn [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 19. März 1829.] D. Alten hatten ein Gewürz, welches sie sehr häufig an Speisen gebrauch- ten und griechisch YiAgdıev, lateinisch /aser nannten. Es war der erhärtete Saft eines Gewächses, welches um Cyrene gesammlet, und von dort nach allen Ländern versandt wurde, wo griechische und römische Sitten herrsch- ten. Es gehörte der Provinz von Cyrene eigenthümlich an, denn das Sil- phium, welches im Orient gesammlet wurde, war nach dem einstimmigen Zeugnisse aller alten Schriftsteller viel schlechter. Das Silphium trug dem Lande so viel ein, dafs es sogar sprüchwörtlich wurde. ‚‚Und gäbst du mir, sagt Aristophanes im Plutus, den Plutus selbst, oder des Battus Silphium.”’ Wir finden noch das Silphium auf den Münzen der Cyrenäer und auf der andern Seite einen Kopf mit den gewundenen Hörnern, wie sie Jupiter Ammon trägt. Doch erinnert Spanheim (de praestantia et usu numismat. antiquor. Lond. 1717. fol. p.245.) hiebei, dafs die Herrscher von Cyrene, wie alle Nachfolger Alexanders, sich dieses Zeichen anmaafsten. Der kleine Staat Cyrene, von Battus 631 v.C.G. gegründet, verwandelte sich 514 v.C.G. in eine Republik, wurde von Ptolemäus Lagi 321 v.C.G. erobert und blieb bis zur Herrschaft der Römer unter den Ptolemäern. Dafs dieses Silphium auf den Münzen von Cyrene, von Barka, von Berenice, drei Städten der Pen- tapolis Cyrenaica geprägt war, zeigt allerdings, wie hoch es von den Alten geschätzt wurde, auch dafs man es für eine Eigenthümlichkeit des Landes hielt. Wir sehen aus den Abbildungen der Pflanze auf den alten Münzen von Cyrene, deren noch gar viele übrig sind, sehr deutlich, dafs sie zu den Doldengewächsen gehörte. Ein dicker Stamm mit Blattscheiden, welche den Stamm umfassen, an deren Spitze sich feine zertheilte Blättchen befin- P'2 116 Lrn’k den, sind Kennzeichen, welche nur den Doldengewächsen zukommen. Die äufserst feinen, fast fadenförmig zertheilten Blätter, die grofsen Blattscheiden lassen auf eine Ferula rathen, auch kommen die Beschreibungen der Alten, wie wir schen werden, damit sehr wohl überein. Wir wollen nun die wichtigsten Nachrichten der Alten vom Silphium zusammenstellen. Schon Herodot redet vom Silphium (L.4. c. 169.), wo er die Nordküste von Afrika beschreibt: ‚,Auf dem festen Lande ist der Me- nelaische Hafen und Aziris, welches die Cyrenäer bewohnen. Das Silphium fängt hier an; es reicht (ragyzeı) von der Insel Platea bis zur Mündung der Syrte.” Dafs hier dieser Pflanze besonders erwähnt ist, zeigt den Werth, den man darauf legte. In den Schriften, welche den Namen Hippokrates auf dem Titel füh- ren, aber gewifs ganz anderen Verfassern angehören, wird das Silphium, nnd zwar der Saft, als ein Arzneimittel einige Mal angeführt, z.B. in dem Buche de intern. affect. (Ed. Kühn T.2. p.439.), in dem zweiten Buche de mor- bis (Ed.K.2.256.), in dem vierten Buche de morbis (Ed. K. 2. 327.) und in dem Buche de fistul. (Ed.K. 3. 337.). In der angeführten Stelle de morb.1.4., wo die Rede von der Wirkung des Bodens und des Klima auf die Pflanzen ist, sagt der Verfasser: ‚‚Eben so ist es auch nicht möglich, im Peloponnes und Ionien das Silphium zu ziehen, ungeachtet es schon viele versucht haben; in Libyen wächst es aber wild.”’ Auch vom Stamme ist zugleich mit dem Safte die Rede, in dem Buche de vietus ration. in morb. acut. (Ed.K.2.91.), und Galen setzt in seinem Commentar dafür die Wur- zel (Ed. K. 15. 439.), vermuthlich weil er eine andere Lesart hatte. Am genauerten hat auch hier, wie sonst, Theophrast von dem Sil- phium geredet, und zwar Jlist. plant. 1.6. c.3.: ‚‚Das Silphium,’’ sagt er, „hat eine grofse (roAryv) und dicke Wurzel, einen Stamm, wie eine Ferula, fast auch von eben der Dicke. Das Blatt, welches man uarrerov nennt, gleicht dem Selinum; der Same ist platt, blattartig, und wird auch Blatt genannt (!). Der Stamm ist jJährig, kelt sich das Blatt (uarrerov), welches die Schafe purgirt und sehr fett macht, wie die Ferula. Im Frühlinge entwik- auch das Fleisch aufserordentlich angenehm. Nachher entwickelt sich der (') Erov 78 Aryeuevov puren. Schneider schlielst mit Recht das Wort cv als ein Ein- schiebsel in Klammern ein. T. 1. p.203. und T. 3. p. 474. über das Cyrenätsche Silphium der Alten. 4417 Stamm, der auf alle Weise gut zu essen ist, gekocht und gebraten. Vierzig Tage hindurch soll auch dieser purgiren. Die Pflanze hat einen doppelten Saft, aus der Wurzel und aus dem Stamm; jenen nennt man daher Wurzel- saft, diesen Stammsaft. Die Wurzel hat eine schwarze Rinde, welche man umher wegnimmt. Es sind aber gleichsam Maafse für die Schnitte, und so viel als ihnen nöthig scheint, schneiden sie weg, indem sie die Schnitte nach dem, was noch da ist, aufbewahren (!), denn es ist nicht erlaubt, da- neben zu schneiden (ragarswew), oder noch mehr als gesetzlich ist, abzu- schneiden, denn das Rohe (@gyev) verdirbt und wird faul, wenn es alt wird. Es bearbeiten aber (den Saft), die ihn nach Pyraeus bringen, auf folgende Weise. Wenn sie ihn in die Gefäfse giefsen, mischen sie ihn mit Mehl und rühren ihn oft um; davon bekommt er Farbe und bleibt so bearbeitet, ohne zu faulen. Mit der Bearbeitung und den Schnitten verhält es sich auf die angegebene Weise. (Die Pflanze) nimmt eine grofse Strecke in Libyen ein, wie man sagt, mehr als viertausend Stadien von den Euesperiden an (°). Am häufigsten aber soll sie um die Syrte wachsen. Es ist sonderbar, dafs sie das bearbeitete Land flieht und in der bearbeiteten und immer mehr aus dem wilden Zustande gesetzten Erde sich wegzieht, also keiner Wartung bedarf, sondern wild ist. Die Cyrenäer sagen, sie sei sieben Jahre vor Erbauung ihrer Stadt erschienen. Sie wohnen aber dort ungefähr 300 Jahr bis auf Simonides, Archon von Athen (?). So sagen einige, andere aber v vg ’ w e - > , Se ES 7 \ n ’ ’ (>) Esı de wemwed JHETICE TWV &egoronsiv QGUTNS* EZ WV CTOTOV cv den urhegev TORIMEVUOJLEVOL x g65 raus rouds zur FO Umagyov rewesrw. Die Stelle ist dunkel. Schneider glaubt, die Rinde gebe selbst das Maals, macht sich aber den Einwurf, dafs der Plural #2rg« stehe. Auch will er statt 2£ wu in der einfachen Zahl 2£ 2 lesen und bezieht es auf pArciz. Es scheint mir aber, als ob Theophrast unter diesen Mergee die Ringe an dem Wurzelstocke verstehe, womit alle Um- bellenpllanzen versehen sind. Sprengel geht in der Übersetzung über die Schwierigkeiten 77 weg, und sagt: „Bei den Einschnitten beobachtet man nie ein gewisses Maals, indem man nur so viel Einschnitte macht, als füs jetzt nöthig sind, und das übrige für künftige Einschnitte auf- spart.” Statt der letzten Stelle liest Schneider: rowsvousvar res ronas maös 70 Umagy,ov FEIMOU= cıw, welches allerdings einen so guten Sinn giebt, dafs ich die Übersetzung danach gemacht habe. (°) Die Stelle ist verdorben, wie Schneider in den Anmerkungen T. 3. p. 478. zeigt. Skylax hat die Angabe genauer (s. Pensel. Ed. Huds. p.45. Ed. Gail. 1. 308.). „Zwischen Petras,”” sagt er, „und Chersonesus liegen die Inseln Ledonia und Platäa; sie haben beide Häfen. Hier fängt das Silphium an zu wachsen. Es erstreckt sich von Chersonesus durch das Land nach dem Ufer hin auf 2500 Stadien.” Euesperiden kommt auch in den Manuscripten von Diodor L.4. c.56. vor. Der Ort wird genannt, welchen man später Berenice nannte, jetzt Benjası. (‘) Er war im zweiten Jahre Olymp. 177 Archon von Athen, 443 nach Erb. d. St. 118 Lınk&k sagen, die Wurzel des Silphium werde eine Elle lang, auch etwas länger; sie habe einen Kopf in der Mitte, welche am meisten hervorsteht und fast über der Erde, woraus das hervorkomme, was man y«ar« (Milch) nenne ('). Hier- auf kommt der Stamm Hayvdapıs, und aus diesem, was man Blatt nennt. Die- ses sei aber der Same, von Goldfarbe, der auch, wenn nach den Hundstagen ein starker (Aaurges) Südwind weht, abgeworfen wird, woraus dann das Sil- phium hervorwächst, und zwar entstehe in demselben Jahre Wurzel und Stamm. Dies ist aber nichts Besonderes und geschieht auch bei anderen Ge- wächsen ; vielleicht aber wollen sie nur sagen, die Pflanze wachse gleich nach dem Ausstreuen hervor (?). Aber dieses ist sonderbar und verschieden von den vorigen (Angaben), dafs man sie jährlich umgraben (behacken) müsse ; wenn man es aber lasse, treibe sie zwar Stamm und Samen, beides aber werde schlechter, so auch die Wurzel; umgegraben werde aber Alles besser, weil man die Erde umkehre. Man esse die frische Wurzel in Essig (?). Dieses ist dem entgegengesetzt, dafs sie das bearbeitete Land fliehe. Auch ist es (den vorigen Angaben) entgegengesetzt, dafs die Schafe nicht purgirt wer- den, wenn sie das Blatt fressen; man lasse sie Winter und Sommer auf den Bergen, wo sie dieses Kraut und ein anderes, dem Abrotanum ähnliches, fressen. Beide Kräuter scheinen zu ernähren und nicht zu purgiren, vielmehr auszutrocknen und verdauen zu machen. Wenn ein krankes oder sich übel befindendes Schaf darauf kommt, soll es entweder schnell gesund werden, oder sterben, meistens aber werde es geheilt. Wie sich dieses verhält, ist noch zu untersuchen. Was man Hayvdagıs nennt, ist etwas Anderes, locke- rer und nicht so scharf als Silphium, auch hat es keinen Saft. Kenner un- terscheiden es auch bald durch das Äufsere. Es findet sich in Syrien, und nicht in Cyrene. Auch soll es auf dem Berg Parnassus häufig wachsen; einige nennen es auch Silphium. Ob es auch, wie das Silphium, das bear- beitete Land flieht, ist zu untersuchen. Eben so, ob es sich auch auf gleiche oder ähnliche Weise mit dem Stamme oder Blatte verhält, oder ob es auch (‘) Diese Stelle hat man oft verbessern wollen, aber Schneider erklärt sie sehr gut von dem jungen kopfförmigen Schusse, und fügt hinzu, dafs die Griechen alles Wohlschmeckende, auch das beste Fleisch an einem Huhn u.s. w. y«r«, Milch, nannten. (*) Es ist sonderbar, dals Theophrast nicht bemerkt, wie dieses der obigen Angabe wider- spricht, dafs die Pflanze zweijährig sei; Schneider erwähnt nichts davon. (°) Dals diese Stelle versetzt ist, fällt in die Augen. über das Cyrenäische Sılphium der Alten. 119 ein Gummi anssondert.” So weit Theophrast, dessen Nachrichten über- haupt, und so auch hier, die genauesten und vollständigsten sind, welche man über einen Gegenstand bei den Alten findet. Dioskorides (Mater. med. L. 3. ce. 84.) sagt Folgendes: ‚‚Das Silphium wächst in Syrien, Armenien, Medien und Libyen. Der Stamm wird KasTeE- cv genannt, und gleicht der Ferula;, die Blätter gleichen dem Selinum;, der Same ist platt.” Nun folgen die medicinischen Wirkungen der Wurzel. Darauf fährt er fort: ‚‚,Man sammelt den Saft, indem man in den Stamm und in die Wurzel einschneidet. Der beste ist röthlich und durchsichtig, wie Myrrha riechend und starkriechend, aber nıcht knoblauchartig, nicht stark im Geschmack, und indem er leicht zerfliefst, weifslich. Der Cyre- näische Saft erregt Schweifs über den ganzen Körper, und wenn man auch nur wenig davon einnimmt; von Geruch ist er schr milde, so dafs der Mund, wenn man davon gekostet hat, schr wenig danach riecht. Der medische so- wohl als der syrische Saft sind an Kraft viel schwächer und haben einen mehr stinkenden Geruch. Der Saft wird verfälscht, ehe er trocken wird, indem man Sagapen und Bohnenmehl dazu setzt, welches man am Geschmack, am Geruch, durch das Ansehen und beim Zerlassen unterscheidet. Einige nen- nen den Stamm riAdıv, die Wurzel Bayvdagıs, die Blätter uerwera. Am kräftigsten ist der Saft, dann folgen die Blätter, dann der Stamm.’” Hierauf folgen nun wieder umständlich die Heilkräfte. Man sieht hieraus, dafs die- ses Gewürz der Alten dem stinkenden Asant nicht ähnlich war, da es durch- aus keinen Knoblauchgeruch haben soll. Strabo giebt folgende Nachrichten (Geogr. p. 131. Casaub.): ,,Der mittlere Theil (von Afrika) ist schlecht; er bringt das Silphium hervor; gröfstentheils ist er wüste und felsig und sandig.’’ Und (p.837.): ‚‚In den Gränzen (ouogei) der Cyrenäischen Provinz liegt die Gegend, welche das Sil- phium liefert und den Cyrenäischen Saft, welchen das Silphium hervor- bringt. Vor nicht langer Zeit wäre es beinahe ganz ausgegangen, weil feind- liche Barbaren eine Streiferei machten und die Wurzeln ausrotteten; sie sind Nomaden.” Von dem medischen sagt er (p.525.): ‚,‚Medien bringt auch Silphium hervor, daher nennt man es Medischen Saft. Es ist viel schlech- ter als das Cyrenäische; zuweilen giebt es auch besseres, entweder wegen der Verschiedenheit des Standortes, oder der Abänderung des Gewächses, 120 Lınk oder wegen der Einsammlung, oder der Art den Saft zu behandeln, damit er sich beim Aufbewahren zum Verbrauch halte.” Dieser Nachricht wollen wir eine andere beifügen von Arrian Anabas. 1.3. c.28. ‚,‚In diesem Kaukasus (dem Hindu-Kufh),’’ sagt er, ‚‚wachsen nur Terebinthen und das Silphium, wie Aristobolus sagt; auch wird er von vielen Menschen bewohnt und viele Schafe und Rindvieh weiden dort. Die Schafe lieben das Silphium. Wenn ein Schaf auch in der Ferne das Sil- phium gewahr wird, läuft es herbei, frifst zuerst die Blumen ab und gräbt dann die Wurzel aus und verzehrt sie. Auch in Cyrene treiben die Nach- baren die Heerden weit herbei, dahin wo das Silphium wächst; sie aber umzäunen das Land, damit, wenn Schafheerden nahe kommen, sie doch nicht eindringen, weil den Cyrenäern das Silphium viel werth ist.’’ Plinius giebt eine Beschreibung von Zaserpitium (L.19. e.3.). „Es folgt nun,’” sagt er, ‚das berühmte Zaserpitium, welches die Griechen Sl- phium nennen, in der Cyrenäischen Provinz einst gefunden, dessen Saft Zaser vortrefflich zum Gebrauch und zur Arznei ist und nach dem Gewicht eines silbernen Denars bezahlt wird. Schon seit vielen Jahren wird es nicht mehr gefunden, weil die Pächter, welche die Weide pachten, ihres gröfsern Vortheils wegen es durch das Vieh abweiden lassen. Nur ein Stamm wurde zu unserer Zeit gefunden und Nero gesandt. Wenn ein Thier auf junges Kraut davon fällt, so erkennt man dieses daran, dafs ein Schaf, wenn es davon gefressen hat, sogleich schläft, die Ziege aber nieset. (‚Si quando pe- cus inciderit in spem nascentis, hoc deprehenditur signo, ove cum comederit dormiente, capra sternuente.) Seit langer Zeit bekommen wir kein /aser mehr, als was in Persien und Medien und Armenien in Menge wächst, aber viel schlechter als das Cyrenäische ist; auch wird es verfälscht mit Gummi, oder Sagapen, oder Bohnenmell (faba fracta). Es mufs noch angeführt werden, dafs unter dem Consulat von C, Valerius und M. Herennius von Cyrene nach Rom 30 Pfund für den Staat (publice) eingeführt wurden. Der Dietator Cae- sar nahm im Anfange des bürgerlichen Krieges aufser Gold und Silber 111 griechische Schrift- steller sagen, das Silphium sei entstanden, als die Erde plötzlich von einem Pfund Zaserpitium aus dem Aerarium. Ausgezeichnete pechartigen Regen (imbre piceo) nafs wurde, in der Gegend der Gärten der Hesperiden und um die grofse Syrte, und zwar 7 Jahr vor Erbauung von über das C 'yrendsche Sılphium der Alten. 121 Cyrene, welches in das Jahr 143 n.E.d.St. fällt. Diese Kraft habe sich 4000 Stadien umher in Afrika verbreitet. Da pflegte das Zaserpitium zu wach- sen, ein wildes und ungastiges Wesen, in die Wildnifs fliehend, wenn es ge- baut wurde, mit einer grofsen (multa) und dicken Wurzel, einem Stamm, wie von einer Ferula, doch nicht von ähnlicher Dicke (haud simili erassitudine). Die Blätter nannte man maspeta, den Blättern von Apium sehr ähnlich. Der Same war blattartig, das Blatt selbst im Frühling abfallend. Das Vieh pflegte die Pflanze zu fressen, wurde zuerst davon purgirt, dann fett und das Fleisch wundersam angenehm. Nachdem die Blätter abgefallen, afs man den Stamm gekocht, gebraten und gesotten, auch wurde der Körper dadurch in den er- sten 40 Tagen von allen Gebrechen gereinigt. Der Saft wurde auf eine dop- pelte Weise gewonnen, aus der Wurzel und dem Stamme, daher die beiden Namen rhizias und caulias; jener war schlechter und faulend. Die schwarze Wurzel der Rinde diente zur Verfälschung der Waare. Der Saft wurde in Gefäfse gegossen, Kleie hinzugesetzt, zuweilen geschüttelt und so zur Reife gebracht; wenn das nicht geschah, faulte er. Das Zeichen der Reife war Farbe und Trockenheit, nachdem der Schweifs beendigt war (sudore finito). Andere sagen, das Zaserpitium habe eine Wurzel über eine Elle lang und einen Knollen über der Erde. Wenn dieser eingeschnitten würde, fliefse der Saft aus wie Milch, und der Stamm wachse nachher (supernato caule), den man magydaris nennt. Die Blätter von Goldfarbe wären statt der Sa- men gewesen und abgefallen bei Südwinden nach den Hundstagen. Aus diesen pflegte das Zaserpitiwm hervorzuwachsen, alle Jahr, indem Wurzel und Blätter vergingen. Man giebt vor, dafs es auch umgraben worden. Es purgire die Schafe nicht, sondern heile sie, wenn sie krank sind, oder sie star- ben bald, welches doch nur mit wenigen der Fall war. Die erstere Behaup- tung pafst nur auf das Persische Silphium.’’ Nun redet Plinius von einem andern Zaserpitium, welches Magydaris genannt wird, auf eine so verwickelte Weise, dafs es schwer ist, und auch nicht hieher gehört, die Nachrichten aus einander zu setzen. Woher Plinius die Nachricht hat, dafs sich das echte Silphium gar nicht mehr finde, weifs ich nicht, aber die Ursache der Seltenheit ist we- nigstens nicht wahrscheinlich. Denn eine Pflanze, wodurch so viel Geld erworben wird, als man vom Silphium rühmt, läfst man wohl nicht abwei- den, um die Schafe fett zu machen. Viel wahrscheinlicher ist dagegen, was Phys. Klasse 1829. Q 122 L'ın«x Strabo sagt, dafs feindselige Nomaden aus Rache das Silphium zerstörten. Die meisten Nachrichten vom Silphium, welche uns Plinius giebt, sind aus Theophrast genommen, wie schon eine flüchtige Vergleichung zeigt. Wie aber Plinius seinen Vorgänger benutzt, werden einige Beispiele zeigen. Ich will nicht davon reden, dafs Plinius sagt, der Stamm des Silphium sei nicht von gleicher Dicke als der Stamm einer Ferula, da doch Theophrast das Gegentheil behauptet, denn dieses könnte wohl von verschiedenen Lesearten herrühren. Auffallender ist Folgendes: ‚‚Mit dem Frühlinge treibt das Blatt hervor,’’ sagt Theophrast, ‚‚nachher der Stamm,’’ wie es bei den Umbellen- pflanzen gewöhnlich ist, wo zuerst die Wurzelblätter hervorkommen, nach- her der Stamm. Dagegen heifst es bei Plinius: ‚,Das Blatt fällt im Früh- ling ab, und nachdem die Blätter abgefallen, ifst man den Stamm,’ wodurch der Sinn ganz entstellt wird, so dafs man, wenn wir Theophrast’s Werk nicht hätten, gar nicht wüfste, was daraus zu machen sei. Das Wort ägıvaı, welches bei Theophrast immer austreiben bedeutet, hat Plinius in sonst allerdings gewöhnlicher, aber hier nicht passender Bedeutung genommen. Noch wunderbarer wird die Sache, wenn man bei Plinius liest, die Blätter wären statt der Samen gewesen und aus diesem das Zaserpitium hervorge- wachsen. Theophrast dagegen sagt bestimmt, das, was man Blatt nenne, sei der Same, sehr wohl passend auf den blattartigen Flügel der Samen mancher Umbellenpflanzen. Es kommt noch eine sonderbare Stelle in die- sem Kapitel vor, wo nämlich Plinius sagt, ein Kennzeichen des echten Sil- phium sei die Trockenheit, nachdem der Schweifs beendigt worden. Ohne Zweifel ein Anklang an die Stelle beim Dioskorides, wo gesagt wird, das Silphium treibe Schweifs, wenn man auch nur wenig davon einnehme. Ähn- liche Verdrehungen und Entstellungen der Schriften, welche Plinius be- nutzte, als hier angeführt worden, kann man in Menge bei diesem höchst unkritischen Schriftsteller antreffen, der mit der gröfsten Flüchtigkeit las und auszog, und dadurch das Entfernteste oft so zusammenbrachte, dafs daraus die wundersamsten Nachrichten entstanden sind. Mir ist kein ähn- liches Beispiel von Zusammenstellen in der ganzen Litteratur bekannt. Wenn daher die Naturforscher dem Aufrufe eines berühmten Schriftstellers foigen und sich zu einer neuen Ausgabe dieses Werkes vereinigen, so ist sehr zu wünschen, dafs sie die nöthige Kritik mitbringen, und immer auf die (Quellen zurückgehen, aus denen Plinius schöpfte. Gewöhnlich beküm- über das Cyrenäische Silphium der Alten. 4123 mern sich die Naturforscher um solche Forschungen nicht, sie erklären rasch drauf hin. In den spätern Schriftstellern kommt laser oft vor, namentlich in dem Kochbuche, welches, obwohl mit Unrecht, dem Apicius zugeschrieben wird. Es ist nur von einem Jaser die Rede, ohne Zweifel dem Persischen oder Medischen. Wenn auch zuweilen der Ausdruck suceus Cyrenaicus hin- zugesetzt wird, wie z. B. von Galen geschieht, so ist dieses doch wohl nur als blofser Name zu betrachten. Das Cyrenäische Silphium verschwand ganz aus dem Handel, vermuthlich, wie schon erwähnt, weil die Pflanze von Nomadenvölkern (Barbaren) ausgerottet war. Es erscheint auch nicht wie- der. Garcia de Orta, welcher im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts lebte, redet von Altit der Araber (zul>), asa der Neueren, und sagt, Se- rapio habe schon erwiesen, jenes Alt sei laser der Alten. Er meint, das Wort asa, welches sich in keiner Sprache finde, komme von /aser her, und das ist wohl möglich, denn die Arabisten konnten das / leicht für den ara- bischen Artikel halten. Garcia kennt zwei Arten von Asant, beide in OÖst- indien gebräuchlich. Von einer nordafrikanischen ist keine Rede mehr. Der Persische stinkende Asant kommt von der Ferula Asa foetida, einer Pflanze, die wir aber nur aus Kämpfer’s Nachrichten und roher Abbildung kennen. Sie ist gewifs von der Pflanze verschieden, welche das Cyrenäische Silphium lieferte. Zuerst, weil Nord- Afrika wohl nicht viel Pflanzen mit Persien ge- mein hat, und dann auch, weil die Alten das Cyrenäische Silphium als gar verschieden von dem Persischen und Medischen beschreiben. Über die Pflanze, von welcher die Alten das Cyrenäische Silphium erhielten, giebt es verschiedene Meinungen. Spanheim in dem oben er- wähnten Werke hielt sie für verloren, und nach ihm Rai. Die Bauhine be- kannten ihre Unwissenheit. Man blieb lange bei diesem Bekenntnisse der Unwissenheit. Sprengel in den Beiträgen zur Geschichte der Mediein, in der Historia Rei Herbariae, auch in der Deutschen Geschichte der Botanik, rieth auf Ferwla tingitana. Ich erinnerte dagegen, wenn ich nicht irre, in einer Recension in der Halleschen Allg. Litt. Ztg., dafs 7. tingrtana durch- aus keinen besondern Geruch habe, und überhaupt nicht zeige, dafs ein gewürzhaftes Gummiharz daraus könne gewonnen werden. Man kann noch hinzusetzen, dafs die Blätter der Ferula tingitana sehr breit sind, die Blätter auf den Münzen hingegen feiner zertheilt scheinen. Ich schlug eine andere Q2 124 Dawx Pflanze, Laserpitium gummiferum Desfont. L. thapsiaeforme Brot. vor, und Schneider führte meine Meinung in dem Commentar zum Theophrast an. Sprengel giebt ihr in den Anmerkungen zu seiner Übersetzung Beifall, ohne doch den Urheber zu nennen. Er glaubt sogar, della Cella’s Pflanze, von der sogleich die Rede sein wird, sei einerlei mit jener, welches er doch in den Anmerkungen zum Dioskorides wieder zurücknimmt. Z. gummiferum giebt ein Gummiharz von einem ziemlich starken, doch nicht unangenehmen Geruch, und hat ziemlich fein zertheilte Blätter. Man kann aber einwen- den, dafs diese Pflanze in Algier, und sogar im südlichen Portugal wächst, also vermuthlich nicht in der viel wärmeren Cyrenäischen Provinz, und dafs man sie, wenigstens in Algier, wohl nicht im Alterthum verkannt haben würde, da man eifrig danach suchte. Auch ist der Stamm nicht so stark, als er auf den Münzen vorgestellt wird. Die neuesten Nachrichten über die- sen Gegenstand haben della Cella und Viviani geliefert. Zwischen dem nordöstlichen Ende der Syrte und Cyrene selbst fand della Cella bei Spa- ghe die Pflanze, welche er für das Silphium der Alten hielt (s. Fiaggio da Tripoli di Barbarıa alle provincie occidentali dell Egitto, fatto nel 1817. dal Dr. della Cella, Genova 1819. 8. p.127.). ,‚Als wir zu Spaghe unser La- ger aufschlugen,’’ sagt er, ‚zeigte sich unter unseren Kameelen eine solche Sterblichkeit, dafs wir fürchteten, alle zu verlieren. Die Marabuts hingen ihre Beschwörungsformeln an die Hälse der Thiere und sagten ihnen magische Wörter in die Ohren, aber vergeblich. Ich bemerkte bald, dafs sie von einer Doldenpflanze starben, welche in dieser Gegend häufig wächst. Sie hat vielfach zusammengesetzte Blätter, mit zerschnittenen, etwas flei- schigen, feinen und glänzenden Blättchen. Die Frucht ist flach, zwischen rund und eiförmig, mit drei Ribben der Länge nach und von einer breiten, glatten und glänzenden Membran umgeben. Die Blüthen waren nicht mehr zu finden. Sollte dieses das berühmte Silphium sein?’ ruft della Cella aus, und nun vergleicht er die Münzen und die Beschreibungen der Alten mit seiner Pflanze und findet keinen Widerspruch. Viviani, an den die Briefe von della Cella gerichtet sind, giebt in seinem Specimen Florae Libycae eine ausführliche Beschreibung von dieser Pflanze und nennt sie Thapsin Silphium. Er sagt: Ex hujus stirpis radice, succum Silphi nomine celebratissimum extrazxisse Cyrenaeos collatis veterum Geographorum et Bota- nicorum scriptis in citato della Cella itinere demonstravi. Die Abbildungen über das C'yrendische Silphium der Alten. 125 auf den Münzen sind zu wenig genau, um daraus viel schliefsen zu können, und die Vergleichung mit dem Selinum widerspricht ganz und gar. Dafs die Pflanze in der Gegend wächst, wohin sie die Alten versetzten, beweist et- was, doch nicht gar viel. Eben so ist es mit der schädlichen Wirkung auf die Kameele, welche der Verfasser mit der schädlichen Wirkung auf die Schafe vergleicht, aber die Alten sagen nirgends unbedingt, dafs die Schafe davon sterben, im Gegentheil, dafs sie davon fett werden, und nur dann sterben sie, wenn sie krank darauf gebracht werden, doch werden sie auch dann oft gesund. Von dem Safte der Pflanze sagt della Cella kein Wort, worauf es doch besonders ankam. Ich sehe also nicht ein, dafs die Gründe, della Cella’s Pflanze für das Silphium der Alten zu halten, von irgend einer Bedeutung sind, und dieses Gewächs ist so zweifelhaft, als es immer war. —— EI — ae al, vo IR FENTIER K: et a fi id er hr ah ana ers ie ein aaa oh Yan at ug benannt aitelninlaun)? ib br Ba rn ih re nee he age ul ri ale an a an lin dag BAT?) rt rt ee ae hr lol „ulearsfinih a E oe Vhart gun Sl Bagae srhi le init yolı linker wand is Pin a RR gruen Mia „achware toren!) der st vo ehe tdugaden aasahı ter ale arena arten mV air » Mr Nıwa Gare la cn „Animal N ia a (a a a er: ale ae eleer en edge Pe er hauen ” oe re un skin ara en ie sang . i . en Pre > “ \ ‚Ö [2 Be Be a . . 2 Be D & [} Über die Barten des Schnabel - Walfisches (Balaena rostrata). Abhandlung des verstorbenen H'" FRIEDRICH CHRISTIAN ROSENTHAL, Professors der Anatomie in Greifswald. mm Vorgelesen in der Akademie der Wissenschaften am 26. März 1829. von FIIR UND OLR ET. Osgteich schon Hunter, Camper und Andere eine umständliche Be- schreibung der Barten gegeben haben, so dürfte man hieraus doch kaum eine deutliche Vorstellung der Lage, und noch weniger eine richtige Kennt- nifs von der Struktur derselben erlangen, da fast alle ihre zur Erläuterung beigefügten Zeichnungen selbst für denjenigen, der diese Theile aus der Natur kennt, dunkel bleiben. Ich glaube daher auch, dafs es den Natur- forschern nicht unwillkommen sein wird, wenn ich ihnen als Resultat meiner Zergliederung eines bei Rügen gestrandeten Finnfisches (Balaena rostrata) einige Zeichnungen über die Lage und Struktur dieser Theile vorzulegen mir erlaube. Der fast schnabelförmig verlängerte Oberkiefer ist in der Mitte seiner Gaumenfläche durch einen stark vorspringenden Knochenrücken (carına), der von hinten nach vorne allmählich abnimmt, yetheilt. Zu jeder Seite desselben vertieft sich der Kiefer muldenförmig. In dieser muldenförmigen Vertiefung (cavitas alveolaris) werden längs seines äufseren Randes die Barten aufgenommen. Sie erstrecken sich vom Gaumenbein bis zu seinem schnabel- förmigen Ende. Am Gaumenbein, wie am vordern Ende des Kiefers, tre- ten sie von beiden Seiten nahe zusammen und nehmen allmählich an Gröfse ab. Im hintern Drittel liegen sie am weitesten — ungefähr ‘, Fuls — aus- 128 RosentoaAu einander und die zwischen ihnen frei bleibende Gaumenfläche wird von einer weifsen dicken Haut überzogen, die sie mit einander verbindet. Sie bestehen aus vielen gröfsern und kleinern, etwas gekrümmten Hornplatten, welche mit ihren schwach concaven Flächen nach vorne, mit ihren convexen nach hinten gewandt, und mit ihren scharfen Rändern nach aufsen und innen gerichtet sind. Mit ihren sich deckenden Flächen stehen sie parallel, kaum !, Zoll entfernt, nebeneinander. So erscheinen sie am äufsern Rande des Kiefers wie regelmäfsig geordnete Stäbe und gleichsam wie Zinken eines weiten Kammes. An ihrer Basis, mit der sie auf dem Oberkiefer ruhen, werden sie durch ein gegen 2 Zoll breites Hornband, welches sowohl an der äufsern als innern Seite sämmtliche Blätter wie ein Kranz umfafst, mit einander vereinigt. Die gröfsten Platten liegen zunächst am äufsern Rande des Kiefers, und sind am hintern Drittel des Kiefers am breitesten und längsten. Sie bilden ein ungleichseitiges Viereck, an dem, bei den gröfsten, der äufsere Rand 1 Fufs 4 Zoll, der innere 4 Zoll, die Basis oder der Gaumenrand 40 Zoll, und der untere, dem Unterkiefer zugekehrte Rand 11, Fufs mifst. Der letztere ist gegen den innern Rand abschüssig und geht in dicht stehende, hellgraue, borstenarlige Fasern über. Der äufsere Rand neigt stark nach aufsen, so dafs der Winkel, in dem er mit dem untern oder Borstenrande zusammenkommt, über den Rand des Oberkiefers beträchtlich nach aufsen vorspringt. Bei den gröfsten Platten beträgt die Neigung dieses Winkels ge- gen eine Linie, die man von dem Oberkieferrande perpendiculär verlängert, beinahe 7 Zoll. Die kleinern Platten liegen am innern Rande dieser grö- fsern in mehreren Reihen nebeneinander und hängen fast perpendiculär vom Gaumen herab, Ihre Länge und Breite ist abweichend, so dafs sie in ihrer Länge um 2 bis 3 Zoll, in ihrer Breite um 11, bis 1 bis 4, Zoll von einander verschieden sind. Auch unterscheiden sich diese kleinern von den gröfsern Platten durch ihre Consistenz und Farbe, indem letztere schwarzblau und härter, jene weils und weicher sind. In unserm Exemplar finden wir jedoch am vordern Theil, aber nur an der rechten Seite, über 90 gröfsere Platten, gleichfalls von weilser Farbe. Indefs zeichnen sich diese von den kleinen dadurch aus, dafs nur ihre äufsern Blätter weicher und weifs erscheinen, ihre innern ‘aber eine den übrigen gröfsern Platten entsprechende Consistenz und Farbe zeigen. Diesemnach scheint die dunklere Farbe mit der fort- über die Barten des Schnabel-WValfisches. 129 schreitenden Entwicklung und Zunahme der Consistenz zu entstehen, was dadurch noch gröfsere Wahrscheinlichkeit erhält, dafs man an den Schich- ten dieser weifsen Blätter mit den Abstufungen ihrer Consistenz auch Ver- änderung ihrer Farbe bemerkt, so dafs die äufsersten Schichten einem kleb- rigen, kreideartigen Überzug ähnlich, und die darauf folgenden Schichten dichter, glänzend weifs, und mit bläulicher Farbe schillernd erscheinen. Der Struktur nach unterscheidet man an jeder einzelnen Platte die innere und äufsere Substanz. Die äufsere oder Rindensubstanz besteht aus dicht auf einander liegenden Hornblättern, wie die der Nägel. Die von die- sen Blättern eingeschlossene innere oder Marksubstanz bildet parallel herab- steigende Röhren, die am untern Rande der Platte in die erwähnten borsten- artigen Fasern übergehen. Da diese Röhrensubstanz in einer beträchtlichen Entfernung — bei den gröfsern erst ; Zoll— vom Fufs der Platten anfängt, so bleibt hier zwischen den Rindenblättern ein bedeutender Raum, der nach aufsen und innen von dem Horn-Kranzbande gedeckt, gegen die Gaumen- fläche geöffnet ist. Dieser Raum bildet die Höle zur Aufnahme der Keimhaut. Die gegenüber liegenden Wände dieser Höle werden an ihrem Gau- menrande durch gekrümmte Hornlamellen mit den zunächst liegenden Plat- ten verbunden, und sind an ihrem innern und äufsern Rande, so hoch als die Keimhaut-Höle sich erstreckt, durch das Horn - Kranzband mit einander vereinigt; dadurch entsteht zwischen jeder Bartenplatte ein abgeschlossener Raum oder Höle, die von einer kreideartig weilsen, zähen Masse ausgefüllt wird. Die kleineren, noch in ihrer Entwickelung begriffenen Barten stehen einzeln in einer consistenten weifsen Masse, die deutlich gefasert erscheint. Sie sind graubläulich und bestehen gröfstentheils nur aus Röhrensubstanz, die an ihrer ausgehölten Basis die verlängerte Keimhaut aufnimmt. So weit sie von dieser gefaserten Masse umgeben werden, erhalten sie einen feinen Überzug, bei dessen vorsichtigem Abstreifen man einen Übergang in jene gefaserte Masse deutlich wahrnimmt. Jede Barte ruht unmittelbar auf einer über 1 Zoll dicken sehr gefäfs- reichen Haut. Die der Basis der Barten zugekehrte Fläche derselben kömmt mit der Lederhaut überein und bildet unter jeder Platte eine stark hervor- ragende Falte, welche in fadenartige, Fransen ähnliche Verlängerungen über- geht, mit denen sie in die Röhrensubstanz bis zu den Borsten eindringt. Der mit dem Kiefer verbundene Theil dieser Haut besteht aus einem sehr Pirs Klasse 1829. R 130 Rosestoaau festen, fast schwielenartigen Gewebe, das mit Fett angefüllt ist und grofse Gefäfse aufnimmt. Diese Gefäfse kommen mit mehreren über }, Zoll dicken Aesten aus dem Gaumentheil des Kiefers hervor, laufen in der Richtung von hinten nach vorne, und vertheilen sich in viele, fast unter rechten Win- keln abgehende Äste, die durch die dicke Hautmasse geschlängelt bis zu den Falten an der Bartenfläche verlaufen, und dann mit den fransenartigen Verlängerungen derselben in der Röhrensubstanz fortgehen. Von dieser Keimhaut wird zunächst die zwischen den Bartenplatten befindliche weifse Masse abgesetzt, die nur einer geringen Veränderung zu bedürfen scheint, um in die Hornsubstanz überzugehen; denn aus der bis jetzt nur vorläufig angestellten chemischen Untersuchung ergiebt sich, dafs diese weichere weifse Masse aus vorwaltenden schleimigen Bestandtheilen, denen einige Theile Albumen beigemengt sind, besteht, und dafs die zwi- schen den in der Bildung begriffenen Barten befindliche festere weifse Masse gegen die chemischen Reagentien als ein die nächste Übergangsstufe zur Hornsubstanz bildendes thierisches Erzeugnifs sich verhält. Noch mehr spricht für den unmittelbaren Übergang dieser dem Mal- pighischen Schleim ähnlichen Masse in die Hornsubstanz, dafs man bei den noch in der Bildung begriffenen, nur aus Röhrensubstanz bestehenden Plätt- chen bei Einbruch in die weifse Masse, diese deutlich als dünne Blättchen an der Röhrensubstanz fortgesetzt wahrnimmt, und dafs man ferner bei den noch nicht vollkommen entwickelten gröfseren die äufsere Rindensubstanz noch weich und weifs und in ihren Schichten verschieden findet, so dafs man die äufserste derselben wie einen geronnenen Niederschlag der weifsen Masse, die darauf folgenden aber, mit allmählicher Zunahme ihrer Consi- stenz, der schwarzbläulichen Hornsubstanz ähnlicher, antrifft. Wenn nun die Bartenbildung auf die Analogie der Hornbildung über- haupt zu schliefsen berechtigt, so sind die Horngebilde überall, in welcher Form sie auch vorkommen mögen, als Erzeugnisse der gefäfsreichen Leder- haut zu betrachten, die nach den Modificationen ihrer Verbreitung die ver- schiedene Gestalt der unorganischen Hornmasse bedingt. Mit der gleich- mäfsigen Verbreitung der Gefäfse über der ganzen Oberfläche der Lederhaut wird eine dünne Schleimschicht — rete Malpighi— abgesetzt, die, wie die weilse Schleimsubstanz zwischen den Bartenplatten, aus den Elementen der Hornmasse besteht, und daher nur der stärkeren Consistenz bedarf, um die über die Barten des Schnabel-Walfisches. 131 dünne hornartige Epidermis zu bilden. Werden die Gefäfse des Corium’s gehäufter, so gestalten sich dickere Hornmassen, und so entstehen Nägel, Hufe und die Schalen der Hornzapfen. Werden diese Gefäfse fransenartig verlängert, so bekommen sie ihrer Länge und Dicke entsprechende Horn- überzüge, und so bilden sich Haare und Hornzähne. Haare und Hornzähne sind sich also in ihrem Typus am nächsten ver- wandt, was vorzüglich aus der Bartenbildung einleuchtend wird, da hier die Röhrensubstanz im Anfang ihrer Bildung ganz den Haaren gleicht, und erst durch den Beitritt der Rindensubstanz eine mit den Zahnplatten analoge Formation annimmt. Schon dieser Bildung wegen sind die Hornzähne, ohne Rücksicht auf ihre Substanz, von den Knochenzähnen wesentlich verschieden, denn letz- tere bedürfen aufser der Keimpulpe noch eines eigenthümlich organisirten gefäfsreichen Sackes, von dem ihr härterer Schmelzüberzug abgesetzt wird. Sie erhalten dadurch gröfsere Ähnlichkeit mit den Geweihen der Thiere, die gleichfalls bei ihrer Entwickelung mit einer diesem Sack zu vergleichen- den behaarten Haut versehen werden, und so besteht derselbe Bildungsun- terschied zwischen den Geweihen und Hörnern, wie zwischen den Knochen- und Hornzähnen. Erklärung der Kupfertafeln. Fig. 1. Barten in ihrer natürlichen Lage am Oberkiefer. A. Der hintere Theil des Kiefers. 2. das vordere Ende desselben. C. Gaumenrücken (carina). D. Barten. a. der hintere Gaumen- theil. 2. das vordere Ende derselben. c. die über den Kieferrand nach aufsen gebogenen Spitzen der gröfseren Platten. Fig. r Queerdurchschnitt des Oberkiefers mit den Barten. A. Carina. B. Randwulst des Oberkiefers. C. Barten. 1. Die äufsern, gröfsern, ungleich viereckigen Platten. a. der äufsere, R2 132 Rosentnuau über die Barten des Schnabel - W alfisches. b. der innere, c. der abschüssige untere, d. der obere Rand, Gau- menrand, Basis, Fufs. 2. Die inneren, kleineren, länglichten Platten. 3. Horn-Kranzband. ie, 3. Ein Theil von 3 gröfseren, weifsen, noch zusammenhängenden Bartenplatten. I. der obere Rand (Gaumenrand), Basis. II. der untere Borsten- rand. Ill. der innere, IV. der äufsere Rand. 1. Rinden-, 2. Röh- rensubstanz. 3. Verbindender Hornstreif der Rindenblätter zweier Bartenplatten. 4. Keimhauthöle. Fig. 4. Abgeschnittener Theil dreier gröfserer Bartenplatten in ihrer Verbindung unter sich und mit der Keimhaut. 4. Gaumen- oder Keimhaut. 2. Falten derselben, von welchen die fransenartig vertheilten Gefäfse a.«a. in der Röhrenmasse fort- gehen. C. Hornstoff- oder kreideartig weifse und zähe Masse zwi- schen den Wänden der Keimhauthöle. Die übrigen Zeichen wie in der vorigen Figur. Fig. 5. Mehrere in der Bildung begriffene Bartenplättchen in ihrer Verbindung mit der weilsen Fasermasse. 1. Bartenplättchen. 2. Keimhauthöle. 3. weifser faseriger Horn- stoff. ANAND —— Zu Hm Slsfenthals Abkandlng son den Banbn, de Haffhe PB 1639 CYu ri ® E\ j 3 ii f us u 5 5 E “u . 1 „ _ nt * rg \! SDR u En # eo aD 6 2 Pin u u # Fr Ze er & gi v i e ne i =D. : ö Pa Pe B En ur, . '. f \ vr u 2 D u 2 - pn R u « BA Sn en B . fi i a ‘ ; D - \ - j ° D B z u il } ’ [ ’ j k DREH If DL I) Ih RR DM MH afıf An Sy Sl IS2G Über Dalaena longımana. L Von BR? RUDOLPHI. am. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 23. Juli 1529.) E; scheint zuerst sehr sonderbar, dafs gerade die riesenmäfsigen Walfische von den Naturforschern sehr wenig gekannt sind, und viel weniger, als manche noch so kleine Thiere; doch findet man bald, dafs dieses nicht an- ders sein konnte, da die Gelegenheit, sie zu untersuchen, sich so selten darbietet, und, was doch das Allerwesentlichste sein müfste, eine gehörige Vergleichung derselben unter einander anzustellen, ehemals alle Gelegen- heit fehlte. Fischer- und Schiffernachrichten, oberflächlich gemachte Abbildun- gen, und in den Museen blofse Fragmente einzelner Theile des Skeletts, das war sönst fast alles, was den Naturforschern zu Gebot stand, und daher sind auch alle älteren und die mehrsten der neueren Schriftsteller ganz un- genügend. Sibbald’s Phalaenologie läfst nicht unbefriedigter, als Lace- pede’s Histoire des Cetaces; Linne’s und Pallas Beschreibungen helfen gleich wenig aus, und selbst bei Otto Fabricius, der vor Allen die beste Gelegenheit hatte, sie zu studiren, kommt man nirgends auf das Reine, da die Beschreibungen höchst mangelhaft sind, und vorzüglich gar keine Maafse, mithin auch keinen Aufschlufs über die Verhältnisse der Theile zu einander enthalten. Daher kommen noch sehr arge Verstöfse bei dem sonst so treff- lichen P. Camper vor, die jedoch Ouvier zum Theil später berichtigt hat. Trotz dem langen Leben und dem immer damit im Verhältnifs ste- henden langen Wachsthum der Walfische, nahm man sehr leicht den Unter- schied der Gröfse für etwas Wesentliches, und machte aus kleinen und gro- fsen Individuen verschiedene Arten. Die Fischer thun dieses überall. Der 134 ARvvourszı Lachs, der Stör in seiuen verschiedenen Altern trägt bei ihnen ganz ver- schiedene Namen. Fabricius (Fauna Groenlandica p.40.) sagt: Balaena rostrata sei der kleinste Walfisch; Rosenthal (Einige naturhistorische Be- merkungen über die Walle. Greifswald 1827. fol.) und derselbe mit Horn- schuch (Fyistola de Balaenopteris quibusdam ventre sulcato distinctis. Gryph. 1825. 4.) nennen daher das von ihnen untersuchte und abgebildete, beinahe 45 Fufs lange Exemplar: Dalaena rostrata var. maior; ein viel (vielleicht um 10 Fufs) gröfseres, aber sehr schadhaftes Exemplar ward hier ehmals für Geld gezeigt, und wenn der bei Ostende gestrandete Walfisch, über den wir ein Paar sehr interessante Schriften (') besitzen, nach Ouvier’s Mei- nung hieher gehören sollte, so sieht man, wie wenig die Gröfse hier be- deutet, denn bei Dubar (Osteographie p.17.) wird die Länge des ganzen Walfisches auf 31 Metres (ungefähr 100 Fufs) angegeben, und nach van der Linden (p.6.) soll sie zufolge einer später von Dubar gegebenen Notiz zwar etwas weniger, allein doch 26 m. 60 c., also ungefähr 85 Fufs betra- gen haben, während das von mir untersuchte und in den Schriften der K. Akademie von 1820 und 1821 beschriebene und abgebildete Exemplar nur 31 Fufs 1 Zoll mafs. Es war daher nicht zu verwundern, dafs die Walfische des hohen Nordens, welche einen gefurchten Unterleib und eine Rückenflosse besitzen, von Cuvier, und so auch von mir, zusammengeworfen wurden, denn ob- gleich die Schriftsteller fast allgemein 2 Arten trennten, so gaben sie doch keine characteristische Kennzeichen davon an, bedienten sich auch sehr ver- schiedener Benennungen dafür. Als ich daher vor mehreren Jahren die Ehre hatte, die Beschreibung und Abbildungen des Skeletts eines 1819 an der Holsteinischen Küste ge- strandeten Walfisches vorzulegen, erkannte ich in ihm zwar die Balaena (') J.Dubar Ostographie de la Baleine echoude a ÜEst du port d’Ostende le 4. No- vembre 1827. Bruxelles 1828. 8. P.L. Van der Linden Notice sur un squelette de Baleinoptere exposed a Bruxelles en Juin et Juillet 1328. Bruxelles 1828. 8. Charles F. A. Morrem te Brussel Over de Balaenoptera rostrala van Fabrieius en Beoordeling der Werken, welke over en Dier dezen soort den 4%" November 1827 ten Oosten van de Haven van Ostende gestrand, uitgegeven zyn. In: Bydragen tot de natuur- kundige FWVetenschapen verzameld door C. H. van Hall, FV. Vrolik en G. J. Mulder. Fierde Deel n.1. Amst. 1829. 8. p.52-84. über Balaena longimana. 135 rostrata des Otto Fabricius und John Hunter’s, benannte ihn auch so, wagte aber nicht, ihn von 2. boops zu trennen. Im November 1824 strandete aber wieder ein Walfisch an der Elb- mündung bei Vogelsand, der im folgenden Jahr hieher zur Schau kam, und durch die Beihülfe der Königl. Akademie für das Anatomische Museum er- standen ward.‘ Dieser zeigte sich auf den ersten Blick von dem vorigen durchaus verschieden, so dafs sie niemand verwechseln kann. Der gefurchte Bauch und die Rückenflosse stimmen überein; sie gehören also beide zu der Abtheilung Balaenoptera, aber sonst weichen sie in allen Verhältnissen von einander ab. Wahrscheinlich ist der zuletzt erhaltene Walfisch die Balaena boops Linne’s und des Otto Fabricius; da aber eine volle Gewifsheit darüber nicht erlangt werden kann, und jener Name seit der Zeit so verschieden ge- braucht und so viel verwechselt ist, dafs Pallas und Albers ihn für 2. rostrata, Cuvier ihn für D. rostrata und boops zugleich gebraucht hat; Pal- las die B. boops Linne's B. musculus benannt hat, während Schreber aufser der D.rostrata und B.boops noch B. musenlus aufführt, die ich durch nichts zu unterscheiden weils, so halte ich es für das Gerathenste, den alten, zweideutigen und nichts sagenden Namen 2oops fallen zu lassen, und dage- gen einen neuen und bezeichnenden zu geben. Ich habe daher dieses Thier Balaena longimana genannt, weil das riesenmäfsige Verhältnifs der Hand zum Körper gleich in die Augen fällt. Was besonders gegen die Meinung sprechen könnte, dafs unsere Art zur D. boops gehöre, ist Fabricius Angabe (S.36.) von Erhabenheiten auf dem Kopf: Ante nares in vertice capitis tres ordines convexitatum circularium, huic forsan peculiare quıid. Diese fehlten allerdings unserm Walfisch, dage- gen hatte aber derselbe an den Seiten des Unterkiefers eine Menge rund- licher Erhöhungen, von ungefähr einem Zoll oder etwas darüber im Durch- messer, aus welchen, nach der Versicherung des Besitzers jenes Thiers, lange Borsten hervorstanden, die ich aber nicht mehr gesehen habe. Diese Auswüchse mögen also wohl etwas Krankhaftes oder sonst Zufälliges sein, und bald hier, bald dort vorkommen; bei 3. rostrata wenigstens waren der- gleichen nicht. Worauf ich dagegen den mehrsten Werth lege, sind folgende Worte des Otto Fabricius: ‚‚Pinnae pectorales magnae, obovato-oblongae, mar- 136 RvuvorLrpuı gine postico integro, regtone cubiti parum fractae, antıco autem rotundato - crenatae.” Eben deswegen glaube ich auch, dafs unter Chamisso’s Abbil- dungen von den Holzmodellen der Walfische durch die Aleuten (!), die fünfte Figur der achtzehnten Tafel mit sehr langen Brustflossen hieher gehört. Cuvier hat in der reich ausgestatteten Abhandlung über die Wal- fische, in seinem herrlichem Werke: Sur les Ossemens fossiles (T.V.P.1.) kein Thier, das zu der B. longimana pafst, obgleich sein Rorqual vom Vor- gebirge der guten Hoffnung manche Ähnlichkeiten zeigt, weswegen ich diese beiden vorzüglich vergleichen werde. Mit der ehemals von mir abgebildeten und beschriebenen 2. rostrata ist die Ähnlichkeit sehr gering, so dafs ich nur auf Einzelnes derselben aufmerksam machen werde, das eine nähere Erörterung meines frühern Aufsatzes verlangt. Bei dem Stranden unsers Walfisches war das Hinterhauptsbein und das rechte Schlafbein zertrümmert worden, so dafs uns diese Theile leider fehlten, und die dadurch entstandene Lücke in der zweiten und dritten Ta- fel genau ausgedrückt ist. Die Breite des Kopfes ist nach hinten sehr be- deutend, und die Oberkiefer werden plötzlich schmal, welches bei 2. ro- strata nicht statt findet, wohl aber bei dem Rorqual vom Cap, wo jedoch der Kopf hernach gleichförmiger verläuft. Ossem. fossil. l.c. tab. 25. fig. 2. Die Zwischenkiefer sind bei DB. longimana besonders lang; die Unterkiefer ragen vorne vor den oberen hervor und sind verhältnifsmäfsig vorne noch sehr dick und gerade. Der ganze Schedel ist viel weniger gewölbi, als bei B.rostrata, capensis U.$S.W. In meiner Abhandlung über Baluena rostrata hatte ich nur fünf Hals- wirbel angenommen, weil sich die beiden folgenden Wirbel durch ihre Qucerfortsätze mit der ersten, vorne gabelförmig getheilten Rippe vereinig- ten. Eben so nimmt van der Linden sechs Halswirbel bei dem von ihm untersuchten Walfisch an, weil nur sechs frei sind; die erste Rippe ist aber auch gabelförmig gespalten, und möchte sich das oberste an das siebente, wie bei unserm an das sechste und siebente Halswirbelbein gesetzt haben. In dem hier ehemals zur Schau gestellten Exemplar, an welchem der Atlas fehlt, sind noch sechs Halswirbel; es sind also deren sieben vorhanden (‘) Cetaceorum Maris Kamtschatici imagines ab Aleutis ligno factae. Nov. Act. Nat. Cur. Vol. XI über Balaena longimana. 137 gewesen. Eben so viele hat der von Rosenthal beschriebene, so wie der Capsche Rorqual, bei dem sie aber anchylosirt sind. Balaena longimana hat im Queerfortsatz des Atlas keine Theilung zum Durchgang der Wirbelgefäfse und Nerven, während das Loch im Queer- fortsatz des Atlas bei unserer 3. rostrata sehr grofs ist. Der Walfisch von Östende oder Brüssel hat aber auch nicht durchbohrte Queerfortsätze des Atlas: Dubar Tab. 6. Fig. 1. Der zweite Halswirbel der B. /ongimana hat ein sehr grofses, nicht ganz geschlossenes Loch, so dafs man einen Processus transversus superior und inferior annehmen könnte, die sich nicht völlig erreichen ; der processus transversus inferior des dritten Halswinkels ist schwächer; der des vierten und fünften wird noch kleiner; am sechsten und siebenten ist kein unterer vorhanden; allein die oberen gleichen doch mehr den oberen Queerfort- sätzen der übrigen Halswirbel, als den Queerfortsätzen der Rückenwirbel. Mit dem des siebenten Halswirbels verbindet sich die erste Rippe, so gut wie mit dem des ersten Brustwirbels. Der Rippen sind vierzehn Paare, und sie verbinden sich ohne Aus- nahme nur mit den (Jueerfortsätzen der Wirbel. Bei unserer kleinen 2. rostrata sind dreizehn Paare, die auch blofs an die Queerfortsätze der Wir- bel gehen. Bei unserm grofsen unvollständigen Exemplar sind nur zwölf Paar erhalten, allein auch dreizehn Paare gewesen, denn man bemerkt an dreizehn Wirbeln die Ansatzstellen dazu. Die zweite, dritte und vierte Rippe geht an den Körper und Queerfortsatz des Wirbelbeins; die übrigen blofs an die (Jueerfortsätze. Van der Linden rechnet die vorne gespaltene Rippe als zwei, und zählt daher funfzehn Paare, welches mir minder richtig scheint; sonst könnte man sie auch unserer B.longimana zuschreiben. Rosenthal’s Walfisch hat wirklich funfzehn Paare. Van der Linden sagt, dafs die fünf ersten Rippen einen Kopf ha- ben, der sich gegen die Körper der entsprechenden Wirbelbeine wendet; doch glaubt er, dafs nur die zweite und dritte Rippe, und auch kaum, die- selben erreichen, obgleich die vier oberen Rückenwirbel (eigentlich wohl der siebente Halswirbel und die drei obersten Rückenwirbel) am Körper eine Erhabenheit haben, die sich dem untern Ast des Queerfortsatzes der Hals- wirbel nähert. Phys. Klasse 1829. S 138 Ruvorepuı Bei der BD. longimana sind auch an den Körpern der fünf ersten Wir- bel des Rückens solche Rudimente von unteren (Jueerfortsätzen, allein die Rippen erreichen sie nicht. Dagegen geht die vorderste, nur sehr wenig ge- theilte Rippe an die dicht neben einander liegenden Queerfortsätze des letz- ten Halswirbels und des ersten Brustwirbels. Ganz anders ist es beim Rorqual vom Cap, wo die beiden ersten und die vier letzten Rippenpaare nur an die Queerfortsätze, die neun dazwischen befindlichen sich auch an die Körper setzen. Bei unserm Narhwalskelett, das eilf Paar Rippen hat, gehen die acht ersten an die Körper und Queerfortsätze der Rippen zugleich, und nur die drei letzten gehen allein an die Queerlortsätze. Bei Delphinus Phocaena, wo dreizehn Paar Rippen sind, gehen die vordersten sechs an die Körper und Queerfortsätze, die übrigen sieben blofs an die letzteren. Die wallischartigen Thiere weichen also darin sehr von einander ab. Im Ganzen sind bei 2. l/ongimana vierundfunfzig Wirbel, wovon sie- ben als Halswirbel, vierzehn als Brustwirbel, eilf als Lendenwirbel, und zweiundzwanzig als Schwanzwirbel anzunehmen sind. Bei den zweiunddreifsig ersten Wirbein der ganzen Säule sind keine Sesambeine, allein zwischen dem dreiunddreifsigsten und vierunddreifsigsten, und so fort bis zwischen dem zweiundvierzigsten und dreiundvierzigsten sind dergleichen zu bemerken, so dafs im Ganzen zehn Sesambeine vorhanden sind. Am dreiundvierzigsten verliert sich das letzte Rudiment des Dorn- fortsatzes; am neununddreifsigsten hört auch das Rudiment der Queerfort- sätze auf. Das Brustbein, welches breiter als lang ist, verbindet sich nur mit der ersten Rippe. Das Schulterblatt ist ohne allen gröfsern Vorsprung, so dafs nur vom Acromium eine leichte Andeutung statt findet, welches schr eigenthümlich ist. Das Oberarmbein hat den Kopf noch als Epiphyse getheilt. Die bei- den Vorderarmsknochen haben am obern Theil nur die Spuren der Epiphy- sen erhalten; am untern Ende hingegen sind die Epiphysen völlig getrennt, wie die erste Tafel zeigt. Die Handwurzel hat drei rundliche Knochen. Die Anzahl der Fingerglieder ist sehr verschieden, und so weit sie vorhanden sind, in der Abbildung angegeben, wobei aber zu bemerken ist, dafs der dritte über Balaena longimana. 139 Finger (den Mittelhandknochen mitgezählt) neungliedrig scheint; allein das neunte Glied hat keine Knochensubstanz, wenn man es auch der Form nach glauben sollte. Wie ich ehemals 2. rostrata beschrieb, habe ich bei der Handwurzel einen doppelten Fehler begangen; nämlich erstens die unteren Epiphysen der Ulna und des Radius für ossa carpi gehalten; zweitens aber eine harte Stelle in der Handwurzel für einen Knochen genommen. Unsere B. rostrata hat also an beiden Extremitäten nur zwei Handwurzelknochen. Cuvier hat sich wahrscheinlich auf eine ähnliche Art geirrt, indem er sieben Handwurzelbeine beim Rorqual vom Cap annimmt; oflenbar sind wohl die beiden grofsen oberen Stücke (Tab. 26. Fig. 23.) die unteren Epi- physen der Vorderarmknochen, und ob das Übrige alles ausgemachte Kno- chen sind, steht dahin. Die Beckenknochen, wovon der linke auf der vierten Tafel in natür- licher Gröfse vorgestellt ist, sind an der Zahl zwei, und liegen neben den äufseren Schaamtheilen. Von Dalaena rostrata hatte ich in meiner früheren Abhandlung gleichfalls einen in natürlicher Grölse abgebildet, den Cuvier in seinem grofsen Werke über die fossilen Knochen nur für ein Seitenstück desselben gelten lassen wollte, weil er sich darauf stützte, dafs Lalande bei dem Walfisch und dem Rorqual vom Cap einen ganz andern Knochen als Beckenknochen selbst gefunden hätte. Allein wie ich selbst zugegen war, als der eine Beckenknochen von D. rostrata herausgeschnitten ward, so habe ich auch beide bei 2. longimana in ihrer Lage selbst gesehen; und es findet sich dieselbe Beschaffenheit dieser zwei neben den äufseren Geschlechtsthei- len liegenden Knochen nicht nur bei den Delphinen, sondern auch bei dem Narhwal wieder. Was aber bei diesem als sonderbar erscheint, ist ihre ge- ringe Gröfse; neben den äufseren Geschlechtstheilen eines ausgewachsenen trächtigen Meereinhorns nämlich, dessen Schedel und Gehirn, so wie die Geschlechtstheile nebst dem Foetus, unser Museum besitzt, betragen sie nur zwei Dreiviertel Zoll in der Länge, und sind schr schmal, so dafs sie wenig gröfser sind, als ich sie an den Theilen eines gleichfalls trächtigen Meer- schweins (Delphinus Phocaena) vor mir habe. Lalande, auf welchen Cuvier sich verliefs, hat wahrscheinlich die Knochen von den Sklaven erhalten, und durch Suggestionsfragen herausge- bracht, dafs es Beckenknochen wären, die Cuvier Taf. 26. Fig. 24. vom S2 140 Rupvorruı Rorqual, und Fig. 25. vom Walfisch des Vorgebirges der guten Hoffnung abgebildet hat, wenn diefs nemlich wirklich Walfischknochen sind, woran doch noch vielleicht zu zweifeln ist. Dubar (Taf. 9.)hat die Beckenknochen auf die nämliche Weise, wie ich gefunden, und ist ihre Form denen der B. /ongimana sehr ähnlich; man sieht daher, welch ein junges Thier unsere 2. rostrata war, wo sie so klein und ohne die mittlere Erhöhung, auch noch an beiden Enden knorplig sind; vorausgesetzt nämlich, dafs jener Walfisch derselben Art sei. Was Albers (Icones ad illustrandam Anatomen comparatam Tab. 1.) unter dem Skelett der Zalaena rostrata, das in Bremen aufbewahrt wird, hat abbilden lassen, ist und bleibt mir ein Rätbsel, falls es nicht ein falsch gestelltes und verzeichnetes Zungenbein sein könnte. Eben so wenig ver- stehe ich die Beschreibung, welche Rosenthal und Hornschuch (p. 14.) geben; nach ihnen gingen vom ersten Processus spinosus inferior, also vom ersten Sesambein, zwei lange Fortsätze zum After divergirend in die Höhe; überdiefs sprechen sie von den gewöhnlichen beiden Beckenknochen doch mit dunklen Worten, die durch keine Abbildung erhellt werden. Wenn man nach dem Obigen sieht, dafs wenigstens bei zwei Wal- fischen (D. rostrata und B. longimana), vielleicht bei drei, wenn nämlich der von Dubar und van der Linden beschriebene nicht zu dem ersten gehören sollte, derselbe Bau, wie bei dem Delphin und Meereinhorn statt findet, so darf man ihn wohl als allen walfischartigen Thieren zukommend betrachten. Kein Säugthier, das auf dem Lande lebt, hat ein vorne ursprünglich geschlossenes, aus einem unpaarigen vordern Stück gebildetes Becken; bei einigen steht es vorne weit auseinander, bei anderen trennen sich die Schaam- beine vor der Geburt, wie z. B. vorzüglich bei Cavia Cobaya, und wahr- scheinlich erschlaffen und erweitern sich die Symphysen des Beckens, so- wohl zwischen den Schaambeinen, als zwischen den Darmbeinen und dem Kreuzbein, bei sehr vielen, wie ich auch namentlich immer bei den in der Geburt oder bald nach derselben gestorbenen Weibern finde; nur bei wenigen Säugthieren verknöchert die Schaambeinvereinigung gänzlich (bei dem Men- schen nie!), und wer weils, ob dann ohne allen Nachtheil. Diefs sind aber Alles auf dem Lande gebährende Thiere, wohin selbst auch das Walrofs ge- hört; wie sollten also die Walfische, die unter allen Säugthieren allein im % über Balaena longimana. 441 Wasser gebähren, deren Entbindung daher sehr rasch vor sich gehen mufs, wenn nicht das Junge ersticken soll, ein vorne geschlossenes Becken als Norm erhalten haben? Die Kleinheit der Beckenknochen bei denselben macht diefs, wenn ein Naturforscher so sprechen darf, geradezu unmöglich. Die Beckenknochen sind übrigens bei den walfischartigen Thieren nicht blofs eine Stütze für die äufseren Geschlechtstbeile, sondern auch bei den weiblichen Tbhieren für die Brüste (Mammae), welche hart neben ihnen nach aufsen liegen, so dafs aus einer Falte die grofse Brustwarze hervorragt. Bei den eigentlichen Walfischen, bei dem Meereinhorn und dem Delphin hat die Brustwarze nur einen Kanal, der in eine Höle führt, wie bei den wiederkäuenden Thieren ('), in die die feinen Gänge sich offen endigen; den übrigen Bau habe ich nicht zu untersuchen Gelegenheit gehabt, da ich nur einen Theil der grofsen Höle, welcher sich in den Gang der Brustwarze mündet, bei dem Meereinhorn vor mir habe. Die Zungenbeine der Balaena longimana (Taf.I. Fig. 4.) und der B. rostrata (in meiner Abh. von derselben Taf. IV. Fig. 1-3.) haben grofse Ähnlichkeit mit einander, und das gilt auch von denen des Brüsselschen Walfisches, Dubar Tab.5. Von den Zungenbeinen des Delphins weichen diese alle sehr ab; die des letzteren hat Cuvier Taf.25. n. 12., die des Ror- quals Fig. 13., und die des Walfisches vom Vorgebirge der guten Hoffnung n. 14. abgebildet. Wenn Cuvier die an den kleinen Hörnern des Delphins befindlichen Stücke Ossa styloidea nennt (p.386.), so dürfen wir das wohl nicht zuge- ben; es sind die Zigamenta stylohyoidea des Menschen, die bei dem Men- schen auch nicht selten verknöchern, bei den Thieren (wo die processus sty- loidei fehlen) fast immer gröfsere Knochen sind; es ist auch nicht richtig, wenn QCuvier sagt: sie setzen sich an den Theil des Hinterhauptsbeins, der statt des Zitzenfortsatzes dort ist, sondern sie setzen sich an die processus Jugulares, die wir mit den Thieren gemein haben, nur dafs sie bei diesen (') Später hinzugekommene Anmerkung. Der Professor v. Bär in Königsberg sagte mir im Sommer 1830, dals die Brüste des Schnabelthiers mit denen des Delphins viele Ähnlichkeit hät- ten; das kann sich aber wohl nur und kaum auf die Ähnlichkeit des Drüsenapparats beziehen; denn beim Schnabelthier hat ja Meckel (de Ornithorhyncho p. 54. Tab. VIIL. Fig. 5.) eine aulserordentlich grolse Menge Duczus excretorüi gefunden, die nach der Haut gehen. 142 Ruvvorrnı gröfser sind, und worauf, so viel ich weils, ein junger trefflicher Anatom in Stockholm, Andr. Ad. Retzius, zuerst aufmerksam gemacht hat. Was die Verhältnisse unserer BD. longimana betrifft, so ist die Länge nach rheinländ. Maafse: des ganzen Skelelts, area ce na cm 3 au amp e ano 40 Fufs - Zoll. des Oberkieters cu 0 os as ame nee ner AD a desnlÜnterkiefers lien Breite des Oberkiefers von einem Stirnfortsatz zum andern 7 » - » Länge der Zwischen -Kieferbene ..... cr... .. .. 8 »40 » > der Nasenbeine 0 en Gröfste Entfernung der Unterkiefer von einander ...... » 3 » Länge der Brustflosse ... .....eenc...- EEE DR der zaklalsvarbeleen en » » »- dem14 Brustwirbeln 2. 2.000.000 co ue.n ver dert Wendenwarbele re: » der 22 Schwanzwirbel. .....: 2222222000. ma or a [m vw oa m @& » des gröfsten Queerdurchmessers des Brustgewölbes. . » vom Brustbein bis zur letzten Rippe... ... » » „der längsten Rippe... ... . See Se? BR ee ee TE Breite des Schulterblatts .... 2.2... a 3 Hohe.desselben . 2.2 .n soo... ee er ST en, Das ganze Thier mafs frisch 43 Fufs; die Länge des Unterkiefers bis zum Mundwinkel 12 Fufs; die gröfste Breite desselben betrug 6 Fufs; von der Spitze des Oberkiefers bis zum Auge war der Abstand 10 Fufs; die gröfste Breite des Kopfes betrug 8 Fufs; die Rachenöffnung mafs 8 Fufs; die gröfste Barte war 2 Fufs lang; die Länge der Brustflossen betrug 13 Fufs; die der Rückenflosse 4 Fufs; die Entfernung von der Mitte des Schwanz- endes bis zum Anfang der Rückenflosse 14 Fufs; bis zur Ruthe 12 Fufs 8 Zoll; bis zum Nabel 17 Fufs 6 Zoll; der Abstand der Spitzen der Schwanz- flosse von einander 14 Fufs; die Ruthe, welche sehr verkürzt war, zeigte sich nur 4 Fufs lang; ganz frisch-soll sie 7 Fufs lang gewesen sein; der Um- fang derselben betrug 3 Fufs 4 Zoll, und ihr Durchmesser am Grunde 1 Fufs. Unsere Dalaena rostrata hatte das Verhältnifs der vordern Extremität oder der Brustflosse zum ganzen Körper von 3 Fufs 61, Zoll zu 31 Fufs 1 Zoll; über Balaena longimana. 143 bei B. longimana hingegen, wie 13 zu 43 Fufs; dort also ist das Verhältnifs ungefähr wie 1 zu 5; hier beinahe wie 1 zu 3. Von dem Brüsselschen Wal- fisch giebt Dubar die Länge der Brustflosse zu 4 Metres und 10 Centimetres an, während die des ganzen Thiers, wie oben bemerkt wurde, 26 Metres 60 Centimetres betrug; hier ist also gar ein Verhältnifs wie ungefähr 1 zu 64. Es ist schr Schade, dafs in der von einem Seemann gegebenen Notiz vom Amerikanischen Walfischfang bei den Bermuden (Philos. Transact. N.1. p- 11.) die Beschreibung des Walfisches so kurz ist; nach den Verhältnissen der Brustflosse von 26 Fufs zu der Länge des ganzen Körpers von 88 Fufs, und dem gefurchten Bauch, möchte es sonst wohl /ongimana sein; der Ver- fasser spricht auch von Beulen (dumps) an beiden Seiten des Kopfes, welches zu der B. boops wohl passen würde, die, wie ich oben bemerkte, wahr- scheinlich mit jener identisch ist; doch läfst sich nichts mit Bestimmtheit darüber ausmachen. Eben so will ich noch zum Schlufs bemerken, dafr ich, bis vielleicht Cuvier etwas Näheres darüber angiebt, es nicht bestimmt anzunehmen wage, dafs der Brüsselsche Walfisch mit 2. rostrata dasselbe Thier sei. So wenig ich Dubar’s Abhandlung missen möchte, so mufs ich doch gestehen, dafs die von ihm gegebenen Figuren gröfstentheils, besonders die des Kopfes aber und des Unterkiefers, ganz unbrauchbar sind, und sich auf 2. rostrata nicht wohl deuten lassen. Erklärung der Abbildungen. Tafel 1. Fig. 1. Skelett der B. longimana von der Seite. Fig. 2. Oberer Theil des Brusigewölbes von oben und vorne, besonders um die Verbindung des Brustbeins mit der ersten Rippe und die Lage des, wie es scheint, nicht vorzüglich abgebildeten Schulter- blatts darzustellen. a. Der Atlas, dessen Queerfortsatz keinen Kanal hat, sondern hinter demselben nur ein Loch statt findet. 2. Der Epistrophäus, dessen Loch in den Queerfortsätzen nicht ganz geschlossen ist, doch 444 Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig!:4: Fig. 2. Fig. 3. Fig. 1. Fig. 2. Fise. 3. Rupourpmı über Balaena longimana. mehr als in den folgenden, wo nur ein Theil der Wurzeln des Queerfortsatzes vorhanden ist. C. Das Brustbein. D.D. Die Schulterblätter. Sechstes Lendenwirbelbein von vorne. Die Zungenbeine. Die Beckenknochen. Tafel 2. Schedel der 3. longimana von oben, dem das rechte Schläfenbein und das Hinterhauptsbein fehlt. Der linke Unterkieferknochen. Das linke Schläfenbein von hinten. Tafel 3. Der Schedel von unten. Tafel 4. Linker Beckenknochen in natürlicher Gröfse von aufsen. 4. vor- deres, B. hinteres Ende. C. oberer, D. unterer Rand. Tafel 5. Der Walfisch selbst von der linken Seite, im Umrifs nach Müller'’s Zeichnung und Tepe’s Steindruck um die Hälfte verkleinert. 4. Der Nabel. 2. die Ruthe. C. der After. Eine Barte, , der natürlichen Gröfse. Die Schwanzflosse von unten. — U Lp.1. | ZE: A 2 7} G £ . Frypkeal‘ - #L: 1820. Ir Mosa. . Haudefptes . hund ler de Kbrukeres da YpBECLLI. | If N N N N N Nun ER. RER SE w UL FE FF \ 877, ga mu BA TREE en: Sbudolahr uber Ay PA VE2G Tatwene lengemana f [I and 4 x #. , | d “ . ’ $ ’ = 5 > - } r \ P . 5 : ö y i * . ' a 5 4 ‘ x > j . a i * - ‘ _ E e j j » _ . R “ hi eg \ & 5 . . © 2 . B ” . 4 j P f £ | g 3 Su . 2. PER Pr . u 2 u . > nn 0 een" ‚ IP VERDU 77 / 97 DEEI/ PL, Ay vameurbın] RAT AG BG vopry 4 ah W ’ GEHEGGE: ee GE ZIP M JPY 72 PP NT: LLILIET, 20 U . RR YPGRY . 2 12 FR OF ZE ZA a a: . . ( £ Ar as A- L (Zdt r Mn En En En en munsn 5 wong os Pils BT, y .. ’ . “ u " u: ’ Zr ö 5 Y D I% " “ —— , 7 r uni ö er 5 Ei . \ 1 ' 5 ö a i u Abhandlungen der mathematischen Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. una... Aus dem Jahre 1829. .n.nana nano Berlin. Gedruckt in der Druckerei der Königl. Akademie der Wissenschaften. 1832. sell “ Far a las) TE a Em\n j i wis | ö . euren re ee X . ’ Hrn Fr ar Breiter z, ae ech Bun i . ’ oo Kiue; \ u ebeun ABS nenn nn wre P- ” Bu ; . Kayalı j j rn = r 4 . Fr l 4 Pu = u 5 5 . ö 2 ro halte en CrELLE: Beweis, dals die numerischen Werthe der Wurzeln algebraischer Glei- chungen immer durch p+g y—1 ausgedrückt werden können, wenn p und q reelle Grölsen bezeichnen ........... ee Derselbe: Einiges zur Theorie der Beienzen ..... 2.22... 002020000 FıscuEer: Versuch einer logischen Analyse von dem Begriff des Unendlichkleinen . . POSELGER über Aristoteles Mechanische Probleme .......... EN EB 5 EncKE über den Cometen von Pons (Erste Abhandlung) . . 2... 2.22.2000. Derselbe über die geographische Länge und Breite der Berliner Sternwarte . . . . DirksENn über die Summe einer nach den Sinussen und Cosinussen der Vielfachen eines Winkels fortschreitenden Reihe... .. 2. 22.222220. ———— nn mm Seite 1 - 43 ri) = 97. D r ni N nn DE . « \ . r» 5 ur \ . & u N » u . D . Mer BE ö s Bi r . 6 ö u er nn el ze ET . u . TE Per m a Kram a er N DET Ore Pe are $ u - Beweis, dals die numerischen Werthe der Wurzeln algebraischer Gleichungen immer durch p+g V—1 ausgedrückt werden können, wenn p und g reelle Gröfsen bezeichnen. # Von H”: 'CRELLE. ann [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 5. März 1829.] D giebt mehrere Beweise dieses Satzes, z. B. von D’Alembert, Euler, Foncenex, Lagrange, Gaufs, Cauchy und Anderen; allein es scheint, dafs sie noch mehr oder weniger zu wünschen übrig lassen, sei es in Rück- sicht der Strenge, oder in Rücksicht der Einfachheit, der innern Nothwen- digkeit ihrer Construction u. s.w. Gaufs z.B. hat ausführlich nachgewiesen, dafs die Beweise von D’Alembert, Euler, Foncenex und Lagrange in der That unzulänglich sind. Es ist nicht zu verwundern, dafs die Geometer sich so häufig und so angelegentlich, zugleich aber auch so oft ohne Erfolg mit diesem Gegenstande beschäftigt haben; denn einestheils ist es sehr na- türlich, dafs man von einer Sache wenigstens etwas zu wissen wünsche, wor- über man im Allgemeinen noch so sehr im Dunkeln ist; anderntheils können sehr leicht Versuche über einen so schwierigen Gegenstand fehlschlagen. Es ist wohl in der That viel gewagt, von den numerischen Werthen der Wurzeln algebraischer Gleichungen etwas sagen zu wollen, so lange es noch durchaus unbekannt ist, wie die Wurzeln höherer Gleichungen als vom vierten Grade, von den Coefficienten abhängen. Eben aber weil die voll- ständige Kenntnifs der Natur des Gegenstan«..s nach durchaus fehlt, ist es auch inter“ u versuchen, wenigstens | ‚enige davon zu ergründen, was gefunden , ‘en zu können scheint. Die Erneuerung eines solchen Versuchs wird d. ıcr zu entschuldigen sein. Zuweilen iindet man die Untersuchung der numerischen Form der Wurzeln höherer Gleichungen mit der Frage begonnen: ob es überhaupt Mathemat. Klasse 1329. A 2 COrszuue: über die Form der numerischen Werthe immer nothwendig zunächst Eine Wurzel einer bestimmten Gleichung gebe, woraus dann, im Bejahungs -Falle, leicht weiter gefolgert werden kann, dafs deren so viele sein müssen, als der Exponent der höchsten Potenz der Un- bekannten, die nur in Potenzen mit ganzzahligen Exponenten vorkommend vorausgesetzt wird, Einheiten hat. Schon der Ausdruck dieser Frage scheint aber nicht ganz genau, und die Frage selbst nicht ganz klar. Ob es nemlich immer eine reelle oder durch existirende Gröfsen darstellbare Wurzel gebe, kann nicht die Meinung sein ; denn schon die Gleichung &°-+ 1 = 0 hat eine solche Wurzel nicht. Ob eine Wurzel immer aus den gegebenen Coefh- cienten gefunden werden könne, wäre eine wesentlich andere Frage. Ob endlich eine Wurzel durch Zeichen sich darstellen lasse, kann nicht zweifel- haft sein; denn durch Zeichen wird die Wurzel eigentlich schon ausgedrückt, wenn man dafür & oder irgend einen andern Buchstaben schreibt: die Ab- hängigkeit des x aber von den Co£fficienten, die nothwendig statt finden mufs, weil mit x zugleich auch die Coefficienten sich verändern müssen, wenn die Gleichung bestehen soll, drückt unentwickelt die Gleichung selbst aus. Will man sie entwickelt ausdrücken, so kann man dafür ein beliebiges Zeichen setzen, z.B. x=f(a, b, c....), woa, b, c.... die Coefficienten sind. Z. B. die Gleichung &’+ 1 = 0 selbst, drückt schon unentwickelt die Abhängigkeit des unbekannten x von dem gegebenen ı aus. Entwickelt diese Abhängigkeit auszudrücken schreibt man willkührlich e=V—1ı. Die Frage scheint also, streng genommen, gar nicht Statt zu finden. Sie bleibe indesseu dahin gestellt, und es werde, statt sie weiter zu untersuchen, an- gezeigt, worauf es hier ankommen soll. Alle Rechnungszeichen, Buchstaben, und selbst Zahlen, ganze, ge- brochene, irrationale u. s. w. drücken nicht unmittelbar, sondern nur mit- telbar Gröfsen aus, nemlich vermittelst Operationen, die sich auf Gröfsen beziehen. Die Gröfsen sind die Einheiten der Aufgabe; die Buchstaben und Zahlen bezeichnen die Operationen. Wenn nun die algebraische Gleichung 2 1. &@+a,a"""+a,&X" "9. ....+4_0 ra =0 gegeben ist, wo die Coefficienten a, a,.....a, reell, oder durch existirende Gröfsen darstellbar sind, und » eine ganze Zahl ist: so bezeichnet der Buch- stab x diejenigen Operationen, durch welche, wenn sie bekannt wären, sein Werth, entweder in Buchstaben, das heifst, allgemein, für beliebige Zah- der Wurzeln algebraischer Gleichungen. 3 lenwerthe der Coefficienten, oder in Zahlen, für bestimmte Zahlenwerthe derselben, würde gefunden werden. Diese Operationen konnten bekannt- lich allgemein, oder in Buchstaben, für höhere Gleichungen als vom vierten Grade, bis jetzt nicht gefunden werden. Welche sie aber auch sein mögen, so ist doch klar, dafs, wenn man den Coäffieienten bestimmte Zahlenwerthe beilegt, das Resultat der Operationen zuletzt Zahlen sein werden. Dafs es nicht immer reelle Zahlen sein können, ist, wie vorhin bemerkt, bekannt. Es frägt sich also, ob die in dem Resultat etwa noch übrig bleibenden Ope- rationen, die nicht weiter ausführbar sind, weil sie nicht mehr auf darstell- bare Gröfsen sich beziehen, fremder, und vielleicht noch unbekannter Art sind, oder ob sie sich immer, nächst denen, die reelle Gröfsen geben, blofs nur noch auf diejenige Operation redueiren, die, der einfachen Gleichung &°”+1= 0 zugehörig, willkührlich durch Y— ı ausgedrückt wird, das heifst, kürzer: ob die unbekannten Zahlenwerthe der Wurzeln jeder Gleichung, immer, in allen Fällen, durch » +9 V— ı ausgedrückt werden können, wo p und g reelle, ganze, gebrochene, oder irrationale Zahlen u. s. w. bezeichnen, also nach den Umständen eine von ihnen auch die Null. Es wird also dar- auf ankommen, ob ein Zahlenwerth von der Form +9 V— 1, in die obige Gleichung statt x gesetzt, derselben allemal ein Genüge thue, welche auch die Coefficienten a,, a,....a, sein mögen, wenn sie nur reell sind; und die- ses soll untersucht werden. Wenn die Ordnungszahl z der Gleichung ungerade ist, so hat be- kanntlich die Gleichung immer wenigstens Eine reelle Wurzel. Wenn fer- ner die Ordnungszahl z gerade, und ihr letzter Co£fficient a, negativ ist, so hat die Gleichung wenigstens Zwei reelle Wurzeln. In diesen beiden Fällen ist also die numerische Form einer der Wurzeln nicht zweifelhaft, und die Aufgabe beantwortet sich für diese Fälle von selbst. Es bleibt da- her nur der Fall, wenn die Ordnungszahl z gerade, und der letzte Goefhi- cient a, positiv ist. Nur dieser Fall ist zu untersuchen. Es frägt sich daher, ob ein numerischer Werth einer der Wurzeln von der Form p-+9gV— ı, oder wenn man der Kürze wegen i statt V— 1 schreibt, von der Form p-+-gi, in allen Fällen, einer Gleichung, deren Exponent eine gerade Zahl, und deren letzter Coefficient positiv ist, ein Genüge thue. A2 4 CrELLE: über die Form der numerischen Werthe Man setze y=rcos® und g=rsin®d, wo r sowohl als cos $ und sin & reell sein sollen, welches geschehen kann, weil z cos ® und rsin $ für einerlei und & beliebige reelle Gröfsen ausdrücken können. Man setze also: 2. @=r(cos$-+isind). Da (cos $+’sind) —=cosnP +isinnd ist, so verwandelt sich die gegebene Gleichung (1), wenn man in derselben dem unbekannten x den vorausgesetzten Werth giebt, in 3. rcosnd + a,r""'cos (n—1) B + a,r" "cos (n—2) P:«.... ee en. , +i(r" sin nd + a,r"”' sin (na—1) + a,r"”* sin (n—2) ®....+ a,_,rsind)=0 Diese Gleichung zerfällt nothwendig, weil Reelles nicht Imaginairem gleich sein kann, in folgende zwei: 4. r cosnd + a,r""'cos(n—1) dB +a,r"””cos(n—2) P.....:+a,=0, und (nachdem mit ir dividirt worden), 5. ""sinnd-+ta,r” sin (n—1) d.....+4,_,sngo=0. Kann nun diesen beiden Gleichungen durch ein- und dieselben reellen Werthe von r und cos $ und sin & genug gethan werden, so werden diese nemlichen reellen Werthe auch der Gleichung (3), woraus (4 und 5) entstanden sind, und folglich der gegebenen Gleichung (1) genug thun, und folglich wird x nothwendig die numerische Form r (cos +isin $) haben, wo r und cos®& und sin & reell sind. Man dividire die Gleichung (4) mit coszg, und die Gleichung (5) mit sind, so erhält man: Fr. cos (n—1) $ PR cos (n—2) ar Billing ; cosnd : cosnp a. 00 ar 7, gt sin (rn —i) ar sin (n— 2) d ar? sin d Ks " sin np E sin np . 7 sinnd "177° Die Ordnungszahl z — ı der zweiten Gleichung (7), nach r genom- men, ist ungerade, weil z gerade vorausgesetzt wurde. Also giebt es für Jedes beliebige reelle sin $ wenigstens Einen reellen Werth von r, der dieser Gleichung genug thut. Die Ordnungszahl 2 der ersten Gleichung (6), ebenfalls nach r genommen, ist gerade. Also giebt es nur dann noth- der Wurzeln algebraischer Gleichungen. 5 wendig reelle Werthe von r, die dieser Gleichung genug thun; wenn der Coeffieient er negativ ist. Dieses ist der Fall, wenn cos 2 ® negativ ist, denn a, ist positiv vorausgesetzt worden. cos nd aber ist immer negativ, wenn 26 zwischen (2m + >) und (2m +) liegt, wo m eine beliebige ganze Zahl bedeutet. Also thun auch der Gleichung (6) nothwendig reelle r ein Genüge, wenn 2 zwischen den benannten Grenzen liegt. Wenn man nun in der zweiten Gleichung (7) & stetig sich verändern läfst, so wird auch das der Gleichung entsprechende r nothwendig stetig sich verändern, denn es giebt kein ®, welchem nicht ein reelles r entspräche. Das Nemliche wird in der ersten Gleichung (6) Statt finden, jedoch nur in- nerhalb der Grenzen (2m +) und (2m +)? für nd. Nun ist offenbar in der zweiten Gleichung (7) r—=x, wenn sin n® —=0, also na$ = mr ist, und nur dann; denn alsdann sind alle Glieder, bis auf das erste r" =", unendlich grofs, und folglich mufs auch dieses, und mit- hin selbst unendlich grofs sein. Für alle anderen $ ist » nicht unendlich grofs, sondern endlich, und wie vorhin bemerkt, reell. In der ersten Glei- chung (6) hingegen ist aus ähnlichen Gründen r=x, wenn cosnd—=0, also np = (2m +;z)r oder = (2m +) 7 ist, und nur dann. Für alle andere $ von (2m-+--) m bis (2m +) 7 ist r nicht unendlich grofs, sondern endlich, und wie oben bemerkt, reell. Es ist aber r in den beiden Gleichungen nicht für die nemlichen & unendlich, vielmehr sind die reellen r der einen Gleichung endlich, wenn die der andern, für die nemlichen #, unendlich sind; denn in der zweiten Gleichung ist z unendlich, wenn Se LU eu on, hingegen in der ersten Gleichung ist r unendlich, wenn Green ET Te und zwar ist in dieser r reell von 10. np =+rbis4d ist. Also sind im ersten Falle r und & beide imaginair, im zweiten Falle ist r reell, aber cos$>1, und folglich $ imaginair. In den Fällen also, wenn die gegebene Gleichung reelle Wurzeln hat, findet die Voraussetzung e—=p tig oder der Wurzeln algebraischer Gleichungen. 7 x=r(cos$ &isind) mit reellen p und g oder r und & nicht Statt; macht man sie dennoch, so fällt die Theilung der Gleichung in einen reellen und einen imaginairen Theil, und folglich der ganze übrige Beweis weg. Dieses ist wie gehörig, denn die Frage kann nur sein, welche Form der numerische Ausdruck der Wurzeln dann haben könne, wenn dieselben nicht reell sind. Dieses wird bei der Untersuchung vorausgesetzt. Es wird nicht uninteressant sein, den Beweis auch noch auf eine an- dere Art, nemlich unmittelbar für die Voraussetzung 2 —=p-+-gi zu geben, ohne, wie oben, x durch trigonometrische Linien auszudrücken. Man setze für den numerischen Werth von «x: 11. z=p+giundg=mp, alo e=p(1+mi), wo p und g, also auch » und m reell sind. Dadurch verwandelt sich die Gleichung (1) in 12. pP (i+mi) + a,p (( + mi) +a,p” (1+mi)°....+a,=0, und es ist leicht zu sehen, dafs die reellen und die imaginairen Theile, in welche diese Gleichung, wenn p und g reell sein sollen, nothwendig zer- fällt, folgende zwei Gleichungen geben: 13. pP’ (a+mi” +(—mi)) + a,p'"" (a+ mi)" + (1— mi)'”') + a,p'"”” (a + mi)” + (1 — mi)" ”?) . rer Tr 07T Tree 14. pP (a+mi)” — ((—mi)‘) + a,p'"" (a + mi)" — (1 — mi)'”') + a,p"” (a + mi)? — (1 — mi)’ ””) +4a4_.,p.mi= 0. In der ersten Gleichung heben sich alle Glieder mit z auf; in der zwei- ten haben alle Glieder pmi zum Factor, und können also damit dividirt werden. Beide Gleichungen enthalten also nur reell vorausgesetzte Gröfsen. Ist es nun möglich, den beiden Gleichungen durch ein- und dieselben reellen 8 ÜUrELLE: über die Form der numerischen Werthe p und m ein Genüge zu thun, so findet die Voraussetzung x&=p(1+ mi) oder =p-+-gi wirklich statt. Da die zweite Gleichung (14) mit p dividirt werden kein so steigt darin p nur noch auf die Bar n— 1, und folglich ist ihre Ordnungszahl, weil z gerade vorausgesetzt wird, ungerade. Daher hat die zweite Glei- chung, für jeden beliebigen reellen Werth von m, wenigstens Eine reelle Wurzel p. Diese ia wird endlich sein, wenn der Co£fficient des ersten Gliedes (1 + mi)’— (1 — mi)" nicht Null ist, aber unendlich, wenn dieser Coeffieient verschwindet; denn wenn man die Gleichung mit dem Coefh- cienten des ersten Gliedes dividirt sich vorstellt, so werden, wenn derselbe Null ist, alle Glieder, bis auf das erste, unendlich grofs, und folglich mufs dann p unendlich sein. In der ersten Gleichung (13), nachdem sie mit dem Coöffieienten (1 + mi)"+ (1 — mi)" dividirt Er steigt p auf die Potenz z, welche gerade vorausgesetzt wird. Diese Gleichung hat also nur dann nothwendig reelle Wurzeln, wenn das letzte Glied ohne p, nemlich An (1 + mi)" + (1 — mi)" negativ ist, das heifst, weil a, positiv vorausgesetzt wurde, wenn (1-+ mi)" + (1 — mi)" negativ ist. Die Wurzeln der Gleichung, nemlich die reellen Werthe von p, welche ihr genug thun, werden dann für jedes beliebige m, für welches (1-+ mi)’-+ (1 — mi)" negativ, aber nicht Null ist, endlich sein, hingegen unendlich grofs, wenn (1-+ mi)’-++ (1 — mi)” gleich Null ist. Um zu finden, ob es unendliche Werthe von p in den beiden Gleichuugen für reelle m gebe, wird es darauf ankommen, zu sehen, ob die Gröfsen E (1-+ mi)’ + ((— mi)" und n + mi)" — (1— mi)" für reelle m Null sein können. Setzt man sie gleich Null, so erhält man: m ((+mi) = — (1—mi)' und De = + (1— mi). Aber die Gröfsen 1-+ mi und 1 — mi können, als die z'® Wurzeln der Gröfsen (1 + mi)’ und (1 — mi)", die, positiv und negativ genommen, gleich sein sollen, z verschiedene Werthe haben, welche ausgedrückt werden, der Wurzeln algebraischer Gleichungen. 9 1 1 wenn man (1-F mi). (+ 1)” und (1 — mi).)+ ı)* statt 1+ mi und 1— mi schreibt. Also ist vollständig: 7 (A +mi) (+ 17)" = (1 — mi) (— 1)*)" und (d+mi) (+ 1)°)" = (Ami) #ı)”)', und hieraus: 48 ((+mi) (+ Ad = (1— mi) (— 1,7 und (+ mi) (+ ı)r = (1— mi) (+ )”. Es ist aber 1. ker Ge (cos -+isin —), also lassen sich auch die Gleichungen (18) wie folgt schreiben: . l. + mi) (+ D = (1— mi) (+ m (cos = sin =) und (1+ mi) +1)" = (1—mi) (+1)°. Nun können die verschiedenen z'® Wurzeln von + ı nach Belieben verwechselt werden. Also ist kürzer: ! = | + mi= ((—mi) (+ 1)" (cos — tisin =) und 21, n n 1 + mi= (1—mi) (+1)’, oder auch, vermöge (19): 1 en | + mi = (i—mi) (— 1)" und 1 i+ mi= ((—mi) (+ 1)’. Hieraus folgt = 21 2u +1 24. Zr= N n wo u eine beliebige ganze Zahl bedeutet, so ist: Mathemat. Klasse 1829. 10 Creuue: über die Form der numerischen IWerthe 1 (+1)"—= cos «Kkisin« und (—1)= cosAHtisinA‘, 25. also in (23): n: ie (1+cosAtisind) = cosAtisin‘ — ı und mi (1+cos#z&tisinx) = cos» tisin# — 1. Aber z.B. cosA+1=2c0os+R und csA—1=—2sin 4X 2 | sna=2sinZ—Acos—A, also in (26): Rn Da nen he —Acos—A Ami (2 cos4»’Heisin4xcos- x) in-r’Hkz2isin-xcos—x, und hieraus: : sn xzzcosı A‘ mi — tang. 1. —2O# 2 und 29 cos$Atisin#i% . : / sin4zzicos+x mi = — tang — # - i csz»tisinzx Man multiplieire z. B. die erste dieser beiden Gleichungen mit i, so findet man folgende beide: isin4i + cost‘ m= — tang — A —— = — tang. — A und 30 j = cos+rA+isin#r > " sn A cos m= — tane A = - = ange 2 cs411—isintR + 88 n i ie zwei ichung (29): Eben so giebt die zweite Gleichung (29 m—=—tang 4x und m= -+ tang — x. Also ist aus (29): sy fe + tang. A und m = &.tang. — % das heifst, vermöge (24): 24 1 m = E tang. en . z und zn 32: 1a m = T tang. ei wo u eine beliebige ganze Zahl ist. der Wurzeln algebraischer Gleichungen. 5 44 Diese verschiedenen Werthe von m, rn an der Zahl in jeder Glei- chung, sind, wie man sieht, sämmtlich reell. Also können wirklich die Gröfsen (14 mi)’ + (1 — mi)" und (+ mi)" — (1 — mi)’ (15), für 2 ver- schiedene reelle Werthe von z, gleich Null sein; mithin kann für eben so viele Werthe von m die Gröfse p in den Gleichungen (13 und 14) unend- lich grofs sein. Im Vorbeigehen bemerkt, folgt aus dieser Untersuchung der Gröfsen (16), dafs die Gleichungen = [! + n,m® + n,m’ — n,m°.....*m’=o und Ri nm Pre nı —l, m—1 die man erhält, wenn man die Gröfsen (16) entwickelt und die Binomial- Coöfficienten für den Exponenten 2 durch z,, r,, 7,.... bezeichnet, für jedes beliebige » lauter reelle Wurzeln haben. Daraus nun, dafs die Gleichungen 24 (1+ mi) + (i—mi) = 0 und j a — ((—m) = 0, wie sich zeigte, lauter reelle, und zufolge (32), von einander verschiedene Wurzeln haben, folgt, dafs die Gröfsen linker Hand in diesen Gleichungen für beliebige m, eben sowohl positiv als negativ sein können; denn könnten sie blofs positiv, oder blofs negativ sein, so müfste die Gleichung (34) gleiche Wurzeln haben, welches vermöge (32) nicht der Fall ist. Die Gröfse (1 + mi)" + (1— mi)" kann also für reelle m auch nega- tiv sein, und folglich mufs auch die Gleichung (13) nothwendig reelle Werthe von p haben, die abwechselnd von dem Unendlichen in das End- liche übergehen, und wieder ins Unendliche wachsen; eben wie die Glei- chung (14). Nun aber finden die unendlichen Werthe von p in den beiden Glei- chungen (13 und 14) nicht für dienemlichen Werthe von m Statt; denn vermöge (32) sind die Gröfsen (15) nicht für die nemlichen Werthe von m gleich Null. Also sind die reellen Werthe von p, welche der Gleichung (13) genug thun, endlich, wenn diejenigen, welche der Gleichung (14) entsprechen, B2 12 Creuue: über die Form der numerischen Werthe u. s.w. unendlich sind, und umgekehrt. Die stetig fortschreitenden reellen Wer- the von p, für einerlei Werthe von m, sind also bald gröfser bald kleiner, in der einen Gleichung, als in der anderen. Folglich muls es für einerlei Werthe von m nothwendig Werthe von » geben, die beiden Gleichungen, (13 und 14), zugleich genug thun. Und folglich können beide Gleichungen, (13 und 14), durch ein- und dieselben reellen Werthe von p und m, und folglich von p und g, erfüllt werden. Mithin drückt p+9gV— ı immer die numerischen Werthe jeder nicht reellen Wurzel einer beliebigen algebrai- schen Gleichung aus; was zu beweisen war. Einiges zur Theorie der Potenzen. Von H”- CRELLE. mann VUVUVn [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 30. April 1829.] D. gegenwärtige Vortrag wird einige einzelne Bemerkungen zur Theorie der Potenzen enthalten. Die gesammte Theorie, mit Allem was damit zu- sammenhängt, würde zu weitläuftig sein. Das gewöhnliche Verfahren mit den Potenzen: von dem Falle posi- tiver ganzzahliger Exponenten, in welchem allein die Potenzen Producte gleicher Factoren sind, durch den Fall gebrochener Exponenten hindurch, der, als der reciproke betrachtet, noch auf jenen gebracht werden kann, zu dem Fall irrationaler und transcendenter, und sodann zu dem Fall ima- ginairer Exponenten fortzuschreiten, wo die Rechnungszeichen keine existi- rende Gröfsen mehr, sondern nur noch blofse Rechnungsformen bedeuten, hat, wie man es auch einrichten mag, grofse Schwierigkeiten, und redu- cirt sich am Ende immer mehr oder weniger auf eine Art von Induction. Es ist im Grunde nichts anderes, als eine Art von Fortschreiten vom Be- sondern zum Allgemeinen, und es mangelt ihm also die Strenge. Das End- resultat sind aber immer nur die allgemeinen Eigenschaften der Potenzen; und da man dieselben im voraus kennt, so kann man durch die gewöhnliche Methode leicht verleitet werden, blofse Überredung für Überzeugung zu nehmen. Es giebt bekanntlich mehrere solche Fälle in der Analysis. Die Theorie der goniometrischen Functionen z. B. läfst sich scheinbar ganz leicht begründen; der Taylorsche Satz, der Satz von der numerischen Form der Wurzeln algebraischer Gleichungen u. s. w. sind Beispiele davon. Die man- cherlei Beweise dieser Gegenstände, die mehr oder weniger immer zugleich beweisen, dafs die vorhergehenden Beweise unzulänglich waren, geben zu erkennen, dafs die Begründungen, die für strenge genommen wurden, nur 14 GCRELLE: mehr scheinbar als wirklich waren; wie es bei Sätzen, die gleichsam eine positive Existenz haben, wirklich leicht geschehen kann. Euler hat in dem berühmten Abschnitte von den inexplicabeln Functionen wichtige Sätze auf- gestellt, die gewifs richtig sind: allein seinen Beweisen mangelt augenschein- lich die Strenge. Euler sah gleichsam nur im Geiste voraus, was vielleicht erst späterhin zur Anschauung gelangen wird. Um nun bei einem so wichtigen, noch am Eingange der Analysis ste- henden Gegenstande, wie die Potenzen, zu vermeiden, dafs die Deduction der Sätze an Strenge den Sätzen selbst nicht unangemessen sei, welches um so weniger gut sein würde, da die Mathematik nie in einem blofs positiven Wissen bestehen darf, sondern die consequente Begründung ihrer Sätze wenigstens eben so wichtig ist als es die Sätze selbst sind, scheint es, dafs man hier, wie auch wohl noch bei andern Gegenständen der Analysis, noth- wendig das gewöhnliche Verfahren umkehren müsse, nemlich keinesweges vom Besondern zum Allgemeinen fortschreiten dürfe, sondern vielmehr die allgemeinen Eigenschaften voraussetzen, und nachweisen müsse, dafs die besondern Fälle den Voraussetzungen entsprechen. In meinen früheren analytischen Versuchen habe ich die Theorie der Potenzen, nebst der ähnlichen Theorie der Facultäten, und zwar, so viel mir bekannt, wenigstens was die Facultäten betrifft, auf diese Weise zu- erst vorgetragen, und hege, nachdem ich den Gegenstand und andere Ver- fahren wiederholt sorgfältig erwogen, immer noch die Überzeugung, dafs auch hier, wie meistens in der Analysis, nur auf dem Wege vom Allgemei- nen zum Besondern, Täuschung und Überredung möglichst vermieden wer- den könne, und dafs nur auf solchem Wege zu demjenigen Grade der Evi- denz und Überzeugung zu gelangen sei, deren überhaupt Erkenntnisse dieser Art, bei der Unvollkommenheit des über die Grenzen des Endlichen nicht hinausreichenden Erkenntnifs-Vermögens, fähig sind. Die Auseinander- setzungen, welche ich zu Gunsten dieser Ansicht zu geben versuchte, sind ohne Zweifel noch sehr unvollkommen, und ich werde mich gelegentlich ferner bemühen, die Nothwendigkeit des eingeschlagenen Weges stärker zu begründen; es wird indessen wohl, wenn die Ansicht erst allgemeiner be- rücksichtigt und mehr besprochen sein wird, sie selbst mehr für sich thun, als wiederholte Auseinandersetzungen. Einiges zur Theorie der Potenzen. 15 Da indessen bei meinem früheren Vortrage manches Einzelne nicht allein noch viel Einfacher und klarer sein kann, sondern auch zum Theil unvollständig geblieben ist; so kommt es zunächst darauf an, nachzuholen und zu verbessern, was nöthig scheint; und hiervon sollen die gegenwärtigen Bemerkungen einige Puncte berühren. I. Entwicklung der Grundzüge der Theorie der Potenzen, mit Rücksicht auf die Vielfachheit der Wurzeln. Die allgemeinen Eigenschaften derjenigen Rechnungsformen oder Functionen, welchen man den Namen Potenzen giebt, und welche man auch auf dem Wege vom Besondern zum Allgemeinen findet, werden durch die beiden Gleichungen er z+k | Q = B [e® x . ada.d 2» (a’ yr a’ r bei welchen blofs der Begriff der Multiplication vorausgesetzt wird, der früher zu begründen ist, ausgedrückt. Die Zeichen a’, a* etc. bedeuten nicht immer nothwendig wirkliche Gröfsen, sondern im Allgemeinen nur Rechnungsformen, die sich nach den Umständen auf existirende Gröfsen be- ziehen können. Z.B. schon wenn = — ı und z=-- ist, drückt a” oder (— 1)? bekanntlich durchaus keine wirkliche Gröfse mehr, sondern nur eine Rechnungsform aus. Man kann sagen: Gröfsen wie a”, und a’ etc., welche den durch die Gleichungen (1 und 2) ausgedrückten Rechnungsgesetzen un- terworfen sind, sollen Potenzen heifsen. Bei der Entwicklung dessen, was aus den Voraussetzungen (1 und 2) folgt, habe ich nun früher zunächst die Berücksichtigung der Vielfachheit der Wurzeln, das heifst der Vielfachheit der Werthe oder Bedeutungen von Zeichen wie a” bei Seite gesetzt, und will nachholen, was dafür aus den Voraussetzungen folgt. Ob die Zeichen a* und a‘ etc. mehrere Bedeutungen oder Werthe haben, mufs sich an dem zeigen, was ihre vorausgesetzten Verbindungen ergeben. Finden sich dabei, oder sonst Widersprüche, so wird folgen, dafs die Voraussetzungen nicht bestehen können. Finden sich keine Widersprüche, so müssen die Voraussetzungen für jeden Werth gleichmäfsig gelten. 16 CRELULE: Setzt man in der Gleichung (1) A=0, so giebt sie a’. a’—=.a”; und da nach der Theorie der Multiplication ein Ausdruck mit ı, und nur 1, multiplieirt, sich selbst gleich ist, so ist nothwendig: 3. a1. Setzt man ferner in der Gleichung (2) @=ı und A= 1, so findet man (a')'=a'; also, wenn man a' durch 2 bezeichnet, 2'=2, folglich auch: 4am=a. Setzt man in (1) A=— x, so erhält man a’.a” —=.a°, und weil a’ =1ı war (3), a’.a”=1, mithin nach der Theorie der Multiplication: desgleichen, weil z.B. a‘. k _— a 1 ZE a ; k 1 Setzt man a’=z, so ist zufolge (2) a” =z*, und wennk= I, a . n pe IN s ;‚ also, weil a'’=a (4): 4. = Tea wenn a) 2, desgleichen, wenn man z. B. z° für z schreibt, vermöge (2): k 8. d= 2, wen dr. Wenn a’=z, so ist vermöge (2): k xk k keık ra —H 8 — ‚ und vermöge (1): ad. 2 — a ae a Ferner ist vermöge (1) az, oder a.a”, oder a'.a” (4) =a**', also (az)‘ — (a**')‘, und vermöge (2) (az2)' —=.a*“*". Es war aber vorhin auch a‘. z* k(&+1) le : —— also ist: j I, la2) —a.2; Die Gleichungen (3 bis 9) drücken die bekannten Eigenschaften der Potenzen aus, und man sieht, dafs sie ohne alle weitere Hülfsbegriffe, unmittelbar aus den vorausgesetzten Grundgleichungen (1 und 2) folgen. Setzt man in der Gleichung (1) x—=1 und A=1, so giebt diese Glei- chung, weil vermöge (4) a'=aist, a.a=a°; also auch, wenn man x=2 Einiges zur Theorie der Potenzen. 7 setzt, a’. a'= oder a’. a=a’ u.s.w., woraus folgt, dafs eine Potenz, wenn der Exponent eine ganze Zahl ist, nichts anders ist als ein Producı gleicher Factoren. Nimmt man in (8) für x und A ganze Zahlen, so dafs £ eine ge- brochene Zahl, und a= == die Zte Wurzel von z vorstellt, so folgt aus (5), dafs die Wurzel nichts anders als diejenige Gröfse ist, welche, x mal mit sich selbst multiplieirt z, A mal mit sich selbst multiplieirt, giebt. Ist aber der Exponent einer Potenz weder eine ganze noch eine ge- brochene Zahl, so ist sie niemals durch Producte gleicher Factoren dar- stellbar. Setzt man in der Gleichung (2) statt k, so gieht dieselbe ()t— a (+2) —a'**. Dieses folgt aus der Gleichung (2) allein. Nach der Gleichung (1) aber ist (a) +7 —(a')'. (a*)*, welches nach (2) so viel ist als a’. a, und dieses ist nach (1) so viel als a'*". Also geben die Glei- chungen (1 und 2) verbunden das nemliche wie (2) allein; mithin kön- nen sie für jeden beliebigen Exponenten mit einander bestehen, und wi- dersprechen sich nie; wodurch also die Co@xistenz der vorausgeseltzten Grundgesetze gerechtfertigt wird. Die Gleichungen (3, 4, 5 und 6) werden aus den Grundgleichungen (1 und 2) durch blofse Verwandlung gefunden. Die Gleichungen (7, 8 und 9) hingegen werden gefunden, indem man a’=z setzt, und hierbei kommt in Betracht, dafs a* mehr als einen Werth haben kann, was in der That der Fall sein kann; denn wenn z.B. x—=— und n eine ganze Zahl ist, so hat a’, wie sich aufserdem zeigen läfst, z verschiedene Werthe. Wenn nun a” auf solche Weise wirklich mehrere verschiedene Werthe hat, so wird offenbar für jeden dieser Werthe gelten, was die Gleichungen (7, S und 9) ausdrücken. Aus der Gleichung (9) folgt für diese verschie- denen Werthe Nachstehendes. Gesetzt nemlich, a und z haben in derselben nur Einen Werth, «‘ aber z verschiedene Werthe, wo z nur von dem Exponenten A abhängen kann: so wird auch 3°, n verschiedene Werthe haben, desgleichen (a 2)‘. Da aber nun in der Gleichung (9) a“ mit 3° multiplieirt werden soll, so wür- den sich in dem Producte die z Werthe von a“ mit den » Werthen von =’ combiniren, und das Product würde also zn” verschiedene Werthe haben, während die ihm gleiche Potenz (a2)' nur r verschiedene Werthe hat. Dieses Mathemat. Klasse 1820. C 18 OREDoEE: ist nicht anders möglich, als dafs die Vielfachheit der Werthe von a‘, = und (a 2)‘ durch einen in diesen Potenzen steckenden Factor hervorge- bracht wird, der nur von dem Exponenten abhängt, und dessen Werthe, mit einander combinirt, keine neuen Werthe geben. Da dieser Factor, wie gesagt, nur vom Exponenten abhängen kann, also für alle Basen a, s etc. der nemliche sein mufs, so kann er nur die gleiche Potenz einer ab- soluten Zahl, und zwar nur der Zahl ı sein, weil diese allein die Basis nicht verändert. Dafs ein solcher Factor ı* wirklich die Bedingung er- füllt, ergiebt die Gleichung (9) selbst. Denn man setze z. B. z=1, so giebt sie: 10.mar u. woraus folgt, dafs jeder beliebige Werth von a‘, mit den verschiedenen Werthen von ı* multiplieirt, immer nur die nemlichen verschiedenen Wer- ihe von a’ geben kann, so dafs man die verschiedenen Werthe von «° blofs durch die verschiedenen Werthe von ı° ausdrücken kann, indem man unter a’, zum Unterschiede etwa |a|‘ geschrieben, nur einen der verschiedenen Werthe von a* versteht; also auf diese Weise: EEE wo nun rechts und links wirklich nur gleich viele verschiedene Werthe vor- handen sind. Hieraus erklärt sich, wie nach (9) (az)'—=«*‘. 2‘ sein kann, ohne dafs rechts mehr verschiedene Werthe existirten als links. Denn die Verschiedenheit der Werthe von a° und 3° entsteht nur daraus, dafs «‘ =ja und |a '.ı" ist, und die Factoren ı" und ı’, wenn jeder z ver- schiedene Werthe hat, haben, mit einander multiplieirt, nicht 2°, sondern nur z verschiedene Werthe, weil nach der nemlichen Gleichung (9), @« und »=4 gesetzt, A =) =Aaistt Überall also, wo man für eine Potenz ein einzelnes Zeichen setzen will, wie z. B. @«’—=z, mufs man dieses Zeichen, wenn man ihm nur einen der Werthe der Potenz beilegen will, mit der nemlichen Potenz x von ı multipliciren. Dann vertritt das Zeichen vollständig die Stelle der Po- tenz. Durch diese Beobachtung lassen sich, wie gezeigt werden kann, die Schwierigkeiten, die bei den Potenzen der goniometrischen Linien, bei den Logarithmen u. s. w. vorkommen, heben. Einiges zur Theorie der Potenzen. 19 Il. Allgemeiner Beweis des Binomischen Lehrsatzes, ohne Voraussetzungen, blofs durch identische Verwandlungen. Es giebt bekanntlich eine Menge verschiedener Beweise des Binomi- schen Lehrsatzes. Die meisten fangen von dem Falle ganzzahliger positiver Exponenten an, für welchen Fall sich der Satz durch blofse Multiplication, und etwa durch Combinationen finden läfst. Allein der Übergang zu be- liebigen Exponenten hat nothwendig immer die nemlichen Schwierigkeiten, die auf solche Weise bei dem Übergange von ganzzahligen zu beliebigen Exponenten, bei dem Ausdrucke der Potenzen überhaupt Statt finden; auch wird dabei immer dieses oder jenes stillschweigend vorausgesetzt, z. B. dafs die Gestalt der Reihe unverändert die nemliche bleibe, und dergleichen. Es fehlt also den Beweisen deshalb, und weil sie überhaupt nur Über- gänge vom Besondern zum Allgemeinen, und folglich nur eine Art von In- duction sind, an Strenge. Ich habe deshalb früher versucht, einen strengeren und wirklich allgemeinen Beweis zu geben, der es, in so fern dafs er aus der allgemeinen Theorie der Potenzen, ohne Übergang vom Besondern zum Allgemeinen hervorgeht, wie ich glaube, auch wirklich ist. Bei diesem Beweise wird indessen noch die Gestalt der Reihe vorausgesetzt. Dieses mufs freilich als erlaubt betrachtet werden, weil eine Voraussetzung, wenn sie auf keine Widersprüche führt, als statthaft angesehen werden darf. Es ist das Nem- liche, was überall, in der ganzen Analysis, bei der Cartesischen Methode der unbestimmten Coöffheienten geschieht. Es ist indessen nicht zu leugnen, dafs diese Methode, sobald unendliche Reihen vorkommen, wie es hier der Fall ist, ihre Schwierigkeiten hat, wegen der ebenfalls stillschweigend Statt findenden Voraussetzung der Convergenz der Reihen. Es wird daher in- teressant sein, zu sehen, dafs sich der Beweis in aller Allgemeinheit geben läfst, sogar ohne die Gestalt der Reihe vorauszusetzen, blofs durch identische Verwandlungen, wodurch dann die letzte Schwierig- keit verschwindet. Der Binomische Lehrsatz liegt, wie so viele andere, fast unmittel- bar in dem allgemeinen Taylorschen Lehrsatze. Diesem Lehrsatze zufolge ist nemlich für eine beliebige Function Fix von x: 62 20 ÜRELCLE: 12. F(c+A)=Fx+ J AFx + en) _ I A’Fx + alern —— A’Fx + An ze a"Fx k(k—a)..... (k—na) ,n [a ug Ze: na" = ( k 2 wo sich das Differenz- Zeichen A auf die willkührliche Gröfse « bezieht. Setzt man, für das Binomium, Fx=.a*, so ist A/'x so viel als a’**— a’, oder a’. (a*— 1); A’ Fx ist so viel als (a’**—.a”).. (a“— 1), oder a’. (a°— 1)"; A’Fx ist so viel als (a’*“— a’). (a*— 1)”, oder a’. (a— ı)’ u. s. w. Also giebt die Gleichung (12) für Fe=.a*: 13. a" =a+ . a (a —ı) + = lee A(k—a).:.... (kn —1)e) 2/.u B 7 2.Ioreer na" . (a >> !) Kl) (k—na) u oo _.a’ nz VER E na" = k =). Setzt man nun 20 und das willkührliche «= ı, so erhält man: 14. “=ı+kl(a—ı) + oe) (ad)... Bulk RS (k— (n—1)) R Yan = 2— Ic... @—) k(k—1)..... (kn) ‚nf FI H— ar) _- 2a n = ( k ): oder wenn man @a+-1 statt a schreibt: 15. aA), = Be 1 ZeIere.. n Klkiljese. (k—n) A’ en, ES Arc n k ‘ Einiges zur T’heorie der Potenzen. 21 welches der Binomische Lehrsatz ist. Da nun die allgemeine Taylorsche Reihe (12), wenn man sie auf die Weise, wie z. B. in der Abhandlung: „Über die Grenzen für die Werthe der Reste der allgemeinen Entwicklungsreihe mit Differenzen”, die ich im vorigen Jahre zu lesen die Ehre hatte, ent- wickelt, blofs durch identische Verwandlungen gefunden wird, so läfst sich der Binomische Lehrsatz, in der höchsten Allgemeinheit, blofs durch solche Verwandlungen, ohne willkührliche Voraussetzungen, selbst ohne die Gestalt der Reihe vorauszusetzen, beweisen, und man hat noch den Vor- theil obendrein, dafs man den genauen Ausdruck des Restes der Reihe be- kommt, den andere Entwicklungen nicht geben. In den Elementen, wie sie sind, wird man vielleicht die Entwick- lung des allgemeinen Taylorschen Lehrsatzes nicht, wie es bei diesem Be- weise sein müfste, dem Binomischen Lehrsatze vorhergehen lassen wollen, obgleich eigentlich wohl dieser Satz an der Spitze der Entwicklungen ste- hen müfste. In solchem Falle wird die Entwicklung für den besondern Fall gemacht werden müssen. Ich will dieselbe hersetzen, weil sich da- bei noch deutlicher im Zusammenhange zeigen wird, dafs der Beweis wirklich ohne alle Voraussetzungen, blofs durch identische Verwandlungen möglich ist. Man setze also die identische Gleichung: z+ıh__ x 16. a" =ua rk. I ——, und der Kürze wegen: also: 18.2. a" — a E kp. Nun lasse man x um « zunehmen, zu gleicher Zeit aber A um « ab- nehmen, so dafs &-+%k das Nemliche bleibt; so giebt die Gleichung (18), wenn man das, was durch die Veränderung aus p wird, durch p, bezeichnet: 19. a = at" + (k—a)p.. Man ziehe von dieser Gleichung die Gleichung (18) ab, so erhält man: 22 CrELLE: 2. o=a*— a + (k—a) (p,—p) — up. Bezeichnet man a’*“— a’, das heifst, den Werth von a’, nach der Veränderung von x um «, weniger den ursprünglichen Werth von a’, durch Aa’, und eben so p,—p, das heifst, den Werth von p nach der Veränderung von x um «, weniger den ursprünglichen Werth von p, durch Ap, so ist die Gleichung (20) so viel als 21. o= Aa’ + (k—a) Ap, — ap. Hierin setze man von Neuem x + « statt x, und Ak — «a statt A, so er- hält man, weil dann p in p, übergeht: 22. o= Aut’ (k—20) Ap, —ap.: Die Gleichung (21) hiervon abgezogen, giebt: 23. 0o= Aa’*" — Au’ + (k— 20) (Ap, —Ap) — aAp — a (p,—p), oder, weil Aa’*‘— Aa’, nach der Analogie, durch A°a’, und Ap, — Ap durch A°p bezeichnet werden kann, 24. 0= A’a’ + (k— 20) A’p — 2aAp. Die nächste Wiederholung des Verfahrens giebt: 25. 0= Ada’ + (k—3a) A’p — 3aA’p und so weiter. Zusammen genommen ist, vermöge (18, 21, 24, 25 etc.), wenn man in den auf (18) folgenden Gleichungen sogleich das letzte Glied rechts auf die linke Seite bringt, und die Gleichungen durch die Co&ffieienten von p, Ap, A’petc. dividirt: ara + kp Aa* ka u an Fi ( a ) a Äp = A’a k— 2« A: 2 20 Ass se ap Eu 3& 2: 3% A Einiges zur Theorie der Potenzen. 23 26 EN Ar-tar k (n—1) ER u er (n—1) « (n—1)« p Ari A’a k—na Arr n« n.« Er Yo Br Bor SC Dur Dr Zur Tuer Yacr ar Yaar ar Ir SL Vor m St ur jur ver Ser var au mar Ya yo Ser Substituirt man diese Gleichungen successive in einander, so erhält man der Reihe nach: = «) Wear k(k en — 2«) aaa ee ee ee ee ee ee ee Leere“ k und allgemein, wenn man zugleich den Ausdruck von p, nemlich AIZze 3 substituirt: 23. at =a+ = Az er re. Ada + k en Ada: x 2« 2.30 ee ne ee ee ee © ee ee ee er ee A’a a j% (ke) ea (k—n«) A" IN). Ze Disk es na" Diese Gleichung ist genau das was die obige Gleichung (12) giebt, wenn man darin a’ statt Fax schreibt. Man findet also nun daraus weiter, wie oben, den Binomischen Lehrsatz, und da, wie sich zeigte, Alles blofs durch identische Verwandlungen gefunden wird, so erhält man auf diesem Wege den Binomischen Lehrsatz in der höchsten Allgemeinheit, blofs durch dergleichen Verwandlungen, ohne alle willkührliche Voraussetzungen, und zugleich den Ausdruck des Restes der Reihe noch obendrein. Die Convergenz der Binomischen Reihe, im Fall sie nicht ab- bricht, läfst sich ebenfalls aus dem Ausdrucke (15) beurtheilen. Sie hängt davon ab, ob der Ausdruck des Restes 29. Alk nn Er — n.c«) A" oe (a + 1)7=9) ) gleich Null ist oder nicht, für = x. 24 CRELLE: Noch ist zu bemerken, dafs der Ausdruck (15), so wie er ist, für den Fall, dafs (a-+ ı)‘ mehr als einen Werth hat, nur einen dieser ver- schiedenen Werthe giebt. Dafs man nicht vollständig alle Werthe fand, die (a-+ 1)‘ haben kann, liegt in der identischen Gleichung (16), von wel- cher die Entwicklung ausging. Soll dieselbe zugleich die Vielfachheit der Werthe der Potenz berücksichtigen, so mufs man, der Bemerkung in (I.) zufolge, setzen: z+h__ x Li 30. ar=a.t +. (Ze ——) In dieser Gleichung sind rechts und links gleich viele Werthe, und das hieraus abgeleitete Resultat mufs also auch vollständig alle Werthe ge- ben, die Statt finden können. Es ist leicht zu sehen, dafs, weil man für das willkührliche « immer eine ganze Zahl nehmen kann, die dann im Ex- ponenten die Zahl der Werthe der Potenz nicht vermehrt, die Verände- rung der Gleichung (16) in (30) im Resultat keine weitere Änderung her- vorbringt, als dafs alle Glieder rechts, bis auf den Rest, und im Reste die Potenz a’, noch mit 1° multiplieirt werden müssen. Der vollständige Bi- nomische Ausdruck ist also: 31. (ta) = ı [1 + Aa ZU a 4 HUN ET Are, k(k—1)....(k— (n—1)) «| Ze3seseh i(k— ol — z(=0o)+A__ z(=0), 4 LA. 2 & ) (HD er =). Dieser Ausdruck ist eigentlich, durch den darin befindlichen Aus- druck des Restes, selbst identisch, welches seine Richtigkeit ebenfalls aufser Zweifel setzt. Man kann sich davon überzeugen, wenn man den Rest für ein beliebiges n entwickelt. Alsdann heben sich rechts alle Glieder bis auf (1-+-a)' auf, und man erhält die identische Gleichung (1+a)'= (1-Ha)'. Es sei z. B., für den einfachsten Fall, = 1, so geht der Ausdruck (31) in folgenden über: 32. (Ha = ı(ı+ka) + k,k—ı, al Einiges zur Theorie der Potenzen. 25 Da A sich auf « bezog, «= 1 gesetzt wurde, und 1°" so viel ist als 1’, so ist A 2 (ta) Fr — ((-+a)"=o) * A .k—1.A ( r ) a: (Ha —(ita)'.* (Ha (ira). 1 —k.k-ı Ft u = k((1+a) — (1+a) 1’) — (k—1) ((+a)' — 1) = (1+4) — (ki+a)+k— 1) ı* = (1+a) — (ka+1) ı‘. Also ist in (32): (1+a)' = ı' (1+ka) + (1-+a)' — (1+Aa) 1, oder (1-+0) = (1+a)'. Das Nämliche läfst sich allgemein für jeden beliebigen Werth von n zeigen. Es würde gut sein, diesen stringenten Beweis des Binomischen Lehr- satzes in die Elemente einzuführen. Die Entwicklung der Logarithmen reiht sich unmittelbar an denselben an, und auch diese würde gleiche Evidenz erlangen. Il. Beispiele von der Berücksichtigung der Vielfachheit der Werthe der Potenzen bei den goniometrischen Ausdrücken. Man setze in die obige Binomische Formel, die noch das willkühr- liche « enthält, also in (13) oder (28), aber vervollständigt durch !, <=, so erhält man: 33 a‘ er 4? | a—1 k(k—«) , (a® — 1)? ı-+% + [44 Zedhness n f7 a” k(k—a)....(k— (n—1) «) er k(k—a)....(k—na) A (#773 az -) Da nun « ganz willkührlich ist, so setze man es z. B. gleich —, so gehen die Factoriellen, wie A(k—a)....(k—ne), für p—=x in Potenzen über. Ferner bezeichne man denjenigen Werth von a, für welchen —, wenn 2=x, also «= ist, den Werth ı annimmt, durch e (es läfst sich zeigen, dafs e die Basis des natürlichen Logarithmen - Systems ist), so ist Mathemat. Klasse 1529. D 26 CrReEuLLE: der Rest der Reihe (33), weil die Glieder alle gleiche Zeichen haben und nothwendig abnehmen, wie oben bemerkt, für z=x, Null, und die Reihe (33) geht in h BEER; A? %> A" 3 ei (: EZ ie =, über. Dieses ist die bekannte Reihe für die Exponential- Gröfse e‘, aber durch den Factor 1‘, welcher die Vielfachheit der Werthe von & ausdrückt, vervollständigt. In dieser Reihe setze man nun erst A=-+xi, und daın A=— ix (den imaginairen Ausdruck Y—ı durch z bezeichnet), so erhält man: .2 I, „& +ir +ix . x” xı x ) ei 1+ x — ea) binel ( Di 2 SETRE PET Ri an Br ar (\ xi x? "= a Er a* ) Zu 2 2.3 2,304 EIS) Bezeichnet man nun 2 5 x © ee —..... durch cos x und 36 2 2.3.4 j & a? ö u a De ge en LE TE ur PeRFETRT durch sin x, so giebt (35): | 7 ee ee” = 1” (cosxz—isinx). Gewöhnlich nimmt man an: T Eee" — 2cos x und a +ir ir ee” = 2. sin x. Dieses ist aber, wie man sieht, wegen der nicht gleichen Factoren ı""* und 1°“ nicht unbedingt der Fall. Es ist also zu untersuchen, was e*" + e”“ +ir und e** — e”'* wirklich sind. Man setze in (37) &-+ 2n” statt x, so erhält man: 39, eier) — Eietem) (cos (c+2nr7) Ei. sin (x -F2nr)) Diese Gleichung erhebe man auf beiden Seiten zur m“ Potenz, wo m einen beliebigen Werth hat. Solches giebt: AO. etmite-+ann) — gmilstann) (cos (+ an) + isin (+ 2n7))" Einiges zur Theorie der Potenzen. 27 Man setze auch in (39) m (@-+2nr) statt &-+2nr, so erhält man: AI NER ZITROTRNT 0 ME FIR EIS mat 2nF)) Die Gleichungen (40) und (41) verglichen, geben: 42. (cos (a-+2nr) Hisin (ce +2n7))” = cos m (x<-+2nr7) Hisinm (c-+-2n7). Es läfst sich aber aus andern Gründen zeigen, dafs da fe (x-+2n7) = cos x und sin (x -+2nr) = sin x, also ist vermöge (42): 44. (cosx +isinx)”—= cos m (ec +2n7) +isinm (e-+2nr). In dieser Gleichung können auf beiden Seiten mehrere Werthe Statt finden, und ihre Zahl ist nothwendig beiderseits gleich. Nun ist für c—=0, cosxz=ıundsinxz= 0, also giebt die Gleichung (44) für 2=0: 45. 1"= cos 2mnr Kisin 2mnr, also auch, da 2 jeden beliebigen Werth haben kann, wenn man m =-+ix und m = — ix setzt: 16 Fe = 0085 2inır tisin 2inır 177 =.608 222n 27 7.2 sn 2iner; also ist in (37) vollständig: 47 ne = (cos2inxr Kisinzinxr) (cosx-+isin x), le" = (cos2in«r Fisin 2zinzr) (cos x —isin «). Dieses giebt, wenn man multiplicirt, 48 IS = 008 2inxr c08 & + 1 cos 2inar sin » Eisin 2inxr cos x F sin 2inxr sin x, Us e='* = 008 2inxr cos © — I cos 2inar sin © Fisin 2inxr cos & 7 sin 2inxr Sin; also: e"+e”—= 2 cos 2inar cosx TE 2 sin 2inxrsinx und er” — e" = 2 cos 2inxr sin x & sin 2inxr cos x, oder: er ee” = 200sa (ini) 44. Fe _—e”" = 2asin x (2inrtı) und dieses sind die vollständigen Ausdrücke von e*" te”. Sie gehen D2 28 Creuue: Einiges zur Theorie der Potenzen. nur dann in 2cos.x und 2isin x über, wenn man 2—=0 setzt, haben aber vollständig, wie gehörig, mehrere verschiedene Werthe. Aus (48) und (49) folgt ferner: &5 I: = cos x (!inrt&ı) +:sin x (2inrtı) ir e” = cos x (Ztinr&ı) —isina (2inrtı), welches ebenfalls vollständige Ausdrücke von e*'* sind. Wenn man (39) durch (37) dividirt, so erhält man, weil cos (x — 2nr) =cosx und sin (€ + 2nr) = sin & ist (43): 5 1 x e* 2inr — 4F ainm Es ist also keinesweges, wie man gewöhnlich annimmt, e*"= 1, sondern vielmehr gleich ı**”", Das Nemliche findet man auch, wenn man in (37) an statt & setzt. Die Gleichung (51) enthält übrigens keinen Wi- derspruch: denn man darf daraus nicht etwa schliefsen e=1, vielmehr zeigt sie nur, dafs die + 2inr" Potenz von e der + 2inr“" Potenz von ı gleich ist. Nur einer von den verschiedenen Werthen dieser Potenzen ist reell, nemlich derjenige für =, und dieser Werth ist sowohl rechts als links gleich ı, so dafs für diesen Werth die Bedeutung der Gleichung sicht- bar ist. Auch wenn man die Gleichung (51) rechts und links z. B. zur Po- tenz & 2inr erhebt, entsteht kein Widerspruch, denn dieses giebt nicht er" — ı#"r*, welches allerdings unrichtig wäre, sondern da die Gleichung eigentlich tainm _— 4F&2ins PR ER oder, wie aus (37) zu sehen, wenn man daselbst 2nr statt & setzt, Ba. je m (005225 Tısnann) ıl, so erhält man vermöge (44): De HA, er u RR (cos Ann, Sismäindg), wo rechter Hand der Factor cos 4in’r” Hisin Ain’r’, wie aus (36) zu se- hen, reell und nicht gleich 1 ist. EN III Versuch einer logischen Analyse von dem Begriff des Unendlichkleinen. ; Von Hm. FISCHER. mm [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 7. Mai 1829.] Sets \ Venn man das Unendlichkleine einmal — 0 setzt, und dann doch wieder als eine wirkliche Gröfse behandelt, so erscheint dieses allerdings, auf den ersten Blick, als ein grober Widerspruch. Erwägt man aber, einerseits, dafs einem und demselben Subject gar wohl widerstreitende Prädicate zu- kommen können, wenn es aus verschiedenen Gesichtspunkten betrach- tet wird, andererseits die grenzenlosen Erweiterungen, welche die Wissen- schaft dem Begriff des Unendlichkleinen verdankt,. und deren Richtigkeit sich ohne Ausnahme durch den Erfolg bewähret, so sieht man sich zu der Überzeugung genöthigt, dafs diese Erweiterungen des Gebietes der Wahr- heit unmöglich aus einem sinnlosen Widerspruch hervorgegangen sein kön- nen. Vielmehr wird man auf das sorgfältigste untersuchen müssen, ob sich die beiden verschiedenen Gesichtspunkte, aus welchen der scheinbare Wi- derspruch hervorgeht, nicht auf deutliche Begriffe bringen lassen. Ich will versuchen die Resultate meines angestrengten Nachdenkens hier, zwar nicht im Wesentlichen anders, aber doch bestimmter, deutlicher, fafslicher, kür- zer darzulegen, als ich es schon vormals in einer eigenen Schrift: Über den Sinn der höhern Analysis (Berlin 1806.) gethan habe. S. 2. Da der Begriff des Unendlichkleinen (er sei nun richtig, oder enthalte einen verdeckten Widerspruch) in dem ganzen Umfang mensch- licher Vorstellungen thatsächlich einmal vorhanden ist, und sich von demsel- 30 Fıscuer: Fersuch einer logischen Analyse ben eine ganz bestimmte Worterklärung geben läfst, indem wir sagen, eine Gröfse sei unendlichklein wenn sie kleiner ist als jede Gröfse, die sich angeben läfst: so überlege man zuerst, auf welchem Wege dieser Begriff in das menschliche Vorstellungsvermögen gekommen ist. Offenbar beruhet der Begriff darauf, dafs der Verstand bei der Thei- lung einer stätigen Gröfse eben so wenig als bei der Vervielfältigung der- selben, irgend eine Grenze findet. Fragt man also nach der gröfsten mög- lichen Anzahl von Theilen, die man in einer bestimmten stätigen Gröfse annehmen kann, so ist keine Antwort möglich, als, sie sei gröfser als jede Zahl, die sich angeben läfst, d.h. unendlichgrofs. Ist aber die Anzahl der Theile gröfser als jede Zahl, die sich angeben läfst, so muis nothwendig die Gröfse eines jeden Theils kleiner sein, als jede Gröfse die sich angeben läfst, und dieses ist der Ursprung von dem Begriff des Unendlichkleinen. 8.3. Aus diesem Ursprung des Begriffes geht hervor, dafs er in einer noth- wendigen Verbindung mit dem Begriffe der Stätigkeit steht. Eine dis- crete Gröfse ist eine solche, die nur bis zu Theilen von einer bestimmten Beschaffenheit und Gröfse getheilt werden kann oder soll. Bei einer solchen von unendlichkleinen ‚Theilen zu reden, würde daher ein Widerspruch sein. Denkt man sich aber eine stätige Gröfse x zugleich als veränderlich, so kann sich der Verstand den Über gang eines Werthes in einen andern gar nicht anders denken, als so, dafs er in jedem Augenblick durch unmefs- bare, d.i. unendlichkleine Zusätze geschehe. In dem Begriffe der Stätigkeit ist also in der That schon der Begriff des Unendlichkleinen als ein Bestand- theil, nur ursprünglich ohne Bewustsein, gedacht. Aber es ist nicht nur in diesem, sondern in vielen andern ähnlichen Fällen gar nicht leicht einen je- den bewustlosen Bestandtheil gewisser Vorstellungen zum deutlichen Be- wulstsein zu bringen. _Die berühmten Mathematiker des griechischen Alter- thums, waren sich desselben nur dunkel bewufst, wie der oft gebrauchte richtige aber den Begriff nicht analysirende Ausdruck kleiner als eine gegebene Gröfse, und ihre Exhaustions - Methode beweiset, die bei allem Scharfsinn doch nur ein Schleifweg war, der den Begriff des Unendlichklei- nen nicht. beseitigte, sondern nur umging, und verhüllte. Nach der Wie- derherstellung der Wissenschaften, erwachte der Begriff in einigen Köpfen von dem Begriff des Unendlichkleinen. S1 zu etwas bestimmterem Bewufstsein, wie besonders die Geometria indivisibi- lium von Gavalleri beweiset; doch zeigte sich die noch immer mangelhafte Entwickelung dadurch, dafs Cavalleri einen ganz falschen Begriff, die Un- theilbarkeit, einmischte. Die beiden grofsen Erfinder der Rechnung des Unendlichen hatten sichtbar den Begriff mit logischer Klarheit, aber nicht mit vollendeter Deutlichkeit aufgefafst. Daher machten sie zwar einen richtigen und höchst erfolgreichen Gebrauch von derselben; aber we- der sie selbst noch ihre berühmten Nachfolger vermochten alle Undeut- lichkeit aus den Begriffen zu entfernen. Im Gefühl dieser Dunkelheit schien den trefflichsten Köpfen der Begriff unhaltbar. Sie boten daher allen ihren Scharfsinn auf, ihn entweder ganz zu beseitigen, was in der That unmöglich ist, da er mit dem Begriff der Stätigkeit, der in keinem menschlichen Vor- stellungs-Vermögen fehlt noch fehlen kann, untrennbar zusammenhängt; oder wenigstens zu umgehen, was nur auf ungeheuren Umwegen möglich, und doch genau betrachtet, nur eine Versteckung des Begriffes ist. Es ist daher ohne Zweifel der Mühe werth, einmal den entgegengesetzten Weg ein- zuschlagen, und zu versuchen, ob, und wie weit, sich dieser räthselhafte Be- griff durch eine sorgfältige logische Analyse aufklären lasse. 8. 4. Da wir zu dem Begriffe des Unendlichkleinen nur durch Theilung einer stätigen Gröfse gelangen, so folgt, dafs es nie anders als unter dem Begriff eines Theiles der stätigen Gröfse gedacht werden dürfe. Ein Theil einer stätigen Gröfse steht aber in jedem Fall unter dem Begriff dieser Gröfse. So darf ein unendlichkleiner Theil einer Gröfse deren Begriff an das Zeichen x geknüpft ist, als solcher, unter kei- nem andern Begriff, als unter dem bestimmten Begriff der Gröfse x gedacht werden; mag er sonst an sich, und aufser dieser Gedanken -Verbindung be- trachtet, sein, was man will. Denn ein unendlichkleiner Theil ent- schwindet nur als solcher, aber gar nicht nothwendig an sich der An- schauung. Ein unendlichkleiner Theil eines geometrischen Körpers (z.B. eines Kegels) kann, je nachdem seine Entstehung anders gedacht wird, als ein Punkt, aber auch als eine Linie, oder als eine Fläche erscheinen; aber unter einem dieser Begriffe gedacht ist er kein Theil eines Kör- pers; denn als solcher darf er nur unter dem Begriff eines Körpers ge- 32 Fıscner: /ersuch einer logischen Analyse dacht werden. Eben so verhält es sich bei jeder anderen Gröfse. Ein un- endlichkleiner Theil einer Zeit, einer Kraft etc. darf als solcher nur be- züglich unter dem Begriff von Zeit oder Kraft etc. gedacht werden. Diese Bemerkung deren logische Richtigkeit man schwerlich wird be- streiten können, löset zwar die obwaltende Dunkelheit noch nicht auf, ist aber dennoch von der äufsersten Wichtigkeit für die vorliegende Unter- suchung, und mufs daher der sorgfältigsten Aufmerksamkeit des Lesers empfohlen werden. id. Die Wörter Anschaun und Denken sind im vorigen $. mehrmals, und immer in sehr bestimmter Unterscheidung, gebraucht worden: aber man scheint ihren Unterschied oft, und besonders in der Mathematik, nicht ge- nug zu beachten. Es ist auch für unsern Zweck nöthig, diesen Unterschied sehr bestimmt zu fassen. Beide Wörter bezeichnen zwei ganz verschiedene Functionen unserer Geisteskraft, deren vollständige Erörterung der Logik anheim fällt, und daher nicht auf ein Paar Seiten vollständig gegeben wer- den kann. Doch werden zu unserem Zweck folgende Bemerkungen hin- reichen; wobei ich mich aber hauptsächlich auf die Art, wie sie in der Ma- ihematik angewendet werden, beschränken mufs. Anschauen heifst eigentlich wahrnehmen, was aufser oder in uns ist oder geschieht. Man nennt dieses Vermögen die äufsere und innere Sinnlichkeit. Denken dagegen ist eigentliche innerste Thätigkeit des Geistes, ver- möge deren er die an sich todte Masse des Angeschauten in lebendige Vor- stellungen und Begriffe verwandelt, die er dann weiter nach eigenthümlichen Gesetzen verbindet, trennt, aus ihnen Urtheile und Schlüsse, und zusam- menhängende Kenntnisse erzeugt. In dieser Beziehung heifst diese Geistes- thätigkeit der Verstand. Der Unterschied beider Functionen zeigt sich unter andern sehr deut- lich durch folgende Betrachtungen. Gegenstände die in der Anschauung sehr verschieden sind, können für den Verstand gleich sein, indem er sie unter einem allgemeinen Begriff zusammenfasset, als ob sie nur ein Gegenstand wären. So fasset er z.B. alle mögliche Längen, die eine Linie haben kann, unter dem Collectiv- Begriff einer veränderlichen Linie zusammen. So von dem Begriff des Unendlichkleinen. 83 gr! umfasset der Begriff eines Quadrats, dessen Seite veränderlich ist, alle denk- baren Quadrate u. dgl.m. Umgekehrt: Was in der Anschauung ganz gleich ist, kann im Begriffe sehr verschieden sein. Ein sichtbarer Körper, und sein Spiegelbild, sind selbst in der äufsern Anschauung ganz gleich, und doch für den Verstand zwei ganz verschiedene Dinge. Beson- ders tritt dieser Fall allezeit und nothwendig ein, wenn man einen und denselben Gegenstand einmal für sich allein aufser allem Zusammenhang, und dann wieder in einer durch Begriffe bestimmten Verbindung mit anderen Gegenständen betrachtet. Denn so lange er als ein wesentliches Glied einer solchen Verbindung be- trachtet wird, erhält sein Begriff Bestimmungen, die ihm an sich fremd sind, die aber, so lange er in dieser Verbindung gedacht wird, eben so untrenn- bar von ihm sind, als ob sie zu seinem Wesen gehörten. Was z.B. für die Anschauung nichts als eine blofse Linie ist, kann in Verbindung mit andern räumlichen Gröfsen die Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks, die Seite eines Quadrats, der Halbmesser, der Durchmesser, die Sehne eines Kreises etc. sein. Lauter Bestimmungen die der Linie für sich betrachtet fremd sind, die ihr aber bestimmt beigelegt werden müssen, so lange man sie als wesentliche Bestandtheile eines bestimmten Zusammenhanges denkt. 8. 6. Eigentlich ist im Allgemeinen das Gebiet des Anschaulichen bei weitem kleiner, als das Gebiet des blofs Denkbaren. Indessen liefert der Verstand der Mathematik ein eben so einfaches als bewundernswürdiges Mit- tel, wodurch sie alle Arten von Gröfsen, auch wenn sie nicht anschaulich sind, in das Gebiet der Anschaulichkeit herüber ziehen, und so der mathe- matischen Behandlungsart unterwerfen kann. Der Verstand knüpft nämlich die bestimmten Begriffe der Gröfsen, die er betrachtet, und die Verbin- dungsarten oder Verhältnisse, in welchen er dieselben denkt, an sinnliche, willkührliche und für sich bedeutungslose Zeichen (Gröfsen- und Rechnungs- Zeichen); und durch ihre Zusammensetzung ist er im Stande, einen be- stimmten Zusammenhang von Gröfsen, in einer Formel sichtbar darzu- 5 stellen. Ich nenne dieses: mittelbare, oder symbolische Anschau- lichkeit. Wir müssen diesen Begriff der mittelbaren Anschauung noch genauer entwickeln. Geht man diesem Kunststück bis auf seinen ersten Mathemat. Klasse 1829. E 34 Fıscner: Yersuch einer logischen Analyse Ursprung nach, so findet man diesen in dem Begriff der Zahl, von der jeder bestimmte Werth durch hörbare und sichtbare Zeichen (Zahlwörter und Ziffern) darstellbar ist. Die alten Mathematiker erklärten die Zahl durch eine Menge von Einheiten. Nach dieser Erklärung ist die Zahl in der That nur eine discrete Gröfse, und unbrauchbar, um jeden Werth einer stätigen Gröfse bestimmt zur Anschauung zu bringen. Daher waren schon die Alten genöthigt, auch Brüche zuzulassen; nur schien es nach ihrer Definition zweideutig, ob man den Begriff des Bruchs auch in den Begriff der Zahl aufnehmen könnte. Aber die fortschreitende Erweiterung der Wissenschaft machte es nothwendig, ein Mittel zu besitzen, wodurch man jeden Werth einer stätigen Gröfse bestimmt darstellen könnte, und durch die Einführung regelmäfsiger Ziffern, und besonders der nach den Gesetzen eines Systems regelmäfsig fortschreitenden Brüche (Decimal- brüche) ist es möglich geworden, jedes Maafs einer stätigen Gröfse in Ziffern darzustellen, entweder genau, wenn der Werth mit der Einheit commensu- rabel ist, oder wenn er incommensurabel ist, mit einem Fehler, den man kleiner machen kann, als Jemand verlangen mag. Hierdurch, und nur hier- durch, ist es möglich geworden, die Zahl als ein allgemeines Mittel zu be- trachten, jeden erdenklichen Werth einer stätigen Gröfse dem Anschauungs- vermögen symbolisch zu überliefern. Aber der Begriff der Zahl ist auf diese Art viel weiter geworden, und umfasset das bestimmt vorge- stellte Maafs jeder Gröfseim Verhältnifs gegen ihre Einheit. 8. 7. Durch diese Erweiterung des Begriffes einer Zahl ist ein noch um- fassenderes Mittel zur anschaulichen Darstellung jedes bestimmten Zusam- menhanges der Gröfsen möglich geworden, nämlich der Gebrauch von un- bestimmten Gröfsenzeichen. Unmittelbar ist nämlich ein solches Zeichen der Stellvertreter einer Zahl; aber wenn der Verstand eine Formel sucht, oder wenn er eine schon gebildete anwendet, so knüpft er noch an den Buchstaben den Begriff einer bestimmten Art von Gröfsen (einer Linie, einer Fläche, einer Zeit, einer Kraft, u.dgl.m.). Nur während der Um- wandlungen, die er mit der Formel vornimmt, kann er stets den Begriff der Gröfsen, oder die besondere Art derselben, aus der Acht lassen, und die Buchstaben blofs als Repräsentanten von Zahlen betrachten; denn nur von dem Begriff des Unendlichkleinen. 35 unter dieser Voraussetzung haben alle Arten von Gröfsen einen gemeinsamen Algorithmus. Zwar können die Buchstaben einer Formel auch discrete Gröfsen bedeuten, z.B. ganze Zahlen, vollständige Quadratzahlen, ganze Zahlen die mit m getheilt den Rest z lassen u. dgl.m. Aber dieses mufs jederzeit ausdrücklich ausgesprochen sein, und macht bei jeder Aufgabe eine ganz eigenthümliche, oft schwierige Behandlungsart nothwendig; weil der allgemeine algebraische Algorithmus sich lediglich auf stätige Gröfsen bezieht: was diejenigen zu übersehen scheinen, welche zwischen Arith- metik und Geometrie keinen andern Unterschied finden können, als dafs jene es blofs mit discreten, diese mit stätigen Gröfen zu thun habe. Hier- aus ergiebt sich, dafs die Formeln für die arithmetische Behandlung eines Problems dasselbe sind, was für die geometrische Behandlung die Con- struction ist. Nur erstreckt sich der Gebrauch der symbolischen Con- structionen viel weiter als der unmittelbaren: denn er ist auf alle Arten von Gröfsen, reine und empirische, extensive und intensive, anwendbar. $. 8. Durch die Einführung unbestimmter Gröfsenzeichen ist es möglich geworden, selbst das Unendlichkleine, welches als solches eigentlich nie unmittelbar anschaulich sein kann, oder vielmehr auf der äufsersten Gränze des Anschaulichen liegt, dennoch in einer symbolischen Construction dem Anschauungsvermögen zu überliefern, und aus den bisherigen Betrach- tungen ergeben sich die wesentlichen Regeln dieser Darstellung. Ein un- endlichkleiner Theil einer mit x bezeichneten Gröfse ist zwar für die An- schauung = 0; darf aber nicht durch die Ziffer Null bezeichnet werden: die Null statt x schreiben, heifst den Begriff der Gröfse x aufheben, aber ein unendlichkleines x ist ein eben so reeller Werth der stätigen Gröfse als x—=+a. Wir haben aber schon bemerkt, dafs jeder reelle Werth von x immer als etwas dem Begriff der Gröfse x gleichartiges gedacht werden müsse. Folglich darf auch das unendlichkieine x nur unter dem Begriff x ge- dacht, also auch nur durch x bezeichnet werden; nur mufs er mit einem Abzeichen versehen sein, welches andeutet, dafs es in dem besondern Werthe Null zu denken sei. Sowohl Newton’s, als Leibnitzens Bezeichnung des Unendlichkleinen war daher sehr richtig gebildet; ein Beweis, dafs sie den Begriff selbst vollkommen richtig, wenn gleich nicht in vollkommener E2 36 Fıscuer: Fersuch einer logischen Analyse Deutlichkeit aufgefafst hatten. Das Leibnitzsche dx hat indessen unstrei- tige Vorzüge vor dem Newtonschen x. Folgendes Beispiel mag zur Erläuterung des Gesagten dienen. Man denke sich unter a die Grundfläche, unter x die Höhe eines prismatischen Körpers, so ist ax der Ausdruck für den räumlichen Inhalt desselben. Man setze die Höhe veränderlich und unendlich klein, also x=0; so schwin- det das Prisma für die Anschauung in eine blofse Fläche zusammen; aber für den Verstand ist und bleibt es immer noch einer von den unendlich vielen Werthen, welchen x und daher auch ax haben kann. Dieser Begriff spricht sich bestimmt in der Formel ad'x aus; da hingegen der blofse Buch- stabe a nichts als die beständige Grundfläche ausdrückt, und ax 0, auch den Begriff von diesem aufheben würde. Willkührliche Zeichen sind aber nicht das einzige Mittel zu symbo- lischen Constructionen. Jeder Mathematiker weils, dafs Kräfte, Zeiten u. dgl. m. durch Linien, also symbolisirt dargestellt werden können. Wir werden in der Folge zeigen, wie die gewöhnlichen geometrischen Construc- tionen der Differentiale vollkommen gerechtfertigt werden können; wenn nur alle Begriffe, die dabei in Betrachtung kommen, scharf aufgefafst werden. 8. 9. Es ist noch ein Begriff übrig, ohne dessen genaue Analyse uns alles bisherige nicht zum Ziel führen würde: der Begriff intensiver Gröfsen. Wenn man sagt: die Theile einer extensiven Gröfse liegen aufser einander, die Theile einer intensiven in einander, so sind dieses ganz richtige Worterklärungen, die uns aber über den Ursprung und das Wesen beider Begriffe keinen Aufschlufs geben. Über das Wesen des Extensiven hat uns zuerst Kant einen befriedigenden Aufschlufs gegeben. Über das Wesen des Intensiven, ist mir wenigstens, keine ähnliche Untersuchung be- kannt. Um aber den rechten Weg nicht zu verfehlen, auf welchem sich der Ursprung und das Wesen des Intensiven entdecken läfst, wollen wir zuerst, was keine Schwierigkeit hat, kürzlich den Ursprung des Begriffes des Exten- siven erörtern. . S4410, Zum Bewufstsein kommt dieser Begriff allerdings durch den Weg der Abstraction: denn alle äufsern und wahrnehmbaren Dinge sind von dem Begriff des Unendlichkleinen. 37 ausgedehnt. Aber man würde sich irren, wenn man hierdurch den Ur- sprung des Begriffes gefunden zu haben meinte. Denn sondert man von dem Begriff eines Körpers alles empirische ab, so verschwindet zwar die Vorstellung der ausgedehnten Materie, aber nicht die Vorstellung des Rau- mes, den sie einnahm; und vernichtet man in Gedanken alle ausgedehnten Aufsendinge, so bleibt doch die Vorstellung des unendlichen Raumes übrig, und man müfste das Denken selbst vernichten, wenn man auch diesen ver- nichten wollte. Da aber in der Vorstellung des Raumes nichts enthalten ist, was gesehen, getastet, oder überhaupt durch einen äufsern Sinn wahr- genommen werden könnte, so ist klar, dafs uns diese Vorstellung nicht von aufsen her mitgetheilt sein könne. Sie mufs daher ein Erzeugnifs der Denk- kraft selbst sein. Doch kann man sie auch nicht für ein Geschöpf der Ein- bildungskraft halten, denn sonst würde sie nicht in jedem Kopfe als ein ganz untrennbarer Bestandtheil jedes menschlichen Denkvermögens, ohne oder mit Bewufstsein, vorhanden sein. Es bleibt daher in der That nichts anderes übrig, als in Kant’s Sinne zu sagen: Ausdehnung sei die im Wesen des menschlichen Denkvermögens begründete Form, unter welcher allein Vorstellungen von aufser uns vorhande- nen und auf unsere Organe einwirkenden Dingen entstehen können (!). (') Was hier über die reinen Begriffe von Ausdehnung und Raum gesagt worden, ist nicht metaphysisch, sondern psychologisch, weil es auf lauter unstreitigen Thatsachen des Bewulstseins beruht. Aber ein denkender Leser kann leicht noch eine Bedenklichkeit finden, deren vollständige Erörterung in die Tiefen der Metaphysik hineinführt, wozu hier nicht der Ort sein kann; doch werden vielleicht folgende Erörterungen für unsern Zweck hinreichen. Wie die reinen Begriffe von Ausdehnung und Raum, kann man sagen, blofs Erzeugnisse unserer Denkkraft sind, so betrachtet jeder Mensch einen andern Raum, nämlıch seinen eige- nen; und doch ist es eine unstreitige Thatsache in dem Bewulstsein aller Menschen, dals es ein und derselbe Raum (numero idem) sei, der in der Vorstellung aller Menschen, die je lebten, noch leben, und leben werden, geistig (durch den innern Sinn) angeschaut wird. Nımmt man aber einmal das wirkliche Dasein aufser uns vorhandener Dinge an, weil uns eine innere Nothwendigkeit, die kein Skeptiker und Idealist wegdemonstriren kann, dazu.zwingt, so muls man auch einräumen, dals das, was wir Dinge nennen, nur die in uns vorhandenen V or- stellungen von ihnen, nicht die Dinge selbst an sich sind, oder sein können. Wir können daher unsere Vorstellungen von den Aulsendingen nur als Symbole derselben betrachten, wie schon längst auch ältere Philosophen richtig eingesehen haben. Vie ungleichartig daher auch die Aulsendinge und unsere Vorstellungen von ihnen sein mögen, so giebt es doch etwas, 38 Fıscner: Fersuch einer logischen Analyse SE Wir wollen nunmehr versuchen, den reinen Begriff des Inten- siven, auf einen ähnlichen Wege zu entwickeln. Zuerst bemerken wir also, dafs auch hier der allgemeine Begriff nur durch das Abstractionsvermögen zum Bewufstsein gebracht werden könne; denn wir können kein Aufsending anschauen, ohne dafs wir ihm in mehr als einer Beziehung eine intensive Gröfse (Dichtigkeit, Schwere, Wärme, Licht etc.) beilegen müfsten. Diese Abstraction belehrt uns: dafs in allen Punkten eines Raumes die Menge dessen, was den Raum erfüllt, gleichmäfsig wachsen und abnehmen könne, ohne dafs damit eine Zu- oder Abnahme des Raumes verbunden ist. Bei einiger Aufmerksamkeit wird man leicht gewahr, dafs in dieser Erklärung noch etwas Überflüssiges enthalten ist, was nach den logischen Regeln einer richtigen Definition, nicht verstattet ist: nämlich die Erwähnung einer räumlichen Ausdehnung. Denn schon in jedem Punkte wird etwas vorgestellt, was wachsen und abnehmen kann, also eine Gröfse ist, deren Theile aber nicht aufser- oder neben einander, sondern in einander liegen. Beschränkt man also den Begriff dahin, dafs in einem Punkte etwasvor- stellbar sei, was in sich selbst wachsen und abnehmen kann, so hat man allerdings den ganz reinen Begriff einer intensiven Gröfse. Es kann aber scheinen, als ob dieser Begriff noch nicht von allem Empirischen was zwischen absolut ungleichartigen Dingen völlig gleich sein kann, nämlich das Verhält- nils. Wenn daher Kant behauptet, dafs die Dinge an sich für uns ein völlig unbenanntes x seien, so hat er Recht, sofern von dem Wesen der Dinge, nicht aber, sofern von ihren Ver- hältnissen unter einander und gegen uns die Rede ist. Es kann hier nicht der Ort sein, diese Idee weiter auszuführen. Sie dürfte aber viel- leicht die einzig mögliche sein, welche die speculative Philosophie mit dem gesunden Menschen- verstand aussöhnen könnte. Wir müssen uns begnügen, sie nur auf den vorliegenden Gegen- stand anzuwenden. Jedem Bestandtheile unserer Vorstellungen mufs in der transcendenten Wirklichkeit etwas entsprechen, was keine Vorstellung ist, sondern durch die Vorstellung nur symbolisirt wird. Und so mufs auch dem Raume (und der Zeit) Etwas entsprechen. Von diesem Etwas wissen wir weiter nichts, als dafs es keine Vorstellung ist. Aber alle wirklichen Dinge ordnen sich in den- selben gerade so, wie sich alle unsere Vorstellungen im Raum (und Zeit) ordnen. Indem dieses unbekannte Etwas auf unsere Sinne wirkt, erschaffet es nicht die Vorstellungen vom Raum (und Zeit), sondern erweckt sie nur. Und so ist es allerdings dasselbe Ding, was alle Menschen unter den Symbolen von Raum und Zeit betrachten. von dem Begriff des Unendlichkleinen. 39 frei sei: denn das, was in einem Punkte als wachsend und abnehmend vorge- stellt wird, ist in jedem Fall eine sinnliche Erscheinung (Dichtigkeit der widerstrebenden Materie, Wärme, Licht, u.dgl.). Aber so richtig dieses auch ist, so leicht begreift man doch auch, dafs es uns unmöglich sein würde, uns irgend eine empirische intensive Gröfse vorzustellen, wenn nicht in unserer Denkkraft a priori das Vermögen läge, das Ineinander zu den- ken; eben so, wie wir von keiner empirischen extensiven Gröfse eine Vor- stellung haben könnten, wenn nicht in dem Verstande a priori das Vermögen läge, das Nebeneinander zu denken. Es fragt sich also: können wir uns in einem Punkte etwas einer Zu- und Abnahme fähiges denken, was aber durchaus nicht empirisch ist? Ich behaupte: allerdings! und wir thun es in der Geometrie, so oft wir von der Congruenz gleicher Gröfsen reden. Wir können uns in jedem Punkte so viele Punkte, als wir wollen, zusam- menfallend denken; dann ist für die Anschauung allerdings nur ein Punkt da, aber für den Verstand bleibt es eine Anzahl von Punkten, die nicht neben einander, sondern in einander, also in der Form einer inten- siven Gröfse gedacht werden. Es beschränkt sich aber die Möglichkeit, das Ineinander zu denken, nicht blofs auf Punkte, wodurch man zwar in der That immer die Vorstel- lung einer intensiven aber nur discreten Gröfse erhält. Betrachtet man einen Zusammenhang extensiver Grölsen, in welchem gewisse Bestandtheile veränderlich gedacht werden, so kann ein Punkt entstanden sein durch das Verschwinden einer Linie, einer Fläche, eines geometrischen Kör- pers. Dann ist er zwar für die Anschauung nur ein Punkt, für den Verstand aber ist er eine verschwundene Linie, Fläche, Raum, und als solchen muls ihm der Verstand vieles beilegen, was dem Punkte an sich fremd ist. Da diese Ansicht, von der gewöhnlichen Vorstellungsart etwas entfernt liegt, so wird die Erläuterung durch ein Beispiel nicht überflüssig sein. Man stelle sich einen Kreis vor als die orthographische Projection einer über ihm liegenden Halbkugel, so ist jeder Punkt desselben die Pro- jeetion einer senkrechten Ordinate. Indem man aber den Kreis nicht als einen blofsen Kreis, sondern in demselben die Halbkugel betrachtet, so legt man in der That dem Kreise und jedem Punkte desselben, ohne sich dieser Idee deutlich bewufst zu sein, eine intensiveGröfse bei, die aber, vermöge des Begriffes der Halbkugel, in jedem Punkte ein bestimmtes Maafs hat. 40 Fıscuer: Fersuch einer logischen Analyse Man kann aber noch weiter gehen. Denn wenn einmal die Möglich- keit eingeräumt ist, sich jeden Punkt als eine verschwundene extensive Gröfse zu denken, deren Theile in einander übergegangen sind, so mufs es überhaupt möglich sein, in einem Punkte ein Irgendetwas zu denken, das zu- und abnehmen kann, also eine intensive Gröfse ist. Irgendetwas ist aber offenbar ein so reiner Begriff, als irgend einer sein kann. S. 12, Nach allen bisherigen Erörterungen hat eine ganz bestimmte Erklä- rung des Begriffes einer unendlichkleinen Gröfse keine Schwierigkeit. Der Werth Null, den man einem Theile einer veränder- lichen Gröfse x zwar genau, aber nicht absolut, nämlich nur im Verhältnifs gegen jeden andern Werth von x beigelegt, heifst eine unendlichkleine Gröfse, so fern man, vermöge des Begriffes von x und des Zusammenhanges, in welchem es mit andern Gröfsen gedacht wird, genöthigt ist, demselben eine bestimmte intensive Gröfse beizulegen. Man mufs die Begriffe einer absoluten und relativen Null sorg- fältig unterscheiden. Der absolute Werth &=0 hebt auf, oder vernichtet den Begriff von x, in dem relativen Werth von x—=0 wird nicht der Begriff von x, sondern nur das äufsere Maafs desselben, was bei einer veränder- lichen Gröfse immer nur etwas zufälliges ist, aufgehoben. Jeder Theil von x steht unter dem Begriff von x; und da wir (nach $. 2.) zu dem Be- griff des Unendlichkleinen nur durch die Vorstellung einer ohne Ende fort- gesetzten Theilung gelangen, so darf das Unendlichkleine unter keinem andern Begriff gedacht werden, als unter dem eines Theiles der Gröfse welcher es angehört. Übrigens ist ein unendlichkleiner Theil nicht blofs annähernd, sondern genau —=0, doch nur im Verhältnifs gegen jeden an- dern nicht unendlichkleinen Theil. Dafs man aber, ohne allen Wider- spruch einem solchen unendlichkleinen Theil eine intensive Gröfse beile- gen könne, geht aus 8. 11. unzweideutig hervor. Diese intensive Gröfse darf aber kein willkührliches Erzeugnifs der Phantasie, sondern mufs in jedem Falle durch den Begriff der Gröfse und durch den Zusammenhang mit anderen Gröfsen völlig bestimmt sein. Der Grundsatz, dafs eine veränderliche Gröfse durch Zusatz oder Wegnahme eines von dem Begriff des Unendlichkleinen. 4 unendlich kleinen Theiles weder vermehrt noch vermindert werde, verliert in unserer Erklärung alle Bedenklichkeit. Mit dieser Erklärung müssen wir noch einen andern Grundsatz ver- binden, der zwar bisher von allen gründlichen Analytikern richtig angewen- det, aber meines Wissens nirgend bestimmt ausgesprochen worden, auf welchen aber eigentlich die ganze Theorie des Unendlichkleinen beruht. Die intensive Gröfse eines unendlichkleinen Theiles von x ist dadurch bestimmt, dafs man demselben alle diejenigen Ei- genschaften und Verhältnisse beilegen mufs, die jedem Theil von x ohne Ausnahme, vermöge des Begriffes von x und des Zusammenhanges, in welchem x mit andern Gröfsen gedacht wird, zukommen. Die Richtigkeit dieses Grundsatzes beruht aber darauf, dafs der Ver- stand mit sich selbst in Widerspruch gerathen würde, wenn er das, was je- dem Theil von x untrennbar zukommt, dem unendlichkleinen Theil ab- sprechen wollte. Nur kann die Verbindung dieser Eigenschaften und Ver- hältnisse im Unendlichkleinen keine unmittelbar anschauliche Gröfse sein, da das Unendlichkleine als solches sich selbst der unmittelbaren An- schauung entzieht. Daher geht diese Verbindung von Eigenschaften und Verhältnissen nothwendig in den Begriff einer intensiven Gröfse über. Zu mehrerer Verdeutlichung dieses Grundsatzes sowohl als der Er- klärung wollen wir einige erläuternde Beispiele hinzufügen. S. 14. Das einfachste Beispiel, das wir betrachten können, ist ein unend- lichkleiner Theil einer geraden Linie, wobei gar kein anderer Be- griff als der einer einzigen geraden Linie in Betrachtung kommt. Auf einer unbegrenzten geraden Linie denke man sich einen festen Punkt 4, und einen beweglichen 3. Rückt 3 gegen 4, so liegt zwischen beiden ein Theil der Linie. Das äufsere Maafs dieses Theiles ist verän- derlich, also zufällig; wesentlich aber sind 1) die Vorstellung des Ge- raden, d. i. der unveränderten Richtung, 2) die Vorstellung von einem festen Anfangspunkt 4, und einem veränderlichen Endpunkt B. Geht nun Bin 4 über, so verschwindet die Anschauung und das zufällige äufsere Maafs, aber nicht verschwindet für den Verstand der Begriff der Rich- Mathemat. Klasse 1829. F 42 Fıscuer: Fersuch einer logischen Analyse tung (denn sie ist mit der Linie selbst gegeben, ohne welche ein unend- lichkleiner Theil derselben nicht denkbar ist); auch verschwindet nicht für den Verstand die Vorstellung eines festen Anfangspunktes und eines beweg- lichen Endpunktes, wenn sie gleich jetzt in einander gedacht werden. Eben hierin aber, dafs in dem Unendlichkleinen nur das Zufällige, nicht das Wesentliche von dem Begriffe eines Theiles verschwindet, liegt nicht nur die Berechtigung, sondern selbst die logische Verpflichtung, das Unend- lichkleine noch immer unter dem Begriffe eines Theiles zu denken. Es liegt aber das Unendlichkleine nicht schlechthin in dem Gebiete des Nichtanschaulichen, sondern, wie schon früher bemerkt worden, scharf auf der Gränze des Anschaulichen und Nichtanschaulichen, und es nimmt daher, doch nur in einem selbst unendlichkleinen Grade, auch an den Eigenschaften des Anschaulichen Theil. Zwei Punkte, deren Entfernung = 0 ist, müssen nicht nothwendig als in einander, sondern sie können auch als an einander liegend gedacht werden. Diese Behaup- tung steht nun zwar im Widerspruch mit der allgemein angenommenen An- sicht, dafs zwei Punkte, deren Entfernung = 0 ist, nur als in einander fallend gedacht werden können. Es liegt aber bei dieser Ansicht eine ver- steckte Verwechselung von Anschauen und Denken zum Grunde. Für die Anschauung sind allerdings zwei Punkte, deren Entfernung = 0, nur ein Punkt, also in einander. Dafs sie aber auch blofs an einander lie- gend gedacht werden können, und in manchen Fällen müssen, läfst sich selbst durch empirische Beispiele aufser Zweifel setzen. Man denke sich zwei physisch-materielle Kugeln, etwa die eine von Kupfer, die andere von Zink; auf jeder Oberfläche denke man sich einen Punkt, und bringe sie in diesen zwei Punkten zur Berührung, so ist klar, dafs die Entfernung beider zwar —=0, dafs sie aber dennoch nicht in einander, sondern an einander liegen. Eben dieser Unterschied ist bei reingeometrischen Berührungen denk- bar, wenn er sich gleich der Anschaulichkeit noch mehr als dem physischen Beispiele entzieht. Noch mehr! man ist sogar genöthigt, die Entfernung —=0 zweier Punkte, als etwas Veränderliches zu denken. Denn man stelle sich vor, dafs die beiden oben betrachteten Kugeln in der Richtung der Li- nie, die durch beide Mittelpunkte und durch den Berührungspunkt geht, zusammengeprefst würden, so rücken jede zwei Punkte, die in dieser Linie liegen, folglich auch die beiden Berührungspunkte näher zusammen, obgleich von dem Begriff des Unendlichkleinen. 43 ihre Entfernung = 0 ist. Bei einer gleichförmigen Erweiterung beider Kör- per in derselben Richtung ist man durch die Gesetze unsers Denkvermögens gezwungen, auch eine Vergröfserung der Entfernung Null als denkbar anzu- erkennen. Aber offenbar ist diese Vergröfserung und Verkleinerung nur eine gedachte, nicht angeschaute, also noch immer eine intensive Gröfse. In der Elementar- Geometrie hat man nicht nöthig, beide Vor- stellungen zu unterscheiden, wohl aber in der höhern Analysis. $. 15. Man denke sich zwei gerade unbegränzte Linien, die sich unter einem beliebigen Winkel in 4 schneiden. Auf den beiden Schenkeln eines der vier Winkel schneide man zwei Stücke ZB und 4C ab, die sich wie min verhalten. Durch die Endpunkte 3 und C lege man eine dritte unbegränzte Linie, so entsteht die Vorstellung eines Dreiecks, welches durch zwei Sei- ten und den eingeschlossenen Winkel in allen seinen Bestandtheilen völlig bestimmt ist. Man denke sich den Abstand der dritten Linie 3C von 4 ver- änderlich, indem man sie, parallel mit sich selbst, von 4 entfernt, oder gegen 4 hin, oder auch über 4 hinaus in die entgegengesetzte Seite der Ebne fortrückt; so sind alle Dreiecke, die man erhält, ähnlich, die dritte Linie liege, wo man will. Die Schenkel 4 und 4C sind Theile der sich schneidenden unbegränzten Linie, und die Fläche des Dreiecks ist ein Theil der zwischen ihnen liegenden unbegränzten Ebene. In allen diesen Drei- ecken ist die Gröfse der Seiten und der Fläche veränderlich, also zufällig; dagegen ist die Gröfse aller Winkel und das Verhältnifs der Seiten, (also namentlich das Verhältnifs 43:4C = m:n) unveränderlich, also we- sentlich. Legt man nun die dritte Linie an oder in 4£, so entschwindet das Dreieck und seine Seiten zwar der Anschauung, aber nicht der Denk- kraft. Richtet man seine Aufmerksamkeit blofs auf die Fläche des Dreiecks, so mufs der Punkt 4 nicht unter dem Begriff eines blofsen Punktes, son- dern unter dem eines verschwundenen Dreiecks gedacht werden, dessen Win- keln man noch immer ihre unveränderte Gröfse beilegen mufs, was um so weniger Bedenken haben kann, da sie zwar sich selbst der Anschauung ent- zogen haben, in ihren Scheitelwinkeln aber noch immer sichtbar vor Au- gen liegen, da die Richtung der drei Linien als beständig angenommen ist. Die Seiten des unendlichkleinen Dreiecks haben zwar sämmtlich das äufsere F2 44 Fıscuer: Fersuch einer logischen Analyse Maafs = 0; aber wegen unveränderter Gröfse der Winkel mufs man ihnen noch immer das beständige Verhältnifs, das sie in allen Dreiecken ha- ben, also namentlich den unendlichkleinen Linien 2 und 4C das Ver- hältnifs m: beilegen. $. 16. Man denke sich ferner ein beliebiges Parallelogramm, dessen Höhe veränderlich, dessen Winkel und Grundlinie aber beständig sind. Setzt man die Höhe unendlichklein, also = 0, so schwindet die Fläche für die An- schauung in eine blofse Linie zusammen. Als Linie aber ist sie etwas einer Fläche Ungleichartiges, und kann daher nicht ohne Widerspruch unter dem Begriff eines Theiles der Fläche gedacht werden. Der Verstand mufs sich vielmehr dieselbe noch immer als ein Parallelogramm mit denselben Winkeln und derselben Grundlinie denken, dessen beide Grundlinien nur jetzt als an oder in einander liegend gedacht werden. Im Unendlichklei- nen mufs also auch hier das als beständig angenommene bleiben, und nur das Zufällige als verschwunden betrachtet werden. 8. 17. Der Begriff eines unendlichkleinen Winkels ist für die Anschauung eine blofse Linie. In wiefern sich aber der Verstand diese als einen Winkel denken könne und müsse, verdient eine nähere Erörterung. Was ist in dem Begriff eines veränderlichen Winkels wesentlich, und was blofs zufäl- lig? Wesentlich ist a) ein beständiger Scheitelpunkt; 2) die Vorstellung von zwei durch gerade Linien bezeichneten Richtungen, die von diesem Punkte auslaufen; c) wenn man zwischen den Schenkeln des Win- kels Kreisbögen aus dem Scheitelpunkte beschreibt, so verhalten sich diese, wie die Halbmesser. Mit der zufälligen Gröfse des Winkels ändert sich zwar die Gröfse solcher Kreisbögen, aber ihr Verhältnifs ist davon un- abhängig. Alle diese ganz constanten Bestandtheile der Vorstellung, die für jede Gröfse des Winkels gültig sind, bleiben für das Denken auch noch in dem Augenblick gültig, wo die abnehmende Gröfse des Winkels durch das nichtanschauliche Unendlichkleine aus dem Positiven in das Negative über- geht. Von dem unveränderten Scheitelpunkt laufen noch immer zwei Linien aus, dafs sie nur als eine erscheinen, ist Folge der zufälligen Gröfse des gedachten Winkels. Im vorigen $. wurde das Zusammenfallen zweier Linien von dem Begriff des Unendlichkleinen. 45 als ein Parallelogramm, hier als ein Winkel betrachtet. Dort mufsten die unendlichkleinen Entfernungen beider Linien in jeder Stelle als gleich, hier werden sie als zunehmend, in gleichem Verhältnifs mit der Entfernung vom Scheitelpunkte, gedacht, ob sie sich gleich dadurch in der Anschauung nicht wirklich von einander trennen. Daher mufs jedem Punkte einer Linie, die man unter dem Begriff eines unendlichkleinen Winkels denkt, eine in- tensive Gröfse beigelegt werden, die im geraden Verhältnifs mit der Ent- fernung vom Scheitelpunkt zunimmt. $. 18. Man stelle sich eine beliebige Pyramide vor von beständigen Dimen- sionen. Man durchschneide sie vermittelst einer beweglichen Ebene parallel mit der Grundfläche, so ist der Theil der Pyramide über derselben eine ähnliche Pyramide, und der untere Theil eine abgekürzte Pyramide. Rückt man die bewegliche Ebene der Spitze entgegen, so bleibt zwi- schen beiden stets eine Pyramide, die der ganzen ähnlich ist. Daher sind die Gröfsen aller ebenen Neigungen und körperlichen Winkel, desgleichen die Verhältnisse aller Linien und Flächen beständig. Das äufsere Maafs der Linien, Flächen, und des körperlichen Inhalts sind veränderlich und verschwinden wenn die bewegliche Ebene an oder in die Spitze gelegt wird. Unter diesen Voraussetzungen darf die Spitze nicht als ein Punkt, sondern als eine verschwundene Pyramide betrachtet werden: aber alles, was bei jeder anderen Lage der beweglichen Ebene als beständig erschien, muls auch jetzt der verschwundenen Pyramide und ihren Bestandtheilen als in- tensive Gröfse beigelegt werden. Rückt man dagegen in der abgekürzten Pyramide die bewegliche Ebene gegen die Grundfläche, bis die Höhe der abgekürzten Pyramide un- endlichklein wird; so bleibt für die Anschauung nichts als die Grundfläche übrig; aber in diesem Zusammenhange mufs sie unter dem Begriff einer ab- gekürzten Pyramide gedacht werden, deren untere Grundfläche in allen Be- standtheilen beständig ist; die obere ist veränderlich aber der unteren ähn- lich; die Seitenlinien und Seitenflächen sind zwar unendlichklein, aber man mufs ihnen noch immer dieselben Richtungen und Neigungen beilegen, die sie an der ganzen Pyramide hatten. 46 Fıscner: Versuch einer logischen Analyse 8. 19. Nichts dürfte vielleicht für die richtige Auffassung des Begriffes un- endlichkleiner Gröfsen lehrreicher sein, als der Begriff einer Krümmung; denn alles was wir in den allgemeinen Betrachtungen sowohl als in Beispie- len aus Begriffen abzuleiten versucht haben, läfst sich an dem Begrifte der Krümmung thatsächlich, ja gewissermaafsen anschaulich nachweisen. Die Krümmung eines endlichen Bogens ist die Abweichung seiner Richtung in den beiden Endpunkten. Da man aber ganz richtig sagt und sagen mufs, dafs in einer krummen Linie kein Theil gerade ist, so mufs noth- wendig schon in jedem Punkte oder vielmehr in jedem unendlichkleinen Theil eine Krümmung vorhanden sein. Diese Krümmung kann aber selbst nicht anders als unendlichklein gedacht werden. Da nun der Begriff der Krümmung in jedem menschlichen Kopfe vorhanden ist, so ist auch der Begriff von etwas Unendlichkleinen thatsächlich in jedem Kopfe vorhanden, wenn auch nicht nothwendig als ein abgesonderter und mit Bewufstsein ge- dachter Begriff. Da ferner die Krümmung im Fortlaufe einer Curve zu- und abnehmen kann, so ist sie eine Gröfse und wir haben also einen Fall, wo jeder Nach- denkende thatsächlich gezwungen ist, einem unendlich kleinen Dinge eine Gröfse beizulegen. Und diese Gröfse liegt wie jeder unendlichkleine Theil einer extensiven Gröfse auf der äufsersten Grenze des Anschaulichen und Nichtanschaulichen, und gleichsam halb in diesem, halb in jenem Gebiete. Denn obgleich die Krümmung eines unendlichkleinen Theils an sich nicht sichtbar sein kann, so kann doch selbst das körperliche Auge, so weit nur seine Unterscheidungskraft reicht, die Krümmung verfolgen, und ihr Zu-und Abnehmen wahrnehmen. Noch mehr! Obgleich jede unendlichkleine Krümmung im eigent- lichsten Sinne —=0 ist,so ist man doch nicht nur gezwungen, ihr eine Gröfse beizulegen, sondern es läfst sich ein bestimmtes anschauliches Maafs dersel- ben nachweisen, d.h. eine anschauliche Gröfse, der sie in jedem Falle pro- portional ist. Gleiche Kreise haben nämlich in allen Punkten gleiche Krümmung, in ungleichen verhalten sich die Krümmungen erweislich umgekehrt wie die Halbmesser. Nennt man also den Halbmesser eines Krei- ses x, so steht seine Krümmung im geraden Verhältnifs mit Er Da nun die Function L, von 0 bis © positiv oder negativ wächst, wenn x selbst um- von dem Begriff des Unendlichkleinen. 47 gekehrt von bis 0 abnimmt, so ist klar, dafs die Krümmung ungeachtet ihrer unendlichen Kleinheit dennoch in der That alle positiven oder nega- tiven Werthe haben könne, die zwischen 0 und liegen. In einer ungleich gekrümmten Curve mufs es also möglich sein, für jede Stelle einen Kreis zu finden, der dieselbe Krümmung hat; worauf der Begriff des Krümmungs- halbmessers beruhet. Es ist aber möglich den Satz, dafs die unendlichkleine Krümmung =0'sein und doch von 0 bis oo wachsen könne, der Anschauung noch näher zu bringen. Man denke sich eine unbegrenzte gerade Linie und in dieser einen festen Punkt, durch welchen man aus jedem andern Punkt der Linie einen Kreisbogen beschreiben kann. Die Krümmung eines solchen Bogens steht also, wenn er mit dem Halbmesser & beschrieben ist, mit nn in gera- dem Verhältnifs. Man setze nun x unendlichgrofs, so ist das Maafs der Krümmung a = 0, d.h. der Bogen verwandelt sich in eine durch den festen Punkt senkrecht gelegte gerade Linie, und in dieser ist die Krüm- mung = (0, nicht blofs relativ wie jedes Unendlichkleine, sondern abso- lut, weil in der Vorstellung einer geraden Linie der Begriff der Krümmung nicht blofs unendlich verkleinert, sondern vernichtet ist. Setzt man ferner x beliebig sehr grofs aber endlich, so erhält man die Vorstellung eines sehr flachen Bogens, der also nur eine geringe Krümmung hat, da en desto klei- ner, je gröfser & ist. Nimmt x ferner ab, so wächst 4 also auch die Krüm- mung. Wird &=0, so ist die Krümmung — = x, und es fragt sich nun, ob, und was man sich deutlich hierbei denken könne? Nach unserer Ansicht al- lerdings. Setzt man nämlich x=0, oder, was dasselbe sagt, =d.x, so behält die Anschauung zwar nichts als das Bild eines Punktes, für den Ver- stand aber ist er ein mit dem Halbmesser dx beschriebener Kreis; denn nicht der Begriff des Kreises, der in diesem Zusammenhang gedacht we- sentlich und unabänderlich ist, sondern nur die anschauliche Gröfse fehlt. Aber mit dem Begriff des Kreises ist auch die ganze Theorie des Krei- ses auf ihn anwendbar, so fern die Sätze unabhängig sind von einer bestimm- ten Gröfse des Halbmessers. Dieser unendlichkleine Kreis hat also auch eine Peripherie, und da sein Halbmesser dx ist, so ist seine Peripherie be- stimmt 2rdıx, also auch unendlichklein; und die Krümmung einer solchen Peripherie ist unstreitig gröfser, als die Krümmung jedes noch so kleinen o Kreises von endlicher Gröfse. 48 Fıscner: Fersuch einer logischen Analyse Da nun die Veränderung einer Krümmung nicht in einer vermehrten oder verminderten Ausdehnung des Bogens, sondern blofs in einer verän- derten Richtung seiner Theile besteht, so kann man die Krümmung keine extensive Gröfse nennen. Wenigstens kann man nur sagen: sie liege auf der äufsersten Grenze zwischen dem Extensiven und Intensiven, und nehme an den Eigenschaften beider Theil. Auf alle Fälle beweiset sie thatsächlich, dafs auch eine intensive Gröfse von Obisoo positiv und negativ wachsen und abnehmen könne. Anwendung der Theorie auf die Differential- Rechnung. S. 20. In der Arithmetik sind alle Constructionen der Formeln symbolisch. In der Geometrie construirt man zwar die Gröfsen unmittelbar, doch ist leicht einzusehen, dafs geometrische Constructionen auch einen symboli- schen Sinn haben können, da man bildlich jede einfache Gröfse (Zeit, Kraft, Geschwindigkeit ete.) durch eine Linie vorstellen kann. Da aber das Unend- lichkleine als intensive Gröfse keiner unmittelbaren Construction empfäng- lich ist, so mufs auch die geometrische Construction aus dem Gesichtspunkte einer symbolischen beurtheilt werden. Da indesssen alle arithmetischen Con- structionen ihrer Allgemeinheit wegen wichtiger sind als die geometrischen, so wollen wir zuerst von jenen reden. Es kann meine Absicht nicht sein, alle Grundformeln der Differen- tialrechnung nach der vorgetragenen Theorie entwickeln zu wollen, wenn es auch die hier zu beobachtenden Grenzen erlaubten. Es ist aber dieses um so weniger nöthig, da ich blofs den Zweck habe, das gemeine und bekannte Verfahren, wie es in allen guten Lehrbüchern angewendet wird, von den Dunkelheiten, die man bisher dabei gefunden hat, zu befreien, und alles auf deutliche Begriffe zurück zu bringen. Es wird daher hinlänglich sein, noch kurz die allgemeine Regel auszusprechen, nach welcher alle Differential- Formeln entwickelt werden. R ie " Es seien x und y zwei von einander abhängige veränderliche Gröfsen, so dafs eine eine Function der andern, also z.B. N von dem Begriff des Unendlichkleinen. 49 ist. Hier fasse man zuerst die Begriffe von a undy scharf auf. Unter x kann man sich jede beliebige unbeschränkt veränderliche Gröfse vorstellen; doch knüpfen sich an ihren Begriff alle diejenigen Verhältnisse und Bestim- mungen, in welchen & gegen die übrigen Bestandtheile der Formel gedacht werden soll; y aber ist der Totalwerth, den die ganze Formel vermöge jedes beliebigen Werthes von x erhält. Da die Fx jeden Werth von y ange- ben soll, der irgend einem Werth von x angehört, so mufs sie auch gültig bleiben, wenn man &= 0 setzt, wodurch aber nicht nothwendig auch „= 0 wird, also kein Differentialverhältnifs 2 gefunden wird, was der eigent- liche Zweck ist. Man kann aber denselben in jedem Fall auf folgende Art erreichen. Setzt man zu x ein beliebiges veränderliches Stück hinzu, welches man gewöhnlich mit Ax bezeichnet, so wird dadurch auch y eine Verände- rung erhalten, die man Ay nennt. Man hat also y+Ay=F(«+&x). Hierauf wird P(x-+Ax) in eine endliche oder unendliche Reihe von Gliedern, die nach Potenzen von Ax geordnet sind, aufgelöst. Dieses ist eigentlich keine eigenthümliche Arbeit der Differential-Rechnung, denn es gehört zu den Geschäften der Analysis des Endlichen, zu zeigen, wie jede Formel in eine nach Potenzen einer darin enthaltenen Gröfse geordnete end- liche oder unendliche Reihe zu verwandeln sei. Die Schwierigkeiten, welche sich hierbei in einigen Fällen zeigen, hat daher nicht die Differential-Rech- nung zu vertreten. Wir wollen sie daher auf sich beruhen lassen, doch wird sich in der Folge noch Gelegenheit zu einigen Bemerkungen finden. Ist auf diese Art gefunden „+ Ay =F(x+Ax)=P+ 0Q.Ax + R.Ax’+S.Ax’+ etc. so läfst sich ohne Schwierigkeit zeigen, dafs P nichts anders als die ursprünglich gegebene Fx sei. Läfst man daher auf der linken Seite y und auf der rechten ? weg, so bleibt Ay Q.Ax-+R.Ax’+ 5.Ax’-+ etc. und diese Gleichung ist für jeden Werth von Ax gültig. Setzt man nun Ax=—0,sohatman dx statt Ax, und dy statt Ay zu schreiben. Dann folgt ein der Differential-Rechnung eigenthümlicher Schlufs, der bisweilen An- stofs gefunden hat, dafs nämlich gegen das erste Glied Q.d.x alle folgenden Glieder verschwinden, und also dr=.Qdz Mathemat. Klasse 1829. G 50 Fısener: Versuch einer logischen Analyse sei. Wenn man in diesem Schlusse Dunkelheit findet, so rührt sie blofs daher, dafs man den Begriff des Unendlichkleinen nicht scharf gefafst hat, und daher nicht deutlich erkennt, dafs, und in welchem Sinn dx nicht näherungsweise, sondern genau —0 ist, so dafs also irgend ein endlicher Werth von x weder kleiner noch gröfser wird, wenn man ein gleichartiges Unendlichkleines & dx hinzufügt. Denn hat man irgend zwei Glieder, Vax"+MWdx"'', von denen das zweite eine höhere ganze Potenz als das erste enthält, so ist genau Fix” MA” —= Pig”, denn Pax” + Wax" = Vax* (1 +-de')) j wo sichtbar die ganze Klammer den Werth 1 hat. Daher verschwindet nicht näherungsweise, sondern genau jedes Glied gegen das nächst vorhergehende, und alle gegen das erste. g. 22. In der so gefundenen ‚Differential- Gleichung dy=DOdx; oder — —ı ist Q irgend eine von Fx abhängige, aber von ihr verschiedene Formel, die in manchen Fällen blofs die in x vorkommenden beständigen Gröfsen ent- hält, in den allermeisten Fällen aber irgend eine Function von & ist. Der eigentliche Sinn dieser Formel scheint es hauptsächlich zu sein, über welchen man bisher nicht ins Klare kommen konnte (!), ob da- durch gleich der weitere richtige Gebrauch derselben nicht aufgehalten wird, weil man überzeugt war, dafs man nicht auf einem falschen Wege zu dersel- ben gelangt sei. Nach der hier vorgetragenen Theorie kann über den Sinn einer solchen Formel wie 2 = ( gar kein Zweifel obwalten. Q ist der Ausdruck des Verhältnisses, in welchem die intensive Gröfse der beiden Differentiale steht. Denn wir haben oben (besonders in $. 13.) gezeigt, dafs alle Verhältnisse, Beziehungen und Begriffe, welche bei einem Paar von einander abhängigen veränderlichen Gröfsen, ganz unabhängig von ihrem Maafse, statt finden, auch dann, wenn beide unendlichklein werden, noch immer als vorhanden (') Man vergleiche Klügels treffliches mathematisches Wörterbuch, im Art. Differential. von dem Begriff des Unendlichkleinen. 51 gedacht, und den Bestandtheilen unter der reinen Form intensiver Gröfsen beigelegt werden müssen. Diese beständigen Verhältnisse aber sind durch die ursprüngliche Gleichung la ik. gegeben. Aus dieser gingen sie ferner über in die beiden abgeleiteten Gleichungen y+Ayr=F(x-+Aa) und Ay=P+0QAx+Räx’-+ etc. Gehen endlich die Differenzen Ax und Ay in die Differentiale dx und dy über, so ist klar dafs die Gleichung dy dx Q nichts anders ausdrückt als das Verhältnifs, welches den unendlichkleinen Gröfsen dy und dx vermöge der beständigen und von dem äufseren Maafse unabhängigen Beziehung zukommt, welche der Verstand den Gröfsen x und y3 in der gegebenen Gleichung J = F'x beigelegt hat. $. 23. Dafs die Formel Q das Maafs einer intensiven Gröfse ist, kann auf ihren Bau so wie auf ihre weitere analytische Behandlung keinen Einflufs haben. Denn ob man gleich bei der Entwickelung einer jeden analy- tischen Formel, die besondern Begriffe der darin vorkommenden ungleich- artigen Gröfsen nicht aus dem Gesichte verlieren darf, so kann man doch in derschon entwickeltenFormel alle Bestandtheile der Formel blofs als unbestimmte Stellvertreter von Zahlen betrachten, die in bestimmten arith- metischen Verhältnissen gegen einander gedacht werden, ohne weitere Rück- sicht auf ihre besondere Beschaffenheit, es müfste denn sein, dafs, durch die besondere Beschaffenheit eines Satzes, den Gröfsen gewisse Eigenschaften beigelegt würden, die auf ihre arithmetische Behandlung Einflufs hätten; wie dieses z.B. immer der Fall ist, wenn die Bestandtheile einer Formel als discrete Gröfsen (etwa als vollständige Quadratzahlen) angesehen werden sollen, welches man freilich weder bei der Entwickelung noch bei dem Ge- brauch aus den Augen verlieren darf. Eine Formel wie Q unterscheidet sich daher in Nichts von jeder analytischen Formel, und ist sie daher eine Func- tion von x, so kann man auf sie die Operation der Differential- Rechnung G2 52 Fıscner: Versuch einer logischen Analyse nochmals anwenden. Aber nicht blofs die Formel Q, sondern selbst die Zeichen dy und dx können, da sie wirklich in ihrem Verhältnisse bestimmte Gröfsen vorstellen, völlig wie andere Zeichen veränderlicher Gröfsen behan- delt, und daher auch dem Algorithmus der Differential- Rechnung unter- worfen werden. Wendet man diesen auf die Gleichung dy a an, und betrachtet man dx als eine beständige Gröfse, so erhält man dd —I—R; dx? und ist dieses R wieder eine Function von x, so kann man daraus ableiten d’y IS dx u.s.f. kurz es erscheinen auch alle höheren Differentiale nach der hier entwickelten Ansicht als streng gerechtfertigt, deren Sinn bisher auch immer als dunkel erschien. Das Recht, dx als eine beständige Gröfse zu behandeln, beruhet dar- auf, dafs ein Unendlichkleines wie dx allezeit als eine veränderliche Gröfse gedacht werden mufs, die in sich selbst zu- und abnehmen kann. Diese Ver- änderung darf nach gleichen oder ungleichen Graden fortschreitend gedacht werden, und wenn man die Formel dy= Ode betrachtet, so hat man bei dr völlige Freiheit, wie man sich das Fortschrei- ten ihrer Veränderung denken will. Denkt man es sich nun durch gleiche Theile fortschreitend, so betrachtet man dx als eine beständige Gröfse. Und da eine intensive (Gröfse keinen äufsern bestimmten Maafsstab haben kann, so kain man auch dx als eine Einheit betrachten, und dann ist Q die intensive Gröfse, die dy hat, so fern es durch dx gemessen wird. Über die geometrische Construction der Differentiale. $. 24. Auch die Bedenklichkeiten die man gegen die geometrische Betrach- tung von Differential-Verhältnissen äufsert, beruhen theils darauf, dafs man rn von dem Begriff’des Unendlichkleinen. 53 den Begriff des Unendlichkleinen und der darauf beruhenden Grundsätze (8. 13. und 14.), theils darauf, dafs man den symbolischen Charakter der Construction nicht bestimmt und scharf genug bisher aufgefasst hat. Nach 8.14. folgt aus dem Begriff eines unendlichkleinen Theiles ei- ner veränderlichen Gröfse: dafs alle diejenigen Verhältnisse, welche jedem Werthe der veränderlichen Gröfse constant aber ganz unabhängig von dem äufseren Maafse des Werthes zukommen, nothwendig auch in dem unend- lichkleinen Theil derselben, als vorhanden gedacht werden müssen, wenn der Verstand nicht in einen Widerspruch mit sich selbst gerathen soll. Hier- aus folgt aber, dafs ein beliebigkleiner Theil der veränderlichen Gröfse ein vollkommen angemessenes Bild (oder Symbol) eines unendlichklei- nen Theiles ist, wenn man bei Betrachtung desselben seine Aufmerksam- keit blofs auf das richtet, was in allen Bestandtheilen unveränderlich und von dem äufseren Maafse ganz unabhängig ist. Will man z.B. von irgend einer bestimmt angenommenen Pyramide einen unendlichkleinen Theil an der Spitze abschneiden, so lege man in be- liebiger Entfernung von der Spitze eine der Grundfläche parallele Ebene; so wird man sich durch Betrachtung der dadurch abgeschnittenen Pyramide leicht überzeugen, dafs zwar in allen auf dieselbe Art abgeschnittenen Thei- len der ganzen Pyramide das Maafs aller Linien, Flächen und des einge- schlossenen körperlichen Raumes verschieden ist, dafs aber die Anzahl aller Flächen und die gegenseitige Lage derselben unverändert bleibt, dafs fer- ner alle gleichliegenden Flächen ähnlich sind, und dafs folglich alle Neigungs- und Flächen-Winkel von unveränderter Gröfse sind. Alle diese Bestim- mungen müssen daher auch der unendlichkleinen Pyramide, ob sie gleich für die Anschauung in einen Punkt zusammenschmilzt, beigelegt werden, d.h. die unendlichkleine Pyramide ist für den Verstand nicht ein Punkt, sondern er mufs sie unter dem Begriff’ einer der Anschauung entschwundenen Pyramide denken, in welcher aber nur das Zufällige und Veränderliche ver- schwunden ist, das Beständige und Unveränderliche aber noch immer fort- bestehend gedacht werden mufs, wenn der Verstand nicht, im Widerspruch mit sich selbst, aufhören soll, die unendlichkleine Pyramide als einen auf bestimmte Art entstandenen Theil der gegebenen zu denken. 54 Fischen: Fersuch einer logischen Analyse 8.126. -Am meisten Bedenken findet man aber bei der geometrischen Con- struction von Differential-Verhältnissen darin, dafs wenn in dem Bilde ein gekrümmter (oder unebener) Bestandtheil vorkommt, man denselben in dem dadurch versinnlichten Unendlichkleinen bald als gekrümmt (oder un- eben), bald als gerade (oder eben) betrachtet. Beide Vorstellungen lassen sich vollkommen rechtfertigen; denn es ist gar nicht willkührlich, welche von beiden man anzuwenden habe. Man ziehe zu einem Punkt einer Curve die Tangente und die Ordinate. In einer kleinen Entfernung von dieser lege man eine zweite Ordinate, so liegt zwischen beiden sowohl ein Stück des Bogens als der Tangente. Denkt man sich nun beide Ordinaten unendlich nahe, so bleibt zwar im Begriffe das Differential des Bogens immer etwas anders als das Differential der Tangente, fragt man aber nach dem Verhält- nifs beider, so ist es das Verhältnifs der Gleichheit. Beide sind näm- lich Differentiale von Linien, und müssen daher unter dem Begriff unend- lichkleiner Linien gedacht werden. Dazu gehört (nach $. 14.) der Begriff einer Richtung, und dieser ist in beiden Differentialen derselbe. Ferner gehört dazu die Vorstellung eines Anfangs- und End-Punktes. Jener ist wieder in beiden derselbe. Die Endpunkte sind zwar für den Verstand nicht dieselben, aber unendlichnahe beisammen, oder ihre Entfernung ist Null. Daher dürfen beide als zusammenfallend gedacht werden. Ihr intensives Län- genmaafs hat also das Verhältnifs 1:1; und man ist daher berechtigt, nach Er- fordernifs das eine statt des andern zu setzen. Ich sage nach Erfordernifs der Umstände: also nicht willkührlich. Hat man z.B. den Zweck, das intensive Längen -Verhältnifs des Differentials des Bogens gegen das Differential einer der beiden Coordinaten zu bestimmen, so mufs dieses gleich sein dem Ver- hältnifs des Differentials der Tangente gegen das Differential derselben Coordinate, d.h. man kann und muls das Differential des Bogens als ge- rade betrachten. Geht hingegen der Zweck der Untersuchung auf die Be- stimmung des Krümmungshalbmessers, der für jeden unendlichkleinen Theil der Curve ein anderes bestimmbares Maafs hat, so kann und darf,das Differential des Bogens nicht mit dem der Tangente vertauschet werden. Dafs sich ganz ähnliche Betrachtungen über die zusammengehörigen Differentiale einer gekrümmten und ebenen Fläche anstellen lassen, bedarf keiner Erwähnung. von dem Begriff des Unendlichkleinen. 55 $. 26. So wie es auf den ersten Blick als willkührlich und daher unsicher erscheinen kann, dafs man das Differential einer krummen Linie in gewissen Fällen als krumm, in anderen als gerade betrachtet, eben so kommen bei andern Untersuchungen, besonders in der reinen Bewegungslehre, willkühr- lichscheinende Vertauschungen verwandter Begriffe vor. So nimmt man z.B. an, dafs das Differential des Weges bei einer gleichbeschleunigten Bewegung mit gleichbleibender Geschwindigkeit, bei einer ungleich- beschleunigten mit gleichbleibender Beschleunigung zurückgelegt werde, ob es gleich unbestreitbar ist, dafs die augenblickliche Bewegung unter keinen andern Gesetzen stehen könne, als die in einer endlichen Zeit zurückgelegte. Es dürfte nicht leicht diese Vertauschung der Begriffe auf eine ganz befriedigende Art zu rechtfertigen sein, wenn man dergleichen Fälle auf keinem andern, als dem rein analytischen Wege betrachtet. Nimmt man aber die geometrische Construction zu Hülfe, so zeigt sich, dafs diese Vertauschung der Begriffe in der That nichts anders ist, als die im vorigen $. vollständig, wie es mir scheiut, gerechtfertigte Vertauschung der Begriffe von Gerade und Krumm. $. 27. Zum Schlufs dieser Abhandlung, welche ich der sorgfältigsten aber vorurtheilsfreien Prüfung der Leser angelegentlich empfehle, kann ich nicht umhin, die Bemerkung beizufügen, dafs es mir scheint, als ob gegenwärtig die Bearbeitung der Wissenschaft im Ganzen eine Richtung nehme, welche auf einer gewissen Überschätzung der analytischen Methode beruhen möchte. Es kann zwar keinem Sachkundigen einfallen zu bestreiten, dafs die analy- tische Behandlung mathematischer Fragen unendlichweiter führt, als die geometrische: aber die Neuen würden gewifs nicht zu dem jetzigen hohen Standpunkt der Wissenschaft gelangt sein, wenn ihnen die Alten nicht so vortrefflich durch ihre scharfsinnigen geometrischen Untersuchungen vorge- arbeitet hätten. So wie aber der menschliche Geist im Ganzen von der Geometrie ausgehen mufste, um zu dem höchsten Standpunkt der Wissen- schaft zu gelangen, eben so dürfte es wohl auch für den einzelnen Kopf keinen andern Weg geben. Dies bestreitet auch wohl Niemand; aber es scheint mir, als ob man jetzt die Geometrie auf eine für die Wissenschaft nachtheilige Art von der Analysis trenne, indem wir die scharfsinnigsten 56 Fıscnen: Fersuch einer logischen Analyse u.s. w. Werke über höhere Analysis, ja selbst über höhere Mechanik besitzen, in welchen man geflissentlich allen geometrischen Betrachtungen ausweicht. Aber kein Sachkundiger kann es leugnen, dafs Analysis und Geometrie ge- genseitig einander aufklären, und dafs eine vollkommene Befriedigung nicht nur des Verstandes, sondern auch der Vernunft, nur durch eine zweck- mäfsige Vermischung beider zu gewinnen sei. Die Einheit, welche die Vernunft in allen Wissenschaften fordert, bestehet nicht in einer einförmi- gen Behandlungsart des Einzelnen, sondern in der systematischen Einheit der Wahrheiten, welche durch die Wissenschaft zu Tage gefördert werden. Einförmige Behandlungsart ist nicht ein unbedingtes Gesetz der Vernunft, sondern die Vernunft ist nur an die Bedingung gebunden, in so fern der höchste Zweck der Wissenschaft dadurch sicherer und vollständiger erreicht werden kann. Jedes Besondere erfordert schon seinem Begriffe nach eine eigenthümliche Behandlung, und es ist nur eine logische Künstelei, wenn man eine bestimmte Behandlungsart aller Gegenstände für alle Theile einer Wissenschaft fordert. Zu den höchsten Forderungen der Vernunft an. die Wissenschaft gehört unstreitig die Festigkeit des Grundbaues, und diese wird man in der Mathematik schwerlich erlangen, wenn man nicht mit der sym- bolischen Behandlung der Gegenstände in der Analysis oft auch die unmit- telbare Anschauung verbindet, welche der Geometrie eigentlich angehört. LED ZB 0 en = Über Arıstoteles Mechanische Probleme. Vo n H® POSELGER. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 9. April 1529.) 1 In bate m beginnt das erste Capitel mit der Bemerkung, dafs durch Kunst (Techne) wunderbare Erfolge sich herbeiführen lassen, d.h. solche, die den Anschein geben von etwas sich selbst widersprechendem. Er rechnet dahin das Bewegen sehr grofser Lasten durch sehr kleine Gewichte, und be- hauptet, der erste Grund hievon liege darin, dafs auch der Kreis in sich Ei- genschaften, die einander zu widersprechen scheinen, vereinige: die Ruhe, in Beziehung auf den Mittelpunkt, verbunden mit gleichzeitiger Bewegung in Beziehung auf den Halbmesser; das Hohle verbunden in Eins mit dem Erhabenen, da doch das Eine in das Andere nur durch die Zwischenstufe des Geraden übergehen kann; das Fortschreiten des Halbmessers, im Er- zeugen des Umfanges, nach der einen und zugleich nach der dieser entge- gengehenden Richtung. Er bringt hiemit die Erscheinung der Bewegung der beiden Enden eines Wagebalkens um den dazwischen fallenden Aufhän- gepunkt, in Zusammenhang, und wendet das hievon Giltige auf den Hebel an, den er für einen Wagebalken erklärt. Als die dahin gehörige Hauptfrage ist die im 4 Capitel erörterte zu betrachten: Warum kleine Kräfte am Hebel grofse Lasten bewegen’? Zur Antwort darauf bahnt er sich den Weg mit einer genaueren Untersuchung der Natur und der Gröfse der Bewegung eines Punktes, gelegen in dem Um- fange eines Kreises, wenn sich dieser um seinen Mittelpunkt dreht. Mathemat. Klasse 1529, H 53 PoseEeuLcer Die Grundlage dieser Untersuchung ist ihm das Theorem vom Paral- lelogramm der Kräfte, und er giebt davon einen scharfen geometrischen Be- weis. Die Bewegung aber des Punktes im Umfange nach dessen Richtung, stellt er als zusammengesetzt dar aus zwei Bewegungen, einer nach einer Ge- raden, die den Kreis in diesem Punkte selbst berührt; einer zweiten, nach dem Mittelpunkte hin durch den Halbmesser, der den bewegten Punkt mit dem Mittelpunkte des Kreises verbindet. Jene nennt er die Bewegung nach der Natur; diese: die gegen die Natur; stellt diese ganz ausdrücklich als ein Angezogen werden dar, und zeigt, diese ausdrückend durch den Sinus versus des Bogens, welchen der Punkt auf dem Umfange mit gegebener Sei- tengeschwindigkeit durchläuft, scharf geometrisch, dafs sie kleiner werde für gröfsere Kreise, gröfser für kleinere. Es geht daraus zugleich hervor, dafs, auch angenommen, die Seitengeschwindigkeit nach der Berührenden bleibe unveränderlich dieselbe, dennoch die nach dem Mittelpunkte in jedem Au- genblick sich ändere. Dies ist ihm die Ursache, warum der Punkt keine gerade sondern eine gegen den Mittelpunkt gebogene Linie beschreiben ; warum ferner die Geschwindigkeit seines Umlaufes desto gröfser werden müsse, je gröfser der Halbmesser. Von diesen sehr allgemein gehaltenen Lehren macht er, im Vorbei- gehen, Anwendung auf die Bewegung eines an beiden Enden belasteten Wa- gebalkens und leitet hieraus folgerecht eine Lösung her der Aufgabe von Bewegung grofser Lasten durch kleine Kräfte am Hebel, wenn gleich, wie sie jetzt vor uns liegt, mit einer unvollendeten Demonstration. Unter der Wage, die er seinen Erklärungen zum Grunde legt, ist sichtbar überall eine zweiarmige zu verstehen, an deren einem Ende die bewegte Last, an dem andern das bewegende Gewicht, und zwischen beiden der unbewegliche Aufhängepunkt. Da eine so genannte einarmige Wage sich leicht auf die zweiar- mige zurückführen läfst, so dürfte es wenigstens zweifelhaft bleiben, ob die Wissenschaft zu Aristoteles Zeit den einarmigen Hebel für eine besondere Gattung anerkannt habe? Die Schnellwage, die nur das eine Ende mit einem unveränderlichen Gewichte belastet trägt, während der Aufhänge- punkt von einem Ende bis zum andern verschiebbar ist, sieht er im 24” Capitel als einen Inbegriff von einer beliebigen Anzahl von zweiarmigen Wagen an. Überall findet sich bei ihm nur der zweiarmige Hebel; auch über Aristoteles Mechanische Probleme. 59 das Ruder, das Steuer, den Mast eines Schiffs bringt er unter diesen Begriff. Diese liefern ihm den Stoff zu eben so viel Untersuchungen über die Art, wie sie als Hebel wirken. Dann lenkt er auf radförmige Bewegungen ein, wo aufser der Natur des Hebels auch noch die besondere des Kreises sichtbar wird. Mit Betrachtung verschiedener dahin gehöriger besonderer Fälle, be- schäftigt er sich in dem noch übrigen Theile dieses seines Werkes; doch knüpft er daran vorhin noch nicht vorgekommene, gelegentlich angebrachte, Bemerkungen über Mittheilung der Bewegung und deren Übertragung auf ruhende, oder auch auf schon in Bewegung seiende Körper. Dahin gehört: Körper von rundlicher Figur werden auf einer sie berührenden Fläche leich- ter fortgewälzt, als andere, weil bei jenen die Schwere sich der antreiben- den Kraft beigesellt; jeder Körper, er ruhe oder bewege sich, leistet Wi- derstand einer ihm von aufsen mitzutheilenden Bewegung; so drücke die Last auf einem Wagen nicht blos die Axe nach dem Boden hin, sondern hemme auch die Bewegung nach der Seite. Aus solcher Mittheilung leitet er ab die gröfsere Leichtigkeit der Fortschaffung einer Last mittelst Walzen, als der mittelst Räder; die Vermehrung der Schnelligkeit des Wurfes eines Geschosses aus einer Schleuder verglichen mit dem aus der freien Hand; die verstärkte Wirkung des Keiles als doppelten Hebels, durch darauf fallende Schläge; das Spalten des Holzes mittelst geschwungener Axt. Der Haupt- satz, der alle diese Fälle unter sich begreift, ist erst später zur Sprache gebracht, im 32"® Capitel; dieser: dafs eine mitgetheilte Bewegung eine schon vorhandene entweder begünstigt, oder hindert. Im letzteren Falle verliert sie einen Theil ihrer eigenen Geschwindigkeit durch die Gegen- wirkung. Über einen ganz besondern Fall hiervon hat Aristoteles sich in dem 24" Capitel sehr umständlich verbreitet. Er kommt darin zurück auf das Parallelogramm der Kräfte. Allein, was er hier darüber sagt, ist keine blofse Erweiterung des früher gelehrten, oder eine Erläuterung oder Er- gänzung jenes Beweises, vielmehr eine Veränderung des vorhin genomme- nen Gesichtspunktes. Dort handelte es sich von Richtung der zusammen- gesetzten Kraft und ihrer Gröfse im Verhältnifs der zusammensetzenden : hier von den gegenseitigen Wirkungen dieser letzteren, und der durch ihre H2 60 PoseLcer Zusammensetzung für jede einzelne hervorgehenden Verstärkung oder Ver- minderung. Zwei Eckpunkte in einem Rhombus werden, wenn man ihnen eine eigenthümliche Geschwindigkeit beilegt, durch die damit sich zusammen setzende Bewegung des Rhombus selbst, die nur eine ist und nach einer ein- zigen Richtung fortgeht, genöthigt, ganz verschieden grofse Räume zu durch- laufen. Aristoteles hat diesen Fall mit vorzüglicher Sorgfalt beleuchtet. Dafs der Punkt in der stumpfwinklichen Ecke dann eine kürzere Dia- gonale durchlaufe als der in der spitzwinklichen, ergiebt sich schon von selbst, aus dem Parallelogramm der Kräfte. Aristoteles will hier offenbar nur das scheinbar sich widersprechende auflösen, dafs diese verschieden lange Wege durch gleiche Geschwindigkeit bedingt werden, und entnimmt die Auf- lösung aus der Natur der Mittheilung verschiedener Bewegungen. Ein Theil der übrigen Capitel seines Buches enthalten nur noch die Anwendung seiner allgemeineren Grundsätze auf besondere Fälle. Darunter das unter dem Namen ‚‚Rad des Aristoteles’' so berühmt gewordene Pro- blem. Zwei Kreise, verschiedener Halbmesser, drehen sich eine gerade Linie berührend, jeder für sich, unabhängig, um ihre Mittelpunkte rund um. Die Umfange derselben werden auf der berührenden Geraden Theile durchgehen, die sich zu einander verhalten, wie die Halbmesser. Werden aber beide in einerlei Ebene gelegt, und ihre Mittelpunkte in einander fal- lend zusammen gefügt, so wird bei der Umwälzung des einen Kreises jedes- mal der andere mit umgewälzt. Dann aber werden die Abschnitte der sie berührenden Geraden, diese parallel gedacht, nach vollendeter Umwälzung, nicht mehr verschieden, sondern, für den einen Kreis und für den andern, dieselben sein. Z.B. der gröfsere Kreis sei viermal so grofs als der kleinere, so wird der kleinere bei des gröfseren Umwälzung einen Abschnitt der be- rührenden Geradea durchlaufen, viermal so grofs als sein eigener Umfang. Umgekehrt bei des kleineren Umwäizung durchläuft dann der gröfsere nur den vierten Theil seines eigenen Umfanges und wird dennoch mit dem klei- neren zugleich rund umgewälzt. Wir übergehen die andern Fragen, die Aristoteles, in den sechs und dreifsig Capiteln seines Werkes, der Erörterung unterzieht, da sie mehr nur als blofse Beispiele zu dem schon früher gelehrten anzusehen sind. Nur die eine im 31" Capitel betrachtete möge hier besonders herausgehoben sein. über Aristoteles Mechanische Probleme. 61 Es ist diese: ‚,Warum ein auf einem Sessel sitzender Mensch nicht aufstehen könne, so lange der Rumpf mit dem Sitze, und den Schenkeln, und diese mit den Füfsen, rechte Winkel machen; und das Aufstehen nur dadurch bewirken dafs er die rechte Winkel zuerst in spitze verwandele.’’ Die Frage bringt die Muskelkraft ins Spiel, als ähnlich mefsbar, wie die übrigen dyna- mischen Potenzen. Wenn wir aber diese Kraft nur in Verbindung mit ihrer Wirkung kennen, nicht mit ihrer Ursache, wenn wir von ihr, als einem Mittelgliede, nur die vorwärts gehende Reihe, nicht die rückwärts liegende, der Bewegungen, als unmittelbar einander bedingend verfolgen können, so möchte ein Versuch, wie der angeführte, in seiner völligen Allgemeinheit die Kräfte der Wissenschaft, auch in ihrem heutigen Zustande, übersteigen. Augenscheinlich war dies gewifs der Fall zu Aristoteles Zeit, und so scheint die von ihm ertheilte Antwort kaum etwas mehr zu enthalten, als was schon in der Frage liegt, also mittelbar ein Geständnifs des Nichtwissens. %. Lweck. Was Aristoteles mit diesem Werke eigentlich beabsichtigt habe, ist von jeher und allgemein als sich von selbst verstehend angesehen worden. Schon die Aufschrift scheint darüber zu entscheiden, und ganz deutlich die wissenschaftliche Zusammenstellung von Aufgaben anzukündigen, welche in das Gebiet der Mechanik in dem heute noch geltenden Wortsinn gehören. Wäre dies nun die einzige mögliche Vorstellung, so dürfte man von Aristo- teles, dem Philosophen, dem Mathematiker, wenn nicht ein ganz regel- recht aufgeführtes Gebäude, doch eine sehr vollständige und erschöpfende Darstellung des Zustandes der Mechanik als Wissenschaft zu seiner Zeit sich versprechen, und nach der wirklichen Beschaffenheit des von ihm geleisteten wesentlich getäuscht finden. Allein wie es uns scheint, findet noch die Möglichkeit eines andern Gesichtpunktes statt, aus welchem gesehen, das Werk nicht blos, nicht einmal hauptsächlich, die Bestimmung haben mag, einem mathematischen Interesse zu entsprechen, sondern eben so sehr, viel- leicht noch mehr, ein blos dialektisches zu befriedigen beabsichtigt. Diese Ansicht aber hier heraus zu heben, der andern gewöhnlichen an die Seite zu stellen, und ihr durch die für sie streitenden Gründe ihr Recht widerfah- ren zu lassen, möchte für keine nutzlose Mühe zu achten sein. 62 PoseuLGeEr Gleich im Eingange des 1” Capitels kündigt der Verfasser ausdrück- lich seine Absicht an, Aporieen zu lösen. Dies aber sind solche Aufga- ben und Fragen, welche eine Schwierigkeit enthalten, dergleichen Naturer- scheinungen darbieten, worin etwas Wunderbares gegen die Natur zu ge- schehen scheint, ein Atopon, welches immer auf dialektischem Scheine be- ruht, und daher einer künstlichen Behandlung bedarf, um darüber zu siegen. In seiner Topik, Cap.10, erklärt er sich über die Bedeutung des Wortes: Problema in Beziehung auf eine Aporie. Er sagt hier; dafs nicht jedes Problem ein dialektisches sei; niemand, der gesunden Verstand habe, werde etwas zu einem Problem machen, was allen oder den meisten ein- leuchtet. Denn, fügt er hinzu, Probleme solcher Art haben keine Aporie. Auch erfahren wir aus Cap. 4. des angeführten Werkes den Charakter eines Problems, nach welchem es einen Wechselfall enthalten mufste, und die Wahl zwischen zwei, wie Ja und Nein, entgegen gesetzten Annahmen. So heifst es auch in Cap. 11. ‚,Problema ist ein dialektisches Theorem, welches entweder auf eine Wahl zwischen Annehmen und Verwerfen, oder auf eine Wahrheit und Erkenntnifs gerichtet ist.’— Einige von dergleichen Pro- blemen mufs man wissen, um zu wählen oder zu verwerfen; z.B. ob die Wollust gut sei, oder nicht? andere nützen blos dem Wissen, z.B. ob die Welt ewig sei oder nicht? Hieraus scheint nun hervorzugehen, dafs das Wort mooßrr ua von Aristoteles zunächst, oder doch zugleich, in Beziehung auf die Dialektik sei- ner Zeit gebraucht wird, auf die Kunst, in Rede und Gegenrede, in Frage und Gegenfrage über den Gegner den Sieg davon zu tragen, so dafs dieser sich entweder durch sich selbst oder durch das Urtheil der Sophi, oder der Mehrheit unter diesen für überwunden zu erklären genöthigt wurde. Aristoteles definirt aufser dem selbst im 1" Cap. das Wort unyavn, welches mehrere Bedeutungen hat, und giebt ausdrücklich zu erkennen, in welchem Sinn er es gebraucht haben will: dio naAcuev TiS TEXUNS TO moös Tas TOIWLUTaS amegias Benreöv HEgoS, Mi- , yarıv. also: ein Theil der Techne, welcher dazu dient, Aporieen (worin scheinbar etwas naturwidriges liegt) zu beantworten. — Solcherlei ist, fährt er fort, wo Rleineres das Gröfsere wältigt, und geringes Gewicht schwere Lasten; zul TAVTa TygÖeV Cru ToV moo@Anuarwv unyavızd mOOTayogeVopev. über Aristoteles Mechanische Probleme. 63 Was also mechanische Probleme sind wird nicht ausdrücklich gesagt; wohl aber tritt überall das Charakteristische eines dialektischen Problems hervor, eine Aporie herbei zu führen, den Gegensatz eines Kleineren gegen das Gröfsere, wovon in anderer Beziehung jenes wieder gröfser werden kann, als das Gröfsere. Daher möchte der Sinn des Aristoteles nicht verfehlt werden, wenn man bei der Aufschrift: Mechanica problemata, weniger, oder doch nicht mehr an die spätere Bedeutung dieser Worte, an Maschinen und Mechanik, als an eine dialektische Kunst denken wollte, scheinbar sich widersprechende Aufgaben, Aporieen zu lösen, so dafs ein arorov, eine Absurdität verhütet werde. Denn, sagt er, es erscheint als ungereimt (arorov) dafs eine gröfsere Kraft durch eine kleinere, und jene noch dazu verbunden mit einer gröfse- ren Last bewegt werde. Wo er von etwas spricht, was wir ein mechanisches Werkzeug (Ma- schine) nennen würden, da bedient er sich vorzugsweise des Wortes &gyavov, z.B. Cap.11. KuTk DreValourw cpyavov nQUmTOVTES av apynv, Omws H ou UNyaunuaTos havepev mövov TO Saumasrov, TO 6° airıov, adyAov. Das Wort ögyavev, in der Bedeutung eines mechanischen Werkzeuges kommt an mehreren Stellen wieder vor: dagegen findet sich in der ganzen Abhandlung nicht wieder das Wort ungern, unyavızev, gebraucht, um einen Mechanismus, oder eine Bewegung anzuzeigen, obgleich es an Gelegenheit hierzu keinesweges mangelt. Man darf nun wohl aus allem diesem angeführten mit Recht behaup- ten, dafs kein Grund vorhanden sei, dem Verfasser dieses Werkes aus- schliefslich die Absicht beizulegen, eine Theorie zu geben von den Gesetzen des Gleichgewichts und der Bewegung. Vielmehr läfst sich damit sehr wohl die zweite Absicht vereinigen, wohl auch als die überwiegende ansehen, der Dialektik, einen Vorrath verfänglicher Fragen (Aporieen), und Mittel zu deren Auflösung zu überliefern, hierzu aber besonders die Eigenschaften des Hebels zu benutzen, und die dabei sich ergebenden wunderbaren Er- scheinungen, als vorzüglich geeignet die Art und das Verfahren anschaulich zu machen. Zwar geht er auch in die eigentliche Theorie der Gesetze der Bewe- gung mit grofsem Scharfsinn ein: doch überall bemüht, das scheinbar Unge- 64 PoseLcer reimte und das Wunderbare in Beziehung auf das verborgen liegende Aition heraus zu heben. Sehr bemerkenswerth ist in dieser Hinsicht eine Stelle des Proclus in seinem Commentar zu Euklides, die der neuere gelehrte Herausgeber und Erklärer des Aristotelischen Werkes, Herr J. P. von Capellen anführt: und iv unyavızyv Are öpyavoramrınn Tov Kara morEMov Erirndeiwv eoye- vuv, ora 4 xal "Apyumdns Acyeraı KaraTrevarıı — zal dh Faunaroramrızn. Er setzt hier das &gyavoramrıry dem Saluaroremrıry entgegen, welches letz- tere offenbar eine Kunst bezeichnet wunderbare Erscheinungen hervorzu- bringen, eine Art von Taschenspielerei. Nimmt man, nicht unwahrscheinlich, an, dafs dieser Sprachgebrauch zu Aristoteles Zeit derselbe war, so wird ein desto helleres Licht über des Werkes Absicht verbreitet, eine Anzahl von wunderbaren Erscheinungen darzustellen und deren versteckte natürliche Ursache aufzudecken. 3 Form Bei Auflösung der von Aristoteles zu seinem Zweck gewählten Pro- bleme kommt das Formale, das «s, wie er es analog mit den von ihm ge- fundenen Kategorieen nennt, und das Reale, das regi ° in Erwägung. Jenes stellt sie in die Klasse mathematischer, dieses in die physischer Theoreme. Mathematik und Physik sind also die wesentlichen Bestandtheile dieser Aristo- telischen Reliquie. Nichtsdestoweniger mangelt es ihr, als ein mathematisch - physisches Lehrgebäude angesehen, im Ganzen an wissenschaftlicher Me- thode, im Einzelnen an einer Verknüpfung des einen an das andere, wie sie uns spätere griechische Mathematiker als Muster vor Augen legen. Jedes Capitel der Abhandlung bildet für sich ein abgeschlossenes Ganzes. Sie können, ohne wesentlichen Eintrag für dieses, unter einander ihre Stellen verwechseln; ja, ohne auffallende Lücke, dies und jenes aus dem Buche herausgenommen werden. Ihre Form in jedem Capitel dieselbe. Obenan die verfängliche Frage: dı@ rı. Die Antwort wieder als Frage aus- gedrückt, so erinnernd an die Kunst der alten Dialektik, durch Fragen und Gegenfragen auf Umwegen zu einem verborgenen Ziele zu gelangen. Ein unumwundener Ausspruch, ein entscheidendes Endurtheil über den zweifel- haften Gegenstand, wird nicht ertheilt. Doch liegt in der Gegenfrage selbst r über Aristoteles Mechanische Probleme. 65 ein solches, weil sie als ein dialektisches Problem nur die Wahl zwischen einem Wechselfall verstattet, wovon der eine auf ein Atopon führt. Die Schreibart und Methode der Abhandlung im Allgemeinen ist so sehr Aristotelisch, nach einstimmigem Urtheil aller Herausgeber und Erklä- rer der Werke dieses Philosophen, dafs eben jene für einen Hauptbeweis gelten der Ächtheit dieser Schrift, und diese zu den wenigen gehört, die ohne allen Widerspruch für ächt erkannt werden. Nicht weniger allgemein ist aber auch die Klage über ihre Dunkelheit und die grofsen Schwierigkeiten, die es hat, sie vollkommen zu verstehen, und in dem Verstandenen überall den Geist und durchdringenden Scharf- sinn, zugleich auch die umfassende Wissenschaft wieder zu erkennen, die den Ruhm des Verfassers so hoch gehoben und diesen zum Lehrer und Füh- rer so vieler Jahrhunderte gemacht haben. Dafs er im Allgemeinen die streng geometrische Methode verschmäht, zuerst durch Definitionen den Sinn und Umfang der Worte auf das genaueste zu bestimmen und hieraus Schritt vor Schritt Folgerungen herzuleiten, ist eine Hauptquelle von Mifsverständnissen. Hiezu kommt eine Kürze des Ausdrucks, die oft den Sinn beinahe nur errathen läfst. Und damit bilden einen schneidenden Gegensatz häufig vorkommende Tautologieen, öfters in den nämlichen Worten gleich hintereinander folgend, oder auch von so ähn- lichem Sinn, dafs es schwer ist, sie voneinander zu unterscheiden. Aristoteles zeigt sich in diesem seinem Werk durchaus als Praktiker. Immer geht er von Erfahrungen aus, geräth aber, die Speculation darauf richtend, auf Gedanken, die nur eines zweiten Aristoteles bedurft hätten, um der neueren Zeit die wichtigsten in der Mechanik gemachten Entdeckun- gen vorweg zu nehmen. Ein Capitel, das 26“, ist in seiner gegenwärtigen Gestalt durchaus unlesbar. Ein anderes, das 4“, ist verstümmelt seines Schlusses beraubt. In allen übrigen glaubte ich einen guten des Aristoteles nicht unwürdigen Sinn zu finden, und manchen harten ihm gemachten Vorwurf ohne Zwang durch eine günstigere doch zuläfsige Deutung seiner Worte von ihm entfer- nen zu können. Am kürzesten nnd sichersten liefs sich dies durch eine Verdeutschung des Werkes erreichen, da unsre Muttersprache vorzüglich hiezu geeignet erscheint. Sie hat, wie sie gegenwärtig vorliegt, nach Treue Mathemat. Klasse 1829. I 66 PoseLeer gestrebt, doch freilich immer an dem Gesichtspunkte festhaltend, dafs es aller Wahrscheinlichkeit widerstreite anzunehmen, Aristoteles habe sich nicht blos Menschlichkeiten, sondern wahre Abgeschmacktheiten zu Schul- den kommen lassen, und selbst die einfachsten Dinge nicht begriffen. (!) 4. Über Einzelnes. Aristoteles gründet das Gleichgewicht an einem Hebel überhaupt (dem ungleicharmigen) auf Bedingungen der Kreisbewegung, weil das kleinere Ge- wicht einen gröfsern Raum durchlaufen müsse als die gröfsere Last, die es in Bewegung setzen soll. Archimedes, in seiner Abhandlung über das Gleich- gewicht der Ebenen, stellt die Sätze: Gleich schwere Körper in gleichen Entfernungen wirkend sind im Gleichgewicht; Gleichschwere — in ungleichen — sind es nicht als Axiome auf. Aristoteles knüpft offenbar die Theorie des Gleichgewich- tes an ein höheres Princeip als Archimedes, und behandelt den Gegenstand philosophischer. Das neuere Prineip der sogenannten virtuellen Geschwin- digkeiten scheint in Wahrheit kein anderes zu enthalten, als jenes schon von Aristoteles gelehrte. Man darf, um sich hievon zu überzeugen, nur den Begriff des unendlich Kleinen, in seiner gegenwärtigen Form anwenden auf die Lehre des Aristoteles, die doch desselben in der Wirklichkeit nicht ent- behren konnte, und in der That stillschweigend auf ihn Rücksicht genom- men hat. Die Kreisbewegung nun zerlegt er in zwei sie zusammensetzende, und gründet sie auf das sogenannte Parallelogramm der Kräfte, als höchstes Prineip der gesamten Statik und Dynamik. Hieraus ergiebt sich das hohe Alter dieses wichtigen Theorems in der Geschichte der Wissenschaft, und da aus ihm die ganze Statik fester Körper sich entwickeln läfst, so darf man wohl annehmen, dafs diese schon zu Aristoteles Zeit vorhanden war. Es giebt eine grofse Anzahl von Versuchen das erwähnte Theorem zu erweisen, woraus folgt, es müsse seine Schwierigkeit haben, einen Beweis (') Montucla, Aistoire des mathematiques, tome], pars], livr.3. über Aristoteles Mechanische Probleme. 67 dafür zu finden, der nichts.zu wünschen übrig lasse. Der Grund hiervon liegt aber wohl in nichts anderem als in der Schwierigkeit, einen bewegten Punkt in einerlei Richtung mit einerlei Geschwindigkeit fortgehen zu sehn, und uns dabei vorzustellen, er durchlaufe nichts desto weniger einen Com- plex verschiedener Richtungen mit ganz verschiedenen Geschwindigkeiten. Am leichtesten mögen sinnliche Anschauung und intelleetuelle Vorstellung hierüber sich einigen, wenn nicht, wie gewöhnlich geschieht, der von meh- reren Kräften angeregte Punkt schon als in Bewegung, sondern erst noch als im Zustande des Gleichgewichts der Kräfte betrachtet wird. So ist es offen- bar leichter sich vorzustellen einen Punkt, der von gleichen, aber gerade gegen einander gerichteten Kräften in Ruhe erhalten wird, als denselben sich vor- und rückwärts in nämlichem Augenblicke bewegend — und doch ist beides dasselbe. Eben so dasselbe ist es, ob der Punkt von drei verschie- denen Kräften im Gleichgewicht erhalten, oder als nach einer der drei Rich- tungen bewegt und zugleich gehemmt betrachtet wird, wo diese denn als die zusammen gesetzte Wirkung der beiden übrigen erscheint. Diese letztere Ansicht aber derselben Sache ist gerade mit der erwähnten Schwierigkeit behaftet, und es ist den versehiedenen vorhandenen Beweisarten des Paral- lelogramms der Kräfte wohl anzumerken, dafs Rücksicht darauf genommen wurde sie weg zu räumen. Unter diesen Bemühungen nun, dem Beweise des Parallelogramms der Kräfte nicht nur die vollkommenste Evidenz, sondern auch die gröfste Fafslichkeit zu geben, ist die Demonstration des Aristoteles gewils eine der sinnreichsten. Er legt nicht dem Punkte zwei ganz verschiedene Bewegungen in einer- lei Augenblicken bei, sondern die eine nur von beiden giebt er dem Punkte, die andere dem Raume, worin derselbe sich bewegt. Ganz diese nämliche Ansicht der Sache hat aber der grofse Philosoph Kant, in neuester Zeit, in seinen metaphysischen Anfangsgründen der Na- turwissenschaft vorgetragen, und darauf den Beweis über die Zusammen- setzung der Kräfte gegründet. Es ist dieser dem des Aristoteles so ähnlich, dafs man glauben möchte, er sei von ihm entlehnt. Doch möchte in Hinsicht der Schärfe und auch der Eleganz dem Griechen der Vorzug gebühren. Dafs die Construction, deren Aristoteles sich zur Beweisführung be- dient, eine rein geometrishe ist, versteht sich von selbst. Indessen wird auch 12 68 PoseuLceir zugestanden werden müssen, dafs eine einfache Kraft sich nicht besser an- schaulich machen lasse als in dem Typus einer geraden Linie, welche zugleich Richtung und Gröfse sichtbar macht. Da verliert sich denn ganz der dunkle metaphysische Anstrich der Begriffe: Kraft und Bewegung in Eins zusam- men fallend mit dem einfachsten und klarsten Elemente der Geometrie. Aristoteles setzt die Kreisbewegung eines Punktes im Umfange aus zwei Bewegungen zusammen. Die eine legt er ausdrücklich einer Anzie- hung bei des Mittelpunktes. Diese nöthigt den durch einen Stofs nach der Tangente seitwärts getriebenen Punkt, seine ihr von dem Mittelpunkt ent- fernende Richtung zu verlassen und zu diesem zurück zu kehren. In so fern hat Aristoteles hier den Begriff dessen aufgestellt, was unter dem neueren Namen als Centripetalkraft bei krummlinigten Bewegungen in Rech- nung kommt. Eben so fällt, was er von der seitwärts gehenden Richtung sagt, zusammen mit dem Begriff einer Tangentialkraft neuerer Benen- nung. Darin nur dürfte er als ungenau erscheinen, dafs er die Richtung BL in der von ihm gegebenen Figur als unveränderlich gelten läfst, da sie doch in jedem Punkte: 2, P, G, eine andere wird. Dieser scheinbare Widerspruch aber wird sogleich gehoben, wenn wir diese drei Punkte als einander unendlich nahe betrachten ; und daraus wird sich schliefsen lassen, dafs auch Aristoteles sie nicht anders als so betrachtet haben wollte- Denn hatten die Alten auch keinen so genannten Infinitesimal-Calcul, so ist doch keinem Zweifel unterworfen, dafs sie einer richtigen Vorstellung vom Un- endlichkleinen eben so wenig entbehrten, als die Neueren. Setzen wir dann den Halbmesser 4B=R, den Winkel....BAP= 9» so ist PM=Rsno=2Rsiu-pcos—p BM= R(1—cosp)=2Rsin —psin—® PM X cos+® __ 1 BMT snt4p tg+p ; Werden nun BM; PM als die Seitenkräfte betrachtet, welche die Bewe- gung des Punktes in 3 zusammensetzen; MP als die unveränderlich fort- über Aristoteles Mechanische Probleme. 69 dauernde Wirkung eines Stofses, so ändert sich ZM mit jeder unendlich kleinen Erweiterung des Winkels 9. Für unendlich nahe liegende Punkte B, P, wird jenes Verhältnifs = ”y Hieraus folgt aber: 1. (was Aristoteles selbst ausdrücklich bemerkt) dafs die Diagonale je- ner beiden Kräfte in keinem Punkte eine gerade Linie sein kann ; 2. dafs die Curve, welche der von ihnen fortgetriebene Punkt be- schreibt, ihre hohle Seite nach dem Mittelpunkte kehrt. Nehmen wir ferner an: in zwei Kreisen von verschiedenem Halbmes- ser werden die Punkte: 2, N, mit gleicher Seitengeschwindigkeit: MP = FH, bewegt, so wird offenbar der zn MP gehörige Winkel 34P kleiner sein als der zu FH, = NAH. Nennen wir wiederum R den Halbmesser AB; R' den Halbmesser 4N; 9, $ die entsprechenden Winkel B4P; NAH, so ist 1 a Pate BM=:Rsin +0’ =;Ro. FH=Ro=Rpg; also aber auch woraus leicht folgt: BU _R NEPUTTOR Das heifst mit den Worten des Aristoteles: ‚,die anziehende Kraft des Mit- telpunktes nimmt für gleiche Seitengeschwindigkeiten in demselben Verhält- nisse ab, als die Entfernung des bewegten Punktes von dem Mittelpunkte zunimmt (!). (‘) Hiermit zu vergleichen: J. Newton. prine. math. phil. natural. prop. IV eoroll. 1. ed. Horsley (es ist von der Bewegung in Kreisen um den Mittelpunkt die Rede). Man be- zeichne die von Newton genannte Sagitte mit d*r (r der Halbmesser des Kreises) und nach ihm die Centripatalkraft mit = ; die Seitengeschwindigkeit in der Bahn mit —. , so kommt nach Newtons Grundsätzen ds \2 er _ (2). di?“ 2r Dies drückt Newton so aus: vires centripetae erunt in ratione composita ex duplicata ratione velocilatum directe, etratione simplici radiorum inverse. Genau übereinstimmend mit Aristoteles für gleiche 70 PoseneeEr Wenn also 3 und N so mit einander (z.B. an den Enden eines Hebels) verbunden sind, dafs sie in gleichen Zeiten gleiche Winkel (NAH) durch- laufen müssen, so mufs, um dieses möglich zu machen die Seitengeschwin- digkeit des entfernteren 3 in demselben Verhältnisse zunehmen als die anzie- hende Kraft der gröfseren Entfernung wegen abgenommen hat, d.h. im gera- den Verhältnisse der Halbmesser. Die schon von Aristoteles vorgetragene Ansicht der nach dem Mittel- punkte, bei jeder Kreisbewegung treibenden Kraft, und die Bestimmung ihres Maafses durch den Sinus versus des Winkels der ursprünglichen Seiten- geschwindigkeit führt leicht auf die Schwungkraft der neuern, und die Formel BM=+Ro9° auf den Ausdruck —. wo = das Verhältnifs des Kreisumfanges zu seinem Durchmesser und 7’ die Zeit eines ganzen Umlaufes in demselben bezeichnet. Es scheint also, Aristoteles habe in der That sehr wichtigen Entdeckungen neuerer Zeit sehr nahe gestanden. Aber die Zeit der Huygens war noch nicht gekommen. Zu Cap. 3. Sei die Wage 4CBD ein Rechteck von homogenem Stoff, getheilt in zwei gleich schwere Hälften durch den Perpendikel VO, aufgehangen an dem Punkte N. Sie werde in die Lage 4’ C’B’D’ gebracht. Ihr Schwerpunkt falle dann in ?, mit welchem Buchstaben wir zugleich das Gewicht der Wage be- zeichnen; fällen wir auf MO aus P den Perpendikel PR, aus 4’ den Per- pendikel 4’r. Das statische Moment der Wage ist also = PXxXPR, hängen wir an 4’ ein Gewicht p, welches die Wage in ihrer zweiten Lage, mithin derselben das Gleichgewicht halte, so ist das statische Moment dieses Gewichts Seitengeschwindigkeiten und verschiedene Halbmesser. Auch Newton redet hier, wie oben Aristoteles von den Bedingungen einer Kreisbewegung ganz im allgemeinen, ohne von vorne herein ein eigenes Gesetz anziehender Kräfte zum Grunde’ zu legen. über Aristoteles Mechanische Probleme, 71 N’A’xNR Neu und dieses dem obigen gleich, daher DIBRXPRXNE NA'’xNR Es ist aber NR:RP=NM:MO=2NP:MO, woraus kommt: ws PxMO Tr und weil P=ABxBD=:2NA4'xBD, so ist p=BDxMO=NMxMO. Nun ist das Gewicht von PD’ ON=+P+--0MxNM 0.0 = - - A4'’CO0ON=+P--+OMxNM folglich überwiegt ersteres das letztere mit dem Gewichte des Rechtecks OMx NM=p, wie Aristoteles eben so genau geometrisch als ingeniös dar- gethan hat. Zu Cap. 25. Das Rad des Aristoteles ist vorlängst zu einem Sprüchworte gewor- den: rotam Aristotelis magis torquere, quo magis torqueretur (Commentar des Herrn van Capellen S.263.). Das Wunderbare, weshalb Aristoteles es unter seine Aporieen aufgenommen, hat eine Menge scharfsinniger Köpfe aufgeregt, das Aition davon zu zeigen, und zugleich die Nebel zu entfernen, worin sie die Darstellung des Aristoteles eingehüllt zu sehen vermeinten. Unter diesen nun verdient Galliao Galiäi unstreitig den Vorrang, wegen sei- ner Berühmtheit und wegen des Trefflichen, was er über dies Problem seine Personen in seinem dialogo primo sagen läfst. Ihm gehört zuerst der Ge- danke an, den Herr v. Mairan in neuerer Zeit weiter durchgeführet, den Kreis in seiner Umwälzung um den Mittelpunkt als ein geradlinigtes regel- mäfsiges Polygon von unendlich kleinen Seiten zu betrachten. Galiläi legt dem von ihm geführten Beweise ein regelmäfsiges Sechseck unter, und macht von diesem den Schlufs auf jedes andere regelmäfsige Vielseit. Die YP; PoseEenGer Sache läfst sich aber gleich allgemeiner und darum nicht weniger mit geome- trischer Klarheit behandeln. Über der geraden Linie DZ werde ein re- gelmäfsiges Polygon errichtet von so viel Seiten als man will, oder von z Seiten, dessen Winkel ur —= DAB, und DA, BA, zwei einander zunächst liegende Seiten. Wird da Polygon nach E hin fortgewälzt, so dafs seine Seiten immer wieder in die Linie DE fallen, so wird die Drehung um den Punkt 4 beginnen; der Punkt D wird sich über diese Linie erheben, und der Punkt 2 sich gegen sie senken, bis 4B in DE zu liegen kommt. Dies heifse die erste Wendung. Der Mittelpunkt des Polygons sei C. Er wird gefunden, wenn wir den Polygonwinkel DB durch eine gerade Linie 4C halbtheilen, und aus dem Eckpunkte 2, unter der Neigung CBA=CAB, die Linie 3C ziehen. Die Spitze C des hierdurch entstehenden gleich- schenklichen Dreiecks 42C ist der gesuchte Mittelpunkt. — Aus einem be- liebigen Punkte a, eines der beiden Schenkel, ziehen wir ab parallel der 43, so ist ab die Seite eines um denselben Mittelpunkt dem gröfseren ähnlichen und ähnlich gelegenen Polygons. Ziehen wir nun noch durch a, 2, € die Linien aE, BE, CE, parallel der DE und errichten auf CE das gleich- schenkliche Dreieck C4C’, ferner auf DE das gleichschenkliche Dreieck AC'B', so ist sehr leicht einzusehen, dafs, nach vollendeter erster Wen- dung, der Eckpunkt Bin 2’, der des kleineren Polygons, bin’; folglich auch a in. a’; C aber in C’ zu liegen kommt; jeder Punkt aber der Linie CB, bei der Wendung, einen Bogen gleicher Winkelweite, nämlich des Winkels C4C', durchläuft. Nach der ersten Wendung ist also, nach der Richtung DE, das gröfsere Polygon um die Länge einer seiner Seiten, 42’, das kleinere aber um die Länge einer seiner Seiten, ad’, Plus dem Stücke aa’, d.h. ebenfalls um die Länge 43’, einer der Seiten des gröfseren Poly- gons, fortgerückt. Nach der nten Drehung also wird offenbar # nach Z hin auf der Linie DE um z seiner Seiten, d.h. um die Länge seines ganzen Umfanges fortgerückt, und eine Umwälzung desselben um seinen Mittel- punkt ganz vollendet sein. Das kleinere Polygon aber wird von a’ nach E ebenfalls um z seiner Seiten, zugleich aber um das Stück aa’, n mal genom- men, auf der Linie aE fortgerückt sein. Es wird also ebenfalls eine ganze Umwälzung auf dieser Linie vollendet haben, zugleich aber zmal um das über Aristoteles Mechanische Probleme. 73 Stück aa’, ohne es zu berühren weiter nach £ hin gekommen sein; und beide von beiden Polygonen während der ganzen Umwälzung des gröfseren abgewickelten Längen sind, wie wir vorhin gezeigt haben, genau dieselben. Dies ist der Fall, wenn das gröfsere Polygon auf seiner Linie umge- wälzet wird, und das kleinere in seinem Mittelpunkte mit ihm verbundene mit sich fortführt. Wird aber, umgekehrt, das kleinere auf seiner Linie fortgewälzt, und führt es das gröfsere mit sich fort, so hat, nach der ersten Wendung, der Eckpunkt a seinen Ort in der Linie «E nicht verändert, und das kleinere Polygon ist dann nach E nur um die Länge einer seiner Seiten ab fortgerückt. Wollen wir aber nun den Ort bestimmen, welchen der Mit- telpunkt C, nach dieser ersten Wendung, erlangt haben mufs, so ist leicht einzusehen, dafs wir ihn in dem Durchschnitte G antreffen werden, welchen eine der 4C’ durch a parallel gezogene Linie 7’G mit der Richtung CZ bildet. Dann aber fällt in die Augen, dafs zugleich der Eckpunkt 4 um das Stück 4F=aa’ zurück nach D hin verlegt werden mufs, also die erste Wendung des gröfseren Polygons nach E hin um die Länge einer seiner Seiten, Minus dem Stück aa’, d.h. ebenfalls um die Länge einer Seite des kleineren Polygons fortrückt. — Hieraus ist offenbar, dafs dieselben beiden Polygone, welche, von einander getrennt, durch eine einmalige ganze Um- wälzung um ihren Mittelpunkt, ungleiche, und zwar im Verhältnifs ihrer Halbmesser stehende Längen von den Linien DE, a#X, abwickeln würden, gleiche Längen durchlaufen, wenn der eine sich umwälzend den andern mit sich fortführt, ferner, dafs dann die Umwälzung des gröfseren die Bewe- gung des kleineren beschleunigt; die des kleineren aber die Bewegung des gröfseren um eben so viel verzögert. Die Anwendung des hier von Polygonen gezeigten, auf Kreise, fällt ohne weiteres von selbst in die Augen, und der Unterschied, dafs bei Poly- gonen die abgewickelte Linie sprungweise, bei Kreisen aber stetig zusam- men gesetzt wird, hat keine gröfsere Schwierigkeit als die Vorstellung von einer aus unendlich kleinen Theilen zusammen gesetzten Linie. Alles dieses liegt in der That schon in der deutlichen Auseinander- setzung des Gegenstandes, von Aristoteles nur auf seine eigenthümliche Weise ausgedrückt, und bedurfte, im Grunde, keiner weiteren Erörterung. Die ernstliche Absicht dieses scheinbaren Spieles kann keine andere gewe- sen sein, als ein lehrreiches Beispiel zu geben von Mittheilung der Bewe- Muathemat. Klasse 1322. R 74 Posenger über Aristoteles Mechanische Probleme. gungen, und zu zeigen, wie eine die andere, beide nach einerlei Richtung fortgehend, beschleunigen oder aufhalten könne. Galiläi hat sich dieses Aristotelischen Rades zur Erreichung eines andern nicht minder erheblichen Zwreckes bedient, nämlich, wie die Rarifaction und die Condensation einer Masse gedacht werden könne, ohne zur Hypothese von Atomen, durch kleine Entfernungen von einander getrennt, Zuflucht nehmen zu dürfen. —L NIT BEI IE TIP Des Aristoteles Mechanische Probleme. mnnnmnnnNNaVwN Cap. 1. Woman erscheint, was zwar naturgemäls erfolgt, wovon aber die Ursache (das Aition) sich nicht offenbart; desgleichen, was gegen die Natur geschieht, durch Kunst, für menschliches Bedürfnifs. In vielen Dingen nämlich wirkt die Natur dem Bedarf entgegen: denn immer hat sie ihre eigene Weise, und unbedingt — der Bedarf ändert sich dagegen vielfältig. Soll da- her etwas gegen die Natur geschehen (bewerkstelligt werden), so bietet es, wegen der Schwierigkeit, eine Aporie ('!) dar, und fodert künstliche Behandlung. Wir verstehen daher unter Mechanä den Theil des Kunstfleifses, der zur Auflösung solcher Aporieen verhilft, nach der Äufserung des Dichters Antiphon: Gewähre Kunst den Sieg, den die Natur verwehrt. (?) Solcherlei ist, worin Kleineres das Gröfsere wältigt, und geringes Gewicht schwere Lasten, und beiläufig alle Probleme, die wir Mechanische nennen. Es sind aber diese weder ganz dasselbe, was die physischen Probleme, noch sehr verschieden davon, vielmehr den mathema- tischen und den physischen Theoremen gemein. Denn das Formale wird nach Mathematik, das Reale nach Physik entschieden. Zu den Aporieen aber von dieser Gattung gehören die den Hebel betreffenden. Denn ungereimt erscheint es, dafs eine grofse Last durch eine kleine Kraft, jene noch verbunden mit einer grölseren Last bewegt werde. \WVer ohne Hebel eine Last nicht bewegen kann, bewegt sie leicht, die eines Hebels noch hinzufügend. Von allem diesem liegt die Grundursache im Wesen des Kreises, und zwar sehr natürlich: denn nicht un- gereimt ist es, dals aus dem Wunderbareren etwas Wunderbares hervorgeht. Eine Verknüpfung aber entgegengesetzter Eigenschaften in Eins ist das Wunderbarste. Nun ist der Kreis wirk- lich aus solchen zusammengesetzt. Er wird sogar erzeugt, durch etwas Bewegtes und etwas an seinem Orte verharrendes, was eins dem andern seiner Natur nach entgegengesetzt ist; mithin ist in diesem Betracht weniger sich zu verwundern über die an ihm sich zeigenden Gegensätze. Zuerst nämlich erscheint etwas entgegengesetztes in der den Kreis umfangenden Linie, die keine Breite hat: das Hohle und das Erhabene, die auf dieselbe Weise von einander verschieden sind, wie das Grolse und das Kleine, und zwischen denen in der Mitte das Gerade liegt, wie zwischen diesen das Gleiche. Daher, wenn das eine in das andere übergehen soll, müssen sie, oder ihre äulsersten Gegensätze zuerst ausgeglichen, und das Erhabene wenn es hohl werden, oder das umgekehrte statt finden soll, muls es zuerst geradlinigt werden. Daraus ergiebt sich denn die (!) Aporie eigentbümliches Kunstwort. (?) Der Vers scheint bier besonders passend gebraucht, weil sein Sinn wohl kein anderer ist als: Siege nur, wenn nicht dürch Kraft, so durch Verschlagenheit. K2 76 Des Aristoteles Mechanische Probleme. erste (scheinbare) Ungereimtheit im Wesen des Kreises. Eine vierte ist diese, dals er zu glei- cher Zeit nach entgegengesetzten Richtungen sich bewegt; vorwärts nämlich und zugleich rückwärts. Die gerade Linie, welche den Kreis beschreibt, kommt auf denselben ihren äufse- ren Endpunkt zurück, von welchem sie ausging. Das letzte in ihrer ununterbrochen fortge- setzten Bewegung wird das erste; woraus die Umkehrung ihres Weges sichtbar wird. Daher, wie gesagt, nicht ungereimt, dafs der Kreis aller jener wundersamen Erscheinungen Grundur- sache sei: denn was sich an einem Wagebalken zeigt, läfst sich auf den Kreis zurückführen; was am Hebel auf den Wagebalken; und fast alles übrige in den mechanischen Bewegungen auf den Hebel. Überdies, da von den Punkten der einen den Kreis beschreibenden Linie kei- ner mit dem andern gleiche Geschwindigkeit hat, sondern stets der von ihrem verharrenden Endpunkt entferntere eine grölsere, so entstehen eben hieraus viele der wunderbaren Erschei- nungen in den Kreisbewegungen, von welchen in den folgenden Aufgaben die Rede sein wird. Dies aber dals die Bewegung im Kreise zu gleicher Zeit zwei einander entge- A gengesetzte Richtungen hat, und, wenn der eine Endpunkt, 4, des Durchmes- sers, vorwärts, der andere, 2, rückwärts sich bewegt, hat zu Werkzeugen den Anlals gegeben, die viele Kreise zu gleicher Zeit in Bewegung setzen, mittelst B A g eines einzigen, wie jene Weihgeschenke in den Tempeln, Drehräder von Erz oder Eisen, wo wenn der Kreis 4.B vorwärts gedreht wird und den CD berührt, dieser rückwärts, und zugleich aus gleicher Ursache der EF wieder nach der ersten Richtung bewegt wird, und so weiter fort, wenn noch mehrere derglei- chen vorhanden sind. Diese Eigenschaft des Kreises benutzend verfertigen die Demiurgen ein Werkzeug, worin sie die Grundursache verstecken, so dals daran nur das Wunderbare, nicht aber der Grund davon wahrgenommen werden kann. Cap. 2. Zuerst also wird die Aporie gestellt den Wagebalken betreffend, warum grölsere Wa- gebalken genauer wiegen, als kleinere? Die Grundfrage hievon ist wiederum, warum die (um- fangende) Linie, welche weiter absteht vom Mittelpunkte, schneller sich umdreht als die dem- selben näher liegende, beide durch einerlei Kraft bewegt; den Ausdruck: schnell, in zweifachem Sinn gebraucht, wenn entweder in kürzerer Zeit die Bewegung durch eine gleiche Strecke, oder in gleicher durch eine gröfsere geschieht. Die grölsere Bewegung beschreibt in einerlei Zeit einen grölsern Kreis, und wirklich ist der grölsere der aulsen liegende. Die Ursache hie- von aber ist die zweifache Bewegung des Halbmessers. — Wenn nun etwas nach irgend einem Verhältnisse bewegt wird, so dals es eine gerade Linie durchlaufen muls, so wird sie die Dia- gonal sein einer Figur, welche die in diesem (gegebenen) Verhältnisse zusammengesetzten Linien D bestimmen. Denn es sei das Verhältnils der Bewegung dasjenige, wel- ches 4B zu AC hat; und es werde A nach 2 getrieben; die 4B aber nach CG. In einerlei Zeit aber gelange 4 nach D und 42 nach EF. Ist da denn das Verhältnifs der Bewegung dasselbe, welches 4B hat zu a AC, so ist es auch nothwendig das von AD zu AE; das kleinere Vierseit mithin ähnlich dem grölseren; und so wird auch die Diagonal 4F in die 46 fallen; dies aber immer statt finden, wie wir auch die Bewegung begrenzen, denn immer wird sie auf dieser Diagonal fortgehen. Hieraus also wird offenbar, dals etwas auf der Diagonal nach zwei Rich- Des Aristoteles Mechanische Probleme. 77 tungen bewegtes nothwendig in dem Verhältnisse dieser Seiten bewegt wird. Denn geschähe es nach einem andern, so könnte es nicht diese Diagonal durchlaufen. Änderten aber zwei Bewegungen jeden Augenblick ihr Verhältnils zu einander, so wäre damit eine geradlinigte zu bewirken unmöglich. Denn gesetzt, sie sei eine gerade Linie. Setzten wir sie als eine Diago- nal und bestimmten dazu die vollständige Figur, durch die Seiten, so würde, wie dies eben vor- hin gezeigt ist, das Bewegte sich im Verhältnils der Seiten bewegen. Was also jeden Augen- blick das Verhältnils seiner Bewegungen ändert kann nicht in gerader Linie fortgehen: denn in welchem Zeittheile es sich in irgend einem gegebenen Verhältnisse bewegte, so würde es, nach dem oben gesagten, in grader Linie geschehen. Also wird die Bahn eine krumme Linie wer- den, wenn das Verhältnils der zwei sie hervorbringenden Bewegungen jeden Augenblick sich ändert. Und hieraus ist offenbar, dals der Halbmesser sich in zwei Richtungen zugleich be- wegt, und die (seitwärts gerichtete) geradlinigte Bewegung sich herabsenkt und zur Vereini- B gung mit dem Halbmesser zurückgeht. Sei 42C der Kreis. Der Punkt Z be- wege sich nach D hin. Er wird aber baıd abwärts gehen nach €. Würde er ce nun im Verhältnisse bewegt von BD zu DC, so mülste er die Diagonal ZC be- schreiben. Nun aber, da jenes Verhältnils sich immer fort ändert, wird der A eine Bogen BEC durchlaufen. Mit Recht wird von zweien durch einerlei Kraft Bewegten, deren eines mehr das andere weniger in seinem Fortgange gehemmt wird, gesagt, jenes sei das Langsamere, und dies eben scheint der Fall zu sein des gröfseren und des kleine- ren Kreis-Halbmessers, und der Endpunkt des kleineren, als der dem Mittelpunkt nähere, gleich- sam in widerstrebender Richtung nach der Mitte zurückgezogen zu werden, daher aber sich langsamer zu bewegen, als der Endpunkt des grölseren. Bei jeder Kreisbewegung aber ist es der Fall, dals die Bahn des Halbmessers eine krummlinigte ist, und folglich zwei Bewegungen hat, die eine seitwärts nach der Natur (des ersten Stolses) die andere gegen die Natur nach dem Mittelpunkte. Immer wird aber die kleinere gegen die Natur, die stärkere sein, und darum kräftiger getrieben werden, weil sie dem anziehenden Mittelpunkte die nähere ist. Dals aber auch wirklich der kleinere der Kreis-Halbmesser mehr gegen die Natur getrieben wird, als der größsere, ergiebt sich klar aus folgendem: Sei BCED ein Kreis, und in ihm ein anderer kleinerer NÄIQ um denselben Mittelpunkt 4. Die Durchmesser werden gezogen: in dem größseren BE und CD, in dem kleineren N/ und X, und das ungleich- seitige Parallelogramm DOZC werde vollendet. Sollnun 42 den Kreis beschreibend in ihre erst anfängliche Lage AB zurückkommen, so muls offenbar ihre Bewegung sich selbst entgegengesetzt werden; und auf ähnliche Weise wird AN nach AN zurückkommen. AN wird aber dabei langsamer bewegt als 4B, wie gesagt, weil AN mehr gehemmt und angezogen wird. Werde nun AHG gezogen, und aus Heine auf 4B senkrechte, 4F, gefällt und eben aus 7 eine der AB parallele, YP gezogen; ferner auf AB senkrecht die PM und die G7. Dann sind PM und HF einander gleich und ZM kleiner als NF, weil gleiche Sehnen in ungleichen Kreisen, ein kleineres Stück des darauf senkrechten Durchmessers in den größeren Kreisen abschneiden. Denn es ist PM gleich der HF. In eben derselben Zeit also, worin 4 den Bogen NA durch- laufen, in derselben Zeit durchläuft der Endpunkt der BA im grölsern Kreise einen größsern Bogen als BP. Die Bewegung nach der Natur (MP, FH) ist in beiden gleich; die gegen die 78 Des Aristoteles Mechanische Probleme. Natur aber, BM kleiner als NF. Es muls aber das Gleichverhältnifs bestehen: nach zu nach, wie gegen zu gegen Natur: eben daher ein grölserer Bogen als ZP, in BG durchlaufen sein und zwar BG in derselben Zeit (wie NY). Denn hier tritt (für beide Bewegungen) das Gleich- verhältnils ein, das gegen und das nach der Natur. Ist aber das nach der Natur im grölseren Kreise gröfser, so kann auch nur ein grölseres gegen die Natur genügen. So wird B das BG in derselben Zeit durchlaufen, als N das NY. Denn alsdann kommt nach der Natur ZB nach @ und gegen die Natur nach 7, und, wenn G/ senkrecht auf 42 aus G gefället wird, so ist GZ zu IB wie HF zu FN, wie aus den Verbindungen der Punkte 2 mit G und N mit 4 klar wird. Wäre aber der Bogen, welchen B (in derselben Zeit) durchliefe, kleiner oder gröfser als 3G, so würde zwischen dem nach der Natur und dem gegen die Natur kein Gleichverhältnils beste- hen. Aus dieser Ursache wird von derselben Kraft ein vom Centrum weiterab liegender Punkt stärker bewegt, und der längere Halbmesser beschreibt einen gröfseren Kreis, wie solches aus dem gesagten sich ergiebt. Ferner ergiebt sich hieraus, weshalb längere Wagebalken schärfer wiegen, als kürzere. Der Aufhängehaken ist der verharrende Mittelpunkt; die Arme sind Kreishalbmesser; nothwen- dig also wird der Endpunkt des Armes von demselben Gewicht desto schneller bewegt werden, je weiter er von dem Aufhängehaken entfernt ist; und Gewichte, auf kleinere Wagebalken aufgelegt, werden sich der Wahrnehmung weniger bemerklich machen, als auf gröfsere: denn es findet sehr wohl statt, dafs sie cine kleinere Bewegung machen, als das Auge zu bemerken im Stande ist, und das nämliche Gewicht bringt an einer grölseren Wage eine sichtbare Bewegung hervor. Einige Gewichte machen sich auf beiderlei Wagen bemerklich, doch um vieles mehr auf den grölseren, weil hier die Grölse des Herabsinkens beträchtlicher wird. Daher bedienen sich die Purpurkrämer betrüglicher Kunstgriffe, indem sie den Anhängepunkt aufserhalb der Mitte setzen, und in einen Theil der Wage BDlei einlassen, und auf die Seite, welche sie wollen herabsinken lassen, Holz von der Wurzel oder Knotiges anbringen: denn schwerer ist von der Wurzel genommenes Holz, und der Knoten im Holz ist eine Wurzel. Cap. 3. Warum, wenn der Aufhängehaken des Wagebalkens sich oberhalb desselben befindet, er zurückspringt, wenn das darauf gelegte Gewicht weggenommen wird, wenn unterhalb, nicht zurückspringt, sondern in seiner Lage verharrt? — Etwa darum, weil, wenn der Aufhänge- haken, senkrecht auf den Wagebalken, oberhalb sich befindet, der grölsere Theil des letzteren auf die eine Seite dieser Senkrechten fällt, und daher, um den grölseren Theil des Wagebal- kens so weit herabzusenken, dafs die ihn in der Mitte theilende Linie gerade in die Senkrechte falle, es der Zulage eines Gewichtes auf den aufwärts gezogenen Theil des Wagebalkens bedarf? Sei das Rechteck BC der Wagebalken, AD der Aufhängehaken, welcher, abwärts verlängert, die senkrechte 4DG bildet. Wenn nun das aufgelegte Gewicht, B nach E und € nach 7 bringt, so wird die den Wagebalken in der Mitte theilende Linie, vorher in der Senkrechten selbst, DG, belegen, nach der Gewichtsvermeh- rung, in DF; also die Mitte des Wagebalkens EZ, aulserhalb der Senkrechten 4G fallen, mithin mehr als die Hälfte desselben auf die eine Seite von DH. Wird daher von E ein Gewicht weggenommen, so muls 7 nothwendig herabsinken, wegen seines Des Aristoteles Mechanische Probleme. 79 Übergewichtes über E. Also springt der Wagebalken aufwärts, wenn der Aufhängehaken sich oberhalb befindet. Wird aber jener unterhalb unterstützt, so ergiebt sich das Gegentheil. Dann nämlich wird der abwärts gehende Theil des Wagebalkens grölser als die durch die Senkrechte bestimmte Hälfte desselben, und springt nicht zurück, weil der in die Höhe geho- p bene Theil nun der leichtere ist. Sei das Rechteck RS der Wa- < gebalken, und AZM die darauf senkrechte, theile ihn in zwei Hälf- s ten. Auf R ein Gewicht aufgelegt, werde es nach © und S nach P gebracht, so kommt AZ in QZ, so dals XO grölser wird als ZP 0 M um das Stück QAZ, und daher muls auch nach weggenommenem Gewicht, der Wagebalken in dieser Lage verharren: denn es ist gleichsam noch das Gewicht des Überschusses von OK über die Hälfte aufgelegt. Cap. 4. Warum kleine Kräfte am Hebel grofse Lasten bewegen, wie schon zu Anfange gesagt ist, wenn man noch die Last des Hebels hinzufügt! denn ohne diese Last wiegen sie ja weniger, und ein geringes Gewicht wird leichter bewegt. Ist etwa darum der Hebel hievon die Ur- sache, weil er ein Wagebalken ist, der unterhalb seine Unterstützung hat und dadurch in un- gleiche Theile zerlegt ist? Denn die Unterlage (Hypomochlion) des Hebels ist hier der Auf- hängepunkt; und er verharrt wie ein Mittelpunkt auf seiner Stelle, wenn beide Arme dieselben (gleich schwer) sind; dann aber wird, unter gleicher Last, der längere Halbmesser schneller bewegt, als der kürzere. Am Hebel vereinigen sich drei Punkte, die Unterlage, der Aufhän- gepunkt und der Mittelpunkt, und zwei Lasten, die bewegende und die bewegte. Die bewegte Last aber steht zu der bewegenden in einem umgekehrten Verhältnifs mit ihren Entfernungen (vom Mittelpunkt); und immer wird die Bewegung um desto leichter bewirkt, je weiter das Bewegende sich von dem Mittelpunkte entfernt, aus angeführter Ursache, weil der grölsere Halbmesser einen gröfseren Kreis beschreibt, und daher einerlei Kraft das Bewegende desto weiter aus sciner Stelle bringt, je weiter es entfernt ist von der Unterlage. Sei AB der Hebel, in € die Last, in D das Bewe- gende, in E die Unterlage; D bewege sich (vom 4) nach F; die bewegte Last €, von Bnach G..... 22... Cap. 5. ‘Warum die in der Mitte arbeitenden Ruderer das Schiff am stärksten bewegen? Etwa weil das Ruder ein Hebel ist und der Dahlstock die Unterlage? Dieser nämlich ist das behar- rende; die Last das Meer, welches das Ruder zurückstöfst; das den Hebel bewegende der Schif- fer. Immer bewegt aber die eine Last desto stärker die andere, je weiter sie von der Unterlage absteht, denn um so gröfser wird der Halbmesser. Der Dahlstock aber, als Unterlage, wird der Mittelpunkt. In der Mitte des Schiffs befindet sich das gröfste Ende des Ruders innerhalb, und hier ist das Schiff am breitesten, so dafs auf beiden Seiten der gröfste Theil des Ruders ei- ner jeden der beiden Schiffsborde innerhalb liegt. Das Schiff wird bewegt dadurch, dafs das so Des Aristoteles Mechanische Probleme. Ruder gegen das Meer gestemmt, das innerhalb befindliche Ende desselben nach dem Vorder- theile getrieben wird, das Schiff aber mit dem Dahlstock verbunden nach derselben Richtung vorwärts geht. Wo nun das Ruder das Meer am meisten spaltet, da wird das Schiff nothwendig am meisten forigestolsen. Am meisten aber spaltet es da wo der Theil des Ruders vom Dahl- stock an, am grölsten ist: daher bewegen die Ruderer der Mitte am stärksten: denn in der Mitte des Schiffes ist das innere Ende des Ruders vom Dahlstock an das gröfste. Cap. 6. Warum das Steuer, an sich klein, und am äufsersten Ende des Schiffs angebracht eine so grolse Gewalt hat, dals es an einem kleinen Griff und mit so geringer Kraft eines einzigen Menschen grofse Schiffslasten bewegt? — Weil vielleicht das Steuer ein Hebel ist; die Last das Meer; der Steuermann das Bewegende. Das Steuer stolst das Meer auf, aber nicht wie das Ruder nach der Breite, denn es treibt das Schiff nicht vorwärts, sondern neigt das in Bewe- gung schon gesetzte, von der Seite das Meer auffassend. Da das Meer die Last ist, so neigt es vom Steuer gespalten das Schiff nach einer entgegengesetzten Richtung, wie die ist der Unter- lage; das Meer treibt von innen, das Steuer von aufsen, und dem letzteren folgt das Schiff we- gen seiner Verbindung mit ihm. Das Ruder also, die Last nach der Breite stolsend und von ihr gegenseitig gestolsen treibt das Schiff nach der geraden Linie: das Steuer hingegen, wenn es in die Quere gestellet wird, bewirkt bald rechts, bald links eine Seitenbewegung. Es liegt aber am Ende, nicht in der Mitte, weil es am leichtesten ist ein schon Bewegtes von einem sei- ner Enden her in Bewegung zu bringen. Denn an bewegten Dingen ist die stärkste Bewegung die des vorderen Theiles und gegen das Ende hört die Bewegung auf: so auch, wenn sie mit einander verbunden sind ist gegen das Ende hin die Bewegung die schwächste: die schwächste aber ist am leichtesten aufzuhalten. Deswegen ist das Steuer am Hintertheile des Schiffs, und weil, wenn hier eine kleine Bewegung gemacht wird, an dem (andern) Ende eine viel grölsere Ortsveränderung erfolgen muls, weil derselbe Winkel eine um desto gröfsere Basis bekommt, je grölser seine Schenkel werden. Hieraus aber erhellet ferner, warum das Schiff, durch das Ruder getrieben, sich in entgegengesetzter Richtung schneller fortbewegt, als das Blatt des Ru- ders, weil nämlich dieselbe Gröfse, von derselben Kraft bewegt, in der Luft stärker vorwärts geht, als im Wasser. Denn es sei AB das Ruder, und € der Dahlstock; 4, im Schiff der Anfang des Ruders; 2, das andere Ende im Meer. Wird nun 4 bis D bewegt, so wird Z nicht nach E gelangen, und mit einer der 4D gleichen Ortsverände- rung den Bogen BE, sondern einen kleineren, 2G, durchlaufen. Es theilt nun DG die AB in F, aber nicht in €, sondern unter- halb, weil 2G kleiner als 4D, mithin auch FG kleiner sein mufs als DF, wegen Ähnlichkeit der Dreiecke. Die Mitte aber € wird auch an einen andern Ort verlegt; sie bewegt sich nämlich in entgegengesetzter Richtung mit dem Ende 2, in welcher sich auch A, das im Schiffe befind- liche Ende des Ruders bewegt. — Eben dies nun bewirkt auch das Steuer, doch so, dals es, wie oben gesagt, das Schiff nicht vorwärts treibt, sondern einzig das Hintertheil desselben nach der Seite dort und dahin, da denn das Vordertheil sich auf dieselbe Weise nur in entgegenge- setzter Richtung bewegt. Da, wo das Steuer festgemacht ist, mufs man sich den Mittelpunkt des Bewegten vorstellen, wie der Dahlstock am Ruder. Diese Mitte aber verläfst ihren Ort, Des Aristoteles Mechanische Probleme. 81 wenn der Steuergriff gewendet wird. Nach derselben Gegend, wohin der Griff, dreht sich auch der Hintertheil des Schiffs, und der Vordertheil nach der entgegengesetzten. Cap. 7. Warum, je höher die Segelstange liegt, desto schneller das Schiff fährt, bei einerlei Segel und einerlei Winde? — Weil vielleicht der Mast ein Hebel ist; der Stuhl worin er be- festigt ist, die Unterlage; das Schiff die zu bewegende Last; der Wind im Segel das Bewe- gende? Je weiter also entfernt von der Unterlage, desto leichter und schneller bewegt die- selbe Kraft dieselbe Last. Wird nun die Segelstange höher hinaufgezogen, so entfernt sie das Segel von dem Stuhl des Mastes, der Unterlage des Hebels. Cap. 8. Warum, wenn die Schiffer gegen Wind steuern wollen, wird ein Theil des hinteren Segels, neben dem Steuermann eingezogen, das am Vordertheile aber ausgebreitet? Vielleicht, weil das Steuer, welches entgegen wirken soll, dies nicht bei vielem Winde, wohl aber.bei dem wenigen, welchen das zusammengezogene Segel zuläßst, zu leisten vermag? Der Wind nämlich treibt das Schiff vor sich her; das Steuer treibt es gegen den Wind, dem Meere sich widersetzend. Zugleich kämpft die Schiffsmannschaft gegen den Wind, indem sie selbst sich dem Schiff entgegen neigen. Cap. 9. Warum halb- oder ganz-runde Figuren unter allen die beweglichsten sind? — Der Kreis bewegt sich auf drei verschiedene Weisen um sich selbst; entweder in der Richtung des Reifes, und zugleich um seinen Mittelpunkt, wie das Rad am Wagen; oder allein um diesen Mittelpunkt, wie die Rollen; oder allein nach der Richtung des Reifes um den an seinem Orte selbst verharrenden Mittelpunkt, wie die Töpferscheiben. Ist nun etwa darum in diesen Fällen die Bewegung die schnellste, weil die Berührung des Kreises mit einer Ebene so klein ist und nur in einem Punkte, und daher kein Anstols statt findet — denn die Krümmung des Kreises entfernt sich von der Ebene; und selbst wenn er auf einen Körper trifft, berührt er denselben nur wenig: Eine geradlinigte Figur wird dagegen die Ebene mit einer geraden Linie in vielen Punkten berühren; oder darum, weil die mitgetheilte Bewegung eine gleiche Richtung dem Bewegten giebt, als die Schwere? der Durchmesser des Kreises aber, der auf der Ebene steht, und diese in einem Punkte berührt, theilt das Gewicht des Rades in zwei gleiche Theile: wird er aber bewegt, so kommt sogleich nach derselben Richtung hin noch das Gewicht hinzu und dadurch vermehrt sich seine Beweglichkeit; denn allerdings geht die Bewegung von irgend et- was schneller von statten, wenn es schon nach derselben Richtung durch seine Schwere geneigt wird, und es wird schwerer dann halten, ihm eine entgegengesetzte Richtung mitzutheilen. — Endlich sagen noch einige darum: weil der Kreisumfang die äufserlich empfangene Bewegung immer fortsetzt, wie auch ein ruhender Punkt immer an seinem Orte verharrt, durch Wi- derstehen. Auf ähnliche Weise verhalten sich auch die gröfseren Kreise gegen kleinere. Auch da werden von einerlei Kraft die gröfseren, und ihre Lasten bewegt, weil die Neigung des grö- [seren Kreises gegen den kleineren, ein Sinken durch Schwere bewirkt, nach dem Verhältnisse der beiden Durchmesser gegen einander. Dies gilt für jeden gröfseren und jeden der unzäh- Mathemat. Klasse 1829, L 82 Des Aristoteles Mechanische Probleme. ligen kleineren Kreise, und sobald ein Kreis eine Neigung erlält gegen einen andern, wird seine Bewegung dadurch erleichtert. Aber eine andere Neigung zum Sinken hat der Kreis, und das auf ihm Bewegte, wenn er mit dem Reif keine Ebene berührt, sondern, wie die Rollen, einer Ebene parallel läuft. Auch von solcher Beschaffenheit bewirkt er eine schnellere Bewegung. Nicht etwa wegen geringen Berührens und Anstolsens sondern aus einer andern Ursache? — Diese nun ist schon vorhin angegeben, weil nämlich die Kreisbewegung aus zwei Bewegungen besteht. Die eine davon ist ein fortgesetztes Herabsinken, und wird die Bewegung nach dem Umfange bewirkt, so geschieht dies so, als wenn ein schon Bewegtes eine fortgesetzte Bewegung erhält. Denn das Bewegende stölst es nach der Seite fort. Die Bewegung aber nach dem Durchmesser macht der Kreis selbst. Cap. 10. Warum, was auf gröfsern Kreisen getragen und gezogen wird, sich schneller und leichter bewegt, wie z.B. grölsere Rollen, oder Walzen verglichen mit kleineren? Vielleicht darum, weil, je grölser der Kreishalbmesser ist, die Bewegung in gleicher Zeit durch eine desto gröfßsere Strecke geschieht? Auf dieselbe Weise, wie wir gesagt haben, dafs ein gleiches Ge- wicht die gröfseren Wagebalken schärfer als die kleineren abwägen, weil hier der Mittelpunkt des Rades die Unterlage ist, und die Halbmesser die Arme sind des Wagebalkens. Cap. 11. Warum wird ein Wagebalken leichter bewegt ohne Last als dergleichen tragend, so wie auch ein Rad, oder irgend etwas anderes dergleichen leichter als das mehr beladene, und ein kleineres und zugleich weniger wiegendes leichter, als das gröfsere? Etwa darum, weil die schwere Last nicht nur nach der Richtung nach oben, sondern auch nach der zur Seite der Be- wegung widerstrebt? Denn nicht leicht ist es etwas gegen die Richtung der Schwere zu be- wegen; leichter, nach dieser Richtung. Nach der Seite hin aber findet eine solche nicht statt. Cap. 12. Warum werden Lasten leichter bewegt auf Walzen, als auf Wagen, auch wenn diese grölsere Räder und jene kleinere Umfänge haben? Etwa darum, weil die Last auf Walzen kein solches Hindernis der Bewegung findet, als die auf Wagen an der Axe? Denn sie drückt diese sowohl von oben her, als von der Seite. Die Last auf den Walzen wird dagegen sowohl nach'der untergelegten Fläche, als nach dem aufliegenden Gewicht hin bewegt. Denn auf bei- derlei Weise wird der Kreis umgedreht, und schon in Bewegung gesetzt, fortgetrieben. Cap: 13. Warum werden Geschosse von der Schleuder weiter getrieben, als von der Hand, auch wenn der blos Werfende mit der blofsen Hand sie weiter fortbewegt, als wenn er sich zum Wurfe des Schlittens der Schleuder bedient? Etwa, weil auch dabei zwei Bewegungen in eine zusammentreffen, die der Schleuder nämlich, und die des Geschosses; dort aber die des Geschosses allein wirkt. Denn erst bewegt der Schleuderer das Geschofs in der Schleuder; dreht es damit mehrmals im Kreise und lälst es dann heraus. Aus der Hand aber geworfen ist es zuerst in Ruhe. Daher jene Erscheinung und weil bei dem Schleudern die Hand der Mit- Des Aristoteles Mechanische Probleme. 83 telpunkt ist, die Schleuder selbst der Halbmesser und um so schneller die Bewegung geschieht, je gröfser der Halbmesser. Die Schleuder nun ist der längere Halbmesser, die Hand bei dem Wurf der kürzere der kleinere. Cap. 14. Warum werden um denselben Lagersteg die größseren Wirbel leichter bewegt, als die kleineren (bei einerlei Dicke ihrer Fulswalzen), und von derselben Kraft die dünneren Walzen (derselben) leichter als die dickeren? Etwa, weil die Walze und der Wirbel der Mittelpunkt, die vorragenden Theile aber die Halbmesser sind? Denn wirklich werden von derselben Kraft die der grölseren Kreise schneller und stärker bewegt, als die der kleineren; der vom Mittel- punkt entferntere Punkt wird von derselben Kraft mehr aus seinem Orte gerückt. Daher wer- den die Wirbel an dem Lagerstege als Werkzeuge zum leichteren Drehen angebracht. Wenn die Walzen dünne sind, so werden die Vorragungen vom Holze ab desto länger und selbst Halbmesser. Cap. 15. Warum wird ein Stück Holz von derselben Länge leichter am Knie gebrochen, wenn seine Enden in gleicher Entfernung von demselben zum Brechen gefalst werden, als wenn dicht am Knie; und wenn es auf den Boden gelegt, und der eine Fuls darauf gesetzt wird, leichter bei grölerer Entfernung der brechenden Hand? Weil vielleicht dort das Knie; hier der Fuls, der Mittelpunkt? und wegen der allgemein leichteren Bewegung bei gröfserer Entfernung des Mittelpunktes? Denn allerdings wird das bewegt, was gebrochen wird. Cap: 16... Warum sind die Ufersteinchen, die sogenannten Kroke, rundlich; da sie doch ur- sprünglich lange Steine und Muschelschaalen waren? Vielleicht, weil, was in Bewegungen von der Mitte am weitesten abstand, am schnellsten fortgetrieben wird’? — Denn die Mitte wird bier Mittelpunkt, und was von ihr sich entfernt, Halbmesser; immer beschreibt es von gleicher Bewegung je weiter entfernt, einen desto gröfseren Kreis, und was in gleicher Zeit einen grölseren Auslauf macht, bewegt sich desto schneller; was aber bei gleicher Entfernung schnel- ler bewegt wird, schlägt heftiger, und was heftiger schlägt, wird gegenseits heftiger selbst ge- schlagen. So wird also das von der Mitte weiter abstehende fortwährend zermalmt, und da- durch nothwendig rund. Die Kroke aber von dem stets in Bewegung seienden Meere, immer bewegt, schlagen ringsum an, und dies muls am meisten ihre äufserst gelegenen Punkte treffen. Cap. 17. Warum Holz, je länger, desto schwächer werde, und aufgehoben mehr sich biege? z.B. ein dünneres Holz, zwei Ellen lang verglichen mit einem dickeren aber hundert Ellen lan- gen? Etwa weil das Holz seiner Länge nach ein Hebel wird, nebst Last und Unterlage, bei Auf- heben des Holzes? Denn das vordere Stück, welches die Hand aufhebt wird gleichsam eine Un- terlage, und das auf dem andern Ende die Last. Je länger also das Holz ist von der Unterlage an, destomehr muls es (das Holz) gebogen werden, weil um so viel etwas von der Unterlage ent- fernt er ist, um so mehr es gebogen werden mufs. Nun soll das äulserste Ende des Hebels geho- ben werden. Wenn er also schon sich gebogen hat, so muls er aufgehoben noch mehr gebogen werden. In kurzen Holzen aber liegt der äulserste Endpunkt nahe an der ruhenden Unterlage. L2 54 Des Aristoteles Mechanische Probleme. Cap. 18. Warum mit einem, wenn.gleich kleinen, Keil sehr schwere und grofse Körpermassen auseinander getrieben und mächtig gespalten werden? Etwa weil er von zwei einander entge- gengesetzten Hebeln gebildet ist, wovon jeder eine Last trägt und eine Unterlage hat, welche zugleich spaltet und drückt. Es kommt hinzu und verstärkt die Last, die Bewegung des darauf fallenden Stofses, welcher schlägt und treibt, und, weil etwas schon bewegtes mit Schnellig- ce keit bewegen die Wirkung vermehrt, so folgen hier grolse Kräfte dem kleinen Hebel nach, deren Gröfse nur den Maalsstab giebt zu einer Schä- tzung der Bewegung. Sei ABC der Keil; DEFG das Gespaltene. AB ist ein Hebel; die Last unterhalb, 2; die Unterlage, G; 2C der jenem entge- B gengesetzte Hebel. Der geschlagene Theil 4C braucht beider als Hebel D E und mächt dadurch einen Spalt. Cap. 19. Warum, wenn man zwei Rollen auf zwei Hölzern so zusammensetzt; dafs sie in entge- gengesetzter Richtung übereinander kreisen, ein dünnes Seil‘darübergelegt, wovon das eine Ende, an einem der Hölzer fest gemacht, das andere um die Rollen gezogen wird, und an dem Ende des: Seiles zieht, selbst mit geringer Kraft grofse Lasten fortbewegt? Weil vielleicht dieselbe Last von einer geringeren Kraft mit Hülfe eines Hebels gezogen wird, als mit der Hand? — Die Rolle aber thut eben das, was der Hebel. Deshalb wird die eine Rolle leichter, und mit geringer Kraftanwendung eine viel schwerere Last ziehen, als die Hand allein. Zwei Rollen aber werden sie mit mehr als doppelter Geschwindigkeit aufheben. Denn geringer wird das Gewicht werden, was die eine zieht, wenn das Seil noch über die zweite geschlagen wird, als wenn jene für sich allein wirkt. Und so wird schon bei wenigen Rollen der Unter- schied des Gewichtes bedeutend. Eine Last z.B. vier Minen schwer an der ersten, wird an der letzten von viel geringerem Gewichte gezogen; und namentlich in Bauten erleichtert man da- mit die Bewegung grofser Lasten, indem das ziehende Seil von einer Roile auf die andere, und von dieser auf Winden und Hebel übertragen, das heilst eine Zusammensetzung vieler Rollen gemacht wird. Cap. 20. Warum, wenn man auf das Holz eine grofse Axt, und auf diese eine grofse Last legt, das Holz, nicht um was der Rede werth, getrennt wird, wenn aber jemand die Axt aufhebt und darauf schlägt, es spaltet, obgleich das Gewicht des schlagenden viel kleiner sein mag als das aufliegende und drückende? Vielleicht, weil alles durch Bewegung wirkt, und ein schon be- wegtes Gewicht die Bewegung eines andern stärker annimmt als ein noch ruhendes? Deshalb eben bewirkt hier das darauf liegende keine Bewegung, wenn es aber bewegt wird, vermehrt es seine eigne Bewegung mit der des schlagenden. Es wird aber auch ferner die Axt ein Keil und der Keil spaltet grolse Körper, weil er aus zwei entgegengesetzten Hebeln besteht. Cap. 21. Warum wägen gewisse Wagen, deren Ganzes nur ein halber Wagebalken ist, mit einem kleinen Anhängegewicht, grofse Massen Fleisch? Denn nur eine Schaale wird da ange- hängt, wo die Last aufgelegt wird. Auf der andern Seite aber befindet sich der Arm der Wage Des Aristoteles Mechanische Probleme, s5 allein. — Etwa, weil dieser zugleich Wagebalken und Hebel ist? ein Wagebalken nämlich, weil jede seiner Unterlagen dem ganzen Arm ein Mittelpunkt wird. Dieser hat auf der einen Seite die Schaale, auf der dieser entgegengesetzten ein kugelförmiges Gewicht, welches an dem Wagebalken anliegt, als wenn hier die zweite Wagschaale mit dem zur Ausgleichung nöthigen Gewicht an diesem Ende des Arms angebracht wäre. Eben so schwer aber zieht das der wirk- lichen Schaale aufgelegtes Gewicht. So ist also der eine Wagebalken ein Inbegriff von vielen, und jeder derselben bat die ihm zugehörige Unterlage, durch deren jede die Wage zwischen jenem und der Anhängekugel gehalbtheilet wird. Das Gleichgewicht aber ist vorhanden, wenn auf beiden Seiten der Unterlage gleich viel wiegt; so findet sich durch Messen das Gewicht der in der Schaale liegenden Last, wenn der Wagebalken gerade steht, nach der Entfernung in wel- cher jedesmal die Wagschaale von der jedesmaligen Unterlage abstehet, wie oben gesagt wor- den ist. Das Ganze ist dann ein Wagebalken, der auf der einen Seite die Schaale trägt mit der darauf wägenden Last, auf der andern die worin das Gegengewicht sich befindet. Daher ist die Anhängekugel an dem einen der beiden Arme; und wo diese Einrichtung statt findet, da sind mehrere Wagebalken, und zwar so viele, als Unterlagen. Jederzeit aber wird die gröfsere Nähe der Unterlage von der Schaale ein gröfseres Ge- wicht der darin abzuwägenden Last angeben, weil so die ganze Wage ein nach entgegengesetz- tem Verhältnifs der Gewichte getheilter Hebel, dessen Unterlage der Aufhängehaken der Wage; die Last aber in der Wagschaäle ist. Um so viel gröfser dann die Länge des Hebels ist, von der Unterlage an gerechnet, um so viel leichter setzt er diese in Bewegung. Dieses wirkt das Gleich- gewicht, und die Aufhängekugel wägt die Masse in der Wage. Cap. 22. Warum ziehen die Ärzte die Zähne leichter aus, wenn sie noch ein Gewicht, die Zange, hinzunehmen, als mit der blolsen Hand? Weil etwa der Zahn leichter der Hand ent- schlüpft, als der Zange? — Aber glitscht das Eisen nicht leichter ab als die Hand, da es den Zahn nicht ringsum ergreift? — Denn das Fleisch der Finger, da es weich ist, legt sich besser an und umfassender. — Oder etwa, weil die Zange von zwei einander entgegen liegenden He- beln gebildet wird, die ihren Vereinigungspunkt zur Grundlage haben? Um deshalb bedient man beim Ausziehn sich dieses Werkzeuges, um die Bewegung zu verstärken. Denn es sei 4 R, das eine und B das andere Ende der Zahnzange; ADT der eine, BCE ze der andere Hebel; C, D die Unterlage; der Zahn in @. Dieser ist die D Last. Mit beiden zugleich angegriffen wird er bewegt. Ist er aber schon in Bewegung gesetzt, so wird er leichter mit der Hand heraus- gezogen als mit dem Werkzeuge. @ Cap. 23. Warum bricht man Nüsse leichter ohne Schlag mit dazu verfertigten Werkzeugen? — Es geht doch hiebei die bedeutende Kraft verloren der Bewegung und der Gewalt — ande- rerseits, wenn man mit einem eisernen und schweren Werkzeuge zusammendrückt, wird man schneller brechen, als mit einem hölzernen und leichten. Wird etwa so die Nuls von zwei Hebeln auf beiden Seiten gedrückt, und die Trennung der Masse durch den Hebel erleich- tert? — Denn das Werkzeug ist aus zwei Hebeln zusammengesetzt, mit einerlei Unterlage, 36 Des Aristoteles Mechanische Probleme. dem Vereinigungspunkt 4. ‘Wenn also die EF durch die auf CD wir- A kenden Kräfte zusammengetrieben werden, so geschieht dies auf die angegebene Weise leichter mit einer geringen Kraft. Die also, welche das Gewicht im Schlage äufsert, eben dieselbe, und eine gröfsere noch als diese, bewirken die CE und DF als Hebel. Denn gegen einander zusammengezogen brechen sie mit Druck das was in G sich be- findet. Darum wird dieses auch desto schneller zusammen gedrückt, je näher es dem 4 liegt. Denn je mehr der Hebel von der Unterlage absteht, desto stärker ist seine Wirkung mit der- selben Kraft. Es ist also 4 die Unterlage, DAF der Hebel, so wie auch CAE. Um wie viel daher der Körper in G der Spitze des Winkels A liegt, um so viel näher ist er dem Vereini- D c. gungspunkte A, welcher die Unterlage ist. Nothwendig werden deshalb die E, F, von der- selben Kraft mehr zusammen getrieben; und das entgegengesetzte Zusammentreiben verur- sacht den stärkeren Druck und das schnellere Brechen. Cap. 24. A ‘Warum, wenn die beiden Eckpunkte eines Rhombus —a durch zwei Bewegungen angetrieben werden, nicht jeder von ——>® ihnen die gleiche Linie durchläuft, sondern der eine eine viel- De 6 fach grölsere? Oder, was dasselbe sagt: warum der auf der D Seite fortschreitende Punkt einen kleineren Raum durchläuft, als diese Seite selbst, jener nämlich den kleineren Durchmesser; diese die grölsere Seite, und zwar wird jener von zwei Bewegungen angetrieben: diese nur von einer. Denn es werde A gegen B hin, und Z gegen A hin bewegt, mit gleicher Geschwin- digkeit, und mit eben derselben die Seite 4B nach der Richtung 4C gegen CD hin, so wird nothwendig A den Durchmesser 4D und B den Durchmesser BC durchlaufen, und beide wer- den gleichzeitig die eine Seite AB und die zweite AC zurücklegen. Denn es werde A durch AE und zugleich die AB durch AH getrieben. Ziehe HG parallel der 43 und vervollständige von E das Parallelogramm AF. Dies letztere wird dem ganzen ähnlich sein: also ist AH gleich AE. Da aber zugleich 4B durch AH getrieben ist, so muls 4 sich auf dem Durchmesser in der Richtung AF befinden, und so wird er immerfort längs dem Durchmesser 4C gehen. Und zu gleicher Zeit wird 4B die Seite 4C und der Punkt 4 den Durchmesser AD durchschreiten. Das ähnliche wird gezeigt für die Bewegung von B durch den Durchmesser BC. Denn gleich ist BE mit BG, wird also das Parallelogramm von G her vervollständigt, so ist dies dem ganzen ähnlich; der Punkt 2 wird auf dem Durchmesser, welcher durch die Punkte 2, € geht, anzutreffen sein, und zu gleicher Zeit die Seite eine Seite und der Punkt B den Durchmesser 3G durchlaufen. Gleichzeitig also wird B eine vielfach gröfsere Linie als 42, und diese eine kleinere, die Seite, durchschreiten, und zwar mit gleicher Geschwindigkeit, und die Seite, von einer einzigen Bewegung angeregt, eine grölsere Strecke als der Punkt 4. Denn je mehr der Rhombus spitz wird, desto kleiner wird der Durchmesser AD, desto größer BC, desto mehr die Seite kleiner als BC. Nun ist es aber, wie gesagt, etwas widersinniges, dafs durch zwei Bewegungen ange- trieben das Bewegte langsamer fortgehen sollte, als durch eine, und dafs von zwei Punkten mit Des Aristoteles Mechanische Probleme, 87 gleicher gegebener Geschwindigkeit der eine eine grölsere Strecke zurücklegen, als der andere. Die wahre Ursache hievon ist aber, dafs die Bewegungen von dem stumpfen Winkel her, bei- nahe einander entgegengesetzte Richtungen haben, in deren einer der Punkt selbst sich bewegt, und der andere die Seite fortschreitet; so wie von dem spitzen Winkel her die Bewegungen beinahe dieselbe Richtung haben. Denn hier kömmt die Bewegung der Seite der auf dem Durch- messer zu Hülfe, Und so viel der eine Winkel spitzer, der andere stumpfer wird, werden hier die Bewegungen langsamer, dort geschwinder; jene, weil sie wegen des stumpferen Winkels einander mehr entgegenlaufen; wogegen diese mehr einerlei Richtung haben, die zusammen- gehenden Linien. Denn 2 erhält fast dieselbe Richtung von jeder der beiden Bewegungen; die eine kommt der andern zur Hülfe, und zwar um so mehr, je spitzer der Winkel wird. Der Punkt 4 wird aber in entgegengesetzter Richtung getrieben; er selbst nämlich nach 2 hin, die Seite aber nech C, welche Bewegungen desto mehr einander entgegenlaufen, je stumpfer der Winkel ist. Die Linie des Weges wird gerader; wird sie aber ganz gerade, so sind sich die Bewegungen gerade zu entgegengesetzt. Die Seite aber hat nur die eine Bewegung, wird also durch nichts aufgehalten; daher durchläuft sie sehr natürlich den längeren Weg. Cap. 25. Es wird gefragt, warum bei seiner Umwälzung ein gröfserer Kreis eine eben so grofse Linie abwickelt, als ein kleinerer, wenn beide um denselben Mittelpunkt gelegt sind; wenn sie aber aufser einander sich bewegen, die von ihnen durchlaufenen Linien sich zu einander verhal- ten, wie ihre Grölsen? ferner, warum, wenn beide denselben Mittelpunkt haben, jene Linie, welche sie durch Rundumwälzung abwickeln, bald so grofßs ist, wie die, welche der kleinere Kreis durch seine Umwälzung um sich selbst, bald wie die, welche der grölsere erzeugt. Es leuchtet nun freilich ein, dafs der grölsere eine gröfsere abwickeln muls; denn es ist augenfäl- lıg, dafs der Winkel, welchen der zu jedem Durchmesser gehörende Umfang bestimmt, grölser ist für den gröfseren Durchmesser, und kleiner für den kleineren; so dafs die Linien, welche abgewickelt werden, augenscheinlich gegen einander in eben dem Verhältnisse stehen; aber es ist auch offenbar, dafs sie, um denselben Mittelpunkt gelegen, eine gleiche Linie abwickeln. Und so kommt es, dals die abgewickelte Linie bald der gleich ist, welche der gröfsere Kreis, r bald der, welche der kleinere abwickelt. Sei nun DFC der gröfsere, und KEB der kleinere; der beiden gemeinschaftliche Mittelpunkt sei 4. Die H Linie, welche der grölsere Kreis durch Umwäl- Y L zung um sich selbst entwickelt, sei FT, und die des kleineren auf EG, gleich der FZ. Bewege ich nun den kleinern um den Mittelpunkt 4, und der grofse ist mit ihm zusammengefügt, so wird, wenn 42 durch die Umdrehung eine seukrechte Stellung auf EG erlangt, gleichzeitig 4U auf FZ senkrecht. So wird der Theil des Umfanges BE durch die Linie EG, und der Umfang FC durch die gleiche FZ durchgelaufen sein. Wenn aber die Viertheile der Kreise einen gleichen Weg beschreiben, so ist offenbar, dals auch bei den ganzen Kreisen eben diese Gleichheit stattfinden wird; also wenn der Um- fangstheil BE bis G sich erstreckt, so wird auch der Umfangstheil FC bis FZ, bei erfolgender Abwickelung des ganzen Kreises sich erstrecken. — Auf ähnliche Weise, wenn ich den grofsen Kreis bewege, und der kleine ist mit ihm zusammengefügt, und hat denselben Mittelpunkt, so - 83 Des Aristoteles Mechanische Probleme. wird AC und AB zu gleicher Zeit senkrecht stehen, jene auf FZ, diese auf EG, und wenn die eine in EH, und die andere in der ihr gleichen FG abgewickelt wird, so wird abermals FA auf FL und AE auf EG senkrecht stehen und sich in 4 befinden, so wie im Anfange. Dafs dies aber erfolge, ohne dafs der gröfsere durch den kleineren aufgehalten worden, weshalb er auf einem Punkt eine Zeitlang hätte verweilen müssen — denn sie werden ununterbrochen beider- seitig bewegt — noch dafs der kleinere irgend einen Punkt übersprungen hätte, ist, wenn beide eine gleiche Linie beschreiben, undenkbar. Zugleich ist es ferner auch wunderbar, dals durch dieselbe eine immer fortgehende Bewegung des Mittelpunktes bald die grofse, bald die kleinere Linie abgewickelt werden soll: denn wenn dasselbe Ding mit derselben Geschwindig- keit fortgetrieben wird, so muls es nothwendig eine gleiche Linie durchlaufen, und in beiden Fällen dieselbe Geschwindigkeit die gleiche Linie hervorbringen. Die Grundursache hievon ist, weil dieselbe und gleiche Kraft in dem einen Fall eine langsamere, in dem andern eine schnellere Grölse bewegt. Wenn auf eine Grölse, die sich nicht von selbst bewegt, eine andere schon von selbst sich bewegende zugleich bewegend einwirkt, so wird jene langsamer bewegt werden, als wenn sie sich schon von selbst bewegte. Eben so wenn sie sich zwar von selbst bewegt, keine andere Bewegung aber hinzukommt. Unmöglich ist es auch, dals etwas mehr hewegt werde als es das ihn bewegende ist, wenn es nicht seiner eigenen Bewegung, sondern einer darauf einwirkenden folgt. Sei nun der Kreis 4 der gröfsere, 2 der kleinere. Treibt der kleinere den grölseren an, ohne dals dieser sich von selbst umwälzt, so wird der gröfsere offenbar das Stück einer Linie erzeugen, welches so grofs ist, als das, um welches er selbst von dem kleineren fortgetrieben wird, und dies wiederum ist ein solches, als durch welches der kleinere selbst bewegt wird. Es wird also die von dem gröfseren abgewickelte Linie gleich sein der von dem kleineren. Der um sich gewälzte kleinere Kreis wird durch Antrieb den gröfseren so weit fortbewegen, um so viel der kleinere sich um sich selbst umwälzt, wenn nicht der gröfsere auch noch durch seine eigne Bewegung fortgeht. — Denn um wie viel ein Bewegendes ein anderes bewegt, um so viel wird dies von jenem weiter fort getrieben. Bewege sich z.B. der kleinere Kreis durch seine eigne Bewegung längs einem Fuls seines Umfanges, so wird auch der gröfsere um eben so viel bewegt. Eben so, wenn der grölsere den kleineren bewegt, so wird der kleinere eben so weit fort getrieben werden, als der grölsere; auch wenn der kleinere schon eine eigne Bewe- gung hat, wie dieselbe sein möge, schnell oder langsam. Dies nun macht die verfängliche Frage. In einander gefügt machen die Kreise ihren Weg nicht auf einerlei Weise, der eine nämlich wird nicht seine eigne Bewegung, auch nicht um sich selbst von dem andern geführt; es ist gleichgültig, ob der eine mit dem andern concen- trisch, oder auf welche andere beliebige Weise, zusammengesetzt sei; immer wird auf gleiche Art der eine sich bewegen, der andere von diesem bewegt werden, um wie viel der eine, um so viel der andere. Wird der eine dem andern nur zugefügt, oder angeheftet, so wird er nicht können im Kreise bewegt werden: haben sie jedoch beide einerlei Mittelpunkt, so wird noth- wendig der eine von dem andern im Kreise umgewälzt. Allein nichts desto weniger wird der eine oder der andere gerade so bewegt werden, als wenn er keine eigne Bewegung hätte, oder als wenn er dergleichen hätte, sich aber derselben nicht bediente. ‘Wenn also der grölsere Kreis den kleineren mit sich verbunden bewegte, würde dieser kleinere, wenn aber umgekehrt, so der grölsere genau mit der Bewegung des andern sich bewegen. Sind sie aber von einander Des Aristoteles Mechanische Probleme. 59 getrennt, so bewegt jeder von ihnen sich selbst um sich selbst. Dafs sie aber u:n denselben Mittelpunkt und mit derselben Geschwindigkeit sich bewegend ungleiche Linien beschreiben, dadurch wird sophistisch der trügerische Schein hervorgebracht. Denn es ist nur, wenn beide einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt haben, etwas zufälliges, so wie tönend, oder weils. Denn wenn der Mittelpunkt sich in dem einen Kreise befindet, wie in dem andern, so wird er darum noch nicht derselbe von beiden; er ist wenn der kleinere sich bewegt, dessen Mittelpunkt und ihm wesentlich, wenn aber der gröfsere, so des grölseren. Mithin bewegt sich nicht unbedingt das nämliche, sondern nur beziehungsweise. Cap. 26. Dies Capitel ist in seiner gegenwärtigen Gestalt unübersetzbar, und noch keinem ist es bisher geglückt, auch nur einen wahrscheinlichen zusammenhängenden Sinn heraus zu bringen. Die darin gestellte Frage ist: warum die Ruhebetten nach damaligem Gebrauch, Ruhdecken wären von vier Ellen Länge und zwei Ellen Breite, und warum die das Flechtwerk derselben machenden Stricke nicht nach der Richtung des Durchmessers, sondern kreuzweise ausgespannt wurden? — Das erstere geschähe, um das Lager der Form und Gröfse der darauf ruhenden Person anzupassen; das zweite, um theils dem Flechtwerke mehr Haltbarkeit, der hölzernen Einfassung mehr Dauer zu geben; theils um weniger Stricke dazu verwenden zu dürfen. Der Grund hievon ist von sich selbst einleuchtend. Jeder nämlich der ausgespannten Faden erhält Stützpunkte da wo andere Faden ihn durchkreuzen. Im Verhältnils ihrer Anzahl wird seine Tragbarkeit sowohl, als seine Haltbarkeit wachsen, um so viel weniger werden daber dergleichen anzuwenden nothwendig. Wie dieser Grund aber hier im einzelnen klar oder vielmehr nicht klar gemacht wird, ist am besten aus dem ganz verdorben scheinenden, gewils ganz verwirrten Texte zu ersehen. Cap. 27. Waruın ist es, lange Hölzer auf der Schulter zu tragen, schwerer am Ende als in der Mitte des Holzes, bei einerlei Gewicht? Vielleicht weil das Schwingen des Holzes das Tragen auf dem Ende hindert, durch eine dem Tragen entgegengesetzte Bewegung‘ Ist aber nicht, wenn auch das Holz sich wenig biegt und von keiner bedeutenden Länge ist, das Tragen auf dem Ende eben so am schwersten? — Allein eben das, warum das Holz leichter in der Mitte, als am Ende, sich aufheben lälst, eben das macht auch in derselben Weise das Tragen leichter. Die wahre Ursache ist, weil, das Holz in der Mitte aufgehoben, die beiden Enden sich gegen- seitig helfen, und das eine das Aufheben des andern erleichtert. So wird die Mitte des Holzes der Mittelpunkt des Hebens und Tragens. Nach oben hin wird die Bewegung des einen Endes gefördert durch das andere; nach unten treibt die Schwere. Dies aber geschieht nicht, wenn das Aufheben oder Tragen am Ende geschieht, sondern dann drückt das ganze Gewicht die Last auf einem Punkte abwärts. Sei 4 die Mitte des Holzes, an welcher es gehoben oder getragen wird; BC die Enden. Wird also in 4 gehoben, so sinkt 3 durch sein Gewicht abwärts und wird von € gehoben, und umgekehrt; und beides gleichzeitig, wenn beides zugleich gehoben wird. Mathemat, Klasse 1529. M 90 Des Aristoteles Mechanische Probleme. Cap. 28. Warum, wenn ein Holz beträchtlich lang, ist es auf der Schulter schwerer zu tragen, als wenn es kurz ist? Vorher wurde gesagt, das Schwingen sei nicht hievon die Ursache, jetzt aber ist es dieselbe. Denn wenn das Holz länger ist, schwingen die Enden stärker, und so wird es dem Tragenden beschwerlicher zu tragen. Die Ursache des stärkeren Schwingens ist, weil bei derselben Bewegung die Ortsveränderung der Enden desto grölser ist, je länger das Holz. z Die Schulter sei der Mittelpunkt A. Dieser beharrt. Die ea Halbmesser aber sind die Arme 4B, AC. Je länger diese, desto B EN gröfser die Ortsveränderung, wie dies früher gezeigt worden ist. Cap. 29. Warum die Schwengel an den Ziehbrunnen auf diese Weise angebracht werden? Man legt nämlich in das Holz ein Gewicht von Blei, welches dem Gewichte des leeren und vollen Eimers gleich ist. — Vielleicht, weil die Verrichtung in zwei Zeitabschnitten geschieht (denn es muls eingetaucht werden und heraufgezogen) und weil es leichter ist den leeren herabzulas- sen, als den vollen herauf zu heben? — Denn es verlohnt sich, dals das abwärts senken um et- was schwerer werde, um durch das Gegengewicht, das aufwärts steigen um vieles zu erleich- tern. Dies bewirkt das am Ende in den Schwengel gelegte Blei oder der Stein. Denn bei dem hinunter lassen wird das Gewicht größser, als wenn der leere Eimer allein herab zu senken wäre. Ist derselbe aber voll, so treibt ihn mit das Blei, oder was es sonst für ein hinzugefügtes Gewicht sei, hinauf. Und so wird auf diese Weise das zweifache Geschäft leichter, als auf die andere. Cap. 30. Warum, wenn zwei Leute ein gleiches Gewicht auf Holz oder dergleichen etwas, tra- gen, sie nicht auf gleiche Weise gedrückt werden, wenn das Gewicht nicht in der Mitte liegt, sondern der am stärksten, dem es am nächsten liegt? Etwa, weil das Holz, so gebraucht, ein Hebel wird; die Last dessen Unterlage; der der Last nähere Träger das Bewegte; der andere das Bewegende ist? Je weiter dieser von der Last absteht, desto leichter bewegt er, desto mehr drückt er den andern nieder, da die aufgelegte Last widerstrebt und eine Unterlage wird. Wenn sie aber in der Mitte aufliegt, so wird keins der beiden Gewichte grölser noch Beweg- tes stärker als das andere, sondern das eine ist dem andern ein Gegengewicht. Cap. 31. Warum alle Aufstehenden, während des Aufstehens, einen spitzen Winkel machen zwischen Schenkel und Fuls, und zwischen Brust und Schenkel, und wenn dies nicht geschieht, sie nicht aufstehen können? Vielleicht, weil das nach allen Seiten hin gleiche die Ursache ist der Ruhe, und der rechte Winkel das Wesen des Gleichen, und ein Stehen enthält? — Daher geht die Bewegung rechtwinklich auf den Umfang der Erde und damit rechtwinklich auf die unterliegende Fläche. — Oder, weil der Aufstehende eine senkrechte Linie wird. — Denn wenn er aufgestanden ist, mufs er ein auf der Oberfläche senkrechtes Perpendikel sein. Will er nun eine solche senkrechte Linie werden, so muls er den Kopf nach dem Fulsblatt Des Aristoteles Mechanische Probleme. 91 richten, und dies geschieht, wann er aufsteht. Wenn er sitzt, so sind der Kopf und die Fuls- blätter parallel aber nicht in einer senkrechten Linie. EN Sei A der Kopf; AB der Rumpf; 2C der Schenkel; CD der Fuls. Recht- winklich ist so im Sitzen der Rumpf 42 mit dem Schenkel und der Schenkel mit dem Fuls. So aber ist es unmöglich aufzustehen, sondern dazu müssen der Fuls B © geneigt, und die Fufsblätter unter den Kopf gebracht werden, wie geschieht, wenn CD in CE gebracht wird, wo dann das Aufstehen vor sich gehen und der Kopf mit den Fufsblättern in denselben Perpendikel fallen wird. CE aber macht D einen spitzen Winkel mit CD. Cap. 32. Warum wird etwas in Bewegung begriffenes leichter bewegt, als das Ruhende, wie Wagen in voller Bewegung leichter bewegt werden, als im Anfange derselben? Vielleicht, weil es am schwersten geht, einer in Bewegung seienden Last die entgegengesetzte Richtung zu geben? — Es wird nämlich dann der bewegenden Kraft, wie viel auch sie schneller sein mag, etwas entzogen, und der Stols in einer Richtung muls langsamer werden, durch die Ge- genwirkung; zum zweiten aber geschieht dasselbe, auch wenn die Last ruht. Denn auch das Ruhende widerstrebt. Das ähnliche findet statt, wenn etwas in Bewegung seiendes nach der- selben Richtung von einem hinzukommenden Stols getrieben wird, wie wenn jemand die Kraft und die Schnelligkeit des sich bewegenden vermehrte. So grofs die Einwirkung auf das schon bewegte ist, um so viel kommt zur Bewegung hinzu nach derselben Richtung. Cap. 33. Warum kommt ein Geworfenes endlich zur Ruhe? Etwa weil die Kraft nachläfst und endlich ganz aufhört, oder wegen der Gegenwirkung, oder wegen der Schwere, wenn diese die Kraft des Wurfes überwiegt, oder ist es überhaupt ungereimt eine solche Frage, die Grundursache übersehend aufzuwerfen? Cap. 34. Warum wird etwas mit einer ihm mitgetheilten, nicht selbsteignen Kraft fortbewegt, wenn das Bewegende ihm weder folgt noch ferner auf ihn wirkt? Nicht offenbar, weil der erste Anstols weiter auf einen andern Körper und von diesem wieder auf einen andern fort- gepflanzt werden, und wenn diese Fortpflanzung von einem Körper auf den andern nicht ge- schehen kann, Ruhe eintreten muls; auch wenn das Gewicht der in Bewegung gesetzten Last gröfser ist, als die stofsende Kraft? Cap. 35. Warum weder zu kleine noch zu grolse Massen durch einen Wurf fortgetrieben wer- den, sondern damit dies geschehen könne ein Ebenmaals haben müssen gegen die Wurfkraft? Etwa wegen der nothwendigen Gegenwirkung des geworfenen oder gestolsenen? — Was aber wegen seiner Grölse gar nicht weicht oder was wegen seiner Kleinheit gar keinen Wi- derstand leistet, läfst nicht Wurf noch Stols zu. Was nun die Kraft des Stolses weit überbie- tet, und was bei weitem schwächer als diese, das leistet nicht Widerstand. — Oder etwa weil M2 92 Des Aristoteles Mechanische Probleme, das Bewegte in dem Maafse fortgetrieben wird, in welchem es Luft in die Tiefe treibt? Was aber nicht bewegt werden kann, auch selbst nichts bewegt? Hier nun findet beiderlei statt. Das sehr grofse und sehr kleine ist als unbeweglich zu betrachten, dies weil es nichts bewegt, und jenes, weil es durch nichts bewegt wird. Cap. 36. Warum wird was in einem Wasserstrudel schwimmt endlich ganz in dessen Mitte ge- zogen? Vielleicht, weil es wegen seiner Breite sich zwischen zwei durch seine Enden gehen- den Kreisen, von welchen der eine der grölsere ist, der andere der kleinere, befindet! — So treibt der grölsere es schneller umher, und stölst es schräge nach dem kleineren hin; und wie- derum macht dieser eben dasselbe, und stölst es weiter einwärts bis es in die Mitte kommt. Hier aber bleibt es, weil dann alle Kreise es auf ähnliche Art umgeben. Oder vielleicht, weil, um soviel die Bewegung des Wassers nicht aufwägt das darin schwimmende, sondern dieses mit seinem Gewicht die Schnelligkeit des Kreises überwältigt, um soviel es zurückbleiben und langsamer fortgehen mufs! — Der kleinere Kreis aber bewegt sich langsamer, und dasselbe Ding wird in einem kleinen und in einem grolsen Kreise, wenn diese einerlei Mitte haben um- hergeführt, daher wird es nothwendig mit dem kleineren Kreise zurückbleiben, bis es in die Mitte kommt; und die anfänglich stärkere Bewegung hört allmählich auf; denn zuerst wird die Schnelligkeit des Gewichts im ersten Kreise, dann im zweiten überwiegen, bis die ganze Dre- hung in dem Innern des Strudels geschieht. Das was nicht wieder überwältigt wird, muls nothwendig nach Innen oder nach Aulsen getrieben werden; in demselben Kreise, worin es sich befindet, kann es nicht verbleiben, noch weniger in dem aulserhalb liegenden, denn in die- sem ist die schnellere Bewegung. Was aber nicht überwältigt werden kann, wird nach Innen getrieben. Jedes aber strebt dahin, nicht überwältigt zu werden, und da, was nicht fortge- trieben werden kann, endlich in die Mitte kommt, und der Mittelpunkt allein in Ruhe ist, so muls alles endlich in diesem sich vereinigen. ——WDD DD — Über den Cometen von Pons. Erste Abhandlung. > Von H” BE N: G.K&K.E. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 29. Januar 1529.) = der Vervollkommnung der Hülfsmittel deren man zu Cometenbeobach- tungen bedarf, und seit der gröfseren Bequemlichkeit und Schärfe bei der Berechnung ihrer Bahnen, hatte man bei den meisten neueren Cometen, wenn die Beobachtungen zahlreich genug waren, sich nicht mehr blofs mit einer ungefähren Annäherung in der Hypothese der Parabel begnügt. Ob- gleich die meisten elliptischen Bahnen auf sehr:grofse und deshalb unsichere Umlaufszeiten führten, so verdanken wir doch diesem Bestreben, den je- desmaligen Beobachtungen so genau als etwa die mögliche Fehlergrenze ge- stattete Genüge zu thun, die sichere Kenntnifs von einem Cometen, dem Olbersschen, dessen, Umlaufszeit nicht sehr. verschieden ist von der des Halleischen Cometen, und unter den übrigen scheinen Einige aufserdem noch sichere Spuren einer geschlossenen, doch nicht zu grofsen, Bahn zu zeigen. Ein gleiches Bestreben führte auf die Entdeckung der Periode des Ponsschen Cometen. Bei seiner Auffindung im Jahr 1818 durch den be- rühmten Astronomen Pons, und seiner Beobachtung in Italien, Frankreich und Deutschland, wenn auch die zuverläfsigen Angaben nur einen Zeitraum von 21 Tagen umfafsten, war der Einflufs der Eccentricität so überwiegend, dafs in einer Parabel stets Fehler von mehreren Minuten zurückblieben. Da diese viel zu grofs waren. um zugelassen zu werden, so versuchte ich eine elliptische Bahn, und erhielt, unabhängig von jeder andern Voraussetzung, das auffallende Resultat einer Umlaufszeit von etwa 1310 Tagen aus den 94 Encke Beobachtungen von 1818 und 1819 allein. Es lag hierin die Veranlassung die Cometen-Verzeichnisse früherer Jahre durchzugehen, etwas was bei den kleineren neueren Cometen bisher weniger beachtet war, weil erst seit we- nigen Jahrzehnten kleinere Cometen gesucht und gefunden werden. Die Ähnlichkeit aller Elemente bei dem 1*“* Cometen von 1805 war zu auffal- lend, um nicht erkannt zu werden, schon bei der Berechnung dieses Come- ten im Jahre 1806 hatte Herr Professor Bessel eine starke Abweichung von der Parabel vermuthet, und die Kürze der gefundenen Umlaufszeit liefs die Möglichkeit nicht übersehen, dafs der Comet mehrmals seinen Umlauf in dieser Zwischenzeit von 13 Jahren vollendet haben könne. Diese ersten Angaben wurden in die Göttinger Anzeigen vom 18. Febr. 1819 eingerückt. Um die Identität beider Cometen unbezweifelt darzuthun, war es nö- thig die Störungen besonders durch Jupiter, dem er sich sehr nähern kann, zu berechnen. Die Beobachtungen von 1819 und 1805, jede besonders genommen, reichten hin um einen viermaligen Umlauf wahrscheinlicher als einen dreimaligen zu machen. In dieser Voraussetzung wurden die Stö- rungen berechnet, und vorläufig an beide Reihen von Beobachtungen von 1805 und 1819 angeschlossen. Der günstige Erfolg zeigte dafs die vor- ausgesetzte halbe grofse Axe die richtige, und der Wahrheit nahe kommende sei. Die erste Nachricht hievon findet sich in den Göttinger Anzeigen vom 24. Mai 1819. Jeder Zweifel darüber wurde indessen gehoben durch einen Brief des Herrn Dr. Olbers vom 18.:Mai 1819, in welchem er zeigt, dafs der im Jahre 1795 beobachtete Comet einen im ganzen so ähnlichen Lauf mit dem Ponsschen gehabt haben müsse, falls man die Zeit des Durchgangs um drei Perioden zurücknehme, dafs an der Identität beider nicht zu zweifeln sei. Das Verdienst dieser Bemerkung wird um so höher angeschlagen werden müssen, als die ungenauen Berechnungen der früheren Zeit Elemente gege- ben hatten, die beträchtlich von den elliptischen der Bahnen 1805 bis 1819 verschieden waren, so dafs eine blofse Vergleichung beider Systeme allein, schwerlich auf diese Vermuthung hätte führen können. Allein noch mehr zeigte sich die Vertrautheit des Herrn Dr. Olbers mit den kleinsten, und von Andern ganz übersehenen Einzelnheiten der Cometen-Theorie, durch die gleich darauf, in einem Briefe vom 24. Mai 1819 gemachte Bemerkung, dafs auch im Jahre 1786, drei Perioden vor über den Cometen von Pons. 95 1795 zurück, zwei isolirte, und eben deshalb vergessene Beobachtungen eines Cometen in Paris gemacht seien, deren Ort so nahe mit der Balın des Ponsschen Cometen überein träfe, dafs dieser ebenfalls damals sichtbar ge- wesen sein mufste. Es kam jetzt darauf an diese gesammelten Erscheinungen des Come- ten sämmtlich durch eine einzige Bahn, mit Zuziehung der störenden Plane- tenkräfte, so darzustellen, dafs die Fehler gewisse Grenzen nicht überschrit- ten. Diese Grenzen hängen freilich von der jedesmaligen Genauigkeit der Beobachtungen ab. Aber selbst bei den älteren Reihen kann man bei der Übersicht des Ganges der zurückbleibenden Fehler, bei irgend welchen ge- näherten Elementen, ihnen gewifs keinen mittleren Fehler von zwei Minuten zuschreiben. Bei den neueren von 1805 an ist diese Grenze bei weitem en- ger. Den Beweis dafür durch eine Vergleichung zu geben, halte ich hier für überflüssig, da die sämmtlichen Beobachtungen in dem Berliner Jahr- buche für 1822 pg. 186-192. zusammengestellt, und seitdem keine neuen Rechnungen hinzugekommen sind. Die Störungen von 1805 an rückwärts bis 1795, und vorwärts bis 1819, wurden zweimal ganz unabhängig von einander berechnet. Über die dabei befolgte Methode scheint es unnöthig zu sein etwas zu bemerken, da sie die bei Cometen gewöhnliche, und so viel bis jetzt bekannt ist, einzig anwendbare der mechanischen Quadratur der Differentialquotienten bei je- dem einzelnen Elemente ist. Der Gleichförmigkeit wegen werde ich für diese Elemente annehmen M....Mittlere Anomalie zu einer bestimmten Zeit Weser Mittlere tägliche siderische Bewegung RPRRR Eecentricitätwinkel so genommen dafs nach (saufs d } b? sind = At en ) #..... Länge des Perihels 8 .... Länge des aufsteigenden Knotens; beide letztere für ein be- stimmtes mittleres Äquinoctium Ü..... Neigung der Bahn. Die erste Störungsrechnung für die 7 Perioden von 1795-1819 be- schränkte sich auf den Jupiter, unter der Annahme der älteren Laplace- schen Mafse Barape Sie sollte nur dienen den Beweis der Identität zu ver- 96 EnckeE vollständigen, und konnte bei den grofsen Intervallen innerhalb welcher der numerische Werth der. Änderungen der Elemente berechnet wurde, von 100 zu 100 Tagen, keinen Anspruch. auf irgend welche Genauigkeit machen. Indessen verdient es bemerkt zu werden, dafs auch diese Rechnung schon, nach. Abzug der Störungen, einen verschiedenen Werth von u für den Zeit- punkt von 1805, aus den zwei Abschnitten vorher und nachher gab. Die halbe grofse Axe wurde aus den späteren Perioden kleiner, also u gröfser gefunden als aus den früheren (!). Die zweite Berechnung der Störungen hatte mehr Anspruch auf Ge- nauigkeit. Theils waren die Elemente der Bahn genauer bekannt, und konnten den wahren Ort des Cometen zum Behufe der Störungen mit grofser Annäherung geben; theils wurden während der 7 Perioden von 1795-1819 um die Hälfte kürzere Intervallen von 50 zu 50 Tagen angewandt; theils wurden auch für dieselben Perioden die Störungen der oberen Planeten Merkur Venus Erde mitgenommen, von denen besonders der zweite nächst dem Jupiter den stärksten Einflufs äufsert, da die grofse Nähe in welcher der Comet dem Merkur kommen kann, für seine bisherigen Erscheinungen nicht stattfindet. Indessen läfst sich nicht läugnen, dafs sowohl bei dem Jupiter, als bei den oberen Planeten, die Resultate nicht die Genauigkeit haben die man wünschen möchte. Dafs sie indessen von der Wahrheit sich nicht sehr entfernen, zeigt die Vergleichung mit der Berechnung des Herrn Baron Damoiseau, die innerhalb der Grenzen, welche bei zwei wahr- scheinlich nach verschiedenen Elementen geführten Rechnungen wohl gestat- tet sind, damit übereinkommen. Die erhaltenen Zahlen, so weit sie hier benutzt werden, kommen unten vor. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Jupitersstörungen auf 1786 zurückgeführt, aber freilich nach der ersten weniger genauen Anordnung. Die früher bemerkte Änderung der mittleren täglichen Bewegung trat aber auch bei dieser genaueren Berechnung hervor, und jede frühere Periode einzeln genommen, gab ein geringeres u als die spätere. Da nicht einzelne Umlaufszeiten, sondern jedesmal 3 und 4 zusammengenommen den Werth bestimmten, so ward der etwanige mögliche Fehler eben dadurch vermindert, und die Vermuthung einer aufsergewöhnlichen Ursache drängte sich auf. zen (') Astronom. Jahrb. 1822. pg.200. über den Cometen von Pons. 97 Ähnliche, jedoch geringere Abweichungen, welche bei andern Him- melskörpern statt finden, namentlich bei den kleineren Planeten, hat man aufzuheben vermocht durch eine Anderung der einzelnen Planetenmassen. Die Art wie die Massen bis jetzt bestimmt wurden, gestattet allerdings inner- halb gewisser Grenzen solche Correctionen vorzunehmen. “Auf der andern Seite darf man sich aber auch keine zu grofsen Änderungen erlauben, da man sonst mit den andern Erscheinungen und Einwirkungen derselben in Wi- derspruch gerathen würde. Versuche ob eine geänderte Jupitersmasse bei dem Cometen die gewünschte Übereinstimmung herbeiführen mögte, gaben ein unbefriedigendes Resultat. Selbst bei der Annahme einer so grofsen Änderung, wie die andern Phänomene unseres Sonnensystems sie nicht ge- statten, gelang es nie alle 4 Beobachtungsreihen zu vereinigen. (') Eine andere Möglichkeit diese Unterschiede wegzuschaffen, würde sich vielleicht aus einer Modification des Newtonschen Anziehung - Gesetzes ergeben. Diese von verschiedenen Seiten in Anregung gebrachte Ansicht, der die theoretische Wahrscheinlichkeit nicht abzusprechen ist, hat indessen noch keine Begründung in der Anwendung gefunden. Sowohl bei der Un- tersuchung der Sonnentheorie durch Bessel, als auch bei der Bahn der Vesta, hat sich keine Nothwendigkeit gezeigt, von der einfachen Voraus- setzung einer der Masse allein proportionalen Anziehungskraft abzugehen. Die Einführung einer solchen Modification bei dem Cometen, wenn sie auch sich erfolgreich bewiesen hätte, würde immer eine hypothetische, von kei- ner andern Seite unterstützte Annahme geblieben sein. Die Form der Stö- rungsrechnungen, in welchen die beiden Theile der Störungen in Bezug auf Sonne und Comet nicht getrennt waren, erlaubte aber auch nicht diesen Versuch. | Bei der Zusammenstellung ‚der Endgleichungen, die unten vorkom= men wird, zeigte sich, dafs eine dem Quadrate der Zeit proportionale Zu- nahme der mittleren Anomalie hinreiche, um die Fehler so weit zu verrin= gern, als bei der Unvollkommenheit der Störungsrechnungen es nothwendig schien. Diese Zunahme der mittleren Anomalie setzt eine der Zeit pro- portionale Zunahme: der mittleren täglichen Bewegung voraus, und würde 5 nach den früheren theoretischen Entwickelungen mehrerer der ersten Ma- ir, (*) Astronom. 'Jahrb. 1826. pg.130. Mathemat. Klasse 1829. N 98 EnoxKe thematiker erklärt werden können, wenn man annähme, dafs die Himmels- körper unseres Sonnensystems sich nicht im leeren Raume, sondern in ei- nem Mittel bewegten, dessen Widerstand gegen die dichten Planetenmassen indessen bis jetzt nicht für unsere Beobachtungen merklich geworden wäre. Bei der so sehr verschiedenen Form und Natur der Cometen, könnte auch eine geringere Kraft dieser Art bei ihnen merklich werden, welche bis jetzt nicht sowohl geläugnet, als vielmehr nur nicht als nothwendig erwiesen war. Die Gewifsheit dafs der Comet wiederkehren würde, und die genaue Bekanntschaft mit seinem jedesmaligen Orte, liefs erwarten, dafs keine Rück- kehr zur Sonnennähe künftig unbeachtet vorübergehen werde, wenn die Umstände überhaupt den Cometen sichtbar werden liefsen, und in der That unterstützte auch ein-glückliches Zusammentreffen der Umstände die Wünsche der Astronomie dadurch, dafs kurz vor der Wiederkehr des Cometen im Jahre 1822, welche nur in der südlichen Hemisphäre sichtbar war, ein sehr ausgezeichneter und thätiger Astronom, Herr Rümker, nach Neuholland ging. Er fand den Cometen etwa 7 Minuten entfernt von dem Orte, den eine Bahn in welche die Hypothese des widerstehenden Mittels vorläufig auf- genommen war ihm vorschrieb. Bei der Aussicht, dafs die beiden folgenden Erscheinungen in den Jahren 1825 und 1828 uns in Europa nicht entgehen würden, glaubte ich jetzt den Versuch machen zu müssen, die Hypothese des widerstehenden Mittels, der astronomischen Prüfung zu unterwerfen, die als die schärfste und befriedi- gendste anerkannt ist. Es war mein Bestreben jedesmal im Voraus den geo- centrischen Ort des Cometen, nicht blofs im Allgemeinen, sondern so genau als nur irgend verlangt werden kann anzugeben; theils um sogleich unmit- telbar nach jeder Beobachtung die genaue Gröfse der Abweichung vor Augen zu haben, theils um dem Verdacht einer den spätern Erfahrungen zu Gefal- len gemachten Modification zu entgehen. Die beiden Ephemeriden für 1825 und 1828 haben diesen Zweck hinlänglich erreicht. Die eingeführte Correction wirkt hauptsächlich auf die Zeit des Durch- gangs ein, und es liefs sich übersehen, dafs eine sichere Entscheidung nur von den späteren Durchgängen zu erwarten war. ‘Vor allem war der letzt beobachtete dieses Jahres von Wichtigkeit. Bei der Zwischenzeit von 3 Pe- rioden erhob sich die Correction schon zu einer bedeutenden Gröfse, da sie dem Quadrate der Zeit proportional ist. Allein aufserdem war die Einwir- über den Cometen von Pons. 99 kung einer unrichtig angenommenen Durchgangszeit auf die geocentrischen Beobachtungen so bedeutend, dafs ein Irthum von etwa 4 Stunden in der- selben, den Ort des Cometen in den letzten Beobachtungstagen um einen halben Grad verrücken mufste, eine Gröfse die nicht wohl einem Zweifel über ihr Vorhandensein Raum läfst. Glücklicherweise ist die Witterung günstig genug gewesen, um an diesen entscheidenden Tagen Beobachtungen zu gestatten. Zwei vortrefi- liche Beobachtungsreihen von Nicolai in Mannheim und von Struve in Dorpat sind mir vor einigen Tagen zugekommen, die bei der Geschicklich- keit der beiderseitigen Beobachter, und besonders bei der Vortrefllichkeit des grofsen Dorpater Refractors, eine bis dahin schwerlich bei Cometen er- reichte Genauigkeit der Ortsbestimmung gewähren. Indessen konnten sie bei den folgenden Rechnungen nicht benutzt werden, hauptsächlich weil die verglichenen Sterne in Dorpat, selbst noch erst bestimmt werden müssen, zu der Zeit wenn sie im Meridiane sichtbar sind. Dem nachfolgenden liegen blofs meine eigenen Beobachtungen zum Grunde, so gut ich sie anzustellen vermochte. Obgleich indessen eine Benutzung aller Beobachtungen zusam- mengenommen die Gestalt der Bahn und die Gröfse der einzelnen Elemente modificiren kann, so hat doch eine vorläufige Vergleichung mich überzeugt, dafs diese Modification nur sehr geringe ausfallen wird. An den wichtigeren Tagen treffen meine Beobachtungen mit den auswärtigen vollkommen zu- sammen, und die früheren Unterschiede welche wie es scheint ihren Grund in einer verschiedenen Annahme des zu beobachtenden Punktes in dem Co- metennebel haben, gehen nicht über eine halbe Minute oder eine dieser nahe kommenden Gröfse. Um die Übersicht zu erleichtern, werde ich im folgenden den Gang der Untersuchung den sie wirklich genommen hat, mit Übergehung der ein- zelnen stufenweisen Verbesserungen so verfolgen, dafs ich zuerst die Glei- chungen gebe aus welchen nach den unvollkommnen Störungsrechnungen der früheren 10 Perioden von 1786-1819, das Vorhandensein und die Gröfse einer aufsergewöhnlichen Einwirkung geschlossen ward. Dann werde ich die Formeln anführen, welche ich angewandt habe, um diese Einwirkung aus einem widerstehenden Mittel zu erklären. Hierauf folgen die Gröfsen, der so strenge als es mir möglich war berechneten Störungen der Elemente für die Zeit von 1819 bis jetzt. Mit Beseitigung der ersten Ableitung der N2 100 Evcke Elemente (unter der Voraussetzung der so aus den frühern Durchgängen von 1786-1819 gefundenen Correetion) aus den Beobachtungeu von 1819 und 1822 allein, werde ich sogleich’ die aus den drei Perihelien 1819, 1822, 1825 abgeleiteten Elemente und ihre Vergleichung mit den sämmtlichen Beobachtungen von allen vier Erscheinungen zusammenstellen. Diese Ver- bindung wird ’einen neuen von dem vorhergefundenen unabhängigen Werth der Correction ermitteln lassen, und die Vergleichung dieses neuen Werthes nebst seiner Anwendung auf die vor 1819 beobachteten Erscheinungen, wird zeigen, ob es möglich ist, alle Beobachtungen von 1736 an bis jetzt damit zu vereinigen. Um die Gleichungen, aus welchen zuerst die Correction geschlossen ward, am einfachsten darzustellen, bezeichne ich durch M, die mittlere Anomalie des Cometen für.1819 Jan. 27,25 DI. 2 en ee er en 1805.Nvb. 21,5 EEE EERAFTINIDE 1795 Dcb. 21,5 M a ee sch 1786 Jan. 30,88 Alle Zeiten hier und im folgenden sind, wo es nicht ausdrücklich anders bemerkt ist, mittlere Pariser Zeiten. Die Zwischenzeiten dieser Perioden betragen von 18050, 1810 en 4814,75 Tage 1795-1805, ..: -»- 3622,0 1786.-1795 «..... : 3611,6 die mittleren täglichen siderischen Bewegungen sollen für eben diese Zeiten bezeichnet werden durch . Koi Kr Mo: Es geben nun die früheren Störungsrechnungen für die obigen Inter- valle folgende Werthe 1786 - 1795 % Au + 043074 AM = + 1977,6 1805 - 1795 42 "Au =-+ 367404 AM = — 16094,1 5695 — 0,22436 + 355,5 Summe ++ 3,44968 — 1335,6 über den Cometen von Pons. 4101 1805 - 1819 Au=-+36335 AM = -+ ı10048,1 52% — 0,49084 — 623,9 u) + 0,03344 — 383,9 Summe + 3,17585 + 15340,3 Die dabei vorausgesetzten Massen sind die älteren Laplaceschen 1 er 1067,09 1 m 3512 1 ö = 329630 gi Q re 356632 fi e re 2025810 Diese Werthe geben unmittelbar die folgenden Gleichungen Ko =, + 3,17585 KM, = Mu, + 3,4968 =. rt 913074 M,=M, -+- Asıl,75 4, + 15340,3 M,= M, — 36220 u, —: 1333,6 M,=M,+ 3116 2 + 1976 Bringt man in den letzten drei Gleichungen Alles auf ein x zurück, so erhält man M, =M, — ısılrsu, — 1494 M,=M,— 8436,75 4, + 10114,9 M,=M, — 12048,35 4, + 8704,0 10 Von diesen drei Gleichungen sind die ersten beiden die genauesten, wegen .der eben bemerkten Art ihrer Berechnung. Im astronomischen Jahrbuche für .1822 pg. 186-196. finden sich aus den Beobachtungen jeder Periode allein, ‚selbst unabhängig von der Vor- aussetzung einer genauen Umlaufszeit, die RK ing durch das Pe- rihel so berechnet: 102 EnckeE 1786 Jan. 30,88 1795 Nvb. 21,4475 1805 Deb. 21,5064 1819 Jan. 27,2521 woraus mit den genäherten Werthen von den verschiedenen u folgt Mm 33 M =— 69 M, = + 56,6 M.=+ 245 Werthe deren etwanige Fehler keinen merklichen Einflufs auf die Bestim- mung von #, haben können. Damit werden die Gleichungen 0=— Asth75 0, — 8 0=— 5436,75 K, + 10056, 0 0 = — 12038,35 4, + 8680,22 oder wenn man u, = 107730 + Au, setzt o—=— 4sıl,75 Au, — 1530,55 0=— 8436,75 Au, — 4323,75 0= — 12048,35 Au, — 7392,75 Diese Gleichungen lassen sich nicht, ohne so grofse Fehler als man nicht wohl annehmen kann, vereinigen. Denn ihre Verbindung würde geben Au, = — 0,555 und 0=-+ 1144 0=-+ 356 0=— 707 oder gerade die genaueste erste Gleichung würde einen Irthum von einem Tage in der Durchgangszeit voraussetzen, welche mit den Beobachtungen und Berechnungen unvereinbar ist. Fügt man aber ein Glied, was dem Quadrate der Zeit proportional ist, hinzu, wobei man sich begnügen kann die Zeitintervalle den einfachen Zahlen 4, 7, 10, proportional zu setzen, so werden sie über den Cometen von Pons. 103 o=— Ası4,75 Au, + 16 AM — 1530,55 0=— 813675 Au, + 49 AM — 1323,75 0= — 1204835 Au, + 100 AM — 7392,75 deren Verbindung zusammengenommen giebt Au, = — 0,180 AM = +-53/0 mit den Fehlern 0=- 1si” 0= — 20 0=+ 7A Fehler die sich aus der Unvollkommenheit der Störungsrechnungen wohl er- klären lassen. Da indessen die dritte Gleichung bei weitem die ungenauste ist, so versuchte ich auch die ersten beiden genau darzustellen, und erhielt so Au, = — 0,057 AM = -+- 78,3 wobei der Fehler der dritten ist 0= + 1130”. AM wird hier die Zunahme der mittleren Anomalie während eines Umlaufs sein. Um diese Gröfse auf eine bestimmte Constante zu bringen, nahm ich an, die Dichtigkeit des Mittels verhalte sich umgekehrt wie das Quadrat der Entfernung von der Sonne, und sein Widerstand sei direct proportional dem (uadrate der Geschwindigkeit des sich bewegenden Himmelskörpers. Diesen Widerstand bei einem Körper wie der Comet, (dessen Gestalt und Dichte unveränderlich angenommen ward) wenn er sich in der Entfernung von der Sonne = 1, und mit einer Geschwindigkeit = 1, bewegt, bezeichne ich durch U. Unter der Geschwindigkeit =ı verstehe ich die Geschwin- digkeit, mit welcher ein Körper in der Zeiteinheit, dem mittleren Sonnen- tage, die Raumeinheit, die halbe grofse Axe der Erdbahn, durchlaufen würde. Dann ist der wirkliche Widerstand bei der elliptischen Bewegung 1+2ecosv + e? k? 2 ic 5 pP Fr wo k die Constante aus der T’heoria motus bezeichnet. Dieser Widerstand 104 j EncKr« als eine stets in der Richtung der Tangente wirkende Kraft, in eine senk- recht auf den Radius vector, und parallel damit zerlegt, giebt Re 1 1-+ecosv RZ U Vi +2ecosv + e”) re ; esin® Mr U Vi + 2ecosv + e*) Bei der Form der Cometenstörungen sind die störenden Kräfte eben so zerlegt und wenn Fund 7’ dieselben Gröfsen in Bezug auf die Planeten- massen bezeichnen so hat man 2 (cos E+cosv)Va./+sinvVa.T'} di dw ie ar Yp:* esinv er = — saku |? A german r\ substituirt man hier die obigen Werthe, wodurch die Constante U im Ver- hältnisse zu der Anziehungskraft der Sonne betrachtet wird, so hat man dd _ 13 I 2 4) I: = —2/ .4.c0sP —3— (- = U 3 AR rat re ” dt =-hakl) r? ya r a U Auf @® und i hat U gar keinen, auf r und M nur einen während eines Umlaufs periodischen Einflufs, so lange man die Unveränderlichkeit der Elemente während desselben voraussetzt. Bei der Kleinheit der Einwirkung und der geringen Anderung der Elemente glaubte ich diese Voraussetzung gelten lassen zu dürfen. Vermittelst dieser Formeln ward darauf der Werth von U gesucht, der einem zwischen den beiden oben angegebenen Grenzen enthaltenen Wer- the von AM entspräche, wobei verschiedene Systeme von Elementen ange- wandt wurden. . Der Werth der zuletzt beibehalten wurde, war: a 1 T :752,73 welchem ein AM von etwa 72” zukommt ('). (') Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir zu bemerken, dafs die Verschiedenheit zwischen den Werthen, welche Herr Plana in Zach Corresp. astr. Vol.XOI. Cah.4. auf anderem über den Cometen von Pons. 105 Zum Behufe einer so strengen Berechnung der Störungen als die frü- hern Erfahrungen mir als nothwendig hatten erscheinen lassen, ward die Umlaufszeit von etwa 1200 Tagen in 6 Theile von je 12 Intervallen getheilt. Für die beiden Theile zunächst am Perihel wurden die numerischen Werthe der Elementen -Differentiale von 4 zu 4 Tagen berechnet. Der Comet hatte am Schlusse und Anfang dieser Perioden etwa die Entfernung 1 von der Sonne, so dafs die Störungen der obern Planeten Merkur, Venus und Erde fast völlig in diesen Grenzen enthalten waren. An diese beiden Abtheilun- gen schlossen sich zwei andere, deren Intervalle von 12 zu 12 Tagen ge- nommen wurden. Der Comet befand sich am Schlusse derselben etwa in der Gegend der kleinen Planeten, wo nur noch Jupiter und Saturn auf ihn einwirken konnten. Den Rest füllten Intervalle von 36 zu 36 Tagen aus. Am Schlusse der ersten Abtheilungen von 4 zu 4 Tagen wurden für Merkur die Elemente des Cometen, so wie sie gewöhnlich in Bezug auf die Sonne genommen werden, nach Bessels Formeln (!) in andere umgewandelt, die sich auf den Schwerpunkt des Systems bezogen, um bei den spätern gröfsern Intervallen nur die höchst unbedeutende unmittelbare Einwirkung des Mer- kur auf den Cometen berücksichtigen zu dürfen, die völlig gleich Null war. Eben diese Umwandlung geschahe für Venus und Erde am Schlusse der zweiten Abtheilungen von 12 zu 12 Tagen. Auch bei ihnen war die directe Einwirkung später immer so unbedeutend, dafs sie fast hätte vernachlässigt werden dürfen. Die entgegengesetzte Operation ward am Anfange dersel- ben Abtheilungen in der zweiten Hälfte der Bahn vorgenommen. Da nun überdem die sämtlichen Intervalle klein genug waren, um der strengsten Prüfung durch gebildete Differenzen bei den numerischen Werthen unter- Wege findet, und den meinigen, nur auf einem Mifsverständnifse beruht. In einem früheren Schreiben hatte ich angegeben, dafs wenn % in einem Umlaufe um eine Secunde vergröfsert würde, die Eccentricität um 35,”236 sich verminderte. Herr Plana findet dafür 15,462. Allein da meine Angabe sich auf den Winkel $, Hrn. Plana’s Resultat sich auf die Eecentrieität e bezieht, so lassen sie sich erst vergleichen, wenn man Hrn. Plana’s durch Y(i—e*) dividirt, oder das meinige damit multiplieirt. Wendet man die Elemente an, welche Herr Plana zum Grunde legt, so erhält man für Y(i—e?) = 0,5292 und damit wird Hrn. Plana’s Werth 34,9 übereinstimmend mit dem meinigen. (‘) Argelander Untersuchungen über die Bahn des grolsen Cometen von 1811. Königs- berg 1522. Mathemat. Klasse 1829. Ö 106 Encexe worfen zu werden, so glaube ich der Richtigkeit der Werthe mich so sehr versichert zu haben, als die Umstände erlauben. Die Änderungen der Ele- mente wurden jedesmal am Anfange jeder Abtheilung berücksichtigt, um den wahren Ort des Cometen so genau als möglich zu haben. Die angewandten Planetenmassen waren die älteren Laplaceschen, da die angenommene Bestimmung von U mit dem benutzten Werthe der Jupitersmasse wenigstens in genauer Verbindung steht: 1 San. — 2025810 t Farurr 356632 1 KERZE 329630 f “02546320 1 1067,09 fi BE ee an Der Uranus wurde seiner geringen Masse und grofsen Entfernung we- gen nicht mitgenommen, da die Werthe welche der erste Umlauf für ihn ergab, so unbeträchtlich ausfielen, dafs ich für die Richtigkeit der übrigen Störungen innerhalb so kleiner Grenzen nicht stehen zu können glaubte. Es schien mir wünschenswerth neben der angenommenen Hypothese eines widerstehenden Mittels, auch noch am Schlusse der Untersuchung die andere, einer etwanigen Modification des Newtonschen Anziehungsgesetzes prüfen zu können. Bei der Unbeträchtlichkeit der Störungen sämmtlicher Planeten mit Ausnahme des Jupiters, liefs sich übersehen, dafs bei ihnen diese Hypothese ohne wesentlichen Einflufs bleiben würde. Für den Jupiter aber wurden die beiden Theile der directen Anziehung und der Verrückung des angenommenen Centralpunktes, des Mittelpunktes der Sonne, gegen den gemeinschaftlichen Schwerpunkt getrennt berechnet. Die letztere ist durch 2.* bezeichnet, die erste durch %. Die gefundenen Werthe für die verflossenen zehn Jahre sind die folgenden: über den Cometen von Pons. 107 Cometen-Störungen. 1819 Jan. 27,25 - 1822 Mai 24,0 t= 1212,75 Ai AR Ad Ar Au AM S —_. oil — 1948| + 1,049) 0,755 | — 0,033340 |— 25)434 ’ I Q + 0,29) — 0503| — 3,312 |— 1,311 | + 0,122611 | + 110,571 ’ ’ ö + 9120| + 1,062) — 0,520 |+ 1,107 | + 0,043356 + 29, 049 d + 0059)— 9114| + 0,006 )4+ 0,236 | — 0, 000614 | — 0,935 2 — 1008, 103 | — 733,726 | — 1603, 914 | + 671,149 | — 7, 795431 | — 11770, 809 24* I-+ 42,388 |-# 91,056 | + 63,467 | — 101,627 | + 0,315434 | + 1811,34 12) —_— 15,111 — 7,%5| — 25,752 | + 4471| — 0,041944 | — 68,019 U — 4,230) — | +0,119368 |+ 75,154 Summe | — 980,529 | — 652,138 | + 1568, 506 | + 571,780 | — 7,270560 | — 9839, 039 1819 Jan. 27,25 - 1825 Spt. 16,3 = 2424,05 je} — 0118] — 2,2051 — 0,0541 0,332 | + 0,000008 |— 28,205 Q + 0135| — 3,332|— 3,773|— 2,327) + 0,137945 | + : 294,034 ö + 1,5931 — 11,628|+ 0,035 |+ 4,371 | — 0,019718 | 20,855 d + 0,055)— 0,291|4+ 0,001 |— 0,457 | — 0,000660 | + 4,734 2 — 1040,672 | — 714,304 | — 1690, 361 | + 628, 637 | — 8,267600 | — 20816, 776 24* [+ 139,046 | + 60,952 | + 320,766 |— 56,935 | + 1,513925 | 2158, 100 H — 15,985 | — 10,298 | — 27,527 |— 2,188 | — 0,046068 |— 79,219 U — 8,372 | ——— | + 0,235265 |4+ 289,252 Summe | — 915,946 | — 681,106 | — 1409,315 | + 571,433 | — 6, 446903 | — 18157, 228 1819 Jan. 27,25 - 1829 Jan. 9,72 t = 3635,47 je} — 0113| — 23,17|4+ 0,0855 [+ 0,735 | — 0,004294 \— 43,152 Q + 001|— 2,223|— 2,740 |— 1,077 | + 0,099933 | + 435,259 ö + 0594| — 18,3573| + 2,399 |— 2,392 | — 0,144590 |— 11,429 de | 015|— 9411| — 009 |— 0,291) — 0,001012 | 3,572 2, — 1020,715 | — 691,581 | — 1648,393 | + 577,642 | — 8,013230 | — 29906, 568 a4 IH 64,522] — 1421| + 166,821 |-+ 33,989 | 4 0,815537 | + 2362,037 5 — 10,903 | — 10,735 | — 14,950 \— 2,071 | — 0,023442 | — 124,340 U _ — | 12351) — | + 0,351771 |)#+ 644,934 Summe | — 966,259 | — 727,493 | — 1509,295 | + 606,535 | — 6,919327 | — 26639, 687 02 108 EsckKe Zur Vergleichung stelle ich noch die Berechnungen des Herrn Baron Damoiseau mit den hier gegebenen zusammen. | Baron Damoiseau. Encke. mm —— N — | A An AM Au AM 1819-1822 | 2% | — 754349 | — 9939) 38 | — 774800 | — 9959,43 9 | + 0,0716 |+ 81,26 | + 0,1226 |-+ 110,57 1822-1825 | 24 | + 0,7202 |-+ 363,51| ++ 0,7263 |-F 361,27 8 | — 0,0494 | — 56,90 | — 0,0631 |\— 60,71 1825-1829| % | — 0,4420 | — 705,25 | — 0,4440 | — 704,32 5 | — 0,0956 |— 6,90 | — 0,1249 |— 16,22] Wenni’gQ # ru und M die Elemente für 1819 sind, so werden /+A7, RHAR,P+AG, F+AT, a +Au, M-+-ut+-AM, die Elemente der fol- genden Epochen, wobei an 2 und r noch die Präcession für die seit 1819 verflossene Zeit anzubringen sein wird. Die ersten Elemente vermittelst der Störungstabelle No.I. aus den verbundenen Beobachtungen von 1819 und 1822 hergeleitet, waren die fo!- genden: Elemente ]. aus 1819 und 1822. 1819 Jan. 27,25. 359059’ 47,53 1076, 78690 580 3’ 4775 156 58 22,4 334 32 50,1 13 37 44,7 -ONErS nl und die vermittelst ihrer für 1825 voraus berechnete Ephemeride gab im Allgemeinen die Geraden Aufsteigungen um 2’ zu klein, und die Declination um 4’ zu grofs oder zu nördlich. Diese befriedigende Annäherung konnte indessen noch nicht als entscheidend angesehen werden, theils weil die Zwi- schenzeit von zwei vollständigen Umläufen seit 1819 die Einwirkung von U noch nicht bedeutend genug hervorireten liefs, theils weil der Einflufs einer über den Cometen von Pons. 109 unrichtigen Annahme von M für 1825 bei den geocentrischen Beobachtun- gen dieser Erscheinung noch nicht sein Maximum erreicht hatte. Die Verbindung der drei jetzt beobachteteten Durchgänge von 1819, 1822 und 1825 gab dann die folgende Elemente, denen, in der Voraussicht dafs für die nächste Erscheinung der Einflufs von U am merkbarsten sein würde, sogleich auch die Änderungen beigefügt wurden welche sie bei einem Werthe von U erleiden mufsten. Elemente II. aus 1819, 1822, 1825. 1822 Jan. 27,25. in „ SU M = 359° 59’ 16,45 + 14,16 (7) KR = 1076,79504 — 011243 » = 5335 + 639 >» m = 156 58 56,2 — 133,8 » Rn 33432 31,12 4 336,1 » = 1336 54,1 + 119,0 » 1822 Mai 24,0. M=:. 0,0 30,60 —.47,04 = KM == 1069,52448 + .0,00694 » b = 57.37,26,0.'-.,:597 » Tr = 157 11 18,4 — 138,8 » NR = 334 24 29,4 + 336,1 » ? = 1320 33,6 + 119,0 » 1825 Spt. 16,3. M= 0 034,24 + 30,88 = pP = 107034814 4 0,12254 » od = 57W0 52 + 555 » 7 =15714 4,5 — 138,8 » DR = 334 21 10,0 + 336,1 » 2 = 143231 38,2 -F 1190 » Die Längen von r und @ beziehen sich auf das jedesmalige mittlere Äqui- 110 ‚ soB:n\C.KE noctium der darüber angesetzten Epochen mit Ausnahme der Elemente von 1819, die sich auf) das mittlere Äquinoctium 1819 beziehen. Schon bei Cometen welche nur wenige Monate hintereinander beo- bachtet wurden, hat man sehr häufig die Bemerkung gemacht, dafs die ver- schiedenen Beobachtungen, besonders bei verschiedenen Instrumenten, Me- thoden und Astronomen, weniger unter sich übereinstimmten, als das Zu- trauen was man ihnen schenken zu können glaubte vermuthen liefs. Wahr- scheinlich liegt der Hauptgrund davon in der Unbestimmtheit des Punktes, der als der eigentliche Schwerpunkt der Masse angenommen werden sollte. Der Ponssche Comet hat ‚bei seinen verschiedenen Erscheinungen keinen eigentlichen Kern gezeigt, sondern nur eine Zunahme des Lichtes in dem übrigens verwaschenen Cometennebel. Diese hellste Stelle lag nicht im- mer in der Mitte der ganzen Figur. Bei seinen letzten Erscheinungen na- mentlich war er sehr nahe dem nordöstlichen Rande, und eben deshalb läfst sich nicht eine scharfe Übereinstimmung der verschiedenen Beobachter in der Annahme desselben erwarten. Zur Schätzung der Fehlergrenze scheint es mir deswegen nothwendig, nicht blofs Vergleichungen mit Ör- tern, die gleichsam das Mittel aus mehreren Beobachtungen sind, zu geben, sondern mit einer hinreichend genäherten Bahn die Abweichung jeder ein- zelnen Angabe wenigstens einmal zu bestimmen. Es folgen hier deswegen die sämmtlichen Beobachtungen der drei Jahre 1819, 1822, 1825, mit den Elementen D. verglichen, deren Zusammenstellung auch in so ferne Werth hat, als sie nirgends gesammelt sich befinden. über den Cometen von Pons. 111 1. Beobachtungen für die Erscheinung des Cometen im-Jahre 1818-19. Diese Beobachtungen sind von allen Correctionen der Aberration, Nu- tation, Parallaxe befreit, und auf das mittlere Äquinoctium von 1819 gebracht. so dafs man sie unmittelbar mit Elementen, die sich auf das Äquinoctium von 1819 beziehen, vergleichen kann. : Beobachtete Rechnung -Beob. | Mittl._ | ————nnn A | E 1818 und 1819. | Par.Zt.| AR.£ | Dec. £ AR. | Decl. | Beob. Ort. December 17 | 629 7”| 327°25° 1/5 | + 3°%53° 32 | + s}3 |___ Paris 22 |559 9 | 326 18 27,4 2 54 49,4 | + 30,9 | — 3,7 » 2 1.6 2 8 18 26,5 54 20,41 + 18,8 | + 13,4 | Mannheim » 8 14 57 17. 14,3 52 39,7 | + 23,5 | + 52,8 » 23 I64o AT | 326 3 52,8 240 41,4 | + 11,8 | #+ 33,7 ». 24.16.43 25 | 325 48 46,8 227 14,5|+ 3539| + 261 » 25 |6 3 30 | 325 33 4,1)+215 3,0|— 95 | — 62,9 | Göttingen » 1618 16 33:.2,2 13 49,5 | + 21,2 |-+ 3,5 | Mannheim 26 | 452 13 | 325 47 11,2 2 046,8 | -+ 34,9 | — 35,3 | Göttingen » 6 19 23 15 52,8 158 23,5 | + 51,2 | + 54,0 | Paris 21,.113:30. 53.| 324 59,27,3 1 45 21,5 | + 17,3 | — 46,1 | Göttingen » 6 746 59 13,4 143 55,6|-+ 3,9 | -+ 16,2 | Paris 28 |538 As | 324 40 30,7 | + 1 28 34,6 | + 28,7 |— 0,6 » » 5 47 54 40 29,3 27 47,0 |-+ 22,0 | + 40,8 | Göttingen 29 | 6 19 51 | 324 20 16,7 110 36,7 | + 12,7 |) + 41,4 | Paris » 630 9 20 44,3 11 12,5]J4+ %2|— 2,1 | Mannheim Januar.....1 | 5 20 11 | 323 12 25,2 0416 47,7 | + 10,8 | — 73,1 | Wien » | 5 59 30 11 48,4 145,2] + 3,6| + 6,5 | Seeberg » 16 014 12 0,3) + 1514,3|— 71 | — 14,3 | Göttingen 2: | 631 47 | 322 45 15,9 6 53,9 |— 37,2 | + 4,1 | Paris 3: | 6 47 20.| 322 15 12,0 29 57,9 | + 13,0 |— 1,2 » 4:.|5 46 48 | 321 45 17,8 05328,7 | + 7,01— 239 » » 16.47 51 13 56,0 541 412,6|4+ 5,9|4+ 6,3 | Seeberg 5: 1 5:23 18.|321 12 25,2 1.19 50,6 | — 22,3 | + 21,4 | Paris » | 6.33 10 10 15,5 | — 12040,4| + 41|— 5,7 | Seeberg 6 _| 5 10 49 | 320 35 25,4 147 40,2| + 6,7 |— 1,0 » 2--16. 4 0_|1319 54 ‚3,2 2 1942,01 — 7,4|+ 5,8 | Göttingen 11] 5 49 19 | 316 35 45,9 4.49 53,7,| — 17,0 | — 12,1 | Paris 12._| 5 30 42. | 315 37 4,4 535 5,5 | — 55,3 | — 9,0 | Göttiugen » 5 37. 53_ 35 31,9 35 8,4] — 14,7 )— 20,7 | Seeberg » [546 20 35 56,9 | — 5 35 44,6 | — 61,9| — 1,2 | Paris 112 Encke 2, Beobachtungen der Erscheinung des Cometen im Jahr 1822. Die Cometenörter sind nach den Originalangaben des Beobachters Hrn, Professor Rümker zu Paramatta neu reducirt, von ällen Correctionen der Aberration, Nutation, Parallaxe und Präcession befreit, und auf.das mittlere Äquinoctium von 1822 Mai 21,0 gebracht, so dafs sie unmittelbar mit Ele- menten welche für dieses Äquinoctium gelten, verglichen werden können. ö Beobachtete Rechnung -Beob. Mitel. | JE A iR 1822. | Par.Ze. |: ARY£ Dec. £ AR. | Decl. een ee al E mat Be N ae er A Ve WI ee Junius 4 T19°57’30”| 92943’ 53/1 | + 17°39 3051 | + 1238 | + 3753 2 } 20 14 20.| 93:46 21,6 16 52 49,0 | + 2%4 | + 24,6 3 120 13 36 | 94:46 6,8 16 423,3 | + 36,1 | + 35,2 4 | 20 14 52 | 95 44 38,9 est 6 El 4,7 5 | 20 10 47 | 96:41 56,1 14 22 34,6 | — 18,3 | — 0,3 6 1-20 ' 2:36-]- i97.37 34,4 13 28 27,0 |— 17,5 | + 14,2 » 120 2 36 36 3,1 | + 13 28 11,4 | # 4,5 | + 168° » | 20 2 36 36 33,3 alt ab Sei TE 7 [20 198° &:| 98:33 52,3 12 31 6,8 | — 52,8 | + 14,9 » 12013 4 33 31,4 30 55,9 | — 31,9 | + 25,8 9 |20 8 9 | 100 24 10,6 10 30 36,1 | — 47,9| + 1,9 » 120.8 9 05 15,4 29 26,0 | —112,4 | + 72,0 »|20 8 9 a td 16857 410 120 9 2 19 45,4 ee N Be 23,0 | ».120°9 2 19 39,6 | + 9 25 50,5 | — ı7,s | + 2 » 120 9 2: 19 57,8 25 59,4] — 36,0 | — :2;4 411.1"20 '20' 35 2:17 22,0 sıs 4,1 | — 39,5 | — 25,4 » 1:20 20 35 17 41,0 18 12,2 | — 58.5 | — 33,5 12 | 20 as 52 | 10344 5,2|)+ 7 6651| — 1,5| + 90 » 120 18 52 15 6,4 6 13,3 | — 15,7 | + 21,8 » | 20 18 52 15 6,3 6 11,4 | — 15,6 | + 23,7 13 | 20 28 0 er 15 553 1,7 | — 40,0 | —104,9 9. 1720,28 0 9,8 a a 0 » 1-20 28 0 wa 51 36,7 | — 26,9 | — 19,9 44 [20 10 4] 105 17 3,9 | ++ 433 13,5 | — 40,5 | — 12,9 » 12010 4 16 56,0 » 33 38,3 | — 32,6 | — 11,9 18 | 20 27 38°] 109 54 49,3 | — 130 33,8 | + 14,2 | + 14,8 » [20 27 387 54 57,0 3034| + 65 | — 15,6 » 120 27 38 +54 44,0 29 40,5 | + 19,5 | — 38,5 19 -[-20 27 5-} 111.14 26,0 345 3,2]|+ 0,6|+ 147 über den Cometen von Pons. RG Beobachtete | Rechnung -Beob. Mittl. m mr U | en 1822. | Par.ze | ARE Dec.£ | AR. | Decı. Junius 19 '}.20°27° 5”) 1119 25,7 | — ds | + 59 | + 652 20 | 20 14 52 | 112 38 37,3 a ie 21] 21 21 10 | 114 12 21,3 7 830,8] + 26,4) + 40,8 2217 20 52 34 | 415: 47"50,5 994,314 3,4 | — 26,0 »-| 20 52 34 4T 35,6 10:12,3 | + 18,3 0,0 | ».1 20 52 34 48 2,1| 10: ,0I— 3,2|— 3,3 3. Beobachtungen der Erscheinung des Cometen. im Jahr 1825. Eben so wie bei den früheren sind hier die Beobachtungen von allen Correctionen befreit und auf das Äquinoctium 1825 Spt. 16,3 reducirt. | : Beobachtete Rechnung-Beob. | Mittl. r q 1825. | Par.ze | ARE | Ded.£ AR Decl. | Beob. Ort. Aug. 7| 14 8’49”| 92° 8’ 38/8 | + 32° 6 1459 | — 146 | + 6,3 | Mailand 91135 9 95 29 52,1 31 55 15,2 | — 19,5 | — 14,3 | Göttingen 10 | 14 15 49 97 21 29,7 31 50 36,7 | — 76,9 | + 30,7 | Neapel a1 | 11 55° 8 98 57 37,2 31 43 20,0 | — 43,3 | #+ 25,5 | Dorpat » 1415 3| 9 8 556 31 42 46,3 | — 91,6 | ++ 6,6 | Neapel » | 14 a7 5 99 7 55,4 3t A1 52,5 | — 22,6 | + 59,6 | Turin » | 14 49 59 9 11 096 | + 31 42 10,5 | — 59,7 | + 29,2 | Neapel » | 14 51 23 99 10 5,4 31 42 3,5 | -+ 1485| -+ 1,7 | Mailand » | 15 446 99 11 43,4 31 42 23,5 | — 36,0 | + 10,7 | Nismes 12 256 42 |, 10051 27,3 31 33 19,6 | — 69,4 | + 10,4 | Padua » | 13 46 27 | 100 54 19,3 31 33 10,6 | — 14,1 | — 2,9 | Prag » | 14 1 55 | 100 55 56,3 31 32 34,6 | — 40,5 | + 26,1 | Padua » | 14 6 6 | 100 56 13 |) #31 31 56,6 | — 27,1 | + 62,2 | Turin » | 14 45 26 | 100 59 43,7 3ı 32 33,5 | — 691 | + 7,7 | Neapel 13:1, 132.23 57. 11.102 .42. 22,3 31 21 4,8 | + 22,9 | — 5,7 | Wien » | 14 A4 51 | 102 49 49,1 31 20 43,0 | — 49,2 | + 10,6 | Neapel 44 13 18 16° | 104 ‘33 57,0 31 7568 | -+ 13,5 | + 8,9 | Bremen » I 14 53 24 | 104 41 36,2 31 7 21,9 | -+ 1,0 | — 13,7 | Turin 15] ı3 1ı 59 | 105 265 51 + 45 | Bremen » | 13 27 28 | 106 2s As,1 | -F 30 50 55,1 | — 37,5 | —— | Florenz ».| 13 42 4S | 106 29 19,1 3052 5141| + 43 | + 14,5 | Seeberg » 1k 27 29 106 32 42,1 30 50 30,1 | + 13,4 | _____ | Turin » | 14 28 28 | 106 33 53,0 30 51 37,6 | — 523,7 | + 10,6 | Neapel » 14 45 18 106 34 35,1 30 51 30,1 | — 14,9 | + 6,6 | Nismes Mathemat. Klasse 1829. E 114 Encexe Mitt]. u ker, ee 1825. | Par. Zt. AR.£ | Ded.£ AR. Decl. | Beob. Ort. Aug. 16 | 14% 34 14’ | 108028’ 22/0 | + 30034 32 | — 15/4 | + 51 | Padua » | 14 39 4 | 108 28 11,0 30 34 20,2 | + 15,8 | — 15,6 | Palermo » | 14 48 34 | 108 29 33,0 30 33 50,2 | — 17,6 | + 7,1 | Florenz » | 14 51 42 | 108 30 57,4 30 33 43,5 | — 87,0 | + 11,3 | Neapel » | 15 15 20 | 108 32 11,0 | 3033 42,2 | — 4,1 | — 5,6 | Palermo ız| 11 28 Aı | 110 9 43,8; | 30 16 38,9 | — 15,9 | + 28,4 | Abo » | 14 15 ıs | 110 23 39,1 | +30 14 52,2 | — 73,1 | — 7,9 | Wien » | 14:26 31:1] 110) 24 18,0 30 14 11,4 | — 57,6 | + 23,4 | Palermo » | 14 A4 38 | 110 25 1,0 30,42 30,4 | — 12,7 | ——— | Turin >45 55517410 26 41,0 30 13 465,41 — 95 | + 14,6 | Palermo a daran sT 411027 50,4 30 13 55,0 | — 51,2 | + 1,0 | Neapel »,1.15 96 4:1.,140 27. 11,0 30 13 4,41 + 95 | + 10,8 | Nismes 18 | 11 22 54 | 112 5 3,2 | + 29 55 37,9 | — 17,2 | + 4,0 | Abo » | 13_54,.45 | .112..47,.41,0 29 52 59,5 | — 22,0 | + 21,7 | Florenz » j:14 16.45 | 112,19 55,0 29 53 05 | — 25,2 | — 3,5 | Palermo » |. 14 40 23 | 112 22 36,2 238 52 22,6 | — 68,3 | + 11,5 | Neapel » | 14 51 56 | 112 22 14,0 29 51 45,51 + 850 | + 38,1 | Nismes » |.1& 52 39 | 112 22 35,0 29 52 15,5 | — 95 | + 74 | Palermo » | 14 58 38 | 112 22 59,0 | -+29 52 3,5 | — 42 | — 21,3 | Turin 49. |:12 43 24 |’ 114. 9 52,9 29 30 15,3 | — 7,2 | + 22,1 | Wien » | 14-40 20 | 114 19 29,0 29 27 5,71 — 62 | + 40,9 | Florenz » | 1446 5 | 114 18 25,0: 29 27 58,7:| ——— |”+ 31,0 | Palermo 20 | 13 45 36 | 116 13 31,0 29 416,8 | + 10,2 |—— | Prag » | 14 24 42 | 116 16 55,0 29 22,85 | + 0,4 | + 13,2 | Palermo » | 14 32 3 | 116 17 43,4 | +29 2 27,5 | — 11,5 | + 52 | Neapel ».1514,39 3. | 146 19 6,1 29 2 25,0 | — 5,4 | — 03 » » | 15 1 29 | 116 20 10,0 29 1 44,8 | — 11,8 | + 14,5 | Palermo 1245474 17 1416772494250 29 12,8 | + 36 | + 11,8 | Florenz 21 |,13 36 18 | 115 12 454 25 34 31,5 | — 15,3 | + 42,1 | Mannheim n I 14 6 45 | 118 15 15,2 25 34 15,3 | — 13,9 | + 20,9 | Mannheim » 1 414 31 26 | 118 17 6580| +28 34 9,0 | — 1,4 | — 3,2 | Padua » | 14.36 48 | 118 18 20,1 2s 33 47,7 | — 45,6 | + 11,5 | Neapel » | 14 54.24 | 118 19 90 25 33 340 | — 96 | + 3,6 | Padua » 1.45 19 24 | 118,21 30,2 25 33 6,6 | — 25,9 | + 10,3 | Neapel » 1.45 32 30 | 118 21 44,0 2s 31 54,0 | + 28,8 Nismes 22 | ı2 33 23 | ı20 7 32,9 28 550,5 1 62 1 6,7 | Abo » | 13 43 1 | 120 13 23,5 | +28 4 12,0 | — 70 | + 12,9 | Bremen ».,| 14,43, „7 || 120: 18 16,8 | 2s 3 234A1+ 05 | + 23,9 | Speier » | 14 50 23 | 120 18 55,0 | 2s 24,01 — %2 | -++ 6,7 | Mannheim über den Cometen von Pons. 115 Mitıl. | horn aaa BERDAEhIe Eder} rn Resume Beh, Rechnung-Beob. 1825. | Par. Zt. | Parzı | an. | Def | ar | Deck | Beob.On.| AR.£ | Dec. £ AR. alles Äisiökch, Decl. | Beob. Ort. Aug. 22 | 15° 0° 29”| 120°20° 2/6 | + 28° 2’ a0fı | — 1770 berg la ar Tea rearo Ira] Neapel, | Neapel » las 14 55 bızo 22 %o| 28 2251| — 59 | — 3,0 | Turin 23,| 13.42 30.| 122 13 49,0 | 27,,31480,3 | + 11,5 | — 42 | Prag »r| 413.43 37 11.122. 131 32,9 27 31 1,3 | + 33,1 | + 23,3 | Bremen »,,1 44 3348| 122, 415.34,3 27 30 50,41 + 13,6 | + 54 | Wien » | 14 41395 | 122 16' 31,3 27 30 4,5 | + 45 | — 51 | Seeberg » | 14 31 11 | 122 17 48,1 27 30 40,5 | + 17,9 | — 23,6 | Mannheim » | 14 34 1 | 122 18 3,7 27 30 10,7 | + 165,5 | + 2,0 | Speier >11 4% 42° 57 011.122: 19°,3,3 27 29 5,01 + 20 | + 62 | Neapel >» 1 44 57 10 | 122 207 29,5 27 29 3,3 | — 12,5 | + 3,6 » » | 14 55. 44. | 122.20 13,0 27 29 3,3 | — 3,2 | + 2,7 | Padua 24 |, 12 10 12 | 124 7 248 26 55 2,2| + 1414| — 0,4 | Abo » I 14 15 47 | 4124:47 57,0 26 551,5 | + 44| — 0,5 | Seeberg » | 13 40 53 | 124 14 6,0 26 55 5,5 | + 53,9 | + 14,5 | Prag » | 14 Ar 47.| 124 20-25,0 26 53 59,5 | + 15,4 | # 27,8 Florenz » | 14 49 37 | 124 21 20,7 26 54 25,9 | — 28,1 | — 1,4 | Neapel » | 14 52 30 |: 124 21 11,0 26 53 59,5 | — 3,3 | + 20,7 | Turin Di 5703321, 1949974850 26 54 14,4 | — 45,3 | — 1,9 | Neapel > 115945453, 1 424,23; ,,77,,0 2653 5,5| — 1,5 | + 391 | Nismes 25.| 14 14 52 | 126 19 50,0 26 17 40,7 | — 20,1 I! — 6,9 | Seeberg » | 14 17 48 | 126 19 4,0 26 16 51,7 | + 40,8 | + 37,4 | Prag » | 14 43 46 | 126 21 55,8 26 16 4554| + 96 | + 47 | Win » | 14 51 50 | 126 22 30,8 26 16 4,3 | + 6,5 | — 12,2 | Speier » | 14.57 40 | 426 23 9,0 26 15 3,7 | — 23,1 | + 46,9 | Turin » | 15. 16° 25 | 126 24 27,0 26 15 53,6 | + 15,0 | + 0,7 | Mannheim ».l 15) 25 32 1742625 29,0 26 15 33,7 | — 0,8 | + 0,8 | Neapel 261 15 6 23 125 25 45,0 253360851 — 6,6 0,0 | Turin » | 15 23 47 | 128 26 56,9 25 35 3,2 | + 985 | + 098 | Neapel 27 | 14 50 5.|:.130 25- 57,8 24 54 2,3| + 13,3 | — 23,1 | Wien » | 15 15 42 | 130 28 30,3 24 53 2,7 | — 90 | — 7,9 | Neapel » | 15 21 26 | 130 28 50,6 24 53 1,5 | — 0,2 | — 81 » 28.1 45 41) ,1 132 29 51,9 24 8 35,5| + 47|— 40 » 30 | 13 15 56 | 136 23 43,8 22 36 7,6 | + 21,2 | — 11,3 | Abo 31 | 14 54 20,| 138 33 34,1 21 40 43,5 | + 33,6 | + 4,4 | Prag Sept. 1| 14 4s 40 | 140 35 41 2047 5,6| + 1,4 0,4 | Prag »| 15 21 3 | 440 37 41,6 20 46 0,5 | + 25,6 | — 9,3 | Speier 2:1 15 25877| 4142| 39.'33,7 19 49 42,2.| + 27,2 | — 11,5 | Neapel » 5 31.2 | 142:40 7,0 19 49 36,3 | + 21,3 | — 18,7 2 6| 15 31 26 | 150 44 45,3 15 43 5,3 | + 20,6 | — 21,4 » P 116 Encke Aus diesen Vergleichungen habe ich für die ersten beiden Jahre je drei, für das letzte sechs Örter als sogenannte Normalörter ausgezogen. Ohne gerade verbürgen zu wollen dafs nicht eine Schätzung anderer Art hin und wieder Änderungen darin vornehmen würde, halte ich mich doch über- zeugt, dafs eine Bahn, welche diesen Normalörtern genug thut, auch das Ganze der Erscheinungen hinlänglich befriedigend darstellen wird. Da sich sowohl die bisherigen als künftigen Rechnungen darauf beziehen werden, so stelle ich sie hier zusammen. Normal - Orter. 1. Für 1819, bezogen auf das mittlere Äquinoetium 1819. Mittl. Par. Zt. AR. Del. rn nn nn en | 1818 Deb. 22,26464 326°18’20,9 + 2°54 13)0 1819 Jan. 1,24963 323 11 45,8. 014542 » 12,23462 315 35 31,9 ı — 5 35 18,8 2. Für 1822, bezogen auf das mittlere Äquinoetium von 1822 Mai 21. 1822 Jun. 2,384328 93 46 24,9 + 16 52 49,0 » 12,84643 103 15 15,5: + 7 6 36,4 » 22,86984 115 47 43,0 — 910 10,7 3. Für 1825, bezogen auf das mittlere Äquinoctium von 1825 Spt. 16,3. 1825 Aug. 12,57139 100 54 32,4 -# 31 32 49,1 » 17,57139 110 2015,0 43015 0,2 » 22,57139 120 13 22,3 +2s 421,1 » 27,57139 130 20 27,3 + 2456 80 Sept. 1,57139 140 29 27,0 -+ 20 49 49,2 » 6,57139 1450 35 41,8 + 15 As 47,4. Ihre Vergleichung mit den obigen Elementen giebt die folgenden Feh- ler, in welchen man nur _ — — ı zu setzen braucht, um die Fehler zu erhalten welche ohne Anwendung von U übrig geblieben wären, so wie eine gleiche Substitution die obigen Elemente in die ohne U anzunehmenden verwandelt. über den Cometen von Pons. 447 Fehler der Elemente II. AR. Decl. Dmm———— N — | m A 1819 Deb. 22 | + 2454 — 113) 4 = + 2078 — 60,6 = Jan. 1|+ 5,2 — 61,3 » + 6,5— 93» » 121 —14,6— 81» |— 10,34 537 >» 1822 Jun. 2 | -+- 26,1 — 387 » + 24,6 + 100,0 » » 12 | — 24,74 11,8 » — 1,34+ 703 » » 22/4+10,9— 35,2 » |— 1,64 101,1 » » 1825 Aug. 12 | — 44,0 — 4,3 » |+20,34+ 631 » e » 171 26,6— 51 » + 13,14 63,2 » » 21— 68854+ 30,6 » |+ At 555 » » 27 )+ 230+ 61,5 » |— 60%+ Al,i » St. 1|+223,7+ 56,3 » |—13,44+ 198 » » 6| ++ 20,9 # 104,8 » |— 2,9 — 73» Diese Fehler sind nach der Methode der kleinsten Quadrate so be- stimmt, dafs allen Angaben gleicher Werth zugestanden ist, die Fehler der geraden Aufsteigungen aber mit dem jedesmaligen Cosinus der Deklination multiplieirt wurden. Die Summe der Quadrate dieser 24 Unterschiede wird nahe sein SV B i = 7426 + 87682 [IT +0, och so dafs diese Beobachtungen allein eine Verminderung von I zwar zu er- kennen geben, zugleich aber zeigen dafs ohne diese Annahme, der mittlere Fehler einer Beobachtung etwa drei und ein halb mal gröfser ausfallen würde als mit ihr. Auf diese Elemente II. gründete sich mit Zuziehung der oben angege- benen Störungen, und einstweilen noch beibehaltenem Werthe von U, das folgende System von Elementen für 1829, nach welchem eine genaue Ephe- meride im Voraus berechnet und an die Beobachter vertheilt wurde. 1829 Jan. 9,72. M= 060 258 k == 1069, 87572 = 571%38'35,3 R” = 157 17 26,2 nn 332 Ar1 ! = 1320 471,9 118 EnckKeE wo wiederum = und & auf das mittlere Äquinoctium der Epoche bezo- gen sind. Das Zutrauen zu der Möglichkeit einer genauen Vorausbestimmung, veranlafste bei diesem Durchgange noch die Anbringung einer neuen Cor- rection, welche bei den früheren vernachläfsigt war, des Einflusses nämlich, den die Änderung der Cometenelemente selbst während der kurzen Zeit sei- ner Sichtbarkeit auf den geocentrischen Ort hat. Dieser Einflufs kann der Natur der Sache nach nur höchst unbedeutend sein, und mehr zum Beweise dafs er früher mit Recht vernachläfsigt war, und auch wohl in Zukunft es werden kann, führe ich die erhaltenen Werthe, so genommen, dafs sie dew nach obigen Elementen berechneten Orte hinzugefügt werden müssen, um den wahren für ein bestimmtes Zeitmoment zu erhalten, hier an. Verbesserung der Tu msn AR. Decl. Gen) — Spt. 1,3 +39 — 077 Oct. 53 +52 — 0,9 » 30,3 + 6,9 +07 Nvb. 23,3: 'F 5,7 + 1,4 Dceb. 17,3 +41 + 1,4. Von den nachfolgenden Beobachtungen, den einzigen welche hier benutzt werden konnten, ist die erste von dem ausgezeichneten Dorpater Astronomen Struve angestellt, und verdient trotz der Lichtschwäche des Cometen, und der dadurch herbei geführten unvollkommenen Beobach- tungsmethode unstreitig ein gleiches Zutrauen wie die hier aufgeführten spä- teren. Es war ihm unmöglich die vortrefflichen Mikrometer seines grofsen Refraktors anzuwenden, welche seinen spätern Ortsbestimmungen, eine so unübertreffliche Genauigkeit gegeben haben. Er mufste sich begnügen, den Cometen in die Mitte des 17’ grofsen Gesichtsfeldes so genau die Schätzung es erlaubte zu bringen, und dann den Refraktor als ein Äquatoral zur Be- stimmung des Punktes der Himmelskugel gebrauchen. Die drei folgenden sind mit dem Fernrohr des Herrn Justizrathes Kunowsky angestellt; die acht letzten auf der Sternwarte. Obgleich die Übereinstimmung der Beobachtungen unter sich bei weitem nicht so ist als man wünschen mögte, so glaube ich doch hoffen über den Cometen von Pons. 119 zu dürfen, dafs die Unterschiede die sich gegen andere Beobachtungen bei ihnen finden mögen, mehr dem oben erwähnten Umstande, als einem Man- gel an Sorgfalt zuzuschreiben sein werden. Das Gesichtsfeld des Kreismi- krometers ward genau untersucht, und im Laufe der Beobachtungen stets gleich grofs gefunden. Die Durchgänge des Cometen wurden zur möglich- sten Vermeidung einer falschen Schätzung des leuchtenden Punktes, sowohl für gerade Aufsteigung als für Abweichung stets ober- und unterhalb des Mittelpunkts genommen, und die Resultate eines jeden Abendes unter sich stimmten immer befriedigender, als die der verschiedenen Abende. Die benutzten Sternpositionen sind gegen den möglichen Fehler der Beobach- tungen zu genau, als dafs es nöthig wäre sie aufzuführen. Stets wurden mehrere Sterne zusammen benutzt, von denen der gröfsere Theil sich bei Bessel und der Histoire celeste zugleich vorfand.- Beobachtungen von 1828. Mittl. Zeit Differenz der Ephemeride. des Beobach- LA 1828. tungsortes. Ort. Ger. Aufstg.| Abweichg. AR. Decl. Oct. 13 | 10" 29’ 33”| Dorpat ar A| | — 2 Bil 159 » 27 7 20 38 | Berlin | 351. 57.:40 5 4 A| —2 97| — 32,7 Nvb. 4 8.13.58 = 342 10 51 23 5025| —2 253,6 | — 752 » 5 9 10 54 ee 340 55 31 3230|) —2 1,7 | — 194 » 40 719 4 _—— 335 5 39 21 2501| —2 167 | — 109 >» 13 | 11 2345 — Er SE 19 25 14 | — 2 32,6 | — 33,1 » 25 6 45 30 — 319 29 53 25023| —3 51|— 535 » 26 6 48 46 —— 318 32 18 12416 9 | —3 16,2 | —1 354 Deb. 2 6 48 24 DZ 312 50 0 s 4050| —3 37,0 | —1i1 56 » 6 37 28 _—— 309 56 42 64925 | —3 43,5 | — A 554 » 6 50 57 =— 308 57171 #6 9538 | —3 57,5 | —1 223,0 » 16 | 5 45 24 Zr 2938 614 | — 1136| —A 4,2 | —A 46,1 Vermittelst der gefundenen Unterschiede, deren Gröfse sich aus den oben erwähnten Umständen, der grofsen Einwirkung von U und der Zeit des Durchganges erklärt, habe ich folgende fünf Normalörter für 1828 bestimmt: 120 EnceKe 4. Normalörter für 1828 bezogen auf das mitt]. Äquinoct. 1829 Jan. 10. Mitt]. Par. Zt. AR. Decl. Oct. 13,300 Ta ars -+ 28045’ 8,5 Nvb. 6,300 339 AT 19,3 -#+ 22 57 12,1 » 25,300 319 26 53,3 4 12 48 51,1 Dcb. 5,300 309 53 1,8 + 6 46 40,4 » 416,300 297 59 16,6 — 1 622, um aus ihrer Verbindung mit den obigen zwölf, neue verbesserte Elemente herzuleiten. Bei der Übersicht der Störungsresultate, schienen aufser den sechs Elementen noch vier andere Constanten von so grofsem Einflusse auf den Anschlufs an die Beobachtungen, und zugleich noch einiger Ungewifsheit zu unterliegen, dafs es der Mühe werth sein konnte, sie in die Bedingungs- gleichungen aufzunehmen. Aufser dem erst noch zu bestimmenden U, haben bekanntlich die drei kleinen Planeten Pallas Juno und Vesta eine Vermehrung der Jupitermasse um ;; nicht ganz unwahrscheinlich gemacht; folglich ward es wünschenswerth 2% und 2.* aufzunehmen. Dann haben Burkhardts Untersuchungen über die Sonnenelemente eine Verminderung der Venus- masse um 0,1125 ihrer hier angenommenen Gröfse gegeben, und Bessels Berechnung der Präcessionsconstanten diese Verminderung bestätigt. Auch diese ward in die Bedingungsgleichungen aufgenommen. Die übrigen Mas- sen haben theils einen zu geringen Einflufs um die Übereinstimmung be- trächtlich besser oder schlechter zu machen, theils ist keine anderweitige Correction derselben bekannt geworden. Die abgeleiteten Bedingungsgleichungen für AAR. cos dund Ad, wur- den hier, wie überall, durch stark geänderte Prüfungselemente als richtig anerkannt. Unter Voraussetzung eines gleichen Werthes aller Beobachtun- gen, sind die Logarithmen der Coeffieienten jeder Constante hier zusam- mengestellt. Der Kürze wegen bezeichnet: n den numerischen Werth der jedesmaligen Differenz der Rechnung und Beobachtung. a den Coeffieienten von AM. built, iahlasen Tut. Alt, 008 u) N Dee ge Ad über den Cometen von Pons. 4121 den Coefficienten von Ar See rl EN Sul, ee ee a WANANO, 2, le SAME ER ELWERET Le * anno wo unter 2) 2.* und 2 die oben angegebenen Massenwerthe als Einheiten verstanden werden. 1819, AR. Decl. u Wa Deb.22. | Jan.1. | Jan. 12. | Deb.22. | Jan.1. | Jan. 12. n | 1,38683 | 0,91381 1,16228n | 1531806 | 0,81291 1,01284n 0,52152n | 05694562 | 0,92346n | 9574092, | 0,17458. | 0,56471n 6,93023. | 7523825 | 7,73710 | 7571252. | 7,51741n | 6,42870n 9,05729 | 9,84024 | 0,20406 | 0,054232 | 9,85741a | 8,02036 9,08247 9,127072 | 9,67412n | 967058 9,39550 8,81117n 8,65539 | 8,26881 S,14S60n | 8,929275 | 8.472322 | 8,68619 9,78851n | 9,734635 | 95591125 | 9,95504 | 9,91949 | 9,82430 a b c d e 4 13822. AR. Decl. (N | T — /\_0 0 Jun. 2. Jun. 12. | Jun. 22. Jun. 2. Jun.12. | Jun. 22. n | 1,39752 1,389355 | 1503185 1,39094 | 0,11394n | 0,20412n a | 9,897982 | 0,42007n | 0,46723n | 0,43657n | 0,621505n | 0,88934n 5 | 9,01293. | 9552261. | 9.578202 | 9552123. | 9,70618. | 9,97471s c 0,27256n | 0,55443n | 0,746295 | 9317294 | 9.605535 | 0,12458n d | 9.460745 | 9,95962n | 0,25549n | 9.07335n | 9,09652. | 9%39377a e 8,2/1180 8,41044 | 6,99123 8,83835 7,89154 8,97387n Ti 8,383136n | 9430725 | 9,86902n | 9,66571n | 0,00936n | 05195055 g | 2,10450 | 2,57351 | 2,65117. | 2,51703 | 2,70679 | 2,97828 h 1,19145a | 1,69626n | 1,748885 | 1,696085 | 1,88296n | 2,15200n Ü 9.778275 | 05299672 | 0,35071n | 0,31238. | 0,496835 | 0,76417n k | 9,952402 | 0,47010. | 0,52090n | 0,48045n | 0,665232 | 0,93294n Mathemat. Klasse 1829. Q 1825. AR. Aug.12. | Aug.17. | Aug.22. | Aug.?27. Spt. 1. Spt. 6. n | 1,57399 | 1,36131n | 0,77816n | 0,25853 | 1,32607 | 1,30340 a | 0,52525 | 0,55523 | 0,57732 | 0,59292 | 0,60604 | 0,62216 d | 9,90695 9,9374 9,95995 9,97600 . | 9,98954 0,00607 c | 0,17526n | 0,12978n | 0,06159n | 9,96611n | 9834730 | 95636262. ad | 9,62106 | 955705 | 9,4s212 | 9,40395 | 9,33636 | 9,29502 e 8,29885n | 8,23070n | 8,02119n | 6,95424n | 8,01536 | 8,32346 f | 11916 | 925023 | 932067 | 9,33752 | 929553 | 9,17088 g | 2,82386n | 2,857522 | 2,883075 | 2,90184n | 2,91782n | 2,93651n h | 1,82386 1,56029 1,88848 1,90974 1,92803 1,94893 i 1 0,98655 1,01658 1,03869 |! 1,05429 1,06739 1,08348 k | 0,99252 | 1,02273 | 1,04501 1,06076 | 1,07400 | 1,09024 1825. Decl. n | 1,30750 1,08279: | 0,61278 | 0,77815n:| 1.127105 | 4,34044n a | 9,84671n | 0,03774n | 0,18310n | 05295702 | 0,38406n | 0,45460n & | 9,229072 | 9,42022n | 95565855 | 9,67878n | 9,76749n | 9,83841a c | 940557 | 9,56482 | 9,64595 | 9,66868 | 9,63531 | 9,52494 d | 8,81538: | 8,97905n | 906386n | 9,10653n | 9,1285% | 9,14539 e | 8,55805n | 8,31994n | 75392702 | 8,18412. | 8,4922 8,63859 f | Hr7ı14s5 | 976171 | 9,71088 | 9,63488 | 9,52296 | 9,34837 & | 2,12931 | 2,32910 | 2,48077 | 2,59839. | 2,69105 | 2,76552 h | 1,12535n | 1,32895n | 1,48384n | 1,60436n | 1,69969n | 1,77672n i | 0,30826n | 0,49918n | 0,64450n | 0,75706n | 0,84540n | 0,91592n %k | 0,31393n | 0,50518n | 0,65075n | 0,76352n | 0,85203» | 0,92271n 4:8: 2:93 "AR: 1828. | Oct.13. | Nvb.6. | Nvb.25. | Deb.5. | Deb. 16. n 2,03276n | 2511031» | 2,267790 | 2,35106n | 2,44863n a 0,16852 | 0,13309n | 0,70975n | 0,86797n | 15005252 b 9,71534 | 9,70416n | 0,27045n | 0,42767n | 0,56448n © 0,52079n | 05302785 | 971189 | 0,27074 0,50536 d 0,29132 | 0,12715 | 924797. | 957707n | 9,92882n e 9,20895 | 921203 | 9,00655 | 8,80672 | 8,43457 f 9,98432n | 0,08327n | 9997855 | 9,90125n | 9,71457n g 2,54749n | 2,67033 | 3,18624 | 3,33789 | 3,47209 h 1,14656 | 1,56537n | 2,098229n | 2,23397» | 2,36819n i 0,97009 ! 0,95116n | 1,52046n | 1,67790n | 1,81480a k 0,80036 | 05778025 | 1334902n | 1,50666n | 1,64368n über den Cometen von Pons. 1828.] Oct. 13. n 1,20412 a 0,30968 b 9,86335 c 0,42895n d 0,13626 € 9,53171n f 0,13439 g 2,74835n [2 1,64457 i 1,11672 k 0,94603 Decl. Nyb.6. | Nvb. 25. 1,53148n | 13869235 0,37698 | 9,83870 9,92874 | 937535 0,58709 -| 0,47179a 0,26093 0,10452 9,46556n | 95271400 0,16948 | 0,15453 2,50439n | 2,18356n 1,695887 | 1,06494 1,18290 | 0,63817 1,01239 | 0,46847 2,38605 1,29303n 0,66472n 0,49312n Dcb. 16. 2,02531n 0,41500n 9,97731n 9,90121n 9,40511 8,22011n 0,07299 2,89394 1579382 1,22540n 1,05442n 123 Wenn man zuerst die sechs Elemente so bestimmt, dafs sie ohne die Werthe von ghik zu ändern, die Summe der Fehlerquadrate zu einem Mi- nimum machen, so sind die zurückbleibenden Gröfsen, durch welche nach der Gaufsischen Eliminationsmethode und Bezeichnung, die bestmöglich- sten Werthe von U 4 2.*und 2 sich ergeben, die folgenden: [rn . 6] = + 12167,4 [sg -6] = + 13482,0 [gh .6]) = — 244,0 fgi.6]= + 1505,32 [84.6] = + 156,76 [gr.6] = + 15755,0 [Rh.6]= + 5233,0 [rr.6] = — 974,90 [Yk.6])=— 91,72 [hn.6] = — 11329,0 [zö.6]= + 207,0916 [?k.6])=+ 10,525 in.6]= + 2526,57 kk.ı)=+ 4,1105 [An.s)]= + 109,40 bei welchen Zahlen indessen zu bemerken ist, dafs die letzten Stellen nicht sicher sind, da die mit fünf Decimalen geführte Rechnung sie nicht ver- bürgen läfst. Q2 124 Encke Hieraus ergaben sich für die wahre Bestimmung der einzelnen Werthe die folgenden Resultate: Will man die Gröfse der Summe der Fehlerquadrate kennen, wie sie ohne das eingeführte U, bei übrigens unverändertem 24 2.* und 2 sein würde, so wird man = — 100 setzen müssen und folglich die Summe bilden 42167,4 — 200 [ir] + 10000 [22] == 1607769,4 bei 34 Gleichungen; der mittlere Fehler einer Beobachtung würde hiernach 217" betragen müssen, eine Gröfse die theils mit unsern Hülfsmitteln ganz unvereinbar ist, theils selbst um mehr als doppelt gröfser als die Voraus- berechnung der neuesten Beobachtungen sie giebt. In der That würde auch die Bestimmung des Laufes im Jahre 1828, wenn man kein U annehme, bei der vortheilhaftesten Vereinigung der früheren Beobachtungen, Fehler von mehr als einem halben Grade gegeben haben. Es ist schwerlich nöthig noch weiter auszuführen, dafs eine Änderung der Jupiter- und Venusmassen diesen mittleren Fehler bei keiner irgend denkbaren Annahme so weit ver- ringern kann, dafs er innerhalb der gehörigen Grenzen bliebe. Es kann deshalb wohl nicht bezweifelt werden, dafs eine aufsergewöhnliche Ursache auf den Lauf des Cometen einge- wirkt hat. Bestimmt man jetzt die Änderung von U so, dafs die Summe der dann übrig bleibenden Fehlerquadrate ein Minimum wird, so erhält man: ?= — 12,20025 und die dann noch von gh k abhängigen übrig bleibenden Summen, die mit [nn.7]) u.s.w. bezeichnet werden, sind: [rr.7] = + 11312,6 [gg:7J = + 25490 [gh.7]) = — 1153,0 [sk.7]=+ 5026 [82.7] = — 25770 [fYkr]=+ 6440 [Ykr]=— Asır [An.?]=+ 565,0 [Ak 7]=-+ 3,8756 [Anı]=— 1901 über den Cometen von Pons. 125 Der neue Werth von U wird hiernach 1 = 0,8779975 —_— A Fr? 1 857,33 er entspricht einer jährlichen Zunahme der mittleren Anomalie von 63”, und liegt fast in der Mitte zwischen den beiden obigen Bestimmungen, aus den drei Perihelien 1786, 1795 und 1805 zusammen, und den zwei letzten allein verbunden mit 1819. Versteht man unter 32, stimmte Einheit von U genommen, so giebt die Elimination folgende Cor- den Quotienten in Bezug auf diese neue be- rectionen der einzelnen Elemente AM=— 307 + A92ı = Au =- 0,012956 — 0,156664 » Ad = — 14,10 + 42,033» Ar = + 12,06 + 62,261 » AB = +3,02 + 751,311» Al = — 342 + 53,30 » und die verschiedenen Systeme von Elementen sind folgende, in Bezug auf die oben bemerkten Aquinoctien genommen. Elemente III. 1819 Jan. 27,25. Pr a, M = 359°59' 43,38 + 46,924 7 1 = 1076,30800 — 0,156664 » od = 55° 320,4 + 412,033 » —_ [2 156 59 35,3 + 62,261 E72 II 9} 334 32 56,1 + 754,311 » 2 = 1336 45,7 + 83,300 » 1822 Mai 24,0. M= 0 0 34,07 — 77,085 2 1 == 1069,522837 °— 0,051559 » db. =-517 37 13,4 -# 38,324» 7:=4571 12 09,4 -#62,2611- » N = 334 24 5,4 + 754311 » & 13 20 25,11 83,300- » 126 ErcxK' 1325 Spt. 16,3. B | M= 0° 0 217,29.— 18374 U K = 1070)33239 + 0,049899 » = stay) + 34,687» r —=157 14 46,6 + 62,261 » NR = 334 27 11,9 + 754,311 = 13 21 29,7 + 83,300» 1829. Jan. 9,72. 3U M = 359 59 28,17 143,627 7 = 1069, 84575 . 4 .0,152190 » = 5733 12,6 + 31,053 » =157 18 3,3 4 62,261 .» = 334 29 12,1 + 754,311 > = 1320 39,4 4 83,300 >» SONST Die directe Vergleichung giebt damit, in Übereinstimmung mit den Bedingungsgleichungen folgende Fehler: Unterschiede der Elemente IM. AR. Decl. Crm———— N — | mm „ „ U N 177 v SU 1818 Deb. 22 | + 44,2 — 159,3 75 | + 48 — 25,2 ır 1819 Jan. 1 | + 12,6 — 245,4 » | + 23,38 — 32,9 » » 12 | — 27,9 — 109,2 » — 6,3 — 83,2 » n 1822 Jun. 2| + 35,5 — 18,4 » + 15,5 + 209,1 » » 12 | — 19,9 + 13,1 » |— 6,5 + 220,5 » » 2214+ 7,9 — 150,6 » | — 10,0 # 331,2 » 1825 Aug. 12 | — 25,6 — 318,5 » | + 13,2 + 823,9 » » 417 |— 18,5 — 356,5 » | + 5,64 125,5 » » 221 — 6,4 — 353,1 » — 0,3 + 170,1 » — 14,0 — 341,2 » — 7,14 212,3 » Spt. 1] + 11,0 — 326,9 » — 9,94 249,5 » » 6) + 45 — 317,7» — 13,1 4 279,6 » 1829 Oct. 13 | — 20,3 + 113,3 » | + 20,1 — 70,0 » Nvb. 6 | + 19,0 — 37,6 » — 6,1 %,2 » + 1,6 — 209,3 » | —19,8 — 25,2 » — 15 299,5.» 116,3 — 30,4 » » 16 I)— 45 — 40,6 » |— 46— 42,1» über den Cometen von Pons. 127 Setzt man hier 2 = — ı, so wird man die Fehler bekommen, welche ohne’ U statt finden würden. Die Summe der Quadrate von Aa? cos d* und Ad’, ist aus der di- recten Vergleichung: 11104,9 4 1594950 (7): Auch die Unterschiede der drei verschiedenen Elementensysteme sind nicht von grofser Bedeutung. Besonders sind die Unterschiede der Elemente II und III, wenn man den neuen Werth von U in die ersteren substituirt, geringfügig. Es wird nämlich dann AM=-— 134 Au = — 0,00076 Ad = — 63 Ar = + 25,2 AR = + 66,0 A —=-+ 61 bei welchen die gröfseren Unterschiede bei m und 9, hauptsächlich von der minder vortheilhaften Bestimmung durch die drei ersten Perihelien herrührt. Substituirt man jetzt, um die neuen Werthe mit den Perihelien vor 1819 zu vergleichen, in die obigen drei Gleichungen die sich auf 1805, 1795 und 1786 beziehen: 0o=— 4sı475 Au,-+ 16 AM — 1530,55 0= — 5436,75 » + 49 » — 4323,75 0= — 1201835 °» +10 » — 7392,75 Au, = — 0,192? und AM = + 63” so erhält man 0, —:= 401,85 0=- 383,15 0=-- 1220,55 Fehler welche, insofern sowohl die Störungsrechnungen dieser Perioden noch Verbesserungen bedürfen, als auch die substituirten Gröfsen selbst aus ganz verschiedenen Beobachtungen hergeleitet, und von einem dreimaligen Umlaufe auf einen vier sieben und zehnmaligen geschlossen ward, noch als erträglich zu betrachten wären. 128 Encke Indessen bleibt auch bei den Vergleichungen der Normalörter noch der Übelstand, dafs die Fehler sehr ungleich vertheilt sind. Die Summe der Quadrate der sechs Fehler von 1819 beträgt mehr als die Summe der Quadrate der übrigen achtundzwanzig zusammen genommen. Es würde freilich bei der starken Abnahme der oben angeführten Größsen [gg.7] [%"h.7] viel zu gewagt sein aus den Bedingungsgleichungen auf eine etwanige.Correction der Jupitersmasse schliefsen zu wollen, und noch weniger würde es gebilligt werden können, zu der schon angeführten Hypothese von U, noch die zweite einer Verschiedenheit von 2. und 2* hinzufügen zu wollen. Dagegen wird es gestattet sein, solche Werthe von Correctionen der Jupiters- und Venusmassen einzuführen, die durch andere Erscheinungen schon wahrscheinlich geworden sind. Bekanntlich haben die kleinen Planeten eine Vergröfserung der Jupi- tersmasse um den ;, Theil der hier zum Grunde gelegten wahrscheinlich ge- macht. Setzt man aber nach Nicolai 1 1053,924 2 oder log g = log h = 0,096645 so wird die daraus folgende kleinste Summe der Fehlerquadrate: == 11342,6 — 3672,3 = ,7610,3. Eine so beträchtliche Verminderung scheint ebenfalls bei dem Co- meten die Annahme einer gröfseren Jupitersmasse zu rechtfertigen. Betrachtet man die sieben Gröfsen, U und die sechs Elemente, über- haupt als noch abhängig von einer etwanigen Correction der Jupitersmasse ohne 2 und 2+* zu unterscheiden, so giebt die Elimination aus den Be- dingungsgleichungen die folgenden Werthe für diese sieben Gröfsen, wobei AU in Bezug auf die letzte Bestimmung von U genommen ist und A2, die hundertfache Änderung der Laplaceschen Masse bezeichnet : AM=-+ z21 Aa Au =-+ 0,079649 » Ad = + 15,865 » Ar =— 3,253 » über den Cometen von Pons. 129 AR =+35656 A Ai =- 15,247 » T = — 0,029172 » Wenn man diese Werthe in die einzelnen Bedingungsgleichungen sub- stituirt, so erhält man für den Einflufs den eine Anderung der Jupitersmasse bei jedem einzelnen Fehler haben würde, folgende Werthe: AR. | Dedl. 1518 Deb. 22 | — 14,49 A | — 11,12 AU 15319 Jan. 1|— 59 » — 6,59 » » 121 + 60 » + 333 >» 4822 Jun. 2 | + 0,29 » + 6,35 » » 4122| 4+ 165 » + 516 » » 22] — 44 » + 779» 18255 Aug. 2 | + 2315 » + 230 » a + 320 » + 226 » » 2 | + 424 » + 1,98 » » 27|+ 526 » + 4143» Spt 1|+ 603 » + 0,58 » » 6 + 6,71 » — 0,59 » 1829 Oct. 13| + 0,23 » — 1% » Nvb. 6 | — 0,50 » — 0,23 » » 25 — 0,641» + 234» Deb. 5| — 0,12 » + 422 » » 1646| + 130 » + 634 » giebt man hier dem A2. den oben bemerkten der Nicolaischen Masse entsprechenden Werth, und vereinigt die Produkte mit den obigen Zahlen, so erhält man die folgenden Fehler: . f Je . R = 4 Differenz für die Jupitersmasse = g53,977 AR. Decl. 1518 Deb. 22 | + 26,1 | + 3072 1s19 Jan... A| + 5352| + 156 » 12 — 20,4 145 1822 Jun. 2 -+.38,8 |. + 26,4 » 42 | — 11,8 | — 0A » 22 | + 23,3. — 03 1825 Aug. 12 | — 25,9 | + 16,1 Mathemat. Klasse 1529. R 130 Encke AR Decl 1825 Aug ı7 | — ı4s | + 84 » 2 | — 11|+ 32 » 27 + 236 ——a553 St. 1 | + 1585| — 92 ».6| + 139 | — 13,8 1829 Oct. 413 | — 20,0 | + 177 Nvb. 6 | + 150 — 6,4 ».;25 + 38 — 16,8 Deb. 5 — 141,7 — 11,0 » 416 — 2,9 + 33 in welcher Tabelle die Fehler gleichmäfsiger vertheilt, und die gröfseren besonders bedeutend verringert sind. Die Summe der Qnadrate A«? cos ö° + A0°? ist hier 9 für die mit fünf Decimalen geführte Rechnung nahe genug mit der Elimina- tion aus den Bedingungsgleichungen übereinstimmend. Eine ähnliche Rechnung für die Venusmasse durchgeführt, giebt keine bedeutend kleinere Summe der Fehlerquadrate; der Einflufs der starken Burkhardtschen Verminderung nach welcher k= — 11,25 genommen werden müfste, wird, sobald man die Jupitersmasse in dem obi- gen Verhältnisse vermehrt hat, ohne allen Einflufs bleiben. Es wird damit [Ak.s]=-++ 3,8756 [An.s] = -+ 21,08, woraus die kleinstmöglichste Summe der Fehlerquadrate den Bedingungs- gleichungen zufolge sein würde 7547,44 3,8756 [k + 5,828]”. Indessen habe ich doch wenigstens die Elemente als Functionen von der Venusmasse darzustellen für nöthig erachtet, um für die Bearbeitung der letzten Hand leicht die Venusmasse, welche bis dahin als die wahrschein- lichste angenommen sein möchte, einführen zu können. über den Cometen von Pons. 131 Aus dem bisherigen ergeben sich folgende Bestimmungen: Man kann die sämmtlichen siebzehn Normalörter der vier Erschei- nungen des Cometen mit einem mittleren Fehler von 15” darstellen, wenn man bei der Störungsrechnung die folgenden Planetenmassen anwendet: 1 I ozssın Be 1 Bir 356632 Kr 1 6 = 329630 1 diyar 2546320 1 nn 1053,924 ed HZ aufserdem ein widerstehendes Mittel annimmt dessen Constante der früher gegebenen Bedeutung nach ist: N ae = 839,75 log U = 1,050731 Sollte die Venusmasse geändert werden, so würde U noch mit dem Factor multiplieirt werden müssen (: — 0,05788 =)} und die Elemente für 1819 so annimmt: Elemente IV. 1819 Jan. 27,25. Mitt. Par. Zt. M = 359%59 ı6)ıs +: 2393 2 1076,90750 '— 0,11160 » 580 i340)2 415,43» 156:59 34,2 :-# 13,72 » 334 3314056... 4 211,856 '» 13,37, 4,7. 42,41 » ONE R II I Il 132 Encke Um diese Elemente auf die früheren Perihelien anzuwenden, wird es erforderlich bei den früheren Störungsrechnungen die neue Jupitersmasse einzuführen. Hierdurch werden die unmittelbaren Gleichungen: Ko =M, + 3322124 Kr = K%ı + 35195583 KR, =M,, + 943612 M, + Ası4,75 4, + 15540,8 M, — 36220 %, — 1359,8 M,= M,,-+ 3611,6 %, ++ 2002,3 und wenn man alles auf 1, bringt, die vorigen Werthe von 7, M, M, Mo aber ungeändert beibehält, so hat man, wenn K, = 41077 + Au, 0= — 4sıl,75 Au, — 1513,15 + 16 AM 0= — 8436, 15,» — 4162,45 #H.:49'!AM 0= —12048,35 » — 1238,55: 100 AM Die Eiemente IV. geben: Au, = — 0,0925 und das gefundene U entspricht einem AM= -+ 060,6 durch welche Substitutionen die Fehler werden 0=— 97,45 = — 412,65 0=— 6405 Fehler die fast kleiner ausfallen als man nach der Ungenauigkeit dieser Stö- rungsrechnungen hätte hoffen können. In dem Zusammentreffen der beiden Resultate, dafs eine gröfsere Jupi- tersmasse sowohl die früheren als späteren Erscheinungen bei weitem besser vereinigt, glaube ich hinlängliche Rechtfertigung zn finden, um diese gröfsere Jupitersmasse künftig bei dem Cometen anzuwenden. über den Cometen von Pons. 139 Schliefslich erlaube ich mir noch zu bemerken, dafs das widerste- hende Mittel nur als eine Form für die nothwendig gewordene Correction anzusehen ist. Die Nothwendigkeit einer solchen Correction zu beweisen, und zugleich das Hauptgesetz nach welchem sie sich richten mufs, dafs näm- lich die mittlere Anomalie eine dem Quadrate der Zeit proportionale Ver- mehrung erhält, war der einzige Zweck dieser Zusammenstellung. Jede Erklärung die das letztere leistet, wird die Erscheinungen eben so gut, viel- leicht noch besser darzustellen vermögen. Nachträgliche Bemerkung. Bei der fortdauernden Beschäftigung mit dem merkwürdigen Come- ten, welcher der Gegenstand dieser Abhandlung ist, und dem dadurch her- bei geführten häufigen Zurückkommen auf die früheren Rechnungen, er- laube ich mir, da der Abdruck dieser Abhandlung sich durch die Verhält- nisse etwas verspätet hat, noch ausdrücklich zu bemerken, dafs sie unverän- dert so gegeben ist, wie sie der Akademie im Jahre 1529 vorgelegt ward. ED & e BR aan Trbt ai sch ein nah nl elalr a arnn en aer, > s mllhnrod anplanrag gibuazon is a are he ya ha ahlarrei.) rn BT ers An al er realer dm almsglhrFt aus ler has Han N ariunb- hr oh ar ame erh er el ae LE) 2 Te Das en ne DA RE 11e7 1277| i ur anay wlan ad duon Ibsiäl . % i Be. Pre £ Ei - sen ran een we. lade ach or ee: ie et ah a i m DET re er karl BEE RT Du ER Fr Bann eng hr uialayr + u IT ee TER ee in PART DIEN® . i IP Dre BET ur EUR we ‚ulen. hl ee ee N and ai Ah \ ee a de aha a eg arre a ELIM Sns ln SER WU en Er BER, el jenkaghg aa Fa . . si a one Pe 2 B . e . $: - », - B . . Pi IE . ai . ; u vr 5 . . n . rg . su) . Du Bi . 2 ve Über die geographische Länge und Breite der Berliner Sternwarte. \v Von Harz eeN GC Ko. annnannnmrnn [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 30. Juli 1829 und 21. Januar 1830.] T. Länge von Berlin. D. vieljährigen Beobachtungen auf der hiesigen Sternwarte, und die häufig von verschiedenen Astronomen daraus hergeleiteten Längenbestim- mungen, liefsen schon eine sehr genäherte Bestimmung dieses wichtigen Elementes erwarten. In der That weichen auch die gewöhnlichen Annah- men wenig genug von einander ab, um falls es auf den astronomischen Ge- brauch allein ankäme, völlig sich damit begnügen zu können. Da aber die hiesige Sternwarte geodätisch mit mehreren andern verbunden ist, so ist es von Wichtigkeit auch die astronomische Bestimmung fester zu stellen, und wo möglich in noch engere Grenzen einzuschliefsen als bisher der Fall war. Unter der astronomischen Bestimmung verstehe ich alle die Metho- den, welche, sei es direct oder indirect eine Zeitbestimmung voraussetzen, und im wesentlichen kommen alle darauf hinans, ein und dasselbe plötzlich eintretende Phänomen an zwei verschiedenen Orten zugleich und zwar nach der Zeit eines jeden derselben zu beobachten. Welche Zeit, ob wahre oder mittlere Sonnenzeit oder Sternzeit dabei zum Grunde liegt ist an sich gleich- gültig. Entweder man beobachtet wirklich in demselben Momente wie bei den Pulversignalen, oder man redueirt vermittelst bekannter und sicherer astronomischen Elemente die verschiedenen Erscheinungen auf eine einzige, wie bei den Bedeckungen durch den Mond und den Mondsdurchgängen, oder man überträgt die Beobachtungszeit von einem Orte zum andern vermittelst genauer Zeitmesser. Von diesen Methoden ist die erste, die ver- 136 EnckKe mittelst Pulversignalen, nie bei Berlin angewandt worden, wie sie auch der Natur der Sache nach nur seltener und nicht sowohl zur Längenbestimmung allein, als zur Erreichung specieller Zwecke vermittelst dieser Längenbe- stimmung meistens gebraucht werden wird. Sie erfordert zu viele Vorberei- tungen und Verabredungen um von dem Einzelnen ausgehen zu können. Die zweite, durch Sternbedeckungen, hat mein geehrter Vorgänger Bode viele Jahre hindurch mit verhältnifsmäfsigem glücklichen Erfolge durch seine zahlreichen Beobachtungen von Bedeckungen in Ausübung gebracht. Es ist mein Bestreben gewesen durch die zwei letzten, Monddurchgänge und chro- nometrische Bestimmung, sein Resultat zu verbessern, und der Wahrheit näher zu bringen. Die zahlreichste Sammlung von den Resultaten der Berechnung in Berlin beobachteter Sternbedeckungen findet sich in Zach Corresp. astron. Vol.I. p.57. wo einige dreifsig aufgeführt sind. Freilich sind hier ältere und neuere zu einem künstlichen Zwecke zusammengeordnet worden, näm- lich zu zeigen, dafs eine weniger sichere Zeitbestimmung mitunter grofse Abweichungen bewirken kann. Wenn man indessen unter diesen ohne wei- tere Auswahl die neuesten zusammenstellt, nämlich die welche Bode mit den besseren jetzigen Instrumenten der Sternwarte gemacht hat, so findet man für die Beobachtungen bis 1813 mit Ausschlufs der weniger sicheren Sonnenfinsternisse die Bestimmungen: Berlin östlich von Paris. Bedeckg. 1802 Aug. 5. Electra. .........4413,3 1803.Apr. .2. 0) nes erneuee 1 1808 Mai 30. AS eneee eae 6,2 une Lay 6,9 >» Jule, 0: Au euere aen 4338 TSV. SpL. 18, Vueımessuneuee 19 1a STREIT IPN NH eb PIF ZEE E B » Be ERIT, ERT 1OS, ONEE » » » DIE DER PLEDL 14,8 > bDebsl MM a desuh nsgsuls dust Au 42,5 im Mittel aus eilf Bedeckungen. über die Länge und Breite der Berliner Sternwarte. 187 Eine andere Zusammenstellung von Wurm aus seinen eigenen Be- rechnungen allein (Monatl. Corr. XXVI. 178), gab die Länge etwas kleiner, nämlich 44 10”,7, und sehr nahe damit stimmte Oltmanns im Jahrbuch 1809. p- 220. 4X 10,2. Eine der neuesten Beobachtungen von Bode, hauptsächlich eine Plejadenbedeckung, hat Bessel IX. Abtheilung der Beobachtungen in der Vorrede berechnet, und daraus 44 13,0 gefunden. Im Mittel könnte man vielleicht 44 ı2’,5 annehmen, wie es in meinem astronomischen Jahr- buche geschehen. Es läfst sich indessen nicht ganz läugnen, dafs diese Bestimmungen alle mehr oder minder mit einer kleinen Ungewifsheit behaftet sind. Es scheint als ob der Gebrauch des Niveaus bei dem hiesigen Passageinstru- mente nicht so häufig angewandt worden ist, als die neueren Beobachter es verlangen, und sonach die Zeitbestimmung nicht die Schärfe hat, welche keine Ungewifsheit von einer bis zwei Zeitsecunden mehr Raum giebt. Be- zeichnet man die Neigung der Axe mit’, die Polhöhe mit $, so kann be- kanntlich, auch wenn wie Bode stets anführt die Prüfungen durch Sterne in verschiedenen Declinationen nicht vernachläfsigt sind, doch nicht eigentlich im Meridian beobachtet worden sein, sondern in einem Stundenkreise, der der Meridian eines andern um ’sec ® östlich oder westlich gelegenen Ortes ist. Es folgt hieraus, dafs ein Fehler von zehn Bogensecunden in der Nei- gung einen Fehler von einer Zeitsecunde bedingt, und da ohne fortwäh- rende Anwendung des Niveaus, dieser Fehler wohl im Laufe mehrerer Mo- nate sich anhäufen kann, er beträgt bei dem hiesigen Instrumente nur etwa die Erhöhung des einen Armes über den andern um ;"‚ Linie, so sind daraus vielleicht zum Theil die Unterschiede der einzelnen Beobachtungen zu erklären. en Jahren hat man angefangen eine bis dahin zwar in Änre- Seit einig gung gebrachte aber im Ganzen vernachläfsigte Methode der Längenbestim- mung, nämlich die durch correspondirende Mondeulminationen theils mehr zu empfehlen, theils durch Bekanntmachung von Vergleichungsternen die nahe auf dem Parallel des Mondes liegen, wesentlich zu erleichtern. Die theoretischen Betrachtungen und die zweckmäfsigste Form der Berechnung sind an einem andern Orte, namentlich durch Nicolai und Bessel so vollständig und gründlich ausgeführt worden, dafs es unnöthig ist hier da- bei zu verweilen. Nur erlaube ich mir zu bemerken, dafs die eigentliche Mathemat. Klasse 1829. S) 138 Enucke Darstellungsweise vielleicht noch nicht so berührt ist wie es mir am zweck- mäfsigsten scheint. Denkt man sich die Erde ruhend und die Gestirne täg- lich ihren Umlauf um dieselbe vollendend, so werden jede zwei Gestirne die eine verschiedene Umlaufszeit haben zur Längenbestimmung angewandt werden können. Aus unsern astronomischen Tafeln kennen wir mit der gröfsten Genauigkeit die tägliche Umlaufszeit eines jeden derselben. Beob- achtet man also an dem einen Orte entweder das Zusammentreffen zweier Gestirne, oder den Zeitunterschied wenn das eine später als das andere in den Meridian kam, und kennt man den Unterschied ihrer Umlaufsgeschwin- digkeit, so wird man für jeden aliquoten Theil der Peripherie berechnen können wie weit sie von einander entfernt sind, und die Vergleichung mit einer andern Beobachtung giebt diesen aliquoten Theil oder die Meridian- differenz. Hieraus folgt, dafs die strenge Auflösung des Problems erhalten wird, wenn man die beiderseitigen Tage, den Mondtag und den Sterntag zusammen vergleicht, und zugleich zeigt es sich, dafs auch bei diesem Pro- blem die Einmischung unserer conventionellen Zeiten, mittlerer oder wah- rer Sonnenzeit, etwas fremdartiges und zu vermeidendes ist. Die Ungleich- förmigkeit der Mondbewegung thut dieser Art der Vorstellung keinen wei- teren Eintrag, als dafs man die Umlaufszeit desselben nicht als constant be- trachten darf, sondern als eine nach Potenzen der Zeit geordnete Reihe. Im Jahre 1326 gelangen mir verhältnifsmäfsig ziemlich viele solche Mondculminations-Beobachtungen, die an einem andern Orte im Detail auf- geführt sind. Da späterhin correspondirende zu Paris und zu Königsberg beobachtete mir bekannt wurden, so veranlafste ich Herrn Wolfers sie in Rechnung zu nehmen. Sein gefundenes Resultat ist folgendes: Vergleichung mit Königsberg. 1526 Febr. 15. 2s’ 29/0 Gew. 0,0026 a 24,9 16 Apı. "17% 17,3 24 » 20. 24,9 28 » 724, 26,9 34 Jun. 48. 32,8 36 Aug. 16. 19,8 27 Spt. 14: 16,6 15 über die Länge und Breite der Berliner Sternwarte. 139 Oct. 15. 28’ 29/1 Gew. 0,0021 » » 32,1 19 Zehn Beob. Mittel .....28 25,9 Gew. 0,0246. Vergleichung mit Paris. 1826 Jan. 17. 4X 10)2 Gew. 0,0023 Febr. 15. 8,2 28 Apr. 18. 19,5 28 3...20. 10,6 29 » 21. 10,9 35 Jun. 19, 12, 32 » 'n ee 32 Aug. 15. 22,0 27 » 110; 24,6 27 Spt. 43. 13,1 23 37. MIA, 11,4 15 Oct. 15. 12,7 21 Zwölf Beob. Mittel ..... 44 13,6 Gew. 0,0318. Das angegebene Gewicht zeigt zugleich die etwanige Unsicherheit die- ser Bestimmungen. Bezeichnet man diese Zahl durch ? und die Unsicher- heit eines Fadenantrittes mit e, so wird die Unsicherheit des Endresultats E yP oder der Vergleichung mit Königsberg .. 6",4 € Paris.» . un. 86€ Da die äufsersten Unterschiede bei fünf Fäden nicht um mehr als 0", 3 Zeitsecunden differiren, so wird man e nicht wohl über 0",2 nehmen können, wodurch die etwanigen Fehler werden für die Vergleichung mit Königsberg... . . 1",3 a BR Königsberg gehört zu den astronomisch am sichersten bestimmten Punkten. Nach Bessel’s neuesten Bestimmungen ist Königsberg östlich von Paris... ...... 727 39",1 folglich haben wir die Länge von Berlin S2 140 Encex:e aus der Vergleichung mit Königsberg. . 44 13",2 Paris ar... 4856 beide mit einer Unsicherheit von etwa einer Secunde. Die erste Gelegenheit zu einer chronometrischen Verbindung zwischen Berlin und Königsberg bot eine Reise des Herrn Etatsrath Schumacher über hier nach Königsberg dar. Sowohl auf der Hinreise als auf der Rück- reise verglich er sechs treffliche Chronometer mit den hiesigen Uhren, und hatte dadurch zugleich die Gewifsheit den etwanigen Fehler den ein durch den Transport veränderter Gang der Chronometer auf die Längenbestim- mung hat zu eliminiren. Unter der Voraussetzung, welche wenigstens der Wahrheit sehr nahe kommen wird, dafs dieselbe und gleich lange dauernde Bewegung, auf gleiche Weise den Gang ändert, wird die Länge auf dem Hinwege um eben so viel auf der einen Seite abweichen, als sie auf dem Rückwege auf der andern abweicht, und es wird so möglich den Gang wäh- rend der Bewegung zu bestimmen. Das Resultat dieser Nebenbestimmung war nach einer vorläufigen Reduction sehr nahe gleich dem aus den Mond- culminationen erhaltenen. Im vorigen November hatte aber derselbe Astronom die Güte seinen Gehülfen Herrn Lieutenant Nehus mit zwölf der besten Chronometer, be- sonders zur Verbindung von Berlin mit Altona, herzusenden. Die gröfsere Anzahl sicherte vor dem schädlichen Einflusse den selbst eine so kleine Reise zufällig auf den einzelnen haben könnte. Da die Mehrzahl schon vielfältig geprüft war, so war eine gute hiesige Zeitbestimmung von wesentlichem In- terresse, und die vortreffliche Pendeluhr von Tiede welche die Sternwarte besitzt, erlaubte zum Theil den Mangel der Instrumente zu ersetzen, indem man annehmen konnte, dafs ihr Gang so gleichförmig war, dafs die Ab- weichungen von + 0",2 von einem Tage zum andern gefunden, hauptsäch- lich von der Unsicherheit im Nivelliren herrührten, da zwei Secunden in der Neigung bei dem hiesigen Niveau nicht immer mit Sicherheit genommen werden können. Der Gang der Uhr war hiermit: Nvb. 14. + 0/5 » 16. + 0,7 » 19. + 0,6 » 22. + 0,3 » 24. ++ 0,15 » 25. + 0,05. über die Länge und Breite der Berliner Sternwarte. 141 Das vollständige Detail der Beobachtungen und Vergleichungen in Berlin und Altona ist in meinem Besitze, woraus zugleich zur Prüfung der Genauigkeit der Gang sich ergiebt, den jeder Chronometer sowohl vor der Reise, in Altona, als auf ihr, in Berlin und nachher in Altona gehabt hat. Da es indessen anderswo bekannt gemacht werden wird, und eine doppelte Rechnung jeden Fehler ausschliefst, so begnüge ich mich die Resultate jedes einzelnen Chronometers herzusetzen, mit besonderer Bezeichnung derjeni- gen die ihren Gang am wenigsten geändert haben. Er ist auf dieselbe Weise wie oben erwähnt, im Mittel aus Hin- und Herreise genommen. Mar Kessels 1252... .. 13’ A8Jo4* Eiery. 3822 er mer 30,8 JOrsensen. ns: wars 150,65 Waroshaw.e .2.. we ao Breguet3719..... 48,61* Arnold 85:2... 2.0. 53432 » Ale. 81 Kessels 1260..... 4,14* » Io cu. 49,06% bresnet 30. 1, 212 Is168 Arhto la Tg Et Einer der zwölf Chronometer ward einmal in Berlin vergessen aufzu- ziehen, weswegen er hier nicht mit berücksichtigt ist, er würde Kessels 1276... . 13’ 50,” Ar gegeben haben. Aus allen eilf folgt im Mittel . 13 49,53 und die fünf deren Gang während der ganzen Zeit nicht variirt hat, gaben: 13 487,52, die Ungewifsheit dürfte folglich ebenfalls nicht eine Secunde übersteigen. Nach den besten und sichersten Bestimmungen ist Altona ’ „ östlich von Paris». 2 2... 0.2 2. 2% 4.230735 „v folglich Berlin. .......cssoc:0200.44 14,53 142 EnckE im Mittel aus allen eilf Chronometern. Nimmt man nun aus den drei astrono- mischen Bestimmungen, die ziemlich gleiche Unsicherheit haben das Mittel, so erhält man: AK 13",8 fast dasselbe was die bessern Chronometer allein gegeben haben. Geodätisch ist Berlin durch die vortreffliche von Müfflingsche Tri- angulation mit Seeberg, und dadurch auch mit Göttingen verbunden. Aus diesen Dreiecken berechnet der Herr General den Mittagsunterschied mit Seeberg = 2° 39 52”, 38 oder in Zeit — 10° 39",49. Da nun Seeberg mit grofser Genauigkeit 33 34,8 von Paris liegt, so wird die Länge von Berlin 4X 44",3. Bei geodätischen Messungen und daraus hergeleiteten Längen könnte ınan vielleicht den Einflufs der zum Grunde liegenden Abplattung fürchten. Um so angenehmer ist es daher dieselben Dreieke mit einer andern Abplat- tung, als die von Herrn von Müffling benutzte (z1,), nämlich I; be- rechnet zu sehen. Der Herr General hatte mit grofser Liberalität die Güte, dem Herrn Hofrath Gauf/s seine sämmtlichen Details der Dreiecke mitzu- theilen, welcher sie nach seinen eigenen Methoden in Rechnung nahm. Er findet: Berlin von Göttingen.......3° 26° 59", 11. Da nun in der Schrift über die Breitenbestimmung von Göttingen der geodätische Unterschied mit Seeberg angegeben wird Göttingen von Seeberg......0° 47’ 9”,20 5 ö ’ so wird nach Gaufsens Rechnung: Berlin von Seeberg....... 2° 39° 49",91 Gdenin Zeil 20 er 10° 39",33 über die Länge und Breite der Berliner Sternivarte. 143 nur um 0’,16 von Herın von Müffling”s Angabe verschieden, wodurch zu- gleich die Zweifel wegen eines etwanigen Einflusses einer andern zunehmen- den Abplattung verschwinden. Es folgt hieraus dafs die neue astronomische Bestimmung PrBEtE vollkommen mit der geodätischen harmonirt, und man deswegen kaum zweifeln darf, dafs bei dieser Länge der Fehler kleiner als & ı" ist. Zu- gleich wird sie im Ganzen durch die Sternbedeckungen auch insofern bestä- tigt, als das Mittel aus neun der oben angeführten neuesten eilf Bedeckungen r A 413", 9 ist, und Bessel aus andern ebenfalls 13’,0 findet. Bis zur Erhaltung so genauer Resultate als neuere bessere Instru- mente allein geben können, wird man hauptsächlich auf die geodätische Messung gestützt Berlin setzen können: ’ 14’ östlich von Paris 3 30 » » Ferro. 4 31° 1: Breite von Berlin. Vor einiger Zeit beehrte ich mich Einiges über die geographische Länge von Berlin vorzutragen, hergeleitet aus unmittelbaren Beobachtungen, aus chronometrischer Anknüpfung an besser bestimmte Punkte, und aus geodätischer Vermessung. Diese Bestimmung hat späterhin noch eine kleine Bestätigung erhalten, theils durch eine anderweitige Berechnung der Beob- achtungen, welche in den astronomischen Nachrichten von Schumacher bekannt gemacht ward, theils durch eine neue Übertragung der Altonaer Zeit auf hier, vermittelst eines vortrefflichen Kesselschen Chronometers, im Besitz des Herrn Commandeur Bille. Besonders diese letztere Bestäti- 144 Encke gung war mir erwünscht, da sie sich auf eine neue unabhängige Zeitbestim- mung gründet, und in so fern die hiesige Längenbestimmung wesentlich von der Genauigkeit der benutzten Instrumente abhängt, man bei der noch nicht völlig erwünschten Vollkommenheit derselben, jedes neue Resultat sorgfäl- tig zu beachten hat. Im Ganzen ist keine Modification nothwendig gewor- den, und man kann die Länge von 44 14’ östlich von Paris oder 31° 3 30" von Ferro als nahe richtig ansehen. Die nächste Veranlassung zu einer ähnlichen Zusammenstellung über die geographische Breite Berlins, lag in einem angefangenen Aufsatze über denselben Gegenstand, welcher sich unter den nachgelassenen Papieren mei- nes geehrten Vorgängers Herrn Tralles befand. Mit der Bemerkung, dafs sie am 25““Februar 1810 gelesen sei, fand sich der Anfang einer Abhand- lung, die im Eingange eine geschichtliche Übersicht der früheren Bemühun- gen enthielt. Es folgte dann eine Beschreibung des Instruments welches Tralles zu seinen Beobachtungen angewandt, allein das Weitere, hier von grölserer Wichtigkeit, die gemachten Beobachtungen selbst, waren nicht vorhanden. Es fanden sich nur noch einzelne Bruchstücke von den For- meln welche Tralles angewandt die noch übrig gebliebenen Fehler des In- struments durch Rechnung 8 der Aufmerksamkeit damals sehr würdig waren, welche aber jetzt zum Theil zu eliminiren, Bruchstücke die für ihr Zeit neu, zu allgemein bekannt, zum Theil durch neue Methoden zu sehr verbessert worden sind, als dafs man ihren Abdruck, selbst wenn sie gehörig ergänzt wären, rathsam finden möchte. Dieses ist auch die Ansicht des Herrn Pro- fessor Bessel, der den sämmtlichen Nachlafs geordnet, und das Zusam- mengehörige verbunden hat. Da ich in den Abhandlungen der Akademie nicht gefunden, dafs der geschichtliche Theil abgedruckt wäre, so erlaube ich mir diesen hier herauszuheben. Die erste, etwas genauere Bestimmung der Polhöhe Berlins, hängt mit der genaueren Bestimmung der Entfernung des Mondes von der Erde, auf eine in der That eigenthümliche Weise zusammen, da zu zwei verschie- denen Malen die eine Untersuchung Kenntnifs von der Entfernung der Himmelskörper von der Erde, wird auf dieselbe Weise erhalten, auf welcher die Entfernungen der Örter auf der mit der andern verbunden ward. Unsere Erdoberfläche unter sich bestimmt werden, nämlich durch die Beobachtung der Winkel, welche die Richtung nach dem unbekannten Punkte hin, mit über die Länge und Breite der Berliner Sternwarte, 145 einer bekannten und gemessenen Standlinie an ihren zwei Endpunkten macht. Die Kleinheit der Linien die wir auf der Erdoberfläche messen können, oder als bekannt ansehen, in Vergleich mit der grofsen Entfernung der Himmels- körper, macht dafs man bei der Anwendung auf die Sonne zu einer künst- licheren Art den Unterschied_der beiden Winkel an den Endpunkten zu finden seine Zuflucht nehmen mufs, nämlich vermittelst der sonst bekann- ten Venusbewegung in einer bestimmten Zeit zur Epoche ihres Vorüber- ganges vor der Sonnenscheibe. Eben so ist man bei der Bestimmung der Grenze über welche hinaus die Fixsterne entfernt sind genöthigt, die Erde zu verlassen und als Standlinie den Durchmesser der Erdbahn zu benutzen. Beim Monde dagegen, dessen Entfernung etwa das dreifsigfache des Erddurchmessers beträgt, ist es möglich auf ganz directem Wege durch un- mittelbare Winkelmessung von zwei Punkten der Erdoberfläche aus, die Ent- fernung zu bestimmen. Liegen beide Punkte so weit als möglich ausein- ander, so wird die Genauigkeit gröfser, und die Bequemlichkeit der Bestim- mung des Abstandes der beiden Punkte von einander wird vermehrt, so wie die Genauigkeit derselben, wenn beide unter demselben Meridian, oder doch nahe unter demselben, liegen. Die Summe ihrer Breiten nördlich und süd- lich genommen giebt dann unmittelbar den Winkel an dem Erdmittelpunkt, aus welchem sich die Sehne der Erde zwischen ihnen berechnen läfst. In diesem letzteren Umstande lag hauptsächlich der Grund warum Berlin bei den beiden Versuchen dieser Art benutzt ward. Seine Länge ist unter den älteren Sternwarten die, welche am wenigsten von der Länge des südlichsten, hier zu benutzenden Punktes, des Vorgebirges der guten Hoff- nung, abweicht. Berlin und noch etwas mehr Stockholm, wenn gleich hier das nördliche Klima schon Hindernisse in den Weg legte, wurden deshalb vorzugsweise benutzt. So wie auf der andern Seite eine genauer zu unter- suchende geographische Breite dieser Örter, wesentliche Bedingung des glücklichen Erfolgs war. Das Verdienst der ersten Ausführung dieser Idee, gebührt unserem Landsmann dem Freiherrn v. Krosig, der auf eigene Kosten, Kolbe nach dem Kap und Wegnern nach Berlin schickte, beide Schüler des Astrono- men Einwerts. Leider war Kolbe nicht von dem Eifer für den Haupt- zweck seiner Reise erfüllt, der allein das Gelingen zu sichern vermogte. Mathemat. Klasse 1829. ib 146 EncxKe Der Versuch lief fruchtlos ab und von den Resultaten sowohl für den einen als den andern Ort ist nichts bekannt geworden. Die Reise von la Caille nach dem Kap, um den südlichen Himmel zu durchmustern, liefs nach einem halben Jahrhundert diese Idee wieder auf- nehmen. Theils wurden die sämmtlichen nördlichen Sternwarten aufgefor- dert correspondirende Beobachtungen zu machen, theils kam in den Jahren 1751 und 1752 Lalande auf des grofsen Friedrichs besondere Einla- dung nach Berlin, um hier die Stelle des Beobachters auszufüllen. Lalande gab die erste zuverlässige Breitenbestimmung für das noch jetzt bestehende Observatorium, anfangs auf 52° 31’ 13”, fast ganz mit den neueren Beobach- tungen übereinstimmend. Unglücklicherweise hatte er später Zweifel an der Richtigkeit seines Quadranten, vermuthete oder fand Eintheilungsfehler, die vielleicht nicht vorhanden waren, und setzte demnach die Breite um 17” gröfser an (etwa 1660 Fufs im Längenmafs); wobei man noch zu bemerken hat, dafs, wenn die erste Bestimmung gemeinschaftlich mit seinem Mitar- beiter Kies gemacht war, die letzte Correction ganz auf seine Rechnung fiel. Schon die runde Zahl von 52° 31’ 30”, läfst vermuthen, dafs er mit der äufsersten Genauigkeit bei dieser Verbesserung nicht zu Werke ging. Etwa fünfundzwanzig Jahre nachher ward für die Sternwarte der noch jetzt vorhandene Mauerquadrant von Bird angeschaft. Die Unbequemlich- keit der Umhängung eines solchen Instrumentes, machte indessen, dafs von unmittelbar für die Breite zu benutzenden Beobachtungen, Bernouilli nur wenige überhaupt, und nur zwei derselben bekannt machte. Absolut genommen gaben sie die Polhöhe kleiner als die letzte Lalandesche. Ob die Verbesserung welche Bernouilli anbringen zu müssen glaubte, und wodurch sie der Lalandeschen sich näherte, von der wahren aber sich ent- fernte, vielleicht nur durch die Furcht von einer so grofsen Autorität als Lalande war abzuweichen veranlafst ward, wie Andere und auch Tralles vermutheten, mufs man bei der Unbekanntschaft mit den näheren Umstän- den dahin gestellt sein lassen. Eine genauere Reduction dieser Beobachtun- gen hat schon früher unser geehrte College Herr Oltmanns gemacht, so dafs es nicht nöthig sein wird, noch einmal darauf zurück zu kommen. Von dieser Zeit an, bis in die ersten Jahre des jetzigen Jahrhunderts, wurden keine Versuche gemacht, welche zu gröfserer Genauigkeit hätten über die Länge und Breite der Berliner Sternwarte. 147 führen können. In der Zeit in welcher durch Herrn v. Zach die Sextanten so sehr in Aufnahme gebracht wurden, und man wohl zu sehr von dem einen Extreme der Nichtachtung kleinerer Dimensionen, auf das andere der Überschätzung überging, ward zwar sehr häufig auch durch sie die Polhöhe bestimmt, doch war das Vertrauen auf Lalande’s Angabe so grofs, dafs man jede Abweichung ganz auf Rechnung der Sextanten schrieb, und zu- frieden mit einer Annäherung war, die einem so kleinen Instrumente nur Fehler von 10” und 20” aufbürdete. Ein ganz ähnlicher Fall wie bei der Seeberger Sternwarte, wo die Polhöhe ebenfalls um 12” früher zu grofs an- genommen, durch die Sextantenmessungen stets bestätigt gefunden ward, bis bessere Instrumente die Wahrheit gaben. Unserm verewigten Tralles gebührt das Verdienst zuerst die Wahrheit ausgesprochen zu haben. In einer am 14‘ November 18505 gelesenen Ab- handlung, zeigte er, dafs Beobachtungen, die er theils mit einem zehnzöl- ligen Wiederholungskreise, theils mit einem Caryschen Kreise, theils mit einem Lenoirschen Kreise von seinem Hause aus angestellt, und auf die Sternwarte reducirt hatte, mit grofser Übereinstimmung im Mittel aus vielen Beobachtungen für die Breite der Sternwarte 52° 31’ 16”, 3 14” weniger als Lalande gaben. Leider fehlen sowohl in dieser Abhand- lung, als in den nachgelassenen Papieren, die nöthigen Data, um an diesen Beobachtungen das zu ergänzen, was Tralles damals bei der Berechnnng derselben übergehen zu können glaubte. In einer Stelle des hinterlassenen Manuscripts, spricht Tralles da- von dafs der Schlufs seiner früheren Abhandlung, ‚, die Breite bedürfe noch einer Bestätigung,’ wobei er nur an eine Verbesserung innerhalb sehr enger Grenzen gedacht, veranlafst haben möge, dafs sein Resultat von Mehreren nur als eine Annäherung betrachtet sei, und deshalb wenig Rücksicht darauf genommen. Vielleicht dafs diese Zweifel an der Richtigkeit seiner Bestim- mung hauptsächlich ihn bewogen, noch genauer denselben Gegenstand zu verfolgen, und wenn gleich in unsern Abhandlungen sowohl, als den hinter- lassenen Papieren, sich keine nähere Angabe der einzelnen Beobachtungen findet, so hat Tralles wenigstens das Resultat seiner sämmtlichen Beob- achtungen, in den astronomischen Nachrichten von Schumacher I. 143 T2 148 EnckKe niedergelegt. Vermittelst eines achtzehnzölligen Troughtonschen Wieder- holungskreises, erhielt er aus zahlreicheu Beobachtungen, mit bewunderns- würdiger Übereinstimmung die Breite nach gehöriger Reduction auf die Sternwarte. Mit dieser Polhöhe erklärt sich auch unser früherer geehrter College Herr Bode einverstanden, welcher im astronomischen Jahrbuche im Mittel aus seinen Beobachtungen am zweifüfsigen Troughtonschen Kreise die Pol- höhe 52° 31 15” folgert, und dieser Bestimmung Vertrauen schenkt. An der Reduction habe ich ebenfalls keine Änderung vornehmen können, da die nöthigen Data nicht in der Anzahl vorhanden waren, wie man es wünschen konnte. Dieselbe vortreffliche geodätische Vermessung welche schon die Länge am sichersten bestimmte, hat auch für die Breite die genauesten Angaben uns verschaft. Gestützt auf die Polhöhe von Mannheim welche Nicolai sehr sorgfältig zu 49° 29° 13”,2 bestimmt hat, findet der Herr Generallieute- nant v. Müffling A.N. Il. 323 die Polhöhe Berlins aus seinen Dreiecken :. 520 31’ 13”,4. Aus dem Theile der Dreiecke welche Göttingen mit Berlin verbinden, berechnet Herr Hofrath Gaufs dieselbe Polhöhe mit zum Grunde liegender Göttinger Polhöhe zu: ee so dafs auch wiederum hier der Einflufs einer verschiedenen Abplattung als nahe verschwindend angenommen werden kann. Bei meiner Herkunft hierher, und der Übersicht dieser verschiedenen Bestimmungen, war es weniger mein Wunsch diese Polhöhe genauer zu er- mitteln. Es scheint nach Allem als ob das geodätische Resultat hier unbe- denklich den Vorzug verdient, und eine mögliche Verbesserung desselben kaum eine oder zwei Secunden betragen dürfte. Eine so kleine Gröfse mit Sicherheit angeben zu wollen, erfordert genauere Instrumente, als dem ersten Anblick nach die Sternwarte darbot. Allein da die zuverlässigeren der eben erwähnten Bestimmungen nicht auf der Sternwarte gemacht waren, so konnte einestheils noch in Hinsicht auf die Reduction bei den astronomischen über die Länge und Breite der Berliner Sternwarte. 149 Bestimmungen ein Zweifel übrig bleiben (Tralles hat sich stets nur des grofsen Plans von Berlin bedient), theils glaubte ich den Versuch das etwa noch Mögliche zu leisten, nicht scheuen zu dürfen. An eigentlichen Höhen-messenden Instrumenten besitzt die Sternwarte den oben erwähnten Mauerquadranten von Bird, und einen Troughtonschen zweifülsigen Kreis. Was den ersteren betrift, so ist sein Fernrohr nicht so vorzüglich, dafs man die Bilder der Sterne bei etwas beträchtlicher Ver- gröfserung gut und scharf sieht. Er war ursprünglich nur mit einem un- achromatischen Objectiv versehen und das jetzige ist später von Carochez nachgeschliffen, die Eintheilung ist für den hier statt findenden Zweifel fast nicht fein genug, bei einer früheren Beschädigung ist ein Stück der Thei- lung durch einen hiesigen Künstler nachgemacht, endlich fehlte so gut als völlig die Möglichkeit seiner Umhängung, und damit die Bestimmung seines Collimationsfehlers, und das sinnreiche Mittel welches Bessel zum Ersatz dafür vermittelst eines vor dem Objectiv anzubringenden Spiegels vorschlägt, hätte bei der Ungewifsheit des Erfolgs wohl nicht die aufgewandte Mühe Zeit und Kosten ersetzt. Er wurde deswegen ganz beseitigt. Auch der Troughtonsche Kreis, war nach dem Urtheile von mehre- ren der ersten Kenner, mir schon vorläufig als unbrauchbar zu den feineren Untersuchungen geschildert worden. Eine von Nord nach Süd gelegte Axe mit zwei Cylindern an ihren Enden ruht in Pfannen nach Art des Mittags- fernrohrs. Sie trägt in der Mitte zwei nach Ost und West gehende Arme, an deren ginem ein Gegengewicht, an dem andern ein zweifüfsiger Kreis sich befindet, der vermittelst vier Nonien 5” für jeden angiebt. Beide Arme sind hohl und durch sie geht die Axe des auf dem Kreise beweglichen Fern- rohrs, welche hinten durch eine Schraube festgehalten wird, so wie ein zweites Gegengewicht die freie Bewegung in der Mitte der Axe sichern soll. Eine stählerne Schraube an dem untern Ende des Kreises, schlägt mit einer abgerundeten Spitze gegen die steinerne Aufstellung, und kann so berich- tigt werden, dafs die Lage des Kreises vertical ist. Die erste Hauptaxe trägt ein Niveau, um die etwanigen Änderungen in der ursprünglichen Lage während der Beobachtung bemerkbar zu machen. Bis hierher ist der Kreis ein einfacher Meridiankreis, und kann in vier verschiedenen Lagen, Ost und West, und nördliches Ende der Axe und südliches Ende verwechselt, gebraucht werden. Dafs zwei dieser Lagen, die 150 Encke wo der Kreis nach Ost gerichtet ist, der hiesigen Aufstellung wegen so un- bequem sind, dafs sie nicht wohl angewandt werden können, kann dem Künstler nicht zur Last fallen. Wohl aber scheint es dafs man dem Künstler mehrere Theile der Aus- führung zur Last legen kann, wohin theils das Aufschrauben des getheilten Kreises auf die tragenden Speichen gehört, die geringste Ungleichheit der Aufschraubung kann die Figur des Kreises ändern, theils die ungewöhnliche Schwäche der Noniusarme, welche fast nur aus Messingblech gearbeitet sind, selbst bei dem welcher die Klemmschraube trägt. Den nachtheiligen Ein- flufs dieser letzteren auffallenden Erscheinung, erkennt man besonders bei dem Ablesen aller vier Nonien in regelmäfsigen Intervallen, durch den gan- zen Kreisumfang, deren ich vier von zehn zu zehn und fünfzehn zu fünfzehn Graden gemacht habe, wo die Unterschiede der verschiedenen Nonienable- sungen so unregelmäfsig wachsen und abnehmen, dafs sie sich weder durch. eine Excentricität, noch durch die sich zunächst anschliefsenden Glieder einer Sinus- oder Cosinusreihe erklären lassen, sondern entweder nicht un- bedeutende Theilungsfehler, oder eine Biegung der Noniusarme in verschie- denen Lagen vermuthen lassen. Nimmt man noch dazu, dafs dieser Kreis bei einer früheren Veranlassung durch rohe Hände verwahrlost ist, worüber Bode das Nähere anführt, dafs bei dieser Gelegenheit wichtige Theile, das Niveau und wahrscheinlich auch der eine Nonius welcher sich angesetzt zeigt, zerbrochen sind, so läfst sich für feinere Untersuchungen in der That kein glücklicher Erfolg hoffen. Indessen habe ich doch im Sommer 1827 und 1828 mehrere Beob- achtungsreihen angestellt um hierüber zur Gewifsheit zu gelangen. Haupt- sächlich war es auch mein Wunsch bei dieser Gelegenheit die vortreffliche Bohnenbergersche Methode, den Collimationsfehler unmittelbar durch Reflexion zu bestimmen, praktisch zu erproben. Man kann diese Idee auf verschiedene Art in Wirksamkeit setzen. Da die Art, nach welcher sie hier angewandt wurde, zufolge der Angabe unsers kenntnifsreichen Mitbürgers Herrn Geheimenraih Behrnauer, mir in andern Schriften noch nicht vor- gekommen ist, so will ich sie hier kurz erwähnen. Das Gesichtsfeld ist durch eine metallene Scheidewand, parallel dem getheilten Kreise in zwei Theile getheilt, die zur Grenze den sogenannten Meridianfaden haben. Auf der von dem Kreise abgewendeten Seite derselben über die Länge und Breite der Berliner Sternwarte. 151 befindet sich ein gewöhnliches Prisma, von dessen schiefer hinteren Fläche die vom Öbjectiv herkommenden Strahlen durch innere Reflexion in das Auge geworfen werden. Auf der dem Kreise zugewandten Seite der Schei- dewand ist ein System von zwei Prismen so zusammen gesetzt, dafs die von einer seitwärts gehaltenen Lampe horizontal ausgehenden Strahlen bei den Beobachtungen nach dem Nadir senkrecht heruntergeworfen werden. Stell- schrauben erlauben eine Correction in der Stellung dieser Prismen. Die Zweckmäfsigkeit dieser Einrichtung erprobt sich auch selbst bei der schwankenden Aufstellung hier; sobald der an dem Steinlager unmit- telbar angebrachte Quecksilberhorizont zur Ruhe kam, gaben wiederholte Beobachtungen stets gleich scharfe Resultate. Zugleich erlaubte die Gleich- heit der Fädendistanz zu beiden Seiten des Meridianfadens, eine bis auf Se- cunden richtige senkrechte Stellung des Fernrohrs, und folglich da die Ge- sichtslinie nahe dem Kreise parallel gerichtet war, eine eben so genaue senk- rechte Stellung der getheilten Fläche selbst. Mag es indessen die Schuld der Federung der einzelnen zu schwachen Theile des Instruments gewesen sein, eine Bewegung der Mikrometerschraube in entgegengesetztem Sinne gab auch fast jedesmal etwas verschiedene Resul- tate, oder mögen Theilungsfehler von nicht ganz unerheblicher Gröfse vor- herrschen, die damalige vorläufige Reduction der gemessenen Zenithdistan- zen schien aus südlicheren Sternen eine stets kleinere Polhöhe, als aus Sternen die nahe am Zenit vorbeigingen, zu geben, und die neuere Durch- sicht hat dieses im Ganzen bestätigt. Bemerken mufs man hierbei, dafs der Kreis stets nur in einer Lage gebraucht ward. Vielleicht würde die entgegen- gesetzte Lage sich günstiger bewiesen haben, allein bei der Bemerkung einer regelmäfsigeren Änderung der Polhöhe als man hätte befürchten sollen, glaubte ich nicht den Versuch der ohnedem jeder Prüfung entbehrt hätte, auf diese Art abändern zu brauchen. Im Mittel aus einem grofsen Theile dieser Beobachtungen, wobei frei- lich einzelne vorkommen, welche 7” vom Mittel abweichen, folgte übrigens die Polhöhe 52? 31’ 13”. Ein Resultat was nur angeführt werden soll um zu zeigen, dafs selbst rohere Beobachtungen, wenn nicht Lalande’s Auto- rität verführt hätte, schon früher die Wahrheit hätten geben müssen. Bei diesem Mangel an genauen Höhen-messenden Instrumenten, wo- durch die Polhöhe absolut hätte bestimmt werden können, blieb nur noch 152 EwnceK®E eine Anwendung der von Ol. Römer schon im Anfange des vorigen Jahrhunderts vorgeschlagenen, von Horrebow beschriebenen, und von Bohnenberger in seiner geographischen Ortsbestimmung angedeuteten, von Bessel dagegen durch lichtvolle Darstellung ihrer Zweckmäfsigkeit, und thätige Ausführung der dazu nöthigen Instrumente, eigentlich zuerst in rechte Wirksamkeit gesetzte Methode, die Polhöhe durch ein von Ost nach West senkrecht auf der sonst gewöhnlichen Meridianbewegung sich drehen- des Passageinstrument zu bestimmen. Die Einfachheit der Idee, den Abstand eines Sterns, der die süd- liche Hälfte des Meridians durchschneidet, vom Zenith, dadurch zu bestim- men, dafs man die Zeiten beobachtet wo er im ersten und letzten Vertikal gewesen, und daraus bei bekanntem Polarabstande die Polhöhe ableitet, wird es um so mehr gestatten, dafs ich hier die näheren Auseinandersetzun- gen der Vorzüglichkeit dieser Methode übergehe, als in dem Aufsatze des Herrn Professor Bessel über diesen Gegenstand (astron. Nachr. Bd. V.) so ziemlich alles erschöpft sein mag. Nur erlaube ich mir hier die einfache Ableitung der Formeln, die den nachherigen Rechnungen zum Grunde liegen herzusetzen, da es mir scheint als sei sowohl in dem Aufsatze von Bessel, als in einem andern des Herrn Director Hansen die Ableitung für den ge- genwärtigen Zweck nicht so einfach gegeben. Nennt man den Pol der Drehungsaxe, die Punkte wo die verlängerte Drehungsaxe des Instruments die Sphäre trift, so würde bei vorausgeseizter eylindrischer Form der Zapfen, eine Bedingung die der Künstler am leich- testen erfüllt, und völlig richtiger Aufstellung des Instruments, der Pol der Drehungsaxe in den Nordpunkt fallen, und das Instrument den gröfsten Kreis des ersten und letzten Vertikals beschreiben. Die Fehler der Aufstellung be- wirken dann theils, dafs der Pol vom Nordpunkte abweicht, theils, wenn die Collimationslinie nicht genau senkrecht auf der Drehungsaxe ist, dafs das Instrument nicht einen gröfsten sondern einen kleinen Kreis am Himmel 8 beschreibt, dessen Lage durch den Ort seines Poles und seinen Abstand von demselben 90 — c, wenn c der Collimationsfehler ist, bestimmt wird. Man kann den Ort des Poles entweder auf das Zenith durch seinen Abstand 90+i; wo (die Neigung bezeichnet, und das Azimut A des Vertikalkreises in welchem er sich befindet, ‚das letzte von Nord nach West positiv genommen, bestimmen, oder auch auf den Weltpol durch seinen Polarabstand $ +, über die Länge und Breite der Berliner Sternwarte. 153 (9 die Polhöhe) und den Winkel des Stundenkreises 2, in demselben Sinne wie k positiv genommen. Das Dreieck, Pol der Drehungsaxe, Pol der Erde und Zenit giebt dann zwischen den Gröfsen i, A, &, m, n die bekann- ten Relationen: cos (d-+n) — 0081 cos kcos$® — sin $ sin Zi sin (-+n) sin m = cosisin k sin (b+nr) cosm = cos icos k sin $ + cos 6 sin !. Beobachtet man nun einen Stern bei seinem Durchgange durch die Collima- tionslinie, deren Abstand vom Pole =9% — c, so giebt das Dreieck, Stern Erdpol und Pol der Drehungsaxe die Gleichung: sin c = sin d cos (b-+n) — cos d sin (d-+n) cos (t-+m) wo ö die Declination und z der Stundenwinkel; sie gilt für alle Fälle wenn man 2 vom südlichen Theile des Meridians westlich herum durch den ganzen Vollkreis zählt. Löfst man hier, um die Gröfsen m und 2, die sich aus den Beobachtungen nicht bestimmen lassen, zu entfernen, cos (£+m) gehörig auf, und substituirt die vorigen Relationen, so erhält man sinc= sin dcosdcosicosk — sin d sin & sin i + cos ösin £ cosi sin k — cos ö sin $ cos £ cosi cos k — cos d cos $ cos L sin z. Man führe jetzt einen Hülfswinkel # ein: p sin $ = sin © p cos # = cos d cos t wodurch zugleich p’= sin ö°-+ cos 6° cos ?—= 1 — cos ö’ sin also ER 2 cos ö’sn—=ı—p°, folglich wenn man statt p... cos 2’ schreibt cosdsint=sinz, wo das Zeichen von sin 3° sich nach dem Zeichen von sin £ richten mufs, so hat man: sine= coszsin (P—d) cos icosk + sin 2’ cos i sin k — cos 2° cos (# —P) sin 7 Mathemat. Klasse 1829. U r 154 Encke folglich die strenge Gleichung sin c sec z’ tgi tg k tg ee nr — cos 2 cos Ak cos (P—P) cos Ak cos (P—) j Sind daher die sämmtlichen Gröfsen —$, i, kund c klein genug, um sie als Differentialgröfsen betrachten, oder ihre dritten Potenzen vernachläs- sigen zu können, so hat man d=P—i—cseez+ktgz, wobei es einleuchtet, dafs in diesem Falle auch s’mit z, der Zenitdistanz, ver- tauscht werden kann. Hierbei ist vorausgesetzt, dafs in der Ableitung von $ aus der Gleichung tg d cost ig DD ö und t fehlerfrei sind. Das erstere wird man immer annehmen müssen, weil man auf diesem Wege & nie absolut sondern nur relativ bestimmen kann. In dem letzteren vermischen sich die Fehler der Beobachtung, der Zeitbestimmung und der AR. des Sterns. Die Differentiation giebt 2dıp' 18 = chigitdt sin 2.p’ sin 26 folglich ist die vollständige Differentialgleichung : ’ sin 2 {02} an Ar Fein apigtde—i—csecz+kigz. Die etwanigen Fehler der Declination werden wenigstens nicht ver- gröfsert, obgleich auch nicht sehr verkleinert, wenn sin 28°> sin 2®, also da ö nicht gröfser als ® werden kann, wenn ö liegt zwischen $ und 9 — 9, im Allgemeinen für Sterne die nahe am Zenit durchgehen; die Fehler der Beobachtung aber sehr verkleinert wenn i klein, also für Sterne nahe am Zenit. Dasselbe Verhältnifs findet bei c und A statt. So dafs ganz allge- mein Sterne die nahe genug beim Zenit vorbei gehen, um noch mit Sicher- heit beobachtet werden zn können, die besten und zuverlässigsten sind. Betrachtet man die Beobachtungen an einem Seitenfaden so, als seien sie an einem Instrumente beobachtet, dessen Oollimationsfehler um den Ab- stand des Seitenfadens gröfser ist, so hat man die beiden Gleichungen: über die Länge und Breite der Berliner Sternwarte. 155 sin ec — sin d cos (#-+n) — sin (b-Hn) cos d cos (t-+ m) sin (c+f) = sin d cos (d-+n) — sin (b-Hn) cos d cos (Ü!+m) folglich: sin (c+f) —since=2sin (d-+n) cos dsin (4 (£+!')+m) sin + (!—t) wo f der Abstand des Seitenfadens, 2’ die Beobachtungszeit ist. Man hat folglich in allen Fällen der Praxis 2sin -[— N — ke er eher & ie ne ( d sin ($-Hn) cosö sin (+ (+1) + m) wo man in den meisten Fällen unbedenklich für + n....& setzen, und m aus A bestimmen kann, durch die Gleichung m — k cosec d. Der Hauptvorzug dieser Methode besteht aufser der Einfachheit der Beobachtung, in der Verringerung der möglichen Beobachtungsfehler bei zweckmälsig gewählten Sternen, in der Leichtigkeit mit der man durch Um- legung des Instrumentes, den Einflufs von c, und durch Beobachtung des- selben Sternes im Osten und Westen den von 4 eliminiren kann. Verbindet man beide Arten, beobachtet man denselben Stern östlich und westlich, mit inzwischen umgelegtem Instrumente, so eliminirt man, wenn man in beiden Lagen nivellirt sowohl die Ungleichheit der Zapfen, als auch den schwieriger auszumittelnden Fehler den das Passageinstrument haben kann, dafs es näm- lich in verschiedenen Lagen gegen den Horizont, vermöge der Biegung der einzelnen Theile, einen verschiedenen Collimationsfehler hat. Wesentliche Bedingung dabei ist indels, eine genaue Annahme für die benutzten Decli- nationen, ein sorgfältiges Nivelliren der Axe, da ein Fehler in der Neigung unmittelbar auf die Polhöhe wirkt, und eine völlige Festigkeit in der Auf- stellung im Sinne des Azimuts genommen. Bei der Anwendung dieser Methode legte die Lokalität der Sternwarte grofse Schwierigkeiten in den Weg. Da ein Meridiandurchschnitt schon fehlt, so war es um so weniger möglich einen Durchschnitt von Ost nach West zu erhalten. Die Beobachtungen mufsten unter freiem Himmel geschehen, und das Instrument an jedem Abende abgenommen werden. Selbst die Erleuch- tung der Fäden machte theils eine Abänderung des Instruments nöthig, da seine Axen nicht durchbohrt waren, theils machte die ungestüme Witterung U2 156 Ense des verflossenen Sommers das Licht ungleich, und weniger wohlthätig für das Auge. Die Änderungen am Okular und besonders die etwas bedenk- liche Durchbohrung des einen Zapfens ohne seiner Gestalt zu schaden, führte Herr Duwe zu meiner völligen Zufriedenheit aus. Eben so war die Aufstel- lung einer Uhr in einem jedem Wind und Wetter ausgesetzten Lokale nicht ohne Furcht einen allzu unregelmäfsigen Gang zu erhalten. Glücklicher- weise bewährte sich die Geschicklichkeit des Herrn Tiede, und die Vorzüg- lichkeit der Quecksilbercompensation, auf eine alle Erwartung übersteigende Weise. Die Seyffertsche Uhr, früher in dem Lokale der Sternwarte aufge- stellt, hatte bei einer Hebelcompensation schon zu Bode’s Zeiten einen so unregelmäfsigen Gang, dafs sie kaum des Namens einer astronomischen Uhr würdig war. Mit einem Quecksilberpendel versehen, hat sie dagegen, ob- gleich den rauhesten Stürmen fast völlig freigestellt, und die verschiedenar- tigsten Temperaturen von einer starken Mittagshitze an, bis zur empfind- lichen Nachtkälte herab, erleidend, eine Änderung in ihrem täglichen Gange im Winter gegen den Sommer gehalten, von nur 1” gezeigt. Eben so glücklich war ich in der nahen Berichtigung der einzelnen Theile. Für die Stetigkeit des drittehalbfüfsigen Passegeinstruments bürgt die Unveränderlichkeit des Collimationsfehlers, welcher obgleich das Instru- ment jedesmal abgenommen werden mufste, doch während der Monate Au- gust und September, nach der Reduction sämmtlicher Beobachtungen die Werthe hatte Aug. N im Bogen 12:0, "0719 » 22. —16» » 25. + 0,4 » » Spt. 3. — 16» >» 5. + 0,5 » » wobei man bemerken mufs, dafs der an sich schon unbeträchtliche Werth, wahrscheinlich keine Änderung erlitten hat, da die Art die einzelnen Bestim- mungen zu erhalten nicht mit Sicherheit die Unterschiede verbürgen läfst. Die Niveautheile wurden am 24“ Juni 1829 durch Anhängung an den Troughtonschen Kreis, und Prüfung jedes einzelnen Theilstrichs von grofser Gleichförmigkeit befunden, der Werth der pariser Linie war 5", 1. Seine über die Länge und Breite der Berliner Sternwarte. 157 Unveränderlichkeit zeigte eine am 10‘ Januar vorgenommene neue Prüfung, welche diesen Werth 5”,0 gab. Das Azimut ward mit Hülfe eines terrestrischen Objects, wenn nicht ganz so nahe wie zu wünschen war, doch so berichtigt, dafs unbedenklich die Differentialformeln angewandt werden können. Es schwankte an den Beobachtungstagen zwischen + 8” und — 24” im Bogen. Die Genauigkeit im Nivelliren konnte durch den Unterschied der Zap- fendicke geprüft werden, welche bei dem häufigen Nivelliren vor und nach jeder Umlegung erhalten ward. Der doppelte Unterschied betrug bei sie- ben Bestimmungen + 35! = im Mittel 3”,9 im Bogen, wofür ich in runder Zahl 4’,0 annahm, und um den Gang in der Änderung des Niveaus besser zu übersehen, diese Versbes- serung sogleich in dem Sinne anbrachte, dafs bei der Lage Nord — ?”,0, bei Süd + 2’,0 dem Resultat der Nivellirung hinzugefügt ward. Die Fädendistanzen wurden durch das Heliometer bestimmt, dessen Scale aus den Fädendistanzen des Mittagsfernrohrs abgeleitet war. Ihre Werthe wären in der Lage Nord L- DE 022: 35594 I17= 11, 934: 185.01 II -IV.....19,39 DV Va: 37,53 wofür das Mittel aus den Beobachtungen von y Draconis und ce ı Cygn. die Werthe geben ii e IR Are 35,93 18,05 19,35 37,52 wobei indesssen zu bemerken, dafs der zweite und vierte Faden, aus den feinsten Spinneweben, für die Beleuchtung fast zu fein waren, und die Beob- achtung unsicher. 158 Evwcke Um den Grad der Genauigkeit eines Fadenantritts, welcher bei dem schiefen Durchgehen der Sterne durch das Gesichtsfeld, schwerer zu schätzen ist, ungefähr muthmafsen zu können, reducirte ich den Unterschied des mitt- leren Fadens von dem Mittel aus Allen, auf Theile des gröfsten Kreises, wo- durch sich im Mittel eine Ungewifsheit von 0,1 einer Zeitsecunde ergab. Die Sterne waren sämmtlich solche die Bessel mit seiner unübertrof- fenen Genauigkeit in oberen und unteren Culminationen wo es thunlich war, bestimmt hatte. Hauptsächlich wurden benutzt @ Drac., y Drac., ı, 9, cıpr., cıseg., 1w und ır Cygni, meistens Sterne über die fünfte Gröfse, die bei der vierzigfachen Vergröfserung sich ziemlich gut zeigten. Der jedes- mal angenommene scheinbare Ort folgt nachher. In der AR. welche weni- ger wichtig ist, habe ich mich an Piazzi allein gehalten, weswegen sie von anderen Berechnungen wohl etwas abweichen kann. Die Declinationen stimmen vollkommen mit Schumacher überein, obgleich sie anders her- geleitet waren. Die Zeitbestimmung endlich geschah an jedem Abende durch das Mit- tagsfernrohr, und der regelmäfsige Gang aller Uhren in dieser Zeit bürgt für ihre Genauigkeit. Sehr regelmäfsig war auch die Vertheilung der Sterne, so dafs an jedem Abende nur einmal umzulegen nöthig war, und doch dabei jeder Stern in Ost und West in verschiedener Lage der Collimationsebene beobachtet ward. Hierdurch wird die Besorgnifs einer etwanigen Ändernng des Azimuts während der Umlegung bedeutend vermindert. Unter diesen Umständen schien die Hoffnung ein genügendes Resul- tat zu erhalten ziemlich gut begründet, wenn nicht ein Umstand eingetreten wäre, der durch keine Abhülfe weggeschafft werden konnte, und eine Un- gewifsheit über das Ganze warf, welche grofsentheils auch den früheren Schlufs der Beobachtungen herbei führte. Das Lager des Instrumentes war im Süden auf die Mauer des Thurms, im Norden auf einen früher gemauerten Bogen gesetzt, der die südliche Mauer mit der westlichen verband. Bei dieser der Lokalität nach möglichst festen Aufstellung hätte man hoffen sollen, dafs der Stand als unveränder- lich, wenigstens für die fünf Stunden nach Sonnenuntergang, in welchen die Beobachtungen stets angestellt wurden, hätte angesehen werden können. Allein sowohl bei den ersten Versuchen der Orientirung, als an den Beob- achtungsabenden, zeigte sich eine fast ganz der Zeit proportionale, und sehr über die Länge und Breite der Berliner Sternwarte. 159 starke Veränderlichkeit im Niveau, so stark dafs sie in den sechs Abenden, im- mer in demselben Sinne der Erhöhung des südlichen Theils der Axe, stündlich 258 4,0 5,0 3,5 4,0 3,5 betrug, und der Unterschied der Nivellirung am Anfange und Ende der Beobachtungen zwischen 15 und 20” schwankte. Ich führe deswegen hier die unmittelbaren Resultate der Nivellirungen, nur verbessert durch die Correction der Ungleicheit der Zapfen, an: Aug. 9. Aug. 12. Aug. 22. Aug. 25. 160 EsckeE Aug.25. 2 ıT..+ 58 0383 +71 2120 +103 2210 +110 Sept. 3. 17 46... 1,6 18 40 + 32 191 + 98 202 +1232 2048 139 12 +71 26 +198 Sept. 5. 17 38...— 5,3 418 11 — 46 18 34 — 2,3 199 — 10 20122 + 238 2020 + 3,3 21 8 + 354 26 +%5 Vergebens habe ich in den metallenen Theilen der Aufstellung, durch kleine Änderungen und stärkeres Anziehen der Schrauben die Ursache auf- zufinden und wegzuschaffen gesucht. Es ist mir zuletzt fast keine andere Erklärung übrig geblieben, als der auch sonst schon bei hohen Gebäuden bemerkte Umstand, dafs sie einer täglichen Schwankung, vielleicht durch die Einwirkung der Sonnenstrahlen, ausgesetzt sind, die bei gleicher Tem- peratur auch ziemlich gleichförmig in denselben Stunden sich wiederher- stellt; dahin führt auch wenigstens die ungefähre Wiederherstellung des Ni- veaus, am Anfange der letzten Beobachtungstage, an welchen ich das In- strument ohne Änderung einlegte. An sich würde bei der Regelmäfsigkeit des Ganges, diese Veränder- lichkeit der genaueren Bestimmung keinen Eintrag gethan haben, wenn da- mit nicht zugleich über die Unveränderlichkeit im azimutalen Sinne die ge- gründetsten Zweifel rege geworden wären. Es läfst sich durchaus nicht den- ken, dafs eine so regelmäfsige Schwankung genau in der Richtung von Nord über die Länge und Breite der Berliner Sternwarte. 161 nach Süd gegangen wäre. Aber leider ist es mir durchaus unmöglich gewe- sen, nach dem Vorschlage des Herrn Professor Bessel, durch ein terrestri- sches Absehen diese Unveränderlichkeit im Azimut zn prüfen oder seine Be- wegung zu schätzen, und so blieb nichts übrig als in die Bedingungsgleichun- gen jedes Sternes selbst, die Hypothese einer ebenfalls der Zeit proportio- nalen Azimutalbewegung aufzunehmen, um zu sehen ob sich aus der Ver- bindung der verschiedenen Tage einigermafsen ein Resultat für dieselbe zie- hen lasse. Bezeichnet man mit Ak diese Bewegung in 96 Minuten, bezieht A auf den Zeitpunkt 20°, und ordnet die Sterne nach dem gröfseren oder gerin- geren Einflufs dieses Ak, so geben die correspondirenden Beobachtungen von ß Draconis .. . . 52°31’ 13/18 + 0,000 Ak... 2Beob. % » EE 13,07 + 0,106 » ...2 » E.OyENE. ia 1,211 + 121 »...6 > ee a 10,09 + 0,25 © ...5 .» ei » 8eq... GIB. 0,050: ae 1iW » Bere 11,14 + 0,400 » ...&4 » Im Mittel ohne Rücksicht auf AA und die Zahl der Beobachtungen jedes Sterns, weil bei jedem Sterne ein Fehler in der Declination wenigstens ver- muthet werden kann, ! 52° 31’ 11”, 67. Wollte man aber hieraus AA unter der Bedingung ableiten, dafs die Übereinstimmung die bestmöglichste wäre, so würde man erhalten: Ak= + 7",38 oder in einer Stunde ........ = + 4,6, fast genau von gleicher Gröfse mit der Bewegung im Sinne der Neigung, und & würde 72 = 52° 31 12", 8 wobei die einzelnen Bestimmungen werden: 52° 31’ 13\25 13,85 12,10 11,97 11,53 14,09 Mathemat. Klasse 1829. X 162 EnckeE Aufser den correspondirenden Beobachtungen sind an jedem Abende noch mehrere gemacht welche einzeln dastehen. Obwohl sich übersehen läfst, dafs ihre Zuziehung das Endresultat nur unmerklich ändern kann, so habe ich doch unter der Voraussetzung die hierbei zum Grunde gelegt wer- den mufs, dafs die Biegung der einzelnen Theile auf das Instrument in ver- schiedener Neigung gegen den Horizont keinen Einflufs hat, die vollständi- gen Bedingungsgleichungen entwickelt, und nach der Methode der kleinsten Quadrate behandelt. Es folgt hieraus im Mittel aus den sechs Abenden. $ = 52° 31 11",37 + 0,21 Ak und das Mittel der Werthe von AA der einzelnen Abende beträgt hier Ak=-+ 5", so dafs mit Zuziehung desselben die Polhöhe wird ' 52° 31’ 12",5. Da der Punkt der Dreiecksmessung des Herrn Generals v.Müffling, die Spitze der Windfahne, 0”,5 nördlicher liegt als der Standpurkt des In- struments; so wird für den letzteren nach MüflingsBerechnung die Polhöhe & „ " y 52° 31’ 12”,9 nach Gaufs 13”,4 fast völlig mit den astronomischen Beobachtungen übereinstimmend. Um jeden in den Stand zu setzen, die Übereinstimmung der einzel- nen Resultate selbst zu prüfen, lege ich die vollständigen Beobachtungen nebst den Bedingungsgleichungen bei. Bei der nicht so sehr grofsen Wich- tigkeit des Gegenstandes habe ich geglaubt die einzelnen Fädenbeobachtun- gen weglassen zu können, und setze in einer Tabelle für jede Beobachtung an: das auf den mittleren Faden schon reducirte Mittel aus allen Fäden, die Gorrection der Uhr, die gebrauchte AR. und Decl., den daraus abgeleiteten Stundenwinkel, die Bemerkungen in welcher Lage jeder Durchgang beob- achtet ist, ob Süd oder Nord, Ost oder West, die Gröfse der dabei ange- nommenen Neigung, und die Bedingungsgleichung in welcher c, A und Ak eingeführt ist, die letztere so wie sie vor der Elimination gefunden war. Die zum Grunde liegende Polhöhe dabei war ® = 52° 31’ 13" — Ab. über die Länge und Breite der Berliner Sternivarte. 163 Als Endresultat möchte ich demnach, hauptsächlich gestützt auf die geodätischen Messungen, doch zugleich versichert, dafs rein astronomische Bestimmungen mit diesen so gut wie völlig harmoniren, annehmen für Berlin r Länge 44 ı4’ östlich von Paris Breite 52° 31’ 13”, 5 und glaube bei der schwankenden Festigkeit des Lokals, fernere Versuche die Richtigkeit dieser Bestimmungen, die höchstens noch um einige Zehn- theile der Secunde in der Länge und eine bis zwei Secunden in der Breite ungewifs sein können, nicht eher wieder weiter anstellen zu brauchen, bis genauere Hülfsmittel mir zu Theil geworden sind. 164 EnckeE Beobachtungen . Correct. , Verw. 1829. Namen. Beob. Zeit. denühr Sternzeit. in Bogen. AR. he.z " ” hr» ” 0 ” Orr ” Aug. 9. | y Dracon. 16 51 39,84 | — 9,32 | 16 51 30,52 | 252 52 37,8 | 268 10 4,4 EB 17 8 58,00 | — 9,31 | 17 8 48,69 | 257 12 10,4 | 261 38 59,8 B 44 43,50 | — 9,29 | 17 44 34,21 | 266 8 33,1 | 261 38 59,8 9 Cygni 53 13,99 | — 9,29 | 17 53 4,70 | 268 16 10,5 | 292 58 29,7 cı n seq. |18 4 4,63 | — 9,28 | 18 3 55,35 | 270 58 50,2 | 294 20 15,1 ct pr. 4 10.24 | — 9,28 | 18 4 0,96 | 271 0 14,4 | 294 19 38,1 PER 20 14,71 | — 9,27 | 18 20 5,44 | 275 1 21,6 | 291 21 38,1 or 26 59,10 | — 9,27 | 18 26 49,83 | 276 42 27,5 | 305 27 57,3 y Dracon. 54 7,67 | — 9,26 | 18 53 58,41 | 283 29 36,1 | 268 10 4,4 a Boeotis 19 2 58,29 | — 9,25 | 19 2 49,04 | 285 42 15,6 | 211 58 16,5 | ı Cygni 20 30 52,58 | — 9,20 | 20 30 43,38.) 307 40 50,7 | 291 21 38,1 lcı » pr. | 21 10 45,97 | — 9,17 | 21 10 36,80 | 317 39 12,0 | 294 19 38,1 | ct n seq. 10 56,86 | — 9,17 | 21 10 47,69 | 317 41 55,4 | 294 20 15,1 Aug. 42% | y Dracon. 16 51 39,51 | — 6,92 | 16 51 32,59 | 252 53 8,9 | 268 10 3,3 'B 17 8 57,50 | — 6,91 | 17 8 50,59 | 257 12 28,9 | 261 38 58,6 I6ı 17 44 32,00 | — 6,90 | 17 44 25,10 | 266 6 16,5 | 261 38 58,6 lei Cygniseg. | 18 A 2,24 | — 6,89 | 18 3 55,35 | 270 58 50,3 | 294 20 14,6 Icı » pn |18 4 8,29 | — 6,89 | 18 4 1,60 | 271 0 24,0 | 294 19 37,6 len 18 20 13,22 | — 6,89 | 18 20 6,33 | 275 1 35,0 | 291 21 37,5 ro 18 26 56,56 | — 6,88 | 18 26 49,68 | 276 42 25,2 | 305 27 57,1 \ 9 Dracon. 18 54 2,85 | — 6,87 | 18 53 55,98 | 283 28 59,7 | 268 10 3,3 \ @ Boeotis 19 2 55,72 | — 6,87 | 19 2 48,85 | 285 42 12,7 | 211 58 15,7 ır Cygni 20 8 17,26 | — 6,85 | 20 8 10,41 | 302 2 36,1 | 324 1 19,9 ı Cygni 20 31 2,382 | — 6,84 | 20 30 55,96 | 307 43 59,4 | 291 21 37,5 Aug. 22. | cıCygniseq. | 18 3 56,96 | — 1,13 | 18 3 55,83 | 270 58 57,5 | 294 20 12,3 NE 3E pr. | 18 4 3,71) — 1,13 |18 4 2,58 | 271 0 38,7 | 294 19 35,3 un 20 8,80 | — 1,12 | 18 20 7,68 | 275 1 55,2 10» 26 51,97 | — 1,12 | 18 26 50,85 | 276 42 42,8 y Dracon. 53 51,61 | — 1,11 | 18 53 50,50 | 283 27 37,5 | @ Boeotis 19 2 47,57 | — 1,11 | 19 2 46,46 | 285 41 36,8 ır Cygni 20 8 11,93 | — 1,09 | 20 8 10,84 | 302 2 42,6 en 30 50,42 | — 1,08 | 20 30 49,34 | 307 42 20,1 ct «pr. | 21 10 40,87 | — 1,06 | 21 10 39,81 | 317 39 57,1 Ca 23 eg: 10 51,96 | — 1,06 | 21 10 50,90 | 317 42 43,5 a Lyrae 22 0 1,87 1 — 1,05 |22 0 0,82 | 330 0.12,3 | tw Cygni 22 16 58,57 | — 1,04 | 22 16 57,53 | 334 14 23,0 | | Ä über die Länge und Breite der Berliner Sternwarte. 165 —___———______——————€—z—_—_——_ für die Bestimmung der Polhöhe Berlins 1829. Lage Stunden- Decknat: . des een winkel: eclination. Da $ = 52° 31’ 13" — Ab mens. - 1517 26,5 |+ 5131 6.43 | + 3'6\50. |- 4335 |+A$|- 1,014 e | 0,166 A | + 0,326 Ak — 42649,4 | +52 26 14,72|+ 4,4|SO. |— 2,24 |+A$ | — 1,001 c |— 0,047 k | + 0,084 Ak + 429 33,3 | +52 26 14,72|+ 6,0|NW.|+ 2,33 |+Ad) + 1,001 c + 0,047 k | — 0,066 Ak — 2442 19,2 |+4950 5,15|+ 6,5 |NO. |— 7,36 |+A$ | + 1,038 c \— 0,280 k | + 0,370 Ak — 23 21 24,9 |+50 748,25 |+ 7,1|NO. |- 10,76 |+ As | + 1,034 e | — 0,262 k | + 0,317 Ak — 23 19 23,7 | +50 8 15,711 |+ 7,1|NO. |- 9,08 |+Ay | + 1,034 c | — 0,262 k| + 0,317 Ak — 16 20 16,5 | + 51 22 29,52 + 7,9|NO. |— 5,13 |+ Ad | + 1,016 c | — 0,178 A | + 0,186 Ak — 28 45 29,8 | + 48 49 30,74 |+ 8,2|NO. |— 9,33 |+ A$ | + 1,054 c | — 0,334 k | + 0,324 Ak +45 19 31,7 |+5131 6,45 )+ 9,8 |NW.|+ 6,04|+4Ad|-+ 1,014 0 |+ 0,166 k | — 0,114 Ak +73 43 59,1 | +20 439,23 | + 11,1 |NW. |+ 39,80 |+ Ad | + 2,312 c | + 2,084 k| — 1,242 Ak + 16 19 12,6 | + 51 22 29,54 |— 3,2 |SW. [— 3,03 |+A$ | — 1,016 c | + 0,178 k | + 0,057 Ak + 2319 33,9 |+50 815,75 |— 1,5 |SW. |+ 1,68 |+A6| — 1,034 c | + 0,262 k | + 0,193 Ak +23 21 40,3 |+50 748,29|— 1,5 |SW. |-+ 1,09 1+A#| — 1,034 c | + 0,262 k|+ 0,193 Ak — 15 16 54,4 [+51 31 1,02 | + 0,4!NO. |— 4,77 |+A6|+ 1,014 c | — 0,166 k | + 0,326 Ak — 426 29,7 |+52 26 15,22 + 1,1|NO. I+ 0,81 |+4A6 | + 1,001 c | — 0,047 k | + 0,084 Ak + 42717,9 | +52 26 15,22 |+ 3,9 |SW. 0,18 |+ Ay | — 1,001 ce | + 0,047 k | — 0,066 Ak — 23 21 24,3 |+50 749,10 |+ 5,450. |— 8,38 | + Ad | — 1,034 c | — 0,263 k | + 0,317 Ak — 2319 13,6 |+50 816,56 | + 5,4150. |— 8,63 |+ As | — 1,034 c | — 0,262 k | + 0,317 Ak —1620 2,5 |+51 2230,35 |+ 6,2150. |— 4,59 |+AyY | — 1,016 c |— 0,178 A | + 0,186 Ak — 28 45 32,9 | +48 49 31,67 \+ 6,7\S0. |— 6,19 |+A6 | — 1,054 c | — 0,334 k | + 0,324 Ak + 15 18 56,4 | +51 31 7.04|+ 8,41SW. |+ 3,35 |+ Ad | — 1,014 c | + 0,166 A | — 0,114 Ak +73 43 57,0 |+20 439,21 |+ 9,0 |SW. |+ 38,37 | + A6 | — 2,312 c | + 2,084 A| — 1,242 Ak — 21 58 43,8 | + 50 24 59,85 | + 13,1 |SO. |— 3,96 | + Ad | — 1,030 c | — 0,245 k | — 0,021 Ak + 16 22 21,9 | + 51 22 30,37 | + 15,5 |NW. |+ 5.91 | + A# | + 1,056 c | + 0,178 k | + 0,057 Ak| — 23 21 14,8 |+50 751,75/— 1,1|NO. |— 1,24 |+A9$|+ 1,034 c | — 0,263 k | + 0,317 Ak| — 23 18 56,6 |+50 819,21 |— 1,1)NO. |— 3,09 |+ Ad | + 1,034 c | — 0,262 k | + 0,317 Ak| — 16.19 39,5 | +51 22 32,92 |+ 0,8 | NO. |+ 0,13 |+A$|+ 1,016 e| — 0,178 A + 0,186 Ak, — 28 45 12,9 | + 48 49 34.59 |+ 1,5 NO. |— 3,48 |+ Ad | + 1,054 c | — 0,334 k | + 0,324 Ak| +15 17 38,3 | +51 31 8,65 |+ 4,3 |NW.|— 1,28 |+A6| + 1,014 c| + 0,166 Ak | — 0,114 Ak + 73 43 23,4 |+20 438,95 )+ 5,11 NW. |— 13,69 |+ A$ | + 2,312 c | +2,084 k | — 1,242 Ak — 21538 37,6 |+5025 3,13 | + 10,7 |NO. |+ 0,46 !+ Ad | + 1,030 c | — 0,245 k | — 0,021 Ak + 16 20 45,4 | + 51 22 32,94 | + 13,1 |SW. |— 2,84 |+A6 | — 1,016 c | + 0,178 k | + 0,057 Ak +23 20 21,8 |+50 819,25 | + 16,9 \sw. I- 3,30 + Ad | — 1,034 c | + 0,262 k }+0,193 Ak +23 22 31,2 |+50 751,79 | + 16,9 SW. |- 3,25 [+ Ad | — 1,034 c | + 0,263 k | + 0,193 Ak +52412 21,0 | +38 38 9.70 1+19,2 SW. |+ 0,13 |+A$ | — 1,271 c| + 0,785 k | + 0,981 Ak| + 28 46 27,3 | +48 49 34,63 + 20,2 |SW. |— 2,40 !+As|— 1,054 c | + 0,334 k | + 0,176 AR] | 166 Encke Beobachtungen Ban Correct. , . Verw. 1829. Namen. Beob. Zeit. derUhr] Sternzeit. in Bogen. AR. ho „ ho " or ”_ 0.3 " Aug. 25. | cı Cygniseq. | 18 3 56,76 | + 0,28 | 18 3 57,04 | 270 59 15,6 | 294 20 11,4 di” me ‚pri 4 2,87 | +0,28 | 18 4 3,15 | 271° 0 47,2 | 294 19 34,3 er 20 8,51 | +0,29 | 18 20. 8,80 | 275) 2 12,0 | 291 21 33,8 10 26 50,15 | + 0,29 | 18 26 50,44 | 276 42 36,6 | 305 27 55,1 y Dracon. 53 46,81 | + 0,30 | 18 53 47,11 | 283 26 46,7 | 268 9 57,9 «a Boeotis 19 2 45,26 | + 0,30 | 19 2:45,56 | 285 41 23.4 | 211 58 12,9 1r Cygni 20: .8 42,77. | -+.:0,32'|.20, 8. 13,09.'|:302: :8ı 16,3.| 324: 420,0 L n 30 45,18 | + 0,33 | 20-30 45,51 | 307 41 22,7 | 291 21 33,8 cı » pr. |.21 10 36,45 | + 0,34 | 21 10 36,79 | 317 39 11,9 | 294 19 34,3 ci 7. ‚seg. 10 47,36 | + 0,34 | 21 10 47,70 | 317 A1 55,5 | 294 20 11,4 & Lyrae 22 0 59,48 | + 0,36 | 21 59 59,84 | 329 59 57,6 | 277 AT 50,4 tu Cygni 16 54,43 | + 0,37 | 22 16 54,80 | 334 13 42,0 | 305 27 55,1 Sept. 3. | «Cygni 17 52 50,33 | + 4,55 | 17 52 54,88 | 268 13 43,2 | 308 54 52,8 cı » seq. | 18 3 52,60 | + 4,55 | 18 3 57,15 | 270 59 17,2 | 294 20 8,4 CA in. Spk: 3 58,33 | + 4,55 4 2,88 | 271 0 43,2 | 294 19 31,4 Pe: 20 3,46 | + 4,56 20 8,02 | 275 2. 0,3 | 291 21. 30,6 10 26 46,48 | + 4,56 26 51,04 | 276 42 45,6 | 305 27 53,0 y Dracon. 53 46,56 | + 4,57 53 51,13 | 283 27 47,0 | 268: 9 53,7 a Boeotis 19 2 43,78 | + 4,57 | 19 2 48,35 | 285. 42 5,3 | 211 58: 411,0 ır Cygni 20 8 8,68 | + 4,57 | 20 8 13,25 | 302 3 18,8 | 324. 1 19,4 L n 30 45,04 | + 4,58 30 49,62 | 307 42 24,3 | 291 21 30,6 ct » pr. I 21 10 35,77 | + 4,59 | 21 10 40.36 | 317 40 5.4 | 294 19 31,4 cin seq. 10 46,76 | + 4,59 10 51,35 | 317 42 50,2 | 294 20 8,4 « Lyrae 21 59 57,31 | + 4,61 |22 0 1,98 | 330 0 28,8 | 277.47 47,4 10 Cygni 22 16 52,85 | + 4,61 16 57,46 | 334 14 21,9 | 305 27 53,0 Sept. 5. | 9 Cygni 1753 4,37 | + 5,16 | 17 53, 9,53 | 268 17 23,0 | 292 58 22,2 cı n seqg. | 18 3 55,04 | + 5,16 | ı8 4 0,20 | 271 0 3,0 | 294 20 7,6 et’ » ı.pr. 4 0,64 | + 5,16 | 18 4 5,80 | 271 1 27,0 | 294 19 30,6 un 20: 7,27 | + 5,16 | 18 20 12,43 | 275 3 6,5 | 291 21 29,8 Ivo» 26 47,97 | + :5,16 | 18 26 53,13 | 276. 43 17,0 | 305 27 52,4 y Dracon. 53 42,66 | + 5,17 | 18 53 47,83 | 283 26 57,5 | 268 9 52,7 a Boeotis 19 2 42,36 | +5,17 | 19 2 47,53 | 285 41 53,0 | 211 58 10,6 1r Cygni 20 8 11,93 | + 5,18 | 20 8 17,14:| 302. 4 16,7 | 324° 1 19,0 ar 30 39,28 | + 5,18 | 20 30 44,46 | 307 44 6,9 | 291 21 29,8 cı » pr. | 21 10 38,77 | + 5,19 | 21 10 37,96 | 317 39 29,4 | 294.19: 30,6 cin seq. 10 43,96 | + 5,19 | 21 10 49,15 | 317 A2 17,2 | 294.20 7,6 a Lyrae 21 59 55,386 | + 5,20 | 22 0 1,06 | 330 0 15,9 | 77 47 46,8 1» Cygni 22 16 50,49 | + 5,20 | 22 16 55,69 | 334 13 55.4 | 305 27. 52, über die Länge und Breite der Berliner Sternwarte. 167 für die Bestimmung der Polhöhe Berlins 1829. Stunden- Ka j De Be R Sie Declination. en 4 = 52° 31’ 13" — Ad ments. _ 23°20' 55.8 |+50° 75219 | 3'21NO. |- 2/48 |+As|+ 1.034 0 | 0,263 k | + 0,317 Ak — 23 18 47,1 |+50 819,95 \|— 3,2|NO. |— 2,23 |+As| + 1,034 c | — 0,262 k | + 0,317 Ak — 16 19 21,8 | + 51 22 33,64 |— 1,2|NO. |+ 0,34 |+A$|+1,016 c — 0,178 k | +0,186 Ak — 28 45 18,5 | +48 49 35,42 1— 0,4INO. |+ 0,73 |+A&| + 1,054 ce | — 0,334 k | + 0,324 Ak +15 16 48,8 |+5131 9,10 + 1,2|NW.|- 4,27 +A6|+ 1,014 0 + 0,166 k | — 0,114 Ak +73 43 10,5 | +20 438,83 + 1,5 |NW. |— 31,58 |+ Ad | + 2,312 c | + 2,084 k\— 1,242 Ak — 2158 3,7 |+5025 411 + 5,3|NO. |+ 0,19 |+Ad | + 1,030 c | — 0,245 k | — 0,021 Ak + 16 19 48,9 | + 51 22 33,66 + 6,6 1SW. |— 3,62 )+As|— 1,016 c +0,178 k | + 0,057 Ak + 23 19 37,6 |+50 819,99 | + 9,5 |SW. |— 4,38 |+ Ad | — 1,034 ce | + 0,262 k | + 0,193 Ak +23 21 44,1 |+50 752,53] + 9,5 |SW. |— 4,98 |+A$ | — 1,034 c +0,263 k | + 0,193 Ak +5242 7,2 | +38 38 10,17 |+ 10,8 |Sw. [— 8,62 |+As| — 1,271 c|+0,785 k | +0,981 Ak + 28 45 46,9 | + 48 49 35,46 | + 11,2 SW. |— 3,34 |+ Ad | — 1,054 c, + 0,334 k | + 0,476 Ak —4041 9,6 |+4440.49,08|+ 2,3|SO. |—- 7,32 |+ As | - 1,129 ce | — 0,523 X | + 0,693 Ak — 23 20 51,2 |+50 754,48 |+ 3,8)50. |— 8,38 |+ Ad | — 1,034 c | — 0,263 k | + 0,317 Ak — 2318 48,2 |+50 821,96 |+ 3,8 SO. |- 7,03 |+A# | — 1,034 c|— 0,262 k|+ 0,317 Ak — 16 19 30,3 | +51 22 35,61 |+ 5,9|SO. |— 4,33 |+Ad | - 1,016 e|— 0,178 k | + 0,186 Ak — 2845 7,4\+4849 37,75 |+ 6,6 SO. |— 6,94 |+ Ad | — 1,054 c | — 0,334 k | + 0,324 Ak +15 17 53,3 | +51 31 410,03 + 9,0 |SW. |— 2,61 |+Ae|- 1,014 c | + 0,166 k | — 0,114 Ak +734354,3 |+20 438,28 |+ 9,3 |Sw. |+ 32,22 |+ Ag | — 2,312 c | + 2,084 r|- 1,242 Ak — 2158 0,6 )+5025 6,90 |+12,8|S0. |— 5,16 |+Ad | — 1,030 c | — 0.245 k | — 0,021 Ak + 16 20 53,7 ı + 51 22 35,63 | + 14,5 |NW. |— 0,39 |+Ad + 1,016 c | +0,178 k | + 0,057 Ak + 23 20 34,0 |+50 8 21,96 | + 16,5 |NW.|+ 2,32 |+Ad | + 1,034 c | + 0,262 k | + 0,193 Ak +23 22 41,8 !+50 754,52 | + 16,5 INW. |+ 2,01 /+A6 | + 1,034 c | + 0,263 k | + 0,193 Ak +52 12 41,4 | + 38 38 11,41 | + 19,4 |NW. |+ 5,33 | + Ad | + 1,271 c | + 0,785 k | + 0,981 Ak + 28 46 28,9 ı + 48 49 37,79 | + 20,5 |NW. |+ 0,50 |+A$ |-+ 1,054 c | + 0,334 k | + 0,476 Ak — 24.40 59,2 | +49 50 11,66 |- 5,0 |NO. |— 7,32 \+Ad|+ 1,038 c | — 0,280 k | + 0,370 Ak — 2320 4,6 |+50 754.89|— 4,7\NO 9,19 ,+A9 | + 1,034 c | — 0,263 k | + 0,317 Ak — 2318 3,6 | +50 822,35 | — 4.7|NO. |— 7A HAd + 1,034 c | — 0,262 k |+ 0,317 Ak — 16 18 23,3 | + 51 22 35,94 \— 3,7|NO. |— 3,18 )+As|-+ 1,016 ce |— 0,178 k | + 0,186 Ak — 28 44 35,4 | + 48 49 38,24 |— 3,1\NO. |— 5,26 |+ Ad | + 1,054 c | — 0,334 k | + 0,324 Ak +1517 4,8 \+51 31 10,19 1,5 NW. [+ 1,62 )+A8 | + 1,014 0 )+ 0,166 A | — 0,114 Ak +73 43 42,4 |+20 438,13|— 1,3 | NW. |+ 22,94 |+A$ |+ 2,312 c | + 2,084 k | — 1,242 Ak — 2157 23|+5025 7,45\)+ 2,6 | NO. |— 5,65 |+ Ad | + 1,030 c | — 0,245 k | — 0,021 AA + 16 19 37,1 | + 51 22 35,96 |+ 4,3 |Sw. |— 0,72 |+ A$ | — 1,016 c | + 0,178 k | + 0,057 Ak +23 19 58,8 |+50 822,37 1+ 8,5 ISw. |+ 3,36 + Ad | — 1,034 c | + 0,262 k | + 0,193 Ak +23 22”9,6 |+50 754,91 |-+ 8,5)SW. |+ 3,68 |+Ad|- 1,034 c | + 0,263 k | + 0,193 Ak + 5212 29,1 |+38 38 11,64 + 9,7 |SW. |+ 7,57 |+ A | — 1,271 c |+ 0,785 k | + 0,981 A| +2346 3,0 | +48 49 38,26 !+ 9,9 |SW. |+ 4,99 |+ Ad | — 1,054 c| + 0,334 A | + 0,476 Ak | . u ee ae Ad a the Ta re Sr sahne Dunn © su # 3 area - E je . = = me m =. Een T Ps ) + N = lı. i i ‘ \ ' = I 2 2 1.42 sam m Y.% v = EEE AREA, N i I: ! ! 4 t . ! N ! re: el I. # ! er 7 u i ; i h = { ’ ’ ; 8 4 BI 3 sl f E% N t “ 4 -1 I N N Br HM } „r %ı E22) nn wi ve Ay | 1 \ Fe i j it ber + Be ir 82 ERBEN EmniaN Er . a Br u un a u A Eee Ph ER En aa u = Er: Fe er a Li au ie wi rn u Kal zu . x En ik ö Cu 1 Br De me Burn - er a Pe von Ben u Pa ur D © vo f i n i Pr Fer ie ee] Eu a ' ne - .. . BE SE wi 7 Er: > 2 & eo & er ‚ + 5 5 - 5 u 5 u. % I en N a er er a 2 i E N => 4$ PORN Pr . ı 3.2 j R \ = s u a gms) de \ ' = = - e- Mare a i Be u 5 aan de? m - u a ee &- # a = BEE Zu _ - ind u dr = A > Me ee ‚ a h ‘ " » 5 i IU SEES en Es en Pr e u nn nn u + ‘ v r © »* Brian nenne ET ER TERN % | | 1% L D " } = x » Dr “ Ze. Kreta A Fa er “F Fiat: nr ge , Pe ee re “ an euere rn = —. s _ bb % } [2 . U A Me en > 2 A ‘? ’% ee je B vaio a De | Er u u u ei ar Be | an FT en + . I 4 f 9 Da en rl EEE | e wi u rn en Bra u B = se “ > _ 2 we nt 'E ® = B nn u a B = 3 - - len , = > 5 re Ze er 1 HH A a 2 ann > . 5 Fo FE a; ? 3 tt Eee ! w vi L u Tue nr En de ee S ; P - = ru m > zz 22 7} n LT. . ia Ber y ia de ii an & ‚ - 2 Eu == 2 E sr. eu 2 f GE "Se Fe { u ED nd a £ a \ 7 z ne B I u 5 nd & +; v4 n 5 . en ee a range & far; Pi a r ne; E Pe wu we Zu . - . u - - wi de pe LE? » er . er _ 1 u : En . . =] nn ” « \ ne {0 > - & pe 5 > ee 5 [3 s s \ a Über die Summe einer, nach den Sinussen und Cosinussen der Vielfachen eines Winkels fortschreitenden, Reihe. Von-e), Hm- DIRKSEN. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 15. Januar 1829.] I; einer, am 1*"Februar 1827 in der Akademie der Wissenschaften gelese- nen, Abhandlung habe ich die verschiedenen Methoden zur Erörterung gebracht, durch welche man das analytische Theorem, die Darstellung der Werthe einer beliebigen Function, ein gegebenes Intervall hindurch, mittelst Reihen betreffend, die nach den Sinussen und Cosinussen der Vielfachen von Gröfsen fortschreiten, welche den unabhängigen Veränderlichen propor- tional sind, bis jetzt zu begründen versucht hat; und zugleich die Einwen- dungen besprochen, welche sich gegen eine jede derselben, und insonderheit gegen die, welche sich des Überganges vom Endlichen zum Unendlichen be- dient, gemacht werden können. Zugleich ist daselbst bemerkt worden, dafs die directe Begründung des in Rede stehenden Satzes, als von einer selb- ständigen Betrachtung der betreffenden Reihe abhängig, einer folgenden Abhandlung vorbehalten bliebe. Es ist dies der Gegenstand, mit dem ich mich hier zu beschäftigen beabsichtige. S.1, Bezeichnet f(x) eine Function von x, deren Werthe innerhalb zwei gegebener Grenzen, z.B. von a =— «bis 2—=-+ « einschliefs- lich, wo « eine endliche, übrigens beliebige Zahl bezeichnet, beständig endlich und bestimmt bleiben; und nimmt man an, dafs es möglich Mathemat. Klasse 1829. Y 170 Dırksen sei, die Werthe dieser Function, innerhalb eben jener Grenzen, durch eine Reihe von der Form 27% + 4, cos @& IT& 7X ATX op A,+ 4, c0s — + 4, cos 4,008 — +. in inf. i @ a& « IT x . ATS vie + BD, sin — +. ininf. & [44 . 7X . 27% . + DB, sn — +2, sin ee IP sin [44 die, der Kürze wegen, dargestellt werden mag durch n=o in . &, 4,+0Gr. > IA cos =! +2, sin = ; auszudrücken, wo ganz allgemein unter 4, und D, endliche und be- stimmte, von x unabhängige Gröfsen verstanden werden sollen; so läfst sich auf mehr als Eine, und wohl am leichtesten auf die zuerst von Euler (nova acta acad. Petrop. Tom.Xl. p. 116) angewendete, auch von Herrn Fourier, unterandern, in Anspruch genommene, Weise zeigen, dafs alsdann sein mufs 4 ra 4, = 3 SW) du, e) —ua +0 . arg A NIT, us, 285 Imıra = A=tf| 0 ey) au, —_.a 1 ta , EL,205 fei dusihy der B: Br: em @ FW) du, -u wo u eine Hülfsveränderliche, und f (x) eine solche Function von u be- zeichnet, in welche f(x) übergeht, indem man sich hier 4 anstatt & gesetzt denkt. Denn unter der Annahme jener Möglichkeit überhaupt, und auch nur unter dieser, hat man dieGleichung RB earaln DO...) =4rtr > la Rdn 1% 7 [04 “ —1 und daher auch, weil mit jener Annahme auch die Voraussetzung der Convergenz ‚der, ‚auf der rechten Seite dieser Gleichung enthaltenen Reihe verbunden ist, über die Summe einer nach den Sinussen u. s. w. t711 + +% LTE TTX Deere cos —- f(x)dxz = o d (3) z S&) « A, cos — de e —- U eo —uU n=oi=n +a = ER L Be: = ITS LTR ALTE LrTXx -+Gr. 3 A, cos —. 005 — dsc+ B,sin — 608 dxt; 2 e @ i « u eo _ü “+ +% 4 RAR . !TX x n . TRTX (4) sin — f(x) dx 4, sin — dx U 4% ser —n si R ul Q a — ITT » !TX a ITX'. rTXx +Gr.$ A, cos sin dx-+ B, sin — sin dxt i=i [44 [74 dc [14 o —& eo —_— U Uberlegt man nun, dafs man hat IT ro i+r)rx ir) rmx c0S —— COS ei Go EDER DER, [74 [04 u “ en [64 n IT®% IT% $ IHr)rx e i—r)nx sin cos —=- sin (Ch) + sin KEDEr “ [04 o “ u [44 - Ve IEX i-r)#x 2 IHr)7x sin - sin =-+ cos en — — sin GHDeR , cc cc & = “ wie auch, in so fern v. n. r, eine ganze Zahl ist, %+% Üü ) ı FJTX .. . cos HI FR dee, füritr=o, “ Ne = 0, für alle übrigen Fälle; “+4 ac —T)TXx .. . cos (IF deu, für 2 ro, “ Pe = 0, für alle übrigen Fälle; “+ F ) “+ @ ) . ı ”’I)TEL . A 6) Fa #2 sin EHNFE ge = sin ——— de=o; “ de — u eo — uU so erlangt man, r=i setzend, +& ‘+ 2uad,= Ploydr= Sw) du, [3 dh (5) Dinia'Rtis‘Ein +a ö +a , Inx : _‘ Imia ad, -/f cos —— f(x) ef cos —— Fa) du, —u —u °%+u } +a e . ITX BR . 77 WB = f sin —— f(x) | sin —— f(u) du, —u —_u welche Resultate offenbar zu den Gleichungen (1) führen. Aus den so entstandenen Gleichungen für 4, und 2, folgt nun unmittelbar, dafs, damit diese Gröfsen, der Anforderung gemäfs, end- lich und bestimmt seien, die bestimmten Integrale +a +ua R +a "_ % fw) du, f cos — fu) du, if sin — (u) du oeJ/ —u eo) —ı e ll endliche und bestimmte Werthe darstellen müssen. Endlich, d.h. nicht unendlich-werdend, werden diese Gröfsen bekanntlich sein, wofern nur / (x), von u=— a bis n—=-+« einschliefs- lich beständig endlich bleibt; bestimmt aber, allgemein gesprochen, nur inso fern, als vonu—=— «bis u—=+.«, f(w) entweder durch eine Constante, mit Einschlufs der Null, oder durch eine continuirliche Function von u, oder durch eine gewisse Anzahl, theis von Constan- ten, theils von continuirlichen Functionen von 4, mit einer intervall- weisen Änderung von u als wechselnd gedacht, bestimmt wird. Da- her wird nur unter der Voraussetzung der Erfüllung dieser näheren Bedingung in Absicht auf f(w)=f(x) von der Gleichung (2) fortan die Rede sein können. Substituirt man nun die Werthe für 4, und 2, aus (1) in (2), so entsteht: °+« een +& IR E CAR 3 S() du + — Gr. Ef cos eu du, 2 f eo —& [73 welche Gleichung Eins von den hier in Rede stehenden Theoremen ausdrückt, das jedoch durch die vorigen Betrachtungen um so weniger als begründet angesehen werden darf, als die Möglichkeit der Gleichung über die Summe einer, nach den Sinussen u.s.iwy. 173 (2), selbst unter den so eben bezeichneten näheren Bestimmungen in Absicht auf f(x), noch völlig hypothetisch geblieben ist. Wenden wir uns daher zu einer gesonderten Betrachtung des auf der rechten Seite dieser Gleichung enthaltenen Gliedes, dessen Ermit- telung offenbar auf die der Gröfse =w in +a ER zen ET ERNEHER A 5 n DR iu Sr & zurück kömmt. Bekanntlich hat man ” RB 3 siv=cost + cos2V + cosay....cosn!=— ++ 0 =, zZ‘ welche Gleichung auch alsdann noch statt findet, wenn man hat Y= + 2e7, wo g eine ganze Zahl bezeichnet, in so fern man für diesen sin (n++) Pen E Fall den Grenzwerth von ae re > + 29” entsprechend, nimmt. 0 nd } Setzt mannun Y= ei “ +a, s ( ) ’ +. 1 “ In (an ee - f Zoos Fr fMWyau=— | Srdu %+a , zu j sin (n— +)” en - ee 7 un > > a sinn und daher, weil offenbar j bi Fa 7 (x — 1 IE a. 7 (u h f z 00: FEB ya Ef cos FEIN Auydu i=1 @ & ii c e —& “+u ir (x — 1) (7) — Gr. Ef cos —— — fu)du = du i=1 ? j se * sin (n+4)r Ber + ee foyan; IB e/ —au sin 4a ——— a ‚ so kommt Mil R 153 174 Du ne sen Die Frage entsteht hier also nach ER =“. sin(n-+ + Da (8) er Er er or Gr. N FPOTEE SW) du, eo _u sın zZ 7 zur Beantwortung von welcher wir die allgemeinere Form ER: Pr sin Ge (193 (9) lie 0 wie, Wen Gr. = en fs) du, re wo (u, —u,) als endlich vorausgesetzt wird, näher betrachten wollen. Bedeutet ® (z) ganz allgemein die reelle primitive Function von $(z)dz, $(z) als eine continuirliche Function von z angesehen, und bezeichnet man, der Kürze wegen, 8(2,)—®(z,) mit 5, h(z)dz: so hat man bekanntlich für jeden bestimmten Werth von z, in so fen V(w) eine von =», bis a = u, continuirliche Function von x, oder eine Constante bezeichnet, er a Jen en 7 u sa Y (u) du sin + er a cos Be cos (nt) Et) —_— == (R+5z)7 mu,@em) vH) =: ae er Ya) 2 & De & ale n) vw Er 7)%7 S% nn ne ) u 2 5 sin ER ei 2) 2 und daher, in so fern wir annehmen, dafs (@e—u), von u, bisu, ein- schliefslich keinen Werth von der Form +29« erlange, über die Summe einer nach den Sinussen u. s. iv. 175 pe "sin (n+4 +) r en (11) Gr. a a Le Mo sintr Do; unse g Cos(nhz)r Em) n=0 ; Cos(ntz)r Fern) = -Gr. = Ya) — Gr. io T n4— Br (@=ur) ) Rt FE _ (0) #) ar” (a) Y() — Gr. Rn+rE Ss, os er 4) # E d- = cH, n Eu Da nun ferner, der Annahme gemäß, Y(u) von =», bis vu, nicht unendlich wird, so hat man offenbar cos (n+-4) 7 ei) n=w 1 &% oo L(u,)=o +7 in) ve .) ; 2° m (2) Io; ws (ee 3 1 E Y(u,) = 0, RHE) ri re) 2 Pr N 1 Kr 1 (2 — 1) J (14) .— COS (Dem een ran ä Gr a e ( + +) 7 z d Ram er 0, 2” r von denen die letztere Gleichung, wie man leicht sieht, selbst für den Fall statt findet, wo u - ‚von#»=4,bisu=nu,, ein- oder mehr- mals unendlich werden sollte. Aus der Verbindung von (11) und (12) folgt Bi Pr sin Be (13) Bee Gr. ER N (1) du 0, “Ro sn an ah 2 welche Gleichung also statt findet, wofern nur, von u=w, bis u=u, einschliefslich, (u) entweder eine Constante, oder eine continuirliche Function von u bildet, und (« — u) keinen Werth von der Form. + 29« erlangt. 176 DirieseN Jetzt bezeichne f(w) eine Function von #, bestimmt durch die Gleichungen : fW=WY,(w), vonu=u, einschl., bis «=a, ausschl. I) = U, (rn); 2 F(w) = Y, (#), 2 f(w) = V, (v), » 1 == a, » » #» — KM, » Ma, » » M==4, » S M=A, » » Mz4ü4, » wo die Werthe u,,'aj, q,, @,, &,...-a,, %,, je nachdem u, > oder 7 DER- f db (War f Nr. WdR 7 Bo 17 I; s i f va anr f Hs.an ' pP (14) wofern namentlich $(n) eine, von u=u, bis u=u, einschliefslich con- tinuirliche Function von x, oder eine Constante bezeichnet: so erlangt man vermöge (13) sin (n+ +) r dl) = (£-#) [4 ie 1 0 I * 7 (en) setzend, „m [sin (a4) —— Uns Bro Gr. re Al) du=o, 1 4 () sın — 7 27 (zu) (17) über die Summe einer, nach den Sinussen u. s. w. 177 welche Gleichung also statt findet, in so fern 2 — u, von u=u, bis #»=4,, keinen Werth von der Form + 2g« erhält. 8. 3. Dies vorausgesetzt, wollen wir uns zu dem Falle wenden, wo x—u, von v—=u, bis v=yw, einschliefslich, ein- oder mehrmals von der Form +2p0 wird. Um die Begriffe fest zu stellen mag u, >w, ange- nommen werden, und es mögen die zunehmend fortlaufenden Gröfsen My Mas My> Mayr. M,_,, Insgesammt zwischen u, und u, enthalten, die besonderen Werthe von u bezeichnen, für welche —n einen Werth von der besagten Form erhält. Nun ist bekanntlich ganz allgemein, indem man zur Abkürzung: sin (+4) m en Er SW) =x(k) sin u setzt Sr u u, u eu, ,@)du=]yv(e)durlyQw)durfvulw)dur | u(lu)du, e ko e ko e Kı e Ma e Er—i und daher Gr. v(u)du= Gr. (u)du + Gr. (u) du o o eo m a au + Gr. ylu)da tr... Gr. s(u)du, o 2 Kr—i eine Gleichung, durch welche die Bestimmung der fraglichen Gröfse auf die von r anderen zurück geführt wird. Ferner, hat man ebenfalls ganz allgemein, u(u)dıu -/ u(u)du + 4s(u)du, oe ku e I e ud, Mathemat. Klasse 1529, 7 178 DırKsen BER u an wid, „elle “u if uwan=ir | voran ir f nina e u Ko kı und zwar völlig unabhängig von 9, Betrachten wir nun 8, als eine beliebige positive Gröfse, gröfser, als o, und kleiner als u, —u,, so hat man, vermöge (15), kı—dı Gr. ® (yzuNz=0, o ko und daher: BR op en kı (Bye wunene if nwan=ir | woran eo e ko midi wo #, eine positive Gröfse bezeichnet, deren Werth zwar nicht = 0, übrigens aber beliebig klein gedacht werden darf. Ganz allgemein ist Um Er Cm Um Ser Sof oaef %(u)du, e an Em+1 + Im— [7 daher new ® Km n=o® * En + Im no Km Pm n—wx ®Hm Gr. x«(u)du = Gr. 4(w)du + Gr. %(u)du + Gr. / 4(u)du, o 5 eo eo Km—1 Km—1 Km—1 + lm Km Om für zwar völlig unabhängig von 6, und £,_,. Betrachten wir nun 9, und £,_,, als beliebige positive Gröfsen, gröfser als o, und kleiner, als #„— u,„_,, so hat man, vermöge (15), 9 um — dm Gr. / (duo, _ m—1 + Im-1 M über die Summe einer, nach den Sinussen u. s. w. 179 und daher Er ® Km 1 n=os Km + In n—=w vn (492: Gr. 4(u)du = Gr. 4(u)dua + Gr. x(u)du. eo eo e Km—i1 Pm—1 Km — Öm Gibt man hier in m nach und nach die Werthe 2, 3, 4...r—1, und verbindet die so entstehenden Gleichungen nebst (18) mit (17), so erlangt man n—=w Br n=w Mı n=w (Mr n=w Mr (20) Gr. [u (Wdu = 'Gr. /. Kadu + if KW)du+ Gr NN (dan eo) 10 ıJ mid Kama e/ wı—d; n=o Km n=o f’#r —1 ...-+ Gr. u)dur ec. öl y,(2) dı Um— dm Brad, -ı n—=w auıtlı n—w aua+lı n—w 43 + rl %(a) da Gr. / yW)du + Gr f noau = e/ kı e/ Kı u3t+t6z n=® Um+ Im n=® ers rl ..‘.+ Ey RZCLZ ...c+ inf Y,(u) dia Hm MKr—i wo 6,,0,,0,...0,_,5 Cs es &3-+»,_, positive Gröfsen bezeich- nen, deren Werthe zwar nicht = 0, übrigens aber nach Belieben klein gedacht werden können. Die Gleichung beruht auf der ausdrücklichen Voraussetzung, dafs alle Werthe von u, für welche &— u von der Form +2g« wird, zwischen », und #, ausschliefslich enthalten seien. Er- füllte aber auch u, diese Bedingung, so würde noch die Gröfse ° ko +. Gr. I x(u)du, Ko und noch die Gröfse “u, Gr. sd, e A Kr, wenn auch u, jener Bedingung entspräche, zu der Gröfse auf der rech- ten Seite der vorigen Gleichung hinzuzufügen sein. Alles kommt nunmehr auf die Bestimmung von Gröfsen von der Form Z2 180 Diırksen Um . Kmt[lm Gr (w)da und Gr. 4(u)du Uum— dm Km zurück, wo e—u, von der Form +2«g ist, und 9,2, positive Gröfsen bezeichnen, die nach Belieben klein gedacht werden können. Betrach- ten wir zunächst die erste von diesen beiden Formen. Substituirt man für %,(#) den Werth aus (16), so entsteht Hm sin (n++) Allen} (I) are GE EEE 277 u JS) du, eo) um—Im sntr zu [4 welche, der Kürze wegen, mit Z, bezeichnet werden mag. Setzt man hier MZ=M,.U;, also du=—dv, so ist, Z-U=rX—U,+®, Zi —h 1 7a VE v=h,,. für van, N, und Au sin (n-+ 4) en (22)... Z,=— Gr. — f(u,—v) dv. eo) dm sintm z [4 sin Az, wo A zwischen vo und Bekanntlich ist sin s=3— 1.2 + ı enthalten ist; also 1 1 1 LsinAz nz 2: =, tr z ; u 2 — — sin ?2 = 1— ug sin Az und daher Fe setzend, über die Summe einer, nach den Sinussen u.s.iv. Be, : sin (rn +) El = u = — Gr. => —- wm v)dv o Gen 2u n An En sin (n++) LA ee 1 Dee u 2a ler Gr. =) e) dm — 4a Was das zweite Glied von der auf der rechten Seite dieser Gleichung desselben — 0 ist. befindlichen Gröfse anbelangt, so läfst sich leicht zeigen, dafs der Werth Werth, welchen die Gröfs fe] Denn bezeichnet M den gröfsten nummerischen e sin (n++) En sin ATUO 24 RU. l— AT sın E27 Fun»), von v—=obisv—=®, erhält, so ist bekanntlich der nummerische Werth der in Rede stehenden Gröfse kleiner, als 379,. Nun ist der gröfste nummerische Werth von . TU . sin (2+Z) — nicht >ı, [74 . AT sin = ’ 2« z . nd, — sin nicht > —-, 4@ 2 4X dm F und also, —”"- < ı vorausgesetzt, was offenbar erlaubt ist, 4% 70 M< _——.— -F, (1- Im 4a wo F den gröfsten nummerischen Werth bezeichnet, den f(u,—»), von v—=obisv—=#, erhält. in Rede stehenden Gröfse kleiner als Daher ist der nummerische Werth der m) 5) 4a wo 5, nach Belieben klein gedacht werden kann. 151 Dirkxsen Gesetzt nun, der besagte nummerische Werth sei nicht Null, und also =, so hätte man u a : 6 6 >h, = Ge) also = zack m Fr ' was offenbar, da 9, nach Belieben klein gedacht werden kann, unge- reimt ist. Demnach hat man n=o ° sin (n ++) = sin a nz a rs ae m 4a = sın Verbindet man diese Gleichung mit (23), so kommt En mal) 6A) Prag E=-— af, — (vn,—v) dv. 2a Nimmt man nun ausdrücklich an, dafs f(w) in der Nähe des Werthes v= u, continuirlich sei, so hat man bekanntlich SE») e= FR.) SE vb (0); wo vh(v) continuirlich ist in der Nähe des Werthes » = 0, und mit eben diesem besonderen Werthe von ® verschwindet. Substituirt man diesen Werth in (25) so kommt Kr a (n + +) un (27) a A er, = .— Gr: urı nn f(u,)dv On TU 24 o 20 I” . 1 TV $ u ef, ine z) * d(v)dv. Aber aus Gründen, welche bei der Ableitung von (24) zur Er- örterung gebracht worden, hat man über die Summe einer, nach den Sinussen u.s.w. = 0 (02) af, sin (+5) - -d(v)dv=o0; eo) dm daher A N PERTR ° sin (a+4)r — ee U — Gr. — Om == f(«„) dv. @ dE dv=—: 2 so kommt Da nun 9 m zwar beliebig klein, jedoch nicht = 0 gesetzt werden darf, so hat man oflenbar Gr. ("+4)9,=-+x, und daher UI: your your Var. ER Sunır Val SaRr er Soar Var OR ar Tue Verbindet man hiermit die Bedeutung von EZ, nach (21) so er- langt man De ee smart) 33).... re o E (zu sintr ) & Ju) du = «ufle.). Auf eine völlig ähnliche Weise und unter derselben Voraussetzung erhält man: 183 184 Dir Ro s;EiN BR *En+Lm sin (nt) EZ (34) ..o.. Gr. er wage” Fu) du = af(u,). e/ u See m sin tr = [4 Da die Gleichungen (33) und (34) nur in so fern statt finden, als die Gleichung (26) statt findet, und diese die Bedingung der Continuität von f(w) für a—=n, ausdrückt, so darf das Wesentliche dieser Bedin- gung in Absicht auf die Gleichungen (33) und (34) nicht übersehen wer- den. Setzt man nun hier »» nach und nach 1,2, 3,4...r—ı, und ver- bindet die so entstehenden Gleichungen mit (20) und (16); so erlangt man folgenden Lehrsatz:: Bezeichnen w,, Kay Has Mai» -M,_, die besonderen Werthe von u, für welche — u, von u=u, bis u=1u, ausschliefslich, von der Form #29« wird, und bleibt f(j) continuirlich in der Nähe eines jeden dieser besonderen Werthe von u; so hat man BB "Pr sin (n+ 4) = en (35) Gr. Fe Ja) du M eo 0 ne 2 & m _ zuLa PICHL STORES ICRE TORE ee CE) E Fre mi Sun). Ist überdies noch für v„=1#,, &— u von der Form + 20«, so hat man n=» Kr en (n ar 23 _ — ‘ (36) Gr. («—_ ”) f(») du = af(ı,) 7 2a > Sn). Mo es VAR 1 JE e sin £7 m=1 [47 Ist zwar aufserdem nicht für u=u,, aber für v=u,, z—u von der Form + 2g«, so hat man (x— u) „= “Pr sin (n+4)r z ee (37) Gr. f(u)du = 2« z JS.) + «f(u.). . Zu o sin 4 er) a Ist endlich aufserdem sowohl für u=u,, als für u=u,, —u von der Form + 2g«, so hat man über die Summe einer, nach den Sinussen u.s. w. 185 “u, (x— u) 2, "sin (n ++ re (38) Ef Te en: Ge SW Anzahl) H/W, +02) IC. )- & S. 4. Setzt man nun, um von diesem allgemeinen Fall zu dem in Rede stehenden, mehr besonderen über zu gehen, „=—eundu, =+«; so übersieht man leicht, dafs innerhalb eben dieser Grenzen einschliefs- lich <&—u für jeden Werth von x von der Form #2«g werden wird, und zwar zweimal, namentlich für „= —c«a und y=-+«, wenn v.n.x ein ungerades Vielfache von « bildet; einmal hingegen, und namentlich für „=xHt29«, +9 oder —g so bestimmt gedacht, dafs u zwischen — «und -+c« falle, wenn solches nicht der Fall ist. Diesem nach hat man = ** sin (nr 4) EZ (35,.4.Cr f — a SWan=a ! yası fer) sin 4 wenn 9.r2.x ein ungerades Vielfache von « ist; und +4. (z—u) wen sin Ei (40). Pr af eo) IwWdr = za f(ct2pe), sin + [4 wenn v.n.x kein ungerades Vielfache von « ist, wo 4+2g so genommen werden mufs, dafs x +29« zwischen —« und + « falle. Hieraus folgt nun unmittelbar, dafs man hat r— Yo) en ei cos (n+% a (41). . » af Te Ta Nudu= el f-9+/+0} int = 77 für =—eundxe=-+e, und (v—u,) n=x TEEN el z (42). „er: Fer IW)dau=2zaf(«) sin tx u Mathemat. Klasse 1829. Aa 186 Dirxsen für jeden Werth von x, enthalten zwischen —a und + « ausschliefslich, für welchen f(&) zugleich continuirlich bleibt. Verbindet man mit diesen Gleichungen die Gleichung (7) so er- langt man nf 7 du + — Gr. 3 cos im EM Yu) du =: 11-9) + fra} für &=—a« und für —=+«, inso fern f(x), in der Nähe dieser Werthe, continuirlich bleibt; und +0 _ (44)... — f() du + 4 Gr. = cos im EZ Yu)du=f(e) für alle, zwischen —« und +a« ausschliefslich enthaltenen Werthe von x, für welche f(x) continuirlich bleibt. Aufeine, der vorigen völlig analoge, Weise und unter ähnlichen Voraussetzungen erhält man ferner: ar ** inn® ei y en 208 i—1)r(x—u) y, 1 Gh. i u (45) — zT ET an @=M 27 & =+ $Sf-e)+f(+o)}, [für 2 = — a und frx—=-+ «], =f(x) e=—a«a bs =+«a aussch. ] (46) Gr. f [4+cos Ey war=fa), [20], —=f(x), [x=0 bis = ausschl.], = /@), [x=4) rn Ef [res N uyau=t/e), Lr=o) —) [z=0 bis 2=& ausschl. ], —=Z.f(&),.2=el. as) LER Ef cos IE au fla), (x=0], z 0 = f(x), [2 =0bis &=« ausschl. ], == fe) ae). über die Summe einer, nach den Sinussen u.s. w. 187 (49) 1-Gr. x f. cos I FEFN yau—tfte), [x=0), —u fe bis 2—=« ausschl. ], = /(a), [2=.}. Bildet man nun (46)+(47), (46)— (47), (48)+(49), (48)— (49); so erlangt man (50) Gr. (51) —Gr (52) — Gr. (53) Gr. u i=n > 1 — = i=1 e 0 u n=sw ion . In . Inu» Ef en = sin — f(u) du =0, feel, ® 0 f = U ae x 2 nal, i=1 ce : — 10 du —=f(x), [e=0bis 2=e einschl.]. —= (2), [eher nicht], =0, [=«]. s °u A : = (i—1)rx @i-1)au z i Ka 0 —= f(x), [x=0 bis = ausschl.]. Kan; : a, — f(x), [e=0bisx=eausschl.], —=0, Bee, DANS ONANNNY Ad2 Verbesserungen. Seite 176 sind die beiden letzten Formeln zu lesen: (En) sin (n-+4)” ( 5 YW= YiR = nl (&-#) setzend, "Pr sin (n + 4) #r —— n=® 2,/' & (15) ent. di . Gr. re Jo sin 4m du, Abhandlungen der historisch-philologischen Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. san aan anna. Aus dem Jahre 18293. .ananan an anna ann Berlin. Gedruckt in der Druckerei der Königl. Akademie der Wissenschaften. 1832. 5 3-12 aan \W.v. HuMmBoLDT über die Verwandtschaft der Ortsadverbien mit dem Pronomen in EINIEENSSPTAChEeN 20 .ue ie a ale ee een ea Seite 1 Bopp: Vergleichende Zergliederung des Sanskrits und der mit ihm verwandten Spra- chen (Vierte Abhandlung) ....... 2-2 -0en ernennen. - 27 IDELER über das Alter der Runenkalender . 2.2.2222 22 0er een en - 49 UnuDEN über die thönernen Todtenkisten der Etrusker ..... 222220 0.. 07 WILKEN über die Verhältnisse der Russen zum Byzantinischen Reiche in dem Zeit- raum vom neunten bis zum zwölften Jahrhundert. ......... =. 48 Rırrer über Alexander des Grolsen Feldzug am Indischen Kaukasus . .......- 187 s ——m———— m ann ae u j . PR DUR CE BE f € x et ee aha a zen Daıhe ‚a “ 3. Ps ni . i Pant . Bu 3 ort s el, er r I ann 1 20 wa ee [7 ö u je: R i u . = i - 0. * sa ae I N Fe WE rer Pe sun ee ee ns Ve a Aare m me ee KETTE 1 er TS re 253 et ine er een a Een ». ar Han rer RR U: RE a ie Nuurän Ber am ul. PETER ER A u Fr wei PIE Brenn ER el a PrrS Eee Über die Verwandtschaft der Ortsadverbien mit dem Pronomen in einigen Sprachen. Von HI” W.v. HUMBOLDT. mwN [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 17. December 1829.] \ en, die Auffindung des Ursprungs irgend einer Classe von Wörtern von grofser Wichtigkeit für die Geschichte der Entwickelung des menschlichen Geistes ist, so läfst sich dies von dem Ursprung der Wörter behaupten, de- ren sich die Sprachen zur Bezeichnung der persönlichen Pronomina bedie- nen. Auch nur ein kurzes Eingehen in die eigenthümliche Natur dieses merkwürdigen Redetheils wird dies zu beweisen hinreichen. Das Sprechen, man mag es nun in seiner inneren und tiefen Bezie- hung auf das Denken, oder in seiner äufseren und mehr sinnlichen auf die 8 dadurch gestiftete Gemeinschaft zwischen Menschen und Menschen betrach- ten, setzt immer in seinem Wesen voraus, dafs der Sprechende, sich gegen- über, einen Angeredeten von allen Andren unterscheidet. Das Gespräch beruht auf diesem Begriff, und auch die blofs geistige Function des Den- kens führt eben dahin. Es erlangt erst seine Bestimmtheit und Klarheit, wenn es auch als aus einer fremden Denkkraft zurückstrahlend angesehen werden kann. Der gedachte Gegenstand mufs vor dem Subjecte zum Ob- ject werden. Aber die blofs ideale subjective Spaltung genügt nicht, die Objectivität ist erst vollendet, wenn der Vorstellende den Gedanken wirk- lich aufser sich erblickt, was nur in einem anderen, gleich ihm vorstellenden und denkenden Wesen möglich ist. Die Sprache, obgleich auch beim ein- samsten Denken unentbehrlich, und obgleich im Sprechen durch jeden der Sprechenden allein aus ihm selbst hervorgesponnen, kann dennoch nur an und vermittelst einer Zweiheit entstehen. Dies hat in dem Gefühl aller Völker liegen müssen, und dafs es wirklich der Fall gewesen, zeigt sich daran, dafs die nämliche, nur in den Hist. philolog. Klasse 1829. A 2 W. v. Humgorpr: über die Ferwandtschaft der Ortsadverbien bezeichnenden Lauten verschiedene Pronominalform durch alle, noch so vollkommen gebildete, oder noch so uncultivirt gebliebene durchgeht, mit dem merkwürdigen Unterschiede, dafs diese Gleichförmigkeit in den ersten beiden Personen durch nichts unterbrochen wird, und erst in der dritten. Abweichungen von ihr gefunden werden. Das Pronomen in seiner wahren und vollständigen Gestalt wird in das Denken blofs durch die Sprache eingeführt, und ist das Wichtigste, wo- durch ihre Gegenwart sich verkündet. So lange man nur das Denken lo- gisch, nicht die Rede grammatisch zergliedert, bedarf es der zweiten Per- son gar nicht, und dadurch stellt sich auch die erste verschieden. Da nun unsere allgemeinen Grammatiken hauptsächlich von dem Logischen auszu- gehen pflegen, so stellt sich das Pronomen in ihnen, insofern sie eine Zer- gliederung der Rede sind, anders als in einer Entwicklung, welche eine Zer- gliederung der Sprache selbst versucht. Hier geht es allem Übrigen voran, und wird als selbstbezeichnend angesehen, dort folgt es erst der vollendeten Erklärung der Haupttheile des Satzes, und trägt wesentlich, wie auch sein Name besagt, einen repräsentativen Character an sich. Beide Ansichten sind nach der Verschiedenheit der Standpuncte vollkommen richtig, nur mufs man nicht zu einseitig auf dem einen stehen bleiben, da man die wahre und vollständige Geltung des Pronomen doch nur dann wahrhaft einsieht, wenn man seine tiefe Gründung in der innersten Natur der Sprache erkennt. Diese hat auch einen ganz entschiedenen Einflufs auf die Form und Beschaffenheit des Pronomen in den verschiedenen Sprachen. Was in der philosophischen Entwicklung der Sprache allgemeiner Ausdruck eines Nicht-Ich und Nicht-Du ist, erscheint in der gewöhn- lichen Rede, die es nur mit concreten Gegenständen zu thun hat, nur als Stellvertreter von diesen. Die reinen Begriffe unserer allgemeinen Gramma- tik finden sich nur immer in den Sprachen vollendeter Bildung, und auch da nur in der philosophischen Ansicht derselben. Auf ähnliche Weise, als das Pronomen der dritten Person, sind in der Rede auch die der beiden ersten repräsentativ, weil das bestimmte Ich und Du, als wahre Substantiva an ihre Stelle treten können. Allein der wesentliche Begriff aller drei Prono- mina ist immer der durch die Natur der Sprache selbst gegebene, dafs sie die ursprünglichen und nothwendigen Beziehungspuncte des Wirkens durch Sprache, als solche, bezeichnen, und dieselben in Individuen verwandeln. mit dem Pronomen in einigen Sprachen. 3 Ich ist nicht das mit diesen Eigenschaften verschene, in diesen räum- lichen Verhältnissen befindliche Individuum, sondern der sich in diesem Augenblick einem Andren im Bewufstsein, als ein Subject, Gegenüberstel- lende; jene concreten Verhältnisse werden nur der Leichtigkeit und Sinn- lichkeit wegen dem schwierigeren abgezogenen Begriff untergeschoben. Eben so geht es mit Du und Er. Alle sind hypostasirte Verhältnifsbegriffe, zwar. auf individuelle, vorhandene Dinge, aber in völliger Gleichgültigkeit auf die Beschaffenheit dieser, nur in Rücksicht auf das Eine Verhältnifs be- zogen, in welchem alle diese drei Begriffe sich nur gegenseitig durcheinan- der halten und bestimmen. Obgleich aber das Pronomen unmittelbar durch die Sprache gefor- dert wird, und obgleich alle Sprachen das dreifache Pronomen besitzen, so ist der Eintritt des Pronomen in die wirkliche Sprache doch von grofsen Schwierigkeiten begleitet. Das Wesen des Ichs besteht darin, Subject zu sein. Nun aber mufs im Denken jeder Begriff vor dem wirklich denkenden Subject zum Object werden. Auch das Ich wird, als solches, im Selbst- bewufstsein zusammengefafst. Es mufs mithin ein Object sein, dessen We- sen ausschliefslich darin besteht, dafs es Subject ist. Die gröfsere Leich- tigkeit des Begriffs des Du ist nur scheinbar. Denn er besteht ja nur da- durch, dafs er auf das Ich, das eben beschriebene Subject- Object, bezo- gen wird. Wir bemerken daher an den Kindern, dafs sie schr lange noch an die Stelle der Pronomina Namen oder andre objective Bezeichnungen setzen. Dies hat verleitet zu behaupten, dafs das Pronomen sich in den Sprachen überhaupt immer erst spät entwickelt habe. Dafs diese Behauptung wenigstens auf diese Weise nicht richtig aus- gedrückt ist, beweist das im Vorigen Entwickelte. Das Pronomen mufste in den Sprachen ursprünglich sein. Überhaupt ist, meiner innersten Über- zeugung nach, alles Bestimmen einer. Zeitfolge in der Bildung der wesent- lichen Bestandtheile der Rede ein Unding. Was zu ihnen gehört, wird be- wufstlos auf einmal von dem Sprachvermögen gegeben, und das ursprüng- lichste Gefühl, das Ich, ist kein nachher erst erfundener, allgemeiner, dis- cursiver Begriff. Nur das reinere und richtigere Bewufstsein der Redetheile entsteht allmählich und ist des Wachsthums fähig. Dagegen liefse sich das allerdings denken, dafs die Wörter für die Pronomina ursprünglich Sub- stantiva gewesen wären, und in der Nation ihnen auch diese Ansicht lange A2 4 W.v. Humzoupr: über die Verwandtschaft der Ortsadverbien geblieben wäre. Dasselbe Substantivum, sei es Mensch, Seele, Gestalt, immer von jedem zur Bezeichnung seines Ichs gebraucht, würde alsdann in das wahre Pronomen übergegangen sein, das Verbum hätte nur scheinbar drei, in der That blofs Eine Person gehabt. Hierüber historisch zu ent- scheiden, halte ich für unmöglich, da keine historische Untersuchung so weit zu führen vermag. Indefs ist mir keine einzige Sprache bekannt, in der es nicht ein oder mehrere Pronomina der ersten beiden Personen gäbe, welche gar keine Spur an sich tragen, eigentlich der dritten anzugehören. Die Malayische, die leicht am meisten wirkliche Substantiva als Pronomina der ersten und zweiten Person gebraucht, hat doch für die erste aku, was durchaus keinen solchen Ursprung verräth, und einige hierin ähnliche für die zweite. Gerade diese finden sich in den verwandten Mundarten wieder, und beweisen dadurch ihre tief alterthümliche Gründung in der Sprache. Ebenso giebt es auch im Chinesischen, wo erste und zweite Person jetzt ganz ge- wöhnlich durch Substantiva bezeichnet werden, zugleich reine Pronomina, die, allem Anscheine nach, die älteren sind, und nach dem Urtheil der erfahrensten Sprachkenner jeden Versuch etymologischer Zergliederung fruchtlos lassen. Wo jetzt Substantiva als Pronomina gebraucht werden, sind es nicht aus den natürlichen menschlichen Verhältnissen hergenommene, wie Gemüth, Seele, Herz, die ich nur zum Ausdrucke des selbst hier und da angewendet gefunden, sondern solche, die in einem Zustande hal- ber Civilisation ein unnatürliches Verhältnifs der Unterordnung herbeiführt. Diese Art der Pronomina fehlt daher da, wo noch ein einfacherer, wenn man will, roherer, und wieder auch da, wo ein mehr erleuchteter Zustand der Gesellschaft herrscht. Wo, wie im Chinesischen und Malayischen, beide Arten dieser Pronomina sich finden, sind daher schon aus diesem Grunde die Substantiva neueren Gebrauchs. Die Ausdrücke der Erhaben- heit für die zweite, und der Erniedrigung für die erste Person finden sich vorzüglich nur im südöstlichen Asien, im Malayischen Sprachstamm, -auf schr bezeichnende Weise, hauptsächlich nur im Malayischen selbst. Den Amerikanischen Sprachen ist, obgleich sie genug andre Höflichkeitsformen haben, diese Entstellung des Pronomen fremd. Wenn man die sinnliche Natur des Menschen bedenkt, den Werth, den er von früh an auf die Unterscheidung des Mein und Dein legt, und der sich auch in der Sprache so mächtig ausdrückt, dafs es, namentlich in mit dem Pronomen in einigen Sprachen. 5 Amerika, mehrere giebt, in welchen das Substantiv gar nicht ohne sein Be- sitzpronomen ausgesprochen werden kann, so halte ich es für ausgemacht, dafs, welche Ideenbezeichnung der Mensch auch immer zum Pronomen er- hob, er es nie that, ohne derselben gleich auf immer das wahre und wirk- liche Gefühl der Ichheit aufzuprägen, und dafs er nie von sich, wie von einem Fremden, sprach. Die Annahme des Gegentheils scheint mir durch- aus unnatürlich. Auch die Kinder sprechen ihren Namen mit diesem Ge- fühl aus. Damit ist das Wesen des Pronomen gegeben, und der Unterschied zwischen diesem und allen andren Substantiven festgestellt. Wie weit der- selbe hernach an der Sprache selbst sichtbar sein soll, hängt von der Stärke und Feinheit des Sprachsinns ab. Viel reiner und getreuer, als im Pro- nomen selbst, ist der demselben zum Grunde liegende Verhältnifsbegriff in den Personen des Verbum ausgedrückt. Hier ist keine Verwechslung mehr der Ichheit mit einem andren Substantiv der ersten und dritten Person möglich. Wenn sich erweisen liefse, dafs die Personen des Verbum in ir- gend einer Sprache wirklich durch Flexion entstanden, und ursprünglich so gewesen wären, so ginge daraus untrüglich hervor, dafs diese Nation den reinen Begriff des Pronomen vom Beginnen ihrer Sprache an gehabt hätte. Wo aber der Personenunterschied nur durch offenbare oder verstecktere Hinzufügung der Pronomina selbst entsteht, läfst sich hieraus nicht mehr, als aus diesen schliefsen. Ist im Pronomen ein Substantivum zur Ichheit gestempelt, und so an den Verbalbegriff angefügt, so nähert sich die so ge- bildete Flexion auch nur insofern der wahren ersten Person, als jenes Sub- stantivum dem Pronomen. Aus dem mit dem Pronomen der ersten Person unmittelbar verbun- denen, und bei dem der zweiten darauf bezogenen Gefühl mufs man es auch, glaube ich, herleiten, dafs diese Pronomina nicht, wie das der dritten ge- wöhnlich, in mehrere Formen nach den Eigenschaften oder Verhältnissen des jedesmaligen Ich und Du (Ich liegender, stehender u. s. f.) auseinan- dergehen, und dafs es in keiner Sprache ein Pronomen demonstrativum einer der beiden ersten Personen zu geben scheint (!). Denn die sogar, meiner Erfahrung 5 mung der persönlichen Pronomina durch den Zusatz des Selbst ist nicht nach, allen Sprachen eigenthümliche, gleichsam innigere Bestim- (') Bernhardi’s Anfangsgründe der Sprachwissenschaft S. 199. 2.3. 8°8 t 6 W.v. Humzoıor: über die Verwandtschaft der Ortsadverbien eine Spaltung, sondern eine Verstärkung ihres Begriffs. Das Ich und das Du, wie schwer auch ihr Wesen in das deutliche Bewufstsein gelangt, wer- den doch von dem Menschen immer nur in der Einen Beziehung empfun- den, die sie characterisirt, und daher kann auch ihr Ausdruck nicht mehr- fach sein. Sie werden wirklich innerlich empfunden, das Ich im Selbstge- fühl, das Du in der eigenen Wahl, da hingegen Alles, was sich unter die dritte Person stellt, nur wahrgenommen, gesehen, gehört, äufserlich ge- fühlt wird. Die hier aufgestellte Thatsache könnte zwar noch zweifelhaft scheinen. Da mehrere Sprachen, namentlich die Sanskritischen, gerade im Pronomen der beiden ersten Personen mehr als Einen Stammlaut haben, so könnte es möglich scheinen, dafs diese, wenigstens ehemals, eine solche ver- schiedenartige Bedeutung des Ich und Du gehabt hätten. Es ist dies aber durchaus unwahrscheinlich. Diese Mehrheit der Stammformen entsteht ent- weder blofs zufällig aus zusammengeflossenen Mundarten, oder, wo sie die Casus obliqui vom Nominativus unterscheidet, aus so verschiedener Ansicht dieses Casusverhältnisses, dafs daraus zwei Wörter entsprangen. Die Malayische und Japanische Sprache sind vorzugsweise reich an synonymen Pronominalformen. In beiden giebt der mehr oder minder höf- liche Styl Anlafs dazu. Im Malayischen hat nur die Schriftsprache gleich- förmige. Die Volksmundarten besitzen, und oft in kleinen Distrieten, ver- schiedene. Im Japanischen sind eigne für Kinder, Greise und Weiber. Da- gegen kommt kein wahrhaft gespaltenes, doppeltes, näheres und entfernte- res Ich oder Du vor (!). 4 Ich kehre von diesen allgemeinen Betrachtungen zu der Wichtigkeit der Auffindung des Ursprungs einzelner Pronominalwörter zurück, von der ich im Obigen ausging. Gelänge es, den Ursprung der Pronominallaute auch nur in mehreren Fällen richtig nachzuweisen, so würde man alsdann sehen, ob und in welchem Grade der ächte Character dieser Pronomina schon in der Bezeichnung selbst liegt, oder ihr nur erst durch den Gebrauch gegeben ist. Jeder Beitrag zur erklärenden Herleitung der Pronominallaute scheint (') Marsden’s grammar of the Malayan language p. 42-51. Elemens de la gramm. Japonoise par le P. Rodriguez, traduits par M. C. Landresse p.9-11. 80-82. Arte de la lengua Japona compuesto por el Herm. Fr. Melchor Oyanguren de Sta. Ines. p. 21-24. Ars grammatica Japonicae linguae composita a Fr. Didaco Collado. Romae 1632. p- 13-14. mit dem Pronomen in einigen Sprachen. 7 mir daher Aufmerksamkeit zu verdienen, und da ich in einigen Sprachen einen etymologischen Zusammenhang von Ideen entdeckt zu haben glaube, der den Pronominalbegriffen, ohne Beimischung materieller Eigenschaften, ihre Reinheit, als Verhältnifsbegriffe, in hohem Grade erhält, so habe ich dies zum Gegenstande der gegenwärtigen Abhandlung gemacht. Ich mufste aber vorher die Natur des Pronomen selbst, soweit sie hier zur Sprache kommt, genau feststellen, um die Forderungen klarer hervortreten zu las- sen, die man an seine Bezeichnung zu machen hat. Der für die persönlichen Pronomina zu wählende Ausdruck mufs näm- lich auf alle mögliche Individuen, da jedes zum Ich und Du werden kann, passen, und dennoch den Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen be- stimmt und als wahren Verhältnifs- Gegensatz angeben. Er mufs von aller qualitativen Verschiedenheit abstrahiren, und den- noch ein sinnlicher Ausdruck sein, und zwar ein solcher, der, indem er das Ich und das Du in zwei verschiedene Sphären einschliefst, auch wieder die Aufhebung dieser Trennung und die Entgegensetzung beider zusammen ge- gen ein Drittes möglich läfst. Alle diese Bedingungen erfüllt nun der Begriff des Raumes, und ich kann Thatsachen nachweisen, welche deutlich zeigen, dafs man in eini- gen Sprachen diesen auf den Pronominalbegriff bezogen hat. In dem einen dieser Fälle ist der Ortsbegriff zu einem so gewöhnlichen Begleiter der drei Pronomina geworden, dafs man sehr oft im Sprechen ihrer nicht mehr zu bedürfen glaubt, sondern blofs ihn ihre Stelle vertreten läfst, doch bleibt er grammatisch sichtbar vom Pronomen geschieden. In einem andren Falle ist er wirklich zum Pronomen geworden, hat aber nicht die ganze Pronomi- nalform systematisch durchdrungen. In einem dritten dagegen sind die Orts- und Pronominaälbegriffe, durch ganz gleiche Laute bezeichnet, dergestalt verbunden, dafs beide nur als identisch angesehen werden können. Die Sprachen, welche diese Thatsachen liefern, sind in der obigen Folge der Erscheinungen eine der Sprachen der Südsee-Inseln, nebst der Chinesi- schen, die Japanische und Armenische. Die Sprache der Tonga- oder Freundschafts-Inseln ist, wie ich in einer ausführlichen Arbeit (1) über alle von. Madagascar bis zur Osterinsel (') Ich habe in einer Classensitzung der Königl. Akademie eine Abhandlung vorgelesen, welche den ersten, nun in einer eignen Schrift auszuführenden Entwurf dieser Arbeit enthält. 8 W.v. Humsorpr: über die Verwandtschaft der Ortsadverbien verbreiteten Malayischen Sprachen zu zeigen gedenke, eine etwas abwei- chende Mundart des der östlichsten Abtheilung dieser Inselwelt, derjenigen, die, soviel wir wissen, niemals von Australnegern bewohnt gewesen ist, eigenthümlichen Sprachstamms. Sie hat drei Adverbia der Ortsbewegung, die gewöhnlich den Phrasen beigegeben werden, wo ein Verbum eine solche Bewegung gegen eine Person oder Sache enthält, jedoch so, dafs sehr häufig bald das Verbum, bald das Pronomen ausgelassen wird. Im letzteren Fall entsprechen die drei Adverbien genau den drei Personen des Pronomen, können aber, ihrer Bedeutung nach, dasselbe immer nur in einem obliquen Casus, niemals im Nominativ darstellen. Im Ganzen findet sich das Näm- liche auch in andren Sprachen, namentlich im Deutschen. Denn es ist ge- rade ebenso, wenn bei uns: komm du her! zum blofsen: her! abgekürzt wird. Das Merkwürdige und Eigenthümliche liegt aber in der Stätigkeit des Gebrauchs, und ganz besonders in der dreifachen, und genau den drei Per- sonen angepafsten Eintheilung der Ortsbewegung. Denn mei ist die Bewe- gung zum Redenden, atu (1) vom Redenden zum Angeredeten, angi vom Redenden zu einer dritten, nicht angeredeten Person, oder einer solchen Sache, und wo das Pronomen gesetzt oder ausgelassen ist, und diese Ad- verbia dasselbe begleiten oder vertreten, gehören sie den drei Personen in der obigen Folge an, und werden nie, noch auf irgend eine Weise verwech- selt. Da sie aber die Personen blofs nach der Richtung zu ihnen hin be- zeichnen, so bilden sie natürlich keinen Unterschied des Numerus. Mei ist sowohl mir als uns. Diese auf die Personen bezogene ÖOrtsabtheilung ist nicht blofs in mehreren Sprachen, sondern mag überall zum Grunde gelegen haben, wo das Pronomen demonstrativum dreifach ist. Im Lateinischen ist dies unver- kennbar, da iste ganz eigentlich bestimmt ist, da gebraucht zu werden, wo der Ort desjenigen gemeint ist, mit dem man redet, oder dem man schreibt. (') Martin, der Herausgeber von Mariners Beschreibung der Tonga-Inseln,. schreibt nach Englischer Aussprache, my und atoo. Ich habe dies, obgleich ich übrigens in dieser Ab- handlung Martins Orthographie beibehalte, der Deutlichkeit wegen, abgeändert. Ich schreibe aber sein y durch ei, weil dieser Laut rasch und kurz ausgesprochen werden soll, und Martin einen ähnlichen, aber gedehnteren durch ai bezeichnet. Dagegen habe ich in der Tahitischen und Neu-Seeländischen Ortspartikel mai das ai der Grammatiker dieser Sprachen unverändert gelassen, da es möglich ist, dafs diese Mundarten den Ton breiter und gewichtiger halten. mit dem Pronomen in einigen Sprachen. 9 Es ist offenbar, dafs die Sprache hier abermals ihren, aus der Natur der Wechselrede hergenommenen Urtypus angewendet hat. Nur unterscheidet sie, da hier nicht dieselbe Vollständigkeit nothwendig war, hier auch will- kührlicher bald nur hier und dort, dieser und jener, Ich und Nicht- ich, bald aber die drei verschiedenen Örter und Stellungen, und hält im letzteren Fall den Unterschied fester an das Pronominalverhältnifs geknüpft, oder läfst ihn lockerer blofs in Grade der Entfernung ausgehen. Die Tagalische Sprache hat zwar vier Demonstrativ- Pronomina und ebensoviel Ortsadverbien: din’, dito, diyan, dion, und bildet also vier Orts- abtheilungen. Allein die dreifache Abtheilung ist darum doch die Grund- lage ihres Demonstrativums. Sie bezeichnet zuerst den dem Redenden, und den dem Angeredeten näheren Ort, dann den von beiden gleich entfernten. Für diesen aber besitzt sie zwei Ausdrücke, je nachdem er beiden Redenden gleich nahe, oder gleich fern ist. Die Sprache sondert also die Beziehung des Orts auf die Personen von dem Grade der materiellen Entfernung, die andre Sprachen vermischen, und ordnet sie einander unter (1). Denselben Eintheilungsgründen folgt ein andrer Dialect der Philippinen, die Bisayische Sprache (?), erschöpft. aber die von der Tagalischen unvollkommen (°) ge- lassene Eintheilung, unterscheidet bei jeder der drei Beziehungen auf die Person die Nähe und Ferne, und besitzt mithin sechs Pronomina demon- straliva. Wenn vom Geben die Rede ist, braucht die Tongische Sprache die oben erwähnten Ortsadverbien so ausschliefslich allein, dafs jenes Verbum (') So setzt es Fr. Sebastian Totanes in seiner arte de la lengua Tagala. Manila 1796. 4. (es giebt mehrere Ausgaben) p. 14-16, besonders 8.49. aus einander. Fr. Domingo de los Santos in seinem F’ocabulario de la lengua Tagala ist weniger genau. Er nennt den, beiden Redenden gleich nahen Ort (v. agui) aqui, pero con latitud. Die Beispiele zei- gen aber, dafs der Begriff bei Totanes derselbe, nur bestimmter ausgedrückt ist. Denn dies Pronomen il/o wird z.B. gebraucht, wenn ein Bewohner eines Orts zu einem andren des gleichen: dieses Dorf, sagt. Wirklich ist dann der Gegenstand in gleicher Beziehung zu beiden Redenden. (°) P. Domingo Ezguerra Arte de la lengua Bisaya. Manila 1747. 4. (auch nur eine neue Ausgabe) fol. 14. 15. 8. 34-38. (°) Die beiden Bisayischen Pronomina für den dem Redenden näheren Gegenstand scheinen, wenn man die Casus obliqui mit dem Nominativus vergleicht, in dem Tagalischen yari, hic, zusammengellossen zu sein. Hist. philolog. Klasse 1829. B 10 W. v. Humsorpr: über die Verwandtschaft der Ortsadverbien durch diese unaufhörliche Auslassung in der Sprache ganz untergegangen zu sein scheint. Denn in Martin’s Wörterbuch findet sich ein solches Verbum gar nicht, das die andren beiden nahe verwandten Sprachen, die Neu-See- ländische und Tahitische, doch besitzen. Beispiele der hier erwähnten Wortfügungen sind folgende: mei ia giate au, her dies zu mir, gieb mir dies (1); teu atü ia giate coy, werde ich hin dies zu dir, ich werde dir dies geben. In diesen beiden Beispielen war das Pronomen gesetzt, aber das Verbum lag nur im Adverbium. Im folgenden ist die Redensart voll- ständig, und erklärt die vorigen: teu ofa angi giate ia, werde ich lieben dorthin zu ihr, ich werde sie lieben. Allein in den beiden nun folgenden vertreten die Adverbien allein die Stelle der gänzlich fehlenden Pronomina: bea behe mei he tünga fafine, als sprachen her die mehreren Weiber, als sie zu uns sprachen; neu ikei abe lea atu fukkalotoboto, habe ich nicht vielleicht gesprochen hin weise-sinnvernünftig, ich habe vielleicht nicht auf vernünftige Art zu euch gesprochen (?). Man hängt auch diese drei Ortsadverbia an Verba an, und die Auslassung der Endvocale dieser, wo ein Hiatus entstehen würde, und der veränderte Accent beweisen, dafs aus die- ser Verbindung Ein Wort wird, so dafs das Verbum seine Richtung in sich einverleibt trägt, die aber, zum Unterschiede von unsren mit Adverbien verbundenen Verben (hingehen, herfahren), im Sinne des Volks genau eine auf die drei Personen gerichtete ist. Aus dla, erzählen, wird talamei, mir oder uns, talatu, dir oder euch, talängi, ihm, ihr oder ihnen erzäh- len (°). In allen diesen Fällen rückt der gewöhnliche Accent von tala auf die betonte Sylbe des Adverbium, auch da, wo diese Betonung der allge- meinen Regel, wie in Zalamei widerspricht. Denn in Wörtern von drei Syl- ben ist eigentlich die mittlere die betonte. Martin, der Verfasser der Ton- gischen Grammatik, schwankt, ob er diese Wörter defective Verba, die zu- gleich Hülfsverba sind, oder Präpositionen nennen soll, und führt sie beim Pronomen und Adverbium gar nicht an. Sie sind aber offenbar auf die drei (') Die unmittelbar auf den Tongischen Text in Cursivschrift folgende Übersetzung giebt in gleicher Folge jedes Tongische Wort durch ein Deutsches wieder. Auf diese wörtliche, und daher oft dunkle Ü bertragung folgt eine gewöhnliche Übersetzung. (*) Mariner's account of ihe Tonga Islands. 2.1.d. II, 365. 366. 379. 382. (°) Mariner ].c. Wörterbuch. mit dem Pronomen in einigen Sprachen. 11 Personen des Pronomen bezogene Ortsadverbien. Indefs stehen sie weder im Tongischen, noch in einer der übrigen verwandten Sprachen in etymo- logischer Verbindung mit dem Pronomen, und ihre Verwechslung mit dem- selben ist blofs Folge elliptischer Redeabkürzung. Noch weniger sind sie, wie Martin zu glauben scheint, das Verbum geben (!). Die Tahitische und Neu-Seeländische Sprache haben zwar auch die Partikeln mai und atu (Tah. adu), aber nicht die dritte. Die Neu-Seeländische macht von den- selben keinen schr häufigen Gebrauch, ich habe aber mai in ihr, gerade wie im Tongischen, als das Pronomen erster Person ersetzend gefunden (2). Im Tahitischen kommen sie fast in jedem Verse der Übersetzungen aus der Bibel vor. Allein das Pronomen steht auch immer zugleich dabei, und der Stand- punkt der Richtung wird nicht immer vom Redenden aus genommen, so dafs schon dieser Wechsel der Ansicht die Partikeln durchaus unfähig zum Pro- nominalgebrauch macht. Eine ganz ähnliche und durchaus hierher gehörende Anwendung eines Wortes, das ursprünglich ein Raumverhältnifs andeutet, liegt in dem Chine- sischen zai. Ich danke es Herrn Professor Neumann, hierauf aufmerksam gemacht worden zu sein, und hoffe, in folgendem Auszug aus seinen gütigen Mittheilungen seine Meinung überall richtig aufgefafst zu haben. ‚„‚Auch diejenigen, welche sich nur wenig mit dem Chinesischen be- schäftigt haben, wissen aus Remusat’s Grammatik ($.262.), dafs nai im älteren Chinesischen Styl als Pronomen zweiter Person vorkommt. Diese Bedeutung ist aber, und hierin liegt gerade das Merkwürdige und in die gegenwärtige Untersuchung Passende, nur eine abgeleitete, hergenommen von einem Ortsbegriff und angewendet auf die Person. Den Chinesischen Sprachforschern zufolge, war die alte Form des diesem Worte angehörenden Charakters ein Bild des schwer hervorgehenden Athems, woran man dann die abstofsende oder absondernde (°) Kraft des Worts, als Partikel, an- (') Man sche über diese Wörter Mariner l.c. I. p.359. 365. 366. und im Wörterbuch unter ihnen selbst, und unter give und towards. (?) Earoha mai ra oki koe, du wirst lieben her, d.h. mich. (Lee’s) Grammar and F ocabulary of the language of New-Zealand p.118. (°) 4 partiecle expressive of demurring. Morrison Th.I. S.32. des nach den Chine- sischen Charakteren geordneten WVörterbuchs. B2 12 W. v. Humsoror: über die Verwandtschaft der Ortsadverbien knüpfte. Wie es sich aber auch mit jenen Bildern, die man nicht zu weit und zu ängstlich verfolgen mufs, verhalten möge, so deutet nai wirklich, dem Symbol des hinausgestofsenen Athems gemäfs, das aufserhalb des Sprechen- den oder Handelnden Vorhandene, also einen Ortsbegriff an. Sucht man diesen durch die Vergleichung mit andren Chinesischen Ortsadverbien, die ebenfälls als Pronomina gebraucht werden, näher zu bestimmen, so wird man auf die merkwürdige Erscheinung geführt, dafs zche, na und nai sich auf ganz ähnliche Weise zu einander verhalten, wie (s. weiter unten) die Armenischen sa, ta, na, oder die Lateinischen Aie, iste, üle. Tehe be- zeichnet das dem Redenden Nahe (!). Na wird als der Ort bei dem Ange- redeten angesehen (?). Dafs nai dem noch Entfernteren angehört, läfst sich aus dem Sprachgebrauch nachweisen. Es liegt aber auch in der Bildung des Worts. Denn es verhält sich zu za, wie tai, sehr, ausnehmend grofs, zu ta, grofs, zeigt mithin gegen das blofs fern von za ein ganz fernes an. Es wird dadurch zu einem Beispiele mehr für einen der seltenen Fälle, wo auch das Chinesische eine allgemeine grammatische Kategorie durch eine leichte Lautmodification des Stammwortes andeutet. Denn obgleich za und zai mit verschiedenen Charakteren geschrieben werden, so weist doch der Gebrauch {e) und die Bedeutung von nai eben so bestimmt auf ra, wie tal auf ta. Spät ) erst ward tai und ta in der Charakterschrift unterschieden, und heutigen Tags noch wird nicht selten ta für tai geschrieben. In andern Fällen wird die grammatische Kategorie von der Schrift durchaus übersehen, so heifst ischa aufserhalb seyn, intransitiv; setze ich ein i hinzu, so wird die Be- deutung des Wortes verstärkt, d. h. transitiv, und Zschai heifst aussenden. Beide Wörter werden aber mit einem und demselben Charakter geschrieben. Die worttrennende Charakterschrift hat verhindert, dafs sich die chinesische Sprache nach der Weise der übrigen Idiome hätte ausbilden können; ehe aber die Sprache mit der Charakterschrift geschrieben wurde, hatten schon Verschmelzungen der Stämme mit den grammatischen Kategorien statt ge- funden.’’ „‚Ist auf diese Weise der in nai liegende Ortsbegriff richtig bestimmt, so leuchtet die Möglichkeit der Anwendung auf das Pronomen jedem leicht (') Römusav's Zldmens de la gramm. Chinoise 8.337. (°) Morrison’s Wörterbuch, Tonischer Theil, Nr. 7857. mit dem Pronomen in einigen Sprachen. 13 von selbst ein, und wird durch das’ oben von der Tongischen Sprache Ge- sagte, und das unten von der Armenischen Sprache Auszuführende noch besser erläutert. Seinem Standpunkt im Raum nach, sollte nai die Stelle des Pronomen der dritten Person, nicht der zweiten vertreten. Es gehört aber auch, wie gleich gezeigt werden wird, nicht ausschliefslich dieser an, und wenn es auf gewisse Weise die Beziehung auf beide, der ersten entgegen- gesetzte Personen in sich schliefst, und das Chinesische hierin von jenen an- dren beiden Sprachen abweicht, so mag dieser Unterschied davon herrüh- ren, dafs in jenen Sprachen die zweifache Entfernung vom Redenden, jede mit einem eigenen Worte, im Chinesischen aber nur mit einer Steigerung des nämlichen bezeichnet ist. Dadurch offenbarte sich der Gegensatz natür- lich minder grell.’’ „‚Der Gebrauch von ai, als das Pronomen zweiter Person vertretend, bedarf keiner weitern Bestätigung. Geradezu als Pronomen dritter Person dürfte es wohl niemals gebraucht worden sein. Aber es finden sich Stellen, und sorgfältiges Nachsuchen würde wahrscheinlich ihre Anzahl sehr bald ansehnlich vermehren, in welchen zai ganz wie das lateinische ille, also wie das entfernte Pronomen demonstrativum, steht. Folgende mögen als Bei- spiel dienen: Kao yao youe, tou, i hing yeou kieou te, i yan khi schin yeou te, naı yan youe say isay tsay. Kao Yao sagt: im Allgemeinen, auch im Betragen giebt es neun Tugenden; sagt man nun: der Mensch hat Tugend, (dann) heifst jenes Wort, er handelt überaus glän- zend (Schuking I. Kao Yao mo. 4 Kap. Bl. 9. 2.). Im zweiten Theil des Schuking, im Yu kong, ist von zwei Feldern, einem besseren und einem schlechteren, die Rede. Von diesem wird darauf gesagt: T'so schi yeou san tsai, nai long, bearbeitet zehn und drei Jahre, (wird es) jenem gleich (II. nach einer Schulausgabe der fünf King, gedruckt im 43*® Jahr Kienlungs, d.h. 1778 unserer Zeitrechnung). Schang ke schy tchin, nai i yeou tang. Ach wie sehneich mich dieser trefflichen (Handlungsweise) fähig zu sein, dafs jenes auch in Erfüllung gehe! (Schuking IH. Tang kao am Ende. Bl.4.a. Gaubil hat diese Stelle ganz anders aufgefafst. Chou -king S. 89.).’’ 14 W. v. Humsouor: über die Verwandtschaft der Ortsadverbien Man braucht nur in Morrisons Wörterbuch (a. a. O.) die Erklä- rungen nachzulesen, welche die Chinesischen Sprachforscher von nai geben, um wahrzunehmen, um wieviel bestimmter dieselben hier gefafst, und wie- viel scharfsinniger sie geordnet sind. Der Begriff des aufserhalb Vorhandenen dient in nai offenbar, wie im Tongischen der der Bewegung nach oder von dem Redenden, zum Pronomen, und die Person wird durch ihren Stand- punkt im Raume bezeichnet. Die Japanische Sprache hat für die dreifache Ortsbezeichnung bei dem Redenden, bei dem Angeredeten und aufserhalb der Stelle beider in dem nicht gehörig unterschiedenen Pronomen dritter Person oder Demon- strativum einen dreifachen Ausdruck. Kono, sono, ano und kore, sore, are sind die Lateinischen ic, iste, ille. Die drei ersteren dienen, um als Ad- jectiva vor Substantiven zu stehen, die drei letzteren können selbststän- dig gebraucht werden (!). Man sieht daher deutlich, dafs zo und re nur suffigirte Sylben sind, und dafs die dreifache Ortsbezeichnung allein in den Lauten ko, so und a liegt (?). Von Aono, sono und ano stammen die drei abgeleiteten konata, sonata und anata. Diese sind Ortsadverbia, welche zu Antworten auf die Frage: donata? wo? dienen (?). Da nun atari eine Prae- position ist, welche nahe, bei heifst, und 20 eine Adjectiv-Endung, so sind jene Formen sichtbare Composita aus dem dreifachen Demonstrativ - Pro- nomen und dem Stammlaut jener Praeposition. Auch wird sonata bei Oyanguren das an jener Seite übersetzt (*). Von dem Ortsbegriff wer- den nun konata und sonata auf den Pronominalbegriff übergetragen, heifsen von meiner, deiner Seite, was mich, was dich betrifft, und in diesem distributiven, die Gebiete des Ich und Du gleichsam abgränzenden Sinne auch ich und du selbst (°). Es ist dies eine wahre Verknüpfung des persönlichen und des Ortsbegriffs, in der aber der erstere untrennbar durch den letzteren bedingt wird. Konata scheint nun nie anders, als in diesem beschränkten Verstande, zum Pronomen erster Person gebraucht zu werden. (') Oyanguren $.23. Rodriguez bei Landresse 8.21. Collado p.15. (?) Oyanguren führt das einfache Ao für hier an, p.121. () Rodriguez 8.72. (‘) Sonata, la de essa parte Oyanguren 8.23. Vergl. auch p.51. 127. (°) Collado p.14. mit dem Pronomen in einigen Sprachen. 15 Denn Collado führt es nur so bei der ersten Person an, Rod riguez läfst es bei dieser Person ganz weg, und wenn Oyanguren es bei ihr unbedingt, als Pronomen unter gleichen Personen, aufführt, so mag dies nur eine an- dere Art der Ungenauigkeit sein. Sonata dagegen ist nach allen drei Gram- matikern unbedingt Pronomen der zweiten Person geworden. Dafs alle Er- innerung an den Ortshegriff durch den Sprachgebrauch darin verschwunden ist, sicht man daraus, dafs, obgleich sono und sonata, ihrer Stammbedeutung nach, durchaus gleichbedeutend sind, dennoch sono atari nur nahe bei jenem Ort, sonata atari aber nahe bei dir (!) heifst. Dafs das schon aus alari zusammengesetzte sonata auf’s neue mit atari verbunden wird, darf nicht befremden. Die erste Verbindung ist in Eins verschmolzen, und hat eine neue Bedeutung erhalten. Konata auf der andern Seite wird auch als Pronomen zweiter Person, aber nur im Gespräch mit Vornehmen, gebraucht. Da dies einstimmig bezeugt wird, so kann kein Mifsverständnifs darüber ob- walten. Wie aber ein Wort, das der ersten Person angehört, und überhaupt nur in bedingtem Sinne Pronomen ist, zur Anrede gebraucht werden kann, erklärt keiner der Grammatiker. Die Begriffe der Demuth gegen Mächtigere gestalten sich indefs bisweilen so sonderbar in den Sprachen, dafs keine Er- scheinung dieser Art zu schr verwundern darf. Rodriguez, Collado’s und Oyangurens Arbeiten, um sie in der Folge ihres Erscheinens zu nennen, tragen dagegen auch so viele Spuren der Unvollkommenheit an sich, und stimmen so wenig mit einander über- ein (*), dafs man sich des Wunsches nicht erwehren kann, erst das Factische über diesen Punkt sichrer und bestimmter festgestellt zu schen. (') Oyanguren p.124. (?) Rodriguez erwähnt Aonata als Pronomen erster Person gar nicht. Nach seiner wun- derbaren Eintheilung, wo die einzelnen Pronomina theils im etymologischen, theils im syntak- tischen Theil aufgeführt werden, hat er sonata (übersetzt bei Landresse F’ous) im ersteren als einziges Pronomen zweiter Person. Im letzteren kommen unter mehreren Formen Aonata und sonata (verglichen mit Yotre Excellence) als termes honorifiques vor. 8.18 u.76. p.81. Nach Oyanguren ist Aonata gemeines Pronomen der ersten Person, dagegen vornehmes der zweiten, und in dieser ist ihm sonata, als unter Gleichen geltend, entgegengesetzt (p.21. 22.). Sie widersprechen sich also über sonata geradezu. Collado giebt sonata gerade wie Oyan- guren, als Pronomen zweiter Person unter gleichen Personen, konata dagegen als gegen Vor- nehme gebraucht. Es erklärt sich auch aus ihm, wie Oyanguren Aonata als Pronomen erster Person aufführen und Rodriguez es als solches auslassen kann. Konata, sagt er, kocht, 16 W.v.Hunsorpr: über die Verwandtschaft der Ortsadverbien In durchgängiger, wechselseitiger Beziehung aber mit den Ortsbegrif- fen stehen die Pronomina in der Armenischen Sprache. Die drei Pronominal- Personen und die verschiednen Standpunkte im Raum, welche die Sprachen nach den Graden der Entfernung durch Adverbia und durch das Pronomen demonstrativum anzudeuten pflegen, werden durch die drei consonantischen Laute s, t, n bezeichnet. S deutet das Ich und den Ort des Redenden, das hier an, t das Du und den Ort des Angeredeten, das lateinische istie, n das Er, Sie, Es, und den vom Orte des Redenden und Angeredeten verschie- denen dritten Ort, das lateinische ö&e. Nach diesen zwei Hauptzweigen der Bedeutung bilden sich nun aus diesen Lauten auf der einen Seite die drei persönlichen Pronomina, und auf der andren genau entsprechend die drei Entfernungsgrade des demonstrativen, so wie der selbstständigen Orts- adverbia (!). Zum Behuf dieser Bildungen nehmen jene drei Consonanten Vocale und andere Hülfslaute an, allein in so merkwürdiger Regelmäfsigkeit, dafs dieselben Hülfslaute, ohne die kleinste Veränderung, immer durch alle jene drei Laute gehen, und in solcher Verschiedenheit der Vocalstellung, dafs es auf den ersten Anblick in die Augen springt, dafs die Bedeutsamkeit allein in den Consonanten liegt. Zes, ich, zou, du, inkn, er, ohne Unter- schied des Geschlechts, sind die drei persönlichen Pronomina. TZou und inkn unterbrechen hier allein die Regelmäfsigkeit der Bildung, da man an konofo significant idem quod ego, mei cet., sed in modo loquendi quasi distributivo, ex parte med, vel quantum ad me attinet, quibus respondent sochi, sonofo, sonata, quae significant tu, ete., et ex parte tua, seu quod ad te pertinet. Ehe er aber diese Bemerkung macht, sagt er unter dem Artikel des Pronomen zweiter Person, dafs sochi eine der im Ge- spräch mit einem Niedrigeren üblichen Formen ist, und fährt darauf fort: si autem loquimur cum aequalibus vel aliquantulum inferioribus, utimur una ex tribus particulis videlicet sonata, sonofo, vare sama. In dem Artikel des Pronomen erster Person erwähnt er dagegen Aonatia nicht. Man sieht also hieraus, dafs das letztere Wort weniger als sonata in den allgemeinen Pronominal- Ausdruck übergegangen ist. Wie es kommt, dafs Aonata zum Du gegen Vornehmere geworden ist, erfährt man auch aus Collado nicht. Collado p.13. 14. Die drei Gattungen des Pronomen dritter Person, Aono, hic, sono, iste, ano, ille, theilt Collado ganz bestimmt ab (ib. p.15.). An einen möglichen Zusammenhang dieser Pronomina mit den Ortsbezeichnungen scheint keiner von allen drei Grammatikern gedacht zu haben. (') Von einfachen Adverbien besitzt die Sprache zwar nur zwei: asd, hier, ant, für das zweifache dort. Aber zusammengesetzte kommen in allen drei Graden vor: ais-ren, hier, alt-ren, dort bei dir, ant-ren, dort bei ihm, und ebenso as-di, ai-di (wo nur £vor d weggefallen ist), an-di. mit dem Pronomen in einigen Sprachen. 47 ihrer Stelle ze und zen erwarten sollte. Allein die drei Demonstrativ - Pro- nomina halten in aller Verschiedenheit der Ableitungen vollkommen gleichen Schritt. Denn es finden sich sa, ta, na, ais, alt, ain, sum, tun, nuin, und, zwar nicht in der gewöhnlichen Schriftsprache, aber in alten Rheto- riken, auch noch i . sd, id, nä, dis, dt, an, Das Vorwalten der allein bedeutsamen Consonanten liegt hier am Tage, sie sind aber nicht aus diesen Bildungen nur durch grammatische Ana- lyse gezogen, sondern die Sprache bedient sich ihrer, als Suffixa anderer Wörter, um an ihnen diese verschiedenen Beziehungen auszudrücken. In dieser Eigenschaft trennen die einheimischen Armenischen Gram- matiker sie unter dem Namen bestimmender Partikeln gänzlich von dem Pronomen, geben aber ganz richtig an, dafs sie die Grundlage der per- sönlichen, possessiven und demonstrativen Pronomina bilden (!). Auf diese doppelte Weise geht ihr Gebrauch durch alle Theile der Sprache und über- all so, dafs sie den Ort und die Person anzeigen, oder vielmehr den Orts- und Personenbegriff in Eins verschmelzen. Es entsteht daher hier die natürliche, und in der gegenwärtigen Unter- suchung gerade sehr wichtige Frage, welcher dieser beiden Begriffe, als der ursprüngliche, auf den andren übergetragen worden ist? und so schwierig auch alles Eingehen in den Ursprung grammatischer Eigenthümlichkeiten ist, so führt doch hier die genauere Betrachtung des Armenischen Pronomen und Verbum zu einer sehr wahrscheinlichen Beantwortung jener Frage. Der Pronominallaut s kommt im persönlichen Pronomen erster Person einzig als (') Man vergleiche Awedikean’s 1515 zu S. Lazaro gedruckte Grammatik. S.449. 8.1070. Ir. Professor Neumann, dessen ich schon oben erwähnte, und welcher Verfasser des mit seltener Kenntnifs der Armenischen Sprache und Literatur abgefafsten und in Paris erschienenen memoire sur la vie et les ouvrages de David ete. ist, hat die Güte gehabt, den das Armenische betreffenden Theil dieser Abhandlung genau durchzugehen, und an mehr als einer Stelle zu be- richtigen. Auch verdanke ich ihm alle Anführungen aus Awedikean’s in Armenischer Sprache geschriebener Grammatik. Hist. philol. Klasse 1829. C 18 W.v. Humsouor: über die Ferwandtschaft der Ortsadverbien Nominativ im Singular vor. Denn dafs er sich auch, nur mit kleiner Vocal- veränderung, im Dativ, ar is, mir, und im Accusativ, /s’is, mich, findet, beweist darum nichts, weil diese Casus im Armenischen nur die ursprüng- lichen Wörter mit vorgesetzter Praeposition sind. Den übrigen Casus, na- mentlich dem die Declination hauptsächlich bestimmenden Genitiv, dem Besitzpronomen und der Endung der ersten Person singularis des Verbum ist das s gänzlich fremd. In allen diesen Fällen tritt, vermuthlich mit dem Sanskritischen aus derselben Quelle stammend, m ein. Dies ist der bedeut- same Laut im Genitiv, im, meiner, wie im Sanskrit im gleichen Casus; m bildet, wie im Griechischen, durch alle Casus hindurch den Plural, miek, wir, mier, unsrer, u.s.w., wird als Genitiv des selbstständigen Pronomen "zum wieder declinirbaren Nominativ des Besitzpronomen, im, mein, imk, meine, und ist weit regelmäfsiger, als in irgend einer der andren Sanskri- üschen Sprachen, durch die gesammte Conjugation im Praesens, dessen En- dungen noch unabgeschliffen geblieben sind, im Singular und Plural der Flexionsbuchstabe der ersten Person: iem, ich bin, zemk, wir sind, sirem, ich liebe, siremk, wir lieben. Man kann daher m nicht anders, als für den herrschenden Pronominallaut der ersten Person in der Sprache halten, wenn auch für den Nominativus singularis ein anderer gilt. Mit dem i der zweiten Person verhält es sich auf eine ähnliche, aber nicht ganz auf dieselbe Weise. Es macht auch nur den Nominativ aus, und ist den übrigen Casus, dem Besitzpronomen, und der zweiten Person des Verbum fremd. Aber es bil- det auch, mit blofser Anhängung der Pluralendung, den Nominativus pluralis for) touk, ihr, und ist, nur mit kleiner Verschiedenheit des Lauts, noch auch in den obliquen Casus des Plurals, tsier, tsiez, eurer, sichtbar. Dagegen hat das k des Genitiv ko, deiner, welcher auch zum Besitzpronomen wird, kein so weites Gebiet, als das m der ersten Person. Denn es ist vom Plural des selbstständigen Pronomen und vom Verbum im Singular ausgeschlossen, des- sen zweite Person sich im Singular in s und r endigt; zes, du bist, &är, du warst, sires, du liebst, sirezer, du hast geliebt. Im Plural sagt man zwar &k, ihr seid, &irk, ihr wart, doch scheint dieses A nicht mit ko, son- dern mit dem % zusammenzuhängen, welches durchaus den Plural anzeigt und sehr wahrscheinlich aus der Mehrheitspartikel ig entstanden ist. Wenn man diese Flexionen und die von dem ies der ersten Person abweichende Form der zweiten, zou, betrachtet, so kann man sich kaum erwehren zu glauben, mit dem Pronomen in einigen Sprachen. 19 dafs das der zweiten Person des Armenischen Pronomen mehr das Sans- kritische twam (in seiner ursprünglichen Form zu) (!), als das Armenische Orts-Suffixum ist, oder dafs wenigstens beide auf merkwürdige Weise darin zusammengellossen sind. Vielleicht aber ist, denn wer möchte hierüber mehr als unbestimmte Muthmafsungen wagen? auch das Armenische £ der Urlaut, dem selbst das Sanskritische seinen Ursprung verdankt. Der Pronominallaut der dritten Person, z, geht durch alle Casus, und durch das ganze Besitz- pronomen, und bildet auch den Flexionsbuchstaben der dritten Person des Verbum, jedoch nur im Plural. Ich übergehe ihn aber, weil das Pronomen dritter Person, seiner Natur nach, mit dem Demonstrativ - Pronomen “und daher mit dem Ortsbegriff sehr nahe verwandt ist. Die so eben versuchte Zergliederung beweist, dafs die Ortsbezeich- nungen s und 2, ob sie gleich wirklich zum selbstständigen Pronomen die- nen, und das Ich z.B. keine andere Bezeichnung in der Sprache hat, als ies, dennoch, als wahre Personenlaute, nicht herrschend sind, sondern dafs die Function der Personenbezeichnung weit mehr durch andere, mit dem Ort in keiner sichtbaren Verbindung stehende Laute, für die erste Person durch m, für die zweite Person durch A und s verrichtet werden. Dagegen sind in allen Formen des Demonstrativ-Pronomen, das nichts anders als eine Be- zeichnung einer dritten Person nach ihrer auf irgend ein Orts-, Zeit- oder Sachverhältnifs bezogenen Nähe oder Ferne ist, die Laute s, £, n beständig, in allen Casus und durch das ganze, auch aus ihren Genitiv gebildete Besitz- pronomen. In dieser Bedeutung, nämlich zur Bezeichnung des Orts- und Zeitverhältnisses, werden s, £, z selbst wiederum an die von ihnen gebildeten Pronomina angehängt; ies-t, ich dort, miek-s, wir hier, mintsch ar Isiez iem’s, so lange ich bei euch hier bin. Dieser Unterschied zeigt deut- lich die Natur dieser Laute, und enthält, wie es mir scheint, einen hinläng- lichen Grund, anzunehmen, dafs nicht die nach andren Beziehungen gewähl- ten Personenzeichen zu Ortsbezeichnungen gebraucht werden, sondern um- gekehrt diese an die Stelle jener getreten sind. Damit stimmt auch über- ein, dafs, als Suffixa, diese Laute gar keinen Unterschied des Geschlechts und der Zahl zulassen, sondern eben so wohl ich als wir, du als ihr be- deuten. (‘) Grammatica critica linguae Sanskritae a Fr. Bopp. r.265. p.131. 02 1m 20 W.v. Humsoıor: über die Verwandtschaft der Ortsadverbien Auf diese Weise liefert also die Armenische Sprache einen deutlichen und vollständigen Beweis, dafs die Pronominallaute aus der Abtheilung des Raums, nach den Standpunkten der Redenden, in den Sprachen entstehen können; ich kenne aber, wenn ich das oben von der Japanischen Gesagte ausnehme, bis jetzt keine Sprache, in der ein zweites gleich sichtbar da- stehendes Beispiel dieser Art vorhanden wäre. Zugleich geht aus dem hier Entwickelten hervor, dafs im Armenischen Pronomen Laute mehr als Eines Sprachstammes zusammengeflossen sind. Mund die Personenendung s ge- hören offenbar dem Sanskrit an. Über den Ursprung des k wage ich nicht zu entscheiden. Die Suffisa und die ganze Art ihres Gebrauchs kann man nur als der Sprache ursprünglich einverleibt ansehen. Sie ist zu tief in sie verwebt, und an sich zu eigenthümlich, als dafs man ihnen einen fremden Ursprung beimessen könnte. Solche Mischungen verschiedener Pronominal- stämme finden sich auch in anderen Sprachen. Ein Theil des Sanskritischen Pronomen gehört z. B. dem Malayischen au. Man sieht daraus, wie stark schon in den frühesten Zeiten die Verbindungen der Völker gewesen sein müssen, da auch so ursprüngliche Laute, als die Pronomina sind, die Spuren davon an sich tragen. Ich habe bis hierher von den drei Lauten s, z, r nur in etymologischer Hinsicht, nur als von Elementen der Pronominalwörter, gesprochen. Ich glaube aber auch nicht unterlassen zu dürfen, mit Wenigem noch ihres un- mittelbaren Gebrauchs in der Sprache zu erwähnen, theils weil ich keine andre kenne, welche diese Eigenthümlichkeit in ihrer Redefügung besäfse, theils aber und besonders, weil daraus noch mehr erhellen wird, wie in die- sen Lauten Orts- und Personenbegriff ineinander fliefst. Sie werden den Wörtern hinten, und ohne Bindevocal, angehängt. Nur wenn das Wort aufa ausgeht, wird ein euphonisches 7 dazwischen geschoben; sa-i-s, dieser hier. Da die Suflixa blofs das Wort nach den in ihnen liegenden Begriffen bestimmen, und keiner grammatischen Kategorie ausschliefslich angehören, so können sie die persönlichen, possessiven und demonstrativen Pronomina darstellen, den Ort anzeigen, und, auf die Zeit angewandt, und an Verba ge- hängt, die Tempora dieser, sie in ihrer Bedeutung verstärkend, begleiten. Wirklich braucht sie die Sprache zu dem Allem, hair-s kann ich Vater, mein Vater, dieser Vater und Vater hier heifsen; gam-s bedeutet: ich befinde mich jetzt,.oder hier; merkan-n (mit doppeltem z hinten), mit dem Pronomen in einigen Sprachen. 21 sie starben damals, oder dort. Allein in keinem dieser Beispiele dient das Suffixum dazu, die grammatische Verschiedenheit dieser Fälle anzudeuten, sondern diese Andeutung wird durch andere Mittel erreicht. Wenn die Suf- fixa an Substantiva angefügt werden, lassen sie vielmehr, wie wir oben ge- sehen haben, eine grammatische Unbestimmtheit zurück, und wenn sie Verba begleiten, so besitzen diese durch ihre Flexion Alles, was zur genauesten Be- zeichnung des Tempus nothwendig ist. Die Sprache zählt die Suffixe nicht, wie es die agglutinirenden Sprachen thun, zu den Mitteln, durch welche sie die Redetheile trennt und bezeichnet; sie bedient sich ihrer nur in der syn- taktischen Fügung, um der Rede mehr Klarheit, mehr Kürze, und neben diesen Zwecken, und abgesondert von ihnen, durch das kurze flexionsartige Bezeichnen des Zusammengehörenden mehr Concinnität und logische Sym- metrie zu geben. Endlich, wie in den Sprachen der Laut oft dasjenige in Anspruch nimmt, was ursprünglich nur für den Begriff bestimmt war, dienen die Suffixa zur Erhöhung des Numerus des Periodenbaues. Wo die Sprache, wie es der Armenischen vorzugsweise eigen ist, in der Redefügung eng ver- bundene Wörter gleichsam als Ein Wort behandelt, hat man die Wahl, die Suffixa, an welches von diesen Wörtern man will, zu setzen, so dafs sie als- dann oft von demjenigen Wort entfernt werden, für das sie eigentlich be- stimmt sind. Blofs das Zusammengehörende näher an einander geknüpft wird durch die Suffixa, wenn ein Substantivum sie annimmt, welchem sein Pronomen demonstralivum oder possessivum nachfolgt. Indefs ist der Zusatz nie ganz bedeutungslos, sondern es ist ebenso, als würde das Besitzpronomen durch ein Ortsadverbium noch näher bestimmt, das demonstrative verstärkt; air-s ais, dieser Mann hier, i kAoum agan-t, in deinem Auge dort. Das Suffixum wird auch bisweilen an das Besitzpronomen gefügt, aber in diesen Fällen immer nur das der gleichen Person, so dafs Ort und Person einander begleiten, nicht etwa so, dafs z. B. durch das Suffixum der dritten Person, verbunden mit dem Besitzpronomen der ersten, eine meiner entfernten Sachen angedeutet würde. Da die Pronominal-Suffixa den Begriff der Selbstständigkeit an einem bestimmten Ort enthalten, so fällt das der dritten Person, welches einen vom Redenden und Angeredeten unabhängigen Ort andeutet, in seiner Wir- kung mit dem bestimmten Artikel anderer Sprachen zusammen, und wirk- 22 W. v. Humsoınpr: über die Verwandischaft der Ortsadverbien lich gilt dies n auch im Armenischen, das sonst keinen Artikel besitzt, so- wohl im Singular, als Plural für einen solchen; mart, Mensch, mart-n, der Mensch. Doch waltet auch in diesem Gebrauch in dem z immer der Ortsgebriff zugleich mit vor, und hat sich nicht, wie im Griechischen und Deutschen, bis zu der reinen Function des Artikels abgeschliffen, in welcher derselbe da, wo er nicht bestimmte Individuen anzeigt, eigentlich in Einer Kategorie mit den Zahlwörtern stehend, den Umfang des Begriffs in seiner Allheit bezeichnet. Das Gefühl dieses Mangels eines reinen Artikels im Ar- menischen hatte den Philosophen David (!) zu dem Versuche veranlafst, einen neuen selbstständigen Artikel in seine Sprache einzuführen. Allein auch zu diesem hatte er sich, der innersten Analogie der Sprache nach, des Suffixes der dritten Person, z, bedient. Mit dem eben erwähnten artikelartigen Gebrauche hängt aine andere Function dieser Suffixa, nämlich die zusammen, Wörtern, die, wie Adjectiva, Besitzpronomina, Zahlwörter, grammatisch abhängig sind, da, wo es der Sinn der Rede verlangt, substantivische Kraft zu verleihen; /s- mier-s anartäk, das Unsrige verachtet ihr, tschork-n merhan, Viere (oder die Viere) sind gestorben. Ganz als Pronomina werden die Suffixa gebraucht, wenn man sie die Stelle ausgelassener Wörter, die aber nothwendig aus dem ganzen Zusammen- hange hervorgehen müssen, vertreten, oder auf schon da gewesene, deren Wiederholung vermieden werden soll, zurückweisen läfst, und dadurch Kürze und Energie im Ausdruck gewinnt. So kann man, mit Weglassung des Wortes hraman, Befehl, und Anhängung des Suffixes dritter Person, sagen: iprew louan Js-thakawori-n, als sie das des Königs erfuhren, wobei noch das Merkwürdige ist, dafs, der Auslassung des vom Verbum regierten Substantiys ungeachtet, dennoch unmittelbar vor den Genitiv das Zeichen des Accusa- tivs, /s, gesetzt wird, das sich jetzt auf nichts anderes, als auf das Suffixum beziehen kann. Bisweilen steht auch neben dem Suffixum noch das eigent- liche Pronomen im Genitiv, den das Suffixum, als wäre es ein Substantivum, regiert. Wenn auf diese Weise aisorig fs’ chapaneleaz-s, dieser die (Ac- cusativ) Gefangenen-hier, gesagt wird, so ist es eben soviel, als wenn Js” sosa aisorig chapaneleaz-s, diese (Accusativ) dieser Gefangenen- (') Memoire sur la vie et les ouvrages de David par C. F. Neumann p.85. mit dem Pronomen in einigen Sprachen. 23 hier, stände. Der Satz chozedel fs’ i verai barsbi-n, ist gerade, wie wenn wir sagen: die auf dem Walle verwunden, so dafs unser die durch das Suffixum bezeichnet ist. Auch in dieser Redensart steht das Accusativ- zeichen, und zwar hier vor der Praeposition, indem auf die vorhin erwähnte Weise die auf dem Walle als Ein Wort angesehen wird (!). In den hier erwähnten Redensarten sind die Suffixe vollkommen das selbstständig genommene Demonstrativ-Pronomen. Dasselbe scheint in einer anderen Gattung ihres Gebrauchs der Fall zu sein. Man verbindet nämlich die Suffixa mit allen Flexionen des Verbum, und, wie sonderbar es scheint, mit den persönlichen Pronomina. Oft wird alsdann das Verbum von einem relativen Redetheil (Pronomen, Adverbium oder Conjunction) regiert, und so schwierig es auch bisweilen ist, sich recht klar zu machen, was das Sufhix in diesen Redensarten eigentlich bewirken soll, so scheint doch der allge- meine Zweck seiner Hinzufügung die Andeutung des Gegenstandes zu sein, auf das sich das Relativum bezieht. Man will bezeichnen, in welche der drei Ortskategorieen das dem Relativum gegenüber gestellte Demonstrativum ge- hört. Ss-or ies-s kordsem, das hier, was ich thue; s-or ies-t sirem, das da, was ich liebe. In diesen zwei Redensarten werden verschiedene Entfernungsgrade an dasselbe Pronomen geknüpft, und es ist nicht zu läug- nen, dafs in der Anhängung dieser einzelnen Laute im Armenischen eine viel kürzere, klarere, und dem Verstande wohlgefälligere Bestimmtheit erreicht wird, als bei der schleppenden Hinzufügung von Adverbien in andren Spra- chen möglich ist. Auch dafs die Anhängung geradezu an das den Redenden darstellende Pronomen geschieht, giebt dem Ausdruck eine eigene Lebendig- keit, indem dadurch das Verhältnifs des Subjects zum Object unmittelbar bildlich ins Auge tritt. Das Pronomen der zweiten Person kann sich auf diese Weise nur mit zwei Suffixen, und das der dritten Person nur mit Einem verbinden. Bei der Anfügung der Suffixa an das Verbum verhält es sich zwar auf ähnliche Weise, die Entfernungsgrade können sich aber da, aufser dem Raum, noch auf die Zeit beziehen, und auch die Person kommt mehr in (') Die Richtigkeit der Bemerkung, dafs hier das Accusativzeichen sich auf das Suffixum bezieht, wird auch durch Awedikean’s Grammatik S. 346. 8.869. bestätigt. Allein auch ohne Suffixum steht das Accusativzeichen bisweilen vor einem Genitiv in Beziehung auf ein diesen regierendes Substantivum. Als Beispiel einer solchen Construction wird Paulus Ep.I. an die Korinther IX, 25. aus der Armenischen Bibelübersetzung angeführt. 24 W.v. Humsorpr: über die Perwandischaft der Ortsadverbien Betrachtung, da sie in diesen Fällen gewöhnlich nur durch die Flexion an- gedeutet ist. Denn es scheint sogar, als würden die Suffixe nur dann an das Verbum angehängt, wann der Satz kein ausdrückliches Pronomen in sich fafst. In den Worten mintschterh arschawem-s, indem ich laufe, ver- binden sich daher in dem Suffixum die Begriffe: ich, hier und jetzt, oder können es wenigstens, wenn auch nach dem Zusammenhang der ganzen Rede vielleicht mehr Gewicht auf einen darunter fällt. Die Worte /s-or Arezit, mit dem Suffix der zweiten Person, heifsen, wenn man das Suffix unbeachtet läfst, blofs: was ich geschrieben habe. Mit Rücksicht auf das Suflix aber werden sie übersetzt: was ich dir geschrieben habe. Auf den ersten Anblick sollte man also glauben, das Suffix wäre hier, wie in mehre- ren, besonders Amerikanischen Sprachen, nichts anderes, als das angehängte regierte Pronomen. Allein die ganze Art, wie diese Armenischen Suffixa gebraucht werden, ist dieser Ansicht entgegen, und macht es viel wahrschein- licher, dafs im Sinne des Volks der Ortsbegriff hier vorherrschend, oder we- nigstens mit dem Begriff des Pronomen untrennbar verbunden ist. Es ist nicht sowohl das Pronomen selbst, das durch das Suffix hier ausgedrückt wird, als der Grundbegriff der Existenz in einem bestimmten Raume, von dem aus man im Armenischen auf das Pronomen übergeht. Die Redensart gleicht nicht wenig der oben erwähnten Tongischen: ich spreche dahin, statt ich spreche zu dir. Sie würde aber auch im Armenischen nicht so geradezu und isolirt hingestellt, sondern immer in einen, das Verständnifs erleichternden Zusammenhang gehracht werden. Ich habe mich bei der Erläuterung dieser Armenischen Sufixa viel- leicht länger aufgehalten, als es für den unmittelbaren Zweck meiner Ab- handlung nothwendig gewesen wäre. Es scheint mir aber nicht unwichtig, 5 an diesem Beispiel zu zeigen, wie gar nicht durch die allgemeinen Sprach- gesetze geforderte Ansichten bisweilen in den Sprachen so fest und herr- schend werden, dafs sie zuletzt einen wesentlichen Theil ihrer Fügungs- gesetze ausmachen. Ihr Ursprung mag vielleicht oft blofs zufällig seyn, aber die Zeit verleiht ihnen Beständigkeit, und wenn die Sprache, wie dies bei der Armenischen früh und vielfach des Fall war, sich einer gramma- tischen Bearbeitung erfreut, so werden sie in feste Regeln und Formen ge- bracht. Die Sprachkunde darf sie nicht, als für die allgemeine Grammatik unwesentlich, vernachlässigen, da es ihr gleich wichtig sein mufs, die ganz mit dem Pronomen in einigen Sprachen. 25 individuelle Physiognomie der Sprachen, die jene Ansichten vorzugsweise bezeichnen, als das Allgemeinere aufzufassen, durch das alle Sprachen, nur in verschiedenen Formen, mit einander verbunden sind. Ich kann auch diese Materie nicht verlassen, ohne darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig nicht blofs wegen der Literatur und der Armenischen Übersetzungen aus dem Griechischen, sondern auch unmittelbar für die Sprachkunde eine allgemeinere Verbreitung des Studiums des Armenischen in Deutschland, wo es ganz danieder liegt, sein würde. Der nahe Zusammen- hang, in dem diese Sprache mit dem Alt-Persischen, besonders dem Pehlwi, insoweit man dieses aus den so wenigen Monumenten, die uns in dieser Sprache grammatischen 8 Eigenthümlichkeiten, welche sie selbst besitzt, und die feinere und sorgfäl- erhalten sind, schliefsen kann, steht, die höchst merkwürdigen tigere Bearbeitung, die sie den Nachbildungen der Griechischen verdankt, machen sie zu einem wichtigeren Gegenstande der philosophischen und hi- storischen Forschung, als sich sonst im Sprachgebiete leicht darbieten kann. Schon in sehr früher Zeit scheint sie Mischungen erfahren zu haben, deren Spuren auch ihre Grammatik noch heute an sich trägt. Die im Vorigen angeführten Beispiele zeigen, wie die Pronomina aus den Ortsadverbien hergenommen werden können. Im Armenischen ist dies so vollständig, regelmäfsig und sichtbar geschehen, dafs über die Sicherheit dieser etymologischen Ableitung durchaus kein Zweifel obwalten kann. Man sieht hieraus zugleich an einem neuen Beweise mehr, wie die reinen Formen der Anschauung, Raum und Zeit, vorzugsweise geeignet sind, die in der Sprache so häufig vorkommende Übertragung abgezogener oder schwer zu versinnlichender Begriffe auf concrete angemessen zu vermitteln. Auf die, blofs aus ihren Standpunkten hergenommene Bezeichnung der Personen sei es mir vergönnt, eine sinnlich schöne und lebendige An- deutung des Du in einer anderen Sprache folgen zu lassen, und damit diese Betrachtungen zu beschliefsen. Die Neu-Seeländische Sprache bildet bei mehreren Wörtern den Vocativus nicht so, dafs sie den ihm eigenthümlichen Anruf e vor den Nominativus setzt, sondern braucht ein ganz eigenes Wort für denselben. So ist matiüa, der Vater, täma ine, die Tochter, aber o Vater, e pä, o Tochter, e ko. Es ist dies ein in die Sprache über- gegangener höchst natürlicher Redegebrauch. Der Vocatiyus tritt gänzlich aus der Reihe der übrigen Casus heraus. Indem diese zur objectiven, aus Hist. philol, Klasse 1829. D 26 W.v.Humsouor: über die Verwandischaft der Ortsadverbien u.s.w. dem Subject hinausgestellten Rede dienen, verbindet er durch eine Hand- lang des Willens, oder durch eine Empfindung, unmittelbar das Subject mit dem Gegenstand, er kann zugleich in den meisten Fällen als der Casus der zweiten Pronominalperson betrachtet werden. Es begreift sich daher leicht, dafs man für ihn innigere Ausdrücke, wie p@ in der Sprache dafür gilt, oder kürzere, wie Aö (eigentlich Mädchen) ist, braucht. Will man nun einen Menschen überhaupt, für den man keine besondere Benennung hat, an- reden, so giebt es dafür ein eigenes, in der Beziehung auf Menschen, allein im Vocativ gebräuchliches Wort, mära. Nach Lee, dem Verfasser der Neu- Seeländischen Grammatik (!), heifst dies eine demjenigen, der sie anredet, gegenüberstehende Person. £ mära, gebraucht wie unser rufendes du, ihr, heifst also wörtlich: o gegenüber. Zugleich aber, und dies ist sichtlich der ursprünglichere Begriff, heifst mära ein offener, der Sonne ausgesetzter Platz, und ist dasselbe Wort mit märama, hell, erleuchtet, licht. Diese Metapher ist also hier auf das im Gegenüberstehen frei entfaltet da liegende, entgegenleuchtende menschliche Gesicht angewendet. Wir könnten es ganz treu durch o Antlitz! übersetzen. Der Ortsbegriff hat damit nur mittelbar zu schaffen. (') Wörterbuch p.176. A person fronting an other who addresses him. —— Vergleichende Zergliederung des Sanskrits und der mit ıhm verwandten Sprachen. Vierte Abhandlung. Über einige Demonstratiy-Stämme und ihren Zusammenhang mit verschiedenen Präpositionen und Conjunctionen. Von 3.B.O ER; [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 7. Januar 1830.] I. meiner Abhandlung über den Pronominalstamm ta habe ich auf die Er- scheinung aufmerksam gemacht, dafs das Griechische, Gothische und Alt- nordische diesem Pronomen im männlichen Singular-Nominativ das gewöhn- liche Casuszeichen entziehen, und dafs auch das Sanskrit an diesem Pro- nomen das Casuszeichen s in seiner Urgestalt niemals, und in seinen eupho- nischen Veränderungen nur unter grofser Beschränkung zuläfst. Wir erklärten diese auffallende und gewifs nicht zufällige Übereinstimmung von vier der vollkommensten Glieder der sanskritischen Sprachfamilie aus der Abneigung des besagten Pronomens, sich im Nominativ noch einmal mit sich selbst zu verbinden. Wenn die Zendsprache, welche seitdem Hr. E.Burnouf in einem einsichtsvollen Artikel im Journal Asiatique (1) in dieser Beziehung mit in Betrachtung gezogen hat, an der erwähnten Erscheinung keinen Antheil nimmt, so kann dieser eine Zeuge die Aussage von vier Gegenzeugen nicht entkräften, und da das Zend in mancher Beziehung den Urzustand der Sprache weniger treu als das Sanskrit und Griechische aufbewahrt hat, so scheint es uns schr natürlich, anzunehmen, dafs diese Sprache wegen des in ihr schon mehr abgestumpften Gefühls der Bedeutung und Herkunft des Nominativ- zeichens unseren Pronominalstamm za nach der Weise anderer Nominative aus Grundformen auf a gebildet hat, zumal da solche Grundformen das an- zuschliefsende s niemals unverändert lassen, sondern stets mit dem voran- (‘) April 1829. p.307 u. ff. 28 Bopp: vergleichende Zergliederung des Sanskrits gehenden a zu ö6 (=au) zusammenziehen. In der Umwandlung des dem Singular-Nominativ der beiden Geschlechter eigenthümlichen radicalen s in h stimmt das Zend, wie Herr Burnouf gezeigt hat, auffallend mit dem Griechischen überein. Was aber das Vocalverhältnifs zwischen dem zendi- schen }6 und dem griechischen ö anbelangt, so ist die Übereinstimmung mehr täuschend als wirklich, denn das kurze a am Ende sanskritischer Wort- stämme ist im Griechischen immer o geworden, im Zend aber unverändert geblieben oder ae geworden, und nur in der Vereinigung mit einem zu u verschmolzenen s ist es in ein langes o (6) übergegangen. Ho ist aus has entsprungen, wie mano Geist aus manas. So wie im Zend die Nominativ-Endung a@-s immer in ö übergegangen ist (während im Sanskrit nur vor weichen Consonanten und dem Vocal a die Schlufssylbe as zu ö verschmilzt), so tritt dieselbe Erscheinung auch da ein, wo das s zum Wortstamme selbst gehört. Der sanskritische neutrale Wort- stamm manas Geist, der im Nom. Accus. Vocat. ohne Anfügung eines Casuszeichens unverändert bleibt, geht vor weichen Consonanten nach einem allgemeinen Lautgesetz in manö über, welches im Zend in jeder Stellung die Form der genannten Casus ist. Eine merkwürdige Übereinstimmung bietet das Alt-Slavische in dieser Beziehung dar. So wie im Sanskrit der neutrale Wortstamm nab‘as Himmel, unter gewissen euphonischen Bedingungen nab’ö wird, welches im Zend in jeder Stellung stehen würde, so lautet auch im Alt-Slavischen dasselbe Wort, ebenfalls Neutrum, im flexionslosen Nom. Accus. Vocat. nebo, der Stamm aber ist nebes, woraus alle Casus, welche nicht, wie die drei genannten, flexionslos sind, entspringen, wie zebes-e, nebes-em u.S.W. Den sanskritischen neutralen Wortstämmen auf as, denen die alt- slavischen auf es gegenüberstehen, entsprechen die griechischen auf cs und die lateinischen auf er (wie genus, gener-is), und namentlich entspricht dem sanskritischen Wortstamm zab‘as das griechische vepes. Im sanskritischen Ausdruck gehört aber das s zum Stamme, womit der Nom. Accus. Vocat. identisch sind, während im Griechischen das $ Nominativzeichen zu sein scheint. Die Vergleichung mit dem Sanskrit, Alt-Slavischen und Lateinischen nöthigt jedoch zu der Annahme, dafs den obliquen Casus vepeos, vepeı u. S. W. die Formen v&per-os, veper-ı vorangegangen seien. Als aber so diese Wörter gebeugt wurden, da wird auch das 3 in vepes, Yevos und ähnlichen Formen und der mit ihm verwandten Sprachen. 29 nicht den Eindruck eines Flexionsbuchstaben gemacht haben. Dem Neutrum kommt im sanskritischen Sprachstamme kein s als Nominativzeichen zu, und wo im Griechischen Neutral-Nominative auf $ enden, da glauben wir diesem Buchstaben einen anderen Ursprung als den einer Casus-Endung zuschreiben zu müssen, In Formen, wie yivcs, v&bes, rechnen wir das $ zum Stamme, der yevss, v&des lautete, und dessen Endbuchstabe in yeveos, vedeos u. Ss. W. darum gewichen ist, weil 3, wo es in der letzten Sylbe zwischen zwei Vo- calen stand, sich leicht verdrängen liefs. Man vergleiche z. B. rirrcıs mit seiner Urform rUrrare. Wenn das 3 in yeves, v&des zum Stamme gehört, so wird man es auch in den aus solchen Neutren entspringenden alt-epischen Formen wie &ger$t, eyergı auf die Seite des Stammes setzen müssen, und wir verzichten auf unsere frühere Vermuthung, dafs das 8 in solchen Formen euphonische Ein- schiebung sei. Auch erklärt sich nun ganz befriedigend das $ in den Com- positis wie sazer-marcs, varer-pigss, &per-Aiss, und in den Ableitungen wie öger-zıos, öger-regos. Es gehört zum Stamme und die genannten Com- posita entsprechen ganz dem antiken Bau sanskritischer Composita wie nab’as-talam Himmels-Raum. Dagegen sind die Composita wie ögert- PBarrs so aufzufassen wie ich anderwärts das lateinische honorificus erklärt habe (!). In beiden Sprachen ist das ö nur ein Hülfsvocal zur Erleichterung der Verbindung. Wenn im Sanskrit die neutralen Substantive auf as am Ende adjectiver Composita erscheinen, so sind die drei Geschlechter in Ansehung des Stam- mes identisch. Der Nominativ sing. hat in den drei Geschlechtern kein Casuszeichen, allein das Masc. und Fem. verlängern den vorletzten Vocal, während das Neutrum die ursprüngliche Kürze behält. So bildet z.B. manas Geist, in Verbindung mit dur schlecht, das Compositum durmanas schlechten Geist, schlechtes Gemüth habend, wovon der Nom. masc. und fem., mit verlängertem Vocal, durmanäs lautet, während der des Neutrums mit dem Stamme identisch ist. Sehr merkwürdig ist in dieser Be- ziehung die Übereinstimmung des griechischen durusvns, 6, 4 = durmanäs m. f. und 75 öurusves — durmanas n. Wenn man aber zugibt, dafs das einfache ’ . - . - . kevos in seiner Grundform mit $ ende oder ursprünglich so geendet habe, (') Annals of Oriental literature p.48. 30 Boprp: vergleichende Zergliederung des Sanskrits so mufs man auch dem Compositum durmevis, Öurusves ein zum Stamm ge- hörendes $ einräumen und die obliquen Casus wie durueveos aus durueveros (Sanskr. durmanas-as) entspringen lassen. Zur Zeit, wo diese ursprünglichen Formen im Griechischen bestanden, konnte auch das 3 des Nominativs dvruevns, wie das des sanskritischen durmanäs, dem Stamme beigerechnet werden, oder es war anzunehmen, dafs das stammhafte & vor dem Flexions- 3 im männlichen und weiblichen Nominativ ausfiel. Aufserdem wo das & griechischer Neutra seinem Ursprunge nach dem Stamme und nicht der Flexion angehört, erscheint es im Nominativ und den mit ihm gleichlautenden Casus nur noch an einigen Substantiven wie xegas, regas, und im Part. perf., also nur noch an Stämmen, welehe mit T enden. Da aber im erhaltenen Zustand der griechischen Sprache T am Ende nicht geduldet wird, so könnte man annehmen, dafs in Neutral-Nominativen wie rerubes dem gänzlichen Untergang des schliefsenden T durch seine Verwand- lung in 8 vorgebeugt wurde, eine Annahme, welche durch die so gewöhn- liche Verwechslung von T in 3 unterstützt wird, wodurch unter andern die alte Präposition gori, dem sanskritischen prat entsprechend, nach Abwer- fung des ı in moös umgewandelt wurde. In den Partieipien, bei welchen dem schliefsenden T des Stammes ein N vorhergeht, konnte die Umwandlung des T in 3 nicht begünstigt werden, weil NS keine beliebte Verbindung ist; er- foderte aber oder gestattete das Neutrum das Nominativzeichen 3, so würde z. B. deızvuvr im Nom. neut. wie in dem des Masc. deizvis gebildet haben, etwa nur mit kurzem v, weil dem Neutrum in der letzten Sylbe nur kurze Vocale zusagen. Bei Substantiven wie x»g«s können wir, wie bei rerupis, eine Ver- tretung des T durch 3 annehmen; wo aber eine solche Verwechslung nicht eintrat, was bei der bei weitem überwiegenden Mehrheit neutraler Substan- tive auf T der Fall ist, da mufste dieser Buchstabe nach dem herrschenden Lautgesetz in den flexionslosen Casus unterdrückt werden, wie im Alt- Slavischen die Stämme auf 2 diesen Buchstaben im flexionslosen Nom. Acc. und Voc. ebenfalls unterdrücken und z.B. obtschat in den genannten Casus obtscha bildet. Bei Wörtern wie yigas, »ge«s, welche niemals ein T in der Declina- tion blicken lassen, braucht man darum auch keine Stämme auf T anzu- nehmen, sondern man kann den Hiatus in Yipass, ngeaos aus einem ausge- und der mit ihm verwandten Sprachen. 31 fallenen $ erklären. In Ansehung von Yrgas wird man hierbei durch das Sanskrit unterstützt, wo g’ard, Alter, die meisten Casus aus einem Stamme g’aras bildet, wie g’arasas, senectulis, g’arasam, seneclutem, garasi in senectüte (!). Wir kehren von dieser Abschweifung zu den Pronominen zurück. Vier verschiedene Demonstrativstämme, wovon jeder nur in einigen Casus sich erhalten hat — 2, a, ana und ima — haben die indischen Grammatiker unter die Declination von idam versammelt, ohne vielleicht sich bewufst zu sein, dafs der Deelination, die sie diesem Pronomen geben, ganz verschie- dene Stämme zum Grunde liegen, die ich anderwärts von einander losge- schieden habe, und die ich hier nur anführe, um an die Übereinstimmung der verwandten Sprachen zu erinnern und ihren Zusammenhang mit ver- schiedenen Präpositionen und Conjunctionen zu zeigen. Der Stamm i, der im Lateinischen vollständige, und im Gothischen fast vollständige Declination bewahrt hat, ist dem Sanskrit einfach nur in einem einzigen Casus geblieben, und zwar gerade in demjenigen, der dem Gothi- schen Pronomen is er fehlt, nämlich in dem weiblichen Singular-Nominativ ijam diese (2), womit der Gothische Acc. ja (cam) und der Nom. Ace. plur. 2jös (eae, eas) zusammenhangen. Da im lateinischen Pronomen zs der Vocal i mit e wechselt, so wird man leicht versucht, auch bei unserem sanskritischen Pronomen einen solchen Wechsel anzunehmen und ajam (aus &-+am), Eis, Eb’jas u.s. w. aus 2 ent- springen zu lassen; doch ist zu berücksichtigen, dafs im Sanskrit die Wort- stämme auf a in vielen Casus diesen Vocal in € umwandeln und dafs somit die genannten Casus auch aus dem Pronominalstamm a entspringen konnten. In jedem Falle ist € (=ai), es mag aus i durch Voranstellung eines a oder aus a durch Hintanstellung eines 2 entsprungen sein, eine Bezeichnung der dritten Person, die in Verbindung mit dem früher beleuchteten Stamme ta das Pronomen &ta dieser gibt, welches mir, wie das lateinische zste, immer als zusammengesetzt erschienen ist. Wilson erklärt es dagegen, auf Autori- (') gard ist im Sanskrit weiblich; dagegen ist das mit zg!«s verwandte Aravja Fleisch ein Neutrum, welches jedoch in seiner Declination nirgends ein stammbhaftes s zeigt. (?) Aus 1, als Stamm, und am, als Endung, mit der auf ein Wohllautsgesetz sich gründenden Umwandlung von i in z). 32 Borp: vergleichende Zergliederung des Sanskrits tät indischer Grammatiker, aus einer Wurzel i gehen und einem Suffix tud. Mit dem Nominativ @scha hangt der persische Plural isch-än sie zusammen (der mit seinem Singular z keine etymologische Gemeinschaft hat), so wie das Anhängepronomen esch, z.B. in bräder-esch frater ejus. In Verbindung mit dam, welchem das Lateinische dam in quidam und dem in quidem entspricht, bildet der Pronominalstamm ö im Sanskrit die Form idam als Nom. und Acc. sing. des Neutrums, ohne dafs diese Verbin- dung, wie im Lateinischen, auch auf die übrigen Casus und Geschlechter sich erstreckt. Ich übergehe die schon anderwärts aus dem Pronominalstamm z er- klärten Wörter, wie itara-s der andere, mit dessen Accusativ äara-m ich das lateinische iterum wieder verglichen habe, und bemerke hier nur, dafs meiner Ansicht nach auch das Adverbium iha hier nicht besser als aus unserem Stamme i erklärt werden kann. Wie aham ich im Lateinischen ego wurde, so hätte iha zu iga sich umgestalten können, woraus vielleicht durch Verbindung mit einem Suffixe tur für tus, igitur also, daher, aus diesem, entsprungen, eine Conjunction, die ihrer Bedeutung nach nur aus einem Pronomen entstehen konnte. Im Griechischen hat unser Stamm i nur wenige Spuren zurückgelassen. Ich rechne dazu, aufser dem schon bei einer anderen Gelegenheit erwähnten Nominativ des Reflexivs (oder ), das Adjectiv res, welches ich für eine analoge Bildung halte mit den aus anderen Pronominalstämmen durch das- selbe Suffix entspringenden &res, röres, rörcs. Es wäre demnach iscs ur- sprünglich soviel, als der so grofse und daher ähnliche, gleiche. Ob auch die relative und conjunctive Partikel ve von dem Stamme ı komme oder ob sie aus dem Relativstamme ö durch Vocalwechsel entsprungen, müssen wir dahingestellt sein lassen. In Ansehung der Schlufssylbe stimmt sie zu dem dorischen 77vcs, und verhält sich zu diesem, wie das Adverbium 67a zu Ores. Wir gehen zu einem anderen von den indischen Grammatikern dem Demonstrativum idam beigeordneten Pronominalstamm über, der ebenfalls nur aus einem einzigen Vocal besteht, nämlich a, wovon z.B. a-smai die- sem, a-smät von diesem. Bei meiner Zergliederung der Pronomina der beiden ersten Personen hat es sich ergeben, dafs « der wahre Stamm sämmt- licher obliquen Casus des Plurals der ersten Person sei, der sich die Sylbe und der mit ihm verwandten Sprachen 33 sma beigesellt, welche die Pronomina der dritten Person im Singular sich beimischen; es ist demnach asmat (a nobis) von asmät (ab hoc) nur durch die Quantität des dem Casuszeichen z vorhergehenden a unterschieden. Sehr merkwürdig ist aber die Identität des Pluralstammes der ersten Person mit dem eines Demonstrativs der dritten; und es ist wichtig, hier daran zu er- innern, dafs auch die in einigen Casus vorkommende Nebenform zas, im Dual rau (lateinisch ro-s, griechisch vär), mit einem anderen später auszu- mittelnden Demonstrativstamme za zusammenfällt. Wir müssen hierbei in Erinnerung bringen, was wir früher in Ansehung der Stammverschiedenheit zwischen dem Singular und Plural der ersten Person bemerkt haben, dafs es nämlich von dem Ich keinen Plural gebe, und dafs in dem Begriffe wir meine Person nur unter mehreren aufser mir liegenden Personen mitbegriffen sei. Der Sprache stand also frei, unter wir entweder blos das Ich zu be- zeichnen und die aufser mir liegenden Personen hinzudenken zu lassen, oder umgekehrt, wie es die Sanskritsprache gethan hat, die dritten Personen zu bezeichnen und die erste ihnen unbezeichnet unterzuordnen. Ich habe in meiner Abhandlung über den Pronominalstamm za und den Ursprung der Casus-Endungen Gelegenheit gehabt, auf einen Zusammen- hang der Präpositionen mit den Pronominen aufmerksam zu machen. Seit- dem hat Herr Dr. Karl Gottlob Schmidt in seiner trefflichen Schrift De praepositionibus graecis diese Ansicht weiter verfolgt und durch scharf- sinnige Beobachtungen unterstützt. Die verschiedensten Ortsbeziehungen sind geeignet durch einen und denselben Demonstrativstamm ausgedrückt zu werden. Was unten ist, kann, anders gedeutet und bezogen, auch über, an, in, ausu.s.w. sein. Aus unserem Demonstrativstamme a, woraus ich a-d'ara und a-d’ama der untere oder unterste, durch eine kleine Modi- fication der Vergleichungs-Suffixe tara und tama erklärt habe, und woraus, wie ich nicht zweifle, auch -d’as unten, durch eine ähnliche Modification des Adverbial-Suffixes zas entspringt, aus dieser für die Erzeugung der Prä- positionen so fruchtbaren Pronominalwurzel erklärt Hr. Schmidt unter andern auch die Präpositionen at! und ad‘ über, apa und ava von, und abi an. Wir treten ihm, was die genannten Präpositionen anbelangt, voll- kommen bei, glauben aber, dafs zur genügenden Beweisführung es hierbei vorzüglich darauf ankomme, zu zeigen, dafs eine Präposition, in der man eine Pronominalwurzel zu erkennen glaubt, auch in ihrer weiteren Umgebung Hıst. philolog. Klasse 1829. E 34 Borp: vergleichende Zergliederung des Sanskrits so beschaffen sei, dafs man sie gewissermafsen nothwendig für eine Emana- tion aus einer solchen Pronominalwurzel anerkennen mufs. Es kommt darauf an zu zeigen, dafs die Ableitungssylbe die man an ihr wahrnimmt, auch an anderen Pronominal-Erzeugnissen vorkommt, entweder in der behandelten Sprache selbst, oder in einer stannmverwandten. Aus den Listen der von den indischen Grammatikern aufgestellten sogenannten Kridanta- und Taddhita- Suffixe darf man freilich solche geheimnifsvolle Bildungen aus der Ur- periode der Sprache nicht erklären, denn jene Verzeichnisse von Bildungs- sylben enthalten nur solche, die gröfstentheils Wörter in Masse bilden und die beim Leben der Sprache noch jedem zu freier Benutzung zu Gebote stehen, wie man z.B. aus jeder Verbalwurzel im Sanskrit ein abstractes Substantiv auf ö bilden kann. Die mehr verborgenen, weniger betretenen und benutzten Bildungsstoffe, wodurch aus den Pronominalwurzeln, gleich- sam hinter dem Rücken der Grammatiker, Wörter entsprungen sind, die wir Präpositionen nennen, oder die zum Theil noch in näherem Verhältnifs zu den Pronominen stehen, bleiben noch zu enthüllen. Man mülfste freilich die ganze grammatische Litteratur der Indier kennen, die nach Forster gröfser sein soll als die Gesammt-Litteratur der Griechen, um mit völliger Sicher- heit behaupten zu können, dafs dies oder jenes, worauf die vergleichende Zergliederung und Zersetzung der Sprachen führt, nicht auch vor Jahr- tausenden von diesem oder jenem indischen Grammatiker gelehrt worden sei. Die grammatischen und lexicalischen Arbeiten der Engländer, die alle aus indischen Quellen hervorgegangen sind, geben indefs kein Zeugnifs, dafs die indischen Grammatiker in Gegenstände einer höheren Sprachwissenschaft sich eingelassen haben, was sie von ihrem Standpunkte aus auch nicht wohl thun konnten. Um nun zu den obengenannten Präpositionen zurückzukehren, so er- kenne ich in «-& über, dasselbe Suffix, wodurch ich i& so von dem De- monstrativstamme 7, und im Lateinischen uw wie von einem Stamme u ab- leite. Auch Wilson, oder sein indisches Original, nimmt bei it ein Suffix an, allein der Kern des Wortes ist ihm kein Pronomen, sondern die Wurzel igehen, und die analoge Form az theilt er nicht a-& sondern at-i und ge- langt hierdurch zu einer Wurzel, die ebenfalls gehen bedeuten soll. Was die Präposition ad’hi anbelangt, so ist wahrscheinlich d‘i nur eine Abart des Suffixes ii, wie d’ara, d‘ama, d’as (in a-d’ara, a-d’ama, a-d‘as) von lara, und der mit ihm versandten Sprachen. 35 tama, tas, und der, in der persischen Präposition ender (intus), vom sanskri- tischen tar in antar. Im Sanskrit erscheint di zwar nur an dem einzigen ad'i, allein im Griechischen, wo dem indischen d’ in der Regel $ entspricht, ist $ von häufigem Gebrauch und knüpft sich nicht nur an Pronominal- sondern auch an Substantiv-Stämme (69, @re9ı, cögavası). Die sanskritische Präposition ab’ an, zu, findet in Ansehung des Suf- fixes ihr Ebenbild in den lateinischen Pronominal-Adverbien und Casus z-2z, u-bi, ü-bi, si-bi und in dem griechischen «vrd-@r. Ich trage darum kein Be- denken, abi von dem Pronominalstamm a abzuleiten, wenn gleich da, wo, wie ich anderwärts zu zeigen gesucht habe, die Präposition ab‘ mit dem Zu- wachs von s, am, äm oder as, verschiedene Casus-Endungen vertritt, der wesentlichste Theil von ad‘, nämlich der Pronominalstamm, verloren geht, und nur das Suffix 2° übrig bleibt; wie im Persischen statt der erwähnten Präposition ender auch das blofse Suffix der als selbstständige Präposition gebraucht wird, und wie abi im Persischen als untrennbare Präposition sich zu bE verstümmelt hat, und wie die Präposition ad’, wie es scheint, dem Griechischen nur ihren letzten Theil hat zukommen lassen, mit dem Zusatz eines @. Aid verhält sich zu ad’i ungefähr wie b’jam in tu-b’jam dir zu a-bi. Die Entspringung verschiedener Wörter aus verschiedenen Gestaltungen oder verschiedenen Theilen eines Urwortes ist etwas schr gewöhnliches, und wir könnten zahlreiche Beispiele anführen; darum wäre es auch möglich, dafs im Lateinischen sowohl ad als dis aus einer gemeinsamen Urform a-d‘i (fe) hervorgegangen wären. Am liebsten übernehme ich den Beweis, dafs die sanskritische Prä- position ava von aus unserem Pronominalstamm a entsprungen sei, denn va erkenne ich als Bildungssylbe an mehreren Pronominal- Erzeugnissen. Eva wie, auch, und iva wie, welches erstere Wilson aus der Wurzel igehen ableitet (von letzterem gibt er keine Herleitung) entspringen offenbar aus den früher erwähnten Demonstrativ- Stämmen € und i, mit Ü bertragung in die relative Bedeutung. Verwandt mit &va ist dvam so, mit accysativem Aus- gang; es verhält sich zu ihm, in Ansehung des Ausgangs, wie ka-t!am wie? zu a-Üa (aus unserem Pronominalstamm a, mit der Bedeutung aber, da- mals, nachher u.s.w.), welchem das lateinische az entspricht. Durch va ent- springt ferner pürva der vordere aus pur, mit verlängertem zz, woraus auch purasvorund pur vormals entspringen, und womitmanauch, daLabialeund E2 36 Boprp: vergleichende Zergliederung des Sanskrits Gutturale sich leicht verwechslen, am besten das lateinische coram, eine accu- sative Form, zusammenstellen wird. Endlich erklären wir noch durch das Suffix va die Form sarva jeder, welche die indischen Grammatiker aus sri gehen ableiten, aus dem nominativen Pronominalstamm sa (=, gothisch sa), woraus auch sadä immer, zu jeder Zeit entspringt. In Ansehung des r von sarva vergleiche man karhi wann? und &tarhi nun, zu deren Erklärung man ein Suffix rhi annimmt. Wir theilen aber lieber Aar-hi, &tar-hi und erkennen in hi die expletive Partikel %z, die vielleicht aus di von ad'i durch blofse Bei- behaltung des Hauchs so entsprungen ist wie hita gesetzt aus d'ita von d’ä (dadämi, riSnpu) und wie die verstümmelte Imperativ-Endung Zi, aus der, nach Consonanten noch erhaltenen Urform di (= 21). Die so sich ergeben- den Zeit-Adverbien Aar und &lar stimmen trefflich zu den Orts- Adverbien hva-r wo? und tha-r daselbst im Gothischen, wo sich das für den pro- nominalen Ursprung der Präposition ava so wichtige va ebenfalls an einer Pronominal-Bildung erhalten hat, nämlich in hvai-va wie? aus dem Inter- 5 rogativ-Stamme Ava, mit der im Gothischen am Ende der Wortstimme so gewöhnlichen Umwandlung des a in ai. Die Erklärung von apa von (dr) aus unserem Pronominalstamm a stützt sich in formelle Beziehung hauptsächlich auf seine Analogie mit z-pa zu, hin, bei (der Form nach das griechische örs), welches ich mit Herrn Schmidt (S.84.) gerne aus einem untergegangenen, wenigstens declinirt nicht vorkommenden Pronominalstamm z erklären möchte, der mit dem la- teinischen Stamme z zusammentrifft, woraus ich anderwärts (!) u-ter, u-bi (von Vossius unrichtig von röreges, &rev hergeleitet) erklärt habe, und der auch in unguam (für um-quam), usguam und usque enthalten ist. Im San- skrit hat sich w als Partikel erhalten, die sich gerne mit dem interrogativen kim verbindet; auch entspringt aus diesem Stamme u-ta, welches ebenso der Partikel »& oder (?) zur Stütze dient wie at’a und jadi, welche ebenfalls aus Pronominen entspringen. Vielleicht ist noch ipa, welches isolirt nicht vor- kommt, aber in samipa die Nähe enthalten ist, eine Schwesterform zu @-pa und u-pa und aus dem verlängerten Pronominalstamm ? entsprungen. In je- (') MHeidelb. Jahrb. Jahrg. 1818. S.479. (?) vd oder, wie, ist vielleicht nur ein Rest des oben erwähnten iva@ oder eva wie, mit Verlängerung des «. und der mit ihm verwandten Sprachen. 37 dem Falle ist die von Wilson, nach indischer Autorität, gegebene Erklärung aus äpa Wasser lächerlich. Was hat die Nähe mit dem Wasser zu thun? Nicht einmal in dem Worte dvipa Insel, Halbinsel können wir das Was- ser finden, sondern theilen dvi-ipa. Im Griechischen haben sich noch Überreste oder Ableitungen des al- ten Pronominalstammes a erhalten, der hier als e oder « erscheint. Herr Schmidt erklärt daraus sehr sinnreich unter andern &rı und ärap. Ersteres ist an Stamm und Ableitung identisch mit der sanskritischen Präposition at und unterstützt noch deren pronominale Entstehung. Denn in der Bedeutung von Erı leuchtet die demonstrative Natur klar genug durch. Man vergleiche adhuc;, auch wird sich das deutsche noch später als eine Pronominalform ergeben. In der Conjunction @r«g erkenne ich das Comparativ-Suflix, wel- ches im Lateinischen abgeleitete Präpositionen bildet (praeter, subter u.s.W.) und wodurch ich anderwärts @reg ohne aus dem indisch-griechischen a privativum erklärt habe, in Ansehung des Vocals in einer älteren Gestalt als in dem genannten @reg und in seiner beugbaren Form regos (sanskr. tara-s). Die Bedeutungen nachher, übrigens (nach diesem, über dies hinaus) sprechen deutlich genug für den demonstrativen Ursprung; in der Bedeu- tung doch erinnert drap an Zamen, das wir wie fam, tum, tunc u.s. Ww. aus dem sanskritisch - griechisch - germanischen Pronominalstamm za ableiten, und zwar so, dafs wir {a-men abtheilen, und mer mit dem griechischen nev vergleichen, so dafs zamen gewissermafsen als die Umkehrung von yeyraı sich darstellt. Wir können aber nicht mitHrn.Dr. Schmidt (S.33.) auch das mit @r«g in Bedeutung und Ableitung zusammenhangende au-7«9 und das lateinische autem aus unserem Pronominalstamme a erklären. Wir erkennen vielmehr in «ö-r«g ein anderes Pronomen, welches in Verbindung mit dem Stamme des Artikels das zusammengesetzte aöres bildet, wovon Lennep sagt: ‚,@- is est ex aure vel ad, re et.” Diesen Pronominalstamm av erkläre ich aus dem sanskritischen amu jener (R.271. meiner Grammatik) ebenso durch Auswerfung eines m, wie durch eine noch gröfsere Verstümmelung x£ges, nougss, n.con, nalen mit dem sanskritischen Aumära-s Knabe, kumär-i Mäd- chen zusammenhangen. Das Suffix S: in «öSı dort, hier, hat dieselbe Wir- kung wie im Sanskrit ira in dem aus amu entspringenden Adverbium amu-tra dort, jenseits; «ÖSıs wieder ist somit ebenso von pronominaler Her- 38 Bopr: vergleichende Zergliederung des Sanskrits kunft wie das früher erwähnte iterum (5. 32.). Auch im Germanischen findet sich ein merkwürdiger Überrest des Pronominalstamms au. Das Gothische auk betrachte ich in Ansehung der Endung für analog mit den Accusativen mik, thuk;, es bedeutet denn, doch und auch. Im Lateinischen entspringt au-tem durch das Superlativ-Suffix tem (timus), wodurch ich anderwärts i-tem der comparativen Form i-terum entgegengestellt habe (Heidelb. Jahrb. 1818. S.479.). Ob Ereges aus dem Numeralstamme &v oder aus dem uns hier beschäf- tigenden Pronominalstamm e, « durch das Comparativ -Suffix entsprungen sei, wagen wir nicht zu entscheiden. Ebensowenig unternehmen wir, genaue Rechenschaft von der Entstehung der Conjunction e zu geben. Ihres pro- nominalen Ursprungs sind wir jedoch gewifs, da in den meisten Sprachen des sanskritischen Stammes diese Präposition von einleuchtender pronomi- naler Herkunft ist. Das deutsche wenn bedarf kaum einer Erwähnung; es hangt mit wer zusammen, wie denn mit der. Das sanskritische jad: ist aus dem Relativstamme ja entsprungen, und die Sylbe it wenn, die einzeln nicht mehr vorkommt, die ich aber durch Vergleichung von A’et wenn mit n’et wenn nicht entdeckt habe (Wilson erklärt ersteres aus A”it denken und führt letzteres nicht auf), habe ich anderwärts als das Neutrum des De- monstrativ-Stammes 27 erklärt. Merkwürdig stimmt mit diesem durch einen Scheidungsprocefs gefun- denen sanskritischen it die gothische Conjunction äh überein, welche aber und wenn bedeutet und ihrer Form nach nur eine Modification des Neu- trums ila es zu sein scheint, mit Abwerfung des a, wie neben thata dies auch das zur sanskritischen Form besser stimmende tat vorkommt. In An- sehung des 7A für 2 wird man es am besten mit dem interrogativen Adverbium hwath wohin vergleichen. Auch vergleiche man ath, ein Überrest des sans- kritischen Demonstrativ-Stammes a, welches jedoch nur in Verbindung mit than (aus dem Artikel) vorkommt, ath-than bedeutet aber und also, aus diesem. An die Nebenform aith-than, die durch die so gewöhnliche Um- wandlung von a in ai entstanden ist, haben sich andere Bedeutungen ange- knüpft, nämlich oder und dann. Das Gothische hat aber noch eine andere Conjunction für wenn, die mit dem sanskritischen jadi wenn in Anschung des Stammes ganz identisch ist. Der sanskritische Relativstamm ja hat im Germanischen demonstrative und der mit ihm verwandten Sprachen. 39 Bedeutung angenommen. Ich erkenne ihn, ohne allen Zusatz, in der affirma- tiven gothischen und deutschen Partikel ja, dem Sinne nach dem lateinischen ita und sanskritischen tat’ä (so, Ja) entsprechend. Im Gothischen steht auch jai für ja. Diese Form jai findet sich dann auch in dem Pronomen jain(a)s jener, von dessen letztem Bestandtheil wir später handeln werden. Mit Um- wandlung von a in u haben wir das gothische Adverbium ju jetzt, doch, zu dieser Zeit. Auch in dem deutschen jetzt ist dieser Pronominalstamm enthalten. In Verbindung mit dem aus dem Stamm des Artikels entspringen- den than haben wir das gothische jwhan schon, dessen pronominale Bedeu- tung klar am Tage liegt, weshalh wir nicht umhin können hier auch an das lateinische jam zu erinnern, welches mit dem sanskritischen Accusativ des Relativs (jam) identisch ist, und in Ansehung seiner Bildung mit den Pro- nominal-Adverbien tam, quam und nam übereinstimmt. Mit Hülfe der ad- verbialen Endung dai (für da) kommt endlich von diesem sanskritischen Re- lativstamme die gothische Conjunction jabai wenn, in Verbindung mit thauh, thauhjaba wenn gleich. Man vergleiche die aus dem Pronominalstamm z gebildete Fragepartikel ida, die mit der Negation zi, dafs nicht bedeutet. Das lateinische sö welches man von & ableiten will, erklärt das Latei- nische besser aus seinen eigenen Mitteln, nämlich aus dem Reflexiv, mit Ab- legung der reflexiven Bedeutung, wie bei dem Adverbium sic so, auf diese Weise. Was nun aber das griechische & anbelangt, so erklärt man es viel- leicht am besten aus unserem Demonstrativstamm a («, €) indem man das ı als Dativ-Charakter ansieht. Man berücksichtige die dorische Form «.. Ein anderer Demonstrativstamm, der im Sanskrit nur in einigen Oa- sus vorkommt, und von den Grammatikern der Declination von idam einver- leibt wird, ist ana. Es hangt damit zusammen das alt-slavische on (welches in einigen Casus oro zum Stamm hat), und das persische än jener, so wie die lateinische, gothische und griechische Partikel az, @. Wo das lateinische an als Fragepartikel steht, entspricht es dem sanskritischen aus dem Interrogativ gebildeten Aatsch-tschit. Wo es ob und oder bedeutet liegt ebenfalls seine pronominale Herkunft sehr nahe; man denke nur an utrum, dem in An- sehung des Comparativ-Suffixes das deutsche oder entspricht, welches in seinem Stamme mit dem von ob identisch ist. Dieses ob aber entspricht in der Ableitung dem gothischen, früher erwähnten ö-ba. Nimmt man eine Ver- wechslung der Liquidae n und r an, so hangt auch «grı jetzt, in Anschung 40 Borp: vergleichende Zergliederung des Sanskrits des Suffixes analog mit €-rı und dem sanskritischen @-&, mit unserem ana zusammen, und &ga folglich, aus diesem (Grunde) wäre damit bis auf diese Verwechslung identisch. Da die Pronomina gleichsam zu den vorsündfluthigen Zeiten der Sprachen gehören, und im Semitischen über die Periode der Festsetzung des dreiconsonantischen Wurzelsystems hinausreichen (!), einsylbig sind und selbst formellen Zusammenhang mit sanskritischen Pronominen zeigen: so darf nicht unerwähnt bleiben, dafs die Conjunction dafs, die wohl in al- len Sprachen von pronominalem Ursprung ist, im Arabischen ar lautet, was mit unserem demonstrativen ana verwandt sein könnte, wie der hebräi- sche Ausdruck für dafs, nämlich A mit dem sanskritischen Interrogativ- stamm Ai identisch zu sein scheint (?), und wie die hebräische Conjunction im wenn (arabisch in) an den Demonstrativstamm ima (zZ) erinnert. (') Vergl. Gesenius, ausführl. Lehrgeb. S.153.189. und Ewald, krit. Gramm. S.169. 8.96. (2) Die Formen Ai dafs, denn, weil, wenn, köh, kah, ken so, ferner das comparative Präfix (wie) welches im Arabischen Aa lautet und im Hebräischen als ursprünglich vocallos dar- gestellt wird — während es richtiger scheint anzunehmen, dafs sein Vocal in den Zusammen- setzungen nach euphonischen Gesetzen häufig unterdrückt werde, da es eigentlich vocallose Wörter nicht geben kann — und im Arabischen Aam wieviel (vielleicht ist Aa-m zu theilen und ız eine Verstümmelung des Pronomens md wie am vielleicht aus a-md und lamı aus la-ma), kai-fa wie und kai dafs, alle diese Formen scheinen mir aus einer und derselben Pronominal- wurzel entsprungen und mit dem sanskritischen Interrogativ-Stimmen Aa, Ai, ku verwandt, die im Semitischen, in der Umgebung von mancherlei Endungen, gleichsam eine Art von Deeclina- tion gewonnen haben. Ich möchte nicht das hebräische Aer so aus einer, der Form nach nahe liegenden Verbalwurzel ableiten, die im Arabischen sein und im Hebräischen im Hiph. unter andern stellen bedeutet, und wovon das Substantiv Acer Stelle kommt. Auch gebe ich keinen etymologischen Zusammenhang zwischen den Adverbien Aen richtig, recht, recte und un- serem Pronominal-Adverbium zu, es sei denn dafs man so als die Urbedeutung und richtig als die abgeleitete Bedeutung darstellen wollte. So hat Hr. Dr. Schmidt in seiner oben gerühmten Schrift schr sinnreich das griechische Zr0s wahr aus unserem früher behandelten Demonstrativ- stamm & abgeleitet. Auch im Sanskrit leite ich satja wahr lieber aus dem demonstrativen Stamm sa als aus sat seiend ab, denn die letztere und gewöhnliche Ableitung scheint mir zu metaphysisch und zu wenig sinnlich, um sie ohne Bedenken zuzulassen. Die von mir vorgeschla- gene Erklärung hat in formeller Beziehung auch das für sich, dafs durch das Suffix ja nur Ab- leitungen von Pronominalwörtern, und, was nunmehr dasselbe ist, von Präpositionen entspringen, wie /ha-tja hiesig, taira-tja dortig, ni-ija ewig (man vergl. das oben erklärte sa-dd immer). Meine Ansicht, dafs in dem hebräischen Acn so das n der Flexion angehöre, kann um so weniger befremden, als gerade an Pronominal-Bildungen im Semitischen r häufig als Endung und der mit ihm verwandten Sprachen. 41 Wir glauben behaupten zu dürfen, dafs die Wurzeln der Pronomina, wie die woraus Verba und andere Redetheile entspringen, einsylbig seien, wie die meisten auch wirklich beim ersten Blick als einsylbig sich darstellen. Man hat daher Ursache in ana eine Vereinigung von zwei Pronominal- stämmen zu suchen, nämlich den schon betrachteten Stamm a und na, welcher letztere im Sanskrit zur Bezeichnung der dritten Person nicht iso- lirt vorkommt, der sich aber in Verbindung mit & zeigt; denn offenbar ist das nur in einigen Casus vorkommende na ebenso zusammengesetzt aus € und ra, wie das schon erwähnte E-ta aus € und ta. Der einfache Stamm na hat sich in der lateininischen Conjunction zam erhalten, die ebensowohl ein adverbialischer Pronominal-Accusativ ist als zam, qguam und jam, und die ich schon an einem anderen Orte mit dem letzten Theil des sanskritischen &-nam diesen verglichen habe (!), während das ganze &nam in enim sich abspiegelt, das sich in Ansehung des Vocals zu dem einfachen ram so verhält wie z. B. tango zu contingo. Das Griechische hat, wie es scheint, einen Überrest dieses Pronomens in dem Accusativ vw ihn bewahrt. Nach der gewöhlichen Vocal- verwechslung müfste aber za im Griechischen vo lauten. Diesen Stamm vo erkennen wir in zeivos, &zeives, und in dem dorischen, mit dem Stamm des Artikels verbundenen, r#ves. Im Deutschen zeigt sich dieser Pronominal- stamm in unserem je-ner, dessen Accusativ je-nen sich zu dem Accusativ je-den in Ansehung des letzten Gliedes des zusammengesetzten Pronomens erscheint, entweder allein oder mit einem beigefügten Vocal. Wenn ich das arabische interroga- tive Local- Adverbium ai-na wo? (vergl. ajj-un welcher? und ai-mata wann?) mit dem demonstrativen Local-Adverbium Rund hier, an diesem Orte vergleiche, wo der Pronominal- stamm hu klar genug zu erkennen ist, so kann ich die beiden ziemlich analogen Formen nicht an- ders als ai-na, hu-nd abtheilen. Im Hebräischen berücksichtige man die Pronominal-Adverbien an wohin und @jin wo. Auch das mit Aen so ganz analoge hen halte ich für eine Pronominal- form und verwandt mit der Fragepartikel Ra, so wie mit dem ersten Theil des arabischen, offen- bar zusammengesetzten ha-dsd dieser, ferner mit hana-dsd ecce, dessen erster Theil in der Bildung mit ai-na wo? übereinstimmt. Die durch hen ausgedrückten Begriffe wenn und ob, die auch im sanskritischen Sprachstamm durch Pronominalformen ausgedrückt werden, sprechen ebenfalls für die pronominale Natur von hen. Was die Bedeutung ecce anbelangt, so ist auch das im Arabischen entsprechende zds, idsd (vergl. dsd dieser) offenbar, und das lateinische en, ecce wahrscheinlich von pronominaler Herkunft. (‘) Heidelb. Jahrb. 1818. S.473. wo ich zuerst die den Grammatikern für einfach geltenden Stämme dia und ena als zusammengesetzte Pronomina erklärt habe. Hist. philolog. Klasse 1829. F 42 Boprp: vergleichende Zergliederung des Sanskrits so verhält wie im Sanskrit &-nam zu E-tam und im Griechischen rAvev, Exeivov zu aurov. Eine Nebenform des Pronominalstamms za scheint nu gewesen zu sein, wie neben dem Interrogativum ka eine Form Au besteht. Dieses nu hat sich im Sanskrit nur ohne Flexion erhalten, als Interrogativ - Partikel, der man ihre pronominale Herkunft nicht mit Bestimmtheit ansehen kann. Die lateinische Fragepartikel num ist von demselben Stamme und trägt das Accusativzeichen, wodurch es analog ist mit zum, so wie die mit kunc über- einstimmende accusative Form nunc einem analog gebildeten tunc gegenüber- steht. Das griechische viv nun, eine Accusativform, gehört, wie von selbst einleuchtet, ebenfalls hierher, so wie das deutsche demonstrative Zeit- Adverbium nun. Auch ist offenbar das Adverbium noch (adhue) ebenso aus diesem Pronomen entsprungen, wie das analoge doch aus dem Stamme des Artikels; die gothischen Formen sind zauh und thau, welches letztere aufser doch auch oder und als (bei Vergleichungen) bedeutet, und somit an die lateinischen Pronominal-Adverbien an und guam erinnert, so wie auch der Form tamen bereits ihre pronominale Herkunft nachgewiesen worden. Das Zusammenstimmen so vieler zu der sanskritischen Familie ge- hörenden Sprachen spricht also deutlich genug für das ursprüngliche Vor- handensein eines Demonstrativs zu, als Nebenform zu na, wenn es gleich vielleicht zu keiner Zeit durch alle Casus ausgebildet war. So wie dieses nı zu na sich verhält, so verhält sich die sanskritische Präposition anu nach zu dem zusammengesetzten Demonstrativstamm ana, der in der griechischen, gothischen, alt-hochdeutschen Präposition dv, ana, unverändert geblie- ben ist. Mit Ablösung des Endvocals von ana und mit der im Griechischen so gewöhnlichen Vertretung des sanskritischen a durch e, ist vielleicht aus dem pronominalen az die Präposition &v hervorgegangen, welches ich darum für die älteste, den verwandten Formen &s, eis etc. zur Grundlage dienende Form halte, weil es am besten zu der entsprechenden lateinischen und germani- schen Präposition iz stimmt. Auf die demonstrative Bedeutung, die im la- teinischen inde als analog mit unde, und im griechischen &vSev, &vSa u. s. w. vorleuchtet, habe ich in einer anderen Abhandlung aufmerksam gemacht (Abh. der hist. phil. Klasse vom J. 1826.). Die Analogie zwischen inde und und der mit ihm verwandten Sprachen. 43 unde führte mich damals zur Vermuthung dafs die Präposition in aus dem Pronominalstamm i sich entwickelt habe. Auf der anderen Seite steht aber das von in abgeleitete inter dem gleichbedeutenden sanskritischen an-tar zu nahe, als dafs man nicht versucht würde beide aus einer gemeinschaftlichen Quelle fliefsen zu lassen. Wie dem auch sei, so bleibt doch der pronominale Ursprung des lateinischen ir gesichert. Im Sanskrit gibt es keine Präposition für das Verhältnifs in, weder im isolirten noch im zusammengesetzten Gebrauch. Bei Nominen wird dies Verhältnifs durch den blofsen Locativ bezeichnet, und wo im Lateinischen und Deutschen ir mit dem Accusativ gesetzt wird, da steht im Sanskrit der blofse Accusativ, der im ausgedehntesten Sinne die Richtung nach einem Gegenstande ausdrückt. Man darf aber annehmen, dafs, wenn es im Sans- krit eine Präposition für in gäbe, diese an lauten könnte, mit Abwerfung des a von ana, im Einklang mit dem griechischen &v, dem deutschen und lateinischen in. Obwohl dieses an im Sanskrit nicht vorkommt, so gibt es in dieser-Sprache doch eine durch das Comparativ-Suffix gebildete Präposi- tion antar, die ganz dem lateinischen inter entspricht, und zwischen, in der Mitte und unter bedeutet. In Anscehung der Bildung entspricht sie dem Zeit-Adverbium prä-tar morgen, aus der verlängerten Präposition pra vor. Mit antar hangt aufser dem lateinischen inter noch das gothische un- dar, alt-hochdeutsch un-tar zusammen. Aus ana mit unterdrücktem a erklärt sich auch am besten, und zwar durch das schon in mehreren Pronominal-Ableitungen wahrgenommene Suf- fix &, die griechische Präposition @vr!, dem das lateinische ante entspricht. Im Gothischen gehören noch hierher die Präpositionen anda gegen, and an, bei und und bis. Im Sanskrit entspringt auch aus an, durch das Com- parativ-Suffix, die Form antara-s der andere, wie das gleichbedeutende itara-s von dem früher erwähnten Demonstrativstamme 2. Es ist belustigend zu sehen, auf welche sonderbare Abwege die indischen Grammatiker ge- rathen, sobald es darauf ankommt Bildungen zu erklären, die etwas verein- zelt dastehen und nicht gleichsam unter ihren Augen noch immer in ana- loger Form sich wiederholen. So einleuchtend das Verhältnifs von antara-s und itara-s und das gleichförmige Entspringen beider aus zwei verschiedenen Demonstrativstämmen erscheinen mufs, so wird doch bei Wilson, auf Auto- rität indischer Grammatiker, antara-s aus anta das Ende und rä erlangen F2 A4 Borp: vergleichende Zergliederung des Sanskrits abgeleitet (!), während itara-s voni wünschen und ti hinüberschreiten entspringen soll. Dem sanskritischen antara-s steht das gothische gleich- bedeutende anthar (der Stamm ist anthara) am nächsten. Da hier der an- fangende Urvocal sich behauptet hat, während er in den Präpositionen in, undar und und sich doppelt verändert hat, so sind diese verschiedenen For- men, vom germanischen Gesichtspunkte aus einander fremd geworden, wäh- rend sie in dem Urzustand der Sprache, der nur durch vergleichende Zer- gliederung des ganzen Stammes entdeckt werden kann, in einem gemein- schaftlichen Ausgangspunkt sich begegnen. Auch ist im Lateinischen alter durch Bewahrung des Urvocals und Verwechslung der Liquidae » und / den Präpositionen ir und inter ent- fremdet worden. Ich glaube jedoch behaupten zu dürfen, dafs alter ebenso mit antara-s verwandt sei wie alius mit anjas der andere, welches aus ana durch das Suffix ja entsprungen ist. Im Gothischen haben sich Überreste des sanskritischen anja erhalten, und zwar mit einer ähnlichen Verwechslung des 2 mit / wie im lateinischen alius; ich meine die Adverbia adja-th anders- wohin und adja-thrö anderswoher. Auch gehört zu diesem Stamme die Form alja als, aufser. Das griechische «Ares scheint ebenfalls mit dem indischen anja zusammenzuhangen, und zwar so, dafs das alte / dem aus z hervorgegangenen 7 sich assimilirt hat; an das griechische @rRcs aber schliefst sich, wenn gleich mit veränderter Bedeutung das lateinische ille an, so wie das gothische al/s (der Stamm ist alla) jeder, ganz. Am wenigsten erwarte man bei den Pronominen etwas neues und ganz einzeln dastehendes in den verschiedenen Zweigen einer und derselben Sprachfamilie. Die Pronomina sind zu schr mit dem innersten Leben der Sprachen verwachsen, als dafs diese sich in irgend einer Periode von dem einmal vorhandenen trennen könnten; und neue Pronomina bilden sich ebensowenig als neue gramma- tische Flexionen im vorgerückten Lebensalter einer Sprache; auch wider- strebt es den Sprachen Pronomina aus fremden Sprachgebieten aufzuneh- men. Dagegen kann die Bedeutung kleine Änderungen erleiden, was hier dieser mag dort jener bedeuten. Und wenn zu veränderter Bedeutung (') Wenn ein Verwandtschafts-Verhältnifs zwischen antara-s und anta Ende besteht, so ist es ein schwesterliches und kein töchterliches. Es ist gar nicht unwahrscheinlich, dafs anta das Ende, als das dem Anfangspunkt gegenüberliegende, jenseitige von unserm pronominalen an durch die Bildungssylbe ta entsprungen sei wie an-lara, durch Lara. und der mit ihm verwandten Sprachen. 45 auch noch Entstellungen der Form sich gesellen, so kann das ursprünglich eng verbundene als weit auseinander liegend erscheinen. Ich habe nun noch den Demonstrativstamm ima zu erwähnen, der mir, seiner Mehrsylbigkeit wegen, als zusammengesetzt erscheint, aus dem früher behandelten ö und ma, welches zwar im Sanskrit zur Bezeichnung der dritten Person nicht einzeln vorkommt, womit ich aber schon anderwärts das griechische iv verglichen habe, eine Vergleichung die vielleicht um so eher zulässig ist, als ö-ma im Singular gerade nur im Accusativ gebräuchlich ist (i-mam). Im Lateinischen ist vielleicht imo, welches ich wie ta und un- ser ja am liebsten auf ein Pronomen zurückführen möchte, ein Überrest des sanskritischen zma, welches im Lateinischen imus lauten müfste. Die Ab- leitung von imo aus imus für infimus hat in Ansehung der Bedeutung nichts Befriedigendes. Wenn aber immo die älteste Form unseres affırmativen Ad- verbiums ist, so schliefst zwar das doppelte m von immo ebensowenig als die Länge des 2 von imo die Vergleichung mit dem sanskritischen ima aus, da einfache Consonanten eben so leicht zur Verstärkung des Nachdrucks sich verdoppeln als kurze Vocale sich verlängern können. Doch können wir nicht umhin noch einen anderen Weg anzugeben, auf dem immo von einer Pronominal-Wurzel abgeleitet werden möchte. Es könnte nämlich immo durch Assimilation aus ösmo entstanden sein, wie &uwi aus ui, und wie die äolischen Formen auuss, Unuss aus aruss, üruss (sanskritisch asma, jus'ma), und wie die gothische pronominale Dativ-Endung mma (alt- preufsisch smu) aus sma entstanden ist, wodurch ich z. B. tha-mma dem sanskritischen ta-smai ihm, diesem entgegengestellt habe. Die Pronomina dritter Person setzen nämlich, wie schon erwähnt worden, in mehreren obliquen Casus des Singulars die Sylbe sma zwischen den Stamm und die eigentliche Casus-Endung, wie a-smai diesem, a-smät von diesem. Das lateinische immo, aus ismo, wäre also ein merkwürdiger Überrest von dieser, im Sanskrit auf alle Pronomina dritter Person sich erstreckenden Erscheinung. Aber dennoch dürften von dem sanskritischen Pronominal- stamm i-ma im Lateinischen noch Spuren nachzuweisen sein, insofern man nämlich imago und imitor so erklärte, dafs keines aus dem andern, sondern beide aus einem untergegangenen Pronomen imus entsprungen seien, ersteres wie z. B. citrago aus citrus, virago aus vir, letzteres wie z. B. haesito, motito, unctito aus den ihnen zum Grunde liegenden Nominal- 46 Borp: vergleichende Zergliederung des Sanskrits stämmen. /mitor bedeutete demnach ursprünglich soviel als dasselbe thun und imago soviel als diesem gleichend, dieses darstellend. Ich er- kenne in der Anhängung ago (ag-in-is) die Wurzel ag (agere) und ein Suffix in, welches mit dem entsprechenden sanskritischen Suffix in, z.B. von &s'in wünschend, das gemein hat, dafs Wörter dieser Art meistens nur als letztes Glied eines Compositums erscheinen, wie denn auch das genannte &s‘in nie- mals isolirt vorkommt. In der lateinischen Wortbildung finde ich mehrere solcher, durch ir gebildeter Schlufs-Adjective, die nicht mehr als bedeutsame Wörter erkannt werden. Ich rechne hierher unter andern tud-in (pulchri- iud-in, vicissi-tud-in). Was die Länge des Vocals in ag-in, tud-in anbe- langt, so mag es passend sein daran zu erinnern, dafs auch die entsprechen- den sanskritischen Bildungen auf ir einen kurzen Wurzelvocal verstärken, wie z.B. Aärin gehend von Xar. Wenn imitor aus einem Pronomen entsprungen ist, so dürfte es viel- leicht auch nicht unversucht bleiben, die Möglichkeit einer pronominalen Herkunft des sinnverwandten aemilor zu zeigen (!). Ich nehme am liebsten das Adjectiv aemuwlus als das Grundwort an, woraus aemulor, wie famu- lor von famulus entsprungen zu sein scheint. Jemidus stimmt in der Be- deutung gleich, ähnlich mit aequus, ires überein, und wir müssen hier daran erinnern, dafs wir früher res aus einem Pronominalstamm ı erklärt haben. Jeguus und aemulus führen auf eine Pronominalwurzel ae (a:), die mit dem sanskritischen aus der Verschmelzung von a und i entsprungenen Demonstrativstamm € (in &-ta, E-na, €-va, E-vam, ajam aus &-am)) identisch wäre. Es wäre demnach ae-gquus und ae-mulus zu theilen. Ersteres, soviel als ae-cus (man vergleiche gw mit ewjus, cui), hat keine befremdende Ab- leitung; man könnte es auch, seiner Bildung nach, mit dem sanskritischen E-ka-s (unus) zusammenstellen, welches ich in meiner Abhandlung über die Zahlwörter aus der Verbindung von zwei Pronominalstämmen erklärt habe. Hier erlaube ich mir noch die Bemerkung, dafs ich in allen Bildungen, welche im Sanskrit auf Aa-s, im Grichischen auf #o-s und im Lateinischen auf cu-s ausgehen, den Interrogativstamm erkenne, der im Sanskrit ka, Al und Au lautet; und dafs ich überhaupt den Pronominen in der Wortbildung einen grofsen Einflufs einräume, und viele der wichtigsten Bildungssylben daraus (') Wenig befriedigt die Ableitung von @urdenen, und der mit ihm verwandten Sprachen. 47 erkläre. Es kann also aeguus mit &-ka-s in seinen Bestandtheilen identisch und dennoch selbstständig im Geiste und mit den Mitteln der lateinischen Sprache gebildet sein. Die Form aemwlus steht in Ansehung ihrer Ableitung isolirter als aequus für aecus. Es gibt nur noch wenige Bildungen auf mıwlus, wie Ja- mulus (oskisch famel), eumulus, über deren Entstehung sich nichts Zuver- lässiges sagen läfst. Es kann daher auch nicht mit Bestimmtheit angegeben werden, ob das m auf die Seite der dunkelen Wurzel oder der Ableitung zu stellen sei. Wir vermuthen das letztere, und cumulus erinnert uns an die sanskritische Wurzel Ai (fg) sammeln, die sich in der Conjugation die Sylbe zu beigesellt, und aus welcher mehrere Nomina entspringen, die eu- mulus bedeuten. KLEE Denn m X} E2 Über das Alter der Runenkalender. \ Von H® IDELER. a ee ne Een en [Gelesen in der Sitzung der historisch-philologischen Klasse vom 2. März.] D. Kalender auf hölzernen Stäben und Tafeln, die in den skandinavischen Ländern gefunden, und wegen der altgermanischen Charaktere, welche die meisten enthalten, Runenkalender genannt werden, haben zu mancherlei Muthmafsungen, Erörterungen und Streitigkeiten Anlafs gegeben. Während einige patriotische Schriftsteller, wenn auch nicht die zahlreich vorhandenen Exemplare, doch die ihnen allen zum Grunde liegende Idee, dem frühsten Weltalter beizulegen, und sie als Überbleibsel und Beweise einer uralten nordischen Kultur zu betrachten geneigt sind, finden andere in ihnen nichts weiter als christliche Zeitrechnung, und glauben daher ihren Ursprung höch- stens bis zum neunten Jahrhundert unserer Aere zurücksetzen zu dürfen, wo das Christenthum zuerst in den nordischen Ländern Wurzel zu fassen be- gann. Ich habe mich in meinem Handbuch der Chronologie (!) zur ‚letztern Ansicht bekannt, und es ist bei dieser Vorlesung meine Absicht, sie näher zu begründen und wo möglich über jeden Zweifel zu erheben. Zuvor wird es aber nöthig sein, einiges über die Schrift und das Schreibwesen der alten germanischen Völker zu sagen. Auf Grabsteinen und Münzen, in einigen Handschriften des Mittel- alters und besonders in den Kalendern, von denen hier die Rede ist, kom- men die Buchstaben vor, die man Runen nennt. Das Wort findet sich (') Th.) 5.181. {ep Hist. philolog. Klasse 1829. 50 IperLer schon beim Ulfilas in der Bedeutung Geheimnifs, z.B. rıma goths, der geheime Rathschlufs Gottes (!). Im Deutschen hat es sich nur in raunen, heimlich ins Ohr reden, in andern germanischen Dialekten hingegen, als dem Angelsächsischen und Isländischen, in dem Sinn von Zauberei erhalten. Die Alrunen oder Weiber, die sich mit geheimen Künsten abgeben, werden schon von Jornandes erwähnt (?). Da nun bei den alten Germanen die Schrift nur das Eigenthum weniger war (die Krieger verschmähten sie, und die Dichter pflanzten ihre Gesänge mündlich fort), so betrachtete man sie als eine Art Hexerei, und bezeichnete die Be- griffe Geheimnils, Zauberei und Buchstab mit einerlei Wort, zumal da Spuren genug vorhanden sind, dafs man die Runen wirklich als Zauber- charaktere gebrauchte, wefshalb sich auch die ersten christlichen Lehrer alle Mühe gaben, das Volk von ihnen zu entwöhnen. Einige neuere Forscher sehen die Runen als eine Erfindung des alten Skandinaviens an; andere leiten sie von den phönizischen oder hebräischen Buchstaben, noch andere von den griechischen, wieder andere, und unter diesen Celsius, Leibnitz und Gibbon, von den lateinischen, andere von den gothischen des Ulfilas, noch andere endlich von den angelsäch- sischen ab. Merkwürdig ist es, dafs sich unter den Buchstaben des Ulfilas, die grofsentheils den griechischen und lateinischen Unzialbuchstaben nach- gebildet erscheinen, vier finden, die offenbar der Runenschrift angehören. Sollte er ein altes Nationalalphabet vor Augen gehabt, es nach dem griechisch- lateinischen gemodelt, und durch seine Übersetzung des neuen Testaments in dem Mafse zur Verbreitung desselben beigetragen haben, dafs man ihm späterhin sogar die Erfindung davon zuschrieb? Die Geschichte sagt uns hierüber nichts Sicheres. Tacitus erwähnt (?) Monumente und Grabhügel mit griechischen Inschriften, die man an den Grenzen Germaniens und Rhätiens antreffe. (') Zue. VII, 30. Vergl. Marc. IV,11, Zuc. VII, 10, wo die Bedeutung myszierium noch deutlicher hervortritt. (?) Quaedam magae mulieres, quas patrio sermone Alyrumnas cognominant. De rebus Goticis c.24. Hiermit hat man die Jurinia beim Tacitus (de mor. Germ. c.8) ver- glichen, wofür einige Alruna lesen wollen. () Eb. c.3. über das Alter der Runenkalender. 51 Einige Ausleger haben hierbei an die Runensteine gedacht, wogegen jedoch der Umstand spricht, dafs man in Deutschland meines Wissens dergleichen noch nirgends gefunden hat. Wären wirklich Runensteine gemeint, so dürf- ten uns die griechischen Buchstaben gerade nicht befremden. Die Benennung ist so natürlich, dafs der Schriftsteller kaum eine andere wählen konnte, da mehrere Runen mit den analogen griechischen Buchstaben eine auffallende Ähnlichkeit haben. Die älteste Erwähnung der Runen in der Bedeutung von Buchstaben findet sich beim Venantius Fortunatus, einem Dichter aus der letzten Hälfte des sechsten Jahrhunderts. Er wirft einem Freunde sein langes Still- schweigen vor, und begegnet dem Vorwande eines Mangels an Papier, oder dafs er das römische Gemurmel — romuwleum susurrum — nicht liebe, durch die Bemerkung, er könne ja in der Landessprache auf hölzernen Ta- feln schreiben. Seine Worte sind (!): Barbara fraxineis sculpatur runa tabellis, Quodque papyrus agit, virgula plana valet. Wir finden hier auch schon eins der Hauptmateriale erwähnt, worauf man die Runen schrieb. Besonders mufs man dazu Buchenholz gewählt ha- ben; daher das schon bei den Gothen gebräuchliche und in alle germanische Dialekte übergegangene Wort Buch. Das lateinische Über ist ganz ähnlichen Ursprungs. Die eigenthümliche Weise, wie man die Runen auf Holz oder Stein trug, bezeichnet das schwedische rista runor, Runen ritzen. Da man sich ihrer blofs auf sehr hartem Material bediente, so sind sie fast nur aus geraden Linien zusammengesetzt, was ihnen einen besonderen Charakter von Steifheit gibt. Die mit Schrift versehenen Hölzer wurden Runstäbe genannt. Kero, Benedictinermönch zu St. Gallen ums Jahr 720, unser ältester Schriftsteller, drückt in seiner Interlinearversion der Regula S.Benedicti das Wort ewlogia, welches höfliche Sendschreiben bezeichnen soll, ‚durch Runstaba aus (?). Man sieht also, dafs auch die Deutschen in den ältesten Zeiten ihre Runen gehabt haben, die aber bald untergegangen sind, (') Carm. 1. VII, epigr.18 ad Florum. (*) «54. Im ersten Bande von Schilter’s Thesaurus Antigg. Teuton. G2 52 IpvetLenr da man aufhörte, wenige Worte mit plumpen Zügen auf Holz oder Stein zu kritzeln (!). ; Das älteste Runenalphabet findet sich in dem Werke des Rhabanus Maurus, Abts von Fulda aus der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts. Unter der Überschrift De inventione linguarum gibt er (?) ein Verzeichnifs verschiedener Alphabete, unter andern ein aus 23 Buchstaben bestehendes normännisches, dessen sich, wie er sagt, diejenigen bedienen, die noch dem Heidenthume zugethan sind, um ihre Gedichte, Zauberformeln und Prophezeiungen damit aufzuzeichnen. In der Gestalt der Buchstaben gibt sich auf den ersten Blick eine auffallende Ähnlichkeit mit den nordischen Runen zu erkennen, deren Züge im Ganzen nur etwas einfacher aussehen, was man ganz natürlich finden wird, wenn man erwägt, dafs die Buchstaben beim Rhabanus mit der Feder auf Pergament gemalt sind. Man vergleiche Hrn. Grimm’s lehrreiches Werk über die deutschen Runen. (°) Es gab mehrere Runenalphabete, und selbst in den einzelnen fin- den sich einzelne Buchstaben ganz verschieden gestaltet. Man unterscheidet deutsche, angelsächsische und nordische Runen; mit welchem Recht, lassen wir dahingestellt. Nur bei den letztern, die man jetzt vorzugsweise unter dem Namen Runen begreift, wollen wir noch etwas verweilen. Eine Abbildung derselben findet man unter andern in dem ebengedachten Grimm- schen Werke und in Hrn. Legis Fundgruben des alten Nordens. (*) Das älteste nordische Runenalphabet bestand aus nicht mehr als 16 Buch- staben, durch die sich die Laute einer Sprache nur sehr unvollkommen dar- stellen lassen, nämlich F, U, Th, O, R, K,H,N, I, A,S, T,B,L, M, Y. Die Namen derselben sind von Wörtern entlehnt, die damit anfangen. So wird das F fe, pecunia, das U ur, bos, das Th thurs, gigas, das O os, ostium, (') Dergleichen mit Schriftzügen versehene Stäbe dienten zur Zauberei; daher heifst im An- gelsächsischen und Isländischen Runastafr geradehin incantatio. S. Somneri Diet. Saxo- nico-Latino- Anglicum und das berühmte Kddalied Sigurth und Brynhild in Herrn Von der Hagen’s Sammlung mit seinen Anmerkungen dazu. Die eingeschnittenen Züge selbst werden im Isländischen szaf, stafir genannt. Eine ähnliche Bewandnils hat es mit unserm Buchstab, das zuerst einen buchenen Schriftstab bezeichnet haben muls. (*) Opp. ed. Colon. (1626) Tom. VI, p. 333. (°) Göttingen 1821. (?) Leipzig 1829. über das Alter der Runenkalender. 53 das R reid, equitatio, das K Aön oder Aaun, uleus, das H hag/, grando u.s.w. genannt. Späterhin sind noch D, E, G, P und V hinzugekommen, die aber keine besondere Zeichen erhielten; denn unter den ältern wählte man für sie analoge Buchstaben, die man mit Punkten bezeichnete. So sind aus Th, I, K, Bund F die Zeichen für D, E, G, P und V entstanden. Man weils nicht genau, wann diese punktirten Runen aufgekommen sind; sie finden sich aber schon auf dem schleswigischen Runenstein, den man mit Sicherheit ins Jahr 992 setzt. Merkwürdig ist die Ordnung der 16 alten Buchstaben, die sich aus ihrem Zahlenwerth zu erkennen gibt. Sie bezeich- nen nämlich in den Runenkalendern die ersten 16 güldenen Zahlen. Da es deren 19 gibt, so fügte man noch drei Doppelbuchstaben hinzu, die man sonst hätte entbehren können, nämlich Al, Mm und Tt. Ein weiteres Be- dürfnifs der Zahlenbezeichnung scheint man nicht gefühlt zu haben, woraus man allein schon einen Schlufs auf den beschränkten Grad der geistigen Kul- tur des alten Skandinaviens zu machen berechtigt ist. Über das Alter der Runen in den nordischen Ländern herrschen die verschiedensten Ansichten. Ich mafse mir darüber kein Urtheil an und begnüge mich, nur die Extreme anzuführen. Herr Legis sagt: ‚Vielleicht sind die Runen schon zur Zeit des Cadmus, d.i. 1500 Jahr vor Anfang der christlichen Aera, nach Norden verpflanzt worden, und haben sich hier ac- climatisirt, und nachher eine eigenthümliche Fortbildung gewonnen.” Dafs Cadmus nichts weiter als der personifieirte Orient sei, das hebräische 277 kedem, dafs sich also an diesen Namen keine feste Zeitbestimmung knüpfen lasse, will ich hier nicht geltend machen; aber die Unwahrscheinlichkeit ei- nes so hohen Alters der Runen leuchtet gewils jedem Unbefangenen ein. Etwas gemäfsigter äufsert sich Herr Grimm, wenn er sagt: ‚Man kann wol annehmen, dafs der Gebrauch der Runenschrift im Norden mit Odin’s Einwanderung angefangen habe.’ Das hiefse also um die Mitte des ersten Jahrhunderts vor Christus; denn so weit hinauf setzt man gewöhnlich die Einwanderung dieses mehr mythischen als historischen Wesens (!), das (') Auf die Autorität des Prologs zur prosaischen oder jüngern Edda, wo Odin’s Ein- wanderung gleichzeitig mit Pompeius Zuge nach Asien gesetzt wird, dd en af Roms höfdin- gar Pompejus härjade in Asien, wie es in der schwedischen Übersetzung (Stockh. 1819, 8.) S.9 heilst. Sollte aber diese Autorität für den kritischen Geschichtsforscher vollgültig sein ? 54 IpEeuLuLer der Richtung aller Völkerwanderung entgegen seinen Zug aus südöstlichen Ländern in die nordwestlichen genommen haben soll. Wenn aber die Ru- nen im Norden wirklich so alt sind, wie hat man es sich denn zu erklären, dafs die ältesten auf uns gekommenen Runensteine mit Sicherheit nicht über tausend Jahre zurückgesetzt werden können? Um noch eine dritte Meinung anzuführen, so sagt Rühs in seiner 5 Edda: Alle Kultur Nordens ging vom Christenthum aus. Die neue Re- 31 ging ligion milderte die rohen Sitten, sie erzeugte und unterhielt eine Verbindung mit den gebildetern südlichen Ländern; durch sie entstand eine Menge po- lizeilicher und gesellschaftlicher Anstalten; selbst die Schreibekunst war ein Geschenk, das die Bewohner des Nordens dem Christenthum verdankten. Irgend ein Däne, der von seinen Raubzügen zurückkehrte, oder ein Gefan- gener scheint den ersten Versuch im Schreiben gemacht, und die lateinischen Schriftzüge auf eine rohe und unvollkommene Weise nachgebildet zu ha- ben.”’ Und weiterhin: ‚‚Kein einziges Denkmal mit Runencharakteren kann auf das heidnische Zeitalter zurückgeführt werden. Allgemein wurden sie in christlichen Zeiten, und man behielt diese einfachen Charaktere ihrer gröfsern Bequemlichkeit wegen bei. In Norwegen scheint man sie im neun- ten Jahrhundert noch nicht gekannt zu haben; denn auf Island gibt es gar keine mit Runen bezeichnete Denkmäler (!); wären sie aber im Mutterlande einheimisch gewesen, so würden die Auswanderer, die aus den ersten und gebildetsten Männern bestanden, sie gewils mitgebracht haben.’ Non nostrum — tantas componere lites. Am sichersten geht man mei- nes Erachtens, wenn man mit Schlözer sagt (?): ‚‚Die Skandinavischen Runen sind noch immer ein Räthsel für uns; wir wissen nicht, woher sie entstanden, zu welcher Zeit sie nach dem Norden gekommen, und ob sie auch den Slavischen Anwohnern der Ostsee bekannt gewesen.’’ Ich bemerke nur noch, dafs diejenigen, welche die Runensteine in die Zeit des Heiden- (') Dies ist ein Irrthum, den man bei Rühs um so weniger vermuthen sollte, da schon Olafsen und Povelsen in ihrer Reise durch Island ein paar daselbst gefundene Leichen- steine mit Runen anführen. 'Th.I, Taf. 17. Mehr noch zählt Nyerup in seinem Verzeichnils der inDänemark 1824 noch vorhandenen Runensteine auf. Selbst in Grönland hat man neuerdings einen Runenstein entdeckt, der jetzt nach Kopenhagen versetzt ist. S. Hovedbe- reining om det Kongelige Nordiske Oldskrift-Selskabs Tilstand i darene 1825-27 S.37. (2) Allgemeine nordische Geschichte S.213. über das Alter der Bntnkalinder. 55 thums zurückversetzen, sich besonders auf das Zeugnifs von Rembertus und Saxo Grammaticus berufen. Der erste erzählt in seinem Leben des Anscharius, Erzbischofs von Hamburg, den Ludwig der Fromme in die nordischen Länder schickte, um das Evangelium zu verkündigen, er sei, nachdem er eine Zeitlang in Schweden gepredigt, zum Kaiser zurückge- kehrt cum lüteris regia manu more ipsorum deformatis (').. Man sicht hierin hölzerne mit Runen bezeichnete Brieftafeln. Saxo Grammaticus, ein Mönch des zwölften Jahrhunderts, der eine meist auf Sagen beruhende dänische Geschichte geschrieben, nennt dergleichen Brieftafeln celedre quondam chartarum genus (?). Es wird nöthig sein, hier noch Einiges über das Vorkommen der alten Schriftzüge im Norden beizubringen. Der Runensteine gibt es in Skandinavien eine fast unübersehbare Zahl. In Schweden allein hat man an 1200 gefunden. Es sind entweder künstlich gemeifselte Leichensteine, oder auch ganze Felsenwände mit ein- gehauener Runenschrift. Den skandinavischen Norden durchziehen gröfsere oder kleinere meistens sehr steile Felsen von rothem und grauem Granit. Coxe macht in seiner bekannten Reise durch Polen, Rufsland, Schweden und Dänemark die Bemerkung, dafs die Runenschriften fast nur auf dem grauen Granit vorkommen, welcher der Verwitterung weniger ausgesetzt ist (?). Alle diese Denkmäler enthalten entweder Grabschriften, oder an- derweitige, fast nur Familienverhältnisse betreffende Denkschriften. Das Lesen derselben ist mit grofsen Schwierigkeiten verknüpft (*), die theils in der Verschiedenheit der Form und Bedeutung der Runen, theils in ihrer nicht selten verkehrten Stellung, theils auch in ihrer Versetzung liegen. Der Schreiber stellte nämlich zuweilen eine Rune an den ungehörigen Ort, z.B. an den Anfang eines Worts, wenn sie am Ende stehen sollte. Dazu rechne man noch die Unwissenheit, welche die Wörter in rohen Dialektfor- men ausdrückte. Runenmünzen in Silber und Kupfer trifft man in den (') Fit S. Anscharü in Langebek’s Seriptt. Rer. Danie. I, p.448. (*) 1.1, p.52 der Ausgabe Sorae 1644, fol. Man vergl. die Anmerk. des Stephanius S$. 100. C) Deutsche Übersetzung B.II, S.278. Es ist eigentlich eine Bemerkung des bekannten schwedischen Naturforschers Torbern Bergman. (*) Man vergleiche Thorlacius in den Antigquariske Annaler I, 299 - 302. 56 IpELeEr skandinavischen Ländern nicht selten an. Einige enthalten nur eine Rune, andere ganze Runenlegenden. Aufserdem werden Runen auf Gold-Braktea- ten gefunden, die man vermuthlich als Amulete um den Hals trug, und auf denen unter andern auch Odin und Thor vielleicht als Zaubersymbole ab- gebildet sind. Auch kommen Runen auf Schilden vor. Die Runenka- lender enthalten nur runische Zahlzeichen. Von runischen Hand- schriften, wenigstens solchen, die beweisen könnten, dafs man die Runen auch als Bücherschrift gebraucht habe, ist nichts weiter vorhanden, als ein von Olaus Worm ans Licht gezogener und ausführlich erläuterter Runen- kalender in altnordischem Dialekt, der ins dreizehnte oder vierzehnte Jahr- hundert gehört und in seiner Art einzig ist (!). Die Runenschrift wurde allmählig durch die Mönchsschrift verdrängt. Die lateinische Sprache ward nämlich nach Annahme der christlichen Religion die Geschäfts- und Bücher- sprache, und als man auch in der Landessprache zu schreiben anfing, wur- den die Runen als Überreste einer rohen Zeit, an die sich mannichfacher Aberglaube knüpfte, vernachlässigt und vergessen. Am längsten erhielten sie sich in den Kalendern; denn noch im siebzehnten Jahrhundert, als der eben gedachte Gelehrte seine Fasti Danici schrieb (?), kannte das nor- dische Landvolk noch keine besseren Kalender, als seine Runenhölzer. Ich komme nun zu dem eigentlichen Zweck meiner Vorlesung. Die Runenkalender finden sich in allen drei nordischen Reichen, am häufigsten in Schweden. Die akademische Bibliothek zu Upsala, der uralten Hauptstadt des Landes, bewahrt allein 125 Exemplare auf. Auch hat man einige in England entdeckt, die aber erst durch die Normänner da- hin gebracht zu sein scheinen. (?) Ob sie je im nördlichen Deutschland gebraucht worden sind, habe ich nicht ermitteln können. Die wenigen (') Er enthält die güldenen Zahlen und die Buchstaben des Sonnencirkels, beides in Runen- charakteren, und aulserdem die vornehmsten Fest- Fast- und Heiligentage mit Runen geschrie- ben, die Tages- und Nachtlänge eines jeden Monats, die Eintritte der Sonne in die Zeichen u.s. w., nebst einigen am Ende beigefügten chronologischen Erläuterungen. Es ist ein durchaus christ- liches Produkt, wie schon die römischen Monatsnamen Januarius, Februarius u. s. w. lehren. (?) Kopenhagen 1643, fol. Der vollständige Titel ist: Fast! Danici, universam tempora computandi ralionem antiquitus in Danıa et vicinis regionibus observatam exchibentes. () S.John Brady’s Clavis Calendaria or a compendious Analysis of the Calendar (London 1815, 2 Vol. 8) Tom.I, p. 43. über das Alter der Runenkalender, 57 Exemplare, die man in den Bibliotheken und Kabinetten Deutschlands zer- streut antrifft (!), dienen gerade nicht zum Beweise davon. Die meisten sind auf vier- oder sechseckigen Stäben in Form unserer Ellen, oder auf dünnen Holztafeln geschrieben oder vielmehr geritzt, im letztern Fall entweder auf einer einzigen oder auf mehreren, die auf irgend eine Weise zu einem Ganzen verbunden sind, sei es durch einen eisernen Stift, um den sie sich fächerartig drehen, oder durch Bänder, um die sie sich nach Art eines Buchs entfalten lassen, oder wie sonst. Einige sollen auf aller- leiHausgeräth, Ellen, Wagebalken, Spinnrocken, grofsen hölzernen Schwert- scheiden u. dgl. vorkommen. Das Material ist also Holz. Doch finden sich auch einige aufKnochen. Olaus Worm gibt in seinem erwähnten Werke, das ausführlich von diesen Kalendern handelt, unter andern Exemplaren, die er hat abbilden lassen, auch eins auf einem Fischkiefer. Vergleicht man nun alle diese so mannigfach gestalteten Kalender, so überzeugt man sich bald, dafs ihr Inhalt bis auf geringe, blofs in der Form liegende, Verschiedenheiten durchgehends derselbe ist. Sie bestehen näm- lich aus drei parallelen Abtheilungen. Die mittlere gibt die Monatstage, in der Regel vom 1. Januar an. Die Namen der Monate kommen nirgends vor; denn die Runen sind, wie schon bemerkt worden, in den Kalendern blofse Zahlzeichen, und eine anderweitige Schrift findet sich in ihnen nicht; aber aus der Anzahl der Tage geht deutlich hervor, dafs es unsere juliani- schen sind. Die einzelnen Tage des Jahrs sird vom Anfange an zu je 7 abgetheilt, vermittelst der immer wiederkehrenden sieben ersten Buchstaben F, U, Th, O,R, K, H des runischen Alphabets, oder auch, wiewohl viel seltener, durch die sieben ersten Buchstaben des lateinischen (?). Da es keine Kalender auf bestimmte Jahre sind, wie wir gleich sehen werden, so hat der Februar durchgehends nicht mehr als 23 Tage, und da das Gemein- jahr aus 52 Wochen und einem Tage besteht, so schlielst es allemal mit demselben Buchstaben, womit es anfängt. Die obere Abtheilung enthält die unbeweglichen Feste und die vor- nehmsten Apostel- und Heiligentage der katholischen Kirche, die in unsern (‘) Die Kunstkammer auf dem hiesigen Königl. Schlosse z.B. besitzt vier Exemplare, drei auf Holz, eins auf Email, die hiesige Königl. Bibliothek eins auf Holz. Noch andere trifft man in hiesigen Privatsammlungen an. (2) z.B. in dem Exemplar der hiesigen Königlichen Bibliothek. Hist. phlolog. Klasse 1829. H 58 Ipetwer Volkskalendern roth gedruckt zu sein pflegen. Diese Tage sind entweder durch ganze und halbe Kreuze, oder durch andere willkührliche Zeichen, oder auch symbolisch durch allerlei bald so, bald anders gestaltete Figuren angedeutet, welche in der Regel die Würde, Attribute oder Todesart derer zu erkennen geben, denen sie geweiht sind. So ist der Epiphaniastag (der 6. Januar) durch einen Stern, der Hilariustag (der 13. Januar) durch einen Bischofsstab, der St. Paulstag (der 25. Januar) durch eine Axt, der Johan- nistag (der 24. Junius) durch ein Schwert, der Peter-Paulstag (der 29. Ju- nius) durch ein paar Schlüssel, der St. Laurentiustag (der 10. August) durch einen Rost, der St. Katharinentag (der 25. November) durch ein Rad be- zeichnet. In einigen Kalendern sind auch gewisse für den Landbau und die Schifffahrt bedeutende Tage durch eigene Zeichen hervorgehoben. Das Jul- oder Weihnachtfest, das in den ersten Zeiten des Christenthums im Norden nach einem aus dem Heidenthum stammenden Gebrauch unter lärmenden Festlichkeiten gefeiert wurde, findet sich gewöhnlich durch ein Trinkhorn symbolisirt. Die untere Abtheilung enthält neunzehn dem ersten Anschein nach bunt durch einander geworfene Zahlen. Bei. genauerer Ansicht zeigt sich aber, dafs sie vom 1.Januar an, unter welchem 3 steht, dergestalt fort- schreiten, dafs jede folgende die vorhergehende um acht Einheiten über- trifft, und dafs, wenn die Summe gröfser als 19 ist, blofs der Überschufs angesetzt wird, wie es z.B. die Ordnung der ersten acht Zahlen, 3, 11, 19, 8, 16, 5, 13, 2 zu erkennen gibt. Die Zahlzeichen sind in der Regel die neunzehn obgedachten Runen, oder anderweitige, dem Gehalt der römischen Zahlzeichen analog gebildete, Charaktere. So z.B. finden sich in einigen Kalendern die vier ersten Zahlen durch 1, 2, 3, 4 Punkte oder Striche, die 5 durch ein umgekehrtes V, die 10 durch ein stehendes Kreuz, die 15 durch eine Combination von 5 und 10, und die übrigen Zahlen durch so viel hin- zugefügte Punkte oder Striche bezeichnet, als es der jedesmalige Überschufs über die drei Grundcharaktere mit sich bringt. Nach 29 oder 30 Tagen kehren dieselben Zahlen in gleicher Ordnung wieder. Dies ist der Inhalt sämmtlicher vollständigen Runenkalender. In denen, die man unvollständige nennt, fehlt die dritte Abtheilung. Jeder Sachverständige sieht nun sogleich, dafs die Runenkalender nichts weiter sind, als der immerwährende julianische Kalender, über das Alter der Runenkalender. 59 der dem Mittelalter von Carl dem Grofsen bis auf die gregorianische Reform zur Bestimmung des Österfestes, und zugleich auch als jährlicher Kalen- der gedient hat. Als letzterer konnte er jedoch nur bei einiger Umsicht gebraucht werden, die heut zu Tage nur Wenigen eigen zu sein pflegt. Um diese Identität aufser Zweifel zu setzen, wird es nöthig sein, hier etwas über die Einrichtung und Geschichte des immerwährenden Kalenders zu sagen. Im dritten Jahrhundert n. Chr. Geb. kam der 19 jährige Mondeirkel, durch den sich die Neu-und Vollmonde ohne Rechnung bestimmen lassen, in kirchlichen Gebrauch. Dieser Cyklus besteht aus 235 Mondmonaten von mittlerer Dauer, die zusammen genommen nur um etwa anderthalb Stunden kürzer als 19 julianische Jahre sind, so dafs nach ihrem Verlauf die Neu- monde wieder an denselben Tagen eintreten. Die einzelnen Monate halten 29 Tage 12 Stunden 44 Minuten, oder wenn es, wie bei der Festrechnung, nicht auf eine Kleinigkeit ankommt, abwechselnd 29 und 30 Tage. In einem beliebig gewählten Jahr, das man zum ersten des Cyklus machte, traf in je- ner Zeit ein Neumond auf den 23.Januar. Diesem Tage, so wie allen folgen- den, zu denen man durch Weiterzählen von 29 und 30 gelangte, schrieb man die Zahl I bei. So hatte man die Neumonde des ersten Jahrs. Im zweiten ergab sich ein Neumond am 12. Januar, neben den man die Zahl I setzte, die auch neben allen übrigen Neumondstagen dieses Jahrs zu stehen kam. Das dritte fing mit einem Neumonde an; der 1. Januar wurde also mit III bezeichnet. So fuhr man durch alle 19 Jahre des Cyklus fort. Auf die Schaltjahre konnte hiebei keine Rücksicht genommen werden, weil der vier- jährige Schalteirkel nicht in den 19 jährigen Mondeirkel aufgeht. Es lag aber auch wenig daran, ob die Neumonde, die ja keine astronomisch be- rechneten sein sollten, einen Tag früher oder später eintrafen, wenn sie nur auf eine feste, für alle Christen übereinstimmige Weise angesetzt waren. Die gedachten 19 den Monatstagen beigeschriebenen Zahlen werden die güldenen genannt, vermuthlich weil sie in den Kalendern des Mittelalters mit goldener Dinte geschrieben wurden. Um sie gebrauchen zu können, kam es nur daraufan, das jedesmalige Jahr des Mondcirkels zu finden, wozu man eine bekannte ganz einfache Regel hat. Die güldenen Zahlen waren eigentlich so angesetzt, dafs sie nicht den Tag der Conjunction, sondern den folgenden, den Tag der ersten Phase, gaben, daher man, um von den H2 60 IperLer Neumonden zu den Vollmonden zu gelangen, 13 Tage weiter zu zählen hat. Nach einer, wie man gewöhnlich glaubt, von der nicäischen Kirchenver- sammlung (325) festgesetzten, noch immer gültigen Norm bedingt allemal der zunächst nach dem 21.März, dem Anfangstage des Frühlings, eintref- fende Vollmond das Osterfest, das daher in einem Zeitraum von fünf Wochen hin und her schwankt. Dieses Fest soll aber immer an einem Sonntage gefeiert werden. Es war also noch ein bequemes Verfahren nöthig, den Wochentag zu finden, der mit einem gegebenen Monatstage zusammen gehört. Zu diesem Ende theilte man das Jahr in Perioden zu je sieben Tagen, die man mit den sie- ben ersten Buchstaben des Alphabets bezeichnete. Derjenige Buchstab, der in jedem Jahr den Sonntagen angehört, wird der Sonntagsbuchstab ge- nannt, z.B. C, wenn das Jahr mit einem Freitage anfängt. Da das Gemein- jahr einen, das Schaltjahr zwei Tage über 52 volle Wochen hält, so über- zeugt man sich leicht, dafs erst nach 4 mal 7 oder 28 Jahren ganz wieder dieselben Wochentage mit denselben Monatstagen zusammentreffen können. Dieser Cyklus wird der Sonnencirkel genannt. Im Schaltjahr gibt man dem 24. Februar, dem Bissextus des Julius Cäsar, und dem folgenden 25sten einerlei Buchstaben, so dafs zwar die Monatstage ihre Buchstaben behalten, aber der Sonntagsbuchstab nach dem Schalttage wechselt, weil die Woche, auf die er trifft, einen Buchstaben weniger zählt. Stellt man nun die Sonntagsbuchstaben tabellarisch zusammen, wie sie sich im Verlauf von 23 Jahren ergeben, so mufs nur:noch gefunden werden, wofür man wieder eine leichte Regel hat, welches Jahr ein gegebenes im Sonnenceirkel ist, um dasselbe gehörig in Wochen theilen und mit Zuziehung der güldenen Zahl das Osterfest nebst allen übrigen beweglichen Festen ansetzen zu können. Dem zu Folge besteht der immerwährende julianische Kalender aus einem Verzeichnifs der Monatstage, denen die stets wiederkehrenden sieben ersten Buchstaben. des Alphabets und die güldenen Zahlen beigeschrieben sind (!). Setzt man an die Stelle der römischen Buchstaben und Zahlzeichen die runischen, und fügt die Symbole der unbeweglichen Feste hinzu, so hat man einen vollständigen Runenkalender. Gewöhnlich ist noch demselben (') Ich habe ihn in meinem Handbuch der Chronologie vollständig mitgetheilt. Th. U, S.194 ff. über das Alter der Runenkalender, 61 ein kreisförmig angeordnetes Verzeichnifs der Sonntagsbuchstaben beige- ‚geben ('). Der immerwährende Kalender führt den Namen des julianischen, weil ihm das Jahr des Julius Cäsar zum Grunde liegt. Wann und von wem er geordnet ist, weifs man nicht mit Sicherheit. Wenn man ihn auch den dionysischen nennt, so setzt man voraus, dafs er sich schon bei dem in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts lebenden Chronologen Dionysius Exiguus finde, der die Principien der Berechnung des Oster- festes zuerst aus dem Orient in den Occident verpflanzt, und dadurch dem langwierigen Osterstreit der griechischen und lateinischen Kirche ein Ende gemacht hat. Allein diese Voraussetzung beruht auf einem Irrthum. Weder in seiner Östertafel, noch in den Erläuterungen, die er darüber gegeben, kommt eine ausdrückliche Erwähnung der Sonntagsbuchstaben und gülde- nen Zahlen vor, statt deren er anderweitige, jedoch ganz analoge Begriffe aufstellt. Dasselbe gilt von der Östertafel und dem Werke de temporum ra- tione des gelehrten Beda Venerabilis, Presbyters der angelsächsischen Kirche aus der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts. Aber in den Schrif- ten dieser beiden um die christliche Zeitrechnung sehr verdienten Männer liegen schon deutlich alle die Keime, aus denen der immerwährende Kalen- der hervorgegangen ist, und es läfst sich daher nicht zweifeln, dafs er seine Entstehung dem neunten oder spätestens dem zehnten Jahrhundert ver- dankt (?). Anfangs gebrauchte ihn wol nur die Geistlichkeit zu bequemer An- setzung des Österfestes. Mit der Zeit kam er auch in die Hände der Laien als Surrogat Jährlicher Kalender, von denen man bis auf die Erfindung der (') So in dem der hiesigen Königlichen Bibliothek gehörigen Exemplar. Die Runen haben darin eine von der gewöhnlichen sehr abweichende Form. Ein Verzeichnifs derselben nach der Folge des Runenalphabets, d.i. nach ihrem Zahlenwerth, enthält die Tafel der Sonntagsbuch- staben. Jede der Tafeln stellt zwei Monate dar. Die durchgebohrten Löcher zeigen, dals die Tafeln ursprünglich durch Schnüre verbunden waren. Die drei hölzernen Exemplare auf der Kunstkammer enthalten nichts Ungewöhnliches. Sie sind sehr roh gearbeitet. (?) Die älteste mir bekannte Redaction desselben findet sich im ersten Bande von Schilter’s Thesaurus unter dem Titel: Kalendarium Alemannicum ex Cod. MS. Seculi XII de- scriptum. Ich zweifele aber nicht, dals noch ältere Exemplare vorhanden sind. 62 IpveuLer Buchdruckerkunst nichts wufste (!). Natürlich erforderte er, um als Kalen- der eines bestimmten Jahrs dienen zu können, einige Vorkenntnisse und Übungen, die heut zu Tage nicht sehr allgemein sind. Auf diese Weise wurde er in den skandinavischen Ländern, wohin ihn die ersten Religionslehrer verpflanzten, allmählig ein Bedürfnifs des Volks, das sich Jahrhunderte lang mit ihm behalf. Als Material, worauf man ihn schrieb, boten Gewohnheit und Mangel eines Bessern das Holz dar, und die Runen, in die man ihn kleidete, gaben ihm ohne Zweifel in den Augen Vieler etwas Geheimnifs- volles, Ehrwürdiges. Zum Theil hieraus hat man es sich zu erklären, dafs man ihn bis auf die Einführung des neuen Stils (1700 in Dänemark und Nor- wegen, 1753 in Schweden) gebraucht hat, ohne an eine Änderung der gül- denen Zahl zu denken, ungeachtet sich der 19 jährige Cyklus, der um andert- halb Stunden zu kurz ist, alle 310 Jahre um einen Tag gegen den julianischen Kalender verschiebt, so dafs die Neu- und Vollmonde mit der Zeit an ganz anderen Tagen eintreten, als es die güldenen Zahlen mit sich bringen (?). (') Wenn hin und wieder einem Runenkalender eine Jahrzahl beigefügt ist, so bezeichnet diese blofs das Jahr der Verfertigung. Auf ein bestimmtes Jahr kann seinem Wesen nach kein Runenkalender gehen. In dem Ersten Bericht an die Mitglieder der deutschen Ge- sellschaft zur Erforschung der vaterländischen Sprache und Alterthümer (Leipzig 1827), wo ein Runenkalender abgebildet und von S.64 an beschrieben ist, heilst es: „Das Alter unsers Kalenders möchte schwer zu bestimmen sein, so wie auch andere angeben mö- gen, ob er für ein gewisses Jahr gearbeitet, oder ein aligemeiner Kalender sei. Weder Olaus Wormius noch andere, welche Runenkalender beschrieben, erwähnen die Jahre, denen sie angehören, und vielleicht ist daraus zu folgern, dafs sie für allgemeine Kalender galten.’ Man sieht, der Schreiber dieses verstand sich wenig auf diese Art von Kalendern. Was er sich wol unter der herrschenden goldenen Zahl 3 gedacht haben mag, die dem ersten Januar bei- gefügt ist? Dem Februar des Kalenders sind irrig 29 Tage gegeben. Was für den 29. Februar genommen wird (in keinem Runenkalender kommt ein solcher vor) ist der 1. März. Dieser Fehler pflanzt sich bis zum 1. Oktober fort. Der Buchstab des zweiten Oktobers fehlt. Dadurch ent- steht ein Unterschied von zwei Tagen, der am Ende des Jahrs durch zwei falsche Buchstaben ausgeglichen wird, die gar nicht zum Jahr gehören. Es muls, wie schon bemerkt worden, mit dem Buchstaben anfangen, womit es aufhört. (°) Nur in zwei Runenstäben ist mir eine Verschiebung der güldenen Zahlen der veränder- ten Stellung der Neumonde gemäls vorgekommen. Der eine hat sich in der ehemaligen an Cu- riosis so reichen Sammlung des Hofrath Beireis zu Helmstädt befunden, und gehört jetzt dem Herrn Generallieutenant von Minutoli an. Es ist ein mit einer Messingplatte belegter höl- zerner Stab von drei Fuls Länge in Form eines Spazierstocks. Die sechs ersten Monate des über das Alter der Runenkalender, 63 In dieser Darstellung liegt zweierlei, einmal dafs die Runenkalender die christliche Zeitrechnung enthalten, und zweitens, dafs sie erst nach Ein- führung des Christenthums in den Norden gekommen sind. Das erste kann niemand bezweifeln, da noch kein Runenkalender gefunden ist, der ander- weitige Spuren des Heidenthums an sich trüge, als etwa das Trinkhorn am Weihnachtfeste. Das zweite haben verschiedene schwedische und dänische Gelehrte leugnen wollen, selbst einige auswärtige Verehrer des alten Nor- dens, z.B. noch ganz neuerlich Herr Legis. Von uralten Zeiten her sollen die skandinavischen Heiden die Dauer des Sonnenjahrs und den 19 jährigen Cyklus gekannt und ihre Runenkalender gehabt haben, von denen freilich alle vorchristliche Exemplare untergegangen sind. Niemand hat diese Hypothese schroffer aufgestellt, als der Schwede OlausRudbeck, der berühmte, oder soll ich sagen berüchtigte, Verfas- ser der 4lantica. Dieses aus drei Foliobänden bestehende, mit unsäglicher Gelehrsamkeit abgefafste Werk (!) ist voll der seltsamsten Behauptungen, z.B. dafs Schweden die wahre #tantis des Platon und der Wohnsitz der Patriarchen, so wie der heidnischen Götter gewesen, die hier einst als Men- schen gelebt haben, und dafs von hier die Griechen, Römer und alle übrige Völker ausgegangen seien. Den Runenkalender soll Atlas, ein schwedi- scher König, bald nach der Sündfluth construirt und auf eigene 300 Jährige Beobachtungen des Sonnen - und Mondlaufs gegründet haben. Jahrs stehen auf der einen Seite von oben nach unten, die sechs übrigen auf der andern. Statt der güldenen Zahl IH findet sich am 1. Januar XIX. Auf gleiche Weise ist jede Zahl um drei Einheiten verkleinert und in der Regel um ein Datum vorgeschoben, so dafs z.B. aus XI am 3. Januar VIII am 2ten geworden ist. Dadurch ist der Kalender so ziemlich mit der neuern Zeit in Einklang gebracht. Wenn nämlich am 19. Januar I steht, so soll dies andeuten, dals in einem Jahr, wie 1786, das diese güldene Zahl hat, am 19. Januar alten oder 30. Januar neuen Stils ein Neumond statt fand, und wirklich traf ein solcher auf den 30. Januar. Im Jahr 1805, wo wie- der die güldene Zahl I war, ereignete sich der Neumond um einen Tag früher. Vollkommen eben so gestaltet und geordnet ist der Runenstab auf Email, den die hiesige Kunstkammer aufbe- wahrt. Schon das Material, das man sonst nirgends zu den Runenstüben gebraucht findet, und die Zierlichkeit der symbolischen Figuren, lassen mit Sicherheit auf eine moderne Verfertigung dieser beiden Stäbe schlielsen. Die ganz übereinstimmige Form der Runen, die von der in Worm’s Fastis Danicis und andern gedruckten Büchern wenig abweicht, zeigt, dals sie aus Einer Fabrik sind. In der That, Beireis hatte gar nicht nöthig, seinen Stab für ein so beson- ders merkwürdiges Monument zu halten. Es ging ihm damit, wie mit seinem Diamanten. (') Upsala 1689. 64 I-.D'E L:EOR Etwas bescheidener in seinen Ansichten ist Stjernhjelm, gleich- falls ein Schwede, Verfasser eines kleinen Werks unter dem Titel /nticluve- rius ('). Bekanntlich ist der 19 jährige Mondeirkel 432 Jahr v. Chr. Geb. von dem Athener Meton erfunden und in die Zeitrechnung seiner Lands- leute eingeführt worden. Stjernhjelm nun glaubt, dafs dieser Cyklus ums Jahr 400 v. Chr. durch Reisende aus Athen nach Schweden gekommen sei, und dafs man daselbst die Kenntnifs desselben auf eine ganz ähnliche Weise benuzt habe, wie tausend Jahre später in den südlichen Ländern Europas; ja er hält selbst die Vermuthung, dafs Meton den Cyklus durch den Scythen Abaris aus Schweden erhalten und sich für den Erfinder da- von ausgegeben habe, für so unwahrscheinlich gar nicht. . Bei diesen und ähnlichen Hypothesen spielt eine dunkle die Hyper- boreer betreffende Stelle beim Diodor (?), worin des 19 jährigen Cyklus gedacht wird, eine Hauptrolle. In derselben heifst es unter andern: ‚,Man sagt, dafs von der Insel der Hyperboreer der Mond in geringem Abstande von der Erde gesehen werde,’’ woraus man schon einen Schlufs auf das Übrige machen wird. Wenn man der ganzen Stellein den Punkten keinen Glauben beimessen will, dafs diese Insel von der Gröfse Siciliens war, und dafs die Früchte daselbst jährlich zweimal zur Reife gediehen, warum soll man denn zum Vortheil eines uralten schwedischen Ursprungs des Runenka- lenders ein so grofses Gewicht auf sie legen? Zum Überflufs sagt Diodor selbst, er gebe nur alte Sagen des Hecatäus, eines Schriftstellers aus dem Kindesalter der griechischen Prosa und Geschichtschreibung. Noch gemäfsigter, als die beiden Schweden, äufsert sich der Däne Olaus Worm in seinem obgedachten Werke (?). Er wagt es nicht, den Runenkalender den Nordländern zuzuschreiben, sondern glaubt, dafs man ihn von dem Kalender des Julius Cäsar entweder schon bei dessen Leb- zeiten oder bald nacher kopirt habe. Dieser Römer soll bei Gelegenheit seiner Feldzüge in Britannien die Dänen, für die er eine ganz besondere Achtung gehegt, eingeladen haben, beim Eintritt der Sonne in den Steinbock die Zudos solemnes Julios zu feiern, was geschehen sei, so wenig sich auch (') Stockholm 1685, 8. ("1 9E CO)all, 20.7. über das Alter der Runenkalender., 65 sonst die stolzen Gothen um die Römer gekümmert hätten. Dieses Fest sei daher in den nordischen Ländern nach ihm Jwledag genannt worden. Aber nicht zu gedenken, dafs sich von einer solchen Benennung der Saturna- lien (denn diese sind gemeint) bei den Römern keine Spur findet, ist es, wie ich anderswo gezeigt habe (1), ganz unrichtig, dafs von güldenen Zah- len oder irgend etwas dem ähnlichen in Cäsar’s lediglich auf den Sonnenlauf gegründetem Kalender die Rede war. Das Julfest ist allerdings schon im Heidenthum gefeiert worden. Das Chronicon Norvagieum, das den Isländer Snorre Sturleson um den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts zum Verfasser haben soll, berichtet, Hakon Athelstan, der dritte König von Norwegen, der ums Jahr 936 zur Regierung kam, habe es nicht gewagt, sich zur christlichen Religion, der er geneigt gewesen, zu bekennen, jedoch befohlen, dafs seine heidnischen Unterthanen ihr Festum Juli auf denselben Tag verlegen sollten, wo die Christen ihr Weihnachtfest feierten, um sie allmählig zu den christlichen Gebräuchen hinüber zu ziehen. Mit dem Julfest fingen die Heiden ihr Jahr an, und das Weihnachtfest blieb nachmals auch für die christlichen Skandi- navier der Jahranfang. Sie nannten die Christmefsnacht Modranatt d.i. Hauptnacht, gleichsam die Mutter des Jahrs. Ursprünglich hat Jıd- oder eigentlich ZZiumänat in Schweden so viel als mensis tropieus bedeutet, von hiul, rota, conversio. Das Fest mufs hiernach um die Zeit der Winterwende als Freudenfest und Weihe des Jahrs gefeiert sein. Stjernhjelm, aus dem ich diese Notiz und Etymologie, die ich übrigens nicht verbürgen will, ent- lehne (*), legt ein besonderes Gewicht auf den altnordischen Jahranfang mit dem Jul- oder Weihnachtfest, ohne zu bedenken, dafs auch im übrigen Europa, von Karls des Grofsen Zeit an, der erste Weihnachtstag lange für die Jahrepoche gegolten hat. Es soll wirklich einige Runenkalender geben, die das Jahr mit dem 25.December anfangen. Andere, aber auch nur in geringer Zahl, beginnen es mit dem 14. April, dem Tage des Tiburtius, oder mit dem 14. Oktober, (‘) Handb. der Chron. Th.U. S.241 und anderswo. (*) Merkwürdig ist es, dals Beda (de temp. ratione c.13.) den Namen Gwili, den seiner Versicherung nach die Monate December und Januar bei den alten Angeln geführt haben, auch a conversione solis in auctum diei ableitet. Hist. philolog. Klasse 1829. I 66 IprLer über das Alter der Runenkalender. dem des Calixtus, z.B. einer, den Worm hat abbilden lassen (!). Diese Tage gelten dem nordischen Bauer bis auf diese Stunde für die Epochen des Sommers und Winters. Wie aber auch der Jahranfang in den Runenka- lendern gestellt sein mag, immer beginnt, was hier entscheidend ist, die Reihe der Buchstaben des Sonnencirkels mit dem 1. Januar, und immer haf- ten die güldenen Zahlen auf denselben Tagen, an die sie im julianischen Kalender geknüpft sind. Ich habe hier einige der Hauptansichten über den heidnischen Ur- sprung des Runenkalenders angeführt. Man mufs aber keinesweges glauben, dafs sie von allen Schweden und Dänen getheilt werden. Als Vertheidiger der von mir aufgestellten Meinung nenne ich nur die beiden Schweden Martin Strömer, Verfasser eines kleinen Werks unter dem Titel Under- visning om Runstafven, und Erland Fryksell, der in einer 1758 zu Upsala vertheidigten und zu Stockholm gedruckten Doctordissertation, mit grofser Schonung der unter seinen Landsleuten herrschenden Vorurtheile, de antiqw- tate Calendarü Runici gehandelt hat. Letztere Schrift ist mir besonders lehr- reich gewesen, und ich bekenne gern, durch sie zuerst auf die Bahn gelei- tet zu sein, die ich hier betreten habe, und die ich nun wol die rechte nennen darf. (') 8.100 und 102. OLE > 00H Über die thönernen Todtenkisten der Etrusker. „son H="UHDEN. nummwunmmnvwn [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 25. Juni 1829.] LT. etruskischen Todtenkisten von gebranntem Thon, sind, wie die früher beschriebenen steinernen, fast alle, sehr wenige, und diese von gröfsern Di- mensionen ausgenommen, mit Figuren und mannigfaltigen Ornamenten in Relief verziert, mit Deckeln, worauf menschliche Figuren, die Verstorbenen darstellend liegen, versehen, deren Namen, in etruskischer Schrift, mit schwarzer Farbe, an dem obern oder untern Rande angemahlt stehen. Von der, in den fragmentarischen Nachrichten vieler alter Schriftsteller geprie- senen Plastik der Etrusker geben aber diese plastischen Werke keine vor- zügliche Beweise, wenn man nicht annehmen will, dafs jene belobten Qua- drigen, jene Götterbilder von Thon, womit die Giebel und Giebelfelder alt- römischer Tempel besetzt waren, die ihnen gezollte Bewunderung mehr ih- rer Alterthümlichkeit in Form und Styl, als einer kunstreichen Darstellung und Vollendung verdankten, wie solche auch heut zu Tage manchen Wer- ken der neuen Kunst, aus gleicher, immer achtungswerther, doch nicht kunstgerechter Absicht, nicht selten zu Theil wird. Diese thönernen Todtenkisten sind allesammt klein, nur bestimmt, die Asche der verbrannten Leichname aufzunehmen. Einer einzigen, mir bekannten Ausnahme wird unten gedacht werden, auf welche der Ausdruck: fictilia sarcophaga, die in alten Inschriften erwähnt werden, passen möchte. Die gröfsere jener Kisten haben kaum sechzehn Rhein. Zoll in der Länge, danach eine verhältnifsmäfsige Höhe und Breite; die kleinste, die ich im Museum der Familie Oddi zu Perugia sah, mafs einen Fufs in der Länge, etwas über einen halben in der Breite, und ungefähr eben so viel in der Höhe. Der obere Theil dieser Kisten, unter dem beweglichen Deckel, 12 68 Uupven ist gewöhnlich mit einer Thonplatte geschlossen, welche in der Mitte eine längliche, an den Enden abgerundete Öffnung hat, nur so weit, dafs die Asche und Knochenfragmente eingeschüttet werden können. Alle sind von länglich viereckter Form. Die Vorderwand allein ist gewöhnlich mit einem Bildwerke in Relief verziert, seltner zeigen sich Verzierungen auf den Seitenwänden, niemals auf der hintern Seite. Weder die Reliefs, noch die liegenden Figuren auf den Deckeln sind eigens von einem Künstler modellirt, sondern Abdrücke, wahrscheinlich aus hölzernen Formen, vermittelst welcher sie auf eine leichte und wohlfeile Weise vervielfältigt wurden. Die Arbeit an den meisten dieser Bildwerke ist roh, die Conture der Figuren sind stumpf, letztere nicht selten mifsge- staltet, doch könnte man aus der meist sehr guten Composition dieser Bild- werke, wie bei den Reliefs an den steinernen Kisten auch bemerkt worden, vermuthen, dafs sie Nachbildungen vorzüglicher Kunstwerke sein möch- ten. Manche sind mit gröfserer Sorgfalt behandelt, einige auch mit Far- ben bemalt. Das Material, der Thon, aus dem sie geformt sind, ist nicht, wie bei den Vasen geschehen, sorgfältig geschlemmt und fein gerieben, sondern ohne besondere Verarbeitung verwandt. Überhaupt stehen diese Thonarbeiten tief unter den Meisterwerken gleicher Art, welche in den Trümmern Römischer und Griechischer Bauwerke gefunden werden, von denen die Königliche Sammlung vorzügliche Arbeiten sowohl im Runden als in Relief besitzt. Die Anzahl dieser thönernen Todtenkisten ist gegen die grofse Menge der in Alabaster, Travertin und Tuff ausgehauenen sehr gering. Die An- fertigung derselben war auf die Gegenden Etruriens beschränkt, welche an Brüchen jener Steinarten Mangel litten. Die Umgebungen der alten Stadt Clusium, jetzt Chiusi, liefern die meisten; vielleicht dafs auch in Perugia eine Fabrik dergleichen Aschenbehälter formte und brannte; in den dortigen Museen sind mehrere aufgestellt, von denen einige freilich von Chiusi hin- geschafft worden, andere aber sich durch Inhalt der bildlichen Darstellungen auf denselben, durch Fortsetzung dieser auf den Seitenwänden, und durch ihre Gröfse, von den Chiusinischen unterscheiden. Die verhältnifsmäfsig kleine Anzahl dieser Todtenkisten kann auch nur eine geringe Mannichfaltigkeit der auf ihnen geformten Bildwerke dar- über die thönernen Todtenkisten der Etrusker, 69 bieten. Die öftere Wiederholung desselben Gegenstandes, fast immer in ganz gleicher Zusammenstellung aller, und in den Details der einzelnen Fi- guren, selbst in einer solchen nicht zahlreichen Reihe von Kunstwerken, scheint überdem auf einen, überhaupt sehr geringen Umfang von Darstel- lungen zu deuten, mit denen diese Kisten geschmückt wurden. Der symbolisirenden Darstellungen zeigen sich wenige; häufig er- scheint das verschlossene Thor des Orkus zwischen zwei Cypressen, biswei- len ein Medusenantlitz zwischen diesen Trauerbäumen, seltner eine weibliche Figur, die in einen langen Fischschwanz ausgeht, wie solche auch auf stei- nernen Kisten vorkommt. Eben so eng und einförmig ist der Cyclus der mythisch - historischen Gegenstände auf diesen Denkmälern. Der Kampf eines fast nackten jugend- lichen Heros mit mehr oder weniger Bewaffneten, welche von jenem, mit einem Pflug, der ältesten einfachen Art, den jener mit den Händen schwenkt, niedergeschlagen werden; der gegenseitige Mord zweier bewaffneten Heroen, von denen der eine hier, der andere dorthin, unter der Obhut etruskischer Schicksalsdienerinnen sinkt, sind fast die einzigen Handlungen, die mit we- nigen Veränderungen gesehen werden. Ehe ich der Erläuterung dieser Dar- stellungen näher trete, mufs ich einer thönernen Todtenkiste in dem Museum der Familie Oddi zu Perugia gedenken, welche die gröfste unter den mit Bildwirken verzierten, mir bekannt geworden ist, und zugleich eine von den gewöhnlichen abweichende Darstellung an der Vorderwand zeigt, auch darin sich auszeichnet, dafs die Figuren in sehr erhobenem Relief vortreten, und die Seitenwände mit Reliefs verziert sind. An der Vorderwand sieht man einen jungen, mit Helm, Panzer und Schild gewaffneten Mann, der mit einem langen Spiefs ein nacktes Kind von hinten durchstochen hat, welches noch am Spiefse zappelt; ihn packt mit der Rechten ein hinter ihm stehender Mann, der mit der Tunica bekleidet ist, und von vorn haut ein, wie jener Bewaffneter, mit dem Schwerdt in der Rechten auf ihn ein. Die Figuren an den Seitenwänden sind leider! sehr versehrt; auf je- der der Seiten waren zwei gebildet. Ziemlich deutliche Spuren zeigen auf der zur Linken des Anschauers, einen Bewaffneten, der einen Andern vor ihm Niedergestürzten, jenes Knieen umfassenden mit der Linken am Helm- busch packt. Von den beiden Figuren auf der Seite zur rechten, fehlt die 70 Uupven eine ganz, ein stehender in eine Chlamys gehüllter Mann mit einem Spiefs in der Rechten ist wohlerhalten. Die hier dargestellte Handlung ist vermuthlich aus einem einheimischen Mythos entnommen, denn ich wenigstens erinnere mich aus dem griechischen Mythen-Cyclus keiner Sage, welche die Namen für die in dieser mörderi- schen Scene Handelnden darböte. Dieses Relief ist übrigens, so viel mir be- kannt, nirgend weder abgebildet noch in Druckschriften besprochen worden. Versuche von Erklärungen der obengedachten beiden andern, auf die- sen ihönernen Kisten am ‚häufigsten vorkommenden Bildwerken, sind ver- schiedentlich ausgefallen. Der Pflugschwingende kämpfende Heros wird von einigen Echetlos, von andern Cadmus, und noch von andern Jason genannt; in der Benennung der beiden sich gegenseitig mordenden Heroen vereinigen sich Alle, und erkennen in ihnen die thebanischen feindlichen Brüder. Die an Figuren reichste Darstellung jenes seltsamen Kampfes hat zu- letzt Inghirami in den Monument etruschi bekannt gemacht. An den Ecken des Reliefs, rechts und links steht eine der etruskischen Schicksals- dienerinnen, in ihrem gewöhnlichen Costum, mit grofsen Flügeln an den Schultern, entblöfstem Oberleibe, gegürtetem Gewand um Hüften und Schenkel, Kreuzschnüren mit Buckel auf der Brust und über den Schultern, an den Füfsen leichte Jagdstiefeln. Die eine hebt die rechte Hand gegen die Kampfscene empor, diese hütend und leitend. In der Mitte des Reliefs steht ein jugendlicher Heros, die Königsbinde um das Haupt gewunden, nackt, nur mit einem länglicht runden Schild am linken Arm bewaffnet, und stöfst mit einem langen, einem einfachen Pfluge ähnlichen Instrumente einen geharnischten Mann zu Boden, neben welchem ein andrer, schon niederge- kämpfter Todter liegt. Auf den Heros dringt mit dem Schwerdt in der Rechten, ein junger mit Helm und Schild Bewaffneter ein, im Hintergrund stehen zwei Jünglinge, nach Art der Ackerleute mit kurzen Tuniken beklei- det und runden Hüten auf den Häuptern. Diese Kiste ist wie eine, ihr ganz ähnliche in der Villa, von Alabaster aus Volterranischer Fabrik. In den sehr häufigen Wiederholungen dieser Darstellung auf thöner- nen Kisten werden die Schicksalsdienerinnen nicht gesehen, auch trägt der siegende Heros keinen Schild, sondern stöfst mit dem pflugähnlichen Instru- mente, welches er mit beiden Händen fafst, einen bepanzerten bärtigen über die thönernen Todtenkisten der Etrusker. 74, Mann nieder, den ein anderer ebenfalls Bewaffneter vertheidigt, ein dritter Bewaffneter scheint zu entfliehen. Gori, der zuerst eines dieser Reliefs bekannt machte, und unrichtig behauptete, dafs diese Vorstellungen ausschliefslich auf thönernen Todten- kisten erscheinen, sieht in den Handelnden Gladiatoren, deren einer mit dem in den Fechterspielen wohlbekannten traurigen Uncus fechte. Passeri, nach ihm Winkelmann und mehrere Neuere nennen den Kämpfenden Echetlos, und erkennen in ihm jenen gleichnamigen Heros, der in der Schlacht von Marathon, den Griechen hülfreich erschien und mit einem Pflugsterz (&x,rxn) bewaffnet, die eindringenden Perser besiegte; wohl nur ein, in mythologischem Sinne erschaffenes Symbol eines Landsturms, den die Landleute, mit ihren Ackergeräthen bewaffnet, gegen den Feind erho- ben hatten. Auch Zoega hat mit dem Namen Echetlo den Helden auf der obenerwähnten Kiste der Villa Albani in seiner Beschreibung (') der in der- selben befindlichen Reliefs bezeichnet, wenn er gleich gegen diese Benen- nung Zweifel aufstellt. Ihm scheint besonders das Instrument weiches der Heros zum Morden handhabt, nicht ausgemacht ein Pflug zu sein, es ist ihm dazu zu klein, und er vermuthet in der Scene die bildliche Darstellung eines, uns unbekannten einheimischen Mythos. Diese Vermuthung, möchte wie wir sehen werden, wohl begründet, doch das Instrument, als Pflug anzuerkennen sein; denn auf den meisten dieser Bildwerke erscheint das- selbe in einer Gröfse, welche die Benennung vollkommen rechtfertigt. Dafs aber hier der Heros Echetlos nicht gemeint sein könne, erhellt besonders aus zwei Umständen; einmal weil die Marethonische Schlacht völlig aufser dem Bereich der etruskischen mythischen Darstellungen liegt, dessen Umfang aus der zahlreichen Menge der Denkmäler dieses Volkes ge- nugsam bekannt ist, und dann, weil der Heros von Marathon, wie sein Name zeigt, nicht mit den vollständigen @gerew, sondern mit einem sehr schwachen desselben, mit der &4£7%r, dem Sterz, schlug und siegte, gerade dadurch seine Wunderkraft bezeugend, wie Simson, als er die Philister mit dem bekannten Kinnbacken besiegte. Auf unserm Reliefs ist aber der Pflug in seiner ältesten Form, vollständig dargestellt, ein hakenförmiger langer Ast eines Baums, dessen längeres Ende als Deichsel, zum Anspannen des (') Lübassirilievi antichi di Roma etc. tomolI, p. 181, tab.xL. 12 Uuoven Zugviehs, das kurze zugespitzte, zum Aufreissen der Erde als Pflugschaar diente; das urvum aratri, die bura oder buris sieht man hier in ihrer ur- sprünglichen Gestalt. Erinnert man sich nun des uralten Ritus der Etrus- ker, den sie bei Gründung ihrer Städte stets beobachtet, den Umfang der- selben mit dem Pflug abzugränzen; so war, threr Symbolik gemäfs, ein Heros, der einen Pflug handhabt, als Stadtgründer bezeichnet, und findet sich als solcher, in dem Mythencyclus der Erusker ein Heros vor allen ans- gezeichnet, so kann nur er, in diesen Reliefs dargestellt sein. Als solcher ist aber der einheimische Heros Tarchun oder Tagywv, wie die Griechen ihn nennen, von dem die Stadt Tarquinii (nach ihm benannt) und die übrigen elf ältesten Städte Etruriens mit dem Pflug umzogen und gegründet worden sind, bekannt, und er erscheint auf diesen Bildwerken, mit den, ihm eigends zu- kommenden Instrument siegreich kämpfend gegen diejenigen, die seiner Ab- sicht und Macht sich widersetzen wollen. Die beiden, dem Königlichen Museum zugehörigen thönernen Aschen- kisten, sind mit Darstellungen symbolischen Inhalts verziert. Auf der Vor- derwand der einen sehen wir den Abschied eines Ehegatten von dem andern, vor dem, noch verschlossenen Thore des Orkus, auf der zweiten ein schwer zu erklärendes schönes Antlitz eines symbolischen Wesens. Hier eine kurze Beschreibung derselben. Die erste der erwähnten Kisten ist lang 11-- Zoll, breit 64 Zoll und hoch SZoll. Deckel lang 1Fufs, breit 74 Zoll. An der Vorderwand ist hier und dort an der Ecke eine dorische unkannelirte Säule gebildet, die beide einen Architrav tragen, der sich über der ganzen Vorderwand wegzieht. In der Mitte des Reliefs zeigt sich ein verschlossenes Thor, dessen oben ab- gerundete Flügel mit Bändern beschlagen, und mit Klopfringen, die in den Rachen einer Löwenmaske hängen, versehen sind. Vor dem Thor steht ein Mann und eine Frau, welche die Rechten Hände in einander schliefsen. Der Mann steht der Frau zur Rechten; er ist bekleidet mit der Tunica und der Toga, die Frau trägt eine Tunica und darüber ein Peplum, hinter dieser steht eine Genia, nach ihr hinblickend. Diese ist bekleidet mit der kurzen Tunica, hat die beiden kreuzweis gelegten Bänder über der Brust, grofse Flügel an den Schultern, sie fafst in der Rechten ein kurzes Schwerdt mit einem Wiederhaken in der Form der ägrn des Perseus am Griff, mit der Spitze auf dem Boden gestellt, die Linke ruht auf dem Schenkel, an den über die thönernen Todtenkisten der Etrusker. 73 Füfsen trägt sie Halbstiefeln. Hinter dem Manne steht ein männlicher Ge- nius der diesen mit der Linken umfafst, und nach ihn hinblickt, in der Rech- ten hält er einen grofsen Hammer an dessen langen Stiel vor sich auf dem Boden. Der Genius ist nackt, eine Thierhaut, vielleicht ein Löwenfell, ist um seine Schultern geworfen, hängt hinten herab, und ist auf der Brust mit den Vordertatzen zusammen geschürzt, an den Füfsen trägt er Halbstiefeln, an den Schultern grofse Flügel. Auf dem Deckel ruht, mit aufgerichtetem Oberleibe eine Frau, bekleidet mit der Tunica und dem Peplum, welches ihr hinten den Kopf verschleiert und um den linken Arm geschlagen ist, einen Zipfel daran fafst die linke Hand, die mit dem Arın auf zwei überein- ander liegenden Kissen ruht, in der Rechten hält sie auf dem Schoofs einen grofsen runden Kranz. Eine schlechte, in den Details sehr unrichtige Abbil- dung, wo nicht desselben, doch eines ganz ähnlichen Reliefs, hat Dempster in der Ztruria regali gegeben (!). Die andere Kiste ist um ein weniges gröfser, lang 1 Fufs Zoll, breit 7 Zoll, hoch 9 Zoll, der Deckel lang 1 Fufs 2Zoll, breit SZoll. Die Vor- derwand ist geschlossen durch zwei kannelirte Pfeiler, mit einem, dem Ko- rinthischen nicht unähnlichen Kapital; quer über der ganzen Vorderwand liegt auf derselben ein Architrav mit Zahnschnitten. Mitten an der Vorder- wand ist in ziemlich hohem Relief gebildet ein unbärtiges schönes jugend- liches Gesicht ganz von vorn, mit der phrygischen Mütze das Haupt bedeckt, unter der, neben der Stirn Haare hervorstehen; an der Mütze dehnen sich von beiden Seiten grofse Flügel mit aufwärts gebogenen Spitzen aus, unter diesen geht, gleichfalls von der Mütze aus, auf jeder Seite ein breites Band mit langflatternden Enden; am Kinn spriefst rechts und links ein Akanthus- blatt, welches sich mit einer Schwingung, die ungefähr parallel mit den Flü- geln und den Bändern geht, ausbreitet. Man könnte an den deus Zunus denken. Am Grunde des Reliefs sind Spuren rother Farbe sichtbar. Auf dem Deckel liegt die Figur eines unbärtigen Mannes, ganz eingehüllt in einer Toga, den entblöfsten Kopf auf zwei Kissen gelehnt. Aufser diesen kleinen thönernen Aschenbehältern, werden in den Tos- kanischen Museen, doch nur in sehr geringer Anzahl, grofse von gebranntem (') Tom.I, tab. xxxxıv. Hist. philolog. Klasse 1829. K 74 Uupex über die thönernen Todtenkisten der Etrusker. Thon geformte Särge zur Aufnahme ganzer Leichname aufbewahrt. Diese sind ohne alle Verzierungen, doch mit Inschriften versehen, welche die Na- men der Verstorbenen enthalten. Eine solche sah ich im Museum der Fa- milie Oddi zu Perugia, sie war im Jahr 1797 bei dem Städtchen Cetona im innern Etrurien gefunden, mit anderem thönernen Geräth und steinernen Todtenkisten. Diese Kiste bildet ein länglichtes Viereck, und ist, wie un- sere Särge, an dem einen Ende breiter als an dem andern, die schmalen Seiten sind ausgerundet. Sie ist lang 5 Fufs 11-5-Zoll, breit am obern Ende 4 Fufs 10 Zoll, am untern 1 Fufs 6Zoll tiefen breiten Ende 94Zoll, am schma- len S-ZoN, die Wände sind überall von gleicher Dicke, 1-- Zoll stark. An der einen langen Seite ist mit braunrother Farbe der Name der darin beigesetzten Verstorbenen in ziemlich grofsen, jetzt etwas verwischten, doch noch lesbaren Buchstaben gemalt, sie hiefs: NANIAA:IFA+:AIMAO lateinisch übersetzt: Z’hania Titia Varia nata. Die Kiste ist von angench- mer Form, sehr gleich gebrannt, und vortrefflich erhalten. Über die, an diesen thönernen Aschenbehältern zu lesenden Inschnit- ten mufs ich eine Bemerkung hinzufügen, die bei Bestimmung des Zeital- ters derselben zu beachten sein möchte. Es verschwinden in ihnen zwei ächt etruskische Buchstaben -Formen und werden durch zwei gleichlautende griechische Buchstaben ersetzt, die sich auf den steinernen Todtenkisten nicht finden, nämlich das grofse griechische ® und das dem lateinischen P ähnliche P, statt des etruskischen F in Form der Zahl 8 und des R in Form des lateinischen D. ——— UNI 0 — Über die Verhältnisse der Russen zum Byzantinischen Reiche in dem Zeitraume vom neunten bis zum zwölften Jahrhundert. Von Hm WILKEN. mm [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 12. Februar 1529, am 26. November 1829 und am 18. November 1530, so wie in den öffentlichen Sitzungen am 3. Julius 1829 und 28. Januar 1830.] D. die Russen so wie ihre Bekehrung zur Christlichen Lehre, so auch den Anfang ihrer Bildung in Wissenschaften, Künsten und Gewerben ihrer frühen Verbindung mit den Byzantinischen Griechen verdanken, ist ein so allgemein als gültig angenommener Satz, dafs eine Begründung desselben durch eine genaue und ins Einzelne gehende Beweisführung ein sehr über- flüssiges Unternehmen sein würde. So wie nicht nur das russische Alpha- bet griechischen Ursprungs ist, sondern auch die Sprache der Russen in ih- rer gegenwärtigen Ausbildung unverkennbare Spuren des Byzantinischen Ein- flusses darbietet, eben so erkennen auch die russischen Chroniken die wohl- ihätigen Einwirkungen der neuern Griechen auf ihr Volk mit Dankbarkeit an; und der neueste berühmte Geschichtschreiber des russischen Reichs hat über- all, wo sich die Gelegenheit darbot, auf die wichtigen Vortheile aufmerksam gemacht, welche in Beziehung auf kirchliche und politische Einrichtungen, auf Sitten und Geistesbildung, auf Verschönerung ihrer Städte durch zweckmä- fsige Gebäude und auf Ausschmückung ihrer Kirchen durch künstliche Werke von mancherlei Art die Russen ihrer vielfältigen Verbindung und ihrem Han- del und Verkehr mit Constantinopel verdankten. Wenn auch die Russen sehr oft das geschwächte Byzantinische Kaiserthum durch ihre Waffen schreckten und die Küstenländer desselben ohne Schonung plünderten, so stand ihnen gleichwohl die Pracht und Herrlichkeit der griechischen Kaiserstadt mit den vielfältigen Lebensgenüssen, welche sie darbot, als ein Muster vor Augen, K2 76 Wırxen über die Ferhältnisse der Russen welchem sie ihre Hauptstädte Kiow und Novgorod so nahe als möglich zu bringen suchten. Die Russen verdanken aber den Byzantinern nicht blofs den Ursprung ihrer Bildung, sondern sogar auch den Anfang ihrer Geschichte; und der Mönch Nestor, als er gegen das Ende des eilften Jahrhunderts es unternahm, eine Chronik seines Volks zu schreiben, sah sich genöthigt, die älteste Geschichte desselben meistens aus den Nachrichten Byzantinischer Geschichtschreiber zu schöpfen. Die Russen führen bei den Byzantinischen Schriftstellern den Namen ‘Pös, welcher nicht flectirt wird, und also auch im Pluralis unverändert bleibt; z.B. ci ‘Pös und 78 &9vos rw ‘Ps, und daraus wird das Adjectivum 'Purıxes gebildet, z.B. % ‘Pwrixn drovoıe bei Leo Diaconus VII.3. Die Byzantini- schen Griechen rechneten die Russen zu dem Scythischen Volksstamme, un- ter welchem sie überhaupt die Slavonischen Völkerschaften begriffen, und unterscheiden dieses Volk auch zuweilen durch den Namen Tauroscythen (ei TavgorzvSau), welchen sie abwechselnd mit dem eigentlichen Namen der Russen gebrauchen, und von den Wohnsitzen dieses Volks am nördlichen Taurus ableiten (!); es läfst sich aber nicht das Gebirge bestimmen, welches sie mit diesem Namen bezeichnen. Die Urtheile der Byzantinischen Ge- schichtschreiber über die Sitten und den Charakter der ältern Russen sind im Allgemeinen keinesweges günstig; denn, wenn auch Nicetas sie, indem er von dem Beistande, welchen sie dem Kaiser Alexius Comnenus dem Dritten im Jahre 1200 gegen die Walachen und Comanen leisteten, redet, das christ- lichste Volk (&9ves xgırrıavizwrarov) nennt: so bezeichnen dagegen andre frühere Byzantinische Schriftsteller die Russen zu der Zeit, in welcher sie noch ihre alten Götter verehrten, nicht nur als Gottesläugner (?), sondern auch als ein blutdürstiges Volk ohne Sitte und Menschlichkeit (?). Man sieht aber aus ihren Berichten über die Kriege, in welchen die Griechischen Kaiser ihr Reich gegen die Angriffe der Russen zu vertheidigen hatten, dafs (!) Tois TavgosziIas oÜs # zen darsrros Pos einer dvormclew. Leo Diac. IV,6. Der Name Tauroscythen war also nur ein edlerer Ausdruck der Schriftsprache. (?) Tov @Stuv ‘Pac. Leonis Gramm. Chronographia (ed. Paris.) p.463. (°) Z.B. 70 pieupovorarov av NruSov EDvos, 0i Aoyenevor ‘P&s, in Nicetae vita Ignati in Harduini Coneil. T.V. p- 966. Vgl. die weiter unten im Texte angeführte Stelle aus dem zwei- ten Briefe des Patriarchen Photius. Photü Epist. ed. Richardus Montacutius p. 98. zum Byzantınischen Reiche. 27 die Russen den Byzantinischen Griechen nichts weniger als verächtlich, son- dern vielmehr höchst furchtbar erschienen und dafs man in Constantinopel gern mit diesem furchtbaren Volke Frieden und Freundschaft unterhielt. Es ist auffallend, dafs in den Byzantinischen Geschichtschreibern der Name der Russen nicht vor dem Jahre 863 der Christl. Zeitrechnung erwähnt wird; denn die Nachricht des späten Nicephorus Gregoras, dafs ein russischer Fürst an dem Hofe des Kaisers Constantinus des Grofsen das Hofamt eines Truchsefs versehen habe (!), ist eine offenbare Erdichtung, und von dem- selben Gehalte, als die Nachricht, welche eben dieser Schriftsteller an der- selben Stelle, um die Herrlichkeit der Hofhaltung jenes Kaisers zu beweisen, vorträgt, dafs schon damals die Würde eines Megas Dux mit dem Fürsten- thum Attica und die Würde eines Grofsprimicerius mit dem Fürstenthum von Boeotien und Theben verbunden gewesen sei. Es ist jedoch kaum glaublich, dafs der Name der Russen nicht schon früher vorhanden gewesen sein sollte, obgleich der aus Byzantinischen Quellen schöpfende Nestor be- hauptet, dafs der Name Rufsland mit dem Jahre der Welt 6360 (Chr. 552) und der Regierung des Byzantinischen Kaisers Michael des dritten begonnen habe (?), und an einer andern Stelle den Warägischen Beherrschern der Russen die Erfindung dieses Namens zuschreibt (?). Wenn erst in so später Zeit eine solche politische Vereinigung slavischer Völkerschaften, welche die Erfindung eines neuen Namens veranlafste, Statt gefunden hätte: so würde es wenigstens sehr auffallend sein, dafs bei den Byzantinischen Schriftstellern keine Nachricht von einer so wichtigen Begebenheit sich findet, da doch das Russische Volk ihre Aufmerksamkeit so vielfältig in Anspruch nahm; viel- mehr nennen diesen Namen alle Schriftsteller, bei welchen er sich findet, als einen längst bekannten Namen. Der Patriarch Photius, welcher zu der Zeit lebte, in welcher der Name der Russen erst entstanden sein soll, be- (!) 0 de ‘Purizös ryv TE gras zur 70 aim voÜ em raamegns maga To) MEyarov BERrY- gwzcı Kuvsravrivou. Niceph. Gregor. Lib. VO. cap.5. $.5. p-146. Ducange ad h.!. p:733. () Schlözer’s Nestor Th.I. S.145 folg. (©) Ebendas. 5.192. 193. Diese verschiedenen Nachrichten dürfen jedoch nicht als sich wi- dersprechend betrachtet werden; denn Nestor hat sicherlich nicht die Absicht, in der erstern Stelle eine genaue chronologische Bestimmung zu geben, indem er ebendaselbst auch schon des ersten Zugs der Russen gegen Constantinopel als einer in die Regierung des Kaisers Michael fal- lenden Begebenheit erwähnt, und diese Begebenheit später an gehörigem Orte weiter ausführt. 78 Wirken über die Ferhältnisse der Russen zeichnet sogar in seinem encyclischen Briefe an die morgenländischen Erz- bischöfe die Russen ausdrücklich als ein sehr bekanntes Volk: 70 raga wer- Acls momazıs SguAAounevov zei Eis WMoTrgTa zal Muuudoviav mayras ÖeUTEgOUS TATTO- jevov oVro On To zuAcuusvov 75 "Pas (!). Wir dürfen daher wohl annehmen, dafs der Name der Russen zwar in früherer Zeit vorhanden, sicherlich auch schon zu Byzanz bekannt war, aber, so lange die Russen nicht besonders sich bemerklich machten, in dem vielumfassenden Namen der Scythen ein- geschlossen wurde, auf gleiche Weise, wie der Bischof Luitprand von Cre- mona die Russen nicht von den germanischen Normannen unterscheidet (*). Das Volk der Russen wurde dem Byzantinischen Reiche erst seit der Zeit furchtbar, als durch eine der merkwürdigsten Entwickelungen, deren die Geschichte der Völker erwähnt, die Russen auf den Rath des Gastomysl, eines der Machthaber zu Novgorod, die drei Warägischen Brüder Rurik, Sineus und Truwor eingeladen hatten, ihre Knäsen zu werden, und ihnen Ordnungen und Gesetze zu geben. Auf diesem Ereignisse, so vielfältig es auch die Geschichtforscher beschäftigt hat, ruht noch immer ein undurch- dringliches Dunkel. Wenn es auch verwegen sein möchte, die Wahrheit der übereinstimmenden Erzählung der ältern Russischen Chroniken von die- ser Berufung der ersten Russischen Selbstherrscher aus der Fremde zu be- zweifeln: so ist es doch immer ein sehr bedenklicher Umstand, dafs in den Byzantinischen Geschichtschreibern auch nicht die leiseste Spur der drei Wa- rägischen Brüder sich findet. Die Umstände, welche Schlözer geltend zu machen sucht (?), um die Wahrheit jener Erzählung gegen die Zweifel, welche aus dem Stillschweigen der Byzantinischen Geschichtschreiber herge- nommen werden könnten, zu sichern, entfernen keinesweges jede Bedenk- lichkeit. Er beruft sich auf die damalige Unkunde der Byzantiner in Bezie- hung auf die nördlichen Länder von Europa und die allgemeine Mangelhaf- tigkeit der Byzantinischen Nachrichten in dem Zeitraume, in welchen die Stiftung des Russischen Reichs durch die Waräger fällt, nehmlich seit dem Aufhören der Chronik des Theophanes bis zu den Zeiten des Constantinus (') Photiü Epist. p.58. (?) Gens quaedam est sub Aquilonis parte constituta, quam a qualitate corporis Graeci vocant Russos, nos vero a positione loci Nordmanos. Luithprand, Lib. V. cap. 6. (°) Schlözer’s Nestor Th.I. S.199. zum Byzantinischen Reiche. 19 Porphyrogennetus, (vom Jahr 813 bis zur Mitte des zehnten Jahrhunderts). Dagegen aber läfst sich einwenden, dafs den Byzantinern, wenn ihnen auch der Scandinavische Norden fremd war, doch unmöglich die Verhältnisse ei- nes Volks unbekannt bleiben konnten, welches ihnen so furchtbar wurde, und in friedlichen Zeiten wahrscheinlich schon damals mit Constantinopel Handelsverbindungen unterhielt; und, wenn es auch in dem bemerkten Zeitraume an ausführlichen Behandlungen einzelner Begebenheiten und Ab- schnitte der Byzantinischen Geschichte fehlt: so sind doch die Werke des Psellus, Zonaras, Cedrenus und anderer so ausführlich, dafs man von ihnen über eine so merkwürdige Erscheinung, als die Gründung nicht nur eines neuen Reiches sondern sogar eines neuen furchtbaren Volks in der Nähe der Byzantinischen Grenzen war, eine Nachricht zu erwarten berechtigt ist. Auch die Schriftsteller, welche einzelne Abschnitte der Byzantinischen Ge- schichte nach der Mitte des zehnten Jahrhunderts behandeln, und der Russen sehr oft erwähnen, z.B. Leo Diaconus und Constantinus Porphyrogennetus, reden nirgends von diesem Volke als von einem erst hundert Jahre vor ihrer Zeit entstandenen, sondern stellen es in gleiche Linie mit andern seit langer Zeit den Griechen bekannten Völkern. Unter diesen Umständen hatte Nestor sicherlich Unrecht, aus dem Stillschweigen der Byzantinischen Geschicht- schreiber über die Russen bis zu den Zeiten des Kaisers Michael des Dritten die Folgerung zu ziehen, dafs erst während der Regierung dieses Kaisers der Name der Russen gebräuchlich geworden sei. Das frühere Dasein dieses Namens würde übrigens unzweifelhaft sein, wenn wir den Fürsten von Rosch, Mescheg und Thubal (==’n 72 wa” nw:), welchen der Prophet Ezechiel (Cap. XXXVIU. 2.3. und XXXIX. 1.) als einen Fürsten des Landes Gog und Magog und nach dem hebräischen Pro- pheten auch der Koran an zwei Stellen (Sure 25, v. 40. und Sure 56, v. 12.), obwohl in der Mehrzahl (Gut Let), nennen, für einen Russischen Herrscher nehmen dürften; wozu Herr von Hammer in seinem kürzlich von Herrn Frähn zu Petersburg herausgegebenen Zssai sur les origines russes (S. 24.) räth. Da das Wort ws” in den angeführten Stellen nicht ohne Zwang für das bekannte hebräische Wort (caput, principium) genommen werden kann, so ist wenigstens die Meinung, dafs es die Russen bezeichne, nicht unwahr- scheinlicher, als die von J.D. Michaelis und andern neuern Auslegern ge- 80 Wırxkex über die Verhältnisse der Russen billigte Vermuthung von Bochart (!), welcher darin den Arabischen Na- men des Araxes (»'-!) erkennen will. Wie es sich aber damit immerhin ver- halten möge, so ist es in jedem Fall als sicher anzunehmen, dafs die Byzanti- nische Form des Namens der Russen, ei ‘P&s, aus der Übersetzung der c®', welche in den angeführten Stellen des Propheten Ezechiel dadurch das he- bräische Wort ws” ausdrücken, entnommen worden ist (?). Die erste Erwähnung der Russen durch die Byzantinischen Schrift- steller wurde veranlafst durch den Angriff, welchen eine russische Flotte von zweihundert Schiffen in den Jahren 864 und 865 zur Zeit des Kaisers Michael des dritten Porphyrogennetus gegen Constantinopel unternahm. Da das chronologische Verhältnifs dieser Begebenheit in der Abhandlung des gelehr- ten Bayer: de Russorum prima expeditione Constantinopolitana (im VI.Bande der Commentarü Academiae Scientiarum Petropolitanae) hinlänglich erörtert worden ist; so beschränken wir uns hier auf die Betrachtung der Begeben- heit selbst. i Am ausführlichsten redet unter den Byzantinischen Geschichtschrei- bern über diese erste Unternehmung der Russen gegen Constantinopel der Mönch Leo, ein Schriftsteller aus der Mitte des zehnten Jahrhunderts, und die Nachricht dieses Schriftstellers oder vielleicht eines früheren unbekann- ten Geschichtschreibers aus welchem Leo sie schöpfte, findet sich fast mit denselben Worten in der Chronik des Nestor (?). Auch Georgius Mo- nachus (Seriptores post. Theoph. p. 535.536.) hat die Erzählung von dieser Begebenheit aus der Chronik des Leo Monachus aufgenommen. Symeon Logothetes (Seriptores post Theophanem p.445.), der ungenannte Fortsetzer der Geschichte des Theophanes (ibid. p.121.122.), Cedrenus und Zonaras, so wie der Patriarch Photius in seinem encyclischen Briefe an die morgen- ländischen Erzbischöfe (*), erwähnen dieses Ereignisses gleichfalls, jedoch (') Vgl. E.F.C.Rosenmüller ‚Scholia ad Ezech. XXXVII. 2. (2) Den Namen der Preufsen, welchen auch Herr Voigt durch Po-russen d..i. die an den Russen wohnenden, erklärt, darf man nicht für das frühere Dasein des Namens der Russen an- führen, da der Name der Preussen nicht vor dem Ende des zehnten Jahrhunderts vorkommt. Vgl. Voigt preufßs. Geschichte Th. I. S.299 - 307. 667 - 673. (°) Schlözer’s Nestor Th.I. p. 221. folg. (‘) Photü Epistolae, ed. Montacut. p.58. zum Byzantinischen Reiche. 81 ohne Anführung der nähern Umstände; und der Mönch Nicetas David der Paphlagonier liefert in seiner von Harduin herausgegebenen Lebensbeschrei- bung des Patriarchen Ignatius eine umständlichere Nachricht über die Ver- wüstungen, welche die Inseln der Propontis von den Russen damals er- litten (!). Die Veranlassung des Kriegs, in welchen das Byzantinische Reich auf eine höchst unerwartete Weise mit den Russen verwickelt wurde, wird von keinem der genannten Geschichtschreiber berichtet, und nur Photius bemerkt in dem angeführten Briefe, welcher ohngefähr ein Jahr nach dem Abzuge der Russen geschrieben wurde, dafs dieses Volk aus Übermuth, nachdem es seine Nachbaren unterjocht hatte, gegen das Römische Reich die Waffen kehrte: ci 4 za zara ns "Pwualans aowns, ToÜs megık aurav douAwrausvor KarelIev Ümegoyra hoovnuarır Jevres, xeigas avragav. Eben so wenig wird der russische Fürst oder Anführer genannt, von welchem diese Unternehmung geleitet wurde. Bekanntlich hatten nicht lange zuvor Oskold und Dir von den Wa- rägern zu Novgorod sich getrennt und in Kiow eine unabhängige Herrschaft gegründet (?), und es ist daher nicht unwahrscheinlich, dafs eben diese Fürsten, welchen die Schiffahrt auf dem Dnieper offen war, entweder selbst an der Spitze jener Flotte standen, oder doch wenigstens diese Unterneh- mung angeordnet hatten. Nestor bezeichnet sie ausdrücklich als die An- führer dieser Unternehmung, indem er eine griechische Chronik als Quelle nennt (3); wahrscheinlich aber bezieht sich diese Hinweisung des russischen Annalisten auf eine griechische Quelle nicht sowohl auf die Theilnahme der Brüder Oskold und Dir an dieser Unternehmung als vielmehr auf die mitgetheilte Nachricht von dieser Begebenheit im Allgemeinen. Der Kaiser Michael unternahm im neunten Jahre seines Reichs einen Zug gegen die Araber oder Saracenen, welche die Byzantinischen Schrift- steller nach ihrer Gewohnheit ’Ayagnvoös oder ’Iruaräires nennen. Er hatte noch nicht lange seine Hauptstadt verlassen, als der Drungarius der Flotte, Nicetas Oryphas, welchen der Kaiser als Statthalter (Urapy,ev) in Constan- (') Harduini Concilia T. V. p.966. (2) Karamsin russ. Geschichte Th. 1. cap. 4. () Schlözer’s Nestor Th.I. S.227. Hist. philolog. Klasse 1829. L 82 Wıuken über die Verhältnisse der Russen tinopel zurückgelassen hatte, ihm meldete, dafs die ihm zur Vertheidigung anvertraute Stadt von einer Russischen Flotte von zwei hundert Schiffen be- droht würde. Die Stelle der Chronik des Mönchs Leo, in welcher die Annäherung der Russen berichtet wird, bedarf aber nicht nur der Erklärung, sondern auch der Verbesserung, welche durch die fast gleichlautende Erzählung des Georgius Monachus erleichtert wird. Sie lautet in den bisherigen Ausgaben (ed. Paris. p.463.) also: ‘O de Barırevs EmegTgarEUTE Kara av "Ayagyvav Aa- FarımWv Ev TH more Taury buAdrrewv "Dopupav Urapy,ev ovra, örrıs oumw rev Barı- Aus oude EE ww EUEAETE Kara voDv Enge Haregyaranevou, riv av aIewv ‘Püs Eurvv- rev AdıEıw yeyernmevous Non Harz Tev Maupov moranov- nal ö ev Qarıdkeüs zal rys äu,oueuns ErerygIn 6dev nal di Av rayrnv AdAxev, oüde Darırınov zal yervalov eioyd- saro. Es kann 1) keinem Zweifel unterworfen sein, dafs statt raury puAar- rew zu lesen ist raurmw duÄarrev, wie auch bei Georgius Monachus steht. 2) Der Name ’Qegupes heifst richtiger bei Nicetas Paphlago (vita /gnatii p.963.) ’Qgupas. 3) Zwischen den Worten errıs eurw rev Qarırus und rarepyaranevou vermuthet die Pariser Ausgabe eine Lücke und es wird am Rande derselben vorgeschlagen, nach Parırws die Worte nargav @revros einzuschieben, was aber unnöthig ist und durch die gleichlautende Stelle des Georgius Monachus nicht begründet wird; der Sinn erhält schon seine Vollständigkeit, wenn statt oüde gelesen wird cuötv (bei Georgius Monachus ud&v), und hinter &ueAer« das »ai, welches die Construction erfordert und Georgius Monachus schon darbietet, eingeschaltet wird. 4) Die am Rande der Pariser Ausgabe vorge- schlagne Änderung von yeyernutvous in Yevoncvwv ist überflüssig, da der Accu- sativus von äusvurev abhängt, der mit yeyernufvous anfangende Satz eine Ex- position des vorigen ist, und diese Construction auch von Georgius Mona- chus beibehalten worden ist. Statt &rery&9n steht bei Georgius Monachus nerery,eSn, wofür wohl ererygSn nach Leo Diaconus zu verbessern ist. 5) Statt «ai di” A, was auch bei Georgius Monachus steht, wird am Rande der Pariser Ausgabe zai ö4 in Vorschlag gebracht; es ist aber sicherlich in diesen Worten kein Verderbnifs vorhanden, sondern die Rede ist nur wegen ihrer elliptischen Kürze dunkel, di’ Av (sc. ödov) rauryv (sc. ödov) abixev, (Ev aürf) cüdtv Parırızev nal yervalov eigyararo; dagegen ist 6) in dem folgenden Satze das cüds in oudtv umzuändern, was auch Georgius Monachus darbietet. Die ganze Stelle lautet also nach den vorgeschlagenen Verbesserungen also: ‘O ö& zum Byzanünischen Reiche. 83 Barıreds Emesrgareune Kara Tav "Ayapıyıv Kuradım av dv 2) more, Tayryv buAarrew, ’Qgudav Ümagyov övra, Orrıs ceumw Tod Barırws obdv EE Wv Zueikra za) zark volv ey,ev KATESYuTapEVEU ryv rav aIeuv "Pas Eunvurev adıkıw, Yeyernneveus Am zark Töv Hadgev moranov- nal 6 uiv Barıreis zal vis Eyomeuns EmenygIn 6ded, al di A rayrıv adynev oüdv Qarırızov zal yervalov eioyararo. „Der Kaiser unternahm einen Feldzug gegen die Agarenen, indem er den Oryphas als Statthalter zur Vertheidigung von Constantinopel zurückliefs; als aber von dem Kaiser noch nichts von allem, was er beabsichtigte und im Sinne hatte, war ausgeführt worden, so meldete Oryphas die Ankunft der gottlosen Russen, und dafs sie schon bis zum schwarzen Flufs gekommen wären. Hierauf setzte der Kaiser die begonnene Reise nicht fort, und vollbrachte auch auf dem Zuge, wegen dessen er diese Unternehmung aufgab, nichts kaiserliches und treff- liches.”’ Wir lassen auf diese kritische Betrachtung des Textes einige bisto- rische Erläuterungen dieser Stelle folgen. Über den Krieg des Kaisers Michael wider die Saracenen sind keine genauere Nachrichten vorhanden, und die Byzantinischen Geschichtschreiber erwähnen nur im Allgemeinen der Feindseligkeiten, welche um diese Zeit von den Arabern gegen Creta und verschiedene andere Länder des römischen Reichs geübt wurden ('). Der Statthalter Nicetas Oryphas, welcher auch Admiral der kaiserlichen Flotte (Agsvyyagıos rev Barırızeo FröAov) war, wird von dem Mönche Nicetas David (a.a.O.) als einer der heftigsten Feinde des vertriebenen Patriarchen Ignatius und eifrigsten Anhänger des damaligen Patriarchen Photius bezeich- net. Der in den angeführten Stellen des Leo Diaconus und Georgius Mo- nachus angeführte schwarze Flufs (uatgos roreuss), ist sicherlich kein andrer, als der Flufs Melas, welcher nach seiner Vereinigung mit dem Flusse Athyras und bei seinem Ausflusse in die Propontis den sechs Stunden von Constanti- nopel südwestlich liegenden Meerbusen Tschekmedsche (bei dem Griechi- schen Geographen Körres uiras) an der Propontis bildet (?), nicht aber, wie Bayer annimmt und Schlözer billigt (3), der in das Ägäische Meer sich (') Z.B. Continuator Constantini Porphyrogenneil p.122. (?) Meleti Geogr. (ed. Veneta fol.) p. 418. Jos. v. Hammer Constantinopolis und der Bosporus Th.I.p.17. Vgl. Cinnamus p.41. Nicetas Choniates p.43. und F. Wilken Ge- schichte der Kreuzzüge Th. III. Abth.1. S.122. Anm. 25. (°) Nestor Th.Il. S.231. L2 s4 Wıuxen über die Ferhältnisse der Russen ergiessende thracische Flufs Nestus, welcher ebenfalls von den Byzantinern Melas und Maurospotamos, von Meletius (!) Mavpovegı, und von den Türken noch jetzt Karah Su („o »2) d.i. Schwarzwasser genannt wird. Es würde allerdings sehr unwahrscheinlich sein, wie auch Bayer richtig bemerkt, dafs Oryphas dem Kaiser erst dann Nachricht von der Ankunft der Russen gege- ben hätte, als sie schon nicht nur Constantinopel vorbeigefahren waren, sondern sogar schon jenseits der Meerenge von Kallipolis sich befanden. Dagegen konnten die Russen, nachdem sie durch den Bosporus gefahren waren, keinen nähern Ankerplatz finden, als den Meerbusen des schwarzen Flusses; denn unter den Mauern von Constantinopel selbst war es, wie auch die Kreuzfahrer im Jahre 1203 erfuhren, wegen der heftigen Strömung des Meers sehr schwierig, die See zu halten. Früher konnte Oryphas dem Kai- ser nicht leicht Nachricht von der Ankunft der Russen geben, als nachdem sie im Meerbusen von Tschekmedsche angekommen waren; denn bei Con- stantinopel verweilten sie bei ihrer ersten Ankunft wahrscheinlich entweder gar nicht oder doch nur sehr kurze Zeit. Eine schr merkwürdige Abweichung von der so eben erläuterten Erzäh- lung des Leo Monachus und Georgius Monachus findet sich in dem Berichte des Symeon Logothetes oder Metaphrastes (p. 445.), obgleich dieser Schrift- steller, wie aus der Übereinstimmung nicht blofs in der Hauptsache selbst, sondern auch in einzelnen Aasdiesken hervorgeht, aus derselben Quelle ge- schöpft hat, welche Leo und Georgius:Monachus benutzten. _T3 &varw aurcd ereu, sagt Symeon Metaphrastes, Engrgareucı 6 Barıreds Miyayı rare ray "Ayapyvav, 70V "Opupav (’Nguhav) UmaQy,ov &v N moAeı nararımwv' os al rov Barıra 709 70 Mav- gomorauov zararaevra, ÖyAcı ryv rav "Püs adızıw Trcıwv curav diarcrımv 5 08 Bc- FINEUS EUSUS Ümonrgeder under eAws Egyasalevos. Nach dieser Erzählung waren also. nicht die Russen am Mauropotamos, sondern der Kaiser Michael viel- mehr befand sich dort, als ihm Oryphas die Ankunft der Russen melden liefs. Stritter sucht diese Schwierigkeit durch die unwahrscheinliche Vermuihung zu lösen, dafs Symeon Logothetes von einem andern Mauropotamos als Leo und Georgius Monachus rede (?). Bayer dagegen begründet (p.374.) auf diese Stelle des Symeon die Vermuthung, dafs in den vorhin an und (1) Geogr. Lea (*) Stritter Memoriae populorum Tom. . Pars 2. p- 958. Anm.e: “ \ zum Byzantinischen Reiche. 85 erläuterten Stellen des Leo und Georgius Monachus das yeyeynueveus, welches auf die Russen sich bezieht, in yevou&vw zu ändern und auf Barıre)s zu bezie- hen sei. Allein abgesehen von dem Umstande, dafs der Satz yevousvw 77 zur« zu uadgev roraucv, wenn er sich auf den Kaiser beziehen soll, durchaus nicht an der rechten Stelle steht, sondern auf eine höchst schleppende Weise nach- hinkt, so ist es sehr bedenklich, den übereinstimmenden Text von zwei ver- schiedenen Schriftstellern zu ändern, und zwar zu Gunsten eines Textes, wel- cher, wie es in dem Berichte des Symeon Logothetes der Fall ist, offenbare Spuren der Verderbtheit trägt; denn der doppelte Accusativ bei dyAct läfst sich in dem ‚Texte dieses Schriftstellers, welcher nicht zu den schlechtesten ge- hört, durchaus nicht als richtig anerkennen. Es liegt daher die Vermuthung nahe, dafs eine Versetzung der Worte Statt gefunden, der Name ‘'Pös an eine unrechte Stelle gerathen sei, und der Text des Symeon Metaphrastes in den streitigen Worten auf folgende Weise verbessert werden müsse: &s zu 7% Barıze rav "Pas An 73 Maugororanov zararaßeyrwv ÖnAcı ryv apıEıw TA Über die Unternehmungen der Russen vor ihrer Erscheinung vor den Mauern von Constantinopel theilen weder Leo Monachus, noch Georgius Monachus, noch Symeon Metaphrastes einige Nachrichten mit; nur der un- genannte Fortsetzer des Theophanes so wie Cedrenus und Zonaras berichten dafs die Russen, bevor Constantinopel von ihnen bedroht wurde, das schwarze Meer und die Küstenländer desselben beunruhigten, und dort grofsen Scha- den stifteten (1). Diese Erzählung der beiden spätern Geschichtschreiber wird auch durch das Zeugnifs eines der Begebenheit gleichzeitigen Schrift- stellers, des Mönches Nicetas David, mehreremale in dessen schon angeführ- ter Lebensbeschreibung des Patriarchen Ignatius (p. 966.) bestätigt: ei Aeyc- nevcı "Pas dia ro Edgeiveu movrsu moeTReywennores rd Brevw. Mit dem Namen Srevov bezeichneten die Byzantiner nicht nur den Bosporus (?), sondern we- nigstens die spätern auch das jenseitige Ufer des Hafens Chrysokeras an der Seite von Galata, und insbesondere die Gegend, in welcher die Juden ihre rn vor \ > ’ x m \ > mn u} € m 8 n ’ x ’ ’ (2) Ta ds evros EdEswou zu TÄTAV TYU RUTOV mapariav 0 Fwr Pus EMODTEL Aa ARFETZENE CTO- . Er ne 3 a ‚ RT Sunık Yı ‚ ’ U: 205. Cedr. p.551. To 8° &Svos rwv "Pas... row see Fo EdEewou Movrov Aurergeye acı urn Bu- b> , ’ ’ * rg‘ um De : - ’ ’ > X > x x Savridzmızvar gasizre. Zonar. T.U.p.162. To ds &Ivos raw "Pus rov re Ilovrov aurov.oV nv zu \ NE ’ x F JE) N = 3 m m N In ee} A sev Evgewov zareumpmgr za aurnv Fyv wor regienrayıge, ruvizaöre 700 Miyayı zara Iruen- rırav Errrgersvovros. Continuator Constantini Porphyrog. p.122. (?) S. Zosim. Lib.11. c.30. 86 Wırxen über die Verhältnisse der Russen Wohnungen (!) sowohl als ihre Begräbnifsplätze hatten; die dortigen Juden standen daher unter dem sroarnyös red Yrevov. (2) Die Russischen Chroni- ken drücken den Griechischen Namen $revov durch Sud d.i. Sund sehr richtig aus (?). Der Mönch Nicetas setzt nach den eben angeführten Worten hinzu, dafs die Russen das an dem Bosporus gelegene Land und die dortigen Küsten ausplünderten; diese Plünderung erfuhr das Land wahrscheinlich in der Zeit, in welcher die Russen den Meerbusen von Mau- rospotamos besetzt hielten; und in eben diese Zeit fällt auch die von Nicetas erwähnte Plünderung der in der Propontis liegenden Inseln; indem die Rus- sen aus den dort von dem Patriarchen Ignatius gegründeten Klöstern nicht nur alles Geräth und Geld (szein za Xenuara) raubten und in dem Bethause der Mutter Gottes bei der Kirche der vierzig Märtyrer auf der Insel Tere- binthos einen Altar niederwarfen, welchen hernach der Patriarch Ignatius wiederherstellte (*), sondern auch die Menschen tödteten, und zwei und zwanzig Hausgenossen des Patriarchen, welcher damals auf Terebinthos in der Verbannung lebte, wegschleppten, und auf den Schiffen mit Äxten er- schlugen. Auf diese von dem Mönche Nicetas beschriebene Plünderung und Verheerung der Gegend am Meere deuten auch Symeon Logothetes, Leo Monachus und Georgius Monachus hin, indem sie berichten, dafs die Rus- sen, nachdem sie festen Fufs bei dem schwarzen Flusse gefafst hatten, in- nerhalb des Hieron (PSaravres Evdov rou Iegou yever-Yaı bei Georgius Monach.) viel unschuldiges Christliches Blut vergossen. Das Hieron ist das von Po- lybius mehrere Male (S. Schweighäuser /nd. hist. et geogr. ad Polyb. ». Hieron) und auch von andern alten Schriftstellern erwähnte wegen des dortigen Tempels der zwölf Götter so benannte Vorgebirge, welches ge- genwärtig Anatoli Kawak genannt wird, dem Thale von Bujukdereh gegen- über an der asiatischen Küste, etwa drei Meilen von Constantinopel entfernt (') Za Iverie (Tuifverie) que l’on apelle le Stanor, sagt Villehardouin cap.83. Vgl. cap. 99. (?) Ducange Constantinop.« Christ. Lib.IV. Sect.10. 8.1.2. (°) Krug Chronologie der Byzantiner S.183. folg. besonders S.197.; doch scheint mir: die in diesem gründlichen Werke aufgestellte Behauptung, dafs bei den Byzantinern rö Zrivov auch den Hafen von Constanlinopel bedeute, völlig unrichtig zu sein. (*) Nicetae vita Ignatii p.976.977. zum Byzantinischen Reiche. 87 liegt, und dem Bosporus auch den Namen iegov sreua gegeben hat (!). Die Verwüstungen der Russen fanden also auf der südlichen Spitze des Hieron, nach Constantinopel zu, Statt, was durch den Ausdruck &vöov red ieged be- zeichnet wird. Nach diesen Verwüstungen schlofs die Russische Flotte von zwei hun- dert Schiffen die Stadt von der Seeseite ein, und setzte die Bewohner in grofse Furcht. Der Kaiser Michael war wahrscheinlich in Asien, als er die Nachricht von der Ankunft der Russen erhielt; denn die Byzantinischen Geschichtschreiber schweigen über die Richtung, welche der Kaiser auf sei- nem Zuge gegen die Saracenen genommen hatte. Michael kam also erst an, als die Russen schon vor Constantinopel lagen, und hatte daher grofse Mühe durch die feindliche Flotte in die Stadt zu gelangen. Nach der Legende, welche Georgius Monachus, Symeon Logothetes und Leo Monachus erzäh- len, wurde Constantinopel durch ein Wunder gerettet. Als der Kaiser Michael und der Patriarch Photius nach gehaltenem Gebete in der Kirche der heiligen Maria am Blachernenpalaste das dort aufbewahrte wundersame Gewand (öuepggev) (?) der Mutter Gottes hervorbrachten und damit das Meer berührten (r} Sarasıy angw mgoreßarev) (°), so entstand auf dem bis dahin ganz ruhigen Meere ein so heftiger Sturm, dafs sämmtliche Russische Schiffe zerstört wurden. :So wahrscheinlich es ist, dafs der Kaiser Michael in dieser Noth seine Zuflucht zu dem wunderthätigen Gewande der Mutter Gottes nahm, dessen rettende Kraft die Byzantinischen Griechen sehr oft in Anspruch nahmen: so erwähnen gleichwohl Cedrenus und Zonaras jenes Wunders nicht, sondern berichten einfach, dafs die Russen ihre Absicht (‘) Bei Michael Ducas p.151. mogQuos iegoü rowlov, was nicht, wie Krug (Chronologie der Byzantiner p. 204.) meint, eine Stelle im Anfange des Canals von Pera (d. i. des Hafens Chry- sokeras), sondern vielmehr der Bosporus selbst ist. Nach der Angabe des Polybius (IV.39.) welche auch Symeon Logothetes (p. 490.) und der Fortsetzer der Chronik des Theophanes p-263. wiederholen, war dieser Tempel von den Argonauten gegründet worden. Vergl. Strabo vI2.6. (ed. Tzsch. T.II. p.439.), wo ein iegev Bugavriuv und ein iegdv Narzndoviwv unterschieden wer- den. Vergl. Jos. v. Hammer Constantinopolis und der Bosporus Th.2. p. 280. folg. (?) Über das dsopogiov vergl. Anna Comnena (ed. Par.) p.196. und Ducange ad Ann. Comn. p. 329. (°) Leo Mon. l.c. Georgius Monachus (p.536.) und Symeon Logothetes (p.445.) sagen deutlicher, dafs man das Gewand mit dem äulsersten Ende in das Meer tauchte: 7° unocbogıcv N ! rn ’ ıNn TaAaTEN argws TZOSEDAaV EV. 88 Wıuken über die Verhältnisse der Russen verfehlten, und in ihre Heimath zurückkehrten, nachdem sie die Wirkun- gen des göttlichen Zorns auf sehr empfindliche Weise gefühlt hatten (!). Nestor hat dagegen die Legende von dem durch das Gewand der heiligen Jungfrau bewirkten Wunder in seine Chronik aufgenommen (?). Von neuern Geschichtforschern ist der Zweifel erhoben worden, ob die Russen, welche diesen Zug gegen Constantinopel unternahmen, wirk- liche Vorfahren der jetzigen Russen waren. Schlözer hält sie für ein un- bekanntes Küstenvolk, und verlangt, dafs ihrer niemals wieder in der Rus- sischen Geschichte gedacht werde; Herr Philipp Krug stellt (Chronol. der Byzantiner S. 218. Anm.) die Behauptung auf, dafs sie Normannen wa- ren, indem er den Beweis an einem andern Orte zu führen verspricht; und Herr Schlosser (Geschichte der bilderstürmenden Kaiser S. 623 - 625.) hat sich dadurch bewegen lassen, diese Unternehmung der Russen als ein normännisches Abentheuer zu schildern. Wenn die Waräger, welche da- mals in Novgorod und Kiow herrschten, scandinavischen Ursprungs waren, was sehr glaublich ist, so war auch dieser Zug gegen Constantinopel aller- dings in gewisser Hinsicht ein normännisches Unternehmen. Hätten aber nur Waräger oder Normannen daran Theil genommen, so würden die By- zantinischen Schriftsteller, welchen die Normannen eben so gut als die Sla- vischen Völker bekannt waren, in der von uns erläuterten Erzählung dieser Begebenheit gewifs nicht die Russen, welche damals die Hauptstadt des Rai- serthums ängstigten, als ein Scythisches Volk bezeichnet haben; und wie unwahrscheinlich ist es, dafs die damaligen Russen einem ganz andern Volke angehört haben sollen, als die wirklichen Russen, deren Land kaum hun- dert Jahre später Constantinus Porphyrogennetus (de administr. imp. c. 42.) mit einer gewissen Genauigkeit beschreibt, welche hernach mit den Griechen in so vielfältigen kirchlichen und Handelsverbindungen standen, und deren die spätern Byzantinischen Geschichtschreiber so oft erwähnen! Schlözer stützt seine Beweisführung hauptsächlich darauf, dafs die Waräger Oskold und Dir nicht mächtig genug gewesen wären, um einen Angriff gegen Con- stantinopel zu wagen. Allein bei dem schlechten Zustande der damaligen Anstalten zur Vertheidigung des Byzantinischen Reichs lassen die Gränzen (‘) Cedren. p.551. Zonar. T.D.p.162. (') Schlözer’s Nestor Th.I. S. 234. zum Byzantinischen Reiche. s9 dessen, was: damals möglich war, nicht wohl bestimmen, und die Schiffe der Russen werden als Fahrzeuge von’ sehr geringem Umfange (uove£ura) be- schrieben (!); die Zahl der Russen, welche diesen Angriff unternahmen, wenn auch die Zahl der zweihundert Schiffe als richtig angenommen wird, war sicherlich nicht sehr beträchtlich. Wenn auch zwei Byzantinische Schriftsteller, der ungenannte Fortsetzer der Chronik des Theophanes und Symeon Logothetes an andern Stellen bemerken, dafs die Russen fränki- schen, also germanischen Ursprungs waren: (?), so bezieht sich diese Be- merkung, wie vielleicht auch die oben angeführte ähnliche Bemerkung des Luitprand, nicht auf das Russische Volk selbst, sondern aufihre warägischen Beherrscher. So kurz und unvollständig auch die Erzählung der Byzantinischen Ge- schichtschreiber von diesem Ereignisse ist; so geht doch aus ihrer überein- stimmenden Darstellung hervor, dafs die Russen eine heftige Erbitterung gegen die Byzantiner mit sich brachten; und es wird daraus sehr wahrschein- lich, dafs nicht blofs Raubsucht diesen Angriff veranlafste, sondern dafs die Russen eine, von den Byzantinischen Geschichtschreibern verschwiegene, Beleidigung zu rächen hatten von der Art, wie die Griechen damals oft ge- gen Völker sich erlaubten, welche sie für rohe Barbaren hielten. Um so auffallender ist die Folge, welche nach der Aussage der Byzantinischen Ge- schichtschreiber sich aus (dieser ersten von ihnen berichteten Berührung der Russen mit dem Griechischen Kaiserthume entwickelte. Nachdem die Russen von Constantinopel abgezogen waren, so sandten sie, wie der ungenannte Fortsetzer der Chronik des Theophanes (p. 122.) berichtet, und fast mit denselben Worten auch Cedrenus (p. 551. 552.), nicht lange hernach eine Botschaft nach Constantinopel und baten um die Taufe. So auffallend diese Nachricht ist, so kann sie doch unmöglich als ganz grundlos betrachtet werden; denn auch der Patriarch Photius drückt in seinem vorhin erwähnten encyclischen Briefe seine grofse Freude darüber aus, dafs das noch kurze Zeit vorher dem Griechischen Reiche so feind- selige Volk der Russen das Heidenthum (ray "Erruvizav zur @Seov dcfav) ver- lassen, die Lehre und Gebräuche des Christenthums mit grofsem Eifer zu (). «Zorar: D.IL.p: 254. (*) Continuator Constant. Porphyrog. p.262. Symeon Logoth. p. 490. Hıstor. philolog. Klasse 1829. M 90 Wıuken über dıe Verhältnisse der Russen befolgen angefangen, und einem Bischofe und Hirten sich unterworfen habe (Urrep nal Emirnomov nal moeva dekarIar nal Ta av ypırriavav Ionyrneunara due morAS amoußNs zal Erusrsias armagerSaı). Es ist merkwürdig, dafs die Rus- sischen Chroniken dieser ersten Bekehrung der Russen zum Christenthum nicht gedenken. Dieses Stillschweigen erklärt sich jedoch theils schon aus der über- haupt unvollständigen und mangelhaften Meldung der Begebenheiten in den Russischen Chroniken, theils auch dadurch, dafs das Christenthum zu jener Zeit noch nicht festen Fufs in Rufsland gewann, und funfzehn Jahre später zur Zeit der Regierung des Byzantinischen Kaisers Basilius eine zweite wie es scheint eben so wenig allgemeine Bekehrung der Russen Statt fand. Die von den Byzantinischen Geschichtschreibern überlieferte Nach- richt von dieser zweiten Bekehrung der Russen zum Christenthum ist von den Russischen Chroniken aufgenommen worden (!); die Erzählung dieses Ereignisses, wie sie sich in der Chronik des Nestor findet, stimmt fast wört- lich mit der von Zonaras (?) mitgetheilten Nachricht überein, und die Rus- sischen Chroniken fügen nur die Bemerkung hinzu, dafs die Russen auch Kumanen genannt wurden, eine Bemerkung, welche von’ Schlözer bereits hinlänglich widerlegt worden ist. Da Zonaras nur im Allgemeinen unter den frommen Werken des Kaisers Basilius die Bekehrung der Russen er- wähnt: so ist seine Nachricht sehr wenig umständlich; etwas wortreicher sind die Erzählungen des Constantinus Porphyrogennetus im Leben des Basilius (*), und des Cedrenus (*), aber auch diese Erzählungen beschrän- ken sich nur auf das von Zonaras erzählte Wunder des unverbrennlichen Evangelienbuchs, durch welches der von dem Kaiser Basilius zu den Russen gesandte Griechische Erzpriester den Fürsten und das Volk der Russen von der Göttlichkeit des Christenthums überzeugte. Bei Glykas (°) findet sich nur eine sehr kurze Erwähnung der damaligen Bekehrung der Russen. Am ausführlichsten redet über diese Begebenheit das von Banduri mitgetheilte (') Vgl. Schlözer’s Nestor Th. II. S.242. (2) Tom.II. (ed. Paris.) p.173.174. (°) -T.IE-(ed Paris.) 9.589.590: (") Ed. Paris. p: 211.212. (°) Ed. Paris. p.289. zum Byzantinischen Reiche. 91 Bruchstück eines ungenannten Byzantinischen Geschichtschreibers (!). Nach der Erzählung dieses Schriftstellers sandte der damalige Russische Fürst (önyes) vier Gesandte zuerst nach Rom, dann nach Constantinopel, um sich über die Weise des Gottesdienstes an beiden Orten zu erkundigen. Der Kaiser Basilius nahm diese Gesandte mit grofsen Ehrenbezeigungen auf, und der Gottesdienst in der Sophienkirche machte einen solchen Eindruck auf die Russischen Gesandten, dafs sie in ihre Heimath eilten, und ihrem Grofs- fürsten riethen, sich einen Griechischen Erzpriester zur Unterweisung des Russischen Volks im Christenthum zu erbitten. Auch das Wunder von dem unverbrennlichen Evangelienbuche berichtet dieser ungenannte Schriftsteller übereinstimmend mit den vorhin erwähnten Geschichtschreibern. Alle diese Nachrichten nennen uns weder den Russischen Fürsten, welcher das Chri- stenthum angenommen haben soll, noch den Ort des von den Russen be- wohnten Landes, wo das Wunder des unverbrennlichen Evangelienbuchs sich ereignete, noch unterrichten sie uns über die kirchlichen Einrichtungen durch welche der Griechische Erzpriester, dem es gelang, die Russen für die christliche Lehre zu gewinnen, sicherlich sein verdienstliches Werk befestigte. Der Anonymus des Banduri fügt nur die Nachricht hinzu, dafs Cyrillus und Anastasius, die beiden Begleiter des von dem Kaiser Basilius nach Rufsland gesandten Erzpriesters, um die Bildung unter den Russen zu befördern und dadurch das Christenthum zu befestigen, ein aus 35 Buchstaben bestehendes Alphabet bei dem Russischen Volke einführten, und dadurch den schrift- lichen Gebrauch der Russischen Sprache möglich machten. Schlözer hat aber bereits mit Recht bemerkt, dafs von dem ungenannten Schriftsteller die Sendung des Cyrillus nach Mähren mit der Bekehrung der Russen ver- mengt wird, und die Aussendung Russischer Gesandte nach Rom und Con- stantinopel, um Nachrichten über die Verschiedenheit des Gottesdienstes in diesen beiden Städten einzuziehen, nicht in die Zeit des Basilius Macedo, sondern in die Zeit des Basilius Porphyrogennetus fällt. Denn zu der Zeit dieses Kaisers um das Jahr 987 soll nach den Russischen Chroniken der Grofsfürst Wladimir auf den Rath seiner Bojaren zehn Botschafter ausge- sandt haben, um den Gottesdienst der Bulgaren, Deutschen und Griechen zu beobachten; und in Folge des von dieser Gesandschaft erstatteten Berichts (‘) Banduri ad Constant. Porphyrog. de administr. imp. p.112-116. M2 92 Wıuken über die Ferhältnisse der Russen soll Wladimir der Griechischen Kirche den Vorzug gegeben haben (!). Aus dieser Verwirrung, welche jener ungenannte Schriftsteller sich zu Schulden kommen läfst, so wie auch aus der sehr schlechten Griechischen Sprache, in welcher er seine Irrthümer vorträgt, läfst sich mit einem hohen Grade von Gewifsheit schliefsen, dafs dieses von Banduri aus einem Colbertschen Ma- nuscripte mitgetheilte Bruchstück in eine späte Zeit gehört. Wenn wir nun auch der Nachricht der ältern Schriftsteller von einer zur Zeit des Macedonischen Basilius geschehenen Bekehrung der Russen zum Christenthum, welche Pagi in das Jahr 876 setzt (?), nicht alle Glaubwür- digkeit absprechen wollen: so wissen wir doch nicht, wie weit diese Bekeh- rung sich erstreckte, und es ist wohl sehr wenig wahrscheinlich, dafs es dem Patriarchen Ignatius, welcher damals der Kirche von Constantinopel vor- stand, schon gelang, wie Karamsin meint (°), in Kiow das Christenthum zu begründen. Die erste sichere Erwähnung christlicher Russen findet sich erst in dem von Nestor in seine Chronik aufgenommenen Friedensvertrage, welchen Igor im Jahre 945 mit dem Byzantinischen Reiche schlofs (*), nachdem der Verkehr der Russen mit den Griechen viel lebhafter geworden war. Wenn ein Griechischer Erzpriester in Kiow schon am Hofe der Rus- sischen Fürsten Oskol und Dir dem Christenthum Eingang verschafft hätte: so würden sich Constantinus Porphyrogennetus und die übrigen Byzantini- schen Geschichtschreiber, welche dieser Bekehrung erwähnen, wohl schwer- lich mit einer unvollständigen Meldung derselben begnügt haben, und in den unmittelbar folgenden Zeiten würde doch sicherlich eine Spur der von der Geistlichkeit zu Constantinopel mit dem Hofe zu Kiow angeknüpften Ver- bindung sichtbar geworden sein; denn dafs in einer dem Kaiser Leo dem Weisen (welcher von 886-911 regierte) zugeschriebenen Rangordnung der dem Patriarchen von Constantinopel unterworfenen bischöflichen Sprengel . » (') Vgl. Karamsin Histoire de la Russie traduite par St. Thomas et Jauffret T.1. p- 392. folg. (?) Pagi eritica ad Baronü annales eccles. ad a.876. 8.19. (ed. Luc. 1744. fol. T.XV. p.299.). (°) Hist. de la Russie T.I. p.148. (*) Schlözer’s Nestor Th:IV. S.57. und an anderen Stellen. Karamsin a.a. O. S. 187. zum Byzantinischen Reiche. 93 das Bisthum von Rufsland (‘Puri«) den sechszigsten Platz einnimmt (!) darf nicht als eine sichere Spur betrachtet werden. Es mufs daher wohl ange- nommen werden, dafs die Bekehrung der Russen zur Zeit des Kaisers Basi- lius des Macedoniers, wenn sie wirklich Statt fand, sich auf einen sehr ge- ringen Theil dieses Volks beschränkte. Die Verbreitung des Christenthums unter den Russen wurde sicher- lich durch die Kriegsdienste, welche einzelne Russische Schaaren den By- zantinischen Kaisern leisteten, wirksamer befördert, als durch die Reisen griechischer Bekehrer nach Rufsland. Nach dem Zeugnisse des Constantinus Porphyrogennetus (?) dienten auf der Flotte welche der Kaiser Leo im Jahre 902 gegen Creta sandte, siebenhundert Russen, deren Sold einen Zentner Goldes betrug; und nach dem Zeugnisse desselben Schriftstellers (°) unter- stützten die Russen zur Zeit der Kaiser Constantinus Porphyrogennetus und Romanus Lekapenus im Jahre 935 den Protospatharius Epiphanius auf einem Zuge gegen Italien (Asyyı@agdiev) mit zehn Schiffen (zegafias) auf welchen sich 415 Mann befanden, und im Jahre 949 nahmen sie auch an einem zweiten Zuge gegen Creta Antheil; in den folgenden Zeiten dienten die Rus- sen noch öfter in den Byzantinischen Heeren (*). Zug des Oleg gegen Gonstantinopel. Es ist eine auffallende Erscheinung, dafs von einem Zuge gegen Byzanz, welcher von Oleg, dem Reichverweser für den minderjährigen Grofsfürsten Igor, im Jahr 907 unternommen worden sein soll und von Nestor und den übrigen Russischen Chroniken mit Anführung mehrerer Einzelnheiten, sogar mit genauer Angabe der Bedingungen, unter welchen der Friede und im Jahre 912 ein merkwürdiger Handelsvertrag zu Stande kam, berichtet wird, in den auf unsere Zeit gekommenen Byzantinischen Geschichtschreibern auch nicht die mindeste Erwähnung sich findet. Es läfst sich zwar eine (') Notitiae graecorum episcopatuum hinter Codinus de offielis Constantinopol. (Paris 1648. fol.) p. 380. (?) De ceremon. aulae Byzant. ed. Lips. p.377.378. (ed. Bonn. T.I. p. 652-655.). () Ibid. p.381.353-385. (*) S.die bei Stritter T.U. P. I. p. 974.975. gesammelten Stellen. 94 Wırxex über die Ferhältnisse der Russen bei Leo Diakonus (!) vorkommende Äufserung sowohl auf den im Jahre 907 geschlossenen Frieden als auf den spätern im Jahre 912 geschlossenen Han- delsvertrag beziehen, In dieser Stelle antwortet der Kaiser Zimisces auf eine übermüthige Botschaft des Russischen Grofsfürsten Sviatoslaff (Zev- doraaQos) unter andern: „‚‚ich denke, dafs du das Mifsgeschick (rreirue) deines Vaters Igor noch nicht vergessen hast, welcher die beschwornen Ver- träge übertretend (r«s &vöprous nmevdas mapa haddev Feuevos) mit grofser Macht und tausend Kähnen gegen die Kaiserstadt ausfuhr, mit kaum zehn Käh- nen nach dem Cimmerischen Bosporus entkam, und selbst der eigene Bote seines Unglücks war.’’ Es kann aber bei der Unbestimmtheit dieser Äufse- rung fast eben so glaublich scheinen, dafs der Kaiser Zimisces auf einen von Zonaras erwähnten Vertrag des Kaisers Basilius mit den Russen (*) oder viel- leicht auf einen uns unbekannten von dem Grofsfürsten Igor selbst mit den Griechen eingegangenen Vertrag hindeutet. Das Stillschweigen der Byzanti- nischen Geschichtschreiber von dem im Jahre 912 geschlossenen Handelsver- trag ist jedoch begreiflich und macht keinesweges die Wahrheit dieses in der Chronik des Nestor auf eine sehr glaubliche Weise mitgetheilten Vertrages zweifelhaft; denn das Griechische Kaiserthum war so oft in dem Falle, mit den die Gränzen unablässig bedrohenden barbarischen Völkern Verträge zu schliefsen, dafs ein mit den Russen geschlossener Friedens- und Handels- vertrag, so merkwürdig er auch für uns ist, den Byzantinischen Geschicht- schreibern nicht gerade als ein ganz vorzüglich wichtiges Ereignifs erscheinen mochte; und die chronologische Schwierigkeit womit Schlözer (°) die Ächtheit dieses Vertrags bestritten hat, dafs nehmlich der Vertrag zur Zeit der Kaiser Alexander und Constantin am 2. September 912 geschlossen wurde, zu einer Zeit also, in welcher nach der gewöhnlichen Annahme Alexander nicht mehr lebte, ist durch die Untersuchungen von Philipp Krug (*) entfernt worden, nach welchen Alexander nicht am 6. Junius 912 sondern um ein Jahr später am 6. Junius 913 starb, und Constantin am 9.Junius 911 (') Ed. Paris.p.64.653. (2) Kai 6 Barirsıos rw &Qver röv ‘Pos areısausvos eig emiyvusw Seiv ToV 2uS" Aus MUTTY- giov memoimss. Zonar. (ed. Par.) T.1l. p. 173. (°) Schlözer’s Nestor II. S.338. 339. (‘) Chronologie der Byzantier. $.79. folg. zum Byzantinischen Reiche. 95 als Mitkaiser angenommen worden war. Wenn im Eingange des Vertrags gesagt wird, dafs Oleg zu den Zaren Leo und Alexander von Zargrod (d.i. Constantinopel), neben welchen im Verfolge noch Constantin genannt wird, seine Botschafter gesandt habe, um den Vertrag zu verabreden: so kann dieses vollkommen richtig sein, daLeo erst am 11. Mai 912 wenige Monate vor dem Abschlusse des Vertrages starb, und also zu der Zeit, in welcher die Russischen Botschafter von Oleg nach Constantinopel abgefertigt wur- den und daselbst eintrafen, noch lebte. Anders aber verhält es sich mit dem von Oleg unternommenen Zuge gegen Constantinopel. Wenn auch die von Bayer zuerst gemachte und von Schlözer und Karamsin wiederholte Bemerkung ('!), dafs die Byzanti- nische Geschichte der Zeit vom Jahre 813 bis 959 äufserst unvollständig und lückenhaft sei, als gegründet angenommen wird, so ist es doch nicht be- greiflich, dafs Zonaras, Cedrenus und andere Schriftsteller welche viel un- erheblichere Ereignisse des angegebenen Zeitraums berichten, die Beängsti- gung der Hauptstadt des Byzantinischen Reichs durch ein Russisches Heer von 80000 Mann und eine Flotte von 2000 Schiffen, ein Ereignifs, welches nach der Erzählung der Russischen Chroniken von so merkwürdigen und eigenthümlichen Nebenumständen begleitet war, mit Stillschweigen hätten übergehen sollen. Aber schon die Einzelnheiten, welche in Beziehung auf diesen Zug überliefert werden, erregen Verdacht. Als Oleg es unmöglich fand, des grofsen Hafens von Constantinopel, dessen Eingang wie gewöhn- lich durch eine grofse eiserne Kette von den Griechen gesperrt war, sich zu bemächtigen: so befahl Oleg, wie Nestor sagt (?), seinen Truppen, Räder zu machen, und auf die Räder Schiffe zu setzen, worauf ein günstiger Wind sich erhob, in die Segel blies und die Schiffe üher das Feld bis zur Stadt trieb. Dafs Schiffe über das Land aus einem Wasser in das andere, in die- sem Falle aus dem Bosporus oder der Propontis in den Hafen oder Meer- busen Chrysokeras gebracht wurden, ist an sich zwar nicht unglaublich, und aufser vielen andern bekannten Beispielen bemächtigte sich auch der osma- nische Sultan Mahmud II, als er Constantinopel im Jahre 1453 belagerte, (') Schlözer’s Nestor II. S.340. Karamsin (französ. Übers.) I. S.381.382. (?) Schlözer’s Nestor Th. II. S. 266.267. 96 Wırxen über die Ferhältnisse der Russen auf diese Weise des grofsen Hafens von Constantinopel (!); aber die von Nestor hinzugefügte Erzählung von dem Segeln der Schiffe zu Lande mit günstigem Winde ist eine abgeschmackte Fabel; und wenn wir auch anneh- men wollen, dafs diese Erzählung nur eine dichterische Ausschmückung einer einfachen Thatsache, des Transports der Schiffe zu Lande aus dem Bosporus oder der Propontis in den Meerbusen Chrysokeras sei: so wäre doch die auf eine so kühne Weise bewirkte Erscheinung einer Russischen Flotte von 2000 Fahrzeugen ein so ganz aufserordentliches Ereignifs gewe- sen, dafs, wenn es wirklich Statt gefunden hätte, das darüber von allen Byzantinischen Geschichtschreibern beobachtete Stillschweigen vollkommen unerklärlich sein würde. Höchst unwahrscheinlich ist aber auch die Erzäh- lung des Nestor von den Folgen der Eroberung des Hafens von Constanti- nopel durch die Russische Flotte. Die Russen unternahmen nicht, wie die Kreuzfahrer im Jahre 1204, als sie sich des Hafens bemächtigt hatten, eine Belagerung der Stadt von dieser Seite, die Griechen vertheidigten nicht, wie früher gegen die Araber, und später gegen die Franken ihre Hauptstadt mit ihrer Flotte und griechischem Feuer, welches den Russischen Kähnen in dem engen Raume des Meerbusens Chrysokeras sehr verderblich. hätte werden müssen, sondern sie erschrecken, wie Nestor sagt, senden Botschaf- ter und lassen dem Oleg sagen: zerstöre nicht unsere Stadt, wir wollen dir Tribut geben, soviel du willst. Hierauf zieht Oleg sich zurück, nimmt den Wein und die Speisen, welche ihm von den Griechen gesandt wurden, nicht an, weil sie vergiftet waren, gewährt aber dem Griechischen Kaiser Frieden, nachdem jedem einzelnen Russen 40 Grivna’s bezahlt worden sind, bedingt einen jährlichen Tribut an alle Russische Städte, in welchen dem Oleg zins- bare Knäsen ihren Sitz hatten, hängt zum Zeichen seines Siegs an den Tho- ren von Constantinopel seinen Schild auf, läfst dann für die Russen (nach Schlözer’s Übersetzung des Nestor) Segel von kostbarem Stoff und für die Slaven Segel von Nesseltuch machen (?) und kehrt beladen mit Beute nach (') Vgl. J.v.Hammer’s osmanische Geschichte Th.I. S.532-535, wo mehrere ähnliche Beispiele aus der Geschichte des Alterthums und des Mittelalters in Erinnerung gebracht werden, und Krug Chronologie der Byzantier S. 202. folg. 2 Oo n Ca SR, Pr nm \ m em ’ e ’ > F) 8 N) (?) "Ds vüv ye ouy, tarioıs Aeuzois Tas vaüs mregWarı ya Yaryera omas €x Bugavrıdos auy- .cvoyace sagt Ändronicus der Befehlshaber der griechischen Flotte vor Damiette (i. J. 1169), als er am glücklichen Erfolge verzweifelt, Nicet. p- 83. Wolf. A Q, Janin PER Ks: yes > J g Yınlaev ra cbeaots areypus Ole TO TYS MTYUVYS (IE? zum Byzantinischen Reiche. 97 Kiow zurück. Diese Erzählung von dem Rückzuge des Oleg hat so ganz das Anschen einer mythischen Überlieferung, dafs ich kein Bedenken trage, sie aus dem Gebiete der wahren Geschichte zu verweisen, und da die Er- zählung von der Ankunft des Oleg vor Constantinopel und der Überschif- fung seiner Flotte zu Lande nicht minder das Gepräge einer Fabel trägt: so halte ich es für gewils, dafs die Überlieferung der Russischen Chroniken von dem Zuge des Oleg gegen Constantinopel, welche durch keine Erwähnung eines Byzantinischen Geschichtschreibers beglaubigt wird, entweder ganz und gar grundlos ist oder ein viel unerheblicheres Ereignifs durch willkühr- liche Ausschmückung und prahlerische Übertreibung zu einer wundervollen Begebenheit gesteigert hat. Karamsin sucht zwar die Glaubwürdigkeit des Nestor in Beziehung auf die so eben besprochene Überlieferung zu retten, indem er bemerkt, 1. dafs nicht alle Byzantinische Geschichtschreiber auf unsere Zeiten gekom- men sind, also vielleicht eine Nachricht von dem Zuge des Oleg gegen Con- stantinopel in einem der verlornen Byzantinischen Geschichtbücher sich fand, und 2. dafs es nicht wahrscheinlich sei, dafs Nestor, welcher im eilf- ten Jahrhunderte lebte, eine Thatsache erdichten konnte, welche im zehn- ten Jahrhunderte sich ereignete, und zu seiner Zeit noch bei dem Volke in frischer Erinnerung sein konnte. Die erste dieser Bemerkungen erledigt sich schon durch unsere obigen Betrachtungen: wenn Zonaras, Cedrenus und andere auf unsere Zeiten gekommene und uns zugängliche Byzantinische Schriftsteller, welche sich nicht auf eine blofse Meldung der Thatsachen be- schränken, sondern gewissermafsen nach einer pragmatischen Darstellung der Geschichte streben, der Unternehmung des Oleg gegen Constantinopel nicht erwähnen: so läfst mit grofser Sicherheit sich annehmen, dafs in den ältern Schriftstellern, aus welchen sie ihre Nachrichten schöpften, eben so wenig eine Erwähnung derselben sich fand. Dafs Nestor auch aus den Zeiten, welche ihm schon ziemlich nahe lagen, Mährchen und Fabeln nicht ver- schmäht, beweist seine Erzählung von dem Tode des Oleg. Der Grofsfürst fragte, so erzählt Nestor (!), einst die Zauberer und Wahrsager: woran werde ich sterben? Ein Wahrsager antwortete: Fürst, dein Leibpferd, welches du reitest, wird dir den Tod bringen. Oleg sprach hierauf: von (') Schlözer’s Nestor II. S.344. Histor. philolog. Klasse 1829. N 08 Wırken über die Verhältnisse der Russen nun an will ich dieses Pferd weder reiten noch mit meinen Augen wieder sehen. Er befahl also, es zu füttern und niemals wieder vor ihn zu füh- ren. So vergingen vier Jahre. Als Oleg aus Griechenland nach Kiow zu- rückgekehrt war, gedachte er seines Pferdes; er fragte den Oberstallmeister: wo ist mein Pferd. Der Oberstallmeister sprach: es ist todt. Da lachte Oleg und schalt auf den Wahrsager, indem er sagte: ihr Wahrsager sprecht nur Lügen, mein Pferd ist todt und ich lebe. Dann liefs er sich ein Pferd satteln, indem er sprach: ich will doch die Gebeine meines Pferdes sehen. Als er an den Ort kam, wo der Schädel und die Gebeine des Pferdes lagen, so stieg er ab und sprach lachend: Sollte ich von diesem Schädel den Tod sehen? Da trat er mit dem Fufs auf den Schädel, da sprang eine Schlange heraus, die stach ihn in den Fufs; er erkrankte davon und starb. Schlözer und nach ihm Karamsin haben sehr richtig bemerkt, dafs diese Erzählung nichts ist, als eine alte schöne nordische Sage, welche die Isländer auf den Ritter Orvar Odda beziehen, und die Russischen Chroniken auf ihren Hel- den Oleg übertragen haben (!). Und sollte nicht auf gleiche Weise die Sage vom Zuge des Oleg gegen Constantinopel aus einer nordischen Quelle ge- flossen sein? Vielleicht ist diese Sage nichts anders als die Übertragung der Nachricht von einem in ganz andrer Gegend bestandenen normännische Aben- theuer in die Russische Geschichte, und von solchen Übertragungen finden sich in den ältern Geschichten auch andrer Völker zahlreiche Beispiele. Zur Begründung dieser Vermuthung führe ich noch an, dafs die Überfahrt der Schiffe zu Lande aus einem Gewässer in das andre, welche die Hauptthat- sache der Erzählung des Nestor von jenem Zuge des Oleg bildet, gerade eine Mafsregel war, welche im neunten Jahrhunderte mehrere Male von den Normannen auf ihren räuberischen Zügen nach Frankreich zu grofsem Erstaunen der Franzosen in Anwendung gebracht wurde (?). Igors Zug gegen Constantinopel in den Jahren 941. 942. So unbekannt die Quelle ist, aus welcher Nestor seine Erzählung über den angeblichen Zug des Oleg gegen das Griechische Reich im Jahre 907 (') Schlözer’s Nestor III. S.345.346. Karamsin Hist. de Russie T.1. p. 382. (?) Z.B. in den Jahren 868 und 590. Annales Mettenses in Bouquet Scriptor. rer. Gallie. T. VID. p.68.71. zum Byzantinischen Reiche. 99 schöpfte: so gewifs ist es dagegen, dafs die Nachricht dieses Russischen Geschichtschreibers über den Zug des Igor im Jahre 941 wörtlich aus By- zantinischen Nachrichten entnommen worden ist, wie die Vergleichung die- ser Stelle des Nestor mit der Erzählung, wie sie bei Leo Monachus, Symeon Logothetes, Georgius Monachus, Zonaras und Cedrenus sich findet, auf den ersten Blick lehrt. Der Äufserung des Leo Diaconus über diesen Zug, in welcher Igor (Iyyzg) in Übereinstimmung mit Luitprand, welcher diesen Russischen Fürsten Inger nennt, als der Anführer dieses Zugs bezeichnet wird, ist schon oben Erwähnung geschehen (!). Die übrigen vorhandenen Byzantinischen Nachrichten nennen den Namen des damaligen Anführers der Russen nicht. Ob Igor durch eine besondere Veranlassung zu diesem Zuge bewogen wurde, berichten die Griechischen Geschichtschreiber nicht, und folglich schweigt darüber auch Nestor, welcher seine Erzählung von dieser Unter- nehmung nur aus Byzantinischen Nachrichten schöpfte. Wir müssen es da- her unentschieden lassen, ob Igor blofs durch seine Lust zu Abentheuern und durch die Hoffnung einer reichen Beute zur Unternehmung dieses Zugs bewogen wurde, oder ob ihm die Griechen durch unvollständige oder gänz- lich verweigerte Erfüllung der bestehenden Verträge einen Vorwand zum Kriege gaben. Die Byzantinischen Geschichtschreiber, deren Nachrichten wir hier unter einander selbst, und mit der aus Byzantinischer Quelle geschöpften Nachricht des Nestor, so wie mit dem Berichte des Luitprand vergleichen wollen (?), erzählen diese Begebenheit ganz einfach: Am 11. Julius der vierzehnten Indiction (d.i. des Jahres 041), sagt Leo Monachus, schifften die Russen, zehn Tausend Mann stark, gegen Constantinopel. In Hinsicht der Zeitangabe stimmen die Schriftsteller überein; denn dafs die Angabe des Georgius Monachus, welcher diesen Zug in die fünfzehnte Indietion () 8.94. (*) Ausführliche Nachrichten über den Zug des Igor gegen Constantinopel finden sich bei Leo Grammaticus p.505.506. Incert. Continuator Constantini Porphyrog. p. 263.26. Symeon Logoth. p.490.491. Georg. Mon. p.588.589. Cedren. T.II. p. 629.630. Zonar. T.I. p.190. 191. Zuithprandi Histor. Lib.V.6. Schlözer’s Nestor Th.IV. $.17 ff. Auch Elmacin er- wähnt dieses unglücklichen Kriegszugs der Russen mit wenigen Worten, bei dem Arabischen Jahre 329 (vom 5. Okt. 940 bis zum 25. Sept. 941) Histor. Sarac. p- 213. N2 100 Wıuken über die Ferhältnisse der Russen setzt, ein Schreibfehler ist, hat schon Krug bemerkt('). Nicht so überein- stimmend ist die Angabe der Zahl. Symeon Logothetes sagt zwar wie Leo Monachus, dafs zehn Tausend zu Schiffe gegen Constantinopel anzogen (ci ‘Püs zaremreurav nard ns Kuvoravrwoumöreus era mAcduv Yırıades dere); der ungenannte Fortsetzer des Theophanes aber, Georgius Monachus und Ce- drenus geben die Zahl der Schiffe, mit welchen die Russen vor Constanti- nopel erschienen, zu zehn Tausend an, und Zonaras bemerkt sogar, dafs diese Russische Flotte nicht Tausend, sondern funfzehn Tausend Schiffe zählte (zul 5 oroAos ou Yırıovaus Av AA’ eis Tevrenaidera Yırıadas, us Ayeras, Ta Telrev mrcla AarSumyro). Es begründet übrigens der sehr überflüssige Zu- satz uer« Aolwv in der angeführten Stelle des Symeon Logothetes den Ver- dacht, dafs ın derselben die Zahl der Schiffe durch Unachtsamkeit der Ab- schreiber ausgefallen sei, und vielleicht diese Stelle durch Einschiebung von « d.i. Away ergänzt werden könne. Nach Nestor bestand die Flotte des Igor aus Tausend Schiffen, und nach Luitprand, welcher seine Nachricht über diesen Zug der Russen der Mittheilung seines Stietvaters, damaligen Ge- sandten des Königs Hugo von Italien in Constantinopel verdankt, aus mehr als Tausend Schiffen. Es ist wohl nicht zu zweifeln, dafs die angegebene Zahl von zehn Tausend Schiffen auf einem Mifsverstande oder einer falschen Leseart beruht, wie denn statt uera« mAcuv Yırıades dera, wie Symeon Logo- thetes in der vorhin angefürten Stelle sich ausdrückt, die andern oben an- gegebenen Schriftsteller lesen und schreiben: werd wAcav Yrıdduv dere. Dafs Nestor seine Angabe von der Zahl der Russischen Schiffe aus einer nicht mehr vorhandenen Byzantinischen Quelle schöpfte, kann wegen seiner Übereinstimmung mit Luitprand und wegen der vorhin angeführten Bemer- kung des Zonaras nicht bezweifelt werden. Die Griechen waren zum Widerstande gegen den Angriff der Russen nicht vorbereitet; denn ihre Flotte war damals durch einen Krieg gegen die Araber und durch die Vertheidigung der Inseln beschäftigt, wie Luitprand berichtet, und der Kaiser Romanus konnte nur über funfzehn untaugliche Schiffe (chelandia) verfügen, welche er in der Eile durch seine Schiffsbau- meister in Stand setzen und am Hintertheile wie am Vordertheile und an (‘) ‚Chronologie der Byzantier p.181. zum Byzantinischen Reiche. 101 beiden Seiten mit den erforderlichen Einrichtungen zum Schleudern des Griechischen Feuers versehen liefs. Die Russen gewannen daher Zeit das am nördlichen Ufer des Meer- busens Chrysokeras und am Bosporus liegende Land mit Feuer und Schwert zu verwüsten, und wider die Bewohner dieses Landes mancherlei Grausam- keiten zu üben. Von dieser Verwüstung des Landes und den dabei geübten Grausamkeiten berichten Leo Monachus, der ungenannte Fortsetzer des Constantinus Porphyrogennetus, Symeon Logothetes, Georgius Monachus und Cedrenus, jedoch ohne die so eben aus Luitprand angeführten Um- stände. IIoAAa Yag zaxd, sagt Leo Monachus, ci ‘Püs diergufavro: 76 re Yap Irevov Acyausvev Everonrav za) ous auveraußavor alyuaawreus Te)s MV üverrau- bouv Fols dE TH yi woonemardreunav Tols dE Women onömeus inravres Qeren narsrofsvov- Grous de TED iegurınov nrngeu oweraußavev OmısIev Tas elgas derwouvres AAous uöygous Kara EINS TNS nEbards alruv zaremNyvurav, WerrcUS TE üyious vacls TO mugi mageduzav. Diese Worte, welche mit geringen Ab- weichungen bei allen oben genannten Byzantinischen Schriftstellern sich finden, werden von Nestor also übersetzt: ‚‚Auch die ganze Suda verbrann- ten sie. Von denen, welche sie zu Gefangenen gemacht hatten, kreuzigten sie einige, andre stellten sie wie Ziele hin, nach denen sie mit Pfeilen schossen, zerbrachen sie, banden ihnen die Hände auf den Rücken, schlu- gen ihnen eiserne Nägel mitten durch den Kopf, verbrannten viele heilige Kirchen, so wie Klöster und Dörfer, und machten auch nicht wenig Beute an beiden Seiten (des Meeres).’’ Es ist merkwürdig, dafs Nestor in dieser Übersetzung die Worte, welche vor den Worten ‚,‚zerbrachen sie (suverau- Bavov)’ u.s. w. in dem oben angeführten Griechischen Texte stehen, und in seiner Griechischen Quelle gewifs nicht fehlen, ausgelassen hat: &rcus d& Tod iegarızey #Angod; es war ihm ohne Zweifel unangenehm zu berichten, dafs Christliche Priester von den Russen mifshandelt worden. Dafs Nestor durch Suda das Griechische $revov ausdrückt, ist sicher; auch ist gegen die Meinung, welche Krug vorträgt, dafs das Russische Wort Suda aus dem Deutschen Worte Sund gebildet sei, nichts einzuwenden. Sowohl Schlözer als Krug (!) haben über den Namen $revev ausführliche Untersuchungen angestellt, es finden sich aber in den Byzantinischen Schriftstellern so (‘) Chronologie der Byzantier p.183 folg. 102 Wıruxen über die Ferhältnisse der Russen bestimmte Angaben in Beziehung auf das $r&vev, dafs man über dessen Lage durchaus nicht in Zweifel sein s ınn. Zosimus nennt zwar (Lib.1I. 30.) den Bosporus $revev, bei den spätern Schriftstellern aber, aus welchen Ducange viele Erwähnungen des $revov gesammelt hat (!), bezeichnet es eine Gegend an der nördlichen Seite des Meerbusens Chrysokeras bei Galata, wahrschein- lich eine Vorstadt, wo das Kloster des heiligen Mamas lag und die Juden ihre Wohnungen hatten (?). Erst nachdem die Russen schon schreckliche Verwüstungen an der Küste in der Nähe von Constantinopel gestiftet hatten, sendet der Kaiser Ro- manus wider sie mit einer Flotte von Trieren und Dromonen den Patricius, Protovestiarius und Paradynasteuon Theophanes, welcher sich mit Fasten und Thränen zum Kampfe stärkt (vnrrei@ nal dungurıv Eauröv naroyupuWras Ws parırra). Diese mehr eines Mönchs als eines Feldherrn würdige Vorbereitung des Theophanes zum Kampfe wird unter den Byzantinischen Geschichtschrei- bern nur von dem Fortsetzer des Constantinus Porphyrogennetus und von Georgius Monachus erzählt; Nestor hat sie ebenfalls angenommen: ‚,‚Theo- phanes, nachdem er sich mit Thränen gestärkt hatte, erwartete die Russen in ihren Böten.’’ Die Seeschlacht am Pharus (?) und in der Nähe von Hie- ron, in welcher Theophanes die Linien der Russen durchbrach und die feindlichen Schiffe durch Griechisches Feuer zerstörte, wird von Nestor nur in allgemeinen Ausdrücken erzählt, ausführlicher aber von Leo Monachus beschrieben. Auch stellt Nestor die Ankunft des Domesticus Johannes Korkuas (nach Leo Monachus, bei Georgius Monachus Krokoas) mit den morgenländischen Truppen, welcher nach den Byzantinischen Nachrichten erst nach der Schlacht bei Hieron eintraf, und den auf dem festen Lande zerstreuten Russen vielen Schaden zufügte, so wie auch die Niederlage, welche die in Bithynien an das Land gegangenen Russen zu dieser Zeit (nach (') Constantinop. Christ, Lib.IV. Sect.X. $.1.2., und ad Fillehard. p.290.291. Vgl. F. Wilken Gesch. der Kreuzz. Buch VI. S.216. (2?) S. oben S.85. (°) Auf dem Pharus, sagt Nestor (Th.IV. S.31.) brennt ein Feuer zur Erleuchtung der Nacht, und dieser steht an der Mündung des Pontus als Wache, weil hier häufig Mord und Raub vorfällt. Vgl. Altrussische Geschichte nach Nestor von Joseph Müller (Berlin 1812. 8.) S.107. zum Byzantinischen Reiche. 403 dem Fortsetzer des Constantinus Porphyrogennetus) von Bardas Phokas er- litten, schon vor der Seeschlacht bei Hieron, so wie auch die Plünderungen in Bithynien selbst. Denn es kann nicht bezweifelt werden, dafs die Nach- richt des Nestor von der Ankunft des Domesticus Pantherius (oder wie Nestor diesen Namen Russisch ausspricht: Pantir) mit vierzig Tausend Mann orientalischer Truppen, des Patricius Phokas mit den Macedonischen Trup- pen, und des Stratelatus Theodorus mit Thraciern, und von dem mühsamen Siege, welchen sie über die Russen erlangten, nachdem sie dieselben um- zingelt hatten, ungeachtet der verschiedenen Stellung in der Zeit, durch- aus identisch ist mit der oben vorgetragenen Erzählung der Byzantinischen Schriftsteller, und dafs Nestor nur aus Versehen an dieser Stelle statt des Domesticus Johannes Korkuas den Pantherius nennt, welcher, wie wir aus Byzantinischen Nachrichten wissen, ein Verwandter des Kaisers Romanus und in dem Amte des Domesticus der Nachfolger des Johannes Korkuas war (1). Auffallend ist es, dafs Nestor, indem er den von den Byzanti- nischen Schriftstellern erzählten zweiten Sieg, welchen der Patricius Theo- phanes im September 942 über die schon auf der Rückkehr begriffenen Russen im schwarzen Meere an der Thracischen Küste gewann, andeutet, nicht die Gegend bezeichnet, in welcher die Russen diese zweite Zerstörung eines grofsen Theils ihrer Kähne durch Griechisches Feuer erlitten. Nach den Byzantinischen Nachrichten wurde erst in dieser zweiten Seeschlacht die Russische Flotte dergestalt zerstört, dafs Igor nur mit wenigen Schiffen die Flucht nehmen konnte(?). Dafs aber die Byzantinischen Nachrichten von diesem Siege nicht übertrieben sind, beweist das übereinstimmende Zeugnils des Luitprand, dessen Stiefvater gegenwärtig war, als der Kai- ser Romanus sämmtliche nach Constantinopel gebrachte gefangene Russen (') Leo Monach. p.507. (?) Leo Diaconus ed. Paris. p.65. Dieser Zerstörung der Flotte des Igor erwähnt Leo Dia- conus noch aneiner andern Stelle (ed. Paris. p.89.): "Hzrzesisev yag (ci TavgorziSc) mess Fuv - x 4 [3 De ın ToV Tov IchevöorTiapon ’ Ev Pr m e x ’ x Y, Yegaırsgwv TeÜ shuwv EIvous, WS FOV Mugiorrorov argcerov Iyyoges, rerovros, Punto v0 roouru Mrdızy mug: zard rov EvEswov eEerehgwrer. Theophan, sagt Nestor, kam den Russen in Schiffen mit Feuer entgegen und fing an, aus Röhren Feuer auf die ’ 5 ’ Russischen Böte zu schielsen; das war fürchterlich wunderbar anzusehen...... Als die Russen wieder in ihr Land gekommen waren, erzählte jeder den Seinigen von dem Schiffsfeuer u. s. w. Schlözer's Nestor Th.IV. S. 32. 104 Wıuken über die Verhältnisse der Russen enthaupten liefs. Dagegen schweigen die Byzantinischen Geschichtschrei- ber von dem zweiten Zuge des Grofsfürsten Igor im Jahre 944 und des- sen Folge. Nach Nestor unternahm Igor diesen Zug mit dem Beistande von Warägern, Petschenegen und mehreren slavischen Völkern, und auch mit Pferden hatte er sich versehen. Als er aber bis zur Donau gekommen war, fand er dort Gesandte des Kaisers Romanus, welche ihm Frieden an- trugen. Igor und seine Bojaren, welche noch der schrecklichen Vernich- tung ihrer Flotte durch das Griechische Feuer im Jahre 942 gedachten, nahmen diesen Antrag an, und Russische Botschafter begleiteten die Grie- chische Gesandschaft nach Constantinopel im Jahre 945, wo der von Nestor mitgetheilte Friedens- und Handelsvertrag abgeschlossen und von den Kai- sern Romanus, Stephanus und Constantinus beschworen wurde. Hierauf begleiteten Griechische Gesandte die Russischen Botschafter auf ihrem Heim- wege nach Kiow, wohin Igor indefs zurückgekehrt war, überbrachten Ge- schenke, nahmen die Eidschwüre des Grofsfürsten und seiner Bojaren an, und wurden von Igor mit Sklaven, Pelzwerk und Wachs beschenkt (!). Reise der Grofsfürstin Olga nach Constantinopel. Ein eben so merkwürdiges als räthselhaftes Ereignifs ist die Reise der Grofsfürstin Olga, welche von den Byzantinischen Geschichtschreibern "EAya genannt wird, nach der Hauptstadt des östlichen Kaiserthums. Olga hatte, nachdem ihr Gemahl Igor von den Drevliern im Jahre 945 war ermordet worden (?), während einiger Jahre für ihren minderjährigen Sohn Sviatoslaw die Regierung geführt, die Mörder ihres Gemahls gestraft, Gehorsam und Ruhe in Lande der Russen wieder hergestellt, und durch viele nützliche und treffliche Einrichtungen, welche sie auf einer Reise in die nördlichen Gegenden des Russischen Gebietes anordnete, sich ein grofses Verdienst erworben, als sie in sehr vorgerücktem Alter den Entschlufs fafste, den Byzantinischen Hof zu besuchen. Es ist auffallend, dafs sowohl die Byzan- (‘) Schlözer’s Nestor Th.IV.S.41-100. Joseph Müller’s altruss. Gesch. nach Nestor S.109-112. \ (?) Schlözer’s Nestor Th.IV. S.105. Nach Leo Diaconus (ed. Paris. p.65.) wurde Igor von den Drevliern, welche dieser Schriftsteller Germanen (TezuavoVs) nennt, an Baumstämme gebunden (purav orereyerı veosdeTeis) und in zwei Theile zerrissen. zum Byzantinischen Reiche. 105 tinischen als andere Chroniken nur sehr oberflächliche und wenig umständ- liche Nachrichten von dieser merkwürdigen Reise überliefern. Cedrenus und Zonaras (!), welche bei der fast wörtlichen Übereinstimmung ihrer Er- zählung nur als Eine Quelle zu betrachten sind, berichten blofs, dafs zur Zeit des Kaisers Constantinus Porphyrogennetus Olga nach dem Tode ihres Gemahls Igor nach Constantinopel gekommen, dort getauft, und durch ge- bührende Ehrenbezeigungen ausgezeichnet worden, und dann in ihre Hei- math zurückgekehrt sei, ohne im mindesten der Verhandlungen zu erwäh- nen, welche zwischen der Russischen Grofsfürstin und dem Kaiserlichen Hofe statt fanden. Unter den Lateinischen Geschichtschreibern erwähnt nur der Fortsetzer der Chronik des Regino (*) bei Gelegenheit der Gesandt- schaft, welche Olga im Jahre 959 an den Kaiser Otto den Grofsen abfer- ligte, um sich einen Lateinischen Bischof und Lateinische Priester zu erbit- ten, der zu Constantinopel geschehenen Taufe der Grofsfürstin. Die Chro- nik des Nestor (?), welcher ohngefähr hundert Jahre nach den Zeiten der Grofsfürstin Olga schrieb, enthält in der Hauptsache über diese merkwür- dige Reise keine befriedigendere Nachricht als die erwähnten Chroniken. Es ist indefs nicht zu übersehen, dafs Nestor die Aufnahme in die Christ- liche Kirche nicht als den Zweck der Reise der Olga bezeichnet, sondern folgende gelegentliche übrigens sicherlich fabelhafte Veranlassung ihrer Be- kehrung erzählt. Der Zar Constantin, sagt Nestor, als er sah, wie schön von Angesicht und klug Olga war, sprach: du bist würdig, mit uns in die- ser Stadt zu herrschen, und Olga, diese Äufserung wohl verstehend, sprach: ‚„‚ich bin eine Heidin, so du mich heirathen willst, so christne du selbst zu- vor mich.’’ Olga wurde hierauf durch den Patriarchen Theophylaktus ge- tauft und erhielt den Namen Helena. Nach der Taufe wiederholte der Kai- ser Constantin seinen Antrag. Olga aber erwiederte: Wie willst du mich zum Weibe nehmen, da du selbst mich gechristent und deine Tochter ge- nannt hast? Das ist bei den Christen nicht erlaubt, wie dir bekannt ist. Hierauf sagte der Zar: du hast mich überlistet Olga. Wenn auch Olga, (') Zonar. T.Il. p.194. Cedren. T.I. p. 636. (?) Pistorü Seriptores rer. Germ. ed. Struv. T.I. p.108. (°) Schlözer’s Nestor Th. V. S. 60.61. Hist. Philolog. Classe 1829. 16) 106 Wırken über die Verhältnisse der Russen welche damals schon eine Frau von vorgerücktem Alter war, noch so mäch- tige Reize besafs, dafs sie dem gelehrten Kaiser Constantinus eine Leiden- schaft einzuflöfsen vermochte, so ist dennoch diese Erzählung deswegen un- glaublich, weil Constantinus vermählt war, und zu einer Trennung von seiner Gemahlin Helena, welche wahrscheinlich die Taufpathin der Olga war, und ihr den neuen Christlichen Namen gab, soviel wir wissen, keine Veranlassung hatte. Unter diesen Umständen darf man wohl mit Sicherheit annehmen, dafs die Erzählung von dem Heirathsantrage, mit welchem Olga von dem Kaiser Constantinus angeblich beehrt wurde, nichts als eine Volks- sage ist, welche der leichtgläubige Nestor allzubereitwillig in seine Chronik aufnahm. Der gültigste Zeuge für die Reise der Grofsfürstin Olga an den Byzantinischen Hof ist aber der Kaiser Constantinus selbst, welcher in sei- nem Werke über die Byzantinischen Hofgebräuche die Audienzen, welche er selbst, seine Gemahlin Helena und sein Schn, der schon im Jahre 949 als Kaiser gekrönte Romanus, der Russischen Grofsfürstin gewährten, und die Kaiserlichen Gastgebote, zu welchen die fremde Fürstin gezogen wurde, ausführlich beschreibt ('). So wie aber Constantin der Taufe der Olga und ihrer Begleiter nicht ausdrücklich erwähnt, sondern nur an einer andern Stelle seines Werkes gelegentlich bemerkt, dafs die getauften Russen, welche Fähnlein, Schilde und Schwerdte trugen, bei der Audienz einer Gesandt- schaft des Emirs von Tarsus gegenwärtig waren (?), eben so wenig berichtet er von der Veranlassung der Reise der Olga nach Constantinopel. Wir nehmen sowohl die Reise der Olga nach Byzanz als ihre Auf- nahme in die Christliche Kirche, da Schlözer in seinen Anmerkungen zum Nestor alle früher erhobenen Zweifel auf eine befriedigende Weise beseitigt hat, als Thatsachen an, und wollen uns hier nur bemühen, die Veranlassung der Reise zu entdecken. Sowohl Schlözer als Karamsin behaupten, dafs Olga durch den Wunsch, in Byzanz eine reinere Kenntnifs der Christlichen Lehre und des Christlichen Gottesdienstes, als sie in Russland erlangen konnte, sich zu verschaffen, zu der Reise nach Constantinopel bewogen wurde. Wenn man auch auf den Umstand, dafs Nestor die Taufe der Olga (') Constant. Porphyrog. de caerem. aulae Byzantinae Lib.U. c.15. p.594 sq. ed. Bonn. () 0i Parrısutva ‘Pos nere dranovauv Barragovres Frouragı«, dogoUvres za Ta Saurav eraSıe. Constant. Porphyrog. l.c. p.335. ed.Lips., 579. ed. Bonn. zum Byzantinischen Reiche. 107 nicht als den Zweck der Reise bezeichnet, kein Gewicht legen will, so strei- ten doch gegen die Vermuthung, welche Schlözer und Karamsin ange- nommen haben, die Berichte des Cedrenus, Zonaras und selbst des Constan- tinus Porphyrogennetus, welche es gewils nicht unterlassen haben würden, eines der Kirche von Constantinopel so glorreichen Umstandes zu erwähnen ; vielmehr erzählen Cedrenus und Zonaras den Übertritt der Olga zur Christ- lichen Kirche auf eine solche Weise, dafs sie die Angabe des Nestor, inso- fern er die Taufe der Olga als ein gelegentliches Ereignifs darstellt, zu bestätigen scheinen. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dafs die Reise der Olga nach Constantinopel einen andern und zwar weniger ungewöhnlichen Zweck hatte. Die Personen, aus welchen nach der Angabe des Constantinus Por- phyrogennetus das Gefolge der Olga bestand, lassen, wie ich glaube, sehr deutlich den Zweck ihrer Reise erkennen. Sie führte nehmlich aufser ihrem Neffen (dveWıss) mehrere Apokrisiarien (ci ray apyevrw "Purias dmengi- sı@gicı), Dollmetscher und Kaufleute mit sich, und aufser diesen Personen befand sich in ihrem Gefolge auch ein Priester (r«r@s) mit Namen Grego- rius, wahrscheinlich ein Priester der Kirche von Constantinopel, welcher von dem Byzantinischen Hofe war beauftragt worden, die fremde Fürstin im Christenthume zu unterweisen, oder, wie Schlözer meint, ihr als Cice- rone zu dienen. Unter den von Gonstantinus erwähnten Russischen g«- yuarevrais versteht zwar Reiske Russische Kaufleute, welche zu Constan- tinopel sefshaft waren, und sich ihrer heimathlichen Fürstin nur angeschlos- sen hatten, um ihr Gefolge zu vermehren; zu dieser Annahme ist aber gar kein Grund vorhanden, und da Constantinus sie ohne weitere Beziehung unter den übrigen Begleitern der Olga nennt, so ist es viel glaublicher, dafs sie eben so wie die Apokrisiarien und Dolmetscher, erst mit ihrer Grofs- fürstin aus Russland nach Constantinopel gekommen waren. So wie aber die Russischen Apokrisiarien, welche in der Begleitung der Olga sich befan- den, im Allgemeinen auf politische Verhandlungen hinweisen, eben so läfst sich davon, dafs die Grofsfürstin Russische Handelsleute in ihr Gefolge auf- nahm, und mit denselben an dem Byzantinischen Hofe erschien, kaum ein andrer Zweck annehmen, als dafs sie ihres Raths und Beistandes ins besondre in Unterhandlungen wegen eines Vertrages zur Beförderung des Russischen Handels im Byzantinischen Reich sich bediente. Wenn wir die Abschliefsung 02 108 Wirken über die Ferhältnisse der Russen eines Handelsvertrages als den eigentlichen Zweck der Reise der Olga nach Constantinopel betrachten, so ist das Schweigen der Byzantinischen Schrift- steller über Verhandlungen dieser Art, welche zu den schr gewöhnlichen Ereignissen des Byzantinischen Hofes gehören, eben so wenig befremdend, als die oben von uns gerügte Verschweigung des im Jahre 912 von den Kai- sern Alexander und Constantinus mit den Russen geschlossenen Handels- vertrages. Dafs der Kaiser Constantinus Porphyrogennetus in dem Fall war, den Russen Zugeständnisse zu machen, läfst sich daraus schliefsen, dafs er in dem 48. Kapitel des zweiten Buchs seines Werkes über. die Byzantinischen Hofgebräuche, in welchem er von den Titulaturen, die von den oströmischen Kaisern fremden Fürsten gegeben wurden, redet, der Aufschrift erwähnt, mit welcher die für den Beherrscher der Russen bestimmten goldnen Bullen versehen wurden (!): Eis rev apyovra Pucias. Bsrra ypuch dirordia, yodupara Kuvsavrıvov za 'Pwnavs Tav HiAoygirrwv Barıreuv "Punalwv moös rov aOy,ovra ‘Puries. So wie Olga in der Zeit, in welcher sie für ihren minderjährigen Sohn die Regierung führte, die nördlichen Gegenden des Russischen Landes bereiste, um durch nützliche Einrichtungen das Beste ihrer Unterthanen zu fördern, eben so unternahm sie auch die Reise nach Constantinopel für den Nutzen ihres Vaterlandes. Es ist uns noch übrig, über die Abweichungen der Schriftsteller, welche der Reise der Olga nach Constantinopel erwähnen, in Beziehung auf die Zeitbestimmung © zu Constantinopel vor die Begebenheiten des zwölften Jahres der Regierung zu reden. Cedrenus stellt die Anwesenheit der Olga des Kaisers Constantinus Porphyrogennetus, welches entweder das Jahr 956 oder 957 war (?), und es kann also aus dieser Stellung der Begebenheit nur der Schlufs gezogen werden, dafs Cedrenus die Ankunft der Olga zu Byzanz vor dem 26. December 956 oder 957, mit welchem nach der einen oder andern Berechnung das zwölfte Regierungsjahr des Constantinus begann, (') De caerem. aulae Byz. ed. Bonn. p. 690.691. (2) Je nachdem man in den Byzantinischen Schriftstellern, welche die Zeit des Anfangs der Selbstherrschaft des Kaisers Constantinus bestimmen, die Zahl der Jahre der Welt 6454 (945) oder der Indiction 3 (944) für die richtigere hält; ich räume der Angabe der Jahre der Welt um so lieber den Vorzug ein, als sie die von Cedrenus angenommene chronologische Stellung der Reise der Olga in vollkommene Übereinstimmung mit den chronologischen Angaben des Constantinus Porphyrogennetus bringt. Vgl. Krug Chronologie der Byzantier S. 233. zum Byzantinischen Reiche. 109 erfolgen läfst; und Thunmann hat völlig Unrecht, wenn er in seiner Ge- schichte einiger. nordischen Völker auf Cedrenus sich stützend behauptet (!), die Grofsfürstin Olga sei schon’ im Jahre 946 zu Constantinopel gewesen. Nestor setzt zwar die Abreise. der Olga nach Constantinopel schon in das Jahr 955 (*), die chronologischen Angaben des Constantinus Porphyrogen- netus aber rechtfertigen auf das vollkommenste die Stellung, welche Cedre- nus der Reise der Olga nach Constantinopel anweist; denn nach Constanti- nus geschah der erste feierliche Empfang (dox7) der Russischen Grofsfürstin am Mittwoch (Hueg« 8°), dem neunten Tage des Septembers (?), und ein späteres Kaiserliches Gastgebot (zAnrwgwv), an welchem Olga Theil nahm, fand statt am Sonntage den 18. Oktober (*), und ich trage kein Bedenken, dieser Annahme folgend, mit Krug (°) die Verhandlungen der Grofsfürstin Olga mit dem Byzantinischen Hofe, in das Jahr 957 zu setzen; denn da der Sonntagsbuchstabe. dieses Jahres D war, so fiel der 9. September wirklich auf einen Mittwoch, so wie der 18. Oktober auf einen Sonntag. Nachrichten des Constantinus Porphyrogennetus über die Russen. Dafs die Reise der Grofsfürstin Olga nach Constantinopel Verhand- iungen wegen des Handels der Russen in Byzanz zum Zwecke hatte, erhält noch mehr Wahrscheinlichkeit durch die Nachrichten, welche der Kaiser Constantinus Porphyrogennetus über den damaligen regelmäfsigen Handels- verkehr der Russen mit seinem Reiche uns überliefert hat. In seinem Werke über die Verwaltung des Reichs, in welchem er zur Belehrung für seinen Sohn Romanus seine Erfahrungen in Beziehung auf die Verhältnisse des Byzantinischen Kaiserthums zu den benachbarten bar- barischen Völkern zusammenstellt, berichtet er, dafs alljährlich die Russen eine Fahrt nach Constantinopel unternahmen. Die Russen, sagt er (°), (') Schlözer’s Nestor Th. V. S. 94.95. (?) Schlözer's Nestor a.a.0. S.60. () Constantinus Porphyrog. de caerem. aulae Byz. Lib.II. p.594. ed. Bonn. (*) ‚ Constant. Porphyrog. l.c. p.598. (°) Chronologie der Byzantier S.280. (°) De administr. imp. ap. Bandur. p.59. 110 Wınken über.die Ferhältnisse der Russen welche zu Novgorod (Nsucyagda), wo Sviatoslaw, der Sohn des Igor seinen Sitz hat, in dem Schlosse Smolensk (Mawirz«), zu Teliutza (Tervr2a) (t), Tschernigov (T£egviyaya) und Wyschgorod (Beureygad:) wohnen, kommen den Dnieper herab nach Kiow (Kısaßa 70 Acıyolevov Saußaras). Dorthin bringen die den Russen zinsbaren slavischen Völker, unter ihnen die Kribit- zen (Koınramvor), die Kähne (uevoZuAa), welche sie während des Winters von dem auf ihren Bergen gefällten Holze erbaut haben, und den Russen ver- kaufen. Die Russen verfertigen dann aus ihren alten Kähnen die Ruder, Ruderbänke und was sonst erforderlich ist, um die von den Slaven erkauf- ten Fahrzeuge in Stand zu setzen, treten im Junius ihre Reise an, und fah- ren bis zu einer am Dnieper gelegenen und ihnen zinsbaren Burg (zarrgev), welche Constantinus BırerZ@n nennt, wo sie einige Tage ruhen, und die Vereinigung der ganzen Handelsflotte abwarten. Constantinus giebt hierauf eine sehr merkwürdige Beschreibung der Fahrt der Russen über die sieben mit ihren Russischen und Slavischen Namen benannten Cataracten des Dnie- per; er schildert die Schwierigkeiten dieser Fahrt, und die Mittel, welche die Russen anzuwenden pflegen, um diese Schwierigkeiten zu überwinden, und den Nachstellungen der Petschenegen, deren Land sie durchziehen müssen, zu entgehen. Er beschreibt dann mit gleichmäfsiger Sorgfalt ihre Fahrt von der Mündung des Dnieper nach Varna und an die Mündung des Flusses Ditzina (Aırliva). Die Genauigkeit aller dieser von Constantinus mitgetheilten Nachrichten begründet die sichere Vermuthung, dafs ihm diese Nachrichten von Russen, welche diese, wie er sich ausdrückt mühevolle, gefährliche und schwierige Fahrt (6 roruwduvos aurav za megihoßcs duröisfo- dos TE zul Yareres mAcvs) gemacht hatten, waren mitgetheilt worden. Er fügt dann noch die Bemerkung hinzu, dafs die Russen die Zeit des Sommers für diese Fahrt auch deswegen wählen, weil in derselben die Petschenegen die Angriffe des Volkes der Uzen zu fürchten haben, und also weniger als sonst im Stande sind, den durch ihr Land auf dem Dnieper fahrenden Rus- sischen Kaufleuten Schaden zuzufügen. Was eben daselbst Constantinus (') Für a@ro Terovrgev in der angeführten Stelle des Constantinus Porphyrogennetus ver- bessert Lehrberg (Untersuchungen zur Erläuterung der ältern Geschichte Russlands, herausg. von Ph. Krug 5.426.) @rö r0 Arv@rgev, und hält diesen Ort für das öfter in dieser Zeit er- wähnte Ljubetsch. Vielleicht ist IeAıoVrdar oder Hor.ovrgav (Polotzk) zu lesen. zum Byzantinischen Reiche. 111 über den Winteraufenthalt der Russischen Fürsten und ihres Volkes vom November bis zum April aufser Kiow, zum Theil in den ihnen zinsbaren sla- vischen Ländern, hinzufügt, ist nicht deutlich genug, um weitere Erörte- rungen zu veranlassen. Sehr wünschenswerth wäre es gewesen, dafs er über die Zeit und Art der Rückkehr der Russen aus Constantinopel in ihre Heimath eine eben so genaue Nachricht, als über die Zeit und Weise ihrer Fahrt von Kiow nach Constantinopel, gegeben hätte, was er aber unterlas- sen hat. Es ist übrigens nicht zu übersehen, dafs die Zeit, in welcher Olga zu Constantinopel, nach der oben erwähnten Nachricht des Constantinus, angekommen war, nämlich der Anfang des Septembers oder das Ende des Augustmonats, zusammentrifft mit der oben bezeichneten Zeit der gewöhn- lichen Russischen Handelsfahrten nach Byzanz; denn bei den grofsen Schwie- rigkeiten, welche die Cataracten des Dnieper der Fahrt entgegensetzten, und bei der Nothwendigkeit, die Schiffe mehrere Male von einem Wasserfälle zum andern zu Lande weiter zu schaffen, konnten die Russen, welche im Junius von Kiow abfuhren, schwerlich vor dem Ende des Augustmonats in Constantinopel eintreffen. Es kann daher wohl mit Sicherheit angenommen werden, dafs Olga ihre vielbesprochene Reise nach Byzanz mit einer solchen jährlichen Russischen Handelsflotte machte, und mit derselben auch wieder nach Nowgorod zurückkehrte. Die Russen beschränkten bei solchen Fahrten, welche sie jährlich unternahmen, sich nicht auf den Besuch der Bulgarei oder andrer Gegen- den, zu welchen ihr Weg sie führte, und auf den Verkehr mit der Haupt- stadt des Byzantinischen Reichs, sondern sie dehnten ihre Fahrten, wie Constantinus berichtet, zu seiner Zeit aus bis nach Syrien (!). Dafs aber die Russen, welche nach Constantinopel kamen, eben so wenig als andere Barbareu, welche diese Hauptstadt besuchten, auf den Han- del oder auf Unterhandlungen wegen der Erlangung von Handelsvorthei- len sich beschränkten, beweist der Rath, welchen der Kaiser Constanti- nus seinem Sohne Romanus in dem angeführten Werke giebt, niemals das Verlangen der Russen, Chazaren und Türken (d.i. Ungarn) wegen Mittheilung (‘) Ilgös Baae) T7s Mawridos Sararons ne 605 ö Aavergıs morauos, eE cv ci Pas difg yovraı moos TE Tyv Iarevanu Bevryagiav PR Xagesıcav PM Bunon Bene Porphyrog. de N mp. p- 113. 112 Wiıuxex über die Verhältnisse der Russen des Griechischen Feuers, oder Schenkung von Kaiserlichen Kleidern und Kronen zu gewähren, auch niemals einen nördlichen barbarischen Fürsten durch Heiraih mit der Kaiserlichen Familie zu verbinden (!). Obgleich seit dem Frieden und Vertrage, welchen der Kaiser Roma- nus, der Vorgänger des Constantinus Porphyrogennetus, mit dem Grofsfür- sten Igor geschlossen hatte, ein friedlicher Verkehr zwischen den Russen und den Byzantinern statt fand, und die Reise der Olga nach Constantinopel beweist, dafs die Russen den Handelsverkehr mit dem Griechischen Kaiser- thum für vortheilhafter achteten, als die Plünderung und Verheerung des- selben: so setzt der Kaiser Constantinus doch kein festes Vertrauen in die friedlichen Gesinnungen der Russen, und er räth daher seinem Sohne Ro- manus, ein freundschaftliches Verhältnifs mit den Petschenegen sorgfältig zu unterhalten, weil dieses Volk, dessen Land die Russen nothwendig zu durch- ziehen hätten, um an die Mündung des Dniepers zu gelangen, im Stande wäre, sowohl die kriegerischen Unternehmungen der Russen gegen das By- zantinische Kaiserthum als selbst deren Handelsfahrten zu hindern (?). Die- ser Rath scheint übrigens anzudeuten, dafs die Russischen Kaufleute nicht immer in Constantinopel willkommene Gäste waren, und ihnen die Freiheit des Handels in Constantinopel mehr aus Noth und Furcht, und in Folge der von den Russen erzwungenen Handelsverträge, zugestanden wurde, als wegen des Vortheils, welcher den Unterthanen des Byzantinischen Kaiser- thums aus dem Handel mit den Russen erwuchs. Russischer Krieg in Bulgarien von 967-971. Die Byzantinischen Nachrichten erwähnen nicht der Folgen, welche die Bekehrung der Grofsfürstin Olga für die Verhältnisse des oströmischen Kaiserthums zu den Russen hatte. Die Chronik des Nestor aber theilt eine Nachricht mit über eine Gesandschaft, durch welche der Griechische Kaiser von der Olga die verheifsenen Geschenke an Sklaven, Pelzwerk und Wachs, (1!) Constant. Porphyrog. l.c. p. 64.65. (?) Constant. Porphyrog. p.55 sq. Vgl. p.112.113 "Or: ouöz, sagt Constantinus (p.56.), \ x ’ 4 N € ’ A € 27 ’ a / mgos Fnv Barırsvourav rauryv ryv "Puonaiwv moAw 0: “Pos MapeyiverIa Övverran, si jan HERE ” n > , ” ! ’ y , TU Harlweazırav EIONVEVOVTES, OUTE TOAEIOU Kaov OUTE TOR YARTEIES. zum Byzantinischen Reiche. 143 so wie auch Hülfstruppen begehrt haben soll. Auf dieses Begehren soll Olga dem Griechischen Gesandten geantwortet haben: „, Sage deinem Zar, wenn er so vor mir in der Poczaina (einem Kiow durchfliefsenden kleinen Flusse) stehen wird, als ich vor ihm in dem Taufgefäfse stand, so soll er die verlang- ten Geschenke erhalten (').”’ Dafs Olga gerade diese Antwort gab, möchte nicht ganz wahrscheinlich sein; vielmehr läfst sich wohl annehmen, dafs Nestor nach der Weise der Chronikenschreiber, der Grofsfürstin die Worte in den Mund legte, welche sie nach seiner Meinung etwa bei dieser Veran- lassung sagen konnte. Es ist aber nicht unmöglich, dafs Olga dem Kaiser sagen liefs, die Geschenke, welche er verlange, würden ihm nicht entgehen, wenn er sich selbst zu einem Besuche des Hofes von Kiow entschliefsen würde; denn in einem solchen Falle konnte sie die Geschenke, welche sie zu Constantinopel empfangen hatte, erwiedern, ohne den Schein eines schimpflichen Tributs zu veranlassen. Wenn aber auch die von Nestor be- richtete Antwort der Olga als eine geschmacklose Ausschmückung betrachtet werden mufs, so erhält man doch dadurch kein Recht, die Erzählung von der Gesandtschaft selbst mit Schlözer für eine Fabel zu erklären, denn das Griechische Kaiserthum war damals, wie zu jeder Zeit, in der Lage, fremder Hülfsvölker zu bedürfen, und es ist mithin nicht unwahrscheinlich, dafs der Kaiser Constantin den Beistand der Olga ansprach. Die Forderung der Geschenke, welche die Griechen, wenn sie wären bewilligt worden, als einen Tribut betrachtet haben würden, war eine Nebensache. Das Schwei- gen der Byzantinischen Schriftsteller von dieser Gesandtschaft kann eben so wenig als in den früher von uns bezeichneten ähnlichen Fällen, gegen die Wahrheit der Erzählung des Nestor im Allgemeinen einen Verdacht begrün- den. Das Ansuchen des Kaisers um Russische Hülfsvölker wurde vielleicht von Olga gewährt; denn der Arabische Geschichtschreiber Nuyairi erzählt in einer von Karamsin angeführten Stelle (*), dafs im Jahre 964 Russen mit den Griechen wider den Arabischen Emir Ali Hassan in Sicilien kämpften. Das Verhältnifs der Russen zu dem Byzantinischen Reiche erhielt sich aber unter dem kriegerischen Sviatoslaw, welcher im Jahre 964, nachdem (') Schlözer’s Nestor Th. V. S.71-73. (?) Hist. de Russie. T.I. p. 211. Hist. Philolog. Classe 1829. P 414 Wırkxn über die Verhältnisse der Russen er grofsjährig geworden, die Regierung übernahm (!), nicht so gleichmäfsig friedlich, als während der Verwaltung seiner Mutter Olga. Die Griechen hatten den kriegerischen Sinn dieses Fürsten, welcher, wie Nestor sich aus- drückt, so leicht marschirte, als ein Pantherthier, um so mehr zu fürchten, als alle Versuche der Olga, ihren rauhen und kriegslustigen Sohn für das Christenthum zu gewinnen, nach dem Zeugnisse des Nestor (?) vergeblich waren. Sviatoslaw, fügt Nestor hinzu, hinderte es zwar nicht, wenn ein Russe sich taufen lassen wollte, aber er verlachte diejenigen, welche sich zum Christenthum bekehrten. Der Kaiser Nicephorus Phocas, welcher dem unzüchtigen Romanus, dem Sohne des Constantinus Porphyrogennetus, im Jahre 963 auf dem Rai- serlichen Throne gefolgt war, liefs sich durch die Anhänglichkeit des Svia- toslaw am Heidenthum nicht abhalten, im Jahre 966 die Hülfe der Russen in Anspruch zu nehmen, als die Ungarn (Toügze) die nördlichen Provinzen des Byzantinischen Reichs mit einem Einbruche bedrohten, und der Kral der Bulgaren Peter sich weigerte, ihnen den Übergang über die Donau zu weh- ren, wozu ihn der Kaiser aufforderte. Nicephorus Phocas, welcher im Junius des Jahres 967 selbst nach Thracien sich begeben hatte, um den Zu- stand dieses Landes und dessen Vertheidigungsanstalten in Augenschein zu nehmen, und (nach Cedrenus) bis an den grofsen Sund («yxgı ns neyarns Yovdas) d.i. den cimmerischen Bosporus gekommen war, sandte hierauf den Kalokyrus (bei Leo Diaconus Kalokyres, Karexugys), den Sohn des damaligen Statthalters von Cherson, nachdem er denselben zur Würde eines Patriciers erhoben hatte, als seinen Bothschafter an den Russischen Grofsfürsten Svia- toslaw (ZbevdorSiaßer), und forderte ihn auf, die widerspenstigen Bulgaren zu bekriegen. Also erzählen Cedrenus und Zonaras (°) die Veranlassung des Bulgarischen Krieges. Nach der Angabe des Leo Diaconus, welcher des angedrohten Einbruchs der Ungarn nicht erwähnt, wurde der Kaiser Nicephorus Phocas zu einem Heerzuge nach Bulgarien (bei Leo Diaconus (') Schlözer’s Nestor Th. V. S.121. (2) Schlözer's Nestor a.a.0. S.74. Leo Diaconus (ed. Paris. p. 47.) bezeichnet den Cha- j n R zn ’ A \ ’ > ‚ vo rakter des Sviatoslaw (Iıpevrdosraßov) also: Seguougyos re wv zu Fonsus, Amos TE zu d8- Dur) ATS dvd. > (°) Cedren. p.660. Zonar. T.Il. p.205. 206. zum Byzantinischen Reiche. 115 Moesien) und zur Aufreizung der Russen bewogen durch den Übermuth des Krals der Bulgaren, welcher durch Gesandte von den Römern die FEinzah- lung des, wie die Bulgaren behaupteten, gewöhnlichen jährlichen Tributs gefordert hatte. Der Kaiserliche Bothschafter Kalokyrus nahm, wie Leo versichert, funfzehn Centner Goldes mit sich, um diese unter die Russen zu vertheilen, und sie dadurch zum Kriege gegen die Bulgaren und zur Ero- berung ihres Landes zu bewegen (&s rır Xugav zarayaysi ray Mirwv, Taurn aignsovras) (!). Kalokyrus aber, wie Leo weiter berichtet (?), hinterging den Kaiser, und benutzte seine Sendung, um den Beistand der Russen zur Ausführung seiner eigenen Pläne, welche auf nichts geringeres als das By- zantinische Kaiserthum selbst gerichtet waren, sich zu verschaffen; auch forderte er die Russen nicht blofs auf, in Bulgarien einzufallen, sondern er rieth dem Sviatoslaw, mit welchem er eine vertrauliche Freundschaft schlofs, mit seinen Russen in jenem Lande sich festzusetzen, und verhiefs ihm reich- liche Geschenke aus dem Kaiserlichen Schatze, falls es gelingen sollte, den Kaiser Nicephorus vom Throne zu stofsen. Hierauf kam Sviatoslaw, be- gleitet von Kalokyrus, mit einem Heere von sechzig Tausend Russen nach Bulgarien. Cedrenus und Zonaras erwähnen zwar im Verfolge ihrer Er- zählung (*) der Verrätherei des Kalokyrus, geben aber über den Anfang des bulgarischen Kriegs sehr ungenügende Nachricht; nur bezeichnet Cedrenus die Zeit der Ankunft der Russen an der Mündung der Donau, nämlich den Monat August des fünften Jahres der Regierung des Kaisers Nicephorus, 968 der Christlichen Zeitrechnung, was sowohl Leo als Zonaras unterlassen. Diese Zeit stimmt genau zusammen mit der oben erwähnten Angabe des Constantinus Porphyrogennetus von der Jahreszeit, in welcher damals die Russen ihre Kriegszüge oder Handelsfahrten gegen Süden gewöhnlich unter- nahmen. Nestor erwähnt der an Sviatoslaw gelangten Aufforderung des Griechischen Kaisers nicht, und setzt den Zug der damaligen Russen wider die Bulgaren schon in das Jahr 967 (*). (') Leonis Diaconi historia ed. Paris. p.38. 39. (?) Leo Diac. p.47. (°) Cedren. p.666. Zonar. p.209. f (*) Schlözer’s Nestor Th. V. S. 128. 116 Wirken über die Ferhältnisse der Russen Nach Leo Diaconus ängstigte den Kaiser Nicephorus, welcher von der Verrätherei des Kalokyrus Nachricht erhalten hatte, die Besorgnifs, dafs die Russen, statt die Bulgaren anzugreifen, ihre Fahrt fortsetzen, und Con- stantinopel belagern möchten. Er liefs daher den Hafen Chrysokeras durch eine grofse eiserne Kette sperren ('), was gewöhnlich in der Zeit solcher Gefahr geschah, setzte die Mauern der Stadt in gehörigen Stand, und ver- stärkte die Besatzung. Diese Besorgnifs war jedoch ohne Grund; denn die Russen landeten wirklich an der bulgarischen Küste, überwanden den Kral Peter, welcher mit dreifsig Tausend Bulgaren sich ihnen entgegensiellte, und nöthigten ihn hinter den Mauern der Stadt Dorystolum, welche damals gewöhnlich Dristra (Agirrg«) genannt wurde (?) (jetzt Silistria), Schutz zu suchen, wo Peter sehr bald dem Schmerze über die schimpfliche Flucht sei- nes Heers unterlag (°). Nicephorus hielt es unter diesen Umständen für gerathen, sich mit den Bulgaren zu versöhnen. Er sandte also, wie Leo berichtet, an die Bul- garen zwei Gesandte, trug ihnen seine Freundschaft an, und erbat sich einige Jungfrauen aus dem Königlichen Geschlechte der Bulgaren, um dieselben mit Byzantinischen Grofsen zu vermählen, und dadurch das freundschaftliche Verhältnifs der Römer und Bulgaren zu befestigen. Die Bulgaren gewährten dieses Ansuchen, und erbaten sich dagegen den Beistand des Kaisers gegen die Russen (Tage: bei Leo) (*). Nicephorus war geneigt, diese Bitte zu erfüllen; die Ereignisse aber, welche damals in Syrien statt fanden, und die im Jahre 969 erfolgte Ermordung des Kaisers, hinderten die Ausführung dieses Vorsatzes; und eben diese Ereignisse lenken die Aufmerksamkeit des Leo Diaconus von dem Bulgarischen Kriege ab, auf welchen er erst in seiner (') Kar Feıgav Bagvraravrov ex Fıönge meromIaEUnV Em rev mügyov Evönransvos, cv Kevryvagıov ya ein Iarıw, Emı dırgwv TE Reyisrun Epwgmoraevos, Hara rov Bosmogov Erewe. Leo Diac. p-48. Die letztern Worte dieser Stelle sind nicht so zu verstehen, als ob der Kaiser Nicephorus diese Kette über den Bosporus spannen liels, wie man nach der Lateinischen Übersetzung glau- ben könnte (per Bosporum tetendit). Kar& Borregov heilst in dieser Stelle soviel als am Bosporus, in welchen der Hafen Chrysokeras mündete, nicht über den Bosporus. (?) Zeo Diac. p.86. Auch Nestor nennt diese Stadt Drestra, und der Codex des Leo Diaconus giebt an dieser Stelle Agyrro«. (°) Leonis Diac. historia p.47.48. (*) Leonis Diac. historia p.48.49. zum Byzantinischen Reiche. 117 Erzählung von den Thaten des Kaisers Johannes Tzimisces wieder zurück- kommt, ohne die Begebenheiten des bulgarischen Kriegs, welche nach dem erwähnten Siege der Russen sich ereigneten, zu berühren. Cedrenus, welcher eben so wie Zonaras, diesen Sieg der Russen über die Bulgaren verschweigt, erzählt, dafs die Russen viele bulgarische Städte und Burgen zerstörten, mit einer unermefslichen Beute nach Hause zurückkehrten, im folgenden Jahre 969 wieder nach Bulgarien kamen, und ihre Plünderungen erneueten, welche in diesem Jahre noch länger dauerten, als in dem vorher- gehenden. Zonaras erwähnt zwar der Plünderung des bulgarischen Landes in beiden Jahren, aber nicht der Rückkehr der Russen ('). Nestor, welcher den von den Russen über die Bulgaren erfochtenen Sieg mit wenigen Wor- ten berührt, und seine kurze Nachricht über diesen bulgarischen Krieg aus Byzantinischen Schriftstellern geschöpft zu haben scheint, giebt die Zahl der im Jahre 967 von Sviatoslaw eroberten bulgarischen Orte (gorodoy) zu achtzig an (?). Dafs unter den von Sviatoslaw entweder im Jahre 968 oder 969 eroberten und verwüsteten Orten auch die Stadt Philippopolis sich befand, wissen wir durch eine Nachricht des Leo Diaconus, welcher in sei- nem Berichte von den Unterhandlungen, die Johannes Tzimisces nach seiner . Thronbesteigung mit Sviatoslaw versuchte, gelegentlich bemerkt, dafs in jener Stadt zwei Tausend Menschen auf den Befehl des Russischen Grofs- fürsten, auf eine grausame und unmenschliche Weise auf Pfählen gespiefst wurden (°). i Die Ursache, welche die Russen im Jahre 968 zur frühen Rückkehr in ihre Heimath bewog, wird von Nestor berichtet (*). Die Petschenegen benutzten nämlich die Abwesenheit des Grofsfürsten Sviatoslaw zu einem Angriffe auf Kiow, ‘wo damals die Grofsfürstin Olga mit ihren Enkeln und Leuten sich befand, und die Stadt wurde nur durch eine glückliche List ge- rettet; die Einwohner von Kiow sandten hierauf Abgesandte an Sviatoslaw, und baten ihn zurückzukehren; der Grofsfürst erfüllte unverzüglich ihre (') Cedren. p.660. Zonar. T.U. p.206. (?) Schlözer’s Nestor Th.V. 8.128. x ’ } - - 64 x \ ’ m > Er Y nm! () Bası' yao ryv Biaimmovimorw ru) morsuev EEeAuv Örmiavgious rwv tv TW arreı AyhIevrui 3: \ al ‚ R 2 ; : wAwmg Fat amav-Igwrrus avarzoromiran -Leonis Diac. historia p- 64. (*) Nestor a.a.0. S.132 folg. 118 Wıuken über die Ferhältnisse der Russen Bitte, und vertrieb die Petschenegen aus seinem Lande. Nach der weiteren Erzählung des Nestor (1) hatte Sviatoslaw zwar die Absicht, im Jahre. 969 nach der Bulgarei zurückzukehren, wurde aber durch die Bitten seiner Mut- ter Olga, welche an einer schweren Krankheit danieder lag und in diesem Jahre starb, von der Ausführung dieses Vorsatzes abgehalten.: Die Russen, welche im Jahre 969 die von Cedrenus und Zonaras berichtete, von Nestor aber nicht erwähnte Verheerung‘ der Bulgarei bewirkten, wurden mithin nicht von ihrem Grofsfürsten in eigner Person angeführt. Ein sehr merkwürdiger Umstand, ‘welcher von Nestor schon in der Erzählung des ersten Zuges der Russen nach Bulgarien berichtet, und auch von Cedrenus und Zonaras im: Anfange ihrer Nachricht von dem Anfange der Feindseligkeiten zwischen den Russen und dem Kaiser Johannes Tzimisces, so wie auch von Leo Diaconus angedeutet wird (?), ist es, dafs Sviatoslaw auf den Gedanken kam, in der Stadt Prislaw, welche damals die Residenz der bulgarischen Krale war (°), seinen Sitz zu nehmen.; Dafs diese Stadt schon im Jahre 968, also unmittelbar nach dem Siege bei Dorystolum, war erobert worden, erhellt aus der Nachricht des Nestor, dafs der Einfall der Petschenegen in Russland statt fand, während Sviatoslaw zu Prislaw sich aufhielt. . Vielleicht waren bei der Eroberung dieser Stadt die Söhne des zu Dorystolum gestorbenen Krals Peter, Boris und Romanus, deren Gefangen- schaft Cedrenus und Zonaras erwähnen, in die Gewalt des Grofsfürsten Sviatoslaw gefallen. Dafs aber diese Stadt, obgleich Sviatoslaw geneigt war,. daselbst seinen Sitz zu nehmen, dennoch nicht von einer zurückblei- benden Russischen Schaar behauptet, sondern im Jahre 968, als der Grofs- fürst nach Kiow zurückkehrte, verlassen wurde, geht,aus der von Nestor beim Jahre 971 mitgetheilten Nachricht (*) von deren zweiter Eroberung durch Sviatoslaw hervor. Vielleicht stand mit dem Plane des Grofsfürsten, in Bulgarien sich festzusetzen, die von ihm verfügte und von Nestor berich- tete Theilung des Russischen Groöfsfürstenthums im Zusammenhange, indem (!) Nestor a.a.0. S.139-141. (?) Cedren. p.566. Zonar. T.I. p.209. Leo Diac. p.47. (2 IgusrSraße , n Myrodis tor ra Barireıe. Leo. Diac. p-81. Nestor nennt diese Stadt Perejaslavatz, d.i. klein Perejaslav..,.Vgl.iS chlözer’s Anmerk. zum. Nestor Th. V, .S. 139. (*) Schlözer’s Nestor Th. V. S.145. zum Byzantinischen Reiche. 119 er seinem ältesten Sohne Jaropolk Kiow, dem zweiten Sohne Oleg Drewien zutheilte, und da Nowgorod sich ebenfalls einen eigenen Grofsfürsten erbat, dieser Stadt seinen dritten Sohn Wladimir zum Fürsten gab (!). Leo Diaconus beklagt die Ermordung des Kaisers Nicephorus Phokas, welcher ein sehr geschickter Feldherr war, auch deshalb, weil er überzeugt war, dafs dieser Kaiser, wenn er den beabsichtigten Zug gegen die Russen hätte vollbringen können, glorreiche und dem römischen Reiche sehr nütz- liche Siege würde errungen haben (?), und diese Meinung wurde auch in der für das Grabmal des Nicephorus von dem Erzbischofe Johann von Melitene verferligten, und von Scylitzes mitgetheilten Grabschrift ausge- sprochen (°). Johannes Tzimisces bemübte sich indefs, soviel an ihm lag, die Gefahr abzuwenden, von welcher das Kaiserthum bedroht wurde, als der Grofsfürst Sviatoslaw im Jahre 971, wie Nestor berichtet, wieder nach Bulgarien gekommen war, und sich aufs Neue in den Besitz der bulgarischen Hauptstadt Prislaw gesetzt hatte (*). Johannes Tzimisces versuchte zuerst Unterhandlungen. Er sandte, wie Leo Diaconus, Cedrenus und Zonaras übereinstimmend berichten (°), Botschafter an Sviatoslaw, und trug ihm die vollständige Erfüllung aller von Nicephorus Phocas gemachten Versprechun- gen an, falls er das Land der Bulgaren, welches ursprünglich zu Macedonien gehörte, räumen und den Römern überlassen, und nach dem cimmerischen Bosporus zurückkehren würde. Als Sviatoslaw diesen Antrag mit Hohn und Trotz beantwortet und gefordert hatte, dafs die Griechen den Russen die Eroberungen und Gefangenen mit einer unerschwinglichen Geldsumme abkaufen sollten, so fertigte Johannes Tzimisces eine zweite Gesandtschaft (') Nestor a.a.0. $.142.143. (?) Leo Diae. p.49. (°) Aus der zu Paris befindlichen Handschrift des Seylitzes ist diese Inschrift mitgetheilt worden in Hasti notis ad Leonem Diac. p.223. Der Erzbischof fürchtete in der Zeit, in welcher er diese Inschrift verfertigte, wirklich einen Angriff der Russen auf Constantinopel, indem er also sich ausdrückt: “"Orne 20T yuav "Purızr mavorrie, NauSov &Ivm sibugousıv eis bovougyics. (*) Schlözer’s Nestor Th. V. S.145. Die Abfahrt des Syiatoslaw von Kiow setzt Nestor (S.143.) noch in das Jahr 970. (°) Leo Diac. p.63. 120 Wıuken über die Verhältnisse der Russen an ihn ab, deren nur Leo Diaconus erwähnt (!). Durch diese Gesandtschaft wiederholte er den ersten Antrag, mit Hinzufügung der Drohung, dafs wenn Sviatoslaw nicht freiwillig Bulgarien räumte, er wissen würde, ihn mit Ge- walt aus diesem Lande zu vertreiben. Zugleich erinnerte Johannes Tzimisces den Russischen Grofsfürsten an das Schicksal seines Vaters Igor, welcher, da er mit Verletzung heiliger Verträge Constantinopel angriff, von zehntau- send Fahrzeugen nur mit zehn zu dem cimmerischen Bosporus zurückkehrte, und an dessen schmähliches Ende. Auf diesen zweiten Antrag gab Sviatos- law zur Antwort: der Kaiser dürfe nicht sich die Mühe geben wider die Russen auszuziehen; denn in kurzer Zeit würden diese vor den Thoren von Byzanz ihre Zelte errichten, die Stadt mit Verschanzungen umgeben, und darthun, dafs die Griechen sich irrten, wenn sie die Russen für Kinder hiel- ten, welche noch an ihrer Mütter Brüsten sögen. Einer solchen ruhmredi- gen Erklärung des Sviatoslaw erwähnt auch Nestor (?), jedoch ohne der beiden Griechischen Gesandtschaften zu gedenken, indem er erzählt, Svia- toslaw habe aus Prislaw Bothschafter an die Griechen gesandt, und ihnen erklären lassen, dafs er Constantinopel eben so zu erobern gedächte als jene Stadt. Darauf antworteten die Griechen, sie wären nicht im Stande ihre Hauptstadt zu vertheidigen, und bereitwillig einen Tribut zu bezahlen im Verhältnifs zu der Zahl der Köpfe des Russischen Heeres, der Grofsfürst möchte nur diese Zahl angeben. Hierauf gab Sviatoslaw die Zahl seiner Waffengefährten zu zwanzig Tausend an, obgleich sie, wie Nestor hinzufügt, nicht mehr als zehn Tausend betrug. Die arglistigen Griechen aber, be- richtet Nestor ferner, boten den Tribut nur an, in der Absicht die Russen zu betrügen, bezahlten auch keinen Tribut, sondern bewaffneten hundert Tausend Mann wider Sviatoslaw. Die Zahl des Heers, welches der Kaiser Johannes Tzimisces nach dem fruchtlosen Ausgange der versuchten Unterhandlungen, unter dem Befehle seines Schwähers, des Magister Bardas Skleros, eines erprobten Feldherrn, und des Patricier Petrus, welcher zwar, wie Leo berichtet, ein Verschnit- tener, aber doch sehr thätig und tapfer war, den Russen im Jahre 971 (') Zeo Diac. p.64.653. (?) Schlözer’s Nestor Th. V. S.147. zum Byzantinischen Reiche. 424 entgegenstellte (?), war nach den Byzantinischen Nachrichten nicht so be- deutend, als Nestor sie angiebt. Nach dem Berichte des Cedrenus (2) be- trug das Heer, mit welchem diese Feldherren nach der Erzählung des Leo an die Grenze der Bulgarei zogen, um dort während des Winters ihr Heer in den Waffen zu üben, die Russen zu beobachten, und durch ausgesandte Kundschafter ihre Absichten zu erspähen (°), nicht mehr als 12000 Mann. Leo Diaconus bemerkt nicht, wie weit das römische Heer vorrückte; aus den Berichten des Cedrenus und Zonaras geht aber hervor, dafs Sviatoslaw, welcher sein Heer durch herbeigerufene Bulgaren, Ungarn und Petschenegen verstärkt hatte (*), den Griechen zuvor kam, über den Hämus ging, ganz Thracien mit Feuer und Schwerdt verwüstete, und wie Cedrenus angiebt, bis Arcadiopolis vorrückte. Nach Leo Diaconus kam nur eine von Sviatoslaw vorausgesandte Abtheilung (@röusıga) des Russischen Heers, welche dreifsig Tausend Mann stark war, den Griechen entgegen (°); er giebt aber eben so wenig als Zonaras den Ort an, wo die Russen mit den Griechen zusam- ınentrafen. Nach dem Berichte des Cedrenus (°) besetzte Bardas Sklerus mit seinem Heere die Stadt Arcadiopolis, liefs sich durch die Herausforderun- gen der Feinde, we'che die Stadt belagerten, nicht zu einem übereilten An- griffe verleiten, sondern wartete ruhig auf eine günstige Gelegenheit, welche sich darbot, als die Feinde Beute suchend sich über das benachbarte Land zerstreuet hatten. Er liefs alsdann zuerst durch eine Abtheilung seines Hee- res, unter dem Befehle des Patricius Johannes Alakas, die Petschenegen angreifen, und die Niederlage dieser Horden erleichterte ihm den Sieg über die Russen und deren übrige Bundesgenossen, welche er selbst mit dem (!) Zeo Diac. p.65.66. (?) Cedren. p.667. (?) Leo Diac. p.66. (*) Cedren. p.666. Zonar. T.I. p.210. Nach Cedrenus betrug das Heer, mit welchem Sviatoslaw gegen Arcadiopolis vorrückte, an 308000 Mann (Es dxrazıryous imı rguczovr@ v- geerı), nach Zonaras ungefähr 300000. Beide Angaben sind ohne Zweifel sehr übertrieben. Nach Leo Diaconus (p. 96.) betrug die ganze Macht, mit welcher Sviatoslaw den Krieg eröffnete, 60000 Mann. (°) Zeo Diae. l.c. (°) Cedren. p.667-669. und übereinstimmend ‚Seylitzes. ı$. Hasii Not. in Leon. Diac. p- 232. ed. Paris. Histor. philolog. Klasse 1329. Q 122 Wıuekex über die Ferhältnisse der Russen Haupttheile seines Heers angriff. Der Sieg der Römer war nach Cedrenus so vollständig, dafs von den Russen und deren Bundesgenossen nur wenige entkamen, und kostete den Römern nicht mehr als 25 Todte. Zonaras () stimmt in so fern mit Cedrenus in der Beschreibung dieses Sieges überein, als auch er der vorhergegangenen Niederlage der Petschenegen erwähnt; er hat aber die von Cedrenus angegebene geringe Zahl der getödteten Römer, als höchst unwahrscheinlich, mit Recht in seine Erzählung nicht aufgenom- men. Leo Diaconus, welcher eine sehr in das Einzelne gehende Darstellung der Schlacht mittheilt (?), giebt den Verlust der Römer zu 55, und den Ver- lust der Russen zu 20000 an, und weicht von Zonaras und Cedrenus gleich- mäfsig darin ab, dafs er der Niederlage der Petschenegen nicht gedenkt, und den Zug des Patrieius Johannes Alakas nur als eine Recognoscirung darstellt. Wie es sich aber mit diesem so verschieden von den Byzantinischen Schrift- stellern berichteten Hergange dieser Begebenheit verhalten mag, so stim- men doch alle darin überein, dafs Bardas Sklerus mit einem verhältnifsmäfsig geringen Heere einen entschiedenen Sieg über die Russen gewann. Ganz anders aber lautet der Bericht des Nestor (°), nach welchem Sviatoslaw und seine Russen zwar über die überlegene Zahl des Griechischen Heers, als sie dessen ansichtig wurden, heftig erschraken, der Grofsfürst aber seine Schaa- ren mit einer kräftigen Rede ermuthigte, worauf ein kühner Angriff den Russen den Sieg verschaffte, und Sviatoslaw gegen Constantinopel vorrückte; die Griechen bewogen jedoch durch drei Gesandtschaften, welche nach ein- ander in das Lager der Russen kamen und Geschenke brachten, und durch die Bezahlung eines ansehnlichen Tributes, von welchem selbst den Familien der erschlagenen Russen ein verhältnifsmäfsiger Antheil zugestanden wurde, den Russischen Grofsfürsten zur Rückkehr nach Prislaw (*). Wenn auch die Byzantinischen Nachrichten von dem Siege des Magister Bardas Sklerus von dem Vorwurfe der Ruhmredigheit nicht ganz frei gesprochen werden können, so beweisen doch die kriegerischen Begebenheiten der folgenden (') Zonar. T.ll. p.210. (?) Leo Diac. p.66-68. (°) Schlözer’s Nestor Th.5. S.147.148. (*) Über jene angeblichen Gesandtschaften der Griechen s. Nestor a.a. 0. S.167.168. zum Byzantinischen Reiche. 123 Jahre, welche Nestor mit Stillschweigen übergeht, dafs der Kaiser Johannes Tzimisces nicht in einer solchen Lage sich befand, dafs er genöthigt war, die Rückkehr der Russen über den Hämus zu erkaufen. Die Byzantinischen Geschichtschreiber, Leo Diaconus, Cedrenus und Zonaras erzählen sehr ausführlich die Thaten des Kaisers Tzimisces in dem Feldzuge wider die Russen, welchen er im Jahre 974, nachdem die Russen ungeachtet der erlittenen Niederlage in Macedonien eingebrochen waren (!), unternahm; indem er seine Truppen bei Adrianopel sammelte, eine mit Griechischem Feuer hinlänglich versehene Flotte an die Mündung der Donau sandte, über den Hämus ging, Prislaw eroberte, Dorystolum, wo Sviatoslaw sich aufhielt, belagerte, und bei dieser Stadt wider die Russen, welche nach derselben sich zurückzogen, in sechs Gefechten von ungleichem Ausgange kämpfte. Wir übergehen aber das Einzelne dieser Begebenheiten, welche von den genannten Geschichtschreibern ohne erhebliche Abweichungen be- richtet werden, indem von den Erzählungen des Cedrenus und Zonaras die Geschichte des Leo Diaconus offenbar die Quelle ist. Die Erzählungen der Byzantinischen Geschichtschreiber von den Sie- gen des Kaisers Johannes Tzimisces bei Dorystolum, erhalten eine sehr erhebliche Beglaubigung durch die Übereinstimmung der Erzählung des Nestor von dem Friedensschlusse mit den Byzantinischen Nachrichten über die Verabredung dieses Vertrages. So wie Leo Diaconus, Cedrenus und Zonaras, eben so erzählt auch Nestor, dafs Sviatoslaw, da er von der Un- möglichkeit, in Bulgarien länger sich zu behaupten, überzeugt war, zuerst die Hand zum Frieden bot. Wenn aber Nestor sagt, dafs diese Gesandt- schaft zu dem Griechischen Kaiser nach Dristra oder Dorystolum sich be- gab, so ist dieses ein Irrthum; denn diese Stadt war noch in der Gewalt des Grofsfürsten Sviatoslaw, und ihre Übergabe war, nach dem sehr glaub- lichen Berichte des Leo Diaconus (?), eine von den Bedingungen des Frie- dens, obwohl Cedrenus und Zonaras dieser Bedingung nicht ausdrücklich erwähnen; und Nestor scheint durch das gleichmäfsige Schweigen des Byzan- tinischen Geschichtschreibers, aus welchem er seine Nachricht über diesen Friedensschlufs in den Hauptsachen schöpfte, zu jenem Irrthum verleitet (') Zeo Diac. p.77. (?) Leo Diac. p.96.97. ®, D 124 Wirken über die Verhältnisse der Russen worden zu sein. Die Griechen gewährten, nach den Byzantinischen Nach- richten, den Russen, welche sich anheischig machten, Bulgarien zu räumen, und alle Gefangenen auszuliefern, freien Handel im Byzantinischen Reiche, wie es von Alters her, setzt Leo Diaconus hinzu (!), gewöhnlich war (z«- Sameg dvenadev EIıuov A). Sie machten sich ferner verbindlich, wie eben- falls Leo Diaconus berichtet, die Rückkehr der Russen nicht durch Grie- chisches Feuer zu gefährden, und das Russische Heer mit Lebensmitteln zu versehen; worauf jeder der zwölf Tausend Russen, welche noch übrig wa- ren, zwei Medimnen Getreide aus den Kaiserlichen Magazinen empfing. Nestor theilt zwar die Urkunde des Friedens mit (?), welche Sviatoslaw be- schworen haben soll; in derselben sind aber keine einzelnen Bedingungen enthalten, sondern nur die allgemeine Versicherung, dafs er selbst, die Bo- jaren und alle übrigen Russen bis an das Ende der Tage mit den Griechen und Bulgaren Frieden halten, und gegen dieselben keine Feindseligkeiten irgend einer Art unternehmen wollten. Nach den Griechischen Nachrichten verlangte Sviatoslaw, nachdem dieser Friede verabredet worden war, eine persönliche Zusammenkunft mit dem Griechischen Kaiser, welche auch wirklich statt fand, und Leo Diaconus bezeichnet es als eine Merkwürdig- keit, dafs Sviatoslaw, dessen Äufseres er mit polizeilicher Genauigkeit be- schreibt, selbst das Ruder führte, als er über die Donau kam, und wie die übrigen Russen ein weifses Kleid trug, welches nur durch gröfsere Sauberkeit sich auszeichnete (°). Zonaras und Cedrenus berichten, dafs Sviatoslaw in dieser Unterredung den Kaiser bat, er möge die Petschenegen bewegen, die Rückkehr der Russen durch ihr Land nicht zu hindern (*), worauf Johannes Tzimisces, nach der Angabe des Cedrenus, den Bischof Theophilus von Euchaita als seinen Botschafter zu den Petschenegen sandte. Bei diesen erbitterten Feinden der Russen fand aber die Fürsprache des Kaisers kei- nen Eingang, sondern die Petschenegen erschlugen nach der einstimmigen Erzählung der Byzantinischen Geschichtschreiber (°) und des Nestor, den (') Leo Diac. p.96. (?) Schlözer’s Nestor a.a.0. S. 172. (*) Zeo Diae. p.97. (‘) Cedren. p-682. Zonar. 'T.Il. p.214. ©) Zeo Diac. l.c. Cedren. p.683. Zonar. l.c. zum Byzantinischen Reiche. 125 Sviatoslaw an den Kataracten des Dnieper, mit dem gröfsten Theile der Russen, welche ihren Grofsfürsten auf seiner Rückkehr begleiteten. Nach der genauen Angabe des Nestor gab der Woiwode Svenald dem Grofsfürsten den heilsamen Rath, zu Lande zurückzukehren, und die Kataracten des Dnieper, wo die Petschenegen auf ihn lauerten, zu vermeiden; Sviatoslaw befolgte aber nicht diesen Rath, sondern versuchte mit seinen Kähnen auf dem gewöhnlichen Wege zurückzukehren. Als der Grofsfürst zu den Was- serfällen kam, so fand er dieselben besetzt durch die Petschenegen, welchen die Einwohner von Prislaw gemeldet hatten, dafs die Russen zwar in gerin- ger Zahl, aber mit beträchtlicher Beute durch ihr Land zu ziehen gedächten. Sviatoslaw sah sich daher genöthigt, bei Bielbereshije (einem unbekannten Orte, welcher auch sonst von Nestor genannt wird, und unterhalb der Wasserfälle am Dnieper lag) zu überwintern, wo die Russen an Lebensmit- teln grofsen Mangel erduldeten. Als im Anfange des Frühlings 972 der Grofsfürst seinen Weg fortzusetzen versuchte und den Wasserfällen sich näherte, so überfiel ihn Kuria, Knäse der Petschenegen. Sviatoslaw wurde erschlagen, der Kopf ihm abgeschnitten, und aus seinem Schädel ein Becher gemacht, aus welchem die Petschenegen tranken. Der Woiwode Svenald entkam aus dieser Schlacht nach Kiow. Man sieht aus dem von Cedrenus und Zonaras berichteten Umstande, dafs Sviatoslaw die Fürsprache des Griechischen Kaisers bei den Petschenegen nachsuchte, und aus dem Ende des Sviatoslaw, dafs der Grofsfürst, wenn er auch einen Theil der Petsche- negen bewogen hatte, ihm Beistand wider die Griechen zu leisten, dennoch mit dem gröfsten Theile dieses Volks nicht in freundschaftlichem Verhältnisse stand; Cedrenus behauptet indefs (!), dafs die Petschenegen den Sviatoslaw nur aus Verdrufs wegen des Vertrages, welchen er mit den Griechen ge- schlossen hatte, erschlugen. Nach Leo Diaconus endigte Johannes Tzimisces den Russischen Krieg in Bulgarien (ryv "Purızyv Favorrav) (?) durch einen Feldzug von vier Mona- ten. Die Stadt Prislaw wurde nach diesem Schriftsteller nicht lange vor dem Österfeste, welches im Jahre 971 auf den 16. April fiel, erobert, der erste (') Cedren. l.c. (*) Leo Diae. p.93. 97. Mit demselben Namen wird dieser Krieg in der oben $.119 Anm.3 angeführten Grabschrift bezeichnet. 126 Wirken über die Verhältnisse der Russen für die Römer glückliche Kampf bei Dorystolum fand nach Cedrenus (') statt am Tage des heiligen Georg (23. April), und das sechste Gefecht nach Leo Diaconus (?) am Freitage d. 24. Julius (Exrn ö& av rns EBßdowados juega, xl Eindda reragryv Arauvev 6 ’IovAıcs wyv). Im dieser letzten Angabe ist aber ein Irrthum; denn im Jahre 971, dessen Sonntagsbuchstabe 4 war, fiel der 24. Julius auf einen Montag; wenn also die Angabe des Wochentages, wie es wahrscheinlich ist, ihre Richtigkeit hat, so ist der letzte Kampf bei Do- rystolum entweder auf den 21. oder 28. Julius zu setzen. Wie es sich auch damit verhalten mag, so kann wohl als sicher angenommen werden, dafs die Belagerung von Dorystolum (Silistria) nur drei Monate oder vielleicht dar- über dauerte, der Friede des Kaisers Johannes Tzimisces mit dem Grofsfür- sten Sviatoslaw am Ende des Monats Julius, oder im Anfange des August 971 geschlossen wurde, und die Russen im Laufe des letztern Monats ihren Rück- zug antraten. Als die Hauptursache der Siege, welche Johannes Tzimisces über den Grofsfürsten Sviatoslaw in dem bulgarischen Feldzuge gewann, giebt Leo Diaconus (?) die Überlegenheit der Römer in der Reiterei an, indem er bemerkt, dafs die Russen überhaupt nicht geübt waren, zu Pferde zu kämpfen. Wie wären aber auch die Russen im Stande gewesen, auf ihren Monoxylen oder Kähnen eine beträchtliche Zahl von Pferden von Kiow an die Donau zu bringen? Sie konnten erst im feindlichen Lande durch erbeutete Pferde sich eine Reiterei bilden. Verhältnisse der Russen zu den Byzantinischen Griechen seit dem Frieden von Silistria bis zu den Zeiten des Constantinus Monomachus, von 971-1043. Die Theilung von Russland unter die Söhne des Grofsfürsten Svia- toslaw und die blutigen Kriege der drei Brüder wider einander, machten es (') Cedren. p.675. (?) Leo Diac. p.94. . > sr 3m > Sa > > E \ °) Leo Diac. p.82. OVd: yao ab’ ımmwv eiTıruevov Er airois dyavicesTer, orı [ande P vr y \ 3 1; mEOS FOVTo Yyunvagovrei. zum Byzantinischen Reiche. 127 den Russen unmöglich, auswärtige Kriegszüge zu unternehmen; als Wladimir durch eigne und fremde Verbrechen Herr des ganzen Russischen Landes ge- worden war, so unternahm er zwar im Jahre 988 einen Zug wider Cherson, aber seine Bekehrung zum Christenthume zur Zeit des Kaisers Basilius Por- phyrogennetus, von welcher schon oben geredet worden ist, die Vermählung mit Anna, der Tochter des Kaisers Basilius, welche Wladimir, nachdem er Cherson erobert hatte, durch Drohungen erzwang, und die Taufe des Grofs- fürsten zu Cherson (!), befestigten aufs Neue das friedliche Verhältnifs der Russen zu den Byzantinischen Griechen, und mit der Grofsfürstin Anna kamen, wie Nestor berichtet, Griechische Priester nach Russland, welche gewifs nicht unterliefsen, die Russen von Feindseligkeiten gegen ihr Vater- land abzuhalten. Seit dieser Zeit kämpften die Russen als Bundesgenossen der Römer gegen den Empörer Bardas Phokas im Jahre 959 (?), unter der Anführung des Sphengus (X$eyyss), eines Bruders des Grofsfürsten Wladi- mir, wider die Chazaren im Jahre 1016 (°), in demselben Jahre in Bulgarien, wo ihnen der Kaiser Basilius zum Lohn für die geleisteten Dienste den drit- ten Theil der Gefangenen, welche bei der Eroberung der Burg Longum in die Gewalt der Griechen gefallen waren, überliefs (*), und zur Zeit des Kaisers Romanus Argyrus waren in einem Griechischen Heere, welches in Ägypten wider die Araber stritt, Russische Hülfsvölker (°). Die Belohnungen, (') Joseph Müller altrussische Geschichte nach Nestor (Berlin 1812. 8.) S.174 folg. Karamsin histoire de la Russie T.]. p.267 folg. (?) Cedren. p.699. Zonar. T.U. p.221. Auch Elmacin (historia Sarac. p.251.) er- wähnt der Bekehrung der Russen, welche, wie er sagt, bis dahin gar keine Religion hatten und nichts glaubten. Nach diesem Schriftsteller bat der Griechische Kaiser den König der Russen (Om) sur), obgleich dieses Volk damals in Feindschaft mit den Griechen war, um Beistand gegen Bardas Phokas, der Russische Fürst machte aber zur Bedingung der Gewährung dieser Bitte, dals ihm eine Schwester des Kaisers zur Gemahlin gegeben würde. Diese Bedingung wurde zugestanden, nachdem Wladimir sich verpflichtet hatte Christ zu werden, worauf der Kaiser Basilius Bischöfe (Sr) zu dem Russischen Grofsfürsten sandte, welche den Grols- fürsten sowohl als das Volk seines Landes zu Christen machten ($»-=). Man sieht, dafs Elmacin aus einer Byzantinischen Quelle schöpfte, ohne deren Erzählung richtig aufzufassen. (?) Cedren. p.710. (*) Cedren. p. 711. (°) Cedren. p.732. 128 Wıunxen über die Ferhältnisse der Russen mit welchen diese Kriegsdienste von den Römern vergolten wurden, be- wogen sogar einen Russischen Abentheurer, welcher nach Cedrenus den Namen Chrysocheir (Goldhand) führte, und von diesem Schriftsteller als ein Verwandter des damals schon gestorbenen Grofsfürsten Wladimir be- zeichnet wird, nicht lange nach dem Tode der Grofsfürstin Anna, den Grie- chen auf dieselbe Weise mit Gewalt sich aufzudringen, wie dieses in den Zeiten der Völkerwanderung oftmals von den Heerführern der deutschen Völ- ker geschehen war. Er kam mit acht hundert Russen auf Kähnen nach Con- stantinopel, und bot seine Dienste an; als aber der Kaiser Basilius ihm nicht anders den Eingang in Constantinopel gestatten wollte, als wenn er und seine Leute die Waffen ablegten, so ging er über die Propontis nach Abydus, und besiegte den dortigen Griechischen Statthalter, welcher ihm die Landung verwehrte; hierauf begab er sich nach der Insel Lemnos, und dort wurden diese Russischen Abentheurer von den Römischen Statthaltern von Thessalonich und Samos überlistet (ragarrevönSevres) und sämmtlich er- schlagen (!). Aus einer gelegentlichen Aufserung des Cedrenus, zu welcher diesen Schriftsteller die Erzählung des zur Zeit des Constantinus Monomachus von den Russen wider das Byzantinische Kaiserthum unternommenen Angriffs veranlafst, wissen wir, dafs damals sogar ein Theil der Besatzung von Oon- stantinopel aus Russischen Söldnern bestand (?). Dafs in dieser Zeit der friedlichen Verhältnisse der Russen und By- zantiner der gegenseitige Handelsverkehr der beiden Völker sehr lebhaft war, und Byzantinische Kaufleute die Russischen Märkte eben so wohl besuchten, als die Russen nach Byzanz kamen, berichten Cedrenus und Zonaras aus- drücklich (°); da aber diese beiden Schriftsteller sich meistens auf kurze Meldungen der Begebenheiten beschränken, und sogar der Vermählung der Prinzefs Anna mit dem Grofsfürsten Wladimir nur gelegentlich erwähnen (*), so überliefern sie auch keine nähere Nachrichten über die Beschaffenheit jenes Verkehrs, und es ist daher in dieser Beziehung der Muthmafsung freier (') Cedren. p.719. (?) Cedren. p.759. (‘) Cedren. p.758. Zonar. T.D. p. 253. (‘) Cedren. p.699. Zonar. T.Il. p.221. zum Byzantinischen Reiche. 129 Spielraum gelassen. So wie in dem oben erwähnten Vertrag des Grofsfür- sten Igor vom Jahre 945 die Paveloken als ein Hauptgegenstand des Handels der Russen mit den Griechen hervorgehoben worden, so versahen sich wahr- scheinlich die Russen auch späterhin zu Byzanz mit diesen Gewändern, so wie mit Pfeffer, Wein und Früchten, welche nach Constantinus Porphyro- gennetus und Nestor früher die Russen zu Constantinopel zu kaufen pfleg- ten, und boten dagegen den Griechen ihre Zobelpelze feil, welche schon der arabische Geograph Ibn Haukal als eine Waare bezeichnet, welche die Russen in andere Länder ausführten (!). Dieser Handelsverkehr bewog ein- zelne Russische Kaufleute in Constantinopel sich niederzulassen; denn Ce- drenus gedenkt bei derselben Veranlassung, welche ihn bewegt, der Russi- schen Söldlinge, die in Constantinopel selbst Kriegsdienste versahen, zu erwähnen, auch Russischer Kaufleute, welche daselbst ihren Wohnsitz hatten (reüs Evönuedvras 75 Barırıdı Eumogous av IxuSIav). Zug der Russen gegen Constantinopel im Jahre 1043. Der Handelsverkehr der Russen mit den Byzantinern, dessen eben gedacht worden ist, gab die Veranlassung zu dem letzten Kriegszuge, welchen die Russen im Mittelalter wider das Griechische Kaiserthum unternahmen; wir kennen diese Begebenheit gröfstentheils nur aus den einseitigen Berichten des Cedrenus, Zonaras und Glycas (°). Nach der Erzählung dieser Schriftsteller unternahmen die Russen die- sen Kriegszug, um die Ermordung eines vornehmen Russen zu rächen, welcher in einem Streite der Byzantiner mit Russischen Kaufleuten, als diese, wie Zonaras sagt, in grofser Zahl zu Constantinopel sich versammelt (') Ouseley’s Ibn Haukal p.191. Vgl. Karamsin hist. de la Russie T.I. p.303. 402. (2) Cedren. p.758-761. Zonar. T.D. p.253. 254. Glycas p.319. Abulfaradsch (Chron. Syr. p.239.240.) erwähnt dieser Begebenheit (ad annum Graecorum 1355. Chr. 1044.) nur in folgender Weise: In diesem Jahre zog ein zahlreiches Heer der Slaven oder Russen gegen die Kaiserstadt zu Wasser und zu Lande. Gott aber half den Römern; denn sie zündeten die Schiffe der Russen an, und verbrannten sie im Meere dergestalt, dafs viele Fainde theils in den Flammen umkamen, theils ertranken. Auch nahmen die Römer viele der Russen, welche zu Lande gekommen waren, gefangen, und schnitten ihnen die rechten Hände ab. Auf solche Weise gewannen die Römer einen grolsen Sieg. Hist. Philolog. Classe 1829. R 130 Wiııken über die Verhältnisse der Russen hatten, war erschlagen worden. Als damaligen Grofsfürsten der Russen nennt Cedrenus den Wladimir (BAaöiunges), welchen er als einen ungestümen und leidenschaftlichen Mann bezeichnet (avng ögunrias zaı ra mora Tr Fund wagıkoueves). Der damalige Grofsfürst war aber Jaroslaw, welcher seinem ältesten Sohne Wladimir Nowgorod zugetheilt hatte (!); und eben dieser Wladimir begleitete auf dem Griechischen Kriegszuge den Feldherrn Bychata, welchem Jaroslaw die Leitung dieses Rachekrieges anvertrauete. Die Zahl des Russischen Heeres, welches damals auf den gewöhnlichen Kähnen von Kiow nach dem schwarzen Meere kam, giebt Cedrenus zu hundert Tau- send an, Zonaras bezeichnet es als unzählbar; und Cedrenus versichert, dafs der Russische Grofsfürst für diesen Rachekrieg auch die Hülfe scandi- navischer Völker sich verschafft hatte (Fooseragırduevos Funmayınov oün EAyov dmd Tav Karoıkouvrwv Ev Tais OOSUgRTIaS Ted "Nusavev vyrcıs &9vav). Der Kai- ser Constantinus Monomachus, welcher damals auf dem Throne Constantin des Grofsen safs, versuchte zuerst Unterhandlungen, indem er den Russischen Heerführern eine Entschädigung anbieten und ihnen vorstellen liefs, dafs es unbillig wäre wegen einer geringfügigen Ursache (dia nızgov rgayua), wie Cedrenus sich ausdrückt, den bisher zwischen beiden Völkern bestandenen Frieden zu brechen. Die Russen gaben aber eine übermüthige Antwort, plünderten das Land an der Mündung der Donau, und rückten vor bis zu dem Pharus an der nördlichen Mündung des Bosporus, und der Kaiser sah sich daher genöthigt, auf kräftige Mafsregeln zu denken. Er liefs alle zu Constantinopel befindlichen Russischen Söldner, so wie die daselbst wohn- haften Russischen Kaufleute ergreifen, in entferntere Provinzen des Reichs führen und daselbst wohl verwahren, und ging mit allen Schiffen, über welche er in diesem Augenblicke verfügen konnte, den Russen entgegen. Die Unterhandlungen, welche er erneuete, als er der Stellung der Russischen Flotte am Pharus sich genähert hatte, waren von keiner andern Wirkung, als dafs die Russischen Heerführer die Griechen verhöhnten, und erklärten, sie würden unter keiner andern Bedingung den Frieden gewähren, als wenn der Kaiser Constantinus einem jeden der Russen, welche auf ihrer Flotte sich befänden, drei Pfund Gold bezahlte. Der Kaiser sandte hierauf einen (') Karamsin hist. de la Russie T.Il. p.28. zum Byzantinischen Reiche. 1541 seiner Befehlshaber, den Basilius Theodorokanon mit drei Triremen auf Kund- schaft aus, indem er ihm zugleich befahl, die Russen aus ihrer Stellung zum Kampfe hervorzulocken;; und dieser Feldherr benutzte eine günstige Gelegen- heit, welche sich ihm darbot, und zerstörte sieben Russische Schiffe durch Griechisches Feuer, versenkte drei andere, und eroberte ein Russisches Fahr- zeug. Der Kaiser glaubte, nachdem dieser Vortheil errungen worden war, dafs keine Gefahr weiter vorhanden wäre, und kehrte nach Constantinopel zurück ; die Russen gewannen zwar hierauf einen Vortheil über die beiden Griechischen Feldherren, den Kammerherrn (regazeıuw@uevcs) Nicolaus und den Magister Basiliaus Theodorokanon, welche der Kaiser zurückgelassen hatte, begaben sich aber doch, weil sie einen grofsen Theil ihrer Schiffe im Kampfe wider die Griechen und durch Schiffbruch eingebüfst hatten, auf die Rückkehr, indem ein grofser Theil genöthigt war, den gefährlichen Weg zu Lande zu wählen; und diejenigen, welche zu Lande heimkehrten, wurden bei Varna von dem römischen Statthalter des Landes an der Niederdonau, Katakalon Besta Am- bustus, welcher ihnen schon, als sie auf ihrer Fahrt nach dem Pharus das Land an der Donau plünderten, grofsen Schaden zugefügt hatte, überfallen und verlohren achthundert Gefangene. Nach den Russischen Nachrichten wurde drei Jahre später ein Friede zwischen den Russen und Griechen, des- sen die Byzantinischen Nachrichten nicht erwähnen, geschlossen, und die gefangenen Russen kehrten mit geblendeten Augen aus dem Byzantinischen Reiche nach Kiow zurück (!). Seit dieser Zeit standen die Russen, so lange sie ihre Unabhängigkeit behaupteten, meistens in freundschaftlichen Verbindungen mit den Griechen. Der Kaiser Manuel der Komnene unternahm sogar im Jahre 1154, nach dem Zeugnifs des Cinnamus (?), einen Feldzug wider die Ungarn, blofs des- wegen, weil sie den Grofsfürsten Wladimir von Galitzs (Tarırza), seinen Bundesgenossen, bekriegt hatten, und dafür leisteten ihm die Russen in dem Kriege wider die Ungarn, welchen er im Jahre 1160 führte, nützliche Dienste (°). Als der leichtsinnige Andronikus wegen der Mifshelligkeiten, in welche er mit seinem Vetter, dem Kaiser Manuel, gerathen war, sich (') Karamsin hist. de la Russie T.l. p.35. 30. (?) Cinnam. p.66. (°) Cinnam. p.125 sq. R2 4132 Wınken über die Ferhältnisse der Russen genöthigt sah, flüchtig zu werden, suchte er Schutz bei dem Grofsfürsten Jaroslaw von Galitzs, dem Nachfolger des Wladimir, erhielt bei demselben freundliche Aufnahme, wurde sogar dessen vertrauter Freund (!), und fand, da er überhaupt ein leidenschaftlicher Jäger war, ein so grofses Wohlgefal- len an der Jagd der Auerochsen, dafs er späterhin, als er den Kaiserlichen Thron bestieg, in der Nähe von Constantinopel eine solche Jagd sich ein- richtete (?). Der Russische Grofsfürst versprach sogar seinem Schützling den Beistand eines Russischen Heeres für den Krieg, mit welchem Andro- nikus an dem Kaiser Manuel die von demselben empfangenen Beleidigungen zu rächen gedachte, und ein neuer Krieg der Byzantiner mit den Russen wurde nur durch die Versöhnung des Kaisers Manuel mit Andronikus abge- wandt (?). Auch, als Andronikus durch seine Grausamkeiten den Verlust des Kaiserlichen Thrones sich zugezogen hatte, entschlofs er sich, zum zwei- ten Male Schutz in Russland zu suchen, wurde aber von seinen Verfolgern eingeholt und nach Constantinopel zurückgebracht (*). Als Beweise der vielfältigen Beziehungen, in welchen die Russen zu den Byzantinern seit dem eilften Jahrhundert standen, mögen noch folgende Thatsachen dienen. Der Meiropolit von Kiow war seit der dauernden Be- gründung des Christenthums in Russland gewöhnlich ein Griechischer Prie- ster; schon im Jahre 1039 war ein Grieche, mit Namen Theopemptus, Erz- bischof jener Stadt, und weihte daselbst in dem gedachten Jahre, wie Nestor behauptet, von Neuem die von dem heiligen Wladimir erbaute Kirche unse- rer lieben Frau (°), und auch der Geschichtschreiber Cinnamus bemerkt ausdrücklich, dafs zu seiner Zeit der Erzbischof von Kiow ein ehemaliger (') Cinnam. p.134. Nicet. p.86. (?) Nicetas nennt (p. 214.) den Auerochsen ganz richtig Seumrgos, was Subros auszusprechen ist, und beschreibt dieses Thier also: $#ov Erds re uzyeSos Umtg agarov nuSmiv zer magdarım FrızryV, HarE ToUs TauposzuSous WarıTTE zo Tesbonsvor. Im Polnischen heifst bekanntlich noch jetzt der Auerochse Zudr, und die Moldauer nennen ihn Zimdbr. S. Memoire descriptif sur la foret imperiale de Bialowieza en Lithuanie par le baron deBrincken. Warso- wie 1828. 4. p.53 folg. F. P. Jarocky pisma rozmaite, w FYarszawie 1830. 8. Tom.Il. p- 231 folg. (') Cinnam. p.134. (*) Nicet. p.223. (°) Karamsin hist. de la Russie T.D. p. 30. zum Byzantinischen Reiche. 133 Geistlicher der Kirche von Byzanz zu sein pflegte (!). Der Grofsfürst Jaros- law, welcher den zuletzt beschriebenen Russischen Kriegszug gegen Con- stantinopel unternahm, rief Griechische Künstler nach Russland, und diese Künstler schmückten die Kirchen der Städte Kiow und Nowgorod mit Ge- mälden und Musivarbeiten, von welchen noch gegenwärtig einige vorhanden sind (?). Die Russen bewiesen seit ihrer Bekehrung einen solchen Eifer für das Christenthum, dafs der Byzantinische Geschichtschreiber Nicetas, wie schon im Eingange dieser Untersuchungen bemerkt wurde (?), ihnen den ehrenvollen Beinamen des Christlichsten Volks (r8 xgısıavinwrarov ci "Pus Yevcs) zugesteht; und dafs die Griechische Sprache bei den Russen gewifsermafsen das Ansehen einer heiligen Sprache gewonnen hatte, beweist der merkwür- dige Umstand, dafs auf den Münzen des oben genannten Jaroslaw neben der Russischen oder Slavischen Inschrift TarostLavse sreero, d.i. Silber des Jaroslaw, der Name des auf diesen Münzen abgebildeten heiligen Georg mit Griechischen Buchstaben ö Tewgyıs geschrieben ist (*). Nachschrift zu Seite 80 folg. Der gütigen Mittheilung des Herrn Custos der Königlichen Hof- und Staatsbibliothek zu München, J.G.Krabinger, zufolge lauten in zwei Münchener Handschriften (A. No. 218. memdr. Saec. Xl. und B. No.139. chart. Saec. XVI.) die in der vorstehenden Abhandlung besprochenen Stellen des Leo Grammaticus, abgesehen von einigen unwesentlichen Fehlern der Orthographie, also: Ed. Paris p.463.c. ‘O ö& Barıdeus Efesgareuse nara ray "Ayapyvav zaradı- mov &v n more aurn purarrew ’Nogupav Umapxv ovra, Esıs imw Tä Barırzws ädtv (B. undev) EE Gv Euerera nal nara vöv eige naregyaranevs (B. Ehyev Eoyananevs) iv rav adv "Pas Zunvurev üpıfıw yeyernuevs (in B. ist yeyernusvov von dersel- ben Hand in yeyernuevov corrigirt) Yon zara 70 (B. 76v) Maugeröranev: nal 5 uev (') "Agyxısgeds (vis Kıcuas d.i. Kiow) &x Bugavriov mag’ airyv Frei. Cinnam. p.136. (?) Karamsina.a.0. S.46. (?) S. oben S.76. (*)- Karamsin a.a.O. S.47: Russische Originalausgabe (St. Petersb. 1818. 8.) Th. U. S. 42. Anmerk. S. 33. 134 Wirken über die Verhältnisse der Russen \ vie 2 ‚ Y ne \ A Y e Barıreds zul rns Eyomevns ErenyeOn (B. MErErYESN) ödev za di Av rauryv ddnnev \ ww > % e \ m 1? „ y cudev Barıdkınav nal yevvalov eioyararo. ci de Püs BOaravres Evdov (A. EvdoSev) 67 mn \ / IA 4 24 27 m yerkr Is *, “legs morVv EigYaTavro Iogov (B. ovov) TWV KOLSIavWV, za a9Wev ng n \ 69 ’ \ 4 \ ! alıa EEeyeov. UNE dE Ace Ötarorıa TEQIERURAWTaV My mOAW zul moAUV m y > , > 4 e \ \ \ 7 hoßev reis Evdodev Emoimsav (A. evemomse). © de Barıreds zararußev Morus E73 m \ % \ n / fi > \ > ‚ \ ITYUTE damegarar za Om oWv TB marguapyn Pwriw eis Tov Ev BAayegvas vaov a5 m m \ [4 ’ > vv \ m > ken > ns 78 @e3 unrgos mageyevero (B. Fageysvovro)" nanrei To Selov E£iredvrar (B. &£ı- m \ en 3 4 € ’ \ cd >£ G 7 ’ Ascuvro) mul eunevigovran eira MEI ünvwöias 76 ayıcv EFayayevres vis @eorönou es ’ , r n ’ „ ß \ (B. 45 @soroxeu EEayayoyres) Wmodogiev y Sararcy angw mocreßarbar. za N „ sa 0% > 7 Wan ’ r ’ 5 vrvewias oUoNs EUDUS dvesuwv Emibopa, ru TI Darasans NeMoUTNS HuMarwv Emi- 2 ı >47 > / \ \ m > ’ Kar m verrareıs ANAEMAaAANAcı Eyevovro (A. Eyeyovycav), za ra Twv a9ewv 'Puws mAcia ’ > / \ 02 nareaynrav, 6Alywv Enmebevyorwv Tov nivduvev. . G m % 2 Ed. Paris. p.506. d. ..... zarerisusav ci "Pas nara Kuvsravrıwoumoiews \ , sun ’ ’ \ n N ’ \ ’ HET« mAcluv Yırlıaduv dern" ümerrarm dE nar’ aürav Werk remgwv na daomavav u 7 En Ey }. e )/ ’ [4 oa nal Eruyov Ev rn moAeı 6 marginıos @copayns 6 magaduvarreuwv nal mOWTo- ’ \ ’ ’ ’ \e 7 ‚ Berriagıcs. nal TOV TE TOAOV MOOEUTGEMITaS TE AU EroiMaTdevos, AU VNFTEIL \ t ec \ ’ e 1 \ e m ‚ ’ zaL Öunguni Eaurov naroyvgwWras Ws Marısra, reis Püs mooTÜEK Era (A. mgoede- n r 3 Sa ö SaN7 IA \ ’ n XETO) zaravavuaymrar MEAAWV auroUs. Emei ÖE Erewor nareraNev nal mANTIoV TOU / > ’ al A \ mw 57 , »cr/ ! 4 Dagov Eyevovro, oUros mpos To (l. rw) rov Eüfeiwvov (A. Eügweu) movrou arouarı ’ E PRO er D > ’ ’ ne \ \ n n magsdgeuwv ev TO Iegw Acyonevm aIgoov Tours EmedEro, na ) moüres FW > , / ! ’ I m m 2,4 , \ 57 einem Ögommvı ÖenmAsugas ryv Te suvrafw ray "Purinav mAoimv ÖIERUTE nal TO a / Sn r \ \ N e [4 Ernevaruevw mul mAeisra naredhefe (A. zarepAekev), ra Aura PR ergeibaro 5 4 > h£ IQ 4 ’ (B. Ergebavre) Eis buynv W dxeAoudws zul ci Aoımel Ögouves zu ai rompeis > x ’ > r \ / \ A \ w IN Emenöganoürau Tereiav eioyaravro Tr room, nal mod MeV mAoa zaredurav N N \ N ‚ ‚ \. m ’ auravöpt, ToAAoUS de HUTETIWTUV, miEITTeUS 08 lwvras ruveraßer. ci FEQIAEI- \/ [HJ > \ w >, m ’ > \ = ’ ’ ’ bIevres olv Eis To TAs dvaroAns Epos Eis ra Biyopa (B. Oywga) Asyousva zara- ’ ’ ’ \ IN e m \ n ’ Arie U WAEOUTW. AWETTaAN de Tore ul Bapdas 6 Buras dia Yis (B. diayeiv) META ITTEWV 3 ‚ 5 ’ m n . ‚ ’ \ \ 7 eragirwv (B. Eyzgırwv) rev (red fehlt in B.) rapargeysı aüreus: za N Teurwv r e Koks ’ > r \ \ w FUVTAYUR IHAVov ATOTTEAUVTWV (B. AFOTTEINAVTE) mgos Ta Ts BıSuvies (A. rnruv- , mn ‚ ’ ef \ \ \ ” ! > m Suvias, B. 775 QnSuvias) MEpN, WOTE Ta mgos TpodNV nal Tyv aAAyv Ageiav areas 24 m / G e > ’ ! e 27 Fuumegiarlc, mEgıTuy,wv To TelUTW Fuvrayuarı 6 EignMevos Bagdas 6 Puwxäüs, SS v Se, ‚ ‚ 3 a \ n nanüs rörss ÖieSnre, rgelauevos zal nararhafas würss. narmAIe de Tyvinaura 3 r e ’ u e . \ ’ 29 um e G al "Iwavvns 6 uayızrees (6 fehlt in A.) zaı Ödouerrinos ray ay,orav. 6 Kovprovas m ‚ \ w m > m I Fu / B.ö Kooxoas) uer@ muvTos Tor TI AVATOANS TTORTEUMATOS Hal. MoAAaUS IToUTWV | A 14 =) ‚ EN > n Ü ed ’ Ei \ , debIeipev Gmormadus de züneinı nararaußavuv‘ ürre Furrantvras aureüs dee # zum Byzantinischen Reiche. 135 a ET wi r > r SR \ m sm \ \ 3: n vis aureu Emiierews uevew dIgows Emi 70 (1. Tw) aürd Taga Ta cineia mAc« / = \ > m m m r (B. uevew @Sgsws Emi ra oineia mic), nal Mmdaneo Öerrgeyew nararoAukv m \ \ \ \ 2 “ 8 (B. zarerugv). werr« öe (de fehlt in B.) za neyıora nara cvro Öemgakavro \ m \ e N‘ ’ m ! \ [4 [4 < mpo TV TO fwmaizev orgareuna nareAdev“ To TE yap Drevov Acyouevov may ER. vood r a ’ \ \ > ’ \ 2. EverpnTav, ul oUs Fuveraußavov aiyuarurous ToUs MeV ävenraupouv Toüs dE N m " 2 \ \ e \ [3 4 c n [4 YA moöTemarradeuev, Toüs de women onomous inravres (B. inrovres) Bererı za- G eo x m e a # P£ „ q m werogevov- OTous de ToU iegurınou nAngou suveraußavov, omınSev Tas weigas m ao m \ , m m Eu 14 ÖenmoUvres MAous TIöngevs zura Merns TA nedargs aurav naremmyvurav (B. 2u- ’ / 4 \ m ’ [AN Temmyvuov)" moAAUS TE Ayiovs vaois FW mugi magadedwzarı (A. ragadedwra). m \9 ’ N ad 5 a ’ > \ r ’ xena@vos ÖE Non Evirranevs nal Tgodwv ümopävres To TE EmeASov soareuna dediores & Fi ’ td > ı \ > 23 m \ \ Q.r Tas TE vauaayss MAEY TOIMgEIS, EBersiravro Ta circa nararaßeiv zul d4 Autelv \ # ’ ’ [2 7 \ \ ToVv OrToAov Tmoudadovres. Serreußgiy ranvi ı€° ivdierınvos vurros (vurros fehlt ® > m e , ER | \ 57 ’ \ m e ’ ’ in B.) dvrımrsücaı wgunzores Emi va Opanwa pegn maga rev amSevros TarTginicu / ‚ ar \ \ Y nv.» ' Ozohavous Umnvraöngav" oüde yap (B. ob yYap) EAuSov ryv abrod Eyanyopwrarnv A‘ B ’ ’ ! ! > (1 In ’ ‚ U al yeyvalav (A. yevvcav, B. yevveiav) Duxnv. eÜSüs civ Öeuriga vaunayın Fuva- > \ mw m N IQ 1 \ ’ > N ” 5 ’ mreram nal MATTE mA ENuSıTev, nal merrcus TouTWwv dmentewev 6 EigmjAEvos FI; ’ ‘ { wm ‚ ’ nm m A A ang“ Erıyor Ö8 uera TOV mAcıWv TEQITWIEVTES al &v m 795 Koidys (A. drvrns) ’ ! Ey \ > ! G / > mapumesovres (B. megimesovres) Gnry, vunros EmeAdsugns Öieduyer. Oecchans ÖE ö ’ \ 7 n \ e , PR marginıos ner@ virns Aaumgas nal neyisruv ümortgebas rgomawv (B. za Tüv , , f; E; m e ’ Heyiswv Ümeorgele Toomawv nal) Evriuws nu MEYaAOTIETWS ÜmEdeL ON nal muQu- 12 > r KOAWWEVoS Eruann. 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Da wo die völlige Dunkelheit auch schwand, deckt doch auch heute noch undurchdringlicher Nebel die gewal- tigen Massen, und nur hie und da wird er gehoben durch günstige Lüfte, die dann oft kaum nur kurze Blicke vergönnten durch phantastische Nebel- gestalten hindurch, theils auf den Zusammenhang seiner Höhen, oder in seine verborgensten Thäler, in das Innere seiner seltsamen Naturerscheinun- gen, oder in das eigenartige Treiben seiner Bergvölker. Was aus zusammen- hängender Messung, Beobachtung, Beschreibung sich für das ganze Gebirgs- system des Himälaya nach seiner horizontalen Ausbreitung aus den zugänglich gewordenen und vollständig gesammelten Quellen ergab, ist in einem frühern Vortrage mitgetheilt, und darnach die graphische Darstellung des Indischen Alpengebirges in seinem ganzen Umfange versucht worden. Ein Ergebnifs solcher Vorarbeit, das allen folgenden zu Gute kommt, kann wenigstens die genauere Bestimmung der Grenze des Wissens sein, die Kenntnifs der Lücken und desjenigen Gebietes, wo Gonjectur und Hypothese beginnen, um aus jedem neuern wahren Fortschritt alsbald den rechten Gewinn für das Ganze ziehen zu können. Eine andere Betrachtung solcher Gebirgslandschaft ist die ihrer verti- calen relativen und absoluten Erhebung; sie ist auf der Landkartendarstellung Hist. Philolog. Classe 1829. S 138 Rırren über Alexander des Grofsen Feldzug kaum anzudeuten, oder kann fast immer nur symbolisch seindurch verab- redete Zeichen, die kaum zur allgemeinsten Verständlichkeit gelangt sind. Das Modell selbst kann sie nur nachahmen, der Zahlenausdruck ihre Ver- hältnisse am bestimmtesten bezeichnen; wo beide fehlen müssen, auf Ver- gleichungen und Analogien gestützt, andere stellvertretende Umstände zur näheren Characterisirung jener Verhältnisse beachtet und hervorgehoben werden. Zur vollständigern Kenntnifs dieser plastischen Gestaltung der Gebirgs- massen dienen als Hauptquellen, aufser den immer nur selten und theilweise angestellten Aufnahmen und Messungen der neuern Zeit, die Reiserouten selbst, auf denen einzelne Karavanen, Kriegsheere, ja ganze Völkerschaften oder ihre Verzweigungen in Kolonien sich seit Jahrhunderten, vielleicht seit Jahrtausenden hin und her bewegten, durch solche hemmende Naturformen der Erdrinde hindurch. Es sind freilich, gegen die gewaltigen Ausbreitun- gen betrachtet, immer nur einzelne Punkte und Linien an und auf welchen das Gebiet der Berglandschaften in dieser Art berührt oder durchzogen wird. Stehen diese aber in gewilsem bestimmten Verhältnifs zur Construction des Gebirgssystems nach Längenerstreckung und Queerdurchschnitt wie Abseis- sen und Coordinaten, so geben die Beobachtungen vieler, wenn auch mit- unter isolirter Punkte und Reihen auf diesen coordinirten Linien, einen nicht unwichtigen Beitrag zur Kenntnifs der vielfach gekrümmten Gestaltung eines solchen Abschnittes der Planetenrinde. Sie schliefsen dann zuweilen Gesammtverhältnisse der Massen und ihrer Belebung auf, zu deren Erkennt- nifs erst die Vorbereitungen von Jahrhunderten gehörten, deren sich dann die späteren Beobachter leichter bedienen können, zur Förderung ihrer schneller fortschreitenden Untersuchungen, oder zum forschenden Rück- blick in den Verlauf der Völker- und Menschengeschichte. Hier werden es demnach, vorzüglich die (Juerthäler der Gebirgskette und ihre Wegstrecken sein, die Profildurchschnitte darbieten von der Süd - zur Nord-Seite und umgekehrt, welche Belehrung in physicalischer und historischer Hinsicht geben, und insbesondere zu beachten sind. Doch sind auch solche Wege, die parallel mit den Gebirgszügen ziehen, nicht aufser Acht zu lassen, wo sie vorkommen, und es würde z.B. von der gröfsten Wichtigkeit sein, wenn uns dergleichen von der Nord-Seite des Himälaya-Zuges in seiner ganzen Erstreckung bekannt wären. am Indischen Kaukasus. 139 Bis jetzt waren nur wenige dieser Reiserouten, viele gar nicht allge- mein bekannt; manche der bekanntgewordenen in den früheren Zeiten, wur- den entweder nicht beachtet, oder die Verhältnisse, welche die oft unklaren Berichte über sie enthielten, konnten aus Mangel der Ortskenntnifs und der Einsicht in physischlocale Erscheinungen, wie aus Unwissenheit über Sprache, Geschichte und Völkerkenntnifs, nicht verstanden werden. Erst die so rasch fortgeschrittene geographische Kunde der Indischen Welt, und die, wenn auch nur an einzelnen Punkten geschehene exacte Messung und Beobachtung von Naturverhältnissen, welche sich in analogen Erscheinun- gen, über die ganze Masse des Indischen Alpengürtels verbreiten, und zur Erläuterung an jene festen Anhaltpunkte anschliefsen, lehrten die dunkeln Berichte früherer Jahrhunderte verstehen, und die ihnen zugehörigen Loca- litäten anweisen. Die Völkergeschichte gewinnt durch ihre chronologische Beachtung, in einem Gebiete, aus dem so selten einheimische Kunde zu uns herüberreicht, mehr und mehr Licht. Vorzüglich sind es, aufser den Völkerbewegungen selbst und den Wanderungen ihrer Kolonien, welche auf der Erdrinde wohl überall zuerst die Wege eröffnet haben mögen, der Krieg, die Religion und der Handel, welche die Längen- und Querstrafsen des Himälaya bahnten. Von jenen ältesten Eröffnungen der Wege fehlen uns alle Berichte; von der Weg- bahnung durch die dreierlei genannten Motive, besitzen wir seit Alexanders Feldzügen sparsame Andeutungen; erst die wissenschaftliche Forschung der jüngsten Zeit klärt auf, so weit sie vordringt, ihr Licht leuchtet auch noch über diese Grenzen hinaus. Die Quellen der Reiseberichte über das Indische Alpengebirge zer- fallen nach diesen drei Hauptgesichtspunkten, in die Kriegsberichte der Eroberer, in die Pilger- und Missionsberichte der Inder, Buddhisten, Mu- hamedaner und Christen, und in die politisch-mercantilen Sendungen, Rei- sen, Gesandschaften, denen sich allerneuest erst die wissenschaftlichen For- schungen und Messungen angeschlossen haben. Unter den Kriegsberichten ‘der Eroberer vom Westen her, nehmen die Nachrichten von den Zügen Alexanders, vor unserer Zeitrechnung, und Timurs des Dschingiskhaniden am Ende des 14“ Jahrhunderts (1398) die wichtigsten Stellen ein, weil von Beiden die vollständigeren Berichte, wenn auch, in zum Theil unlauteren oder erst abgeleiteten Quellen, erhalten sind. 52 140 Rırren über Alexander des Grofsen Feldzug Beider Heere haben die Gebirgskette an ihrem West-Ende zunächst, theils umzogen, theils erstiegen, oder überstiegen, und so fällt durch sie auf die Natur des sogenannten Indischen Kaukasus (bei Alexander), oder Hindu-Khu (bei Timur), und seiner Gebirgsbewohner, im Westen des Indus, das erste Licht. Durch die Heeresstrafsen, welche sie nehmen, und durch die Städte und Bergfesten, welche sie erobern und zerstören, treten zum ersten male die Namen der Flüsse, Berge und bewohnten Landschaften dieses Hochge- birgszuges hervor, die früher keinem Abendländer bekannt waren, und alle anderen zwischen oder nach jenen Unternehmungen sich in diesem Gebirgs- gebiete ereignenden Begebenheiten und hervortretenden Nachrichten erhal- ten durch sie wenigstens einige Anordnung und Zusammenhang. Denn dazwischen fallen die Eroberungszüge der Griechisch-Bactrischen Nachfolger Alexanders zum Indus, wahrscheinlich nur auf den, durch ihren Vorgänger schon gebahnten Wegen, um den Fufs des Gebirgs; am Ende des 10“ Jahrhunderts die Eroberungen Sultan Mahmuds des Ghaznaviden, der zuerst, durch den Koran, die Idole der Brahminentempel auf den Vor- alpen und am Fufse des Gebirgs stürzt, aber nur am Südabhange der Ge- birgskette blieb; Dschingiskhans, der zwar den West- und Südabhang um- zog, aber am Ufer des Indus schon wieder gegen West umkehrte, ohne auf dessen Ostseite den Himälaya, im engern Sinne, gesehen zu haben, was erst 200 Jahr später seinem Urenkel Timur, dem Sieger von Delhi vorbehalten war. Dieser überstieg nicht nur auf dem Hinabwege von seiner Residenz Samarkand aus, im Süden des Oxus, die wildesten Hochgebirge des Hindu- Khu, in dessen Mitte er auf die Ruhe seiner Urbewohner, wie es scheint, zum ersten mal nach Alexander störend von aufsen einwirkte, bis zum Tief- lande der Indus- und Gangesthäler, sondern er übersetzte an der Ostseite des Indus, auf dem Rückwege von Delhi nach Samarkand, seiner Residenz, auch die südlichen Vorderketten des Himälaya, und drang als Sieger vor bis zu dem bis dahin fast unbekannt gebliebenen Kaschmir, also in die Mitte der Schneegebirge; dann aber überstieg er abermals, also zum zweiten male, im Westen des Indus, den hohen schneereichen Hindu-Khu. Durch Scherif Eddin, den klassischen Geschichtschreiber Timurs, sind uns mit den historischen Berichten, die wichtigsten geographischen Nachrichten jenes Gebirgszugs aufbewahrt, und es wäre wohl zu wünschen, dafs die uns übrig gebliebenen Historien von Alexanders Märschen, bei Arrian, Curtius u. a., am Indischen Kaukasus. 141 statt des rednerischen Schmuckes, eine gleiche Bestimmtheit in den Örtlich- keiten enthielten, wie die des Persischen Historiographen, der freilich seinem Gegenstande näher, wie jene späteren Compilatoren, stand, der Zeit wie dem Raume nach (Scherif Eddin war aus Yezd gebürtig, schrieb sein Werk, das er 19 Jahr nach Timurs Tode (1405) beendigte, im J. 1424 zu Schiraz für dessen Enkel Sultan Ibrahim, einen Sohn Schah Rokbhs). Auf Timurs Wegbahnung des Gebirgszugs sind in den letzten Jahr- hunderten nur noch die lehrreichen Einmärsche seines Urenkels Babur Khan mit dem Mongolenheere zu Anfang des 16‘ Jahrhunderts erfolgt, der seit 1494 Sultan von Ferghanah im Norden des Himälaya war, seit 1520 aber, nach seiner Eroberung Indiens, den Thron von Delhi behauptete, und des- sen Annalen, die er selbst als Gebieter und Grofs-Mogul niederschrieb, nebst seinem Eroberungszuge, aus dem Dshagathai Turki, so eben erst durch Dr. Leyden und Erskine bekannter geworden sind. Memoirs of Zehir- eddin Mohammed Babur Lond. 1826. 4 Der letzte Eroberungszug von der Westseite, nämlich der des Per- sischen Schach-Nadir 1738, bleibt immer nur auf der gebahnten Strafse am Südfufse des Himälaya über Kabul, Peischwer, Lahore, bis Delhi, und gibt daher nur wenig Beitrag zur Gebirgskenntnifs. Chinesische Heere sind nie hinab-, Brittische nie hinaufgestiegen über den hohen Rücken des Himä- layazuges. Einer andern Gelegenheit bleibt die weniger bekannte Nach- weisung der seit Jahrtausenden begangenen Pilger- und Handelswege, über die Schneehöhen dieses Riesengebirges der Erde, vorbehalten; hier genügt es, nur in möglichster Kürze den ethnographischen und geographischen Commentar zu dem ersten der Eroberungszüge des Macedonierheeres vor- zulegen. Alexander M. Übersteigung des Gebirgs auf dem Zuge von Bactrien nach Indien, 328 v. Ch. G. Die Quellen, welche hierüber Bericht geben, sind allgemein bekannt; Arrians des Nicomediers Kriegsgeschichte ist am vollständigsten und reich- haltigsten an historischen und geographischen Angaben, und hat die Bege- benheiten kurz vor dem Übergange über den Indus, vorzugsweise umständ- lich behandelt, und in bester Aufeinanderfolge erzählt (IV. c.22-29 und 142 Rırrer über Alexander des Grofsen Feldzug V.1-3.) (1). Dafs er bei seiner Arbeit, wie er in dem Prooemium selbst sagt, vorzüglich den Werken des Aristobulos und Ptolemäus Lagi, des nach- maligen Königs von Agypten folgte, ergibt sich aus der hieher gehörigen Erzählung, besonders in Beziehung auf des Letztern Schrift, weil Ptolemäus häufig in den Expeditionen am Indischen Kaukasus als Vorkämpfer Alexan- ders erscheint, und seine Einzelthaten nicht wenig herausgehoben sind. Aber so glaubwürdig in sich und strategisch trefflich auch die Erzählung des Histo- rikers ist, so erkennt man den Mangel der eignen Orientirung eben in jenen Gegenden; denn nirgends gibt er in diesem ganzen Abschnitte die Richtungen der Märsche, selten die Entfernungen genauer in Zahlen oder Tagemärschen an, und nicht ein einziges Mal wird die Weltgegend genannt, nach welcher die vielen Seitenexpeditionen von der Hauptstrafse ausgehen. Entweder fehlen ihm hier die Angaben der Ausschreiter (Bämatisten), welche das Macedonier Heer begleiteten und die Marschrouten aufnahmen, was jedoch kaum zu glau- ben; oder es lag gar nicht in seinem Plane, sie überall anzugeben, oder des Dikäarch (Aristoteles Schüler) Landkarte von der östlichen Erde, die er nach des Alexanders Feldzügen verzeichnet hatte, und die Polybius und Strabo sahen und rühmten, lag auch ihm vor, wie einst seinen Lesern, so dafs es ihm überflüssig schien, ihre Angaben zu wiederholen. Uns sind aber diese Beihülfen verloren gegangen, und ohne des Claudius Ptolemäus, des Astrono- men, Ortsbestimmungen und sehr lehrreiche Tafeln, so zweifelhaft auch man- ches darin sein mag, würde man noch weniger in die labyrinthischen Irrwege der Geschichtschreiber Alexanders sich finden können. Denn keiner erzählt genau wie der andere, so bald man in das Einzelne eingeht, fast jeder gibt veränderte Namen der Flüsse, Städte, Völker; statt der, bei jedem der ver- schiedenen Autoren ausgelassenen Localitäten und Begebenheiten, werden von jedem Folgenden wieder andere dem Berichte, oftin andrer Ordnung, als Episoden u. dgl. eingewebt, und wenn schon Strabo gleich im Anfange seiner Beschreibung Indiens (Strabo lib.XV. c. 1.8.2. ed. Tzsch. p.3.) mit Recht über die grofsen Widersprüche der Berichterstatter über Alexanders Zug, in geogra- phischen Dingen klagt: so findet diese Klage noch weit mehr ihre Anwendung, in einer weit spätern Zeit, in der wir nur die Auszüge aus jenen Berichten besitzen. (') Arriani Nicomedensis Expeditionis Alexandri libriVIL et Hist. Ind. ed.J. Gronovit. Lugd. Bat.1704. und Schmieder Edit. Lips. 1798. 8. am Indischen Kaukasus. 143 Was Strabo im Allgemeinen beklagt, gilt auch insbesondere für die- sen speciellen Theil der Gebirgsbeschreibung, auf die es hier nur ankommt. Nur wenige der Abendländer erblickten Indien, und diese nur einen Theil, und von dem was sie berichten, haben sie das meiste nur von Hörensagen. Denn auch was sie selbst sahen, erblickten sie nur im Fluge, im Vorüber- ziehen. Daher spricht keiner von denselben Gegenständen auf dieselbe Weise, obgleich ihre geschriebenen Bücher das Aussehen haben, als wären sie der Erfolg von Untersuchungen. Obwohl bei demselben Kriegsheere, widersprechen sich doch im einzelnen oft ihre Aussagen. — So weit Strabo. Ganz besonders ist diefs bei dem Feldzuge durch und um den Indischen Kaukasus der Fall, wo noch obenein die Schwierigkeit der Beobachtung sich verdoppelt, wo vielerlei Sprachen und Völkerschaften verbreitet sind, wo die Vorkenntnifs der gebahnten Wege fehlte, und wo, nach Alexanders Disposition, niemals das Macedonierheer beisammen war, vielmehr in zweier- lei Hauptabtheilungen gesondert, und in mehrere kleinere Haufen zerspalten, ohne grofse Schlachten den kleinen Krieg zu führen genöthigt ward, und darum, auf sehr vielerlei Kreuz- und Querwegen, das Gebirgsland am Süd- gehänge des Indischen Kaukasus zu durchziehen hatte. Nehmen wir diese Umstände zusammen, und die grofse Schwierigkeit des Wiedergebens orientalischer Namen in abendländischen Sprachen, zumal im Munde der Griechen, wodurch auch heute noch bei jedem der Autoren dieselben Indischen Namen anders geschrieben erscheinen: so mufs man, ungestört durch die vielerlei Lesearten und Widersprüche, nur den Haupt- thatsachen nachgehen, in denen die meisten, oder die besten der Berichte mit den Begebenheiten selbst, und den Örtlichkeiten, ihrer Natur nach, die uns glücklicherweise nicht mehr so ganz unbekannt geblieben ist wie vor- dem, übereinstimmen. Strabo, der sonst sehr genau, und selbst im Einzelnen umständlich sein kann, hat sich auf diesem schwankenden Boden, von Bactrien über den Kaukasus bis an den Indus, nur sehr kurz gefafst; er scheint andern nicht folgen zu wollen, als nur allein dem Eratosthenes, in seinem 3“ Buche (!), um die vielen Irrthümer in geographischen Dingen zu meiden, die er in mythologischer Beziehung nur als Fabel von Dionysos und Heracles, von (') StraboXV. c.1. 8.10. ed. Tzsch. p.17. 44 Rırrer über Alexander des Gro/sen Feldzug der Höhle des Prometheus und dem Kaukasus, von der Secte der Sibas (£!@as), die Abkömmlinge des Herakles sein wollen, u. a. dgl. m., welche insgesammt in diese Umgebung des Indischen Kaukasus fallen, im allgemei- nen zurückweiset, weil sie nur, nach seiner Meinung, dem Alexander zu schmeicheln ersonnen seien. Nur in zwei sehr kurze Paragraphen ($. 26 und 27.) (!) hat Strabo fast alles zusammengedrängt, was er hiehergehöriges vorbringt, und in diesen haben wir wohl das Wesentliche der ältesten (eirc. 276. a. X. n.) Erzählung, aus dem Werke des gelehrten Kyrenäers. Noch weit kürzer fafst sich die letzte klassische Quelle der älteren Geschicht- schreiber Alexanders, die etwa 600 Jahre später als die des Eratosthenes von einem unbekannten Autor für Kaiser Constantius II., zur Führung sei- nes Perserkriegs, als ein Wegweiser in den Orient geschrieben ward (cire. 350. p. X.n.), und erst 1817 wieder aufgefunden ist (?). Sie folgt zwar im Wesentlichen dem Arrian, aber doch wieder mit Abweichungen, so dafs man sieht, ihr standen in den Bibliotheken von Byzanz noch andere Origi- nalwerke zu Gebot, die uns nicht überliefert sind. Die fabelreichen Res gestae dlexandri Macedonis (°) des spätern Julius Valerius fertigen mit einer einzigen Zeile, welche den Anfang des dritten Buches ausmacht (Pergens autem in Indiam per terras desertas) alles trockene geographische Detail kurz ab, welches über diese weniger beachtete Gegend hätte neuen Auf- schlufs geben können. ’ So vielfach nun durch die glänzenderen Thaten der Makedonier im eigentlichen Indien, die Aufmerksamkeit der Geschichtschreiber und Geo- graphen und ihrer Commentatoren, auch auf den Boden dieses Wunderlan- des auf der Ostseite des Indusstroms gerichtet ward, so wenig ist dieser Vor- theil der minder bekannten Westseite des obern Indus, zur Erläuterung des Makedonischen Feldzugs zu Theil geworden. Denn das Pendschabland, oder die Pentapotamie, im Osten des Indus, erhielt ihre Erläuterungen schon in älterer, aber ihre reichhaltigsten Aufklärungen in der allerneuesten Zeit, und wir brauchen, aufser den früheren Autoren, nur an die Werke eines (') ed. Tzsch. lib.XV. p.55-59. (?) Jtinerarium Alewandri ad Constantium dugustum etc. ed. ab Angelo Majo Mediol. 1817. 8. () Zi. 1.c.p.135. am Indischen Kaukasus. 145 J.Rennell, Robertson, St. Croix, Heeren, Mannert, A.W. Schlegel und Lafsen zu erinnern. Über die Westseite besitzen wir nur in zweierlei klassischen Schriften, die wichtigsten Beobachtungen und Untersuchungen, in Elphinstone’s bekanntem Werke über Kabul, und in Wilken’s inhalt- reicher Abhandlung über die Verfassung, den Ursprung und die Geschichte der Afghanen, in den Arbeiten der Akademie vom Jahre 1520, die hier sehr vieles Licht verbreiten, aber bis jetzt wenig benutzt worden sind. Das Grenzgebiet zwischen dem, was im engern Sinne /ndia und Persis bei den Alten hiefs, ist es, was Strabo Ariana (!), zwischen beiden, und als verschieden von Persien wie von Indien nennt, aber doch bei der Be- schreibung von /ndia mit einschaltet; denn er folgt darin dem Eratosthenes. Dieser sagt es aber ausdrücklich, zur Zeit vor Alexanders Einzuge, habe der Indus als Grenzstrom gegolten, zwischen India und (nicht etwa Persis, oder dem Persischer Reiche, sondern) Ariana, dem heutigen Sind und Afgha- nistan, ein Erdstrich, der vor Alexanders Zeit zwar ein selbständiges, vom Osten wie vom Westen getrenntes Länder- und Völkergebiet bildete, wie heute noch, zu keinem der beiden benachbarten in West und Ost ursprüng- lich gehörte (weder nach landschaftlicher Natur, noch nach politischer Herr- schaft, oder nach ethnographischen Verhältnissen), in welches aber die bei- den Nachbarvölker von Osten und Westen stets übergriffen, so wie die Um- stände dies von der einen oder der anderen Seite begünstigten, so weit wenigstens die Geschichte zurückgeht. Plinius hat darum die vier Satrapien der Gedrosier, Arachosier, Arier- und Paropamisaden, die, wie er sagt, von einigen zusammen das gemeinsame Land der Arianer genannt werden, ab- sichtlich ganz besonders abgehandelt, obwohl nur sehr kurz. Plin. VI. 23 und 25. Die Reihe der Völker von Osten nach Westen sagt Strabo, bei Beschreibung dieses Ariana’s (?), sei folgende: Inder im Osten des Indus, dicht auf des Indus Westufer Paropamisaden, unter den Höhen des Paro- pamisus; ihnen gegen Süd Arachoten und Gedrosier bis zum Ocean; allen dreien zur Ostseite, fliefse der Indus vorüber. Doch besäfsen das Land zu- nächst am Indus die Inder, was früher die Perser beherrschten. Alexander (') Strabo XV. c.2. 8.1. p.158. ed. Tzsch. (?) Strabo XV. c.2. p.178. Hist, Philolog. Classe 1829' A 146 Rırrer über Alexander des Gro/sen Feldzug aber habe diese Inder von den Arianen (’Aguav@v) getrennt, und ihnen gestat- tet, eigene Gemeinschaften zu bilden. Dann habe Seleucus Nicator, eben dieses Land dem Sandracotius (Chandraguptas der Indischen Autoren, König der Prasier, über welchen v. Schlegel und Lafsen lehrreiche Unter- suchungen angestellt) (t) für 500 Elephanten überlassen. Den Paropamisa- den gegen West, fährt Strabo weiter fort, wohnten aber die Arier (’Agıc), und in West von diesen die Parther; bei den Paropamisaden aber habe Alexander den Kaukasus überstiegen. Der Name der Arianen, sagt Strabo ferner, werde übrigens auch noch bis gegen die Perser und Meder hin, so wie nordwärts bis gegen die Baktrer und Sogdianen, ausgedehnt, und diese ge- brauchten untereinander fast eine und dieselbe Sprache (eis! yag rws zal öuo- YAurrc maga wixgev) (?). Geht man, nach dieser Darstellung des Eratosthe- nes, der, unter Ptolemäus I Philadelphus, dem Feldzuge des Alexander und dessen Geschichtschreibern noch so nahe stand, zu den bei Indern selbst einheimischen Benennungen über, so zeigt sich derselbe Name, Ari (°) auch als der älteste, mit dem die Inder in den Schriften am Ganges und Indus sich selbst nannten (Manu Cod. Lib.D. 22.X. 45.),; den sie nach Herodot, in ältester Zeit, auch mit den Medern gemeinsam hatten (Herod. VI. 62, äuangovro d& maraı ges mavruv "Agıoı), wie mit den Einwohnern der unter Darius Hystaspis erst persisch gewordenen Provinz Ariana. Das In- dische Land heifst herkömmlich und schon im Manu Cod.I. v. 22. selbst, Aryä varta, und wird darunter, nach Lafsen, ganz Indien verstanden, und für dieses Ary@ varta gibt es gegen den Untergang der Sonne keine be- stimmte Grenze, sondern nur in dessen Mitte, im heiligen Strom Sarasvati, einen Unterschied zwischen seinen Bewohnern; nämlich zwischen den In- dern gegen den Aufgang der Sonne, und denen gegen den Untergang, von welchen jene, als die Gläubigen und Reinen, diese, als die Unreinen und Mischlinge gelten, die in sehr viele Völker zertheilt sind. (') Lafsen Pentap. p.12. (2) Welch ein verschiedener Zustand gegen die Zeiten Abul-Fazils (1600), wo unter Kaiser Akbar, in demselben Ariana 11 verschiedene Sprachen aufgezählt sind, die daselbst, grölsten- theils durch, seit der Makedonier Zeit eingedrungene Völker gesprochen werden. Ayeen Akbery U. p.163. (*) La/sen Pentap. p.8. am Indischen Kaukasus. 447 Schon alle Bewohner der Pentapotamie rechneten die Inder am Gan- ges, wie sich aus den ältesten Sanscritschriften der Brahmanen ergibt (!), zu den Unreinen, zu denjenigen freien Völkerschaften, welche von den Brahmanen (denen sie eben darum verhafst waren) sehr verschiedene Insti- tutionen und Sitten hatten, wie auch alle von den Griechen überlieferte Nachrichten beweisen. Um wie viel mehr noch wird dies der Fall bei den noch entfernteren und gemischteren, mit ihnen etwa noch stammvyer- wandten Westanwohnern des Indus in Ariana, gewesen sein, bis zum Lande der Paropamisaden hin, welches Alexander durchziehen mufste, ehe er zur Indischen Pentapotamie gelangen konnte. Die späterhin immer schroffere Abscheidung der Inder von den Ariern, im Osten und Westen des Indusstroms, welche dennoch früherhin ein Ge- meinsames bilden mochten, ist wohl vorzüglich (doch schon vor Alexander) als eine Folge priesterlicher Einrichtungen im Tieflande Indiens und religiö- ser Satzungen anzusehen. Der älteste gemeinsame Name vor dieser Zeit, und der verwandte Volksstamm, nach diesem wie nach anderen Umständen zu urtheilen, setzte aber noch viel längere Zeit hindurch, noch weit gegen Westen fort auf das Hochland, auf dem die Arier eben so gut einheimisch waren. Wahrscheinlich bis ein anderer, an Sprache, Verfassung und Sitte sehr verschiedener Völkerzweig erst dazwischen trat, und die Trennung dauernd ward, und das Bewufstsein der Einheit sich verlor, nämlich der Stamm der Afghanen, welcher nach Wilken’s Untersuchungen ganz von den Indern verschieden mit medisch-persischer Sprache, sicher schon zu Alexanders Zeit, mächtige Staaten zwischen den Paropamisaden und des Taxi- les Reiche gegründet hatten, ein Umstand, durch welchen Alexanders Feldzug am Indischen Kaukasus doppelt wichtig geworden ist für Völkergeschichte. Vor dieser Zeit der Zwischendrängung wanderte vielleicht selbst der älteste, einfachste, und nun erst in der Tiefe am Indus und Ganges, anders zu einem System ausgebildete Religionscultus der Arianen, von den rauhern Höhen und den beschneiten Götterbergen in das schwülere Hindostan erst hinab, zu deren heiligen Ursitzen und entsühnenden höchsten Wasserquellen, an den Schneehöhen, ja jeder Brahmapilger bis heute noch zurück- und hin- (') Lafsen Pentap. p.29. %2 148 Rırrer über Alexander des Gro/sen Feldzug aufzuwandern für Seligkeit hält. An eine entgegengesetzte Auswanderung der Arier, aus dem heifsen, tiefen Indien (das selbst erst diesen Namen, nach dem Indus, mit allen seinen dahinterliegenden Landschaften, bei Per- sern und Griechen erhielt), um als ansiedelnde Völkerschaften sich in dem rauhern, hohen Ariana niederzulassen, ist wohl nicht zu denken, eben so wenig wie an Übertragung heiliger Göttersitze für ganze Völker auf ihnen völlig fremde Gebiete, die nicht Anklänge ihrer Urheimath enthielten! Das Land Ariana des Eratosthenes, das heutige Afghanistan, Kabu- listan, oder Bilad Kabul der Arabischen Geographen, mit Kabul, Bamyan an den Vorbergen des grofsen Indischen Alpenlandes, gegen das nordwest- liche Gesenke nach Baktriana zu, als Heimath der Zendlehre und Schrift be- kannt, würde demnach gegen die südöstlichste Senkung eben so, als die Völ- kervorhalle und der Eingang nach Indien anzusehen sein. Zur Makedonier Zeit daselbst (wo freilich keine Inder als solche im engern Sinne wohnen konnten), doch den Indern sehr nahe verwandte, wenn auch nicht dem Brahmanensysteme angehörige Sitten, Sprache, Cultus, Völkerschaften, Einrichtungen etc. unter den verschiedensten Benennungen und Formen noch vorzufinden, könnte dann eben so wenig unerwartet sein, als die ein- stimmige und doch fast allgemein widersprochene Versicherung aller Ge- schichtschreiber Alexanders, dafs er bei den Paropamisaden wirklich den Indischen Kaukasus überstiegen habe, obwohl hier noch, weder ein Indien lag, noch eigentliche Inder wohnten, sondern diese erst nach vielen Tage- märschen weiter gegen Ost als solche erkannt wurden. Selbst der genaue und über Jndien so wohl unterrichtete Ptolemäus, der wohl alle die Einwürfe seiner Vorgänger kennen mochte, die insgesammt (wie Strabo, Plinius, Arrian etc.) behaupteten, nur aus Schmeichelei hätten die Geschichtschreiber Alexanders jenes Gebirg mit dem Namen des Indi- schen Kaukasus belegt, sagt bei Beschreibung Sogdianas ausdrücklich, dafs diese Landschaft im Süden der Oxusquelle gegen Baktrien begrenzt werde von den Gebirgen, die im eigentlichsten Sinne die kaukasischen Gebirge genannt würden (reis idies zarcuuevas Kavxariaıs egeri), und dasselbe bestätigt er in der Beschreibung der Landschaft der Paropamisaden (!). Man hat dem (') Piolem. Geogr. lib. VI. c.12. p.186 et c.18. p.193. ed.Bert. am Indischen Kaukasus. 149 Ptolemäus von jeher diesen Ausdruck der Caucasios montes proprie dietos, vorgeworfen (!); und doch ist er mit Strabo der einzige, der den Kaukasus von den Paropamisusbergen unterscheidet, welche alle andere Autoren ver- wechseln, weil die Stadt Alexandria, bald an dem einen, oder an dem an- dern erbaut heifst. Und doch ist Ptolemäus der kenntnifsreichste unter allen alten Geographen in Indien, und sehr wahrscheinlich liefse sich zeigen, dafs der Name des Pontischen Kaukasus von wenig geringerem Alter, bei den Griechen keinen Anspruch auf mehr Ursprünglichkeit machen könne als derselbe Name im mehr centralen Asien. Alexander übersteigt diesen Kau- kasus, der der westlichste Zweig des noch erhabeneren eigentlichen Kaukasus bei Ptolemäus, jetzt Hindu-Khu ist, und bei demselben als dessen unter- geordreter Theil auch Paropamisus heifst, aber darum nicht ein vom Kaukasus verschiedener Gebirgszug zu sein braucht. Er übersteigt ihn zwei mal(°); ein mal von Süd gegen Norden, auf dem Wege von den Paropamisaden nach Baktrien zum Oxus, und nach beendigter Eroberung dieses Landes wieder rückwärts gegen Süden, zu demselben Volke, um dann nach Indien zu ziehen, im Spätfrühling des Jahres 328 a. Ch. n. Vor der ersten Über- steigung kam Alexander von den Arachoten (im Süden des Etymander, oder Helmund), denen er einen Satrapen eingesetzt hatte, und überfiel nun, wie Arrian sagt, die Inder, welche zunächst (d. i. im Nord) den Arachoten wohn- ten. Er nennt diese westlichsten aller bekanntgewordenen Inder für jetzt mit keinem besondern Namen. Alexanders Heer mufs sich aber durch ihr rauhes, jedoch stark bewohntes Land mit vieler Kälte, Schnee und Mangel aller Art hindurchkämpfen; das Volk selbst scheint keinen Widerstand zu leisten: denn Alexander überwintert zum Theil wenigstens bei ihnen, nach Strabo /.c. p.181. Nach Curtius (?), freilich übertriebener Schilderung o? nimmt dieses, obwohl, wie er sagt, ganz rohe Bergvolk, geschreckt von solchem Feinde, in seiner eigenen Armuth das Makedonische Heer doch noch gastlich genug auf, und Strabo (*) sagt, es habe nicht an Lebensmitteln (') Vgl. Yibius Seg. ed. Oberlin. p.305. (?) Arrian. de expedit. Alexandri ed. Gronov.1704. fol. II. c.28. p. 144. IV. c.22. p-182. StraboXV. c.1. p.18, c.2. p.182. (?°) Curtius VOL c.12, 13. (*) StraboXV. c.2. p.181. ed. Tzsch. 150 Rırrer über Alexander des Grofsen Feldzug gefehlt in dieser bergigen Gegend, der nur der Ölbaum mangele. Nach dem Ayeen Akbery (!) ist hier in späterer Zeit, der harten Winterkälte ungeach- tet, ein reiches Korn- und Waitzenland. Die Einwohner sind nach Strabo und Curtius die Paropamisaden, also nach Arrian wirklich die ersten Inder, welche die Makedonier von Persien kommend trafen. Später nennt auch Arrian selbst sie Paropamisaden. Dieses Factum war bisher bei den Erklä- rern unbeachtet geblieben. Von den ihnen südlichen Arachoten sagt Ptole- mäusVI. c. 15., werden die Paropamisaden getrennt durch die Gebirge Par- sueti (oder Parveti), die rav Iagrunrav ögwv, welche also zur Winterzeit von Alexander überstiegen wurden. Sie zeichnen sich keinesweges durch ihre Höhe aus, aber ihr Name ist schon ein Indischer: denn Parveti (Parvati, die Gemahlin oder Tochter Mahadeva’s) heilst eben so das hohe Schneegebirge, welches über der heilig gehaltenen Quelle des Alacananda Ganga sich erhebt. Nachdem Alexander diese gröfste Noth bei den Paropamisaden über- wunden hat, und wieder in eine zugänglichere Landschaft kommt, ist auch der Kaukasus erreicht; er gründet hier, nach Curtius Rufus, dicht am Fufse desselben Gebirges eine Stadt Alexandria, wo er den Göttern nach hei- mischer Sitte Opfer bringt, und nun den Kaukasus übersteigt. Diefs ist Alexandria ad Caucasum, oder sub iso Caucaso bei Plin. VI. 21., oder ad Paropamisum, oder in Paropamisadıs (?) bei ArrianlV. 22., wo 7000 Make- donier sich angesiedelt haben sollen, an dessen überhängenden Felsen Cur- tus RufusVIE. 14. die Sage vom gefesselten Prometheus einheimisch vor- finden will. Noch ist die Lage dieser Stadt nicht bestimmt; dafs sie aber in einer günstigen Stellung zum Übergange auf dem Wege zwischen Paropa- misaden und dem Gebirge, das hier Kaukasus genannt ward, liegen mufste, ergibt sich von selbst. Man hat sie nach Kandahar (d’Anville, Barbie du Bocage, St. Croix, Langl£s) unter 32° N. Br., oder weil dieses zu weit südlich und unpassend für Alexanders Heerzug war, weiter gegen N.O. nach Kabul (Mannert und Heeren) verlegt. Die Lage des heutigen Kabul (bei Ptolemäus: Kaßsga A zul "Opro- rrava), ebenfalls zur Satrapie der Paropamisaden gehörig, als bequemster (') Ayeen Akbery or the Institutes of the Emperor Akber, transl. by Franc. Gladwin. Lond. 1800. I. 158. (*) Diodor. Bibl. hist. XVD. 83; cf. St. Croix exam. crit. p.827. am Indischen Kaukasus. 151 und wichtigster Hauptort bei einem Durchmarsche von West gegen Ost, der jedoch erst zur Araberzeit seine gröfste Bedeutung erlangt zu haben scheint, konnte für Alexander, der von Süd gegen Nord nach Baktrien seinem Feinde Bessus auf kürzestem Wege entgegen ziehen wollte, und darum diesmal nur das West-Ende Indischer Völkergebiete streifte, nicht von gleicher Wichtigkeit zur Gründung einer Stadt sein, als jene mehr auf directem Wege gegen Baktrien hin gelegene Stelle, welche den Eingang des Gebirgs- wegs dahinwärts, wie sie Diodor mit Bestimmtheit bezeichnet, unmittelbar beherrschen oder sichern konnte. Wahrscheinlich bestand auch jenes Kabur oder vielmehr Kabul schon: denn eben daselbst setzt Ptolem. VI. c. 18, 193. auch das Land der Keßerıraı an die N.O. Seite der Paropamisaden, die als eines der vier Hauptvölker jener Landschaft aufgeführt sind. Dieser frühere Bestand einer Station auf der grofsen Königsstrafse, welche schon Darius Hystaspis zum Indus genommen, ist wohl nicht zu bezweifeln; sie konnte nicht erst von Alexander gegründet, sondern nur ihr Name etwa umgeändert werden, worüber aber die Tafel schweigt. Auch liegt das heutige Kabul schon in der Hoch-Ebene, nicht am Hoch-Gebirg, es ist nur mit geringen Anhöhen umgeben, breitet sich am Kophen aus, der bei der Gründung von Alexandria sub ipso Caucaso gar nicht einmal erwähnt wird, ob er gleich späterhin eine so wichtige Rolle in Alexanders Marschroute spielt. Er wird erst weiter im Osten, bei Nicäa zum ersten mal (!) erwähnt. Von Kabul sind aber immer noch einige Tagemärsche gegen N.W., ehe man zum be- quem übersteigbaren kaukasischen Gebirgspafs kommt, der nach Baktriana führt, durch welches das Land der Paropamisaden gegen Nord unmittelbar begrenzt ward, wie Ptolemäus an verschiedenen Stellen bestimmt wiederholt, daher er hier auch die Fortsetzung des übersteigbaren Kaukasus mit dem Gebirgsnamen Paropamisus belegen konnte, als Nord-Grenzhöhe der Satra- pie, und wohl sicherlich auch der Wohnsitze der Paropamisaden. Keine Lage entspricht daher besser der Gründung dieses Alexandria, des Schlüssels zum Berglande der Paropamisaden, wie des nördlichen Kau- kasus, als die Umgebung von Baumian, 344° N.Br., in N.W. von Kabul, die schon J. Rennell dafür angedeutet hatte. Leider sind M. Elphiston e’s Untersuchungen nicht nördlich genug bis dahin vorgedrungen, Waddington’s (') Arrian. Exped. Alex.IV. 22. 152 . Rırrter über Alexander des Grofsen Feldzug neuere Karte von Mawar-al-nahar zu Sultan Babur’s Memoiren, deren Text von diesen Untersuchungen ausgeschlossen bleiben mufste, rückt nicht so weit gegen den Süden vor, und genauere Berichte über diese Gegend bleiben noch sehr zu wünschen übrig. Die Wichtigkeit aber dieser an Monumenten reichen Gegend (alte Bergwerke, Hölenbau, Felssculpturen, colossale Idole, Städtebau, nach Übereinstimmung aller orientalischen Nachrichten bei Abulfeda, Abul Ghasi, Ferischta, Abul-Fazil u. a. m.), welche erst seit Tschingis- Khans völliger Zerstörung zu einer Einöde ward, ist aus der Erdkunde von Asien bekannt (Th.1I, 799. IH, 559.). Sie ist in den letzten Jahrhunderten von keinem ein- zigen Reisenden besucht oder beschrieben worden. Abul-Fazil(') im Ayeen Akbery sagt aber — um nur die einzige Stelle anzuführen — dafs zu seiner Zeit (um das Jahr 1600), im Distriet ( Z’oman) Zohac Bamyan (im Sircar Kabul), die Burg des Zohac, ein Denkmal von hohem Alterthume noch in gutem Zustande sei, indefs die Festung von Bamyan in Trümmern liege. Die Wiederentdeckung dieser Monumente gäbe durch ihre Architectur, und viel- leicht durch Münzen mit griechischer und Keilschrift, die man hier, so gut wie in der Nachbarschaft kürzlich ausgegrabene, noch heute auffinden könnte, die genauern Daten zur Bestimmung von Alexanders Wege und einer Make- donierstadt, welche schon darum von gröfserer Bedeutung in ihren Anlagen als andere gleichnamige sein mochte, weil Alexander nach Jahr und Tag zu ihr zurückkehrte, ihre Anlagen wieder in Augenschein nahm, ihr einen neuen Gouverneur einsetzte, da er ihre Wichtigkeit für den Rückmarsch seines Landheeres auf der grofsen Weststrafse wohl einsehen konnte. Die Annahme, als sei das heutige Kandahar die Lage des alten Alexan- dria, beruht nur auf der entfernten Namensähnlichkeit, die ohne allen Grund ist, auf einer sehr vagen Berechnung der Weglänge nach einem Fragmente des Diognetus und Baeton, Wegmesser Alexanders, das Plin. VI. c. 21. auf- behalten hat, und auf Langles(?) Anführung der Trümmer einer grofsen Stadt und anderer Gebäude, auf einer Berghöhe bei dem Passe von Kanda- har; aber diese führt eben derselbe Abul-Fazil (°) in seiner Beschreibung des (') Ayeen Akbery or the Institutes of Akber, by Fr. Gladwin. Lond. 1800. I. p. 168. (?) Voy. de Forster ed. Langles T.D. p.723. (°) Aryeen Akbery T.II. p.171. am Indischen Kaukasus. 153 Sircar Kandahar an, und sagt, dafs sie die von den Ghaurischen Fürsten an ihrer Geburtsstelle erbauete grofse Stadt sei, von deren einstiger Gröfse noch mehrere Überreste vorhanden geblieben. Diefs spricht wenigstens nicht für eine Anlage durch die Makedonier. Leider hat der frühzeitige Tod des Engländers Moorcroft, der, so viel uns bekannt geworden, der einzige neuere europäische Reisende und Beobachter um Bamyan gewesen ist, ihn gehindert, uns seine ausführlichen Entdeckungen in diesem seit Tschingiskhans Siegen verödeten und fast vergessenen Gebiete mitzutheilen. Doch ergibt sich aus einem seiner letzten in Calcutta angelangten Briefe (vom 6. Juni 1825.) (') wenigstens so viel, dafs noch heute die gröfste und bequeme Haupt-Karayanenstrafse von Kabul in das alte Baktriana, näm- lich nach dem heutigen Balkh, über den Hauptmarkt von Khullum (oder Tasch Khurgan) und den Pafs Muzar, immer erst an Bamyan vorüber gehen mufs, ehe man zum Eingang des Hindu-Khu selbst gelangt. Ohne alle Be- schwerde, sagt Moorcroft, kam er durch das Land der Hazarehs (welche seit Mangu Khan als Mongolische Hülfsvölker für Holaku Khan hieherge- sandt (?), die Wohnsitze der Paropamisaden eingenommen haben), bis Ba- myan. Nahe bei dieser Station, gegen Nord, ist der Eingang des Gebirgs- passes, bei Ak Rubat über Sykan, und bei Khullum im Norden der Ausgang. Bei dem Eingangspasse ist die Grenze der Hazarehs, also am Südfufse des Gebirgszugs, heute, wie einst der Paropamisaden bei den Alten. Dann fol- gen die Tadschiks als Gebirgsbewohner (Tadschek oder T’hasi, d.h. nach Elphinstone, Leyden und Wilken (°), die Ureinwohner oder Abori- giner; vielleicht alte aus dem Süden verdrängte Paropamisaden, friedliche Hirten wie damals). Auch Abul Fazil führt unter den sieben Bergpässen, die aus Kabul nach Turan (d.i. dem Norden) über den Hindu-Khu geleiten (um das Jahr 1600.), diesen westlichen Pafs über Bamyan an, und nennt die Berghöhe Shirtu (*); er gehört zu den befruchtetsten und bequem- sten, und umgeht eigentlich auf den Vorbergen den Westfufs der höheren (*) Asiat. Journ. 1826. Vol. XXI. p. 609. (?) Ayeen AkberyD. p.163. () Wilken 2. c. p.242.Leyden Asiat. Res. T.XI p.369.; Elphinst. 2. c. p.309-313. (4) Aycen Akberg Ibp.162. Histor, philolog. Klasse 1829. U 154 Rırrer über Alexander des Grofsen Feldzug Schneegebirge des Hindu-Khu, die erst im Norden von Kabul zur Riesen- höhe aufsteigen. Alle diese Umstände stimmen ganz gut überein mit den Berichten der Alten von Alexanders Kaukasusübergange, der hinsichtlich des Wegs gar keine aufserordentliche Beschwerden darbot, obgleich er über dessen ganz nackte Berghöhen hinwegzog (!), wo nur Terebinthengesträuch wuchs und damals noch Mangel an Weide war, denn es lag noch Schnee. Bessus hatte, so weit er gekonnt, die Landschaft zwischen sich und den Makedo- niern verwüsten lassen. Daher der Mangel an Lastthieren und an Lebens- mitteln, wie an Brennholz, die Makedonier nöthigte, das Fleisch der Heer- den, die in Menge auf dem starkbewohnten Gebirge sich vorfanden, roh zu essen. Die trefilichen Weiden, zumal das Lieblingsfutter für die Alpen- heerden, das Silphium, wird hier gerühmt. Dieser Gebirgspals, der so- gleich von Alexandria begann, führte erst am 15°” (am 17“ nach Curtius) Tagemarsche nach Arrian, zur Baktrianenstadt Adrapsa bei Strabo, Drapsaca bei Arrian, die man wohl in der Nähe des heutigen Khullum suchen mufs, so wie dann zur Feste Aornos, die auf dem Wege von da, gegen das alte Baktra, wahrscheinlich in der Nähe des jetzigen felsigen Engpasses Muzar, der nur eine Tagereise im Ost abliegt, zu suchen sein möchte; aber keines- wegs, wie man früher annahm, so weit ab, im Ost des Gebirgslandes von Badakshan, in welches Alexander für jetzt gar keinen Grund so tief einzu- dringen haben konnte, da er ja auf das eiligste den Bessus verfolgte. Der Pafs Muzar bildet gegenwärtig den Schlüssel zur Ebene des alten Baktra und zum Oxusufer, wo dieser durch alle Zeiten für Kriegsheere den einzigen Übergangsort zunächst darbot. Aber schon, als Alexander dort ankam, hatte Bessus die Flotte, welche den letzten Rest seines Heeres über den Strom gesetzt hatte, verbrannt, und sich selbst in die Nordsteppe zurück- gezogen. . Von der Nordseite des Kaukasusgebirges kommt weiter keine Kunde durch die Makedonier zu uns. Mit dem Spätfrühling des Jahres 328, nach Besieg das zum Zuge gegen Indien auf alle Art vorgeübt und gerüstet ist, übersteigt Alexander denselben Kaukasus, aber wie Strabo sagt, auf einem kürzeren ung Baktriana’s, begleitet von seinem ganzen versammelten Heere, (') Arrian. 111.28. p.145. StraboXV. c.2. p.182. am Indischen Kaukasus. 155 Wege als zuvor (!), in zehn Tagen nach Arrian (eilf Tage nach Curtius) (2), zur von ihm früher gegründeten Stadt Alexandria. Hier wird Nicanor zum Commandanten eingesetzt und mit der besseren Einrichtung der Stadt be- auftragt, die Colonie verstärkt, und Tyriaspes zum Satrapen der Paropami- saden, wie der übrigen Landschaft bis an den Kophes, erhoben. Dieses Indische Volk wohnte also, wie sich hieraus ergeben möchte, damals wohl nicht ganz mehr bis in die tiefere, heifsere, vom Kabulstrom bewässerte Ebene. Aber, bis zum Kophenflusse, sei diefs nun der dn sich ganz unbedeu- tende Strom bei Kabul (Birkutmund bei Abul-Fazil(°), Elphinstone kennt seinen besondern Namen nicht), oder, dessen nördlicher weit stärkerer Arm, der Punjshir, der dem schneeigen Kaukasus selbst entquillt; bis zu diesem drang das Heer ohne Hindernifs vor, und vorher noch bringt Alexander zu Nicaea der Athene Opfer. Am Kophes angelangt, sendet Alexander seine Herolde zum Indus, die Fürsten, wie Taxiles und andere aufzufordern, ihm gastlich entgegenzukommen;; auch macht er da seine Disposition zum ganzen Feldzuge. Da theilt er sein Heer, und behält selbst die eine Hälfte, sendet aber die andere als Vortrab, unter Hephästion und Perdiccas, voraus, auf gerader Strafse nach Peukelaotis zum Indus, mit dem Befehl, die Städte auf dem Wege zu besetzen oder zu erobern, und am Indusstrom die Schiffbrücke zu schlagen zum Übergang des ganzen Heeres, wie es auch geschahe. Von dieser Heeresabtheilung wird keine Marschroute gegeben (*), und nur gesagt, dafs Astes, der Commandant von Peukelaotis sich widersetzte, 30 Tage lang in seiner Stadt von Hephästion belagert und besiegt ward, worauf ein Anhän- ger des Taxiles, nämlich Sangaeus als Befehlshaber der Landschaft dessen Stelle erhielt. Die gebahnte Strafse im breiten fruchtbaren Längenthale des Kabul- stroms, der als südlicher Begleiter der hohen Gebirgskette des Hindu -Khu, direct zum Indus von West nach Ost eilt, und als einziger ansehnlicher Strom dieser Art, unverkennbar der Kophes nur sein kann, und in mehrern (') StraboXV. c.1. p.53. (?) Arrian.IV. 22. p.182; Curt. l.c. (°) Ayeen Akberyl. p.159. (*) JArrian.IV, 22 p.183. et 28. p.191. U [SW] 156 Rırrer über Alexander des Grofsen Feldzug Stufenthälern hinabeilt zum Tieflande, machte dieser Heeresabtheilung, welcher Taxiles Hülfstruppen entgegen sandte, ihr Eindringen nach Indien leichter, als ihren nachrückenden Kampfgenossen. Die Irrthümer, welche bei d’Anville, J. Rennell, Barbie du Bocage zu St. Croix(!) und Andern, durch eine ganz falsche Zeichnung zweier, mit einander von West nach Ost parallellaufender Flüsse, die hier nicht existiren, von welchen der südliche, Cow genannt, von Ghizni zum Indus fliefsen sollte, in dem man daher den Kophes, im nördlichen aber den Euasplus zu sehen glaubte, veranlafst ward, hat die trefflliche Zeichnung von Macartney’s Karte von Kabul zu Elphinstone berichtigt, und Mannert hatte diese Berichtigung ohne jene Karte schon eingesehen; desto auffallender ist es, dieselbe daraus für das Ganze der Erklärung hervorgehende Verwirrung und dieselbe Ver- zeichnung auf der Karte zum neuesten Commentar des Arrian wiederholt zu sehen (?). Die Landschaft Peukelaotis (Mevzeraärıs) mit der gleichnamigen Stadt (Ieuxeruwrıs bei Arrian IV,28. p.192.), welche Alexander später besetzte, als er selbst zum ersten male in die Nähe des Indus vorgerückt war, dieselbe Provinz, welche (als Heuxsrairıs nach der Histor. Indical. c.2. P-34Tmed: Gronoy.) vom Kophes im Süden bespült wird, ist noch im heutigen Namen Pukhely nicht zu verkennen. Strabo nennt sie, oder den Staat vielmehr, ebenfalls Ievxcreirıs, in deren Nachbarschaft die Brücke über den Indus geschlagen ward, die Historia Indica nennt wohl richtiger, die Stadt nämlich, Peucela (NevxeAe), und sagt, sie sei sehr grofs. Bei Ptolemäus heifst sie Poclais (IgexAai; oder Ioxrais) (?), und liegt am Suastus, unter 33° N. Br. Zwischen dem Suastus und dem Indus wohnt aber, nach ihm, das Volk der Gandarae (Tavdagai). Das neuere Pukhely (Pehkely bei Abul-Fazil) (*), ist eine Provinz der Subah von Kaschmir, zu beiden Seiten des Indus gelegen, oberhalb der Einmündung des Kabulstroms, ein Land gegen Nord von den höchsten Schneegebirgen des Himälaya umgeben, durch das enge Pässe (') St. Croiv Exam. etc. p.831. (°) P. O.van der Chys. Commentarius geographicus in Arrianum de expeditione Alexandri. Lugduni Batavor. 1828. 4. (°) Piolem. VD. c.1. p.201. (*) Ayeen Akberyll. p.136, 155. am Indischen Kaukasus, 157 nordostwärts nach Kaschmir, nordwestwärts nach Klein - Tibet und Kaschgar führen. Die Lage der Stadt dieses Namens ist uns unbekannt; aber nach Ptolemäus stand sie am wilden Suastus, der vom Kaukasus herab, vom Nord gegen Süd zum Kophesstrom eilt; auch sein Name scheint noch erhalten im Suad (Swad, Swaut, Sowahat, Sewad bei Abul-Fazil), Swadflufs, dem öst- lichsten der beiden Arme, welche den Lundye bilden auf Elphinstone’s Karte; diesen Namen Suad hat allein Macdonald Kinneir auf seiner Map of Persia aufbewahrt; und daher heifst auch die Provinz auf der Westseite des Indus Pukhely-Swad bei Abul-Fazil. So erhält zugleich am West- wie am Öst-Ende die strategische Dispo- sition von Alexanders Heereszuge, durch Ptolemäus Tafeln und die merk- würdigste Fortdauer einheimischer Benennungen, am Südfufse der Indischen Hochgebirgskette ihre überraschendste Aufklärung; denn leicht würde nun die specielle Lage der grofsen Stadt selbst nur etwa am Austritt des wilden Gebirgsstroms zur Ebene zu suchen sein. Dafs ein Schützling des Taxiles hier als Befehlshaber der Provinz ernannt ward, geschahe zu dessen Verstär- kung gegen den gemeinsamen Indischen Feind im Osten des Indus: denn Pukhely ist nordwestliche Grenzprovinz gegen Taxiles Reich, und sicherte oberhalb den Indusübergang des Makedonierheeres. Doch wir kehren für jetzt zu dem eigentlichen Haupt-Corps des Heeres zurück, das unter Ale- xanders persönlicher Anführung bestimmt war, auf dem Nordufer des Ka- bulstroms alle kriegslustigen Alpenvölker in den vordern Gebirgsthälern des schneereichen Kaukasus zu bändigen, ihre Hauptstädte am Eingange zur Fruchtebene des Kabulstroms zu besetzen, oder zu zerstören (wie Hannibal mit Taurinum that), sie dadurch zu schrecken, und zur Unterwerfung zu bringen, oder in ihre Hochgebirgsschluchten zurückzusprengen, wozu denn die Erstürmung ihrer tapfer vertheidigten Felsburgen, die auf den südlichen Vorgebirgen die Eingänge der Bergpässe gegen Norden beherrschten, nicht selten nothwendig und oft sehr schwierig war. Nur durch einen solchen kleinen Krieg gegen die sehr zahlreichen Gebirgsvölker, mit denen hier der Südabhang des Kaukasus, wie bei den Paropamisaden selbst der höchste Rücken, schon damals, wie auch heute noch, besetzt war, konnte die Hauptstrafse aus Persien und Baktrien nach Indien, nebst ihren Anlagen, die gewils damals schon den regen Geist des kühnen Eroberers lebhaft beschäftigten, gesichert werden, um nicht, wie 158 Rırrten über Alexander des Grofsen Feldzug einst die Persischen Monarchen, so häufig in die Gefahr zu gerathen, auf den Hauptstrafsen selbst, von Residenz zu Residenz auf Engpässen in die Gewalt räuberischer Bergvölker zu fallen, Durchgangstribut als Geschenk zahlen, oder sonst noch erniedrigendere Wohlthaten wie von Evergeten an- nehmen zu müssen. Alexander, der die kriegerische Natur dieser kauka- sischen Bergvölker durch einen jahrlangen Krieg an der Baktrianischen und Sogdianischen Nordseite wohl kennen gelernt hatte, sahe sich genöthigt, den sicheren Besitz dieser Vorstufe oder Vorhalle zum Indischen Reiche, welche überall durch die Bergvölker der südlichen Voralpen des Kaukasus dominirt ward, wenn auch mit den gröfsten Opfern, zu erkämpfen. Denn nur hier war für ein Heer der einzigmögliche Durchgang zu jenem reicheren Wun- derlande Indiens, am Südausgange ihrer Bergthäler und Bergfesten vorüber. Der neuere Zustand dieses Erdstrichs ist im Kurzen, so weit es zu unserem Zwecke hier hinreicht ihn anzudeuten, folgender, ein Zustand, der dem zu Alexanders Zeit bis auf Namen und Zufälligkeiten wenigstens, sehr ähnlich, ja fast gleich zu nennen ist. Der Kabulstrom durchzieht am Südfufse des schneehohen Hindu-Khu entlang, im Parallelismus mit dessen Streichungslinie, von West gegen Ost, 5) ein grofses Längenthal, gegen Süd von geringeren Berghöhen begrenzt, wie der Po die Lombardische Ebene, am Südfufse des Helvetischen Alpensy- stems; an der Stelle, wo dort Turin am oberen Eingange, liegt hier etwa in analogen Verhältnissen die Hauptstadt Kabul; gegen den Ausgang nach Ost im unteren, heifseren Stufenthale, etwa wie Ferrara, die wärmere Winter- residenz Peschawer; zwischen beiden in der Mitte am Strome, in dem Ver- hältnisse etwa wie Cremona oder Piacenza, am Südufer des Stromes Jellala- bad. An Reichthum der Gaben und des Anbaues der Landschaft, wie an Länge des Stromlaufes, sind beide nicht ungleich, doch senkt sich das Stufenland Kabulistans nur zum Bette, nicht eines Meerbusens, sondern des tiefen Indus hinab, der aber eben so, wie jener das Italische Land von Nord gegen Süd, so dieser das Indische Land mit seiner tiefen, meeres- gleichen heifsen Horizontalebene abschneidet. Aber nicht ganz so breit wie die Lombardische Ebene, tritt von der Süd-, wie zumal von der Nordseite, die Hochkette des Hindu-Khu weit dichter zum Kabulstrome heran, und statt der so günstigen, gegen Süden concaven Form des Gebirgsamphitheaters der Europäischen Alpen, welche im Norden von Mailand einen Gebirgskranz am Indischen Kaukasus. 159 bilden, der dahinwärts die Lombardische Ebene so glücklich erweitert, ver- engt an derselben analogen Stelle im Norden von Jellalabad, eine weit gegen den Süden vorspringende convexe Curve des Hindu-Khu mit seinen hohen Schneegebirgsgruppen, dieses Hauptthal Afghanistans. Es erhält hiedurch einen anderen, wilderen Charakter, und wird, weil auch das im Süd vor- liegende Gebirg hier dem nördlichen Vorsprunge näher rückt, in zwei Hält- ten, in ein oberes und unteres Stufenland getheilt. Diese südliche Projection des Hindu-Khu, welche auf Elphinstone’s Karte mit dem Gebirgsna- men des hohen Coond bezeichnet ist, und über 20000’ Höhe aufsteigt nach Macartney’s Messungen, kennt in ihrer wahren Natur schon Ptolemäus, sie ist also nur eine Wiederentdeckung der neuesten Zeit; dies ist das süd- lichste Vorgebirge seines Kaukasus im eigentlichsten Sinne (iiws), welches selbst die verunstaltete neunte Tafel zu Ptolemäus 4sia sehr richtig von Nord gegen Süd, bis an den Kophen gezeichnet darstellt; ihm gegenüber, am Südufer fangen die Parvetigebirge gegen Westen ziehend an. Dies ist demnach der eigentliche feste Punkt, auf welchem die so oft besprochene Benennung dieses Kaukasus bei den Alten beruht, und es bleibt noch einer näheren Sprachforschung und Erkundigung bei dem (seit Alexan- ders Zeiten) freigebliebenen, zahlreichen, merkwürdigen Alpenvolke dieser Gegend, den Siapush (Siaput) bei Timur, jetzt und bei allen orientalischen Autoren, gewöhnlich Kafern, d. i. Ungläubige, genannt, übrig, um zu bestim- men, ob jener Name, den damals die Makedonier dort in Gang brachten, nicht wirklich nach 2000 Jahren, noch heute, eben so einheimisch ist, wie der früherhin gleich verrufene, und längst durch die Muhamedaner Zeiten ver- drängtgewesene Name des Oxus, sich neuerlich ebenfalls bei ihren nächsten nördlichen Nachbaren des hohen Gebirgslandes in Badakshan, als ganz ein- heimisch bewährt hat (Koksha). Gehen wir von diesem eigentlichen Kaukasus des Ptolemäus, dem er- sten, erhabenen, mit ewigem Schnee bedeckten Gebirge, das die Griechen seit dem Pontischen Kaukasus wieder finden konnten, aus, als von einem Grenzstein zur Benennung westlicher und östlicher Ketten des grofsen Hima- layazuges: so ist es von da gegen West, wo nur allein der Name Kaukasus, für die Fortsetzung des Hochgebirgs bis Bamyan (i. e. Alexandria sub ipso Caucaso bei Plinius) gebraucht wird, der Name Paropamisus bei Ptolemäus und anderen (der quellenreiche Parnäsos in Aristoteles Meteorol.1. c. 13. 160 Rırrer über Alexander des Grofsen Feldzug vielleicht blofs Schreibfehler), aber ebenfalls dem mehr niederen West - Ende desselben beigelegt wird, dessen schon gangbarere Pässe zu den Baktria- nen hin überstiegen werden können. Alexander hat also hier den westlichsten Zweig des Indischen Kauka- sus (oder Paropamisus) wirklich überstiegen, aber er ist auch, wie sich weiter unten ergeben wird, an dem Östfufse des hohen Coond, durch das Cooner- thal am Kamehstrome (d.i. Koas) tiefer in die Gebirgshöhen des erhabensten Kaukasus im eigentlichsten Sinne (ööws bei Ptolemäus) eingedrungen, und hat so den Krieg in den hohen Kaukasus geführt, und sich gerühmt, die Völker des Indischen Kaukasus (die jetzigen Kafern) (!) besiegt zu haben, in derselben Art wie die Scythen. Ostwärts von dieser Stelle an, erhält der Östzug erst die anderen Namen: Emodus (’Huwdcs), Emaon ("Huaov Histor. Ind. e.2.), "Iu«os Strabo nach Eratost.XV. f., und ein einziges mal Imaicus (Inaixzev ögos, nach Arrian. Zistor. Ind. c.6.), übereinstimmend mit Ptole- mäus Tafeln. Die Stelle des eigentlichen Kaukasus am hohen Coond, im Lande der Kafern, die schon Alexander von der Südseite, Timur von der Nordseite her verfolgte, die sich bis heute innerhalb dieses Gebirgs rühmen sollen, Ab- kömmlinge der Makedonier (vielleicht Nachkommen der Kriegsgefangenen)) bei sich zu beherbergen, und die Erinnerung an jene Überfälle zu bewahren, diese ist es, welche den Namen Hindu-Khu im engeren Sinne, noch heute führt. Der damit verwandt scheinende und oft verwechselte Name Hindu - Kush kommt nur den westlichern Passhöhen, zwischen Bamyan und Balk zu, die nach Ebn Batutas Etymologie, der in der Mitte des 14“ Jahrhunderts sie hier übersteigt, von dem Verderben ihre Benennung haben sollen, welche ihre Kälte so häufig dem Transport Indischer Sklaven bringe, die von der Südseite auf die Nordseite des Gebirgs nach Balk geführt, da ihren Tod fin- den. Daher nach ihm diese Passhöhen, Hind - Kush d. i. Hindu - Tödter (?) genannt werden. An der Westseite dieses Kaukasusvorgebirgs, das gegen Nordost zu noch höheren Gipfeln, wie Ptolemäus ganz richtig angibt, aufsteigt, ver- zeichnet dieser Geograph nun das Land der Paropamisaden zunächst mit (') Elphinst. Append. Cauferistan. p.618. (?) Ibn Batuta Travels translated by Sam. Lee. Lond. 4.1829. p. 97. am Indischen Kaukasus. 161 den Stämmen der Parietae (Magirr«ı) und Kabolitae mit Kabura; an die Ost- seite aber, setzt er Goryaea, Suastene und das Land der Gandari. Dicht am Östfufse dieses hohen Grenzsteins des Kaukasus oder Hindu-Khu, gegen Süd, wo sich die hohe Pyramide des Coond erhebt, bricht der gröfste der nördlichen Zuströme, Kauschkaur oder Kameh, aus den tiefern Schlünden des Koonerthales quer durch das Gebirg in die Ebene von Peschawer her- vor, es ist der Kuas bei Ptolemäus. Diese ganze Landschaft im Norden des Kabulstromes, heute (!) unter dem gemeinsamen Namen Kohestan begriffen, d. i. das Bergland an dem Südabhange gegen Kabul und Peschawer hin mit den Schneehöhen, und Kohdanum mit den fruchtbaren Voralpen, ist aus- schliefslich das Kriegstheater von Alexanders Heeresabtheilung. Sieben bis acht wildrauschende Gebirgsströme auf der Westseite, drei gröfsere, unter denen der Kameh bei weitem der bedeutendste, auf der Ost- seite dieser südlichen Projection des Kaukasus, die alle, gleich den Italischen Po-Zuflüssen von der Schweizerseite, aus der nördlichen Indischen Schnee- kette herabstürzen, durchschneiden und durchbrechen dieses Kohestan von Nord nach Süd in kurzen Transversalthälern, die sämmtlich südwärts in diese erhaben liegende Ebene des Kabulstromes auslaufen. Hier an den Mündungen liegen die Ackerfelder und gröfsern Städte ; in den reich bewässerten Voralpen, dem Kohdanum, ist alles voll Dorfschaf- ten und Burgen; da ist Überflufs an Obst, Trauben, Aprikosen, Baumwolle; da stehen jetzt Wälder von Maulbeerbäumen, deren Früchte man hier, weil es auf den Berghöhen an Getreide gebricht, getrocknet unter das Brod mengt. Die drei östlichen dieser Alpenthäler, durch ihre gröfsere Weite und Fruchtbarkeit ausgezeichnet, haben Reichthum an Gold, Silber, Lapis La- zuli, an Feldern und Heerden, sind stark bevölkert, und die herrlichste duftende Alpenflora zeichnet sie aus, darunter nach Abul-Fazil allein 30 verschiedene Tulpen-Arten oder Anemonen genannt werden, und andere Lieblingsblumen des Orients. Die sieben westlichen meistens sehr kurzen Hochthäler sind wilder und rauher, meist nur Engschluchten, ihre Steilfel- sen mit Föhren bewaldet, schwer zugänglich, voll gesprengter Holzbrücken, auf Zickzackwegen, für Pferde und Lastvieh vielleicht gar nicht gangbar; unter den sieben Bergpässen nur einer, der auch im Winter gehbar ist. (') Erdkunde II. Th. p.8, und I. Th. p. 623. Histor. Philolog. Classe 1829. X 162 Rırrer über Alexander des Grofsen Feldzug Die Bewohner dieser Thäler und Höhen sind gegenwärtig, theils zum Islam übergetretene Kafern, d.i. Ungläubige (im Thal Alishung), oder indepen- dente Afghanenstämme (wie die Safıs in Togow, die Ghiljies in Alingour und Uzbin), oder Älpler, Kohistaner mit einem allgemeinen Namen ge- nannt. Sie stehen unter eigenen Gebirgsfürsten (Khans), mit gemeinsamen Oberhäuptern; sie sind kühn, unruhig, dem Kriege ergeben, treffliches Fufsvolk, Meister in Vertheidigung ihrer Alpenhöhen wie Helvetier und Ty- roler. Sie halten es für ein Unglück, wenn der Mann vom Tode auf dem Lager ereilt wird. In viele Stämme vertheilt, liegen sie gegenseitig immer in Fehden, aber nicht Ort gegen Ort, sondern Mann gegen Mann im Zwei- kampf. Jetzt als Sunniten hassen sie bitter alle Shiiten, oder sind als Idol- anbeter allen beiden verhafst, und erschweren jede Verbindung zwischen Iran, Kabul und Balk. Durch solches Land und Volk zieht auch Alexanders Heereszug: das geht aus allen Geschichtschreibern desselben hervor; aber schwer ist es, jedem genannten Flusse, und jeder eroberten Stadt und Feste, ihre richtige Stelle anzuweisen; in den Hauptpunkten lassen indefs die bedeutendsten Zeugnisse sich auf die folgende Weise vereinen. Über die Lage von Nicaea (Nizaı) (1), wo Alexander der Athene opfert, läfst sich nichts weiter sagen, als dafs dieser Ort noch im Süden und Westen des Kophen liegen mufste, denn von ihm aus rückt Alexander erst zum Kophen vor. Kann nun wohl unter diesem nicht füglich der an sich unbedeutende, nur etwa 20 bis 30 Fufs breite Birkutmund bei der Stadt Kabul verstanden werden, der wasserarm aus den südwestlichen Paryeti- bergen hervortritt, und für einen Heeresmarsch gar keine Bedeutung hat: so könnte diese, zum Makedonier Siege, wie es scheint, geweihte Stadt, de- ren Griechischen Namen Ptolemäus nicht nennt, wohl an der Stelle seines Kabula (Kaßzga) gelegen haben, und würde dann, wenigstens auf der Haupt- strafse zum Kophen, wo jetzt Kabul, die wichtigste Station gewesen sein, die bis heute noch, seit alter Zeit, wie Abul-Fazil sagt (?), als Beinamen, die Benennung ‚,‚das Eingangsthor zu Indien’’ trägt. (') Arrian.IV. 22. (*) Ayeen Akbery I. p.165. am Indischen Kaukasus. 163 Nun erst rückte Alexander an den Kophes (Kuofva) oder Kophen vor, an den Hauptstrom im Längenthale, Jellalli genannt bei den ältern In- dischen Geschichtschreibern (Ferishta bei DowI. p.2.), der, wenn er was- serreich, bei Jellallabad in reifsenden Strudeln die südlichsten Klippenbänke des weit vorspringenden Hindu -Khu-Gebirgs durchbricht, wo die Gebirgs- ketten zu beiden Seiten das Thal zusammenschnüren, nur enge Passagen und beschwerliche Wege zum Weiterziehen übrig läfst, der aber, in der trockenen Jahreszeit, an mehreren Stellen leicht zu durchsetzen ist. Bei Wasserfülle, wie auf Alexanders Zuge im Frühjahr, mufste dieser schnelle Strom, doch oberhalb dieser Defiles übersetzt werden, denn unterhalb der- selben mündet sich vom Nord her der wasserreichere Strom von Kameh ein, ein wildes Schnee- und Gletscherwasser, das weither vom hohen Pooshti- khur in der Nähe der Oxusquelle entspringt, und hier die Hauptphysiogno- mie des Landes ändert. Am Kophen angekommen, sandte Alexander seine Herolde ab, und zog dann selbst gegen das Gebiet der Aspier oder Aspasier, der Guräer und Assakanen vor (’Arriuy bei Gronov, ’Arrariwv bei Schmieder; Tegaiwv Yugav zaı ’Arsazavav) (1). Von einem Übergange über den Ko- phen ist nicht die Rede; wahrscheinlich war er ohne grofse Beschwerde; aber er mufste statt finden, damit Alexander nun am Choes (Tag« iv Xöyv bei Arrian, dem Koas des Ptolemäus) hinziehen konnte, wie Arrian sagt, und zwar, was er hier besonders und das einzige mal im ganzen Be- richte hervorhebt, auf schr gebirgigen und rauhen Wegen, daher die Rei- terei nur langsam nachrücken konnte. Dies würde der sehr beschwerliche Weg, nahe an der Mündung des Kamehflusess sein, in der Engschlucht des Cunerthals (Kooner oder Cooner bei Elphinstone), wo er nun, nach Arrian, über den Choes (Koas) setzt. Hier versammelte Alexander rasch seine Streitkräfte, als er erfuhr, dafs die Barbaren (Bagßagcı) (denn diesen Namen erhalten von nun an die Kohestaner oder Gebirgsbewohner im Ge- gensatz der westlichen Indischen Paropamisaden und der später folgenden Inder des Tieflandes), theils in das Gebirgsland sich hinauf gezogen hätten, theils zur Vertheidigungin die festern Orte geworfen. Gegen die erste dieser (‘) Arrian. IV. 23. 164 Rırrer über Alexander des Grofsen Foldzug Städte(') der Barbaren (hier zunächst der Aspasier, also im heutigen Kohe- stan, am Südfufs des hohen Cund), rückt er nun vor, die etwa in der Nähe von Musajuhur, auf Elphinstone’s Karte, liegen mochte. Sie wird nicht bei Namen genannt, aber Curtius und Arrian stimmen in ihrer Eroberung überein; sie lag unmittelbar an dem Wege, hatte doppelte Mauern, wahr- scheinlich also eine Passfeste. Alexander erhielt vor derselben eine leichte Wunde in die Schulter; sie ward eine Zeit lang vertheidigt, da aber die Makedonier schon an die innere Mauer ihre Leitern zum Sturm anlegten, brachen die Barbaren hinaus durch die Thore auf das Gebirg, das sich dicht über der Stadt erhob, so, dafs viele sich retteten; nur ein Theil der Ver- folgten ward erschlagen, die Stadt wird der Erde gleich gemacht. Sogleich rückt Alexander gegen einen zweiten Ort, Andaka (’Avdaza, "Avdgar«) vor, der also wohl ganz nahe bei jenem gelegen, der weniger bedeutend, sich ergibt; hier wird Krateros zurückgelassen, zur Sicherung des Landes und zur Besiegung der anderen Ortschaften, die sich nicht so schnell ergeben würden. Alexander aber selbst, rückt an den Flufs Euaspla vor, wo der Hyparch der Aspasier stand, dessen dritte Stadt, hier nun, zu besiegen war; ihr Name wird nicht genannt (?). Aber ein langer beschwerlicher Weg führte dahinauf; so wie das Lager der Makedonier vor der Stadt aufgeschlagen ist, lodert sie in Flammen auf, die Barbaren entfliehen wieder auf das nahe Ge- birg, die Makedonier ihnen nach, Ptolemäus, des Lagus Sohn, erlegt im Vordertreffen im Zweikampf den Inder, der ihr Anführer war, und um dessen Leiche noch ein heftiger Kampf der Barbaren beginnt, den Alexan- ders Nachtrab nur mit Mühe endet. Von da, heifst es nun bei Arrian weiter, überstieg Alexander das Gebirg, und kam zur Stadt Arigäum (’Agıyaiov) (?). Von einem Übergange über den genannten Flufs ati was hier wohl zu merken, ist aber nicht die Rede. Alle frühere Erklärer des Makedonierzuges lassen diese Begebenheiten sich viel weiter im Süden oder Westen zutragen. Die Meinung, den Kophen- flufs für den weit südlicheren Flufs von Ghizni oder Ghazna zu halten, weil (') +7 rowrn bei ArrianIV. 23; R. Curtius VID. 34. in urbem proximam. (2) Arrian.IV. 24. () Arrian.IV. ib. am Indischen Kaukasus. 165 dieser Cow heifsen sollte, nach Rennell, haben wir oben schon widerlegt. Heeren hält den Euaspla für den kleinen Togow (!) bei Elphinstone, der sich als Nordzuflufs zugleich mit dem Punjshir und dem Kabularme, nicht weit von der Stadt Kabul vereinigt; und Mannert sagt zwar, der Euaspla falle in den Kophen, könne aber auf neuen Karten nicht wieder erkannt werden, und thut Verzicht auf jede besondere Nachweisung der Wege des Heerzuges; van der Chys folgt in seinem Commentar Heeren’s Ansicht. Aber durch diese allerdings willkührliche Annahme, die in solchen äufsersten Nothfällen öfter kaum zu vermeiden ist, scheint jedoch nichts er- klärt; im Gegentheil begreift man nicht, wie Alexander, nach allen Angaben der Autoren, zuerst vom Kophen an den Choes (Koas) kommt, ihn sogar übersetzt im Lande der Aspasier, und doch nachher erst wieder, weit rück- wärts zu einem Euaspla kommen soll, der im Westen der Projection des Hindu-Khu im Lande der Kabolitae fliefsen würde, wenn es der Togow der Neuern wäre. Gewifs ist es, nach unserer obigen Darstellung, dafs Alexander im Westen der Stromenge von Jellallabad, wo die Grenze der Satrapie der Paropamisaden war, nach den uns überlieferten Berichten, keine besondere Fehde mit den Nordanwohnern des Kophenstromes in den wildern, ärmern Felsschluchten im West der grofsen Projection des hohen Kaukasus begann, denn er zog am Südufer des Stromes in der Ebene hin; von jenen schwach bevölkerten Felsthälern hatte ein Kriegsheer nichts zu fürchten. Seine Fehde beginnt erst, in den stark bevölkerten, drei gröfseren, Indien genäherten, reichern Alpenthälern, an der Östseite dieses Hindu-Khu, zu denen vom Norden her stark besuchte Gebirgs- und Handelspässe aus dem Lande des obern Oxus führten, in denen die Aspasier (Aspier oder Hippasier bei Strabo Irrarıcı) (?), die Guräer und Assakanen, Städte und Macht hatten. Deren Städte in den Vorthälern sich zu unterwerfen, war nothwendig zur Siche- rung seines Heerweges, und wo, wie so oft, diese Städte schon verlassen waren, mufste er den Entflohenen nachsetzen auf die Gebirgsfesten, die in den höhern Alpenthälern gegen die Pafshöhen zu suchen sind. (') ».d. Chys. Comment. Geogr. l.c. p.93. (?) Strabo.XV.1.p.58. 166 Rırren über Alexander des Grofsen Feldzug Verlegt man die Aspasier und ihre drei von Alexander eroberten Städte nebst Arigäum auf die Westseite des Choes (Koas) und der Gebirgs- projection: so widerspricht dies, aufserdem noch, der darauf folgenden Er- zählung, wo von der gröfsten Bevölkerung, von grofsem Viehreichthum die Rede ist, die nur im Ost des Kamehstromes statt finden kann, und wo Ale- xander dann unmittelbar zu Guräern und Assakanen einzieht, die bestimmt die nächsten Indusanwohner waren. Die einzige Schwierigkeit macht nur der Euasplaflufs; alle andere bedeutendere Angaben Arrian’s lassen sich nachweisen. Aber Niemand aufser Arrian nennt diesen, auch bei ihm nur hier ein einziges mal vorkommenden Flufsnamen;, Strabo und Curtius kann- ten nur den Kophen und Choaspes (Kupyy rorausv nal rov Xoarzyv) ('), die nach ihnen beide zusammenfliefsen, wie ganz richtig ist. Dieser Choaspes ist anerkannt der Koas des Ptolemäus; Ptolemäus nennt aber nur diesen Koas (Kwas) (2), dessen Quellen in den hohen Kaukasischen und Komedischen Gebirgen liegen, und den Suastus, dann den Indus; den Namen Kophen im oberen Laufe des Hauptstroms kennt er nicht. Koas bei Ptolemäus, Choaspes bei Andern, heifst er im unteren Laufe bei seiner Einmündung zum Indus; auch der Strom der Guräer. In Arrian’s ist. Indica c.4. wer- den Kophen, Malantus (MaAavros), der unbekannt ist, dann die bekannten Soastus, und auch ein Garoeas oder Guraeus genannt, aber kein Euaspla. Die Stelle, wo dieser Name vorkommt ist verdorben, und mir wenigstens keine bessere Leseart als aufgefundene bekannt; der Name der dritten ero- berten Stadt ist ausgefallen; man suchte ihn im Namen Euaspla (Eias röreus). Richtiger liefs Gronov den Namen als Flufs bestehen, glaubte aber Soarros statt dessen lesen zu müssen, weil dieser der nächste Nachbarflufs des Choes im Osten sei. Diese unpassende, obwohl scheinbare Conjectur, welche aber den bestimmtesten Angaben des Ptolemäus und den übrigen Daten wi- derspricht, und Alexanders Feldzuge in allen Stücken widerstreitet, hat Reichardt auf seiner neuesten Karte verleitet, den Marsch Alexanders bis Arigaeum in die wildesten Schneegebirge des Kaukasus an den Fufs des Be- lut- Tag zu verlegen, indem er den Suastus zum Strom von Kameh fliefsen läfst. Die Begebenheit fordert aber keinen neuen Flufs, und es scheint als (') StraboXV. c.1.p.55. ed. Tzsch. Curt. Ruf. VII. c. 37. (*) Piolem.VI. c.1. p.201. ed. Bert. VI. c. 18. p.193. am Indischen Kaukasus. 167 Schreibfehler, wie der Sache nach, viel wahrscheinlicher derselbe schon bekannte Xodrrys selbst zu sein, zu dessen Engschluchten Alexander nach einer ganz kurzen Entfernung zur zweiten Stadt wieder westwärts zurück- kehrt, weil in seinem Thale, das die Aspasier beherrschten, deren Hyparch sich aufwärts zog längs dem Alpenpasse, der heute durchs Kamehthal hin- auf zum Oxus führt. Aber zu weit verfolgte Alexander das beschwerliche Hochthal des Koas, den wir nun für identisch mit Euaspla und Choaspes hal- ten, gewils nicht, sondern setzte, nach der Erzählung Arrian’s, sehr bald, wie es scheint, auf einem anderen ganz nahen Seitenpafs, zurück ostwärts, über den Berg hinab zur nahen Stadt Arigaeum (Urspßarav d& r« pn) (1), die er aber schon von den Bewohnern verlassen und verbrannt fand. Curtius folgt nicht dem Faden der Erzählung wie Arrian; er schiebt hier die fabel- hafte Erzählung von Nysa in die Reihe der Begebenheiten ein, als Episode, die bei Arrian Lib.V. c. 1. ganz als abgesonderte zweifelhafte Angabe steht, und bei Strabo nur gar im Anfange der Beschreibung Indiens, unter die my- thologischen Mährchen und Schmeicheleien gegen Alexander gestellt ist (?). Wo Daedala lag, das Curtius nur allein nennt, nach seiner Erzählung von Nysa, ist unbekannt; sein Acadira (#cadera) hat man für die dritte namen- los gebliebene Stadt der Aspasier gehalten, doch läfst er nachher erst den Choaspes übersetzen. Der Italische Herausgeber Majo, sucht bei der grofsen Zahl der verschiedenen Lesarten dieser Städtenamen, die Stadt Argacum des /tin. Alexandri mit Andaca des Arrian sowohl, als mit Acadira des Cur- tius zu identificiren. Doch scheint Argacum weit eher das später besetzte Argaeum des Arrian zu sein: denn auch Argacum fand Alexander, nach dem unbekannten Compilator dieses Itinerars (?), verbrannt und verlassen von seinen Bewohnern. Er zog ihnen aber eilig nach auf die Berge, wo er sein Lager aufschlug, een von der dtöfsen Menge ihrer Feuer, die ihre Stärke verrieth. Ihrer Überzahl ee griffen sie die Makedonier von der Höhe herabkommend, in einer Thalebene an; nur mit gröfster Anstren- gung konnten sie besiegt werden, weil Inder mit ihnen fochten, die, wie Arrian sagt, anders fechten als Barbaren, und diese an Tapferkeit weit (') drrian. lic. (?) StraboXV. c.1. p.13. ed. Tzsch. (°) Itin. Alex. ed.Majo, c.105. p.69. 168 Rırrer über Alexander des Grofsen Feldzug übertrafen. Doch siegten die Makedonier und machten viele Tausende zu Gefangenen (40,000) mit ihren sehr zahlreichen Heerden (230,000 Stück Ochsen nach Arrian) (?), aus denen Alexander diejenigen auswählte, welche an Gröfse und Schönheit alle anderen übertrafen, um sie zur Verbesserung der Zucht nach Makedonien zu schicken. Im dieser Erzählung, die Curtius übergeht, stimmt das /unerar. Alexandri (?) genau mit Arrian überein; sie kann, so übertrieben sie auch sein mag, nur allein von den reichern, öst- lichen Alpenlandschaften verstanden werden. Sehen wir nach einer be- stimmten Gegend uns um, so kann es wohl keine andere sein, als eben die- selbe, zu der Alexander damals, unserer Erklärung nach, vorgerückt war, die Umgebung von Bajour (Dijore bei Abul-Fazil, oder Banjour bei Elphin- stone), diejenige, wo Arigaeum nur liegen konnte. Denn dieses dort sehr bekannte Bijore liegt im Osten des Bergszuges, den Alexander von der Verfolgung des Aspasier Fürsten rückwärts gegen Ost übersteigen mufste, um ins Thal nach Arigaeum hinabzugehen ; gegen Nord davon, ziehen aber die weidenreichsten aller dortigen Alpenhöhen, zu dem ganz nahen Thal von Punjcora hinauf, das noch heute das heerdenreichste des ganzen Gebirgs ist, dessen Bewohner, jetzt Kafern (d. i. ungläubige Aboriginer, bei Arrian ohne Namen Barbaren genannt), bis zu denen die Aspasier flohen, wahre Al- penwirthschaft treiben, und das tiefere Land noch heute mit ihrem Überflufs an Vieh, Käse und Butter versehen (?). Von Punjcora und Banjour’s, auch heute sehr stark von den herrschendgewordenen Yusofzies (Afghanenstämme der Eusofzy, Yusef-zy bei Abul-Fazilll. 157.) bevölkerten Seitenthälern, ziehen aber, gegen Ost, die Bergwasser, um sich in dem einen gröfseren Querthale des Lumdye zu vereinen, des Suastus bei Ptolemäus, wie wir oben sahen, an welchem nach Ptolemäus, Guräer in der Landschaft Goryaea wohnten, wo er die Stadt Gorya am Suastusflufs angibt. Nach Arrian’s Er- zählung (*), bricht aber Alexander unmittelbar, nachdem er jene Beute an Heerden gemacht hat, auf, gegen die Assacanen, mufs aber, um zu ihnen (') Arrian. lc. c.23. (?) Itiner. Alex. l.c. c.106. (°) Erdkunde I. Th. p.625. (*) Arrian.lib.TV. 25. am Indischen Kaukasus. 169 zu gelangen, nach Arrian’s Versicherung, durch das Land der Guräer ziehen (da 775 Tegaiov Ywgas) und über den gleichnamigen Strom, den Guräus, der nach alten übereinstimmenden Zeugnissen kein anderer ist, als der Sua- stus der Ptolemäischen Tafeln, der im unteren Laufe das Land der Guräer durchzieht. Es scheinen also alle Stellen der Alten, nach Worten und In- halt, auf das genaueste mit dieser Angabe von Banjour zusammenzustimmen ; und es lälst sich eben so wenig mit Rennell in der später genannten Stadt Bazira, bei ArrianIV. 26., das heutige Bijore nachweisen, noch das Land der Assakanen, die schon am Indus wohnen, nach Bijore am Hindu-Khu auf die Westseite des Guraeus (Lumdye) verlegen, nach Mannert Geographie der Griechen und Römer Th.V. p.30. Bei diesem Gebirgsgaue fügt Abul- Fazil seiner merkwürdigen Beschreibung der Provinz (Sircar) Sewad (') (d.i. Suastene und Goryäa), wozu auch noch bis an das Hochgebirg die Umge- bung von Banjour (Bijore) gehört, die hier nicht unwillkommene Bemerkung bei, dafs der dortige Volksstamm, der sich der Königliche, Sultan, nennt, und von einer Tochter Sultan Secunder Zulkarnains (d.i. Alexander Magn.) abstammen wolle, erst seit den Zeiten Mirza Ulugh Begh’s hier eingezogen sei. Sie erzählen, Secunder habe zu Kabul einen Schatz hinterlassen, unter dem Schutz seiner Verwandten (Hetairen?), und einige von deren Nach- kommen, welche ihren Stammbaum noch besäfsen, wohnten in diesen Ge- birgen. Während der Zeit dieses unsterblichen Regenten, seien viele der unruhigen Völker dieser Landschaft zerstreut, andere gefangen worden, und noch andere hätten sich in die Wildnisse zurückgezogen. Es ist bekannt, dafs diese und andere ähnliche Sagen orientalischer Autoren sich öfter wieder- holen; z.B. auch in Ferishta ed. Briggs Th.1I. p. 81. wird aus Sultan Ba- burs Mem. angeführt, dafs die Könige von Badakschan ihren Stammbaum bis auf Alexander den Sohn Philipps zurückführten. Aber die mehrsten Erinne- rungen an Alexanders Durchzug treffen hier zusammen; dies war nun die nächste Veranlassung zu Mullah Nujeeb Entdeckungsreise in dieses Kaferistan zu den Siapuschen, welche Elphinstone mittheilt, zu einem merkwürdigen Alpenvolke, das eben hier bei Alexanders Heereszug nur berührt wird, bei Timurs Übergang über den Hindu-Khu aber von neuem die Aufmerksam- keit auf sich zieht. (') Ayeen Akberyll. p.157. Histor. philolog. Klasse 1829. Y 170 Rırrer über Alexander des Grofsen Feldzug Nach diesen vorbereitenden Bemerkungen finden nun, im Verlauf von Alexanders Heereszug, bis zum Indusübergange bei Taxila, zur Erklärung seines Marsches, keine besondern Schwierigkeiten mehr statt, wenn man anders, was hier bei dem beständigen Zerstören und Aufbauen der Ortschaf- ten, und dem Wechsel der Benennungen der Völker und Städte durch alle Jahrhunderte, nicht anders sein kann, darauf Verzicht leistet, die Namen der einzelnen Städte, die vorkommen, überall und immer bestimmt nach- weisen zu wollen. Was die Völker der Guräer und Assakanen aber betrifft, so hat Wilken’s lehrreiche Abhandlung über Verfassung und Ursprung der Afghanen, diese beiden, schon hinreichend als alte Vorfahren heutiger Af- ghanenstämme nachgewiesen, und wir folgen hier nur den von ihm gegebe- nen Fingerzeigen. Alexander hörte von der Macht, welche im Lande der Assakanen ge- gen ihn versammelt war; sie sollten 30,000 Mann Fufsvolk, 2000 Reiter und 30 Elephanten (die hier zum ersten mal genannt werden (!), was wohl schon die gröfsere Nähe des Indus verräth), aufgestellt haben; mit den wie- der vereinigten Heereshaufen zieht er eiligst ihnen entgegen durch das Land der Guräer. Der Strom, der nach diesem Volke, bei Arrian, Guraeus ge- nannt wird (6 T’soaios), ist mühsam zu übersetzen wegen seiner Tiefe, we- gen seines reilsenden Laufes, und besonders, wegen des vielen Steingerölls, welches den Durchgang sehr erschwerte. Hierin ist die Natur eines wilden Gebirgsstroms, der aus einem Transversalthale mit kürzerem Laufe hervor- stürzt, gleich dem heutigen Lundye, unverkennbar. In der Hist. Indica 4. wird, ohne nähere Bestimmung, ein Garoeas (Tageias), verschieden vom Suastus genannt, der entweder der westliche Arm des Lundye von Bijore kommend, identisch mit, Guraeus sein könnte, da der nördliche, jetzt Suad, bei Ptolemäus bestimmt Suastus aus Suastene (Suad, Swahat) kommend ge- nannt wird; oder, weil es heifst, er ströme in den Indus, so könnte es auch ein kleiner Flufs sein, der weiter im Osten, unmittelbar im Norden von Attok (Taxila), zum Indus fällt, etwa Burrindu bei Elphinstone, das Itinerar. Alex. nennt ihn auch Poturaeus (d.i. Guraeus c. 106. p.70.). Bei den Guräern, deren Stadt Arrian und Ourtius nicht nennen (wahrscheinlich Gory, Gorydale, Twgv, Dwpudary bei Strabo, Gorya, Twgva bei Ptolemäus), (') Arrian. exped. Alex. IV. 23. 22 am Indischen Kaukasus. 171 findet das Heer keinen Aufenthalt; aber wohl vor Massaga, der gröfsten Stadt und Residenz des Königs der Assakanen (Marraye). Die Lage ist nicht mehr nachzuweisen, Ptolemäus nennt sie nicht: aber alle übrigen Autoren stimmen in ihrer Bezeichnung überein (1). Curtius sagt, dafs sie durch Natur und Kunst schr befestigt war, gegen Osten durch einen wilden Strom mit Steilufern umgeben, gegen S.W. von hohen Felsen mit unter- grabenen Höhlen, und durch eine Mauer von 35 Stadien geschützt, unten aus Quadern, oben aus Ziegelsteinen erbaut. Die Art der Eroberung er- zählen Arrian und Ourtius verschieden, jener in vier, dieser in neun Tagen. Alexander war schwer dabei verwundet. Die Hauptvertheidiger waren 7000 Indische Hülfstruppen, welche die Assakanen in Sold genommen hatten, die so lange bei der hitzigen Bestürmung der Stadt durch die Makedonier sehr tapfer kämpften, bis ihr Feldherr fiel; dann schickten sie Herolde um Abzug, der ihnen auch gewährt ward unter der Bedingung, als Soldtruppen zu dem Makedonischen Heere zu stofsen; denn Alexander wünschte sehr, sie als Mitstreiter zu gewinnen. Da aber beim Auszuge bekannt ward, dafs sie, um nicht gegen andere Inder zu kriegen, in der Nacht auf eine Flucht dächten, so liefs Alexander sie niederhauen, und rückte nun in das leerge- wordene Massaga ein. Alexander läfst durch seine Feldherren, den ersten Schrecken der Assakanen zu benutzen, noch zwei andere befestigte Städte, wahrscheinlich auch der Assakanen, berennen, Bazira und Ora oder Hora, deren Bewohner zwar anfangs sich vertheidigen, aber doch besiegt oder ver- jagt, mit vielen anderen Flüchtlingen aus den verödeten Städten, ihr letztes Asyl auf der hohen Felsburg suchen, die Petra Aornos genannt wird, und in der Nähe des Indus lag. Bazira und Ora liegen aufserhalb des Haupt- marsches, werden nur durch Seitenexpeditionen bekannt, ihre Lage kann also nicht in der Reihe von Alexanders Marschroute gesucht werden; sie ist bis jetzt unbekannt.” Die Geschichte der merkwürdigen Belagerung und Eroberung der Burg Aornos, welche die drei letzten Kapitel des vierten Buches bei Arrian füllt, gehört nicht weiter hieher zu unserer Betrachtung. Die Burg lag schon, wie so viele Indische Festen, als isolirte Felshöhe fern vom Gebirg, nicht weit von der Stadt Embolima, also am Einflufs des Kabulstroms in den Indus, in deren Nachbarschaft die Schiffbrücke, in der (') Arrian. IV.26; Hist. Ind. 1. p- 314; Curt. R. VII. c.10; Strabo VI. 1. $. 26. p.57. Y2 1712 Rırren über Alexander des Grofsen Feldzug Nähe des heutigen Attok (T«£ıra bei Ptolemäus) geschlagen ward. Darum, sagt Arrian, konnte Alexander dieses Petra belagern, weil ihm, auch bei längerem Aufenthalte, die Lebensmittel von da leicht zugeführt werden konnten. Die Eroberung von Aornos war nur Ruhmgier, nicht Nothwen- digkeit auf dem Marsche, weil man sagte, selbst Herakles habe es nicht ein- nehmen können; sie verzögerte auch nicht wenig seinen Indusübergang und gelang nur durch Verrath. Vorher aber noch übergab sich dem Alexander nahe am Indus die Stadt Peukela (Ievxerwrıs bei Arrian, Ilevxerairıs bei Strabo), in welcher der heutige Name Pukhely schon oben nachgewiesen ist. Diese Landschaft zwischen Suastus und Indus, damals der Assakanen, nennt Ptolemäus 300 Jahr später, das Land der Gandarae (Tavdagaı) (!); schon Herodot kennt es hier, denn er führt dasselbe Volk in Xerxes Heeres- verzeichnifs als Nachbaren der Inder und Arier auf, Herod. VII. 65. Schon Lafsen in seiner Pentapotamie hat über sie und ihre Verbreitung Unter- suchungen angestellt, die wir hier übergehen können (?). Mit der ersten Elephantenjagd in den dortigen dichtesten Wäldern am Indusstrom, durch die sich Alexander erst die Wege hauen lassen mufste, beendigt dieser kühne Eroberer, nach dem endlichen Fall der hohen Felsburg Aornos, triumphi- rend seinen Feldzug über den Kaukasus zum Indus. Peucela und Massaga sind die Hauptstädte der Assakanen (Aspagani bei Plinius), die Wilken als die Asgang bei Ferishta und die Afghanen neuerer Zeit nachweiset. Arrian Hist. Ind.1. sagt, an Gestalt seien sie nicht so grofs wie die Inder, und an Muth ihnen nicht gleich, auch nicht so dun- kelfarbig (ueraves) wie die mehrsten Inder; einst gehorchten sie den Assy- rern; als aber die Meder von Cyrus (Sohn des Kambyses) besiegt wurden, zahlten auch sie den Persern Tribut. Diese wenigen Angaben sind hinreichend darauf hinzuweisen, dafs sie, ein von Indern verschiedenes Volk, ihre Heimath im Medischen Westen hatten, und von da erst, wie noch heute ihre Nachkömmlinge, gegen den Osten vorrückten. Diese Vermuthung haben Wilken’s sehr lehrreiche Untersuchungen bestätigt, ihre Sprache ist, ihrem Baue gemäfls, erwiesen medisch - persischen Ursprungs; ihre Verfassung ist heute noch altpersisch, (') Ptolem. VD. c.1.£.201. (?) Lua/sen Pentap. p.35 und a.a.0. am Indischen Kaukasus. 1.18 wie in der Achämeniden Zeit, von dem Indischen verschieden, ihre Stam- meseintheilung und Gaueinrichtung der altdeutschen nach Tacitus Germania entsprechend. Ihre Heimath oder ihre Ursitze sollen, wie M. Elphinstone berichtet (S.396.), nach der Aussage der Durani, des jetzt herrschenden Stammes aller Afghanen, die Berge Toba (zwischen Baumyan und Balk), oder nach Anderen die Ghoreberge sein, die zum Paropamisuszuge gehören, wo sie vor dem 8“ Jahrhundert schon ihren Sitz hatten (nach Hanway bei Elphinstone). Elphinstone führt drei verschiedene Ghori’s an, die noch heute alle innerhalb des alten Paropamisus liegen, und Ghorebund, ein Thal, liegt Baumyan ganz benachbart. Sultan Mahmud der Ghaznavide eroberte dieses Land im 11'" Jahrhundert, und nannte es als Provinz seines Reiches Gur (Guristan);, darin lag Baumyan; es hatte damals Ungläubige, nach De Sacy’s Untersuchungen (!), zu Bewohnern. Hart gedrückt von den Ghaznaviden empörten sie sich, zerstörten diese Dynastie, deren Resi- denz Ghazna, und breiteten sich seitdem als herrschende Afghanenstämme durch das ganze alte Ariana bis Baktrien und Indien, selbst als Patanen bis zum Ganges aus. Aber schon vor der Ghaznaviden Zeit hatte dieses Gur, Gour oder Ghore, unter eigenen einheimischen Königen, die sich bis auf die Ghaznaviden unabhängig erhalten hatten, einen antiken Ruhm; Baumyan war wohl höchstwahrscheinlich die Residenz ihrer Könige, die ihr Geschlecht vom Helden Zohak ableiteten (n. Mirkhond, Ferishta u.a. m. Herbelot Bibl. orient. artic. Gajatheddin). Daher dort die Burg des Zohak an derselben Stelle, die wir oben als die Makedonier Stadt Slexandria ad Caucasum, oder ad Paropamisadas ansprachen. Aber diese Paropamisaden werden bei Arrian Inder genannt, die von ihren Indischen Zeitgenossen sehr verschieden sind; sie sitzen in den Bergen Parveti mit Indischen Namen, im Lande, das damals schon vor alter Zeit Ariana geheifsen hatte, und in welchem, wie Strabo nach obigem sagt, fast eine und dieselbe Sprache im Gange sein sollte. Die Gour dagegen an derselben Stelle, aber freilich tausend Jahr später, doch auch noch vor dem achten Jahrhundert, deren Stammver- wandte, wie dies schon der Name sagt, die Guraeer zu Alexander’s Zeit, neben den verbrüderten Stammgenossen den Assakanen, als eine Afghanen Colonie (') Sylvestre de Sacy Memoire sur deux provinces de la Perse orientale, le Gardjestan et Djouzdjan. Paris 1813. 4. 174 Rırrer über Alexander des Grofsen Feldzug u. s. w. vom Medischen Hochlande herabgewandert, nicht zu verkennen sind, hatten damals wohl wie heute ihre medisch - persische Sprache und altpersische Ver- fassung, und zeigten sich auch in ihren bis an den Indus vorgerückten Co- lonien am Choaspes (ein Medischer Name) schon zu Alexander’s Zeit ganz verschieden in Gestalt, Farbe, Tapferkeit und Kriegskunst von den wahren Indern, denen sie in beiden letzteren sehr untergeordnet waren. Weiter zurückzugehen in unserer Untersuchung, wie Indische Paro- pamisaden und die Afghanischen Gour, welche wir tausend Jahr auseinander auf demselben Boden in ihren Aboriginersitzen beisammen finden, letztere als Kaboliten am oberen, und als ausgewanderte Colonien am unteren Ko- phen-Strome, wie sich diese damals zu einander verhielten, dazu fehlen uns genauere historische Zeugnisse. Für mehrere Hypothesen ist Raum; zu mancherlei Betrachtungen geben hier Elphinstone’s Bemerkungen über die Verschiedenheiten östlicher und westlicher Afghanenstämme Veranlassung (Elphinstone p.246.). Vor allem würden jedoch nur fortgesetzte Sprach- studien und Monumentenkunde hier an Ort und Stelle zu den wichtigsten Aufschlüssen für diesen Theil der Völkergeschichte und Geographie des Orients führen können. Zu Hrn. Ritters Abhandlung, Higfap pol I 1: A498 (N \ A a r jr" | ’ y r ) PR Ann. uhr N Bl KL u { ‚ur Eat # « un i Br f 4 | INN III | | | | u. MRS ReR EHER TaTasaE ” 1 \ SMITHSONIAN INSTITUTIO I} | | | IN | | \ ne genen ae erento