Ai 2 05 +4 fi N, = Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. — Hmm er Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. z._—anananan anna Aus dem Jahre una onnnnnenenernn Nebst der Geschichte der Akademie in diesem Zeitraum. Berlin. Gedruckt in der Druckerei der Königlichen Akademie der Wissenschaften. 1836. Ina Commission bei F. Dümmler. al; u R Fr Gage Pu j L i ni En 2) | 3 ai” = = E -.# ze j u & {2 \ Iimhartf, „mu ununnn Historische Einleitung... ers eesersereneesonnnnnne ER RERNTE Be elee nee Seite: I Verzeichnils der Mitglieder und Correspondenten der Akademie ........ Berne = NH Abhandlungen der physikalisch - mathematischen Klasse. “KARSTEN über die chemische Verbindung der Körper (vierte Abhandlung: die chemische Wahlverwandtschaft) ...zseess0r 0.» OR ... Seite 1 ERORERTE: Zur Dhenrie der. Ehenevwe seems emeasegie ee nenne seen a = 28 v » MÜLLER: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, der Cyclostomen mit durch- bohrtem Gaumen (erster Theil: Osteologie und Myologie) ..... - 65 " POSELGER über das zehnte Buch der Elemente des Euklides ............. SO - 341 Link über den Bau der Farrnkräuter (erste Abhandlung) ..... een erde - 375 ENcKE über die Formeln für die Variation der Constanten bei den planetarischen SEOLUNSSLECHN UNE EN We ee er - 389 V »“EHRENBERG: Das Leuchten des Meeres. Neue Beobachtungen nebst Übersicht der Hauptmomente der geschichtlichen Entwicklung dieses merkwür- digen Phänomens ............ ee re Salsa eisrelrierefelenat eng hl v '‘ DirksEn über die Darstellbarkeit der Wurzeln einer allgemeinen algebraischen Gleichung mittelst expliciter algebraischer Ausdrücke von den Hecheientenmeeeeke ee one sseietejefere a eanhrye Seeeeste - 577 VWeıss über das Gypssystem (Nachtrag zu der Abhandl. über dasselbe vom J.1821.) - 623 v YLEJEUNE-DIRICHLET: Einige neue Sätze über unbestimmte Gleichungen........ - 649 " VEHRENBERG: Beobachtung einer bisher unbekannten auffallenden Structur des Seelen- organs bei Menschen und Thieren ..uuereeeeeeseneneenenenene 7 665 “ YH. Rose über das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak @ssernecenene esse ee 129 “ Derselbe über das wasserfreie schweflichtsaure Ammoniak zuseseeeeesneeseenen = 787 “ TREVIRANUS: De Aldrovandae vesiculosae et Mesembryanthemi foliorum structura. - 747 Abhandlungen der historisch - philosophischen Klasse. BoEckn: Erklärung einer Attischen Urkunde über das Vermögen des Apollinischen Heilmsthumssauf Delos sen ....00.e0neaueneenn.eimieeee sneneneee Seite 1 IDELER über die Reduction ägyptischer Data aus den Zeiten der Ptolemäer....... = el, BrANDIs über die Aristotelische Metaphysik (erste Hälfte) ......2seeseneesenen- - 63 Eıcunorn über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts.......... - 89 VLEVEZOW über die Ächtheit der sogenannten Öbotritischen Runendenkmäler zu Neu Strelitz. sa... Cents a ae a ernennen - 443 mm mn un nn Jahr 1834. nn D ie öffentliche Sitzung der Königlichen Akademie der Wissen- schaften am 30. Januar, zur Feier des Jahrestages Friedrichs des Zweiten, wurde durch die Gegenwart Sr. Königl. Hoheit des Kronprinzen verherrlicht. Nach der Eröffnung derselben durch den vorsitzenden Sekreiar Herrn Encke, las Herr von Savigny eine Abhandlung über das altrömische Schuldrecht, und Herr Hoffmann eine Einleitung zu einer Revision der Sterblichkeits-Gesetze. Die öffentliche Sitzung der Königlichen Akademie der Wissen- schaften, welche am 3. Julius zum Andenken an ihren Stifter Leibnitz gehalten wurde, eröffnete der vorsitzende Sekretar Herr Encke. Eine Preisvertheilung fand dieses Mal nicht statt, da die laufenden Preisaufgaben über das Alexandrinische Museum und über den Bielaschen Gometen erst in den Jahren 1835 und 1836 zur Entscheidung kommen werden. Die philosophisch - historische Klasse stellte eine Preisfrage auf, die Geschichte der innern Verhältnisse der Brandenburgisch- Preufsischen Staaten unter dem grofsen Churfürsten und den Königen Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. betreffend, über deren Bearbeitung ein ausführliches Programm das Nähere enthält. Der Termin der Einsendung, unter den herkömm- lichen Formen, ist der 1. März 1836, der Preis 50 Dukaten. Zum u Schlusse der Sitzung las Herr Ranke den zweiten Theil seiner Ab- handlung: zur Geschichte der italienischen Poesie. Die öffentliche Sitzung der Königl. Akademie der Wissen- schaften am 7. August zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Königs eröffnete der vorsitzende Sekretar der physikalischen Klasse Herr Erman. Hierauf las Herr Ehrenberg eine Abhandlung über das Leuchten des Meeres, in welcher nach einer Zusammenstellung alles bisher Bekannten, neue eigene Beobachtungen über diese Er- scheinung mitgetheilt wurden. Die Akademie hat von dem Dr. Corda in Prag 18 Tafeln Abbildungen aus der Physiologie der Cicadeen für den Preis von 500 Rthlr. angekauft. Dem Geh. Reg. Rath Böckh sind aufs neue für die Redac- tion des Corpus Inscriplionum Graecarum für 1834 400 Riılr. und zur Anfertigung eines Registers 50 Rthlr. bewilligt worden. Der Professor Brandis in Bonn hat für seine Bearbeitung der Commentatoren des Aristoteles von der Akademie auf das Jahr 1834 eine Gratification von 300 Rthlr. erhalten. Von dem Grafen von Redern ist eine Electrisirmaschine für den Preis von 336 Rthlr. angekauft worden. III Dem Reg. Rath Professor Graff ist zur Herausgabe seines althochdeutschen Sprachschatzes von der Akademie eine Unter- stützung von 200 Rthlr. gewährt. Zu dem von der Königl. Bibliothek hierselbst beabsichtigten Ankauf der Sanskrit-Handschrift des Maha-Bharata, welche Herr Graves Haughton in London besitzt, hat die Akademie einen Zuschufs von 350 Rthlr. bewilligt. Der Geh. Ob. Baurath Crelle hat zur Bestreitung der Ko- sten für die fortgesetzte Berechnung der Primzahlen von der Aka- demie eine Unterstützung von 100 Rthlr. erhalten. Dem Apotheker Kützing in Eilenburg wurde eine Unter- stützung von 200 Rıhlr. bewilligt, zum Behufe einer botanischen Reise nach dem Littorale, welche insbesondere die Untersuchung und Sammlung der Algen bezweckt. Im Jahr 1834 sind ernannt worden zum Sekretar der philosophisch -historischen Klasse: Herr Böckh. zu ordentlichen Mitgliedern der physikalisch - mathemati- schen Klasse: Herr Joh. Müller. - Gustav Rose. - Jacob Steiner. zum auswärtigen Mitgliede der physikalisch-mathematischen Klasse: Herr Robert Brown in London, bisheriger CGorrespon- dent dieser Klasse. zu Correspondenten der physikalisch-mathematischen Klasse: Herr von Baer in St. Petersburg. - Raithke in Dorpat. - Hooker in Glasgow. - Lindley in London. - L.C. Treviranus in Bonn. - Fuchs in München. - C.G. Gmelin in Tübingen. - W.E. Weber in Göttingen. - von Schlechtendal ın Halle. - Jug. de Saint-Hilaire in Paris. - Gaudichaud in Paris. - Tisors in London. - Biddel Airy in Cambridge. - Chevreul in Paris. - J. Dumas in Parıs. zu Correspondenten der philosophisch -historischen Klasse: Herr Zosellini in Pisa. - Reuvens in Leyden. - Rosen in London. - von Frähn in St. Petersburg. Gestorben sind im Jahre 1834: Herr Sehleiermacher, ordentliches Mitglied der philosophisch- historischen Klasse und Sekretar derselben. - Pohl in Wien, - DBürg in Wien, Correspondenten der physikalisch - mathematischen Klasse. ——u— nn man Verzeichnifs der Mitglieder und Correspondenten der December 1834. anna I. Ordentliche Mitglieder. Physikalisch-mathematische Klasse. Herr Grüson. Hufeland. Alexander v. Humboldt. Eytelwein, Veteran. v. Buch. Erman, Veteran. Sekretar. Lichtenstein. Weiß. Link. Mitscherlich. Karsten. Encke, Sekreuar. Herr Dirksen. Poselger. Ehrenberg. Crelle. Horkel. K lug. Kunth. Dirichlet. H. Rose. Miller. G. Rose. ‚Steiner. Philosophisch-historische Klasse. Hirt, Veteran. Ancillon, Veteran. Wilhelm v. Humboldt, Veteran. Uhden. Ideler. v. Sayigny. Döckh, Sekretar. Bekker. Wilken, Sekretar. C. Ritter. Herr Bopp. v. Raumer. Deineke. Lachmann. Hoffmann. Eichhorn. Ranke. Levezow. Graf. Akademie. vn li. Auswärtige Mitglieder. Physikalisch-mathematische Klasse. Herr Arago in Paris. Herr Gaufs in Göttingen. - Berzelius in Stockholm. - Jussieu in Paris. - Bessel in Königsberg. - van Marum in Haarlem. - Blumenbach in Göttingen. - Olbers in Bremen. - Robert Brown in London. - Poisson in Paris. Philosophisch-historische Klasse. Herr Cousin in Paris. Herr Lobeck in Königsberg. - Jacob Grimm in Göttingen. - H. Ritter in Kiel. - Heeren in Göttingen. - Silvestre de Sacy in Paris. - Gottfried Hermann in Leipzig. - w. Schelling in München. - Jacobs in Gotha. - A.W.w. Schlegel in Bonn. - Letronne in Paris. III. Ehren-Mitglieder. Herr C. F. S. Freih. Stein vom Altenstein Herr Lhuilier in Genf. in Berlin. - w. Lindenau in Dresden. - Imbert Delonnes in Paris. - Gen. Lieut. Freih. v. Minutol in - FWilliam Gell in London. Berlin. - FYilliam Hamilton in London. - Gen. Lieut. Freih. ®. Müffling in - ©. Hisinger auf Skinskatteberg bei Münster. Köping in Schweden. - Prevost in Genf. - Graf vw. Hoffmansegg in Dresden. - C. Graf v. Sternberg in Prag. - I.F.Freih. v. Jacquin in Wien. - Stromeyer in Göttingen. - Colonel Zeake in London. IV. CGorrespondenten. Für die physikalisch-mathematische Klasse. Herr Accum in Berlin. Herr Elie de Beaumont in Paris. - Biddel Airy in Cambridge. - P. Berthier in Paris. - Ampere in Paris. - Biot in Paris. - ®v. dutenrieth in Tübingen. - Brera in Padua. - v. Baer in St. Petersburg. - Brewster in Edinburgh. Herr Brongniart in Paris. de Candolle in Genf. Carlini in Mailand. Carus in Dresden. Chevreul in Paris. Configliacchi in Pavia. Dalton in Manchester. Dulong in Paris. J. Dumas in Paris. Faraday in London. F.E.L. Fischer in St. Petersburg. Gotthelf Fischer in Moskau. Flauti in Neapel. Florman in Lund. Freiesleben in Freiberg. Fuchs in München. Gaudichaud in Paris. Gay-Lussac in Paris. Gergonne in Montpellier. C. G. Gmelin in Tübingen. L. Gmelin in Heidelberg. Hansen in Seeberg bei Gotha. Hansteen in Christiania. Hausmann in Göttingen. Herschel in Slough bei Windsor. Hooker in Glasgow. C. G. J. Jacobi in Königsberg. Jameson in Edinburgh. Ivory in London. Kielmeyer in Stuttgard. v. Krusenstern in St. Petersburg. Larrey in Paris. v. Ledebour in Dorpat. Liebig in Gielsen. Graf Libri in Paris. Lindley in London. v. Martius in München. Möbius in Leipzig. Mohs in Wien. IX Herr v. Moll in Dachau bei München. van Dlons in Löwen. F. E. Neumann in Königsberg. Nitzsch in Halle. Oersted in Kopenhagen. v. Olfers in Berlin. Otto ın Breslau. Pfaff in Kiel. Plana in Turin. Poncelet in Metz. de Pontecoulant in Paris. de Prony in Paris. Purkinje in Breslau. Quetelet in Brüssel. Rathke in Dorpat. Aug. de Saint-Hilaire in Paris. I. C. Sayigny in Paris. v. Schlechtendal in Halle. Schrader in Göttingen. Schumacher in Altona. Marcel de Serres in Montpellier. v. Stephan in St. Petersburg. v. Struve in Dorpat. Tenore in Neapel. Thenard in Paris, Tiedemann in Heidelberg. Tilesius in Mühlhausen. G. R. Treviranus in Bremen. L. C. Treviranus in Bonn. Trommsdorff in Erfurt. Figors in London. Wahlenberg in Upsala. FMWallich in Calcutta. E. H.Veber in Leipzig. IW.E.IWVeber in Göttingen. FViedemann in Kiel. FWöhler in Cassel. /Voltmann in Hamburg. Für die philosophisch-historische Klasse. Herr Avellino in Neapel. Beigel in Dresden. Böttiger in Dresden. Brandis in Bonn. Bröndsted in Kopenhagen. Cattaneo in Mailand. Herr v. Hammer in Wien. de Chambray in Pougues im Dep. - de la Nievre. Graf Clarac in Paris. Constantinus Oeconomus zur Zeit in - Wien. Degerando in Paris. Delbrück in Bonn. vw. Frähn in St. Petersburg. Freytag in Bonn. a Fries in Jena. Del Furia in Florenz. Gerhard in Berlin. Gesenius in Halle. Göschen in Göttingen. Filh. Grinm in Göttingen. Halma in Paris. Hamaker in Leyden. Hase ın Paris. van Heusde in Utrecht. v. Hormayr in München. Jomard in Paris. v. Köhler in St. Petersburg. Kosegarten in Greifswald. Kumas in Smyrna. vw. Lang in Ansbach. Linde in Warschau. Mai in Rom. Meier in Halle. K. 0. Miller in Göttingen. Mustoxidi in Corfu. C. F. Neumann in München. Et. Quatremere in Paris. Raoul-Rochette in Paris. Reuyens in Leyden. Rosellini in Pisa. Rosen in London. Schömann in Greifswald. Simonde-Sismondi in Genf. Thiersch in München. nn nn a Abhandlungen der physikalisch-mathematischen Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 2a Aus dem Jahre 1894; a.anaannaananonnnnnenataernen. Berlin. Gedruckt in der Druckerei der Königl. Akademie der Wissenschaften. 1830. In Commission bei F. Dümmler. a an m hersel:l A age bes: - al: i nl= ul PR A en ar le; ee pe ALT n te BOREERED ET ES0 15 EEE ET I 2 zn Vai ı sh) 5 H fs Be Ir $ N a iD ra rem Aw. neischnaa / ab ann wi is u Ir Ben . a f % ha h, FR { 1 nr = ni . “ Erz 2, -_- ars PPuR ug = Pe IE u El; . mer 8 ur { dam ls EI OLE ae e u Av KURSE , a R der . re . Encharbt, nano KARSTEN über die chemische Verbindung der Körper (vierte Abhandlung: die chemische Wahlverwandtschaft) ..... EEE ee Aa GRELEE- Zur Theorie der Ebenenssre. es erstellen riesen serie ee eeeiere MÜLLER: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, der Cyclostomen mit durch- bohrtem Gaumen (erster Theil: Osteologie und Myologie) ..... POSELGER über das zehnte Buch der Elemente des Euklides .........222use00 0. Link über den Bau der Farrnkräuter (erste Abhandlung) ..... ADLHSE SC OR, ENcKE über die Formeln für die Variation der Constanten bei den planetarischen StONUNBSTECHNUNGEN = ale ne nee sehn een anae Eee: EHRENBERG: Das Leuchten des Meeres. Neue Beobachtungen nebst Übersicht der Hauptmomente der geschichtlichen Entwicklung dieses merkwür- digen Phänomens ...... EDER OBER ORT DirKsEN über die Darstellbarkeit der Wurzeln einer allgemeinen algebraischen Gleichung mittelst expliciter algebraischer Ausdrücke von den Goefheienteniee es el ee neleiele here Ara arte ereleleretd,vrieieieie Weıss über das Gypssystem (Nachtrag zu der Abhandl. über dasselbe vom J. 1821.) LEJEUNE - DIRICHLET: Einige neue Sätze über unbestimmte Gleichungen ........ EHRENBERG: Beobachtung einer bisher unbekannten auffallenden Structur des Seelen- organs bei Menschen und Thieren........oecesseresnereoneere H. Rose über das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak .......... ORT ern Derselbe über das wasserfreie schwellichtsaure Ammoniak „sus seeesnenesenn nn TREVIRANUS: De Aldrovandae vesiculosae et Mesembryanthemi foliorum structura . ———aanaunn Seite 1 23 341 375 389 411 577 623 649 665 723 737 747 s Über die chemische V erbindung der Körper. Vierte Abhandlung. Die chemische Wahlverwandtschaft. v2 Von H”- KARSTEN. nrırinnirrUitid [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 13. Februar 1834.] Bis Mischungszustände einer flüssigen Mischung pflegt man durch be- sondere Benennungen zu unterscheiden, um dadurch das Verhältnifs anzu- deuten, in welchem sich die Körper in der Mischung befinden. Mit dem Namen Sättigung und Neutralität verbindet man Begriffe von gewissen Mischungsverhältnissen, ohne sie jedoch in der Anwendung scharf von ein- ander getrennt zu halten. Der Begriff von Sättigung scheint zwar ein sehr bestimmter zu sein, indem er auf den Zustand der Mischung angewendet wird, in welchem der flüssige Körper (das Auflösungsmittel) nicht weiter auf den aufzulösenden starren Körper einwirkt; allein man bedient sich des Ausdrucks auch häufig, um den neutralen Zustand der Mischung zu bezeich- & und Neutralität würde 8 aufhören, wenn man sich darüber vereinigte, den ersteren nur auf flüssige nen. Die Verwechselung der Begriffe von Sättigun Mischungen nach unbestimmten Verhältnissen, und den letztern auf denje- nigen Zustand der Mischung anzuwenden, in welchem daraus, nach Entfer- nung des Auflösungsmittels, eine Art, d.h. ein nach bestimmten und unab- änderlichen Verhältnissen zusammengesetzter Körper abgeschieden wird. Der Begriff von Neutralität würde zu beschränkt sein, wenn er nur auf ein einziges Sättigungsverhältnifs der in der Mischung befindlich gewesenen Kör- per, nämlich auf dasjenige bezogen wird, bei welchem durch die Verbin- dung von Basen und Säuren Arten gebildet werden, welche in einigen Fällen Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. A 2 KARrsSTEn die Eigenschaft besitzen, die den Basen und Säuren im unverbundenen Zu- stande zukommende Reaction auf gewisse Pflanzenpigmente nicht mehr zu äufsern. Oft ist dieses Sättigungsverhältnifs wirklich erreicht, ohne dafs es an jenem Kriterium erkannt werden könnte, weshalb dasselbe gar nicht we- sentlich zum Begriff einer neutralen Mischung gehört. Deshalb mufs der Begriff von Neutralität auf alle diejenigen Sättigungsverhältnisse der flüssi- gen Mischung ausgedehnt werden, bei welchen, nach der Entfernung des Auflösungsmittels, irgend eine bestimmte Art erhalten wird. Befinden sich z.B. in einer Mischung Kali und Schwefelsäure in einem solchen Verhältnifs zu einander, dafs sich daraus saures schwefelsaures Kali, ohne Überschufs von Säure oder Base absondert, so wird man die flüssige Mischung aus dem- selben Grunde neutral nennen müssen, aus welchem ihr diese Benennung für den Fall zukommt, wenn sie Schwefelsäure und Kali in solchem Ver- hältnisse enthält, dafs beim Verflüchtigen des Wassers schwefelsaures Kali gebildet wird. Soll nämlich der Begriff von Neutralität nur auf ein be- stimmtes Mischungsverhältnifs aus dem Grunde bezogen werden, weil dies das einzige ist, bei welchem gewisse Reactionen auf Pflanzenpigmente auf- hören; so würde sich die Mehrzahl der Basen mit den Säuren gar nicht zu solchen Verbindungen vereinigen, welche auf die Benennung einer neutra- len Verbindung Anspruch machen könnte. Ebenso ist es nur zufolge eines eingeführten Sprachgebrauchs, dafs man die Begriffe von Sättigung und Neutralität in solchen Fällen für gleich- bedeutend halten zu dürfen glaubt, wenn die Mischung zwischen Körpern vorgeht, von denen der eine im Wasser unauflöslich ist. Man überträgt den Begriff von Sättigung auf den Zustand der Mischung, welchen man den neu- tralen nennen sollte, weil zufällig der Neutralisationspunkt der Mischung mit dem Mischungszustande zusammenfällt, in welchem von dem starren Körper, wegen seiner Unauflöslichkeit im Wasser, nichts mehr in den flüssi- gen Zustand übergeführt werden kann. Wenn z.B. Bleioxyd in Essigsäure aufgelöst wird, so sagt man, die Säure sei mit Bleioxyd gesättigt, sobald die Flüssigkeit kein Oxyd mehr aufnimmt. Weil aber dieser Zustand der Mischung, wegen der Unauflöslichkeit des Bleioxyds im Wasser, von dem neutralen Zustande derselben nicht verschieden ist, indem keine Verände- rung der Temperatur, vom Gefrier- bis zum Siedepunkt der Mischung, eine Veränderung der Mischungsverhältnisse zwischen der Säure und dem Oxyd, über die chemische Verbindung der Körper. 3 — insofern sich nicht dann ganz neue Arten bilden, — hervorzubringen vermag, so befindet sich die Mischung nicht in einem gesättigten, sondern im neutralen Zustande. Die Säure als Auflösungsmittel steht zwar zu dem Oxyd, als dem aufzulösenden starren Körper, scheinbar in demselben Ver- hältnifs wie das Wasser oder irgend eine andere Flüssigkeit zu den darin auf- lösbaren starren Körpern, wenn jene das Maximum von diesen aufgenom- men haben; allein es findet zwischen beiden Mischungen der wesentliche Unterschied statt, dafs der Neutralisationspunkt von der Temperatur ganz unabhängig bleibt, während sich der Sättigungsgunkt stets nach der Tempe- ratur richtet. Eine flüssige Mischung, in welcher die Essigsäure so viel Blei- oxyd aufgenommen hat, als sie aufzulösen vermag, ist daher zwar eine neu- trale, aber nicht nothwendig auch eine gesättigte Mischung, weil sie noch gröfsere und ganz von der Temperatur abhängige Quantitäten von essigsau- rem Bleioxyd aufzunehmen vermag. Eben so ungenau wie in dem erörterten Fall, wenn der aufzulösende Körper im Wasser unauflöslich ist, bleibt auch die Anwendung des Begriffes von Sättigung auf die neutralen Zustände der Mischung bei den im Wasser auflöslichen Körpern. Wird z.B. eine wäfs- rige Auflösung von kohlensaurem Kali in Salpetersäure getröpfelt, so ist es eine Verwechselung der Begriffe von Neutralität und Sättigung, wenn man den eintretenden Zustand der Neutralität den Zustand der Sättigung der Mi- schung nennt. Der Begriff von Sättigung kann folglich nur auf denjenigen Zustand der nach unbestimmten Verhältnissen erfolgenden Mischungen an- gewendet werden, bei welchem das Minimum des flüssigen mit dem Maximo des starren Körpers für eine gegebene und bestimmte Temperatur verbun- den ist. Jede neutrale oder nicht neutrale Mischung bleibt, so lange sie sich im flüssigen Zustande befindet, eine chemische Verbindung nach unbestimm- ten Verhältnissen, in Beziehung auf die Flüssigkeit, welche ihr als Auflö- sungsmittel dient. Die Absonderung der Arter aus einer flüssigen Mischung kann nur dann erfolgen, wenn der Sättigungspunkt entweder durch plötz- liche Temperaturveränderungen, oder durch allmälige Verminderung des Auflösungsmittels überschritten wird. Wenn es nun die Erfahrung ganz allgemein bestätigt, dafs sich, sobald dieser Sättigungspunkt überschrit- ten ist, aus den nicht neutralen gerade ebenso wie aus den neutralen Mi- schungen, jederzeit nur Arten absondern, das Mischungsverhältnifs mag für A2 4 KARrsSTEn den einen Körper so überwiegend grofs und für den andern Körper so über- wiegend klein sein, als es nur immer gedacht werden mag; so kann dieser Erfolg nicht die Wirkung der chemischen Verwandtschaft, sondern er mufs nothwendig die Wirkung einer Kraft sein, durch welche die Art gebildet und von dem übrigen Bestandtheile der Mischung isolirt wird. Befänden sich z.B. eine Säure 4 und eine Base 3 in einem der Neutralität nicht an- gemessenen Verhältnifs in der flüssigen Mischung, so würde man, wenn sich die chemische Verwandtschaftskraft nur allein wirksam zeigte, nach der Ent- fernung des Auflösungsmittels einen Körper 4-+ B erhalten müssen. Son- dert sich aber 4 nur in Verbindung mit so viel 3 ab, als die Natur der Art fordert, und bleibt die überflüssige Menge von B dabei ganz unwirksam; so würde es ungereimt sein, nur derjenigen Quantität von B, welche mit 4 die Art bildet, eine chemische Verwandtschaft zu 4 zuzugestehen und sie dem unverbunden bleibenden Antheil von 3 abzusprechen. Es ist daher auch für den angeführten Fall niemals im Ernst behauptet worden, dafs die, von dem Verhältnifs der Körper 4 und B in der Mischung gar nicht abhän- gige Bildung der Art, dadurch veranlafst werde, dafs sich die chemische Verwandtschaft von 4 zu B nur auf eine gewisse Quantität von B erstreckt und dafs der überflüssige Theil von 2 als nicht vorhanden zu betrachten sei. Daraus folgt aber, dafs die Bildung der Art von dem chemischen Prozefs unmittelbar gar nicht abhängig ist. Wird nun die Bildung der Art aus einer nicht neutralen Mischung 4 und 2, nicht durch die chemische Verwandt- schaft von 4 zu einem gewissen Theil von 3 bedingt, so kann aus demsel- ben Grunde auch die Bildung der Art aus einer flüssigen Mischung, in wel- cher sich, statt der überschüssigen Menge von 3, eine Quantität von irgend einer andern Base C befindet, ebenfalls nicht der chemischen Verwandt- schaftskraft zugeschrieben werden, sondern diese Absonderung wird eben- falls der Erfolg einer Kraft sein, durch welche sich aus Mischungen nach unbestimmten Verhältnissen unter den dazu günstigen Umständen immer nur Arten absondern. Diese Betrachtung mufs dann nothwendig auch auf den Fall ausgedehnt werden, in welchem aus einer flüssigen Mischung, ohne Temperaturveränderung und ohne Entfernung des Auflösungsmittels, durch Hinzufügung irgend einer Säure oder Base C, sogleich eine bestimmte Art abgesondert, oder, wie man zu sagen pflegt, niedergeschlagen wird. Ob die sich darstellende Art die Säure 4, oder die Base 3, oder eine Verbin- über die chemische Verbindung der Körper. 5 dung von beiden, oder eine Verbindung von 4 mit C, oder von B mit C sei, wird von dem Wesen der sich bildenden Art abhängig sein, aber nicht als die Wirkung der chemischen Verwandtschaftskraft angesehen werden können. Die sogenannte Wahlverwandtschaft oder die nähere (gröfsere) chemi- sche Verwandtschaft ist folglich eine der chemischen Verwandtschaftskraft widerstrebende Kraft, durch welche Arten aus flüssigen Mischungen gebildet werden. Weil die chemischen Prozesse sich sämmtlich auf die Erfolge der Wahlverwandtschaft d.h. auf die Gesetze zurückführen lassen, nach welchen unter bestimmten Verhältnissen die Bildung der Arten aus neutralen oder nicht neutralen Mischungen erfolgt; so ist in der nur allein durch die Erfah- rung zu erlangenden Kenntnifs des Gesetzes von welchem die Natur der sich bildenden Arten abhängt, der ganze Schatz unserer chemischen Kenntnisse enthalten. Mag man die Ursache, welche dem aufgefundenen Gesetz zum Grunde liegt, mit dem Ausdruck: Wahlverwandtschaft oder nähere Ver- wandtschaft bezeichnen, oder mag man darin die Wirkung einer besonderen Bildungskraft erkennen, immer wird man darin einig sein müssen, dafs che- mische Verwandtschaft und Wahlverwandtschaft nicht Wirkungen einer und derselben Kraft sein können, denn es nicht überflüssig noch einmal zu wie- derholen, dafs durch die Kraft der chemischen Verwandtschaft die unorga- nische Art vernichtet wird, und dafs sie durch die Kraft, welche man die Wahlverwandtschaft genannt hat, ihr Dasein erhält. Wäre die Wahlverwandtschaft eine Wirkung der chemischen Affinität überhaupt, so würde es vergeblich sein, nach einem Gesetz für diese Wir- kung zu forschen, weil jede Veränderung in den Quantitäten der auf einan- der wirkenden Körper, den Erfolg des Prozesses nothwendig modificiren, in vielen Fällen sogar völlig umkehren müfste. Ungeachtet aber zu Gunsten der Ansicht, dafs die Quantitätsverhältnisse der Körper einen Einflufs auf die Natur der sich ausscheidenden Arten äufsern, noch kein einziges Beispiel g würde 8 dazu schon hinreichend sein, — so ist das Gesetz nach welchem die Abson- bekannt geworden ist, — denn eine einzige zuverlässige Erfahrun derung der Arten aus den flüssigen Mischungen erfolgt, doch durchaus kein so allgemeines, dafs es sich für die verschiedenen Abtheilungen, in welche man die Körper nach der Verschiedenheit ihres chemischen Verhaltens zur Erleichterung der Übersicht gebracht hat, stets in gleicher Weise wieder er- 6 Karsten kennen liefse. Die eigenthümliche Natur eines jeden Körpers wird vielmehr vorzugsweise gerade daran erkannt, dafs er in Verbindung mit anderen Kör- pern für die Bildung der Arten nicht immer denselben Gesetzen, wie ein anderer Körper aus derselben Abtheilung unterworfen ist. Es wird daher nothwendig, jenes Gesetz für jeden einzelnen Körper aufzusuchen, den man bis jetzt noch für einen einfachen anzusehen genöthigt ist. Dadurch erhal- ten die Untersuchungen zur Ausmittelung des Gesetzes, wornach die Bildung der Arten erfolgt, einen fast unendlich grofsen Umfang, und es nicht zu be- zweifeln dafs bis jetzt nur der kleinste Theil von den wirklich darstellbaren Arten bekannt geworden ist. Diese Bildung der Arten aus flüssigen Mischun- gen erfolgt aber immer unter besonderen Umständen, von denen man anzu- nehmen pflegt, dafs es sich oft nicht mit Zuverlässigkeit entscheiden lasse, ob sie den Erfolg unmittelbar bedingen oder nur modificiren. Die letzte Annahme wird jedoch selbst nicht einmal auf die Fälle anzuwenden sein, wo einer von den Körpern, bei dem in dem Augenblick der Einwirkung statt- findenden Luftdruck und Temperatur, aus dem Wirkungskreise entweicht. Dieser Erfolg ist nämlich in der Natur der entstehenden Art gegründet, und eben deshalb ein ganz nothwendiger, also das Gesetz selbst, welches gesucht wird. Daraus folgt, dafs nur eine einzige Ausnahme von dem Gesetz als möglich gedacht werden kann, nämlich die der sogenannten reciprocen Ver- wandtschaft, in so fern die Erfahrung ergeben sollte, dafs sich der Erfolg bei der Aussonderung der Arten, durch veränderte Quantitätsverhältnisse der auf einander wirkenden Körper, vollständig umkehren lasse, ohne in dem Prozefs selbst einen genügenden Grund für eine solche Anomalie aufzufinden. Auf diesen Umstand allein können daher die Untersuchungen über die Er- folge der sogenannten Wahlverwandtschaft nur gerichtet sein. Um die Wir- kungen der Wahlverwandtschaft leichter übersehen und daraus ein, wie man anfänglich glaubte, allgemeines Gesetz herleiten zu können, hat man in der Hauptsache zwei Arten von Wahlverwandtschaft, die einfache und die dop- pelte oder zusammengesetzte unterschieden. Die Annahme einer prädispo- nirenden und einer neu erzeugten Verwandtschaft hat niemals einen allge- meinen Beifall erhalten, weil die Erfolge sich nur auf besondere Fälle be- ziehen, die eine genügendere Erklärung in der seitdem näher bekannt ge- wordenen Natur der Körper auf welche sie angewendet wurden, gefunden haben. Unter der einfachen Wahlverwandtschaft verstehe ich aber das Ge- über die chemische Verbindung der Körper. 7 setz nach welchem die Bildung der Art aus einer nicht neutralen, und unter der doppelten oder zusammengesetzten Wahlverwandtschaft das Ge- setz, nach welchem die Bildung der Art aus einer neutralen Mischung erfolgt, und es scheint, dafs in dieser Erklärung zugleich der Begriff, den man sich von der Wirkung der Wahlverwandtschaft überhaupt zu machen habe, klar und vollständig enthalten ist. Die Erfolge, welche durch die Wirkungen der einfachen Wahlver- wandtschaft hervorgebracht werden, müssen, wegen des stärkeren chemi- schen Gegensatzes der auf einander einwirkenden Körper, nothwendig zu einem übersichtlicheren und mehr entscheidenden Resultat führen als dieje- nigen Erfolge, welche neutrale Mischungen darbieten. Bei nicht neutralen Mischungen würde folglich der Einflufs der Quantitätsverhältnisse und die dadurch zu bewirkende Reciproeität der Verwandtschaften vorzüglich erkannt werden können, und dennoch läfst sich nicht eine einzige zuverlässige Er- fahrung dafür anführen. Ohne Zweifel hat dieses merkwürdige Verhalten der Körper die früheren Chemiker veranlafst, die Verwandtschaft als eine absolute, jedem Körper in einem bestimmten Grade der Stärke beiwoh- nende Kraft anzusehen, und aus dieser Kraft die Erscheinungen bei der Zer- setzung flüssiger Mischungen abzuleiten. Eine nothwendige Folge dieser Annahme war dann, dafs der Körper 4 genau dieselbe Ordnung in der Reihe der Verwandtschaften wie der Körper 2 befolgen, oder dafs die für den Körper 4 aufgefundene Reihenfolge in der Verwandtschaft, für alle Kör- per derselben Art gültig sein mufs. Wie sehr man von der Richtigkeit die- ser Voraussetzung überzeugt war, beweisen die bekannten Verwandtschafts- tafeln. Einzelne, der Voraussetzung widersprechende Erfahrungen wurden in die Tafeln als Anomalien, oder als Ausnahmen von dem aufgefundenen allgemeinen Gesetz eingetragen. Wenn man auf diese Weise jedem Körper eine gewisse, nach Maafs und Zahl bestimmbare Gröfse der Verwandtschafts- kraft beilegte, so hatte man in der That übersehen, dafs diese Gröfse keine constante, sondern eine nach der Menge des Körpers veränderliche sein mufste. Es ist bekannt, dafs Berthollet hierauf zuerst aufmerksam machte und dafs er durch das von ihm eingeführte chemische Massenverhältnifs, nämlich durch das Produkt aus der Verwandtschaftskraft mit der Menge des Körpers, einen Theil derjenigen Erscheinungen zu erklären bemüht war, welche man bis dahin als zufällige Abweichungen in der Folgeordnung der 8 KARSTEN Verwandtschaften betrachtet hatte. Kohäsionskraft, Elastieität, Efflorescenz, und in einigen Fällen das Wasser als Auflösungsmittel, dienten ihm ferner als Kräfte, welche sich den Wirkungen der Verwandtschaftskraft widersetzen. Berthollet’s Untersuchungen waren sehr geeignet grofse Zweifel über die bis dahin angenommene Unveränderlichkeit in den Erfolgen der Verwandt- schaftskräfte der Körper anzuregen, allein sie gaben für das angefochtene Gesetz kein anderes, dessen man sich mit Zuverlässigkeit als eines Führers zur Erklärung der Verwandtschaftserfolge hätte bedienen können. Über- haupt konnten aber diese Untersuchungen den Standpunkt der Wissenschaft wesentlich nicht verändern; denn auch Berthollet betrachtet, gleich seinen Vorgängern, die einem jeden Körper zukommende Verwandtschaftskraft als den ersten und wahren Grund aller Erscheinungen, welche die Körper bei ihrer Einwirkung auf einander darbieten. Das chemische Massenverhältnifs und eine Menge von Kräften, welche der vorausgesetzten Wirkung der Ver- wandtschaftskraft widerstreben, dienten ihm nur als Mittel um die Wirkun- gen der letzteren zu modificiren, also die unerklärt gebliebenen Ausnahmen von dem allgemeinen Gesetz auf bestimmte Ursachen zurückzuführen. Weil aber diese Ursachen mehr oder weniger jederzeit wirksam sind, so liefs sich ein allgemeines Gesetz in der Verwandtschaftsfolge der Körper gar nicht mehr erkennen und man kann daher sagen, dafs durch die von Berthollet zu Hülfe gerufenen modificirenden Kräfte, das Gesetz selbst seine Bestimmung erhalten hat, und dafs die Wirkungen der Verwandtschaftskraft so unterge- ordnet erscheinen, dafs man ihrer zur Erklärung der Verwandtschaftserfolge nur noch dem Namen nach nöthig hatte. Diesen Widerspruch der hypothetisch postulirten Wirkungen einer näheren und entfernteren Verwandtschaftskraft mit den wirklichen Erfolgen bei der Zersetzung nicht neutraler Mischungen, hat man auch später mit wohl nur wenig genügenden Gründen zu heben und zu deuten gesucht. Von dem Augenblick an, als man auf die mit einer gewissen Regelmäfsigkeit wie- derkehrenden Erscheinungen bei den Zerlegungen eines zusammengesetzten, durch einen hinzugefügten dritten Körper aufmerksam geworden war, nahm man als den Grund dieser Erscheinung die Kraft in Anspruch, durch welche eine chemische Verbindung zwischen den Körpern überhaupt zu Stande ge- bracht wird. Die nähere und die entferntere Verwandtschaft, oder die soge- nannte Wahlverwandtschaft, betrachtete man als die Wirkungen eben dieser, über die chemische Ferbindung der Körper. 9 nur dem Grade nach verschiedenen Kraft, und von der Richtigkeit dieser Vorstellung, von welcher auch Berthollet sich nicht trennen konnte, hat man länger als ein Jahrhundert hindurch die Überzeugung behalten. Das chemische Massenverhältnifs ist aber eine so nothwendige Folge von jener Vorstellung, dafs eine nähere und entferntere Verwandtschaft in dem ange- nommenen Sinn nicht vorhanden sein können, wenn sich jenes in seinen Wirkungen nicht überzeugend nachweisen läfst. Die eigentliche Quelle des Irrthums würde folglich, weil jenes Massenverhältnifs in der That nicht er- weisbar ist, immer darin gesucht werden müssen, dafs man in der Wirkung der Kraft, durch welche die Arten aus den Mischungen abgesondert wer- den, ‚glieselbe Kraft erkennen zu dürfen glaubte, vermöge welcher sich die Körper überhaupt chemisch mit einander verbinden. Den allgemein angenommenen Vorstellungen über die Vorgänge bei den Zerlegungen durch einfache Wahlverwandtschaft, liegt im Wesentlichen die Annahme zum Grunde, dafs sich in einer flüssigen Mischung zwei Kör- per B und C mit einander im Kampf über den Besitz des Körpers 4 be- finden. Schon diese Vorstellung steht mit dem Begriff von einer chemi- schen Vereinigung durchaus im Widerspruch und keine Erscheinung deutet auf einen solchen Kampf, vielmehr beweifst die völlige Gleichartigkeit der Mischung eine innige chemische Vereinigung, welche nicht durch dieselbe Kraft, welche 4, B und C vereinigte, wieder aufgehoben werden kann. Die Beschaffenheit der sich aussondernden Arten wird, bei einer gegebenen Beschaffenheit und Menge von 4, B und C, durch die Natur und Eigen- schaften jener Arten selbst bestimmt. Das Gesetz, nach welchem die Ab- sonderung der Art erfolgt, läfst sich aus der Mischung 4-+ B+C so wenig ableiten, dafs durch die Mischung an sich eben so gut die Bedingung zur Bildung eines Körpers 42, als die eines Körpers 4C, oder einer jeden an- dern aus den Körpern 4, B und C möglichen Art gegeben ist. Zuweilen tritt ein solcher Erfolg wirklich ein, und wenn man dann zur Erklärung des- selben die Temperaturverhältnisse oder den Concentrationszustand der Mi- schung als den Grund angiebt, so heifst dies nichts anderes, als auf die eigenthümliche Natur der sich absondernden Art zurückgehen und in dieser, aber nicht in der Mischung, die Ursache ihrer Bildung finden. Sucht man aber den Grund zur Bildung der Arten in der überwiegenden Kraft, mit welcher / von B oder von € angezogen wird, so wird man zu der sonder- Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. B 10 Karsten baren Annahme genöthigt, dafs die Verwandtschafiskraft von Z zu 4 durch die Anwesenheit von C, oder die von C zu 4 durch die Anwesenheit von B, völlig vernichtet wird. Ein Minimum von Baryterde, die in einer tau- sendmal gröfseren Menge von Salpetersäure aufgelöst ist als die neutrale Verbindung erfordert, wird durch so wenig Schwefelsäure als zur Darstel- lung von schwefelsaurer Baryterde nothwendig ist, so vollständig von der Salpetersäure abgesondert, dafs keine Spur davon in der Mischung bleibt. Wollte man nun auch ohne allen Grund der Schwefelsäure eine tausendfach gröfsere Verwandtschaftskraft als der Salpetersäure zur Baryterde beilegen, so würde doch die letztere, wegen der tausendmal gröfseren Menge, mit derselben chemischen Masse wie die Schwefelsäure auf die Baryterde wir- ken, diese würde mit gleichen Kräften von beiden Säuren angezogen wer- den, oder es würde etwa die Hälfte der Baryterde in der Auflösung zurück- bleiben müssen. Vergebens beruft man sich darauf, dafs die Baryterde, wegen der Unauflöslichkeit der schwefelsauren Baryterde, aus dem Wir- kungskreise der Salpetersäure entfernt wird, denn der Niederschlag erfolgt unter den angenommenen Verhältnissen sehr langsam, und in unzählig vie- len Fällen mufs ein flüssiger Körper auf einen starren einwirken, ohne dafs dadurch die chemische Verbindung verhindert wird. Aber die Unauflös- lichkeit der schwefelsauren Baryterde in Salpetersäure kann, bei der gemach- ten Voraussetzung der chemischen Massenwirkung, gar nicht einmal als der Grund des Erfolges angesehen werden, denn es soll nicht erklärt werden, warum die Salpetersäure der schwefelsauren Baryterde durch ihre chemische Masse die Base nicht theilweise zu entziehen vermag, sondern warum die Schwefelsäure die durch die chemische Masse bedingte Wirkung der Salpe- tersäure vollständig vernichtet. Der Erfolg des Prozesses ist also nicht von der chemischen Masse der auf einander wirkenden Körper, sondern von der Natur der sich bildenden Art abhängig, und die Kraft, welche die Arten hervorruft, überwältigt die Kraft, welche eine allgemeine chemische Ver- bindung zu erhalten strebt. Wenn in andern Fällen der Erfolg nicht mit einer so grofsen Bestimmtheit hervortritt, so kann der Grund nicht in dem chemischen Massenverhältnifs, sondern er mufs abermals in der eigenthüm- lichen Natur der sich bildenden Art gesucht werden. Die Absonderung der Arten aus flüssigen Mischungen kann daher nicht die Wirkung einer Ver- wandtschaftskraft sein, welcher man, als einer absoluten Kraft, eine be- über die chemische Verbindung der Körper. AA stimmte Gröfse beilegt, sondern sie ist die Wirkung einer eigenthümlichen Bildungskraft, die der Kraft, mit welcher die chemische Verbindung erfolgt, geradezu entgegen wirkt. Die Untersuchungen über die Folgeordnung, in welcher sich die Kör- per von einem und demselben dritten abscheiden, oder vielmehr in welcher vorzugsweise bestimmt geartete Verbindungen gebildet werden, haben ganz wesentlich dazu beigetragen, die chemischen Eigenschaften der Arten selbst näher kennen zu lernen, und sie gehören noch jetzt so sehr zu den wichtig- sten Gegenständen, mit welchen sich die Chemie beschäftigt, dafs man wohl sagen kann, sie allein sind der Zweck aller wissenschaftlichen chemischen Forschungen. Wenn man aber schon seit Gellert die Nothwendigkeit ein- gesehen hat, die Verwandischaftserfolge auf dem nassen und trockenen Wege zu unterscheiden, so liegt darin das Zugeständnifs, dafs die angenom- mene Verwandtschaftskraft keine absolute Kraft, sondern dafs der Erfolg von der Natur der sich bildenden Arten abhängig ist. Wir wissen indefs, dafs es nicht die Temperatur allein ist, welche über die in jedem einzelnen Fall entstehenden Arten entscheidet, sondern dafs auch der Concentrations- zustand der Flüssigkeit, schnelle oder langsame Entfernung des Auflösungs- mittels und viele andere Umstände von Einflufs sind, so dafs man auch für diese verschiedene Fälle wieder verschiedene Verwandtschaftstafeln entwer- fen müfste, um den Erfolg mit einiger Zuverlässigkeit aus den Tafeln vor- ausbestimmen zu können. Welche Folgerung läfst sich anders daraus zie- hen als die, dafs nicht die Mischung über die Bildung der Arten entschei- det, sondern die Umstände, unter welchen die in der Mischung verbunde- nen Körper auf einander wirken, und dies heifst wieder nichts anderes als dafs es die Natur der sich absondernden Arten selbst ist, durch welche der Erfolg des Prozesses für jeden gegebenen Fall bedingt wird. Will man, wie es in den Lehrbüchern der Chemie wohl geschieht, die Bildung der basischen Verbindungen als Beweise für die chemische Mas- senwirkung anführen, so vergifst man, dafs diese basischen Verbindungen selbst eigenthümliche Arten sind und dafs sehr viele von ihnen sogar als die überzeugendsten Beispiele von dem Nichtvorhandensein der chemischen Mas- senwirkung dienen können, weil das gröfste Übermaafs des sogenannten Fäl- lungsmittels eine vollständige Zersetzung nicht zu bewirken vermag. Ebenso wird durch die Bildung derjenigen Arten, welche unter dem Namen der B2 12 Kırsten sauren Salze bekannt sind, in manchen Fällen die gleichzeitige Bildung an- derer Arten, welche sonst wohl nicht entstanden sein würden, veranlafst oder wenigstens begünstigt. Ob aus einer flüssigen Mischung diese oder jene Art vorzugsweise ge- bildet werden wird, läfst sich ohne Erfahrung nicht entscheiden. Wenn aber das chemische Verhalten der verschiedenen Arten bekannt ist, welche sich aus der Mischung möglicher Weise absondern können, so wird sich der Erfolg, zwar nicht immer, jedoch in vielen Fällen, mit einiger Zuverlässig- keit voraussehen lassen. Die verschiedenen Grade der Auflöslichkeit der darstellbaren Arten in der gegebenen Flüssigkeit, entscheiden fast in der Re- gel über diesen Erfolg, der also abermals nicht in der Natur der Mischung, sondern in der des entstehenden Körpers selbst begründet ist. Bei Mischun- gen, welche die Bildung von Arten zulassen, die in der Auflösbarkeit nicht sehr verschieden sind, ist nur selten ein scharfes Resultat zu erwarten, weil die Kraft, welche die Körper zu einer gemeinschaftlichen chemischen Ver- bindung vereinigt, der Bildungskraft, welche die Art zu isoliren strebt, mit einem gröfseren Erfolge entgegen wirkt. Die Arbeiten der Chemiker wür- den ungemein erleichtert werden, wenn sich die Bildungskraft der allgemei- nen verbindenden Kraft häufiger in einem so überwiegenden Grade entge- gen stellte, dafs sich die entstehenden Arten vollständig und fast augenblick- lich aus der Mischung absonderten; aber nur selten gelingt es der Bildungs- kraft, die Kraft der chemischen Vereinigung, welche man im Gegensatz der Bildungskraft die Mischungskraft nennen kann, vollkommen zu über- wältigen. Die sogenannte Reciprocität der Verwandtschaftserfolge wird in solchen Fällen allerdings eintreten können, wenn die Mischungskraft sehr stark, oder die Bildungskraft wenigstens nicht in einem sehr bedeutenden Grade über- wiegend ist. Diese Reciproeität darf jedoch, wie kaum zu bemerken nöthig ist, nicht so verstanden werden, dafs sich, ohne zureichenden Grund, einmal diese und ein anderes mal jene Art aus einer und derselben Mischung abson- dert, sondern dafs Temperaturverhältnisse und Concentrationszustände der Mischung hier die Absonderung dieser und dort jener Art vorzüglich begün- stigen. Bleiben alle Verhältnisse durchaus dieselben, so werden sich auch nothwendig immer dieselben Arten absondern, und in diesem Sinne ist die Annahme einer Reciprocität der Verwandtschaftserfolge durchaus unzulässig. über die chemische Verbindung der Körper. 13 Dafs, unter übrigens ganz gleichen Umständen, die Beschaffenheit der aus einer Mischung sich absondernden Art, von den Quantitätsverhältnissen der auf einander wirkenden Körper abhängig wäre, davon ist kein Beispiel bekannt. Der besondere Fall wo ein basisches Salz ausgeschieden wird, wenn das sogenannte Fällungsmittel den Neutralisationspunkt der Mischung nicht überschreitet, und wo eine andere Art sich isolirt, wenn man das Fäl- lungsmittel in gröfserer Menge anwendet, kann nicht für ein solches Beispiel gelten, indem derselbe Körper C zuerst auf die in der Mischung befindliche Verbindung + BD, und dann auf die schon abgesonderte und neu entstan- dene Art + ıB einwirkt. In beiden Fällen verbindet sich C mit 2, und die sich aussondernde Art /+ —B kann nur dann vernichtet werden, wenn überhaupt noch C vorhanden und nicht in die Mischung 2 ++ C übergegan- gen ist. Ganz anders würde die Erscheinung sein, wenn das zu der neutra- len Mischung 4 + B hinzugefügte C, die Absonderung der Art 4, oder auch A-+ - BD, und umgekehrt wieder das zu der neutralen Mischung 3 + € hin- zugefügte 4, unter gleichen Umständen die Absonderung der Art C oder C+ +B zu bewirken vermögte, so dafs 3 einmal von 4 durch C, und dann wieder von C durch 4 geschieden wird. Dieser Erfolg würde mit demjeni- gen übereinstimmen, nach welchem man voraussetzt, dafs sich die Körper 4 und C, in einer nicht neutralen Mischung von 4, B und C, in welcher nur so viel 4 oder auch nur so viel C vorhanden ist, als 3 zur Neutralisa- tion, d.h. zur Bildung einer Art 42 oder CR erfordert, im Verhältnifs des ihnen zukommenden chemischen Massenverhältnisses in 2 theilen. Es kom- men zwar Beispiele von einem solchen Verhalten wirklich vor, indefs liegen denselben dann besondere Ursachen zum Grunde, und es läfst sich der be- stimmende Einflufs des sogenannten chemischen Massenverhältnisses auf die Natur und Menge der aus der Mischung sich aussondernden Arten durchaus nicht erweisen. Möglicherweise werden aus einer Mischung, in welcher sich zwei Körper derselben Art, 4 und C, und ein Dritter von entgengesetzter Art B befinden, sehr verschiedenartige Verbindungen abgesondert werden können, in so fern in der Mischung die Bedingung dazu enthalten ist; allein das Bestimmende für die Absonderung bleibt immer die Art selbst, und da- her wird in solchen Fällen, wo eine Reciproeität der Verwandtschaftserfolge statt zu finden scheint, nur die eigenthümliche Natur der sich bildenden Ar- ten über die Ursachen eines solchen Erfolges den Aufschlufs geben können. 14 Karsten Einige ganz bekannte, aber sehr belehrende Beispiele mögen zur Erläute- rung dienen. Löst man chromsaures Kali in verdünnter Salpetersäure auf, so erhält man eine Mischung, aus welcher sich in der gewöhnlichen Temperatur Kry- stalle von Salpeter absondern. Derselbe Erfolg findet statt, wenn salpeter- saures Kali in Chromsäure aufgelöst wird. Die Quantitätsverhältnisse der Chromsäure zum Salpeter haben auf diesen Erfolg also keinen Einflufs. Wenn man daraus geschlossen hat, dafs die Salpetersäure eine gröfsere Ver- wandtschaft zum Kali habe als die Chromsäure, so heifst das eben so viel als dafs sich aus einer nicht neutralen Mischung, welche Kali, Salpetersäure und Chromsäure enthält, immer nur eine und dieselbe Art, nämlich Salpeter aussondert, vorausgesetzt, dafs die Salpetersäure in der zum Neutralisiren des Kali erforderlichen Menge vorhanden ist. Die Mischung wird also nur dadurch heterogen, dafs die Kraft, welche den Salpeter zu bilden strebt, die Mischungskraft überwältigt. — Wird Chlorkalium in verdünnter Salpe- tersäure aufgelöst, so setzen sich aus der Mischung in der gewöhnlichen Tem- peratur nach und nach einige Krystalle von Chlorkalium ab, welche dem- nächst aber verschwinden, so dafs, wenn die Mischung eingetrocknet ist, zuletzt nur Salpeter als Rückstand gefunden wird. Das Chlorkalium ist folg- lich durch die Salpetersäure völlig zersetzt und das Chlor als salzsaures Gas verflüchtigi worden. In erhöheter Temperatur findet die Zersetzung un- gleich schneller statt, aber unter veränderten Erscheinungen. Je höher die Temperatur und je concentrirter die Salpetersäure, desto mehr Säure wird zur vollständigen Zerlegung einer und derselben Quantität Chlorkalium er- fordert, weil in demselben Verhältnifs gröfsere Quantitäten Chlor auf Un- kosten der Salpetersäure gebildet werden. Läfst man eine völlig concen- trirte Salpetersäure in der Siedhitze auf Chlorkalium einwirken, so entbin- det sich nur allein Chlor, und kein salzsaures Gas. In allen Fällen ist der Rückstand Salpeter. Wird umgekehrt Salpeter in Salzsäure aufgelöst, welche nur mit so viel Wasser verdünnt worden ist, dafs die Auflösung des Salpe- ters erfolgen kann, so setzen sich aus der Mischung in der gewöhnlichen Temperatur ebenfalls Krystalle von Chlorkalium ab, welche in grofser Menge zunehmen, sich dann wieder vermindern und zuletzt, wenn die Mischung trocken zu werden anfängt, ganz verschwinden. Untersucht man den völ- lig eingetrockneten Rückstand, so zeigen sich oft nur Spuren von Chlorka- über die chemische Ferbindung der Körper. 15 lium, wenn die Temperatur im Verlauf des ganzen sehr langsam erfolgenden und oft mehrere Wochen erfordernden Prozesses, nicht über + 4 bis 5° ge- stiegen ist. Mit der Menge der angewendeten Salzsäure und mit der Erhö- hung der Temperatur nimmt das Verhältnifs des Chlorkalium zum Salpeter in dem Rückstande zu, und durch wiederholte Aufgüsse von Salzsäure ge- lingt es auch in der gewöhnlichen Temperatur, den Salpeter ganz in Chlor- kalium umzuändern, ein Erfolg, der durch Temperaturerhöhung beschleu- nigt wird. Die Ursache dieser scheinbaren Reciproeität des Verwandtschafts- erfolges ist so bekannt, dafs es überflüssig ist, dabei zu verweilen; aber die Erscheinungen würden kein Anhalten geben, ein zuverlässiges Urtheil dar- über zu fällen, ob man der Salpetersäure oder der Salzsäure eine nähere Verwandtschaft zum Kali beilegen soll, wenn man sich dazu nicht durch die Quantitätsverhältnisse bestimmen liefse, indem bei einer niedrigen Tempe- ratur nur ein geringer Überschufs von Salpetersäure über die zum Neutra- lisiren des Kali erforderliche Menge, zur Umwandlung des Chlorkalium in Salpeter schon hinreicht, wogegen die Salzsäure immer in grofsem Über- maafs angewendet werden mufs, um den Salpeter vollständig zu zerlegen und in Chlorkalium umzuändern. Dieser Annahme einer gröfsern Ver- wandtschaft der Salpetersäure zum Kali widerspricht aber die anfängliche Bildung des Chlorkalium aus den flüssigen Mischungen, sowohl aus der des Chlorkalium mit Salpetersäure, als aus der des Salpeters mit Salzsäure. Wenn daher auch die scheinbare Reciprocität der Verwandtschaftserfolge in der Zerlegung der Salpetersäure durch die Salzsäure eine vollständige und genügende Erklärung findet, so wird doch die allgemein angenommene nä- here Verwandtschaft der Salpetersäure zum Kali wegen der anfänglichen Ausscheidung des Chlorkalium bezweifelt werden müssen, indem die später wieder eintretende Zerlegung des Chlorkalium nur durch die Verflüchtigung und dadurch bewirkte Entfernung der Salzsäure aus dem Wirkungskreise möglich gemacht wird. Die Wahrheit ist wohl, dafs sich über die Ver- wandtschaftsgrade der Salz- und Salpetersäure zum Kali, in dem bisher ge- bräuchlichen Sinne, gar nichts bestimmen läfst, sondern dafs sich die Arten aussondern, so wie es ihrer Natur für den augenblicklichen Zustand der Mi- schung angemessen ist. Einige Chlorverbindungen, z.B. das Chlorsilber, besitzen die Eigenschaft, von der concentrirten Salzsäure aufgelöst zu wer- den; andere, wie das Chlorkalium, das Chlornatrium, das Chlorbaryum 16 KARSTEN mit Krystallwasser, sind darin so vollkommen unauflöslich, dafs sie aus ih- ren gesättigten wäfsrigen Auflösungen sogar durch Salzsäure gröfstentheils niedergeschlagen werden. Es wird daher einen Concentrationszustand der vorher genannten Mischungen geben, bei welchem sich diese Eigenthüm- lichkeit des Chlorkalium geltend macht, so dafs die Mischungskraft durch die Kraft überwunden werden kann, welche das Chlorkalium, — zu dessen Bildung die Bedingungen in der Mischung enthalten sind, — darzustellen strebt. Das Vorhandensein der Salpetersäure in der flüssigen Mischung ist aber aus dem Grunde eine nothwendige Bedingung zu diesem Erfolge, weil sie die das Chlorkalium bildende Kraft dadurch unterstützt, dafs sie sich mit der in der Mischung zurückbleibenden Salzsäure, in der Wirkung auf das ebenfalls noch in der Mischung vorhandene Kali theilt. Deshalb bildet sich auch zu Anfange des Prozesses weniger Chlorkalium, wenn dieses in Salpe- tersäure, als wenn Salpeter in Salzsäure aufgelöst wird. — Wird zu einer concentrirten wäfsrigen Kochsalzauflösung das zweite Hydrat der Schwefel- säure getröpfelt, so sondert sich sogleich eine grofse Quantität Kochsalz ab, weil die Bildungskraft, welche das Chlornatrium dem Wasser zu entziehen strebt, durch die Schwefelsäure, die sich mit dem Wasser zu dem dritten Hydrat vereinigt, unterstützt wird. Ebenso erhält man auch einen Nieder- schlag von Kochsalz, wenn zu einer gesättigten wäfsrigen Auflösung dessel- ben, concentrirte Salpetersäure gebracht wird, auf welchen Erfolg die schon vorhin gegebene Erklärung angewendet werden kann. Versetzt man eine in einer höheren Tempeyatur gesättigte wälsrige Auflösung von Salpeter mit Schwefelsäure, und kühlt die Mischung schnell bedeutend ab, so ist der zu- erst sich bildende Niederschlag reiner Salpeter, weil sich die Mischung in Verhältnissen befindet, unter welchen sich die Bildungskraft vorzugsweise wirksam zeigen und den Salpeter aus der flüssigen Mischung isoliren kann. — Eine gesättigte Auflösung von Chlorbaryum gibt mit concentrirter Salpeter- säure einen Niederschlag Spur von Chlorbaryum befindet, indem die schwer auflösliche salpetersaure von salpetersaurer Baryterde, worin sich keine Schwererde sich vermöge dieser Eigenschaft isolirt und die Mischungskraft überwältigt. Umgekehrt schlägt concentrirte Salzsäure aus einer gesättigten Auflösung von salpetersaurer Baryterde Chlorbaryum (mit Krystallwasser) nieder, welches keine Spur von salpetersaurer Baryterde enthält, weil die eigenthümliche Beschaffenheit der salpetersauren Baryterde schon durch die über die chemische Verbindung der Körper. 17 Auflösung in Wasser überwältigt ist und dagegen die Eigenschaft des Chlor- baryum, in Salzsäure unauflöslich zu sein, sich geltend machen kann. Der Erfolg läfst sich also nicht auf ein Verwandtschaftsspiel der beiden Säuren zu der Base zurückführen, sondern er findet seinen Grund in der eigen- thümlichen Natur der Arten, welche sich, sobald die Umstände dazu vor- handen sind, wirksam zeigt. Wenn man auf diese Weise die Erscheinungen beleuchtet, welche sich bei den Erfolgen der sogenannten einfachen Wahlverwandtschaft, oder bei der Absonderung der Arten aus nicht neutralen Mischungen ergeben; so wird es sich zeigen, dafs der Erfolg immer nur durch die Natur der Art be- stimmt wird, dafs eine nähere und entferntere Verwandtschaft, als absolute Kräfte gedacht, gar nicht vorhanden sind, dafs vielmehr die Bildungskraft und die Mischungskraft beständig einander entgegen wirken. Wäre die Wahl- verwandtischaft wirklich eine absolute Kraft, so müfste das chemische Mas- senverhältnifs nothwendig sein Recht üben. Unter vielen andern Beispielen liefert auch das Verhalten des Doppelsalzes aus schwefelsaurem Kali und schwefelsaurem Kupferoxyd den Beweis, dafs ein solches Massenverhältnifs nicht vorhanden sein kann. Wird nämlich zu der gesättigten wässrigen Auf- lösung dieses Salzes, Salpetersäure im gröfsten Übermaafs hinzugefügt, so sondert es sich in schönen Krystallen wieder aus der Mischung ab, und zwar in demselben Verhältnifs, in welchem sich die Flüssigkeit durch langsames Verdunsten an der Luft vermindert, ein Erfolg, welcher mit der Annahme einer chemischen Massenwirkung durchaus in Widerspruch steht. Wenn freilich bei anderen nicht neutralen Mischungen, die Bildungs- kraft zuweilen schon mit der Mischungskraft einen so starken Kampf zu be- stehen hat, dafs unbedeutend scheinende Umstände den Erfolg des Prozesses abändern können; so wird dies bei dem Erfolge der sogenannten doppelten Wahlverwandtschaft, oder bei der Bildung der Arten aus neutralen Mischun- gen, noch mehr der Fall sein müssen. Die erste und einfachste Erscheinung welche neutrale Mischungen darbieten, ist die, dafs sich sehr oft neue Arten nicht absondern, wo die Bildung derselben zuversichtlich hätte erwartet werden müssen. Giefst man die bei einer bestimmten Temperatur, z.B. bei + 6° gesättigten wäfsrigen Auflösungen von salzsaurem Kali und salpetersaurer Baryterde zusammen, so erfolgt eben so wenig ein Niederschlag, als bei dem Zusammengiefsen der Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. C 18 KArsTen gesättigten Auflösungen von salzsaurer Baryterde und von salpetersaurem Kali. Keinen Niederschlag geben ferner die bei + 10° gesättigten Auflö- sungen von schwefelsaurer Bittererde mit Salpeter, von Glaubersalz mit Sal- peter, von Digestivsalz mit Bittersalz, von Kupfervitriol mit Salpeter. Ei- nige von diesen Mischungen, z.B. die des Glaubersalzes mit Salpeter, lösen sogar noch Bittersalz auf; aus anderen, wie aus der des Digestivsalzes mit Bittersalz und des Kupfervitriols mit Salpeter sondern sich, nach Verlauf einiger Stunden, bei gleich bleibender Temperatur und in verschlossenen Gefäfsen, sehr langsam Krystalle ab. Von der Ursache dieses Erfolges ist schon früher die Rede gewesen; sie ist in dem Widerstand zu suchen, den die Mischungskraft der Bildungskraft entgegen setzt. Nur bei einem ent- schiedenen Übergewicht der letzteren wird eine bestimmte Verbindung augen- blicklich abgesondert. In einigen Fällen werden durch allmäliges Verdunsten des Auflö- sungsmittels Arten gebildet, die man nach der angenommenen Wahlverwandt- schaftsordnung nicht erwarten sollte. So sollten z.B. aus einer Mischung von wäfsrigen Auflösungen des Kochsalzes mit schwefelsaurem Kali diesel- ben Arten wieder erhalten werden. Bei einer langsamen Verdunstung in einer Temperatur von + 8° erhält man aber Krystalle von Glaubersalz, schwefelsaurem Kali und Digestivsalz, und es bleibt eine grofse (Quantität Mutterlauge zurück, aus welcher sich nur durch Erhöhung der Temperatur eine Salzgerinnung darstellen läfst. Die Bildungskraft macht sich also gel- tend, wenn ihr die noch ganz unbekannten Umstände günstig sind, aber die Mischungskraft ist in dem angeführten Fall so grofs, dafs die Abscheidung der Arten ungemein erschwert wird. Wie wesentlich die Temperaturunterschiede auf die Bildung der Arten einwirken, davon geben Kochsalz und Bittersalz ein längst bekanntes, aber sehr belehrendes Beispiel, indem daraus einleuchtend wird, dafs es die Eigen- schaften der Arten selbst, und nicht die angenommenen Verwandtschaftskräfte sind, welche über das Heterogenwerden der Mischung entscheiden. Ob sich bei neutralen Mischungen ein Einflufs des chemischen Mas- senverhältnisses zeigt, würde sich nachweisen lassen, wenn die Erfolge bei verschiedenen Verhältnissen der auf einander wirkenden Verbindungen ver- schieden sind. Dann mülsten bei gleichen Mischungsgewichten der beiden neutralen Verbindungen a-+2 und «+- andere Individuen als bei 2 Mi- über die chemische Verbindung der Körper. 19 schungsgewichten von der einen und einem M.G. von der anderen Verbin- dung u. s. f. entstehen, wovon jedoch kein Beispiel vorhanden ist. Dafs aber überhaupt in den mehrsten Fällen, bei gleichem Mischungsgewichte der Verbindungen, ein vollständiger Austausch der Säure und Basen statt findet, ist noch keinesweges erwiesen und dürfte sich vielleicht nur auf die Fälle beschränken, wo Arten gebildet werden, die der Mischungskraft leicht wi- derstehen, und daher auch sehr geneigt sind, sich zu isoliren. Bei einigen Arten zeigt sich die Kraft, durch welche sie der Mischung entzogen werden, in einem hohen Grade wirksam. Der Alaun z.B., ein bekanntlich aus 3 M.G. schwefelsaurer Thonerde und 1 M.G. schwefelsaurem Kali bestehen- des Doppelsalz, krystallisirt unverändert aus einer flüssigen Mischung, worin sich 1 M.G. Alaun und 3 M.G. Salpeter oder Digestivsalz befinden, ob- gleich, nach den Regeln der Verwandtschaftsfolge, die 3 M.G. schwefelsaure Thonerde in dem Alaun durch die 3 M.G. Salpeter oder Digestivsalz voll- ständig zersetzt werden sollten. Dagegen werden aus einer flüssigen Mi- schung, worin sich 1 M.G. Alaun und 3M.G. neutrales oxalsaures Kali be- finden, wenigstens 2, äufserst leicht auflösliche und durch Alkohol nicht trennbare Salze erhalten, von denen das eine ein Doppelsalz aus oxalsaurer Thonerde mit oxalsaurem Kali ist. Kupfervitriol und schwefelsaures Kali bilden leicht ein Doppelsalz, aber aus einer Mischung, in welcher Alaun und Kupfervitriol aufgelöst sind, werden bei allen Verhältnissen beider Salze immer nur wieder Alaun und Kupfervitriol erhalten. Das schwefelsaure Kupferoxyd-Kali, ein Doppelsalz welches bekanntlich aus 1 M.G. schwe- felsauremm Kali und 1 M.G. schwefelsaurem Kupferoxyd besteht, wird eben- falls weder durch Salpeter, noch durch Digestivsalz zersetzt, wenn beide auch im gröfsten Übermaafs angewendet werden. Das Doppelsalz verbindet sich auch weder mit schwefelsaurem Kali, noch mit Kupfervitriol, so dafs sich Kali und Kupferoxyd nur zu gleichen Mischungsgewichten mit der Schwefelsäure zu einem Doppelsalz vereinigen. Salpetersaures Kupferoxyd und Salpeter geben bei keinem Verhältnifs ein Doppelsalz, wie man erwar- ten müfste, wenn die Mischung über die Natur der sich bildenden Arten entschiede und wenn es nicht die Art selbst wäre, durch welche der Erfolg des Prozesses bestimmt wird. Die Erscheinungen, welche sich bei der wechselseitigen Einwirkung des Kupfervitriols und des Salpeters auf einander darbieten, gewähren ein C2 20 Kırsten grofses Interesse, indem sie zeigen, dafs die Bildung der Arten von Umstän- den abhängig ist, die mit den angenommenen Verwandtschaftskräften nicht vereinbar sind. Nach der ganz allgemeinen, durch die Erfahrung in vielen Fällen aufgefundenen Regel, ist das Kali dem Kupferoxyd fast eben so sehr an Verwandtschaftskraft überlegen, als die Schwefelsäure der Salpetersäure. Es läfst sich daher beim Zusammenmischen von gleichen Mischungsgewichten Kupfervitriol und Salpeter eine vollständige Zersetzung erwarten, denn kaum giebt es noch günstigere Fälle, wo eine stärkere Basis an einer schwächeren Säure gebunden, einer schwächeren, an der stärksten Säure gebundenen Ba- sis gegenüber steht. Man wähle aber ein Verhältnifs beider Salze gegen ein- ander, welches man will, so wird niemals ein Austausch der Säuren und Ba- sen statt finden und bei keinem Verhältnifs wird schwefelsaures Kali gebildet werden. Immer sondert sich aus der gemeinschaftlichen Auflösung beider Salze, durch Ruhe und allmäliges Verdunsten an der Luft, zuerst das Dop- pelsalz aus schwefelsaurem Kali und schwefelsaurem Kupferoxyd ab, dessen Bildung bis zur völligen Beendigung des Prozesses, nämlich bis zum Trocken- werden der Mischung, fortdauert, aber wegen der dann gleichzeitig statt fin- denden Aussonderung der übrigen Arten nicht mehr so bestimmt verfolgt werden kann. Beruft man sich nun darauf, dafs es die Bildung eines Dop- pelsalzes sei, durch welche die Wirkung der Verwandtschaftskräfte modihi- cirt werde, so heifst dies so viel, dafs der Grund des Erfolges nicht in der Mischung, sondern in der Natur der sich isolirenden Arten gesucht werden mufs, so wie überhaupt alles was man Modificationen bei den Verwandt- schaftserfolgen genannt hat, das den hypothetischen Regeln, nach welchen die Verwandtschaftskräfte wirken sollen, widersprechende Gesetz der Bil- dung der Arten selbst ist. Weil jenes Doppelsalz, wie vorhin gezeigt ward, durch Salpeter nicht zerlegt wird, indem sich beide Basen desselben nur in einem einzigen Verhältnifs mit der Schwefelsäure zu einer bestimmten Art vereinigen, und weil die Erfahrung lehrt, dafs aus einer Mischung von Ku- pfervitriol und Salpeter kein schwefelsaures Kali abgesondert wird, so läfst sich der Erfolg der wechselseitigen Zersetzung beider Salze, bei verschiede- nen Mischungsgewichten derselben, leicht bestimmen. Bei gleichem Mi- schungsgewichte wird 1 M.G. von dem Doppelsalz, 1 M.G. salpetersaures Kupferoxyd und 1 M.G. Salpeter, — bei 2M.G. Kupfervitriol und ıM. G. Salpeter werden 2M.G. Doppelsalz und 1 M.G. salpetersaures Kupferoxyd über die chemische F’erbindung der K örper. 24 gebildet werden, d.h. es wird in diesem Fall eine vollständige Zersetzung beider Salze erfolgen und ein noch gröfseres Verhältnifs des Kupfervitriols in der Mischung, z.B. das von 4 M.G. Kupfervitriol und 1 M.G. Salpeter wird keinen andern Erfolg haben, als dafs sich die im Überschufs vorhande- nen 2 M.G. Kupfervitriol wieder aussondern. Wenn man umgekehrt das Verhältnifs des Salpeters vergröfsert, also statt eines gleichen M.G. von beiden Salzen, 2 oder 3 M.G. Salpeter und 1 M.G. Kupfervitriol in die Mischung bringt, so wird der Erfolg des Prozesses derselbe sein müssen, wie bei der Einwirkung von 2 M.G. Kupfervitriol und 1 M.G. Salpeter, und der im Überschufs vorhandene Salpeter, welcher sich schon bei glei- chen Mischungsgewichten beider Salze unwirksam zeigte, wird sich unver- ändert wieder beim Verdunsten der Mischung absondern. In der Hauptsache geht der Prozefs auch wirklich in der angegebenen Art fort, allein es bietet sich dabei die auffallende Erscheinung dar, dafs bei einem grofsen Übermaafs von Kupfervitriol, z.B. bei 4 M.G. Kupfervitrioi zu 1 M.G. Salpeter, ge- gen das Ende des Prozesses häufig noch Salpeter, und bei einem grofsen Übermaafs von Salpeter, z.B. bei 3 M.G. Salpeter zu 1 M.G. Kupfervi- triol, häufig noch Kupfervitriol ausgesondert wird, obgleich im ersten Fall sehr viel Kupfervitriol und im letzten Fall sehr viel Salpeter im Überschufs vorhanden ist. Fast niemals gelingt es, die gleichzeitige Bildung beider Salze, so wenig sie auch mit einander in der Mischung verträglich sein sollten, ganz zu verhindern. Wenn gleich diesem Erfolge eine bestimmte, noch nicht bekannte Ursache zum Grunde liegt, so ist er doch ganz dazu geeignet, die Vorstellung von einer bei dem Heterogenwerden der Mischungen wirksa- men absoluten Verwandtschaftskraft als unrichtig darzustellen und den wahren Grund davon in der Natur der sich aussondernden Arten selbst zu suchen. So weisen also alle Erscheinungen bei der Bildung der Arten, aus den neutralen sowohl als aus den nicht neutralen Mischungen, darauf hin, dafs den anorganischen Körpern keine absolute, jedem derselben eigenthümliche Verwandischaftskraft beigelegt werden kann, sondern dafs es zwei einander entgegen wirkende Kräfte, die Mischungskraft und die Bildungskraft sind, deren sich die Natur bedient, um in stetem Kampfe die vorhandenen Arten zu vernichten und neue zu erzeugen. II DI IP IN Z— © rııE 2 j 3 RN an bar en I ee N L [KErEN a eat errlünd msn, Pisa u DIE BEL) OTHER sad a BER Din 28 Pu og it ci I Tr ı DEE DE r # - Hall, . ru IN ae A Ä LEE . u i ‚a % 4 i i ’ Ps -., , u I j ' ’ v u , » nf . ° erh I} . Da j A) ‘ Fi In una B Fi . yı TEE en ei} 0 LA u “ D Sm ya 5 re Abe. 2 11 D, hu ‘ " R 5 EN f f DL DEE u a Ha De j be r = ı f { ein Ba KERTS ORIE ah air er ? v e 1 e 1 al 2 er nik MM ; « ir ! Kar “ Bei i ; =H u N N + . . EN % I ii, Mu a ze er ala 1.205) Bann a j j N Bi Te Be Eee Tr r I - . De ! Fsı.‘ 372) 4 ı N Ye: . he j i er je I rer ar ai > BR 1:80 ui a 60 Sum / N je di 4° ie ., . R En . B [ ei { sul I Al j y ni ih ) cal Al \ D . j . . i 1 LIE I,4 . " ID . i ı. £ ef ALTEN Ar i 5 \ Pe 3 DB las f la ; u en I . t . Pr [IE } 2 ( . z i ' Fr Ka. Pi j =, 1 + ey \ x E 2 f : Fr Vier DEP PP I B Bu ri BE ‘ 5 ‘ IE} d 1 i : n a i Dr er MM ij a Ar ‘ 5 ! 3 Er | EN x 5 er 12. SE Se # . - ; ü ala f dv N 5 I I u t ' \ zly F “N \ ‘ oc IF - vr a. [Ir ps \ > Zur Theorie der Ebene. ‚Von Hm YCRELLE. nrnmnnmm.n..v [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 1. Mai 1834.] Beraoatich hat man sich vielfältig bemüht, einigen von den Stellen der Euklidischen Geometrie, die entweder nicht so klare Vorstellungen gewäh- ren, oder denen eine nicht so ununterbrochene Folgerichtigkeit eigen ist, als dem ganzen übrigen, so vortrefflichen Werke, jene Klarheit der Vorstel- lungen zu verschaffen und die Lücken der Schlufsfolgen auszufüllen. Ins- besondere waren, zum Beispiel, die Bemühungen um die Theorie der Parallelen zahlreich, obgleich von denselben wenigstens alle diejenigen, die nur von Euklides Sätzen ausgingen, und bei seinen Hülfsmitteln stehen blieben, immerfort mifslangen. Auch um einiges Andere hat man sich viel- fältig bemüht, jedoch nicht um alles, was zu wünschen übrig bleibt, gleich angelegentlich. Gleichwohl ist darunter ein Gegenstand, der nicht minder unvollkommen, obschon gewifs nicht minder einflufsreich auf alles Übrige sein dürfte, als irgend ein anderer: ja! der selbst noch unvollkommener, ob- gleich eben so wichtig ist, als die Parallelen- Theorie. Dieser Gegenstand ist die Theorie der Ebene. Bei den Parallelen drückt sich Euklid wenig- stens völlig bestimmt und klar aus, und die Schwierigkeit ist nur, dafs dort ein Satz ohne Beweis angenommen werden soll, der des Beweises fähig zu sein und zu bedürfen scheint. Bei der Ebene dagegen sind die Worte des grofsen Lehrers der Geometrie völlig unbestimmt, wenigstens dunkel. Euklid sagt: ‚Eine Ebene ist, welche zwischen jeden in ihr befindlichen geraden Linien auf einerlei Art liegt.’’ Diese Definition scheint derjenigen nachge- bildet, welche er von der geraden Linie giebt, und welche diese Linie für diejenige erklärt, ‚‚die zwischen jeden in ihr befindlichen Puncten auf einer- lei Art liegt.” Die Worte ‚‚auf einerlei Art liegt’’ geben aber offenbar keinen, auch nur einigermafsen ausschliefsenden Begriff von irgend einer 24 CRELLE: bestimmten geometrischen Gestalt, und lassen folglich die Vorstellung von der Ebene völlig in Ungewifsheit. Gleichwohl ist die Ebene das Con- structions-Feld fast der gesammten übrigen Geometrie; und gleich der erste Satz des ersten Buches des Euklides bedarf eines bestimmten und festen Begriffs der Ebene, wenn er nicht, nebst fast Allem, was folgt, im Dunkel und im Ungewissen schweben soll. Es wäre daher zu erwarten gewesen, dafs man sich um die Theorie der Ebene wenigstens eben so angelegentlich und vielfältig bemüht hätte, als um die der Parallelen. Allein dies ist nicht geschehen. Die Ursache mag sein, weil die Parallelen (die übrigens auch ihrerseits den Begriff der Ebene unumgänglich nöthig haben) ein viel ein- facherer Gegenstand sind, als die Ebene: ein Gegenstand, der nicht allein vielseitigeren Bemühungen zugänglich ist, sondern bei welchem auch die Nothwendigkeit der weiteren Aufklärung mehr in die Augen springt. In neuerer Zeit hat man gesagt: eben sei eine Fläche, wenn die geraden Li- nien, welche je zwei beliebige in der Fläche liegende Puncte verbinden, ganz in der Fläche liegen. Gleichzeitig hat man die gerade Linie für den kürzesten Weg von einem Puncte zum andern erklärt. Diese Definition der geraden Linie giebt aber noch weniger eine bestimmte Vorstellung von der Gestalt des Gegenstandes, als selbst die Euklidische, und scheint ihr daher auch nicht vorzuziehen. Die Definition der Ebene aber, obgleich sie aller- dings bestimmter ist, als die Euklidische, schliefst, wenn man sie näher be- trachtet, so auffallend Lehrsätze in sich, dafs sie, aus eben den Ursachen, aus welchen die Euklidische Begründung der Parallelen - Theorie nicht zu- gelassen werden mag, noch viel weniger dürfte zugestanden werden können. Denn zieht man z.B. in der Ebene, in welcher das Dreieck BC Fig.1. liegt, durch eine der Ecken, 4 und durch einen beliebigen Punct D der gegenüberliegenden Seite die gerade Linie 4D, so soll dieselbe, der Er- klärung der Ebene zu Folge, ganz in der Ebene des Dreiecks liegen: alle Puncte der Ebene in dieser Linie sind also völlig bestimmt. Zieht man nun hierauf aus einer zweiten Ecke B des Dreiecks eine gerade Linie BE nach irgend einem Puncte Z der gegenüber liegenden Seite 4C, so soll auch diese Linie eben so wohl ganz in der Ebene liegen, und alle Puncte der Ebene in dieser Linie sind ebenfalls völlig bestimmt. Beides zusammen: dafs 4D und BE ganz in der Ebene liegen, ist also offenbar nur dann möglich, wenn AD und BE, etwa in 7, sich schneiden; denn sonst wäre von zwei Ebe- zur Theorie der Ebene. 25 nen, nicht von einer die Rede. Dafs nun 4D und BE nothwendig sich scheiden, nicht etwa BE unter oder über 4D hinwegläuft, folgt aus sich selbst nicht. Man könnte zwar, wie Einige, zu Gunsten derjenigen Eukli- dischen Erklärungen thun, die Lehrsätze in sich schliefsen, die Definitionen in der Geometrie überhaupt nur Wort-Erklärungen sein lassen, und ge- statten, dafs sie Lehrsätze vorausnehmen, die erst später bewiesen werden. Allein dann müfste hier wenigstens später bewiesen werden, dafs BE die 4D nothwendig schneidet; welches gleichwohl nirgend geschieht. Die neuere Definition der Ebene scheint also noch weniger annehmlich, als die Euklidische. Da nun die Euklidische und die erwähnte neuere Definition der Ebene die am meisten gangbaren und vielleicht auch fast die einzigen sind, welche mit einiger Consequenz in das übrige Lehrgebäude der Geometrie einge- führt wurden, so scheint es, dafs die möglichste Vervollkommnung der Theorie der Ebene noch rückständig sei. Der Nothwendigkeit einer sol- chen Vervollkommnung für die gesammte Geometrie ist oben gedacht wor- den; das Interesse derselben aber ist unstreitig grofs genug, da die Eigen- schaft, welche die Mathematik und in ihr die Geometrie sich beilegt, einer von den wenigen Theilen der menschlichen Erkenntnisse zu sein, welche vollkommene Sicherheit und Wahrheit gewähren, zweifelhaft wird, so- bald die Sätze und Begriffe, auf welche sie sich stützt, wanken. Indem nun hier einige Bemühungen um die Theorie der Ebene mit- getheilt werden sollen, bemerke ich zunächst, dafs ich nicht allein keines- wegs die Anmaafsung hege, zu meinen, es sei mir gelungen, tiefer als so viele Andere in einen Gegenstand einzudringen, den selbst Euklides Scharf- sinn nicht zu ergründen vermochte, sondern dafs ich auch die Überzeugung habe, es sei, und werde für immer völlig unmöglich bleiben, die Be- gründung der Elemente der Geometrie, eben wie auch derjenigen der Ana- lysis, zur Vollkommenheit zu bringen. Nach meiner Meinung, die ich schon sonst irgendwo ausgesprochen habe, ist alle menschliche Erkenntnifs zwischen zwei Grenzen eingeschlossen, die zwar weiter und weiter, aber doch nur bis in endliche Fernen hinaus gerückt werden können, während ihr Umfang zwischen zwei Unendlichen liegen bleibt, die nicht zu durch- dringen sind. Aus verborgenen Tiefen heraus entwickeln sich die Elemente Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. D 26 CRELLE: einer Vernunft-Wissenschaft, wie z.B. der Mathematik, und in eine unend- liche Höhe hinauf streben sie. Was in der tieferen Tiefe und in der höhe- ren Höhe liegt, bleibt für immer verborgen. Alles, was sich hier, in der Geometrie, so wie in der Analysis, thun läfst, ist: die in sich vollkommen sicheren Schlufsfolgen auf möglichst einfache Definitionen und Grundsätze zurückzuführen, eben nach dem Muster jenes grofsen Geometers, des Eu- klides, dessen Consequenz noch von keinem andern Forscher in diesem Gegenstande übertroffen wurde. Alle Vervollkommnung, die möglich ist, besteht nach meiner Meinung darin: Erklärungen und Grundsätze aufzustel- len, die am meisten geeignet sein möchten, unmittelbar bestimmte Vorstel- lungen und Erkenntnisse zu erzeugen oder zu erregen. Nach dieser Ansicht werde denn natürlich auch hier verfahren; aber nach ihr ist, wie es scheint, noch Einiges für die Theorie der Ebene zu thun möglich. Es scheint, man könne, wie das Folgende zeigen wird, die Schwie- rigkeit bis auf Erklärungen und Grundsätze reduciren, die nicht widerstre- bend sind, und die zugleich den wichtigen Umstand für sich haben, dafs auch Euklid selbst sie neben seiner Erklärung der Ebene gestattet. Aufser den beiden oben erwähnten Erklärungen der Ebene: der Eu- klidischen und der neueren, die, so viel ich mich erinnere, von Robert Simson ist, giebt es noch eine dritte, aus der neuesten Zeit, meines Wis- sens von Fourier herrührend, die, obgleich, so viel mir bekannt, noch nicht in die Geometrie eingeführt, ihrer grofsen Klarheit und Bestimmtheit wegen, die gröfste Aufmerksamkeit verdient. Derselben zu Folge wird die Ebene von der Gesammtheit aller der geraden Linien gebildet, die, durch einen und denselben Punct einer geraden Linie im Raume gehend, auf die- ser senkrecht stehen. Diese Erklärung ist unstreitig ungemein bestimmt und deutlich, und ich habe mich deshalb angelegentlich und lange bemüht, zu der consequenten Verbindung derselben mit den Sätzen, worauf es ankommt, zu gelangen; allein es ist mir mit aller Mühe nicht gelungen, und ich habe an ihre Stelle eine andere setzen müssen, aus welcher dann weiter gefol- gert werden kann, dafs die Fouriersche Fläche mit der postulirten Ebene identisch ist, worauf die Fouriersche Fläche allerdings zu der weiteren Ent- wickelung der Theorie der Ebene nothwendig ist, und, vereint mit der de- finirten Ebene, das weiter Nöthige leistet; wie sich solches aus dem unten folgenden Vortrage ergeben wird. zur Theorie der Ebene. 27 Da die Theorie der geraden Linie zu derjenigen der Ebene un- umgänglich erforderlich ist, und die vorhandenen, wie bemerkt, nicht ge- nügend scheinenden Erklärungen der geraden Linie zu dem, was daraus zu folgern war, auf keine Weise ausreichten, so war zunächst eine andere Erklä- rung der geraden Linie nothwendig. Zu dieser ist hier diejenige ange- nommen, welche sich im wesentlichen schon in meinem Lehrbuche der Geometrie vom Jahre 1826 findet. Lange vor, so wie nach Erscheinung dieses Buches, habe ich sorgfältig, und mit vollkommenster Selbstverleug- nung, alle Bemerkungen erwogen, die man darüber und dagegen hat machen wollen; desgleichen habe ich alle anderen Erklärungen, die mir bekannt geworden sind, damit verglichen; es hat mir aber nicht gelingen wollen, zu erkennen, dafs meine Erklärung deshalb zu verwerfen sei, weil irgend eine andere ihr vorgehe; ich mufs also bei derselben stehen bleiben, bis eine bessere an ihre Stelle tritt. Ein beschwerlicher, fast entmuthigender Umstand macht sich hiebei freilich bemerklich. Da nemlich hier von Din- gen ausgegangen werden muls, von welchen sich nichts mehr beweisen läfst, so kann Jedermann gleich die ersten Anfänge durch die blofsen Worte: es gefalle ihm nicht, und dann mit den Anfängen alles Übrige über den Hau- fen werfen. Allein, wie es scheint, läfst sich verlangen, dafs man wenig- stens die fernere Entwickelung gestatte, und erst hernach, nicht von vorn herein, urtheile, ob das Ganze, mit seinen Anfängen, einige Berücksichti- gung verdiene, oder nicht. Rücksichtlich der Demonstrations- Methode, welche die hier folgende Abhandlung beobachten wird, ist zu bemerken, dafs die Regel derselben von derjenigen: nur erst dann von einer Figur etwas zu demonstriren, nach- dem gezeigt worden, wie dieselbe durch die gerade Linie und den Kreis, das heifst, durch Lineal und Cirkel gezeichnet werden kann, abweichen wird, auf die Weise, wie es in meinem Lehrbuche der Geome- trie, und von Andern geschehen ist. Anstatt zu zeigen, wie eine Figur ge- rade durch Cirkel und Lineal gezeichnet werden könne, wird da, wo die Existenz der Figur zweifelhaft sein könnte, bewiesen werden, dafs sie möglich ist. Dieses ist aber auch offenbar zu dem vorgesetzten Zwecke hinreichend, und es ist keinesweges nöthig, vorher, ehe man weiter geht, zu wissen, wie die folgende Figur gerade mit Hülfe von Cirkel und Lineal hervorgebracht werden könne, um so weniger, da die Wahl dieser Zeich- D2 28 CrEvie: nungs-Werkzeuge sogar mehr oder weniger willkührlich ist. Mascheroni z.B. hat gezeigt, dafs man die Figuren der Elementar- Geometrie durch den Kreis allein, Steiner, dafs man sie durch gerade Linien und einen einzel- nen festen Kreis eonstruiren könne. Also ist die Bedingung, dafs man ge- rade den Kreis und gerade Linien zur Zeichnung anwende, keinesweges or- ganisch nothwendig. Auch scheint es besser, diejenigen L.ehrsätze, welche bei der Construction der Figuren in den Aufgaben enthalten sein kön- nen, frei hervortreten zu lassen, als in Aufgaben sie zu verstecken. Jeden- falls kann man, ohne die Strenge der Beweise und die Folgerichtigkeit der Sätze im Geringsten zu vermindern, wie vorhin bemerkt, von der Construc- tions-Methode durch Kreis und gerade Linien unbedenklich abgehen. Hier mufste es nothwendig geschehen, da die Eigenschaften des Constructions- Feldes, der Ebene, des Reifsbrettes für die Zeichnung, nicht vorausge- setzt werden, sondern gerade diese erst demonstrirt werden sollen. Schliefslich wird es kaum nöthig sein, um Entschuldigung zu bitten, dafs hier, an diesem Orte, von einem Gegenstande gesprochen werden soll, der den ersten Elementen der Mathematik angehört. Von diesen ersten Elementen ist die Begründung eine gewifs nicht minder schwierige Auf- gabe, als die weitere Entwickelung der complicirtesten Sätze. Jene strebt in die Tiefe, diese in die Höhe: und Tiefe und Höhe sind gleich unbegrenzt und dunkel. Ich beginne mit der Erklärung der geraden Linie und mit einigen Sätzen von derselben, die zu dem Folgenden nothwendig sind. Darauf wird das Nöthige von den Winkeln, nebst der Erklärung der Ebene, und dann werden die Sätze folgen, die auf die Eigenschaften derselben führen dürften. Der Vortrag wird in die für die Geometrie passendste Form von Lehrsätzen mit Beweisen, Erklärungen, Zusätzen u.s.w. gebracht, dazwi- schen aber wird bemerkt werden, wie die Zusammensetzung der Schlüsse fortschreite. &.1. 1. Erklärung. Wenn, während zwei Puncte einer Linie fest sind, alle ihre übrigen Puncte an demselben Ort im Raume bleiben, wie auch die Linie im Raume durch die beiden Puncte gelegt werden mag, so heifst sie gerade. zur Theorie der Ebene. 29 2. Lehrsatz. Es giebt nur eine gerade Linie durch zwei feste Puncte im Raume. Beweis. Gäbe es eine zweite, von der ersten verschiedene gerade Li- nie, so würden, weil dieselbe auch in die Lage derersten und diese in die Lage der zweiten müfste gebracht werden können, die sonst aufserhalb der beiden festen Puncte liegenden Puncte der beiden Linien verschiedene Orte im Raume einnehmen; welches der Erklärung der geraden Linie zuwider ist. 3. Lehrsatz. Gerade Linien, die durch die nemlichen zwei Puncte im Raume gehen, schliefsen keinen Raum ein, sondern fallen in ihrer gan- zen Ausdehnung zusammen. Beweis. Sie können, nach (1.), nicht verschiedene Orte im Raum einnehmen, wie sie auch durch die zwei festen Puncte gelegt werden mögen. 4. Lehrsatz. Zwei gerade Linien können nur in einem einzigen Puncte sich schneiden. Beweis. Hätten sie auch nur zwei Puncte gemein, so würden sie schon in ihrer ganzen Ausdehnung zusammenfallen (3.). 5. Lehrsatz. Wenn zwei gerade Linien 43 und 4C (Fig. 2.) durch einen und denselben Punct 4 gehen, aufserdem aber jede durch einen an- dern Punct ZB und C aufserhalb der andern Linie geht: so haben sie weiter keinen Punct gemein. Beweis. Hätten sie einen zweiten Punct mit einander gemein, so würden sie in ihrer ganzen Ausdehnung zusammenfallen (3.), und dies ge- schieht nicht, weil z.B. 4C namentlich durch den Punct € geht, der nach der Voraussetzung nicht in der 4B liegt. 6. Erklärung. Wenn in der geraden Linie 4B (Fig. 3.) die beiden Puncte 4 und 2, und in der geraden Linie CD die beiden Puncte C und D so liegen, dafs, wenn man C in 4, und die Linien selbst in einander legt, Din B fällt: so also, dafs dann die beiden Linien sich gänzlich decken, so heifsen sie gleich lang. 7. Anmerkung. Gleich lange gerade Linien unterscheiden sich durch Nichts von einander, und sind also einander vollkommen gleich. Denn, wenn ein Endpunct der einen in den Endpunct der andern, und die Linien selbst in einander gelegt werden, so fällt auch der andere Endpunct der ersten in den andern Endpunct der zweiten, und folglich decken sich die Linien gänzlich. 30 CrRELLE: 8. Anmerkung. Da aber gerade Linien auch in einander fallen können, ohne gleich lang zu sein, nemlich die kürzere ganz in die längere, weil jene zwei Puncte mit dieser gemein haben kann: so ist es die Länge, wodurch sich gerade Linien von einander unterscheiden. 9. Anmerkung. Eine gerade Linie kann mehrmals in eine zweite, und mehrmals, in verschiedener Zahl, in eine dritte fallen. Die Länge der zweiten und dritten verhält sich dann, wie die Zahlen, die ausdrücken, wie oft die erste Linie in der zweiten und in der dritten enthalten ist. 10. Erklärung. Wegen (9.), und da zwischen zwei Puneten nur eine gerade Linie möglich ist (2.), dient die Gerade zum Maafse der Ent- fernung zweier Puncte von einander. g.Iı. Bei den weiter folgenden Sätzen kommt vor, dafs gleiche Hälften einer geraden Linie vorausgesetzt werden müssen. Euklides beweiset die Existenz solcher Hälften dadurch, dafs er eine gerade Linie durch Zeich- nung halbiren lehrt. Er bedarf dazu des Kreises und zweier Sätze von der Congruenz der Dreiecke. Da diese Hülfsmittel hier, wegen des noch feh- lenden Begriffs der Ebene, nicht zu Gebote stehen, so ist ein anderer Be- weis der Existenz gleicher Hälften einer geraden Linie nothwendig. Es läfst sich folgender geben. 11. Lehrsatz. In einer geraden Linie 4B (Fig. 4a.) giebt es zwi- schen den Endpuncten 4 und B stets einen Punkt C, der gleich weit von den beiden Endpuncten 4 und 3 entfernt ist, und welcher folglich die Länge 4B in zwei gleiche Hälften, /C und BC, theilt. Beweis1. Es sei D ein beliebiger Punct in 42, zwischen 4 und 3. Ist 4D nicht gleich DB, also D nicht schon der Halbirungs- Punct, so wird 4D nothwendig entweder gröfser oder kleiner als DB sein. Es sei kleiner. Alsdann wird 4D jedenfalls wenigstens zweimal in 43 enthalten sein. Ist es nicht öfter in 4/2 enthalten, so wird, wenn DR= AD ist, ein Stück RB übrig bleiben, welches kleiner als 4D und folg- lich jeden Falls wenigstens zweimal in 4B enthalten ist. U. Es sei nun weiter X (Fig. 4 und 4c.) der willkührlich angenom- mene Punct, und 4X sei kleiner, als XB: so kann die Zahl der 4X glei- zur Theorie der Ebene. 31 chen Stücke, welche in 43 mindestens enthalten sind, nur entweder gerade oder ungerade sein. Das übrig bleibende Stück RB aber wird nothwendig immer kleiner als 4X, und kann auch Null sein, aber nicht gröfser, als IK. ım. Die Zahl z der gleichen Theile 4X, KZ, LM, MN, NP, PR (Fig. 42.) sei erstlich gerade, so dafs also 5 eine ganze Zahl ist, und 4M = MR sei gleich 4 solchen Theilen; auch werde BX gleich MR oder 4M gemacht. Alsdann ist MX=RB, und folglich MX nicht gröfser, als IK. iv. Die Zahl z der gleichen Theile X, KZ, LM, MN, NR (Fig. 4c.) sei zweitens ungerade. Alsdann wird ein +1" Theil RS= 4K nothwendig über 3 hinaus fallen, und da RB nicht kleiner sein kann, als Null, so kann 3S nicht gröfser sein, als /K. Nun ist a+ 1 nothwendig eine gerade, also —(n-+1) eine ganze Zahl. Es sei /M=MS= 7; (n-+1) Theilen, jeder gleich 4X, und es werde BX=MS= AM gemacht, so wird XM=BS und folglich XM nicht gröfser als 4K sein. v. Da also in Fig. 45. 4M = BX (IM.), und in Fig. 4c. ebenfalls +M = BA (IV.), in beiden aber MX nicht gröfser ist, als 4/K, auch AK selbst, wo auch der Punct X zwischen 4 und B liegen mag, jeden Falls wenigstens zweimal in 42 enthalten ist (1.): so folgt, dafs es in allen Fällen zwei Puncte M und X zwischen 4 und 2 giebt, deren Entfernung von einan- der, während der eine M so weit von 4 als der andere X von B absteht, wenigstens 2mal in ZB enthalten ist. VI. Deshalb wird es aber nun weiter, eben wie zwischen 4 und 2, auch zwischen M und X nothwendig zwei neue Puncte 7, und X, geben, die, während sie gleich weit von den Endpuncten M und X, und folglich auch von 4 und B abstehen, nemlich so, dafs MM = XX,, und folglich auch M,= BA, ist, von einander nie weiter entfernt sind, als dafs ihre Entfernung M,X, von einander wenigstens 2mal in MX, und folglich wenigstens 4mal in 42 enthalten ist. Gleicher Weise wird es zwei Puncte M, und X, geben, die von 4 und 3 gleich weit entfernt sind, während M,X, wenigstens 2mal in M,X,, also wenigstens Smal in 4B enthalten ist. Wird das Verfahren mmal wiederholt, so wird man nothwendig zu zwei Puncten M, und X, gelangen, die zwischen 4 und 2 so liegen, dafs AM,„=BX,, während M,X,, wenigstens 2”mal in 42 enthalten ist. 32 CREULLE: Da aber die Gröfse der Zahl m unbeschränkt ist, so gelangt man zu zwei Puncten, die, während der eine von 4 eben so weit entfernt ist, als der andere von D, von einander um weniger als jede gegebene Länge ab- stehen. Solche zwei Puncte fallen aber in einen Punct zusammen, und dieser Punct ist folglich von 4 und 2 gleich weit entfernt, und halbirt mithin 42. g. I. Wir kommen nun zu der Definition des Winkels. Die Euklidische Definition pafst auch für die gegenwärtige Entwickelung, jedoch ohne dafs der Ebene darin gedacht werde. Es kann also folgende Definition gegeben werden, welcher dann die nächsten Sätze folgen können. 12. Erklärung. Die Neigung zweier geraden Linien im Raume, die sich treffen, ohne in einander zu fallen, heifst, am Durchschnittspuncte, Winkel. Also die Neigung von 4C gegen BC (Fig.5.), von BC gegen EC u. s.w., heifst Winkel. Die sich schneidenden Linien, welche den Winkel begrenzen, heifsen dessen Schenkel; ihr Durchschnittspunct heifst Scheitel. Je zwei Winkel « und ß, « und detc., zwischen zwei im Raume sich schneidenden geraden Linien, die neben einander, also an der nemlichen Seite der einen geraden Linie liegen, heifsen Nebenwinkel. In zwei Winkel « und y, d und £ ete., zwischen zwei im Raume sich schneidenden geraden Linien, die nicht an einander, also an entgegengesetz- ten Seiten der sich schneidenden Linien liegen, heifsen Scheitelwinkel. 13. Lehrsatz A. Wenn der Scheitel und der eine Schenkel eines Winkels in den Scheitel und den einen Schenkel eines andern Winkels ge- legt werden, und der andere Schenkel des ersten Winkels kann dann in den andern Schenkel des andern Winkels gebracht werden, so sind die Winkel einander gleich. Beweis. Winkel, die sich decken, sind gleich. B. Wenn der Scheitel und der eine Schenkel eines Winkels in den Scheitel und den einen Schenkel eines gleichen Winkels gelegt werden, so mufs der andere Scheitel des ersten Winkels in den andern Scheitel des andern Winkels gebracht werden können. zur Theorie der Ebene. 33 Beweis. Gleiche Winkel decken sich. 14. Lehrsatz. Die Neben-Winkel zweier gleichen Winkel sind ebenfalls gleich. Z.B. wenn 4C B=FGH (Fig. 6.), so ist auch 4CD —IRGE. Beweis. Es werde @ inC und GH in CB gelegt, so mufs GF in CA gebracht werden können, weil nach der Voraussetzung die Winkel CB und FGH gleich sind (13B.). Es si GY=CD, so fällt mitGinC, H in B. Also fällt die gerade Linie 7GZ, in ihrer ganzen Ausdehnung, in die BCD (2.). Mithin fällt auch der andere Schenkel ZG des Neben - Winkels FGZ zu FGH in den andern Schenkel DC des Neben-Winkels ACD zu CB, und folglich sind auch die Neben-Winkel FGZ und CD gleich (13 A.). 15. Lehrsatz. Eine gerade Linie, die zwei Puncte in den Schenkeln eines Winkels verbindet, kann nicht durch den Scheitel des Winkels gehen. Beweis. Ginge die gerade Linie £D (Fig.7.) durch C, so hätte sie zwei Puncte # und C mit 4B gemein, und fiele dann ganz in 42 (3.). Es läge also auch der Punct D in 42, und folglich file CD mit CB zusam- men, welches der Voraussetzung entgegen ist, weil alsdann 4CD kein Winkel wäre (12.). 8. IV. Euklides beweiset die Gleichheit von Scheitelwinkeln mit Hülfe des Begriffs von zwei rechten Winkeln an einer geraden Linie. Sie kann aber auch aus der blofsen Congruenz, wie folgt, bewiesen werden. 16. Lehrsatz. Scheitelwinkel sind einander gleich. Z.B. in Fig. 6 ist ACB=DCE. Beweis. Es seien ZY und FK zwei andere Geraden, die sich in G so schneiden, dafs FGH= 4ACB. Alsdann sind auch, nach (14.), die Ne- benwinkel ZGF und DC4 gleich. Man mache 4C =BC=DC=EC=FG=HG=IG=KG, und lege Gin C, GL in CA, so fällt Z in 4, weil GL—=CA sein soll, und da GZ und C4 zwei Puncte gemein haben, auch G4 in CE und H in D. Phys.- mathemat. Abhandl, 1834. E 34 ÜREULLE: Es kann aber, nachdem GZ in CA gelegt worden ist, GF in CD gebracht werden, weil die Winkel ZGF und DCA, wie vorhin bemerkt, gleich sind. Dann aber fällt # in D, indem GF=CD. Es fällt also nun 7 in E, Fin Dund Gin C, also fallen #,G, Hin D, C, E, und folglich ist 7GH dem Winkel DCE gleich. Nach der Voraussetzung war FGH dem Winkel #CB gleich: also sind die Scheitelwinkel DCE und ACB einem und demselben Winkel FGH und folglich einander gleich. 8. V. Es müssen jetzt einige Sätze von Dreiecken folgen, die noch ohne den Begriff der Ebene Statt finden, nemlich: 17. Erklärung. Die Figur 2C (Fig. 8.), von drei geraden Li- nien gebildet, die im Raume zu zwei und zwei sich schneiden, soll Dreieck heifsen. Die geraden Linien zwischen ihren eigenen Durchschnittspuncten sollen Seiten, die Winkel, welche sie einschliefsen, Winkel des Drei- ecks heifsen. 18. Lehrsatz. Gleiche Dreiecke haben gleiche Seiten und gleiche Winkel. Beweis. Sie decken sich; folglich fallen ihre Seiten und deren Durchschnittspuncte in einander, und folglich sind die Seiten des einen Dreiecks so lang, als die Seiten des andern, und die Winkel des einen sind den Winkeln des andern gleich. 19. Lehrsatz. Wenn zwei Seiten 42 und ZC eines Dreiecks ABC (Fig.9.) einzeln so lang sind, als zwei Seiten DZ und DF eines an- dern Dreiecks DEF, und der eingeschlossene Winkel 4 ist zugleich dem Winkel D gleich, so sind die Dreiecke selbst und folglich auch ihre übri- gen Winkel und die dritten Seiten einander gleich (18.). Beweis. Man lege 4 inD und #B in DE: so fällt Bin E, weil AB=DE sein soll (7.). Desgleichen fällt 4C in DF, weil {=D sein soll (13 B.), und C in F, weil 4C = DF sein soll (7.). Nun ist zwi- schen den beiden Puncten Z und F nur eine gerade Linie möglich (2.). zur Theorie der Ebene. 35 Also fällt auch ZC in ZF, und folglich decken sich die Dreiecke und sind mithin einander gleich oder congruent. 20. Lehrsatz. Wenn in einem Dreieck 4BC (Fig. 10.) zwei Seiten AB und AC einander gleich sind, so sind auch die denselben gegenüber lie- genden Winkel C und B einander gleich. Erster Beweis. Es werde, während der Punct 4 an seiner Stelle bleibt, 4C in den Ort im Raume gebracht, den 4B einnimmt, so wird C in B fallen, weil 4C=AB sein soll. Ferner wird 4B in den Ort im Raume gebracht werden können, den 4C einnimmt, weil der Winkel 4 sich selbst gleich ist (13B.) Auch wird Bin € fallen, weil 4B= 4C sein soll. Da aber Cin B und Bin € fällt, so wird auch die ganze Linie BC in CB fal- len (2.). Also wird der Scheitel C des Winkels 4CB, nebst seinen beiden Schenkeln C4 und CB, in den Scheitel B des Winkels 4BC nebst seinen beiden Schenkein B4 und BC fallen, und folglich müssen die Winkel C und B einander gleich sein. Zweiter Beweis. Mann nehme willkürlich einen Punct Ein 4B an, und mache AF= AE, so ist in den Dreiecken FAB und EAC, AB= AC, AF=AE und A=A. Also sind die Dreiecke einander gleich (19.), und folglich ist BF—= EC und 4EC= AFB; folglich sind auch die Neben- winkel BEC und BFC gleich (14.). Desgleichen it BE=FC. Mithin ist in den Dreiecken BEC und BFC, BE=FC, BF=EC und BEC=BFC. Also sind die Dreiecke gleich (19.), und folglich ist B= C. S VI. Nunmehr wird die Definition der Ebene folgen müssen. Es wird aber derselben ein Satz vorausgehen, welcher beweiset, dafs die Fläche, welche Ebene genannt werden soll, möglich ist. Darauf werden sogleich einige Sätze von der Ebene selbst hinzugefügt werden. 21. Lehrsatz. Durch jede gerade Linie BC (Fig. 11.) und durch einen beliebigen Punct 4 im Raume, aufserhalb derselben. ist immer eine Fläche möglich, in welcher ohne Ausnahme alle die geraden Linien dAd,, eAe,, fAf, ete. in ihrer ganzen Ausdehnung liegen, die durch den Punct A und durch die gerade Linie BC gehen. E2 36 ORETITE: Beweis. Alle die geraden Linien 4D, AE etc., gehen durch den Punct 4, und jede geht durch einen andern Punct der Linie BC; denn zwei gerade Linien durch 4 und durch denselben Punct von ZC würden in ihrer ganzen Ausdehnung zusammenfallen (3.). Die geraden Linien d4d,, eAe, etc. können also keinen Punct weiter, als 4, gemein haben (5.). Kein Punct einer durch 4, durch 3C und durch die sämtlichen geraden Linien dAd,, eAde, gehenden Fläche wird also von diesen Linien mehr als ein- mal getroffen, aufser dem Punct 4 selbst. Eine Fläche durch 4 und durch BC, in welcher sämtliche Linien d4d,, e4de, etc. liegen, ist also allemal möglich. 22. Erklärung. Eine Fläche, durch einen beliebigen Punct 4 (Fig. 11.) und durch eine beliebige gerade Linie BC im Raume gehend, in welcher alle durch 4 und 3C gehende gerade Linien dAd,, ede, ete. in ih- rer ganzen Ausdehnung liegen, was nach (21.) allemal möglich ist, soll Ebene heifsen. Der Punct 4 soll bestimmender Punct, die gerade Li- nie BC bestimmende Gerade, und die verschiedenen durch 4 und BC gehenden geraden Linien d4d,, ede, etc. sollen erzeugende Geraden der Ebene heifsen. Ferner heifse eine gerade Linie: mit zwei andern sich schneidenden in einer und derselben Ebene liegend, wenn sie durch den Durchschnittspunct jener beiden und zugleich durch ir- gend einen Punct irgend einer Geraden geht, die jene beiden schneidet. Z.B. EA (Fig. 11.) liegt mit D4 und G4 in einer und derselben Ebene, wenn sie, etwa in E, irgend eine Gerade DG schneidet, die durch D4 und GA geht. Bei der Bezeichnung einer Ebene durch Buchstaben oder Figuren soll der bei dem bestimmenden Puncte der Ebene stehende Buchstab immer zwischen die beiden Buchstaben gesetzt werden, welche zwei Puncte der bestimmenden Linie bezeichnen. Also ist z.B. die Ebene D4G (Fig. 11.) diejenige, deren bestimmender Punct 4 und deren bestimmende Linie DG ist. Diese Definition der Ebene gewährt den wesentlichen Vortheil, dafs durch sie überall, wo drei einander in einem und demselben Puncte schneidende gerade Linien zugleich durch eine und dieselbe vierte gerade Linie gehen, wie z.B.: die D4, EA, G4 (Fig. 11.), die sich in 4 schneiden, während sie alle drei durch die gerade Linie 3C gehen, sogleich bestimmt zur Theorie der Ebene. 37 wird, dafs diese Linien in einer und derselben Ebene liegen. Da ein solches Zusammensein dreier gerader Linien, die eine vierte schneiden, wie sich zeigen wird, sogleich wie man weiter geht und immerfort in den Demon- strationen vorkommt, so ist dieser Vortheil wesentlich. Wollte man von der Fourierschen Definition der Ebene ausgehen, so würde man jenes Vortheils entbehren; es müfste erst bewiesen werden, dafs drei in einem und demsel- ben Punct sich schneidende gerade Linien, wenn sie auf einer festen Axe im Raume, die durch den Schneidepunct geht, senkrecht sind, nothwendig alle drei zugleich durch eine vierte gerade Linie gehen, was vorbereitende Sätze erfordert, deren Beweis, eben ohne die gegenwärtige Definition der Ebene, nicht zu gelingen scheint. Hier mufs natürlich umgekehrt bewiesen werden, dafs drei in einem und demselben Puncte sich schneidende gerade Linien, wenn sie zugleich durch eine und dieselbe vierte gerade Linie gehen, auf einer festen Axe im Raume, die durch den Durchschnittspunct der drei Li- nien geht, alle drei zugleich senkreckt sein können; was sich auch thun läfst und unten geschehen wird. 23. Lehrsatz. Durch eine gerade Linie im Raume und durch einen Punct aufserhalb derselben kann nur eine Ebene gehen. Beweis. Gesetzt, durch 3C und durch 4 (Fig. 11.) könnte noch eine zweite Ebene gehen: so sei 4E eine der erzeugenden Geraden der er- sten Ebene, die nicht in der zweiten liegt. Alsdann müfste, weil auch die zweite Ebene, und folglich auch eine ihrer erzeugenden Linien durch 4 und E gehen mufs, eine zweite gerade Linie durch 4 und E möglich sein, die nicht mit der erzeugenden Geraden der ersten Ebene zusammenfällt. Da dieses nicht möglich ist (2.), und das Gleiche von jeder andern erzeugenden Geraden gilt, so müssen nothwendig alle erzeugenden Geraden der beiden Ebenen zusammenfallen, und daher giebt es durch den bestimmenden Punct und die bestimmende Gerade nur eine Ebene. 24. Lehrsatz. Durch zwei gerade Linien, die sich schneiden, wie AD und 4G (Fig. 11.), kann immer wenigstens eine Ebene liegen. Beweis. Es gehe durch D und G die gerade Linie BC, und es liege durch DG und 4 eine Ebene, so geht dieselbe auch durch die beiden geraden Linien /D und 4G. 38 CORE LLiE: g. VII. Jetzt wird ein Grundsatz eingeschaltet werden müssen, der zur wei- teren Untersuchung der Eigenschaften der Ebene nothwendig ist. Es ist folgender. 25. Grundsatz. Wenn drei gerade Linien, die in einem und dem- selben Puncte sich treffen, in einer und derselben Ebene liegen, so ist der Winkel zwischen den beiden äufsern Linien so grofs, als die Winkel zwi- schen den beiden äufsern und der innern Linie zusammen genommen. Auch kann jeder der beiden letzten Winkel, von Null an bis zur Gröfse des ein- schliefsenden Winkels, stetig wachsen. Also z.B. in Fig. 11. ist D4IG so grofs, als die beiden Winkel #4G und DAE zusammen genommen, und ein innerer Winkel, wie 24G, kann jede mögliche Gröfse haben, von Null an bis DAG. Euklid nimmt diesen Grundsatz von Winkeln stillschweigend ebenfalls an, bezogen auf sein allgemeines drittes Axiom: ,‚,‚Gleiches von Gleichem hinweggenommen, läfst Gleiches.” Denn, nachdem z.B. in der zu dem 5'” Satze des ersten Buches gehörigen Figur, hier Fig. 12., bewiesen worden, dafs die Winkel BG und CF und die Winkel CBG und BCF gleich sind, wird, mit Berufung auf den 3'* Grundsatz, behauptet, dafs ABC=ACB ist. Also wird angenommen, dafs die Winkel RC und CBG zusammen so grofs sind, als der Winkel 42G, und die Winkel 4CB und BCF zusammen so grofs, als der Winkel CF, von welchem bewiesen worden, dafs er dem Winkel 43G gleich ist. Auch enthält diese Voraussetzung einschliefslich den zweiten Theil des gegenwärtigen Grund- satzes; denn da zu einem Winkel ein anderer, so klein als man will, hin- zugethan werden kann, so folgt, wenn man, nach Euklides, den entstehen- den Winkel der Summe des ursprünglichen und des hinzugefügten Winkels gleich setzt, dafs ersterer stetig wachsen kann. Es schliefst sich nun an den Grundsatz zunächst folgender Satz. 26. Lehrsatz. Von jedem der beiden Winkel, in welche eine ge- rade Linie, die mit den Schenkeln eines Winkels in einer und derselben Ebene liegt, den Winkel theilt, ist der Nebenwinkel des einen nothwendig gröfser, als der andere Winkel. Z.B. wenn ZC (Fig. 13.) durch BF geht, und also den Winkel BCF in zwei andere BCE und ECF iheilt: so ist zur Theorie der Ebene. 39 der Nebenwinkel ZCD des einen Winkels ACE nothwendig gröfser, als der andere Winkel ZCF. Beweis. Der Nebenwinkel ECD kann von den Dreien nur Eins sein: entweder gleich dem Winkel ECF, oder kleiner, oder gröfser. Er kann nicht gleich ECF sein: denn sonst müfste CD in CF gebracht werden können, was nicht angeht, weil die gerade Linie ZD, nach BF ge- bracht, nicht durch C gehen kann (15.). Er kann auch nicht kleiner als ECF sein; denn sonst wäre er, weil z.B. der Winkel ZCG von Null bis ECF stetig wachsen und folglich jede Gröfse haben kann, die kleiner ist, als ZCF (25.) irgend einem Winkel ZCG gleich, dessenSchenkel CG durch ZF geht, was ebenfalls nicht möglich ist, weil die gerade Linie BD, nach BG gebracht, wiederum nicht durch C gehen kann (15.) Also kanu ECD nur gröfser sein, als ZCF. $. VII. Es folgen nun wieder einige Sätze, die zur ferneren Entwickelung nothwendig sind. Die Beweise derselben sind den Euklidischen nachgebil- det, mufsten aber theils vervollständigt, theils auf das hier Vorhergehende bezogen werden. 27. Lehrsatz. In jedem Dreieck ist jeder Winkel kleiner, als der Nebenwinkel des an der nemlichen Seite liegenden andern Winkels. Z.B. in dem Dreiecke 4BC (Fig. 13.) ist der Winkel 4 kleiner, als der Neben- winkel CI des Winkels 4CB. Beweis. Es sei in der Seite /C, E derjenige Punct, der von 4 und € gleich weit entfernt ist, und der immer existirt (11.). In der gera- den Linie BEF, durch DZ und Z, sei EF= BE und F und C durch eine gerade Linie verbunden, so dafs BC, EC und FC in einer und derselben Ebene liegen (22.). Alsdann sind in den Dreiecken EB und CET die Winkel bei £, als Scheitelwinkel, gleich (16.); und da die einschliefsenden Seiten ebenfalls gleich sind, nemlich, 4E=ZC und BE=EF, so sind die Dreiecke eongruent (19). Also ist der Winkel Z4Z gleich dem Winkel ZCF. Dieser Winkel ECT ist aber kleiner, als der Winkel ZCD (26.), also auch kleiner, als der dem letzten gleiche Scheitelwinkel BC (16.). Also ist auch der dem Winkel ZCF gleiche Winkel 34H, oder A, kleiner, als der Winkel PCH. 40 CRELULUE: 28. Lehrsatz. In jedem Dreiecke liegt der gröfseren Seite der grö- fsere Winkel gegenüber. Z.B. wenn in dem Dreieck 4BC (Fig. 14.) 4C> AB ist, so ist der Winkel 42C gröfser, als der Winkel 4C2. Beweis. Es sei AD=AB, so fällt D zwischen AundC, weil 4C > AB. In dem gleichschenkligen Dreiecke DAB ist der Winkel 43D dem Winkel ADB gleich (20.). Für das Dreieck BDC aber ist ADB der Neben- winkel des mit C an der nemlichen Seite liegenden andern Winkels ZDC. Also ist ADB gröfser als ACB (27.), und folglich auch 4BD gröfser, als C. Ferner ist 4BD kleiner als 4BC (25.). Also ist um so mehr 4BC gröfser, als ACB. 29. Lehrsatz. In jedem Dreiecke liegt dem gröfseren Winkel die gröfsere Seite gegenüber. Z.B. wenn in dem Dreiecke 4BC (Fig. 14.) der Winkel 42C gröfser als der Winkel 4CB ist, so ist die Seite 4C länger, als die Seite AB. Beweis. Wäre nicht 4C> AB, so wäre entweder AC= AB, oder AC< AB. Im ersten Fall aber wäre ABC = ACB (20.), im letzteren ABC < ACB (28.). Beides ist der Voraussetzung entgegen. Also kann nur AC> AB sein. 30. Lehrsatz. In jedem Dreiecke sind zwei Seiten zusammen län- ger, als die dritte. Beweis. Die Seite AB (Fig. 15.) des Dreiecks 4BC sei nach D ver- längert und 4+D—= AC. In dem gleichschenkligen Dreieck ACD sind die Win- kel 4CD und ADC gleich (20.). Da aber BC, AC und DC in einer und der- ‚selben Ebene liegen (22.), so ist der Winkel BCD gröfser, als der Winkel 4CD (25.), also auch gröfser, als der dem letzten gleiche Winkel 4DC oder BDC. In dem Dreiecke BCD ist ferner die dem gröfseren Winkel BCD gegenüber liegende Seite BD länger, als die dem kleinern Winkel ZDC gegenüber lie- gende Seite 3C (29.); und da nun BD=BA+AD= BA + AC ist, so ist BA+ACD>BC. 31. Lehrsatz. Wenn in einem Dreieck eine Seite und die beiden daran liegenden Winkel so grofs sind, als eine Seite und die beiden anlie- genden Winkel in einem andern Dreiecke: so sind die beiden Dreiecke con- gruent. Z.B. wenn in Fig. 16. BO=EFundB=E, C=Fist, so ist auch AB=DE, AA=DFund4=D. zur Theorie der Ebene. 41 Beweis. Da BC=EF sein soll, so kann BC in EF oder EF in BC gelegt werden, und zwar so, dafs 3 in E, C in F fällt, und es fällt dann nothwendig z.B. DE in AB, oder 48 in DE, weil nach der Voraussetzung die Winkel 3 und £ gleich sind (13B.). Wären nun B4 und DE nicht ein- ander gleich, so wäre eines von beiden gröfser. Essei DE> AB. Alsdann wird, wenn BC in EF, und zwar Bin E, Cin F gelegt wird, so dafs 4B in DE fällt, 4 nothwendig in irgend einen Punct @ fallen, der zwischen E und D liegt. Es wäre also nun BJO=EF, B=E und BA=EG. Also wä- ren die Dreiecke ABC und GEF congruent (19.), und folglich müfste 4C in GF fallen und der Winkel GFE dem Winkel € gleich sein. Es ist aber viel- mehr, da GF mit EF und DF in einer und derselben Ebene liegt, der Win- kel GFE kleiner, als der dem Winkel € gleich vorausgesetzte Winkel DFE (25.). Also kann nicht #3 C, oder 2) E=Bund FBund F>C, oder 5) Ec. Mehr Fälle sind nicht möglich. I. Im ersten Falle: E=B, F>C werde BC in EF gelegt, so wird, wegen B=E, AB in die Linie ED fallen; der Winkel C aber, der kleiner als 7 sein soll, ist nothwendig einem von den mit EF und DF in einer und derselben Ebene liegenden Winkeln gleich, deren andere Schenkel zwi- schen EF und DF fallen (25.); also z.B. C=EFG. Es fiele daher 2 in E, CinF, AC in FG, BA in CD und AinG, folglich wäre EG—= AB. Es ist aber vorausgesetzt ED=4B. Also kann nicht, wenn E=2 ist, F>C sein. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. F 42 CRELLE: I. Im zweiten Falle: Z=Bund FF, wel- ches, wie so eben bewiesen, mit ZF=BC, DF=AC und ED=BA zugleich, nicht möglich ist. II. Im dritten Falle: 2 .BK (30.); also, beiderseits XC hinzugethan, BA + HC>BK-+KC. Ferner ist in dem Dreiecke HC, AH + 40 > HC (30.);, also, beiderseits BH hinzugethan, 423+4AC>BH-+ HC, und folglich auch, weil AH + HC>BK+KC war, AB+AC>BK-+KC. Es kann also nicht, wie es sein mülste, 43+4C =BK -+KC und folglich kann auch nicht EBund F>C wäre BC, werde wieder EF in BC ge- legt. Der Winkel Z, welcher kleiner als B sein soll, ist nothwendig einem von den mit ZB und CB in einer und derselben Ebene BC liegenden Win- keln gleich, deren andere Schenkel zwischen ZB und OB fallen (25.). Also kann man setzen: Z=_LBC. Es sei BM=ED, so dafs also DF in CM fällt, und F=BOCM ist: so liegt der Durchschnittspunct Z von JC und BM nothwendig zwischen B und M, weil nur dann, wie es voraus- gesetzt ward, „ZCBC sein. Von allen 5 Fällen findet also keiner Statt, und folglich ist nothwen- dig Z=B, F=C. Wenn nun aber Z=B, so fällt, wenn EF in BC gelegt wird, CD in BA, und, wegen ZD=BA, Din 4; mithin fällt auch DF in 4C, und ist ihm gleich, wie es vorausgesetzt wird. Desgleichen ist #=(, und weil DE in 4B, DF in 4C fällt, auch D=A4. 8,1X, Ehe das Vorhergehende auf die Theorie der Ebene angewendet wer- den kann, müssen, nach Vorgang von Definitionen, noch ein Paar Sätze ausgesprochen werden, die zwar auch näher bewiesen werden könnten, die aber von allen Geometern, entweder stillschweigend, oder ausdrücklich, ohne Beweis zugegeben werden. Daran werden sich dann wieder einige Lehrsätze schliefsen. 33. Erklärung. Die Gesammtheit der Örter im Raume, in welche ein Punct oder eine Linie unter dieser oder jener Bedingung gelangen kann, heifst geometrischer Ort des Punctes oder der Linie. 34. Erklärung. Der geometrische Ort des einen Endpunctes einer geraden Linie, deren anderer Endpunct an demselben Ort im Raume bleibt, heifst Kugelfläche. Der festbleibende Punct heifst Mittelpunct der Kugel, die bestimmte Linie Halbmesser, und zwei Halbmesser, in gerader Linie liegend, Durchmesser. Alle Halbmesser der Kugel sind also gleich lang, und die Kugelfläche umschliefst ganz einen endlichen Raum, weil vorausgesetzt wird, dafs der Halbmesser in alle möglichen Lagen komme, um mit seinem Endpuncte die Kugelfläche zu beschreiben. Der Mittelpunct liegt im Innern der Kugel; denn er liegt in der Mitte der Durchmesser, deren Endpuncte sich in der Kugelfläche befinden. F2 44 GWELLE: 35. Grundsatz. Eine gerade Linie durch irgend einen Punct in- nerhalb einer Fläche, die einen Raum ganz umschliefst, schneidet, genug- sam verlängert, die Fläche nothwendig. 36. Grundsatz. Wenn irgend ein Punct einer Fläche, die einen Raum ganz umschliefst, oder auch irgend ein Punct einer geraden Linie, innerhalb einer andern Fläche liegt, die einen Raum ganz umschliefst; zugleich aber irgend ein anderer Punct der ersten Fläche, oder der Linie, aufserhalb der zweiten Fläche liegt: so schneiden die erste Fläche, oder die Linie, die zweite Fläche nothwendig. 37. Lehrsatz. Über jeder geraden Linie von bestimmter Länge sind unzählige gleichschenklige Dreiecke möglich, deren Schenkel jedesmal zusammen länger sind, als die bestimmte Grundlinie. Beweis. 4B (Fig. 17.) sei die gegebene gerade Linie, M derjenige Punet in derselben, der von ihren Endpuncten „4 und 2 gleich weit entfernt und der zufolge (11.) immer vorhanden ist. Ferner sei BE> DM und BH=AK=4G= BE. Sindnun 4 und 2 die Mittelpuncte zweier Ku- gelflächen mit den Halbmessern 46 = AK und BE=BH (34.), so ist G ein Punct der Kugelfläche um 4 innerhalb, und Ä ein Punct dersel- ben Kugelfläche aufserhalb der Kugelfläche um 3. Folglich schneiden sich die beiden Kugelflächen nothwendig (35.). Es sei Dirgend ein Punct, in welchem sie sich schneiden, so ist derselbe nothwendig von 4 und von B gleich weit entfernt; denn 4D und BD sind alsdann Halbmesser der beiden Kugelflächen; und da alle Halbmesser einer Kugelfläche gleich lang sind (34.), so ist ID= AG und BD=BE, folglich, wegen 4G=BE, AD=BD. Mithin ist DB ein gleichschenkliges Dreieck. Seine Schen- kel 4D und BD sind zusammen länger, als 42, wel AD=A4AG>-+A4B und BD=BE>--4AB. Auch giebt es unzählige solche gleichschenklige Dreiecke über 42, weil #/G= BE willkührlich grofs angenommen werden kann, wenn es nur gröfser ist, als #M = BM. 38. Lehrsatz. Durch jeden Punct M einer geraden Linie KH (Fig. 17.) kann eine gerade Linie CM gehen, die mit ihr gleiche Neben- winkel AMC = HMC macht. Beweis. Es werde in der geraden Linie AH aus M die willkürliche Länge M4 genommen, und es sei BM = AM. Die Spitze D irgend eines der gleichschenkligen Dreiecke DB, die über 4B möglich sind (37.), zur Theorie der Ebene. 45 werde mit dem gegebenen Puncte M durch die gerade Linie DM verbun- den: so ist in den Dreiecken MD und BMD, AM=BM, AD=BD und der Winkel D4/M ist gleich dem Winkel DBM (20.). Also sind die Dreiecke congruent (19.). Folglich ist der Winkel MD dem Winkel BMD gleich, und folglich giebt es durch den Punct M immer eine gerade Linie MD, die mit der gegebenen Linie 42 gleiche Nebenwinkel macht. 39. Erklärung. Gleiche Nebenwinkel sollen rechte, und gerade Linien im Raume, die sich unter gleichen Nebenwinkeln schneiden, auf ein- ander senkrecht oder Perpendikel zu einander heifsen. S.X. Nunmehr können die Eigenschaften der Ebene untersucht werden. Es geschieht in den folgenden Sätzen, die diese Eigenschaften aussprechen. 40. Lehrsatz. Wenn auf einer geraden Linie im Raume, z.B. auf DE (Fig. 18.), zwei andere gerade Linien 4C und BC, in einem und dem- selben Puncte C, senkrecht stehen, so dafs also 4CD, BCD, und folglich auch die Nebenwinkel #CE und BCE rechte Winkel (39.) sind: so ste- hen alle erzeugenden Linien jeder beliebigen, durch 4C und BC ge- henden Ebene, z.B. FC und GC, auf DE ebenfalls senkrecht. Beweis. Essei 42 die bestimmende Linie einer beliebigen durch AC und BC gehenden Ebene und CE dem willkührlichen DC gleich. Da alsdann in den Dreiecken 4CD und ACE zwei Seiten und der einge- schlossene Winkel gleich sind, nemlich DC=EC, AC=AC und ACD ACE, so sind die Dreiecke gleich (19.). Also it 4D—= AE. Auf gleiche Weise, nemlich wel DC =CE, BC=BC und BCD=BCE, sind die Dreiecke BCD und BCE gleich, und folglich ist auch BD=BE. Es sind also in den Dreiecken DB und 4EB die drei Seiten einander gleich, nem- lich AD=AE, BD=BE, wie bewiesen, und 4# = 4B. Daher sind diese Dreiecke gleich (32.), und es ist der Winkel D4F oder DAG dem Winkel EAF oder E4G gleich, wenn F und G zwei beliebige Puncte der geraden Linie 4B, und also FC und GC erzeugende Linien einer durch AC und BC gehenden Ebene sind (24.). 46 CRELLE: Es sind nun ferner in den Dreiecken DAF und ZAF, oder in den Dreiecken D4G und E4G, zwei Seiten und der eingeschlossene Winkel gleich, nemlich, wie bewiesen, 4JD=AE, DAF=EAF, oder DAG= EAG, und dau AF=AF, oder AG = 4G, also sind diese Dreiecke gleich (19.), und folglich ist FPD= FE oder GD=GE. Es sind also ne in den Dreiecken DFC und EFC, oder DGC und ZEGC, die drei Seiten gleich, nemlich FD= FE oder GD=GE, wie bewiesen, DC=EC, nach der Voraussetzung, und FC=FC, oder GC =GC: also sind diese Dreiecke gleich (32.), und es ist folglich FCD= FCE, oder GCD=GCE, das heift: FC und GC machen mit DE gleiche Nebenwinkel, und folglich rechte Winkel. Daher stehen auch die beiden erzeugenden Linien FC und GC auf DE senkrecht.. Das Nem- liche gilt von jeder andern erzeugenden Linie jeder durch 4C und BC gehenden Ebene. 41. Lehrsatz. Wenn zwei sich schneidende gerade Linien BCD und ZCF (Fig. 19.) auf einander senkrecht stehen, so also, dafs BCE, ECD, DCF uud FCB rechte Winkel sind: so giebt es im Raume immer eine durch ihren Durchschnittspunct C gehende gerade Linie 4C, die auf den beiden sich schneidenden geraden Linien zugleich senkrecht steht, so, dafs ACB, ACD, ACE und ACF rechte Winkel sind. Beweis. Es sei GC eine beliebige der auf ZCF in C senkrecht stehenden geraden Linien, so also, dafs GCE und GCF rechte Winkel sind. Alsdann steht ZC auf BC und GC zugleich senkrecht, weil ZCB und ECG nach der Voraussetzung rechte Winkel sind. Es sei 4C eine beliebige von den auf BCD in C senkrechten geraden Linien. Es werde in derselben der Punct 4 willkührlich angenommen, des- gleichen der Punct B und der Punct D in BCD; darauf werde von den ge- raden Linien AB und 4D und der geraden Linie BD das Dreieck 4BD umschlossen. Dieses Dreieck werde in alle mögliche Lagen gebracht, während BD an der nemlichen Stelle bleibt: so wird der geometrische Ort der Linien B4 und 4D eine Fläche sein, die einen Raum ganz um- schliefst. Der Punet € liegt im Innern dieses Raumes: also mufs die Linie GC, die durch C geht, nothwendig die von BA und AD beschriebene Fläche irgendwo schneiden (35.), folglich eine der Linien AB und AD in irgend einer ihrer Lagen treffen. Sie schneide 4B in A. zur Theorie der Ebene. 47 Alsdann sind die drei geraden Linien BC, HC und AC erzeugende Linien der durch 4B, als bestimmende Linie, und durch C, als bestim- menden Punct, gelegten Ebene. Die gerade Linie EC steht auf zwei dieser erzeugenden Linien, nemlich auf BC und HC, oder GC, der Vorausset- zung nach, senkrecht: also steht sie, gemäfs (40.), auch auf der dritten AC senkrecht. Es stand aber AC nach der Voraussetzung auf BCD senkrecht: also steht 4C auf BCD und auf ECF zugleich senkrecht, und folglich giebt es immer eine durch € gehende gerade Linie 4C, welche auf den beiden ge- gebenen Linien zugleich senkrecht ist. 42. Lehrsatz. Wenn zwei gerade Linien DC und EC (Fig. 20.) einander unter einem beliebigen Winkel DCE schneiden, so giebt es im- mer eine, im Raume, durch ihren Durchschnittspunct € gehende, gerade Li- nie ACF, die auf den beiden sich schneidenden geraden Linien zugleich senk- recht steht, so also, dafs CD und 4CE rechte Winkel sind. BeweisI. Es sei D ein beliebiger Punct in der Linie DC, und es werde EC= DC genommen. B sei derjenige Punct der geraden Linie DE, welcher von D und E gleich weit entfernt ist, und der immer Statt findet (11.). Alsdann sind in den beiden Dreiecken DBC und EBGC die drei Seiten gleich, nemlich DC—= EC und DB=BE, nach der Voraussetzung, und BC =BC. Also sind die Dreiecke gleich (32.), und folglich sind die Winkel DBC und EBGC gleich, und mithin, als Nebenwinkel, rechte (38.). I. Nun giebt es, nach (41.), immer eine durch den Durchschnitts- punct B der unter rechten Winkeln sich schneidenden geraden Linien CB und ED gehende gerade Linie, die auf beiden zugleich senkrecht steht. Sie sei GB. In derselben werde willkührlich der Punct G genommen, und mit C durch die, beliebig zu verlängernde, gerade Linie CGZ verbunden. Die gerade Linie EB steht also nunmehr auf den beiden Linien BC und GB zu- gleich senkrecht. II. Es sei ferner 4C eine der auf BCX senkrechten geraden Linien. Es werde in derselben der Punct 4 und in der verlängerten BC der Punct K willkührlich genommen, und durch die geraden Linien 4B und 4K mit BK das Dreieck 4BK umschlossen. IV. Dieses Dreieck werde in alle möglichen Lagen gebracht, wäh- rend BCX an der nemlichen Stelle bleibt: so wird der geometrische Ort 48 CGCRELLE: der Linien BA und AK eine Fläche sein, die einen Raum ganz umschliefst. Der Puunct C liegt im Innern dieses Raumes: also mufs die Linie GC, die durch C geht, nothwendig die von BA und AK beschriebene Fläche irgend- wo schneiden (35.), folglich eine der Linien 4B oder AK in irgend einer ihrer Lagen. Sie schneide AB in H. Alsdann ist BHA eine der erzeu- genden Linien der durch B, als bestimmenden Punct, und durch GC, als bestimmende Linie, liegenden Ebene. vV. Auf zwei andern erzeugenden Linien dieser Ebene, nemlich auf BC und BG, steht aber die Linie EB senkrecht. Also steht sie, nach (40.), auch auf der dritten erzeugenden Linie B4 senkrecht. Folglich ist ABE ein rechter Winkel. Mithin steht nunmehr EB auf BA und BC zugleich senkrecht. VI. Es werde CF—= C4 genommen: so sind in den beiden Dreiecken BAC und CFB zwei Seiten und der eingeschlossene Winkel gleich, nemlich CF=(CA, BC= BC und BCF= BCA, weil BCA ein rechter Winkel ist (III.). Also sind die Dreiecke gleich (19.), und folglich ist #32 = AB. vII. Ferner werde durch 2, als bestimmenden Punct, und durch ACF, als bestimmende Linie, eine Ebene gelegt, so dafs BA und BC zwei erzeugende Linien derselben sind. Alsdann ist 3F eine dritte erzeugende Linie dieser Ebene. Auf den beiden ersten erzeugenden Linien 34 und BC stand EB, wie vorhin in (V.) bewiesen, senkrecht. Also steht EZ, nach (40.), auch auf der dritten erzeugenden Linie BF senkrecht, das heifst: es ist FBE ein rechter Winkel. vIm. Vorhin, in (V.), ist bewiesen, dafs 4BE ein rechter Winkel, und in (VI.), dafs 48=FB ist. Also sind, weil nunmehr FBE, als rechter Winkel, dem Winkel 4BE gleich ist, in den beiden Dreiecken 4ABE und FBE zwei Seiten und der eingeschlossene Winkel gleich, nemlich 4B = FB, BE=BE und ABE=FBE. Also sind die Dreiecke gleich (19.), und folg- lich ist 4E=FE. IX. Also sind nunmehr, endlich, in den beiden Dreiecken CE und FCE die drei Seiten gleich, nemlich 4E = FE, wie bewiesen (VII.), CF = CA, wie vorausgesetzt (VL), und EC=EC. Also sind die Dreiecke gleich (32.), und folglich sind die Winkel 4CE und FCE, als Nebenwinkel, rechte, das heifst: 4C steht auf EC senkrecht, während es, nach der Voraussetzung (IIL.), auf BC senkrecht ist. zur Theorie der Ebene. 49 X. Nun sind BC und EC zwei erzeugende Linien der durch DE als bestimmende Linie und durch € als bestimmenden Punct gehenden Ebene, und DC ist eine dritte erzeugende Linie dieser Ebene. Auf BC und ZC steht ./C senkrecht (IX.): folglich steht es auch auf DC senkrecht (40.), und folglich giebt es immer eine gerade Linie 4C, die auf beiden gegebenen, unter einem beliebigen Winkel DCE sich schneidenden, geraden Linien DC und EC zugleich senkrecht steht. 43. Erklärung. Der geometrische Ort der Perpendikel durch einen festen Punct einer festen geraden Linie, auf dieselbe, soll Perpendi- cular-Fläche heifsen; die feste Linie Axe, die Perpendikel Strahlen, der feste Punct Mittelpunct. (Eine solche Perpendicular-Fläche ist also das, was Fourier Ebene nennt.) 44. Lehrsatz. Durch keinen Punct einer geraden Linie giebt es andere Perpendikel auf dieselbe, als diejenigen, welche in der Perpendi- eular-Fläche durch den bestimmten Punct liegen. Beweis. Es sei FC Fig. 21. ein Perpendikel auf die gerade Linie AB durch den Punct € in derselben, welches Perpendikel nach (38.) immer Statt findet. Es werde in FC der Punct D, und in 4B der Punct ‚/ und der Punct 3 willkührlich angenommen, und D mit 4 und mit B durch die geraden Linien /D und BD verbunden. Die Linie CD werde, mit den beiden Linien /D und BD zugleich, in alle möglichen Lagen gebracht, während 4B an der nemlichen Stelle bleibt: so ist der so beschriebene geometrische Ort der geraden Linie DC die Perpendicular-Fläche auf die Axe 42 durch den Punct C: die geometrischen Orte der beiden Dreiecke DC4 und DCB aber sind Flächen, die jede für sich einen Raum, namentlich die Räume /ZD und BZLD, ganz umschliefsen. II. Nun sei, wenn es möglich ist, GC ein Perpendikel durch C auf AB, welches nicht in die Perpendicular-Fläche DC fällt, das heifst: eine gerade Linie, die mit 42 gleiche Nebenwinkel GC4= GCB macht, ohne dafs GC eins der Perpendikel DC wäre. If. Da C im Innern der ganz geschlossenen Fläche /DBZ liegt, so mufs die gerade Linie CG, die durch C geht, diese Fläche nothwendig schnei- den (36.). Und zwar mufs sie eine der beiden Linien DB und DA in irgend einer ihrer Lagen treffen. Sie treffe DB in E. Phys.-mathemat. Abhandl. 1334. G 50 CrRELLE: Iv. Alsdann gehen die drei geraden Linien DC, EC und BC durch eine und dieselbe gerade Linie DZ, und liegen folglich in einer Ebene durch Cund DB. Und zwar liegt COX zwischen CD und CB. Deshalb aber ist der Winkel ZCB, oder GCB, kleiner, als der rechte Winkel DC. (25.) V. Der Punct Z£ werde nun ferner mit dem Puncte 4 durch die gerade Linie 4Z verbunden. Alsdann ist 4E eine der erzeugenden Linien einer Ebene durch DR und 4; und da E zwischen D und 2 liegt, so liegt {E zwischen /D und 4, und der Winkel Z4B ist also kleiner, als der Winkel DAB (25.). In welcher Lage sich also auch die Linie /E, mit /D und DB zugleich, um 4/B herum befinden mag: immer liegt sie nothwendig zwischen 4/D und 42, und folglich ganz im Innern der ganz geschlossenen Fläche 4DB1. VI. Da nun ferner Z nicht in 4 fallen, also die Länge der Linie 4E nicht Null sein kann, so mufs sie nothwendig Puncte im Innern der einen oder der andern ganz geschlossenen Fläche DZ oder BDL haben. Hat sie aber im Innern von 4DL einen Punct, so mufs sie, weil Z aufserhalb ADL liegt, die Perpendicular-Fläche DZ nothwendig schneiden (36.); und hat sie im Innern von BDZ einen Punct, so mufs sie, weil / aufserhalb BDL liegt, die Perpendicular-Fläche DZ wiederum nothwendig schneiden. Jedenfalls wird also die Perpendicular-Fläche DZ von der geraden Linie AE irgendwo geschnitten, etwa in X, und folglich mufs #E irgend ein Per- pendikel XC auf 4B, etwa in K, treffen. Ob dieses Perpendikel ÄC das nemliche DC sei, welches mit CE und CB in einer und derselben Ebene liegt, ist, wie sich sogleich zeigen wird, gleichgültig. VI. Die geraden Linien O4, CK und CE liegen nun wieder in einer und derselben Ebene, nemlich in der Ebene durch C und ZE, und zwar liegt CA zwischen CA und CE. Deshalb ist der Winkel #C4, oder GC4, gröfser, als der rechte Winkel XCA (25.). VII. Oben in (IV.) wurde gefunden, dafs der Winkel GC2 kleiner ist, als der rechte Winkel DCZ. Wenn nun auch gleich das Perpendikel DC auf 4B nicht das nemliche wäre mit dem Perpendikel ÄC auf 42, so sind doch die rechten Winkel DCZ und KCA einander gleich. Also folgt aus (IV.) und (VIL), dafs, weil GEB kleiner und GCA gröfser als ein rechter Winkel ist: dafs die Nebenwinkel GOB und GCA nicht gleich, und folglich nicht rechte sein können. zur Theorie der Ebene. 51 Mithin ist kein Perpendikel GC auf 4/2, durch C, aufserhalb der Perpendicular-Fläche auf die Axe 4B durch € möglich. 45. Lehrsatz. Durch jeden Punct einer geraden Linie giebt es nur eine Perpendicular-Fläche. Beweis. Es giebt kein Perpendikel durch den bestimmten Punct der Linie, welches nicht in einer Perpendicular-Fläche durch denselben läge (44.). In einer zweiten Perpendicular-Fläche aufserhalb der ersten müfste aber nothwendig ein solches Perpendikel angetroffen werden. Also giebt es keine zweite, und mithin nur eine Perpendicular-Fläche durch einen und denselben Punct. 46. Lehrsatz. Wenn eine gerade Linie, z.B. FC, Fig. 21, auf einer andern 42 senkrecht steht, das heifst, mit ihr gleiche Nebenwinkel FCA und FCB macht: so giebt es in einer durch FC und 432 gelegten Ebene kein zweites Perpendikel durch € auf 4B, neben FC. Beweis. Gesetzt, DD wäre die bestimmende Linie einer durch FC und BC gelegten Ebene, und GC, wenn es möglich, ein zweites Per- pendikel durch C auf #2, in dieser Ebene, also durch DB gehend: so müfste GC nothwendig in der durch C gehenden Perpendicular-Fläche auf AB liegen; denn aufser den Perpendikeln, welche diese Fläche bilden, giebt es zufolge (44.) kein Perpendikel auf 43. Läge nun aber GC in der Perpendicular-Fläche durch € auf 4B, so wäre BC oder 4C auf den bei- den in der Ebene DCB liegenden Linien CD und EC zugleich senkrecht; dann aber wäre BC oder 4C, vermöge (40.), auch auf jeder andern erzeu- genden Linie der Ebene DCB senkrecht, also auch auf BC. Also wäre BC auf sich selbst senkrecht. Da dieses nicht sein kann, so ist auch keine Linie GC, durch €, in der Ebene DCB möglich, die auf 4B senkrecht wäre. Eben so wird bewiesen, dafs keine solche Linie in irgend einer Ebene durch AC und FC möglich ist. 47. Lehrsatz. Die im Raume auf zwei sich schneidenden gera- den Linien zugleich in ihrem Durchschnitts-Puncte senkrechte gerade Linie, die immer Statt findet (42.), hat keine andere neben sich, die, eben- falls durch den Durchschnitts-Punct der sich schneidenden geraden Linien gehend, auf beiden zugleich senkrecht stände. Beweis. Es sei DC Fig. 18. auf den beiden in € sich schneidenden geraden Linien /C und BC zugleich senkrecht, ÄC aber sei, wenn es an- G2 52 ÜRELLE: geht, ein zweites Perpendikel durch C, auf 4C und BC zugleich. Durch eine beliebige gerade Linie 42, die durch die beiden 4C und BC geht, und durch den Punct C, werde eine Ebene gelegt, deren es nur eine giebt (23.). Alsdann stehen, wie in (40.) bewiesen worden, alle erzeugenden Li- nien dieser Ebene, z.B. FC, GC etc. auf DC senkrecht. Alle diese er- zeugenden Linien befinden sich also in der Perpendicular-Fläche auf DC, die durch C geht, deren es wiederum nur eine giebt (45.). Es werde der Punct 4 mit zwei beliebigen Puncten D und Z der Linie DC, an verschiedenen Seiten von C liegend, durch die geraden Linien /D und ZE verbunden, und darauf das Dreiek /DE, sammt der Linie 4C, in alle möglichen Lagen gebracht, während DCE, so wie KC, an dem nem- lichen Orte bleiben. Der geometrische Ort von DIE wird eine ganz geschlossene Fläche sein, derjenige von 4C aber die Perpendicular- Fläche durch C auf DC. Da der Punct C im Innern der geschlossenen Fläche 4DE liegt, so mufs ÄXC dieselbe und folglich die Linie 4D in irgend einer ihrer Lagen schneiden (35.). Es treffe sie in der Lage DF', und zwar in K, so sind FC, KC und DC drei erzeugende Linien einer Ebene durch FD und C, und zwar liegt XC zwischen FC und DC. Es giebt aber nach (46.) in einer, durch zwei auf einander senk- recht gerade Linien #C und DC gehenden Ebene keine andere durch C gehende Gerade, die auf FC senkrecht wäre, oder die mit ihr gleiche Nebenwinkel machte, als DC selbst. Also kann ÄC auf FC nicht senk- recht sein. Gleichwohl müfste, wenn KC auf Z/C und DC senkrecht stände, vermöge (40.) FC auf KC perpendiculair stehen. Also ist, aufser DC, kein zweites Perpendikel durch €, auf #C und BC zugleich, möglich. 48. Lehrsatz. Es kann durch zwei sich schneidende gerade Linien nur eine Perpendicular-Fläche gelegt werden, deren Axe durch den Durchschnittspunct der beiden Linien geht. Beweis Es seien /C und BC Fig. 18. die beiden gegebenen gera- den Linien, so giebt es immer eine gerade Linie DC, die, auf beiden zu- gleich, in ihrem Durchschnittspuncte senkrecht steht (42.). Die Gesammt- heit der Perpendikel auf DC durch C machen eine Perpendicular-Fläche aus, in welcher sich 4C und BC befinden. Es giebt aber nur ein Per- zur Theorie der Ebene. 53 pendikel DC, auf 4C und BC zugleich, durch € (47.). Desgleichen giebt es auf dieses DC nur eine Perpendicular-Fläche durch € (45.). Also giebt es nur eine Perpendicular-Fläche, die durch /C und BC geht. 49. Lehrsatz. Jede gerade Linie, die durch zwei beliebige Puncte einer Ebene geht, liegt ganz in dieser Ebene. (Dieses ist der in der Vorbemerkung gedachte Satz, der gewöhnlich, ohne Beweis, als Definition der Ebene aufgestellt wird.) Beweis. Es sei C Fig. 22. der bestimmende Punct, AB die be- stimmende Linie der gegebenen Ebene; 4C und BC seien zwei beliebige erzeugende Linien derselben, DC die Gerade, welche auf diesen beiden erzeugenden Linien zugleich senkrecht steht, und welche nach (42.) immer existirt, deren es aber nach (47.) nur eine giebt: so wird, indem nunmehr AC und BC zugleich auf DC in einem und demselben Puncte C senkrecht stehen, ganz wie in (40.) bewiesen, dafs auch alle übrigen erzeugenden Linien der Ebene, also auch z.B. FC, GC ete., auf DC senkrecht sind. Es giebt keine erzeugende Linie der Ebene, die nicht auf DC perpendi- culair wäre. Die Ebene CB fällt also in ihrer ganzen Ausdehnung in die Perpendicular-Fläche durch 4C und BC, deren Axe durch C geht. Nun seien 7/ und X zwei beliebige, in der durch 4B und C bestimm- ten Ebene liegende, Puncte. Dieselben befinden sich, da sie in der Ebene liegen sollen, nothwendig in zwei erzeugenden Linien derselben, nemlich in den erzeugenden Linien 7/C und KC. Also sind 7C und KC auf DC senkrecht (40.). Deshalb aber sind nun wieder, vermöge (40.), auch alle andern geraden Linien, die durch C und durch die verschiedenen Puncte der geraden Linie 7A gehen können, auf DC senkrecht. Es giebt keine gerade Linie durch 7K und C, die nicht auf DC senkrecht wäre. Die Ebene YCK fällt also ebenfalls, in ihrer ganzen Ausdehnung, in die Perpendicular- Fläche durch 4C und BC, deren Axe durch € geht. Es giebt aber, zufolge (48.) nur Eine Perpendicular-Fläche durch /C und BC, deren Axe durch C geht. Also fallen die beiden Ebenen CB und HCK nothwendig in einander, und folglich liegt die, ganz in der Ebene HCK sich befindende Linie 7X, auch ganz in der Ebene 4CB. 50. Lehrsatz. Durch zwei sich schneidende gerade Linien kann nur eine Ebene gelegt werden. 54 CrEerLie: Beweis. Es sei z.B. 4G Fig. 22. die bestimmende Linie einer durch die beiden gegebenen sich schneidenden Linien #C und GC gelegten Ebene, und die Linie DC, deren es nur eine giebt (47.), auf 4C und GC zugleich senkrecht: so stehen, nach (40.), alle erzeugenden Linien der Ebene auf DC senkrecht, und folglich fällt die Ebene 4CG ganz in die Perpendicular-Fläche durch 4C und GC. Es sei ZK eine zweite bestimmende Linie einer zweiten durch /C und GC gelegten Ebene: so stehen wiederum, nach (40.), auch alle erzeu- genden Linien dieser zweiten Ebene auf der nemlichen Geraden DC senk- recht. Auch die zweite Ebene ZCK, durch Z/C und GC, fällt also ganz in die Perpendicular-Fläche durch 4C auf GC. Es giebt aber nur eine Perpendicular-Fläche durch 4C auf GC (48.)- Also fallen die beiden Ebenen 4CG und ZCK ganz in einander, und es kann folglich durch 4C und GC nur eine Ebene gelegt werden. 51. Lehrsatz. Die Ebene durch zwei sich schneidende gerade Li- nien, deren es nur eine giebt (50.), fällt ganz in die Perpendicular -Fläche durch die nemlichen Linien, deren es ebenfalls nur eine giebt (48.). Beweis. Alle erzeugenden Linien der Ebene stehen, zufolge (40.), auf der Geraden im Raume senkrecht, die auf den beiden sich schneidenden Linien zugleich perpendiculair ist, und die immer Statt findet (42.), deren es aber nur eine giebt (47.). Also liegen sie alle in der Perpendicular- Fläche durch die sich schneidenden Linien, und folglich liegt die Ebene ganz in ihr. 52. Lehrsatz. Eine gerade Linie durch zwei Puncte einer Per- pendicular-Fläche liegt ganz in derselben. Beweis. Es seien 4 und B Fig. 18. zwei Puncte der Perpendicular- Fläche, deren Mittelpunet C und deren Axe DC ist. Gesetzt nun, irgend ein Punct 7 der geraden Linie AB läge nicht in der Perpendicular-Fläche, so würde FC nicht auf DC senkrecht sein, das heifst, mit DCE nicht gleiche Nebenwinkel FCD= FCE machen (44.). Es macht aber die durch 4B und durch C gehende gerade Linie 7°C mit DCE gleiche Neben- winkel FCD= FCE (40.). Also liegt 7, und da das Gleiche von jedem andern Puncte der Linie AB gilt, diese Linie selbst, in ihrer ganzen Aus- dehnung, nothwendig in der Perpendicular-Fläche. zur Theorie der Ebene. 55 53. Lehrsatz. Die Perpendicular-Fläche durch zwei sich schnei- denge gerade Linien, deren es nur eine giebt (48.), geht durch alle die gera- den Linien, durch welche die Ebene geht, deren nur eine durch die nem- lichen sich schneidenden Linien gelegt werden kann (50.). Beweis. Jede gerade Linie durch zwei beliebige Puncte der Ebene liegt ganz in ihr (49.). Also geht jede gerade Linie in der Ebene auch durch die beiden sich schneidenden Linien, die die Ebene bestimmen. Diese aber liegen zugleich in der Perpendicular-Fläche. Also verbindet die Linie zu- gleich zwei Puncte der Perpendiceular-Fläche. Deshalb liegt sie ganz in dieser (52.). Also geht die Perpendicular-Fläche durch jede gerade Linie, durch welche die Ebene giebt. 54. Lehrsatz. Wenn eine gerade Linie CF oder CG Fig. 18. auf der nemlichen Geraden im Raume CD senkrecht steht, die auf zwei anderen geraden Linien 4C und BC zugleich perpendiculair ist, so liegt sie mit die- sen beiden Linien in einer und derselben Ebene. Beweis. Danach der Voraussetzung 4C, FC, BC, GC zugleich auf DC senkrecht sind, so liegen sie in der Perpendicular - Fläche auf die Axe DC durch C, deren es nur eine giebt (45.). Diese Fläche aber fällt mit der Ebene durch A4C und BC, deren es nur eine giebt (50.), zusammen (53.). Also liegen FC und GC mit 4C und BC in einer und derselben Ebene. 55. Lehrsatz. Wenn der bestimmende Punct einer Ebene, nebst zwei Puncten ihrer bestimmenden Linie, in einer andern Ebene liegen, so fallen die beiden Ebenen ganz in einander. Beweis. Da vorausgesetzt wird, dafs z.B. der bestimmende Punct C Fig. 23. nebst zwei Puncten B und D der bestimmenden Linie BD der Ebene BCD in der Ebene FAE liegen, so müssen nothwendig die drei Puncte B, Cund D, die nicht in eine und dieselbe gerade Linie fallen kön- nen, in erzeugenden Linien AE, 4G und AF der Ebene FAE sich befin- den. Dann fällt aber zunächst die bestimmende Linie BD der Ebene BCD ganz in die Ebene FAE (49.). Und deshalb befinden sich weiter zwei Puncte jeder erzeugenden Linie BC, HC, KC, DC etc., nemlich die Puncte B und C, Zund C, M und C, D und Cu.s. w. in der Ebene FAE. Also liegen auch sämmtliche erzeugende Linien der Ebene BCD ganz in der Ebene FAE (49.), und folglich fallen die beiden Ebenen ganz in einander. 56 CrEeuie: 56. Lehrsatz. Jeder Punct einer Ebene kann der Mittelpunct einer, und nur einer Perpendicular-Fläche sein, in welche dann die Ebene in ihrer ganzen Ausdehnung fällt. Beweis. Es sei in der Ebene F4E Fig. 23., deren bestimmender Punct 4 und deren bestimmende Linie EF ist, C ein beliebiger Punct, welcher der Mittelpunct einer Perpendicular-Fläche sein soll: so wird vor- ausgesetzt, dafs C in irgend einer erzeugenden Linie 4C der Ebene liegt: in einer Linie also, die die bestimmende Linie EF schneidet, etwa in G. Nun sei E irgend ein anderer Punct der bestimmenden Linie der Ebene FAE, und EC und 4GC seien zwei Strahlen der Perpendicular- Ebene durch C. Alsdann hat die bestimmende Linie der Ebene FAE zwei Puncte E und G mit der Perpendieular-Fläche durch EC und GC gemein. Deshalb liegt sie ganz, und also jeder ihrer Puncte in ihr (51.). Also hat nunmehr ferner jede erzeugende Linie der Ebene FAE, z.B. 4E, AQ etc., zwei Puncte mit der Perpendicular-Fläche gemein, nemlich die Puncte 4 und E, 4 und Qu.s.w. Also liegen alle erzeugenden Linien der Ebene ganz in der Perpendicular-Fläche durch EC und GC, und folglich liegt in derselben die Ebene selbst, in ihrer ganzen Ausdehnun g- Eben so wird, wenn man statt E irgend einen andern Punct der be- stimmenden Linie der Ebene, z.B. den Punct F, annimmt, bewiesen, dafs die Ebene ganz in der Perpendicular-Fläche durch FC und &C liegt. Nun giebt es aber nur eine gerade Linie im Raume, die auf EC und GC zugleich senkrecht ist (47.), also nur eine Axe der Perpendicular- Fläche durch EC und GC. Diese Axe, da sie auf den beiden erzeugenden Linien EC und GC einer Ebene durch EF und € senkrecht ist, ist aber auch auf jeder andern erzeugenden Linie dieser Ebene, z.B. auf FC, senkrecht (40.). Also ist sie auch auf GC und FC zugleich senkrecht, und folglich die Axe der Perpendicular-Fläche durch GC und FC, deren es wiederum nur eine giebt. Die beiden Perpendicular-Flächen durch EC und GC, und durch FC und GC, so wie jede andere, in welche die Ebene E.4F fallen kann, haben also eine gemeinschaftliche Axe; zugleich gehen alle durch den Punet € dieser Axe. Es giebt aber durch einen und denselben Punct einer Axe nur eine Perpendicular-Fläche auf diese Axe (45.). Also giebt es immer eine Per- zur Theorie der Ebene. 57 pendicular-Fläche für jeden Punct einer Ebene, in welche die Ebene ganz fällt, aber nur eine. 57. Lehrsatz. Jede gerade Linie, so lang sie auch sein mag, kann, unter einem bestimmten Winkel gegen eine andere, die sich in einer gege- benen Ebene befindet, in diese Ebene gelegt werden. Beweis. Der Punct der Ebene, in welcher sich die beiden geraden Linien schneiden sollen, werde als der Mittelpunct derjenigen Perpendieular- Fläche betrachtet, in welche die Ebene fällt, was immer angeht (56.). Als- dann ist die gegebene Linie einer der Strahlen der Perpendicular-Fläche; die in die Ebene zu legende zweite Linie aber wird ein anderer und derjenige Strahl der Perpendicular-Fläche sein, der mit dem ersten den bestimmten Winkel macht. Und da nun die Länge der Strahlen unbegrenzt ist, so kann die in die Ebene zu legende Linie so lang sein, als man will. 58. Lehrsatz. Jedes Dreieck kann in eine bestimmte Ebene und an eine bestimmte Linie in derselben gelegt werden. Beweis. Die bestimmte Seite werde in die gegebene Linie gelegt: so kann eine zweite Seite des Dreiecks, unter dem bestimmten Winkel des- selben, an jene Linie, ebenfalls in die Ebene gelegt werden (57.). Dann aber fällt die dritte Seite des Dreiecks, weil sie zwei Puncte der vorigen beiden, und folglich zwei Puncte der Ebene verbindet, ebenfalls ganz in dieselbe (49.). 59. Lehrsatz. Durch jedes Dreieck kann eine Ebene gelegt wer- den, in welche die drei Seiten desselben in ihrer ganzen Ausdehnung fallen, aber nur eine, Beweis. Es sei 4BC Fig. 24. das Dreieck, durch welches eine Ebene gelegt werden soll, M sei der bestimmende Punct und DE die bestimmende Linie einer Ebene. Alsdann werde M z.B. in irgend eine Gerade 4K, die durch 4 und durch irgend einen Punct Ä der 4 gegenüber liegenden Dreiecks-Seite #C geht, gelegt. Ferner werde die bestimmende Linie der Ebene durch die Linie KM, etwa in 7, gelegt und zugleich durch die Gerade BM, die B und M verbindet, etwa in 7. Alsdann sind AM und BM zwei erzeugende Linien der Ebene ZM/, AB hat also die beiden Puncte 4 und Z, und BC die beiden Puncte 3 und Ä mit der Ebene gemein. Deshalb fallen #3 und BC ganz in die Ebene (49.). Und da ferner #C die beiden Puncte / und C mit der Ebene gemein hat, so Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. H 58 ÜRE UTDE: fällt auch 4C ganz in dieselbe. Also geht die Ebene durch alle drei Seiten des Dreiecks, und es kann folglich immer eine Ebene durch das Dreieck gelegt werden. Nun werde eine zweite Ebene PNOQ ganz auf die nemliche Weise durch das Dreieck gelegt, so hat dieselbe die Puncte C und R mit der vori- gen Ebene 7MI gemein; folglich liegt die Gerade RC, und mithin auch der bestimmende Punct N der zweiten Ebene, nothwendig in der ersten (49.), desgleichen der Durchschnittspunet @ der bestimmenden Linie FG der zweiten Ebene, nebst der erzeugenden Linie NC. Ferner liegt, da die zweite Ebene nunmehr, nächst dem Puncte 4, den Punct N mit der ersten Ebene gemein hat, auch die erzeugende Linie /V4 der zweiten Ebene, und mithin ihr Durchschnitt 7? mit ihrer Bestimmenden, in der ersten Ebene. Folglich liegen, nächst dem bestimmenden Puncte N der zweiten Ebene, zwei Puncte P und Q ihrer bestimmenden Linie in der ersten Ebene. Deshalb aber fallen beide Ebenen ganz in einander (55.); und da das Nemliche von jeder andern Ebene gilt, so kann durch ein Dreieck nur eine Ebene gelegt werden. 60. Lehrsatz. Wenn zwei Ebenen drei Puncte, die nicht in gerader Linie liegen, mit einander gemein haben, so fallen sie ganz in einander. Beweis. Durch je zwei von den drei Puncten kann nur eine gerade Linie gelegt werden (2.), also durch die drei Puncte nur ein Dreieck. Durch jedes Dreieck aber kann nur eine Ebene gelegt werden (59.). Also fallen zwei Ebenen, die drei Puncte gemein haben, ganz in einander. 61. Lehrsatz. Eine Ebene und eine gerade Linie, die sich schnei- den, können nur einen Punct gemein haben. , Beweis. Hätten sie auch nur zwei Puncte gemein, so fiele die Linie ganz in die Ebene (49.), und schnitte sie folglich nicht. 62. Lehrsatz. Alle Durchschnittspuncte zweier Ebenen liegen noth- wendig in gerader Linie. Beweis. Läge ein dritter Durchschnittspunct nicht in der Geraden zwischen beliebigen zweien, so würden schon die Ebenen ganz in einander fallen (60.) und sich folglich nicht schneiden. 63. Lehrsatz. Die Summe jedes Paares von Nebenwinkeln ist so grofs, als die Summe von zwei Rechten. Beweis. Sind die Nebenwinkel CD und BCD Fig. 21. einander gleich, so ist jeder ein rechter (39.), und der Satz ist an sich selbst klar. zur Theorie der Ebene. 59 Sind die Nebenwinkel {CE und BCE einander nicht gleich, so dafs also EC nicht in die Perpendiceular-Fläche DC auf £B durch € fällt, so wird in (44.) bewiesen, dafs der eine der beiden Winkel, z.B. BCE, nothwendig kleiner, der andere CZ nothwendig gröfser ist, als ein rechter. Ferner wird in (44.) bewiesen, dafs CE die gerade Linie DB, die einen Punct D irgend eines Perpendikels DC der Perpendicular-Fläche mit 3 verbindet, nothwendig schneidet, etwa in Z; desgleichen, dafs die gerade Linie #E nothwendig irgend einen, vielleicht einen andern, Perpendikel AC der Per- pendicular-Fläche schneidet, etwa in X. Da auf diese Weise die Winkel ECB und DCB in einer und derselben Ebene liegen, nemlich in derjenigen, deren bestimmende Linie DEB und deren bestimmender Punct € ist, so ist nach (25.) ECBLDOEZDCH=H, wenn AR einen rechten Winkel bezeichnet: also ist, wenn man noch AR auf beiden Seiten hinzuthut, 1. ECB+-DCE+R=2R. Da ferner der Winkel ACE und der rechte Winkel {CK in einer und der- selben Ebene liegen, nemlich in derjenigen, deren bestimmende Linie #KE und deren bestimmender Punct € ist, so ist, nach (25.), KCE+ACK =ACE, oder, wel ACK=R, 2. KCE+R=ACE. Nun stelle man sich im Raume die gerade Linie vor, die auf EC und BC zugleich senkrecht steht, die immer Statt findet (41.), und deren es nur eine giebt (47.), so steht dieselbe, weil DC mit EC und BC in einer und der- selben Ebene liegt, auch nothwendig auf DC senkrecht (40.). Ferner steht sie auf 4C senkrecht, weil #CB eine gerade Linie ist, folglich auf /C und EC zugleich, und folglich, weil AC mit 4C und ZC in einer und dersel- ben Ebene liegt, auch auf X C (40.). Es liegen aber DC und XC beide in der Perpendicular-Fläche auf 43 durch C: also fallen sie, weil sie, wie so eben folgte, in derselben, mit dem Perpendikel auf #C und BC, deren es nur eins giebt, einen gleichen, nemlich einen rechten Winkel machen, nothwen- dig in einander, und daher ist der Winkel ÄACE dem Winkel DCE gleich. H2 60 CrREuLE: Es ist also hier oben in (2.) nunmehr 3. DCE+R=AÄACE. Setzt man dieses oben in (1.), so findet sich 4. ECB+ACE=:R; welches der Lehrsatz ist. 64. Lehrsatz. Wenn zwei Winkel, die zusammen so grofs als zwei Rechte sind, den Scheitel und einen Schenkel gemein haben, und in einer und derselben Ebene liegen, so liegen ihre andern Schenkel nothwendig in gerader Linie. Beweis. Läge der Schenkel eines Winkels, der mit dem Winkel ACB Fig. 25. den andern Schenkel 4C und den Scheitel C gemein hat, mit ihm zusammen so grofs ist, als zwei Rechte, und zugleich mit ihm in einer und derselben Ebene liegt, nicht in der geraden Linie BCG, so liege er z.B. inCD, oder in CE. Da vorausgesetzt wird, dafs CD und CE mit 4C und BC in einer und derselben Ebene liegen, so steht CD, oder CE, zufolge (40.), noth- wendig auf der Geraden im Raume senkrecht, die auf /C und BC zugleich perpendiculair ist, die immer Statt findet (42.), und deren es nur eine giebt (47.) Desgleichen steht CG auf dieser nemlichen Geraden senkrecht, weil BCG eine gerade Linie sein soll. Da aber auf diese Weise CD und CE auf der nemlichen Geraden senkrecht sind, die auf O4 und CG zugleich perpendiculair steht, so liegen sie mit CA und CG in einer und derselben Ebene (54.). Deshalb ist denn ACD kleiner und CE gröfser, als 4CG (25.). Es istaber BC4A+4CG —=2R(63.); also kann nicht BC4-+ACD und auch nicht ZC4 + ACE gleich zwei Rechten sein, und daher kann der Schenkel des Winkels, der, mit /CB zusammen, in der nemlichen Ebene, so grofs sein soll, als zwei Rechte, nicht in CD oder CE, sondern nur in die gerade Linie BCG fallen. Der Beweis von (63.) und (64.) ist ebenfalls dem Euklidischen, Buch 1. Satz 14., nachgebildet, hat aber die für die gegenwärtigen Ansichten noth- wendige Vervollständigung erhalten. 65. Lehrsatz. Von jedem Winkel giebt es, in seiner Ebene, gleich grofse Hälften. zur Theorie der Ebene. 61 Beweis. Ist der Winkel CB Fig. 26. so grofs, als zwei Rechte, so ist die Linie ZCB eine Gerade (64.), und für jeden Punct € einer geraden Linie giebt es eine Gerade CD, die mit /B gleiche Nebenwinkel macht (38.). Ist der Winkel /CDB kleiner oder gröfser, als zwei Rechte, so werde BC= 4C genommen, und 4 mit B durch die gerade Linie 42 verbunden. Diese gerade Linie kann nicht durch C gehen; denn sonst mülste irgend eine durch € gehende, mit /C und BC in einer und derselben Ebene liegende, gerade Linie CD mit 4CB Nebenwinkel machen, deren dem Winkel 403 gleiche Summe zwei Rechte wäre (63.), was der Voraussetzung entgegen ist. Nun werde in der von 4CB verschiedenen geraden Linie ADB, AD — BD genommen, was immer angeht (11.). Alsdann sind in den Dreiecken ACD und BCD alle drei Seiten die nemlichen; denn es ist 40 = BC und AD= BD, nach der Voraussetzung, und CD ist sich selbst gleich. Also sind die Dreiecke congruent (32.), und folglich sind die Winkel #CD und BCD, die, weil OD durch AB geht, in der Ebene des Winkels CB liegen, einander gleich, und folglich gleich grofse Hälften des Winkels 4CB, in dessen Ebene. 66. Lehrsatz. Wenn in der Ebene eines Winkels CR Fig. 27. ein kleinerer Winkel {CD liegt, mit seinem Scheitel C und einem Schenkel 4C in dem Scheitel und dem einen Schenkel des gröfseren, so giebt es immer einen Winkel /CE, der noch kleiner ist, als der kleinere Winkel CD. Beweis. Durch fortgesetzte Halbirung des gröfseren Winkels 402, die nach (65.) immer Statt findet, kommt man auf einen Winkel, der kleiner ist, als jeder beliebige Winkel, folglich auch kleiner, als der Winkel CD. Dieses wären die nothwendigsten Sätze aus der Theorie der Ebene, so wie sie sich, nach meinem unmafsgeblichen Ermessen, auf die Grundsätze (25., 35. und 36.), die schon von den Geometern, entweder stillschweigend oder ausdrücklich, zugegeben werden, wie ich glaube, folgerecht errichten läfst. Es werden sich daran ohne Schwierigkeiten die ferner nöthigen Sätze anfügen lassen. In den bisherigen Sätzen ist nirgend der Begriff der Parallelen vor- gekommen. Es mufs daher noch das Nothwendigste davon hinzugefügt wer- 62 GREEWIE: den, und zwar werde ich kürzlich diejenige Theorie der Parallelen geben, die den Begriff von Winkel- und Parallelräumen voraussetzt, und die ich für die beste halte: ungefähr in der Gestalt, wie ich sie kürzlich in dem Journale der Mathematik Band XI. Heft 2. S.198. aufgestellt habe, aber den hiesigen Sätzen von der Ebene gemäfs eingerichtet und vervollständigt. 67. Lehrsatz. Wenn zwei gerade Linien M4P und NCQ Fig. 13. in einer und derselben Ebene liegen und mit einer dritten CH, die sie schneiden, an ähnlichen Seiten gleiche Winkel MAH = NCH machen, so begegnen sie sich nirgend. Beweis. Gesetzt, es sei anders, und sie begegneten sich irgendwo: so geschehe es in ZB. Die gerade Linie BCD, da sie die beiden Puncte B und C mit der Ebene gemein hat, in welcher nach der Voraussetzung MP und Fliegen, wird ganz in ihr sich befinden. Es sei Z der von 4 und € gleich weit entfernte Punct, der, zufolge (11.), nothwendig existirt, BE sei eine gerade Linie, ZF= BE und F mit C durch die gerade Linie CF ver- bunden: so wird BF, weil es mit der Ebene durch MP und NQ die beiden Puncte 3 und Z gemein hat, ganz in ihr liegen; desgleichen CF, weil es den Punct C und den Punct F der Linie BF mit der Ebene gemein hat. Da in den Dreiecken EB und CZF zwei Seiten und der eingeschlossene Win- kel die nemlichen sind, nemlich 4F = EC, BE=EF, und die Scheitel- winkel bei E, so sind die Dreiecke congruent (19.), und folglich ist der Win- kel ECF dem Winkel M4H gleich. Es ist aber der dem Winkel MAH der Voraussetzung nach gleiche Winkel NCH seinem Scheitelwinkel ZCQ gleich; also MAH= ECQ. Beide Linien CF und CQ liegen aber in einer und derselben Ebene; also fällt 07’, weil sie mit CZ denselben Winkel macht, wie CQ, nothwendig mit ÜQ zusammen. Schnitte also CQ die MP in B, so müfste BCF eine gerade Linie sein. Es liegt aber C nicht in der geraden Linie BEF: denn läge es in derselben, so lägen ZC und A4EC darin, folglich auch 34 und BC, und BA läge in BC, mithin fielen BA und CF zusammen, welches der Voraus- setzung entgegen ist. Es kann also BCF keine gerade Linie sein, weil es sonst deren zwei, von einander verschiedene, die eine durch Z£, die andere durch den Punct C, gäbe, der nicht in BEF liegt. Es kann folglich auch OQ die MP nicht in B schneiden, und eben so wenig in irgend einem andern Puncte; auch, eben so, nicht MP die NQ irgendwo. zur Theorie der Ebene. 63 Dieser Beweis ist dem Euklidischen des nemlichen Lehrsatzes nachge- bildet, aber nach den gegenwärtigen Ansichten vervollständigt. 68. Lehrsatz. Zwei gerade Linien /C und BD Fig. 28., die von einer dritten CDN so geschnitten werden, dafs die beiden innern, an einerlei Seite der letztern liegenden, Winkel CD und BDC zusammen kleiner als zwei Rechte sind, treffen, genugsam verlängert, an eben der Seite zusammen. Beweis. Es wird vorausgesetzt, dafs 4C und BD in einer und der- selben Ebene liegen. In dieser Ebene befindet sich dann auch die Gerade CDN, weil sie zwei Puncte, C und D, mit der Ebene gemein hat. Da BDC+BDN =2R ist (63.), und nach der Voraussetzung BDC +ACD.ACN, und zwar um den Winkel FCA. Welches nun auch der Winkel 7’CA sein mag, so kann immer, durch fortgesetzte Halbirung des Winkels FCN, ein Winkel FCZ angegeben wer- den, der kleiner ist, als #C4 (66.). Also it F0(N=n.FCE, won eine endliche Zahl bezeichnet. So viele Winkelräume, jeder gleich FCZ, als die Zahl z Einheiten hat, an einander gelegt, füllen also den ganzen Winkelraum FUN, das heifst, den Theil der Ebene aus, den die Linien FC und CN begrenzen. Und da FC/> FCE, so füllen z Winkelräume, jeder gleich FC4, an ein- ander gelegt, einen Winkelraum aus, der gröfser ist, als FCN. Nun sei DG=G/=I/ILete. =CDund CL=n.CD. Ferner seien GH, IK, LM ete., sämmtlich in der Ebene der übrigen Linien liegend, mit BD und 7°C parallel. Alsdann sind alle die Parallelräume FCDB, BDGH, HGIK ete., das heifst, diejenigen Theile der Ebene, die von den Linien FC, CD, DB; von den Linien BD, DG und GI etc. begrenzt werden, congruent, und folglich auch gleich grofs. Also ist der Parallelraum FCLM =n.FCDB. Der Parallelraum FCZM ist aber kleiner, als der Winkelraum FCN; denn er läfst von demselben noch den Winkelraum MZN übrig. Also ist er um so mehr kleiner, als der Winkelraum n . #CA, der gröfser war, als FCN. Es ist also n. FCDB ae I "MUERER. mm [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 4. und 11. December 1834.] In den zootomischen Schriften sind diejenigen vorzüglich von einem grofsen Einflufse auf die Wissenschaft geworden, welche entweder die ver- gleichende Geschichte eines Organes durch die ganze Thierwelt dargestellt und dadurch das Wesen desselben enthüllt haben, oder welche die vollstän- dige descriptive Anatomie eines einzelnen Thieres geliefert haben, wodurch die weitere vergleichende Betrachtung erst ihre sicheren Anhaltpuncte gewinnt. Die Anatomieen der Schildkröte, des Schnabelthiers, der Weidenraupe, des Maikäfers, des Nautilus gehören unter die Meisterwerke der letztern Art. Unter allen Thieren müssen aber vorzugsweise diejenigen die Neugierde nach der Kenntnifs ihres innern Baus erregen, welche an der Grenze einer Classe stehen und, indem sie einen Theil der Charactere der Classe zu verlieren scheinen, uns gleichsam den Typus der Olasse am allereinfachsten zeigen. In dieser Hinsicht mufste die Anatomie des Schnabelthiers und der Echidna für die Classe der Säugethiere, die der Proteideen und Coecilien für die Classe der Amphibien, die der Cyclostomen für die Classe der Fische, der Lernaeen für die Crustaceen von grofser Wichtigkeit sein. Die Cyclostomen mufsten den Anatomen in doppelter Hinsicht inte- ressant sein, einmal weil sie an der Grenze der Fische, das andremal, weil sie an der Grenze der Wirbelthiere überhaupt stehen. Die Naturforscher haben daher auch mit Dank die trefflichen Arbeiten von Rathke über zwei Phys.-mathemat. Jbhandl. 1834. I 66 Mürrer: Jergleichende Anatomie der M 'yxinoiden, Hauptgruppen dieser Thiere, die Petromyzon und Ammocoetes aufgenom- men. Leider entbehrte man noch immer die Anatomie der Myxinoiden, de- nen in Hinsicht ihres Schicksals in der Naturgeschichte wenige Thiere gleich- kommen, indem es noch nicht so lange her ist, dafs die Myxine glutinosa in nicht weniger als in 4 Classen, aufser den Fischen unter den Amphibien, Mol- lusken, Würmern figurirt hat. Die einzigen Gattungen dieser Familie, My- xine und Heptatrema Cuv. sind selten, letztere ist sogar erst von einem ein- zigen Beobachter untersucht worden. Wie viele Gründe für mich, die Ana- tomie dieser Thiere aufzuhellen, als ich unter dem Vorrath von unpräpa- rirten Gegenständen des Königlichen anatomischen Museums eine Species der merkwürdigen My.xine verwandten Fischgattung vorfand, wovon Home eine andere Species einst beschrieb, und der Cuvier mit Unrecht den Gattungs- namen Heptatrema gab, weil es auch eine Species mit 6 Kiemenlöchern und eine mit 6 auf einer, 7 auf der andern giebt. Da das einzige Exemplar die- ses grofsen Fisches, dem ich den Gattungsnamen Bdellostoma (Saugermaul) gab, obgleich ohne Haut, doch im Ganzen vorirefflich erhalten war, so entschlofs ich mich zu einer vollständigen anatomischen Beschreibung des- selben, indem ich Schritt vor Schritt und von Schichte zu Schichte von der Oberfläche gegen die Tiefe vorzurücken gedachte, und von jeder Mus- kellage, die ich zur Untersuchung der tiefern Theile wegzunehmen hatte, nach genauer Präparation Zeichnungen zu entwerfen hatte. Diese Absicht führte ich vorerst an der ganzen linken Hälfte des Thieres aus, bis ich auf dieser Seite bis zum Skelet vorgedrungen war, ohne auf der rechten Seite noch irgend etwas verletzt zu haben. Bald fand ich aber, dafs die My.xine glutinosa der nordischen Meere und unser Bdellostoma in den allermeisten Puncten, vorzüglich aber in ihrem Skelet- und Muskelbau ganz übereinstim- men. Ich konnte mir nun meine Arbeit sehr erleichtern, dafs ich mir durch die Güte der Herren Retzius in Stockholm und Eschricht in Copenhagen eine Anzahl Myxinen verschaffte. Diefs war für meine Arbeit ein grofser Vorschub. Denn nachdem ich einmal eingesehen, dafs das Skelet von My- xine ganz mit dem des Bdellostoma übereinstimmt, konnte mir vor der voll- ständigen Skeletirung des Bdellostoma auf der einen Seite das Skelet der My- &ine zum Studium der Muskelansätze dienen. Später eröffnete sich eine neue Hülfsquelle. Unser Bdellostoma war vom Cap mit einer Sendung von Fischen der Tafelbai gekommen; im Königlichen zoologischen Museum entdeckte ich der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 67 noch zwei kleinere Bdellostomen, von derselben Sendung des Herrn Krebs herrührend, welche mir anfangs jüngere Individuen derselben Species mit dem grofsen schienen, hernach sich mir aber als eigene Species zeigten, indem diese kleineren Thiere nur 6 auf beiden Seiten, das grofse 7 Kiemenöffnungen auf der linken, 6 auf der rechten Seite hatten. Hr. Lichtenstein war so gefäl- lig, eines der kleineren Thiere zur anatomischen Untersuchung zu überlassen. Und so bin ich nun in den Stand gekommen, die Anatomie der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen, oder der Myxinoiden nach 2 Exemplaren von zweien Species von Bdellostoma und einer gröfsern Anzahl von Exemplaren der Myxine mitzutheilen. Da über die Anatomie der Mywxine glutinosa schon einige schätzbare fragmentarische Mittheilungen vorhanden sind, so mufste die andere Gattung vorzugsweise zum Vorwurf einer vollständigen durch Abbildungen erläuterten Darstellung gemacht werden, an welche sich die Abweichungen der Mywxine leicht anreihen liefsen. Ehe ich nun die Re- sultate meiner Untersuchungen mittheile, werde ich einen kurzen Abrifs unserer bisherigen Kenntnisse über die Myxinoiden geben, und eine natur- historische Übersicht der Myxinoiden in der ganzen Ordnung der Cyclosto- men folgen lassen. Die Myxine glutinosa der Meere von Grönland, Norwegen und des westlichen Schwedens, wurde zuerst von Kalm, an der norwegischen Küste, als er in Grömstadt und Arendal war, entdeckt und in seiner Reise nach Nordamerica I, S.118 als eine Gattung von Neunaugen beschrieben. Er nennt das Thier Pihraol und Plor und erzählt, dafs es auch /ngeris- Pi- tar, Sauger, Enschuwier genannt werde. Linne führte diesen Fisch unter dem Namen Myxine glutinosa im Museum Adolph. Fried. p.91 Tab. 8 Fig. 4 und im Syst. nat. ed.12. gen. 281 auf und brachte ihn zu den Yermes In- testina. Er sagt: dieses Thier ist von allen Ichthyologen und Fischern zu den Fischen gerechnet worden, es hat auch die gröfste Ähnlichkeit mit den Fischen. Ob ich es gleich nicht lebend sah, so mufs ich es doch we- nigstens von den Fischen trennen, zufolge der Charactere, die ich an dem Körper fand; denn es kann weder eine Neunaugenart sein, da es keine Joramira branchialia hat, noch weniger ein Fisch, da es eine Flosse ohne Strahlen hat, sondern noch eher eine Schlange. Aber ich habe nie eine Schlang o schaft nur Insecten und Würmern zukommt, daher bringe ich es zu den I2 e oder einen Fisch mit queren Kinnbacken gesehen, welche Eigen- 68 Münrzer: Yergleichende Anatomie der Myxinoiden ? Würmern. Linne hatte die 2 spiracula ventralia übersehen und die beiden Zahnreihen auf jeder Seite der Zunge für Kinnbacken gehalten. Nach Retzius hat Modeer in seiner Naturgeschichte der Würmer, die ich nicht kenne, dieses Thier von den Würmern ausgeschlossen. Er glaubte, dafs es nicht nur kein Wurm, sondern ein Amphibium sei und zu den Amphibia nantes gehöre, weil es ein Herz mit einem Ohr, Lungen, einen doppelten Penis (?), ein Luftloch und eine finnengleiche Haut besitze, wobei er sich auf die Act. Nidros. 2. p.251. (Dronth. Gesells. Schriften 2. 230.) beruft. Gunnerus beschrieb 1762 die Myxine glutinosa unter dem Namen Sleep-Marken im 2. Theil der Drontheim. Gesellschaft-Schriften. Kopenh. und Leipz. 1765. p.230. Er beschreibt die Zähne der Zunge als Kiefer, den obern unpaaren Zahn des Mundes, die zwei Öffnungen, welche, wie wir jetzt wissen, zu den Kiemen führen. Die Öffnung über der Schnautze, welche zu der Nase führt, kannte er, wufste auch, dafs diese Öffnung mit dem Rachen durch einen Gang zusammenhängt, denn er sagt: „Von dem Loche in der Schnautze ging eine Öffnung nieder in die Kiefen.” Den merk- würdigen Apparat der Zungenmuskeln nennt er eine Luftröhre. Dann be- schreibt er die Kiemen jeder Seite, die er Lungen nennt, von denen er aber nicht weifs, dafs sie mit den spiracıla ventralia zasammenhängen; er führt endlich das Herz, die zweilappige Leber, die Gallenblase an. Er kannte männliche und weibliche Individuen. Von den Männchen sagt er: „Dicht aufserhalb des Steifses waren zween länglicht runde Körper, die zusammen längst hinauf gewachsen und mit einer weifsen und etwas dicken Feuchtig- keit angefüllt und denen Testibus der Vögel ähnlich waren.” O.Fr. Müller (Prod. Z.D. p.227 N.2755) rechnete die Myxine glu- tinosa wahrscheinlich wegen der Tentaculen zu den Mollusken. In den neuen Abhandlungen der schwedischen Academie der Wissen- schaften vom J. 1790 p.104 u. 108 erschien ein kleiner Aufsatz von A. J. Retzius über die Myxine. Retzius sagt, dafs die Kinnbacken (Zungen- zähne) von Myaine und Petromyzon ähnlich seien. Er beschreibt aufser dem Oesophagus unrichtig auch eine Luftröhre. Er glaubt, dafs Petromyzon und My.ine dieselbe Stelle im System haben müssen, meint aber, Linne gegen Camper vertheidigend, Myxine und Petromyzon seien so weit von den Fischen entfernt, als sie den Würmern näher kommen und könnten ohne Streit von der Classe der Fische abgesondert werden. Zu den Mol- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 69 lusken könne Myxine nicht gerechnet werden, da die Tentacula nicht ein- gezogen werden können. In dem Nachtrag, nachdem er das Thier unter- sucht hat, hat er auch mitgetheilt, dafs die 2 Bauchöffnungen mit den Lun- gen (Kiemen) zusammenhängen. Doch giebt er nur den Zusammenhang mit der untersten Lunge an. In der Fauna suecica ed. A. J. Retzius. 2086. ist Myxine unter den Fischen aufgeführt. Die im 10. Bande der Schriften der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom Jahre 1792 enthaltene Abhandlung von Abild- gaard enthält mehr anatomische Thatsachen. Derselbe erwähnt den keu- lenförmigen Muskel der Zunge, den Gunnerus für eine Luftröhre genom- men, von ihm werden die kammförmigen Zungen-Zähne, die er Kinnbacken nennt, befestigt und bewegt. Abildgaard erwähnt auch die Communica- tion der Nasenröhre mit dem Schlund. „Diese Schlundöffnung (Nasengau- menöffnung) sitzt in dem vordern Theil einer länglicht viereckigen zurückge- bogenen Falte, die sich nach hinten mit zwei Eckspitzen endigt und welches eine Art von Gaumendecken, velum palatinum bildet.” Diese Theile sind hier ganz richtig beschrieben und abgebildet. Die Beschreibung der Kiemen ist ganz genau. Er zeigt, dafs von der Bauchöffnung jeder Seite ein Canal ausgeht, der die Kiemengänge für die 6 Kiemen abgiebt, und dafs die Kie- men durch andere 6 Gänge mit dem Schlund zusammenhängen. Die Kie- mengefäfse werden eben so richtig dargestellt. Bei der Leber beschreibt Abildgaard die Gallenblase, irrt aber darin, dafs er die zweite Leber des Gunnerus für ein pancreas halten will; er zeigt endlich, dafs Myxine ein Gekröse hat, welches bei Petromyzon fehlt. Bloch’s(!) Abhandlung enthält wieder mehrere Irrthümer. Er giebt nämlich am Gaumen fälschlich 2 Öffnungen an, eine vor dem unpaarigen Gaumenzahn, durch welche das Wasser zu dem über der Schnautze sich öffnenden Spritzrohr (Nasenrohr) komme. Diese von Bloch abgebildete Öffnung ist nicht vorhanden. Dagegen steht die Öffnung hinter dem unpaa- ren Gaumenzahn, die Bloch auch Fig. 4.2 abbildet, aber nicht beschreibt, wirklich in Communication mit dem Nasenrohr. Ein zweiter Irrthum von Bloch betrifft die Athemorgane, die er aus Abildgaard besser hätte ken- nen lernen können. Abildgaard wufste recht gut, dafs die oberen Kie- (') Naturgeschichte der ausländischen Fische VI. Theil, p. 67. 70 Mürven: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden, mengänge mit der Speiseröhre zusammenhängen und sich in dieselbe öffnen. Bloch dagegen beschreibt und bildet auf jeder Seite einen Wasserleiter ab, der das Wasser aus den Kiemen nach dem Munde bringe; Theile, welche gar nicht vorhanden sind, und wofür er wahrscheinlich eine die Speiseröhre jederseits begleitende Arterie angesehen. Den grofsen Muskelkörper der Zunge kennt er und beschreibt dessen beide Theile, den äufsern hohlen Muskel und den innern kegelförmigen Muskel; ihre Verbindungen giebt er unrichtig an, indem er beide an den Kinnladen, womit er die Zunge meint, sich befestigen läfst, während der erstere an dem Zungenbein, der zweite an der Zunge befestigt ist. Dumeril (!), der auch noch von transversalen Maxillen spricht, ver- bessert die Irrthümer von Bloch in Hinsicht der Athmungsorgane. Er be- schreibt die Communication der Nasenröhre mit dem Gaumen richtig. Un- begreiflich ist mir Dumeril’s Angabe, dafs aufser dem Gange, der das Was- ser zu den Kiemen vom Munde und dem Spritzrohre aus führe und hinter den Kiemen in den Magen übergehe, ein zweiter Oesophagus vorhanden sei (situe au-dessous et en arriere du grand cone musculaire, destine a mouvoir Ühyoide). Le conduit charnu, destine a porter Peau aux branchies, arrive a leur hauteur, presente six Iroux de chaque cote, qui communiquent avec leurs cavites. A la hauteur du coeur ce canal penetre dans lestomac par une sorte de cardia, en- vironne de fibres charnues tres fortes, ou l’on voit, en meme temps, le veri- table orifice de l’oesophage. a.a.O. p.142. Diese neue Unrichtigkeit, welche Bloch’s Fehler verbessern soll, ist ebenso schlimm als die beiden Wasser- leiter von Bloch. Es giebt nur einen einzigen Gang vom Munde zu dem Magen, in diesen Gang gehen auch die inneren Kiemengänge. Im Jahr 1815 gab Home eine kurze Beschreibung der Athemorgane der Cyclostomen in den Philosoph. Transact. p.256. Home berichtigt die Irrthümer von Bloch, giebt eine Beschreibung und Abbildung des hintern Nasenlochs oder der Nasengaumenöffnung der My.xine und eines grofsen von Banks mitgebrachten Myxine-artigen Thieres der Südsee, Heptatrema Cuv. Er zeigt ferner, dafs die äufseren Kiemenkanäle der Myxine von den 2 Bauchöffnungen ausgehen, die inneren Kiemenkanäle, jederseits 6, in den Oesophagus münden. Unrichtig ist nur, dafs er einen gemeinschaftlichen (') Mem. d’anat. comp. Anat. des lamproies p.141. Vergl. p.109. 111. der Cycelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 71 Kiemenkanal an der Seite der Kiemen hergehen läfst, der erst die äufseren 6 Kiemenkanäle abgeben soll; da vielmehr alle 6 Kanäle gleich von einem ganz kurzen Gang an dem spiraculum ventrale ihrer Seite abgehen. Er hat ferner einen bisher übersehenen Gang entdeckt, der auf der linken Seite neben dem linken äufsern Kiemenloch ausgeht und gerade in die Speise- röhre übergeht, so dafs das Wasser, welches durch die beiden spiracula ventralia branchialia in die Kiemen, und durch die inneren Kiemengänge aus den Kiemen in den Oesophagus gelangt, aus diesem wieder heraus durch das spiraculum ventrale oesophageum ausgeschieden wird. In der Regel liegt diese Öffnung in derselben Vertiefung mit dem linken spiracwum ventrale branchiale, so dafs man beide Öffnungen äufserlich nicht unterscheidet; in dem von Home untersuchten Exemplar der Myxine waren das spiraculum branchiale sinistrum und das spiraculum cesophageum ein wenig von einander getrennt; letzteres lag etwas nach innen. Dies habe ich nie gesehen; in der Regel liegt in der Vertiefung des spiraculum branchiale sinistrum auch der et- was weitere Eingang in das spiraculum oesophageum;, zuweilen liegt das letz- tere ein wenig unter dem erstern. Von den zwei Zahnreihen sagt Home richtig, dafs sie der Zunge angehören (Erklärung der Abbildungen), auch bezeichnet er den mit dieser Zunge verbundenen Muskelkörper richtig als Zungenmuskelapparat. In allen erwähnten Puncten zeigt Home dasselbe Verhalten bei Heptatrema, aufser dafs Heptatrema T besondere spiracula zu seinen 7 Kiemen auf jeder Seite des Bauches hat. Er hat jedoch ein ähn- liches spiraculum ventrale oesophageum, wie er es bei Myaine fand, bei He- ptatrema übersehen, wo es mit dem letzten spiraculum branchiale eine ge- meinschaftliche gröfsere Öffnung auf der linken Seite ausmacht. Die Zähne, die Zungenmuskel, die Tentakel, das Nasenloch, das Gaumenloch fand er bei Heptatrema wie bei Myxine. Er kannte auch die Gallenblase des Ze- ptatrema, die auch My.xine hat, während sie den Petromyzen und 4mmo- coetes fehlt, und kannte das mesenterium des Heptatrema, was dieses mit den Myxinen gemein hat, während es den Petromyzen und Jmmocoetes wieder fehlt. Die Augen von Heptatrema, die bei Myxine fehlen, hat Home nicht erwähnt. Wenn sie wirklich fehlen, so ist das Homesche Thier, Bdellostoma heptatrema Nob. die einzige bis jetzt bekannte blinde Species unserer Gat- tung Ddellostoma, da die beiden anderen von uns zu beschreibenden Species Ddellostoma heterotrema und hexatrema und auch Bd. Forsteri Augen haben. 72 Mürter: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden r Die ausführlichste Abhandlung über die Anatomie der Myxine ist die von A. Retzius ('), welche sich indefs leider nur auf das Gefäfssy- stem und Nervensystem beschränkt. Wir werden auf diese ganz treffliche Arbeit später bei der Anatomie des Gefälssystems und Nervensystems zu- rückkommen. J. Fr. Meckel (?), der 9 Exemplare von Myxine untersuchte, um das von Home entdeckte spiraculum ventrale oesophageum zu prüfen, hat uns gleichwohl über die Anatomie dieses Thieres, aufser einer richtigen Be- merkung über die theilweise Verwachsung des Herzbeutels mit dem Herzen, gar nichts Positives, aber einen wesentlichen Irrthum mitgetheilt, indem er das von Home entdeckte spiraculum ventrale oesophageum läugnet. Er hat es übersehen, weil er durch Home’s Abbildung verleitet, die Öffnung ge- trennt von dem linken spiraculum branchiale aufsuchte;, bei innerer Unter- suchung hätte er den grofsen Gang zu dem Oesophagus sogleich sehen müs- sen, und es ist unbegreiflich, wie der sonst so genaue Meckel trotz der Untersuchung von 9 Exemplaren so viel übersehen konnte. H.Rathke, der treffliche Forscher, welcher schätzbare anatomische Untersuchungen über mehrere Cyclostomen, nämlich Petromyzon fluviali- lis (?) und Ammocoetes branchialts (*) angestellt hat, hat uns gleichwohl über den Bau der My.xine nichts mitgetheilt. In der Anatomie des Querders be- merkt Rathke: ,‚Die Petromyzen, die Myxine und ein von Home be- schriebener und ohne Namen gelassener Fisch aus der Südsee sind die ein- zigen mir bekannten Thiere, bei welchen die Kiemen und Speiseröhre nicht hinter einander, sondern neben einander liegen.” Leider scheint Rathke die My.xine glutinosa nicht selbst untersucht zu haben. Nachdem wir nun eine geschichtliche Übersicht der bisherigen Unter- suchungen über die Myxinoiden gegeben haben, lassen wir unsere Einthei- lung und Charakteristik der Knorpelfische und namentlich der Cyclostomen folgen, worin wir vorläufig die Stelle der Myxinoiden im System und ihr (') Meckel’s Archiv für Anat. und Physiol. 1826. (*) Siehe Meckel System der vergleichenden Anatomie 6. Th. Halle 1833. p. 217. 222. (°) Über den innern Bau der Pricke. Danzig 1826. (*) Anatomie des Querders, Ammocoetes branchialis. Beiträge zur Geschichte der Thier- welt. IV. Abth. der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 73 Verhältnifs zu den übrigen Cyclostomen und Knorpelfischen gemäfs ihres anatomischen Baues bezeichnen. Die Knorpelfische müssen nach meinem Dafürhalten in 4 Ordnungen getheilt werden, die auf folgende Art characterisirt werden. Bei den Hai- fischen folge ich der Cuvierschen Anordnung der Gattungen, obgleich sich die Zahl derselben, nach den Haifischen des Mittelmeers zu urtheilen, noch vermehren liefse. CHONDROPTERYGIA. Skelet knorpelig. Gehirnschädel ohne Näthe. I. Ordnung. BRANCHIOSTEGA. Mit einem Kiemendeckel versehen. Das Rückgrath besteht aus Rudi- menten der Wirbelkörper, aus Bogen und aus einer Gallertsäule. Ihre Kie- men sind an ihrem äufsern Rande frei. Das Labyrinth liegt wie bei den Knochenfischen zum Theil in der Schädelhöhle (1). Der Mund unter der Schnautze. Ihre Kiefer hängen an einem aus 3 Stücken bestehenden Suspen- sorium oder Quadratbein. Der Oberkiefergaumenapparat besteht aus wenig- stens einem knorpeligen und 2-3 knöchernen Stücken und ist am Schädel lose aufgehängt, wie bei den Spatularien, oder in gar keiner Verbindung mit dem selben, wie bei den Sturionen. Nase an der Seite der Schnautze. Der Kopf ist fest mit der Wirbelsäule verbunden und die Gallertsäule des Rückgraths verlängert sich keilförmig in die Basis cranii. Sie haben Spritzlöcher vor dem Quadratbein. Ihr Darm hat eine Spiralklappe. Eine Schwimmblase. I. Familie. CATAPHRACTA. Kopfknorpel und Haut des Rumpfes zum Theil mit Knochenschildern bedeckt. STURIONES. Kiemendeckel ursprünglich aus 3 Stücken, ohne praeoperculum. Keine Kiemenhautstrahlen. Mund vorstreckbar. Pancreas eine grofs- zellige Masse. Gen. 1. Srurro mit den Brandtschen Untergattungen Zuso, Sturio, Sterleta, Helops. (') Cuvier (rögne animal. p.378) und auch Brandt sagen mit Unrecht vom Stör das Gegentheil. Es liegt wenigstens der alveus communis der halbeirkelförmigen Kanäle in der Schädelhöhle. In der vergleichenden Anatomie und in der Naturgeschichte der Fische hat Cuvier das Verhalten sehr richtig beschrieben. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. K 74 Mürver: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, IT. Familie. NUDA. Körper ohne Knochenschilder. SPATULARIAE. Schnautze in eine ungeheuer lange, platte, mit netzförmigen Össifi- cationen versehene Spatel verlängert. Mund unter der Basis dersel- ben, nicht vorstreckbar. Kiemendeckel am Quadratbein, einfach. Am Zungenbein ist eine Knochenplatte befestigt, welche vereinigten Kiemenhautstrahlen gleicht. Kiemenhaut sehr verlängert. Pancreas ein sackförmiger Anhang des Darmes mit weiten, blinden, hohlen Auswüchsen. Gen. 2. Sparurarıa mit den Untergattungen Polyodon Lacep. und Planirostra Rafinesque Ichthyologia Ohiensis. I. Ordnung. HOLOCEPHALA. Oberkiefer- und Gaumenapparat mit dem Schädel ganz verschmolzen, ohne Näthe, der Unterkiefer an einem blofsen Fortsatz des Schädels befestigt. Kiefer, Mund und Nasenöffnung am vordern Ende des knorpeligen Schädels oder unter einer häutigen, von besondern Schnautzenknorpeln gestützten Verlängerung. Zungenbein lose am Schädel hängend. Kiemen mit äufserm freien Rande; aber zu den 4 Kiemenspalten (!) führt.nur eine einzige äufsere Offnung auf jeder Seite. Sie haben keinen wahren Kiemendeckel, sondern knorpelige Kiemenhautstrahlen, theils am Zungenbein, theils an einer am Zungenbein befestigten Knorpelplatte. Ihr Labyrinth liegt wie bei den Kno- chenfischen zum Theil innerhalb der Schädelsubstanz, zum Theil innerhalb der Schädelhöhle; aber der Schädel besitzt in der obern Mittellinie eine kleine Öffnung (?), über welcher die Haut 2 grubenförmige Verdünnungen hat (°), ähnlich wie bei einigen der folgenden Ordnung. Zähne harte ungetheilte Platten, 2 jederseits im Oberkiefer, eine im Unterkiefer. Auf der Gallert- säule ihres Rückgraths sitzen knorpelige Bogenschenkel, unten kleine Ru- (') Cuvier giebt im regne animal unrichtig an, dals die einfache Öffnung zu 5 Kie- menspalten führe. Die erste halbe Kieme sitzt, wie ich bei Callorhynchus sah, am Zun- genbein und an der daran befestigten Knorpelplatte und ihren Knorpelstrahlen, die letzte halbe Kieme sitzt am vierten Kiemenbogen, zwischen diesem und dem Schlundknochen ist keine fünfte Spalte. (?) Sowohl bei Chimaera als bei Callorhynchus von mir beobachtet. (°) Bei Callorhynchus von mir gesehen; wahrscheinlich ebenso bei Chimaera. der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 75 dimente von Wirbelkörpern, in der Mitte halbirt. Ihr Kopf articulirt be- weglich mit dem Anfang des Rückgraths. Keine Spritzlöcher. Erste Rük- kenflosse über der Brustflosse, mit einem sehr starken Stachel. Spiral- klappe im Darm. Pancreas wie? Die Männchen haben Anhänge am After wie die Haien. Gen. 1. CniımarrA. 2. CALLORHYNCHUS. IH. Ordnung. PLAGIOSTOMATA. Wirbelkörper vollständig, wie bei den Knochenfischen, durch kegel- förmig hohle Facetten verbunden. Schädel und Wirbelsäule mehr oder we- niger beweglich verbunden. Der Oberkiefer- und Gaumenapparat besteht meist nur aus einem zahntragenden Knorpel (!), der lose am Schädel angehef- tet ist. Mund und Nase fast immer unter der Schnautze (?). Das Suspen- sorium des Kieferapparates besteht aus einem einzigen Knorpel ((Juadrat- bein), der am Schädel beweglich aufgehängt ist. Kein Kiemendeckel. Meist 5 Kiemenöffnungen. Kiemen am äufsern Rande angewachsen. Sie haben in der Regel in den Bedeckungen der Kiemen eigene Knorpelstücke im Fleisch. Das Labyrinth ist ganz von der Substanz desSchädelknorpels eingeschlossen. Meist Spritzlöcher. Pancreas dicht. Spiralklappe im Darm. T. Familie. Die Brustflossen nicht mit dem Kopfe verbunden. SQUALT. Gen. 1. Sovarus mit den Cuvierschen Untergattungen Seyl- lium, Carcharias, Lanna, Galeus, Mustelus, Notida- nus, Selache, Cestracion, Spinax, Centrina, Seymnus(°). 2. Zycarna Cuv. 3. Sovarına Dum. 4. Pruıstıs Lath. (') Die Nareinen (Torpedo brasiliensis) machen davon eine Ausnahme; indem sie Gau- menknorpel haben. Die Rochen und Zitterrochen haben auch Spritzlochknorpel. (?) Bei einer von Herrn Ehrenberg mitgebrachten Cephaloptera und bei Squatina ist der Mund am vorderen Theil des Kopfes. (°) Die zahnlosen Haifische Adodon Lacep., Massasa und Kumal Forsk. sind wohl noch zweifelhaft. K2 76 Müuren: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, II. Familie. Die Brustflossen mit dem Schädel verbunden. Schädellflos- senknorpel. Schulterknochen mit der Wirbelsäule verbunden. RAJAE. Gen. 5. Rumorarus Schn. mit den Untergattungen Rhinobatus und Rhina Schn. (letztere zweifelhaft). 6. Torreno mit den Untergattungen Torpedo und Narcine Henle. Rasa mit den Untergattungen Raja, T’rygon Adans. und A/nacanthus Ehrenb. 8. Pnorrervera Otto (Nov. Act. Nat. Cur. X.) 9. Myriosares (!) mit den Untergattungen Myliobates Dum. und Rhinoptera Kuhl. 10. Crruarortera Dum. mit der Untergattung Cephalo- ptera und einer andern neuen Untergattung (?). I IV. Ordnung. CYCLOSTOMATA. Knorpelskeiet ohne Rippen, ohne wahre Kiefer, Grundlage des Rück- graths hauptsächlich aus einem Gallerteylinder bestehend. Kopf fest mit der Wirbelsäule verbunden. Keine Brust- und Bauchflossen; keine wahren Kiemenbogen oder innere Kiemenstützen; zuweilen äufsere Knorpel zur Decke der Kiemen. Die Kiemen zu Kiemensäcken verbunden, mit blofs häutigen Scheidewänden, 6-7 Kiemensäcke auf jeder Seite. Die äufseren Öffnun- (') Dies ist eine sehr eigenthümliche Abtheilung der Rochen, wie im Verfolg_ dieser Abhandlung gezeigt wird. Nämlich sowohl Myliobates als Ahinoptera haben aufser den bekannten grofsen pllasterförmigen Zahnplatten, in ihren Schnautzenlappen, die sich in der Mitte verbinden, eine Schädelflosse verborgen, und höchst sonderbare Nasenflügelknorpel, die sich mit der Hautbedeckung zu einem freien gemeinschaftlichen beweglichen Vorhang vor beiden Nasen verbinden. (°) Eine von Herrn Ehrenberg mitgebrachte Cephaloptera, wovon sich ein Exemplar im Königlichen zoologischen, ein Skelet im Königlichen zootomischen Museum befindet, un- terscheidet sich von den übrigen, namentlich von einer ebenfalls im anatomischen Museum befindlichen von Herrn v. Olfers aus Brasilien, und der von Russel abgebildeten, so dafs sie eine neue Untergattung bildet. Diese hat vor den übrigen Cephalopteren das Eigen- thümliche, dafs ihr Maul keine breite enge Queerspalte bildet, sondern sehr breit und weit ist, und nicht wie bei Cephaloptera unten, sondern am vorderen Rande des Kopfes liegt, endlich dals ihr Oberkiefer sich dicht und innig an den vordern Kopfrand anlegt, und dafs die Zähne, sonst wie bei Cephaloptera gebildet, am Oberkiefer zu fehlen scheinen. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 2a gen der Kiemen 1 oder 6 oder 7 auf jeder Seite, oder 6 auf der rechten, 7 auf der linken Seite. Innere Kiemenöflnungen in die Speiseröhre oder in eine besondere Kiemenröhre, entweder 6 oder 7 auf jeder Seite, oder 6 auf der rechten, 7 auf der linken Seite. Nasenloch einfach, nie doppelt. Mund vorn, bei den einen mit einer cirkelförmigen oder halbeirkelförmigen Lippe versehen. Zähne theils Lippenzähne, theils Gaumenzähne, theils Zungen- zähne, hornartig, auch fehlend. Labyrinth in einer Knorpelkapsel, ohne halbeirkelförmige Kanäle. I. Familie. HYPEROARTIA. Mit blindem Nasengaumengang und ganzem häutigen Gaumen. Gen. 1. Prrromvzon. 2. AÄMMOCGETES. IH. Familie. HYPEROTRETA. Mit durchbohrtem Gaumen. Gen. 3. Mrxıne. 4. Boernostoma Nob. Ich gehe nun zur besondern Characteristik der Vierten Ordnung der Knorpelfische, der Cyclostomen über, wo ich Gelegenheit habe, mehrere neue Arten zu beschreiben. Erste Familie der Cyclostomen. CYCLOSTOMATA HYPEROARTIA (!). Mit blindem Nasengaumengang und ganzem häutigen Gaumen. Die Nase führt in einen blinden häutigen Gaumenkanal, ohne Gau- menöffnung; 7 Kiemenöffnungen und Kiemen am Anfang des Rumpfes; äufsere Kiemenknorpel unter der Haut. Fleischige Lippen. Zähne theils vorhanden, theils fehlend. Gallenblase und Mesenterium fehlend. a. mit Zähnen versehen, Dentata. Gattungen: PErromYzon. Ein knorpeliger Lippenring, Lippenzähne und Zungenzähne. Zunge mit Zungenbein und Muskeln. Eine Kiemenröhre, in welche sich die inneren Kiemengänge öffnen, unter der Speiseröhre. Harter Gaumen durchbohrt, läfst den blinden häutigen Nasengaumengang durch, der nicht den weichen Gaumen durchbohrt. Spiralklappe im Darm. - E BE y (‘) von Ursgwe Gaumen, und «zrıos ganz, unversehrt. 78 Mürrer: Vergleichende Jnatomie der Myxinoiden, Arten: PrrTnomYzon marinus. P. argenteus. P. Auviatilis. P. Planeri. b. zahnlose, Edentata. Gattungen: AMMOCORTES. Kein Lippenknorpel, weiche Oberlippe. Keine Zunge und Zungen- bein; statt der Zähne ein Kreis von Zotten im Mund. Keine beson- dere Kiemenröhre; die Kiemenhöhlen in den Schlund geöffnet. Har- ter Gaumen undurchbohrt. Keine Spiralklappe im Darm. Arten: Ammocoetzs branchüalis. A. ruber, Petrom. rouge Lacep. (zweifelhaft). Zweite Familie der Cyclostomen. CYCLOSTOMATA HYPEROTRETA (!). Mit durchbohrtem Gaumen. Myxinoidea. Das Maul vorn an der schief abgeschnittenen Schnautze, ohne Lippen, 5 Bartfäden um die Schnautze und die über der Schnautze gelegene Nasenöff- nung. Das Nasenrohr mit Knorpelringen, gleich einer Luftröhre; die Nase durchbohrt den weichen Gaumen. Ein Gaumenzahn und zwei Reihen Zun- genzähne; beide spitz und hart. Kiemen hinter dem Halstheil des Rumpfes, 1 oder 6 oder 7 äufsere Kiemenöffnungen, spiracula branchialia externa, zu 6 oder 7 äufseren Kiemengängen und Kiemen auf jeder Seite; 6 oder 7 innere Kiemengänge in die Speiseröhre, aufserdem ein Gang aus der Speiseröhre in die einzige linke oder letzte linke äufsere Kiemenöffnung, spiraculum oeso- phageum. Keine Kiemenknorpel. Sie haben ein eigenthümliches Schlund- skelet von Knorpelriemen, die von den Kopfknorpeln ausgehen, und eine Gaumensegel-artige Schleimhautfalte, von Knorpeln unterstützt, hinter dem Nasengaumenloch. Sie haben 2 ganz getrennte Lebern, eine Gallenblase und ein Gekröse. Keine Spiralklappe im Darm. Auf jeder Seite des Bau- ches vom Kopf bis After eine Reihe von Schleimsäcken. a. mit gemeinschaftlichem äufsern Kiemenloch aufjeder Seite. Die Gattung Myxınz (Gastrobranchus Bloch). (') von Üreswa, und rg7r&s durchbohrt. der Cycelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 79 Ein spiraculum branchiale auf jeder Seite des Bauches, zu 6 äufseren Kiemengängen und 6 Kiemen führend; die inneren Kiemengänge ein- zein in die Speiseröhre geöffnet; spiraculum oesophageum, ein Gang aus der Speiseröhre nach der linken äufsern Kiemenöffnung. Arten: Myxıne glutinosa, 11” lang, 5” breit. Zähne in der ersten Zahnreihe der Zunge jederseits S, in der zweiten 8-9. Aufenthalt: Nordische Meere, an den Küsten von Norwegen, Schweden, Grönland. b. mit getrennten äufseren Kiemenlöchern. 6 oder 7 getrennte äufsere Kiemenöffnungen, spiracula branchialia externa, und getrennte innere Kiemenöflnungen, spiracula branchialia interna, in die Speiseröhre. Die letzte linke äufsere Kiemenöflnung umfafst auch die Mündung des Ganges der Speiseröhre nach aufsen, spiraculum oesophageum. Die Gattung Boerrosrona (!) Nob. Die Dumerilsche Bezeichnung eptatrema konnte nicht beibehalten werden, weil wir eine Species mit 6 Kiemenöffnungen und Kiemen, eine andere mit 6 auf der einen, 7 auf der andern besitzen. f) Arten mit 6 Kiemenöffnungen. 1. BoerLostoma hexatrema Nob. Spec. nov. 6 Kiemenöffnungen. Augen. In beiden Zahnreihen der Zunge jederseits 11 Zähne. 104,” lang, 6” breit. Va- terland: Tafelbai am Cap der guten Hoffnung. fr) Arten mit 6 Kiemenöffnungen auf der rechten, 7 auf der lin- ken Seite. 2. Boerrostoma heterotrema Nob. Speec. nov. Auf der linken 7 Kiemenöffnungen und Kiemen, auf der rechten 6 Kiemenöffnungen und Kiemen. Zähne in der ersten Zahnreihe der Zunge jederseits 12, in der zweiten links 11, rechts 12. Augen. Körper 234” lang. Vaterland: Tafelbai am Cap der guten Hoffnung. +rr) Arten mit 7 Kiemenöffnungen. 3. Boerrostoma heptatrema Nob. (') 2ö&rr« Blutegel, auch der Name für Neunauge, und sr&4« Maul. s0 Mürver: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, 7 Kiemenöffnungen auf jeder Seite; in der ersten Zahn- reihe der Zunge jederseits 8, in der zweiten 7-8 Zähne. Augen? Home Philos. Transact. 1815. Tab. 12. Fig. 1. Vaterland: Südsee. 4. Boerrostoma Forsteri Nob. Petromyzon cirrhatus Forster, Bloch Syst. ichthyol. Ed.Schneid. p.532. Farbe graulich livid. Länge 264”. 7 Kiemenöffnungen. In der ersten Zahnreihe der Zunge jederseits 12, in der zweiten 11. Zähne. Augen. Die Kiemenöffnungen von hinten nach vorn kleiner; die vor- derste 64” von der Schnautze entfernt. Vor der ersten Kiemenöffnung eine fortgesetzte Reihe von 16 weifsen Puncten bis gegen den Kopf hin (Schleimlöcher?). _ Vorkommen: im Meerbusen Königin Charlotte in Neu- Zeeland, an felsigten Orten. Nach Forster’s Manu- scripten 11. 24. Diese Species unterscheidet sich von dem von Home beschriebenen, von Banks aus der Südsee mitgebrachten Bdellostoma heptatrema durch die Zahl der Zähne. Species dubiae. 5. Boperrostoma Dombeyi. Gastrobranchus Dombey Lacep. I.xxın. 1. Soll nach Untersuchung eines trocknen Exemplars blind sein. In der ersten Zahnreihe der Zunge jederseits 11, in der zweiten 7 Zähne. Zweimal so grofs als My.xine. Von Lacepede nach einem getrockneten Exemplar ohne An- gabe der Kiemenöflnungen beschrieben. Zweifelhaft, ob ein Bdellostoma oder eine Mysine. Cuvier vereinigte diese Species mit den 2 vorherge- henden Bdellostomen. Vaterland: Meer bei Chili. Die Haltbarkeit der hier aufgestellten Arten stützt sich auf die Vor- aussetzung, dafs die Zahl der Kiemenöffnungen und Zungenzähne beständig ist. Darüber müssen künftige Beobachtungen entscheiden. Die Zahl der Zungenzähne der Myxine glutinosa ist sehr constant. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. sl Die Lebensart der Myxinoiden ist noch wenig bekannt. Die Myxine sollte nach Kalm dem Dorsch sich ansaugen und ihn verzehren; nach eben- falls älteren Nachrichten soll die Myxine selbst in das Innere der Fische ein- dringen (?). Schriften der Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin X. p. 246. Bdellostoma Forster! (Petromyzon cirrhatus Forst.) wurde an Fischfragmen- ten, die man zur Lockspeise an das Netz angehängt, fest haftend gefangen. Forster erwähnt auch, dafs diese Thiere auf dem Boden des Meers an fel- sigen Orten leben. Was die Verbreitung der Myxinoiden betrifft, so gehören sie den süd- lichen und nördlichen Meeren an, indem die Myxine in den Norwegischen, Schwedischen, Grönländischen Meeren (!) vorkömmt, die Bdellostomen am Cap der guten Hoffnung, in der Südsee, bei Neuseeland und im Meere bei Chili gefunden worden. Die übrigen Cyelostomen scheinen eine gleich grofse und noch gröfsere Verbreitung zu haben; haben aber das Eigenthüm- liche, dafs sie theils den Flüssen angehören, wie Ammocoetes, Petromyzon Jluviauilis und P. Planeri in Europäischen Flüssen, theils dem Meere angehö- rend, wie der in allen Europäischen Meeren vorkommende P. marinus, in die Flüsse aufsteigen. Die aufsereuropäischen Petromyzen sind noch nicht nä- her bestimmt. Man hat Thiere dieser Gattung in Japan, Trankebar und im südlichen America beobachtet. Allgemeine Beschreibung der Myxinoiden (Mysine und Ddellostoma),. In dieser allgemeinen Betrachtung der Myxinoiden beabsichtige ich nicht blofs die äufseren Körperformen, sondern alles das zu beschreiben, was zum Verständnifs der speciellen Anatomie der einzelnen Systeme nöthig ist. Die Beschreibung gewisser Theile des Skeletes, welche Eingeweidetheile tragen, würde ohne eine vorläufige Beschreibung einiger Eingeweide nicht verstanden werden können; zur Beschreibung der knorpeligen Theile des (‘) Bloch’s Angabe, dals die M/yxine auch in Griechenland vorkomme (Schriften der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin X. p.251), ist unbegründet. Sie stützt sich blofs auf Aristoteles Worte: quae vero pholis apellatur, mucorem quendam emittit; atque is in circuitu eius concrescit, ac fit quasi cubile. Hist. animal. Edit. Schneid. lib. IX. cap. xxv. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. L 82 Mürrner: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden r Gaumens und der Nase ist es nothwendig, eine Ansicht von dem Bau und Verlauf der häutigen Theile jener merkwürdigen Gegend vorauszuschicken. Dasselbe zeigt sich für die Beschreibung der Schlundknorpel unentbehrlich, und ebenso erfordert wieder die Beschreibung gewisser Muskeln, welche auf die Kiemen wirken, eine allgemeine Kenntnifs dieser Eingeweide. Alle diese zum Verständnifs der speciellen Anatomie der einzelnen Systeme nöthigen Schilderungen denken wir hier vorauszuschicken; woraus dann der Leser sich einen vorläufigen Begriff von der Organisation dieser merkwürdigen Thiere wird machen können, wenn wir für jetzt genöthigt sind, nach der speciellen Anatomie des Knochen- und Muskelsystems abzubrechen, und die specielle Beschreibung der Eingeweide später wieder anzuknüpfen. Die Bdellostomen und Myxinen sind in der Form ihres Körpers, ih- rer Mundtheile, ja aller Organe mit Ausnahme der Athemwerkzeuge so au- fserordentlich sich ähnlich, dafs es ohne Rücksicht auf die Kiemenöffnun- gen unmöglich wäre, Thiere beider Gattungen zu unterscheiden. ZBdello- stoma hexatrema, welches in unseren Exemplaren ohngefähr die Gröfse einer Mysxine hat, während Zdellostoma heterotrema über 2 Fufs lang ist, gleicht zumal bis zum Verwechseln einer Myxine. Bei dieser durchgängigen Ähn- lichkeit wird die Beschreibung, wo es nicht besonders angegeben ist, immer für beide Gattungen gelten. Der Körper der Myxinoiden ist walzenförmig, ziemlich gleich dick vom Kopfe bis zum After, am vordern Theil des Körpers nur wenig dün- ner, ohne Grenze zwischen Kopf und Rumpf, vorne schief von oben und vorne nach unten und hinten abgeschnitten, so dafs das vordere Ende des walzenförmigen Körpers mit einer schiefen, in der Mitte durchbrochenen Ebene anfängt, und diese Öffnung eben der Mund ist. Gegen den kurzen Schwanz hin verliert der Körper die walzenförmige Gestalt und wird der Schwanztheil von einer zur andern Seite zusammengedrückt. Was die Ver- hältnisse der einzelnen Theile des Körpers betrifft, so beträgt die ganze Länge des Körpers von Ddellostoma heterotrema 2 3%", der Schwanz mifst 34%” in der Länge und ist an seiner Wurzel 1” hoch und 4” breit; sein zu- sammengedrücktes Ende ist abgerundet. Ein Exemplar von Myxine gluti- , nosa war 11” lang, der Schwanz 1” 4"; Bdellostoma hexatrema 104" lang. Der Mund ist ein schief stehendes Oval, dessen Längenachse von oben und vorn nach unten und hinten gerichtet ist und dessen Rand zu- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 83 gleich der vordere Rand des Kopfes ist. Siehe Tab.I, Tab.VI, Fig. 3. von Bdellostoma heterotrema. Der untere Rand des Mundes wird, da kein Un- terkiefer vorhanden ist, von dem vordern Ende des Zungenbeins gebildet (Tab. II, Fig. 6.); der obere Rand des Mundes wird durch eine quere Knor- pelleiste gestützt, die von Muskeln bedeckt ist (Tab. II, Fig. 2. 5. 6«); die Seitenränder des Mundes sind von Muskeln gebildet. Uber dem obern Rande des Mundes liegt die viel kleinere Nasenöffnung (Tab.I, a), welche durch ein ziemlich langes Rohr in die vor dem Schädel liegende Nasencapsel (Tab.III, Fig.1G) führt. Am Mundrande und am Umfang der Nasenöffnung stehen bei Bdellostoma durchaus wie bei Myxine 8 Bartfäden, von konischer Form bis auf die zwei untersten kürzeren und mehr abgeplatteten (Tab. TI, VI, Fig.1.32.2.2.c). Von diesen Tentakeln stehen jederseits 2 zu den Seiten der Nasenöffnung, 2 jederseits zu den Seiten des Mundes. Auf der Seite des Kopfes liegt an der obern Fläche hinter der Schnautze jederseits bei Bdellostoma heterotrema und hexatrema das Auge, von Muskeln des Kopfes eingefafst, welches bei Myxine durchaus fehlt (Tab. VI, Fig. 1. 2.). Zu beiden Seiten des Bauches liegen bei Bdellostoma wie bei Myxine in einer Reihe geordnet von vorn bis hinten viele runde platte Schleimsäcke zwischen den Muskeln, bei Ddellostoma heterotrema von 2-3 Linien Breiten- durchmesser, welche jede durch eine Öffnung nach aufsen münden. Die ersten beginnen entfernt von der Schnautze in dem neunten Spatium zwi- schen je zwei ligamenta intermuscularia und sind von dort immer in jedem Spatium bis zum Schwanz vorhanden. Zigamenta intermuscularia rippenför- mig angeordnet sind vom Kopf bis Schwanz 59, Schleimsäcke mit den 11 des Schwanzes 91 auf jeder Seite. Bei Myxine ist es ganz ähnlich. Siehe Tab.I,@ Tab. VI, Fig. 3e). Bei My.xine liegen die äufseren Kiemenöffnungen dem Ende des Kie- menapparates entsprechend 3” 2” von der Schnautze. Bei Bdellostoma he- terotrema liegen die 6 rechten und 7 linken Kiemenöffnungen (Tab.I, f) jederseits in den Spatien der Zgamenta intermuscularia vom 22°“ bis 28°“ Schleimsack; die ersten Kiemenöflnungen 7” von der Schnautze, die letz- ten, wo zugleich die Herzgegend und der Anfang der eigentlichen Bauch- höhle, 10’ von der Schnautze entfernt. Die beiden Kiemenöffnungen der Myxine liegen näher an einander, nur 2”’ von einander entfernt; die Kie- menöllnungen beider Seiten in den Bdellostomen sind mehr auseinander ge- L2 54 Münurr: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, rückt; die Mündung (f) liegt jedesmal dicht neben und über der Öffnung eines Schleimsackes (d). Siehe Tab. 1. Die weite Entfernung der Kiemen von dem Kopfe bei den Myxinoi- den ist durch den grofsen keulenförmigen Apparat der Zungenmuskeln (Tab. VN, Fig.1 44) bedingt, welcher bei diesen Thieren den ganzen Raum zwischen Kopf und Kiemen unter der Speiseröhre vollkommen ausfüllt. Der After ist bei Myxine und Bdellostoma (Tab.I, h) eine längliche Spalte; in der Vertiefung, in welcher der After liegt, liegt auch eine, wie bei Petromyzon, in die Bauchhöhle führende Öffnung, durch welche die Eier bei Bdellostoma heterotrema ausgedrückt werden könnten. Am Schwanze befindet sich sowohl am obern als untern Rande eine von konischen Knorpelstrahlen getragene, häutige Flosse; diese Flosse be- ginnt unmerklich am Ende des Rückens, wo die Flossenstrahlen als dünne Fäden mit gröfseren Zwischenräumen erscheinen, und allmählig dicker wer- dend in Knorpelstrahlen übergehen, welche dicht hinter einander stehend die Schwanzflosse tragen; diese Knorpel sind sehr weich und bei Bdellostoma heterotrema wie gegliedert. Die Flosse geht um das Ende des kurzen Schwanzes an den Bauchrand desselben und verliert sich am After. Die Beschaffenheit der verschiedenen Theile des Mundes, der Zähne, des Nasenganges, der Gaumenöflnung, des Schlundsegels, der Zunge, der Kiemen erfordert eine genaue Beschreibung. Die Zähne der Myxinoiden sind ganz gleich gebildet. Sowohl Zdel- lostoma als Myxine haben einen einfachen, etwas gekrümmten, hornartigen Gaumenzahn. Von Bdellostoma heterotrema Tab.I, c. Tab.IIl, Fig.6. Die- ser Zahn ist hohl, an seiner Basis weit, und mit einem wulstigen Saum um- geben. Die Basis sitzt auf einer weichen Matrix auf, welche im Allge- meinen die Form des Zahnes hat. Die Matrix des Zahns und der Zahn sit- zen nicht an knöchernen Theilen des Gaumens, sondern die Matrix ist an gewisse knöcherne Theile durch Bandmasse angeheftet, ohne dafs der Gau- menzahn mit den Knochen selbst in Verbindung stände (Tab.IV, Fig. 110 von Mysxine). Die übrigen Zähne liegen unten und sind sämmtlich Zungen- zähne. Die Zunge ist eine lederartige, in der Mitte mit einer Rinne verse- hene, und aus 2 nach oben von den Seiten zusammenlegbaren Seitentheilen bestehende Platte, vorn abgerundet, im Ganzen karten-herzförmig, an ihrem hinteren Ende in eine lange dicke Sehne übergehend, die von dem grofsen der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 85 Muskelapparat der Zunge dirigirt wird (Tab. VII, Fig.5. von Bdellostoma heterotrema). Auf ihrer Oberfläche stehen zwei Reihen Zähne in concentri- schen gekrümmten Linien; in der Mitte der Zunge sind diese Linien unter- brochen und fehlen hier die Zähne. Die Zähne selbst gleichen ganz den Gaumenzähnen, nur sind sie weniger gekrümmt; sie liegen ganz parallel wie die Zacken eines Kammes da, und sind an ihren Basen in der Hornsub- stanz des Zahns verwachsen, so dafs jede Reihe auf jeder Seite nur einen gemeinsamen, auf einer gleich geformten Matrix hohl aufsitzenden Zahn darstellt. Die Spitzen dieser Zähne sind rückwärts und einwärts gerichtet. Bei Bdellostoma heptatrema.liegen in der ersten Reihe jederseits 3 Zacken, in der zweiten 7-8, bei Myxine in der ersten Reihe 8, in der zweiten 8-9 Zacken. Bei Bdellostoma hexatrema liegen in beiden Zahnreihen jeder- seits 11 Zacken, bei Bdellostoma heterotrema in der ersten Zahnreihe jeder- seits 12, in der zweiten links 11, rechts 12. Die Mundschleimhaut beginnt am Rande des Mundes, geht nun an der untern Seite gegen den Rand der Zunge (Tab.IV. Fig. 11. von Myxine) und setzt sich rund um dieselbe fest, geht zwischen den Zahnreihen quer und in der Mitte durch und geht vom hintern und äufsern Rande der Zunge in die Schleimhaut des Rachens und Schlundes (I) über. An der obern Seite des Mundes umgiebt die Schleimhaut den unpaarigen Gaumenzahn mit einer Falte (Tab.II, Fig. 1. von Myxine) und geht hinter dem Zahn nach rück- wärts, bei Bdellostoma heterotrema bis ohngefähr einen Zoll weit hinter dem grofsen Zahn. Hier bildet sie einen halbmondförmigen Umschlag nach oben und vorn in die Nasengaumenöffnung hinein. Bei Myxine (Tab.II, Fig.12, vergl. Tab. IV, Fig. 11G) enthält dieser Umschlag zwischen seinen beiden Lamellen oder vielmehr an der obern angewachsen das Ende der zarten knorpeligen Gaumenplatte. Siehe Tab.Il, Fig. 2, wo die untere La- melle durchgeschnitten ist, und Fig.3, wo beide Lamellen der halbmond- förmigen Falte durchgeschnitten sind. Bei Bdellostoma (Bdell. hexatrema Tab.Il, Fig. 4.) ist der Umschlag auf dieselbe Weise vorhanden (vergl. Tab.II, Fig.5. Der Umschlag 5’ ist aufgeschnitten). Aber das Ende der Gaumenplatte liegt nicht blofs an der obern Lamelle angewachsen, sondern springt, indem die obere Lamelle sich auch noch an die untere Fläche der Gaumenplatte vor ihrem Ende anheftet, nach hinten vor, wo das Ende der Gaumenplatte (e) abermals mit der Schleimhaut überzogen ist, die mit zwei 86 Müruen: Fergleichende Anatomie der M 'yxinoiden, Schenkeln (/) sich zu beiden Seiten des Endes der Gaumenplatte an die obere Mundwand festheftet, während sie sich zwischen diesen Schenkeln über das Ende der Gaumenplatte nach oben und vorn umschlägt und eine Öffnung, die Nasengaumenöflnung (g), erzeugt. Hiernach ist also die Nasen- gaumenöffnung bei den Myxinen breit und wird nach unten blofs von dem halbmondförmigen Saum der Mundschleimhaut begrenzt. Bei den Bdello- stomen, wenigstens dem kleinen Bd. hexatrema, das allein in dieser Hinsicht untersucht worden, liegt die Nasengaumenöffnung über der halbmondför- migen Falte (siehe Tab. II, Fig. 5), zwischen dem Ende der Gaumenplatte (e), den seitlichen kleinen senkrechten Schenkeln der Schleimhaut (/) und der obern Wand des Rachens (c). Man sieht die Öffnung hier erst, wenn man die halbmondförmige Falte erhebt. In Fig.5. sind die 2 Lamellen der halb- mondförmigen Falte zum Theil durchgeschnitten, und die Seiten auseinan- dergezogen. Man sieht jetzt die Nasengaumenöffnung, da wo die Borste her- vorkommt und sieht die Gaumenplatte an dem vordern Theil des Schleim- hautumschlags angeheftet. Das Nasengaumenloch führt frei in den Nasen- gaumengang. Das äufsere Nasenloch steht daher durch die aus Knorpelringen gebildete lange Nasenröhre, welche in den Nasensack, aber auch im untern Grunde desselben in den Nasengaumengang führt, mit dem Nasengaumen- loch in Verbindung. Diese Verbindung ist unter allen Fischen blofs den Myxinoiden eigen. Die Petromyzen und Ammocoetes haben zwar auch einen Nasengaumengang, aber keine Öffnung desselben in den Rachen; er verläuft bei den ersteren hinter der Schleimhaut des Mundes und endigt blind. Tab.IV, Fig. 1. A’ A” von Petromyzon marinus. Hinter dem Nasengaumenloch liegt bei den Myxinen (Tab.II, Fig.1-3c) ganz wie bei den Bdellostomen (Tab. II, Fig. 4 u. 5c) eine segelartige Verlän- gerung der Schleimhaut der obern Wand des Rachens, bei dem kleinen Bdellostoma hexatrema von einem halben Zoll Länge und 4-5” Breite. Dieses Segel ist durch ein eigenthümliches Gerüst von Knorpeln gestützt (Tab.III, Fig.1-6Q RS). Das Segel liegt aber nicht wie die halbmond- förmige Falte unter dem Nasengaumenloch, sondern beginnt am hintern Ende dieses Loches erst als eine Verlängerung der obern Wand des Rachens; es trägt mit seinem Anfang sogar zur Begrenzung des Nasengaumenlochs an der obern Wand bei (siehe Tab. II, Fig. 1-5). Die Seitenränder des Segels sind frei, auch der hintere quere Rand. Die Seitenränder, in welchen starke der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 87 Knorpel liegen, sind nach oben umgerollt. (Siehe Tab.II, Fig.1-3 von Myxine, Fig.4 u. 5. von Bdellostoma hexatrema). An der obern Mittellinie ist das Segel durch eine Schleimhaut-Falte (4) festgewachsen an die obere Wand des Schlundes. Diese Falte ist vorn ganz niedrig, wo das Segel als Verlängerung der Rachenschleimhaut abgeht, hinten ist sie höher, also im allgemeinen dreieckig. So hängt also das Segel horizontal in den Schlund hinein, aber hinten etwas tiefer herab. Die Aufhängefalte weicht mit ihren Lamellen vorn, wo sie beginnt, auseinander und geht hier in den Seitentheil der obern Schlundwand über, hinten liegen die Blätter der Aufhängefalte dicht aneinander; sie setzen sich auch hier nach unten in die obere Lamelle der Duplicatur des Segels, nach oben in die Schlundwand seitlich fort. Zwischen der vordern Insertion des Schlundsegels und der mittlern Auf- hängefalte entsteht hinter dem Schlundsegel jederseits ein Recessus, der in Fig.6%, Tab. IH. von Myxine dargestellt ist, indem man an dem Präparate das Segel an der einen Seite aufgehoben hat, so dafs die mittlere Aufhänge- falte (d) angespannt wird. Von dem Lauf der Blätter der Schleimhaut und der Umrollung der Seitenränder des Segels kann man sich aus dem Durch- schnitt von Myxine Tab.II, Fig. 70 einen Begriff machen. Die Athmungsorgane bestehen bei den Myxinen aus 6 Kiemensäcken (Tab.VII, Fig.6d), die hinter dem Zungenmuskelapparat liegen, bei den Bdellostomen ebenfalls aus 6-7 Kiemensäcken; Bd. hexatrema hat jederseits 6, Bd. heterotrema rechts 6, links 7, Bd. heptatrema auf jeder Seite 7. Diese Kiemensäcke stehen durch Duetus branchiales interni (Tab.VI, Fig. de Mysine, Tab.VII, Fig.2e Bdellostoma heterotrema) mit der Speiseröhre, durch Ductus branchiales externi mit der äufsern Haut oder den äufsern Kiemen- öffnungen in Verbindung. Bei den Bdellostomen und Myxinen sind ebenso viel äufsere als innere Kiemengänge. Die Art ihrer Öffnung ist nur verschie- den. Bei Myxine gehen die inneren abgesondert in die Speiseröhre, die äufseren dagegen vereinigen sich dicht an der gemeinschaftlichen äufsern ÖR- nung jeder Seite in einen Stamm (Tab.VII, Fig. 6). Wie es gewöhnlich dar- gestellt wird und Home abgebildet hat, dafs ein langer Gang Zweige an die Kiemen gebe, so ist es nicht. Die Gänge liegen getrennt neben einander, aber durch Zellgewebe verklebt bis an ihre Verbindung vor dem äufsern Kiemenloch. Bei den Bdellostomen bleiben alle äufseren Kiemengänge ganz getrennt und jeder mündet besonders aus (Tab.VII, Fig. 1. 2). 88 Münuenr: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, Sowohl die Myxinen als die Bdellostomen haben einen einzigen Spei- seröhrengang auf der linken Seite, der fast so weit als alle Kiemengänge zu- sammengenommen ist (Tab.VII, Fig.6/ von Mysxine, Tab.VII, Fig.1.2/ von Bdellostoma heterotrema). Er führt, auf der linken Seite allein vorkommend, bei Myxine in die linke äufsere Kiemenöflnung, bei den Bdellostomen in die linke letzte äufsere Kiemenöffnung. Daher ist diese Öffnung gröfser als alle anderen (Tab.I, g.). Untersucht man sie genauer, so sieht man in ihrem Grunde die Öffnung des Kiemenganges von der Öffnung des Speiseröhren- ganges getrennt. Die letztere liegt ein wenig mehr nach innen und unten als die erstere. Durch den Speiseröhrengang scheint das Wasser, was durch die äufseren Kiemengänge in die Kiemen und durch die inneren Kiemengänge in die Speiseröhre gelangt ist, wieder nach aufsen zu gelangen. Sowohl der Kiementheil der Speiseröhre als die Kiemengänge und der Speiseröh- rengang sind mit merkwürdigen Schleifen eines eigenthümlichen Muskels be- legt, der zur Zusammendrückung des Athmungsapparates bestimmt ist. Siehe Tab.VII, Fig.2. von Ddellostoma heterotrema, Fig.9. 10. von Myxine. Die- ser ganze Apparat wird übrigens in der Muskellehre und Eingeweidelehre der Myxinoiden ausführlich beschrieben. Von den Myxinoiden sind die mir bekannten Species der Gattung Badellostoma mit Augen versehen. Die Myzine glutinosa dagegen ist völlig blind, augenlos und liefert uns das einzige bis jetzt bekannte Beispiel eines augenlosen Wirbelthiers. Was man gewöhnlich blind in der Naturgeschichte nennt, ist in der Regel nur blödsichtig, indem die Haut über die Augen weg- geht, wie bei Spalax typhlus, Chrysochlorus capensis, Proteus anguinus, Acontias coecus, Apterichthus coecus, Silurus coecutiens (1). In den gewöhn- lich mit Augen versehenen Classen und Ordnungen der Wirbellosen giebt es viele Fälle von gänzlicher Augenlosigkeit (?). (') Siehe Rudolphi Grundrifs der Physiologie II, p.154. Talpa coeca Savi hat sogar, wie ich sah, eine kleine Augenliedspalte. (*) Siehe Rudolphi ebend. p.156. % der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 59 Östeologie der Myxinoiden. Erster oder beschreibender Theil. Capitel I. Von der Wirbelsäule. Die Wirbelsäule der Myxinoiden stimmt im Allgemeinen mit derjeni- gen der übrigen Cyclostomen, am meisten der /mmocoetes überein; sie ist, wie auch bei /mmocoetes, nur noch einfacher als bei den Petromyzen. Sie zerfällt in die Gallertsäule und den darauf liegenden häutigen Kanal für das Rückenmark, dessen senkrechter Durchschnitt dreieckig ist und welcher also ein langes dreiseitiges Prisma darstellt. Die Gallertsäule hat keinen ganz runden Umfang; oben, wo sie von dem Rückenmarkskanal bedeckt wird, ist diese Säule ein wenig ausgefurcht. Dieser Cylinder, vorn dünner, allmählig nach hinten gegen die Mitte des Körpers an Dicke zunehmend, gegen das hintere Ende wieder abnehmend und am Schwanzende sich fein verlierend, besteht aus einem festen, fibrö- sen, aus Ringfasern gebildeten Rohr und einer weichen darin enthaltenen Gallerte, welche ganz gleichförmig aussieht, bis auf die Mitte, wo ein eben- falls weicher, aber heller gefärbter punctförmiger Kern auf Durchschnitten sichtbar wird. Nach der Herausnahme der Gallerte fallen die übrigens in- wendig glatten Wände des Rohrs nicht zusammen. Die darin enthaltene Gallerte in feine Scheiben geschnitten und mit dem Mikroskop untersucht, zeigt sich ganz gleichförmig durchscheinend, nicht körnig, und von einem Netzwerk von Zellenwänden durchzogen; in der Mitte zeigt sich auf Quer- durchschnitten eine schmale weifse Querlinie. Bei Längendurchschnitten zeigt sich dieser Kerntheil als ein weifser platter Faden, der bei mikros- kopischer Untersuchung aus feinen Fasern besteht. Hohl ist dieser Faden nicht. Tab. IX, Fig. 12. Die Zellen sind unregelmäfsig, einander ungleich, gleichen aber eini- germafsen den Pflanzenzellen darin, dafs die Wände allseits geschlossen zu sein scheinen und meist in geraden Linien an einander stofsen, so dafs un- regelmäfsig vieleckige Figuren auf den Durchschnitten sich zeigen. Tab. IX, Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. M 90 Mürrer: /ergleichende Anatomie der M' yxinoiden, Fig.1a@. Die Gallerte in den Zellen ist wie die Wände der Zellen selbst, un- ter dem Mikroskop in feinen Lamellen untersucht, durchsichtig. Bei den Pe- tromyzen ist das Verhalten ganz gleich; man bemerkt denselben zarten faseri- gen Kernfaden, aber die Maschen der Zellen sind länglich und liegen mit ih- rer Längenachse in der Richtung des Radius der Querdurchschnitte. Daher reifst die Gallerte der Petromyzen sehr leicht nach der Richtung der Radien in Segmente. Die Gallerte ist übrigens auch hier überall gleich dicht (Ca- rus hat sich in dieser Hinsicht bei Peiromyzon getäuscht). Auf der äufsern Oberfläche der Gallerte liegt noch innerhalb ihrer Scheide eine ganz dünne weifse Schicht, welche aus kleinen mikroskopischen Körnchen besteht. Sie läfst sich nicht als Haut von der Gallerte ablösen. Jene die Gallertsäule umgebende Scheide ist sehr fest und ziemlich dick; um sie liegt eine andere äufsere häutige Scheide, welche oben allein das Rückenmarksrohr bildet, und von welcher auch das häutige Dach für das Fettzellgewebe gebildet wird, das über dem Rückenmarksrohr liegt. Das auf dem Gallerteylinder aufliegende Dach enthält nämlich zwischen sich und der innern Scheide der Gallertsäule 2 Räume, einen untern niedrigen für das Rückenmark, der des Rückenmarksrohrs, und einen darüber liegen- den Raum für das Fettzellgewebe. Es ist also die äufsere Scheide der Gallertsäule, welche eben sowohl das Rückenmarksrohr als das Dach für das Fettzellgewebe bildet. Nämlich so wie die äufsere Scheide der Gallertsäule an die obere Wand der Säule gelangt, theilt sie sich in 2 Blätter; das eine bildet das äufsere Dach, das andere bildet das Rückenmarksrohr, indem es abermals in 2 Blätter getheilt, mit dem einen über, mit dem andern unter dem Rückenmark weggeht. Das letztere Blatt ist dann zugleich der obere Theil der äufsern Scheide der Gal- lerttäule. In Fig. 11.12. Tab.II. ist ce der Durchschnitt der Gallertsäule mit der innern Scheide, c’ der Durchschnitt der äufsern Scheide, welche oben das Rückenmarksrohr d und das Dach für das Fettzellgewebe e bildet. In Fig. 2. Tab. IX. ist das Verhältnifs der Blätter auf einem idealischen Durchschnitt deutlicher bezeichnet. 4 ist der Durchschnitt der Gallertsäule, B der Durchschnitt des Rückenmarks, C der Durchschnitt des Fettzellge- webes. « ist die innere oder eigenthümliche Scheide der Gallertsäule, Q die äufsere Scheide, welche oben sich über die obere Wand der Gallert- säule mit y fortsetzt und dadurch die untere Wand des Rückenmarksrohrs der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 91 bildet, mit ö die obere Wand des Rückenmarksrohrs 2 bildet und mit dem äufsern Blatt e das Dach über das Fettzellgewebe C bildet. Das Rücken- marksrohr ist platt und an den verschiedenen Stellen der Wirbelsäule von ziemlich gleichen Verhältnissen. Das äufsere Dach dagegen ist nur an der vorderen Hälfte des Körpers höher, indem es eine nach oben scharfe Kante bildet, nach hinten zu wird es allmälig immer niedriger und in demselben Verhältnifs nimmt das Fettzellgewebe über dem Rückenmarksrohr ab. Bei Petromyzon sind die Verhältnisse der Blätter im Allgemeinen ganz dieselben, nur ist der Raum des Fettzellgewebes, welches dort (bei Petromyzon mari- nus) schwärzlich ist, viel gröfser und das Dach, besonders nach hinten zu, spitzer, höher; auch sind die Häute stärker und die äufsere Scheide enthält an der Seite des Rückenmarksrohrs Stücke von unvereinigten knorpeligen Schenkeln, welche bei den Myxinoiden und den /mmocoetes ganz fehlen; die äufsere Scheide breitet sich auch an der äufsern untern Seite des Rückgraths jederseits in eine dicke Kante aus, welche in die fascia superfieialis interna übergeht, die gleichsam das Gerüst der Rumpfhöhle ist. Diese prismatischen Kanten, welche bei den Myxinoiden schwach an- gedeutet sind, sind, obgleich häutig, schon Rudimente verbundener Quer- fortsätze. Bei den Petromyzen verhalten sich diese fortlaufenden Blätter am Schwanze wie bei den übrigen Fischen die unteren Dornfortsätze; sie bilden nämlich, indem sie sich unten vereinigen, einen Bogen, der die arteria und vena caudalis umfalst, von welchen die arteria caudalis über der Vene liegt. Bei den Myxinoiden sind die Verhältnisse dieselben, aber die fibrösen Blät- ter sehr viel zarter. Auf der Kante des Daches der Wirbelsäule sitzt ein dünnes, fibröses, senkrechtes Blatt auf, welches die Muskulatur des Rückens in eine rechte und linke Hälfte theilt; am Schwanze verstärkt sich dieses Blatt und hier kömmt auch ein ähnliches unteres, an der untern Mittellinie des Gallert- rohrs befestigtes Blatt vor. In diesem Blatt liegen die Knorpelstrahlen der Schwanzflosse, welche mit ihren inneren walzenförmigen Enden zwischen der Muskulatur verborgen sind, aber das Rückgrath nicht erreichen, mit ihrem äufsern konischen Theil hervorragen und die freie Flosse bilden, ver- bunden von einer zellgewebeartigen Haut. Diese Strahlen zeigen hier und da Quereinschnitte oder eine sehr undeutliche Spur von Gliederung. Das vordere Ende der Wirbelsäule der Myxinoiden geht in die Schädelknorpel M2 92 Münzen: /ergleichende Anatomie der Mysinoiden, über. Die äufsere Scheide des Gallerteylinders und das Rückenmarksrohr werden allein zum Schädel verwandt; die innere Scheide der Gallertsäule nimmt keinen Antheil an der Bildung des Schädels. Das vordere Ende der Gallertsäule setzt sich zugespitzt in das Innere der fast knöchernen Basis cra- nii fort (Tab. IV, Fig. 11. von Myxine vergröfsert) und die innere Scheide der Gallertsäule endigt als Scheide dieser Spitze innerhalb der Substanz der knöchernen Basis. Die äufsere Scheide der Gallertsäule geht in die Basis cra- nii, die Fortsetzung der äufsern Scheide in das Rückenmarksrohr geht in das knorpelhäutige Schädelgewölbe über. Tab. IV, Fig. 11 4 Durchschnitt der innern Scheide der Gallertsäule, a spitze Endigung in der knöchernen Basis ceranii a’. Die äufsere fibröse Scheide der Gallertsäule 3 giebt auch das Rückenmarksrohr 5 ab, welches sich in die Gehirncapsel C fortsetzt. Alles dies ist durchaus gerade so wie bei Petromyzon (vgl. Tab.IV, Fig. 1.) und wie bei dmmocoetes (vgl. Tab.IV, Fig. 10.). Bei B. heterotrema (nicht bei Myxine) liegt da, wo die äufsere fibröse Scheide der Gallertsäule unten an die Basis cranii stöfst, in der Substanz der Scheide ein ganz kurzes, nach hinten zweischenkliges Knorpelplättchen (Tab. III, Fig. 4x), der einzige knorpelige Theil am Rückgrath. Capitel II. Vom Schädel. So wie die Wirbelsäule aus zwei verschiedenen Theilen besteht, so besteht auch der Schädel aus einer knorpelhäutigen Capsel für das Gehirn und aus einem davon getrennten Basilartheil des Schädels, an welchen sich die Gesichtsknochen anschliefsen. 1. Vom knöchernen Basilartheil des Schädels (Tab. III, Fig. 2. 4.). Unter dieser Bezeichnung verstehe ich nicht die ganze Basis cranii; denn diese ist in ihrem vordern Theile nicht knöchern, vielmehr fibrös - häu- tig; sondern einen bei den Bdellostomen und Myxinen gesondert vorkommen- den festen Knorpelknochen, welcher blofs den hintersten Theil der Basis cranii ausmacht. Siehe die Abbildungen vom Schädel des Bdellostoma heterotrema Tab. II, Fig. 1C Hirncapsel von oben. Fig.2. 4. 5D knöcherner Basilar- theil des Schädels. Dieser Knorpelknochen, an welchem zu beiden Seiten der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 93 eine blasige Knochenauftreibung, die Gehörcapsel (Tab. III, Fig. 2. 4 F) an- sitzt, gleicht einigermafsen dem Basilartheil des Schädels der Säugethiere. Sein hinterer Rand ist wie abgeschnitten, kaum etwas halbmondförmig aus- gehöhlt. Die Dicke dieses sehr festen Knorpelknochens von oben nach unten ist hinten gegen ®,”, vorn hin dünner; seine Breite am hintern Ende 2”, seine Länge in der Mitte 11,”. In dieses Knochenstück setzt sich das keilförmig zu- gespitzte vordere Ende der Gallertsäule des Rückgraths hinein fort. Siehe Tab.IV, Fig. 114 von Myxine glutinosa vergröfsert. Vorn endigt das os basilare mit einem ausgehöhlten Rande, so zwar, dafs die vorderen Seitentheile des os basılare zwei divergirende Schenkel (Tab.IIl, Fig. 2. 4X Bdellostoma) bilden, welche sich mit dem Gesichtstheil des Schädels verbinden, oder in denselben unmittelbar übergehen. An den ausgehöhlten Rand, welchen diese beiden Schenkel des os basdllare bilden, schliefst sich der membranöse vordere Theil der Basis cranii oder die Basis der Hirncapsel an. Die Seiten des os basilare und zum Theile noch die eben erwähnten Schenkel tragen jederseits eine nach aufsen gerichtete Knochenblase, von elliptischer, von oben nach unten platt ge- drückter Gestalt, die Gehörcapsel (Tab. III, Fig. 1.2.47”). Diese Knochen- blasen, welche eben so hart wie das os basılare sind, und dieselbe braun- gelbe Farbe haben, schliefsen das Gehörorgan ein; man kann sie dem os petrosum vergleichen; sie sind aber auf das innigste mit dem os basilare ver- wachsen, oder vielmehr nur Seitenflügel davon. (Siehe Tab.III, Fig. 2). Sie sind von allen Seiten geschlossen bis auf eine an ihrer obern mehr platten Fläche befindliche elliptische fast 1 Linie lange Offnung (Tab.III, Fig. 2), die mit fibröser Membran geschlossen ist, aber den Eintritt des Gehörnerven zuläfst. Der äufsere Umfang dieser Capseln ist convex, der innere, wo sie auf den Schenkeln Z aufsitzen, durch die letzteren mehr gerade. Da beide Capseln zum Theil auf den divergirenden vorderen Schenkeln des os basilare aufsitzen, so divergiren ihre Längenachsen wie diese Schenkel nach vorn. Bei Bdellostoma heterotrema ist eine dieser Capseln gegen 3” lang und 2” breit; die Distanz der äufseren Ränder beider Capseln beträgt 5%”. Ihre Convexitäten ragen an den Seiten des Schädels über die über ihnen liegende Hirncapsel merklich hervor (Tab.IIl, Fig. 1 7°). Man sieht aus dieser Be- schreibung, dafs die ganze knöcherne Basis cranii aus dem os basilare oceipi- girenden Fort- 8 sätzen besteht, welche man mit den Flügeln des Keilbeins einigermafsen ver- is, aus den beiden Felsenbeinen und aus 2 vorderen diver 94 Mürvenr: /ergleichende Anatomie der M; yxinoıden, gleichen könnte. Diese Fortsätze sind es, mit welchen der sehr zusammen- gesetzte Apparat der Gesichtsknochen und Knorpel (Tab. III, Fig. 3. allein dargestellt) so verwachsen ist, dafs sich eine natürliche Grenze der Gesichts- knochen und dieser vorderen Schenkel der knöchernen Basis nicht auffinden läfst. Es gehen diese vorderen Seitenfortsätze der knöchernen Basis divergirend fast bis gegen das vordere Ende der Gehirncapsel hin, deren Boden sie zwi- schen sich einschliefsen, vorn aber verlassen. Sowohl nach vorn, nach au- fsen, als nach hinten breiten sich diese Schenkel in die Knorpelknochen des Gesichtes aus, welche den in Tab.IIl, Fig.2. u 3. dargestellten merkwürdigen Korb für die Mund- und Schlundtheile bilden. Die Basis der Gehirncapsel, hinten von dem os basilare gebildet, liegt in ihrem vordern, gröfsern, häu- tigen Theil zwischen den eben beschriebenen Schenkeln Z wie zwischen den Armen einer einspännigen Wagendeichsel. Das os basilare der Myxinoiden ist, wie ich schon erwähnt habe, hohl; es enthält eine conische Aushöhlung, deren Basis hinten ist, und in diese dringt das vordere spitze Ende der Gallertsäule des Rückgraths mit der innern oder eigentlichen Scheide der Gallerte ein. Sonst ist der Kno- chen an allen Stellen fest und bei den Bdellostomen sogar in der obern und untern Mittellinie nicht gespalten, so dafs er nicht aus zwei Seitenthei- len, einem rechten und einem linken besteht. Bei Myxine dagegen be- steht er wirklich aus an einander durch eine Nath gelötheten Seitenthei- len, deren Nath in der obern und untern Mittellinie bemerkt werden kann. Bdellostoma steht also in dieser Hinsicht höher als My.xine. Noch niedriger ist die Bildung der knöchernen Basis bei den dmmocoetes, was Rathke nicht bemerkt hat. Die Basilarstücke sind nämlich hier durch eine mittlere Lücke ganz getrennt; in dieser Lücke bemerkt man an der Basis cranü ex- terna die Fortsetzung der chorda dorsalis oder ihr spitzes Schädelende. Siehe Tab. IV, Fig.7, wo diese Bildung von #mmocoetes branchialis dargestellt ist. a’ spitzes Schädelende der chorda dorsalis, dd knöcherne Basilartheile des Schädels. 2. Von der knorpelhäutigen Gehirncapsel (Tab.III, Fig.1. 6 C). Die knorpelhäutige Gehirncapsel ist der zweite Haupttheil des eigent- lichen Schädels und die Fortsetzung des häutigen Rückenmarksrohrs. Sie unterscheidet sich von den eben beschriebenen harten Knorpelknochen, dafs der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 95 sie zwar sehr fest ist, auf der gewölbartigen obern Wand auch bereits eine gelblich-bräunliche Färbung von eingesprengter Knorpelsubstanz, wenig- stens bei Bdellostoma hat, aber doch sehr biegsam ist, und dafs sie als ein besonderer Theil des Schädels aus dem Rahmen, welchen die vorderen Fortsätze der knöchernen Basis und die Gehörblasen unter ihr und zu ihren Seiten bilden, durch leichte Trennung hervorgehoben werden kann, wäh- rend sie auf dem Mittelstück des os basilare und in dem vordern ausgehöhl- ten Rande desselben, wo die Schenkel desselben anfangen, fest angewachsen ist. Man kann an dieser Capsel einen obern gewölbten, mehr knorpelhäuti- gen Theil, einen untern mehr fibröshäutigen Boden, ganz niedrige Seitenwände, welche den Boden und das Gewölbe verbinden und eine vordere Wand un- terscheiden, womit die Nase verbunden ist. Hinten geht die knorpelhäutige Gehirncapsel ohne Unterbrechung und deutliche Grenze in das häutige Rük- kenmarksrohr über. Siehe Tab. III, Fig.1C€, Fig.6C. In der Mitte der un- tern Fläche der fibröshäutigen Basis sieht man diese zu einer kleinen linsen- förmigen Erhabenheit, welche von einem vorspringenden Theil des Gehirns herzurühren scheint, ein wenig hervorgetrieben. Die obere Fläche der fibrös- häutigen Basis ist dem Gehirn zugewandt, die untere sieht gegen den Na- sengaumengang; der hintere Rand stöfst an den vordern ausgehöhlten Rand der knöchernen Basis; der vordere Rand stöfst an den Grund der Nase. Das Dach oder Gewölbe der knorpelhäutigen Gehirncapsel bildet 2 plana inclinata, die in der Mitte unter einem sehr stumpfen Winkel zusam- menstofsen (Tab. III, Fig. 1C). Wo der Bodenrand und der Gewölbtheil der Gehirncapsel an den Seiten gegen einander treten, sind sie durch eine ganz niedere, kaum merkliche Seitenwand, eine abgestumpfte Kante verbunden. sen vorderen 8 Fortsätze der knöchernen Basis, hinten auf der obern Fläche der Gehörcap- Diese Kante liegt vorn auf der obern Fläche der schenkelförmi seln auf. Die Gehirncapsel ıst hinten, wo sie auf den Gehörcapseln zum Theil aufliegt, schmaler, vor den Gehörcapseln merklich breiter; eben so breit ist sie an ihrem vordersten Theile, wo sie an die Nase stöfst; in der Mitte zwischen der vordern und hintern breitern Stelle (ein Zwischenraum, welcher den gröfsten Theil der Länge der Capsel ausmacht) ist sie ein we- nig schmäler. Siehe Tab. III, Fig.1C. Die Länge der Gehirncapsel bei Bdellostoma heterotrema beträgt 4 Zoll, ihre Breite, wo sie am gröfsten ist, 43, Linien. 96 Mürrer: /ergleichende Anatomie der M. yxıinoiden, Der vordere Rand des Gewölbes der Gehirncapsel stöfst an das hin- tere Ende der Nase, das hintere Ende geht unmerklich in das häutige Rohr des Rückenmarkes über. Die vordere Wand der Gehirncapsel stöfst an die hintere dünne knorpelhäutige der Nasencapsel. In der vordern Wand und an den Seitenkanten der Gehirnkapsel befinden sich die Öffnungen zum Durchtritt der Nerven; diese Offnungen liegen daher nicht in dem Boden der Capsel, der von den vorderen Schenkeln der knöchernen Basis einge- fafst wird, sondern die seitlichen meist dicht über diesen Seitenfortsätzen der knöchernen Basis, in der Verbindungskante des Bodens und des Gewöl- bes der Capsel. Es sind folgende Öffnungen: 1. am weitesten nach hinten hinter den Gehörcapseln befindet sich die ÖR- nung für den zervus vagus, hinter der Gehörcapsel wie bei Petromyzon. 2. Dicht dabei befindet sich die Offnung der Capsel für den Gehörnerven in dem auf der Gehörcapsel aufliegenden Theile der Gehirncapsel; sie correspondirt mit dem in der obern Wand der Gehörcapsel befindlichen elliptischen mit Membran ausgefüllten Ausschnitt (Tab. II, Fig. 2 7). 3. In der Mitte der Seite der Capsel befindet sich die grofse längliche Öf:- nung oder Spalte für den N. trıgeminus. 4. Weiter vorn ist bei Ddellostoma die Öffnung für den I. optieus, der un- ter dem ersten Ast des Trigeminus weggeht. 5. Die Öffnungen für die Geruchsnerven in der vordern Wand der Ge- hirncapsel und knorpelhäutigen hintern Wand der Nasencapsel. Bei der Beschreibung der Gesichtsknochen müssen wir von den vor- deren Seitenfortsätzen des Basilarsknochens ausgehen, die wir mit den Flü- geln des Keilbeins verglichen haben. Tab.III, Fig.2. 4%. Der ganze äu- fsere und vordere Umfang dieses Knochenfortsatzes geht nämlich vorwärts, auswärts und rückwärts in denjenigen Knochenapparat des Schädels über, der zur Unterstützung und Umschliefsung des Gehirns nicht bestimmt ist, sondern den Gesichtstheil des Kopfes bildet, und zur Begrenzung der Mund und Schlundhöhle beiträgt. Der gröfste Theil der Gesichtsknochen besteht eben nur in der flügelförmigen Ausbreitung jener Knochenfortsätze der Basilarknochen, mit welchen dann noch mehrere abgesonderte Knochen und Knorpel, nämlich die Gaumenplatte, die knöcherne Nasenstütze, das Knorpelgerüst des Schlundsegels und die Mundknorpel verbunden sind. Die flügelförmige Ausbreitung jener Fortsätze werden wir den Gaumen- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 97 Schlundrahmen nennen. Es besteht demnach der ganze Gesichtstheil des Schädels aufser der Nasencapsel und dem Nasenrohr aus dem Gaumen- Schlundrahmen, aus der Gaumenplatte, aus der knöchernen Nasenstütze, aus den Mundknorpeln und aus dem Knorpelgerüst des Schlundsegels. Capitel III. Vom Gaumen-Schlundrahmen (‘). Dieser merkwürdige in seinem vordern stärkern Theile gelbbraun ge- färbte sehr feste und knöcherne, in seinem hintern Theile mehr grau ge- färbte knorpelige Theil des Skelets hat von allen Skeletiheilen des Schädels die gröfste Ausbreitung, indem er mit seinen leistenartigen Vordertheilen, die sich vorn verschmelzend verbinden, einen Rahmen für den Gaumen, mit seiner merkwürdigen hintern Ausbreitung einen Rahmen für den Schlund darbietet. Der in Tab.Ill, Fig. 1-6 mit ZKLMNOP bezeichnete Ske- lettheil ist es, den wir als zusammenhängendes Ganze mit dem Namen Gau- men-Schlundrahmen bezeichnen. Die besonderen Stücke QORSTUY ge- hören nicht hieher. Man kann den Gaumen -Schlundrahmen füglich in 3 Haupttheile ein- theilen, in die Wurzeln, in die Gaumenleisten, in die Schlundrahmen; ob- gleich diese drei Theile nicht durch Näthe von einander getrennt sind, son- dern ohne alle deutliche Grenze durchaus zusammenhängend ein Ganzes bilden. Diese Eintheilung dient daher nur zur bequemern Beschreibung. Die aus fester gelb-brauner Knorpelknochenmasse gebildeten starken Gaumenleisten, von den vorderen Seitenfortsätzen des Basilarknochens, wie der ganze Gaumen-Schlundrahmen, ausgehend, bilden zu beiden Seiten des Schädels und seiner Fortsetzung der Nasencapsel und der hintern Hälfte des Nasenrohrs eine hinten breitere, vorn schmälere Leiste, welche mit der der andern Seite unter der Mitte des Nasenrohrs zusammenkommt und mit der andern ohne Spur von Nath verschmilzt. Die beiden Gaumenleisten con- vergiren in ihrem Verlaufe an der Seite der Hirncapsel, Nasencapsel und des Nasenrohrs; hierdurch erhalten diese vorn bogenförmig vereinigten Leisten einigermafsen die Form des Unterkiefers von einem Vogel. Siehe (‘) Abbildungen Tab. III. von Bdellostoma heterotrema. Phys.-mathemat. Abhandl, 1334. N 98 Mürrer: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden ; Tab.III, Fig.1.2.47. Die Vereinigungsstelle der beiden Gaumenleisten liegt gerade über dem unpaaren Gaumenzahn des Bdellostoma und der My- xine (Tab. III, Fig.4. 5.); an dieser Stelle ist die Mitte der beiden Gau- menleisten etwas abgeplattet. Die Breite der beiden Gaumenleisten an die- ser ihrer Vereinigung beträgt bei Bdellostoma heterotrema vom äufsern Rande der einen zum äufsern Rande der andern 4”. Der vordere Rand der Verei- nigungsstelle ist etwas abgerundet, so dafs der convexe vordere Rand mit den Seitenrändern der Gaumenleisten stumpfe Ecken bildet. Der hintere Rand der Vereinigungsstelle ist ausgehöhlt, in ihn ist die später zu beschreibende mittlere Gaumenplatte eingefügt. Die Vereinigungsstelle mifst vom vordern convexen zum hintern concaven Rande 2%”, ihre Dicke beträgt 4”. Diese platte Commissur der beiden Gaumenleisten ist an ihrer obern Fläche etwas gewölbt, an ihrer untern etwas ausgehöhlt. Die Seitenleisten sind schmaler und dicker als ihre vordere Vereini- gung; sie sind vorn 1°” breit, hinten unter der Nasencapsel schmäler; sie sind hier gegen 1” breit und dick; vor dem Auge wird die Leiste dünner, 1" dick, aber breiter, und nun breitet sich diese Leiste von vorn nach hinten zu einer dünnen Platte aus, welche aufsen und oben convex, innen und unten concav ist, und welche mit ihrem innern Rande mit dem oft genannten vor- dern Seitenfortsatz des Basilarknochens und mit der Gehörcapsel auf das in- nigste verbunden ist, so dafs der ganze Gaumen-Schlundrahmen damit nur ein Stück ausmacht. Die plattenartige Ausdehnung der Gaumenleisten bildet auf diese Art auf jeder Seite der Gehirncapsel ein von innen nach aufsen her- absteigendes Gewölbe um den Seitentheil des Rachens; dieses Gewölbe von Knorpelmasse ist inwendig von der Schleimhaut des Rachens ausgekleidet. Der äufsere freie Rand dieses Gewölbes ist die Fortsetzung des äufsern Randes der Gaumenleisten; wo die Gaumenleisten in dieses Gewölbe sich verflächen, steigt der Seitenrand dieser Ausbreitung von vorn nach hinten immer tiefer herab, so dafs die Seitenwände dieses Rachengewölbes jeder Seite nach hinten immer tiefer hinabgehen. Siehe Tab. III, Fig. 1-6. Der innere Rand jedes Seitengewölbes, welcher der Gehirncapsel zugekehrt ist, ist in seinem vordern Theile angewachsen ; nämlich hier geht die Knorpelmasse der gewölbartigen Platte von dem vordern Seitenfortsatz des Basilarknochens des Schädels £', Fig. 2. 4. aus; darauf folgt eine kleine Lücke (Tab. III, Fig. 2, Nro.4.), wo das Rachengewülbe am vordern Umfang der Gehörcapsel nicht angewachsen der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 99 ist, während dasselbe vielmehr mit dem seitlichen Umfang der Gehörcapsel durch die knorpelige Apophyse Ä verwächst, so dafs das Rachengewölbe sowohl an den Seitenfortsätzen des Basilarknochens, als an den Gehörcap- seln ohne Spur von Nath angewachsen ist. Weiterhin hinter der Gehörcap- sel ist der innere Rand des Schlundkorbes frei und bildet hier den obern Riemen des Schlundkorbes N. Das eben beschriebene seitliche Rachengewölbe, die Fortsetzung der Gaumenleisten, ist nicht vollständig, sondern besitzt aufser der eben er- wähnten kleinen Lücke an seiner Insertionsstelle zwei grofse elliptische ÖFf- nungen, eine vordere, mehr oben gelegene, kleinere, von 2” Längendurch- messer in der Richtung von vorn nach hinten (Tab. III, Fig. 1-6, Nro.1.), eine hintere, mehr zu den Seiten liegende Öffnung, die gröfser ist, und im Längendurchmesser, von vorn nach hinten 3%” mifst (Fig. 1-6, Nro.2.). Die letztere Öffnung ist hinten breiter, und mehr dreieckig als elliptisch. Diese Löcher der seitlichen Rachenwände sind mit fibröser Membran ausgefüllt. Die hintere Öffnung liegt in dem an den Basilartheil des Schädels und an die Gehörcapsel angewachsenen Theile des seitlichen Rachengewölbes; man unterscheidet zwischen dem äufsern Rande bis zu dieser Öffnung eine äufsere Randleiste der Rachenwand Fig. 1-6. Z, die Fortsetzung des äufsern Randes der Gaumenleiste, und eine innere Leiste X, von der Öffnung bis zur Verwachsung mit dem Schädel. Der hintere Rand des seitlichen Ra- chengewölbes ist ausgehöhlt, während die äufsere Randleiste Z und die in- nere Leiste A in nach hinten gerichtete Knorpelriemen O und N auslau- fen. Beide Knorpelriemen sind dünn und gegen 1” breit. Der obere N ist etwas ausgeschweift mit gegen die Wirbelsäule gewandter Convexität des in- nern Randes, neben welcher er hingeht. Beide Knorpelriemen lassen eine 5” lange und 3” breite Lücke (Nro.3.) zwischen sich, vereinigen sich hinten durch einen bogenförmigen Knorpelriemen, wodurch diese Lücke geschlos- sen wird, und laufen dann als zugespitzte, kurze, freie Fortsätze zn und o nach hinten aus. Auch diese grofse Lücke ist von fibröser Membran ausge- füllt. Auf diese Art sind nun die 4 Lücken der Rachenknorpel, Nro. 1.2. 3.4, durch fibröse Haut ausgefüllt, und das Ganze stellt ein vollständiges Seitendach des Rachens und Schlundes dar. Die zuletzt beschriebenen Knorpelriemen liegen in den Wänden des Schlundes; so wie nämlich die Schleimhaut des Schlundes und Rachens an der innern Fläche des Rachen- N2 100 Müruer: /ergleichende Anatomie der M 'yxinoiden, gewölbes und der Schlundknorpelriemen anliegt, so geht die Knorpelhaut des Gewölbes nicht allein über die 3 beschriebenen Lücken weg, sondern geht auch von den Schlundknorpelriemen V, O ohne weiters in die äufsere feste Haut des häutigen Schlundes über. Das ganze seitliche Rachengewölbe mit seinen Knorpelfortsätzen hält somit den Schlund in Ausdehnung, was den Bdellostomen und Myxinen bei den Saugbewegungen von grofsem Nut- zen sein mufs. Ein solches Schlundskelet ist uns bis jetzt ganz unbekannt gewesen; es ist nur den Myxinoiden eigen und man kann einen Vergleich mit den sogenannten Ossa pharyngea der übrigen Fische durchaus nicht durchführen. Diese gehören dem Kiemenapparat an. Die Kiemen der My- xinoiden sind weit nach hinten zurückgewichen; sie entbehren sogar aller Skelettheile. Wie indefs die Natur auch in den organischen Geschöpfen bei den sich gegenseitig bedingenden und beschränkenden Entwickelungen der Organe die Gesetze des Gleichgewichts nicht verlasse, zeigt sich hier in einem von dem Plan aller übrigen Thiere abweichenden Skelettheile. Sie giebt das Eingeweideskelet der Kiemen auf; diese Knochen oder Knorpel verschwinden bis auf denjenigen Antheil, welchen das Kiemengerüst an der Composition des Schlundes nimmt, und so sehen wir ihn hier zu einem Schlundgerüst ausgebildet, das indefs durch die besonderen Bedürfnisse der Myxinoiden eine so eigenthümliche Gestalt erhalten hat, dafs man den Ge- danken einer nähern Vergleichung zwischen dem Kiemengerüst und den Schlundknochen der übrigen Fische und den fraglichen Gebilden der Myxi- noiden ganz aufgeben mufs. Bei der Beschreibung der Schlundknorpelriemen haben wir der Ver- bindung mit dem Zungenbein noch nicht Erwähnung gethan. Der obere der beiden Schlundknorpelriemen, welcher auf Tab. II. in Fig. 1-6 mit N bezeichnet ist, schickt nämlich nach aufsen einen Seitenriemen ? ab, welcher über den Schlundkorb weg nach abwärts zum Zungenbein geht. Dieser Riemen von ziemlich fester gelber Knorpelmasse gebildet, bildet einen vorn concaven, hinten convexen Bogen von dem obern Schlundknorpelriemen bis zur Mitte des Seitenrandes des gegen 4 Zoll langen Zungenbeins; er ist in seinem obern Theile platt, gegen das Zungenbein hin wird er walzenför- mig; seine Breite beträgt '; Linie. Die Verbindung dieses Hornes mit dem Zungenbein geschieht an der Grenze des knöchernen Theiles X und knor- peligen Theiles Y des Zungenbeins, wo sich dies Horn an das hintere Ende der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 101 des Seitenrandes des knöchernen Theiles festsetzt. Siehe Tab. III, Fig. 6. Das Horn ist sowohl mit dem Zungenbein an dieser Stelle, als oben mit dem obern Schlundknorpelriemen, auf das innigste verbunden, so dafs sich keine Spur einer Verwachsung oder Nath erkennen läfst und man zweifelhaft ist, ob man den Bogen mehr als dem Zungenbein oder dem Schlundknorpelgerüst angehörend, betrachten soll. Die Existenz eines zweiten vom Zungenbein wirklich ausgehenden Horns (Tab.III, Fig.6), welches das Schlundknorpel- gerüst nicht erreicht, scheint die Idee zu bestätigen, dafs das grofse Horn ur- sprünglich dem Zungenbein angehört. Dies zweite Horn stellt einen etwas dünnern walzenförmigen Knorpelfaden dar, der dicht hinter dem ersten Horn an derselben Insertionsstelle von dem Zungenbein ausgeht, mehr rück- wärts aufwärts an der Seite des Schlundes gerichtet ist und daher mit dem grofsen Horn einen spitzen Winkel bildet. Es ist bei Bdellostoma heterotrema gegen 8 Linien lang und ist mit seinem zugespitzten Ende an den Wänden des Schlundes, in der Nähe des hintern Endes des untern Schlundknorpel- riemens befestigt. Sein unterer Theil hängt mit dem Schlunde nicht zusam- men, so wie auch das grofse Horn nur durch sein oberes Ende am Schlunde festhängt, in seinem Verlaufe aber über den Schlundkorb weggeht. Man hat aus der bisherigen Beschreibung gesehen, dafs das ganze Ge- rüst des Gaumen-Schlundrahmens von zwei Stellen des Schädels wie von Wurzeln ausgeht, nämlich von den Gehörcapseln 7’ und von jenen Fortsät- zen E, welche vor den Gehörcapseln, mit diesen noch zusammenhängend, von dem vordern Seitentheil des Basilarstückes abgehen. Ob diese Fortsätze, welche dem Schädel selbst angehören, ursprünglich von dem damit zusam- menhängenden Apparat des Gaumen-Schlundrahmens natürlich getrennt sind, ist nicht zu entscheiden. Jener Schädelfortsatz war bei * Fig.2, Tab.IH. durch eine Art Nath oder besser durch theilweise Solutio continı. von der Gau- menleiste getrennt und ihr zum Theil blofs angefügt; allein bei 2 war der Zusammenhang jenes Schädelfortsatzes mit dem Schlundrahmen, der doch mit den Gaumenleisten ein Stück ausmacht, ganz vollständig ohne alle Spur einer natürlichen Trennung. So wie der Gaumen-Schlundrahmen Tab.II, Fig. 3. abgesondert von den Wurzeln, die er von der Schädelbasis hat, dar- gestellt ist, hat sich derselbe erst durch Abbrechen von der Wurzel darge- stellt; indem die Stellen des Zusammenhangs Tab. III, Fig. 2 ZK durch das öftere Umlegen beim Präpariren, Untersuchen, Zeichnen zuletzt bra- 102 Mürzer: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, chen. Bei My.xine glutinosa ist der Zusammenhang der Knorpelmasse an den Gaumenleisten bei * Fig. 2, Tab. III. weich und bricht der Knorpel hier sehr leicht durch, aber bei My.xine ist auch die Stelle ** Fig.2, Tab. III. weicher, die bei Bdellostoma ganz hart ist. An beiden Stellen ist auch die gelbbraune Farbe des Knorpels wie ausgelöscht. Eine Solutio continui oder Nath fehlt jedoch bei ** durchaus und wahrscheinlich auch bei *. Bei Petromyzon und dmmocoetes, wo, wie wir später sehen werden, der Apparat der Gaumen- knorpel nur in anderer Form vorkömmt, ist derselbe auch durchaus nicht von der Schädelbasis getrennt. Die bisherige Beschreibung der Skelettheile ist zwar in den Gröfsen- bestimmungen nur auf Bdellostoma heterotrema anwendbar, gilt jedoch sonst in allen Puncten auf das genaueste eben so von My.xine, welche mir nicht den geringsten Unterschied in der Bildung der Kopfknochen gezeigt hat. Capitel IV. Von der Gaumenplatte. Die Gaumenplatte (Tab. IH, Fig. 2-6U von Bdellostoma heterotrema) ist ein den Myxinoiden eigenthümlicher unpaarer Knorpel, der den mittlern Theil des Gaumens bildet, zur Stütze für das zum Theil auf ihm liegende Nasenrohr dient, und dessen hinterer Theil den Boden des Nasengaumen- ganges bildet, unter welchem er eine Art Gaumensegel darstellt. Dieser bei Bdellostoma feste, aber biegsame gelbe Knorpel, der bei Myxine sehr weich und kaum erkennbar, an dem Boden des Nasengaumenganges ange- wachsen ist, ist bei Bdellostoma heterotrema von seinem vordern, in dem ausgehöhlten Rand der vordern Commissur der Gaumenleisten eingefügten Ende bis zu seinem hintern Ende 14” lang, am vordern und hintern Ende 1%” breit, in der Mitte, wo er sich plattenförmig ausbreitet, 31,” breit. Das Ganze stellt eine vorn dickere, hinten dünnere, in der Mitte breiteste, vor und hinter der Mitte ganz schmale, am vordern und hintern Ende wieder et- was breitere Platte dar. Das vordere Ende dieser Gaumenplatte ist an sei- nem Rande abgerundet, mit diesem Rande ist die Gaumenplatte in dem hin- tern ausgehöhlten Rande der Commissur der Gaumenleisten fest eingefügt. Tab.II, Fig.3U. Nachdem sich der vordere Theil der Gaumenplatte, wel- cher dem Griff eines Löffels gleicht, nach hinten allmählig bis auf %” ver- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 103 schmälert, erweitert sich die Gaumenplatte in der Mitte ihrer Länge, dem Becken eines ganz flachen Löffels oder einer Schauffel gleich. Dieser brei- teste Theil der Gaumenplatte liegt unter dem von der Nase zum Rachen füh- renden Nasengaumengang, während der Stiel der Gaumenplatte unter dem hintern Theil des zur Nase führenden Nasenrohrs und unter der Nase selbst liegt. Tab. III, Fig. 4U die Gaumenplatte von unten, @ die Seitenwände der Nase, zu beiden Seiten des Stiels von unten sichtbar. Vgl. Fig.6. U Gaumen- platte, 4 Nasenrohr, G Nase. Die Form des breitesten oder mittlern Theils der Gaumenplatte gleicht am meisten einer oben flach ausgehöhlten Schaufel. Zu beiden Seiten hat diese Schaufel vorn, wo sie am breitesten ist, und 34” in die Breite mifst, eine Ecke, indem der Stiel mit ausgeschweiftem Rande sich zur Schaufel erweitert, dieser ausgeschweifte Rand aber unter einem Winkel auf den convexen Seitenrand der Schaufel stöfst. Die convexen Seitenränder der gegen 4 Linien langen Schaufel nähern sich nach hinten ein- ander und würden wie an einer Schaufel in einander übergehen, wenn sich nicht aus dem hintern Ende der schaufelförmigen Platte ein neuer schmaler platter Stiel nach hinten entwickelte. Die Platte ist unten convex, oben flach ausgehöhlt. Der hintere Stiel der Schaufel hat die Form eines Mei- fsels mit breiterm abgerundetem Ende. Dieser meifselförmige hintere Theil der Gaumenplatte liegt unter dem Nasengaumengang, und das Ende der Gau- menplatte im Ende des Gaumensegels. Der Kanal des Nasengaumenganges geht nun zwischen dem Gaumensegel und dem Boden der Hirncapsel hin. Das hintere Ende dieses Ganges und das hintere Ende der Gaumenplatte rei- chen ohngefähr an dem Kopfe bis in die Gegend des Schädels, wo der häu- tige Theil der Schädelbasis sich mit dem knöchernen Basilartheil verbindet. Siehe Tab. III, Fig.4. 5. Schädel von unten. Indem nun die Gaumenplatte, an der vordern Commissur der Gau- menleisten unmittelbar befestigt, mitten zwischen ihnen hingeht, bilden «e zusammen den harten Gaumen der Myxinoiden, der durch fibröse Haut zwi- schen dem vordern Stiel der Gaumenplatte und den Gaumenleisten vervoll- ständigt wird. Nicht überall liegen übrigens die Seitentheile des Gaumens, die Gaumenleisten und der mittlere Theil des Gaumens, die Gaumenplatte, in gleicher Ebene. Vielmehr senkt sich die Gaumenplatte von vorn nach hinten allmählig immer mehr unter die Ebene, in welcher die Gaumenleisten liegen, wodurch eben der Boden des Nasengaumenganges entsteht. Die 104 Mürrer: Yergleichende dnatomie der Myxinoiden, Gaumenplatte ist daher nur an dem vordern Ende ihres vordern Stiels in der Ebene der Gaumenleisten, in ihrer ganzen übrigen Länge ist sie so ge- bogen, dafs sie nach oben concay, nach unten convex erscheint, wie man aus der Seitenansicht des Kopfskelets Tab.III, Fig.6U sieht. Die Distanz des hintern Theils der Gaumenplatte von der Basis des Schädels drückt die Höhe des Nasengaumenganges aus; sie beträgt 2 Linien. Die Lücken zwischen der Gaumenplatte und den Gaumenleisten sind theils durch fibröse Haut, theils durch Muskeln ausgefüllt. Die Lücke zwi- schen dem vordern Stiel der Gaumenplatte und den Gaumenleisten ist durch eine sehr feste fibröse Haut, die zwischen beiden Theilen ausgespannt ist, ausgefüllt. Tab. III, Fig.5***. Erst wenn diese fibröse Haut weggenommen ist, erhält man das Fig. 4. dargestellte Ansehen, wo man durch diese Lücke etwas von der Nasencapsel, nämlich die Seitenwände derselben G durch- scheinen sieht. Die Winkel des schaufelförmigen mittlern Theils der Gau- menplatte stofsen bis dicht an die Gaumenleisten und sind noch befestigt; der übrige Theil der Schaufel ist mit den Gaumenleisten nicht verbunden. Aber an die Seitenränder der Schaufel inseriren sich Muskeln (Tab. III, Fig. 5, Fig. 6 S$), welche von der Schaufel der Gaumenplatte schief auswärts zu einem an dem Schlundrahmen befestigten, später zu beschreibenden Knor- pel des innern Schlundgerüstes (Q) gehen. Diese beiden Muskeln schliefsen einen nach hinten offenen Winkel zwischen sich ein, in welchen das hintere meifselförmige Ende der Gaumenplatte frei hineinragt. Die Schleimhaut, welche sich aus dem Nasenrohr in die Nase, von dieser durch den Nasen- gaumengang in die Mundhöhle fortsetzt, hüllt bei Bdellostoma das meifsel- förmige Ende der Gaumenplatte in eine Duplicatur ein und füllt durch diese Duplicatur auch die Lücken zu beiden Seiten des Endes der Gaumenplatte, zwischen diesem und den eben beschriebenen Muskeln aus. Auf diese Art wird das meifselförmige Ende der Gaumenplatte zu einer Stütze für den weichen Gaumen oder jene Schleimhaut -Duplicatur zwischen den beschrie- benen Muskeln, über welche selbst die Mundschleimhaut hingeht. Vergl. Tab. II, Fig. 4. 5. von Bdellostoma hexatrema. Siehe die Beschreibung die- ser Duplicatur der Schleimhaut oben in der allgemeinen Beschreibung der Myxinoiden. der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 105 Capitel V. Von der knöchernen Stütze der Schnautze und von den Mundknorpeln ('). 1. Von dem Schnautzenknochen (Tab. IH, Fig.2-6 7‘). Der Schnautzenknochen ist ein fast cylindrisches, % Zoll langes, > Linien breites, nur ein wenig höheres Knochenstück von vorderm stum- pfem, hinterm stumpfspitzen Ende. Er liegt vor dem Gaumenapparat, in der Mittellinie unpaarig; sein hinteres Ende ragt noch 1” weit über die Commissur der beiden Gaumenleisten herüber. Hier liegt er blofs auf und ist nicht unmittelbar, sondern locker durch eine fibröse Haut mit der Com- missur der Gaumenleisten verbunden (Tab.III, Fig. 2-6 7°). Dieser Kno- chen von sehr festem Gefüge und gelber Farbe dient dem über ihm liegen- den Nasenrohr zur Stütze; das vordere Ende trägt einen Jochförmigen wei- chen Querknorpel (Tab. III, Fig. 2-6 «), der zu den Mundknorpeln gehört und unter dem vordern Ende des Nasenrohrs liegt. 2. Von den Mundknorpeln (Tab. III, Fig.5.6 «@y9e»). Zu den Mundknorpeln gehören mehrere zur Begrenzung des Mundes und zur Unterstützung der Bartfäden beitragende, weichere, graue Knorpel, von meist walzenförmiger Gestalt, welche ein Riemenwerk um die Mund- theile bilden. Tab.III, Fig. 5.6 @- ist dieses System von Mundknorpeln, in Fig.5. von unten, in Fig. 6. von der Seite angesehen abgebildet. Die Stützen für dieses Knorpelwerk bilden 3 Knorpel, ein unpaarer, jochförmiger, mittlerer, und 2 paare seitliche Knorpel. Der unpaare mittlere («) liegt quer an dem vordern Ende des Schnautzenknochens 7’, fest mit dem- selben verbunden. Dieser Knorpel ist gegen 4” lang, fast vierseitig, von vorn nach hinten etwas abgeplattet. Er läuft auf jeder Seite in eine schief auf- wärts und vorwärts gerichtete Knorpelspitze aus, welche das zweite Tenta- culum zur Seite der Nasenöflnung trägt. Der zweite Hauptknorpel zur Stütze der übrigen ist paarig und ein konischer oder hornartiger Knorpelanhang der Ecke an dem vordern Ende der Gaumenleisten (Tab. III, Fig. 1-6 2). Sein Ende ist durch ein Bändchen an den Knorpel des ersten Bartfadens zur Seite des Nasenrohrs angeheftet. (') Abbildungen Tab. III. von Bdellostoma heterotrema. Phys.-mathemat. Abhandl, 1834. Ö 106 Münzen: Vergleichende dnatomie der Myxinoiden 5 Der dritte Hauptknorpel zur Stütze der übrigen ist paarig und be- steht in einem breitern pyramidalen Stück, dessen Basis auf der Ecke des vordern Randes des Zungenbeins jederseits aufsitzt, und dessen anderes Ende walzig wird und sich bald in zwei Zweige theilt. Dieser Knorpel ist vorwärts und aufwärts gerichtet, so dafs er den schief aufsteigenden Seiten- theil des Mundes begrenzt (Tab. IH, Fig.6y). Der pyramidale Theil dieses Knorpels reicht 3 Linien weit, dann wird er walzenförmig; 5 Linien von seiner Basis schickt er ein Bändchen aufwärts zur Verbindung mit dem von der vordern Ecke der Gaumenleisten entspringenden Knorpel @; dann geht er noch eine Linie vorwärts aufwärts und theilt sich dann in 2 Äste von glei- cher walzenförmiger Gestalt, einen obern und einen untern, d und e. Der obere e geht aufwärts und krümmt sich wie ein Krummstab vorwärts ab- wärts; von dem Bogen entspringt ein spitzer Knorpelfortsatz zur Unterstüt- zung des ersten Tentakels zur Seite des Nasenrohrs. Der untere Ast d ist kurz und geht in den konischen Knorpelfaden des dritten Tentakels über. Da nun der unpaare jochförmige Knorpel « mit dem Knorpelfaden des ersten Tentakels noch durch ein Bändchen verbunden ist, so hängen alle bisher beschriebenen Knorpel unmittelbar oder mittelbar zusammen, wodurch eine bewegliche Stütze für die Mundschleimhaut und die Muskeln des Mundes gebildet wird. In Fig.5. Tab.IH. sind die Knorpel in ihrem Zusammenhange dargestellt und ausgebreitet; y ist der vom Zungenbein ab- geschnittene Knorpel. In der natürlichen Lage decken sich die Knorpel zum Theil, so dafs man sie nicht gut übersieht. In Fig.5. sind sie auseinan- dergezogen. Der Knorpelfaden des ersten Bartfadens &, im Zusammenhange der Knorpel der zweite, ist in der natürlichen Lage der oberste zur Seite des Nasenrohrs; die Tentakel des unpaaren jochförmigen Knorpels sind da- gegen in der natürlichen Lage die zweiten, indem sie etwas niedriger als die eben erwähnten liegen. Dies ist auch auf die Seitenansicht Fig. 6. anzuwen- den. Das Tentakel e sollte höher als « liegen, es ist das erste zur Seite der Nasenöffnung; man hat es zu der Zeichnung an dem Präparate herabgezo- gen, weil es sonst andere Theile zu sehr verdeckt haben würde. Noch ist der Knorpel im vierten oder untersten Tentakel zu erwäh- nen, welcher durch seine Abplattung und Kürze von den übrigen abweicht. Dies ist ein ungleich vierseitiger platter Knorpel, welcher aber mit den übri- gen Knorpeln gar nicht, auch nicht durch Band zusammenhängt. Mit die- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 107 sen ist er nur durch Muskeln verbunden; dagegen ist er durch ein Band ' an die Mitte des vordern Randes des Zungenbeins geheftet, von wo sich dieses Band sehnenhautartig an der Innenseite des Zungenbeins in der Mittellinie fortsetzt. Hier ist diese Haut die Sehne eines Muskels, der vom Seitenrand des Zungenbeins entspringt. Capitel VI. Von den Nasenknorpeln ('). Die Nase besteht aus dem Nasenrohr, der Nasencapsel und dem Nasen- gaumengang. Die Nasenhöhle entsteht durch eine sehr sonderbar und merk- würdig gebildete Knorpelhaut, worin die Schleimhautfalten des Geruchsor- gans aufgestellt sind. Diese Nasencapsel liegt unmittelbar vor der Gehirn- capsel, von der äufsern Haut nur durch eine oberflächliche Aponeurose, die zum Ansatz von Muskeln ist, getrennt, und würde die Verlängerung der Ge- hirncapsel sein, wenn nicht eine innere doppelte Scheidewand und eine seichte äufsere Einschnürung zwischen beiden wären (Tab.II, Fig.1.6G). Die Nasen- capsel liegt bei 3. heterotrema einen ganzen Zoll von der Nasenöffnung und Mundöffnung entfernt, ist 5” lang, und hinten, wo sie fast so breit wie die Gehirncapsel selbst ist, 4”, vorn 21,” breit, wo sie dann in die Breite des vor ihr befindlichen Nasenrohrs übergeht. Die Seiten und die obere Fläche der Nasencapsel sind convex in der Richtung von einer zur andern Seite, weni- ger in der Richtung von vorn nach hinten. In dieser Richtung ist die Ober- fläche mehr gerade, und da die Capsel vorn schmäler, hinten breiter ist, so stellt sie einen Conus dar, dessen vorderer Theil abgeschnitten ist, wo sich das Nasenrohr an die Nasencapsel anschliefst, dessen hinterer Theil, wo er sich an die Hirncapsel anschliefst, sich ein wenig convex zusammenzieht, so dafs eine leichte Einschnürung zwischen der Nasencapsel und der Hirncapsel entsteht, während eine doppelte, der Nasencapsel und der Hirncapsel angehö- rende Scheidewand innerlich die Höhlen beider von einander trennt. Die un- tere Wand der Nasencapsel fehlt und ist die Höhle derselben ganz in den Na- sengaumengang offen. Siehe Tab.III, Fig.4G, wo man an der untern Seite des Schädels zwischen den Gaumenleisten und dem Stiel der mittlern Gau- (‘) Abbildungen Tab. III. von Bdellostoma heterotrema. 108 Mürner: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden, menplatte noch etwas von den Seitenwänden der unten offenen Nase sieht. Die offene untere Seite der Nasencapsel entspricht, wie man in derselben Figur sieht, der Gegend des vordern Theils der Gaumenplatte, welche dar- unter liegt; das hintere Ende der Nasencapsel reicht nämlich nicht bis zur Mitte des schaufelförmigen Theils der Gaumenplatte, die den Nasengau- mengang von unten deckt. Bis jetzt wurde die Form der Nasencapsel nur im Allgemeinen be- schrieben. Diese haubenartige Capsel zeigt aber auch eine merkwürdige Structur ihrer Wände. Die Wölbung der Capsel ist nämlich nicht überall vollständig aus Knorpel gebildet; ihre obere Wand besteht gröfstentheils nur aus einem Gitterwerk von Knorpelstäbchen, welche vorn und hinten durch einen Knorpelstreifen verbunden sind. Der vordere verbindende Knorpelstreifen ist sehr schmal und jedesmal an der Verbindungsstelle mit einem Gitterstäbchen vorn eingekerbt; der hintere verbindende Knorpel- streifen ist breiter und bildet den hintern, convexen, vollständigen Theil der Nasencapsel bis zur Grenze der Hirncapsel, wo sich die Nasencapsel vor der vordern häutigen Wand der Hirncapsel herabsenkt. Äufserlich erscheint nur die Einschnürung zwischen dem hintern gewölbten Theil der Nasen- capsel und dem Anfang der Hirncapsel. Der knorpeligen Gitterstäbchen, welche vorn und hinten zusammenhängen, zwischen sich aber ganz schmale lineare Zwischenräume haben, sind 7; die Dicke dieser Knorpelfäden be- trägt bei Bdellostoma heterotrema 2; Millimeter; die Zwischenräume sind noch schmäler. Die Seitenwände der Nasencapsel sind wieder breitere Leisten, die mit der vordern und hintern verbindenden Knorpelmasse der Gitterstäbchen vorn und hinten verschmelzen. Zwischen den äufser- sten der 7 Gitterstäbchen und den Seitenwänden der Nasencapsel befindet sich wieder jederseits eine lineare Lücke. Es sind also 8 lineare Lücken und 7 Gitterstäbchen. Der obere, und noch mehr der untere Rand der Sei- tenwände, die sich gleich laufen, sind ein wenig Sförmig ausgeschweift. Siehe Tab. III, Fig. 6G. An die Nasencapsel schliefst sich nach vorn das einen ganzen Zoll lange Nasenrohr (Tab.IIl, Fig. 1. 6 4), welches dicht über dem Munde sich öffnet (Tab.I. a). Dieses Rohr, welches gröfstentheils gleich weit ist, bei Bdellostoma heterotrema 24" im Durchmesser hat, und nur vorn an der äufsern Nasenöllnung breiter wird, liegt unter der Haut; nur seine Seiten der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 109 sind von ein Paar Muskeln, die mit dem Nasenrohr parallel laufen, ein we- nig bedeckt (Tab. VI, Fig.2.); die untere Wand des cylindrischen Nasen- rohrs liegt vorn auf dem jochförmigen obern Mundknorpel und auf dem Schnautzenknochen auf (Tab. Il, Fig.6 7); der hintere Theil desselben liegt auf der Commissur der Gaumenleisten und auf dem Anfang der mitt- lern Gaumenplatte (Tab. IH, Fig. 1 und Fig.6.). Dieses Rohr besteht gröfs- tentheils aus sehr zarten Knorpelringen, die wie Luftröhrenringe aussehen, einer sie verbindenden Haut und einer innern Schleimhaut. Nur die vorderen und hinteren Knorpelstreifen des Rohrs weichen von der Form von Ringen ab. Alle Knorpelstreifen umfassen nur den obern und seitlichen Theil des Rohrs; an der untern Wand sind sie nicht vollständig, sondern durch blofse Haut vereinigt. Die hintersten Knorpelstreifen des Nasenrohrs, welche sich mit dem vordern Ende der Nasencapsel verbinden, sind sehr eigenthümlich, sie stel- len eine unten unvollständige halbeirkelförmige Binde von 4 kettenartig an den Berührungsrändern verschmolzenen kleinen Ringen dar, so dafs dieser Halbeirkel 4 runde Lücken hat, die durch blofse Haut ausgefüllt sind. Be- wrachtet man den Kopf des Bdellostoma von oben, so sieht man die beiden mittleren dieser Ringe (Tab. III, Fig. 1). Betrachtet man den Kopf von der Seite, so sieht man den seitlichen und den einen mittleren Ring dieser Knor- pelstreifen (Tab. III, Fig.6). Die Seitenwände der Nasencapsel sind mit diesen Ringen verwachsen. Die nun folgenden Knorpelringe des Nasenrohrs hän- gen unter sich nicht zusammen; nur die vordersten verschmelzen an ihren unteren Enden. Es sind 10 Ringe von 3,” Breite; sie umschliefsen das Na- senrohr bis auf die untere Mitte, welche membranös ist. Die Lücken zwi- schen den Knorpelringen sind weniger breit als die Ringe selbst. Diese Knorpelstreifen sind überaus zart und weicher als alle übrigen Knorpel der Myxinoiden. Die 2 hintersten reichen mit ihrem Ende abwärts und etwas rückwärts, der dritte, von hinten gerechnet, gerade abwärts, die vorderen abwärts und etwas vorwärts. Ihre Enden sind stumpfspitz. Diese Ringe hän- gen an ihren unteren Enden einer Seite nicht zusammen, bis auf die 4 er- sten, diese verschmelzen mit ihren Enden auf jeder Seite bogenförmig. Siehe Tab. III, Fig.6. Der erste und zweite Knorpelring, von vorn gerechnet, hängen auch durch einen in der obern Mittellinie von vorn nach hinten ge- richteten Knorpelstreifen zusammen. Siehe Tab.VI, Fig. 2. Tab. III, Fig. 1. 110 Mürrer: Jergleichende Anatomie der Mysxinoiden, Der erste Ring, welcher die Nasenöffnung umfafst, ist der weiteste und hat zugleich eine geschwungene Form; indem er die Nasenöffnung oben und an den Seiten umgrenzt, wendet sich das untere Ende jederseits zuletzt nach einwärts und dann ein wenig vorwärts, worauf es sich an dem Jochknorpel des vordern Endes des Schnautzenknochens befestigt. Siehe Tab.la. In allen Beziehungen scheint sich My.xine ganz gleich den Bdellostomen zu verhalten; alle Theile sind nur viel zarter und schwerer zu ermitteln ; daher auch die merkwürdige Zusammensetzung des Nasenrohrs bis jetzt un- bekannt geblieben war. Capitel VI. Von dem innern Knorpelgerüst des Schlundes, oder den Knorpeln des Schlundsegels ('). Hinter der Nasengaumenöffnung im Rachen bildet die Schleimhaut des Rachens an der obern Wand desselben eine lange segelartige Duplicatur mit freiem seitlichen und hintern Rande, und angewachsenem vordern Rande. Tab.II, Fig.1-3.c von Myxine, Fig.4.5 c von Bdellostoma hexatrema. Diese Duplicatur ist. auch in ihrer Mittellinie an der obern Wand des Schlundes angewachsen (Tab.II, Fig.1.2.3.6d von Myaine, Fig. 4.5d von Bdellostoma hexatrema), so dafs dieses Segel über sich zu beiden Seiten der mittlern An- heftung, zwischen sich und der obern Schlundwand, jederseits einen blinden Recessus bildet (Tab. II, Fig.6% von Myxine). Das Schlundsegel hat nun in seinem Innern ein äufserst merkwürdiges Knorpelgerüst, wovon in der ganzen Thierwelt nichts ähnliches bekannt ist. Das Knorpelgerüst zerfällt in den horizontalen Theil, welcher im horizontalen Theil (c) des Schlundse- gels enthalten ist, und in den senkrechten, welchen die mittlere Aufhänge- falte (d) enthält. Man sehe die Knorpel Tab. III, Fig.1-6QRST. 1. Horizontaler Theil der Knorpel des Schlundsegels. Dieser hori- zontale Theil des Knorpeigerüstes besteht aus 2 seitlichen Armen (Q), welche in den Seitenrändern des Schlundsegels liegen, und von dem Schlundknor- pelrahmen, wo sie eingelenkt sind, ausgehen, und aus einem Querriemen (R) von dem einen zum andern Seitenarm, mit mehreren Fortsätzen, die (‘) Abbildungen Tab.II. von Bdellostoma heterotrema. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. Dt von der Mitte des Querriemens nach hinten ausgehend die Figur eines Ros- tes einigermafsen nachahmen ($). Die Seitenarme des Schlundsegels liegen im Innern des Schlundes, parallel mit dem untern Rande des Schlundknorpelrahmens, der früher beschrieben worden, 2 Linien davon entfernt, in dem freien Rande der Schleimhautduplicatur, welche das vorhangartige Schlundsegel bildet; sie sind keulenförmig, vorn dick, hinten verschmälert und spitz, 1 Zoll lang (bei Bdellostoma heterotrema). Das vordere Ende besitzt 2 Fortsätze, einen Gelenkhügel und eine apophysis muscularis, der erste ist nach aufsen, die zweite nach aufwärts gerichtet. In Tab. II, Fig.7. sieht man diesen Knorpel gesondert abgebildet, & Gelenkhügel, 7 apophysis muscularis. In Fig.4Q sieht man denselben Theil ir situ, von unten, mit dem Gelenkhügel an der innern Seite des untern Theiles des Schlundknorpelrahmens durch Band befestigt. Die apophysis muscularis ist breiter als der zapfenförmige Gelenk- hügel; sie ist das Ende des keulenförmigen Knorpels. Nur die Wurzel dieses Fortsatzes besitzt eine Anheftung durch eine breite fibröse Haut, welche sich an die Knorpelleiste 7 des Schlundknorpelrahmens festsetzt. Der Knorren selbst dient zum Ansatz von Muskeln. Siehe Tab.III, Fig.5. In Tab. Il, Fig. 6 sieht man den Knorpel © in seiner Lage innerhalb des Schlundkorbes von der Seite, y den Knorren mit dem daran befestigten Muskel $, den man in Fig.5 von unten sieht. Der Körper des Knorpels, dessen Kopf eben beschrieben worden, ist säbelförmig, nämlich von aufsen nach innen platt, von oben und unten angesehen schmal, unten schärfer, oben stumpfer. Seine Breite beträgt bei Bdellostoma heterotrema, wo er am breitesten ist, 12”. Nach hinten wird er schmäler und rundlicher, und dünner werdend zuletzt spitz. Noch ist zu erwähnen, dafs der Körper ein wenig, und zwar ganz leicht, aufsen convex innen concav, gebogen ist, während das spitze Ende g wieder gerade sieht. So liegen diese Knorpel auf jeder Seite im Innern des Schlundes frei in dem Rande des Schlundsegels, von der Schleimhaut desselben eingehüllt. Zwischen ihnen innerhalb der Duplicatur der Schleimhaut dieses Vorhanges liegt ein bogenförmiger Knorpelriemen quer von einer zur andern Seite, Tab. III, Fig.1-5R. Dieser 2,” breite Riemen geht durch die ganze Breite des Schlundsegels von der Mitte des einen Seitenarmes Q zur Mitte des an- dern Seitenarmes Q und ist mit den Seitenarmen zu einem Stück verwach- 112 Mürrzzr: Jergleichende Anatomie der Myxinoiden, sen. Er hat einen vordern concaven, einen hintern convexen Rand. Von der Mitte dieses bogenförmigen Knorpelriemens gehen nach hinten 21,” von einander 2 dünne Knorpelstreifen in das hintere Ende der Duplicatur der Schleimhaut des Schlundsegels. Diese Streifen sind 4” lang und endigen spitz im hintern freien Rande des Schlundsegels. In der Hälfte ihrer Länge sind diese Fortsätze durch einen queren Kuorpelstreifen verbunden, und dieser quere Streifen giebt abermals von seiner Mitte nach hinten einen 21,” langen Streifen in das Ende des Schlundsegels ab, welcher Mittelstreifen sich vor seinem Ende gabelförmig theilt (Tab. IH, Fig. 1-65). Alle diese Knor- pelriemen liegen in der Duplicatur der Schleimhaut, welche das horizontal liegende Schlundsegel darstellt. 2. Senkrechter Theil. Nun sind noch die knorpeligen Fortsätze zu beschreiben, welche die senkrechte Längenfalte oder das Aufhängeband des Schlundsegels stützen, jenes Band, welches ebenfalls aus Umschlag der Schleimhaut gebildet, die obere Wand des Schlundsegels an die obere Wand des Schlundes in der Mittellinie anheftet. Diese Duplicatur ist, wie früher beschrieben worden, vorn an der Ausgangsstelle des Schlundsegels von der obern Schlundwand niedrig, und wird gegen das Ende des Schlundsegels allmählig höher; hinten liegen ihre Blätter dicht an einander, vorn weichen sie auseinander in die obere Wand des Schlundes aus. Von dem horizon- talen Querriemen A des Schlundsegels gehen nicht allein die beschriebe- nen Fortsätze ‚S rückwärts in horizontaler Richtung ab, sondern aus der Mitte des vordern Randes des horizontalen Querriemens R steigen auch 2 Knorpelstreifen divergirend in die Höhe gegen die Wirbelsäule. Diese auf- steigenden Knorpelstreifen machen eine doppelte kleine Biegung (Tab. III, Fig.6 7) und theilen sich dann wie ein T in 2 horizontal verlaufende Arme von 4 Linien Länge, wovon der eine vorwärts, der andere rückwärts an der Seite und unter der Wirbelsäule hingeht (Tab. III, Fig. 1-6 7). Die hori- zontalen Branchen der aufsteigenden Knorpelstreifen liegen also um eben so viel höher über dem horizontalen Querriemen des Schlundsegels als der auf- steigende Knorpelstreifen in die Höhe steigt. Die horizontalen vor- und rückwärts gerichteten oberen Riemen liegen in der obern Wand des Schlun- des, über dem Schlundsegel; die vom Schlundsegel aufsteigenden Knorpel- streifen der Mittellinie liegen in der Aufhängefalte, welche das Schlund- segel an die obere Schlundwand heftet. der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 113 Capitel VII. Von dem Zungenbein (‘). Weder die Bdellostomen, noch die Myxinen besitzen einen Unterkie- fer. Statt dessen begrenzt der grofse und merkwürdige Apparat des Zun- genbeins (Tab. VI, Fig.4. 5. Tab. III, Fig.6 7X Y) den Mund von un- ten, ein Apparat, der wieder zur Stütze der Zungenmuskeln dient und auf seiner obern Fläche einen Halbkanal bildet, in welchem sich die lange Sehne der frei über dem Zungenbeine verschiebbaren Zunge vor- und zurückschie- ben kann. Das Zungenbein besteht theils aus ossificirten gelben, theils aus nicht ossifieirten grauen Knorpelstücken; der vordere Theil ist ossifieirt und besteht aus 2 Reihen von Knochenstücken, der hintere Theil ist knorpelig. In allen Verhältnissen sind Ddellostoma und Myxine gleich. Bei Bdellostoma heterotrema (Tab. VI, Fig.4.) hat der ganze Apparat eine Länge von 3%”. Vorn, wo der vordere Rand des Zungenbeins den untern Mundrand bildet, ist es 8” breit; am Ende des knöchernen Theils 7/7 X, der 17” Länge hat, ist es 5” hinten spitz, ist vorn 4” breit und 2” 5” lang. Der vordere ossificirte breit. Der knorpelige Theil von pyramidaler Form, vorn breiter, Theil des Zungenbeins besteht in der ersten Reihe aus 4, in der zweiten aus 2 Knochenstücken. Beide Reihen bilden zusammen eine unten convexe, oben concave Lade dar. Der vordere Rand des Zungenbeins ist ausgehöhlt; wo der vordere Rand mit dem Seitenrand zusammenkömmt, befinden sich abgestumpfte Ecken, an welchen der zu den Mundknorpeln gehörige Knor- pel s (Tab.VI, Fig. 4.5. Tab.III, Fig.6%) mit seiner Basis befestigt ist. Die 4 Knochenstücke, welche die erste Reihe der Stücke des Zungenbeins bilden, gleichen sich zwar im Allgemeinen durch die leistenartige, platte längliche Gestalt, aber die beiden äufseren (Tab. VI, Fig. 4.579. Tab. III, Fig. 6 77), welche die stumpfen Ecken am vordern Rande des Zungenbeins bilden, sind länger als die beiden inneren, die vorzüglich den ausgehöhl- ten Theil des vordern Randes des Zungenbeins bilden und deren schiefe Ränder einen Winkel einschliefsen (Tab.VI, Fig. 4. 5.). Die äufseren Stücke sind auch breiter als die mittleren 7’, nämlich 2% Linien breit auf 9% Linien Länge; die mittleren sind 11, Linien breit auf 7 Linien Länge. (‘) Abbildungen Tab. II, Fig.4.5. von Bdellostoma heterotrema. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. 15 114 Mürren: Fergleichende Anatomie der Mysxinoiden 3; Der äufsere Rand der äufseren oder seitlichen Stücke ist bauchig, der in- nere, wo sie mit den mittleren Stücken verbunden sind, ist kürzer und ge- rade; der hintere Rand, wo die Stücke auf die zweite Reihe X der Kno- chen des Zungenbeins stofsen, ist etwas schief von aufsen nach innen und vorn. Die mittleren Stücke stofsen mit ihrem inneren Rande an einander und sind hier durch Band dicht, aber doch einigermafsen beweglich ver- bunden. Unten weichen die inneren Ränder etwas auseinander. Ihr hinte- rer Rand ist rundlich und stöfst auf den vordern Rand der Knochenstücke der zweiten Reihe. Die Knochenstücke der zweiten Reihe (Tab.VI, Fig.4. Tab.II, Fig. 6 X), nur 2 neben einander, und in der Mitte verbunden, setzen die Lade des Zungenbeins fort; sie sind 74” lang, vorn sind sie zusammen 7%”, hinten 5” breit; ihre äufseren Ränder sind etwas schief und setzen den äu- fsern Rand der ersten Reihe der Zungenbeinstücke fort; ihre inneren Ränder sind gerade, hier stofsen sie zusammen, so zwar, dafs sie nach oben einen sehr stumpfen Winkel bilden, wodurch die obere Fläche der verbundenen bei- den Stücke einige Concavität erhält. Die vorderen Theile der inneren Rän- der berühren sich nicht, ebenso wie die hinteren Theile der inneren Ränder in der Mittellinie der ersten Reihe. Daher bleibt hier zwischen erster und zweiter Reihe der Knochenstücke in der Mitte eine rhomboidalische Lücke, die von Bandmasse ausgefüllt ist. Der vordere Rand jedes Stücks ist un- gleich; er hat nämlich 2 schiefe Facetten zur Verbindung mit dem hintern Rand des äufsern und mittlern Stückes der ersten Reihe. Der hintere Rand jedes Stückes ist abgerundet; dieser stöfst an den vordern Rand des knor- peligen Theils des Zungenbeins. Wo der äufsere und der hintere Rand auf einander stofsen, springt die Ecke etwas vor, und hier verlängert sich die Ecke in das grofse und kleine Zungenbeinhorn P und p. Das grofse Zungenbeinhorn ?, ohne Unterbrechung aus der hintern Ecke des genannten Knochens entspringend, stellt einen walzenförmigen, 1” langen, 5” dicken, gelben und festen Knorpelbogen dar, der sich mit nach vorn gerichteter Concavität aufwärts und etwas rückwärts zur Seite der Rachenhöhle um den Schlundkorb in die Höhe begiebt (Tab. III, Fig. 6 ?), um mit seinem obern plattern Ende mit dem obern Knorpelriemen (N) des Schlundknorpelrahmens zu verschmelzen. In Fig. 1-5. Tab. III. ist das grofse oder vordere Horn des Zungenbeins ?, vom Zungenbein abgeschnit- der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 1665) ten, noch in seinem Zusammenhange mit dem Schlundknorpelrahmen dar- gestellt. Das kleine hintere Horn p des Zungenbeins geht von derselben Stelle, wie das grofse Horn, dicht hinter ihm aus und ist auch ein nnabgesetzter Fortsatz des Zungenbeins selbst. Es ist kürzer, 8 Linien lang, walzenför- mig, aber dünner als das grofse Horn, zuletzt zugespitzt. Seine Richtung ist aufwärts und stärker rückwärts als die des grofsen Hornes, daher es mit dem grofsen Horn an der Ursprungsstelle einen spitzen Winkel bildet. Es erreicht zwar den untern Rand des hintersten Theils des Schlundknorpel- rahmens und berührt fast den untern Knorpelriemen dieses Rahmens, ist jedoch nur lose an den Schlund angeheftet, zu dessen Ausspannung es bei- trägt (Tab. III, Fig.6 p. Tab.VI, Fig.4.5 »). Im Ganzen giebt es also 3 Sus- pensoria des Zungenbeins, das vorderste (Tab. III, Fig. 6 y) an der vordern Seitenecke des Zungenbeins, ein zu der Begrenzung des Mundes beitragen- der, oben beschriebener Knorpel, welcher zugleich durch ein Bändchen mit dem Knorpelfortsatz @ an der vordern Ecke der Gaumenleiste verbunden ist (Tab.II, Fig. 6.) und mit 2 Knorpelleisten in die Knorpelstützen des ersten und dritten Tentakels sich fortsetzt. Die beiden anderen Suspenso- ria sind die eben beschriebenen hinteren oder eigentlichen Hörner. Die knöchernen Theile des Zungenbeins liegen nicht alle in einer Ebene. Nicht allein dafs die beiden Seitentheile ein wenig gegen einander geneigt sind, wodurch eine seichte Aushöhlung auf der obern Fläche des Zungenbeins entsteht; die zweite Reihe der Knochenstücke ist auch ein wenig gegen die erste geneigt (Tab.III, Fig.6.), so dafs die Verbindungs- stelle unten ein wenig vorspringt. Dann sind die äufseren Stücke der vor- dern Reihe im Verhältnifs zu den inneren ein wenig mehr vorne gegen den Seitenrand des Mundes erhoben, während die Mittelstücke mit ihrem vordern Rand vorzüglich den untern Mundrand bilden. Die zweite Reihe der knöchernen Stücke liegt fast in derselben Ebene als der hintere oder knorpelige Theil des Zungenbeins, aber die knöchernen Theile senken sich von der Verbindung mit dem knorpeligen Theile an ein wenig. Al- les dies sieht man in der Seitenansicht des Kopfes von Bdellostoma hetero- irema (Tab.1II, Fig. 6.) deutlich ausgedrückt. Der dritte Theil des Zungenbeins ist der knorpelige Zungenbeinkiel (Tab. VI, Fig.4 Y. Tab.III, Fig.6 P). Es ist ein 2” 5” langer, vorn 4” P2 116 Müunuer: Jergleichende Anatomie der Mysinoiden, breiter, nach hinten spitz zulaufender Knorpel von oberer concaver und un- terer sehr convexer Oberfläche (Tab.II, Fig. 7i auf dem Durchschnitt). Die Convexität seiner unteren Fläche geht nach hinten allmählig in eine mittlere Kante über. Sieht man diesen Knorpel von der Seite an (Tab. II, Fig.6 7’), so sieht man den obern Rand des ausgehöhlten Knorpels nach hinten gegen die Endspitze desselben sich sehr allmählig erniedrigen und in den obern Rand der Spitze übergehen. Die untere von einer zur andern Seite convexe Fläche läuft von vorn nach hinten fast gerade. Durch die obere ausgehöhlte Fläche entsteht ein Halbkanal, welcher die Fortsetzung der schwach ausge- höhlten Fläche des knöchernen Theiles des Zungenbeines ist. In ihm spielt die lange Sehne des Zurückziehers der Zunge, die auf dem knöchernen Theile des Zungenbeins frei ruht. An den knorpeligen Theil des Zungen- beines, besonders an die Seiten des hintern spitzen Theils dieses Knorpels ist ein ungeheurer walzenförmiger Muskelkörper, vorn zugespitzt, befestigt (Tab.VII, Fig. 1.44, Tab.VII, Fig. 1. 244), welcher den Raum von dem Kopfe unter der Speiseröhre bis zu den weit zurückliegenden Kiemen allein ausfüllt, und welcher eben die Kiemen zurückgedrängt hat. Der Muskeley- linder steckt an dem spitzern Theile des Zungenbeinknorpels wie an seinem Stiele, so dafs die halb ringförmigen Muskelfasern jenes walzenförmigen Mus- kels vorn von der Seite des spitzen Theils des Zungenbeinknorpels entsprin- gen. Dieser walzenförmige Muskelkörper ist nun aber in seinem Innern hohl; seine Wände bestehen aus Schichten halbeirkelförmiger Muskelfasern auf beiden Seiten. In seinem Innern liegt hinten der Bauch eines Längenmus- kels, der vorne in eine lange sehr starke Sehne ausläuft. Dies ist die Sehne, welche zur Zunge geht, und an welcher die Zunge zurückgezogen werden kann. Die Sehne läuft innerhalb der Concavität des Zungenbeinknorpels. Damit die Sehne hier nicht ausweichen kann, ist der Zungenbeinknorpel, von welchem bemerkt wurde, dafs er oben einen Halbkanal bilde, vorn von oben durch eine dicke fibröse Haut bedeckt und, indem diese von einem zum andern Rande hingeht, der Halbkanal geschlossen. Tab.VI, Fig.5c, Tab.Il, Fig.7m auf dem Durchschnitt. Da nun der am Zungenbeinknorpel befes- tigte walzenförmige Muskelkörper auch hohl ist, so setzt sich die Höhle des Muskelkörpers in den Kanal über dem Zungenbeinknorpel nur verschmälert fort und die oberen Wände des hohlen Muskelkörpers gehen vorn, wo dieser Körper sich verengt und an den Zungenbeinknorpel anschliefst, dicht in die der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 117 häutige Decke des Kanals vom Zungenbeinknorpel über. In Fig.5, Tab.VI. sieht man das Zungenbein von oben mit dem Anfang des an dem Zungen- beinknorpel befestigten Muskelkörpers und der Decke (c) des Kanals des Zungenbeinknorpels. Die zähe, dicke Decke des Kanals des Zungenbeinknorpels hört da auf, wo der Zungenbeinknorpel mit dem Zungenbeinknochen verbunden ist. An dieser Stelle ist die Decke aufgeschlitzt (Tab. VI, Fig.52), und der Kanal wird offen, während sich von den Lippen des Schlitzes ein Strei- fen sehr fester und glatter, fast knorpeliger Haut @ auf beiden Seiten nach vorn hin auf der obern Fläche des knöchernen Zungenbeins fortsetzt und fast in der ganzen Länge dieses Knochens an diesen anheftet. Dieser Streifen ist hinten höher, vorn niedriger; er verliert sich gegen die Mitte der Länge der vorderen Zungenbeinstücke. Diese beiden Streifen sind 2, Linien von einander entfernt, parallel und setzen also den Kanal, der über dem Zun- genbeinknorpel geschlossen ist, offen über dem Zungenbeinknochen fort, dafs die Sehne, an welcher die Zunge zurückgezogen werden kann, vorn in diesem Halbkanal gleitet. In Tab.III, Fig.6, wo man von der Seite in den Mund sieht, ist die Sehne der Zunge z mit der Zunge Z selbst sichtbar, aber die Sehne ist aus ihrem Kanal über den Zungenbeinknorpel emporgehoben, zu welchem Zweck die Decke des Kanals aufgeschnitten wurde. Auf Tab.VIH, Fig. 1. 2. sieht man auch den hohlen Muskelkörper 4.4 aufgeschnitten und den darin liegenden Zurückzieher der Zunge BB, die Sehne der Zunge 50” und die Zunge selbst S. Aufser dem knöchernen und knorpeligen Apparat des Zungenbeines giebt es noch Skelettheile am hintern Theile des vorher berührten grofsen Muskelkörpers. Der eine ist knorpelig und grau und liegt in der obern Wand des hintern runden Endes des hohlen Muskelkörpers (Tab. VIH, Fig. 1.27); der andere ist knöchern und gelb und liegt in der untern Wand des hintern Endes desselben Körpers in der Mittellinie (Tab. VIII, Fig. 2%). Der obere ist ein längliches, vorn und hinten zugespitztes plattes Knor- pelschild, bei Bdellostoma heterotrema von 14 Linien Länge und 4 Linien gröfster Breite in der Mitte. Es liegt am hintern Ende des hohlen Muskelkör- pers, auf der Oberfläche des darin liegenden Muskelbauches, des Zurückzie- hers der Zunge. Dieser letztere Muskel hat keine hintere Insertion, sondern theilt sich hinten in einen rechten und linken Theil (Tab. VIII, Fig. 1 22, 118 Müruen: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden, 5b‘), welche einen kurzen von oben nach unten gehenden Muskel (Tab.VIII, Fig. 1cc) zwischen sich nehmen und hinter diesem in einem Bogen zusam- menfliefsen (Tab. VIII, Fig. 125). Das Knorpelschild, welches auf der hin- tern Commissur der Seitentheile des Zurückziehers liegt, dient dem von un- ten nach oben zwischen beiden Schenkeln des Zurückziehers durchgehenden aufrechten Muskel cc zur Befestigung. Das untere Ende dieses Muskels in- serirt sich an einem walzenförmigen Knochen von 1” Länge, 1” Breite und 44,” Höhe, vorderm und hinterm stumpfen Ende (Tab. VII, Fig.14). Die- ser Knochen liegt in der Mittellinie der untern Fläche des walzenförmigen Muskelkörpers, an dessen hinterm Ende. An dem vordern Ende des Kno- chens befindet sich noch ein 2” langer schief aufwärts vorwärts gerichteter Knorpelfortsatz 4’. Der Knochen selbst ist sehr hart und gelb. Diese beiden Skelettheile werden in ihrer Lage durch den festen fibrö- sen scheidenförmigen Überzug des grofsen hohlen Muskelkörpers erhalten. Capitel IX. Von dem Skelet der Zunge ('). Das Skelet der Zunge, worauf die Zungenzähne befestigt sind, ist knorpelhäutig lederartig, wenigstens bei Bdellostoma heterotrema; bei My- xine sind die gleichnamigen Theile zwar gleich gebildet aber viel zarter und schwerer zu erkennen. Es besteht dieses Skelet aus zwei im Allgemeinen sichelförmigen Knorpeln, einem vordern und einem hintern. Man sieht sie deutlich, wenn man die Zunge von dem darauf liegenden Perichondrium befreit. Der vordere von diesen Knorpeln (Tab.VIII, Fig. 4 4) besteht aus zwei flügelförmigen Stücken, hat einen vordern und äufsern convexen, ei- nen hintern ungleichen, mehrentheils concaven Rand; so dafs die Spitze des Flügels auf beiden Seiten nach hinten und aufsen, der stumpfe Theil nach vorn und innen gerichtet ist. Beide flügelartige Seitenstücke hängen in der Mitte durch eine schmälere mittlere Knorpelcommissur zusammen, die den hintern Theil des stumpfen Endes jedes Flügels verbindet; diese mittlere Commissur läuft nach vorn in eine schwertförmige mittlere Spitze (') Abbildung Tab. VII, Fig.4. von Bdellostoma heterotrema. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 119 (a) aus. Da wo der mittlere Theil mit den Flügeln zusammenhängt, be- findet sich am hintern Rande des Flügels in diesem eine lange Spalte oder Lücke (£), welche durch Haut ausgefüllt ist. Der im Allgemeinen un- gleiche hintere Rand des Flügelknorpels ist an beiden Enden ausgehöhlt, in der Mitte etwas vorspringend. Das hintere Ende des flügelförmigen Knor- pels läuft in 2 Fortsätze aus, einen äufsern sichelförmigen (c), der sich nach rüekwärts und aufwärts schlägt, so dafs er den hintern Seitenrand der Ma- trix der ersten Zahnreihe und den hintern Seitenrand der Matrix der zwei- ten Zahnreihe bekleidet, und einen innern Fortsatz d, der mit dem ersten Fortsatz parallel nach rückwärts läuft, aber kleiner ist und sich bald nach innen in einem Knie gegen den zweiten jetzt zu beschreibenden Hauptknor- pel der Zunge wendet. Der zweite platte Knorpel 2 ist sichelförmig und liegt hinter dem er- sten. Seine Form gleicht durchaus einer Mondessichel. Er ist in der Mitte der Zunge am breitesten, nach den Seiten verschmälert er sich und endigt spitz; sein vorderer Rand ist convex, sein hinterer concav. Diese zweite Knorpel- platte ist sowohl in der Mittellinie als nach aufsen hin mit der dicht vor ihr liegenden verbunden; in der Mitte durch sehnige Substanz, nämlich durch D, eine Fortsetzung der grofsen Sehne C des Zurückziehers der Zunge, welche Sehne wie ein Stab von hinten in die Mitte der Concavität der Sichel tritt, sich hier befestigt, und mit einem Theil ihrer Sehnenfasern über die Sichel wegsetzt um sich zugleich an der Mitte des ersten Knorpels zu befes- tigen. Die beiden Enden der Sichel hängen auch wieder mit den Enden des flügelförmigen Knorpels zusammen, indem der zweite beschriebene Fortsatz des letztern d sich umkrümmt und in das spitze Ende des sichelförmigen Knorpels 3 ohne weiteres übergeht. Aufserdem sind diese lederartigen Knorpel unter einander durch eine feste fibröse Haut in den Lücken ver- bunden. Die Matrizen der zwei Zahnreihen der Zunge gehören nicht zum Skelet, sie sitzen blofs auf den Skelettheilen der Zunge auf. Es sind halb weiche Platten, welche den Zahnreihen entsprechen und in jede Zahnzacke eine kurze pyramidale Verlängerung schicken. Die Matrix der ersten Zahn- reihe sitzt jederseits auf der Oberfläche des vordern Randes des flügelförmi- gen Knorpels 7 auf, und ragt vorn und innen sogar über denselben hinaus, indem hier der vordere Rand der Zahnreihe und des Flügelknorpels nicht parallel laufen. 120 Mürten: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, Die Matrix der hintern Zahnreihe sitzt jederseits über dem hintern Rand des flügelförmigen Knorpels / auf, der hintere äufsere Theil der Matrix liegt frei von unten und ist blofs durch den innern Endfortsatz d des flügel- förmigen Knorpels von unten gestützt, während der längere äufsere Fortsatz c sich um den äufsern Rand der Matrix schlägt und die Matrix von aufsen zusammenhält. An den Rand der Matrizen schliefst sich die Mundschleimhaut an und bildet einen zahnfleischartigen Saum oder eine Falte, die sich an die Basis der Zahnreihen anlegt; auch geht die Mundschleimhaut zwischen den Zahn- reihen hin und bedeckt alle Theile der Zunge, welche nicht durch die Zähne rauh sind. In der Mittellinie der obern Fläche der Zunge ist eine Furche, unten ist die Zunge in der Mittellinie gekielt. Die beiden Seitenstücke der Zunge lassen sich gegen einander zusammenlegen und ausbreiten, was Myxine auch, wie Gunnerus berichtet, während des Lebens thut, indem sie ihre Zun- genzahnladen wie die Thüren eines Schrankes auf- und zuschlägt. Diese Bewegung kann indefs nicht durch besondere Muskeln der Zunge geschehen, welche für diesen Zweck nicht vorhanden sind. Das Aufschlagen derselben geschieht wahrscheinlich durch die Elasticität der Zungenknorpel, das Zu- sammenlegen durch Verengerung der Mundhöhle. Capitel X. Von den Zähnen. Die Zähne der Bdellostomen und Myxinen gleichen im Allgemeinen denen der Petromyzen, sie sind hornartig, hohl, nur sind sie viel härter und spitziger. Der schalige Zahn sitzt auf seiner Matrix auf. Bei Ddellostoma und Myxine sind die Zähne von gleicher Bildung. Unter dem vordern Ende der Gaumenleisten liegt ein einfacher nach hinten gekrümmter Zahn (Tab.Ic, Tab.III, Fig.6), nicht auf dem Kno- chen selbst, sondern auf einer halbweichen Matrix befestigt. Man unter- scheidet an dem Zahn die hohle wulstartige breitere Basis und den koni- schen nach hinten gekrümmten, ebenfalls hohlen Hacken. Die breitere Basis ist von dem Konus des Zahnes abgesetzt. Die Matrix ist ein linsenförmiger, oben nämlich und unten erhabener, ziemlich weicher Körper, auf der Mitte der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 121 ihrer untern Fläche erhebt sich der weiche Kern des Zahns, der Form des letztern analog, nur weniger spitz. Die Matrix des Gaumenzahns liegt unter der vordern Commissur der Gaumenleisten auf einer festen fibrösen Platte angewachsen. Diese Platte ist durch feste fibröse Haut vorn und hinten be- festigt; vorn an das hintere Ende des Schnautzenknochens, hinten durch eine fibröse Haut, die zu der Commissur der Gaumenleisten in die Höhe geht (Tab.IV, Fig. 110). Der Rand der Matrix verbindet sich mit der fibrö- sen Platte zu einem Saum, der mehr der fibrösen Platte angehört und sich um die Basis des Zahns als Zahnfleisch dicht anlegt und fast eine Scheide um die Basis des Zahns bildet. Diese Scheide ist von der Schleimhaut des Mundes überzogen. Die übrigen Zähne im untern Theil der Mundhöhle sind Zungen- zähne, und zusammengesetzt, wie die Zungenzähne der Petromyzen, nur viel spitzer und härter, übrigens in der allgemeinen Anordnung mit diesen übereinstimmend. Sie bilden auf den Zungenplatten zwei hinter einander liegende, in der Mittellinie des Mundes unterbrochene Zahnreihen, oder Reihen von Spitzen. Denn eigentlich liegen auf jeder Seite der Zunge nur 2 Zähne hinter einander, die kammförmig nach hinten in eine Reihe von Spitzen auslaufen, während die Basen der Spitzen verbunden sind. Bei My- xine waren auf jeder Seite in der ersten Reihe 8 Spitzen, in der zweiten Reihe 8-9. Die mittleren Zahnspitzen einer seitlichen Reihe sind die gröfs- ten, die innersten, welche an die untere Mittellinie des Mundes grenzen, sind kaum kleiner, nach aufsen nehmen die Zahnspitzen zuletzt merklich ab; die äufsersten sind sehr klein. Bei Zdellostoma verhält es sich ebenso; nur die Zahl der Zahnspitzen ist verschieden. Bei Ddellostoma hexatrema sind in beiden Zahnreihen je- derseits 11 Zahnspitzen, bei Bdellostoma heptatrema sind in der ersten Zahn- reihe jederseits 8, in der zweiten 7-8 Zacken, bei Ddellostoma heterotrema in der ersten Zahnreihe jederseits 12, in der zweiten links 11, rechis 12. Die Zahl der Zahnspitzen der zweifelhaften Species Bd. Dombeyi und Bd. Forster! habe ich oben schon angegeben. Die Zahnspitzen sind bei allen leicht gekrümmte Kegel; so zwar, dafs die Convexität der Krümmung nach innen, die Concavität nach aufsen sieht. An der Basis sind alle Zacken einer Halbreihe verbunden. Die gemeinsame Basis aller Zacken zeigt an ihrem Umfang rundum einen aufgeworfenen etwas rauhen Wulst. Inwendig ist der Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Q 122 Mürver: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, ganze zusammengesetzte Zahn hohl, so dafs das ganze Zahnwerk einer Halb- reihe nur aus einer in Spitzen ausgezogenen, hohlen, hornigharten Platte entsteht. Die Matrizen dieser zusammengesetzten Zähne sind schon vorher beschrieben worden. Am Rande verwächst das Perichondrium der Zungen- knorpel mit der Matrix zu einer zahnfleischartigen saumförmigen Falte, die sich an die Basis der Zähne anlegt und von Schleimhaut bekleidet wird. Capitel IX. Von der knorpeligen Stütze des Ductus oesophago- cutaneus. An dem Kiemenapparat der Bdellostomen und Myxinen fehlt jener ganze Korb von Knorpeln, den die Petromyzen und A/mmocoetes besitzen, ohne alle Spur. Auch konnte ich an den Kiemensäcken und Kiemengängen keine Knorpel auffinden, welche diesen Apparat stützen, mit Ausnahme eines jetzt zu beschreibenden Knorpels in dem Ductus oesophago - cutaneus. Dieser Knorpel ist sehr zart und dünn und kann bei Myxine wegen der Fein- heit der Theile nicht mehr nachgewiesen werden, ist aber bei Bdellostoma heterotrema sehr deutlich. Er besteht aus 2 Gerten, die Tförmig mit ein- ander verbunden sind. Der quere Schenkel ist ein liegendes » und liegt schief in der Wand des Ductus oesophago-cutaneus, nahe an der äufsern Öffnung; sein vorderes Ende sieht aufwärts, sein hinteres Ende abwärts und liegt der Öffnung näher; dieser »förmige Schenkel gehört mehr der vor- dern, äufsern und hintern Wand des Ductus oesophago-cutaneus an. Der zweite Schenkel des Knorpels ist senkrecht, auch eine dünne Gerte; dieser liegt parallel mit der Längenachse des Ganges in der vordern Wand des- selben und ist ohngefähr einen halben Zoll lang. In Fig.5. Tab. VII. ist der Knorpel isolirt und Fig. 4 x in situ abgebildet. der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 123 Osteologie der Myxinoiden. Zweiter oder vergleichender Theil. Vergleichung des Knochengerüstes der Myxinoiden mit dem Knochen- gerüst der übrigen Knorpelfische und der Wirbelthiere überhaupt. Es wäre bei der Arbeit, die uns nun bevorsteht, ein kleines Verdienst gewesen, die in den Museen vorhandenen, oft unvollständigen Skelete von Knorpelfischen zu untersuchen, sie abbilden zu lassen und bei ihrer Benutzung sich auf die Genauigkeit Anderer, die die Skelete angefertigt, zu verlassen. Da ich bald einsah, dafs es bei den mehr improvisirten Deutungen des Skelets der Knorpelfische nicht bleiben darf, so war mein Bemühen, die wesentlichsten Theile, die ich vergleichen wollte, nämlich Schädel und Wirbelsäule an allen Gattungen von Knorpelfischen, und zwar so viel es möglich war, an frischen, d.h. in Weingeist aufbewahrten Exemplaren dieser Thiere zu untersuchen. Aufser Polyodon, den ich trocken untersuchte, war ich so glücklich, alle Gat- tungen von Knorpelfischen frisch, d.h. in Weingeist aufbewahrt, in einzelnen fraglichen Theilen nachsehen zu können. Dies wurde möglich theils durch den Vorrath von Materialien der Königl. anatom. Sammlung, der durch eine Schen- kung des Hrn. Dr. A.W.F. Schultz von Fischen des Mittelmeers einen gro- fsen Zuwachs erhalten, theils durch die Gefälligkeit des Hrn. Lichtenstein. So wurden folgende Genera in den Kreis der Untersuchung gezogen: Sturio, Callorhynchus, Scyllium, Spinax, Carcharias, Mustelus, Centrina, Squa- lina, Zygaena, Pristis, Rhinobates, Raja, Torpedo, Narcine, Rhinoptera, Myliobates, Cephaloptera, Petromyzon, Ammocoetes. Hierbei sind also die schon vorhandenen Skelete der Königl. Sammlung nicht mitgerechnet. Capitel I. Von dem Gewebe und den chemischen Eigenschaften des Skelets bei den Knorpelfischen. 1. Vom Knochengewebe des innern Skelets der Wirbelthiere. Über das Gewebe der Knochen des Menschen sind vor Kurzem sehr interessante Aufschlüsse von Purkinje und Deutsch (!) geliefert worden. (') Deutsch de penitiori ossium structura. Diss. inaug. Fratisl. 1834. Tab.I. Q2 124 Müuren: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, Da diese Untersuchungen, welche auf der hiesigen Anatomie von Hrn. Dr. Miescher fortgesetzt und gröfstentheils bestätigt worden, einen Anhalt- punct für die Vergleichung darbieten, so schien es mir ganz nützlich, das Gewebe des Knorpels der Knorpelfische mikroskopisch zu untersuchen; dies führte wieder zu weiteren Untersuchungen des Knochengewebes und Knorpelgewebes anderer Thiere. Purkinje und Deutsch haben den Kno- chenknorpel in feinen Lamellen mikroskopisch untersucht, nachdem die Kalk- erde des Knochens durch Säuren entzogen war. Bei der Untersuchung von transversellen Durchschnitten von langen Kuochen sahen sie die Querdurch- schnitte der Längenkanäle der Knochensubstanz, auf Längendurchschnitten die Längendurchschnitte dieser markführenden, nur hie und da zusammen- hängenden Kanälchen, die in den spongiösen Knochen durch die Markzel- len ersetzt werden. Die Verfasser waren so glücklich, die Schichtbildung des Knochenknorpels zu entdecken. Auf transversellen Durchschnitten zei- gen sich nämlich um jedes Knochenkanälchen concentrische dünne Streifen, und auf den Radialdurchschnitten sieht man, dafs diese concentrischen Strei- fen der Länge nach verlaufende, die Kanälchen umgebende Lamellen sind, deren Durchmesser 1,” beträgt. Die Zwischenräume zwischen den Syste- men der concentrischen Schichten mehrerer Markkanälchen werden von La- mellen ausgefüllt, die in grofsen Kreisen um die grofse Markhöhle des Kno- chens laufen. An den breiten Schädelknochen und anderen platten Knochen liegen die Schichten parallel mit der Fläche derselben. Diese Beobachtungen haben sich in Miescher’s Untersuchungen durchaus bestätigt. Man sieht bei mikroskopischer Untersuchung des Knochenknorpels auch noch andere Streifen, welche durch die Dicke jener Lamellen gehen, dicht neben einander liegend. Diese Streifen haben also zur Länge die Dicke der Lamelle von +5 Deutsch’s Vermuthung, dafs diese letzteren Kanälchen sind, welche die Kalkerde enthalten, hat sich in den Untersuchungen von Miescher nicht bestätigt, indem die erste Erscheinung der an den Epiphysen der Knochen junger Individuen stattfindenden ÖOssification, wie auch im Callus, ein mi- kroskopisches dunkles Netzwerk zwischen den Knorpelkörperchen ist. Eine sehr interessante Entdeckung von Purkinje ist, dafs der mi- kroskopisch untersuchte Knorpel der Knochen viele zerstreute rundliche Körperchen enthält, die viel gröfser sind als die zuletzt erwähnten Streif- chen. Diese Knorpelkörperchen hat Miescher nicht allein wiedergefun- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 125 den, er hat sie auch im Callus der gebrochenen Knochen, in noch nicht os- sifieirten Skelettheilen und in denjenigen Knorpeln, die nur im Alter ossifi- ciren, wie die Kehlkopf- und Rippenknorpel, gefunden, die alle nicht aus Fasern, sondern aus einer gleichartigen Substanz bestehen, in welche diese meist ovalen Körper eingestreut sind ('). Die Knorpelkörperchen sind ein wenig undurchsichtiger als die Zwi- schensubstanz. Ob sie solid oder hohl sind, läfst sich nicht leicht ausmit- teln. Zuweilen sieht man in ihnen etwas Feinkörniges, das nicht gerade den ganzen Umfang des Körperchens ausfüllt; so sieht man es auch in Knor- peln, die noch nicht ossifieirt sind, wie an dem knorpeligen Theil des Schä- dels der Frösche. In den Rippenknorpeln sind die Knorpelkörperchen sehr unregelmäfsig, öfter mehrere an einander gereiht, in vielen sieht man in der Mitte einen Kern. Es gelingt zuweilen, auf feinen Durchschnitten von Rip- penknorpeln ein Körperchen am Durchschnittsrande zu sehen. Hier zeigt es sich nicht als Zelle, sondern ragt hervor; es scheint also in der Aushöh- lung der Knorpelsubstanz hier ein festerer, wenigstens kein flüssiger Körper enthalten zu sein. Bei den Knorpelfischen dagegen scheint der Inhalt wei- cher oder gar flüssig zu sein, denn bei den Petromyzen sieht man an man- chen Stellen die gewöhnlichen Knorpelkörperchen, an andern Stellen ganz deutliche Durchschnitte von grofsen Zellen mit dünnen Knorpelwänden, und an manchen Stellen sieht man, was man anderswo als Knorpelkörperchen an- sprach, ganz deutlich durch allmählige Übergänge Zelle werden. Der vorzugsweise Sitz der Kalkerde können die Knorpelkörperchen nicht sein; sie werden zwar bei feinen Knochenlamellen, die unter dem Mi- kroskop untersucht mit Säuren behandelt werden, etwas undeutlicher und heller, aber ihre Umrisse bleiben, und man sieht durch Auflösung der Kalk- salze deutlich den Knochen zwischen ihnen durchsichtiger werden. In den spinngewebeartigen feinsten Knochenplättchen, die man zuweilen in der (') Schon die secundären Schichten des Knorpels um die kleinen Markkanälchen weisen die Idee einer Bildung der Schichten des Knorpels aus Beinhaut zurück; aber die Knorpel- körperchen zeigen die gänzliche Verschiedenheit der Knorpelschichten von der aus Sehnen- fasern bestehenden Beinhaut. Die schichtweise Anordnung des Knorpels in den Knochen scheint übrigens nicht primitiv zu sein. Da diese Schichten sich zum Theil nach den kleinen Markkanälchen richten, diese Kanälchen aber bei der ersten Bildung des Knorpels noch nicht vorhanden sind, so scheint die Absonderung in Schichten erst später zu entstehen. 126 Mürrzen: Yergleichende Anatomie der Myxinoiden Y Markhöhle des Oberschenkelbeins von Menschen antrifft, kann man die Knorpelkörperchen sehr gut ohne Extraction der Kalkerde mit dem Mikros- kop erkennen. Diese Plättchen sind ganz durchscheinend. Die Knorpel- körperchen, im Allgemeinen oval, bisweilen sehr länglich, erscheinen hier auf der Oberfläche etwas uneben und wie zackig, auch sah ich einmal etwas fein Ästiges von diesen Zacken ausgehen. Diese Zacken sah man aber nur bei den stärksten Vergröfserungen, die anwendbar waren. Bei Amphibien, Fischen und überhaupt in den meisten Fällen sind sie nicht vorhanden. Auch die äufsere Tafel am Schädel junger Tauben, die sehr fein und durch- sichtig ist, eignet sich sehr gut zur Untersuchung der Knorpelkörperchen ohne Extraction der Kalkerde. Auf welche Weise die Kalkerde in den Knochen enthalten ist, hat sich noch nicht ermitteln lassen. Behandelte ich jene spinngewebeartigen Knochenplättchen unter dem Mikroskop mit Säuren, so wurden sie vom Rande aus durchsichtiger, und die Durchsichtigkeit rückte mit einer schar- fen zusammenhängenden Grenzlinie nach innen vor. Hierbei überzeugte man sich, dafs die Kalkerde überaus fein vertheilt sein mufs, wenn sie nicht gar chemisch an den Knorpel gebunden ist. Von dieser feinen Vertheilung kann man sich auch bei Untersuchung der mit Färberröthe gefärbten Knochen einer jungen Taube überzeugen. Ich untersuchte ganz feine Lamellen vom Schädel, die roth aussahen, unter dem Mikroskop. An den rötheren Stellen konnte man keine Puncte sehen, die Röthe war gleichförmig vertheilt. Nun mufs die Röthe aber an den Kalktheilchen haften, denn diese ziehen eben durch chemische Wahlverwandtschaft die Färberröthe an. Die Knorpelkörperchen sind keine allgemeine Erscheinung an den Knochenknorpeln; sie finden sich zwar in den Knochen der Säugethiere, Vögel, Amphibien constant, in den Knochen der Fische sind sie beim Kar- pfen vorhanden, beim Hecht aber mir nicht deutlich erschienen. Sie liefern daher kein ganz absolutes Kennzeichen zur Unterscheidung des Knorpels, so wenig als das schnelle Leimgeben. Der Knorpel der Knorpelfische giebt nach 36 stündigem Kochen erst Leim. Der Knorpel der Knochen der Kno- chenfische ist eine ganz durchsichtige glasartige Substanz, in welcher zu- weilen sparsame, ovale, zum Theil unregelmäfsige Knorpelkörperchen vor- kommen. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 127 2. Vom Knochengewebe des äulsern Skeletes der Wirbelthiere. Man hat sich in der neuern Zeit zu der Ansicht geneigt, dafs die thie- rische Grundlage des äufsern Skelets der Wirbelthiere nicht Knorpel, son- dern Horn sei, wie das Horn durch schichtweise Apposition wachse und nicht organisirt sei. In einer in vieler Hinsicht treffllichen Abhandlung (') hat sich ein tiefer Forscher v. Baer fast an die Spitze derer gestellt, die die- ser Ansicht zugethan sind. v. Baer rechnet zu dem äufsern Skelet nicht blofs die Hautknochen der Störe und vieler anderen Thiere, sondern auch die wahren Hornbildungen, die Haare, Federn (?). Bei dieser Ansicht meines verehrten Freundes scheint mir indefs ein Mifsverständnifs obzuwaälten. Die Hautknochen und die Hornbildungen der Haut scheinen mir keine analoge Gebilde zu sein, sondern sich gerade darin zu unterscheiden, dafs die ersteren in der That organisirt sind und wahren Knorpel zu ihrer Grundlage haben. Die Knorpelkörperchen des Knochenknorpels sind auch in den Hautknochen derjenigen Thiere vorhanden, deren inneres Skelet Knorpelkörperchen ent- hält. So habe ich sie in der knorpeligen Grundlage der Hautknochenschilder der Gürtelthiere wiedergefunden, und dieser Knorpel giebt auch nach 12stün- digem Kochen guten Leim, wie ich selbst erprobt habe. Wenn die Haut- knochen der Crocodile, der Ostracion, der Störe keine Knorpelkörperchen enthalten, so beweist dieses nicht viel, da wenigstens die Knochen der Fische öfter der Knorpelkörperchen ermangeln. Die Hautknochenschilder der Gür- telthiere sind nun so wenig Hornbildungen, dafs das Horn sogar wie ge- wöhnlich auf der Oberfläche der Haut liegt, nämlich über diesen Schildern und zwischen ihnen liegt erst die zarte Matrix der Epidermis. Diese Kno- chenschilder verhalten sich daher zum wahren Horn, wie die knöchernen organisirten Hornzapfen der Wiederkäuer zu dem wirklichen auf ihnen sit- zenden unorganisirten Horn und wie das zu einer gewissen Zeit organisirte Hirschgeweihe zu der auf ihm liegenden Decke von Haut und Epidermis. Dafs die Schuppen der Eidechsen oft einen knöchernen Kern enthalten, darf man für keine Analogie der Hornbildung und Hautknochen halten, das Horn an den Schuppen der Eidechsen wie an den Schildern der Crocodile ist die über die Schuppen und Schilder weggehende Epidermis. Unter dieser liegt (') Meckels Archiv f. Anat. u. Physiol. 1826. (*) 22. 0.'9.355.350. 357. 128 Müruer: Jergleichende Anatomie der Myxinoiden, auf den Schuppenkernen das zarte Häutchen zur Absonderung der Epider- mis. Die Knochenkerne der Schuppen und die Knochenschilder der Cro- codile sind offenbar organisirt. Bei den Schildkröten sehen wir auch eine deutliche Verschiedenheit der Hautknochen und der Hornbildung. Der letz- tern gehören die Hornplatten der Schale an; ihre Schale selbst entsteht durch die beim Foetus schon erfolgende Verwachsung der Hautknochen mit dem innern Skelet. Beim Crocodil liegt zwischen den Hautknochen oder Kno- chenschildern des Rückens und dem innern Skelet noch Fleisch; bei den Schildkröten liegen die Hautknochen (an der Rückenschale) dicht auf dem innern Skelet auf, damit verwachsen. Beim Foetus derselben kann man die Hautknochen von den Stachelfortsätzen der Rückenwirbel noch getrennt sehen, und so erweisen sich auch die Marginalknochen der Rückenschale als Hautknochen. Bei den Fischen wird die Unterscheidung von Hornbildung und Hautknochen schwieriger. Ich vermuthe indefs, dafs alle Hautschilder der Störe, Ostracion und anderer ursprünglich zu den organisirten Knochen gehören oder wenigstens bei ihrer Bildung organisirt sind. Die Hautknochen der Ostracion sind bis auf die aufgetropften sehr harten Tuberkeln der Ober- fläche, die wie Schmelz aussehen, locker und nur jene schmelzartigen Höcker- chen mögen wie die Stacheln der Rochen, die aus derselben Materie bestehen, nach Art der Hornbildungen entstehen. Bei den Stacheln der Rochen kann man die harte Substanz des Stachels sehr gut von der kleinen weichern Kno- chenplatte unterscheiden mit welcher der Stachel freilich auf das innigste ver- bunden ist. Der Stachel mag unorganisirt, die Platte aber der organisirte Theil sein. Von den Stachelu des Diodon weifs ich nicht, ob sie ganz wie Hornbildungen entstehen oder ob sie bei ihrer Entstehung organisirt sind und nachher die Organisation bis auf ihre etwas weichere Basis verlieren. Versuche über die thierische Materie der Hautknochen der Fische können nicht grofse Resultate liefern, da der Leim der Fischknochen über- haupt nicht vollkommen gelatinirt, und selbst die Ohrknorpel, Kehlkopf- knorpel, Nasenknorpel des Menschen nach E. H. Weber, nach Berze- lius auch die Gelenkknorpel keinen Leim geben. Der netzfaserige Knorpel aus den Knochenschildern eines Ostracion gab indefs nach langem Kochen wirklich etwas Leim. Die Zähne sind von Einigen auch zu den Hornbildungen gerechnet worden. Obgleich sie schichtweise wie die Hornbildungen wachsen, und der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 129 auch von einer Matrix abgesetzt werden, so enthalten sie doch kein Horn. Jene Annahme widerlegt sich durch einen leichten Versuch. Nach der Ex- traction der Kalkerde aus den Zähnen des Pferdes erhielt ich eine durchsich- tige undeutlich streifige Materie, worin keine Knorpelkörperchen, und welche beim Kochen einen sehr schönen, fast farblosen, gelatinirenden Leim gab. Man erhält sogar sehr viel Leim aus den Zähnen. Das Fischbein, welches die Zähne bei den Wallfischen ersetzt, besteht nach John aus Horn. Durch Kochen von Fischbein erhielt ich auch keinen Leim. Es scheint demnach, dafs das Horn den Zahnknorpel ersetzt, wenn die Zähne keine abgesetzte Kalkerde enthalten, dafs aber Knorpel oder Leim durchaus zur Bindung der Kalkerde nöthig sind. Horn und die Grundlage der Zähne sind ganz verschiedene Bildungen. Das Horn wird durch langes Kochen nur etwas erweicht, nicht anfgelöst; das wenige, was nach langem Kochen aufgelöst wird, wird nicht von Ger- bestoff gefällt, wie Hatchet fand. Auch die durch Digestion mit Essigsäure erhaltene Auflösung von Horn liefert durch Trocknen eine Materie, die durch Wasser nicht aufgelöst wird. Nur das in kalter Salpetersäure aufge- weichte und mit Wasser ausgewaschene und dann mit Wasser gekochte Horn löst sich nach Hatchet zu einer Flüssigkeit, die nach dem Abdampfen beim Erkalten wie Leim gelatinirt. Diese Materie wird von kaltem Wasser auf- gelöst und durch Gerbestoff gefällt. 3. Vom Gewebe der Knorpel der höheren Wirbelthiere. Die in später Zeit ossifieirenden Knorpel, wie die Rippenknorpel und Kehlkopfknorpel, enthalten nach Miescher die gewöhnlichen Knorpelkör- perchen. Aber auch die niemals beim Menschen ossifieirenden Knorpel der Nase und Nasenscheidewand enthalten sie. Dagegen habe ich die Knorpel- körperchen in der undeutlich faserigen Substanz der Zwischengelenkknorpel, z.B. der cartilagines semilunares des Knies nicht gefunden und Miescher fand sie nicht, sondern eine ganz andere sonst niemals in den Knorpeln der höheren Thiere vorkommende, zellige Bildung in dem Ohrknorpel des Men- schen und dem Kehldeckel. Das Knorpelgewebe bildet hier ein unregelmäfsi- ges zelliges Gewebe, dessen Balken bei durchfallendem Licht dunkler er- scheinen; bei den Knorpeln mit Knorpelkörperchen sind die Zwischenräume Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. R 130 Müutzen: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden e der Knorpelkörperchen immer heller. Dieser merkwürdige Unterschied in den Knorpeln zweier Sinnesorgane erregte meine Aufmerksamkeit in hohem Grade. Warum weichen die Ohrknorpel so sehr von allen übrigen Knor- peln ab? Man könnte hier anführen, dafs die Nasenknorpel und die knor- pelige Nasenscheidewand, wenn auch in der Regel nicht ossificirend, doch zuweilen bei Thieren Knochenmasse in sich entwickeln, wie die Rüsselkno- chen der Schweine und die vollständige knöcherne Nasenscheidewand des fossilen Rhinoceros tichorhinus beweisen. Indessen hat Leuckart nach einer der Versammlung der Naturforscher in Stuttgart mitgetheilten Abhandlung auch in dem Ohrknorpel eines Thieres, nämlich des Meerschweinchens, Ca- via aperea, eine Ossification entdeckt. Die Nasenknorpel und Ohrknorpel können, so gut wie die Rippenknorpel und Kehlkopfknorpel im Alter, bei einzelnen Thieren ossificiren und sie gehören, obgleich in der Regel im Knorpelzustand verharrend, zum System der ossifieirenden Knorpel. Je- doch darf man nicht zu viel Werth auf jene Differenz des Gewebes legen; denn sie ist mehr scheinbar als wirklich. Bei den Knorpelfischen ergiebt sich ganz deutlich, dafs dort die Knorpelkörperchen wirklich Zellchen sind, und diese Körperchen gehen an einem und demselben Knorpel bei den Pe- tromyzen in grofse Zellen und zelliges Knorpelgewebe über, dadurch dafs die Zellen sich vergröfsern, sich mehren und einander nähern und dafs die hyalinische Zwischensubstanz immer dünner, zuletzt zu den blofsen Balken des spongiösen Gewebes wird. So mögen auch die spongiösen Ohrknorpel von den übrigen Knorpeln nicht wesentlich verschieden sein. Auch zeigt sich der Character der Ohrknorpel nicht constant in den Knorpeln der Sin- nesorgane. Die Knorpel der Augenlieder des Menschen enthalten weder Knorpelkörperchen, noch sind sie spongiös. Ich kann das Knorpel- und Knochengewebe der höheren Thiere nicht verlassen, ohne einen Blick auf die krankhaften Össificationen zu werfen. Selbst die krankhaften Össificationen enthalten zuweilen Knorpelkörperchen; ich habe sie in einer Össification im musculus deltoideus des Menschen, dem sogenannten Exereirknochen gefunden. Dagegen fand Miescher sie nicht in einer Össification der aorta und der dura mater. Von den Össificationen mufs man übrigens die Concretionen unterscheiden. Diese haben nicht die Structur der Knochen und die Grundlage des Knorpels und entstehen durch blofse Absetzung von Kalksalzen aus dem Blute wie die Lungensteine u.a. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 131 4. Vom Gewebe des Knorpels der Knorpelfische. Das Gewebe des Knorpels bei den Knorpelfischen zeigt uns äufserst merkwürdige Verhältnisse. Bei einigen von ihnen, wie den Stören und Chi- maeren, gleichen die permanenten Knorpel dem Knochenknorpel der Kno- chenfische, ; die Cyclostomen unterscheiden sich zum Theil durch ein ganz eigenthümliches grobzelliges Knorpelgewebe, während die Plagiostomen ver- schiedene Arten des Knorpelgewebes, nämlich in gewissen Theilen das Knor- pelgewebe der Störe und Chimaeren und noch andere ihnen allein eigene Arten des Knorpelgewebes besitzen. Ich habe im Allgemeinen 4 ganz ver- schiedene Arten des Knorpelgewebes bei zahlreichen Untersuchungen der Knorpelfische gefunden, das hyalinische, das pflasterförmige, das zellenför- mige und das ganz ossificirte Knorpelgewebe. 1. Der hyalinische Knorpel. Hierunter verstehe ich den fast durchsichtigen glasartigen Knorpel, jene Art des Knorpels, wie er schon bei den Knochenfischen vorkömmt. Aus diesem Knorpel bestehen die Knorpel der Störe und Chimaeren ganz. Bei beiden sieht man bald sparsame, bald häufige Knorpelkörperchen in dem Knorpel. Bei den Plagiostomen findet sich der hyalinische Knorpel mit Knorpelkörperchen im Innern fast aller ih- rer Knorpel, aber er liegt an keiner Stelle zu Tage, sondern ist überall mit einer undurchsichtigen Kruste von festem pflasterförmigen Knorpelgewebe bedeckt. Das Innere aller Knorpel der Haifische und Rochen besteht ganz aus hyalinischem Knorpel mit Ausnahme der Wirbelkörper. Diese sind meist aus einem viel härtern, ganz undurchsichtigen, ossificirten Knorpel gebildet und es findet sich bei einigen in den Wänden des Wirbelkörpers blofs ein lie- gendes Kreuz von hyalinischem Knorpel, das man erst sieht, wenn man den Wirbel in der Mitte seiner Länge senkrecht quer durchschneidet. Siehe Tab. IX, Fig.6. Die Schenkel dieses Kreuzes sind aufsen gegen die Oberfläche der Wirbel breiter, innen schmäler, das äufsere Ende der Schenkel des hyalini- schen Knorpels geht meist bis ganz nahe an die Oberfläche der Wirbel; das in- nere Ende der Schenkel des Kreuzes geht bis zur Mitte des Wirbelkörpers, aber die Schenkel vereinigen sich nicht, sondern sind durch einen harten Kern getrennt, der die 2 konischen hohlen Facetten des Wirbels von einander absondert. Von diesem Kern gehen seitlich 4 dünne harte Leistchen zu der hyalinischen Substanz des Kreuzes. Um diesen innern durchsichtigen Knor- R2 132 Müruzer: Vergleichende Anatomie der Mysxinoiden r pel der Wirbelkörper der Haifische zu sehen, braucht man nur bei einem Hai- fisch der Gattungen Carcharias, Mustelus, Zygaena einen Wirbel auf die an- gezeigte Art zu durchschneiden. Siehe Tab.IX, Fig. 1. einen solchen Durch- schnitt von Squalus mustelus. An getrockneten Skeleten sieht man auf dem Durchschnitt der Wirbel nur mehr die Höhlungen, in welchen die nun einge- trocknete hyalinische Substanz liegt. Aber man sieht an trocknen Wirbeln von Haifischen zuweilen 4 Stellen, 2 oben, 2 unten, wo die Substanz des Wirbelkörpers offen scheint, Die oberen liegen am Abgang der eigentlichen Bogenschenkel des Wirbels, die unteren am Abgang der Querfortsätze. Bei den Petromyzen fehlt der hyalinische Knorpel ganz. Frisch ist der hyalinische Knorpel fast durchsichtig, getrocknet sieht er durchscheinend gelb oder braun aus und hat ganz aufserordentlich sein Volumen verändert. Nur die äufsere pflasterförmige Kruste des hyalinischen Knorpels der Hai- fische und Rochen wird beim Trocknen weifs, der darunter liegende hyali- nische Knorpel ist immer gelb oder braun, durchscheinend, wie getrocknete Knorpel der Störe. Der hyalinische Knorpel enthält nicht mehr Kalksalze als andere thierische Materien. Davon wird später die Rede sein. Ich will hier nur bemerken, dafs Stückchen desselben unter dem Mikroskop mit Säu- ren behandelt, nur wenige Bläschen entwickeln. 2. Der pflasterförmige kalkhaltige Knorpel. Der pflaster- förmige Knorpel kömmt nur bei den Haifischen und Rochen vor, bedeckt überall den hyalinischen Knorpel als eine härtere Kruste und erscheint mit Ausnahme der Wirbelkörper an allen Knorpeln der Plagiostomen. Ich war sehr überrascht, als ich zuerst diese Beobachtung machte. Es besteht diese Kruste aus lauter kleinen pflasterförmig zusammengestellten, entweder rund- lichen oder unregelmäfsig sechseckigen harten Scheibchen, oder sechsseiti- gen Prismen, die sich leicht von einander ablösen. An den Kiefern und an allen stärkeren Knorpeln sind die Pflasterstückchen meist zu kleinen Pris- men oder Säulchen ausgezogen, aber bei den Zygaenen ist das ganze Pflaster an allen Knorpeln dicker. Die Scheibchen oder Prismen variiren an Breite von 4; bis 4" und mehr. Von dieser pflasterartigen Rinde sind alle hyalini- schen Knorpel der Plagiostomen geschützt; die Rinde fühlt sich hart und rauh an, wenn man mit dem Messer darüber herfährt. Dieser harte Knor- pel giebt den Skeleten der Plagiostomen nach dem Trocknen das weifse Aus- sehen. An der Wirbelsäule, wo die Wirbelkörper aufsen oft aus ganz festem, der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 133 weder hyalinischem noch pflasterförmigem Knorpel bestehen, ist das Innere der Querfortsätze, Bogenschenkel und Dornfortsätze hyalinisch und die Ober- fläche dieser Theile daher pflasterförmig. Nur seiten bei einigen Haien er- langen die Bogen auch dasselbe harte Gewebe wie die Wirbelkörper. Bei Spinax, Centrina, Scyllium hingegen ist wieder der äufsere Theil der Wir- körper ganz hyalinisch, und die ossificirte dünne Schicht liegt innen. Bei Squatina wechseln selbst hyalinische und kalkhaltige Knorpelschichten am Wirbelkörper concentrisch ab. Bei den Rochen sind die Seiten eines gro- fsen Theils der Wirbel mit einer Leiste von hyalinischem Knorpel, und die- ser wieder mit pflasterförmigem Knorpel bedeckt. Hier wo der vordere Theil der Wirbelsäule keine Wirbelkörper mehr enthält und einen zusam- merhängenden dünnen Knorpel wie der Schädel darstellt, besteht dieser aus hyalinischem Knorpel und äufserlich aus pflasterförmigem Knorpel gerade so, wie das Pflaster an der äufsern und innern Fläche der Schädelknochen vorkömmt. Im Innern des hyalinischen Knorpels findet sich äufserst selten pfla- sterförmiger vor; doch habe ich davon eın Beispiel an dem hyalinischen Kuorpel an der Seite des mittlern Theils der Wirbelsäule bei Myliobates aquila gesehen. Dieser hyalinische Knorpel war nicht blofs äufserlich mit Pflaster besetzt, sondern die frisch untersuchte hyalinische Substanz enthielt auch einige Knochenfasern, die aus würfelförmigen an einander gereihten Pflasterknorpelchen bestanden. Die mikroskopische Untersuchung der pflasterförmigen Knorpel ist sehr interessant. Hier zeigt sich nämlich sogleich, dafs diese Art Knorpel sehr zahlreiche Knorpelkörperchen enthält, die zum Theil in strahligen Linien angeordnet sind. Siehe Tab.IX, Fig.3. von Myliobates aqwila. Behandelt man die Scheibchen mit Säuren unter dem Mikroskop, so entwickeln sich viele Luftbläschen ; es enthalten diese Knorpel wirklich viel von Kalksalzen, und fälschlich spricht man sie den Knorpeln der Knorpelfische überhaupt ab. Die Knorpelkörperchen, früher dunkel, werden durch Säuren durchsichtiger, zeigen sich aber noch immer deutlich mit ihrer ovalen Form. Zuweilen ha- ben die pflasterförmigen Scheibchen dreieckige Lücken zwischen sich. 3. Der zellige Knorpel. Ich war sehr überrascht, bei den Cy- clostomen wieder eine andere Knorpelformation zu finden. Bei Ddellostoma bestehen die sehr festen, fast knochenartigen Knorpel zwar aus einem in 134 Müruenr: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, feinen Lamellen durchscheinenden Knorpel, in dem ovale Knorpelkörper- chen zerstreut sind, so zwar, dafs die Zwischenstellen der Knorpelkörperchen sehr grofs sind und auf feinen Durchschnitten hyalinisch aussehen (Tab.IX, Fig.4.); aber schon in den weicheren Knorpeln von Bdellostoma wiegt die Zellenbildung so vor, dafs die Zellen gröfser werden als die Zwischenwände dick sind, und der Knorpel erscheint ganz zellulös, wie z.B. die Masse des knorpeligen Theils des Zungenbeins. Bei den Petromyzen aber sieht man an einem und demselben Stück den ‚deutlichen Übergang von Knorpelkör- perchen in gröfsere Zellen. Macht man z.B. einen Durchschnitt durch die Dicke des Lippenringes von Petromyzon marinus und untersucht eine feine Lamelle von diesem Durchschnitt, so sieht man am Rande, wo die Sub- stanz viel fester ist, auch wo gröfsere Kanäle durch den Knorpel gehen und dieser an den Wänden der Kanäle fester wird, im Innern des Knorpels die gewöhnlichen Knorpelkörperchen. Wo aber die Substanz weicher wird, werden diese Körperchen gröfser und die Zwischenräume derselben kleiner; beides nimmt nun so zu, dafs endlich aus den Knorpelkörperchen ganz grofse dicht an einander stofsende Zellen mit dünnen Zwischenwänden werden. Wo die Zellchen sehr klein und die Zwischenstellen des Knorpels gröfser sind, sind erstere undurchsichtiger, letztere heller. Der Schatten, den die Wände der Zellen darstellen, macht diese dunkler. Wo aber die Höhlen der Zellen auf Kosten der Zwischensubstanz zunehmen, die Wände der Zellen zuletzt ganz dünn werden, da machen die Schatten der Wände die Zwischenbalken undurchsichtig und die Höhlen der Zellen erscheinen heller. Die Höhlen dieser grofsen Zellen kann man als solche übrigens sehr gut am Rande von Knorpelschnitten sehen, wo viele Zellen in der Mitte durchge- schnitten sind. Siehe Tab. IX, Fig.5. Was in diesen Zellen enthalten ist, ist unbekannt. Die frischen Knorpel der Petromyzen sind sehr saftreich; leider habe ich indefs den In- halt der Zellen in diesem Frühling nicht untersuchen können. An in Wein- geist aufbewahrten Thieren kann man höchstens etwas körnige, vielleicht geronnene Substanz im Innern des zelligen Gewebes sehen. Der zellulöse Knorpel der Petromyzen entwickelt, unter dem Mikroskop mit Säuren be- handelt, auch kleine Luftbläschen. 4. Der vollständig ossificirte Knorpel in den Wirbelkörpern mehrerer Haifische und Rochen. Das Feste der Wirbelkörper der Haifische der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 135 und Rochen ist bei mehreren so vollständig ossificirt als ein Wirbel von einem Knochenfisch es sein kann. Aufser dem kalkhaltigen pflasterförmigen Knor- pel der Plagiostomen, der alle ihre hyalinischen Knorpel bedeckt, giebt es am Skelet der Plagiostomen keine anderen kalkreichen Theile, als eben die Wirbelkörper; aber die Substanz dieser verdient noch viel eher den Namen des Knochens als die Kruste von pflasterförmigem kalkhaltigem Knorpel. Ich habe schon oben erwähnt, dafs die Wirbelkörper einiger Plagiostomen im Innern ein Kreuz von hyalinischem durchsichtigem Knorpel enthalten und dafs der hyalinische Knorpel an 4 Stellen bis dicht an die Oberfläche des Wirbelkörpers reicht, nämlich wo oben die Bogenschenkel und unten die Querfortsätze abgehen. Alle übrigen Theile des Wirbelkörpers bestehen dort aus dem festesten weifsen Knochen, welcher scharf an den hyalinischen grenzt. Das Gewebe dieser Knochensubstanz ist feinzellig oder spongiös; ich weils nämlich nicht, ob hier die kleinen Höhlen geschlossen sind oder unter einander zusammenhängen. Nur am Rande der Wirbelfacetten hat der Knochen eine faserige Structur, so zwar, dafs die Fasern hier und da zu- sammenzuhängen scheinen uud in der Richtung der Peripherie des Wirbels verlaufen. Behandelt man dies dichte und sehr feste Gewebe mit Säuren unter dem Mikroskop, so wird es durchsichtiger und entwickelt sehr viele kleine Luftbläschen von Kohlensäure. Aus den bisher dargestellten Thatsachen sieht man, dafs man bisher so gut wie keine Kenntnifs von der anatomischen Zusammensetzung des Knor- pels der Knorpelfische gehabt hat. Aber die genaue Arbeit eines grofsen Chemikers, Chevreul über den Knorpel des Squalus peregrinus (!), hat uns auch keine ganz richtigen Vorstellungen von der chemischen Zusammen- setzung des Knorpels der Knorpelfische gegeben. Der bläuliche, biegsame, halb durchsichtige Knorpel, den Chevreul untersuchte, und der gar keine abgesetzte Knochenerde, und nicht mehr Kalksalze als jede thierische Materie enthielt, kann nur die eine der oben bezeichneten Knorpelarten jedes Hai- fisches gewesen sein. Denn der pflasterförmige und ossificirte Knorpel der Wirbelkörper anderer Haifische enthalten sehr viel Knochenerde. Auch hat man nach Chevreul’s Untersuchung der tbierischen Materie des Knorpels von Squalus peregrinus sich eine unrichtige Vorstellung von dieser Materie (') Ann. du Mus. d’hist. nat. T. XVIM. 136 Münner: Yergleichende Anatomie der Myxinoiden, gemacht, indem man glaubte, dafs sie keinen Leim gebe. Chevreul’s Un- tersuchung ist eine der musterhaftesten organisch - chemischen Arbeiten; in- dessen scheint derselbe den Knorpel des Squalus peregrinus zu kurze Zeit mit kochendem Wasser behandelt zu haben, wenn er keinen Leim daraus er- hielt. Nach Chevreul’s Untersuchung bedarf das Gewebe das 1000 fache Gewicht kochenden Wassers zur Auflösung. Das Gelöste wird nicht von Galläpfelinfusion gefällt, und nur wenn die Solution sehr concentrirt war, bildete sich eine leichte Trübung, der keine Präcipitation folgte. Auch ge- latinirte die Auflösung nach dem Abdampfen nicht. Indefs löst sich mir selbst der hyalinische Knorpel von in Weingeist aufbewahrten Stücken eines grofsen Hammerfisches nach 48 stündigem Kochen zum Theil in eine Materie, die nach dem Eindicken zwar nicht eigentlich gelatinirt, deren wäfsrige So- lution aber von Galläpfelinfusion stark gefällt wird. Ich vermuthe auch, dafs die Knorpel der Nase, des Ohrs, der Augenlieder, des Kehlkopfes, der Luftröhre des Menschen, die nach E. H. Weber nach 24stündigem Kochen keinen Leim gaben, in der That etwas Leim geben, wenn sie viel länger ge- kocht werden. Auch die ossificirten Wirbelkörper von Haifischen, gehörig von aller Beinhaut gereinigt, gaben mir nach 48 stündigem Kochen, ohne dafs vorher die Kalkerde extrahirt war, eine Materie, die nach dem Abdampfen zwar nicht eigentlich gelatinirte, aber ganz gut leimte und von Gerbestoff ge- fällt wurde, und Wirbelkörper von Haifischen, deren Kalkerde vorher durch Säuren extrahirt war, gaben nach ebenso langem Kochen auch etwas von sol- chem Leim. Die essigsaure Auflösung dieses Leims wurde von rothem Cyan- eisenkalium ebenso wie gewöhnlicher Tischlerleim nicht gefällt, und auch die essigsaure Auflösung von hyalinischem Knorpel von Rochen wurde von rothem Cyaneisenkalium nicht gefällt. Hiernach unterscheidet sich der Knor- pel der Knorpelfische nicht wesentlich vom Knochenknorpel der höheren Thiere, noch weniger vom Knochenknorpel der Knochenfische; denn der Knochenknorpel der Wirbel des Thunfisches gab mir nach langem Kochen eine Materie, die eingedicht undurchsichtig braun erschien, viele kleine Kü- gelchen und Fetttropfen enthielt, nicht eigentlich gelatinirte, aber leimte, und deren Auflösung von Gerbestoff gefällt wurde. Was den Kalkerdegehalt des Knorpels der Knorpelfische betrifft, so mufs man wohl zwischen dem hyalinischen und dem ossificirten der Haifische und Rochen unterscheiden. Chevreul fand in dem bläulichen halbdurch- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 137 sichtigen Knorpel von Syualus peregrinus nur äufserst wenig Kalkerde ('). Sowohl dies Resultat der Analyse, als die Angabe, dafs der Knorpel bläu- lich, halbdurchsichtig und biegsam war, beweisen, dafs der von Chevreul untersuchte Knorpel hyalinischer war. Der pflasterförmige Knorpel der Hai- fische und Rochen und der ganz ossificirte Knorpel der Wirbelkörper die- ser Thiere enthält aber sehr viel Kalkerde. Dies liefs schon die Festigkeit und das weilse Aussehen dieser Knorpel vermuthen; noch mehr bestätigte sich mir dies durch das Verhalten unter dem Mikroskop bei Behandlung von feinen Durchschnitten mit Essigsäure und Salzsäure. In beiden Fällen ent- wickelten sich sehr viele Luftbläschen, bis der Knorpel durchsichtig gewor- den war. Dies veranlafste mich, eine nähere Analyse dieser Knorpel an- stellen zu lassen, womit sich Herr Marchand gern beschäftigte. Die Re- sultate, welche derselbe fand, sind folgende. Die Rückenwirbel (von Squa- lus cornubicus) hinterliefsen, einer anhaltenden Weifsglühhitze ausgesetzt, während welcher alle thierischen Materien zerstört und verbrannt wurden, einmal 41,55%, das andere mal 42,068% Asche. Diese enthielt sehr viel phos- phorsaure Kalkerde, etwas schwefelsaure Kalkerde und sehr merkbare Spu- ren von Flufssäure. Kohlensäure konnte ebenfalls bemerkt werden. Die pflasterförmigen Knorpel (von einem grofsen Rochen) hinterliefsen einen viel unbedeutenderen Rückstand, welcher gröfstentheils aus phosphorsaurer Kalkerde bestand. Flufssäure konnte auch hier nachgewiesen werden, ebenso Kohlensäure und Schwefel (ob als Schwefelmetall oder Schwefelsäure?). Der sorgfältig gereinigte (hyalinische) Knorpel hinterliefs einen ganz unbedeu- tenden Rückstand, welcher indessen auch Schwefel und Phosphor mit (') Nach Cheyreul’s Analyse enthielten 20 Grammen Kohle des Knorpels von Squalus peregrinus Schwefelsaures Natron durch Wasser erhalten... N 5.2495 n » durch Einäscherung ..... 1,2890 = Salzsaures Natron durch Wasser erhalten ............... 3,8422 Unterkohlensaures Natron durch Wasser erhalten en 0.5653 En) » durch Einäscherung... 0,2800 i Phosphorsaurer Kalk Phosphorsaure u In Benngen NE else 0,1600 Phosphorsaures Eisen E SchwefelsaurensRalkeene se le der ee 0,1200 Spuren von Kieselerde, Thonerde und Kali. Phys.-mathemat. Abhandl. 1534. Ss 138 Mürcen: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, Kalkerde verbunden enthielt, in welcher Form, konnte nicht entschieden werden. 5. Vom Gewebe der Chorda dorsalis. Das Gewebe der Chorda dorsalis mufs uns hier um so mehr interessi- ren, als dies Gewebe von der Össification ganz ausgeschlossen ist. Es ver- knöchert bei keinem Thiere, auch nicht bei den Embryonen der höheren Thiere, die anfangs auch eine C’horda dorsalis oder Gallertsäule des Rück- graths besitzen, es wird vielmehr von ossifieirenden Theilen zuletzt ganz ein- geschlossen und eingeengt. Die innere Scheide der Gallertsäule verknö- chert auch nie, nur die äufsere Scheide ist der Sitz der Össificationen. Auch besitzt die innere Scheide nicht die Natur des Knorpels; sie enthält keine Knorpelkörperchen, sie gleicht nicht der durchsichtigen faserlosen Materie des beschriebenen hyalinischen Knorpels der Knorpelfische; sie besteht sowohl bei dem Stör als den Chimaeren und Cyclostomen aus gehäuften Ringfasern. Noch weniger aber besteht der Inhalt der Chorda dorsalis oder die Gallerte aus Knorpel. Diese Gallerte hat vielmehr eine Textur, wie sie bei keinem einzigen der vielen von mir untersuchten Knorpel der Tbiere vorkömmt; es ist eine durchsichtige, in ebenfalls durchsichtigen dicht an einander stofsenden Zellen, die den Pflanzenzellen analog sind, ent- haltene Materie (Tab. IX, Fig. 1. von Myxine glutinosa). Es gehört daher dieses Gewebe unter das in der Thierwelt sparsam vorkommende Zellgewebe mit geschlossenen Zellen, wovon das Zellgewebe des Glaskörpers im Auge, das sechseckige Zellgewebe, welches das Pigment der Augen enthält, und das Fettzellgewebe uns Beispiele zeigen. Die meiste Übereinstimmung hat dieses Gewebe der Chorda dorsalis mit dem Glaskörper des Auges, der In- halt der Chorda dorsalis ist auch ein Glaskörper, aber der Inhalt seiner Zel- len ist zwar durchsichtig, jedoch nicht flüssig wie bei jenem. Das im Cen- trum der Chorda dorsalis verlaufende zarte Bändchen gehört wieder einem andern Gewebe, wahrscheinlich dem Sehnengewebe an; es besteht aus pa- rallelen Fasern. Die Gewebe der Chorda dorsalis finden sich auch bei den Knochen- fischen wieder vor, aber die Chorda dorsalis bildet beim Erwachsenen nicht mehr einen Cylinder, sondern ist von Stelle zu Stelle eingeschnürt, und ist blofs in den einander zugewandten kegelförmig hohlen Facetten der Wirbel der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 139 enthalten. Da die 2 Facetten eines Wirbels bei den Knochenfischen in der Regel noch in der Achse des Wirbels durch eine kleine Öffnung communi- ciren, so bildet der in diesen Facetten enthaltene Glaskörper der Chorda dorsalis noch ein zusammenhängendes Ganze. Die innere oder eigentliche Scheide der Chorda dorsalis (die äufsere ist zur Substanz der Wirbel gewor- den) findet sich auch noch vor, sie kleidet die innere Fläche jener Facetten aus, und verbindet den Rand der ausgehöhlten Facetten der Wirbel mit ein- ander als Zigamentum intervertebrale. Bei mehreren Knochenfischen, wie beim Karpfen, Schelfisch u. a. findet sich sogar in der Achse des Glaskör- pers der Wirbel ein aus sehr zarten Fasern bestehendes Bändchen. Unter den Knorpelfischen sind die Plagiostomen die einzigen, bei welchen der Glaskörper des Rückgraths auch in kegelförmigen Facetten ganzer Wirbel eingeschnürt wird. Die Einschnürung findet schon in der letzten Zeit des Foetuslebens statt; sie geht sogar noch weiter als in den Knochenfischen; denn die Wirbel der Haifische und Rochen haben keine Communicationsöflnung mehr zwischen den beiden kegelförmigen Facetten eines Wirbels. Ein ande- rer Umstand, wodurch die Wirbel der Plagiostomen noch weiter sich vom Foetuszustand entfernen als die der Knochenfische, ist, dafs der Glaskörper im erwachsenen Zustand der Haifische und Rochen nicht mehr, und nur beim Foetus vorhanden ist. Denn die Facetten der Wirbel der Plagiostomen sind im erwachsenen Zustand von einer Flüssigkeit ausgefüllt (!). Home (?) hat über diese Flüssigkeit ganz abentheuerliche Ideen vorgebracht. Sie wahr- scheinlich für eine Art Gelenkwasser haltend, hat er behauptet, dafs sie auch bei den übrigen Fischen vorkomme, dafs der Inhalt im lebenden Zustande ganz flüssig sei, aber unmittelbar nach dem Tode gerinne. Hieran ist natürlich nicht zu denken. Der Glaskörper der Wirbelfacetten der Knochenfische ist kein Gerinsel, sondern besteht mikroskopisch untersucht durchaus aus densel- ben Theilen wie der Glaskörper der Gallertsäule der Störe, Chimaeren und Cyclostomen, nämlich aus Zellenwänden, die eine durchsichtige Materie einschliefsen. Es giebt nach meinen Beobachtungen Knochenfische, welche den Übergang von der Bildung der Plagiostomen zu den Knochenfischen (‘) Diese Flüssigkeit ist von Chevreul (Ann. du Mus. d’hist. nat. 'T. XVII, p.127) bei Squalus peregrinus untersucht worden. (?) Lect. on comp. Anat.], p. 56. 87. 140 Mürrzen: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden, bilden. Bei den ersteren ist der Glaskörper aufgelöst, bei den meisten Knochenfischen ist der Glaskörper unversehrt und füllt die ganze Cavität der Facetten aus; aber beim Hecht habe ich sowohl den Glaskörper der übrigen Knochenfische als die Flüssigkeit der Plagiostomen vorgefunden. Bei Esox Zucius fehlt das zarte Bändchen in der Achse des Glaskörpers, das man beim Karpfen recht gut sieht, und im Innern des Glaskörpers findet sich eine von glatten und festen häutigen Wänden gebildete, der Form der Facet- ten gleiche Höhle, worin klares Wasser enthalten ist, das beim Anstich der Wände mit Gewalt gerade so wie bei den Plagiostomen hervorspritzt. Die Höhle, worin das Wasser enthalten, ist also von der Masse des Glaskörpers umgeben. Diese Höhle ist aber durch eine Querscheidewand, welche von der Scheide der Gallerte, die die Wirbel verbindet, ausgeht, in zwei ganz abgesonderte Theile getheilt. Die Scheidewand geht von der Verbindungs- stelle zweier Wirbel aus und ist sehr fest, auf der Mitte der Scheidewand befindet sich auf beiden Seiten ein kleines Höckerchen, das wie die Scheide- wand Knorpelhärte hat. Aber die Scheidewand besteht wie das Höckerchen nicht aus wahrem Knorpel, sondern aus Fasern und gleicht bei mikroskopi- scher Untersuchung dem mikroskopischen Ansehen der Scheide des Glas- körpers der Knorpelfische. Bei den zartesten Embryonen höherer Tbiere erscheint die Chorda dorsalis als eine mit einem Inhalt gefüllte Scheide. Den Inhalt bilden nach Valentin (Handb. d. Entwickelungsgeschichte Berlin 1835. p. 157.) mehr oder minder grofse Kugeln, die sehr zahlreich und dicht an einander liegen. In den Zwischenräumen ist die Masse durchsichtig gallertig. Hiernach wäre der Inhalt der C’horda bei der ersten Bildung verschieden. Bei den höheren Wirbelthieren findet sich eine Spur des Glaskörpers der Foetus und der nie- dern Wirbelthiere in der Mitte der Zigamenta intervertebralia. Diese Bänder stellen Ringe von Bandfasern dar, in der Mitte dieses breiten Ringes befindet sich eine gallertige Masse, die beim neugebornen Kinde ganz schleimig und zwischen den Rücken- und Lendenwirbeln in ziemlich ansehnlicher Quan- tität vorhanden ist. Sie gleicht indefs mikroskopisch untersucht nicht mehr dem Glaskörper, aus dessen Resten sie besteht; man sieht ein undeutlich körniges Wesen, und man kann sich nicht überzeugen, dafs diese schleimige Substanz zellig ist. h der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 141 Schon das anatomische Verhalten zeigt die Verschiedenheit des Glas- körpers von Knorpel. Die chemische Untersuchung des Glaskörpers von 3 Karpfen ergab folgendes. Kaltes Wasser zieht daraus eine von Weingeist und durch Kochen nicht fällbare, von Galläpfelaufgufs und essigsaurem Blei fällbare Materie, Osmazom. Durch Kochen erhält man etwas weniges, kleb- riges, nicht gelatinirendes, von Galläpfelaufgufs fällbares, von Weingeist unlösliches Extract. Weder durch Kochen noch durch Essigsäure wird viel vom Glaskörper gelöst. Die essigsaure Auflösung des Glaskörpers aus den Wirbelfacetten von Knochenfischen wird nach meinen Beobachtungen von rothem Cyaneisenka- lium ein wenig getrübt; anders verhält sich die Scheide der Chorda dorsa- lis. des Petromyzon marinus, deren essigsaure Auflösung ganz klar bleibt, wie die ganze Classe der niederen Gewebe, die sich alle auf gleiche Art ver- halten, Zellgewebe, Sehnengewebe, elastisches Gewebe, Knorpel. Die Scheide gehört zum Sehnengewebe, und zwar zu demjenigen, das man ge- wöhnlich Faserknorpel nennt. Der Glaskörper enthält Osmazom, eine von heifsem Wasser ausziehbare Materie und Eiweifs, wie die geringe Trübung, die von Zusatz von Cyaneisenkalium zur essigsauren Auflösung erfolgt, beweist. Das blausaure Eisenoxydulkali bringt in essigsaurer Auflösung des Glaskörpers einen stärkern Niederschlag hervor. Hieraus läfst sich aber nichts folgern; denn dieses Salz fällt auch die nicht eiweifsstoffigen Mate- rien, wie die essigsaure Auflösung von Knorpel und von Leim, aber es fällt nicht die essigsaure Auflösung der Scheide der Gallertsäule. Bei den Plagiostomen ist die Gallerte ihrer Wirbel aufgelöst. Che- vreul hat diese Flüssigkeit von Syualus peregrinus untersucht. Sie war opalisirend und enthielt weifse atlasglänzende Schüppchen in Suspension. Diese alkalinische Flüssigkeit war schwer zu filtriren. Von Mineralsäuren wurde sie gefällt. Galläpfelaufgufs trübte sie nicht merklich (dagegen die durch kaltes Wasser aus dem Glaskörper des Karpfen erhaltene aufgelöste Materie in unserm Versuch von Galläpfelaufgufs gefällt wurde). Sie gerann nicht von Wärme und gelatinirte nicht beim Abdampfen. Nach Brande hatte die Wirbelflüssigkeit vom Hai 1,027 spec. Gew. und wurde nicht durch Kochen, Alkohol, Gerbestoff gefällt. 142 Müruer: Yergleichende Anatomie der Myxinoiden, Capitel I. Vergleichung des Rückgraths der Myxinoiden mit der Wirbelsäule der übrigen Knorpelfische und der Wirbelthiere überhaupt. Die Myxinoiden und überhaupt die Cyclostomen geben bei dem Stu- dium ihres Skeletbaues den Mafsstab, in welcher Ausdehnung die Princi- pien von der Zusammensetzung der thierischen Körper aus ähnlichen Thei- len durchgreifend und anwendbar sind. Keine Geschöpfe können auf den ersten Blick mehr von dem Plan der Wirbelthiere abweichen, als die Cy- clostomen. Ihr Rückgrath enthält statt der Zusammensetzung aus geson- derten Wirbeln eine continuirliche und nicht abgetheilte Gallertsäule, und doch zeigt sich bei genauerer Untersuchung, dafs auch der Zustand der Wir- belsäule bei den Cyclostomen nur ein Ausdruck des allgemeinen Plans ist, nach welchem sich die Wirbelsäule bei allen Wirbelthieren bildet. Wäre die Gallertsäule der Cyclostomen das Analogon der Wirbelkörper, wie Ca- rus, Schultze (!), früher auch Rathke (?) annahmen, so würde keine Analogie zwischen dem Rückgrath der niedersten und der übrigen Wirbel- thiere bestehen. Cuvier (°) stellte zuerst die richtige Ansicht auf, worin ihm von Baer folgte, indem er sie aus der Anatomie des Störs vollstän- dig erwies. Er zeigte, noch deutlicher als Cuvier, dafs die Gallertsäule nicht die Summe der Wirbelkörper ist, dafs die Wirbelkörper sich erst um diese Säule bilden, wie es sich beim Stör im erwachsenen Zustand zeigt, und dafs die hohlen doppelten Kegel der Wirbel der übrigen Fische der Gallertsäule der Cyclostomen und des Störs entsprechen und die Zigamenta intervertebralia der höheren Thiere die Reste derselben Bildung sind (*). Diese Ansicht ist durch seine Entdeckung der Gallertsäule, C’horda dorsalıs, bei dem Embryo des Vogels aufser allen Zweifel gesetzt. Die Wirbelkör- per legen sich auch beim Hühnchen wie beim Stör um den Cylinder an, so dafs man ihn bis in die Hälfte der Entwickelung wie eine Schnur (') Nonnulla de primordüs systematis ossium p.19. (?) Bemerkungen über den Bau der Pricke. Danzig 1825. p. 14. (°) Mem. du Mus. d’hist. nat. Tab.], p. 130. (‘) Berichte von der anatom. Anstalt zu Königsberg U, p. 18. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 143 aus den Wirbelkörpern herausziehen kann (!). Die Wirbel entstehen aus gegenüber liegenden Stücken schon am ersten Tage (?). Sie werden später knorpelig und sind immer noch halbirt. Am vierten Tage verlängern sich die paarigen Wirbelstücke unten gegen die Wirbelsaite (*) und erreichen ein- ander am fünften Tage (*). Dieselben Beobachtungen sind von Rathke (°) an dem Embryo des Schleimfisches Blennius viviparus gemacht worden. Beim Cyprinus Blicca fand von Baer noch am Ende des ersten Tages nach dem Ausschlüpfen, dafs die Wirbelkörper, welche die Wirbelsaite umgeben, nicht ungetheilte Ringe sind, sondern aus mehreren Stücken bestehen, die durch Näthe an einander gefügt sind (°). Dieser Stücke scheinen nach dem, was die Entwickelungsgeschichte der Fische und der bleibende Zustand beim Stör zeigt, 4 zu sein, 2 untere und 2 obere. Die oberen schicken zugleich die Bogenschenkel für das Rückenmark aus, an den unteren entstehen zu- gleich die Querfortsätze, und hier schliefsen sich die Rippen an und am Schwanze bilden die unteren Stücke auch untere Bogenschenkel, welche die Schwanzgefäfse umfassen. Von Baer bemerkte auch eine seitliche Nath zwischen den oberen und unteren Stücken (bei Cyprinus Blicca) am Ende des ersten Tages nach dem Ausschlüpfen (?). Wie nun die Umwandlung der Wirbelsäule oder Gallertsäule in die Gallerte der Doppeltkegel der Wirbel der Fische geschieht, läfst sich am besten an der Wirbelsäule des Haifischfoetus untersuchen. Untersucht man den Foetus der Haifische, so findet man in früherer Zeit und noch ziemlich spät die Wirbelkörper ganz hohl und von einem häutigen Rohr eingenom- men, das von Gallerte gefüllt ist und anfangs ganz gleichförmig dick von vorn bis hinten verläuft. Die eben erwähnte Scheide der Gallerte ist aus Ringfasern gebildet und ist identisch mit der eigenen Scheide der Gallert- (') Burdach’s Physiologie II, p. 245. (?) Ebend. p. 247. (°) Ebend. p. 305. (*) Ebend. p. 316. (°) Abhandl. zur Bildungs- und Entwickelungsgeschichte II, p. 22. (°) Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte der Fische. Leipz. 1835. 4. p- 30. (”) Ebend. p. 36. 444 Mürren: Fergleichende Anatomie der My«inoiden, säule der Cyclostomen. Diesen Zustand, den Meckel (!) bei einem Fufs langen Squalus acanthias fand, wo die Höhle des Gallertrohrs ganz gleich- förmig war, sah ich bei einem 4 Zoll langen Foetus von Spualus galeus. Das fibröse aus Cirkelfasern gebildete Rohr, welches die Gallerte enthielt, war schon in regelmäfsig abwechselnde graue und schmalere helle Ringe abge- theilt. Um die Scheide der Gallerte lag eine andere Röhre herum, welche ebenfalls fibrös knorpelig, unten jederseits einen leistenartigen Vorsprung bildete, oben aber knorpelige Schenkel abgab, welche sich über dem Rük- kenmark bogenförmig vereinigten. Diese äufsere Schichte ist der eigentliche Sitz der Skeletbildung, nicht die Scheide der Gallerte, wie man auch beim erwachsenen Stör sieht, wo die Scheide keinen Antheil an der Skeletbildung nimmt. Obgleich dieser äufsere fibrös knorpelige Theil noch ganz zusam- menhängend war, so war er doch schon durch circuläre Furchen abgetheilt, so dafs man die Spuren der äufserlich um das innere Rohr sich bildenden Wir- belknorpel deutlich unterscheiden konnte. Der obere das Rückenmark um- schliefsende Theil zeigte doppelt so viele Abtheilungen als Wirbelkörper, gerade so wie beim erwachsenen Häifisch, wo die überzähligen Stücke den Ligamenta intercruralia der höheren Thiere vergleichbar sind. Merkwürdig ist noch, dafs auch die Scheide der Gallerte zwar keine Furchen, aber doch helle und dunkle Abtheilungen zeigte, die jedoch verschwanden, wenn man das Rohr anspannte. Auf die eben beschriebene frühzeitige Bildungsstufe des Rückgraths der Haifische folgen einige Beobachtungen von H. Rathke (?). Derselbe beschreibt Foetus von Squalus mustelus von fast 2 Zoll Länge. Der Länge nach durchgeschnitten zeigte die Wand des Knorpelrohrs in kleinen abwechselnd auf einander folgenden Entfernungen eine schwache Verdickung und Verdünnung, so dafs die Höhle des Rohrs in bestimmten kleinen Ab- ständen immer etwas enger und wieder weiter wurde; a.a. O. p.23. An einem Foetus von Syualus canicula von 3" 5” fand Rathke das Knorpelrohr an abwechselnden Stellen schon viel mehr verengert und den Wirbelkörpern entsprechend verdickt. Man sieht nun, dafs das Wachsthum die Gallertsäule immer mehr an abwechselnden Stellen verengen mufs, bis, wie beim erwach- senen Hai, die Wirbelkörper in der Mitte, wo die Spitzen ihrer konischen (') System der vergleichenden Anatomie II. 1. p. 188. (*) Beiträge zur Geschichte der Thierwelt 4. Abth. Halle 1827. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 145 Facetten zusammen kommen, ganz solide werden. Bei den meisten Knochen- fischen bleibt der Glaskörper der Chorda dorsalis sogar continuirlich, indem die Spitzen der hohlen Kegel zusammenhängen. Bei den Plagiostomen da- gegen wird die Gallerte ebenso oft unterbrochen als Wirbelkörper sind. Die Batrachier haben in der ersten Zeit ihrer Entwickelung auch eine Gallertsäule, Chorda dorsalis, um welche sich die Körperstücke der Wirbel mit ihren Bogenschenkeln anlegen, dagegen sie im Larvenzustand zuletzt nach Dutrochet’s und Cuvier's Beobachtungen konisch ausgehöhlte Fa- cetten ihrer Wirbelkörper haben, die nach der Verwandlung verschwinden, während sie bei den Fischen und bei einem Theil der nackten Amphibien, nämlich den Coecilien, Menopomen, Amphiumen und Proteideen das ganze Leben hindurch bleiben. Siehe J. Müller in Tiedemann’s Zeitschrift für Physiologie IV, 2. Die Veränderungen der Wirbelsäule der Batrachier während der Ent- wickelung sind vorzüglich von Duges(') neuerlichst aufgeklärt worden. Auf der Gallertsäule entwickeln sich die knorpeligen Bogenschenkel; ob auch die Chorda anfangs von unteren paarigen knorpeligen Schenkeln umzäumt wird, ist noch unbekannt. Zur Zeit der Entwickelung der hinteren Extre- mitäten unıgeben ringförmige Össificationen die Chorda dorsalıs des Frosches, die in einem theils knöchernen, theils häutigen Etui in ganzer Vollständig- keit nun enthalten ist. Erst einige Monate nach der vollständigen Meta- morphose sind die Wirbel nach Duges in dem von Dutrochet und Cu- vier beobachteten Zustande wie bei den Knochenfischen. Dies vom Frosch; bei Rana ceultripes (Cultripes provincialis N ob.) ist es etwas anders. Zu der- jenigen Zeit der Metamorphose, wo die vorderen Extremitäten hervortreten und der Schwanz atrophirt, zeigt nach Duges der schon ossificirte Theil der Wirbel unten einen Halbkanal, der die C’horda dorsalis enthält. (So sehe ich es auch bei Rana paradoxa). Diese Rinne wird weniger tief, die Chorda dorsalis erweicht sich und zuletzt behält ihre Scheide allein ihre Form; ange- stochen läfst sie eine klebrige krümliche Materie hervortreten. Nach dem Ablegen der Kiemen und des Schwanzes ist die Scheide collabirt, abgeplattet, immer anhängend dem Vordertheil der Wirbelkörper; die Rinne hat sich (') Recherches sur l’osteologie ei la myologie des batraciens a leurs differens ages. Paris. 4. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Ar 146 Müuuzr: Yergleichende Anatomie der Myxinoıden, nach und nach gefüllt und die Scheide scheint sich in ein plattes Band zu verwandeln, ohne wie beim Frosch von der Össification umgeben zu werden. Die Condyli der Wirbelkörper, durch welche sie articuliren, bilden sich nach Duges unabhängig von der Chorda dorsalis und nicht durch Fest- werden der letzteren, indem sie von Knochenmasse eingeengt und abge- schnitten wird. Am Ende der Periode, wo die vorderen Extremitäten her- vortreten und der Schwanz atrophirt, sieht man zwischen den Wirbeln knor- pelige Kugeln, die stärker als die noch rinnenförmig getheilten Wirbelkör- per über die Scheide der Chorda dorsalis vorspringen. Mit dieser Chorda machen sie ebenso wenig ein Ganzes als die Wirbelkörper selbst. Diese Ku- geln bilden sich also aufser der Chorda dorsalis, die allen Theilen, welche verknöchern, fremd bleibt, und blofs von ihnen eingeengt wird. Die er- wähnten Kugeln sind nach Duges anfangs blasenartig; erst nach der Meta- morphose verknöchern sie, um sich mit einer Fläche mit einem Wirbelkör- per zu verbinden, während die andere zur Articulation mit dem nächsten Wirbel dient. Die Chorda dorsalis habe ich beim Vogelembryo, aber nicht beim Säu- gethierembryo beobachtet. Sie mufs hier aufserordentlich frühe verschwin- den. Die Embryonen des Menschen und der Säugethiere, die ich in dieser Hinsicht untersuchte, waren über die fragliche Bildungsepoche schon hin- aus. Obgleich ich mehrere Säugethier- und Menschenembryonen von 1 Zoll Länge untersuchte, fand ich doch keine Chorda dorsalis mehr, und viel- mehr die weichen Wirbelkörperchen schon vollständig und mit ihren plat- ten Facetten verbunden. Es kann indefs nicht bezweifelt werden, dafs die Entwickelung der Wirbelsäule den in den anderen Classen constanten Gang auch hier nehme, dafs die Chorda dorsalis zuerst paternosterartig abgetheilt wird und dafs die Zigamenta intervertebralia die letzten bleibenden Reste ih- res Daseins sein werden. Man sieht aus der vorhergehenden Darstellung aller Beobachtungen, dafs die Chorda dorsalis der Verknöcherung der Wirbelsäule durchaus fremd bleibt. Hiermit stimmt aber auch ihr Gewebe überein. Es besteht, wie ich oben gezeigt habe, aus mit einer Gallerte gefüllten Zellen. Die ossificiren- den Knorpel und Knochenknorpel bestehen nun niemals aus Zellen, worin der Knorpel enthalten wäre, und wenn die Knorpel der Petromyzen Zellen enthalten, so sind es eben die Zellenwände, welche die Knorpelsubstanz der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 147 bilden. Die Knorpelkörperchen des Knorpels der übrigen Thiere finden sich auch nicht in der Chorda dorsalis. Alle Össification an der Wirbel- säule erfolgt in der äufsern fibrösen Schicht um die Scheide der Gallert- säule, in jener Schicht, welche auch das Rückenmarksrohr bildet. Dies sieht man deutlich bei den Petromyzen, wo schon knorpelige Bogenschenkel vorkommen, welche in der Dicke dieser Schicht liegen, während ganz am Anfang der Wirbelsäule die untere Wand dieser Schicht auch 2 knorpelige Streifen zeigt. Die Gallerte der Chorda dorsalis und der hohlen Doppelke- gel der Fischwirbel zeigt sich auch darin von ossificirendem Knorpel ganz verschieden, dafs sie nach sehr langem Kochen nur wenig Extract giebt. Das hieher gehörige, bei der Untersuchung der Gallerte der Doppelkegel der Wirbel vom Karpfen gefundene habe ich schon oben angeführt. Die Skeletbildung entsteht nicht durch ursprüngliche Össification der fibrösen Skeletschicht des Rückgraths, sondern in dieser bilden sich erst die knorpeligen Elemente. Die Frage, aus wie viel Knochenstücken ein Wirbel ursprünglich entstehe, ist, wie man einsieht, ganz von derjenigen verschie- den, aus wie viel knorpeligen Elementen der Wirbel zuerst gebildet werde. Es könnte sein, dafs, obgleich die knorpeligen Elemente sich entschieden paarig bilden und erst später zusammenschliefsen, die einmal gebildeten Wir- belkörper wirklich nur einen Össificationskern hätten. In der That behaup- ten Meckel und Beclard die Einfachheit der Össificationen der Wirbel- körper. Duges sah die erste Ossification des Wirbelkörpers bei Rana eul- tripes hinter der Gallertsäule als zwei dicht aneinander liegende Flecke, die sich später zu einem zweilappigen Fleck vereinigten. Nach Rathke wären die Ossificationen bei den Fischen entschieden paarig. Rathke bemerkt vom Schleimfisch hierüber folgendes: ,‚‚Die Verknöcherung aller vom Stamme der Wirbelsäule ausgehenden Fortsätze nimmt, wie gleichfalls auch der Scheide (!) jenes Stammes selbst oder die aller Wirbelkörper zusammen, schon kurze Zeit nach dem Beginn der zweiten Periode ihren Anfang. Die Verknöcherung aber stellt sich zuerst da ein, wo ein solcher Fortsatz mit (‘) Rathke spricht hier und an anderen Orten von Ossification der Scheide der Gallert- säule. Dies wird wohl nur die äufsere oder Skeletschicht der Gallertsäule sein, denn die innere Scheide der Gallertsäule hat keine Tendenz zur Verknöcherung, wie sich beim Stör, Petromyzon, Chimaera, auch in Duges Beobachtungen von den Batrachiern und aus mei- ner Beobachtung von dem Haifischfoetus und von Rana paradoxa zeigt. T2 148 Müruen: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, dem Wirbelkörper zusammenhängt. Da entsteht dann ein kleiner Knochen- punct, der gemeinschaftlich dem Fortsatze und dem Körper anzugehören scheint, und von dem aus die Verknöcherung jetzt so in diesem, wie in jenem Theile des Wirbels allmählig weiter fortschreitet. In jedem Wirbel- körper sowohl des Schwanzes als des Stammes geht demnach die Verknö- cherung von 4 verschiedenen und von einander entfernten Puncten aus.” Rathke meint nämlich hier die oberen Seitentheile des Wirbelkörpers, welche die oberen Bogenschenkel abgeben, und die unteren Seitentheile des Wirbelkörpers, welche am Schwanze die unteren Bogenschenkel, am Rumpfe die Querfortsätze abgeben. Jedoch ist hier ein Mifsverständnifs inöglich, da die unteren Fortsätze sich bei vielen Fischen, auch am Schwanz der Säugethiere, deren Wirbelkörper doch nur eine Össification haben, als besondere Knochen erweisen. Ich kann bei den Vögeln die erste Ossi- fication nur in der Mitte der Wirbelkörper und zwar zweilappig sehen; v. Baer sah sie auch nur einfach, zweischenkelig die Chorda umfassend. Es geht nun als Schlufs aus der ganzen bisherigen Betrachtung her- vor, dafs bei den Cyelostomen die Wirbelsäule auf dem Zustande der Bil- dung verharrt, welchen sie bei den Embryonen der höheren Thiere in den ersten Tagen der Entwickelung hat. Man kann nun im Allgemeinen folgende Zustände der Wirbelsäule als zu demselben Plan gemeinsamer fortchreitender Entwickelung gehörend an- nehmen. I. Ein Faserknorpelrohr, mit Gallerte gefüllt, mit fibröser Haut umge- ben, die oben ein Rohr für das Rückenmark bildet; ohne alle Kno- chenrudimente und Abtheilungen. Die Myxinoiden und Ammocoetes. Dieser bei den eben erwähnten Thieren bleibende Zustand scheint bei dem Foetus aller höheren Wirbelthiere vorübergehend zu sein und bei den höchsten am allerfrühesten zu verschwinden. II. Ein Faserknorpelrohr mit Gallerte gefüllt, von fibröser Haut umge- ben, die oben ein Rohr für das Rückenmark bildet. An dem obern häutigen Rohr Knorpelschenkel angewachsen, wie Rudimente von Wir- belbogen. Petromyzon. III. Ein Faserknorpelrohr mit Gallerte gefüllt, von fibröser Haut umge- ben, die oben ein Rohr für das Rückenmark bildet. An dem obern der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 149 häutigen Rohr Knorpelschenkel, an dem untern Umfang der Säule paarige knorpelige Basilartheile. Accipenser, Polyodon, Chimaera, IV. Statt des Gallertrohrs regelmäfsig auf einander folgende Gallertmassen oder Flüssigkeit in den einander zugewandten konischen Facetten der Wirbelkörper. Wirbelkörper vollständig. Fische, Proteideen, Me- nopomen, Amphiumen, Coecilien und die jungen Frösche und Sa- lamander unter den nackten Amphibien; (Foetus der höheren Thiere vorübergehend?). V. Statt der konischen Facetten der Wirbelkörper und der Gallertmassen in denselben, entweder Gelenke der Wirbelkörper (Amphibien, Vögel im erwachsenen Zustande) oder Zigamenta intervertebralia zwischen den Wirbelkörpern (Säugethiere, Mensch). Vergleicht man das Rückgrath der Cyclostomen mit dem der übrigen Knorpelfische, so zeigt sich, dafs sie wie der Stör an dem Bogentheil ihres Rückgraths einen Doppelkanal haben, indem sich über dem Kanal für das Rückenmark ein zweiter in der Spitze des fibrösen Daches befindet, der bei den Cyelostomen mit zellig ligamentöser Masse ausgefüllt ist, während die knorpeligen Bogen der Störe in dem obern Kanal ein continuirliches Län- genband enthalten. Nachdem die Bogenstücke beim Stör das Rückenmark umschlossen, entfernen sie sich wieder, wie Baer zeigte, und bilden, sich dann abermals vereinigend, den zweiten Kanal. Bei den Petromyzen gehö- ren die knorpeligen Schenkel nur dem untern Theil des fibrösen Daches über der Gallertsäule an, wenigstens am gröfsten Theile der Wirbelsäule; am hintersten Theile derselben werden die Schenkel länger und steigen hö- her bis zum Aneinanderstofsen hinauf. Bei den Myxinoiden fehlen auch diese Rudimente von knorpeligen Bogenstücken, welche an der Basis des Daches vom Rückgrath der Petromyzen in regelmäfsigen Zwischenräumen anliegen (Tab. IV, Fig.2c). In Hinsicht der an dem untern Umfang des Gallertrohrs befestigten halbirten Basilartheile steht der Stör am höchsten, dann folgt Chimaera, den Myxinoiden und den #mmocoetes fehlen diese Theile ganz. Beim Stör haben die paarigen Basilartheile eine Lücke zwi- schen sich (wie ich beim Sterlet sehe). Diese Körper kommen in der ganzen Länge der Wirbelsäule vor; unten sind sie durch Membran verbunden, in diesem Kanal liegt die Sorta. Sie sind durch Einschnitte zwischen je 2 Wir- beln deutlich getrennt; die Körper zwischen diesen Einschnitten entsprechen 150 Mürrenr: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, der Zahl der oberen Knorpelbogen. Zwischen zwei hinter einander folgenden Basilarstücken liegt meist, wie schon Baer sah, noch ein kleines Knorpel- plättchen an der Seite, wie oben zwischen den Basen der Bogenstücke meist 2 kleine Knorpelchen (Tab.IX, Fig. 10.). Die Basilarstücke geben seitlich die Querfortsätze, woran die Rippenrudimente befestigt sind. Die Basilarstücke hängen unter sich und mit den Bogenstücken nur durch fibröse Haut zusam- men. Nur am vordersten Theile der Wirbelsäule verwachsen die Bogen- stücke mit den Basilarstücken zu einem Ganzen; auch die ersten Bogen verwachsen unter einander und mit dem Schädel zu einem Ganzen, wie ich wenigstens an dem in Weingeist aufbewahrten Skelet des Sterlets sehe. Die knorpeligen Basilarstücke, die unten am vordersten Theil der Wir- belsäule von dem gabelig auslaufenden Basilarknochen des Schädels be- deckt sind, bleiben unten in der Mittellinie unvereinigt. Merkwürdig ist, dafs auf der Verlängerung des knöchernen Basilartheils des Schädels die ersten Rippen aufsitzen; an dieser Stelle liegt nämlich jederseits auf der Verlängerung des Basilarknochens beim Sterlet wieder ein Knorpelstreifen auf, der so viel Abtheilungen hat, als Rippen an ihm befestigt sind. Die Rippen haben an ihrem Ende wieder kleine knorpelige Apophysen, durch welche sie mit jenem Knorpelstreifen zusammenhängen. Siehe Tab. IX, Fig.10. Diese Isolirung der Querfortsätze durch den Basilarknochen des Schädels ist indefs keine Anomalie, sondern daraus zu erklären, dafs die rippentragenden Querfortsätze der Fische nicht die gewöhnlichen Querfortsätze der höheren Thiere sind, sondern aus besonderen Ossificationen entstehend, bei den Cyprinen, Salmonen, Cytharinen, Characinen, Clupeen auch das ganze Leben hindurch besondere Knochen bleiben. Auf dem obern Ende der knorpeligen Bogenschenkel sitzen die knorpeligen Dornfortsätze auf; der untere Dornfortsatz kömmt nur am Schwanze vor und enthält die Arteria und /ena caudalis. Diese unteren Dornfortsätze sind indefs hier keine besonderen Knorpel wie die oberen, sondern entstehen durch die Verbin- dung der Basilarstücke. Eine gute Abbildung des Sterlets und eines einzel- nen Wirbels hat Brandt gegeben. Medicin. Zoologie Bd. II. Berlin 1833. Tab.IV, Fig.ı. 4. Vergl. v. Baera.a.O. p.22. Meckel Syst. d. vergl. Anat. II, 1. p. 184. Der Zustand der Wirbelkörper des Störs ist durchaus derjenige des Foetus der Knochenfische; in wie weit er mit dem Foetuszustand der übrigen der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 151 Thiere stimmt, wird am Ende dieses Capitels untersucht. Bei Chimaera fin- det sich dieselbe Bildung wie beim Stör. An dem untern Theile der Chorda dorsalis sitzen zwei knorpelige Streifen (Tab.V, Fig. 12), die von vorn nach hinten an Dicke abnehmen, vorn eine Strecke von 1”, wo sie am stärksten sind, nicht quer abgetheilt sind, von da bis zum Ende des ersten Drittheils des Körpers in lauter Basilarstücke quer getheilt sind und paarweise neben einan- der liegen; im Allgemeinen der Zahl der Knorpelbogen entsprechend. Doch stimmen die Querabtheilungen der einen Seite nicht immer mit denen der andern Seite. Die Abtheilung des Bogentheils der Wirbelsäule ist regelmä- fsiger. Dieser Theil besteht aus knorpeligen Schenkeln (c), die auf dem Gallertrohr aufsetzen, sich am ganzen vordersten Drittheil dachförmig zu- sammmenschliefsen, aber nur einen Kanal, den für das Rückenmark enthal- ten. An der Basis, wo diese knorpeligen Schenkel spitz auf dem Gallert- eylinder oder dessen ringförmigen Scheide (a) aufsitzen, ist zwischen je zwei Schenkeln noch ein dreieckiges Knorpelstück eingeklemmt (4), und oben, wo die Bogenschenkel sich vereinigen, liegen in der obern Mitte (am vordern Stück der Wirbelsäule) kleine längliche Knorpelchen (e), welche das Dach schliefsen, aber nicht zwischen 2 Seitenschenkeln, sondern zwischen je zwei ganzen Bogen in der Mitte liegen. Die Basilarstücke und die Bogenstücke hängen übrigens unter sich nicht zusammen. Sonderbar ist, dafs Meckel und Schulze (!) die Basi- larstücke bei Meckel’s Skelet nicht angeben, an unserem Skelet von Chu- maera monstrosa sind sie sehr deutlich. So wie die unteren oder Basilar- stücke am vordersten Theil der Wirbelsäule bei Chimaera nicht abgetheilt, noch halbirt sind, so sind auch die vorderen Bogenstücke verschmolzen und bilden eine grofse, sich über das Niveau der Wirbelsäule 2 Zoll erhe- bende, sattelförmige, vorn und hinten höhere Erhebung mit oberer Gräthe (/): An dem hintern obern Ende dieser Erhebung ist die Rückenflosse in einer breiten Gelenkfläche befestigt. Am vordersten Theil der Wirbelsäule von Chimaera monstrosa hängen der Bogentheil und der Basilartheil der Wir- belsäule verschmolzen zusammen und es ist hier das Gallertrohr ganz von der knorpeligen Wirbelmasse umgeben. Auch ist die Furche zwischen den (') In der Abbildung, Meckel’s Archiv für Physiologie 4. Tab.IV, Fig.3. sind auch die Bogenstücke unvollständig, es fehlen die cartilagines intercrurales zwischen den Bogen. 152 Müruzen: Jergleichende Anatomie der Myxinoiden, - Basilarstücken am vordersten Stück der Wirbelsäule nur hinten durchge- hend; vorn und in der Mitte aber seicht, so dafs die Masse hier nicht mehr in 2 Reihen von Seitentheilen getrennt ist. Das vordere Ende der Wirbel- säule endet mit einer Gelenkfläche (g). Die Gallertsäule der Chimaeren en- digt in dem vordern Ende der Wirbelsäule mit einer abgestumpften Spitze. Der Basilartheil des Schädels enthält keine Gallertsäule. Bei den Petromyzen besteht das Rückgrath aus dem Gallertrohr und dem fibrösen Überzug, welcher über der Säule in das Dach für das Rücken- mark und für das über dem letztern liegende zellgewebeartige, schwärzliche Fettzellgewebe übergeht (!). Es besteht ferner aus den am häutigen Bogen- theil des Rückgraths anliegenden niedrigen knorpeligen Schenkeln, die bis zum Schwanzende des Thieres vorkommen, den Kanal des Rückenmarkes seitlich schützen, ohne am vordern und mittlern Theil des Körpers ganz an dem Dach hinauf zu reichen oder sich von beiden Seiten zu vereinigen. Tab.IV, Fig.2c von Petromyzon marinus. Die Knorpelschenkel liegen in der fibrösen oder Skeletschicht. Merkwürdig ist, was ich noch von Niemand angegeben finde, dafs ihre Zahl nicht mit derjenigen der Zigamenta inter- muscularia des Rumpfes, die sich an das Rückgrath ansetzen, übereinstimmt, indem mit Ausnahme des Anfangs des Rückgraths auf zwei Knorpelschenkel nur ein Zigamentum intermusculare kommt. Da nun bei den übrigen Cyeclo- stomen auf ein Zigamentum intermusculare immer ein Rückenmarksnerve kommt, so sollte man schon hieraus vermuthen, dafs die Zahl der Knorpel- schenkel auch nicht mit der Zahl der Spinalnerven bei den Petromyzen über- einstimmt. So viel ich an in Weingeist aufbewahrten Exemplaren von Pe- iromyzon marinus sehen konnte, ist dies in der That der Fall. Die Zahl der Spinalnerven stimmt mit den Zigamenta intermuscularia, aber nicht mit den dicht auf einander folgenden Knorpelschenkeln am Rückenmarks- rohr, indem auch wieder zwischen den Austrittsstellen von 2 Spinalnerven 2 Bogenschenkel liegen. Dies erinnert an die Wirbelsäule der Haifische, wo auf jeden Wirbelkörper 2 hinter einander liegende Bogen kommen, und an jene überzähligen Stücke, welche an dem Rückgrath der Chimaeren und (') Am vorderen Theile des Rückgraths fehlt diese zweite Substanz, das Fettzellgewebe, wie schon Meckel erwähnt. Auch am hintersten Theile des Rückgraths verliert sie sich. der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 153 der Störe vorkommen (!). Bei Petromyzon fehlen die Basilarstücke der Wirbel am untern Umfang der Gallertsäule, jene Rudimente, die wir bei Accipenser, Chimaera antrellen, ganz, bis auf einen dünnen, hinten ver- schmälerten, zuletzt etwas zerstückelten, doppelten, knorpeligen Streifen an der untern Fläche des vordersten Theiles der Wirbelsäule (Tab.IV, Fig.3 f). Diese Knorpelstreifen sind Verlängerungen des Basilartheiles des Schädels von 7” Länge, die sich als Basilartheile der Wirbel über den Anfang der Wirbelsäule fortsetzen. Im übrigen Theile der Wirbelsäule bildet die fibröse Haut, welche die äufsere Schichte des Rückgraths ausmacht, nur an den Sei- ten einen kantigen Längenstreifen, wo die Seitenwände des Leibes abgehen; eine Art zusammenhängenden fibrösen Querfortsatzes in der ganzen Länge des Rückgrathes. Am Schwanze nähern sich beide Kanten und bilden durch Vereinigung einen untern Bogen für die Arteria und Yena caudalis, gerade so wie sonst die untern Dornfortsätze der Schwanzwirbel der Fische thun. Am Rumpftheile des Körpers stellt die Kante offenbar die noch ungetheilten Querfortsätze dar. Diese Kante, die schon Meckel kannte, enthält keine Knorpel, ist aber sehr fest und dem Zustande der Verknorpelung sehr nahe, am Schwanztheile des Rückgraths sehr grofser Petromyzon marinus bemerkt man schon eine unregelmäfsig eingesprengte, knorpelige Substanz an die- sen fibrösen Kanten, nämlich an der untern Fläche der Gallertsäule in der äufsern fibrösen Scheide derselben, da wo die Kanten abgehen. Diese Spur von Verknorpelung bildet aber einen zusammenhängenden Streifen auf je- der Seite. Die vorher erwähnten doppelten kurzen Knorpelstreifen an der untern Fläche des vordersten Theiles der Wirbelsäule von Petromyzon marinus sind für uns von besonderm Interesse. Obgleich sie breit von dem hintern Ende der Schädelbasis ausgehen, so gehören sie doch der Wirbelsäule selbst schon an und können, da sie hinten einige mal unterbrochen oder abgesetzt sind, passend mit dem Anfang des Körpertheils der Wirbelsäule der Chimaeren verglichen werden. Zwar findet sich dort kein fester Zusammenhang mit dem Schädel, vielmehr eine Gelenkverbindung zwischen Schädel und Rück- grath; aber beim Stör sehen wir, was bei C’himaera fehlt. Denn ganz das- (') Zwischen den Rückenmarksnerven gehen feinere Fäden von der dura mater zu Löchern des Rückenmarksrohrs hinaus, wahrscheinlich Gefälse; sie sind wegen der viel gröfsern Fein- heit leicht von den Spinalnerven zu unterscheiden. Phys.- mathemat. Abhandl. 1834. U 154 Müruen: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden, selbe, was ich vorher von Petromyzon beschrieben habe, ist beim Stör doch offenbar die Verlängerung des knöchernen Basilartheils des Schädels über einen grofsen Theil der untern Fläche des vordern Theiles der Wirbelsäule. Dies Knochenstück theilt sich sogar, ähnlich dem erwähnten Knorpel des Petromyzon marıinus, hinten unter dem Anfang der Wirbelsäule in 2 Arme, während er, so weit er an der Basis cranii hergeht, vollständig ist. Zur Wirbelsäule wohl nicht gehörig und derselben blofs anhängend sind die oberen Enden des knorpeligen Gitterwerks der Kiemen, welches mit 6 Fortsätzen (Tab.IV, Fig.2d) von einem an der Gallertsäule des Rückgraths in der fibrösen Schicht liegenden, unter den knorpeligen Bogenstücken verlaufenden Knorpelstreifen D ausgeht. Diese Knorpelleiste ist von allen Beobachtern übersehen; sie hängt auch mit dem hintern Theile des Schädels zusammen. Rathke sagt, dafs die 6 Fortsätze von der Wirbelsäule ent- springen, sie hängen aber hier durch eine Längsleiste zusammen; die Kie- menknorpel stimmen nicht mit der Zahl und der Lage der knorpeligen Bo- genstücke der Wirbelsäule, sondern mit der Zahl der Zigamenta intermuscu- laria überein (siehe Fig.2, Tab.IV); indem auf mehrere Wirbelbogenrudi- mente 1 Fortsatz des Kiemen-Gitterwerkes kommt. Die Abgangsstellen die- ser Kiemenknorpel werden von Rathke mit Querfortsätzen verglichen, die- sem kann ich nicht beistimmen ; denn Querfortsätze sind, wie vorher be- schrieben, durch die Verdickung der äufsern fibrösen Schichte des Rückgraths am untern äufsern Umfang desselben angedeutet. In Hinsicht der Kiemen- knorpel mufs ich die Beschreibung von Born in Heusinger’s Zeitschrift für organ. Physik bestätigen. In Rathke’s Darstellung sind diese Knorpel nicht ganz vollständig. Vergleicht man wieder die Wirbelsäule der Myxinoiden mit derjenigen der Petromyzen, so findet sich dort wie bei Ammocoetes keine Spur der Wirbelbogenrudimente, die man noch bei Petromyzon antrifft, und nur bei Bdellostoma statt der zarten kurzen knorpeligen Streifen, die man an der untern Fläche des Anfanges der Wirbelsäule von Petromyzon marinus bemerkt, ein kleines Knorpelplättchen Tab. III, Fig. 4 x. Das Nichtübereinstimmen der Bogenstücke mit der Zahl der Zigamenta intermuscularia und der Rückenmarksnerven findet auch bei mehreren Pla- giostomen statt. Die Wirbelkörper bilden ganze Stücke, aber die 2 Bogenstücke sind von ihnen in den mehrsten Fällen abgesondert. Bei den Rochen entspricht der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 155 jedem Wirbelkörper nur ein Bogenstück auf jeder Seite, bei den Haifischen dagegen sind, wie bereits Schultze angiebt, noch einmal so viel Bogenstücke auf jeder Seite als Wirbelkörper. Meckel erklärt diese Verschiedenheit der Rochen und Haifische daraus, dafs bei den Rochen über den Bogenthei- len in der Mittellinie eine zweite Reihe von Knochenstücken liegt, welche auf dieselbe Weise als bei den Haifischen zwischen die den Wirbelkörpern entsprechenden Bogenstücke eingeschoben sei. Mit dieser Erklärung kann ich mich nicht einverstanden erklären; denn bei Zygaena kommen aufser der doppelten Anzahl der Bogenstücke zwischen diesen oben noch die Ver- bindungsstücke der Bogen in der Mittellinie hinzu; ähnliche aber aus hyali- nischen Knorpeln gebildete Schlufsstücke sehe ich bei Squalus mustelus, man sieht sie nur am nicht getrockneten Skelet. Ganz dasselbe findet bei den Chimaeren statt. Siehe Tab.V, Fig. 1. Hier sind die oberen Schlufsstücke vorhanden, aber auch die kürzeren, dreieckigen, eingeschaälteten zwischen den Bogenstücken. Wir nennen diese Stücke ossa intercalaria, seu cartilagi- nes intercalares und unterscheiden ossa intercalaria corporum vertebrarum, seu superiora, 0ssa iIntercalaria erurum und ossa intercalarıa spinala. Die ersteren finden wir nur bei den Stören angedeutet als kleine Schaltstücke zwischen dem obern Theile der Basilarknorpel des Rückgraths; die zweiten finden sich an der Basis der Bogenstücke bei den Stören und sogar hier häufig doppelt; sie sind auch hier sehr klein. Bei den Chimaeren werden sie schon höher, er- reichen die Bogenstücke aber an Höhe nicht, die ossa intercalaria der Basi- larknorpel fehlen hier, ebenso die ossa intercalaria spinalia, seu processuum spinalium. Denn diese Schlufsstücke der Bogen entsprechen hier der Zahl der eigentlichen Bogen, obgleich sie jedesmal zwischen 2 Paare von Bogen eingreifen und nicht ein Bogenpaar verbinden. Bei den Petromyzen und Haifischen sind blofs ossa intercalaria eruralia vorhanden und zwar so grofs als die Bogen selbst; bei den Haifischen wenigstens kaum kleiner. Was bei den Haifischen os intercalare und was Bogenschenkel ist, läfst sich nicht an der Gröfse, aber an der Verbindungsart erkennen. Der Bogenschenkel sitzt auf dem Wirbelkörper auf, das os intercalare liegt mehr über der Verbindung zweier Wirbel. Auch hängt der wahre Bogenschenkel innig mit dem Wir- belkörper zusammen, der innere hyalinische Knorpel des Bogenschenkels ist nämlich gemeiniglich die Fortsetzung des im Innern des Haifischwirbels von mir nachgewiesenen hyalinischen Knorpels, wie man auf senkrechten Durch- U2 156 Mürrer: Yergleichende Anatomie der Myxınoiden, schnitten sieht (Tab.IX, Fig. 6. von Squalus mustelus). Bei den Rochen sind die ossa intercalaria nicht durchaus fehlend. Am hintern Theil der Wirbel- säule von Raja clavata sind die Bogen allerdings einfach und sind Fortsetzungen der Wirbelkörper. Diese Art Bogen werden aber am vordern Theil der Wir- belsäule immer niedriger und blofs zu pyramidalen Fortsätzen der Wirbelkör- per, während sich zwischen diese Fortsätze viel höhere Bogen einklemmen, welche hier die Function der Bogen erfüllen, dahingegen am hintern Theil der Wirbelsäule diese Bogen fehlen und die von der äufsern Kruste der Wirbelkör- per ausgehenden Fortsätze sie ersetzen; mit andern Worten am vordern Theil der Wirbelsäule der Raja clavata ist das abgetrennte Stück der Bogen, das hier os intercalare genannt wird, das vorherrschende; am hintern Theil der Wir- belsäule ist das Haupt- oder Wurzelstück des Bogens das vorherrschende und das andere fehlt ganz. Die ossa intercalaria spinalia treffen wir bei den Zy- gaenen. Denn hier entsprechen die Schlufsstücke, die an vielen Stellen so- gar schief liegen, der Zahl der Bogen und der 0ssa intercalaria cruralia zu- sammengenommen. Bei Rhinobatus findet das andere Extrem statt; die pro- cessus spinosi desselben entsprechen 2, nicht einem Wirbel. Bei Zygaena fand ich noch das merkwürdige, dafs an einigen Wirbeln des mittlern Theils der Wirbelsäule sogar 3 Bogenstücke hinter einander auf einen Wirbel jeder- seits kommen, während die meisten Wirbel nur 2 Bogenpaare haben. Hier sind also ausnahmsweise 2 ossa intercalaria auf jeder Seite, die an Gröfse den eigentlichen Bogenschenkeln gleich kommen. Dies erinnert an den Stör, dessen cartilagines intercrurales zwar sehr klein, aber, wie ich wenigstens beim Sterlet sehe, an vielen Stellen doppelt sind. Am Schädel der höhe- ren Thiere giebt es auch ossa intercalaria, wie die interparietalia der Nager und Wiederkäuer. Eine an vielen Knorpelfischen vorkommende Neigung zur Verwach- sung der vorderen Wirbel zu einem Stück trifft unter den Plagiostomen bei den Rochen ein; hier bilden die Wirbel des ersten Sechstheils der Wirbel- säule die von Schultze erwähnte Knorpelcapsel, deren Wände denen des Schädels sehr ähnlich sind und deren Boden sehr dünn ist. Die Wirbelkör- per werden schon vor diesem Stück undeutlich und schon aufsen von hyalini- schem und pflasterföürmigem Knorpel umgeben, auch dünner. Man sieht sie noch auf den Durchschnitten, wo sie äufserlich nicht mehr sichtbar sind; aber die dünne Basis jenes vordern Stücks der Wirbelsäule, das ganz aus der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 157 hyalinischem Knorpel mit pflasterförmiger Kruste besteht, enthält keine Spur von Wirbelkörpern, nicht einmal einen Kern von harter Knochensub- stanz. Selbst bei einem Rochenfoetus von 2” Länge, dessen Rückgrath ich der Länge nach durchschnitt, sah ich die Säule der Wirbelkörper vor die- sem grofsen Stück fadenförmig aufhören; es war keine Spur der Gallert- säule mehr vorhanden. Eine sehr wichtige Thatsache in der vergleichenden Östeologie ist, dafs die unteren Bogen der Schwanzwirbel der Fische durch die Vereinigung der rippentragenden Querfortsätze entstehen. Man sieht dies bei vielen Fischen sehr deutlich, deren (Juerfortsätze der hintern Bauchwirbel sich schon zu einem untern Dorn vereinigt haben, so dafs z. B. bei Mormyrus und Salmo salar die hintersten Rippen an den unteren Dornen sitzen. Wie kömmt dies, da doch die Querfortsätze bei den Amphibien und Säugethie- ren aufser den unteren Dornfortsätzen oder Bogen an den Schwanzwirbeln vorkommen? Diese Frage hat bisher durch die Entwickelungsgeschichte des Embryo nicht gelöst werden können. Sie lehrt uns nur, dafs die rip- pentragenden Fortsätze der Fische wie die unteren Dornfortsätze aus den unteren Körpertheilen der Wirbel entstehen, was auch aus der Betrachtung dieser Theile beim erwachsenen Fisch erhellt. Aus allgemeinen Vorausset- zungen über die Eigenschaften der Wirbel läfst sich diese Frage nicht lösen; andererseits hat uns die Natur die Lösung dieses Räthsels so erschwert, dafs man beim Anfang der Untersuchung ebenso viele Gründe für die eine als für die andere Ansicht zu erblicken glaubt. Ich habe nach entscheidenden Thatsachen gesucht und es läfst sich aus schon vorhandenen beweisen, dafs zwar die rippentragenden Fortsätze der Wirbel der Fische mit den un- teren Dornfortsätzen der Schwanzwirbel übereinkommen, dafs aber diese rippentragenden Fortsätze des Rückgraths der Fische von den Querfortsätzen der Wirbelsäule der höheren Thiere verschieden sind. Die Rippen verbinden sich bei den Säugethieren und dem Menschen durch ihr Capitulum mit dem Körper der Wirbel, durch ihr Tuberculum mit dem Querfortsatz der Wirbel. Diese Verbindung ist nicht constant in der Thierwelt und es kann sich die Rippe auch entweder mit dem Querfort- satz allein, oder mit dem Wirbelkörper allein verbinden. Den erstern Fall sehen wir z.B. bei den Crocodilen, wo die Rippen am Ende der sehr lan- gen Querfortsätze befestigt sind; den zweiten Fall sehen wir bei einigen Fi- 158 Mürzen: /ergleichende Anatomie der M- 'yainoiden, schen, die einen eigentlichen Querfortsatz haben, wie bei Polypterus Bichir, wo Rippen am Körper der Wirbel und zum Theil unter der Wurzel des lan- gen Querfortsatzes befestigt sind. Die Rippen sind hier aufserordentlich zart. Am Ende der über der Insertion der Rippen abgehenden grofsen Quer- fortsätze ist ein zweiter, viel stärkerer, rippenartiger Knochen befestigt, der aber nicht eigentlich Rippe, sondern Fleischgräthe ist. Bleiben wir nun zu- nächst bei den Thieren über den Fischen stehen, so läfst sich deutlich zei- gen, dafs die Querfortsätze der höheren Thiere es nicht sind, welche am Schwanze die unteren Dornfortsätze bilden, dafs letztere vielmehr eigenthüm- lIche Bildungen sind. So hören die langen Querfortsätze der Lendenwirbel der Crocodile schon auf, Rippen zu tragen und gehen ununterbrochen in die langen Querfortsätze der Schwanzwirbel über, an welchen die unteren Dornfortsätze mit zwei oberen Schenkeln, zwischen welchen die Schwanz- gefälse verlaufen, befestigt sind. Viele andere Beispiele lassen sich für das- selbe Factum anführen. Am merkwürdigsten ist aber der Foetus des Gür- telthiers, wo die ersten Schwanzwirbel nicht allein durch rippenartige Fort- sätze mit den Sitzbeinen verbunden sind, wo auch die nächst folgenden Schwanzwirbel an ihrem Querfortsatz einen langen, durch Nath mit dem Querfortsatz verbundenen rippenartigen Fortsatz tragen, während unter den Wirbelkörpern doch der untere Bogen oder Dornfortsatz als besonderer Knochen gilt. Das Angeführte kann genügen; es zeigt uns durch den Ver- lauf einer ununterbrochenen Bildung, dafs die Querfortsätze der Schwanz- wirbel nicht etwa processus accessorü sind, während sich die processus trans- versi nach unten getreten in untere Dornfortsätze vereinigt haben. Denn die Querfortsätze der Schwanzwirbel liegen durchaus an derselben Stelle, wo die Querfortsätze der Lendenwirbel, und diese wieder an derselben Stelle, wo die rippentragenden Querfortsätze der Brustwirbel. Die Schlan- gen zeigen uns sogar selbst an den rippentragenden Wirbeln untere Dorn- fortsätze, und obgleich diese keinen Kanal enthalten, sondern ganz solide sind, so sind es doch dieselben Theile, wie die gespaltenen unteren Dorn- fortsätze ihrer Schwanzwirbel. Wenden wir uns nun zu den Fischen, so treffen wir auf den ersten Blick, aber nur scheinbar, das Gegentheil. Die rippentragenden Fortsätze der Wirbel, hier sonderbarer Weise am untern Theile der Wirbelkörper, und nicht an der Basis der Bogenschenkel befindlich, haben alle etwas die der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 159 Richtung nach abwärts, nicht einfach nach auswärts, und gehen am hintern Theile der Bauchwirbel ganz abwärts, verbinden sich sogar bei den meisten Fischen vor dem Ende des Bauches (bei den Clupeen am frühesten) von bei- den Seiten durch eine Querbrücke, zwischen welcher und den Wirbelkör- pern die Gefäfse verlaufen und gehen dann wieder getrennt gerade nach ab- wärts; an den Enden dieser Fortsätze sind die letzten Rippen befestigt. Die Schwanzwirbel unterscheiden sich nun nicht weiter, als dafs die Fortsätze, die sonst Rippen tragen, nach der Vereinigung durch eine (uerbrücke nicht wieder auseinander gehen, sondern vereinigt den untern Dorn bilden, wäh- rend die Schwanzgefäfse zwischen den Schenkeln und den Wirbelkörpern verlaufen. Diese unteren Dornfortsätze mit ihren zwei mit der untern Wir- belkörperfläche verbundenen Schenkeln sind nun bei den meisten Fischen fest mit den Wirbeln verwachsen; bei Polypterus Bichir und einigen der Plagiostomen bleiben sie indefs durch Nath getrennt. Es fragt sich nun, ob die rippentragenden Fortsätze der Fische, die so offenbar in die unteren Dornfortsätze übergehen, wirklich die Querfort- särze der höheren Thiere sind. Sie sind es nicht. Fürs erste befinden sich die rippentragenden Fortsätze der Fischwirbel an einer ganz andern Stelle als die wahren Querfortsätze; denn die letzteren gehen, wie wir beim Foe- tus des Menschen sehen, nicht von den Körperstücken der Wirbel, sondern von der Basis der Bogenschenkel aus; die rippentragenden Fortsätze der Fischwirbel sind dagegen Theile der Wirbelkörper, wie die Entwickelungs- geschichte der Fische zeigt und wie wir auch beim Stör sehen; ja es befin- den sich sogar diese Fortsätze jedesmal am untern Seitentheil der Wirbel- körper. Bei den wenigen Fischen, die eigentliche Querfortsätze haben, wie Polypterus Bichir, liegen diese über der Insertion der Rippen, ja sie setzen sich auch an den Schwanzwirbeln fort und zeigen uns auch hier deutlich, dafs die unteren Dornfortsätze, die bei Polypterus Bichir und mehreren an- deren Fischen (!) am Schwanze aufser den Querfortsätzen, wie beim Croco- dil vorhanden sind, nicht aus der Vereinigung der wahren Querfortsätze ent- stehen, sondern aus anderen Fortsätzen der Wirbel entstehen müssen. Bei einigen Fischen haben aber die rippentragenden Fortsätze eine so eigenthüm- (') Nach Meckel bei Pleuronectes maximus, platessa, rhombus, rhomboides, Theutis hepatus, Trigla volitans, Muraena conger, Muraenophis helena. 160 Mürzenr: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden 5 liche Bildung, dafs man auf den ersten Blick ihre gänzliche Verschiedenheit von den eigentlichen Querfortsätzen der höheren Thiere erkennt. Nämlich bei Scomber seminudus Ehrenb., Thynnus thunnina Guv.? gehen die rippentra- genden Fortsätze des hintern Theiles der Bauchwirbel geradezu von der un- tern Mittellinie der Wirbelkörper unpaarig aus, gehen eine Strecke gerade abwärts, theilen sich dann, um einen Kanal zu bilden, vereinigen sich wieder und gehen dann erst seitwärts abwärts in 2 Schenkel aus, an denen die Rip- pen hängen. Bei Zeus faber hängen die hintersten Rippen an der einfachen Spitze der unteren Dornfortsätze. Da nun, wie die Entwickelungsgeschichte lehrt, die rippentragenden Querfortsätze und unteren Dornfortsätze der Fischwirbel von den Wirbel- körpern, und zwar vom untern Seitentheil derselben, die Querfortsätze der Säugethiere und höheren Thiere überhaupt von einem ganz andern und ge- trennten Stück des Wirbels, nämlich von der Basis der Bogenschenkel aus- gehen, so mufs man in der vergleichenden Östeologie zweierlei ganz ver- schiedene Querfortsätze der Wirbel unterscheiden, die beide Rippen tragen können, wovon aber nur die unteren sich in untere Dornfortsätze verwan- deln können. Diese beiden Arten sind die oberen Querfortsätze oder die der Bogenschenkel, und die unteren dornbildenden Quer- fortsätze oder die der Wirbelkörper. Beide sind selten zugleich vor- handen, wie am Schwanz einiger weniger Fische, als beim Polypterus Bichir, bei den Crocodilen, Gürtelthieren, wo die unteren Dornen bilden. In der Regel schliefsen sich beide aus. Die unteren Querfortsätze unterscheiden sich auch in der Osteogenie von den oberen, nämlich die unteren Querfort- sätze entstehen aus besonderen Össificationspuncten, die oberen sind blofse Auswüchse der Basis der Bogenschenkel; wenn sich nun die unteren Quer- fortsätze zu einem Dorn und Kanal verbinden, so haben die Schenkel dieses Kanals ganz dieselbe Bedeutung zum Wirbelkörper als die oberen Schenkel, die das Rückenmark einschliefsen. Dafs nun aber die unteren Querfortsätze aus besonderen Knochenkernen entstehen, sehen wir wenigstens ganz deut- lich daraus, dafs sie sich durchs ganze Leben des Fisches als besondere Kno- chen erhalten, wie Cuvier schon von den Cyprinen und Clupeen anführt, und ich bei den Citharinen, Characinen und Salmonen aufser jenen finde. Nach der Vereinigung zu unteren Dornen bleiben sie bei erwachsenen Fischen o meist nicht mehr vom Wirbelkörper getrennt, aber bei Polypterus Bichir der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 161 sind die unteren Dornfortsätze in der That, besonders der Wirbelkörper, blofs angehängte Stücke so gut wie bei den Crocodilen, Säugethieren. Als untere Querfortsätze kommen diese Stücke bei den Säugethieren meist nicht vor, sondern nur vereinigt als untere Dornfortsätze der Schwanzwirbel ; in- defs sind diese besonderen Knochen an den ersten Wirbeln des Schwanzes mehrerer Säugethiere noch nicht vereinigt, und sind hier ganz dasselbe, was die unteren Querfortsätze der Fische, nur dafs sie keine Rippen tragen. Bei den höheren Thieren sind die Rippen an den oberen Querfort- sätzen oder denen der Bogenschenkel befestigt, bei den Fischen an den un- teren Querfortsätzen oder denen der Wirbelkörper. Diese Verschiedenheit in der Befestigung der Rippen ist jedoch keine Anomalie, wie sich leicht zeigen läfst. Wir sind von dem Puncte ausgegangen, dafs die Rippen bei den höheren Thieren sich mit dem einen Theil am Körper der Wirbel, mit dem andern am Querfortsatz des Bogenschenkels befestigen, dafs bald das eine bald das andere allein vorkommen kann, wie thatsächlich angeführt wurde. Bei den Fischen befestigen sich die Rippen blofs am Körper der Wirbel, wie es die letzten Rippen der Säugethiere immer thun, und es ist bier nur der Unterschied, dafs diese Insertionsstelle der Fischrippe in einen Fortsatz des Wirbelkörpers ausgezogen ist, und dies ist der untere Querfort- satz der Fischwirbel, der allein fähig ist, sich in einen untern Dornfortsatz zu verwandeln. Und so ist also bewiesen, dafs die rippentragenden Fort- sätze der Fische identisch mit den unteren Dornfortsätzen ihrer Schwanzwir- bel, aber nicht identisch mit dem Querfortsatz der höheren Thiere sınd. Was hier von den Knochenfischen bemerkt wurde, gilt in derselben Art von den Knorpelfischen. Die Einschliefsung der aorta zwischen den paa- rigen Wirbelkörperrudimenten beim Stör durch eine sie verbindende Haut ist s, die wir an den hin- fop) tern Bauchwirbeln so vieler Fische treffen, dafs nämlich die rippentragenden keine Anomalie; es ist nichts anders als dieselbe Bildun Querfortsätze durch eine Querbrücke verbunden werden, wodurch sie die Tendenz zur Bildung der unteren Dornfortsätze anzeigen. Beim Stör geht der rippentragende Querfortsatz von demselben untern Wirbelstück ab, welches durch häutige Vereinigung mit dem der entgegengesetzten Seite die aorta einschliefst. Meckel, welcher in die vorliegende Frage von der Bedeutung der Wirbelfortsätze gar nicht eingegangen ist, hat an vielen Fischen zwei Ar- Phys.-mathemat. Abhandl. 1534. X 162 Mürzzer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden 4 ten von Rippen beschrieben, obere und untere. Mit den unteren meint er die gewöhnlichen Rippen an der inneren Wand der Bauchhöhle, mit den oberen Rippen die in den Seiten- und Rückenmuskeln liegenden rip- penartigen Knochen. Die oberen Rippen, sagt er a.a. O. p.246, sitzen bei den Salmen, Mormyren, Clupeen, Brama Raji, Coryphaena, Scom- ber, höher oder niedriger von der Wurzel der oberen Dornen, bis bei- nahe zu den unteren herab, an den Seiten der Wirbelkörper, mehr oder weniger hoch über den unteren. Bei Polypterus Bichir sitzen vorn an den Körpern, hinten an der untern Fläche der Querfortsätze, überall vor, nir- gends über den unteren Rippen, andere, welche den gewöhnlichen oberen Rippen entsprechen. Bei den Pleuronecten, Gaden, Anarhichas, Labrus, Sparus, Scarus, Taenianotus, Trachinus,. Sciaena sitzen sie in geringer Ent- fernung von den unteren Rippen an den Querfortsätzen. An dem hintern Theile des obern Endes der unteren Rippen selbst, vorzüglich der vorderen, sitzen die oberen bei mehreren Arten von Gadus, Labrus, Perca, Chaetodon. Bisweilen setzen sich die vorderen Nebenrippen an die unteren, die hinteren dicht neben ihnen an die Querfortsätze (Scorpaena). Meckel führt auch an, dafs die oberen Rippen bei den Sparoiden, ferner bei Perca, T'heutis, Chaetodon, Coryphaena, Centronotus sehr grofs, bei Taenianotus tubereulosus aber dicker als die unteren sind. Ich könnte dies Verzeichnifs nach unseren Präparaten sehr vermehren, will indefs nur eins anführen, dafs diese soge- nannten oberen Rippen bei Polypterus Bichir vorn viel dicker und stärker als die unteren oder wahren sind. In der kistoire naturelle des poissons über- geht Cuvier bei der Anatomie der Fische diese oberen Rippen. Aus einer Stelle in der Naturgeschichte der Scomberoiden T.VIil, p. 69. sieht man indefs, dafs er beim Thunfisch auch zweierlei Arten Rippen annimmt. Ich mufs mich indefs ganz gegen diese Betrachtungsart erklären. Die oberen Rippen von Meckel sind nämlich nichts anders als Fleischgräthen, wie sie auch an den Rippen selbst befestigt sind. Dasselbe ist auch die dritte Art von Rippen, die Meckel bei den Clupeen annimmt, wo sie noch höher von den Wirbeln, nämlich von den Bogen, nahe den oberen Dornfortsätzen ab- gehen. Auf den ersten Blick hat jene Betrachtungsart etwas anziehendes, wie ich denn selbst darauf kam, als ich die so starken rippenartigen Fleisch- gräthen der Wirbel des Polypterus, des T’hynnus thunnina, des Agriopus torvus und anderer Fische untersuchte. Allein die Natur dieser Theile der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 163 wird durch die Variation ihrer Befestigung an den Wirbeln und Rippen, selbst durch die Variation ihrer Zahl, durch ihre Lage in den Intermus- kularbändern der Seitenmuskeln und Rückenmuskeln hinlänglich erläutert. Wären diese oberen Rippen von Meckel immer an derselben Stelle und zwar an einem Querfortsatz der Bogenschenkel befestigt, was sie nicht sind, so könnte man diese Theile den Rippen der höheren Thiere analog, die ge- wöhnlichen Fischrippen aber für eine den Fischen eigenthümliche Bildung, man könnte die ersteren für Fleischrippen, die letzteren für Rippen der in- nern Bauchwände erklären. Aber diese sogenannten Nebenrippen haben in der Variation ihrer Befestigung nichts analoges mit den wahren Rippen, und anderseits entsprechen die wahren Rippen der Fische wirklich ganz den wah- ren Rippen der höheren Thiere, wie oben trotz aller scheinbaren Anoma- lien gezeigt wurde. Dann aber sind die kurzen Rippen der den Fischen zu- nächst stehenden Proteideen ganz den wahren Rippen der Fische und zu- gleich der höheren Thiere analog. Den ersteren gleichen sie nicht allein durch ihre Lage nahe an der Jascia superficialis interna abdominis, sie gleichen den Rippen der höheren Thiere auch in allen Verhältnissen. Im vorhergehenden wurden obere und untere Querfortsätze unter- schieden, wovon die oberen an der Basis der Bogenschenkel der Wirbel vor- kommen und bei den Fischen fehlen, die unteren an der Basis der Wirbel- körper vorkommend, sich in untere Dornfortsätze verwandeln können und bei den Fischen vorhanden sind, bei den übrigen fehlen. Es giebt auch noch eine dritte Art von (Juerfortsätzen, die ausnahmsweise bei Fischen und an den Lenden- und Schwanzwirbeln der Cetaceen auch am Körper der Wir- bel, und zwar an der Mitte der Seite derselben vorkommen, und die dann am Schwanze aufser den unteren Dornfortsätzen vorhanden sind, wie schon oben von Polypterus Bichir, Pleuronectes maximus und anderen angeführt wurde. Diese Fortsätze sind weder mit den rippentragenden der Fische, die sich in untere Dornen verwandeln können, noch mit den Querfortsätzen der Bogenschenkel der höheren Thiere zu verwechseln, sondern eigenthümlich. Dasselbe gilt von den Querfortsätzen der Muraenen, deren Wirbelkörper- fortsätze sich nämlich in einen absteigenden rippentragenden Fortsatz, der sich am Schwanz in untere Dornen verwandelt und in einen Querfortsatz spaltet. Auch bei den Cetaceen ist der Querfortsatz der Lendenwirbel und Schwanz- wirbel ein eigenthümlicher und nicht der gewöhnliche Querfortsatz. Der X2 164 Mürrer: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, rippentragende Querfortsatz der Brustwirbel ist allerdings ein Querfortsatz der Bogenschenkel, aber der Querfortsatz der Lenden- und Schwanzwirbel der Cetaceen entwickelt sich blofs aus dem Körperstück des Wirbels, wie ich mich beim jungen Narval überzeuge. Dieser (Juerfortsatz ist eins mit dem accessorischen Querfortsatz der letzgenannten Fische, nicht mit dem gewöhnlichen oder dornbildenden Querfortsatz der Fische; denn die Ceta- ceen haben aufserdem die unteren Dornen. Hieraus sieht man, dafs allein am Körpertheil der Fischwirbel zweierlei Querfortsätze vorkommen kön- nen, wovon blofs die unteren sich in untere Dornen verwandelnden be- ständig sind; gleichwie am Bogentheil der Wirbel bei den höheren Thie- ren auch zweierlei Querfortsätze sich entwickeln können, wie die wahren Querfortsätze der Basis der Bogenschenkel und die processus accessorü der Lendenwirbel bei den Säugethieren, die bei einigen, wie in den Gürtel- thieren, so ungemein lang werden können. An den Brustwirbeln vieler Säu- gethiere kann man schon vor der Hälfte der Brust die Theilung des processus transversus in zwei Theile sehen, wovon der eine die Rippe befestigt, der andere zu den Muskelursprüngen und Insertionen, namentlich des mulufidus spinae dient. So sieht man es sehr gut z. B. bei der Hyaene, beim Pferd, am schönsten aber bei Manis. Diese beiden Theile des (Juerfortsatzes ent- fernen sich hinten immer weiter, bis sie an den Lenden am weitesten von einander abstehen. Erst jetzt nach der Untersuchung der Eigenschaften der Wirbel in den verschiedenen Classen der Thiere läfst sich die im Anfang dieses Capitels berührte Frage von der primitiven Form des Wirbels und von den Elemen- ten desselben wieder aufnehmen. Wir wissen, dafs die Ossificationskerne nicht ganz die ursprünglichen Elemente andeuten. Denn die knorpeligen Theile der Wirbelkörper wachsen bei den Vögeln, wo die Sache klar und durch keine unteren Dornfortsätze verwickelt gemacht wird, von den Seiten gegen einander, und am spätesten wird die Mittellinie an der untern Fläche der Chorda dorsalis beim Vogelem- bryo ausgefüllt. Ist aber einmal die Vereinigung geschehen, so ossihieirt die Mitte zuerst; ein einziges kleines zweilappiges ossilicirendes Fleckchen ent- steht, wie ich sche, in der Mitte der meisten Wirbel des Hühnchens; nur an den Schwanzwirbeln sah ich wirklich zwei ganz isolirte Fleckchen in der Mitte, aber die Össification schreitet nach aufsen fort, wie die Chondrose der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 16 a nach innen fortschreitet. Wie entsteht der Wirbelkörper im knorpeligen Zustand? das ist die Frage, um welche es sich jetzt handelt. Man kann hier wieder vom Stör ausgehen. An seiner Gallertsäule sitzen obere und untere Knorpelleisten, die sich weder an den Seiten noch unten und oben erreichen. Die oberen bilden die Bogenschenkel für das Rückenmark, die unteren schicken dıe Basal-(Juerfortsätze ab und werden hinten zu unteren Bogen. Sind die oberen Schenkel den Bogenschenkeln der ossi- fieirten Wirbel der höheren Thiere, die unteren den Basal-Querfortsät- zen der Wirbel der Knochenfische, die besonders ossilieiren, zu verglei- chen, oder sind die unteren Knorpel allein Rudimente der Wirbelkör- per, Querfortsätze abgebend, die oberen allein gleich den ossifieirten Bo- genschenkeln der höheren Thiere? Im letztern Fall würden die knorpeligen Elemente der Wirbelkörper halbirt, und zwar zuerst unten an der Gallert- säule erscheinen. Dafs diese letztere Ansicht nicht richtig ist, geht aus der Wirbelsäule der Larven von Cultripes provincialis und Rana paradoxa her- vor, wovon die erste Duges und welche beide ich untersucht habe. Bei diesen Batrachiern entsteht an der untern Fläche der dicken Gallertsäule gar keine Chondrose und ebenso wenig eine Össification, und der Wirbelkörper bildet sich blofs an der hintern Seite der Gallertsäule aus, so dafs die Bo- genschenkel, welche auf der Gallertsäule aufsitzen, schon bei der mit Füfsen und Schwanz versehenen Rana paradoxa selbst knöchern durch eine knö- cherne (Juerbrücke über der Gallertsäule vereinigt sind, während die Gal- lertsäule dick und nackt unter dieser Commissur liegt. Bei fortschreitender Ausbildung des Wirbelkörpers bleibt, wie Duges an Cultripes provincialis zeigte, die Gallertsäule unter dem Wirbelkörper in einer Rinne liegen und wird zum Band. Die Basalknorpel des Rückgraths des Störs können also nicht allein Rudimente der Wirbelkörper mit Fortsätzen sein. Die knorpeligen Ele- mente der Wirbelkörper müssen ebenso gut oben an der Gallertsäule liegen, und da die Chorda dorsalis des Hühnchens, wie v. Baer zeigte, von den Seiten her unten von der Chondrose umgangen wird, so ist offenbar aus den oben genannten Batrachiern und dem Hühnchen, dafs die knorpeligen Ele- mente der Wirbelkörper sowohl oben als unten an der C’horda dorsalıs er- scheinen können. Hiernach scheint es richtig, den Ursprung der Wirbel- körper in den oberen und unteren Knorpelleisten an der Gallertsäule des 166 Mürrzer: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, Störs zu suchen, da einmal bei den Vögeln, wo die Sache nicht durch un- tere Querfortsätze oder untere Dornen verwickelt wird, klar ist, dafs die knorpeligen Elemente der Wirbelkörper paarig sind. Dies ist auch von Baer’s Ansicht, und sie wird durch seine Beobachtungen über die Ent- wickelung der Cyprinoiden bestätigt, wornach der Wirbelkörper aus meh- reren Stücken entsteht, die durch Näthe an einander gefügt sind. Er sah selbst am ersten Tag nach dem Ausschlüpfen der Cyprinen noch eine Sei- tennath. Ich möchte indefs in diesem Puncte zur Entscheidung der Frage weniger auf v. Baer’s Beobachtungen Gewicht legen, weil an ausgebildeten Embryonen die auch bei erwachsenen Karpfen sichtbare Nath zwischen dem besonders ossificirenden Querfortsatz und Wirbel vielleicht täuschen könnte. So wie bei den Knochenfischen, würde auch beim Stör, wenn ein ganzer Wirbei gebildet werden sollte, dies von den oberen und unteren Stücken aus bis zur Vereinigung geschehen, wie denn am Anfang des Rück- graths wirklich eine solche, wenigstens seitliche Vereinigung um die Gal- lertsäule, aber ohne Nath entsteht. In der obern Mittellinie unter dem Rük- kenmark und in der untern Mittellinie sehe ich beim Sterlet gleichwohl auch hier die Vereinigung fehlen. Nach einer andern Ansicht würden jene vier knorpeligen Leisten, welche die oberen und die unteren Bogen und Querfortsätze beim Stör bil- den, blofs obere und untere Bogen sein, und nicht die noch vereinten Ele- mente der Bogen und der knorpeligen Wirbelkörper zugleich enthalten; und dieselbe Frage entsteht in Hinsicht der von Baer beobachteten 4 Ele- mente der Cyprinoiden. Meines Erachtens sind jene Elemente beides. Die oberen Knorpelleisten des Störs sind obere Bogenschenkel und obere An- fänge der knorpeligen Wirbelkörper zugleich, und ebenso die unteren. Diese Ansicht stütze ich auf das von mir beobachtete merkwürdige Verhalten der Querfortsätze am Anfang des Rückgraths vom Sterlet, das ich oben be- schrieben habe. Hier werden die Querfortsätze durch den über den Anfang des Rückgraths sich verlängernden Basilarknochen des Schädels von den knorpeligen Basalstücken des Rückgraths abgesprengt, indem dieser Knochen zwischen beiden liegt. Die über dem Basilarknochen liegenden Knorpel- leisten sind in der Mitte noch getrennt, die knorpeligen Querfortsätze, am übrigen Rückgrath blofse Auswüchse der Basalknorpel, sitzen hier auf dem Basilarknochen des Schädels auf und tragen Rippen. Man sieht also ziem- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 167 lich deutlich, dafs die Basalstücke des übrigen Rückgraths aufser dem Quer- fortsatz noch etwas vom Wirbelkörper enthalten, und sie gleichen nicht blofs den besonders ossilicirenden Basal-Querfortsätzen der Salmonen und Cypri- nen oder den besonders ossifieirenden unteren Bogen der Schwanzwirbel der Säugelhiere. Was später getrennt ossificirt, kann ursprünglich eins gewesen sein. Ossification und Chondrose folgen ganz verschiedenen Principien. Ob die knorpeligen Wirbelkörper bei den beschuppten Amphibien, Vögeln und Säugethieren auf dieselbe Art wie bei den Fischen entstehen, ist noch nicht bekannt. Hier ist noch schr Vieles zu leisten. Die Vögel haben nicht die unteren Querfortsätze der Fische oder unteren Bogen. Entstehen nun ihre Wirbelkörper dennoch wie bei den Fischen aus 4 primitiven Ele- menten, wovon die oberen die oberen Bogenschenkel bilden, die unteren die unteren Bogenschenkel zu bilden unterlassen? oder entstehen ihre pri- mitiven, d.h. knorpeligen, ringförmigen Wirbelkörper nur aus den oberen primitiven Wirbelelementen der Fische? Es ist zwar bekannt, dafs die primi- tiven Wirbelkörper beim Hühnchen doppelt sind und von unten die Chorda dorsalis umwachsen, aber man weils noch nicht, ob dieser Stücke jeder Seite eins mit dem Bogen, oder ob wie bei den Fischen jederseits 2 sind. Nach E. H. Weber's Beobachtung an einem Menschenembryo ist schon der Knor- pel des Wirbelkörpers vom Bogen getrennt; dies mag jedoch anfänglich nicht der Fall sein, so lange die weichen Elemente des Körpers noch doppelt sind. Einige Batrachier zeigen uns wenigstens das Beispiel, dafs auch die primitiven Wirbelkörper allein von den oberen primitiven Wirbelstücken, von denen auch die Bogen herrühren, gebildet werden können. Bei Cudtri- pes provincialis und bei Rana paradoxa sehe ich nur ein knorpeliges Stück auf jeder Seite auf der Gallertsäule. Zur Zeit, wo Rana paradoxa noch keine Fülse hat, haben sich die primitiven Wirbelstücke in der Mitte über der Gallertsäule noch nicht vereinigt, aber die Stücke nähern sich hier, wo noch fibröse Haut liegt; was dem halben Wirbelkörper angehört, was dem Bogen, läfst sich an keiner Nath, nur an der gröfseren Durchsichtigkeit des erstern erkennen. Unter der Gallertsäule entsteht bei Cuftripes und Rana paradoxa, wie Duges zuerst von dem erstern zeigte und ich bei beiden sah, durchaus weder Chondrose noch OÖssification. Wenn die Extremitäten der Rana paradoxa verknöchert sind, liegt die dicke Gallertsäule noch vor der Wirbelsäule angewachsen. 468 Mürtern: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, Zuletzt wäre nun zu erwägen, wie der einmal formirte, ringförmige, knorpelige Wirbelkörper ossifieirt. Bei den Knochenfischen bleibt der ossi- fieirte Wirbel ringförmig, da das Centrum zwischen den beiden hohlen Fa- cetten perforirt ist. Ob die Össification in diesen Wirbeln verschieden ist von der der höheren Thiere, ist noch unbekannt. Nach von Baer tritt die Össification in den Wirbeln des Vogels schon ein, wo noch eine Spur der Chorda dorsalis vorhanden ist; hier mufs also auch ein Ring um die Chorda gebildet werden. Es entsteht in der Mitte des Wirbelkörpers ein Fleckchen, das die Chorda mit 2 Schenkeln umfafst. Ich sah die Ossifica- tion beim Hühnchen in der Mitte der meisten Wirbel als ein zweilappiges einziges Fleckchen, in den Schwanzwirbeln aber wirklich doppelt. Duges hat bei Cultipes das erste Rudiment der Össification des knorpeligen Wir- belkörpers hinter der Gallertsäule, getrennt von den Bogen als ein kleines doppeltes Fleckchen gesehen. Meckel sah die Ossification einmal dop- pelt an den Schwanzwirbeln des Menschen. Nach Rathke soll die Ossihi- cation bei den Fischen im Wirbelkörper von dem obern und untern Bogen ausgehen. Dies wäre sehr eigenthümlich, indem sich dann die Össification in den Wirbeln der Thiere so verschieden zeigen könnte. Bei Säugethieren und beim Menschen sehe ich an unseren zahlreichen Skeleten der Embryonen die Össification einfach. Senff, Meckel, Beclard, Nicolai, Valentin sagen dasselbe vom Menschen. Ob nun die Wirbelkörper der Fische eine vierfache Össification von den Fortsätzen aus haben, wie Rathke bemerkte, mufs weiter untersucht werden, weil durch die besondere Össification der Basal - Querfortsätze eine Täuschung entstanden sein könnte. In Hinsicht der Verbindung der Wirbel wäre noch Vieles in verglei- chender Hinsicht zu erwähnen; ich will jedoch hier nur noch die Osteo- genie der zwei ersten Wirbel berühren. Die bekannte Verbindung des Atlas und Epistropheus vermittelst des processus odontoideus des letztern kömmt nur in den beschuppten Amphibien, in den Vögeln und Säugethie- ren vor. Mit Unrecht spricht man dem Atlas einen vordern Körper ab; an jedem jungen Säugethier, Vogel, Crocodil, an jeder jungen Schildkröte kann man das Körperstück des Atlas sehen. Nur beim jungen Murmel- thier fand ich ausnahmsweise den Körper des Atlas fehlend, und eine vor- dere Vereinigung der Bogenstücke. Der processus odontoideus des Epistro- pheus kann daher nicht der Körper des Atlas sein, der sich mit dem Körper der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 169 des Epistropheus verbunden hätte. Dieser Fortsatz ist auch kein blofser Theil des Körpers des Epistropheus, denn ich sehe ihn als besonderes Stück beim Foetus aller Säugethiere und der Vögel, bei den Crocodilen und Schild- kröten sogar bleiben. Dies Stück verwächst mit dem Körper des Epistro- pheus bei den ersteren. Es ist nicht blofs aus einer Epiphyse zu erklären. Jeder Wirbelkörper hat zwar bei den Säugethieren an seiner obern und un- tern Fläche zu einer gewissen Zeit eine besonders ossifieirende Platte, die sich zum Wirbelkörper so verhält, wie eine Epiphyse eines Röhrenknochens. Man könnte nun den processus odontoideus als Vergröfserung einer solchen Platte betrachten; jedoch sehe ich bein Pferde-Füllen eine Ossification zwi- schen dem Zahn und Körper des Epistropheus. Capitel IH. Vergleichung des Schädels der Myxinoiden mit dem der Petromyzen. Petromyzon (Tab. IV, Fig.1-5.). Bei der Vergleichung des Schädels der Myxinoiden und Petromyzen müssen wir uns vorerst auf den das Gehirn einschliefsenden Theil und seine Fortsätze beschränken und alle an dem Schädel befestigten anderen Theile uns wegdenken. Was beiden Abtheilungen der Cyclostomen gemein ist, ist beim Anfang der Untersuchung schwer zu sagen. Um einen Ausgangs- punct der Untersuchung zu haben, stellen wir das Resultat unserer Ver- gleichungen als Basis auf und bitten unsere Leser, um sich nicht zu verwir- ren, zuerst blofs die von uns für gemeinsame Bildungen erkannten Theile im Auge zu behalten. Die Mundknorpel der Myxinoiden sind von denen der Petromyzen durchaus verschieden, beide haben nicht die geringste Ähnlichkeit, als dafs sie den Mund einschliefsen und lassen sich nicht auf denselben Plan zurückfüh- ren. Die Mundknorpel der Petromyzen sind ihnen als Gattung eigenthüm- liche Bildungen ( faits Petromyzoniens würde Herr Geoffroy St. Hilaire sagen); die Mundknorpel der Myxinoiden sind diesen ebenso eigenthümlich. Der Schädel ist bei Petromyzon ein zusammenhängendes Stück vom Hinter- haupt bis zu der Nase. Alles was davor liegt oder aufgehängt ist, bitten wir auszuschliefsen. Wir rechnen zum Hirnschädel nur den zusammenhängenden Knorpel Tab. IV, Fig.3.4 EFGHI bis h ohne das Stück Z, welches bei A Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. T 170 Mürrter: /ergleichende Anatomie der Mysxinoiden, angefügt ist, und überhaupt ohne die am Schädel befestigten Knorpel. Mit diesem Schädel des Petromyzon marinus vergleichen wir den eigentlichen Hirnschädel des Bdellostoma oder was ebenso gut ist, der Myxine. Zur Er- leichterung der Vergleichung mufs ich das Schädelskelet des Petromyzon ma- rinus zuerst beschreiben (!). Der Schädel des Petromyzon besteht aus dem fast knöchernen Knorpel der Hirncapsel mit der Gehörcapsel und dem faserknorpelhäutigen Theile der Hirncapsel, ferner aus der Nasencapsel und aus den Gesichtsknochen, welche hier blofse Auswüchse des knorpeligen Theiles des Schädels sind. Der Basilartheil des Schädels besteht aus einer 2” langen Knorpel- platte, welche mit der Basis des Hinterhaupts verglichen werden kann; hin- ten endigt diese Platte in 2 Knorpelstreifen, welche sich 7” weit über die untere Fläche der Wirbelsäule nebeneinander fortsetzen; vorn endigt der knorpelige Basilartheil des Schädels mit einem scharfen Rand, wie bei Ddel- lostoma und Myxine, indem der übrige Theil der Basis der Hirncapsel nicht knorpelig, sondern fibröshäutig ist, gleichfalls wie bei Bdellostoma und My- wine. Der gröfsere häutige Theil der Basis reicht von dem vordern Rande der knorpeligen Basis bis an die Basis der knorpeligen Nasencapsel. Seit- lich geht der knorpelige Theil der Basis cranii in die Gehörcapseln über, die wie bei den Myxinoiden gestaltet sind, nach abwärts jederseits in die stiel- förmigen Knorpelfortsätze (2’), die wir später betrachten werden. Die Sei- tenwände des Schädels sind knorpelig und haben für den Durchgang der Ner- ven Öffnungen. Hinten hängen diese knorpeligen Seitenwände mit den Ge- hörcapseln zusammen. Der obere Theil des Schädels ist nur zum Theil knor- pelig; nämlich hinten in der Schuppengegend des Hinterhaupts ist der Schä- del ganz knorpelig, stellt aber nur eine 4” breite Querbrücke zwischen dem obern Rande der beiden Gehörcapseln dar, zu den Seiten läuft diese Quer- brücke (Tab.IV, Fig.1. 4e), da sie einen vordern concaven Rand hat, in einen obern Seitenrand des Schädels aus, welcher unregelmäfsig, im allge- meinen aber von hinten nach vorn und aufsen geht, so dafs die Seitentheile (‘) Obgleich mehrere Abbildungen des Schädels (von ‚Spix und Carus) vorhanden, so war es doch nöthig neue zu geben, weil jene für unsern Zweck nicht hinreichen. Rathke’s Abbildung des Schädels von Petromyzon fluviatilis ist nicht deutlich genug, obgleich des- sen Beschreibung vortrefllich und die erste mit der Natur übereinstimmende Darstellung des Petromyzon-Schädels ist. der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 171 des Schädels hinten ganz durch die obere Querbrücke verbunden, in der Mitte wenig zur Bildung des Schädeldaches, vorn gar nicht zur Bildung des- selben beitragen (Tab. IV, Fig.4 7). So entsteht am knorpeligen Schä- deldach ein grofser dreieckiger, hinten spitzer Ausschnitt; welcher blofs von Faserknorpelhaut ausgefüllt ist. Der vordere Rand dieser häutigen Decke stöfst an die knorpelige Nasencapsel oben an, wie die häutige Basis an die Nasencapsel unten anstöfst. Die vollständig knorpeligen Seitenwände des Schädels stofsen vorn mit schief abwärts steigendem Rande an die knorpelige Nasencapsel, welche in dem vordern Theil der Seitenwände des Schädels wie eingeklemmit ist (Tab.IV, Fig. 4A). Da nun der vordere gröfsere Theil der Basis cranii auch häutig (Tab.IV, Fig. 1e’) ist, so kann man im Allge- meinen sagen, dafs der knöcherne oder knorpelige Theil des Schädels hin- ten einen vollständigen Reifen am Hinterhaupt bildet, woran seitlich die Ge- hörcapseln, und dafs dieser Reifen vom vordern Umfang der Gehörcapseln in knorpelige Seitenwände ausläuft, während der vordere und gröfste Theil der untern, wie der obern Wand des Schädels blofs häutig sind. Den un- tern häutigen Theil des Schädels sieht man von unten nicht, weil der harte Gaumen den häutigen Theil der Basis verdeckt. Um den letztern zu sehen, mufs man einen senkrechten Durchschnitt durch den Schädel von Petrormy- zon marinus machen. Tab.IV, Fig. 1 7 knöcherne Basis, / Fortsatz auf den Anfang der Wirbelsäule, e’ häutige Basis. Rathke war der erste, der diese Verhältnisse aufgeklärt hat. Der Gaumen entsteht auf folgende Art. Die knorpeligen Seitenwände verlängern sich nach vorwärts und abwärts als eine Knorpelleiste, welche mit der der andern Seite durch eine knorpelige Querbrücke des Gaumens verbunden ist. Diese letztere (Tab. IV, Fig.1. 2.377), der harte Gaumen, ist kein besonderes Knorpelstück, sondern ist mit der Knorpelmasse des Hirnschädels in eins verbunden. Der harte Gaumen hat einen vordern und hintern Rand und 2 Seitenränder. Die Seitenränder sind die unteren Ränder der von den Seitenwänden des Schädels nach unten fortgesetzten Knorpel- leiste. Der vordere Rand ist gerade und ist die untere vordere Grenze des eigentlichen Schädels. Dieser vordere Rand ragt weiter nach vorn als der vordere Rand der häutigen Schädelbasis und des häutigen Gewölbes, und es liegt die Nasencapsel hier über dem vordern Theil des harten Gaumens. Was vor dem vordern Rande des harten Gaumens liegt, macht nicht mehr 22 172 Mürren: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, mit dem Schädel ein gemeinsames Stück aus: und so ist die grofse breite Knorpelplatte Z, auf welcher das Nasenrohr ruht, nur durch Nath mit dem vordern Rande des harten Gaumens verbunden. Siehe Tab.IV, Fig.3Z von unten; Fig.4Z von oben. Der hintere Rand des harten Gaumens (Fig. 3) ist ausgehöhlt. So entsteht zwischen dem hintern Rand des harten Gaumens und der Basis cranii ein Loch (Tab.IV, Fig.37), durch welches der Nasen- gaumengang aus der Nase gegen den Rachen geht. Dieser Gang wird von der Schleimhaut der Nase und einer fibrösen äufsern Haut gebildet und kömmt aus dem Nasenrohr, das von der äufsern Nasenöffnung in die Nasencapsel führt, sowohl als aus der Nasencapsel selbst unter der letztern her; darauf wird er, nachdem er durch das Gaumenloch durchgegangen, weiter; er ver- längert sich häutig bis unter den Anfang der Wirbelsäule, endigt aber mit einem Blindsack und communicirt mit dem Schlunde bei den Petromyzen nicht. Siehe den Durchschnitt des Schädels, des Nasenrohrs, der Nasencap- sel und des Nasengaumenganges Tab. IV, Fig.1. e’ häutige Basis cranii, F knöcherne Basis cranii, 4 harter Gaumen, X Nasencapsel, A Nasenrohr, k' Nasenfalten, A’ Nasengaumengang, A” blindsackiges Ende desselben. Es ist diese häutige blinde Verlängerung ein blofses Spritzrohr, welches das durch die Nase eingetretene Wasser durch den Druck der benachbarten Muskeln wie- der austreiben kann, eine Bewegung, welche das Riechen, wie der Luftzug bei den Luftathmern erleichtern mufs. Diese Beschaffenheit des Nasengaumen- ganges haben schon Rathke und Meckel hinlänglich erwiesen. Carus hatte behauptet, der Nasengaumengang durchbohre den Schlund. Bei My.xine und Ddellostoma öffnet sich der Nasenkanal, ohne sich weiter zu verlängern, sogleich in den Rachen, weit vor dem Ende des Schädels über der mittlern “ Gaumenplatte. Nun sind noch die Seitenfortsätze am Schädel der Petromyzen zu er- wähnen. Diese sind ein vorderer und zwei hintere; der vordere (Tab.IV, Fig.1-47) geht fast senkrecht herab von dem vordern Theil des untern Sei- tenrandes des Schädels, oder richtiger von dem vordern Ende des Seiten- randes des harten Gaumens und vereint sich in einem halben Bogen mit dem ersten hintern Fortsatz (7), welcher von der Seite der Basis cranii unter der Gehörcapsel abwärts vorwärts geht, zu einem Halbring Zi. Beide ge- nannte Fortsätze sind platt. Ihr innerer Rand schliefst mit dem Seitenrand des harten Gaumens oder Schädels eine grofse halb eliptische Öffnung ein der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 173 (Tab.IV, Fig.2.). Der hintere Fortsatz giebt an seiner Wurzel gerade nach unten einen andern, mehr walzenförmigen oder stielförmigen Fortsatz ab (Tab.IV, Fig.1-47'), welcher an seinem untern Ende mit dem Knochen- plättchen ” Fig. 2. articulirt, das zur Stütze des muskulösen Apparates der Zunge dient. Die Öffnung in dem vorher beschriebenen, vom untern Sei- tenrand des Schädels abgehenden Reifen (Tab.IV, Fig. 2.) ist von fibröser Haut ausgefüllt. Auf diesem Rahmen ruht das Auge und er entspricht dem Boden der Augenhöhle der übrigen Fische. Die wichtigsten Öffnungen im Schädel sind: die vordere grofse dop- pelte Öffnung des Schädels in der vordern häutigen Wand desselben, die an die hintere Wand der Nasencapsel stöfst, ist zum Durchtritt der Geruchsnerven bestimmt. Ähnliche Öffnungen befinden sich neben ein- ander in der hintern Wand der Nasencapsel. Die letzteren sind durch ein Häutchen zum Theil geschlossen, das in der Mitte die ziemlich grolse Öffnung für den Geruchsnerven hat (Tab.IV, Fig.5.). In der Seitenwand des Schädels sind folgende Öffnungen: zwei Öffnungen, welche an dem vor- dern Theil der Seitenwand über dem Gaumen sind und nicht in die Schädel- höhle, sondern zum Gaumenkanal führen. Die vordere ist sehr klein und von Rathke nicht angegeben (Tab.IV, Fig.2, Nro.1.). Die zweite (Nro.2.) vor und unter dem foramen opticum läfst, wie Rathke fand, eine Schlagader durch. Die dritte ansehnliche ist das foramen optieum Nro.3. Es ist mit Membran ausgefüllt, worin wieder mehrere Öffnungen, eine für den nervus opticus, und nach Born (!) auch eine für den nervus oculomotorius und troch- learis. Darauf folgt hinter dieser Öffnung vor der Öffnung für den Trigemi- nus eine kleine Öffnung Nro.4, nach Rathke für einen Augenmuskelner- ven, der nach Born’s Angaben der abducens sein müfste. Darauf folgt die grofse Öffnung für den nervus trigeminus Nro.5. vor der Gehörcapsel. Gleich dahinter in der vordern untern Wand der Gehörcapsel sieht man aufsen noch eine kleine Öffnung für den von Born als nervus communicans faciei be- zeichneten Nerven, Nro.6. Auf der innern Fläche der Seitenwand des Schä- dels bemerkt man dann noch weiter (Tab. IV, Fig. 1, Nro. 7.) den Eingang in die Gehörcapsel und dicht darüber eine kleine Öffnung, Nro.8, für eine (') Heusinger’s Zeitschrift für organische Physik I, p.178. 174 Mürver: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, Schlagader, die Rathke angiebt. Der nervus vagus tritt hinter der Ge- hörcapsel hervor; eine besondere Öffnung in dem Schädelknorpel ist nicht vorhanden. Die Theile, welche vor dem Schädel liegen und an ihm nur locker befestigt sind, will ich nur kurz erwähnen. Das vorderste Stück ist der Lippenring, ein ringförmiges Knorpelstück (Tab. IV, Fig.1.2.4 ?), an welchem der griffelförmige Knochen Q beweglich an der Seite befestigt ist. In der Abbildung Fig. 2. ist die Lage dieses Griffels unnatürlich, dafs man die übrigen Theile besser sehen soll. Er liegt in der Natur horizontal mit der Spitze rückwärts. An den obern Umfang des Lippenringes stöfst das vordere grofse Mundschild (Fig.1.2.4 N) mit vorderm convexem, hin- term concavem Rande, ausgehöhltem Seitenrande und hinteren in Fortsätze verlängerten Seitenecken; es ist oben convex, unten concav. An seinem con- caven Seitenrande liegt jederseits noch eine kleine, längliche, etwas gebo- gene Knorpelplatte, welche ich die vordere Seitenplatte O nenne. Rathke betrachtet sie als Seitentheil des Zungenbeins. Sie hängt mit dem Seitenrand des vordern Mundschildes N durch Band und andrerseits auch mit dem Zungenbein A durch ein Band zusammen. Die zweite Seiten- platte ist gröfser (Fig. 1.2 M), auch etwas gekrümmt, mit vorderm con- cavem, hinterm convexem Rande. Diese Platte liegt mit ihrer Längenachse schief von unten und hinten nach oben und vorn, sie hängt mit dem hintern Seitentheil des vordern Mundschildes und hinten durch fibröse Haut mit dem seitlichen halbringförmigen Gaumenrahmen des Schädels selbst zusam- men. Das hintere Mundschild (Tab.IV, Fig.1. 2.3.4 7) ist eine oben convexe, unten concave Platte mit vorderm, zweilappigem, breiterm Um- fang, nach hinten convergirenden Seitenrändern und hinterm geradem Rande, der mit dem vordern Rande des harten Gaumens durch Nath verbunden ist. Es liegt unter dem Nasenrohr 4, über dem hintern Theil der Mundhöhle, vor dem eigentlichen Schädel und vor dem harten Gaumen und bedeckt mit sei- nem vordern Theil den hintern des vordern Mundschildes V. Das Zungen- bein R und den Zungenstiel ‚$ lassen wir hier ganz aufser Betracht; davon wird später ausführlicher die Rede sein ('). (') Die hier bezeichneten Theile hat Rathke in seinem Werk über die Pricke schon sehr gut beschrieben. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 175 Wir kommen nun zur Vergleichung des Schädels der Petromyzen und der Myxinoiden. An der Basis des Schädels finden wir dieselben Theile; hin- ten ist ein kurzer knorpeliger Basilartheil, während der vordere Theil der Basis über dem harten Gaumen häutig ist. Diese Basis geht bei Petromyzon wie bei den Myxinoiden seitlich in die feste Gehirncapsel über, aber die Seitentheile des Schädels der Myxinoiden sind von anderer Beschaffenheit als bei den Petromyzen; sie sind dort faserknorpelhäutig, biegsam, während sie bei Petromyzon wie die hintere Basis fest knorpelig sind. Auch der hin- tere fest knorpelige Theil des Gewölbes der Petromyzen fehlt bei den My- xinoiden; denn bei diesen ist das ganze Gewölbe faserknorpelhäutig, leder- artig, und zwar nicht einfach membranös, aber ganz verschieden von dem hintern festen, fast knöchernen Gewölbtheil der Petromyzen. Obgleich die- ses biegsame Gewölbe der Myxinoiden bei Bdellostoma heterotrema gelbliche Knorpelmasse eingesprengt enthält, so ist es doch ganz von den brüchigen festen Knorpeln dieser Thiere verschieden, die man den Knochen vergleichen kann. Nur der Basilartheil des Schädels und die Gehörcapseln der Myxi- noiden sind von der letztern Beschaffenheit. Der knorpelige Basilartheil des Schädels läuft bei den Myxinoiden seitlich unter der Gehirncapsel in zwei feste knorpelige Flügel aus, die wie eine doppelarmige Wagendeichsel abgehen. Diese Fortsätze gleichen dem untersten Theile der knöchernen Seitenwände des Schädels der Petromyzen; sie sind jedoch bei den Petromyzen nicht von dem übrigen Schädel wie bei den Myxinoiden abgetrennt, wo sie nur von der pars basllaris abgehen, aber mit der Seitenwand der Gehirncapsel nicht fest verbunden sind. Man kann diese Fortsätze der Myxinoiden (Tab. IH, Fig. 2 72) mit den flügelartigen Sei- tenfortsätzen des grofsen Basilarknochens der Störe vergleichen. Jene Fort- sätze der Myxinoiden sind die Wurzeln der Gaumenleisten und des knorpe- ligen Schlundkorbes. Wir kommen nun zur Vergleichung des Gaumengerüstes bei den My- xinoiden und Petromzyen. Dies sind die knorpeligen Schädeltheile, welche welche den harten Gaumen unter der Nase und das Nasengaumenloch bilden. Bei den Myxinoiden treffen wir hier die langen Gaumenleisten an, welche vorn bogenförmig zusammenschmelzen und deren Zwischenraum die mitt- lere Gaumenplatte fast ausfüllt, über welcher zunächst die Nase und der Na- sengaumengang liegt. Bei Petromyzon dagegen ist der harte Gaumen äufserst 176 Müuren: Vergleichende Anatomie der My.xinoiden, kurz; die Seitenwände sind keine langen Leisten (wie bei den Myxinoiden), die von dem Schädel ausgehend weit vor den Schädel nach vorn hin rei- chen, sondern niedrige und kurze Verlängerungen der Seitenwände des Schä- dels. Diese verlängern sich zwar vorn hin, um einen harten Gaumen zu bilden, aber der mittlere Theil des harten Gaumens ist auch nur kurz und ist kein besonderer Knochen, wie die Gaumenplatte der Myxinoiden zwischen den Gaumenleisten; sondern bei den Petromyzen sind die Gaumenleisten und die mittlere Gaumenplatte zu dem zusammenhängenden harten Gaumen verschmolzen. Man vergleiche die Durchschnitte des Schädels von Pe- tromyzon marinus (Tab. IV, Fig.1.) und von Myxine glutinosa (Fig. 11.). Der ganze merkwürdige lange Apparat der Bdellostomen (Tab. II, Fig. 4. 5 ZU) ist bei den Petromyzen auf die Theile des harten Gaumens (Tab. IV, Fig.3 H) zusammengedrängt. Die Reifen 77 gehören nicht mehr zu die- sem Apparat und ebenso wenig das am vordern Rande des harten Gaumens durch Band befestigte, gewölbte, grofse Knorpelschild (hinteres Mundschild) Tab. IV, Fig. 1-4; denn dies ist der walzenförmigen, fast knöchernen Na- senstütze der Myxinoiden (Tab. IH, Fig. 2-5 7”) analog. Obgleich die Form dieses Knorpels, den wir bei den Myxinoiden Schnautzenknochen nannten, in beiden Familien so verschieden ist, so ist er doch in beiden gleichbedeutend; in beiden liegt über ihm das bei den Myxinoiden lange, bei den Petromyzen so kurze Nasenrohr; in beiden schliefst er sich an das vordere Ende des har- ten Gaumens an. Überhaupt kann die Deutung des so langen harten Gau- mens der Myxinoiden und des so kurzen harten Gaumens der Petromyzen keine andere als die eben gegebene sein. Die Knorpel, welche den Nasen- gaumengang umgreifen, müssen, mögen sie lang oder kurz sein, frühe oder spät verschmelzen, in beiden Familien dieselben sein; sie sind es, welche mit ihrem mittlern Theil den Boden bilden, auf welchem der Nasengau- mengang ruht. Kennt man nur den Schädel von Myxine, wo die Gau- menleisten durch eine weichere Stelle des Knorpels von den Seitenfortsätzen der Schädelbasis sich absetzen (aber ohne Solutio), so kann man auf eine andere Ansicht kommen. Man kann die vorn verbundenen Gaumenleisten (Tab. IH, Fig. 1-3 7) mit dem vordern Mundschild der Petromyzen, das 2 Seitenfortsätze hat, und das zweite Mundschid dieser mit der Gaumenplatte der Myxinoiden vergleichen. Allein dann weifs man nicht, was man mit dem wahren harten Gaumen der Petromyzen unter dem Nasengaumengang der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 177 machen soll. Dieser ist aber der Schlüssel der Deutung, und diesem kann nur die Commissur der Gaumenleisten der Myxinoiden mit der Gaumenplatte entsprechen. Dann ist jene weichere Stelle an den Gaumenleisten der Myxi- nen, wo diese mit den Seitenfortsätzen der Schädelbasis zusammenhängen, bei den Bdellostomen auch vorhanden, aber die zweite weichere Stelle, die bei Bdellostoma bei ** Fig.2, Tab. IH. liegen würde, fehlt bei Bdellostoma ganz und ist hier die Gaumenleiste ganz hart. Da nun die Gaumenleiste noch an anderen Stellen mit der Schädelbasis fest und ohne Nath zusammenhängt, bei EZ und Ä, so macht sie jedenfalls ein untrennbares Ganze mit der Schä- delbasis, wie sich dies auch bei 4mmocoetes zeigt, deren Gaumenleisten viel kürzer, mit ihrer Commissur nur bis unter die Nase reichen und dadurch noch mehr dem kurzen Gaumen der Petromyzen gleichen. Alles was daher bei Petromyzon vor dem Schädel und dem mit ihm verwachsenen harten Gau- men liegt, hat bei den Myxinoiden nichts ähnliches, und das sind der Lip- penring, die 2 Seitenplatten, das vordere und hintere Mundschild. Was den Knorpelreifen betrifft, auf dem bei den Petromyzen das Auge ruht (Tab.IV, Fig.2.), so treffen wir ihn zwar bei den Myxinoiden wieder an, aber in einer ganz andern Gestalt, als Knorpelkorb des Rachens mit dessen vielen Fortsätzen entwickelt. Sowohl bei den Petromyzen als bei den Myxinoiden gehen diese so verschiedenen Fortsätze von der Basis cranii aus; bei Petromyzon bilden sie einen grofsen Reifen, der mit Membran aus- gefüllt ist und auf welchem das Auge ruht, während der hinterste Fortsatz das Knorpelplättchen trägt, das zur Befestigung mehrerer Zungenmuskeln dient; bei den Myxinoiden bilden sie mehrere zusammenhängende, nicht vorwärts abwärts, sondern rückwärts abwärts gerichtete Reifen mit Löchern. Diese Löcher sind auch mit fibröser Haut ausgefüllt; aber über dem vor- dersten kleinern Loch (Tab.IlII, Fig. 1, Nro.1.) liegt nur das Auge. Dies vordere Loch des Gaumenrahmens der Myxinoiden stimmt auch darin am meisten mit dem grofsen Loch in dem Rahmen der Petromyzen, weil bei beiden ein Ast des nervus trigeminus, nachdem er aus dem Schädel getreten, durch diese mit Aponeurose ausgefüllte Öffnung des Gaumenrahmens durch- geht. In beiden Familien dienen diese Reifen oder Rahmen zur Grundlage der Seitenwände des Rachens, aber in den Petromyzen ist der vordere Rand dieses Rahmens gerade und selbst schief nach unten und vorn absteigend, bei den Myxinoiden dagegen schief nach hinten und unten absteigend. Die Phys.- mathemat. Abhandl. 1834. Z 178 Mürver: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden 7 Verbindung dieses Apparates mit den Zungenbeinhörnern, die wir bei den Myxinoiden antreflen, fehlt bei den Petromyzen ganz. Der Knorpelapparat des Schlundsegels der Myxinoiden fehlt bei den Petromyzen ebenfalls. Die Nasencapsel der Myxinoiden und Petromyzen ist sich in Verbin- dung und Form im Allgemeinen ähnlich. Bei beiden Familien findet sich eine hintere Wand der Nasencapsel, welche sich an die vordere häutige Wand der Gehirncapsel anschliefst, ein oberes Gewölbe, die vordere Ver- bindung mit dem Nasenrohr, welches nur bei den Myxinoiden Knorpelringe enthält; bei beiden fehlt der Boden der Nasencapsel und stöfst die Höhle der Capsel auf die Fortsetzung des Nasenrohrs in den Nasengaumengang. Nur das Gewölbe der Nasencapsel unterscheidet sich durch seine Gestaltung; es ist bei den Myxinoiden länger als breit, bei den Petromyzen breiter als lang; es besitzt bei den Myxinoiden das merkwürdige Gitterwerk von Knor- pelfäden, während es bei den Petromyzen eine vollständige knorpelige Cap- sel ist. Diese ist an den Seiten länger als oben und unten, wo sie vorn aus- geschnitten ist. Siehe Tab.IV, Fig.2X. Die untere Wand ist ganz offen in den blinden Nasengaumengang; der Ausschnitt der obern Wand ist durch Membran vervollständigt; hier schliefst sich die obere Wand des Nasen- rohrs an. Die hintere Wand der Nasencapsel ist ganz knorpelig und convex und stöfst auf die vordere gerade Wand der Gehirncapsel. In dieser hin- tern Wand (Tab.IV, Fig.5.) befinden sich aber zwei senkrecht stehende, grofse elliptische Öffnungen neben einander, die durch fibröse Membran ausgefüllt sind. In der Mitte dieser fihrösen Häutchen befindet sich erst die Öffnung für den Eintritt der Geruchsnerven, die einer gleichen Öffnung in der vordern Wand der Gehirncapsel entspricht. Es sind also trotz der Ver- einigung der 2 Nasen in eine doch 2 Geruchsnerven vorhanden. Nach unseren bisherigen Betrachtungen finden sich die wesentlichsten Theile des Schädels der Myxinoiden, mit Ausnahme der Mundknorpel, bei den Petromyzen wieder. Theile der Myxinoiden, welche wir bis jetzt nicht mit Knorpeln der Petromyzen verglichen haben, sind der quere jochförmige Knorpel am vordern Ende des Schnautzenknochens und das Knorpelriemen- werk, welches dem Umfang des Mundes angehört, die Bartfäden stützt und das vordere Ende der Gaumenleisten mit dem vordern Ende des Zungen- beins verbindet (Tab. III, Fig. 6.). Dagegen finden wir bei den Petromyzen noch mehr und viel stärkere Knorpel am Umfang des Mundes vor, welche der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 179 so wenig Ähnlichkeit mit denen der Myxinoiden haben, dafs man jeden Ver- such zu ihrer Vergleichung aufgeben mufs. Dahin gehören die seitlichen Knorpelleisten des Kopfes (Tab. IV, Fig. 1.2 7), welche mit dem Knorpel- reifen Zi durch eine dünne knorpelige Commissur und durch Band x auch wieder mit dem vordern Rande des Knorpelreifens 7’ zusammenhängen. An den vordern Rand dieser Leiste jeder Seite ist wieder der schildförmige un- paarige Knorpel des Mundgewölbes N mit zwei hinteren, etwas divergiren- den Fortsätzen durch Band befestigt. Unter diesen Fortsätzen liegen wieder 2 dünne abgesonderte Knorpelleisten (Tab. IV, Fig. 20), die vorderen seit- lichen Knorpelleistchen. Rathke rechnet diese, vielleicht ohne hinrei- chenden Grund, schon zu dem Zungenbein, weil sie mit diesem zusam- menhängen. Am vordern Ende dieses Schildes N hängt wieder der ring- förmige Lippenknorpel P mit dem beweglichen, seitlichen, stielförmigen Anhang Q (!). Das Zungenbein R und der Zungenstiel S sind bei den Petromyzen eigenthümlich. Die Zungenbeine sind bei den Petromyzen und Myxinoiden so ungeheuer als selbst die Mundknorpel verschieden; und dies rührt wieder daher, dafs der Mund bei den Petromyzen von einem eignen Lippenring begrenzt wird, während das Zungenbein bei den Myxi- noiden den untern Mundrand bilden mufs. Dies Alles macht es gewils, dafs sowohl die Mundknorpel der Myxinoiden als die der Petromyzen eigenthüm- liche, mit anderen Bildungen nicht zu vergleichende Theile sind, welche nicht zum allgemeinen Plan des Skeletes der Wirbelthiere gehören, den Cy- clostomen eigen, bei ihren Familien sogar verschieden sind. Anders ist es mit dem Zungenbein der Myxinoiden, welches, da es eine bei den übrigen Thieren nicht vorkommende Function, den Unterkiefer zu ersetzen und den untern und Seitenrand des Mundes zu bilden, bei den Myxinoiden erfüllen soll, eine ganz von seinem gewöhnlichen Bau abweichende Form erlangt hat. Unsere Ansicht, dafs die Mundknorpel der Myxinoiden und Petromy- zen diesen eigenthümliche Bildungen sind, wird noch mehr bestärkt durch den Umstand, dafs sie bei den Ammocoetes gar nicht vorkommen, während dagegen der Schädel der 4mmocoetes die wesentlichen Theile des eigentli- (') Es ist zu bemerken, dafs in der Abbildung Tab. IV, Fig.2. der Stiel Q, der horizon- tal nach hinten gerichtet liegen soll, absichtlich aus seiner Lage gebracht ist, um das Decken der Theile in der Seitenansicht zu vermeiden. Z2 180 Mürzen: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden, chen Schädels der Petromyzen und Myxinoiden, Hirncapsel und harten Gaumen besitzt. Der Schädel der #mmocoetes besitzt auch nicht die knor- peligen Reifen, welche in die Seitenwände des Rachens der Petromyzen und der Myxinoiden eingehen. Diese Fortsätze sind auch bei den Petromyzen und Myxinoiden so eigenthümlich gebildet, dafs sich nur ihre Wurzeln bei bei- den vergleichen lassen. Ihre weitere Entwickelung ist jeder dieser Familien für ihre Öconomie eigenthümlich und gehört nicht in den allgemeinen Plan der Wirbelthiere, wenn auch für die Wurzeln dieser Apparate sich Analoga im allgemeinen Plane der Wirbelthiere auffinden lassen; davon werden wir jedoch später handeln. Uberhaupt wird sich auch der Beweis, dafs die Mundtheile der Petromyzen und Myxinoiden nicht zum allgemeinen Plan der Wirbelthiere gehören, erst vollständig bei der Vergleichung des Schä- dels der Cyclostomen mit dem der übrigen Knorpelfische führen lassen. Dafs die Vergleichungen, welche einige Schriftsteller hierüber versucht ha- ben, für nicht begründet gehalten werden können, ergiebt sich bei ernsteren Studien dieser Gegenstände. Ammocoetes (Tab. IV, Fig. 6 -10.). Cuvier bemerkte, dafs die dem Skelet entsprechenden Theile des Ammocoetes so weich und häutig seien, dafs man von diesem Thier sagen könne, dafs es gar kein Skelet besitze. Die Unrichtigkeit dieser Behauptung ist bereits in Beziehung auf die Wirbelsäule, wo wenigstens die Gallertsäule vorkömmt, von Rathke erwiesen worden, der früher jedoch hier diese Säule mit den Wirbelkörpern verglich. Rathke hat aber auch das Knor- pelgerüst beschrieben, welches bei 4Ammocoetes die Kiemen von aufsen korbartig umgiebt, wie wir fast alles, was wir von der Anatomie des Quer- ders bisher wufsten, diesem ausgezeichneten Forscher verdanken. Dagegen ist die von Rathke gegebene Beschreibung des Schädels von Ammocoetes nicht so vollständig, als es für unsern Zweck der Vergleichung nothwen- dig war, und es sind dort wegen der Kleinheit der Gegenstände mehrere am Schädel der Ammocoetes constant vorkommende Theile, und zwar 'ge- rade die härtesten, knorpeligen, fast knöchernen unbeachtet geblieben. Nach Rathke (!) besteht der Schädel des Querders aus einer das Gehirn umge- (') Anatomie des Querders. Beiträge zur Geschichte der Thierwelt, 4 Abth. p. 70. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 181 benden, länglichen, beinahe eylinderförmigen und verhältnifsmäfsig sehr klei- nen Capsel, in welcher die fihröshäutige Textur das Übergewicht hats) Am meisten verknorpelt erscheine der Boden, weniger schon die Decke dieser Capsel; die Seitenwände seien fast hautartig. Vorn und hinten sei der Bo- den der Capsel mäfsig dick, in seiner Mitte dagegen äufserst dünn. Vorn sei die Capsel durch ein kleines, muschelartiges, senkrecht stehendes, mit den Wänden der Capsel innig verflossenes, knorpelartiges Blättchen, an des- sen vordere Seite der Nasensack angewachsen sei, verschlossen; mit jeder Seitenwand des Schädels hänge die schon knochenartige ovale Blase für das Gehörorgan zusammen. In einer kleinen Strecke vor der Gehörcapsel habe sich die Substanz der Seitenwände zu einer fibröshäutigen, das Auge in sich aufnehmenden Hohlkugel erhoben. Diese Beschreibung ist zwar im Allgemeinen richtig, obgleich die das Auge umgebenden Theile nicht mehr zum Schädel und Skelet gehören, aber die härtesten Theile am Schädel der 4mmocoetes sind nicht erwähnt. Es befindet sich nämlich auf jeder Seite der Basis des Schädels eine schmale, knochenartig harte Leiste von derselben gelben Farbe, wie das ovale Felsen- bein oder die Gehörcapsel, und ebenso fest, auch mit dieser zusammenhän- gend. Auf diesen Knochenleisten sitzen nämlich die Gehörcapseln auf. In der Mitte berühren sich die Knochen- oder Knorpelleisten nicht, sondern lassen zuerst hinten eine schmale Lücke zwischen sich, die von der feinen Spitze der Gallertsäule des Rückgraths eingenommen wird, welche Säule sich nämlich über das hinterste Drittheil der Schädelbasis erstreckt und spitz endigt. Die genannten Knochenleisten setzen sich an der Basis cranii nach vorn weiter fort, indem sie dieselbe Dicke behalten; vor den Gehörcapseln weichen sie an der Basis cranii auseinander, in der Gegend der Hälfte der Schädelbasis sind sie am weitesten von einander entfernt, so weit als der Schädel breit ist; jede bildet hier einen nach innen offnen stumpfen Winkel, indem sich die Leiste weiter nach vorwärts, aber wieder einwärts wendet. So nähern sich beide Leisten und fliefsen unter und hinter der Nase in einem spitzen Bogen zusammen. Diese Theile des Schädels sind ganz hart, so klein die Verhältnisse sind, daher ich mir nicht erklären kann, warum Rathke sie nicht beobachtete. Ich fand sie constant an 5 Exemplaren von Ammocoetes branchialis. Gerade diese Theile sind aber so wichtig, weil sie uns die festen knorpelig knöchernen Theile der Schädelbasis eines Wirbelthieres im aller- 182 Mürrer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, einfachsten Zustande zeigen und der Schlüssel zur Erklärung des Schädel- skeletes der Cyelostomen, ja aller Knorpelfische sind. In Fig.6, Tab.IV. ist der Schädel von 4mmocoetes branchialis von oben, in 7. von unten dargestellt. 4 Gallertsäule des Rückgraths, @' Spitze der Gallertsäule des Rückgraths in der Basis cranii, 5 häutige Gehirncapsel, c knöcherne Gehörcapsel, D Knochenleisten an der Basis cranii, d’ vor- dere Commissur derselben, 7 Nasensack vor dem Cranium, sich in einem kurzen Gange unter den Anfang des Craniums begebend. Fig.8. Gehirn- capsel aufgeschnitten. Man sieht die knöchernen Leisten der Basis durch die häutige Basis durch. 7 Nasencapsel, f Nasenöflnung. Von ganz beson- derer Wichtigkeit für die Deutung der beschriebenen Skelettheile und ihre Vergleichung mit denen der Petromyzen und Myxinoiden ist nun aber das Verhalten der Nase, deren Bau ich abweichend von Rathke's Beschreibung gefunden habe. Das Geruchsorgan besteht in einem häutigen aber festen Sack, ohne innere Fältchen der Schleimhaut, wie Rathke richtig angegeben. Dieser Sack, das Analogon der knorpeligen Nasencapsel der übrigen Cyclo- stomen, liegt vor dem vordern Ende der Gehirncapsel und hinter der Ober- lippe und öffnet sich in eine mit einer Hautfalte umgebene Öffnung an der obern Seite des Kopfes. Siehe unsere Abbildung des Durchschnittes vom Kopfe eines Ammocoetes Tab.IV, Fig.10. 4 Scheide der Gallertsäule und Gallerte a, a’ spitzes Schädelende der Gallertsäule, 3 Rückenmarksrohr, b Gehirncapsel, d’ Durchschnitt der Commissur der Gaumenleisten, häu- tige Basis cranii, 2 Gaumen, F Nase, f Nasenöffnung, f’ Nasengaumengang, g Lippe. Die Nasencapsel 7 hat eine rundliche Gestalt, nach unten ist sie in einen Gang verlängert. Die äufsere Nasenöflnung f führt sowohl in die Capsel als durch die Capsel in jenen Gang f', der nach abwärts und rück- wärts geht, an der vordern dann untern Seite des Schädels bogenförmig in der Mittellinie herumbiegt und an der untern Fläche des Schädels, ohnge- fähr in der Mitte der Basis cranii blind endigt; ohne dafs das blinde Ende von unten sogleich sichtbar ist. Nach Rathke läge dieser Gang unter dem Schädel und wäre unten von der Haut der Mund - und Rachenhöhle bedeckt, wie auch in der Abbildung von Rathkea.a. O. Tab.2, Fig. 7. ausgedrückt ist. Ich mufs jedoch als das Resultat wiederholter Untersuchungen mit der Loupe bestimmt angeben, dafs der Nasengaumengang unten nicht von der 8 Haut des Mundes und Rachens bedeckt ist, sondern dafs ihn unten eine feste der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 183 faserknorpelige Platte deckt, welche in den Rahmen der vorher beschriebe- nen gelben Knochen oder Knorpelleisten eingefügt ist. Diese faserknorpe- lige, nicht gelbe, sondern weifslich graue Platte (Tab.IV, Fig.7. 10 £) ist ziemlich stark und schliefst den Raum zwischen den Knorpelleisten von der vordern bogenförmigen Verbindung derselben unter der Nasencapsel bis nach hinten, wo sich die gelben Knorpelleisten wieder nähern, ganz zu. Hinten grenzt sie an die Spitze des Schädeltheils der Gallertsäule des Rückgraths. Die eben beschriebene Platte ist aber die Gaumenplatte oder der mitt- lere Theil des harten Gaumens, nicht der vordere Theil der Schädelbasis selbst; sie ist, wie wir sehen werden, dasselbe, was die Gaumenplatte der Myxinoiden, welche unter ihrem Nasengaumengang zwischen den Gaumen- leisten liegt; sie ist ebenfalls identisch mit dem harten Gaumen unter dem Nasengaumengang der Petromyzen, welcher harte Gaumen von der eigent- lichen Schädelbasis um die ganze Dicke des Nasengaumenganges, der zwi- schen beiden ausläuft, entfernt ist. Es ist nur der Unterschied von den Pe- tromyzen und Myxinoiden, dafs diese Platte keinen hintern freien Rand hat, also keine Nasengaumenöffnung zwischen Schädelbasis und hartem Gaumen zuläfst, sondern mit ihrem hintern Ende an der Schädelbasis festgewachsen ist; so dafs sie einen geschlossenen Boden zwischen den Knochenleisten am Schädel der #mmocoetes bildet, über welchem der hinten blinde Nasengau- mengang unter dem vordern unsichtbaren Theil der Schädelbasis (Tab. IV, Fig.105') verborgen liegt. Man darf sich nicht vorstellen, dafs der Nasen- gaumengang über jener Platte unter dem Gehirn selbst liegt. Das Verhalten ist vielmehr wie bei den Myxinoiden und Petromyzen, nämlich über dem Nasengaumengang liegt erst der vordere häutige Theil der Schädelbasis oder Gehirncapsel d. So wie dieser vordere Theil der Schädelbasis bei den Pe- tromyzen und Myxinoiden weder verknöchert noch ein Knorpel ist, sondern faserhäutig bleibt, so ist auch dieser vordere Theil der Basis cranii der 4m- mocoetes häutig und zwar äufserst dünn, noch viel dünner als der übrige häutige obere und Seitentheil der Gehirncapsel. Der Nasengaumengang der 4mmocoetes begiebt sich also von dem vor der Gehirncapsel liegenden Na- sensack als ein ziemlich weiter Gang von gleichem Durchmesser zwischen die vordere wahre häutige Schädelbasis und die vorn, seitlich und hinten an- gewachsene Gaumenplatte oder scheinbare vordere Schädelbasis; und da die 154 Münuen: /ergleichende Anatomie der Myxtnoiden, Gaumenplatte in den Rahmen der gelben Knochen oder Knorpelleisten, die hier die Gaumenleisten sind, eingespannt ist, so geht der Nasengaumengang nicht vor oder unter der bogenförmigen vordern Commissur dieser Gaumen- leisten weg, sondern dicht über derselben. Wenn man einen guten Durch- schnitt durch den ganzen Kopf des Ammocoetes gemacht hat, wie Tab.IV, Fig. 10, so sieht man die bogenförmige Verbindung der beiden Gaumenlei- sten bei d’ durchschnitten, 2 ist die Gehirncapsel, ihre häutige Basis, a’ das vordere in die Basis cranii verlängerte Ende der Gallertsäule des Rück- graths, 7’ Nasensack oder Nasencapsel mit der Öffnung f, statt eines Nasen- rohrs, /’ Nasengaumengang, hinter und über dem vordern Bogen der Gau- menleisten weggehend, über der Gaumenplatte Z und unter der vordern häutigen Basis cranii d’ liegend; bis gegen die Hälfte der Basis cranii verlän- gert und über der hinten angewachsenen Gaumenplatte blind endigend, et- was vor der Spitze der Gallertsäule des Rückgraths. Vom Nasengaumengang der Petromyzen unterscheidet sich dieser Gang der Ammocoetes, dafs er gar nicht im Rachen zum Vorschein kömmt, wäh- rend er bei Petromyzon als häutiger Blindsack bis unter den Anfang der Wir- belsäule über der Rachenschleimhaut sich verlängert, ohne sich auch hier in den Rachen zu öffnen, und während sich der Nasengaumengang der My- xinoiden schon ohne weitere häutige Verlängerung am hintern Ende der Gaumenplatte in den Rachen wirklich frei öffnet. Die knorpelig knöchernen Leisten an der Basis cranii der Ammocoetes sind dasselbe, was die knorpelig knöchernen Gaumenleisten der Myxinoiden; beide sind ähnlich gestaltet, bei den Myxinoiden nur viel länger und vor der Gehirncapsel weit hin verlängert, bis sie sich bogenförmig vereinigen, wäh- rend sie bei Ammocoetes schon unter und hinter dem Anfang der Gehirncap- sel bogenförmig sich verbindend endigen. Bei den 4mmocoetes, wie bei den Myxinoiden liegt zwischen den Gaumenleisten die Gaumenplatte, die bei den Myxinoiden hinten frei endigt, bei den /mmocoetes auch hinten festgewach- sen ist. Der Unterschied liegt in Hinsicht der Gaumenleisten nur in ihrer Länge. Bei den Myxinoiden liegt der Nasensack oder die Nasencapsel über der Gaumenplatte und hinter ihrem vordern Ende und dem vordern Ende der Gaumenleisten; nur die Nasenröhre ragt über diese hinaus. Bei den 4mmo- coetes, wo das Nasenrohr fehlt, liegt der Nasensack über dem vordern Ende der Gaumenleisten und der Nasengaumengang über der Gaumenplatte. 2 der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 185 Da der Gaumen der Ammocoetes in Hinsicht seiner Länge ganz mit den Petromyzen übereinstimmt, indem er in beiden ganz aufserordentlich viel kürzer als bei den Myxinoiden ist, und sein vorderes Ende das vordere Ende der Gehirncapsel nur wenig, bei /mmocoetes gar nicht überragt, die Gaumenleisten der Ammocoetes aber doch ganz in der Form mit den aufser- ordentlich langen Gaumenleisten der Myxinoiden übereinstimmen, so liefert Ammocoetes wieder den Beweis von der Richtigkeit unserer Vergleichung des Schädels der Petromyzen und Myxinoiden. Wir werden von der Kenntnifs des Schädelbaues der fmmocoetes auch bei der Vergleichung der Cyclostomen mit den übrigen Knorpelfischen noch den nützlichsten Gebrauch machen und den Bau des Schädels der 4mmocoetes als Schlüssel zu der Vergleichung des einfachsten Zustandes des Schädels mit dem einfachsten Zustande des Rückgraths anwenden können. Capitel IV. Vergleichung des Schädels der Cyclostomen mit dem Rückgrath der- selben und mit dem Schädel der Embryonen der höheren Thiere. Die Vergleichung des Schädels mit der Wirbelsäule ist, nachdem der geniale deutsche Arzt J. P. Franck zuerst die Idee von der Ähnlichkeit die- ser Theile hingeworfen, jetzt von Vielen mit mehr und weniger Erfolg so durchgeführt worden, dafs diese Analogie jetzt schon sehr viel Licht in die comparative Osteologie gebracht. Diese Analogie ist freilich von mehreren deutschen und ausländischen Naturforschern sehr übertrieben und bei einigen zu einem Thema für willkührliche Variationen geworden. Ohne den Wirbel für das einzige Element zu halten, dessen sich die Natur bei der Zusammen- setzung des Skeletes der Wirbelthiere bedient, worin viele andere Theile vor- kommen, mufs man indefs anerkennen, dafs auch der Schädel an der Wir- belbildung Antheil nimmt und dafs bei den Säugethieren theils im jungen, theils noch im erwachsenen Zustande sehr gut sich die Bestandtheile von 3 Wirbeln nachweisen lassen, deren Basilartheile bekanntlich das os basllare oceipitis und der erste und zweite Keilbeinkörper sind. Diese Untersuchun- gen sind nur zum Theil erschöpft. Die bleibende Urbildung des Rückgraths bei den Cyelostomen und die vorübergehende Ausbildung desselben bei den Embryonen der übrigen Thiere, in dem Zustande, wo um die Chorda dor- Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Aa 186 Mürver: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden B salis die Wirbelstücke entstehen, eröffnen uns ein neues Feld für die Ver- gleichung, auf welchem viel sicherer als auf einem andern Wege sich nun entscheiden läfst, was am Schädel Wirbel und nicht ist. Wie weit reicht also, frägt sich, die Chorda dorsalis im Schädel? welche Theile des Schä- dels entstehen an derselben, wie die Wirbelstücke an dem Rückgrath um die Chorda dorsalis? Aus den vorhergehenden Beobachtungen ergiebt sich, dafs die Chorda dorsalis bei den Cycelostomen sich als ein zugespitzter Kegel in die Basis cranii fortsetzt. Dieser Kegel reicht mit seiner Spitze bei den Cyclostomen bis etwa in die Hälfte der Schädelbasis hinein. Die Hirncapsel ist die erweiterte Fortsetzung der Rückenmarkscapsel und ist auch am Schä- del eine rohrförmige Entwickelung aus der äufsern Scheide der Chorda dorsalis. Diese Capsel überragt mit ihrem vordern blinden Ende die Spitze der Chorda dorsalis um die Hälfte der ganzen Länge der Schädelbasis. Es liegt sehr nahe vorauszusetzen, dafs die knorpeligen Elemente der Körper der Schädelwirbel aus der äufsern Scheide der kegelförmigen Chorda dor- salis des Schädels gerade so wie am Rückgrath aus getrennten Hälften entste- hen und dafs die knorpelige Capsel des Gehirns, Seitenwände und Gewölbe ebenso durch Verknorpelung der dem Rückenmarksrohr analogen, fibrö- sen Gehirncapsel entstehen, gerade so wie die knorpeligen Bogenschenkel am Rückgrath aus dem fibrösen Rückenmarksrohr entstehen. Diese Idee wollen wir jetzt prüfen und zuerst von dem Embryonenzustande des Schä- dels ausgehen. Von Baer hat zuerst gezeigt, dafs sich die Chorda dorsalis der jüng- sten Vogelembryonen vorn, wo sich der Schädel ausbildet, knopfförmig en- det. Neuerlichst drückt sich v. Baer zweifelhaft darüber aus, ob das Kopf- ende der Chorda dorsalis beim Vogelembryo spitz oder knopfförmig ur- sprünglich endige. Er sah in den Embryonen der Cyprinus- Arten und des Barsches die Wirbelsaite sich mit einer Spitze enden, was Rathke bereits an den Embryonen des Blennius viviparus beobachtet hatte. Später sei auch beim Vogelembryo an der Wirbelsaite vorn eine Spitze, und da er jenes Knöpfchen beim Hühnchen nur ein paarmal deutlich gesehen habe, so möge es rasch vorüber gehen oder vielleicht eine abweichende Bildung gewesen sein(!). Da iich den in der Basis cranii steckenden Theil der Chorda auch (') Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte der Fische. Leipzig 1835. p.36. der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 187 bei den Froschlarven spitz sehe, so scheint er mir in der Regel spitz zu sein. Rathke hat nun beim Embryo des Schleimfisches das Verhältnifs der Chorda dorsalis zur Ausbildung des Schädels wesentlich aufgehellt. ,‚Von den Schädelknochen des Schleimfisches entsteht zuerst der Grundtheil derselben. Er erscheint ursprünglich als eine unmittelbare Verlängerung des Wirbel- stammes, zeigt ursprünglich dieselbe Beschaffenheit und nimmt auch einen ähnlichen Entwickelungsgang wie dieser. Denn allmählich und während er sich rasch in die Länge ausdehnt, dabei aber nach vorn sich zuspitzt, son- dert er sich zuvörderst in Scheide und Kern, und später sich dann die Scheide (wohl nur die äufsere Scheide) in drei verschiedene Glieder, von denen nun am Schlusse der ersten Periode das hinterste nicht viel länger als das daran grenzende Glied des Wirbelstammes ist, das vorderste aber und dünnste eine sehr viel gröfsere Länge hat, und das mittelste auch in Hinsicht der Gröfse zwischen beiden das Mittel hält. Aus dem so eben beschriebenen und verhältnifsmäfsig sehr kleinen Grundtheile wachsen alle übrigen Theile des Schädels hervor: sie alle jedoch erscheinen selbst am Ende der ersten Periode nur als ein einfaches, mit dem Grundtheile verschmolzenes, sehr zartes, durchsichtiges und mit diesen eine mäfsig tiefe und unregelmälsig ge- formte Schaale oder Capsel darstellendes, fibröses Blatt, das je weiter nach oben, um desto dünner ist. An den Seitentheilen dieser Capsel erscheint schon sehr frühe und in einer ziemlich grofsen Ausdehnung eine blasenför- mig nach aufsen gehende Auftreibung, und in der verhältnifsmäfsig grofsen Höhle dieser Blase erzeugen sich die Gehörwerkzeuge.” (1). In der Be- schreibung der zweiten Entwickelungsperiode, von der Enthüllung des Em- bryo bis zur Geburt (?), fährt Rathke fort: ‚,Einen ähnlichen Entwicke- lungsgang, als die Körper der Wirbelbeine, nimmt auch der Grundtheil des Schädels, insofern seine fibröshäutige Scheide verknöchert und auf Kos- ten des eingeschlossenen Kernes (Chorda dorsalis) immer dicker wird. Doch sondert sich dieser Theil niemals in mehrere auf einander folgende Glieder, sondern bleibt stets einfach, obschon er allmählig sich nicht unbedeutend verlängert, auch erhält er nirgends eine ringförmige Einschnürung, sondern erscheint fortwährend als ein Kegel, dessen Basis an die Wirbelsäule angrenzt, (') Abhandl. zur Bildungs- und Entwickelungsgeschichte II. Leipz. 1833. p. 22. (2) Ebend. p. 4. Aa2 188 Mürzer: /ergleichende Anatomie der M yxinoiden, und es wird dieser Kegel im Verlaufe des Fruchtlebens, indem er mehr an Länge, weniger an Dicke gewinnt, immer mehr in die Länge ausgezogen und zugespitzt. Noch vor der Mitte der zweiten Entwickelungsperiode verknö- chern auch die Seitentheile und der obere Theil der fibröshäutigen Capsel u.s.w. — Der Vomer ist nicht eine unmittelbare Verlängerung des Grund- theils des Schädels oder überhaupt der Chorda dorsalıs, sondern entsteht vor dieser aus der für den Gesichtstheil bestimmten Wucherung des Schleim- stoffes, erscheint als ein sulzig knorpeliger Faden, erhält niemals eine solche Zusammensetzung aus Kern und Scheide, wie die Rückensaite, und die Ver- knöcherung geht in ihm nicht von der Peripherie, sondern von der Achse aus. Vor seiner Verknöcherung grenzt er an das vordere Ende des Grund- theils des Schädels, nach dem Beginne der Verknöcherung aber und bei vor- schreitender Entwickelung wächst er nach hinten in zwei Schenkel aus, die sich an die untere Fläche des Grundtheiles des Schädels anlegen.” Diese kostbaren Beobachtungen von Rathke beweisen offenbar, dafs die Ansicht derjenigen unrichtig ist, welche mehr als drei Schädelwirbel an- nehmend, den Vomer mit dem os ethmoideum oder noch anderen Theilen als vordersten Schädelwirbel ansehen. Dagegen stimmt die Theilung des Basilarkörpers des Schädels in 3 Wirbelkörperstücke bei jungen Säugethie- ren und dem Foetus derselben, nämlich in das os basılare oceipitis, in den hintern und vordern Keilbeinkörper ganz mit Rathke’s Beobachtungen über die Entstehung von 3 hinter einander liegenden Körpern an dem Kopftheil der Chorda dorsalis beim Schleimfisch überein. Die paarige Anlage der ersten Rudimente der Basilarstücke des Schä- dels an der Chorda dorsalis bei den Fischembryonen kennen wir noch nicht. In späterer Zeit ist der Basilartheil des Schädels allerdings einfach, dasselbe gilt vom knöchernen Basilartheil des Schädels bei den Froschlar- ven. Doch mufs man wieder bedenken, dafs hier wie bei der Wirbel- säule die Entstehung der Wirbelstücke als Knorpel von ihrer Össification ganz verschieden ist. Rathke’s Beobachtungen deuten nicht an, dafs die ursprünglich weichen Rudimente der Wirbelstücke an dem Schädeltheil der Chorda dorsalis auch in der Mittellinie halbirt entstehen, wie es an der Wirbelsäule sowohl durch die Entwickelungsgeschichte, als den Zustand der Wirbelsäule des Störs und der Chimaera gewils ist. Bei den Cyclo- 5 stomen läfst sich aber der Beweis führen, dafs die halbirte Anlage der Ele- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 189 mentartheile des Schädels an der Chorda dorsalis hier selbst perennirend werden kann. Bei den Cyclostomen und beim Stör bleibt der vordere Theil der Gal- lertsäule des Rückgraths durchs ganze Leben in die Basis cranii eingepflanzt. Dieser zugespitzte Theil der Gallertsäule liegt im hintern Theile der Basis cra- nii. Beim jungen Stör sehe ich, dafs er bis fast in die Hälfte der Basis reicht. Bei Petromyzon ist es ebenso Tab.IV, Fig.1. Bei den Myxinoiden ist er wenig kürzer; siehe Tab.IV, Fig. 11. von My.xine glutinosa. Der Schädel der Cyelo- stomen gleicht durch das Vorhandensein der Gallertsäule dem Rückgrath; er gleicht ihm aber auch in der Formation der Gehirncapsel. Das auf die Gal- lertsäule aufgesetzte häutige Rohr für das Rückenmark ıst auch am Schädel vorhanden; es ist hier die bei /mmocoetes ganz fibröshäutige Hirncapsel. Beide Haupttheile der Wirbelsäule wiederholen sich also am Schädel; es ist nur der Unterschied, dafs die Gallertsäule im Schädel von hinten nach vorn verkümmert, während das obere Rohr als Hirncapsel sich mehr entwickelt und über das Ende der Gallertsäule hinausragt. Aber selbst die Basilartheile des Schädels bleiben bei den niedersten Wirbelthieren getheilt zu den Seiten der Chorda dorsalis liegend. Der Schä- del des 4nımocoetes branchialis giebt uns den Beweis dieser schönen Überein- stimmung in den Bildungsgesetzen der Wirbelsäule und des Schädels, von der man bisher nur unvollständige Analogien kannte. In der That sehen wir bei Ammocoetes zur Seite des spitzen Endes der Gallertsäule statt einer ein- fachen, dies Ende verhüllenden basilaren Knorpelplatte, wie bei Petromyzon und den Bdellostomen, zwei ganz getrennte Knorpelstücke, zwischen welche sich die Spitze der Gallertsäule hineinschiebt. Siehe Tab.IV, Fig.7. Diese Rudimente der knorpeligen Basis, auf welchen die Felsenbeine, nämlich die Gehörblasen ohne Trennung aufsitzen, sind offenbar die noch getrennten Stücke des pars basilaris cranü und die Wirbelelemente des Schädels, nämlich sowohl des Hinterhauptbeins als Keilbeins der höheren Thiere. Diese Stücke laufen vorn in lange flügelartige Fortsätze oder Arme aus, die dann nicht mehr an der Basis cranii anliegen, sondern die unter der Basis liegende Gau- menplatte einschliefsen und sich vor ihr vereinigen. Bei Myxine glutinosa sind auch die Basilartheile sowohl in der obern als untern Mittellinie unver- einigt, und haben das spitze Ende der Chorda dorsalis zwischen sich; unten sind sie indefs schon bis zur Verwachsung genähert und bei Bdellostoma ist 190 Müruen: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden, die Verwachsung in der obern und untern Mittellinie vollendet, so dafs das spitze Ende der Chorda in einer Höhle der knorpeligen Basis steckt. Dafs die halbirten Basilartheile der 4mmocoetes dieselben Stücke sind, welche bei einigen Knorpelfischen als halbirte Wirbelkörper an der Gal- lertsäule vorkommen, sieht man deutlich bei Petromyzon marinus, wo zwar der Basilartheil nicht halbirt, wo er aber die von einander getrennten Knor- pelstreifen 7” lang über die untere Fläche des Anfangs des Gallertrohrs schickt (Tab.IV, Fig.3.). Diese Streifen sind in ihrer Länge nicht voll- ständig zusammenhängend und zeigen schon eine Neigung zur Abtheilung. Bei den Petromyzen und Bdellostomen haben die beiden Basilartheile der 4m- mocoetes sich schon zu einem einfachen Basilare vereinigt, das bei Petromyzon sich hinten gabelig theilt, um die erwähnten Knorpelstreifen über den Anfang der Wirbelsäule abzugeben. Beim Stör sehen wir ein ähnliches Verhältnifs wie bei Petromyzon. Hier liegt ein unpaarer Basilarknochen an der Basis des sonst auch unten knorpeligen Schädels, der sich hinten über den Anfang der Wirbelsäule fortsetzt, so weit er die Basis cranii bedeckt, unpaarig ist, so weit er aber die Gallertsäule des Rückgraths bedeckt, in 2 Schenkel getrennt ist. So weit das spitze Ende der Gallertsäule des Rückgraths bei den Cy- clostomen in den Schädel hineinreicht, so weit, und nicht weiter, geht auch die knorpelige oder knöcherne Basis. Der übrige Theil der Basis cranii ist bei den Ammocoetes, Petromyzen und Myxinoiden blofs häutig; es ist die untere Wand der Gehirncapsel, die der untern Wand des fibrösen Rohrs für das Rückenmark entspricht. Die Gehirncapsel zeigt weniger Neigung zur Verknöcherung, am wenigsten an der obern und untern Seite. Dies ist also die einfache Ursache, warum der vordere Theil der Schädelbasis bei den Ammocoetes, Petromyzen, Myxinoiden häutig ist. Was nun die Hirncapsel insbesondere betrifft, so entwickelt sie sich aus der Scheide des spitzen Endes der Gallertsäule, wie das Rückenmarks- rohr, die Fortsetzung der Hirncapsel, aus der Scheide der Gallertsäule. Dies sieht man deutlich bei den 4mmocoetes und Myxinoiden. Bei den ver- schiedenen Gattungen der Cyclostomen zeigt sich diese Capsel in verschie- denen Zuständen der Verknorpelung. Sie ist bei den 4mmocoetes am ein- fachsten, in ihrem ganzen Umfange häutig. Bei den Myxinoiden ist diese Capsel lederartig, indem sie schon einige Knorpelsubstanz in sich aufgenom- men hat; aber der vordere Theil der Basis ist noch ganz häutig. Bei den der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 191 Petromyzen verknorpeln die Seitenwände stärker und auch der hintere obere Theil der Capsel, sonst bleibt der Schädel im untern vordern und obern vordern Theil durch fibröse Haut geschlossen. Der verknorpelte Boden der Capsel über der Chorda verschmilzt bei den Petromyzen wie beim Stör mit der Knorpelmasse unter der Chorda. An dem Rückenmarksrohr der Petro- myzen an dessen äulserer Wand befinden sich zwar auch schon ossificirte Bo- genschenkel. Diese Schenkel fliefsen aber nicht mit Basilarstücken der Wir- belsäule zusammen, denn diese letzteren fehlen bei den Petromyzen wie bei allen Cyclostomen. Nur bei den Stören und Chimaeren kommen sich die Bogenschenkel des Rückenmarksrohrs und die Basilarstücke entgegen, aber die Verwachsung dieser Theile zu einem Stück geschieht am Anfang an der Wirbelsäule, wie am Schädel der Bdellostomen, Petromyzen und Störe. Vergleichen wir nun die Hirncapsel des Störs mit derjenigen der Cy- clostomen, so finden wir ganz ein ähnliches. Vorerst müssen wir von allen Hautschädelknochen des Störs absehen, welche als knöcherne Schilder den knorpeligen Schädel selbst von aufsen bedecken und unsichtbar machen. Dieser knorpelige Schädel hat nur an der Basis eine Verknöcherung, welche die vereinigten Körper des Hinterhauptsbeins und Keilbeins vorstellt, nach hinten sich gabelig über den Anfang der Wirbelsäule an der untern Fläche desselben verlängert (wie bei Peiromy'zon der Basilarknorpel) und zu den Sei- ten in die grofsen Flügelfortsätze ausläuft, die auch bei den Cyclostomen vor- handen sind (Tab.IX, Fig. 10.). Dieser Knochen unterscheidet sich von dem Basilarstück der Petromyzen und Myxinoiden nur durch den langen vordern Fortsatz oder die dem zweiten Keilbeinkörper der höheren Thiere entspre- chende Verlängerung bis in den knorpeligen Vomer, die bei den Cyelostomen ganz fehlt und wodurch sich der Stör schon an die Knochenfische anschliefst. Merkwürdig ist nun aber, dafs dieser Basilarknochen nicht die ganze Dicke der Basis des Schädels einnimmt, sondern wie der Keilbeinkörper der Froschlar- ven nur eine aufgelegte Ossification der äufsersten Schichte der sonst knor- peligen Basis ist. Diese Sonderbarkeit läfst sich folgendermafsen deuten. Wir sehen, dafs die Gallertsäule des Rückgraths der Cyclostomen von einer äufsern fibrösen Haut umgeben wird, welche oben in das fibröse Rückenmarksrohr auswächst. Diese fibröse Haut ist der Sitz der Verknöcherungen, sowohl unten als oben; in ihr entwickeln sich bei den Petromyzen oben seitlich die knorpeligen Bogenrudimente und unten, wenigstens am Anfang des Rück- 192 Mürrer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, graths, knorpelige Streifen. Denken wir uns nun diese fibröse Haut des Rückgraths und ihre Fortsetzung als Hirncapsel knorpelig statt fibrös, wie das Fibröse dem Knorpeligen in der That immer vorausgeht, und lassen wir dies Verhältnifs am Schädel des Störs sich wiederhohlen, so haben wir die Spitze der Gallertsäule an der Basis cranii von Knorpel rings umgeben und in eine knorpelige Hirncapsel ohne weiteres übergehend. So ist es beim Stör. Wenn wir nun an der untern Fläche der knorpeligen Hirncapsel einen Aufsatz von Knochensubstanz finden, so ist dies hier dasselbe, als wenn wir an der untern Fläche der die Gallertsäule des Petromyzon umgebenden fibrö- sen Haut Knorpelstreifen (am Anfang des Rückgraths) sich entwickeln sehen. Zuerst ist das Skelet fibrös; dieses setzt Knorpel auf, oben und unten. Am Schädel des Störs verknorpelt gleichsam das ganze fibröse obere Rohr in die knorpelige Hirncapsel, aber an dieser setzt sich wieder ein knöchernes Ru- diment von Wirbelkörpern und Flügeln auf, wie sich sonst an der fibrösen Haut des Rückgraths Knorpel aufsetzen. Diese partielle Verknöcherung ist bereits von Herrn v. Baer in sei- nem trefflichen Aufsatz über das äufsere und innere Skelet, Meckel’s Ar- chiv 1526, p.327. sehr gut erläutert und durch andere Beispiele, nament- lich von den Kopfknochen einiger Knochenfische, z.B. des Hechtes, belegt worden, welche hier nur äufserlich verknöchert sind, inwendig aber gegen die cavilas cranü aus blofsem Knorpel bestehen. Am Hecht haben wir den Fall, dafs noch andere Schädelknorpel theilweise ossifieiren, während beim Stör nur die Basis äufserlich ossificirt. Wenden wir uns nun zu den Plagiostomen und Chimaeren, so finden wir zwar keine Össification von Knorpeln, aber der Schädel sondert sich von der Wirbelsäule ab, und bei den Petromyzen immer nur theilweise fest, ist er fast vollständig. Der Schädel ist bei Chimaera verknorpelt bis auf den zwi- schen beiden Augenhöhlen liegenden vordern Theil der Seitenwand der Schä- delhöhle. Im Schädel der Petromyzen giebt es noch fibröshäutige Stellen des vordern obern und vordern untern Theils des Schädels. Bei den Haifischen und Rochen ist nur der vordere obere, selten der mittlere obere Theil des Schädels zuweilen noch fibröshäutig, eine Fontanelle der knorpeligen Hirncap- sel bildend. Die C’horda fehlt im Schädel der Plagiostomen und Chimaeren. Fafst man endlich alles Bisherige zusammen, so ist die Genesis des Schädels bei den einfachsten Wirbelthieren folgende: der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 193 1. Das Primitive ist das spitze Ende des Gallertrohrs des Rückgraths, von fibröser Haut umgeben, welche wie am Rückgrath oben das Rük- kenmarksrohr, hier nach oben die fibröse Hirncapsel abgiebt, die nach vorn um die ganze Hälfte der Schädellänge die Spitze des Gallertrohrs überragt. Diese Bildung ist wohl bei dem Foetus der höheren Thiere vorübergehend. . An der fibrösen Haut des Gallertrohrs im Schädel entstehen paarige [SW knorpelige Rudimente von Basilarstücken, an der Seite in die Felsen- beine (Gehörcapseln), vorn in die Keilbeinflügel auslaufend. Gehirn- capsel noch häutig. 4mmocoetes, Myxine. Foetus anderer Thiere? 3. Verwachsung der paarigen Basilarstücke in ein Basilarstück; anfangende Verknorpelung der Gehirncapsel bis auf ihren untern vordern Theil. Baellostoma. 4. Dasselbe mit vollständiger Verknorpelung der Hirncapsel bis auf ihren untern vordern und obern vordern häutig bleibenden Theil. Petromyzon. 5. Verknorpelung des ganzen Schädels, Chimaeren; bis auf eine vordere obere Fontanelle oder ganz, Haifische und Rochen. Die Spitze der Gallertsäule fehlt im Schädel. 6. Verknorpelung des ganzen Schädels mit Erhaltung der Spitze der Gal- lertsäule im Schädel, und Össification der äufsern Schichte der Basis. Stör. . Verknöcherung der ganzen äufsern Schichte des Schädels, mit Abthei- lung der Schädelknochen durch Näthe. Hecht. 5. Verknöcherung des Schädels in der ganzen Dicke, mit Abtheilung der Schädelknochen durch Näthe. Die übrigen Wirbelthiere. Die Übereinstimmung des Urzustandes des Schädels mit dem Urzu- stand der Wirbelsäule würde vollständig sein, wenn man eine Beobachtung vom Embryo eines Fisches hätte, wo an der Gallertsäule des Schädels ebenso zwei in der Mittellinie getrennte Basilarstücke und an der obern Seite zwei in die Wände der Hirncapsel übergehende obere Wirbelstücke ansitzen, wie am Rückgrath der Störe und Chimaeren. Wir kennen diesen primitiven Zustand am Schädel, ohne seitliche Verschmelzung der paarigen oberen und unteren primitiven Wirbelstücke nicht. Vielleicht findet er beim Embryo der Petromyzen, vielleicht auch bei anderen Fischen ursprünglich statt. Bei den Ammocoetes und Myxinen fehlt blofs zwischen dem untern und obern Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Bb SI 194 Mürren: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, Theil des an der Chorda des Schädels anliegenden Knorpels die seitliche Nath; die Trennung in der Mittellinie ist oben und unten vorhanden. Der Anfang des Rückgraths der Chimaeren, Störe, Bdellostomen und Petromyzen scheint indefs zu beweisen, dafs die Genesis des Schädels ganz dieselbe wie die der Wirbelsäule ist und dafs seine Wirbel aus 4 Elementen um die Chorda entste- hen, wovon die zwei oberen in die Seitenwände der Gehirncapsel auswachsen. Diese 4 Elemente sind an der Chorda dorsalis der Störe und Chimaeren vor- handen, vorne nähern sie sich und bilden durch Verschmelzung an den Seiten eine Capsel um die Gallertsäule, die beim Stör nur noch über und unter der Gallertsäule getheilt ist; und diese Capsel geht ununterbrochen beim Stör in den Schädel über, der sich vom Anfang des Rückgraths nur unterschei- det, dafs auch die obere und untere Trennung verschwunden sind. Bei Pe- tromyzon marinus sind dicht hinter dem Schädel auch noch die 4 Elemente getrennt vorhanden, oben die oberen Wirbelstücke, die am ganzen Rück- grath vorkommen, unten die unteren Wirbelstücke, die als doppelte Ver- längerungen der Basis cranii nur ganz am Anfang des Rückgraths vorkom- men. Bei Adellostoma fehlen die oberen und unteren Stücke am Rückgrath; nur dicht hinter dem Schädel liegt unter dem Anfang der Gallertsäule ein vom Schädel getrennter zweilappiger Knorpelkern in der äufsern Scheide der Gallertsäule. Die seitliche Verschmelzung von 4 primitiven Wirbelele- menten und ihre Trennung in der obern und untern Mittellinie der Chorda, die wir bei den Stören am Anfang des Rückgraths antreffen, ist bei Myxine und #/mmocoetes am Schädel selbst vorhanden. Bei Bdellostoma und Petro- myzon schwindet auch die obere und untere Nath und die Schädelbasis ist ein einziges Stück, worin die Spitze der C’horda dorsalis steckt. Die bei den Petromyzen schon ganz knorpeligen Seitenwände der Gehirncapsel sind da- her höchst wahrscheinlich als Verlängerungen der oberen primitiven Wirbel- elemente zu betrachten, wie sonst die primitiven (nicht die ossifieirten Bo- genschenkel) am Rückgrath der Thiere Verlängerungen der oberen primiti- ven Wirbelelemente sind. Dafs sich die Bildung der primitiven Elemente des Schädels (die von den secundären ossificirenden verschieden sind) bei den höheren Thieren constant auf dieselbe Weise verhalte, ist sehr zu bezweifeln, da sich Varia- tionen des Grundschemas an der Wirbelsäule finden. Bei mehreren Batra- chiern, wie Cultripes provincialis, Rana paradoxa, entstehen die Wirbelkör- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 195 per des Rückgraths nur aus den oberen primitiven Wirbelelementen. Ich fand zwar bei der Larve der Rana paradoxa am untern Umfang der Chorda dorsalis eine besonders hinten vor der Ossihication des Steifsbeingriffels ganz ansehnliche Knorpelleiste, die sich dünner bis in die Hälfte der spätern Wirbelsäule des verwandelten Thieres am untern Umfang der Chorda fort- setzte. Diese Knorpelleiste war nicht paarig, sondern in der Mittellinie gerade am dicksten. Am Schwanztheil der Chorda verdünnte sie sich bis zum allmähligen Verschwinden, so dafs die die Schwanzgefäfse umgebenden unteren Bogen blofs fibröse Productionen der äufsern Scheide der Chorda wurden. Allein diese untere Knorpelleiste an der Chorda der Larve von Rana paradoxa geht am gröfsern Theile des Rückgraths ganz verloren und es verknöchert blofs ein Theil davon zum Basilarstück des Steifsbeins, welches Duges gleichwie die beiden Wirbel des Steilsbeins über der Chorda kannte. Der Basilarknochen ist nicht Wirbelkörper, sondern verwächst später mit dem untern Umfang der Wirbel des Steifsbeins. Bei diesen Fröschen ist das Steifsbein der einzige Theil, der aus oberen und unteren Wirbelelementen zugleich entsteht; alle übrigen Wirbel entstehen bei Cultripes und Rana paradoxa blofs aus den oberen primitiven Wirbelelementen, indem sie sich in Bogenstücke und Körperstücke bei der Össification theilen. Nur das Steilsbein enthält bei jenen Fröschen zwischen seinen Össificationen die Chorda ganz eingeschlossen, indem es aus 2 Paar Wirbeln und einem langen Basilarstück zusammengesetzt wird, wovon sich die Nath der oberen und unteren Elemente, selbst an der ausgewachsenen Rana paradoxa, wie ich sehe, noch erhält und nicht ossificirt ist. Solche Varietäten mögen auch in der primitiven Bildung des Schädels der höheren Thiere vorkommen. Wie die primitiven unteren Wirbelstücke der Rana paradoxa nicht paarig sind, sondern einen einfachen Knorpelstrei- fen darstellen, so kann auch das primitive untere Wirbelstück am Schädel möglicher Weise bei irgend einem Wirbelthier unpaarig sein; und wie die Wirbelkörper jener Frösche am gröfsten Theil des Rückgrath (mit Ausnahme des Steifsbeins) nur aus den oberen Wirbelelementen entstehen, so kann es auch bei irgend einem Wirbelthier am Schädel geschehen, so dafs die Chorda des Schädels in einer Rinne der Schädelbasis unten liegen bliebe. Doch ist diese Bildung nicht gerade dem Schädel der froschartigen Thiere eigen. Denn die Spitze der Chorda wird hier, wenn auch nicht von der Össification Bb2 196 Mürrer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, des basilare oceipitis, welches bei den meisten Fröschen, wie Duges gezeigt, knorpelig bleibt, aber doch vorn von dem basılare sphenoideum gedeckt. Uber den Zustand des Schädels der Froschlarven, wo noch ein Theil der Chorda in seiner Achse ist, sind bis jetzt gar keine Beobachtungen vor- handen gewesen. Man kann indefs bei einem Querdurchschnitt der Basis des Schädels einer Froschlarve, die noch keine Füfse hat, leicht sich über- zeugen, dafs die Achse der Basis etwas von der Chorda enthält; sie ist, wenn auch viel dünner als die Chorda dorsalis am Rückgrath, doch eine Fortset- zung der letztern und doch hinten so dick als die Basis cranii überhaupt. Sie theilt daher anfangs die Basis cranii in zwei Seitentheile. Schon aufsen sieht man die Achse durchsichtiger, auf dem Durrhschnitt der Basis kann man sich aber überzeugen, dafs die Achse viel weicher als die schon knorpeli- gen Seitentheile ist. Durch die Verwachsung dieser Seitenstücke, die nicht blofs den späteren Bogentheilen der Wirbel entsprechen, entsteht erst eine einfache Basis, die mit den Seitenwänden des Schädels ein gemeinsa- mes Stück ausmacht; dies theilt sich erst jetzt wie an der Wirbelsäule in ossificirende Bogentheile oder Seitenwände und ossificirende Basilartheile. Össificirende Seitentheile werden dann z.B. die occipitalia lateralia, ossifi- cirender Basilartheil ist bei den Fröschen in der Regel nur das basilare sphe- noideum, indem bei vielen Fröschen das basilare occipitale knorpelig bleibt und aufsen nicht gesehen wird. Das basilare sphenoideum erscheint als eine auf der untern Fläche der knorpeligen Basis, in der Mittellinie entstehende, dünne, lange und schmale Össification, die ich einfach und nur vorn in der Mitte getheilt sche. Über die erste Bildung des Schädels bei den Säugethieren und Vögeln haben wir gar keine Beobachtungen. Man kennt nur den secundären ossificirenden Zustand, wo dann das basilare occipitale beim Menschen einfach, der hintere Keilbeinkörper nach Meckel paarig ist, wie ich ihn noch nicht gesehen. Der vordere Keilbeinkörper der Säugethiere entsteht, wie ich sehe, aus ei- nem lange knorpelig bleibenden Stück, über welchem die kleinen Flügel eine im Innern des Schädels sichtbare, viel stärkere Commissur in der Mit- tellinie bilden. Jedenfalls müfsten die Beobachtungen über die primitiven Elemente des Schädels der Säugethiere und Vögel aus der allerfrühsten Zeit sein. Man kann wenigstens den Knorpelzustand der Säugethierfoetus nicht mit dem der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 197 perennirenden Knorpelzustand der einfachsten Wirbelthiere vergleichen, sondern das Ähnliche der Formen und Elemente der letzteren ist in dem noch zarten, nicht einmal verknorpelten Zustand des Skelets der höheren Thiere zu suchen, wo es noch aus zartem Bildungsstoff besteht. Duges, der uns so schöne Aufschlüsse über das Skelet der Batra- chier gegeben und der sehr gut wufste, dafs die Chorda dorsalis, die er Knor- pelsäule nennt, der Össification ganz fremd bleibt, stellt dies Verhalten mit dem des Schädelknorpels der Frösche zusammen, an welchem nach seinen Beobachtungen ein Theil der Knochen, unter andern z.B. das corpus sphe- noideum, nicht durch Össification des Knorpels entstehen, sondern durch Entwickelung einer Össification auf dem Knorpel. Diese Vergleichung der Schädelknorpel und der C’horda dorsalis ist aber gewifs nicht glücklich. Mit jenem Verhalten der Chorda parallelisirt Duges auch das Verhalten der Bo- genschenkel der Wirbel bei der Froschlarve, welche aufsen herum röhren- förmig ossifieiren. Hier waltet offenbar ein Mifsverständnifs ob. Die Chorda dorsalis enthält zu keiner Zeit und bei keinem Thier Knorpelgewebe, wie früher gezeigt wurde. Übrigens mufs, wenn sich auf einem wahren Knorpel eine Össification bilden soll, diese auch vorher ihre knorpelige Grundlage haben; denn eine Össification ohne Knorpel würde nur eine Anhäufung von Kalksalzen und noch nicht Knochen sein. Dies ändert aber nichts in den trefflichen und höchst schätzbaren Beobachtungen von Duges. Capitel V. Von den Labialknorpeln der Knorpelfische. Nicht blofs mehrere der Cyclostomen, wie die Petromyzen und My- xinoiden, haben eigenthümliche, den Mund umgebende Knorpel; diese kom- men auch, mit Ausnahme der Rochen, Störe und Polyodon, bei den ande- ren Knorpelfischen, den Haifischen und Chimaeren vor. Sie sind wohl von dem Kiefergerüste zu unterscheiden; letzteres ist bei den Haifischen und Ro- chen beständig und besteht zum wenigsten aus den zahntragenden oberen und unteren starken Knorpelleisten, die dem Ober- und Unterkiefer ähnlich, an dem (Juadratbein aufgehängt sind. Erstere, die Labialknochen, sind unbe- ständig und kommen nur bei den Chimaeren und einzelnen Gattungen der Haifische vor. 198 Münzen: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden, Diese Knorpel waren bereits Cuvier und Kuhl, und unvollständig Rosenthal bekannt; Anderen sind sie unbekannt geblieben, weil sie un- vollständige, nicht selbst verfertigte Skelete untersuchten, wie denn die Ske- lete der Haifische und Rochen in den Sammlungen in der Regel unvoll- ständig und unzuverlässig sind. Cuvier erwähnte sie in seiner Abhand- lung über die Zusammensetzung des Oberkieferapparates der Fische, Mem. du mus. d’hist. nat. Tom.l. Kuhl beschrieb und bildete sie ab von Squa- tina laevis, Beitr. zur Zool. und vergl. Anat. Frft. 1820. p.184. Tab. VIH. Meckel erwähnt sie im System der vergleichenden Anatomie II, 1. p.321. und nennt sie Nebenstücke der Zahnknorpel; Carus bildet sie von Squalus Centrina in seinen Erläuterungstafeln zur vergleichenden Anatomie Heft II, Tab. IH, Fig. 15. ab. Bei Squalus galeus erwähnt Kuhl wenigstens das obere; bei Squalus catulus (Scyllium catwus Cuv.) erwähnt Meckel zwei, wie ich auch bei Se. catulus und Mustelus communis fand. Sie liegen im Mundwinkel unter der Haut, ein oberes und ein unteres, die im Mundwinkel unter einem Winkel aneinander stofsen. Bei Syuatina laevis und Squalus griseus (Notidanus gri- seus Cuv.) fand Meckel drei. Carus fand drei bei Centrina. Ich bilde sie in Tab. V, Fig. 5.6. von Squatina laevis ab. Cuvier erwähnt unrichtig nur zwei; ich fand drei bei Centrina, bei mehreren Spinax und bei Syua- tina. Sie liegen ebenso wie bei Mustelus, nur dafs vor dem obern der bei- den Mundwinkelknorpel parallel mit diesem noch ein dritter liegt, der nicht bis zum Mundwinkel reicht. Sie reichen weder zur obern Mittellinie an dem obern Zahnknorpel, noch zur untern Mittellinie am Unterkiefer. Bei Zygaena malleus fand ich nur ein überaus kleines Knorpelchen oben; ich ‘suchte sie vergebens bei Pristis, Carcharias. Bei den eigentlichen Rochen sind sie nach Meckel’s und meinen Untersuchungen nicht vorhanden. Ich habe sie in den Gattungen Raja, Trygon, Rhinobates, Cephaloptera, My- liobates vergebens gesucht; doch besitzt Rhinoptera (nicht der verwandte Myliobates), wie ich fand, 2 dünne, platte, weiche, riemenförmige Mund- winkelknorpel, einen obern und untern, wovon der eine am äufsern Theil des Oberkiefers nahe am Zahnrande, der andere am äufsern Theil des Unterkiefers befestigt ist, welche in einem Winkel schief nach auswärts gegen einander gerichtet sind und in der Haut des Mundes liegen. Siehe Tab. IX, Fig. 12x y. Die eigentlichen Torpedines haben sie auch nicht; der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 199 dagegen hat sie Henle in der von ihm aufgestellten Gattung von Zit- terrochen, Narcine (Torpedo brasiliensis), die sehr merkwürdige Skeletver- hältnisse besitzt, gefunden. Henle, Narcine eine neue Gattung electri- scher Rochen. Berlin 1834. Hier sind sie doppelt, ein oberer und unterer, und liegen unter der Haut der Mundwinkel. Siehe Tab. V, Fig.3.4. c Ober- kiefer, d Unterkiefer, f oberer, g unterer Labialknorpel. Von diesen Knor- peln mufs die Deutung des obern und untern Zahnknorpels der Haifische und Rochen ausgehen und sie sind überhaupt der Schlüssel sowohl zu der so problematischen Bedeutung dieser Kiefer, als der Mundknorpel aller Knorpelfische. Rosenthal nannte sie ohne Gründe ganz unpassend Joch- knorpel. Cuvier hat sie schon in seiner berühmten Abhandlung zur Deu- tung des Kieferapparates der Knorpelfische benutzt; aber indem er eine zu kleine Anzahl von Thatsachen vor sich hatte, ist er, wie ich nun zeigen kann, zu unrichtigen Resultaten gelangt. Bekanntlich war er zu dem Schlufs gekommen, dafs den Haifischen und Rochen ein Oberkiefer und Zwischen- kiefer ganz fehle und dafs der obere Zahnknorpel derselben, der wie der Unterkiefer, durch Vermittelung des letztern am Quadratknorpel aufgehängt ist, nichts anderes als das Gaumenbein, verbunden mit dem äufsern und in- nern Flügelfortsatz der Knochenfische sei, dafs das Kiefergerüst dieser Thiere nur aus dem Gaumenbein und Unterkiefer bestehe. Diese auf den ersten Blick blendende Ansicht, die auch Kuhl theilte und die Cuvier auf die Störe, den Polyodon und die Chimaeren ausdehnte, stützte er auf die Entdeckung der Labialknochen, wovon er die oberen bei Squatina für Oberkiefer und Zwischenkiefer ansah, während er sich um den untern nicht kümmerte. Bei den Rochen stelle ein kleiner, in der Substanz der Nase befindlicher Knor- pel den Zwischenkiefer, ein anderer, der vom äufsern Rande der Nasen- grube zur Brustflosse reicht, den Oberkiefer dar (!). Bei Polyodon liege das Oberkieferbein neben dem Gaumenknochen und sei fast so lang als die- ser. Die Schnautze der Störe bestehe aus den die Decke bildenden Gau- (') Die Nasenflügelknorpel der Rochen gehören gar nicht hieher; sie sind besondere Knor- pel und kommen aulser den Lippenknorpeln auch bei den Haifischen, bei mehreren wie na- mentlich in der Gattung Scyllium, von dem Knorpel der Nasencapsel getrennt vor. Die Schädelflossenknorpel der Rochen gehören auch nicht hieher; sie sind nicht den Lippenknor- peln der Haifische analog, sondern besondere Knorpel; denn sie kommen bei den Nareinen (Torpedo brasiliensis) aulser den Lippenknorpeln vor. 200 Müurer: Yergleichende Anatomie der Myxinoiden, menbeinen, den unbeweglich an ihre Seite gehefteten und den obern Rand bildenden Oberkieferbeinen, dem Unterkiefer und Spuren der Zwischenkie- fer, die in der Lippensubstanz liegen sollen (wo indefs nichts der Art zu fin- den ist). Bei Chimaera sollen die am vordern Schädelende sitzenden Zahn- platten Zähne des Vomer sein; der Oberkiefer sei mit dem Schädel fest und unkenntlich verbunden, am Schädel lenke sich der Unterkiefer ein. Zu beiden Seiten des angeblichen Oberkiefers (Yomer Cuv.) liegen 3 Knor- pelstücke, welche dem Zwischenkiefer, Oberkiefer und Gaumenbogen ent- sprechen. Der gezahnte Lippenring der Petromyzen bestehe aus den zu ei- nem Stück verschmolzenen Kiefern. Den am Lippenring seitlich befestigten, hinten freien Stiel erklärt er als verbundene Schlafschuppe und Jochbein ; das gewölbte Stück über und hinter dem Lippenring (vorderes Mundschild) nennt er Zwischenkiefer, das darüber und dahinter liegende Gewölbe (hin- teres Mundschild), das mit dem vordern Ende des Schädels unter der Nase verbunden ist, nennt er Riechbeinvorsprung des Schädels; das schräge Sei- tenstück erklärt er für den Oberkiefer. In diesen Deutungen hat sich Cu- vier von den Principien, die er so oft mit Erfolg bekämpft, zu etwas küh- nen Folgerungen hinreifsen lassen. Wir haben schon gesehen, dafs wenig- stens der Gaumen der Petromyzen viel weiter nach hinten, unter der Hirn- capsel und dem blinden Nasengaumengang liegt. Meckel nimmt die Sache anders, aber da er den wahren Gaumen der Petromyzen nicht kennt, auch nicht richtig. Den Lippenring hält er für die oben verwachsenen Unterkiefer oder für den mit dem Zwischenkie- fer verwachsenen Unterkiefer, den Seitenstiel für den Oberkiefer, das vor- dere Gewölbe für den Vomer, die Seitenleisten für die Gaumenbeine. Beim Stör nimmt Meckel das vordere Kieferstück für Zwischenkiefer, das hin- tere für Gaumenbein, das unpaare für den Vomer oder die Flügelstücke des Keilbeins. Bei Chimaera nimmt Meckel den zahntragenden Theil des Schä- dels für das Gaumenbein. In Hinsicht der Haifische und Rochen neigt er sich zu Cuvier, während v. Baer mit Recht sein Urtheil wegen Mangel der Beweise suspendirt. Noch andere Deutungen des Kieferapparates der Knor- peltische sind von Spix und Carus aufgestellt worden. Nachdem ich das Geschichtliche angeführt habe, kehre ich wieder zu den Labialknorpeln der Knorpelfische zurück und will nun auf eine über- zeugende Art beweisen, dafs diese Mundknorpel nicht zum gemeinsamen der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 201 Plan des Skelets der Wirbelthiere gehören, sondern den einzelnen Gattun- gen der Knorpelfische eigene, äufserst variirende Theile sind, und dafs Cu- vier’s Ansicht unrichtig ist, wodurch man dann einen Anhaltspunct für die Deutung der Gesichtsknorpel der Petromyzen und Myxinoiden erlangt. Cu- vier’s Deutung hat auf den ersten Anblick etwas Blendendes, da das Maul der Knorpelfische in den meisten Fällen unter der Schnautze und gleichsam am Gaumen liegt. Allein dies ist nichts constantes. Schon bei den Chi- maeren liegt es wenigstens an dem skeletirten Thier am vordersten Theile des Kopfes; die Verlängerung der Schnautze bei Callorhynchus ist nur ein Hautlappen, der von Knorpeln gestützt wird, die nicht in den allgemeinen Plan der Wirbelthiere gehören. Aber selbst in der Ordnung der Plagio- stomen kenne ich einen Fall, wo das Maul am vordersten Theil des Kopfes liegt, und der Unterkiefer mit dem Oberkiefer, der am Rande des Kopfes liegt, ganz vorn ist. Es ist dies eine von den anderen Cephalopteren ab- weichende Cephaloptera, die Herr Ehrenberg mitgebracht hat; sie unter- scheidet sich von den übrigen kopfgeflügelten Rochen nicht blofs durch den eben erwähnten Character, sondern auch durch ihr ungeheures Maul, das bei den anderen breit und eng ist, und die Zahnlosigkeit ihrer obern Kinn- lade, die an dem vordern Rande des Kopfes fest angeheftet ist. Auch bei den Meerengeln Syuatina ist das Maul vorn, obgleich der Oberkiefer sich nicht wie dort innig an den Kopfrand anlegt. Hier ist also das eine Ex- trem, wovon die ungeheuere Verlängerung der Schnautze bei den Pristis und Spatularien und die Ausbreitung des Vorderkopfes in die Breite bei den Zygaenen die anderen Extreme sind. Aber auch die Labialknorpel der Knorpelfische lassen die Cuviersche Ansicht, statt sie zu beweisen, vielmehr entschieden widerlegen. Ich machte mir zur Aufgabe, alle Va- riationen der Lippenknorpel zu studiren, und untersuchte alle Gattungen von Knorpelfischen, die ich habhaft werden konnte, wobei mich Herr Lichtenstein auf das freundschaftlichste unterstützte. Wir besitzen das leider verletzte Skelet der Chimaera monstrosa, das Rosenthal be- schrieben. Bei der Präparation des Callorhynchus fand ich nun, dafs dies letztere Thier von der eigentlichen Chimaera abweicht und aufseror- dentlich merkwürdige Mundknorpel hat, welche die Frage lösen. Siehe Tab.V, Fig. 2. Phys.- mathemat. Abhandl. 1334. Ce 202 Mürrer: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, Aufser dem merkwürdigen Knorpelgerüst, welches den sonderbaren rüsselartigen, aber soliden Hautlappen des vordern Kopfendes stützt (Tab.V, Fig. 2, h,h’) und der sonderbaren Form der zur Nase gehörenden 3 Knor- pelstücke e, f, g, wovon später, hat dies Thier auf jeder Seite 3 obere Mund- knorpel und einen untern unpaarigen Mundknorpel. Zuerst ist der Träger der Mundknorpel und des äufsern Nasenflügels zu nennen (d). Er ist ein etwas gebogener Oylinder, der mit seinem einen Ende am untern Rande der Nasencapsel festsitzt, mit dem andern stumpfen knopfförmigen Ende vor- wärts aufwärts gerichtet ist, und daran ist der äufsere Nasenflügelknorpel e so wie der Lippenknorpel c befestigt. Dieser dreiarmige Knorpel c liegt etwas aufrecht in der Haut der Oberlippe, so dafs der eine längere Arm nach vorn, der zweite nach oben, der dritte nach unten und hinten sieht. An dem letztern Arm hängt nun der dritte oder zweiarmige Knorpel 2, dessen beide Arme einen stumpfen Winkel bilden. Der untere Arm liegt von vorn nach hinten, an ihm hängt endlich durch Band verbunden der unpaarige untere Mundknorpel a. Der Knorpel 5 liegt in der Haut der Seite des Mun- des, unten der untere Mundknorpel a. Dieser liegt wie ein Halsband vor und unter dem Unterkiefer, fast wie ein zweiter Unterkiefer, dem er an Gröfse gleich kommt. Man kann daran die Seitentheile und die mittlere schmale Commissur unterscheiden, obgleich beide ein Stück bilden. Die Seitentheile sind gegen 2 Zoll lang und in der Mitte über 4 Zoll hoch; der obere Rand ist convex; in der Mitte des obern Randes ist die Verbindung mit dem Knorpel 2; der untere Rand ist in der Mitte auch erhaben. Die Commissur beider Seitentheile ist dünner als die Seitentheile und nur 2 Li- nien hoch. Sie bildet den vordern untern Mundrand. Das hintere Ende der Seitentheile ragt weit über den Unterkiefer hinaus und ist spitz. Bei Chu- maera monstrosa sind, nach Rosenthal’s Abbildung zu schliefsen, die obe- ren Lippenknorpel in etwas anderer Form auch vorhanden. Ichthyotomische Tafeln XXVH, Fig.2. Cuvier (') spricht von 3 Knorpeln in der Dicke der Lippe, die er für /ntermazxillare, Maxillare und Palatinum nimmt. Bei Chi- maera monstrosa fehlt also wohl der untere Lippenknorpel des Callorhynchus ganz. Die Existenz dieses zweiten Unterkiefers vor dem wahren Unterkiefer beweist, dafs es ein eigenthümlicher nicht zum Plan der Wirbelthiere gehö- (') Mem. du mus. d’hist. nat. T.I], p- 127. der Cycelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 203 render Knorpel ist; und so mufs es ebenfalls mit den unteren Lippenknor- peln der Haifische und Narcinen sein, und daraus wird wieder wahrschein- lich ja gewifs, dafs die in der Zahl und im Vorkommen so sehr variirenden oberen Lippenknorpel der Knorpelfische, 3 bei Callorhynchus, 3 bei Chimaera, 2 bei Squatina, Centrina, 1 bei Mustelus und Scyllium und bei Narcine seu Tor- pedo brasiliensis demselben System angehören. Daher wir denn auch den Lip- penring der Petromyzen weder für Oberkiefer noch Unterkiefer, sondern für eine wieder eigenthümliche Form von Labialknorpel mit sammt seinen stiel- förmigen Seitenanhängen und dem obern Gewölbe des Mundes halten müs- sen, von welcher Form wieder durchaus die Labialknorpel der Myxinoiden verschieden sind, während sie bei den Ammocoetes ganz fehlen. Daraus folgt wieder, dafs die Cyclostomen unter den Knorpelfischen überhaupt we- der Ober- noch Unterkiefer haben, was von den /mmocoetes schon erwiesen war und von den Myxinoiden von mir schon erwiesen ist; bei denen der Mund unten geradezu von dem Zungenbein geschlossen wird, während bei den Ammocoetes nichts als der Hirnschädel, die Nase und der Gaumenap- parat und nicht einmal ein Zungenbein vorhanden ist. Wenn diese Ansichten richtig sind, so darf es uns nun nicht mehr wundern, warum die Labialknochen so sehr variiren, so dafs sie nicht ein- mal unter den Knorpelfischen, wo sie allein vorkommen, auf einen gemein- samen Typus zurückzuführen sind. Sie variiren, wie alle nicht zum allge- meinen Plan gehörenden Skelettheile, wie es die Natur jedes Thieres erfor- dert und gehören in eine Categorie mit den Rüsselknochen der Säugethiere, den Penisknochen, den Kiemendeckelknochen der Knochenfische, den Kie- mengürtelknorpeln der Petromyzen, Ammocoetes, Haifische, den Beutel- knochen, den Zwergfellknochen und Herzknochen u. s. w. Capitel VI. Von den Kiefer- und Gaumenknochen der Knorpelfische. Wir haben eben gesehen, dafs die Kieferknochen den Cyclostomen feh- len, und dafs sie vom allgemeinen Plane der Wirbelthiere nur den Hirnschä- del, die Nase und den Gaumenapparat besitzen. Aber alle übrigen Knorpel- fische haben Ober- und Unterkiefer und mehrere selbst Gaumenbeine und Flü- gelbeine, welche die früheren Naturforscher zum Theil nicht gekannt haben. Ce2 204 Müurer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, Zu dem vollständigen Kieferapparat eines Knochenfisches mit dem dazu gehörenden Quadratbein und Gaumenbogen gehören nach Cuvier folgende Theile: 1. Der Unterkiefer. . Das Zwischenkieferbein. . Das Oberkieferbein. 4. Das Gaumenbein. Hinter diesem 5. das os transversum und 6. das os pterygoideum. 7. Hinter dem transversum das jugale Cuvier (!), welches bei den Fischen und Proteideen den Unterkiefer trägt und ein Stück des Suspensoriums für den Unterkiefer ist. $. Das zemporale, Stück des Suspensoriums für den Unterkiefer, am Schä- del eingelenkt; an ihm ist der Kiemendeckel befestigt und es hängt auch mit dem Zungenbeinhorn zusammen. 9. zwischen jugale und temporale das os tympanicum und symplecticum. Abgesehen von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Bezeichnun- gen, wollen wir uns blofs an die Stücke selbst halten. Da bei den Knorpel- fischen, wo ein solcher Apparat vorkommt, z.B. den Plagiostomen, Stö- (') Was wir hier, wie bei den Batrachiern, Schildkröten, Crocodilen, Vogelfoetus, mit der apophysis articulari-zygomatica des Schläfenbeins der Säugethiere vergleichen. Das os Jugale Cuvier, das man vom wahren Jochbein wohl unterscheiden muls, trägt bei den Vögeln zum Kiefergelenk bei und ist von dem eigentlichen Jochbein (zwischen dem vorher- gehenden und dem Oberkiefer) sowohl beim Vogelfoetus als beim Crocodil und bei der Schild- kröte getrennt, während bei den Fischen das wahre Jochbein nach unseren Ansichten fehlt und das jugale Guv., das unterste Stück des Suspensoriums für den Unterkiefer bildend, allein, wie auch bei den Proteideen, den Unterkiefer trägt. Auch bei den nackten Amphibien, wie bei den Fischen, fehlt das wahre Jochbein. Das jugale Cuv. ist vorhanden und trägt zum Unterkiefergelenk bei, wie bei den Fröschen, oder trägt ihn ganz, wie bei den Protei- deen. Nach unserer Ansicht ist das Quadratbein der Vögel, Crocodile, Eidechsen, Schildkrö- ten wirklich das os tympanicum und findet sich, übereinstimmend mit Cuvier’s Deutung, in der Mitte des Suspensoriums des Unterkiefers der Fische vor; aber das os iugale Cuv. der Vögel, Amphibien, Fische, welches, wo es vorkömmt, zum Gelenk mit dem Quadratbein beiträgt und bei den Fischen und Proteideen das Gelenk für den Unterkiefer allein bildet, ist die pars articularis mit dem processus juvalis (apophysis articulari-zygomatica) des Schläfenbeins der Säugethiere. Jochbein kann es nicht sein, denn dies ist beim Foetus des Vogels und bei den Crocodilen und Schildkröten zwischen dem falschen Jochbein und dem os maxillare schon vorhanden. der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 205 ren, Polyodon, Planirostra, alles was zwischen dem Unterkiefergelenk und dem Gelenk am Schädel liegt, dieselben Theile repräsentiren wird, als bei den Knochenfischen, so ergiebt sich, dafs bei den Stören und Spatularien, wo das Suspensorium des Unterkiefers 3 Stücke enthält, 3 Haupt-Stücke vom Suspensorium des Unterkiefers, wie os temporale, tympanicum, jugale, oder temporale, tympanicum, praeoperculum, wenn man das letztere mehr zum Quadratbein rechnen will (der Stör hat kein besonderes praeoperculum), wiederkehren, dafs sie aber in dem einfachen Suspensorium des Unterkie- fers der Haifische und Rochen, der blofs am Schädel eingelenkt ist, noch verbunden sind. In der That sehen wir dies einfache Suspensorium auch wieder mit dem Zungenbeinhorn in Verbindung. Bei den Chimaeren ist das Suspensorium des Unterkiefers noch einfacher; es ist ein blofser Fortsatz des Schädels, ohne am Schädel selbst eingelenkt zu sein. Tab.V, Fig.2 4 von Chimaera antarctica (Callorhynchus antarctieus). Wir lassen nun jetzt die besondere Betrachtung des Suspensoriums der Kiefer oder des (Juadratbeins fahren und werden uns blofs mit den Gaumenkieferknorpeln in allen Familien der Knorpelfische beschäftigen. a. Plagiostomen. Der Öberkieferapparat besteht bei den Haifischen und Rochen aus dem obern Zahnknorpel, der auch vom Suspensorium des Unterkiefers ab- hängt, aber doch eigentlich in einem Gelenk mit dem Unterkiefer selbst ar- ticulirt. Dieser Zahnknorpel stöfst mit dem der andern Seite an der vor- dern Schädelbasis zusammen und ist hier durch Band oder blofse Haut be- festigt. Welchem Theile des obern Kieferapparates entspricht nun dieser obere Zahnknorpel, dem Gaumenbein oder dem Oberkiefer? oder beiden zugleich” So lange man die oberen Labialknochen mit dem Oberkiefer und Zwischenkiefer verglich, konnte man den obern Zahnknorpel der Haifische und Rochen mit Cuvier als Gaumenbein deuten. Nachdem aber gezeigt worden, dafs jene Knorpel accessorisch sind, bleibt anzunehmen übrig, dafs der Zahnknorpel entweder os pterygoideum, Gaumenbein, Oberkiefer und Zwischenkiefer sei oder eines derselben vorstelle, denn jeder dieser Knochen trägt zuweilen in der Thierwelt Zähne. Um dies zu entscheiden, waren wie- der neue Facta nothwendig, und diese entscheidenden Facta sind, dafs es Rochen giebt, welche aufser dem Zahnknorpel noch ein besonderes os pte- 206 Müruer: Vergleichende dnatomie der Mysxinoiden r rygoideum, und andere, welche aufser diesem, dem Kieferknorpel und La- bialknorpeln, selbst noch ein os palatinum haben. Die erste hieher gehörende Beobachtung gehört Rosenthalan. Der- selbe bildet in seinen ichthyotomischen Tafeln 6. Heft von Raja torpedo einen Knorpel ab (Tab. XXVI, Fig.3), der hinter dem obern Zahnknorpel gele- gen, mit dem Quadratknorpel zusammenhängt, hackenförmig gebogen und muschelartig ausgehöhlt zur Unterstützung der Wand des Spritzlochs dient, indem er von aufsen nach innen gerichtet ist und seine Aushöhlung nach hin- ten kehrt. Rosenthal nennt diesen Knorpel Gaumenknorpel, welches er nicht ist. Henle fand einen ähnlichen Knorpel bei Nareine (Torpedo bra- siliensis). Er ist länglich platt, vorn convex, hinten ausgehöhlt. Er articu- lirt mit dem Quadratbein, liegt in der vordern Wand des Spritzlochs und liegt mit seinem innern Ende am Schädel frei an. Siche Henle Narcine Tab.1V, Fig.3J. Wir haben diesen Knorpel von Nareine brasiliensis auf un- serer Tab. V, Fig.3 abgebildet. a Quadratbein, 5 Unterkiefer, ce Oberkie- fer, d der fragliche Knorpel. Ich nenne diesen Knorpel cartilago ptery- goidea, und er entspricht in der That dem os pterygoideum und nicht dem palatinum der Gräthenfische, wie wir bald sehen werden. Bei Narcine ca- pensis ist dieser Knorpel viel breiter und muschelartig. Henle fand ihn auch bei Rhinobates, Rhinoptera, Myliobates. Ich fand ihn seitdem bei Raja cla- valta und anderen, Trygon pastinaca und anderen T’rygon. Nach Henle’s Untersuchungen (Narcine pag.9.) besteht dieser Knorpel bei der eigentlichen Torpedo eigentlich aus 3 gesonderten Stücken, von welchen Rosenthal nur das erste gekannt hat. Henle Tab.IV, Fig.5. Das hinterste ist ein rund- liches plattes Knorpelchen, das etwas auf der Mitte des vordern Randes des Quadratbeins articulirt; das mittlere ist ebenfalls platt, länglich viereckig und liegt in der äufsern Wand des Spritzlochs; das vorderste ist am gröfs- ten, unregelmäfsig vierseitig, muschelartig ausgehöhlt und liegt in der vor- dern Wand des Spritzlochs, dessen ganze Höhe er einnimmt; der innere Rand ist durch Zellgewebe mit dem Schädel verbunden. Bei den Narcinen, Rhinobaten, Myliobaten, Rhinopteren, Rajen, T’rygon ist der Knorpel des Spritzlochs eine ausgehöhlte, einfache, muschelartige Platte in der vordern Wand des Spritzlochs, ist mit seinem einen Ende mit dem äufsern Ende des Quadratbeins verbunden, mit dem andern liegt er lose am Schädel an. Zu- weilen hängt er durch ein längeres Band mit dem Quadratbein zusammen, der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 207 in anderen Fällen sitzt er dem äufsern Ende des Quadratbeins auf. Henle hat bei Torpedo marmorata noch einen andern mit dem (Juadratbein verbun- denen, kleinen Knorpel gefunden (a. a.O. Tab.IV, Fig.5Z). Er liegt nach innen von der beschriebenen Knorpelkette des Spritzlochs, ist platt, läng- lich und nach oben und innen halbkreisförmig gebogen, und durch ein seh- niges Band am Schädel über der Austrittsstelle des zweiten Astes des zrige- minus angeheftet, so dafs dieser Nerve unter ihm, wie unter einem Bogen durchgeht. Henle vergleicht diesen Knorpel dem Tympanal der Gräthen- fische von Cuvier. Einen ähnlichen kleinen platten Knorpel fand Henle bei Rhinodates dicht auf dem innern Rand der obern Fläche des Quadratbeins, der mit dem Schädel durch eine Nath, mit dem Quadratbein durch sehniges Gewebe zu- sammenhängt. Bei Rlinoptera und Myliobates sah ich dagegen einen eigenen Knorpel von platter länglicher Form, am äufsern Ende des Quadratbeins angeheftet (Tab.IX, Fig. 133 von Mylobates aquia). Er liegt horizontal vom Quadratbein nach vorwärts gegen den Kopftheil der Brustflossen gerichtet, aber nicht daran befestigt, im Fleisch. Dieser besondere Knorpel, der sich bei der frischen Präparation eines Myliobates aqula und einer Brasilianischen Rhinoptera fand, beweist wieder, wie wenig man sich auf blofs trockne Ske- lete von Knorpelfischen verlassen kann. Es giebt aber noch einen merkwürdigen Knorpel des Gaumenappa- rates der Plagiostomen, der nur bei Torpedo brasiliensis und bei keiner an- dern T'orpedo, bei keinem Rochen oder Haifisch vorkömmt. Es ist das von Henle entdeckte Gaumenbein, os palatinum. Henle Narcine Tab. IV, Fig.1.2 X, in unsern Abbildungen Tab. V,Fig.3.4e. Henle beschreibt den Knorpel so: Er liegt jederseits unter dem Schädel und unter der Schlund- haut, vor dem vordern Rande des Quadratknorpels. Er ist dreieckig, die Ba- sis sieht nach innen und begegnet der Basis des entgegengesetzten Knorpels in der Mittellinie. Seine Spitze liegt nach aufsen; an sie heftet sich ein starkes Band, welches schief nach oben, vorn und aufsen geht und sich an der Basis des Schädels, dicht hinter dem Rande des Nasenhöhlenknorpels befestigt. Sonst hat dieser Knorpel keine Verbindungen. Er bildet eine unvollkommen knorpelige Decke des Schlundes und steht nicht mit dem os pterygoideum in Verbindung. Seine äufsere Spitze liegt vor dem innern Ende des os pterygoideum. Siehe Tab.V, Fig.3. 4. unserer Abbildungen. 208 Mürvenr: /ergleichende Anatomie der M. [yxıinoiden, a Quadratbein, 5 Unterkiefer, c Oberkiefer, d os pterygoideum, e os pa- latinum, f oberer, g unterer Labialknorpel. Aus den Beobachtungen von Rosenthal, Henle und mir über den Knorpel der vordern Wand des Spritzlochs bei Torpedo, Narcine, Rhino- bates, Rhinoptera, Mylobates, Raja, Trygon und aus Henle’s Beobachtungen über die Gaumenknorpel der Varcine brasiliensis, die mit dem os pterygoi- deum, Oberkiefer und Labialknorpeln zugleich vorhanden sind, ist nun die Deutung des Gaumenapparates und der Zahnknorpeln der Haifische und Rochen leicht. Der Knorpel des Spritzlochs ist offenbar das os pterygoideum der Gräthenfische. Der von Henle apophysis pterygoidea genannte kleine Knorpel, der nur bei Torpedo und Rhinobates vorkömmt, mag das Tympanal Cuv. der Gräthenfische sein. Die cartilagines palatinae der Narcine brasiliensis sind die Gaumenbeine, die bei allen anderen Plagiostomen fehlen. Und der Zahnknorpel der Plagiostomen kann nun nichts anderes sein als der Ober- kiefer, während die Labialknochen, wie wir schon gezeigt haben, accesso- rische Stücke sind. Wahrscheinlich ist in dem Zahnknorpel Oberkiefer und Zwischenkiefer vereint; denn dafs der dreischenklige Knorpel der Schnautze der Haifische über der Nase nicht der Zwischenkiefer ist, wofür ihn Ro- senthal nimmt, wird theils durch die ganz eigenthümliche Gestalt dessel- ben, theils durch das Zerfallen desselben in 3 getrennte Stücke bei Chimaera antarctica, theils dadurch bewiesen, dafs bei einem Knochenfisch, Zophius Vespertilio (Malte), ein Schnautzenknorpel über den regelmäfsig vorhande- nen Kiefertheilen vorkömmt. Davon wird indefs später in einem besondern Capitel gehandelt, wo zur Genüge bewiesen werden wird, dafs dergleichen Schnautzenknorpel der Knorpelfische von höchst abweichender Gestalt zu den nicht wesentlich zum Plan der Wirbelthiere gehörenden Skelettheilen zu rechnen sind. Der von mir beobachtete Knorpel am äufsern Ende des Quadratbeins der Rhinopteren und Myliobaten (Tab. IX, Fig. 13z), der jochbeinförmig nach vorwärts geht, ohne sich mit seinem vordern Ende mit anderen Kno- chen zu verbinden, scheint einigermafsen dem os zugale Cuv., articulari- 2y- gomaticum Müll. der Vogelfoetus, Crocodile, Schildkröten, nackten Am- phibien und der Knochenfische zu entsprechen. Hiernach könnte es wahr- scheinlich sein, dafs der Quadratknorpel der Plagiostomen nicht alle 3 Haupt- stücke des Suspensoriums des Unterkiefers der Knochenfische os temporale, der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 209 iympanicum und jugale Cuv. zugleich, sondern nur die beiden ersteren zu- sammen repräsentire. Wenn das Quadratbein der Sturionen und Spatula- rien in 3 Stücke zerfällt, so werden sie das os temporale, tympanicum, ju- gale Cuv. der Knochenfische, oder os, temporale, tympanicum und praeo- perculum der Knochenfische sein. Man weifs noch nicht gewifs, ob das praeopereulum der Knochenfische mehr zum Quadratbein oder zum Kiemen- deckel gehört. Vergl. Meckel System der vergl. Anatomie II, 1. 347. Bei den Stören hat der Kiemendeckel aber ohne besonderes praeoperceulum nur die 3 Stücke operculum, suboperculum, interoperculum. b. Sturionen. Das Suspensorium der Kiefer und des Zungenbeins der Störe besteht aus 3 Theilen, nicht aus einem wie bei den Plagiostomen, nämlich aus einem knöchernen, das mit einer knorpeligen Apophyse am Schädel befestigt ist, aus einem zweiten knorpeligen Stück und aus einem dritten knorpeligen Stück, an dem das Zungenbein befestigt ist, dessen Seitentheile wieder aus 3 Stücken, einem mittlern knöchernen und 2 knorpeligen besteht ('). Die 3 Stücke des Suspensoriums für den Unterkiefer entsprechen jedenfalls den 3 Hauptstücken derselben Theile bei den Knochenfischen, dem obersten (temporale Cuv.), einem der Mittelstücke und dem untersten (jugale Cuv.). Der Kiemendeckel, der nur ganz lose an diesem Suspensorium hängt, hat kein praeoperculum; von seinen 3 Stücken sind das suboperculum und inter- operculum, die schon v. Baer kannte, aufsen unkenntlich. Der Oberkiefer- und Gaumenapparat des Störs ist von Meckel und Cuvier nur unvollkommen gekannt; Meckel beschreibt aufser dem unpaa- rigen Gaumenknorpel, den Cuvier gar nicht kannte, nur zwei Stücke jeder Seite; gleichwohl sind jederseits fünf vorhanden. Rosenthal’s Abbildung (Tab. XXIV, Fig. 2.) ist auch nicht vollständig und er kennt jederseits nur 4 Stücke. Seine Beschreibung ist zumal, wie überhaupt seine Beschreibungen der Skelete der Fische, wenig brauchbar. Kuhl (?) ist der einzige, der den Oberkieferapparat der Störe ganz gekannt hat. Es liegt dieser Apparat (') Beim Sterlet, Jecipenser ruthenus, hat das knöcherne Mittelstück der Zungenbein- hälfte an jedem Ende eine knorpelige Apophyse. (?) Beiträge zur Zool. u. vergl. Anat. Frft. 1820. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Dd 210 Mürzer: Jergleichende Anatomie der Myxinoiden 5 ganz unter der Schnauze und frei. Er besteht theils aus knorpeligen, theils aus knöchernen Theilen. Der knorpeligen sind 3, 1 paariger, 1 unpaariger. Die paarigen Knorpel sind dreieckige, grofse, dünne Knorpelplatten, deren äufsere Ecke dicker ist und abgestumpft mit dem Suspensorium des Unter- kiefers verbunden ist. Die inneren Ränder dieser Platten stofsen aneinander in der Mittellinie (Tab.IX, Fig. 11 fa). An trocknen Skeleten kann man diese Knorpelplatten nicht mehr sehen. Vorn stofsen diese Knorpelplatten auf die vorderen knöchernen oder Marginalstücke. Unter diesen Knorpelplat- ten liegt jederseits eine breite Knochenplatte von ähnlicher Form wie die Knor- pelplatten und ähnlicher Verbindung. Die Form weicht nur darin ab, dafs sich am vordern Theile dieser Platten 2 spitze Zacken befinden oder dafs die Platten sich hier theilen (Tab.IX, Fig. 11 3c). Am vordern Rande der paari- gen Knorpelplatten liegt jederseits ein knöchernes Marginalstück d, gebo- gen, mit nach aufwärts gerichteter Convexität, mit seinem hintern Ende an das Suspensorium des Unterkiefers stofsend, mit seinem vordern löflel- förmigen oben convexen Ende an dasselbe Stück der andern Seite stofsend. Am äufsern Rand der breiten Knochenplatte liegt ein kleines Knochenstück e, das sich mit dem Marginalstück verbindet und nicht immer davon getrennt werden kann, bei einem grofsen Stör, den ich vor mir habe, aber ganz da- von separirt ist. Am Mundwinkel liegt noch ein kleines Knochenstück /, es ist platt, schmal und geht vom hintern Ende des Marginal-Knochenstücks zum hintern Ende der paarigen Knorpelplatte, wo diese sich mit dem Sus- pensorium des Unterkiefers verbindet. Endlich liegt am hintern Ende des Gaumenapparats eine hinten abgerundet endende unpaarige, knorpelige Gau- menplatte (Fig.11 432). Sie ist am hintern Rande der beiden breiten Gau- menstücke befestigt, zwischen die divergirenden hintern Ränder der beider- seitigen knöchernen Gaumenstücke eingeschoben, ein kurzes Gewölbe über dem Schlund bildend. Diese unpaare Platte ist von Rosenthal, Kuhl und Meckel gekannt. Ossificationen, die sich nach Kuhl in den paarigen Gau- menknorpeln bei älteren Stören befinden sollen, habe ich an grofsen Exem- plaren vom Stör und Hausen nicht vorgefunden. Von diesen Stücken kann man das knöcherne Marginalstück d und das kleinere Knochenstück e als Oberkiefer und Zwischenkiefer betrachten, die paarigen knorpeligen und knöchernen Gaumenplatten stellen os pterygordeum und palatinum dar. Und zwar halte ich die paarige Knorpelplatte für das ptery- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 244 goideum, die paarige Knochenplatte für das palatinum. Diese Deutung stütze ich auf die folgende Untersuchung über Polyodon, wo nämlich nicht die Knorpelplatte, sondern das vordere und hintere knöcherne Stück Zähne tragen und das hintere das Kiefergelenk nicht, wohl aber die Knorpelplatte dasselbe erreicht. Die unpaarige knorpelige Gaumenplatte ist accessorisch. Die bei der Unterkieferarticulation vom hintern Ende des Marginalstücks zum paarigen Gaumenknorpel gehende kleine Leiste kann man mit dem os trans- versum der Gräthenfische vergleichen. Wäre es hinlänglich erwiesen, dafs die 3 Quadratbeinstücke der Störe os temporale, tympanicum, praeoperculum und nicht os temporale, tympanicum und jugale sind, so könnte man dies Stück auch dem jugale Cuv. der Knochenfische vergleichen, welches sonst den Unterkiefer zunächst trägt, und dann würde dies Stück beim Stör dem von mir gefundenen dünnen jugale einiger Rochen, der Myliobaten und Rhi- nopteren entsprechen. c. Spatularien (Polyodon und Planirostra). Die Spatularien bilden eine eigene Familie unter den Knorpelfischen, obgleich sie sich zunächst an die Sturionen anschliefsen. Zu dieser Familie gehören 2 Gattungen, Polyodon und Planirostra, welche früher immer ver- wechselt wurden und welche selbst Cuvier nicht erkannte, obgleich die Trennung bereits von Raffinesque und Lesueur geschehen. Schon die Beschreibungen des Polyodon von Lacepede und Mauduit (Journ. de phys. nov. 1774.) widersprechen sich durchaus. Nach Lacepede (!) hat Polyodon viele und starke Zähne im Oberkiefer und Unterkiefer, nach Mau- duit (?) gar keine. Der von Hildreth (°) beschriebene Fisch war wieder (') La machoire superieure est garnie de deux rangs de dents fortes, serrdes et cro- chues; la machoire inferieure n’en presente qu’une rangde, mais on en voit sur deux petits cartilages arrondis, qui font partie du palais; et il y en a d’autres Ires peüites sur la partie anterieure des deux premicres branchies de chaque cote. (?) Je n’y a pu discerner de dents non plus (4 la machoire inferieure) qu’a la ma- choire superieure; le palais m’a paru une masse &paisse, rude, sillonde par des ru- gosilds, des lignes creuses et des asperütds, couverte d’une peau dpre au toucher. Peut- etre et l y a apparence que dans les individus plus ages ce palais est de l’espece de ceux quon nomme palais paves. (°) Silliman american Journ. of science Vol. X, Jun. 1827. New-Haven 1827. The jaws are without teeth; but the fauces are lined with several lissues of Ihe most beau- Dd2 212 Müruen: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, zahnlos und scheint derselbe Fisch gewesen zu sein, den Mauduit beschrieb. Cuvier drückt sich undeutlich aus: Zeur gueule est tres fendue et garnie de beaucoup de petites dents. An einem trocknen Exemplar einer Spatularia, das sich im zoologischen Museum zu Wien befindet, fand ich gar keine Zähne in den Kiefern. Hr. Heckel, Custos am K.K. Naturaliencabinet in Wien, hat mich darauf aufmerksam gemacht, dafs die Verwirrung in den 5 Beschreibungen der ‚Spatularia von der Verwechselung zweier sehr ähnlicher 5 Thiere herrührt und dafs das Wiener Exemplar nicht der Polyodon des La- cepede, sondern die zahnlose Platirostra von Lesueur (!) ist, die Raf- finesque in seiner Zchthyologia ohiensis, Lexington 1820, p.83. Planirostra edentula nennt. Beide kommen im Ohio, Missouri und Mississippi vor. Nur Planirostra edentula ist zahnlos und weit seltner als der gleichfalls von Raffinesque angeführte kleinere Polyodon folium. Lesueur sagt von der Planirostra edentula: This in the form of its body, fin and snout is closely: allied to the foliated Polyodon, but differs in the total absence of teeth, und wiederhohlt gleich darauf: Both species, however so much alıke in body, fins and snout might well be united under the name Spatularia Schneider, if we reject the teeth from those characters attached to the genus by Cuvier and Lacepede. Raffinesque giebt von beiden Beschreibungen, die darauf hin- auskommen, dafs beide Fische bis auf die Zähne in allem Wesentlichen übereinkommen und nur in der Gröfe verschieden sind. Polyodon ist 1-3 Fufs und Planirostra 3-5 Fufs lang (?). uful net work, evidently for the purpose of collecting üs food from Ihe water, by straining or passing Ü through these ciliary membranes, in the same manner as prae- lised by ihe sperma ceti whale. Near te top of the head are two small holes; from their open appcarence and apparent communication with the fauces or back of the mouth it is possible the may discharge the water through Ihem in the manner prae- lised by celaceous animals. Wieder eigenthümlich ist, was Clemens ebend. p.204. an- führt. It had five pair of’ gills, which were double. Each of the duplicatures were thickly set with teeth of about ihe diameter and consistence of best Russian brisles, and one and a fourth inches long, the throat rough and large to admit a common sized wrist. (') Journ. de l’Academie des sciences naturelles de Philadelphia. T.I, 2 part. 1818. p- 227. (°) Nach einer mir von Herrn Heckel in Wien, für dessen gefällige Unterstützung wie für die des Herrn Fitzinger während meines Aufenthalts in Wien ich sehr dankbar bin, der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 219 Unter den 5 Exemplaren von Spatularien der Pariser Sammlung be- finden sich 3 mit Zähnen, das eine von etwas über 5 Zoll, die anderen von 1 Fufs und mehr Länge. Von den 2 zahnlosen ist eines 31,, das zweite 4 Fufs lang. Auf meine Bitte hat Herr Dr. Behn aus Kiel, dermalen in Paris, ein mir befreundeter junger Naturforscher, die Untersuchung die- ser Exemplare nachgesucht, worüber er mir die in der Anmerkung beige- fügten Notizen gefälligst mitgetheilt hat. Der berühmte Ichthyolog Herr Valenciennes hatte selbst die Güte, eines der gröfseren der gezähnten Ex- emplare für mich zu untersuchen. Dieses 1 Fufs lange Exemplar hat in der obern Kinnlade 2 Reihen kleiner (jetzt schwärzlich aussehender), etwas ge- krümmter Zähne, am Unterkiefer nur eine Reihe; ferner zeigten sich Zähne, wo die beiden ersten Kiemenbogen mit dem Zungenbein sich verbinden mitgetheilten Bemerkung über beide Fische unterscheiden sich diese noch hauptsächlich aulser dem verschiedenen Stand ihrer Rückenflosse, in der blattförmigen Verlängerung ihrer Schnautze, welche bei Polyodon lanzettförmig ist, mit aus den Mittelrippen, wie bei einem Blatte, sich gegen den Rand verzweigenden Adern; bei Planirostra ist aber diese Verlän- gerung spatelförmig, stumpf, zwischen Mittelrippe, welche aus gestreckten, in einander grei- fenden, gestrahlten Schildern besteht, und dem Rande, mit netzförmigen Maschen besetzt. Dieser Unterschied, dessen Angabe auf Vergleichung der im Naturaliencabinet zu Wien be- findlichen Planirostra mit den Abbildungen von Polyodon und der Beschreibung der vor- her erwähnten Schriftsteller beruht, bestätigt sich jedoch nicht an den Pariser Exemplaren von beiden Fischen, wie sich aus folgender mir von Herrn Dr. Behn mitgetheilter Notiz nach dessen eigener Untersuchung der Pariser Exemplare ergiebt. Der Stand der Rückenflosse ist in beiden etwas vor der Afterflosse. Die Schnautze von Polyodon. ist nicht lanzeltförmig, sondern hat auch ein stumpfes Ende. Der Raum zwischen der Mittelrippe der blattförmigen Schnautze und dem Rande ist bei der gezähnten wie bei der zahnlosen Art netzförmig, mit einem Gitterwerk, das aus Sternen mit 5-6 Strahlen ausgeht. Zwar erwähne Raffines- que noch als Unterscheidungszeichen für Planirostra zweier Mittelrippen im Blatte. Die Mittelrippe sei aber in beiden auf gleiche Art durch eine mittlere Vertiefung. getheilt, auch der Kiemendeckel sei bei Polyodon strahlig, was Raffinesque übersehen habe, und Herr Dr. Behn mag auf die grölsere oder geringere Länge des bei beiden Fischen langen häuti- gen Anhanges des Kiemendeckels kein grofses Gewicht legen. Im Pariser Museum befinden sich 5 Exemplare von Spatularien, die Herr Dr. Behn mit Herrn Valenciennes untersuchte. A. Ein ganz kleines Exemplar, etwas über 5 Zoll lang, ziemlich gut erhalten in Spiritus, mit Zähnen. B. Ein Exemplar von etwa 1 Fuls in Spiritus, mit abgebrochener Schnautze, mit Zähnen. Eines der von Lacepede beschriebenen Exemplare ? C. Ein Exemplar, ein wenig gröfser als 3, getrocknet, mit Zähnen. D. Ein getrocknetes Exemplar, 3%, Fuls lang, ausgestopft, zahnlos. E. Ein ausgestopftes, 4 Fuls langes Exemplar, ohne Zähne. 214 Müurer: /ergleichende Anatomie der Mysxinoiden 5 (diese giebt Raffinesque als auf der Zunge sitzend an), und aufserdem auf dem Theile des vordersten Kiemenbogens, der sich an den Schlund anlegt (und dies sind also die Knorpelplatten, von denen Lacepe&de spricht). Man sieht, dafs Lacepede zu viel gesagt hatte, wenn er die Zähne fortes serrees et crochues nennt. Raffinesque nennt sie small crowded teeth. So viel ergiebt sich aus diesen Thatsachen, dafs man vor der Hand die gröfsere zahnlose und die gezahnte Spatwlaria als verschiedene Thiere gelten lassen mufs, bis man durch Untersuchung einer gröfsern Anzahl von Exemplaren verschiedenen Alters entscheiden kann, ob eine und dieselbe Species vielleicht im Alter die Zähne verliert, was Herr Valenciennes zu vermuthen geneigt ist. Ich komme nun zur Beschreibung des Gaumen - und Kieferapparates der Spatularien. Die auf Tab. V, Fig.7. gegebene Abbildung stellt den Gau- men- und Kieferapparat der getrockneten Planirostra edentula des K.K. Na- turaliencabinets zu Wien (ohne die Schnautze) dar. Herr Schreibers, Di- rector der K. K. Naturaliensammlung, gestattete mir im Herbst 1834 die nähere Untersuchung, wobei mir die Präparation der fraglichen Theile sehr wohl gelang. Diese Zeichnung liefs ich durch Herrn Dr. Behn Herrn Va- lenciennes vorlegen, welcher die Untersuchung des Pariser Polyodon vor- nahm und damit verglich, woraus sich dann ergab, dafs der Kieferapparat bis auf die Zähne sich in Polyodon ganz gleich verhält. Die Umrisse betreffen den Schädel der Planirostra, wo von der über- aus langen blattförmigen Verlängerung der Schnautze abgesehen ist. Das Quadratbein besteht aus denselben Theilen wie bei den Sturionen, nämlich aus 3 Stücken, einem gröfsern, obern, knöchernen, und zwei kleineren, un- teren, knorpeligen Stücken. Das erste Stück ist ein starker, schief von oben und vorn nach unten und hinten gerichteter Knochen d, von prisma- tischer Gestalt, an beiden Enden dicker, durch sein oberes Ende vermit- telst einer knorpeligen Apophyse d’ am Schädel aufgehängt. Das zweite Stück e, knorpelig, ist kurz und platt; an ihm ist der Kiemendeckel e' befestigt, eine knöcherne Platte, nicht aus 3 Stücken bestehend, wie bei den Sturionen, sondern einfach. Diese Platte läuft nach hinten in divergi- rende Knochenstrahlen aus. Das dritte Stück f ist auch knorpelig und kurz. An ihm ist das Zungenbein hrk und der Oberkieferapparat und Un- terkiefer befestigt. Das Zungenbein besteht jederseits aus 3 Stücken, wie der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 215 beim Stör, einem mittlern knorpeligen ? und zwei knöchernen Ah, wovon das hintere A, das am dritten Stück des Quadratknorpelbogens aufgehängt ist, schr lang ist. Dieses hinterste knorpelige Stück trägt eine knöcherne Platte Z, die bei den Sturionen fehlt. Sie stellt die verwachsenen Kiemen- hautstrahlen dar. Diese Platte und der knöcherne Kiemendeckel stützen zu- sammen die sehr verlängerte, spitz geendigte Kiemenhaut oder den häutigen gröfsern Theil des Kiemendeckels. abc ist der Oberkiefer- und Gaumenapparat, g der Unterkiefer. Der Oberkiefer- und Gaumenapparat liegt mit seinem vordern Ende unter dem Schädel dicht an. Wie er hier befestigt ist, weifs ich nicht, keinesfalls aber kann sich dieser Theil vom Schädel entfernen, wie es bei den vorstreckbaren Kiefern der Störe möglich ist. Die vorderen Enden beider Oberkiefer- und Gaumentheile stofsen dicht an einander, ohne zu verschmelzen. Der Ober- kiefer- Gaumenapparat besteht aus 3 gekrümmten Stücken, wovon die bei- den äufsersten ad vom (uadratbein, wo sie befestigt sind, und vom Un- terkiefer, hinter einander liegend, bis zu den gleichnamigen der andern Seite reichen, das dritte e hinter den letzteren auch wie diese leistenartig ge- bildet, kürzer und schmäler ist, und zwar vorne auch bis zu dem der andern Seite reicht, aber hinten nicht bis zur Gegend des Unterkiefers kommt. Das äufserste Stück a ist fast ganz knöchern, nur sein hinterster Theil in der Nähe des Unterkiefers ist knorpelig, a’. Es ist platt, aufsen convex, hinten breiter, vorn leistenartig verschmälert; mit dem der andern Seite stöfst es vorn unter dem Schädel zusammen, wo es lose angeheftet scheint. Das zweite Stück 2, hinter dem ersten liegend, hat dieselbe Gestalt, ragt über das erste oben hervor, verhält sich vorn und hinten auf dieselbe Weise. Es ist ganz knorpelig, liegt mit dem gröfsten vordern Theil, besonders mit seinem untern Rande, dicht an a an; hinten entfernt es sich von a mehr, so dafs zwischen a und 5 eine Lücke entsteht, wo ein Muskel liegt. Un- ten liegen beide Stücke wieder dicht an einander. Das dritte Stück e ist wieder knöchern, liegt an der hintern Fläche von 5 dicht und fest an, und ragt mit seinem obern Rande kaum über dasselbe hervor. An dem Wiener Exemplar konnte ich ganz deutlich diese 3 Stücke, zwei lange (das eine knöchern, das andere knorpelig) und ein kürzeres, innerstes, knöcher- nes unterscheiden. An dem von den Herren Valenciennes und Behn un- tersuchten Polyodon liefsen sich auch dieselben 3 Stücke unterscheiden. 216 Mürrer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, Lesueur hatte das mittlere übersehen, denn er spricht blofs von maxilla und zintermasilla. Der Unterkiefer g gleicht sehr dem äufsern Oberkiefer- stück und ist knöchern; nur hinten an seiner Verbindung mit dem Quadrat- bein kömmt Knorpel wie an dem Öberkieferstück zum Vorschein, so als wenn hier nur die äufserste Schichte des Knochens ossificirt wäre. Man sieht aus dieser Beschreibung, dafs Planirostra und Polyodon bei so vielen ande- ren Ähnlichkeiten doch vom Stör in der Bildung der Kiefer merklich ab- weichen. Bei Polyodon ist die äufsere obere Zahnreihe an dem äufsern knöchernen Stück a, die innere Zahnreihe an dem innern knöchernen Stück c befestigt. Die äufsere Knochenlamelle des Oberkieferapparates ist offenbar Ober- kiefer; die zweite oder knorpelige Lamelle kann man für das os pterygoideum ansehen; die dritte wieder knöcherne Lamelle ist das Gaumenbein. Also Oberkiefer und Gaumenbein tragen bei Polyodon die Zähne. Der besondere Zwischenkiefer der Störe fehlt. Das knorpelige pterygoideum zwischen Ober- kiefer und Gaumenbein, die beide knöchern sind, verhält sich ähnlich wie beim Stör. Das os transversum nahe am Kiefergelenk des Störs fehlt und kaum kann man den hintern knorpeligen Theil des Oberkiefers damit ver- gleichen. Auch die unpaarige knorpelige Gaumenplatte am hintern Theil des Gaumenapparates der Sturionen fehlt bei Planirostra und Polyodon. Rosenthal nimmt beim Stör die knöcherne Schnautze für den Zwi- schenkiefer, und so würde er bei Polyodon die blattförmige lange Schnautze ebenfalls für den Zwischenkiefer halten müssen. Diese Ansicht ist indefs sehr unwahrscheinlich, denn der Kern der Schnautze wird beim Stör vom knorpeligen Vomer gebildet, worauf die Hautknochen aufliegen, von wel- chen Brandt ausführlicher gehandelt hat. Auch das Blatt des Polyodon und der Planirostra besteht grofsentheils aus Incrustation von Hautskelet- theilen, die ein Netzwerk bilden. Von der Schnautze der Knorpelfische, die so mannigfache Formen beim Stör, Polyodon, bei den Haifischen, Pri- stis, Rochen, Chimaeren annimmt, wird übrigens in einem besondern Ca- pitel die Rede sein, wo gezeigt wird, dafs die hier vorkommenden Knochen und Knorpel äufserst variabel sind und nicht zum allgemeinen Plan der Wir- belthiere gehören. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 217 d. Chimaeren (Chimaera und Callorhynchus). Die Chimaeren bilden eine sehr eigenthümliche Familie der Knorpel- fische. Ihre Kiemen haben einen äufsern freien Rand, aber nur eine gemein- schaftliche Öffnung führt zu den Kiemen jeder Seite. Ihre häutige Kiemen- decke, d.h. die vordere Wand dieses Loches enthält keinen eigentlichen knorpeligen Kiemendeckel, wie ihn noch die Störe und Spatularien haben, sondern nur knorpelige Kiemenhautstrahlen, die an ihrer Basis zum Theil vereinigt sind. Ihre Kiemenspalten im Grunde der gemeinsamen Öffnung sind nur 4, nicht 5 wie Cuvier angab. Die erste halbe Kieme sitzt an der Kiemendeckhaut und den Kiemenhautstrahlen des Zungenbeins; ihre letzte halbe Kieme am vierten Kiemenbogen, der keine knorpeligen Strahlen, wie die 3 ersten hat. Zwischen dem vierten Bogen und dem Schlundknochen befindet sich keine Kiemenspalte mehr. Endlich haben die Chimaeren, wie die Rochen, ein wahres Gelenk zwischen dem Anfange des Rückgraths und der Basis eranii. Der Schädel der Chimaera monstrosa und des Cal- lorhynchus antareticus, welcher ganz ähnlich ist, ist bis auf die Mund- und äufseren Nasenknorpel ein ganzes Stück. Siehe Tab.V, Fig.2. von Cal- lorhynchus antarcticus. An seinem hintern Theile bemerkt man auf jeder Seite die vom Labyrinth herrührende Auftreibung. In der obern Mittel- linie bemerkt man am hintern Theil des Schädels eine Öffnung, die zum Innern des Schädels führt. Über dieser Öffnung liegen in der äufsern Haut des Kopfes zwei verdünnte Stellen oder Grübchen, ähnlich wie bei meh- reren Rochen; aber diese unpaare Öffnung führt nicht wie bei den Ro- chen zum Labyrinth, sondern in die Schädelhöhle. Merkwürdigerweise liegt aber bei den Callorhynchen und Chimaeren das Labyrinth nur zum Theil im Innern der Knorpelsubstanz des Schädels, zum Theil aber, wie bei den Knochenfischen innerhalb der Schädelhöhle zur Seite des Gehirns. Nach dieser Beobachtung macht daher die Familie der Chimaeren in Hin- sicht des Gehörorgans den Übergang von den Knorpelfischen zu den Kno- chenfischen, indem sie mit den einen die theilweise Lage des Labyrinthes in der Schädelhöhle, mit den anderen eine äufsere Gehöröffnung, die aber hier in die Schädelhöhle führt, gemein haben. Der Gelenktheil des Schä- dels besteht aus drei Flächen, einer mittlern der Basis angehörenden und 2 seitlichen. Der Basilartheil ist von einer zur andern Seite concav, von oben nach unten convex, umgekehrt wie an dem Körpertheil der Gelenk- Phys.-mathemat. dbhandl. 1834. Ee 218 Mürver: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden F fläche des Rückgraths. Die Seitentheile entsprechen den processus condy- loidei des Hinterhaupts bei den höheren Thieren und sind convex. Das Schädelgewölbe wächst in der Gegend der Augenhöhle in eine obere und hintere Augenhöhlenhand aus, und die Basis dehnt sich ebenso in einen Boden der Augenhöhle aus, der sich hinten mit der hintern Augen- höhlenwand vereinigt und vorn und abwärts in den Gelenkfortsatz für den Unterkiefer (Tab.V, Fig. 2.) ausläuft. Die Wände der Schädelhöhle sind gröfstentheils knorpelig, nur der zwischen beiden Augenhöhlen liegende Theil der Seitenwände ist häutig. In dieser Haut bemerkt man die meisten Öffnungen für den Austritt der Nerven. Der Stirntheil des Schädels, welcher ein nach zwei Seiten ab- fallendes Dach bildet, hängt durch die vordere Wand der Augenhöhle wie- der mit dem Boden der Augenhöhle zusammen. Der ganze Stirntheil des Schädels bildet zwei schief dachförmig gegen einander gestellte Ebenen, de- ren Kante hinten von hinten nach vorn läuft, dann aber unter einem stum- pfen Winkel gegen die Nasencapseln herabsteigt. Die Seitenflächen dieses Daches gehen nach unten in einem Stück in den Gaumen- und Kiefertheil des Kopfes über, der wieder in einem mit dem vordern Theile des Gelenk- fortsatzes für den Unterkiefer zusammenhängt; und so bildet der Gaumen mit dem ganzen Schädel bei den Chimaeren und Callorhynchus ein zusammenhän- gendes Ganzes (bis auf die Mund- und äufseren Nasenknorpel), woran weder der Gelenkfortsatz, noch der Gaumen, noch der Kiefertheil, noch die Nasen- capseln durch Näthe abgesondert sind. Das Dach zwischen dem Gaumen, der Augenhöhle und der Nase enthält 2 Kanäle. Der unpaarige über dem Gaumen ist für die Geruchsnerven bestimmt. Dieser Kanal ist die Fortset- zung des vordern häutigen Theils der Schädelhöhle zwischen den Augen. Der obere Kanal wird, wo er vom obern innern Theil der Augenhöhlen im knorpeligen Theil des Schädels abgegangen, anfangs unpaarig, theilt sich aber vorn in 2 Äste, welche über der Nasencapsel jederseits sich vorn öffnen. Er dient einem Aste des nervus trigeminus zum Durchgang. Die Öffaungen für die Nerven sind folgende: Für den zerous vagus (Fig. 2, Tab. V.) 10, unter und hinter der dem Labyrinthe angehörenden Auftreibung des Schädels. Die Öffnung für den ersten Ast des zrigeminus 2, in der hintern obern Augenhöhlenwand. Dieser Ast geht am obern innern Theil der Augenhöhle der Cycelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 219 bis zu der Öffnung 3 am vordern obern Theil der Augenhöhle, wo er ein- tritt, und nun in einem Knorpelkanal bis zu der Öffnung 4 über der Nasen- capsel verläuft, wo er austritt. Die Öffnung für den zweiten und dritten Ast des trigeminus, im häutigen Theil des Schädels in der Augenhöhle 5. Der zweite Ast geht über den Boden der Augenhöhle bis zu der Öffnung 9 am vordern untern Umfang der Augen- höhle, welche in denselben Kanal wie die Offnung 3 führt, so dafs dieser Nerve auch über der Nasencapsel bei 4 hervorkömmt. Der dritte Ast geht theils über den Boden der Augenhöhle weg nach vorwärts und auswärts 8, theils mit einem Zweig durch die Öffnung 6 im Boden der Augenhöhle zum Gaumen und ebenso durch die kleinere Öffnung 7 mit einem kleinern Zweig. Am vordern häutigen Theil des Schädels zwischen beiden Augen be- findet sich ein fibröses Band, welches das Auge bei 1 festheftet. Ob dies die Scheide des nervus optieus ist, konnte wegen Maceration der Theile nicht mehr ausgemacht werden. Auch die Austrittsstelle der Augenmus- kelnerven blieb zweifelhaft. Wahrscheinlich gehen sie zumeist durch die- selbe grofse Öffnung mit dem zweiten und dritten Ast des nervus trigeminus. Denn andere Öffnungen finden sich am knorpeligen Theil des Schädels nicht vor, und am häutigen Theil des Schädels sieht man nur oben noch eine ganz kleine Öffnung für einen Nerven. Das Zungenbein besteht aus einem kleinen Mittelstück zwischen den Seitenhälften. Diese bestehen bei Callorhynchus aus 3 Knorpeln, einem gröfsern untern dreiseitigen A, wovon die eine stumpfe Ecke an das Mittel- stück, die zweite stumpfe Ecke an das zweite Seitenstück stöfst und die dritte Ecke nach unten und hinten frei hin sieht. Das zweite Stück / ist unregel- mäfsig viereckig, etwas länglich und viel kleiner und das dritte oder oberste Stück m ist sehr klein und nicht mehr als 3” lang. Der vordere Rand dieser 3, die Seitenhälften des Zungenbeins bildenden Stücke ist durch eine fibröse Haut, an welcher die Schleimhaut des Rachens anliegt, an die untere Fläche des Augenhöhlenbodens und des Gelenkfortsatzes des Schädels für den Un- terkiefer angeheftet. An dem hintern Rande der Seitenhälften des Zungen- beins ist die Kiemendecke angeheftet, an deren innere Fläche die erste halbe Kieme befestigt ist. Diese Decke besteht theils aus einer Knorpelplatte n, theils aus Knorpelstrahlen, die mit dieser Platte, theils aus solchen, die mit dem Zungenbein selbst verbunden ', theils aus solchen, die ganz frei Ee2 220 Mürtzer: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, sind. Die Knorpelplatte », ein Hauptstück der Kiemendecke, ist bei der Verbindung des untersten und zweiten Stückes der Zungenbeinhälfte an den hintern Rand beider angeheftet, vom hintern Rande dieser Knorpelplatte gehen 4 daran geheftete Knorpelstrahlen aus. Mehr Knorpelstrahlen sind unter der eben erwähnten Platte an den hintern Rand des untersten oder Hauptstücks der Seiten des Zungenbeins angeheftet; am Anfang sind sie zu einer durchlöcherten Platte z’ verwachsen. Mehrere mittlere Knorpelstrah- len erreichen mit ihrem vordern Ende weder die Knorpelplatte der Kie- mendecke n noch die Wurzel der übrigen Strahlen ”’, oder das Zungen- bein, sondern sind mit den anderen durch die Kiemenhaut verbunden. Auch am untern Theil liegen am äufsersten Rande der ganzen Strahlen noch meh- rere sehr dünne und kleine unbefestigte, am weitesten vom Zungenbein ent- fernt; sie stützen alle die halbe Kieme, deren grofser Theil aber von den Strahlen dieser Kiemendecke ungestützt bleibt. Im Ganzen giebt es 18 voll- ständige und unvollständige Knorpelstrahlen darin. Der Kiemenapparat besteht aus 4 Paar Kiemenbogen und einem Paar Schlundknorpel. Diese Theile sind bei Chimaera und Callorkynchus fast ganz gleich gebaut. Siehe Tab. V, Fig.2. von Callorhynchus. Die drei er- sten Kiemenbogen bestehen aus 4 Stücken, nicht aus 3, wie Rathke (') nach einem wahrscheinlich nicht vollständigen Skelet von Chimaera angiebt. Auch der dritte Kiemenbogen hat 4 Stücke, nicht 2, wıe Rathke angiebt. Das unterste Stück, das der untern Mittellinie zugewandt ist, ist kurz; es ist in Fig. 2, Tab. V. von der Kiemendecke verdeckt. Das zweite Stück o ist das längste und trägt an den 3 ersten Kiemenbogen kurze knorpelige Kie- menstrahlen r als Stütze für die Kiemen. Das dritte Stück p ist kurz und breit, das vierte Stück q bildet an jedem der drei ersten Kiemenbogen eine grofse, hinten spitz endigende Platte, die an der obern Wand des Rachens unter dem hintern Theil der Basis cranii und dem Anfang des Rückgraths liegt (?). Diese Stücke sind von den vorigen ab nach rückwärts gewandt. Das oberste oder vierte Stück des dritten Kiemenbogens endigt hinten in 2 (‘) Anatom. philosoph. Untersuchungen über den Kiemenapparat und das Zungenbein. Riga und Dorpat 1832. (*) Rathke giebt diese Stücke nicht an. Meckel hat sie angegeben. Syst. der vergl. Anat. 6, p.159. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 221 Spitzen, wovon die äufsere sich an das Schultergerüst befestigt. Der vierte Kiemenbogen und der daran liegende Schlundknochen haben ein gemeinsa- mes erstes oder unteres Stück ; das zweite Stück des vierten Kiemenbogens, woran die letzte halbe Kieme befestigt ist, trägt keine knorpeligen Kiemen- strahlen mehr (!). Das dritte Stück des vierten Kiemenbogens fehlt wie das vierte Stück und stöfst das zweite Stück dieses Kiemenbogens mit dem bo- genförmigen Schlundknorpel 0’ an das grofse oberste Stück des dritten Kie- menbogens g. Der Mittelstücke zwischen den Kiemenbogen rechter und linker Seite hinter dem Mittelstück des Zungenbeins sind 4 (nicht 5, wie Rathke angiebt). Das erste ist länglich und liegt zwischen den beiden er- sten Kiemenbogen; das zweite ist quer gelegt zwischen den beiden zweiten und dritten Kiemenbogen; das dritte ist quer zwischen den beiden dritten und vierten Kiemenbogen. Das Endstück der Mittelreihe ist eine lange, hinten spitze Knorpelplatte, wovon man in Fig. 2, Tab. V. nur den Seiten- rand sieht. Mit dem vordern Ende dieser Platte verbindet sich jederseits das erste oder gemeinschaftliche Stück des vierten Kiemenbogens und des Schlundknochens. Wir kommen nun zur Deutung des Gaumen -Kieferapparates. Anzu- nehmen mit Cuvier, dafs bei Chimaera nur der Vomer die oberen Zahn- platten trage, dazu scheint mir wie Meckel durchaus kein Grund vorhanden zu sein; der Zimbus alveolaris, welcher die mittleren und seitlichen Zahn- platten trägt, ist vielmehr wie gewöhnlich Zwischenkiefer und Oberkiefer. Die Gründe, welche Cuvier anführt, dafs man nämlich in der Dicke der Lippe Spuren von 3 Kieferknochen (einem os intermaxillare, maxillare, palatinum) antreffe, sind früher schon hinlänglich in dem Capitel von den Lippenknorpeln widerlegt worden, wo gezeigt wurde, dafs dies blofse Lip- penknorpel sind. Die Chimaeren sind aber die einzigen Fische, wo das Quadratbein ein Stück mit dem Schädel ausmacht und wo der Unterkiefer blofs an einem dem Quadratbein entsprechenden Fortsatz des Schädels auf- gehängt ist. Die Deutung dieses Fortsatzes ist bisher sehr verschieden aus- gefallen. Cuvier betrachtete ihn als einen besondern Gelenkfortsatz am Schädel, nicht als Quadratbein, und nahm an, dafs das gemeinschaftliche (') Die Chimaeren haben nur 4, nicht 5 Kiemensäcke, zu welchen das einfache äulsere Loch führt. Cuvier hat sich in dieser Beziehung geirrt. 200 Mürrer: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden, Suspensorium für den Oberkiefer, Unterkiefer und das Zungenbein in den Haifischen und auch noch für den Kiemendeckel in den Stören und Spatula- rien, hier das sei, was wir vorher oberstes und zweites Stück des Seitentheils des Zungenbeins bei Callorhynchus genannt haben, dafs also m/ Fig. 2, Tab. V. das Quadratbein sei und dafs es bei den Chimaeren nur das Zungen- bein k und eine Spur von Kiemendeckel zu tragen habe. Doch, setzt er hinzu, würde man es vielleicht der Analogie übereinstimmender finden, den Stiel (m!) als ein Stück des Zungenbeinhorns zu betrachten, so dafs das (Juadratbein mit dem Schädel verschmolzen wie gewöhnlich den Unterkie- fer trüge. ('). Rathke(?) folgt der Deutung von Cuvier. Viel besser betrachtet man den ganzen Gürtel als Zungenbein. Damit stimmt über- haupt der Gürtel durch die Zahl der Stücke (3 bei Callorhynchus), die mit jener der Störe und Polyodon übereinstimmt, so wie die Anheftung der Kiemendecke sowohl an das zweite als dritte oder untere Stück. Man könnte zwar bemerken, dafs der Kiemendeckel in der Regel am Quadrat- bein befestigt ist, hier aber nach dieser Ansicht am Zungenbein befestigt sein würde. Aliein er ist wırklich fast ganz blofs am Zungenbein befestigt, selbst wenn man das obere oder das mittlere Stück des Zungenbeins des Callorhyn- chus (Tab. V, Fig.2 m!) als Quadratbein ansieht; denn der Kiemendeckel sitzt vorzugsweise am untersten gröfsten Stück A, was nach allen Ansichten zum Zungenbein gehört. Genau genommen entspricht nun die sogenannte Kiemendecke der Chimaeren nicht dem Kiemendeckel der Knochenfische, sondern ihren am Zungenbein befestigten Kiemenhautstrahlen, oder der zwei- ten Kiemendeckelplatte der Spatularien, die auch am Zungenbein befestigt ist und eine aus verwachsenen Kiemenhautstrahlen bestehende knöcherne Platte bildet (Tab.V, Fig.7 2); wie denn die Kiemendeckelplatte der Chimaeren sowohl in der Form als Zusammensetzung die gröfste Ähnlichkeit mit jener hat. So sind in den Haifischen auch Knorpelstrahlen, zum Theil an der Ba- sis verbunden, am Zungenbein sowohl als Quadratbein befestigt; aber die am Quadratbein befestigten fehlen bei den Chimaeren ganz. Der Schlufs von dieser Beweisführung ist, dafs der Gelenkfortsatz 4 am Schädel der Chi- (') Mem. du mus. d’hist. nat. Tom. I, p.128. (?) a.a.0. p.29. Vergl. Meckel Syst. d. vergl. Anat. 6,125. Meckel’s Beschreibung des Zungenbeins ist übrigens unvollständig. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 223 maeren wirklich das mit dem Schädel verwachsene Quadratbein ist. Auch der ganze Oberkiefer- Gaumenapparat, der bei den übrigen Knorpelfischen vom Schädel abgesondert ist und entweder auf dem hintern Ende des Un- terkiefers ruht oder am untern Ende des Quadratbeins befestigt, vorn am Schädel nur aufgehängt ist, ist hier mit dem Quadratbeinfortsatz des Schä- dels, wie überhaupt mit dem Schädel, ohne übrig bleibende Lücke ver- wachsen (Tab.V, Fig.2 3). Die Zahnplatten reichen von der Mitte des Ober- kiefer- und Gaumenfortsatzes des Schädels bis fast zum Quadratbeinfortsatz des Schädels. So weit kann nie ein Vomer reichen, und es sind vielmehr hier Quadratbeinfortsatz des Schädels, os pterygoideum, palatinum, masil- lare, intermaxillare, Vomer, Alles in eins und mit dem Schädel verwach- sen. Dafs die vielen Labial- und Nasenknorpel der Chimaera antarctica (Callorhynchus) nicht zum Kieferapparat gehören, ist früher schon bewie- sen worden. Am meisten hat der Schädel der Froschlarven Ähnlichkeit mit dem von Chimaera. Hier bildet auch Alles noch eine Knorpelmasse. Die Arti- eulation für den Unterkiefer ist auch hier noch sehr nach vorn gerückt und rückt erst bei der Metamorphose nach hinten; aber bei den Froschlarven ist doch schon eine Lücke zwischen dem Schädel und dem Knorpelbogen, der von Schädel abgehend mit dem Gaumenbogen zusammenhängt und den Unterkiefer trägt. e. Cyelostomen. Am einfachsten erscheinen die fraglichen Theile bei #mmocoetes. Aufser der Nasencapsel, welche das os ethmordeum vorstellt, sind an der Ge- birncapsel keine Gesichtsknorpel oder Kieferknorpel, als der Apparat der Gaumenleisten, welche von den vorderen Apophysen der gespaltenen Basi- larknochen ausgehen und unter der Basis cranii einen Reifen bilden, in wel- chen die Gaumenplatte eingespannt ist. Unter den Knochen und Knorpeln der übrigen Thiere lassen sich mit diesen Gaumenleisten die zusammen- hängenden ossa pterygoidea und palatina vergleichen. Jene Gaumenbogen haben wirklich Ähnlichkeit mit den aus den ossa pterygoidea und palatina ge- bildeten Gaumenbogen der Eidechsen. Man könnte die Gaumenleisten der Ammocoetes auch mit den blofsen ossa palatina der Salamander vergleichen, welche sehr lang bis ans Keilbein reichen, ohne dafs die ossa pterygn- 224 Münzen: J/ergleichende Anatomie der My.xinoiden, dea, die hier ganz auswärts liegen, die Verlängerung bis zum Keilbein bil- den. Womit man die in die Gaumenleisten der dmmocoetes eingespannte Gaumenplatte vergleichen soll, ist ganz ungewifls. Diese Platte reicht hier von der vordern Commissur der Gaumenleisten unter der Nase bis an die Spalte der Basilarknochen, wo sie auch festgewachsen ist. Wer die Gau- menleisten mit dem Kieferapparat vergleichen wollte, würde die Gaumen- platte für die verwachsenen Gaumenbeine halten. In diesem Fall würden die Wurzeln der Gaumenleisten, wo sie von den Basilarstücken entspringen, ossa pterygoidea sein, die Gaumenleisten selbst mit ihrer vordern Commissur Oberkiefer und Zwischenkiefer vorstellen; die Gaumenplatte aber das Gau- menbein sein. Betrachtet man aber die Gaumenleisten als ossa pterygoidea und palatina zusammengenommen, so bleibt für die Gaumenplatte wenig übrig. Aber man könnte sie mit dem Vomer vergleichen oder vielleicht mit der unpaaren Knorpelgaumenplatte der Störe, welche überzählig und von ihrem Gaumenbein verschieden am hintern Ende ihres knöchernen Gaumen- kiefergerüstes angebracht ist. Wollte Jemand die Gaumenleisten für blofse ossa pterygoidea halten, wie die ossa pterygeidea der Crocodile einen Bogen unter der hintern Nasenöffnung bilden, so könnte doch die Gaumenplatte nicht für das Gaumenbein genommen werden, weil das Gaumenbein nicht hinter das vordere Ende der ossa pterygoidea gerathen kann. Entweder sind die Gaumenleisten pterygoidea, mazxillaria und intermaxil- laria zusammen, und dann die Gaumenplatte Gaumenbein, oder die Gaumenleisten sind pterygoidea und palatina zusammen und die Gaumenplatte ist Vomer, oder die Gaumenplatte der Störe, oder eine neue Bildung. Am wahrscheinlichsten ist die Gaumenplatte Vomer, bei /mmocoetes noch an der Basis cranii hinten angewachsen, ob- gleich sich schon vorn ein Zwischenraum zwischen Gaumenplatte und Ge- hirncapsel befindet. Denkt man sich, dafs durch die Nasengaumenöffnung des harten Gaumens der Myxinoiden und Petromyzen gerade der Theil zwi- schen den in eins vereinten Nasencapseln vom Schädel abgesprengt werden mufste, so kann man sich noch wahrscheinlicher vorstellen, dafs die Gaumen- platte der 4mmocoetes und Myxinoiden wirklich Vomer ist und dafs der mitt- lere Theil des harten Gaumens der Petromyzen auch dem Vomer entspricht. Geht man nun zu den Myxinoiden über, so werden die Schwierigkei- ten noch viel gröfser. Wir finden die Gaumenleisten in derselben Art wie- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 225 der, aber unter der Nase weit vorn verlängert, nach hinten mit Auswüch- sen versehen, wodurch der Schlundkorb entsteht; die Gaumenplatte ist nur vorn an der Commissur der Gaumenleisten angewachsen, an der Seite mit ihnen durch fibröse Haut verbunden Die Deutung ist jedoch hier dieselbe wie bei Ammocoetes. Nur in Hinsicht der Deutung der Auswüchse am hintern Theile der Gaumenleisten entstehen neue Schwierigkeiten. Deutet man die Gaumenleisten als den aus den ossa pterygoidea, mazillaria, inter- maxillaria gebildeten Gaumenbogen, die Gaumenplatte als Gaumenbein; so könnte man den herabsteigenden Fortsatz (Tab. III, Fig.6 7), der wieder durch den schiefen Fortsatz Z mit der Gaumenleiste verbunden ist, mit dem aus dem os temporale, tympanicum und jugale Cuvier der Fische gebildeten Suspensorium des Unterkiefers vergleichen, woran hier der Unterkiefer fehlt. Die übrigen Fortsätze nach hinten würden eigenthümliche Bildungen der Myxinoiden sein. Auch bei der andern Deutung der Gaumenleisten würde die Deutung des letzt erwähnten Apparates wenig sich ändern. In beiden Fällen würde das Zungenbeinhorn ? dem Zungenbeinhorn der Fische ent- sprechen, das allgemein bei den Fischen mit dem Quadratbein zusammen- hängt. Indessen lassen sich auch alle bei den Myxinoiden vorkommenden Fortsätze der Gaumenleisten, die bei den „/mmocoetes fehlen, als eigen- thümliche nicht zum Plan der übrigen Thiere gehörende Bildungen erklären, was in der That um so wahrscheinlicher ist, als die genannten Fortsätze der Gaumenleisten nach aufsen, unten und hinten sämmtlich Schlundgerüst sind, zur Anlage des Schlundes dienen, aus welchem man sie erst heraus präpari- ren mufs. Vielleicht kann man die fraglichen Fortsätze für eine Umbildung der ossa pharyngea des Kiemenapparates der übrigen Fische halten, die hier eine eigenthümliche Entwickelung erlangt haben, insofern das Kiemengerüst hier unnöthig würde. Jedenfalls würde aber eine weitere Vergleichung der fraglichen Fortsätze mit den ossa pharyngea und dem Kiemengerüst der Kno- chen- und Knorpelfische nicht entfernterweise durchzuführen sein. Ich habe oben schon die Reduction des Gaumenapparates der Petro- myzen auf den der Myxinoiden versucht. Meckel und Cuvier konnten in der Deutung der Kopfknorpel der Petromyzen nicht glücklich sein, weil sie den eigentlichen harten Gaumen derselben nicht kannten. Glücklicher ist auch nicht die von Spix in der Cephalogenesis und von Carus in der Zooto- Phys.- mathemat. Abhandl, 1834. Ff 226 Mürzer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, mie (!) gegebene Deutung. Rathke ist der erste, welcher den Gaumen der Petromyzen gut beschrieben hat. Was man für die Basis cranii gehal- ten hatte, ist der harte Gaumen, zwischen welchem und dem vordern häuti- gen Theil der Basis cranii der blinde Nasengaumengang liegt. Offenbar ist dieser Theil ganz dem Gaumenapparat der Myxinoiden analog, nur dafs die- ser Apparat bei den letzteren ganz aufserordentlich verlängert ist, während er bei den Petromyzen nicht weit über das vordere Ende des Schädels, und nur bis unter das vordere Ende der Nasencapsel hervorragt, und dafs bei den Petromyzen die Gaumenleisten mit den Seitenwänden des Schädels und wieder mit der Gaumenplatte ganz verwachsen sind, die hier eine ein- fache Commissur des Gaumens vorstellt. Die Deutung dieser Theile in Be- zug auf den Gaumenapparat der übrigen Thiere ist ähnlich wie bei den My- xinoiden; nämlich entweder ist der harte Gaumen der Petromyzen seitlich ossa pterygoidea, masxillaria, und die mittlere Commissur Gaumenbein und Intermasxillare zusammen, oder wahrscheinlicher die Seitentheile des harten Gaumens sind 0ssa pterygoidea und palatina zusammen und die Mitte ist Vo- mer; oder die Seitentheile sind blofs ossa palatina und die Mitte Vomer. Was den von dem Rande des Gaumenapparates nach unten und aufsen abgehenden Bogen (Tab. IV, Fig. 1-4 7i) betrifft, so ist er mit dem Rachen- korb der Myxinoiden im Allgemeinen zu vergleichen, nur viel weniger aus- gebildet als dieser. Dieser Bogen, innerhalb welchem sich eine grofse, durch fibröse Haut geschlossene Öffnung befindet, auf welcher das Auge ruht, hat einige Ähnlichkeit mit dem Bogen der Infraorbitalknochen der Gräthenfische, entspricht aber, Muskeln zum Ansatz dienend, eher dem Quadratbein-Gau- menbogen der Gräthenfische, dessen Stücke (temporale, tympanieum, symplecu- cum, jugale Cuv. pterygoideum, transversum) hier verwachsen wären, während bei dieser Ansicht der damit verwachsene Gaumen lediglich aus den ossa pa- latina und dem Vomer bestehen würde. Insofern dieser Bogen mit seiner ihn ausfüllenden Aponeurose den Boden bildet, worauf das Auge ruht und auch einen Ast des trigeminus durchläfst (?), gleicht er dem Boden der Augenhöhle der Chimaeren, der auch einen Ast des trigeminus durch eine beschränkte Öffnung durchläfst (Tab.V, Fig.2.). Jedenfalls hat dieser Bogen der Petro- (') Kupfererklärung zur 1° Auflage. (*) Born in Heusinger’s Zeitschrift f. organ. Physik I, p. 178. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 227 myzen, da er keinen Unterkiefer zu tragen hat, hier eine der Ökonomie der Petromyzen ganz eigenthümliche Veränderung erlitten, welche speciellere Deutungen unmöglich und überflüssig macht. Der griffelförmige absteigende Fortsatz am hintern Ende dieses Bogens scheint dem grofsen Zungenbeinhorn der Myxinoiden zu entsprechen, obgleich er bei den Myxinoiden nichts mit dem Zungenbein zu thun hat. Was nun die, den Petromyzen eigenen, übrigen Gesichtsknochen be- trifft, so ist der vorderste, der Lippenring, wie früher gezeigt worden, eine nicht in den Plan der übrigen Wirbelthiere gehörende Bildung, welche mit den Labialknochen der Haifische, Nareinen, Chimaeren und Callorhynchen übereinstimmt. Die vordere obere grofse Mundplatte (Tab.IV, Fig.2/V) läfst sich so wenig als die hintere am vordern Rand des harten Gaumens be- fesiigte grofse Mundplatte deuten. Sieht man den harten Gaumen als blofs aus den ossa palatina gebildet an, und vergleicht die Gaumenplatte der My- xinoiden der überzähligen knorpeligen Gaumenplatte der Störe, so kann man die vordere grofse Mundplatte der Petromyzen mit dem Zwischenkiefer, die hintere unter dem Nasenrohr mit dem Vomer vergleichen, und dann würde der griffelförmige Schnautzenknochen unter dem Nasenrohr der Myxinoiden dem Vomer, der Querknorpel, der an ihm vorn befestigt ist, dem Zwischenkie- fer entsprechen. Die gröfseren Seitenknorpel des Mundes der Petromyzen können dann mit dem OÖberkiefer verglichen werden. Ich halte jedoch diese Ansicht keineswegs für wahrscheinlich und will mich blofs auf die Angabe dessen beschränken, was fester steht. Die Gaumenleisten der Myxinoiden und Ammocoetes und die Wur- zeln oder Seitentheile des harten Gaumens der Petromyzen sind Gaumen- beine; die Gaumenplatte der Myxinoiden und Zmmocoetes ist eine eigen- thümliche Bildung aufser dem Plan der Wirbelthiere, wie die Gaumenplatte der Störe, oder auch vielleicht Vomer; die Nasencapsel ist offenbar ethmor- deum. Der Rachenkorb der Myxinoiden, der von den Gaumenleisten aus- geht, und der bogenförmige Knorpelfortsatz der Petromyzen, welcher von dem Seitentheil des Gaumens und dem untern Seitenrand des Schädels ausgeht, entspricht dem Quadartbein - Gaumenbogen der Gräthenfische (temporale, Iympanieum, jugale Cuv., transversum, pterygoideum (?)). Die hinteren Fort- sätze an dem Rachenkorb der Myxinoiden sind eigenthümliche Bildungen. Die gröfseren Seitenknorpel des Mundes der Petromyzen (Tab.IV, Fig.2 7) Ff2 228 Mürrer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, getrauen wir uns nicht mit Oberkieferknorpeln, das hintere Mundschild Z nicht mit dem Zwischenkiefer zu vergleichen. Diese hintere Mundplatte ist bei den Myxinoiden noch in der walzenförmigen knöchernen Stütze der Schnautze vorhanden; aber statt aller anderen Theile der Petromyzen sind viele und durchaus verschiedene Knorpel vorhanden, welche die Idee einer Vergleichung sogleich aufheben. Wir halten es daher durch die Anatomie der Myxinoiden erwiesen, dafs diese vor dem Gaumen liegenden, locker an- gehefteten Knorpel, die so verschieden bei den Petromyzen und Myxinoi- den sind und den Ammocoeten ganz fehlen, so gut wie es vom Lippenring er- wiesen ist, eigenthümliche, nicht in den Plan der übrigen Thiere gehörende Bildungen sind. Wir rechnen überhaupt dahin: den Lippenring, das vordere und hintere Mundschild und die vorderen und hinteren Seitenknorpel der Pe- tromyzen; ferner ebenso alle Mundknorpel der Myxinoiden mit sammt der knöchernen Schnautzenstütze. Wie so viele Knorpel vom allgemeinen Plan abweichend bei einem Thiere vorkommen können, das haben wir hinlänglich in den so zahlreichen Labial- und Schnautzenknorpeln der Chimären und Callorhynchen erwiesen, womit keiner mit dem Oberkieferapparat oder den Nasenbeinen erwiesenermafsen etwas zu schaffen hat; denn der Oberkiefer- apparat ist am Schädel der Chimaeren selbst vorhanden und der überzähli- gen Knorpel sind an der Nase schon genug. Capitel VI. Von den Schnautzenknorpeln der Knorpelfische. Die eigenthümlichen dreischenklichen Schnautzenknorpel der Hai- fische und Zygaenen, wovon der untere unpaarig ist und zwischen den Na- sencapseln, die beiden oberen über den Nasencapseln abgehen, ohne vom Schädel getrennte Knorpel zu sein, haben immer die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf sich gezogen, aber ihre Bedeutung blieb bis jetzt unklar. Rosenthal vergleicht dieses Gerüste dem Zwischenkieferknorpel; Cuvier sagt nichts davon; auch Meckel spricht sich nicht darüber aus, bemerkt aber, dafs bei T’orpedo nur die zwei seitlichen Knorpel sich vorfinden, die parallel nach vorn verlaufen, ohne sich zu verbinden, während sie bei den Rochen zu einer mehr oder weniger langen Spitze zusammenstofsen. Bei Narcine brasiliensis (Torpedo brasiliensis) sind die beiden getrennten Fortsätze der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 229 der Torpedo in der Mitte zu einer Platte verbunden, und bei Narcine capen- sis fand Henle in der Hautfalte, welche das Bändchen der Nasenklappe bil- det, einen kleinen cylindrischen Knorpel. Dieser Knorpel gleicht dem un- tern Zweig des Schnautzenknorpels der Haifische. Bei den Rhinopteren und Myliobaten, deren Kopfflossen man fälschlich für die Schnautze hält, findet sich auch ein schmaler Schnautzenknorpel als mittlere Stütze der vorhang- artigen Nasenklappe für beide Nasenöffnungen (Tab. IX, Fig. 12.13 v). Un- ter mehreren der übrigen Knorpelfische finden sich Analoga dieser Fort- sätze, aber immer von verschiedener Form. Die Säge der Pristis gehört offenbar dahin. Beim Stör wird die Basis der verlängerten Schnautze von dem Vomer gebildet, aber auf dem knorpeligen Vomer liegt ein System von Hautknochen wie auf dem übrigen Schädel auf. Bei den Spatularien finden wir eine aufserordentlich lange blattförmige Schnautze vor, die wie ein Spatel über den unten liegenden Mund wegragt und mit einem Netzwerk von Hautknochen besetzt ist. Bei Callorkynchus verlängert sich der Vorder- kopf über der Nase in einen langen von Knorpeln gestützten Hautlappen, welcher vorn am breitesten und platt ist. Dieser Lappen wird von 3 Knor- peln gestützt, welche griffelförmig sind; einem obern und zwei seitlichen un- teren. Der obere ist stärker, unpaar und über den Nasencapseln mit seiner Basis beweglich befestigt. (Bei Chimaera giebt es nach Rosenthal’s Ab- bildungen einen ähnlichen, viel kürzeren und viel höher vom Schädel abge- henden Knorpelfortsatz). Die beiden unteren haben jeder eine doppelte Wurzel. Die eine ist eine knorpelige Pyramide %, deren Basis beweglich auf dem knörpeligen Träger der Lippenknorpel und Nasenflügelknorpel d aufsitzt, am innern Rande der Nasencapsel, auch mit dem innern Nasenflü- gelknorpel f häutig zusammenhängt; bei #” hört diese Pyramide auf und heftet sich schon an den andern viel längern Knorpel %, der von der innern Seite der Nasencapsel und des vordersten Theils des Alveolarrandes fest ent- springt. Die unteren zweiwurzeligen Stützen der Schnautze sind übrigens ebenso lang als die unpaare obere. Beide verbinden sich nicht, (Bei Chr- maera sind auch an der innern Seite der Nasencapseln zwei kleine Pyrami- den; sie gleichen aber kaum den langen seitlichen Schnautzenknorpeln der Callorhynchus). Diese Knorpel sind offenbar die Analoga der merkwürdigen Knorpel der Haifische, aber das Verhältuifs ist hier umgekehrt; der unpaare steht 230 Mürver: /ergleichende dnatomie der Myxinoiden P oben. Die Schnautzenknorpel haben eine sehr verschiedene Bestimmung. Bei den Stören, Spatularien, Haien bilden sie einfach nur die über dem Kie- ferapparat vorspringende Verlängerung des Kopfes. Bei den Chimaeren tra- gen sie den häutigen Rüsselförmigen Anhang des Kopfes, der mit der Nase nichts zu thun hat. Bei den Pristis ist der Fortsatz mit Zähnen bewaffnet und hat hier wie bei den Spatularien seine gröfste Entwickelung erreicht, wäh- vend er bei den Rhinopteren und Myliobaten klein und unmerklich nur die mittlere Stütze des Nasenklappenvorhanges bildet. Es fragt sich, ob diese Knorpel in den allgemeinen osteologischen Plan der Wirbelthiere gehören, und ob ihnen Stücke bei den übrigen Wirbelthieren entsprechen, welche hier nur ihre Gestalt unkenntlich verändert haben. Das Vorkommen der Zähne an der verlängerten Schnautze der Sägefische spricht auf den ersten Blick dafür, dafs diese Verlängerung ein zahntragender Knochen des allge- meinen osteologischen Plans, z. B. os intermasillare oder Vomer sei. In- dessen ist die Existenz der Zähne an dieser Verlängerung kein absoluter Be- weis, dafs wir mit einem zum Kiefergerüst gehörigen Stücke zu thun haben. Wir wissen, dafs viele andere Skelettheile Zähne tragen können, wie z.B. die Kiemenbogen, Schlundknochen, Zunge, Lippen; ja wir sehen bei Ano- don (Coluber scaber Linn.) nach Jourdan’s von: mir bestätigter Beobach- tung (!) selbst an den Wirbelkörpern der ersten Wirbel in die Speiseröhre ragende Schlundzähne entwickelt. Die Varietät in der Form der Schnautzen- knorpel z.B. bei den Haifischen, Chimaeren, Callorbynchen, am allermeis- ten aber das Zerfallen dieser Knorpel in 3 von einander abgesonderte Stücke, wovon jedes seitliche wieder aus zweien besteht, bei Callorhynchus, scheinen wieder zu beweisen, dafs die Schnautzenknorpel accessorische nicht in den allgemeinen osteologischen Plan der Wirbelthiere gehörende Bildungen sind; so dafs man sie in dieser Hinsicht mit den Rüsselknochen vieler Säugethiere, nämlich der Maulwürfe, Spitzmäuse, Schweine vergleichen könnte. Wir wollen indefs sehen, in welchen Fällen und wie weit sich die Reduction dieser Theile auf die constanten Theile des Schädels durchführen läfst. Hier müssen wir uns nun zuerst über den Ort dieser Verlängerungen verständigen. Da der ganze Oberkieferapparat der Knorpelfische unter der verlängerten Schnautze liegt, so dürfen wir die Schnautze der Knorpelfische (') Müller’s Archiv f. Anat. u. Physiol. 1835. p. 56. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 231 nicht mit dem zuweilen verlängerten Kieferapparat der Knochenfische ver- wechseln. Bei den Zemiramphus verlängert sich der Unterkiefer weit über den Oberkieferapparat; bei den Aiphias findet das Gegentheil statt. Der Oberkieferapparat bildet das Schwerdt, welches, wie Cuvier (Mist. nat. des poiss. T. VII, p.266, Tab. 231.) gezeigt hat, fast ganz aus den ossa interma- xıllaria und aus dem Vomer besteht. Dies ist keine Abweichung von dem gewöhnlichen Plane; es ist nur ein relativer Unterschied der Gröfse des ent- sprechenden Oberkiefer- und Unterkieferapparates. Bei den Knorpelfischen verhält es sich ganz anders; der ganze Oberkieferapparat liegt, wie ich ge- zeigt habe, unter der Schnautze. Unter den Knochenfischen ist diese Bil- dung aufserordentlich selten. Bei Zophius vesperulio zeigt sich etwas ähn- liches, denn hier geht von der Stirn, von der Vereinigung der frontalia und frontalia anteriora seu orbitalia anteriora eine pyramidale Verlängerung aus; auch bei Zepidoleprus wird das Rostrum nach Cuvier und Otto durch die unter sich und mit den verlängerten Nasenbeinen verwachsenen ossa subor- bitalia gebildet, und unter dieser Verlängerung liegt bei beiden Fischen erst der ganze Oberkieferapparat, der an jener Stirnschnautze gar keinen Antheil nimmt. Man mufs daher diese Stirnschnautze und die Schnautze der Knorpel- fische wohl von der Kieferschnautze der Knochenfische unterscheiden. In der Schnautze der Knorpelfische kann nicht einmal das os intermaxillare stecken; denn auch das os intermaxillare liegt beim Stör deutlich nachweisbar mit dem ganzen obern Kieferapparat frei unter der verlängerten Schnautze. Die Schnautze der Knorpelfische könnte also möglicherweise nur aus einer Ver- längerung des Vomer, der Nasenbeine und der Stirn bestehen. Wenden wir uns zunächst zum Stör, dessen Schädel wir entblöfst von allen Hautknochen betrachten (vom Sterlet Tab.IX, Fig. 10.), so sehen wir in dem untern mitt- lern Theil deutlich den Vomer; denn er schliefst sich an das vordere Ende des Keilbeinkörpers an. An der Basis der Schnautzenknorpelmasse sieht man seitlich die Nasenhöhlung ausgegraben, deren hintere Wand zugleich die vor- dere Wand der Augenhöhle ist und unten in eine Ecke vorspringt, an welche sich die Reihe der Suborbital-Hautknochen, die nicht mit abgebildet sind, anschliefst. Diese vordere Wand der Augenhöhle mit der eben bezeichne- ten untern Ecke ist die Gegend des os /rontale anterıus s. orbitale anterius der Knochenfische. Der obere gewölbte Theil der Schnautze könnte theils aus einer Verlängerung der Stirn, theils aus den Nasenbeinen bestehen. Die 232 Mürter: Yergleichende Anatomie der Myxinoiden, knorpelige Schnautze der Sturionen, in welcher sich keine durch Nath ge- trennte einzelne Knorpel unterscheiden, würde also aus der Verschmelzung des vordern verlängerten Theiles der ossa frontalia, der frontalia anteriora seu orbitalia anteriora, der nasalia und des Vomer bestehen. Diese ganz wahrscheinliche Deutung läfst sich nun auch auf die den Sturionen ganz ver- wandten Spatularien anwenden, deren Spatel äufserlich auch wieder von Hautknochen gebildet ist. Auch die Schnautze der Pristis kann so gedeutet werden und der zahntragende Theil derselben würde demnach ein Auswuchs des Vomer sein. Die viel einfacheren Schnautzenknorpel der Haifische, aus drei vorn verbundenen Armen bestehend, einem untern und zwei oberen, werden, da die Nasencapseln und die vordere Wand der Augenhöhle nicht in ihre Bildung eingehen, die untere als Verlängerung des Vomer, die obere als Verlängerung der frontalia betrachtet werden müssen. Die Schnautze der Rhinobates enthält diese Theile verschmolzen; die Schnautze der Tor- pedo, die blofs 2 Arme darstellt, enthält auch nur Verlängerungen der Stirn, gleichwie die Schnautze der Rhinoptera;, ich meine die beiden lappenförmi- gen Verlängerungen der Stirn, denn die unter der Stirn befindlichen Lap- pen gehören, ebenso wie die sogenannte Schnautze der Myliobates, nicht hieher, indem sie eine Schädelflosse enthalten, die zu einem andern System, zu dem der Schädelflossen gehört. Aber der mittlere Knorpel des Nasen- klappen-Vorhanges der Rhinopteren gehört hieher. Die Seitentheile dieses Vorhanges sind Nasenflügel, worüber man den spätern Artikel zu verglei- chen bittet. Jenes mittlere Stück dürfte, in sofern es hier die Nasenflügel trägt, vielleicht mit der knorpeligen Nasenscheidewand der höheren Thiere verglichen werden. Vergleicht man nun die Schnautze der Störe, Spatularien, Pristis, Haifische mit der Stirnschnautze des Zophius vespertilio, so zeigt sich aller- dings eine bedeutende Ähnlichkeit, aber auch einzelne Verschiedenheiten. Die Stirnschnautze des Zophius vespertilio entsteht auch ohne allen Antheil des Kieferapparates. Die ossa frontalia und frontalia anteriora, bei den an- deren Zophius niedrig, erheben sich hier zu einem Vorsprung über dem Kie- ferapparat, und auf diesem Vorsprung sitzt eine kleine Pyramide auf, aus 5 kleinen Knorpelchen, 2 oberen, 2 unteren und einem vordern unpaaren gebildet; Theile, die man nicht an trockenen Präparaten, sondern frisch untersuchen muls, indem man nur dann die Trennung dieser Knorpelchen der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 2833 erkennen kann. Unter diesem Dach und über dem Öberkieferapparat liegt ein beweglicher Knorpelstiel, der vorn in die bekannten wunderlichen Fleisch- läppchen dieser Lophien endigt. Diese Stirnschnautze hat indefs das Eigen- thümliche, dafs der Vomer keinen Antheil nimmt, der vielmehr in der Ebene des Oberkieferapparates bleibt. Dafs die von der Stirn abgehenden Verlängerungen bei den Knorpel- fischen nicht in allen Fällen integrirende Theile des Stirntheils des Schädels selbst sind, beweisen die Chimaeren; denn der obere Stirn -Schnautzenknor- pel der Callorhynchus ist ein eigner Knorpel und am Schädel beweglich be- festigt und die unteren Schnautzenknorpel, wovon der längere jederseits ein Fortsatz des Schädels, der andere ein besonderer Knorpel ist, weichen auch bereits wieder von der Bildung der Haifische ab; wie denn auch die Enden der unteren und des obern Knorpelfortsatzes im Hautrüssel der Callorhyn- chus unvereinigt bleiben. Bedenkt man ferner, dafs die Pyramide der Stirn- schnautze bei einem Knochenfisch, dem Zopkius piscatorius, eigenthümliche Knorpelchen an der Spitze enthält, die vom allgemeinen osteologischen Plan abweichen, dafs der Schnautzenknochen der Myxinoiden unter dem vor- dern Ende des Nasenrohrs auch ein ganz abgesonderter Knochen ist, so ist es mehr als wahrscheinlich, dafs auch die Schnautze mehrerer anderer Knor- pelfische, namentlich der Haifische, keine blofse Verlängerung des Vomer, der Stirn, der Nase ist, sondern zum Theil eine eigenthümliche, mit diesen Theilen verschmolzene oder ihnen aufgesetzte Bildung ist; man sieht wenig- stens, dafs solche Verlängerungen, die bald vom untern vordern, bald vom obern vordern Theil des Schädels, bald von beiden ausgehen, bei den Cal- lorhynchen vom Schädel sich absondern können. Capitel VIII. Von den Nasenknorpeln, den Nasenflügelknorpeln und Nasen- röhrenknorpeln der Knorpelfische. Von den Nasenknorpeln, welche bei den Knorpelfischen knorpelige hohle Capseln darstellen, die mit dem Schädel in eins verwachsen sind, wie bei den Sturionen, Plagiostomen und Chimaeren, oder locker damit ver- bunden sind, wie bei den Cyclostomen, mufs man die Nasenflügelknorpel oder die Stützen der Nasenklappe wohl unterscheiden. Die Nasencapseln Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Gg 234 Mürrer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden : stellen wesentlich das os etkmordeum dar, womit vielleicht die Nasenbeine in eins geflossen sind. Da bei den Knorpelfischen die Näthe des Schädels sich nicht erhalten haben, so ist auch das frontale anterius nicht zu unterschei- den. Nach seiner Bedeutung, die vordere Wand der Augenhöhle zu bilden, läfst sich indefs seine Stelle auch am Kopfe der Knorpelfische erkennen, und namentlich zeigt es sich als eine mit dem hintern Theile der Nasencap- sel verwachsene Knorpelecke bei den Sturionen, wenn man den knorpeligen Schädel von den deckenden Haut-Knochenplatten befreit hat. In Tab. IX, Fig. 10. sieht man vom Sterlet die hintere Wand der Nasencapsel, welche zugleich die vordere Wand der Augenhöhle ist, unten in eine Ecke auslau- fen, an welche sich die Suborbital-Hautknochen anschliefsen. Die gemein- same hintere Wand der Nasenhöhle und vordere Wand der Augenhöhle stellen hier die Nasencapsel und das os frontale anterius s. orbitale anterius vereint dar, und dem letztern gehört jene nach hinten gerichtete untere Ecke an. Diese Ecke ist zugleich das hintere Ende der Basis der pyramidalen knorpeligen Schnautze der Sturionen. Die Verwachsung der beiden Nasencapseln in eine bei den Cyclosto- men ohne Scheidewand zeigt uns eine Parallele zu der röhrenförmigen pa- thologischen Bildung der Nase bei den Cyclopen des Menschen und der Säu- gethiere, aber der Unterschied liegt in dem Vorhandensein der Geruchsner- ven, die sogar bei den Cyclostomen doppelt sind. Die Perforation des Gau- mens durch die Öffnung im knöchernen Gaumen der Petromyzen (mit gleich- zeitiger Perforation des weichen Gaumens bei den Myxinoiden) ist aus der Analogie anderer Fische nicht erklärlich. Auf den ersten Blick zeigt sich zwar einige Ähnlichkeit mit den Spritzlöchern der Störe, Spatularien und der mehrsten Plagiostomen, und man könnte sich denken, dafs die Nasen- gaumenöffnung der Cyclostomen die mit einander verbundenen Spritzlöcher jener Knorpelfische darstelle, über welche sich die unten offene Nasencapsel gelagert habe. Allein diese Vergleichung zeigt sich bei weiterer Untersu- chung als unstatthaft; denn die äufseren Öffnungen der Spritzlöcher sind von den Zugängen der Nase ganz weit entfernt und die Spritzlöcher liegen über- haupt weit hinten, immer hinter den Augen und nehmen, wo Knorpel am vor- dern Umfang der Spritzlöcher vorhanden sind, wie bei den Rochen, Narcinen, Rhinopteren, Myliobaten u. s. w., den Raum zwischen diesen Knorpeln (car- tilago pterygoidea) und dem Quadratknorpel ein. Die Nasengaumenöfnung der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 235 im harten Gaumen der Cyclostomen und im weichen Gaumen der Cyelosto- mata Myxinoidea ist daher eine bei den Fischen sonst gar nicht mehr vor- kommende und den Choannen der höheren Thiere analoge Bildung. Weil zwei Geruchsnerven in die einfache Nasencapsel treten, ist die einfache Na- sencapsel mehr durch Aneinanderrücken als Verschmelzen der Nasencapseln der Knorpelfische zu erklären, was unstreitig durch das Ausfallen derjenigen Theile geschieht, die sonst zwischen den Nasencapseln liegen. Da nun der Vomer der übrigen Fische immer mit dem Keilbeinkörper fest verbunden ist, so mufs eine in die Mittellinie fallende Perforation des harten Gaumens gerade auch die sonstige Verbindungsstelle des Vomer und des Keilbeinkör- pers treffen, und dies ist ein Grund mehr anzunehmen, dafs die Gaumenplatte der Myxinoiden der Vomer ist, der nur bei den Ammocoetes als Gaumen- platte mit der Basis cranii hinten verbunden ist. Mehrere Knorpelfische aus den Ordnungen der Plagiostomen und der Holocephalen oder Chimaeren haben Nasenflügelknorpel. Henle hat sie a.a.0.p.7. von Narcine brasiliensis (Torpedo brasiliensis) beschrieben. Am Rande der Nasencapsel liegt nämlich ein knorpeliger, innen nicht ganz ge- schlossener Ring, der bei Torpedo schwach und fast häutig ist. Er hängt an den beiden inneren Enden mit dem Rande der knorpeligen Nasencapsel zusammen; aufsen ist er von demselben getrennt und der Zwischenraum durch eine Membran ausgefüllt; der innere obere Theil desselben ist am breitesten und liegt in der Nasenklappe. Der Nasenflügelknorpel findet sich auch bei den Rochen und Haifischen in der Nasenklappe; bei den meisten verwächst er mit dem Rande der Nasencapsel an mehreren Stellen, bei an- deren dagegen, selbst bei einigen Haifischen, wie bei denen der Gattung Scyllium, stellt er sich als besonderer Knorpel dar. Hier bildet er einen Halbring am obern, äufsern nnd untern Theil der Nasencapsel, stützt mit seinem äulsern obern Theil die Nasenklappe und schlägt sich unten gegen die Nasenhöhle einwärts, wo er wieder stärker ist, nachdem er am äufsern untern Theil sehr schmal und dünn geworden. Da er bei Scyllium wie bei den Narcinen neben den Lippenknorpeln vorkömmt, so erweist sich, wie unrichtig es war, wenn Cuvier den Nasenflügelknorpel der Rochen mit dem obern Lippenknorpel der Haifische, den er für den Zwischenkiefer nahm, verglich. Gg2 236 Müurer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden 5 Diese Nasenflügelknorpel finden sich auch bei den Chimaeren, aber mehrfach, wie ich wenigstens bei Callorhynchus antarctcus sehe. Der innere Nasenflügelknorpel (Tab. V, Fig.2_f) besteht aus einem gröfsern halbmond- förmigen Knorpel mit nach vorn gerichtetem convexen Rande und einem kleinern halbmondförmigen Knorpel f‘. Zwischen f und f’ ist der Ein- gang der Nase, der von aufsen von einer häutigen Klappe gedeckt wird, die durch den flügelförmigen Knorpel e gestützt ist. Dieser äufsere Nasenflügel- knorpel e ist an dem stumpfen obern Ende des Trägers der Lippenknorpel d befestigt. Der innere gröfsere Nasenflügelknorpel f hängt oben häutig mit dem Träger der Lippenknorpel d und mit der Basis des von der Nasen- capsel ausgehenden, in den Rüssel tretenden Knorpels % durch den knor- peligen Riemen g zusammen, der mit dem Rande des innern gröfsern Nasen- flügelknorpels parallel läuft. Unten ist der innere gröfsere Nasenflügelknor- pel an das vordere Ende des Kieferknorpelstücks des Schädels angeheftet. Der knorpelige Riemen g ist ein Verbindungsstück zwischen dem Träger der Lippenknorpel d, dem pyramidalen seitlichen Schnautzenknorpel % und dem innern gröfsern Nasenflügelknorpel f. Genau genommen giebt es also bei Callorhynchus 3 innere Nasenflügelknorpel und einen Knorpel in der äufsern Nasenklappe e. Bei Chimaera monstrosa scheinen nach Rosenthal’s Ab- bildung ähnliche Knorpel vorhanden zu sein. Er nennt 2, wovon er den einen mit dem Nasenflügel, den andern mit der Muschel (?) vergleicht. An unserm Skelet, das unvollständig ist, konnte man sich hierüber nicht ver- gewissern. Henle erwähnt schon bei Narcine capensis in der mittlern Hautfalte, welche das Bändchen der beiden Nasenklappen bildet, einen kleinen wal- zenförmigen Knorpel. Dieser Knorpel gleicht dem untern Stück des drei- armigen Schnautzenknorpels der Haifische. Bei gewissen Rochen, den My- liobates und Rhinoptera, ist dieser Knorpel das Mittelstück der hier sehr merkwürdigen gemeinsamen Nasenklappe für beide Nasenöffnungen. Diese Rochen haben nämlich eine Art Segel vor den Nasenöflnungen hängen, wel- ches oben schmäler von der Schnautze herabhängt und dessen unteres brei- teres Ende vor der Mundöffnung gerade abgeschnitten und am Rande ge- franzt ist. In der Mitte dieser gemeinsamen Nasenklappe liegt ein unpaarer, schmaler Knorpel, der zwischen den Nasencapseln bei Rhinoptera eingescho- ben, bei Myliobates durch Band befestigt ist (Tab. IX, Fig. 12.13 v). Dieser der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 237 mittlere Knorpel, welcher dem untern Stück des dreiarmigen Schnautzen- knorpels der Haifische entspricht, wird unten stärker und endigt bei Rdi- noptera mit einem daran angehefteten Knorpelplättchen. Die Seitentheile des Nasenvorhanges bestehen jederseits wieder aus 2 Knorpeln; der innere ist an dem Mittelstück aufgehängt; der äufsere ist der gewöhnliche Nasen- flügelknorpel; er ist am innern Umfang der Nasencapsel befestigt. Der äu- fsere stellt eine unregelmäfsig dreieckige Platte dar (Fig. 12u von Rhinoptera brasiliensis, Fig. 13 u von Myliobates aquila). Der innere uu ist bei Rhino- ptera eine pyramidale, unten wie der äufsere in lauter Knorpelleistchen zer- spaltene Platte; er geht bei Ahunoptera blofs in den Vorhang ein; bei My- liobates geht er auch am obern, untern und innern Theil der Nase her. Die grofse Anzahl der Nasenflügelknorpel bei den Callorhynchus und ihre Zahl und Gestalt bei den Rhinopteren und Myliobaten beweisen, dafs sie mit den Nasenbeinen nicht verglichen werden können. Sie gleichen der knorpeligen Nase der Säugethiere und finden sich bei den Knochenfischen nicht vor. Diese Bedeutung haben auch die Knorpelringe der Nasenröhre der Myxinoiden, welche durch Verbindung der Flügel rechter und linker Seite eine Röhre bilden. Diese so sonderbaren, in der ganzen übrigen Tbier- welt nicht vorkommenden Ringe, die auch den Petromyzen und 4mmocoe- tes fehlen, sind gleichsam numerische Wiederholungen der Nasenflügelknor- pel der Chimaeren. Capitel IX. Von den Schädelflossenknorpeln der Knorpelfische. Die Schädelflossenknorpel kommen unter den Wirbelthieren nur bei den Knorpelfischen, unter diesen nur bei den Plagiostomen, und unter die- sen wieder nur bei der Familie der Rochen vor. Cuvier führte sie von den Rochen an und verglich sie unrichtig mit den unteren Lippenknorpeln der Haifische. Mit den Lippenknorpeln haben sie indefs gar keine Ähn- lichkeit; denn sie kommen bei Narcine brasiliensis (Torpedo brasiliensis) neben den Lippenknorpeln vor. Meckel (!) führte sie von den Raja und Torpedo bereits an. "Es ist ein länglicher Knorpel, der auf dem äufsern Ende (') Syst. d. vergl. Anat. II,1. p. 321. 238 Mürver: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden, der knorpeligen Nasencapsel beweglich aufsitzt, sich nach aufsen wendet und sich mit dem vordern Ende der Wurzel der grofsen Brustflosse verbin- det. Henle (!) hat ihn bei den Zitterrochen ausführlicher beschrieben. Bei Narcine brasıliensis (Torpedo brasiliensis) läuft der äufsere Rand dieser Knor- pel in Zacken wie Strahlen aus, die indefs nicht von dem Knorpel selbst ge- trennt sind. Der Schädelflossenknorpel erreicht hier das vordere Ende des grofsen Wurzelknorpels der Brustflosse nicht und zeigt sich hier merkwürdig mehr als Theil des Schädels denn als Theil der Brustflosse. Zwischen der schnautzenförmigen Verlängerung des Schädels und diesen Knorpeln liegen jederseits auch 2 kleine dreieckige Knorpel ganz frei (*). Vermittelst dieser Knorpel wird die Haut der grofsen Flosse der Rochen und Zitterrochen ge- meinschaftlich für Schädel und Brustflosse. Bei Cephaloptera befindet sich bekanntlich am vordern Theil der Wurzel der Brustflosse, der durch den Schädelflossenknorpel mit dem Schädel zusammenhängt, eine von Knorpel- strahlen gestützte Flosse. Auch bei MyZiobates, wo ich auch eine bis jetzt un- bekannte Kopfflosse finde, wird diese nicht von dem Schädelflossenknorpel getragen, der sich mit dem Brustflossenknorpel verbindet. Aber auch die Rıhinopteren verhalten sich in dieser Hinsicht ganz ähnlich. Auch sie haben eine Kopfflosse. Cuvier sagt von Myliobates, dafs ihr Kopf über die Brust- flossen vorspringe, wufste aber nicht, dafs der schnautzenartige kurze Haut- lappen am vordern Rande ihres Kopfes unter der Haut und unter dem Mus- kelfleisch eine doppelte, nämlich rechte und linke Kopfflosse mit gegliederten Knorpelstrahlen enthält, deren letzte Glieder sich gabelig theilen. Diese Flossen stofsen mit ihrem vordern Ende convergirend gegen einander. Siehe Tab.IX, Fig. 13. Die Flossenstrahlen stehen auf dem Ende der Wurzel der Brustflosse, nicht auf dem Schädelflossenknorpel £. Die Abbildung ist von Myliobates aquila des Mittelmeers. Auch die Rhinopteren verhalten sich so, und es ist nur der Unterschied, dafs die Kopfflossen zwar vorn anein- ander stofsen, aber doch einen zweilappigen Kopfanhang bilden. Cu- vier kannte auch hier diese Bildung nicht. Er sagt, die Rhinopteren hät- ten ihre Schnautze in 2 Lappen getheilt, unter welchen 2 ähnliche seien. Die oberen Lappen gehören wirklich dem Kopfe an; sie sind Hervorragun- (') Narcine Tab. IV. (?) Ebend. Tab. IV, Fig. 1. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 239 gen der Stirn; die 2 unteren Lappen sind die Kopfflossen. (In Fig. 12. sieht man nur die letzteren, welche die Stirn von unten decken. Auch bei Alu- noptera, die ich wie Myliobates frisch untersuchte, sind die Schädelflossen- knorpel mit den Brustflossenknorpeln nicht zu einem Stück verbunden. Die Kopfflossen der Cephalopteren stehen aus einander, die der Rhinopte- ren und Myliobaten berühren sich. Was die Bedeutung der Schädelflossenknorpel betrifft, so halte ich sie für eine blofse Copula der Wurzel der Brustflosse und des Schädels bei den Ro- chen, oder des Schädels und der gemeinschaftlichen Wurzel der Brust- und Kopfflosse bei den kopfgeflügelten Rochen Cephaloptera, Myliobates, Rhi- noptera, und ich glaube nicht, dafs diese Knorpel etwas ähnliches bei anderen Knorpelfischen haben. Mit den Lippenknorpeln haben sie keine Ähnlichkeit, da diese, wie schon gesagt, neben den Schädelflossenknorpeln bei Narcine vorkommen. Sie sind auch nicht als aus einer Theilung der Schnautzenknor- pel der Haifische entstanden zu betrachten, denn diese verlängerte Schnautze kommt schon, wenn auch nicht in derselben Form, doch bei Rhinobates und bei Raja oxyrhynchus (Laeviraja Salviani) und anderen Rochen vor. * * * Von dem Zungenbein und den Kiemenbogen der Knorpelfische werde ich nicht handeln, da das Zungenbein der Myxinoiden schon keine Verglei- chungspuncte darbietet, die Untersuchung dieser Theile aber bei anderen Knorpelfischen durch Rathke und Henle erledigt ist. Erläuterungen zur vergleichenden Östeologie der Myxinoiden. 1. Die in dem vergleichenden Theile unserer Arbeit enthaltenen Beschreibungen aus einzelnen Zweigen der Osteologie der anderen Knorpelfische aufser den Myxinoiden hatten zum Zweck, sichere Data für unsere Vergleichung des Skelets der Myxinoiden zu liefern. Diese Beschreibungen sind gerade so ausführlich, als zur Vergleichung nöthig ist, und man wird von uns nicht die Beschreibung des ganzen Skelets der Knorpelfische verlangen, die ganz aulser unserm Plan liegt. Wir haben keine vollständige Osteologie aller Knorpelfische beab- sichtigt und müssen in Hinsicht manchen Details, das nicht zu unserer Vergleichung nöthig war, auf die vorhandenen Schriften hinweisen. Einzelne interessante Beobachtungen über das Skelet der Knorpelfische und noch genauere über die Wirbelsäule der Knochenfische finden sich in der trefflichen Abhandlung von Schultze in Meckel’s Archiv für Physiologie Bd. IV. über die ersten Spuren des Knochensystems und die Entwickelung der Wirbelsäule in den 240 Mürurer: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden, Thieren. Diese Arbeit bildete schon mit dem Aufsatz von Cuvier über die Zusammenset- zung des Oberkiefers der Fische (Mm. du mus. d’hist. nat. T.1.) und seiner Beschreibung des Skelets der Knochenfische in seiner Hist. nat. des poissons T.]. und mit Meckel’s Be- schreibung der Fischskelete in seinem System der vergleichenden Anatomie eine Grundlage für weitere Untersuchungen. Was die Analogien betrifft, so habe ich mich auf weitere Verglei- chungen als die der Wirbelsäule mit dem Schädel nicht eingelassen, weil in der Osteologie der Myxinoiden dazu keine Veranlassung liegt. Auch bin ich nicht in diejenige Art der com- parativen Analyse des Skelets der Wirbelthiere eingegangen, welche Carus in seinem grö- fsern Werk von den Urtheilen des Knochen- und Schalengerüstes, Leipz. 1828, und wovon er einen Auszug in der zweiten Auflage seiner Zootomie gegeben. Obgleich dieses Werk des geistreichen Forschers in der Geschichte der Anwendung des Princips der Analogien auf die Osteologie seine eigenthümliche Stelle behauptet, so hat sich mir doch eine fruchtbare Verknüpfung der darin herrschenden Ideen mit der Erzielung meines besondern Zweckes nicht gezeigt, und ich mufste befürchten, dals bei einer Prüfung dieser Principien an unserm Thema der an Dunkelheiten und Schwierigkeiten reiche Stoff durch die Aufnahme allgemeiner für alle Skelete geltender Vergleichungen an Klarheit einbülsen würde. Zudem hoffe ich, dals die nicht geringe Differenz von Carus und meinen Ansichten über die Grenze der An- wendbarkeit des Princips der Analogien sich in einer einfachen Analyse der Thatsachen leich- ter anschaulich machen wird, als in einer Discussion, die schon auf dem ebeneren Felde der comparativen Morphologie der mit knöchernem Skelet versehenen Thiere so umfangreich geworden und nicht immer belehrend gewesen ist. Vielleicht ist Carus von ähnlichen Gründen bewogen worden, in die Geschichte der Ansichten seiner Vorgänger, die von an- deren Principien ausgehen, wenig eihzugehen. Wo es auf die Feststellung von Thatsachen und von wichtigen Schlüssen handelte, habe ich diese Prüfung nie vermieden. Die Knorpel- fische, an welchen Carus seine Ansichten von der Zusammensetzung des Kopfskeletes erläu- tert hat, sind vorzüglich Squalus centrina und Petromyzon. In Hinsicht der Plagiosto- men folgt Carus der Deutung der Zahnknorpel von Guvier; daher nimmt er an, dafs bei den Rochen Oberkiefer und Zwischenkiefer fehlen, die er bei Squalus centrina in den Lip- penknorpeln sieht. Carus hält die unteren Dornfortsätze der Fische für Schwanzrippen. Ich theile diese Ansicht nicht, da bei vielen Knochenfischen die letzten Rückenwirbel schon untere Dornen bilden, an denen die letzten Rippen aufgehängt sind. 2. Bei frisch (nicht trocken) untersuchten Haifischen finden sich in Hinsicht des Vor- kommens des hyalinischen Knorpels an den ossificirtten Körpern der Wirbel mancherlei Varietä- ten. Bei Squalus centrina sind die Wirbelkörper gröfstentheils, bis auf die innerste Schichte an den Facetten, hyalinisch. Carus hat bei ihm beobachtet, dals die konischen Facetten der Wirbelkörper in der Mitte des Wirbels hohl zusammenhängen; dies kann ich bestätigen und auch von ‚Spinax, nicht von anderen anführen. Dann ist der grölsere Theil des Wirbelkör- pers bei Spinax und Seyllium hyalinisch; aufsen ist dieser hyalinische Knorpel mit einer dün- nen Rinde von pflasterförmigem Knorpel bedeckt und gegen die Wirbelfacetten ist der Wirbel dünn ossifieirt. Bei Squalus centrina, bei den Scyllien, Spinax fehlt daher das hyalinische Kreuz im Innern; bei Squalus cornubicus, Carcharias, Mustelus, Zygaena ist dies hya- linische Kreuz inwendig vorhanden, wie es früher beschrieben worden; dagegen ist hier der gröfste Theil des Wirbelkörpers ossifieirt und seine Ossification liegt zu Tage. Bei Sgqua- tina fand ich wieder eine andere Varietät. Aulsen ist eine dünne Schicht von hyalinischem der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 241 Knorpel am Körper des Wirbels und inwendig, gegen die Höhle der Facetten, ist OÖssifica- tion in dünner Schichte. Zwischen der äulsern und innern Schichte wechseln Schichten von hyalinischem und ossifieirtem Knorpel regelmälsig ab. Diese Schichten bilden concentrische Bogen. Die hyalinischen Schichten enthalten deutliche Knorpelkörperchen; hier fehlt das Kreuz von hyalinischem Knorpel in den Wänden der Wirbelkörper auch. Carus giebt an, dals wenn die Wirbel bei den Rochen über den Kiemen zu einer Masse verschmelzen, die Facetten der Wirbelkörper in einen engen Wirbelkörperkanal verwandelt werden, und führt Raja clavata an. Ich finde indels da, wo die Wirbel vorn in der Basis des Rückgraths aufhören, keiven Kanal, und wo auf dem Durchschnitt am Ende jenes Stücks sich eine Öff- nung zeigt, ist sie der Durchschnitt der Facette des im hyalinischen Knorpel steckenden Wir- belkörpers. 3. Neuerlich habe ich auch die primitiven knorpeligen Wirbelelemente bei den Pla- giostomen beobachtet. Bei einem Foetus von Squalus Centrina von 4’ war die Chorda noch überall gleich diek. Zwischen der äufsern und innern Scheide der Chorda fand ich abgesetzte Knorpel, und zwar jedem Wirbel entsprechend, an 4 Puncten, zwei obere und zwei untere. Von den oberen gehen die Bogenschenkel für den Rückenmarkskanal ab; die unteren liegen an der Stelle der späteren Querfortsätze und sind am Schwanz nach unten zu einem untern Dorn vereinigt. Zwischen den 4 Bogenschenkeln zweier Wirbel greifen, wie bei der erwachsenen Centrina, unpaarige breite Knorpel ein, brückenartig aufgesetzt. Nach- dem ich die äulsere fibröse Haut des Rückgraths weggenommen, sah ich sehr schön, dals die oberen und unteren primitiven Elemente an der Seite durch eine grolse Lücke getrennt waren, wo die innere Scheide der Gallertsäule frei zu Tage lag. Auch in der untern Mit- tellinie waren die primitiven Elemente noch getrennt. Die Wirbelkörper entstehen also bei den Plagiostomen aus denselben Theilen, welche bei den Stören das ganze Leben hindurch bleiben. Das Präparat habe ich aufbewahrt. Bei den Knochenfischen ist es nach v. Baer ebenso. Ich habe schon oben bemerkt, dals die seitliche Nath, die v. Baer bei den Cyprinen nach dem Ausschlüpfen beobachtet hat, auch die Grenze des ossificirten Bogenschenkels und des Querfortsatzes, der bei den Cypri- nen ein besonderes Stück ist, gewesen sein kann. Am vierten Wirbel des Oyprinus Brama bleibt diese Nath das ganze Leben hindurch zwischen beiden Theilen, und doch ist der Wirbel- körper vom Querfortsatz und Bogenschenkel verschieden. 4 primitive Wirbelelemente scheint es überhaupt bei den Fischen nur im knorpeligen Zustand zu geben. Haben sie sich seitlich und oben und unten zu einem Ring vereinigt, dann entsteht erst die Ossification der Bo- genschenkel, unteren Querfortsätze und Wirbelkörper als verschiedener Theile, die man beim Cyprinus Brama das ganze Leben hindurch am vierten Wirbel getrennt sieht. 4. Die doppelseitige Entstehung der primitiven noch weichen Wirbelelemente beim Vogelembryo ist schon in Malpighi’s, deutlicher in Pander’s Abbildungen ausgedrückt. Beim Frosch hat sie vor Duges schon Rusconi beobachtet (Developpement de la gre- nouille commune, Milan 1826, p.39.). Duges beobachtete, dals sich beim gemeinen Frosch die Wirbelkörper als Ringe entwickeln, während sie sich bei Cultripes hinter der Chorda bilden, wie es auch bei Rana paradowa ist, wo die Chorda in einer Rinne der Wirbel- körper zuletzt liegen bleibt; aber Duges giebt die nähere Entwickelung jener Ringe beim gemeinen Frosch nicht an. So viel ich sehen konnte, wachsen sie nicht allmählig von oben und an den Seiten her um die Chorda, um sich vorn zu schlielsen, wie es beim Hühnchen Phys.-mathemat. dbhandl. 1834. Hh 242 Mürrer: /ergleichende Anatomie der My«xinoiden, ist; sondern es verknorpelt und ossificirt die äufsere Scheide der Chorda zu diesen Ringen, so zwar, dals sie in der untern Mittellinie einige Zeit doch wie unterbrochen aussehen; we- nigstens hat der Ring hier eine undeutliche Stelle. Bei Aana paradoxa, wo die Wirbel- körper über der Chorda entstehen, liegt an der untern Fläche der Chorda von der Gegend der Mitte der spätern Wirbelsäule an bis zum Ende der spätern Wirbelsäule ein weicher knorpeliger Streifen, dessen hinterer Theil zum Basilarstück des Steilsbeins ossificirt, während der vordere zu verschwinden scheint. Bei der Larve des gemeinen Frosches sah ich jenen Streifen nur da, wo das Basilarstück des Steilsbeins ossifieirt. Duges zeigte, dals das Basi- larstück des Steilsbeins nicht der Körper des Steifsbeins ist, indem die 2 Steilsbeinwirbel ihre besonderen Wirbelkörper wie alle Wirbel bei Culiripes über der Chorda haben, wäh- rend das Basilarstück unter der Chorda liegt und nach dem Verschwinden der Chorda mit den Wirbelkörpern des Steilsbeins verwächst; bei unserer erwachsenen Rana paradoxa sieht man wirklich noch die Nath an dieser Stelle. Duges glaubte daher, dals das Basilarstück des Steifsbeins mit dem V förmigen Knochen zu vergleichen sei, womit er wahrscheinlich die un- teren Dornen der Schwanzwirbel der Thiere versteht. Diese Vermuthung theile ich indefs nicht; denn dann würden die unteren Dornen weiter am Rückgrath reichen als die zwei Steilsbeinwirbel, mit denen das Basilarstück zum eigentlichen Steilsbein verwächst; ich halte dies Basilarstück vielmehr für das hier allein vorkommende untere primitive Element der Wirbelkörper, wie man es beim Stör doppelt unter der Chorda sieht. Indefs geben die unteren primitiven Wirbelelemente der Fische allerdings die unteren Dornen ab. 5. Carus vergleicht alle eylindrischen Knochen mit Wirbelkörpern. Dies scheint mir nicht richtig, da sich die primitiven Wirbelelemente und die Chorda an diesen Knochen nicht vorfinden. Die Chorda aber ist kein Knorpel, wie bewiesen worden ist. 6. Die schleimige oder gelatinöse Substanz in den Zigamenta intervertebralia des Neugebornen ist schon von E.H. Weber (Meckel’s Archiv für Anatomie und Physiologie 1527, p.249.) beschrieben worden. Derselbe hat auch Beobachtungen über die knöchernen Epiphysen der Wirbelkörper des Hasen mitgetheilt. Diese knöchernen Epiphysen finden sich ziemlich allgemein an den Wirbelkörpern junger Säugethiere, erscheinen aber beim Menschen merkwürdigerweise so spät bei Vollendung des Wachsthums. Siehe Albinus icones ossium Joetus p.54. und Flamm de vertebrarum ossificatione diss. Berol. 1818. 4. 7. Ob sich in der Achse der Schädelbasis junger Embryonen der Plagiostomen ein Stück der Chorda befinde, war noch nicht bekannt. Zur Zeit, wo die Chorda noch voll- ständig vorhanden ist, finde ich beim Foetus von Squalus Centrina, dals die Chorda in der Achse der Schädelbasis fadenförmig ist; sie reicht dick bis ans vordere Ende des Rück- graths; hier verliert sie sich mit einem ganz dünnen langen Faden in die Basis cranii. Bei einem Rochenembryo von 2 Zoll Länge, wo die Wirbelkörper schon gebildet waren, reichten sie selbst nieht weiter im Rückgrath als bis in die Stelle, die auch im erwachse- nen Rochen aus einem einzigen Knorpel besteht, und die Säule der Wirbelkörper endigte hier dünn. Wahrscheinlich wird die Chorda in der Basis des vordersten Theils des Rückgraths der Rochen, wo die Wirbel fehlen, bei noch jüngeren Embryonen auch fadenförmig sein. 8. Das früher angeführte Verhalten der unteren Dornen bei Thynnus thunnina ist bereits von Schultze von Th. vulgaris angegeben. Hier finde ich es nicht; dies war wohl ein anderer Thunfisch, die Abbildung palst auch nicht auf Th. thunnina. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 243 Myologie der Myxinoiden. Erster oder beschreibender Theil. Man kann das Muskelsystem der Myxinoiden in mehrere Abtheilungen zerfällen: die Muskeln des Rumpfes, die des Mundes und Schlundes, die des Zungenbeins, die der Zunge und die Muskeln des Kiemenapparats. Capitel I. Von den Muskeln des Rumpfes. A. Rücken- und Seitenmuskeln. Schneidet man eine Myxine senkrecht quer durch, so sieht man die Rumpfmuskeln auf dem Durchschnitt eine Sichel darstellen, deren Hörner an der Reihe der Schleimsäcke endigen, während die Concavität der Sichel die Rumpfhöhle darstellt und der Durchschnitt des Rückgraths in dem brei- testen Theile der Sichel ist (Tab. II, Fig. 11.122). Das Rückgrath stöfst mit seinem untern Umfang an die Mitte der Concavität der Sichel und reicht mit seinem obern Umfang nicht bis zur Convexität dieser Sichel. Die Grenze der Seitenmuskeln ist da wo die Schleimsäcke liegen. Zwischen den Schleim- säcken beider Seiten liegt unten die tiefe Schicht der Bauchmuskeln und oberflächlich liegt die oberflächliche Schicht, welche sich aber zu den Seiten über eine gute Strecke der Seitenmuskeln wegbegiebt. Gegen die Haut hin sind die Muskeln von einer fascia superficialis bedeckt und nach innen, ge- gen das peritoneum, liegt auch wieder eine innere jascia. Die bei den übrigen Fischen vorkommenden Intermuskularbänder, welche die Rumpfmuskeln, wie die Rippen die Intercostalmuskeln durch- setzen, sind auch hier vorhanden. Auf diese Art zerfällt die ganze Muskel- masse des Rumpfes, mit Ausnahme des oberflächlichen Bauchmuskels, der der anders angeordnet ist, in ebenso viele Abtheilungen als rippenartige Z- gamenta intermuscularia vorhanden sind. Vom Kopfe bis zum After sind bei Bdellostoma heterotrema 89; die Seitenmuskeln des Schwanzes sind durch ohn- gefähr 20 Zwischenmuskelbänder ebenso bis zur Schwanzspitze abgetheilt. Hh2 244 Mürzer: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, Diese Bänder haben natürlich auch eine sichelförmige Gestalt, wie die senk- rechten Querdurchschnitte der Muskelmasse des Rumpfes. Die Intermus- kularbänder sind wie bei den übrigen Fischen nicht ganz gerade; am Rük- ken beginnen sie, schief nach rückwärts und abwärts gehend, sogleich bie- gen sie unter einem spitzen oder stumpfen Winkel um und gehen nach vor- wärts und abwärts, und dann erst verlaufen sie gerade nach abwärts. Siehe Tab. I. von Bdellostoma heterotrema. Auf diese Art sind also die iigamenta intermuscularia nahe am Rückgrath zickzackförmig; in der Nähe des Schwan- zes und am Schwanze machen sie sogar eine zweifache Biegung, ehe sie nach abwärts laufen. So weit diese /igamenta intermuscularia ziekzackförmig gehen, kann man die Rückenmuskeln, und so weit sie dann gerade verlaufen, die Seitenmuskeln rechnen. Sonst sieht man an der Oberfläche der Muskelmasse durchaus keine weitere Abtheilung und nur auf den senkrechten Querdurch- schnitten glaubt man hie und da eine deutlichere Absonderung zu sehen. Zwi- schen den ligamenta intermuscularia verlaufen die Muskelbündelchen parallel und stellen senkrecht von aufsen abgehende, durch Zellgewebe verbundene Blätter dar. Die Zligamenta intermuscularia gehen nicht senkrecht von der Jascia superficialis externa zur interna, sondern schief von oben und hinten nach unten und vorn. Am Rücken ist diese Stellung am meisten schief, an den Seiten des Körpers, wo die Seitenmuskeln dünner werden, mehr gerade. Im Allgemeinen sind die /gamenta intermuscularia bei weitem nicht so schief als bei den Petromyzen; daher sieht man auf senkrechten Querdurchschnit- ten des Körpers auch nicht die Durchschnitte von vielen Zigamenta intermus- cularia, wie man sie bei den Petromyzen sieht. Auch fehlen die bei den Pe- tromyzen vorkommenden festen Scheidewände zwischen den Zgamenta inter- muscularia, in welchen dort die einzelnen Bündelchen einer zwischen zwei lıgamenta intermuscularia liegenden Schichte separirt sind. Die zickzackförmig getheilte Partie der Seitenmuskeln oder die Rük- kenmuskeln sind am vordern Theil des Körpers schmal; sie beginnen bei m Bdellostoma heterotrema hinter dem Kopfe 2” breit, nehmen allmählig an Breite zu; in der Mitte des Körpers haben sie jederseits 4-5” Breite; nach hinten behalten sie ziemlich gleiche Breite, bis sie zuletzt den Rückentheil der Schwanzmuskeln bilden. Die eigentlichen Seitenmuskeln, Fortsetzung der Rückenmuskeln, sind gegen den Rücken am dicksten (Tab.I, D); nach aufsen nehmen sie der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 245 allmählig ab bis zu der Stelle, wo sich die schiefen Bauchmuskeln auf ihrer Oberfläche inseriren; weiterhin nach unten sind sie dann von den schiefen Bauchmuskeln bedeckt. So weit sie bedeckt sind (Tab. I, C), sind sie gleich- förmig dick, und dünner als wo sie nach aufsen frei liegen. Ihre Ausdeh- nung ist von dem Rückenmuskel bis zu der Reihe der Schleimsäcke (Tab. I, C). An der vordern Wand des Bauches liegen, bedeckt vom schiefen Bauch- muskel, die geraden Bauchmuskeln (Tab.I, 7), deren inscriptiones tendineae ebenso deutlich sind als an den Seitenmuskeln und Rückenmuskeln. Die Zahl und Lage dieser inscriptiones tendineae oder ligamenta intermuscularia entspricht ganz den igamenta intermuscularia der Seitenmuskeln und Rücken- muskeln, und man würde die Zigamenta intermuscularia der geraden Bauch- muskeln als eine Fortsetzung derjenigen der Seitenmuskeln betrachten kön- nen, wenn beide Muskeln durch die Reihe der Schleimsäcke nicht ganz un- terbrochen wären. (Tab.I,C7). Am Schwanze fehlen die Bauchmuskeln und liegen die Schleimsäcke beider Seiten am untern Rand des Schwanzes. Am Kopfe liegen die ersten Schichten der Seitenmuskeln hinter den Augen noch zu den Seiten des hintern Theils des Schädels. Das vordere Ende dieser grofsen Muskelmasse hat einen sehr ausgehöhlten Rand (Tab. VI, Fig.1.2d’), der hinter dem Auge an der Oberfläche der Gaumen- leisten beginnt, wo er mit dem der andern Seite durch eine Aponeurose über dem Schädel zusammenhängt (Tab. VI, Fig. 2.), geht dann hinter dem Auge herum nach auswärts und dann nach vorwärts, so dafs sich das vordere Ende der Seitenmuskeln als ein platter Zipfel an den Knorpel- fortsatz des vordern Zungenbeinendes und an den Knorpel des untern Tentakels anheftet. Dieser Zipfel hat viel längere Muskelfasern als die fol- genden sirata des Seitenmuskels zwischen den Zigamenta intermuscularia. Der ausgehöhlte vordere Rand der Seitenmuskel heftet sich übrigens auch an die oberflächliche Fascie, welche den ganzen Rumpf einhüllt. Der obere Theil der Seitenmuskeln, wo sie dicker sind, liegt frei und wird nach Weg- nahme der Haut sogleich gesehen. Der äufsere Theil dieser Muskeln dage- gen ist von den schiefen Bauchmuskeln bedeckt, welche in der fascia super- fietalis auf der Oberfläche der Seitenmuskeln entspringen. Hier ist der Ur- sprung der schiefen Bauchmuskeln namentlich sehr innig mit den /gamenta intermuscularia der Seitenmuskeln verbunden. Am Schwanze setzen sich die Seitenmuskeln bis zu dessen Ende fort und gehen bis zum untern Rande 246 Mürtzr: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, des Schwanzes, da die Schleimsäcke, welche überall die vordere Grenze der Seitenmuskeln bilden, hier am vordern Rand des Schwanzes liegen. Die Wirkung der Seitenmuskeln und Rückenmuskeln ist die Biegung des Rumpfes nach aufsen oder oben oder in Wellenlinien. B. Bauchmuskeln. Bauchmuskeln sind 2, ein schiefer und ein gerader; der erstere liegt oberflächlich und bedeckt nach aufsen hin einen Theil des Seitenmuskels, nach innen an der vordern Bauchfläche den geraden Bauchmuskel. I. Der schiefe Bauchmuskel (Tab.I, 4). Dieser Muskel reicht vom vordern Theile des Kopfes bis zum After, liegt an der Bauchfläche ganz oberflächlich unter der fascia superficialis, welche über diesem Muskel sehr ansehnlich ist und deutliche, parallele, schief von oben nach unten und vorn verlaufende weifse Fasern enthält. Die innere Grenze dieses Muskels ist die Mittellinie des Körpers; am vordern Theil des Körpers, vom Kopf bis zu dem Ende der Kiemen, geht der Muskel sogar kreuzweise über die Mittellinie; die äufsere Grenze oder Ursprungsstelle des Muskels ist eine ge- rade Linie an der äufsern Seite des Leibes, die in der Mitte des Körpers ohngefähr + Zoll, am hintern Theil des Körpers fast 1 Zoll weiter nach au- fsen als die Reihe der Schleimsäcke und ihrer Poren liegt. Der Kopftheil des Muskels ist schmäler und sehr niedrig (Tab. VI, Fig. 1 4). Die eben ge- nannte Linie ist die Ursprungslinie des Muskels, wo seine Fasern auf der Oberfläche des Seitenmuskels in der fascia superficialis und an den lgamenta intermuscularia des Seitenmuskels ausgehen. Die 1” breiten, platten Mus- kelbündel, durch keine ligamenta intermuscularia getheilt, verlaufen von jener Linie parallel schief von aufsen nach rückwärts einwärts gegen die un- tere Mittellinie des Körpers. Diese strata haben daher einen entgegengesetz- ten schiefen Verlauf mit den Fasern der darüber liegenden fascia superficialis. Vom hintern Ende der Kiemen bis zum After kommen die Fasern des schie- fen Bauchmuskels der rechten und linken Seite in der untern Mittellinie in einer Raphe oder schmalen Zinea alba zusammen (Tab.I, r). Vom Kopfe aber bis zum hintern Ende der Riemen, 10 Zoll vom Munde, hören die schiefen Bauchmuskeln in der untern Mittellinie nicht auf, sondern setzen, indem sie ihre 1 Linie breiten Fascikel kreuzweise durcheinander schieben, auf die entgegengesetzte Seite über. Da der schiefe Bauchmuskel schon der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 247 einige Linien hinter dem vierten Tentakel zu entspringen anfängt, so be- ginnt auch die Kreuzung nahe am untern Mundrande. Die übersetzenden Fascikel sind am vordersten Theil des Körpers kurz und gehen nur einige Linien weit auf die entgegengesetzte Seite des Bauches; bald werden sie län- ger, so dafs sie sich über 5” weit fortsetzen. 2-3 Zoll hinter dem Munde sind die gekreuzten Bündel am längsten; von da nehmen sie wieder allmäh- lig an Länge ab, bis hinter den Kiemen die Kreuzung ganz aufhört und die Bündel in der untern Mittellinie schief zusammenkommen. Daher bildet die Kreuzung eine nach hinten spitz endigende Figur. Nach der Kreuzung befestigen sich die Fascikel am Rande dieser Figur auf der Oberfläche des entgegengesetzten schiefen Bauchmuskels in der fascia superficialis. So sieht man in Tab. I. die Bündel des linken schiefen Bauchmuskels 4 bei 4’ von den kreuzenden Bündeln 3’ des schiefen Bauchmuskels 3 bedeckt bis zur Mittellinie gehen, hier zwischen den Bündeln von 3’ sich durchschieben und nun auf der Oberfläche von 2 auf der rechten Seite als 4” erscheinen, während hinwieder 23” die Fortsetzung von 2 ist und ein Theil von 3 von A" bedeckt wird. In Tab. VI, Fig. 2. sieht man die innere Fläche der schie- fen Bauchmuskeln. Die schiefen Bauchmuskeln bilden also am vordern Theil des Körpers vom Munde bis zu dem Ende der Kiemen einen vollkom- menen Schnürleib. Diese Bildung ist um so interessanter, als uns wenig ähn- liche Beispiele in der Muskellehre von einem animalischen Muskel bekannt sind. Die Wirkung des schiefen Bauchmuskels ist, die Contenta der Rumpf- höhle und Mundhöhle, Zungenapparat, Schlund, Speiseröhre, Kiemen und Unterleibsorgane kräftig zusammenzudrücken. Bei Bdellostoma geht der schiefe Bauchmuskel äufserlich über die Schleimsäcke weg (Tab.I.e, Tab. VI, Fig. 3.) und läfst blofs die Öffnungen der Schleimsäcke zwischen seinen Fas- cikeln durchtreten (Tab.I, d). Hier drückt dieser Muskel auch die Schleim- säcke zusammen. Merkwürdigerweise unterscheiden sich alle von mir un- tersuchten Myxinen in dieser Hinsicht von Bdellostoma heterotrema und Ae- xatrema. Die Schleimsäcke liegen nämlich bei den Myxinen zwischen dem schiefen Bauchmuskel und der Haut. II. Der gerade Bauchmuskel (Tab.1.F, Tab.VI. 7°). Er ist vom vorigen bedeckt, nimmt den Raum zwischen den 2 Reihen der Schleimsäcke ein und reicht vom hintern Ende des knöchernen Theils des Zungenbeins bis zum After. Der gerade Bauchmuskel der rechten und jener der linken Seite 248 Mützen: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden, berühren sich in der Mittellinie. Sein vorderes Ende ist spitz; in der Mitte ist er am breitesten. Am hintern Theile des Körpers ist er wieder schmäler und endigt bis zum After ganz verschmälert und zuletzt zugespitzt. Dieser Muskel besitzt dieselben inseriptiones tendineae seu ligamenta iIntermuscularia wie die Seitenwandmuskeln. Siehe Tab. I. 7, Tab.VI. F. Das vordere ver- schmälerte Ende des Muskels schiebt sich 2 Zoll hinter dem Munde zwischen den beiden Köpfen des innern Vorziehers der Zunge G und // durch und inserirt sich am Zungenbein, da wo der knöcherne Theil an den knorpeli- gen grenzt, mit seiner Sehne, seitlich von der Mittellinie. Die Wirkung des geraden Bauchmuskels ist die Krümmung des Kör- pers nach unten, die Annäherung des Schwanzes zum Kopfe, und die Zu- rückziehung des Zungenbeins, wenn die Rückenmuskeln, ihm das Gleichge- wicht haltend, jenes verhindern. Capitel II. Von den Muskeln des Zungenbeins (Tab. VI, Fig. 1-3. Tab. VII, Fig.1. Tab. VIIL, Fig.1.). Da das Zungenbein den Unterkiefer vertritt, so dient es auch einem grolsen Theile der Kopfmuskeln zum Ansatz, welche die Mundhöhle und die Stellung des obern zum untern Theil des Kopfes verändern. I. Vorwärtszieher des Zungenbeins (Tab.VI, Fig. 1-3 M, Tab. VHO, Fig. 1 MN, Tab.VIII, Fig. 1 MN). Es sind zwei, welche mit dem He- ber des Zungenbeins am oberflächlichsten von den Zungenbeinmuskeln lie- gen. Der erste M entspringt breit vom Seitenrand der zweiten Reihe der knöchernen Zungenbeinstücke und noch etwas vom grofsen Zungenbeinhorn; seine Fasern laufen aufwärts vorwärts, convergirend. Das Ende inserirt sich am vordersten Theile der Gaumenleisten. Der hintere Vorwärtszieher des Zungenbeins liegt in derselben Rich- tung etwas weiter rückwärts, /Y. Er entspringt breit vom Seitenrand des knorpeligen Zungenbeinkiels; seine Fasern laufen schief, aufwärts vorwärts, wenig convergirend. Die Insertion ist am Rande der Gaumenleiste, da wo diese in den Schlundkorb übergeht. Der vordere Vorzieher wird zum Theil vom Seitenmuskel (Tab. VI, Fig.1 7), der hintere ganz von ihm bedeckt. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 249 Beide Muskeln ziehen das Zungenbein vorwärts aufwärts und schie- ben dadurch den untern Mundrand, der vom Zungenbein begrenzt wird und gewöhnlich weit hinter dem obern Mundrand liegt, vor. II. Der Heber des Zungenbeins. Der Heber liegt vor dem vor- dern Vorzieher des Zungenbeins und wird vom vordern Ende des Seitenmus- kels gröfstentheils bedeckt (Tab.VI, Fig. 1-3. Tab.VII, Fig. 1 Z. Tab.VIIL, Fig.1Z). Er entspringt von der untern Fläche der vordern Reihe der Zun- genbeinstücke in der Mittellinie, schlägt sich nach aufsen um den Seiten- rand des vordern Theils des Zungenbeins herum nach aufwärts und inserirt sich, etwas schief vorwärts, gröfstentheils aufwärts laufend, an dem seitlichen Knorpelfortsatz des vordern Endes der Gaumenleisten (Tab. II, Fig. 1-6 2). Er hebt das Zungenbein in die Höhe und zieht es etwas vorwärts; durch Andrücken des vordern Endes des Zungenbeins an den obern Theil des Mundes kann er den Mund schliefsen. Er kann auch, da er um die Seiten- theile des Zungenbeins herumgeht, die Seitenstücke der ersten Reihe der Zungenbeinstücke zusammendrücken, die Mundhöhle von der Seite veren- gern und dadurch die beiden Seitenhälften der bewaffneten Zunge zusam- menlegen. II. Der Zurückzieher des Zungenbeins (Tab.V],Fig.2.3 P. Tab. VI, Fig. ?. Tab.VIII, Fig. 1 P). Er entspringt vom Seitenrand des vordern Stücks des Zungenbeins; seine Fasern laufen rückwärts und aufwärts und inseriren sich am Rande der Gaumenleiste von der Gegend des Auges bis zum Ende des herabsteigenden Randes des Schlundkorbes. Er zieht das Zungenbein rückwärts und aufwärts. IV. Der Beuger des Zungenbeins (Tab.VII, Fig.2X). Er krümmt die erste und zweite Reihe der härteren Zungenbeinstücke in ihrer Verbin- dung, so dafs die vordere Reihe der Zungenbeinstücke gegen die hintere Reihe sich erhebt. Er entspringt von der untern Fläche des zweiten Gliedes des Zungenbeins, schlägt sich nach aufsen und oben um das Zungenbein in die Mundhöhle unter die Zunge; an seinem innern Rande, wo er unter der Zunge liegt, hat er eine sehnige Verstärkung, von welcher neue Muskelfasern entspringen. Vorwärts unter der Zunge verlaufend wird er plötzlich sehnig. Die Sehne X” ist sehr breit; ihr innerer Rand ist nahe der Mitte der Ober- fläche des Zungenbeins, und zwar des ersten Gliedes der Länge nach festge- heftet bis zum vordern Rand des Zungenbeins; vorn giebt die Sehne einen Phys.- mathemat. Abhandl, 1834. Ii 250 Mürver: /ergleichende Anatomie der Mysxinoiden, bandartigen Fortsatz zum Knorpel des vierten Tentakels, den der Muskel also auch zurück- und in die Mundhöhle ziehen kann, während ein Band von der Sehne des oberflächlichen Vorziehers der Zunge diesen Knorpel des vierten Bartfadens nach aufsen von der Mundhöhle bei der Wirkung des letz- tern Muskels zurückziehen kann. Durch einen häutigen Fortsatz von Zellgewebe Ä’ hängt dieser son- derbare Muskel bei Ddellostoma heterotrema mit der untern Fläche des hin- tern Theils der Zunge zusammen; dieser Fortsatz dient dem Zungenner- ven zum Leitband. Ein Zweig vom dritten Ast des Trigeminus 7’ geht an der Seite der Zunge herab zu diesem Muskel, durchbohrt ihn von unten nach aufwärts, läfst hier Muskelzweige und geht dann an dem Leitband in den hintern untern Theil der Zunge als Zungenast (Tab.VII, Fig. 2.). Capitel III. Von den Muskeln der Zunge. Der in der Östeologie beschriebene zahntragende Zungenknorpel hängt mit dem Zungenbein nicht fest zusammen, sondern ist vielmehr ganz aufser- ordentlich beweglich und kann auf der Grundlage des Zungenbeins hin und her geschoben werden. Es giebt oberflächliche und tiefe Muskeln der Zunge. Oberflächlich, und zwar auf dem Zungenbein, unter dem schiefen Bauchmuskel, liegen die Vorzieher der Zunge. A. Vorzieher der Zunge. I. Der äufsere Vorzieher der Zunge (Tab.VI, Fig.37. Tab.VII, Fig.1 7. Tab.VIH, Fig.27). Er entspringt von dem hintern zugespitzten Ende des knorpeligen Zungenbeinkiels mit zwei Portionen, einem vordern schmalern und hintern dickern Fascikel; er geht allmählig verschmälert als ein platter bandförmiger Muskel an der Seite der untern Fläche des Zungenbeins bis zum Mund hin. 8 Linien hinter dem Munde wird er sehnig. Die Sehne 7’ ist breit und platt, fliefst mit der der andern Seite bogenförmig zusammen und stellt nun eine breite, sehnige Platte dar (Tab.VI, Fig.37’), welche vom vordern Ende des schiefen Bauchmuskels von unten bedeckt wird. Die Sehne verschmälert sich gegen den Mund hin der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 251 etwas, schlägt sich dann um den untern Mundrand oder um den vordern Rand des Zungenbeins nach einwärts in den Mund (Tab.VII, Fig.2 7’), und dann nach rückwärts gegen den vordern Rand des Zungenknorpels oder der eigentlichen Zunge. Da wo diese Sehne sich um den vordern Zun- genbeinrand in den Mund unıschlägt, ist sie mit der Mundschleimhaut ver- wachsen (Tab.VOI, Fig.3 7”. Fig.2 7”), ihr Seitenrand hängt zugleich hier durch ein Bändchen mit dem Knorpel des vierten Tentakels zusammen, so dafs dieser zurückgezogen werden kann. Nachdem sie sich in den Mund umgeschlagen, verläuft sie unter der Mundschleimhaut zur Zunge und be- festigt sich am vordern Rande des Zungenknorpels. II. Der innere Vorzieher der Zunge (Tab.VI, Fig.3. Tab.VII, ‚Fig.1. Tab.VIII, Fig.2G#). Er entspringt mit 2 Köpfen an der Leiste der untern Mittellinie des Zungenbeinknorpels. Der eine Kopf 77 liegt an dem gleichnamigen andern in der Mitte, der andere G an der Seite des ersten; der Ursprung des zweiten ist hinter dem ersten. Diese Muskeln sind vornhin platt und gehen an der untern Fläche des Zungenbeins vorwärts. In der Hälfte ihres Verlaufs lassen die beiden Köpfe die Sehne des geraden Bauchmuskels zwischen sich durch zum Zungenbein treten. Vorn gehen beide Köpfe in eine gemeinschaftliche Sehne über, die aber auch die gleichnamigen Muskeln der andern Seite aufnimmt. Diese starke breite Sehne geht, bedeckt von der Sehne des äufsern Vorziehers der Zunge, vorwärts und dann ebenfalls über den vordern Rand des Zungenbeins durch Umschlag in die Mundhöhle; sie befestigt sich an dem vordern Theil der untern Fläche des Zungenknorpels, und zwar an der vordern Zungenknorpelplatte. Die Wirkung der beiden Vorzieher der Zunge ist, die Zunge mit der über den untern Mundrand gehenden Sehne gleichwie über eine Rolle bis an den vordern Mundrand vorzuziehen. Aus dem Munde herausgezogen kann die Zunge wohl nicht werden; dies könnte nur bei Erhebung des hin- tern Theils der Zunge geschehen, wobei sich die Zunge gleichsam umlegte. Hierzu sind aber keine Muskeln vorhanden. Dafs diese Stellung der Zunge vor dem Munde bei My.wine vorkomme, scheint zwar die nach dem Leben entworfene Abbildung des Gunnerus zu beweisen, welche indefs ganz un- richtig zu sein scheint. Bei Gunnerus stehen die Zähne umgekehrt, mit den Spitzen vorwärts, die sie sonst rückwärts kehren. Die Zunge ist hier Ii2 252 Mürrer: Fergleichende Anatomie der My.xinoiden ’ so vorgeschoben, wie man sie an dem todten Thiere nie sehen kann; sie liegt in der Abbildung an der untern Fläche der Schnautze und ist von un- ten sichtbar. Bei unserm Bdellostoma kann ich diese Lage der Zunge nicht hervorbringen; sie ist mit ihrem vordern Rande durch die Vorzieher der Zunge festgehalten; der hintere Rand läfst sich aber nicht ganz aus dem Mund herausbringen und nicht ganz um den vordern Rand umwenden, so dafs die obere Fläche zur untern würde. Der hintere Theil der Zunge konnte nur so weit vorgezogen werden, dafs sie einen Vierteleirkel um ih- ren vordern Rand beschrieb, so dafs ihre obere Fläche zur vordern wurde. Die weitere Erhebung und Wendung des hintern Theils der Zunge ist durch ein Bändchen verhindert, das sich von der Sehne des schon beschriebenen, vom Seitenrand des Zungenbeins entspringenden Muskels (Tab.VIII, Fig. 2K) an die untere Fläche der Zunge befestigt und sie zurückhält. Zu der Ausführung der Lage der Zunge, die Gunnerus abgebildet hat, ist aber nicht einmal ein Muskel da. In sofern der hintere Theil der Zunge auf einer sehr festen cylindrischen Sehne wie auf einer Stange steht, und da diese Sehne in einem schlüpfrigen Kanale geht, könnte vielleicht durch Vor- schieben dieser sehnenartigen Stange vermöge des grofsen Muskelapparates, worin sie liegt, der hintere Theil der Zunge einigermafsen über den fixir- ten vordern Theil der Zunge vorgeschoben werden. Ich weifs indefs nicht, ob dies bei der Biegsamkeit der Sehne möglich ist, und wie ich schon be- merkt habe, ist das weitere Vorschieben der Zunge durch das beschriebene Bändchen verhindert (!). B. Der grofse Muskelkörper der Zunge. Diese merkwürdige Muskelmasse stellt eine bei Bdellostoma heterotrema 5” lange, von oben nach unten etwas platt gedrückte Walze dar, mit vorderm spitzem und hinterm stumpfem Ende. Die Breite ist 1 Zoll, die Höhe 8 Li- nien. Bei Myxine ist dieser Körper unter gleichen Verhältnissen 1%, Zoll (') „Am schönsten liels es, wenn er anfıng seine Kiefer aus beiden Seiten hervorzuschie- ben und zwo Reihen kleiner gelber Zähne herzuweisen, die zugleich mit dem Zahnfleisch sehr genau wie zween kleine und sehr feine gelbe Kimme anzusehen waren. Wenn er diese seinen gelben Zähne zum Vorschein brachte, so liels es fast ebenso, als wenn man einen Spiegel oder einen Schrank mit zwo halben Thieren öffnet, also dals jede Thüre auf ihre Seite fällt.” Gunnerus a.a. O. der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 253 lang. Das vordere spitze Ende des Körpers ist am knorpeligen Zungen- beinkiel, und zwar an dessen Seitenrand befestigt. Die äufsere Schichte des Muskelkörpers ist hohl; da nun eine dicke fibröse Membran den Kiel von oben zu einem Kanal schliefst, so ist die Höhlung der äufsern Lage des Muskelkörpers die Fortsetzung des Kanals des Kiels. In diesem mus- kulösen Kanal liegt der Längenmuskel der Zunge und in der Höhlung des Kiels dessen lange dicke Sehne oder Sehnenstange zur Zunge. Das hin- tere, stumpfe, geschlossene Ende des Muskelkörpers reicht bis dicht an die Kiemen. Die untere Fläche sieht gegen die geraden Bauchmuskeln, mit de- nen sie durch Zellgewebe verbunden ist. Die obere Wand des Muskelkör- pers sieht gegen die untere Wand der Speiseröhre; zwischen beiden liegt eine lange, von einer dünnen Membran gebildete Höhlung, wahrscheinlich ein Lymphsack, der, die obere Fläche des Muskelkörpers bedeckend, sich gegen die Seite der Speiseröhre aufschlägt und die untere Wand der Speiseröhre wieder bekleidet. Ein ähnlicher, langer, feinhäutiger Sack, wahrscheinlich ebenfalls Lymphsack, liegt zwischen der Speiseröhre und der untern Fläche des Rückgraths und der vordern Aorte. Diese beiden Säcke stofsen an den Seiten der Speiseröhre an einander. Bei Myxine verhält sich alles auf dieselbe Weise; durch Aufblasen des einen Sackes wird meist auch der andere aufgeblasen; sie setzen sich über den Kiemen durch zellulöse Höhlungen fort, die um den Kiementheil der Speiseröhre liegen. Durch die eben genannten Zellen scheinen jene beiden Säcke zu communiciren. Zuweilen füllt sich beim Aufblasen der Säcke bei Bdellostoma hexatrema ein grofser langer Lymphbehälter der Bauchhöhle, der am Rückgrath hinter der vena cava inferior gelegen ist. Das hintere Ende des grofsen innern Muskel- apparates der Zunge stöfst, wie schon bemerkt, an das vordere Ende der Kie- men und ist hier mit der pleura oder der Haut, welche alle Kiemensäcke und die Kiemengänge einschliefst, verwachsen. So viel von dem situs unseres Muskelkörpers. Dieser den Myxinoiden eigenthümliche ungeheure Muskel- körper ist die Ursache, dafs bei ihnen die Kiemen so weit nach hinten, und nicht mehr am Halstheil des Körpers liegen. Die walzenförmige Masse besteht aus 3 Theilen: einem muskulösen Rohr, einem darin liegenden Längenmuskel zur Bewegung des sehnigen Zun- genstiels, und einem senkrecht von der obern zur untern Fläche der Muskel- walze verlaufenden Muskel am hintern Ende dieser Walze. 254 Münzen: Jergleichende Anatomie der Myxinoiden, I. Der hohle äufsere Muskel. Dieser ist auf der Oberfläche von einer schr festen Fascie bedeckt, welche am hintern stumpfen Ende das Rohr allein schliefst, indem die ringförmigen Muskelbündel etwas früher aufhö- ren. Die vordere Spitze des hohlen Muskels sitzt an dem Rande des knor- peligen Zungenbeinkiels an. Von dem Rande dieses hinten spitz auslaufen- den, oben ausgehöhlten Kiels gehen dicht gehäufte Muskelfasern aus, welche veifenartig von beiden Seiten gegen einander streben, und indem sie sich oben in der Mittellinie durch eine weifse Linie verbinden, einen hohlen Muskel bilden. Wo der knorpelige Zungenbeinkiel hinten aufhört die Stütze dieser reifenartigen Muskellibern zu sein, setzt sich der hohle Muskel gleich- wohl fort. Nachdem er sich schon hinten, wo der Zungenbeinkiel am schmäl- sten, verdickt hatte, wird er nun, wo er ganz frei und ohne Insertion an festen Theilen ist, noch stärker und behält nun die Breite von 1 Zoll und die Höhe von S Linien bis zu seinem hintern abgerundeten Ende. An dem gröfsern, den Zungenbeinknorpel überragenden Theil des muskulösen Rohrs entspringen die Fasern nicht mehr von festen Theilen an der untern Mittel- linie, sondern von einem sehnigen Längsstreifen. An diesem gröfsten freien Theile des hohlen Muskels bilden daher die Muskelfibern Reifen von der untern Mittellinie an der Seiten- und obern Fläche, bis sie zum Theil in der Mittellinie oben in der weifsen Linie zusammenstofsen. Obgleich dieser hohle Muskel in dem gröfsten Theile seines Verlaufs aufsen gleich dick er- scheint, so ist doch seine Höhle nicht gleichförmig, sondern erweitert sich nach hinten konisch, so dafs also die aus gehäuften Cirkelfasern bestehen- den Wände des hohlen Muskels vorn am stärksten, hinten am schwächsten sind. Auch ist die Dicke der Wandungen des Rohrs selbst auf einem senk- rechten Durchschnitt nicht gleich, sondern in der obern und untern Mittel- linie ist die Wand des Rohrs sehr dünn, aufsen am dicksten (Tab. II, Fig. 117), und die Dicke der muskulösen Seitenwände nimmt gegen die obere und untere Mittellinie allmählig ab. Eigentlich besteht daher das Rohr aus seitlichen muskulösen Lagen, die in der obern und untern Mittellinie mit einander verbunden sind. Diese verschiedene Dicke des Rohrs an verschie- denen Theilen seines Umfanges beweist schon, dafs nicht alle von oben nach unten um das Rohr laufenden Muskelfibern gleich lang sind und ganze Rei- fen sein können. Vielmehr bildet nur die innerste Schicht der Seitenhälf- ten des hohlen Muskels Reifen von der untern sehnigen Mittellinie bis zur der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 255 obern Mittellinie, wo sie in die weifse Linie übergehen. Die auf diesen in- nersten Schichten liegenden Schichten sind kürzer und erreichen weder unten noch oben die Mittellinie, inseriren sich vielmehr unten und oben in der Fascie des Muskelkörpers; die nächsten Schichten sind noch kürzer und die Längen dieser von oben nach unten verlaufenden Fasern der Seitenhälften des Mus- kels werden nach aufsen immer kürzer (Tab.II, Fig. 11.12). Präparirt man die Fascie von der Oberfläche des Muskelkörpers ab, so sieht man nur oben und unten neben der Mittellinie die Fasern dahinstreichen. Weiter nach aufsen sieht man an der obern und untern Fläche nur die abgeschnit- tenen Insertionsenden der Muskelfibern in der Fascie. An der äufsern Seite sieht man nach Wegnahme der Fascie wieder die oberflächlichsten und kür- zesten Fasern in ihrem Verlauf von oben nach unten auf ihrer äufseren Fläche. Die Fig. 11 und 12, Tab.II. zeigen senkrechte Querdurchschnitte einer Myxine; Fig. 11. im hintern Theile des Muskels, wo die Muskelwände i nicht so stark sind, Fig. 12. vom vordern Theile des Muskels, wo die Wände i am dicksten sind und die Höhle zwischen den beiden Seitenhälften also nur einen engen, von oben nach unten gerichteten Schlitz darstellt. Am hintern Ende endigen beide Seitenhälften der muskulösen Scheide als abgerundete, platte, dünne Lappen, welche das Ende des im Innern liegen- den Längenmuskels nicht erreichen, sondern durch eine sackförmige fibröse Haut, welche das runde hintere Ende des innern Längenmuskels überzieht, zusammen verbunden werden. Schneidet man die muskulöse Scheide auf, so sieht man das Innere glatt von einer dünnen Haut, welche die innere Wand der Höhle der muskulösen Scheide bildet. In der untern Mittelli- nie der innern Wand bemerkt man einen 1, Linien breiten, festen, sch- nigen Längsstreifen, der zum Ursprung der längsten Muskelreifen dient und von dem hintern spitzen Ende des knorpeligen Zungenbeinkiels bis zu ei- nem am hintersten Theil der untern Mittellinie liegenden, 1 Zoll langen, starken, walzenförmigen Knochen reicht. Dieser Knochen ist schon in der Östeologie beschrieben. Von diesem Knochen entspringen die Muskelfasern des Muskelrohrs nicht mehr; sie haben hier schon in den abgerundeten Sei- tenlappen aufgehört. Die Höhle des muskulösen Rohrs ist am sackförmigen, membranösen, hintern Ende am weitesten, verengert sich nach vorn konisch und hat im engsten vordern Theile nur 11--2 Linien Durchmesser. Nach vorn setzt sich 256 Mürzen: Vergleichende Anatomie der Mysxinoiden, die Höhlung des Rohrs übrigens weiter fort als das muskulöse Rohr selbst reicht. Indem nämlich die oberen Ränder des knorpeligen Zungenbeinkiels hier nicht mehr von Muskelsubstanz oben verbunden werden, sondern durch eine fibröse dicke Schicht brückenartig vereinigt sind, geht die Höhle der muskulösen Scheide in die Höhle des knorpeligen Zungenbeinkiels über und öffnet sich vorn in den glatten Kanal (Tab.VI, Fig.52), der auf der auf der innern Fläche des knöchernen Zungenbeins durch zwei sehnige Längsstreifen (Tab.VI, Fig.5 a) gebildet wird. Die Seitenränder dieses glat- ten Halbkanals sind also sehnige Fortsetzungen, die vom vordern Ende des knorpeligen Zungenbeinkiels ausgehen und an der innern oder obern Fläche des knöchernen Zungenbeins bis fast zum vordern Ende des Zungenbeins reichen. Dieser Halbkanal hat bei Bdellostoma heterotrema ohngefähr 2 Li- nien Durchmesser; er ist 1% Zoll lang. Vorn verflacht er sich, da die seh- nigen Ränder des Kanals streifenartig gegen den vordern Rand des Zungen- beins auslaufen. In diesem Kanal läuft die starke Sehne des in der Muskel- röhre enthaltenen Längenmuskels. Il. Der innere Längenmuskel. Dieser Muskel stellt einen lan- gen Konus mit abgerundeter hinterer Basis dar. Die Basis ist in dem sack- förmigen Ende der muskulösen vorher beschriebenen Scheide enthalten und ist bei Ddellostoma heterotrema 8 Linien breit, 7 Linien hoch. Die Länge des Muskels beträgt 4 Zoll. Das spitze vordere Ende geht in die starke und feste Sehne über, welche in dem verengten Kanal und Halbkanal verläuft. Diese muskulöse Pyramide besteht aus 2 seitlichen, mit platten Flächen an einander liegenden halben Theilen, von äufserer convexer Oberfläche. Die Muskelfasern verlaufen der Länge nach; an dem abgerundeten hintern Ende gehen die beiden an einander liegenden Muskeln bogenförmig mit der gan- zen Dicke ihres Muskelfleisches in einander über. Unmittelbar vor dieser bogenförmigen Commissur liegen die beiden muskulösen Arme etwas aus einander. Oben sind sie durch ein längliches Knorpelschild von einander getrennt, welches früher beschrieben worden. Dann liegt zwischen ihnen hier ein von oben nach unten durchgehender Muskel, der von dem wal- zenförmigen Knochen am hintern Theil der untern Mittellinie des Mus- kelkörpers der Zunge wulstig entspringt und zwischen beiden Armen des Längenmuskels, vorn schmal und schneidend, hinten breiter, nach oben der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 257 durchgeht, um sich an der untern Fläche des elliptischen Knorpelschildes zu inseriren, das am obern hintern Theil des muskulösen Apparates liegt. III. Dieser innere senkrechte Muskel verbindet also den untern walzenförmigen Knochen mit dem obern schildförmigen Knorpel und ist im Stande, das hintere Ende des grofsen Muskelkörpers der Zunge platt zu drücken und das Ende des Längenmuskels zu fixiren. Die beiden Arme des Längenmuskels, welche in dem Muskelrohr liegen und hinten bogenförmig verbunden siud, gehen mit ihrem dünnern vordern Theil in eine einfache, walzenförmige, steife Sehne über. Diese Sehne ist ohngefähr 24 Zoll lang bei Ddellostoma heterotrema und eine Li- nie dick. Ihr Ursprung im vordern Ende des Längenmuskels ist eigenthüm- lich; sie theilt sich hier in mehrere Fetzen, wovon der stärkste verschmä- lert unten zwischen beiden Seitentheilen des Muskels verläuft und die Mus- kelfibern aufnimmt. Alle diese Fetzen geben wieder kleine Sehnenfasern ab, welche die schief auf sie gerichteten Muskelfasern aufnehmen. Diese ganz steife Sehne verläuft nun in dem engen Theile der muskulösen Scheide über den Knorpelkiel des Zungenbeins, dann über den offenen Halbkanal des festen Zungenbeins und begiebt sich an den hintern Umfang der Zunge. Hier breitet sich die Sehne aus und theilt sich in mehrere Blätter, wovon das obere an die den hintern Zungenknorpel bedeckende fibröse Haut, das untere an den Knorpel selbst geht. Der mitilere Theil der Sehne geht unten über die Mitte des hintern Zungenknorpels, mit ihm verwachsen, weg und setzt sich an den hintern Rand des ersten Zungenknorpels. Der untere Kiel an der von den Seiten zusammenlegbaren Zunge läuft in dem vordern Theil des Halbkanals des festen Zungenbeins. Die Wirkung des Längenmuskels ist, an dem sehnigen Stiel die Zunge zurückzuziehen und dadurch die Zähne in die Beute einzusetzen, oder wenn der Gaumenzahn sich in ein Thier befestigt hat, die Zähne fei- lend und kratzend auf die Beute wirken zu lassen. Wird die knöcherne Schnautzenstütze und das Nasenrohr, und so die ganze Schnautze zurück- gezogen, so liegt der Gaumenzahn im vordersten Theil des Mundes, und dann können die Zungenzähne bis vor den Gaumenzahn vorgezogen wer- den und leichter auf die vom Gaumenzahn gefafste Beute wirken. Das Muskelrohr, welches den Längenmuskel sowohl als seine Sehne einschliefst, Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Kk 258 Müruer: /ergleichende Anatomie der M [yxinoiden, und dessen Höhle vorn enger ist, mufs durch seine Zusammenpressung des Längenmuskels die Dauer der Lage der Zunge, die der Längenmus- kel herbeiführt, befördern. Ob durch die Zusammenziehung des Muskel- rohrs um den Längenmuskel, der bei der Contraction sich im hintern Theil des Rohrs anhäufte, dieser, wenn erschlafft, wieder gestreckt, und dadurch die Sehnenstange der Zunge nicht allein hervorgestofsen werde, sondern auch die Zunge von hinten nach vorn sich aufstelle, mufs unent- schieden bleiben. Capitel IV. Von den Muskeln der Mundestheile. Einige Muskeln, die zur Bewegung der Mundtheile dienen, liegen oberflächlich unter der Haut der obern Fläche des Kopfes, bedeckt von der Jascia superficialis. Diese sind die Retractoren der Schnautze. Der Zurückzieher der Nasenöffnung (Tab.V]I, Fig.1.2Q). Er entspringt an der Gaumenleiste, geht, indem er das Nasenrohr zum Theil bedeckt, vorwärts und inserirt sich zur Seite des ersten Knorpels des Na- senrohrs an dem äufsern Ende des jochförmigen Mundknorpels. Seine Wir- kung ist durch den Namen angezeigt. Der Zurückzieher der Tentakeln (Tab.VI, Fig. 1.2 R). Er ent- springt von der Gaumenleiste vor dem Auge, inserirt sich mit einer Portion an dem Knorpel des ersten und zweiten, mit der zweiten Portion an dem Knorpel des dritten Tentakels. Der Zurückzieher der knöchernen Stütze der Schnautze (Tab.VI, Fig.1.2 8). Er entspringt von der Gaumenleiste vor dem Auge, läuft allmählig verschmälert vorwärts an den Seitenrand der knöchernen Schnautzenstütze, welche er zurückzieht, wodurch die ganze Schnautze nach hinten gezogen wird. Andere Muskeln der Mundtheile liegen tiefer und werden gesehen, wenn die Mundschleimhaut an der innern Fläche der obern Wand des Mun- des vor dem Gaumenzahn bis zum Rande weggenommen wird. Der Zurückzieher des Mundrandes oder der Mundknorpel. Er entspringt vom Seitenrand und von der untern Fläche der Gaumenleiste, geht schief abwärts vorwärts, bedeckt von den Zungenbeinmuskeln, nahe an der Cycloslomen mit durchbohrtem Gaumen. 259 der Mundschleimhaut gelegen und inserirt sich am Knorpelfortsatz des vordern Zungenbeinendes, welcher die Stütze des untern Seitentheils des Mundes ist (Tab.VIII, Fig. 1 7). Dieser Muskel ist von einem Muskelzweig des zwei- ten Astes des Trigeminus durchbohrt, der ihm Zweige giebt. Der zweiköpfige Herabzieher des Mundes (Tab. VIII, Fig. 1UU'). Er entspringt mit dem einen Kopf U von der untern Fläche des vordern Endes des Zungenbeins (von dem innern Stück der ersten Reihe). Dieser gehr aufwärts vorwärts und verbindet sich mit dem kürzern Kopf U’, der vom Knorpel des dritten Tentakels entspringt. Beide setzen sich ver- eint an den Knorpelbogen zwischen dem ersten und dritten Tentakel. Der Herabzieher der knöchernen Schnautzenstütze (Tab. VII, Fig. 17°. Fig.377). Er entspringt vom vordern Rande des Zungenbeins nach aufsen, geht schief unter den Knorpeln des Mundgerüstes nach auf- wärts einwärts vorwärts und inserirt sich am vordern Ende der knöchernen Schnautzenstütze in der Mittellinie. Der Compressor des Mundes, Mundschliefser (Tab.VIII, Fig. 1.2.3797). Er entspringt vom Knorpel des dritten Tentakels, geht unter dem obern Mundrande quer hin und befestigt sich einestheils an das vordere Ende der knöchernen Schnautzenstütze, anderntheils geht er unter diesem Knochen, zwischen ihm und der Mundschleimhaut, mit dem gleichnami- gen der andern Seite zusammen. Er verengt den Eingang der Mundhöhle von den Seiten und schliefst den Mund. Wirkt einer allein, so zieht er die Schnautze zur Seite. Compressor narium (Tab.VUI, Fig.2.377’). Ein kleines Muskel- bündelchen, welches vom vordern Ende der knöchernen Schnautzenstütze entspringt und, vor dem vorigen Muskel gelegen, nach aufsen geht und um den Knorpel des ersten Tentakels nach oben herumläuft,, um sich an das vor- dere Ende des Nasenrohrs an die Seite festzusetzen. Er zieht den Anfang des Nasenrohrs gegen die Schnautzenstütze und schliefst die Nase. Der pyramidale Muskel der Schnautze (Tab.VII, Fig.2.3 X). Er bildet eine Pyramide, deren Basis von der ganzen Seite der knö- chernen Schnautzenstütze entspringt und der sich am Knorpelfortsatz des vordern Endes der Gaumenleiste mit der Spitze seiner Pyramide befestigt. Er zieht diesen Knorpel nach der Schnautzenstütze und damit alle mit dem Knorpel zusammenhängenden Mundknorpel und verengt die Mundhöhle, Kk2 260 Müuuer: Jergleichende Anatomie der Myxinoiden . Capitel V. Von den Schlund- und Gaumenmuskeln. I. Der Constrictor des Schlundes (Tab.VII, Fig. 70). Er be- steht bei Ddellostoma heterotrema aus 3 Portionen. Die erste O entspringt von dem grofsen Zungenbeinhorn und geht schmal aufwärts unter dem obern Knorpelriemen des Schlundkorbes durch. Die zweite O’O” entspringt hinten vom Zungenbeinhorn und von der Seite des knorpeligen Zungenbeinkiels und geht mit divergirenden Fasern nach aufwärts und rückwärts über den Schlundkorb. Die dritte O” entspringt vom Zungenbeinkiel und von der Oberfläche des vordern Endes des grofsen Muskelapparates der Zunge, oder vielmehr von der Fascie, die diesen walzenförmigen Muskelkörper überzieht. Diese dritte hinter den andern liegende Portion geht schief aufwärts rückwärts über die Seiten des Schlundes und der Speiseröhre weg; alle Portionen inseriren sich in einer Linie an die innere Fascie, welche den Sei- tenmuskel von innen bekleidet, neben dem Rückgrath. Sie ziehen das Zun- genbein und den walzenförmigen Zungenmuskelapparat zurück und aufwärts, und verengen den Schlund und die Speiseröhre. Bei Myxine glutinosa ist der Constrictor des Schlundes viel länger; er entspringt noch weiter auf der Seite der obern Fläche der Fascie, die den grofsen Muskelkörper der Zunge umgiebt, bis zum Ende dieses Kör- pers; sein hinterster Theil hängt sogar noch mit dem Anfang des Constrictor des Kiemenapparates zusammen (Tab.VII, Fig. 10 ««). Seine Fasern laufen schief aufwärts rückwärts und inseriren sich zur Seite des Rückgraths. Die Constrictoren des Schlundes haben über sich den nervus vagus (Tab.VII, Fig. 1, Nro.7.) und einen Ast der vena jugularis 4’, unter sich einen Ast der letztern und die carotis 3. Vorn sind die Muskeln etwas vom hintern Vorzieher des Zungenbeins N bedeckt. Vom hintern knorpeligen Riemen des Schlundkorbes gehen bei Bdellostoma heterotrema auch noch eine vor- dere und hintere Reihe ganz kurzer Querfasern auf den Schlund. II. Der Anzieher des Schlundsegels (Tab.III, Fig.5.6 9). Die- ser Muskel, welcher die Seitenarme des Schlundsegels gegen die Gaumen- platte ziehen und dadurch die Nasengaumenöflnung verengern oder schlie- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 261 fsen kann, entspringt vom Seitenrand des breiten mittlern Theils der Gaumenplatte und von der Gaumenleiste (Tab. III, Fig.5 $), geht rhom- boidalisch schmal nach rückwärts auswärts, unten von der Mundschleim- haut der obern Mundwand bedeckt, zu dem Seitenarme des Schlundse- gels, und also in die Duplicatur der Schieimhaut dieses Segels hinein und befestigt sich mit der Portion a an die apophysis muscularis des vordern dik- kern Endes des Seitenarmes des Schlundsegels (Tab. VIII, Fig.2 5”), mit der Portion 5 am Seitenarm des Schlundsegels bis zur Hälfte seiner Länge oder bis da, wo der quere Verbindungsriemen der beiden Seitenarme des Schlundsegels abgeht. Er zieht mit der Portion 5 das Schlundsegel vorwärts und einwärts und schliefst dadurch das Nasengaumenloch. Die Portion a wirkt als Antagonist und zieht den Seitenarm des Schlundsegels wieder auswärts. III. Der Anspanner des Schlundsegels (Tab.III, Fig. 1.5). Er entspringt vom Kopfe des Seitenknorpels des Schlundsegels und geht an die untere Fläche des vordersten Theils des Rückgraths. Er zieht den Kopf des Seitenarmes des Schlundsegels einwärts und dadurch das Schlundsegel auswärts und breitet es aus. IV. Der Anzieher des Schlundkorbes (Tab.IIl, Fig.5 X’. Tab. VII, Fig.1 7’). Entspringt mit einer dünnen Sehne vom vordersten Theil der untern Fläche der Gaumenleiste, schwillt bald in einen spindelförmi- gen Bauch an und inserirt sich am untern vordern Rand des knorpeligen Schlundkorbes, den er vorziehen kann. Bei Myxine, wo die Gaumen- leiste biegsam ist, beugt er die ganze Schnautze abwärts gegen den Schlund- korb. Capitel VI. Von den Constrietoren des Kiemenapparates. Der Kiemenapparat ist bei den Myxinoiden von einem sehr merkwür- digen Constrictor umfafst, dessen Lage und schleifenartige Fascikel in ihrem Verlauf uns nichts Ähnliches in der Thierwelt darbieten. Zur Kenntnifs dieses Muskels wird eine genaue Kenntnifs der Athemorgane vorausgesetzt, deren Beschreibung wir daher vorausschicken. 262 Mürrer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, I. Athemorgane der Bdellostomen (Tab. VO, Fig.1-3.). Die Athemorgane zerfallen in die Kiemen, in die äufseren und inne- ren Kiemengänge und in die häutige Hülle der Kiemen. Die Kiemen (Tab.VII, Fig. 1-3.d) sind häutige, platte, runde Säcke, die auf ihrer äufsern Oberfläche fast glatt und nur am circulären Rande etwas eingekerbt sind. Auf ihren platten Flächen in der Mitte ist einerseits die Einsenkung des äufsern Kiemenganges, anderseits der Austritt des in- nern Kiemenganges, der in die Speiseröhre übergeht. Diese Säcke nehmen bei Bdellosioma von vorn nach hinten an Gröfse etwas ab. Im Durchschnitt sind sie auf ihren platten Flächen gegen 1 Zoll breit, und messen von einer platten Fläche zur andern 2 bis 3 Linien. Die Säcke liegen schief dachzie- gelförmig, mit der vordern Fläche nach vorwärts und einwärts, mit der hin- tern Fläche nach rückwärts und auswärts, hinter einander, auf jeder Seite unter der Speiseröhre. Der erste Kiemensack liegt gerade hinter dem hin- tern Ende des grofsen Muskelkörpers der Zunge, der letzte vor dem Herzen. Auf der rechten Seite von Ddellostoma heterotrema sind 6 Kiemen und eben- so viel äufsere und innere Kiemengänge, auf der linken Seite 7; bei Bdel- lostoma hexatrema sind jederseits 6 Kiemen mit den entsprechenden Kiemen- gängen. Die Kiemensäcke bestehen aus 3 Häuten: einer innern Schleim- haut, von der die Falten des Kiemensackes ausgehen, einer mittlern fibrö- sen und einer äufsern serösen Haut, welche mit der serösen Hülle aller Kie- men zusammenhängt, wovon später die Rede sein wird. Die äufseren Kie- menlöcher (Tab.1. f), foramina branchialia seu stigmata externa, liegen neben den Poren der Schleimsäcke d; jedes enge, runde Stigma liegt ge- rade dicht vor und etwas über einem Porus der Schleimsäcke. An dieser Stelle weichen die schiefen Fasern des muscwlus obliquus abdominis 4 so viel aus einander, um die Öffnung zuzulassen. Dieser Muskel mufs die Löcher auch schliefsen können. Das letzte linke Stigma g ist gröfser, weil es auch zugleich das Stigma des starken duetus oesophago-cutaneus ist. Die äufseren Kiemengänge, ductus branchiales externi (Tab.VIL, Fig. 1-3), sind gegen 1 Zoll lang und 2 Linien dick, bestehen aus einer äufsern, serösen, ziem- lich festen, mittlern fibrösen und innern Haut. Diese Häute gehen in die- selben Häute der Kiemen über; die innere Schleimhaut in die inneren Fal- ten des Kiemensackes. Die äufseren Kiemengänge gehen vorwärts einwärts der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 263 aufwärts, und treten schief in die äufsere platte Fläche der Kiemensäcke von hinten in der Mitte ein. Die Beschreibung des innern Baues der Kiemen wird bis auf den splanchnologischen Theil dieser anatomischen Beschreibung verschoben. Die inneren Kiemengänge, ductus branchiales oesophagei (Tab.VII, Fig. 1-3e), gehen aus der vordern innern Fläche der Kiemensäcke in der Mitte hervor, und zwar auch schief nach vorwärts einwärts aufwärts, so dafs ihre Direction die Fortsetzung der Direction der äufseren Kiemengänge ist; sie sind 4, Zoll lang, ebenso dick wie die äufseren Kiemengänge und bestehen aus denselben Häuten. Zwischen der äufsern und mittlern Haut liegen an der Einsenkungsstelle der Kiemengänge in die Speiseröhre ringförmige Mus- kelfasern (Tab.VII, Fig.2e). Die Speiseröhre (Fig.1.2a), am vordern Theil des Körpers über dem grofsen Muskelkörper der Zunge 44, zwischen die- sem und dem Rückgrath gelegen, liegt am Kiementheil des Körpers zwischen Rückgrath und Riemen; sie ist hier ebenso weit als vorn und nimmt die ductus branchiales oesophagei an ihren Seiten durch die stügmata oeso- phagea hinter einander auf. Hinter dem linken letzten Kiemengang geht (bei Bdellostoma heterotrema Tab.VII, Fig.1. 2.3 f) von der Speiseröhre ein Gang ab, der viel stärker ist als die Kiemengänge, und bei Bdellostoma heterotrema 4 Linien im Durchmesser, fest so stark ist als die Weite der Speiseröhre. Dieser Gang, ductus oesophago-cutaneus, geht an der linken Seite nach auswärts und ein wenig abwärts und senkt sich gemeinschaftlich mit dem letzten, linken, äufsern Kiemengang, mit dem er sich nicht vorher verbindet, in das siebente, linke, äufsere Stigma ein (Tab.I.g), welches darum viel gröfser als die übrigen ist. In der Wand dieses Ganges liegt der oben beschriebene und Tab.VII, Fig.5. abgebildete Knorpel (vergl. Tab.VIl, Fig. 2.4 x), so dafs die geschwungene Schleife in der äufsern, vordern und hintern Seite des Ganges dicht am äufsern Stigma herumläuft, der gerade Faden aber an der vordern Seite des Ganges aufsteigt in der Richtung des Ganges gegen die Speiseröhre. Hinter dem Abgang dieses Ganges von der Speiseröhre ist schon die Herzzelle der Bauchhöhle, und es sieht die hintere Fläche des Ganges schon in diese obere zellenförmige Abtheilung der Bauch- höhle (Tab.VII, Fig. 1 DD), worin auch das Herz g zum Vorschein kömmt. Die Speiseröhre geht nun nach einer unbedeutenden Einschnürung a’ in den Magen a” über, der etwas weiter als die Speiseröhre ist. 264 Mürnuen: Fergleichende dnatomie der Myxinoiden, Die Kiemensäcke und die äufseren und inneren Kiemengänge liegen in einer eigenen häutigen Hülle, pleura, welche sich zu ihnen wie eine se- röse Haut zu ihrem Eingeweide verhält, indem sie das Eingeweide einmal fest und zum zweitenmal durch Umschlag frei übergeht, so dafs zwischen dem Eingeweide und der serösen äufsern Hülle eine Höhle bleibt (Tab. VII, Fig.1 BB). Jeder Kiemensack mit seinem äufsern und innern Kiemengang liegt in einem solchen Beutel. Der äufsere Kiemengang tritt in die äufsere Wand des serösen Beutels ein, am hintern Theil des Beutels, wo die äufsere Wand in die hintere übergeht, erhält in dem Beutel einen serösen Überzug von der äufsern und hintern Wand desselben, und so setzt sich dieser Überzug von dem Kiemengang auf die Kieme als äufsere Haut der Kieme, und von da auf den innern Kiemengang fort, bis dieser an der innern Wand des Beu- tels, da wo die vordere in die innere Wand übergeht, aus dem Beutel her- austritt. Die serösen Beutel je zweier auf einander folgender Kiemensäcke legen sich mit den an einander stofsenden Blättern dicht zusammen, und hierdurch entsteht zwischen je 2 Kiemen jedesmal ein Septum aus 2 Blät- tern. Der vorderste seröse Beutel stöfst mit seiner vordern Wand an das hintere Ende des grofsen Muskelkörpers der Zunge (Tab.VII, Fig. 1 4.4), wo er angewachsen ist; der hinterste seröse Beutel rechter Seits stöfst mit seiner hintern Wand an das peritoneum der Bauchhöhle; der hinterste seröse Beutel der linken Seite stöfst auf die vordere Wand des ductus oesophago- cutareus, während die hintere Wand dieses Ganges (Tab.VII, Fig. 1 /), so wie das Ende der Speiseröhre a’ schon von der serösen Haut einer mit der Bauchhöhle communicirenden Zelle (Tab. VII, Fig. 1 DD) überzogen wird, worin das Herz liegt. Aus dieser Beschreibung ergiebt sich, dafs es ebenso viel seröse Beutel auf jeder Seite als Kiemensäcke giebt, und dafs nur der ductus cesophago-cutaneus in keinem Beutel, sondern zwischen dem letzten Kiemenbeutel und der serösen Haut der Zelle DD liegt. Diese Kiemenbeutel sind nun aber nicht von allen Seiten geschlossen, son- dern an ihrer innern Wand befindet sich jedesmal eine Öffnung in einen in der vordern Mittellinie unter dem Kiemenapparat liegenden, gemeinsa- men Raum, der von derselben Haut ausgekleidet ist. Dieser Raum reicht von dem vordern Ende des ganzen Kiemenapparates bis zum hintern Ende oder bis zum Anfang des Ilerzens. Schneidet man die vordere Mittellinie der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. 265 des Körpers, also die Zinea alba der schiefen Bauchmuskeln und zwischen den geraden Bauchmuskeln ein (Tab.VII, Fig.3.), so kömmt man in diesen länglichen Raum C, worin die Kiemenarterie ? liegt und wodurch alle serö- sen Kiemenbeutel communiciren, indem sie gleichsam wie Auswüchse von diesem Raum ausgehen. Die Öffnungen (Tab.VII, Fig.3 D), durch welche dieser Raum mit den serösen Kiemenbeuteln communicirt und durch welche die Äste der Kiemenarterie zu den Kiemen gehen, sind sehr grofs und bei Bdellostoma heterotrema 4-5 Linien breit, übrigens rundlich. Die Kiemen der Petromyzen liegen auch in Brustfellsäcken, und in- dem die hintere Wand eines Sackes sich an die vordere Wand des folgenden Sackes anlegt, entstehen doppeltblättrige Scheidewände zwischen je zwei Kiemen. Der äufsere Rand dieser Scheidewände liegt an den den Kiemen- decken der Haifische entsprechenden Brustknorpeln an; aber die Brustfell- säcke der Petromyzen sind von allen Seiten geschlossen und communiciren nicht mit einem Raume um die Kiemenarterie. Die Aste der Kiemenarterie gehen daher nicht durch Öffnungen der Brustfellsäcke in diese ein, son- dern treten zwischen die Blätter der Scheidewände zwischen den Kiemen und geben von dort ihre Äste zu den Kiemen. Bei den Bdellostomen und My- xinen sind dagegen alle Brustfellsäcke durch den Raum um die Kiemenarte- rie verbunden. In dem vordern Raume der Bdellostomen liegt nun die Kiemenarterie (Tab.VII, Fig. 3) ganz frei mit ihren Ästen für jede Kieme. Sie ist durch keine Falte an die Wand dieses Raumes festgehalten, sondern man bemerkt nur an verschiedenen Stellen dünne Fäden, welche von der Arterie und ih- ren Ästen ausgehen und sich in der serösen Wand des Raumes inseriren. Die Äste der Kiemenarterie gehen jedesmal durch die grofse Communica- tionsöffnung zwischen einem serösen Kiemenbeutel und dem Raum um den Kiemenarterienstamm frei in den serösen Kiemenbeutel ihrer Kieme gegen die Stelle, wo der äufsere Kiemengang mit der Kieme sich verbindet. Hier tritt die Arterie in die Wände der Kieme und ihre Äste werden, wenn uninjieirt, unsichtbar. Der vordere gemeinschaftliche Mittelraum der se- rösen Kiemenbeutel setzt sich am untern Ende desselben durch mehrere enge Communicationsöffnungen unter die Haut fort, die um die Herzkam- mer herum liegt und durch aufserordentlich viele Fäden, wie bei Myxine mit der Oberfläche der Herzkammer zusammenhängt; zwischen Vorhof und Phys.- mathemat. Abhandl. 1834. Ll 266 Müruer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, äufserer Haut desselben setzt sich diese Lücke nicht fort und die den Vor- hof überziehende Haut ist fest mit ihm verwachsen. Meckel hält den Raum zwischen der Herzkammer und seiner Haut bei My.xine für den Herz- beutel, obgleich er die Communication mit dem Raum um die Kiemen- arterie nicht kennt. Eine theilweise Verwachsung des Herzbeutels mit dem Herzen kömmt bekanntlich bei mehreren Fischen vor. Meckel führt sie von Muraena conger, anguilla, Muraenophis, Cobitis fossilis, Petromy- zon, Accipenser, Anarrhichas an. Bei M. anguilla sah er sie oft durch mehr als 20 Fäden bewirkt (!); am stärksten ist sie nach Meckel bei Co- bitis und Mysxine. Blies ich bei Bdellostoma heterotrema und hexatrema von oben aus dem Raum um die Kiemenarterie nach abwärts, so wurde der Beutel um die Herzkammer nur stellenweise aufgetrieben. Bei Myxine, wo ich 8 Exemplare auf diesen Punct untersuchte, fand ich jedesmal dieselbe Com- munication beim Aufblasen, indem hier der vordere Mittelraum um die Kie- menarterie und die theilweise angewachsene Haut des Herzens sich gerade so verhält. Die äufsere Fläche des Beutels sieht in einen besondern Theil der Bauchhöhle, wo das peritoneum und der Beutel an einander liegen. Der Raum zwischen der Haut der Kammer und der Kammer selbst scheint jedoch der eigentliche Herzbeutel nicht zu sein, denn die Kammer mit ih- rem Überzug net man die Bauchhöhle des Bdellostoma oder der Myxine, so sieht man das Herz nicht, weil es vom obern Theile der Leber zum Theil bedeckt wird. Wenn man aber die rechte Leber aufhebt, so sieht man eine quere Falte des Bauchfells von der Seitenwand des Bauches zur untern Fläche der rechten Leber. Hinter dieser Falte setzt sich die Bauchhöhle nach oben hinter dem obern Theil der Leber und dann nach links selbst über die Le- ber bis zur hintern Wand des duectus oesophago-cutaneus fort und endigt hier und am Ende der Speiseröhre in dem auf Tab.VII, Fig. 1. durch DD bezeichneten Raum blind, indem das peritoneum diese Theile noch über- zieht. An der linken Seite kann man unter der Leber nicht in diesen ober- sten Theil der Bauchöhle kommen, indem hier das peritoneum DD’ von der untern Fläche der Leber auf den Magen @a’ und die dahinter liegende vena cava inferior 5 blindsackartig übergeht und dann an diesen Theilen herab- und die Vorkammer liegen noch in einem serösen Sack. Of- (') Syst. d. vergl. Anat. 5. p. 177. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 267 steigt. Dagegen kömmt man unter dem obersten rechten Theile der Leber in den obersten Theil der Bauchhöhle DD, der hinter dem rechten Theil der Leber nach aufwärts und links geht und in welchen Kammer und Vorhof des Herzens, die hintere Wand des ductus oesophago-cutaneus und die vor- dere Wand des Endes der Speiseröhre hineinragen. In Fig. 1, Tab.VII. sieht man bei DD diesen obersten Theil der Bauchhöhle aufgeschnitten und darin die hintere Wand des ductus oesophago-cutaneus f, das Herz (g Kammer, g’ Vorhof, erstere wieder in dem locker anliegenden, zum Theil angewach- senen, beutelförmigen Überzug) und das Ende der Speiseröhre, cardia, d'. Bei der Untersuchung dieser Gegenstände stiefs ich auch auf fol- gende Betrachtung derselben. Ich mufs vermuthen, dafs der unter der rechten Leber hinter einer Falte des peritoneums sich fortsetzende Theil der Bauchhöhle, in den das Herz ragt und der an den ductus oesophago- cutaneus und die cardia stöfst, also der Raum DD der eigentliche Herz- beutelraum sei, der unter der rechten Leber mit der Bauchhöhle durch eine ganz weite Verbindung communicirt, gleichwie der Herzbeutel des Störs, der Haifische und Rochen mit dem peritoneum communicirt ('). Sollte nun vielleicht der Mittelraum der serösen Kiemenbeutel gleichwie diese selbst ein ungeheurer Lymphsack sein, der alle Kiemen und Kiemengänge und die arteria branckialis umgäbe und auch Fortsetzungen unter die äufsere Haut des Herzens schickte? Auf diese Idee kam ich deswegen, weil nicht blofs die um die Herzkammer herumgehende Haut durch viele Fäden mit der Oberfläche des Herzens zusammenhängt und beim Aufblasen wie eine Reihe von Lymphzellen aussieht, sondern weil auch die arteria branchia- lis, ja die Kiemengänge und Kiemen an mehreren Stellen durch Fäden mit der serösen Wand verbunden waren. Nach dieser Ansicht würde, was Meckel bei Myxine als Herzbeutel ansah, nur eine Fortsetzung von Lymph- zellen über der Oberfläche des Herzens aus dem grofsen Lymphbehälter um die Riemen und die arteria branchialis sein. Man könnte für diese Vorstellung anführen, dafs bei den Schlangen die ganze Leber von einem Lymphsack umhüllt ist (?). Indessen ist die Bildung der serösen Beutel um die Kiemen bei den Bdellostomen und Myxinen zu regelmäfsig, als dafs es (') Siehe Meckel Syst. d. vergl. Anat. 5. p. 184. (*) Panizza sopra Ü sistema linfatico dei rettili, ricerche zootomiche. Pavia 1833. fol. L12 268 Müruer: /ergleichende Anatomie der M: yxinoiden, Lymphsäcke sein könnten. Dann sind die Kiemenbeutel der Petromyzen wirklich Pleuren, die indefs nicht durch einen vordern Mittelraum verbun- den sind. Jedenfalls ist der mit der Bauchhöhle communicirende Raum der Myxinoiden Herzbeutel. Bei den Petromyzen fehlt die Communication zwi- schen Herzbeutel und Bauchhöhle; sie findet sich aber bei einem der My- xine verwandten Thiere, 4mmocoetes. Zwar sah ich bei keiner einzigen Myxine unter vielen die Verwachsung zwischen Herz und Herzzelle der Bauchhöhle, wie sie öfter zwischen pericardium und Herz der Petromyzen vorkömmt, aber bei #mmocoetes, deren Herzzelle der Bauchhöhle auf bei- den Seiten mit letzterer ganz offen communicirt, verbindet ein Faden die Kammer und die rechte Wand der Herzzelle. Diese Verwachsung allein gleicht jener des Herzbeutels mit dem Herzen, wie sie bei den anderen oben angeführten Gattungen von Fischen vorkömmt. Es ist mir daher viel wahr- scheinlicher, dafs die Beutel um die Kiemen, Kiemengänge und arteria bran- chialis keine Lymphsäcke, sondern wirkliche seröse Häute, pleura, sind, und dafs der seröse Behälter um die arteria branchialis sich zwischen der Herz- kammer und dem wahren Herzbeutel verlängert, dafs der Herzbeutel die obere Bauchzelle ist und mit dem perztoneum communicirt, wie er bei den Plagiostomen und dem Stör mit dem peritoneum zusammenhängt. Über den äufsern obern Theil der serösen Beutel der Kiemen geht auf beiden Seiten der nervus vagus weg (Tab.VII, Fig. 1, Nro.7.), der vom Kopfe kommend den Schlundast 7’ zu den Constrietoren des Schlundes O abgiebt, dann die Speiseröhre begleitet und in der Kiemengegend, über den Kiemenbeuteln liegend, Äste für die Kiemen abgiebt (Tab.VII, Fig. 2. 7”) und zuletzt als ramus intestinalis nervi vagi 7" zur cardıa und in die Bauch- höhle geht. Auf der linken Seite ist der nervus vagus von der vena jugularis begleitet (Tab.VII, Fig. 1, Nro.4.), die an der Drüse x vorbeigehend zum Vorhof übergeht. Auf der rechten Seite liegt die vena jugwlaris am Halse auch neben dem nervus vagus, geht aber, wie Retzius schon von Myxine zeigte, über die erste Kieme weg zur Bauchfläche, zwischen beiden Reihen der Kiemen verlaufend. Sie liegt hier nicht in dem Mittelraum der serösen Kiemenbeutel wie die arteria branchialis, sondern zwischen der serösen Haut und dem geraden Bauchmuskel oberflächlich. Um die seröse Hülle der Kiemen liegt bei den Bdellostomen sowohl als Myxinen viel Fett. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 269 II. Athemorgane der Myxinen (Tab. VII, Fig. 6-12.). Die Athemorgane der Myxinen bestehen aus denselben Theilen wie bei den Bdellostomen, die äufseren Kiemengänge sind nur anders angeord- net. Die 6 Kiemen jeder Seite (Fig. 6 d) haben dieselbe Gestalt und Lage, ebenso die 6 inneren Kiemengänge (Fig.6e); die 6 äufseren Kiemengänge c dagegen entspringen jederseits aus einem einzigen ganz kurzen Stamm C, der sich hinter der letzten Kieme durch das einfache stigma externum aus- mündet. Die äufseren Kiemengänge sind daher an Länge sehr ungleich, je nachdem sie einen weiteren Weg zu ihrer Kieme zurückzulegen haben. Diese Gänge gehen neben einander durch Zellgewebe verbunden fort, bis jeder zu seiner Kieme bogenförmig umbiegt. Die Gänge haben einen Durchmes- ser von 1 Linie. Dafs ein gemeinschaftlicher langer Gang da wäre, aus dem alle Kiemengänge bei ihrer Kieme entspringen, wie Meckel angiebt, ist nicht richtig. Alle Kiemengänge sind bis ganz kurz vor dem Stigma von einander getrennt und lassen sich leicht von einander absondern. Foramina branchialia externa, stigmata externa sind also 2, ein rechtes und ein lin- kes, die sehr nahe bei einander liegen. Stgmata interna seu oesophagea sind 12, 6 auf jeder Seite der Speiseröhre. Der ductus oesophago-cutaneus (Tab.VII, Fig. 6 f) ist auch hier sehr stark, und viel stärker als die Kiemen- gänge, und führt aus der Speiseröhre in das stigma externum sinistrum, das deswegen viel gröfser als das andere und länglich ist. Im Grunde dieses Stigma sieht man 2 getrennte Öffnungen; die obere führt in die Kiemen- gänge, die untere in den ductus oesophago-cutaneus. Der letztere war bei Myxine zu klein, als dafs man den bei Bdellostoma heterotrema gefundenen Knorpel hätte sehen können. Die serösen Kiemenbeutel verhalten sich im Allgemeinen ganz wie bei den Bdellostomen. Sie liegen dachziegelförmig hinter einander, so dafs die längeren äufseren Kiemengänge der vorderen Kiemen über die Kiemenbeu- tel der hinteren Kiemen weggehen müssen (Tab.VII, Fig. 8.). Die Kiemen- beutel oder Pleuren bilden Scheidewände zwischen je zwei Kiemen. Siche Tab.VII, Fig. 7 d’, wo die Beutel aufgeschnitten dargestellt sind. Die inne- ren Kiemengänge (Fig. 6 e) treten durch die innere Wand dieser Beutel, um in die Speiseröhre B sich zu senken. Die äufseren Kiemengänge liegen zum Theil aufser (Tab. VII Fig.8c), zum Theil innerhalb c’ der serösen Kiemen- 270 Mürnen: Jergleichende Anatomie der Myxinoiden r beutel; nur ihr inneres Ende c’ tritt in den Beutel, ihr äufserer Theil ver- läuft zwischen den Bauchmuskeln und den serösen Beuteln. Tab.VII, Fig. 8c äufsere Kiemengänge, c’ im Beutel eingeschlossener Theil derselben, d Kie- men, d’ Kiemenbeutel, 7 arteria branchialis. Die Kiemenbeutel communi- ciren auf dieselbe Art mit dem Mittelraum um die arteria branchialis, wie bei Bdellostoma;, nur sind die Communicationsöffnungen verhältnifsmäfsig viel kleiner. Im übrigen verweise ich ganz auf die Beschreibung bei Bdello- stoma; auch die Fortsetzung des Mittelraums zwischen Herzkammer und Herz- beutel ist ganz wie bei diesen. Der nervus vagus und die vena jugularis sinistra und dextra verhalten. sich in ihrem Verlaufe bei Myxine durchaus wie bei Bdellostoma. III. Constrietor der Athemorgane der Bdellostomen (Tab.VII, Fig.2 «-»). Der Athmungsapparat der Bdellostomen kann von einem höchst merk- würdigen schleifenartigen Muskel zusammengezogen werden. Der Körper dieses Muskels liegt auf dem Kiementheil der Speiseröhre, zwischen dieser (Tab.VII, Fig.2 a) und der Wirbelsäule Z. Die aorta liegt an dieser Stelle nicht unmittelbar am Rückgrath, sondern unter diesem Muskel, zwischen ihm und der Speiseröhre; erst vor und hinter dem Kiementheil der Speise- röhre, wo dieser Muskel aufhört, liegt die aorta am Rückgrath selbst an, zwischen diesem und der Speiseröhre. Der Körper des Constrietors des Athmungsapparates besteht aus einer Kreuzung von Muskelschleifen, die hier sehr mannichfaltig verwebt sind und mehrere (4) Lücken lassen, durch welche die den Intercostalarterien entsprechenden Äste der aorta (Tab.VII, Fig. 2. Nro.1”) zu den Rumpfwänden kommen. Von Stelle zu Stelle schwillt der Muskel an, wo Schleifen von ihm nach aufsen abgehen, zwischen den ab- gehenden Schleifen ist sein Rand ausgehöhlt. Sie liegen auf den serösen Kiemenbeuteln oder Pleuren, mehrentheils am Umfang der Scheidewände, zwischen je 2 an einander liegenden Blättern der Scheidewand. Jede Schleife hat eine Breite von 2” und eine Länge von 14, bis 2”. Auf der linken Seite sind 7 Schleifen vorhanden. Die erste (Tab.VII, Fig. 2 «) geht vorwärts ab- wärts auswärts über den Pleurensack der ersten Kieme zum hintern Ende des grolsen Muskelkörpers der Zunge, wo sie sich in die Fascie dieses Körpers befestigt. Die zweite Schleife 8 geht in der Scheidewand der zweiten und dritten Kieme nach abwärts und etwas vorwärts, umgeht den Pleurensack der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 274 der zweiten Kieme und befestigt sich an der vordern Bauchwand mit stum- pfem Ende neben dem äufsern Ende des ductus branchialis externus der ersten Kieme. Die dritte Schleife y verläuft ebenso in der Scheidewand der drit- ten und vierten Kieme und um den Kiemenbeutel der dritten Kieme, um sich ebenfalls an der vordern Bauchwand dicht am äufsern Ende des ductus branchialis externus der zweiten Kieme zu befestigen. Ebenso liegt die vierte Schleife & in der Scheidewand der vierten und fünften Kieme und befestigt sich an der Insertionsstelle des ductus branchialis externus der dritten Kieme. Die fünfte e liegt in der Scheidewand der fünften und sechsten, die sechste £ in der Scheidewand der sechsten und siebenten, die siebente 7 zwischen dem letzten Pleurensack und der Herzzelle der Bauchhöhle. Die Schleifen @yde befestigen sich alle in der vordern Bauchwand, nachdem sie ihren Kiemen- beutel von oben nach unten und vorn umgangen sind. Die letzten Schlei- fen & und n sind viel länger, gehen zwischen 2 äufseren Kiemengängen, £ . zwischen dem fünften und sechsten, „ zwischen dem sechsten und sieben- ten durch und laufen wieder zurück gegen die untere Wand des hintersten Theils der Speiseröhre (siehe Tab. VI, Fig.3 &r), wo sie beitragen, um das Ende der Speiseröhre, den Sphincter #«?, zu bilden. Die darauf fol- gende Schleife (Tab.VII, Fig. 2.3) läuft angewachsen auf der äufsern Wand des ductus oesophago - cutaneus f herab und befestigt sich an der äufsern Bauchwand am Ende dieses Ganges. Der hinterste Theil des Constrietors ist der cardia bestimmt und kann die Communication des Kiementheils der Speiseröhre mit dem Magen abschliefsen. Es ist eine sehr dicke Lage von Muskelfasern, welche von oben und vorn nach unten, hinten und aufsen über diesen Theil der Speiseröhre über dem Abgang des duetus oeso- phago-cutaneus nach beiden Seiten herabfällt, theils den obern Theil der hintern Wand des ductus oesophago-cutaneus bedeckt x, theils von unten um die cardia herumgeht und anderseits wieder in sich selbst zu- rückläuft. Dieser Constrictor der cardia besitzt oben in seinem vordern Theil eine Spalte, woraus die aorta abdominalis 1" hervorkömmt, um sich an die untere Fläche des Rückgraths anzulegen, so dafs die Arterie, bisher zwischen Constrictor der Kiemen und Speiseröhre gelegen, nun frei wird. Der hintere Theil des Constrictor der cardia liegt schon nicht mehr über der aorta, sondern unter derselben dicht auf der cardia auf. Bisher haben wir das Verhalten des Constrictor des Kiemenapparates auf der linken Seite 279 Müuuer: /ergleichende Anatomie der My.xinoiden, geschildert; auf der rechten Seite verhält er sich ähnlich, aber nicht ganz gleich. Die Schleifen, welche zwischen den Kiemen durchgehen, verhalten sich ganz wie auf der linken Seite. Wir haben gesehen, dafs die Schleifen 2 und n auf der linken Seite nicht in der äufsern Bauchwand sich befestig- ten, sondern den Kiemenbeuteln der sechsten und siebenten Kieme angehö- rend vor den äufseren Kiemengängen dieser Kiemen nach unten durchgehen und in die untere Wand des Constrietors der cardia übergehen (vergl. Tab. VII, Fig.3 2). Da auf der rechten Seite bei Ddellostoma heterotrema die 7“ Kieme fehlt, so ist auch nur eine solche durchgehende Schleife 22, welche, über dem Pleurensack der 6“ Kieme gelegen, vor dem äufsern 6“ Kiemen- gang nach unten durchgeht und rückwärts einwärts verlaufend mit der entge- gengesetzten & an der untern Wand des Constrictors der cardia zusammen- kommt. Aufserdem aber sind auf der rechten Seite noch einige Muskelbündel vorhanden, wovon auf der linken Seite keine Analoga sind. Ein von der untern Wand des Constrictors der cardia abgehendes Fascikel (Tab.VII, Fig. 37) geht nach aufsen hinter dem letzten oder sechsten Pleurensack und be- festigt sich in der äufsern Bauchwand mit stumpfspitzem Ende. Ein ande- res, viel stärkeres Fascikel 3-3 geht von der untern Wand des Constrictors der cardia an der innern Seite des Pleurensackes der sechsten Kieme zwi- schen diesem und der Speiseröhre in die Höhe und geht in den Körper des Constrietors des Kiemenapparates über. Man sieht, dafs dieser Muskelap- parat aufser der Insertion der 5 ersten Schleifen der rechten und linken Seite am Zungenmuskel und an der äufsern Bauchwand, und aufser der Insertion der letzten linken obern Schleife $ und rechten untern Schleife 33 alle übrigen Fascikel vom Muskelkörper ausgehen und dahin zurückkehren. Der gröfste Theil der Muskelfasern bildet daher schiefe Reifen, die über die obere Mittellinie weggehen. Diese Reifen kreuzen sich in der obern Mittellinie; was nach hinten auf der rechten Seite herabsteigt, ist die Fortsetzung der Fascikel, die vorn links heraufsteigen und umgekehrt. Unter der cardia fin- det sogar eine untere Kreuzung statt. Noch ist zu erwähnen, dafs auch der ductus oesophago-cutaneus seine Muskelschichten hat. Ein Theil des constricior cardiae umfalst auch den obern Theil dieses Ganges von hinten (Tab.VI, Fig.2 x, Fig.4 x). Dieser Fascikel trägt dazu bei, das innere Stigma dieses Ganges zu verschliefsen. Verkürzt wird der Gang durch die schon beschriebene Schleife (Fig.2 $), der Cyclostomen mi durchbohrtem Gaumen. 273 verengt wieder theils durch schiefe Fasern an seiner hintern Wand (Tab.VII, Fig.2u), welche mit dem constrietor cardiae zusammenhängen und an dem aufsteigenden Schenkel des Knorpels des duetus oesophago-cutaneus endigen. Am Ende verschlossen wird er endlich durch Ringfasern (Tab.VIL, Fig. 4 v). Die Ringfasern, welche die ductus branchiales oesophagei schliefsen (Tab.VH, Fig.2e), sind schon oben beschrieben. In Fig.2, Tab.VII. sind auch noch die Kiemenvenen Nro.2. abgebildet, welche unter den Schleifen des Constri- ctors heraufsteigen und die 2 Carotiden an der Seite der Speiseröhre Nro. 3, so wie die aorta thoracica Nro.1. mit ihrer vordern einfachen Fortsetzung, ar- teria vertebralis Nro.1', und hintern Fortsetzung, aorta abdominalis Nro. 1” zu- sammensetzen. In Hinsicht dieser Gefäfse verweise ich auf die Erklärung der Abbildungen und auf den angiologischen Theil meiner Arbeit, der später folgt. Die aorta thoracica schickt ihre Intercostalarterien Nro. 1” durch die Lücken der Kreuzung des Constrictors. Sie gehen unregelmäfsig und nicht symmetrisch ab, und überspringen meist ein ligamentum intermusculare, eben- so wie die Intercostalarterien der arteria vertebralis und aorta abdominalıs, IV. Constrictor der Athemorgane der Myxine glutinosa (Tab.VIl, Fig.9-12.). Der Muskelapparat der Athemorgane der Myxinen verhält sich im Allgemeinen so wie bei den Bdellostomen, ist aber etwas complicirter. Auf der Oberfläche des Kiementheils der Speiseröhre und über dem Stamm der aorta, wo er aus den Kiemenvenen zusammengesetzt wird, liegt auch wieder die Kreuzung des Constrictors. Die vordersten Bündel dieses Muskels verlaufen mehr gerade über die Speiseröhre und gehen unmittelbar in den hintersten Theil des Constrietors des Schlundes über. Tab. VII, Fıg.9 4 Ende des grofsen Zungenmuskels, 3 Speiseröhre; « vorderstes Bündel des Constrictors der Kiemen, vermischt sich mit dem hintern Ende des Constrietors des Schlundes «, der von der Oberfläche des Zungenmus- kelapparats 4 entspringt. Die folgenden Bündel fallen von der Oberfläche des Kiementheils der Speiseröhre schief abwärts vorwärts über die serösen Kiemenbeutel hin und die hinteren steigen immer mehr gerade abwärts; die hintersten Bündel, welche die Fortsetzung der gekreuzten, vordersten, ent- gegengesetzten Bündel scheinen, gehen theils von oben gerade abwärts aus- wärts, theils selbst etwas rückwärts, theils über den hintersten Theil der serösen Kiemenbeutel, theils um die cardia herum zur untern Fläche der- Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Mm 274 Mürrzer: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, selben, wo sie mit denen der entgegengesetzten Seite einen Sphincter bil- den (Tab.VII, Fig. 9 x). ; Man kann die Schichten des Constrietors in oberflächliche und tiefe eintheilen. Die oberflächliche Lage bildet um die serösen Kiemenbeutel und die äufseren Riemengänge eine zwischen diesen und den Rumpfmuskeln liegende Schichte vorwärts und auswärts herabsteigender Fascikel. Sie hef- ten sich an die innere Fascie der Rumpfmuskeln auf der linken Seite (Tab. VII, Fig.9 4) mit 4 bis 5 Fascikeln an, auf der rechten Seite noch etwas wei- ter vorwärts gehend mit mehreren (5) Faseikeln (Tab.VII, Fig. 10 yn). Diese Insertion ist an der Bauchfläche nach aufsen von der Mittellinie gerade an der äufsern Grenze der Reihe der Schleimsäcke D” am Rande des Seiten- muskels D”. Die innere Schichte liegt unter der vorigen, läuft anfangs mit derselben, verläfst sie aber bald, indem sie nicht über die äufseren Kiemengänge, sondern nur über die serösen Kiemenbeutel weggeht, dann aber zwischen den Kiemenbeuteln und den äufseren Kiemengängen schlei- fenartig nach vorn und abwärts geht (Tab.VII, Fig. 9 @yde von der Seite, Fig. 11. von unten). Das vorderste Bündel ß geht zwischen dem ersten und zweiten Kiemengang durch vorwärts auf die äufsere Oberfläche des grofsen Muskelkörpers der Zunge, das folgende y geht zwischen dem zweiten und dritten Kiemengang, das nächste ö zwischen dem dritten und vierten, das folgende e zwischen dem vierten und fünften äufsern Kiemengang. Die drei letzten dünnen Schleifen yde kommen bogenförmig zwischen den äu- fseren Kiemengängen nach vorwärts abwärts und laufen dann mit dem un- tern Schenkel des Bogens wieder rückwärts, aber gerade, parallel mit der Mittellinie des Körpers und zur Seite derselben. So sieht man sie unten wieder, wenn man die My.xine von unten aufschneidet (Tab. VII, Fig. 11 yde). Sie gehen am hintern Theil des Kiemenapparates, vor der Gegend, wo von der Speiseröhre der ductus oesophago-cutaneus abgegeben wird, wie- der nach rückwärts zum Endstück des Kiementheils der Speiseröhre, so dafs diese zwischen den Kiemengängen durchgehenden Muskelschleifen grofse Bogen bilden, welche beinahe wieder dahin zurückkehren, von wo sie aus- gegangen sind. Die rückkehrenden Schleifen legen sich bei dem Rücklauf an andere Bündel der tiefen Muskelschichte A an, welche von der vordern Mittellinie des Bauches entspringen und kreuzweise um das Endstück des Kiementheils der Speiseröhre herumlaufen. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 275 Diese Bündel A sieht man beim Aufschneiden der Myxine sogleich in der untern Mittellinie vor den Kiemenöffnungen; sie entspringen hier jeder- seits neben der untern Mittellinie auf der innern Fläche des geraden Bauch- muskels, 5” vor den Kiemenöflnungen bis zu diesen. Siche Tab.VII, Fig. 12 D innere Fläche der vordern Bauchwand, x Mittellinie, AA rechtes, A linkes Fascikel. Schneidet man die Myxine in der untern Mittellinie auf und legt die Schnittränder aus einander, so liegen die Insertionslinien des rechten und linken Ursprungs unnatürlich aus einander (Tab.VII, Fig. 11.) Man sieht, dafs diese Fascikel ihre Fasern in zwei starke Bündel sammeln, welche zum Theil zur selben Seite nach der Rückenfläche des Endstücks der Speiseröhre verlaufen (Tab.VH, Fig. 12%) und hier um dieselbe herumgehen und um die cardıa sowohl laufen als auch auf der entgegengesetzten Seite zum Theil wieder an die entgegengesetzte Insertionslinie der vordern Bauchwand zu- rücklaufen. Ein anderer Theil dieser Fascikel, die von der Mittellinie des Bauches entspringen A”, geht aber über dem Anfang der arteria branchia- dis und unter dem Endstück der Speiseröhre zur entgegengesetzten Seite, so dafs über dem Anfang der arteria branchialis und über dem Herzen an der untern Fläche des Endstücks der Speiseröhre, wo diese links den ductus oesophago-cutaneus f abgiebt, eine Kreuzung entsteht. Die linken von der untern Bauchwand entspringenden Bündel gehen zum Theil A” nach rechts vor der Speiseröhre her, dann um dieselbe herum, und schliefsen sich den Bündeln an, die auf der rechten Seite entspringen und auf derselben Seite ohne Kreuzung die Speiseröhre umgehen AM. Die rechten von der untern Bauchwand entspringenden Bündel gehen zum Theil A?” vor dem Endstück der Speiseröhre, hinter der arteria branchialis nach links, umgehen die Speise- röhre ebenfalls auf der linken Seite, indem sie sich hier auch den Fasern anschliefsen, die von links entspringen und auf derselben Seite bleiben X. So liegt an der untern Fläche des Endstücks der Speiseröhre eine sehr starke Schichte von gekreuzten Fasern, die von unten nach oben und aufsen der entgegengesetzten Seite schief herumlaufen; ein Verhältnifs, was viel deutlicher aus der genauen Abbildung (Tab.VII, Fig. 11 A” Ar”) hervorgeht, als durch Beschreibung klar gemacht werden kann. Diese kreuzenden Bün- del gehen um die Speiseröhre ganz herum und gehen in die obere Kreu- zung des Constrictors über der Speiseröhre über (Tab. VII, Fig. 10 A, Ar). Mm 2 276 Müuuer: /ergleichende Anatomie der M- [yxinoiden, Die hintersten Fasern umfassen das Endstück der Speiseröhre, wo der du- ctus oesophago-cutaneus abgegeben wird, auf das innigste, laufen über und unter dem Abgang dieses Ganges um die Speiseröhre und bilden dadurch zugleich einen Sphincter für die innere Öffnung dieses Ganges (stigma oeso- phageum). Selbst mehrere Linien unter dem Abgang dieses Ganges ist die schon vom peritoneum überzogene cardia von einer ringförmigen Lage von Muskelfasern umfafst (Fig. 10.). Man sieht aus dieser Beschreibung, dafs der Constrietor der Athemorgane bei seiner obern und untern Kreuzung an den meisten Stellen schleifenartig über die obere und untere Mittellinie weggeht. Fixe Puncte sind nur der Übergang des vordersten Theils des Constrietors (Tab.VII, Fig.9.10 «) in den constrictor pharyngis «', die En- digung des zweiten Bündels £ auf der Oberfläche des grofsen Muskelkör- pers der Zunge 4, der Ursprung eines Theils der tiefen Lage von der Mit- tellinie der Bauchwand ?, A? und die oberflächliche Lage zur Seite der Mit- tellinie der Bauchwand (Tab.VI, Fig. 9. 10%, 7»). Wahrscheinlich läuft die oberflächliche Lage von dem letztern Ursprung der einen Seite über den Kiemenapparat und die Speiseröhre zu demselben Ursprung der andern Seite hin. Die vorn entspringenden Bündel, nämlich die mit dem constrictor pha- ryngis zusammenhängenden und die vom Muskelkörper der Zunge entsprin- genden, gehen rückwärts aufwärts über den Athmungsapparat und steigen hinten wieder herab auf der entgegengesetzten Seite zu einer der beiden In- sertionen in der vordern Bauchwand. Die zwischen den Kiemengängen durchgehenden bogenförmigen Bündel scheinen keinen Anfang und kein Ende zu haben, indem sie schief stehende Cirkel um den Athmungsapparat bilden. Dasselbe gilt von der sphincterartigen Lage um die cardıa, welche in dem senkrechten Querdurchschnitt des Thieres Cirkel bildet. Die von der vordern Mittellinie ausgehenden Bündel, welche das Endstück der Speise- röhre theils kreuzend, theils nicht kreuzend umfassen, scheinen auf die ent- gegengesetzte Seite ihres Ursprungs zurückzulaufen. Die Ringfasern der einzelnen inneren Kiemengänge, die man bei Bdellostoma heterotrema vecht gut schen kann, habe ich an Myxine nicht mehr unterscheiden können. Die Wirkung des Constrictors ist, die Athem- organe von dem aufgenommenen Wasser zu entleeren. Der um die cardia liegende Sphincter schliefst den Kiementheil der Speiseröhre von dem Ma- gen ab und verhindert den Eintritt des geathmeten Wassers in den Magen. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 277 Die den duetus oesophago-cutaneus umgehenden Faserbündel, welche man bei Bdellostoma heterotrema so deutlich sieht, schliefsen diesen Gang von dem Kiementheil der Speiseröhre ab; dasselbe thun die besonderen Sphin- cteren der inneren Kiemengänge. Sind alle diese Sphincteren geschlossen, dagegen der Sphincter der cardia geöffnet, so ist der Weg der Speisen durch den Kiementheil der Speiseröhre in den Magen bezeichnet. Ist der Sphin- ceter der cardia geschlossen, die andern Muskeln relaxirt, so streicht das Was- ser durch die stigmata branchialia externa in den Kiemenapparat und in die Speiseröhre. Wirkt dann der Constrictor, so tritt das Wasser aus dem Kie- menapparat, sobald die äufseren Kiemengänge geschlossen sind, durch die stigmata branchialia oesophagea in die Speiseröhre und durch den ductus oesophago-cutaneus wieder heraus. Bei den Petromyzen kommen auch Constrictoren der Brustfellsäcke vor, welche Rathke nicht beschrieben hat; aber diese bilden hier kein zu- sammenhängendes Ganze und jeder Brustfellsack hat seine eigenen Muskel- fasern; nur die zwischen den zwei Blättern einer Scheidewand der Kiemen verlaufende zarte Schicht von Muskelfasern gehört zwei Kiemensäcken zu- gleich an und kann mit den schleifenartigen Muskelbündeln der Constrietors der Kiemen bei den Myxinoiden einigermafsen verglichen werden. Die zar- ten Schichten von Muskelfasern, welche auf die Brustfellsäcke der Petro- myzen wirken, liegen theils an der innern Wand der Brustfellsäcke und ge- hen von der untern Wand derselben bis zur untern Fläche der Wirbelsäule, wo sie sich inseriren; theils liegen sie zwischen den Blättern der Scheide- wände und haben denselben Ursprung und Insertion. Von aufsen werden die Brustfellsäcke der Kiemen und Petromyzen durch den sehr starken mus- kulösen Apparat des knorpeligen Kiemenkorbes zusammengedrückt, den Rathke (!) und Born (?) beschrieben haben. Zuletzt wäre noch von den Augenmuskeln zu handeln. Ich habe indefs bei den Bdellostomen, die Augen haben, keine deutlich vorgefunden, und ich würde für bestimmt annehmen, dafs sie gar keine Augenmuskeln besälsen, wenn dieser Fall nicht bei den Wirbelthieren einzig wäre und wenn die Pe- tromyzen nicht die gewöhnlichen 6 Augenmuskeln besäfsen. Das Auge der (') Rathke Bemerkungen über den innern Bau der Pricke. Danzig 1826. (°) Heusinger’s Zeitschrift für organ. Phys. Bd. I. 1827. 278 Mützen: /ergleichende Anatomie der Mysinoiden, Bdellostomen ist durch bandartig verdichtetes Zellgewebe an die Oberfläche der Gaumenleisten befestigt. Myologie der Myxinoiden. Zweiter oder vergleichender Theil. Die Analogie der Muskeln in den verschiedenen Classen der Wirbel- thiere ist ein ebenso interessanter Gegenstand als die Analogie der Knochen. Er hängt mit dem letztern auf das innigste zusammen; denn wer die Analo- gie verschieden erscheinender Knochen richtig erkannt hat, hat auch den Schlüssel zur Reduction verschiedener Muskeln auf einen gemeinsamen Plan gefunden. Da es aus der vorhergehenden Untersuchung offenbar ist, dafs allen Wirbelthieren ein gewisser gemeinsamer Plan ihrer Skeletbildung zu Grunde liegt, dafs dagegen andere Theile des Skelets, die einzelnen Fami- lien eigenthümlich sind, zum allgemeinen Plan nicht gehören, und weder als eine regressive noch als eine progressive Metamorphose des allgemeinen Ty- pus angesehen werden können, so läfst sich dasselbe Verhältnifs schon zum voraus bei den Rumpfmuskeln erwarten. Gewisse Muskeln werden, da sie die unveräufserlichen, allen Wirbelthieren zukommenden Skelettheile auf dieselbe Art verbinden, gleichsam den Plan der ersten Muskelschichten eines Wirbelthiers realisiren zu der Zeit, wo sich alle Embryonen aller Classen noch gleichen, alle einen einfachen Rumpf ohne ausgebildete Extremitäten be- sitzen. Dies sind die eigentlichen Rumpfmuskeln, mit Abzug aller Muskeln, welche vom Rumpfe zu den Extremitäten gehen. Andere Muskeln dagegen zeigen sich auf den ersten Blick schon von dem allgemeinen Plan abweichend, wie die Muskeln des Rüssels mehrerer Säugethiere, die Zungen - und Zungen- beinmuskeln der Myxinoiden, des Chamäleon, der Schlangen u.s.w. Was die Muskeln der Extremitäten betrifft, so unterliegen sie auch wieder einem allgemeinen Plan, den die Natur nach dem einseitigen Gebrauch der Extre- mitäten zum Gehen, Schwimmen, Kriechen, Greifen, Klettern modificirt, indem sie einzelne Muskeln des allgemeinen Plans bei dem einzelnen Thiere ausfallen läfst, wie die Pronatoren und Supinatoren bei der unbeweglichen Verbindung des radius und der ulna verschwinden, oder indem sie für be- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 279 sondere Zwecke einzelne Muskeln neu auftreten läfst, die zu dem allgemei- nen Plan nicht gehören. Über die Analogie der Muskeln der Extremitäten in den verschiede- denen Classen der Wirbelthiere will ich hier nicht handeln; erstens weil uns die Myxinoiden bei dem Mangel aller Spuren der Extremitäten oder Sei- tenflossen dazu keinen Anlafs geben, und dann weil uns die Vorarbeiten über die Muskeln der Extremitäten in den verschiedenen Classen dazu fehlen. Ich will nur bemerken, dafs es nicht passend sein dürfte, zum Typus des allgemeinen Plans eine sehr einfache Bildung der Extremitäten zu nehmen, dafs man vielmehr von der Muskulatur einer Extremität ausgehen mufs, welche alle Bewegungen der Extension, Flexion, Abduction, Adduction der Hand, Pronation, Supination zugleich ausüben kann. Ein solcher Typus findet sich nicht ganz rein in der Thierwelt vor und ist, wie der Typus des Schädels eines Wirbelthiers, ein Gedanke. Die menschliche vordere Extre- mität und die hintere Extremität der Affen, mit Opposition des grofsen Ze- hen, nähern sich einer solchen Vielseitigkeit; allein die Abduction der Hand ist zu beschränkt und weit entfernt von derjenigen Abduction, wie sie bei den Fliegern statt findet. Durch Reduction dieses Typus, sofern mit der Unbeweglichkeit gewisser Knochentheile ganze Muskeln eingehen, läfst sich der Typus dann auf die Muskulatur der verschiedenen Familien nach dem Gebrauch ihrer Extremitäten zum Fliegen, Kriechen, Gehen, Greifen, Klet- tern u. s. w. anwenden. In Hinsicht der Analogie der Kopfmuskeln in den verschiedenen Fa- milien ist wenig Schwierigkeit und man erkennt sogleich die zwar nicht ganz constanten, aber zum allgemeinen Plan der Wirbelthiere gehörenden Kau- muskeln. Ich sagte eben, sie gehören zum allgemeinen Plan, aber sie sind nicht constant; die Natur kann sie in einzelnen seltenen Fällen sammt den Kiefern fallen lassen, wie in der ganzen Abtheilung der Cyclostomen, wo die Zunge die Kiefer ersetzt. Das Zungenbein gehört in den allgemeinen Plan der Wirbelthiere; es trägt die Kiemenbogen und seine Hörner entstehen bei der Entwickelung aus der Reduction der zum allgemeinen Plan der Embryonen aller Wir- belthiere gehörenden Bogen am Halse. Der Knochen hat ein Mittelstück und Seitenhörner, aber die Zahl der similaren Theile kann hier wie die Zahl der Rippen bei verschiedenen Thieren verschieden sein. Die Natur 280 Müuuer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, kann ferner diesen Theil gerade dann, wenn er die Beziehung zu den Kie- men ganz aufgiebt, wie bei den Petromyzen und gar bei den Myxinoiden, wo die Kiemen weit hinter dem Zungenbein liegen und ohne Kiemenbogen sind, excessiv auf ganz individuelle Weise ausbilden. So ist es bei den My- xinoiden, deren Zungenbein sich zum Zungenbein der übrigen Thiere ver- hält wie das Brustbein der Schildkröten zu dem Brustbein der übrigen Thiere. Es fällt sogleich in die Augen, dafs dieses so grofse Mittelstück des Zungen- beins der Myxinoiden, das aus 6 festeren und einem weicheren knorpeligen Theile zusammengesetzt ist, keine entfernte Analogie mit dem Mittelstück des Zungenbeins der übrigen Thiere darbietet. Dabei enthält der grofse am Zungenbein angeheftete Muskelkörper der Zunge wieder seine besonderen zwei Skelettheile. Diese excessive Bildung, welche den Myxinoiden zum Vortheil den allgemeinen Plan überschreitet, gerade so wie bei mehreren Säugethieren zu den Nasenbeinen ein Rüsselknochen hinzukommt, war hier um so nöthiger, da die Myxinoiden das Zungenbein zum untern Mundrand haben, über welchen Sehnen von Muskeln gleichwie über eine Rolle spie- len, um die ihre Kiefer ersetzende Zunge zum Kratzen hervorzuziehen. Hiernach läfst sich erwarten, dafs die Muskeln der Zunge und des Zungenbeins bei den Myxinoiden keine Ähnlichkeit mit denen der übrigen Thiere haben können. Überhaupt gehört die Musculatur der Zunge unter die bei den verschiedenen Thieren am meisten abweichenden Theile des Muskelsystems. Capitel I. Vergleichung der Muskeln des Zungenbeins, der Zunge und der Constrictoren der Kiemen bei den Myxinoiden und Petromyzen. 1. Vergleichung der Zungenbein- und Zungenmuskeln. Die Petromyzen sind die einzigen Thiere, deren Zungenmuskeln einige entfernte Ähnlichkeit mit dem merkwürdigen Apparate der Zungenmus- keln der Myxinoiden haben. Ehe wir diese Vergleichung anstellen, müssen wir eine Beschreibung der Zungenbeinstücke der Petromyzen nach Petromy- zon marinus vorausschicken. Rathke hat schon in seinem öfter erwähnten Werke eine Beschreibung des Zungenbeins von P. fluviaulis gegeben, wo- mit was ich bei P. marinus fand, in den mehrsten Puncten übereinstimmt. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 281 Die Petromyzen haben wie die Myxinoiden zweierlei Zungenbeinknorpel, nämlich ein von der Zunge abgesondertes Gerüst zur Befestigung der Zun- genmuskeln und eigenthümliche Knorpel der Zunge selbst. Das erstere Gerüst ist einfacher als bei den Myxinoiden, das letztere ist zusammenge- setzter. Hinter dem Lippenring der Petromyzen liegt an der Bauchfläche ein harter Knorpel von 8” Länge, mit einem vordern breiten Ende, manu- brium, welches verschmälert in ein dolchartiges Ende übergeht. Siehe Tab. IV, Fig.2 R, Tab. IX, Fig.7 R. Der Lippenring ? und die Lippe ist unten durchgeschnitten, so dafs man die Zunge sehen kann. Vergl. Erklärung der Abbildungen. Von unten wird dieser Zungenbeinkörper von dem Anfang des Bauchtheils der allgemeinen Muskelhülle bedeckt ist, die Tab.IX, Fig. 7 XX aufgeschnitten und aus einander geschlagen ist. Das manubrium dieses Stük- kes wird an den Lippenknorpel P durch Band befestigt. Die Seiten des manubrium hängen durch Bandmasse mit den schmalen, den Kopfseiten an- hörigen Knorpeln (Tab.IV, Fig.2 O) zusammen, wie schon Rathke angab. Diese seitlichen Knorpel sind am Rande des vordern Mundschildes N ange- heftet. Ob diese Seitenknorpel wirklich zum Zungenbein gehören, wohin sie Rathke rechnet, ist noch ungewifs, da sich ein analoger Theil bei den Myxinoiden nicht am Zungenbein vorfindet; aber das Mittelstück und die beiden Seitenstücke bilden mit dem vordern Mundschild zusammen einen geschlossenen Ring, wie Rathke richtig angiebt. Der Seitenrand des Mit- telstücks dient einem Muskel zur aponeurotischen Befestigung, der von dem am Lippenring befestigten Griffelknorpel (Tab. IV, Fig.2Q, Tab.IX, Fig.7Q) ausgeht. Dieser Muskel zieht den Griffelknorpel zum Mittelstück des Zungenbeins, während der Griffel durch den Muskel Ö nach aufsen gezogen wird. Vergleicht man mit diesem Apparat das Zungenbeingerüst der Myxinoiden, so zeigt sich keine entfernte Ähnlichkeit; denn letzteres besteht in der ersten Reihe aus vier neben einander liegenden Leisten, in der zweiten Reihe aus zwei Leisten, in der dritten Reihe aus einem ausgehöhlten, hinten spitz endigenden Knorpelkiel. Alle diese Stücke sind hier in ein einziges kurzes, hinten spitz endigendes Knorpelstück verschmolzen, und man kann nur die Seitenknorpel am Rande des vor- dern Mundschildes (Tab. IV, Fig.20) einigermafsen mit den seitlichen Leisten der ersten Reihe der Zungenbeinstücke der Myxinoiden verglei- chen; eine Vergleichung, deren Richtigkeit, wie schon erwähnt, zweifel- Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Nn 282 Mürven: ergleichende Anatomie der Myxinoiden, haft ist, da diese Leisten bei Petromyzon auch zu den Kopfknorpeln gehö- ren können. Die eigentlichen Zungenknorpel oder das Gerüst der zähnetragenden Zunge liegen über dem dolchartigen Mittelstück. Die Zunge besteht bei den Petromyzen aus 3 mit Horn oder Zahnmasse bedeckten Lappen, aus 2 neben einander liegenden und einem unter ihnen liegenden Mittellappen. Ist die Zunge zurückgezogen, so divergiren die Seitenlappen nach hinten; ist sie vorgezogen, wobei sich der hintere Theil um den mehr befestigten vor- dern aufstellt, so divergiren sie nach vorn. Im Innern der Seitenlappen liegen platte Knorpelplatten (Tab.IX, Fig.8.9, Nro.1.). Ihr vorderer Rand (im zurückgezogenen Zustand der Zunge) ist convex, ihr hinterer concav. Diese beiden Knorpel sind in der Mitte nicht durch Knorpel verbunden. Nach Rathke sollten sie zusammen einen einfachen gabelförmigen Knorpel bilden; bei Petromyzon marinus sind diese Knorpel ganz getrennt. Die Stütze des unter den vorigen gelegenen kleinen Mittellappens ist ein knor- peliger, vorn sattelförmig ausgehöhlter Knopf, dessen Schenkel gegen die Knorpel der Seitenlappen stofsen und dessen hinterer abgerundeter Umfang in einen langen Stiel übergeht. Nur der Kopf dient der Zunge mit zur Grundlage; der Stiel entfernt sich nach rückwärts von der Zunge und liegt über dem dolchförmigen Mittelstück des Zungenbeins und noch weiter nach hinten in einer eigenen Rinne oder Kanal verborgen. Wir wollen diesen Stiel mit dem vordern Knopfe den knorpeligen Zungenstiel nennen. Dieser Stiel (Tab.IV, Fig.2 S) ist nun gegen 2 Zoll lang, schwertförmig, von der Seite zusammengedrückt, hinten spitz; vorn wird er, ehe er in den Knopf übergeht, walzig, dünner und sehr biegsam, so dafs der hintere Theil der Zunge an diesem Stiel aufgerichtet und über den vordern Theil der vorn angezogenen Zunge herübergestofsen, also nach vorn umgewendet werden kann (Tab. IX, Fig.9, Nro.2). Der Zungenstiel liegt nun über dem dolch- artigen Zungenbein frei beweglich und in einem eigenen Kanal, in wel- chem er vor- und zurückgeschoben werden kann. Die untere Wand die- ses Kanals wird vorn von der obern Fläche des dolchartigen Zungenbeins, weiter hinten von fibröser Haut gebildet. Die obere Wand des Kanals ist eine fibröse Haut, die Seitenwände des Kanals werden jederseits durch die Grenzen einer sehr merkwürdigen, untern, muskulösen Mundwand gebil- det, welche gegen 3-4 Linien dick ist und gröfstentheils aus senkrechten der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 283 Fasern besteht, die zwischen einer obern und untern fibrösen Haut liegen. Dieses muskulöse Polster besteht nun aus zwei Seitentheilen, zwischen wel- chen beweglich der Zungenstiel liegt. Tab.IX, Fig.7.S Zungenstiel, FF muskulöse untere Wand der Mundhöhle. Das muskulöse Polster sicht, von unten angesehen, wie 2 neben einander liegende, grofse, eiförmige Hü- gel aus. Hier sind diese muskulösen Körper von einer festen Fascie über- zogen, welche von einem zum andern Körper in der Mitte brückenartig her- übergeht und dadurch den Kanal für den Zungenstiel von unten schliefst. Schneidet man den Kopf des Petromyzon marinus von oben der Länge nach auf, entfernt den ganzen Schlundkopf, so sieht man die obere Wand die- ser muskulösen Körper, über welche die Zurückzieher der Zunge verlaufen. Von oben angesehen zeigen diese muskulösen Körper sich etwas uneben, in der Mittellinie und an den Seiten höher, zwischen der Mittellinie und dem Seitentheil jedes Muskelkörpers etwas vertieft; oben erscheinen diese Kör- per nicht so breit und sind vorn schmäler, hinten breiter. Sie sind auch oben von einer sehr festen Fascie überzogen, gegen welche die Muskelfa- sern meist senkrecht gerichtet sind; diese Fascie geht auch hier brücken- artig von einem Muskelkörper zum andern in der Mittellinie herüber und schliefst so von oben den Kanal, in welchem der Zungenstiel sich bewegt. In Fig. 8, Tab. IX. sieht man den Kopf eines Petromyzon marinus an seiner obern Fläche der Länge nach aufgeschnitten, die knorpeligen Theile aus- einandergezogen, die Mundschleimhaut mit der ringförmigen Muskularschicht des Schlundkopfes entfernt, und man erblickt nun die obere Fläche der ge- nannten Muskelkörper, auf welcher die Zurückzieher der Zunge verlaufen. P ist der aufgeschnittene Lippenring, N das durchschnittene vordere Mund- schild mit den von Rathke als Seitenstücke des Zungenbeins beschriebe- nen Stücken oder vorderen Seitenkopfknorpel O; man sieht ferner in Z das hintere Mundschild mit dem daran befestigten Seitenkopfknorpel M. Man erblickt den durchschnittenen Gaumen 77, die Basis cranii 7, den Grif- felfortsatz :’ und den halbeirkelförmigen Fortsatz der Basis 7, die Nasencap- sel X mit dem Nasenrohr 4, die Gehirncapsel Z, das Gallertrohr des Rück- graths /, das Rückenmarksrohr 2. Bei FF sieht man die beschriebene dicke muskulöse Wand, und ihre senkrechten Fasern bei Y’ blofs gelegt. Diese muskulöse Wand ist nun un- ten zwischen die Ränder der Kopfknochen eingefügt; daher stöfst sie an Nn2 284 Mürrer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, den untern Rand von O,7,7 bis an den Griffelfortsatz der Schädelbasis .’ und die daran befestigte Knochenplatte z”. Ein Theil dieser dicken Muskel- schicht, welche aufsen die Stücke N und M verbindet, kann blofs von unten gesehen werden. Rathke nannte diese muskulöse dicke Lage von senk- rechten Muskelfasern zwischen einer obern und untern Fascie eine Speichel- drüse. Es ist indefs ein Muskel, in dessen unterer Wand ein im Munde durch einen feinen Gang sich endigender Speichelsack z liegt, wie Born zeigte. Die Beschreibung dieser Muskelkörper konnte hier nicht übergangen werden, indem sie zwischen sich und unter ihrer obern und untern Fascie den Kanal für den Zungenstiel einschliefsen. Nun können wir die Muskeln der Zunge beschreiben. Die Zunge wird vorwärts gegen den untern Umfang des Lippenringes angezogen durch die von Rathke nicht ganz richtig angegebenen Muskeln (Tab. IX, Fig.7 cc), welche vom Ende des Zungenbeins entspringen, unter dem Muskel a durchgehen und sich an das knopfförmige Ende des Zungen- stiels, welches den Mittellappen stützt, sehnig befestigen. Die Sehne c’gehtüber der Seite des manubrium des Zungenbeins R weg durch eine Öffnung in der fibrösen Verbindung zwischen dem manubrium von R und den vorderen Sei- tenkopfknorpeln oder Rathke’s Seitentheilen des Zungenbeins durch. In Fig. 8, Tab.IX. sieht man die Sehne c’ von oben blofs gelegt. Die Zunge wird vorgeschoben durch den Muskel d (Tab. IX, Fig. 7.), welcher den Zungenstiel S und die Spitze des Zungenbeins R verbindet. Durch diesen Muskel wird der Stiel hervorgestofsen und damit die Zunge, vorzüglich ihr hinterer Theil, über den vordern gelegt. Sie wird ferner vorgeschoben durch den Muskel e, der schräg vom Lippenring entspringt und sich an derselben Stelle, wo d, an den Zungen- stiel S anheftet. Sie wird endlich noch durch den Muskel f vorgeschoben; er ent- springt von der Knorpelplatte x (Tab.IV, Fig.2:’), welche an dem stiel- förmigen Fortsatz der Schädelbasis (Tab. IV, Fig. 27’) befestigt ist und be- festigt sich an die Endspitze des Zungenstiels. Die 3 letzten Muskeln schie- ben den Zungenstiel in seinem Kanal und damit den hintern Theil der Zunge vorwärts. Diese 3 Muskeln sind von Rathke bereits angegeben. Die Zunge wird rückwärts gezogen durch zwei von oben sichtbare, von Rathke bereits beschriebene Muskeln (Tab. IX, Fig.s RL). Sie liegen der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 255 über dem Muskelpolster der untern Mundwand, auf dessen Fascie; doch liegt die untere Wand der Ringfasern des Schlundkopfes zwischen ihnen und dieser Fascie. Diese Ringfasern sind bei Tab.IX, Fig.8. weggenommen. Die Muskeln entspringen auf dem Griffelfortsatz des Schädels 7’, convergi- ren nach vorn und vereinigen sich hinter der Zunge mit der unpaaren Sehne des langen Zurückziehers der Zunge, worauf die unpaare gemeinschaftliche Sehne dieser 3 Muskeln sich wieder in 2 Theile trennt, welche divergirend fortgehen und sich an die Seitenknorpel der Zunge i befestigen. Von der Vereinigungsstelle beider Muskeln @ in der Sehne des lan- gen Zurückziehers der Zunge entspringt ein ganz kleiner Muskel y, welcher zu den Seitenlappen der Zunge geht. Der grofse Zungenmuskel, den Rathke schon beschrieb, ist eben- so merkwürdig als der lange Zurückzieher der Zunge bei den Myxinoiden. Wie bei diesen besteht er aus einer Schichte von Cirkelfasern, welche ein Rohr für den Längenmuskel bilden, dessen lange Sehne zur Zunge geht. Auch hier reicht dieser grofse Muskel weit nach hinten, und zwar unter den Kiemen in der Mittellinie bis zum knorpeligen Herzbeutelkorb, während er bei den Myxinoiden selbst die Kiemen bis an sein hinteres Ende zurückge- drängt hat. Das Rohr von Cirkelfasern ist bei Petromyzon viel kürzer als bei den Myxinoiden und überkleidet nur etwas weniger als die vordere Hälfte des Längenmuskels, während bei den Myxinoiden der ganze Längenmuskel in einer muskulösen Scheide liegt. Das Rohr beginnt zwischen den beiden Griffelfortsätzen des Schädels oder vielmehr zwischen den daran befestigten Knorpelplättchen (Tab. IX, Fig.8 von oben, Fig.7. von unten). Man unter- scheidet an der untern Fläche zuerst den Muskel d, der wie ein Halbgürtel von dem Griflelfortsatz der einen Seite zu dem der andern Seite herumgeht, mit Fasern, die theils halbeirkelförmig herübergehen, theils wie die hinte- ren etwas absteigen (Tab.IX, Fig. 76); diese hinteren sind zugleich an den Brustkorb in der untern Mittellinie angeheftet. Das eigentliche muskulöse Rohr zerfällt in die untere und obere Hälfte des muskulösen Kanals. Die untere Hälfte stellt eine muskulöse, aus Quer- fasern gebildete Pyramide dar (Tab. IX, Fig.7e). Sie beginnt zwischen den Griffelfortsätzen des Schädels und endigt stumpfspitz in der Hälfte des gro- fsen Muskelapparates oder in der Hälfte der Brust. An die Seitenränder dieser muskulösen Pyramide stöfst die oben breitere Hälfte des muskulösen 286 Mürrer: Jergleichende Anatomie der Myxinoiden, Rohrs, welche ebenfalls aus lauter Querfasern gebildet ist. Diese obere Hälfte des Rohrs ist nicht ganz so lang als die untere pyramidale Hälfte. Beide Hälften stofsen mit ihren Seitenrändern an einander, wo sich eine Raphe befindet, doch berühren sich ihre Seitenränder nicht ganz und wei- chen hinten vielmehr aus einander (Tab.IX, Fig.7.). Der vorderste Theil der obern Schichte des muskulösen Rohrs stöfst auch nicht auf die Seiten- ränder der untern Schicht, sondern entspringt von den an den Griffelfort- sätzen des Schädels (Tab.IX, Fig. 7:7’) angehefteten Knorpelplatten :”. Hin- ter diesen Knorpelplatten ist das muskulöse Rohr am breitesten, hinten ver- schmälert es sich ein wenig. Die Oberfläche des muskulösen Rohrs wird von einer Fascie eingehüllt, welche sich hinten, wo das nur 1 Zoll lange Rohr aufhört, weiter über den grofsen Längsmuskel der Zunge fortsetzt, der nur mit seiner vordern Hälfte in dem muskulösen Rohr liegt. Rathke, der das muskulöse Rohr bereits angab, sagt, dafs es, wie der Längenmuskel selbst, aus Längenfasern bestehe. Bei Petromyzon marinus sieht man die Quer- fasern sehr deutlich. Der Längenmuskel (Tab.IX, Fig.7, Fig.2») stellt eine Walze dar, die hinten sich verschmälert und in eine stumpfe Spitze endigt. Die Walze besteht aus Längsfasern, die einen hohlen Muskel bil- gen. Der vordere Theil des Muskels liegt in dem muskulösen Rohr von Querfasern und ist hier an diese Röhre aponeurotisch angeheftet. Dieser Theil des Muskels verliert nun vornhin seine Höhle und endigt spitz; aus dieser Spitze entwickelt sich die lange Sehne der Zunge $. Das hintere Ende des Muskels ist an das hintere Ende des Brustbeins und an die knor- pelige Herzcapsel angeheftet. Die aus dem vordern Ende des Muskels, wo er in dem Rohr liegt, hervorgehende Sehne (Tab.IX, Fig.8 5) entsteht auf dieselbe Art wie die Sehne des langen Zungenmuskels der Myxinoiden. Sie nimmt die Fasern des Längenmuskels gefiedert auf; darauf läuft nun diese Sehne in einem be- sondern Kanal zur Zunge. Die Lage dieses Kanals ist gerade über dem schwertförmigen Zungenstiel. Man kann den Kanal nur von oben deutlich sehen. Hier liegt er gerade in der obern Fascie der muskulösen Grundlage der untern Mundwand (Tab. IX, Fig.S Y'), und zwar in der Mittellinie. Ge- rade hier, wo diese Fascie von dem einen zum andern Muskelkörper F hin- wegsetzt und eine schnige Brücke über dem langen Zungenstiel bildet, be- findet sich in dieser sehnigen Brücke eine Aushöhlung für die lange Sehne der Cyclosiomen mit durchbohrtem Gaumen. 287 des grofsen Zungenmuskels. Die Sehne verläuft in ihrer ganzen Länge in diesem Kanal. Ganz vorn tritt sie heraus, nimmt die Insertionen der bei- den Zurückzieher der Zunge 8® auf und giebt hier wieder dem kleinen Muskelchen der Zungenlappen y seinen Ursprung; dann theilt sich die Sehne in 2 Theile gabelig, wovon sich jeder an die Knorpelplatte der Seitenlappen der Zunge von hinten ansetzt. Dieser grofse Zungenmuskel zieht wie bei den Myxinoiden die Zunge zurück. Der grofse Zungenmuskel findet sich hier also im Wesentlichen wie- der. Die Scheide ist kleiner, kürzer; die knöchernen oder knorpeligen Theile, die sich am hintern Ende der Scheide bei den Myxinoiden finden, fehlen hier, auch der senkrechte Muskel dieser Knorpel. Der Längsmuskel ist da und seine Sehne verläuft auch wieder in einem Kanal, aber dieser ist nicht von einem knorpeligen Kiel, sondern von häutigem Wesen gebildet. Nur bei Petromyzon können die Seitenlappen der Zunge durch zwei kleine Muskeln auseinandergezogen werden, die vom Mittelstück der Zunge unten zu den Seitenknorpeln gehen. Die kleinen seitlichen Rückzieher der Zunge (Tab.IX, Fig. 5 2) fin- den sich bei den Myxinoiden nicht. Die Vorzieher der Zunge, bei den My- xinoiden doppelt, sind hier auch, aber einfach vorhanden. Da das Zun- genbein bei den Petromyzen nicht mehr den untern Mundrand bildet, wie bei den Myxinoiden, sondern hier der Lippenring noch vor dem Zungen- bein liegt, so geht die Sehne des Muskels also hier nicht um den Mund- rand herum, sondern zwischen dem kleinen vordern Seitenkopfknorpel oder Rathke’s Seitenstück des Zungenbeins O (Tab.IX, Fig. 8.) und dem Mit- telstück des Zungenbeins, durch die sie verbindende fibröse Masse hindurch zur Zunge. Die Vergleichung der Zungen beider Thiere läfst sich erst jetzt nach der Beschreibung ihrer Muskeln anstellen. Die beiden Zungenplatten der Petromyzen finden sich in den Myxinoiden vor; es sind die vorderen Zungenplatten der Myxinoiden, die bei den letzteren nur in der Mitte ver- wachsen sind. Der Knopf des schwertförmigen Zungenstiels der Petromy- zen hat auch bei den Myxinoiden ein Analogon, es ist der hintere bogen- förmige Zungenknorpel (Tab.VIH, Fig.4.5 3). Aber der lange knorpelige Stiel an diesem Knopfe der Petromyzen fehlt bei den Myxinoiden durchaus, denn der Zungenstiel der Myxinoiden ist nur die dicke Schne ihres grofsen 288 Mürrer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, Längsmuskels der Zunge, eine Sehne, welche sich bei den Petromyzen noch aufser dem knorpeligen Zungenstiel vorfindet. Die Sehne ist bei den Pe- tromyzen nur viel dünner und biegsam, während sie bei den Myxinoiden steif ist. Womit soll man nun den knorpeligen Zungenstiel der Petromyzen vergleichen? Da sich so viele Muskeln daran setzen, so glaubte ich anfangs, ihn dem knorpeligen Kiel oder dem Endstück des Zungenbeins der Myxi- noiden vergleichen zu müssen, welches bei den Myxinoiden mit dem Zun- genbein verwachsen sei, bei den Petromyzen von dem übrigen eigentlichen Zungenbein sich abgelöst habe, beweglich bleibe und mit der Zunge hingegen verwachse. Allein diese Meinung ist gar nicht wahrscheinlich; der Zungen- stiel der Petromyzen ist vielmehr offenbar, wie sich factisch zeigen läfst, nur die aufserordentliche Verlängerung eines eigentlichen Zungenknorpels, nämlich des Knopfes (Tab. IX, Fig.9, Nro.2.). Da nun das Analogon dieses Knopfes in dem hintern Knorpelstück der Zunge der Myxinoiden sich vor- findet, so ist es wahrscheinlich, dafs der Zungenstiel der Petromyzen bei den Myxinoiden ganz fehlt, der deswegen fehlen konnte, weil die Sehne des beiden Thieren zukommenden grofsen Zungenmuskels bei den Myxinoiden selbst stielförmig geworden ist. Die Vorschieber der Zunge der Petromyzen fehlen bei den Myxinoiden mit dem Zungenstiel. 2. Von den Constrictoren der Kiemen. Die Petromyzen sind diejenigen Thiere, welche in Hinsicht der Con- strietoren des Athmungsapparates mit den Myxinoiden verglichen werden können; aber dort ist der Apparat viel einfacher. Die äufsere Schichte des Constrictors der Athmungsorgane der Myxine findet sich bei den Petro- myzen in der dem knorpeligen Kiemenkorb der Petromyzen eigenen star- ken Muskelschicht wieder. Die inneren Schichten des Constrietors der Myxine und der Constrictor der Bdellostomen gleichen einigermafsen den zarten Schichten von Muskelfasern, welche die Brustfellsäcke der Petro- myzen begleiten und gröfstentheils in den Scheidewänden liegen. Aber diese Schichten hängen weder unten noch oben in der Mittellinie zusammen; sie entspringen einzeln am untern Ende der Scheidewände und setzen sich am obern Ende derselben beim Rückgrath fest. Diese zarten Muskelschichten an dem Athmungsapparat der Petromyzen sind übrigens von allen Beobach- tern übersehen. [6] jo?) oo der Cyelostomen mit durchbohrtem Gaumen. Capitel II. Von der Analogie der Rumpfmuskeln der Myxinoiden und Fische überhaupt mit denen der höheren Thiere. Die Elemente der Muskulatur des Rumpfes bei den Wirbelthieren sind 3 Systeme von Muskeln, welche sich auf einander nicht reduciren las- sen, sich meistens gegenseitig beschränken und selten bei einem Thiere in ganzer Vollständigkeit die Länge des Rumpfes einnehmen. Es sind das Sy- stem der Seiten-Rumpfmuskeln, das System der Intercostalmuskeln und das System der seitlichen Bauchmuskeln. 1. Vom System der Seiten-Rumpfmuskeln. Hierunter versteht man alle Muskeln, welche an dem Rumpfe blei- ben, wenn man die vom Rumpfe zu den Extremitäten, zum Becken und zur Schulter gehenden Muskeln weggenommen, mit Ausnahme der Bauchmus- keln und Intercostalmuskeln. Nimmt man z.B. beim Menschen die genann- ten Rumpf-Extremitäten-Muskeln weg, so bleiben, aufser den hier abzu- rechnenden Intercostalmuskeln und Bauchmuskeln, nur die eigentlichen Rückenmuskeln. Die Rückenmuskeln sind aber der obere Theil oder Rük- kentheil der Seitenmuskeln des Rumpfes, und von dieser Muskelclasse ist bei den beschuppten Amphibien, Vögeln, Säugethieren und dem Menschen nichts übrig geblieben als eben der obere Theil oder die Rückenmuskeln. Nimmt man aber am Rumpfe eines Proteus oder eines /mphiuma die Mus- keln vom Rumpf zu den Extremitäten weg, so zeigt sich ein viel gröfse- rer Antheil vom System der Seitenmuskeln hier ausgebildet, indem nicht blofs der Rückentheil der Seitenmuskeln (welcher den musculus spinalis, se- mispinalis, multifidus, longissimus dorsi, sacrolumbaris umfafst) vorhanden ist, sondern auch die Seiten des Rumpfes mit derselben fortgesetzten Mus- kelmasse belegt sind, ja selbst der Bauch daran Antheil nimmt, indem der Seitenmuskel bis zur vordern Mittellinie reicht und hier, mit dem musculus rectus abdominis verwachsend, eine Muskelmasse von der obern bis zur un- tern Mittellinie bildet, die nur von oben nach unten an Dicke abnimmt. Diese durch inseriptiones tendineae rippenartig abgetheilte, im Allgemeinen gerade verlaufende Muskelmasse darf mit den eigentlichen Intercostalmus- keln nicht verwechselt werden. Die Intercostalmuskeln sind noch abgeson- Phys.-mathemat. dbhandl. 1834. Oo 290 Mürtuer: Jergleichende Anatomie der Myxinoiden 7 dert vorhanden und es gehört zur Characteristik dieser Seitenmuskeln des Rumpfes, dafs wenn sie den Rumpf vollständig umgeben und längere Rip- pen wie bei den Fischen vorhanden sind, diese Muskelmasse immer noch über der Rippenschicht des Rumpfes liegt, eine allgemeine Fleischhülle des Rumpfes von der obern zur untern Mittellinie über der Knochen- schicht darstellend, welche Fleischschicht eben bei den Proteideen und Salamanderlarven auch noch vollständig wie bei den Fischen vorhanden ist, obgleich die Knochenschicht, wie bei allen nackten Amphibien, bei den äufserst kurzen Rippen, sich nur wenig nach den Seiten ausdehnt. Bei den Salamandern geht nun ein grofser, nämlich der ganze untere Theil der Seitenmuskelmasse des Rumpfes verloren, so dafs nur der bei Luftath- mern allein übrig bleibende Theil oder der Rückentheil, spinalis, semispi- nalis, multfidus, longissimus, sacrolumbaris sich erhält. Daher unterschei- det sich ein erwachsener Salamander von einem Proteus in dieser Hinsicht ganz. Beim erwachsenen Erdsalamander ist nur der Rückentheil der frag- lichen Muskelmasse vorhanden. Bei Menobranchus lateralis sehe ich diese Masse bis nahe zur vordern Mittellinie reichen. Bei den Fischen endlich er- scheint das System der Seitenmuskeln in noch gröfserer Vollständigkeit, in- dem es mit ganz symmetrischer Vertheilung von der obern bis zur untern Mittellinie und vom Kopfe bis zum Schwanzende sich ausdehnt und alle übrigen Rumpfmuskeln verdrängt hat. Obgleich es ein allgemeiner Charakter der Luftathmer ist, dafs sie den untern oder Bauchtheil der Seitenmuskeln verlieren und nur den Rük- kentheil oder die eigentlichen Rückenmuskeln behalten, so gilt dies doch nur von dem eigentlichen Rumpfe, nicht von dem Schwanze; denn an die- sem erhält sich das Systen. der Seitenmuskeln auch bei den höheren Thie- ren in gleicher Vollständigkeit. Bei Zacerta Teguixin, welche am Rumpfe nur den Rückentheil der fraglichen Muskelmasse hat, kömmt am Schwanze der ganze Umfang vor. Auf einem senkrechten Querdurchschnitt des Schwan- zes sieht man die Querfortsätze der Schwanzwirbel die Seitenmuskeln des Schwanzes in eine obere und untere Hälfte zerfällen; nur die obere Hälfte ist die Fortsetzung der Rückenmuskeln des Rumpfes, die sich hier ganz in derselben Art wiederhohlen. Auch bei den Säugethieren zeigt der Schwanz den ganzen Umfang der Seitenmuskeln, und man kann deutlich sehen, wie schon Meckel an- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 291 giebt, wie nur die Rückenschichte des Schwanzes die Wiederholung der spinalis, multifidus, longissimus, sacrolumbaris des Rumpfes ist. Auch Cu- vier (!) hat schon die Ahnlichkeit der Seitenmuskeln der Fische mit den Schwanzmuskeln der Säugethiere eingeschen, obgleich er von den Seiten- muskeln der Fische den ganzen mittlern Theil mit Unrecht den unteren Schwanzmuskeln der höheren Thiere, den obern Theil der Seitenmuskeln der Fische den Rückenmuskeln und oberen Schwanzmuskeln der höheren Thiere parallelisirt, indem, wie sich später ergeben wird, die obere Hälfte des mittlern Theils der Seitenmuskeln noch zu den Rückenmuskeln und obern Schwanzmuskeln, die untere Hälfte des mittlern Theils der Seiten- muskeln und der untere Theil derselben zu den untern Schwanzmuskeln gehört. Die grofse Symmetrie des Rücken- und Bauchtheils der Seitenmus- keln bei den Fischen und mehrere bisher unbekannte merkwürdige Muskel- eigenthümlichkeiten derselben sollen uns nun etwas näher beschäftigen. Erst nach der Kenntnifs dieser Thatsachen läfst sich der Beweis führen, dafs die Rückenmuskeln der höheren Thiere der Rückentheil der Seitenmuskeln der niederen Wirbelthiere sind. Macht man einen senkrechten Querdurchschnitt durch den Schwanz eines Fisches, so wird man durch die grofse Symmetrie der Muskelverthei- lung überrascht. Die oberen und unteren Stachelfortsätze theilen die Mus- kulatur an der Mittelebene, und ein jederseits von der Wirbelsäule auf die Haut des Schwanzes gezogenes fibröses Blatt theilt die Muskulatur in einen Rückentheil und Bauchtheil. Sowohl der Rücken- als Bauchtheil der Sei- tenmuskeln sind, wo sie an jenem Blatt zusammenstofsen, am dicksten und nehmen, der eine gegen die obere, der andere gegen die untere Mittellinie an Dicke ab. Die Symmetrie ist aber noch viel gröfser. Auf dem senk- rechten Querdurchschnitt des Schwanzes sieht man den Rücken- und Bauch- theil wieder in 2 Abtheilungen verschieden formirt. Der obere Theil des Bauchstücks und der untere Theil des Rückenstücks, welche an der bezeich- neten Ebene zusammenstofsen, bilden nämlich in einander steckende Ringe von Muskelschichten, die durch sehnige Schichten von einander abgeson- dert sind; der gegen die obere und untere Mittellinie zu liegende Theil der (') Hist. nat. des poissons Tom. I, p.392. 002 292 Müuren: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, Seitenmuskeln bildet dagegen keine Cirkelschichten, sondern Blätter, die von der senkrechten Mittelebene schief gegen die Haut gerichtet sind. Die neben einander liegenden Ringschichten, welche den dicksten oder Seiten- theil der Schwanzmuskeln bilden, verhalten sich bei den meisten Knochen- fischen ziemlich ähnlich; der Unterschied ist nur, ob die concentrischen Ringe vollständig oder nicht sind. Bei Scomber scomber z.B. (siehe Tab.IX, Fig. 14.) sind sie vollständig, bei Trachinus lineatus nicht ganz vollständig, indem der innere, an die Mittelebene des Thiers stofsende Theil der äufse- ren Ringschichten sich sehr verdünnt. Hier kann die Ringschichte sogar ganz unterbrochen seın und dann die Schichten nur grofse Abschnitte von Bogen darstellen. Siehe Tab.IX, Fig. 18. von Trachinus lineatus. Man sieht leicht ein, dafs die concentrischen Ringe von Muskel- schichten, die man auf dem senkrechten Querdurchschnitt der Schwanz- muskeln der Fische sieht, entweder Durchschnitte von in einander liegen- den hohlen Muskeiröhren, oder von in einander steckenden hohlen Kegeln, oder wo die Ringe unvollständig sind, hohlen Kegelstücken sein müssen. Dafs sie das letztere sind, ergiebt sich, wenn man auf die quer senkrecht durchschnittenen Schwanzmuskeln auch an verschiedenen Stellen Längen- schnitte gegen die Achse des Thieres macht. Man sieht dann, dafs die ligamenta der Ringschichten oder Halbringschichten alle schief von oben und hinten nach vorn und unten durchgehen und dafs die auf der Ober- fläche der Schwanzmuskeln erscheinenden inscriptiones tendineae die äufse- ren Enden dieser sehnigen schiefen Blätter sind. Längenschnitte in die der obern und untern Mittellinie näheren, nicht ringförmig.auf dem Durch- schnitt erscheinenden Blätter zeigen dagegen, dafs die Zigamenta intermus- cularia dieser Blätter nicht wie die mittleren schief von oben und hinten nach vorn und unten, sondern schief umgekehrt von oben und vorn nach unten und hinten verlaufen (Tab. IX, Fig.16. von Trachinus lineatus). Hieraus ist also bewiesen, dafs die auf dem Querdurchschnitt erscheinenden Ringe und Halbringe nicht Röhren, sondern in einander steckenden Ke- geln oder Kegelstücken angehören. Bei allen diesen Längendurchschnitten sieht man übrigens, dafs nur die /igamenta intermuscularia sehr schief durch- gehende Blätter sind, dafs dagegen die Muskelfasern zwischen diesen schie- fen parallelen Blättern in dem ganzen Seitenmuskel, parallel mit der Län- genachse, gerade verlaufen. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 293 Die auf der Oberfläche der Schwanzmuskeln erscheinenden Enden der schiefen sehnigen Blätter bilden parallele Zickzacklinien. So weit näm- lich die Querdurchschnitte concentrische Ringe zeigen, bilden die Säume der sehnigen Blätter auf der Oberfläche Bogen, deren Convexität nach vorn gerichtet ist. Der Scheitel dieser Bogen entspricht jedesmal der Stelle, wo inwendig auf Querdurchschnitten die 2Ringschichten an einander stofsen. So weit dagegen die Querdurchschnitte keine Ringe, sondern an einander lie- gende Blätter zeigen, also näher der obern und untern Mittellinie, und so weit die Längendurchschnitte Sehnenblätter zeigen, die schief von oben und vorn nn nach unten und hinten gehen, laufen die Säume dieser Blätter auf ““„” der Oberfläche der Schwanzmuskeln schief nach vorn gegen die { 2 obere und untere Mittellinie, so dafs die äufseren Säume der sehni- Er gen Blätter der Schwanzmuskeln von der obern bis untern Mittel- linie die beistehenden Zickzack - und Bogenlinien bilden. Man kann den Verlauf der schief durchgehenden Blätter an den Schwanzmuskeln von Fischen, die lange in Weingeist gelegen haben, bald ganz ermitteln, indem man die gerade zwischen ihnen liegenden Muskelfa- sern ablöst, wie in Tab. IX, Fig. 15. von Zrachinus lineatus dargestellt ist. Hierbei ergiebt sich, dafs der mittlere Seitentheil der Blätter entweder zwei hohle Kegel oder zwei Stücke von hohlen Kegeln bildet, deren Spitze nach vorn gewandt ist, dals dagegen der obere und untere Theil der sehni- gen Blätter in umgekehrter Richtung zurücklaufende Viertel vom Mantel eines umgekehrt liegenden Kegels sind, dessen Spitze in die obere und un- tere Mittellinie rückwärts gerichtet trifft. Bei Trachinus lineatus bilden die mittleren hohlen Kegel zusammen nur einen hohlen Halbkegel; bei Scomber scomber, wo die (Querdurchschnitte keine Bogen, sondern 2 neben einan- der liegende Systeme von concentrischen Ringen bilden, gehören diese Ringe in einander liegenden hohlen Kegeln an; bei Zrachinus lineatus aber sind die Stücke der Kegel zu gemeinschaftlichen hohlen Halbkegeln ver- bunden. Der Lauf der Zigamenta intermuscularia ist daher bei Trachinus lineatus so wie er Fig.18, Tab. IX. abgebildet ist. In Fig. 15, Tab.IX. sind zwei Zigamenta intermuscularia nach Entfernung der zwischen ihnen liegen- den Schicht von geraden Muskelfasern nach der Natur abgebildet. Die Li- nie a ist der Saum des ligamentum intermuscwlare auf der Oberfläche der Schwanzmuskeln und entspricht der Linie a der idealischen Fig. 15, Tab. IX. 294 Mützen: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden, Die Kegel der Zigamenta intermuscularia sind an der Mitte der Seite des Schwanzes bald ganze Kegel, bald halbe Kegel, wo ein Stück innen fehlt. Im ersten Fall sieht der Längendurchschnitt der Zgamenta intermus- cularia wie die Längendurchschnitte in einander steckender Mäntel von Ke- geln aus, d.h. sie bilden Linien, die von oben und hinten nach unten und vorn, und dann wieder rückwärts gehen, ehe sie auf die knöcherne Grund- lage treffen; im zweiten Fall gehen die Zigamenta intermuscularia von der Haut einfach von oben und hinten nach unten und vorn zur knöchernen Grundlage. Die Kegelstücke der Zigamenta intermuscularia an der Rücken - und Bauchseite sind bald halbe Kegel, deren Convexität nach der Mittel- ebene des Thiers gerichtet ist, bald Viertelskegel. Im erstern Fall zeigt der senkrechte Längendurchschnitt am Rücken und Bauch die Durchschnitte von Kegeln, deren Spitzen nach hinten gerichtet sind, im zweiten Durch- schnitte von einfachen Blättern, die von oben und vorn nach unten und hinten gehen. Wendet man sich von den Schwanzmuskeln der Fische zu den Rumpf- muskeln, so sieht man durch Wiederholung derselben Durchschnitte, dafs die Seitenmuskeln nur Wiederholungen der Seitenmuskeln des Schwanzes sind. Der einzige kaum wesentliche Unterschied ist, dafs sich der Bauch- theil der Seitenmuskeln den Bauchwänden des Fisches entsprechend mehr ausdehnt; sonst kommen durchaus wieder dieselben Figuren vor. Was am Schwanze ganze Kegel bildete, bildet hier zuweilen nur halbe Kegel oder Viertelskegel. Ein senkrechter Längeneinschnitt durch die Scheitel der ober- flächlichen Säume der dgamenta intermuscularia twifft auch wieder auf die Wirbelsäule. Was darüber liegt, entspricht dem Rückentheil der Schwanz- muskeln, was darunter liegt, dem Bauchtheil der Schwanzmuskeln. Der erstere liegt auf der Wirbelsäule und an der Seite der Stachelfortsätze, der letztere auf den Rippen, wie er am Schwanze an den unteren Stachelfort- sätzen anlag. Aus diesen Thatsachen ergiebt sich abermals eine grofse Ana- logie zwischen dem Rücken- und Bauchtheil des animalischen Systems eines Thiers und es zeigt sich, dafs die Muskelmasse, mit der wir uns hier be- schäftigen, so weit sie den Rückenplatten und Bauchplatten des Embryo’s entspricht, dieselbe Zusammensetzung hat, wie die beiden Theile gar am Schwanze so wenig sich von einander unterscheiden lassen, dafs man, ohne der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 295 aus der Lage des Rückenmarkes sich zu orientiren, auf dem Querdurch- schnitt des Schwanzes oben und unten nicht unterscheiden kann, Wendet man sich jetzt zu den Proteideen unter den Amphibien, welche die Seitenmuskeln noch ganz besitzen, so zeigt sich in dem äu- fsern Saume der Zigamenta intermuscularia nur ein gradueller Unter- schied. Bei Menobranchus lateralis ist die Form beistehende. Auf den Längendurchschnitten sieht man die Zigamenta intermus- cularia als schief von hinten und oben nach unten und vorn gehende Blätter. Die kegelförmige Bildung ist hier nicht mehr vorhanden. Die Muskelmasse zerfällt wieder in einen Rückentheil und Bauchtheil durch eine Furche, welche schon auf der Oberfläche der Seitenmuskeln in der ganzen Länge verläuft. Diese Furche ist die Fortsetzung einer ähnlichen Furche am Schwanze. Der Bauchtheil verläuft vom Schwanze bis zum Kopf und wird nur durch das Becken unterbrochen, geht aber vorn unter dem Schultergerüst ununter- brochen fort und befestigt sich gröfstentheils am Zungenbein, zum kleinern Theil dem Obertheil oder Rückentheil sich anschliefsend, mit diesem am hintern Theil des Schädels. In dem Rückentheil dieser Muskelmasse ist eine Sonderung in den sacrolumbaris, longissimus, spinalis, multifidus noch nicht zu bemerken. Der Bauchtheil der Seitenmuskeln verschmilzt unten mit dem geraden Bauchmuskel vollständig. Beim Erdsalamander ist nun der Bauchtheil des grofsen Seitenmuskels am Rumpfe ganz verschwunden; nur am Schwanze sind der Bauchtheil und Rückentheil zugleich vorhanden. Am Rumpfe ist nur der Rückentheil da, so weit als beim Menschen die eigentlichen tiefen Rückenmuskeln, Zon- gissimus dorsi und sacrolumbaris mit eingeschlossen, reichen. Die Fasern verlaufen noch immer wie auch bei den Proteideen gerade, zwischen liga- menta intermuscularia, welche schief von oben und hinten nach unten und vorn gehen und auf die Rippen und die Wirbelsäule treffen. Erst bei den beschuppten Amphibien, namentlich Eidechsen, wie ich bei Zacerta Te- gwxin sehe, fängt sich diese Masse an in einen äufsern, dem sacrolumba- ris und longissimus dorsi entsprechenden Theil und in einen innern, dem spinalis, semispinalis, multifidus entsprechenden Theil zu sondern. Auf dem Längendurchschnitte des äufsern Theils sieht man noch immer die igamenta intermuscularia schief von oben und hinten nach unten und vorn durchgehen und sich an den Rippen und Querfortsätzen der Wirbel befestigen. Der 296 Mürzer: Yergleichende Anatomie der Myxinoiden, innere Theil der Masse zeigt auf dem Durchschnitt schief von oben und hin- ten nach vorn und unten und dann wieder nach unten und hinten durchge- hende Zigamenta. Dieser innere Theil der Rückenmuskeln schickt schon sehr starke Sehnen zu den processus spinosi der Wirbel. Es erleidet aus dem vorher Vorgetragenen keinen Zweifel, dafs der sacrolumbaris, longissi- mus, spinalis, semispinalis, multifidus der beschuppteu Amphibien und der höheren Thiere der obere Theil der Seitenmuskeln der Fische und Protei- deen ist. Der wesentliche, aber auch allmählig durch Übergänge verschwin- dende Unterschied ist nur, dafs diese Muskeln in ihren einzelnen Theilen bei den Fischen und nackten Amphibien noch nicht gesondert sind und dafs die Sehnen der Muskelabtheilungen bei den Fischen, nackten und selbst be- schuppten Amphibien Zigamenta intermuscularia sind, welche sowohl die Enden einer Abtheilung als zugleich die Ursprünge der nächsten Abtheilung bilden, gerade so wie wenn beim Menschen die fascieuli accessorü des sacro- lumbaris, welche zum sacrolumbaris von den Rippen hinzutreten, während er Insertionen an die Rippen abgiebt, nicht von den Rippen selbst, sondern von den Sehnen der Insertionsfascikel entsprängen. 2. Vom System der Intercostalmuskeln. Diese Muskeln bilden ein besonderes System, zu welchem auch die musculi intertransversarü und interspinales als analoge Bildungen an der Wir- belsäule gerechnet werden können. Bei den Fischen verschmelzen sie nach aufsen mit den tiefsten Schichten vom Bauchtheil der Seitenmuskeln. Sie können am ganzen Rumpfe vorkommen und ihre Ausbildung hängt blofs von der Verbreitung der Rippen am Rumpfe ab, so dafs sie also bei den Schlangen vom Halse bis zum After vorhanden sind. Zu diesem System der Intercostalmuskeln gehört auch der gerade Bauchmuskel, was schon Meckel bemerkte. Dies wird offenbar dadurch bewiesen, dafs an densel- ben Stellen, wo er bei dem Menschen und den Thieren in der Regel von den inscriptiones tendineae unterbrochen wird, beim Crocodil die Bauchrip- pen zwischen den Bäuchen dieses Muskels liegen. Fehlt das Brustbein, so so setzt sich dieser Muskel vom Becken bis zum Zungenbein fort, ebenso viele inscriptiones tendineae als Wirbel sind darbietend. So bei den Sala- mandern. Bei Menobranchus und bei den Fischen verschmilzt er mit dem Bauchtheil der Seitenmuskeln. Bei den Myxinoiden ist er wieder selbst- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 297 g, vom After bis zum Zungenbein, weil hier der Bauchtheil des Seiten- muskels fehlt und dieser Muskel nur bis zur Linie der Schleimsäcke reicht. ständig 3. Vom System der Seitenbauchmuskeln. Die Seitenbauchmuskeln sind eine von dem Bauchtheil der Seiten- muskeln der Fische und Proteideen wohl zu unterscheidende eigenthümliche Muskelschicht im Plane der Wirbelthiere, welche den Fischen in der Regel (bis auf die Myxinoiden) fehlt, bei den Proteideen, wie ich bei Menobran- chus lateralis sche, an der innern Seite des Bauchtheils der Seitenrumpfmus- keln als selbstständig vorhanden ist. Sie besteht aus dem äufsern schiefen Bauchmuskel, musculus oblique descendens (bei den Eidechsen oft doppelt), aus dem innern schiefen Bauchmuskel und aus dem queren Bauchmuskel. Wenn der äufsere schiefe Bauchmuskel mit den Seitenrumpfmuskeln zu- gleich vorhanden ist, so liegt er nach aufsen von den Seitenrumpfmuskeln, wie bei den Myxinoiden, wo er auf der Oberfläche der Seitenrumpfmuskeln entspringt. Nur bei den Myxinoiden geht dieser Muskel bis zur Mittellinie des Bauches und kreuzend selbst weiter. Ist der Rumpf am Bauche ganz von den Seitenmuskeln umgeben, wie bei den übrigen Fischen und bei den Pro- teideen (Menobranchus lateralis), so fehlt der äufsere schiefe Bauchmuskel meistens; bei /mphiuma ist er indefs vorhanden. Der innere schiefe Bauchmuskel liegt, wenn die Seitenrumpfmuskeln den Bauch umgeben, an der innern Fläche der Seitenrumpfmuskeln, wie bei Menobranchus lateralis. Bei den Sauriern reicht der sacrolumbaris gerade zwischen den äufsern (doppelt) und innern schiefen Bauchmuskel hinein. Die schiefen Bauchmuskeln der Salamander und Proteideen kommen auch am ganzen Brusttheil des Rumpfes vor. Die seitlichen Bauchmuskeln führen den Namen Bauchmuskeln nur uneigentlich, denn sie bilden ein eige- nes System für den ganzen Rumpf, dessen Brustiheil bei den höheren Thie- ren nicht ausgebildet ist. So bedeckt der doppelte, äufsere schiefe Bauch- muskel mehrerer Saurier auch die ganze Brust. Er entspringt von den Rippen und geht an der Brust zu dem vordern Ende der Rippen und zu dem äufsern Theil der Bauchrippen. Auch der innere schiefe Bauchmuskel und der quere Bauchmuskel bekleiden die ganze innere Seitenfläche der Brustwände bei Zacerta Tegwxin; beim Crocodil und Gecko geht wenigstens Phys.-mathemat. Jbhandl. 1834. Pp 298 Müurer: Fergleichende Anatomie der Myxinoiden, der quere Bauchmuskel vom Bauch ununterbrochen an der innern Fläche der Brust hin, von den Rippen entspringend und am Brustbein und den falschen Rippen sich befestigend. Sobald die Bauchmuskeln sich über die Brust Aussehen, wie allge- mein bei den Sauriern, liegt also der äufsere schiefe Bauchmuskel über den Intercostalmuskeln und Rippen, der innere schiefe Bauchmuskel und quere Bauchmuskel an der innern Fläche der Intercostalmuskeln und Rippen. Die schiefen Bauchmuskeln können auch inscriptiones tendineae ha- ben, wie bei den Salamandern und Proteideen. Diese sind dann Fortset- zungen der Rippen und gehen unten in die inscriptiones tendineae der gera- den Bauchmuskeln über. Gleichwohl kann man die schiefen Bauchmuskeln nicht als Analoga der Zwischen -Rippenmuskeln ansehen, weil sie, wie ge- sagt, wo sie sonst über die Brust sich fortsetzen, zwar von Rippen entsprin- gen, aber frei über die Rippen weggehen. Die Rumpfmuskeln der Schlangen, worüber d’Alton eine genaue Untersuchung angestellt, haben wir hier aufser Betracht gelassen, weil sie wegen der Ortsbewegung der Schlangen eigenthümliche Modificationen er- litten haben. Capitel III. Von der Analogie der Rumpfmuskeln in den verschiedenen Gegenden des Rumpfes bei dem Menschen. Die Lehre von der Zusammensetzung des Skelets des Menschen und der Thiere aus einer gewissen Anzahl ihrer Bedeutung nach ähnlicher Theile macht bereits, ungeachtet der phantasiereichen Behandlung dieses Gegenstan- des von einigen Schriftstellern, einen sehr wichtigen Theil der comparativen Osteologie aus. Man hatte diese Lehre von der Analogie der Knochen, die am vollständigsten in Hinsicht der Analogie des Schädels und der Wirbel- säule ausgebildet ist, sehr unpassend Philosophie der Knochen genannt. Obgleich die Myologie des Menschen und der höheren Thiere einer gleichen Reduction fähig ist und dadurch an Interesse sehr gewinnen würde, so hat man doch bis jetzt sehr wenig Data von der Analogie der Muskeln, und von der Philosophie der Muskeln ist noch nichts verlautet. Dum£ril war der erste, welcher die Analogieen mehrerer Muskeln neben den Analogieen der der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 299 Knochen außstellte (!). J. Fr. Meckel hat es hier und da versucht, den allgemeinen Plan in der Beschreibung der Muskeln des Rumpfes anzudeu- ten, und Berthold hat diese Ideen auf die Bauchmuskeln angewandt. Das meiste blieb indefs zu thun übrig. Nun ist aber kein Theil der Myolo- gie dieser Behandlung so sehr fähig als die Rumpfmuskeln, worunter ich wieder die dem Rumpf eigenthümlichen, und nicht die den Rumpf mit den Extremitäten verbindenden Muskeln verstehe, und es läfst sich hier ein auffallendes Beispiel geben, wie nicht allein die Östeologie des Menschen der comparativen Osteogenie zu ihrer Aufklärung bedarf, sondern wie auch die Beschreibung mehrerer Rumpfmuskeln des Menschen ohne die Beach- tung der comparativen Östeogenie und Myologie fehlerhaft bleiben mufste. Wir haben schon im vorhergehenden Capitel einige Beispiele von dieser Be- handlungsart der Myologie gegeben. Längst schon sieht man die inscriptiones tendineae des geraden Bauchmuskels als Andeutungen von Bauchrippen, und den geraden Bauchmuskel als Zwischenrippenmuskel des Bauches an, weil er bei dem Crocodil dies offenbar ist, indem der gerade Bauchmuskel hier die spatia intercostalia der Bauchrippen ausfüllt, wenn auch an der innern Fläche der Bauchrippen des Crocodils eine Schichte über die Bauchrippen weg- läuft. Ein noch auffallenderes Beispiel läfst sich in Hinsicht des musculus triangularis sterni und des transversus abdominis des Menschen geben. Schon Rosenmüller (?), und später Meckel (°), haben darauf aufmerksam ge- macht, dafs der musculus triangularis stern! mit dem obern Ende des que- ren Bauchmuskels zusammenfliefst, nämlich demjenigen Theile des queren Bauchmuskels, der sich noch an den Seitenrand des processus xiphoideus fort- setzt. In vielen Fällen ist es wenigstens, wenn man den transversus abdo- minis mit dem triangularis sterni von innen präparirt, nicht möglich anzu- geben, wo der eine anfängt und der andere aufhört. Diese Identität läfst sich aber durch die schon früher erwähnte, von mir gemachte Beobachtung vollständig erweisen, dafs der quere Bauchmuskel der Crocodile, der Te- guixin, der Gecko und anderer Lacerten sich ununterbrochen in die Brust- (') Considerations sur les rapports de structure qu'on peut observer entre les os et les muscles du tronc chez tous les animaux. Mem. d’anat. comp. 1808. (*) De nonnullis musculorum c. h. varietatibus. Lips. 1814. p.9. (°) Handbuch der menschl. Anatomie II, p.469. Syst. d. vergl. Anat. III, p.444. Pp2 300 Mürten: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, höhle fortsetzt und hier ganz denselben Verlauf seiner Fasern wie an der Bauchwand nimmt, indem die querlaufenden continuirlichen Schichten nur an den Rand des Brustbeins sich befestigen. Ich habe auch schon er- wähnt, dafs bei dem Menschen nur der Bauchtheil der schiefen Bauch- muskeln ausgebildet ist, indem diese bei den Salamandern, ja sogar bei den Sauriern an dem ganzen Brusttheil des Rumpfes vorkommen. Aber weit ausgedehnter zeigt sie die Analogie an den nur scheinbar so sehr com- plicirten Rückenmuskeln, wenn man die Gesetze der Osteogenie in Be- tracht zieht. Es ist eine schr merkwürdige und nur von wenigen Osteologen beob- achtete Erscheinung, dafs diejenigen Wirbel des Menschen und der Säuge- thiere, welche keine Rippen tragen, zuweilen einen Knochenkern am Quer- fortsatz zu viel besitzen. Albinus (!) bemerkte bereits, dafs die das fora- men vertebrale enthaltenden Querfortsätze des siebenten Halswirbels oft, aber auch die Querfortsätze mehrerer anderer Halswirbel an ihrer vordern Seite einen besondern Knochenkern erhalten. J. Fr. Meckel(?) beschreibt dieses Stück folgendermafsen: ,,Schon in den letzten Zeiten der Schwan- gerschaft und immer zur Reife findet sich hier ein ansehnlicher Knochen- kern, der von dem innern Ende des Umfanges des Wirbelarterienlochs zu dem äufsern in querer Richtung verläuft, es von vorn vervollständigt und durch Knorpel mit den beiden genannten Stellen verbunden ist. Sein inne- res Ende ist schmaler, aber eben so dick als das äufsere; dann folgt eine etwas breitere, weit dünnere Stelle, über welche hinaus der Knochen bis zu seinem Ende immer breiter und zugleich dicker wird. Er reicht nicht über die äufsere Wurzel einer jeden Bogenhälfte hinaus und erscheint, sei- ner Gestalt und seiner Verbindung mit dem übrigen Theil des Wirbels nach, vollkommen als ein Rippenrudiment, das sich nur in seinem hintern Theile von dem Köpfchen bis zum Höcker entwickelt hatte, anfangs getrennt ist, aber allmählig mit dem übrigen Körper zu einem Ganzen verschmilzt.” Nach Meckel erscheint dieser Knochenkern im sechsten Monat der Schwan- gerschaft und besteht bis in das dritte oder vierte Lebensjahr als eigner Kno- chen. Meckel fand auch schon, dafs diese Anordnung nicht dem siebenten (') Icones oss. foet. p.54. (*) Archiv für Physiol. I, p.594. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 301 Halswirbel eigen ist, wenn sie auch hier am deutlichsten und Regel ist, son- dern dafs sie, wo nicht allen, doch mehreren Halswirbeln zukömmt. So fand Meckel den Knochenkern am zweiten, fünften, sechsten Halswirbel, wovon er ihn abgebildet hat. Auch Beclard (!) beschreibt den Knochen- kern am Querfortsatz des siebenten Halswirbels und deutet ihn als Rippe. Mein verehrter College Schlemm besitzt den zweiten und dritten Halswir- bel von einem Kinde, wo diese Kerne sehr deutlich sind, und ich habe das abgesonderte Stück am letzten Halswirbel bei vielen Foetus und Kindern unserer Sammlung gesehen. Beim Faulthier erscheinen diese Rippenrudi- mente regelmäfsig am Querfortsatz des achten und neunten Halswirbels. Aus dem eben erwähnten geht übrigens, gelegentlich sei es hier gesagt, deutlich genug hervor, dafs Th. Bell’s Ansicht, als habe das Faulthier die gewöhn- liche Anzahl der Halswirbel und seien der achte und neunte Halswirbel schon Rückenwirbel mit Rudimenten von falschen Rippen, unrichtig ist. Auch die Lendenwirbel zeichnen sich vor den übrigen Wirbeln da- durch aus, dafs man an ihrem Querfortsatz zuweilen, aber sehr selten, einen kleinen Knochenkern findet. Ich rede nicht vom ersten Lendenwirbel, denn dieser trägt bekanntlich sehr oft ein Rudiment von einer falschen Rippe. Meckel (!) fand jenen Knochenkern bei mehreren Leichen von 18 Jahren, womit Ungebauer’s von Meckel bereits angeführte Beobachtungen über- einstimmen. Vergl. E.H. Weber Anat. 2, 164. Ich glaube indefs nicht, dafs die hier von Meckel berührte, so spät sich zeigende Erscheinung die- jenige ist, um welche es sich hier handelt. Dergleichen kleine accessorische Össificationen sehe ich an einem Skelet von einem 19 jährigen Menschen nicht allein an den Querfortsätzen der Lendenwirbel, sondern auch der Rük- kenwirbel, auch an den processus accessorü und an dem Tuberculum der oberen schiefen Fortsätze der Lendenwirbel entwickelt. Beim Foetus und Kinde vor Allen müfste ein solcher abgesonderter Knochenkern vorhanden sein, wenn die Analogie vollständig ist. Ich habe in dieser Hinsicht alle unsere zahlreichen Foetusskelete vom Menschen und von Säugethieren aller Ordnungen durchgesehen, habe aber nur in einem einzigen Fall, nämlich (') Meckel’s Archiv f. Physiol. VI, p.413. Vgl. Dymock on the occurence of supernu- merary cervical ribs in the human body. Lond. med. and surg. Journ. 1833. Apr. p.306. (?) Handb. d. menschl. Anat. II, 30. 302 Mürrenr: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, bei einem Schweinefoetus von 4” Länge von der Schnautze bis zum Ende der Wirbelsäule (Nro.3376.) ganz deutlich abgesonderte Knochenkerne an den Querfortsätzen der Lendenwirbel gefunden. Hier stellen sie rundliche platte Ossificationen in dem knorpeligen Theile der Querfortsätze dar. Wendet man sich nun zu den Vögeln und Amphibien, so läfst sich der Satz, dafs die Wirbel mit fehlenden Rippen öfter Rudimente von falschen Rippen an den Querfortsätzen besitzen, augenscheinlich erweisen. Dies ha- ben auch bereits Dumeril und Oken gethan. Die Vögel, Crocodile, Ei- dechsen besitzen einige obere falsche oder Halsrippen, welche sich nicht mit dem Brustbein vereinigen und deutlich von dem Querfortsatz getrennt, ihr Tuberculum, womit sie von dem Querfortsatz, ihr Capitulum, womit sie vom Körper des Wirbels abhängen, besitzen und das ganze Leben getrennt bleiben. Jedes Vogelskelet ist zu dieser Beobachtung passend. Der unterste Halswirbel trägt eine falsche Rippe, die durch ihre doppelte Verbindung mit dem Wirbel das Loch des Querfortsatzes des Halswirbels erzeugt. (Dies Loch kömmt auf diese Art auch an den Brustwirbeln zu Stande). Die fal- sche Rippe des vorletzten Halswirbels ist noch viel kürzer und besteht blofs aus dem Hals der Rippe, dem Capitulum und Tuberculum. Auch sie ist noch vom Wirbel getrennt. Zwischen ihr und dem Wirbel ist das foramen vertebrale. Auf diese Art entsteht also das Loch der Querfortsätze der Hals- wirbel. Wenn wir nun an den höheren Halswirbeln zwar die foramina ver- tebralia, aber keine abgesonderten Schlufsstücke dieses Loches mehr bemer- ken, indem das Rippenrudiment (beim Foetus deutlich) bereits ganz ver- schmolzen ist, so beweist doch die Genesis des foramen vertebrale an allen Halswirbeln des Vogelfoetus entschieden, dafs an allen diesen Wirbeln, die foramina vertebralia besitzen, kleine Rudimente von Rippen mit den Quer- fortsätzen verwachsen sind. Die ersten Schwanzwirbel der jungen Crocodile besitzen auch noch kleine Rudimente von falschen Querfortsätzen, die als besondere Kno- chen entstehen. Hieraus, wie aus der oben angeführten Beobachtung vom Schweinefoetus und aus den Halswirbeln der Vögel, wird es wahrschein- lich, dafs die grolsen Querfortsätze der Lendenwirbel nur an ihrer Wur- zel dem processus transversus entsprechen. Dies wird auch aus dem Ver- halten des musculus multifidus spinae an den Lendenwirbeln deutlich. Die- ser Muskel entspringt an den Rückenwirbeln von den Querfortsätzen, der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 303 aber merkwürdig genug an den Lendenwirbeln nicht von den Querfort- sätzen, sondern von den Höckerchen an den oberen schiefen Fortsätzen, welches Höckerchen an den obersten Lendenwirbeln noch deutlich von dem schiefen Fortsatz abgeschieden ist. Ich mufs hier bemerken, dafs es beim Menschen sowohl als bei den Säugethieren öfters zweierlei processus acces- sori an den Lendenwirbeln giebt. Der erste ist das vorher erwähnte Tu- berculum an den oberen schiefen Fortsätzen. Bei den Säugethieren ist die- ses Höckerchen oft sehr stark, z.B. beim Pferd, Lama, Sus aethiopieus, Tapir. Dies Tuberculum entsteht hier schon frühzeitig an den Rückenwir- beln; bei jenen Säugethieren ist es schon an der ganzen untern Hälfte der Rückenwirbel vorhanden, aber es entfernt sich an den Rückenwirbeln von unten nach aufwärts mehr und mehr von den oberen schiefen Fortsätzen und fliefst in die Querfortsätze. Hier liegt es über dem Theil des Querfort- satzes, der die Verbindungsfläche für das Tuberculum der Rippe bildet. Bei mehreren Säugethieren ist der processus accessorius der Lendenwirbel blofs der eben genannte, wie beim indischen Tapir. Dies Tuberculum steht im- mer aufwärts und liegt höher als das zweite, wenn letzteres auch da ist. Das zweite, der gewöhnlich sogenannte processus accessorius der Len- denwirbel, ist nach abwärts, oder bei den Säugethieren, wo es vorkommt, wie bei der Hyäne, nach rückwärts gewandt. Dieses liegt unter (bei Säu- gethieren hinter) dem vorhergehenden und mehr nach aufsen und entsteht zwischen dem obern schiefen Fortsatz und dem grofsen Quer- oder rippen- artigen Fortsatz der Lendenwirbel; an dem letzten Rückenwirbel des Men- schen, wo es oft vorkömmt, zwischen dem schiefen Fortsatz oder Tuber- culum des schiefen Fortsatzes und dem nach aufsen gerichteten Theil des Querfortsatzes, der sich mit dem (fehlenden) Tuberculum der letzten Rippe hätte verbinden sollen. Da die beiden Tubercula oft an den Querfortsätzen des letzten Rük- kenwirbels vorkommen, so scheinen sie an den Lendenwirbeln die Wurzel des langen Querfortsatzes zu bestimmen, während das äufserste Ende des Querfortsatzes dem Rippentheil des Querfortsatzes entspricht. Selbst am Kreuzbein mehrerer Thiere und am Schwanze von einigen giebt es noch abgesonderte Querfortsätze oder Rippenrudimente. Beim jun- gen Crocodil und bei den Schildkröten liegen zwischen den Darmbeinen und der Wirbelsäule 2 Rudimente von rippenartigen gesonderten Querfort- 304 Müuzer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, satzstücken auf jeder Seite. Ja selbst an der Verbindungsstelle des ersten und zweiten Kreuzbeinwirbels mit dem Darmbein beim Foetus des Menschen und der Säugethiere liegen diese 2 überzähligen Stücke, zwar nicht läng- lich wie beim Crocodil und bei der Schildkröte, aber vollkommen deutlich und von dem falschen Querfortsatz des Kreuzbrins geschieden, wie man es bei der Ansicht von vorn sehr gut sieht. Beim ganz jungen Gürtelthier lie- gen sie viel breiter, 4 an der Zahl, jederseits zwischen Sitzbein - und Kreuz- beinwirbel, und kommen auch als ganz abgesonderte Stücke an den 4 näch- sten Schwanzwirbeln vor. Fafst man Alles zusammen, so ergiebt sich Folgendes. Die processus transversi der Rückenwirbel enthalten die Elemente zu 2 Fortsätzen, die in der ersten Hälfte der Rückenwirbel der Säugethiere und in den meisten Rük- kenwirbeln des Menschen vereint sind, aber sich von einander absondern können. Diese dienen einerseits dem Tuberculum der Rippe zur Befesti- gung, anderntheils zu den Ursprüngen und Insertionen der Muskeln. ” Se Elemente entfernen sich bei den Säugethieren ganz deutlich von eina der, schon meist in der Hälfte der Rückenwirbel, und an den Lendenwirbeln ist diese Absonderung und der Zwischenraum der beiden Fortsätze am gröfsten. Wenn sich nun auch nicht definitiv beweisen läfst, dafs die den Rippen ent- sprechenden Querfortsätze der Lendenwirbel wirklich angewachsene Rippen- rudimente enthalten, so läfst sich doch beweisen, dafs an diesen rippenartigen Querfortsätzen der Lendenwirbel sich immer ganz analoge Muskeln ansetzen, als am Brusttheil des Rückens an den Rippen befestigt sind. Der multfidus spinae dagegen entspringt von den processus accessorü der Lendenwirbel und nimmt am Brusttheil des Rückens beim Menschen nur deswegen seinen Ur- sprung von dem der Rippe zum Ansatz dienenden Fortsatz, weil hier der Rippentheil des Querfortsatzes und der processus accessorius sich noch nicht geschieden haben. Wenn man diese Übereinstimmung in der Osteogenie des Stammes zu Grunde legt, so zeigt sich bei der Untersuchung einiger Rückenmuskeln eine sehr auffallende Übereinstimmung zwischen dem Halstheil, Rückentheil und Lendentheil derselben, und gerade die in Hinsicht ihrer Ursprünge und Insertionen zusammengesetztesten Rückenmuskeln werden dadurch zu den einfachsten. Man sieht nämlich aus der vorhergehenden Betrachtung, dafs wenn ein Rückenmuskel an den Lenden und am Halse ebenso wie am Brust- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 305 stück des Rückens vorkömmt, am Brusttheil des Rückens aber von Rippen entspringt oder an Rippen sich ansetzt, man die Ursprünge oder Insertionen desselben am Lendentheil und Halstheil des Stammes an den Querfortsätzen aufsuchen mufs. Wenden wir dies zuerst auf den musculus sacrolumbaris und /ongissimus dorsi des Menschen, und auf ihre Fortsetzungen, den cervica- lis descendens und transversalis cervieis an und suchen wir eine bessere Be- schreibung dieser Muskeln zu geben, die bei den meisten Schriftstellern (Albin und Sömmering ausgenommen) nicht so genau ist als es für un- sern Zweck wünschenswerth, und bei einigen selbst nicht ohne Fehler ist. Der gemeinschaftliche Kopf des sacrolumbaris und longissimus dorsi ist bekanntlich aufsen dicker, innen, wo er auf dem multifidus spinae auf- liegt, dünner und geht hier neben den Stachelfortsätzen der Lendenwirbel in eine sehnige Leiste über, die ihm auch zum Ursprung dient. Der dickere muskulöse Theil entspringt von dem hintern Theil der cerista ossis idium und vın dem hintern Höcker derselben; der sehnige entspringt von den proces- su: oinosi des Kreuzbeins und der Lendenwirbel. Ehe sich der Muskel in der Gegend der letzten Rippe in seine beiden Brusttheile, den sacrolumbaris und /ongissimus dorsi spaltet, hat der Lendentheil des Muskels schon Inser- tionen abgegeben, nämlich doppelte Insertionen an die processus transversi der 5 Lendenwirbel, wovon sich die äufseren an die rippenartigen grofsen processus transversi der Lendenwirbel, die inneren an die unteren proces- sus accessorü spitz befestigen. Die äufseren Insertionen sieht man, wenn man den Muskel vom äu- fsern Rande, die inneren, wenn man innen vom innern Rande aufhebt, nachdem man die sehnige Leiste, durch welche er mit den processus spinosi der Lendenwirbel verbunden ist, von diesen und von dem untern Ende des mult- Jidus spinae abgelöst hat. Diese doppelten Befestigungen an die processus transversi der Lendenwirbel sind aufsteigende Bündel, welche der Muskel abgiebt, keine Ursprünge, wie es Meckel und Krause angeben. Albinus und Sömmering drücken dies richtig aus (Albin ist. musc. p.329., Söm- mering vom Bau des menschl. Körpers III, p.170.). E. H. Weber sagt: Empfängt dann von vorn her flechsig anfangende, fleischige Bündel, die von den Spitzen der Querfortsätze u. s.w. Nachdem sich der Muskel nun in den sacrolumbaris und longissimus dorsi abgetheilt, verlaufen beide folgendermafsen. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Qgq 306 Mürver: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, Der sacrolumbaris nimmt weiter meist 10 aufsteigende Ursprünge von allen Rippen bis zur dritten auf und läfst 12 Insertionen an allen Rippen. Der Halstheil befestigt sich endlich an den Querfortsätzen des siebenten bis vierten Halswirbels. Die am Querfortsatz des vierten, fünften, sechsten Hals- wirbels sich fortsetzenden Bündel, welche von der dritten bis fünften Rippe entspringen, nennt man gewöhnlich musculus cervicalis descendens, Meckel richtiger cervicalis ascendens, und Alle stimmen darin überein, dafs der letz- tere eine Fortsetzung des sacrolumbaris sei. Aber es ist bei dieser richtigen Ansicht gar kein Grund vorhanden, den sacrolumbaris mit seinen inseriren- den Fascikeln bis zum Querfortsatz des letzten Halswirbels gehen zu lassen und die Insertionsenden des cervicalis ascendens blofs an die Querfortsätze der 3 folgenden Halswirbel gehen zu lassen. Vielmehr existirt keine eigent- liche Trennung. Der sacrolumbaris nimmt faseiculi accessorü von der zwölf- ten bis zweiten Rippe auf als Ursprünge von Bündeln, die er jedesmal etwas höher abgiebt; und von den Bündeln, die er abgiebt, gehen 12 an die 12 Rippen und 4 an die Querfortsätze der unteren Halswirbel. Da am Halse die Rippenrudimente mit den Querfortsätzen der Wirbel zusammengeflossen sind, so müssen die Insertionen des Halstheils des sacrolumbaris nothwendig an die Querfortsätze gehen. Will man zwischen den verschiedenen Regio- nen des sacrolumbaris Abtheilungen machen, so kann man die äufseren In- sertionen des Lendentheils an den langen rippenartigen Querfortsätzen der Lendenwirbel (die inneren Insertionen des Lendentheils gehören vielmehr schon zum longissimus) lumbalis ascendens, die Insertionen des Brust- theils an den Rippen dorsalis ascendens, die Insertionen des Halstheils cervicalis ascendens nennen. Man sieht, dafs die Insertionen des Len- dentheils, Brusttheils und Halstheils ganz übereinstimmen. Wo die Rippen in die Querfortsätze geflossen sind, setzt er sich an die Querfortsätze und es ist keine Willkühr in der Anlage eines so zusammengesetzten Muskels. Wenden wir uns nun zu dem /ongissimus dorsi. Zu dem Anfang des longissimus dorsi kann man schon die inneren Insertionen des Lendentheils, des gemeinschaftlichen Bauches ansehen. Die Gründe werden sich bald zei- gen. Am Brusitheil des Rumpfes giebt der Zongissimus doppelte, äufsere und innere Insertionen ab, die äufseren an 5 bis 8 mittlere Rippen, die inneren an die processus transversi aller Rückenwirbel.e. Da nun in der Lendengegend der Wirbelsäule die Rippen durch die verlängerten Quer- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 307 fortsätze repräsentirt sind, so kann sich der Lendentheil des Zongissimus nur an jeden Querfortsatz ansetzen, was an der Stelle des processus accessorius geschieht. Der Brusttheil des Zongissimus giebt aber nicht blofs doppelte Inser- tionen ab, er nimmt auch häufig (nicht immer) neue Ursprünge auf, die von fast allen Anatomen, mit Ausnahme Albin’s und Sömmering’s, übersehen sind. In muskulösen Leichen, und öfter auch in nicht muskulösen, nimmt der longissimus dorsi zarte, schnig entspringende, musculös endigende Ur- sprünge von den Querfortsätzen aller oder der meisten, auch der untersten Rückenwirbel, ja sogar zuweilen des ersten Lendenwirbels auf. Diese neuen Ursprünge, die ich fast in der Hälfte der Leichen, die ich darauf unter- suchte, vorfand, mischen sich in die Muskelmasse des longissimus ein; zu- weilen fehlt einer oder zwei der Ursprünge von den Querfortsätzen, nicht gerade die untersten, sondern die auf die untersten folgenden. Nach oben gehen die von den Querfortsätzen kommenden Ursprünge des longissimus in den Halstheil des Zongissimus über, den man auch als einen besondern Mus- kel, transversalis cervieis, ansieht. Dieser oberste oder Halstheil des Zongis- simus setzt sich nun an die Querfortsätze aller Halswirbel fort. Wären Rip- pen am Halse, so müfsten sich die Fascikel des Halstheils des Zongissimus als innere und äufsere an den Rippen sowohl als an den Querfortsätzen an- setzen. Da aber die Halsrippen in die Querfortsätze geflossen sind, so sind auch die Ansätze des Halstheils wie des Lendentheils vereinfacht und finden an den Querfortsätzen statt. Man sieht hieraus, dafs wenn man einen mus- culus transversalis cervicis als gesonderten Muskel annehmen will, man auch einen transversalis dorsi oder transversalis longissimi in nicht nicht viel weniger als der Hälfte der Menschen annehmen mufs; nämlich die von den Querfortsätzen der untersten Rückenwirbel oder auch eines Len- denwirbels aufsteigenden und in das Muskellleisch des Zongissimus sich ein- webenden zarten Bündel. Besser beschreibt man diese Bündel wie die Ur- sprünge des sogenannten transversalis cervicis als fasciculi accessorii des Ur- sprungs vom /ongissimus oder läfst den obersten Theil des Zongissimus als transversalis cervicis fortgehen. Zur Erläuterung dessen, was von dem transversalis dorsi s. longissimi gesagt worden, führe ich hier die Thatsachen, wie ich sie von einigen der vie- len von mir auf diesen Punct untersuchten Leichen aufgezeichnet habe, an. Qq2 308 Mürrer: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, I. Am Rücken kommen fascieuli accessorü zum longissimus dorsi hinzu ; sie entspringen von den processus transversi aller Rückenwirbel, der der untere Theil mengt sich in den Rückentheil des Zongissimus ein, der obere erscheint als Halstheil des Zongissimus, nämlich als transver- salis cervicis. II. Der transversalis longissimi entsprang vom processus transversus des ell- ten und zehnten Rückenwirbels. III. Der musculus transversalis entsprang als transversalis dorsi seu longis- simi schon am ersten Lendenwirbel, darauf folgen sich sehnige Ur- sprünge vom zwölften bis ersten Rückenwirbel ohne Unterbrechung. Die oberen bilden den Anfang des transversalis cervicis. Der achte Ur- sprung war nicht sehnig, sondern sogleich muskulös. Die unteren Sehnen sind die längsten; alle gehen oben in das Muskelfleisch des longıssimus über, dessen oberster Theil sich als transversalis cervicis verhält- IV. Der transversalis longissimi fehlte ganz. V. Der transversalis longissimi fehlte ganz. VI. Der transversalıs longissimi fehlte ganz. Man sieht, dafs häufige Varietäten in der Muskellehre so gut wie in der Nervenlehre nur wichtige Aufschlüsse über die Gesetze der anatomi- schen Anordnung geben können. Die vorher beschriebene Varietät ist so häufig, dafs man sich wundern mufs, dafs dieselbe so wenig von den Ana- tomen beachtet worden. Dem genauen Albin entging sie nicht, auch Söm- mering nicht, obgleich beide ihre Bedeutung nicht ahndeten. Albin sagt: In haec vero se paullatim consumens longissimus novis capilbus augelur, quo- rum neque certus numerus, neque locus, unde veniunt, neque eadem semper magnitudo. Etenim modo unum, idque insigne invenimus a superiore et ea- dem posleriore parte extremi processus transversi verlebrae dorsı a lumlis ter- liae aut quartae, tendine ascendens longo, crasso, sensim increscente, atque in carnem abeunte, sensim crassiorem et ad interiorem partem longissimi, jan ad finem properantis accedentem, modo invenimus simie, verum 5 incipiens tendinibus gractlioribus ab eadem parte processuum transversornm 5 dorsi ver- tebrarum, a lumbis tertiae, quarlae, quintae, seplimae, quorum et inferiores et superiores duo erant exiliores; omnes paullatim carnei, carnemque quae paullalim crassior, conjungentes in unum. Alas invenimus 3 alia capita pro- der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 309 cedentia a secunda, terlia, quinta. Alias duo a terlia et quarla, aut quarta et quinta. Alias adhuc unum a seplima sed exiius. Aliguando tantummodo unum et id non valde insigne, oriens a summa lumborum. Albin. Hist. musc. p-329. Sömmering (a.a.O. p.171.) sagt: „‚Bisweilen erhält der innere Rückgrathsstrecker einige in Ansehung der Zahl, des Ortes und der Gröfse unbeständige Zuwächse; entweder nur einen Zuwachs vom Querfortsatz des ersten oder des zweiten oder des dritten Lendenwirbels, oder 2 bis 3 Zu- wächse vom Querfortsatz des neunten und zehnten oder des neunten und achten oder des elften, zehnten, neunten, oder des neunten, achten, sechs- ten, oder 5 von den (Juerfortsätzen des zehnten, neunten, achten, sieben- ten, sechsten Rückenwirbels.” Die Osteogenie erläutert auch die musculi intertransversari. Wenn man in mehreren Leichen keine deutlichen intertransversari der rippentragen- den Wirbel findet, so könnte man glauben, dafs die intertransversarü cervicis et lumborum die Zwischenrippenmuskeln des Halses und der Lenden zwischen den die Rippen repräsentirenden Querfortsätzen vertreten. Indessen sind die intertransversarü an den unteren Rückenwirbeln meist dünn vorhanden. Hier- nach scheint es, dafs von den doppelten museudi intertransversarü des Halses die vorderen den iztercostales entsprechen, die hinteren aber wirkliche in- tertransversarü sind. Die intertransversarü der Lendenwirbel sind nun auch wieder von besonderm Interesse. Eigentlich sind auch hier wie am Halse 2 intertransversarü vorhanden. Gewöhnlich werden nur die intertransversarı zwischen den rippenartigen Querfortsätzen der Lendenwirbel beschrieben. Von diesen entspringt der erste von dem (uerfortsatz des letzten Rückenwir- bels und geht schief abwärts auswärts fast wie ein levator costae zu dem obern Rand des rippenartigen Querfortsatzes des ersten Lendenwirbels bis zur Spitze desselben; die anderen liegen zwischen je 2 rippenartigen Querfort- sätzen der Lendenwirbel, zuweilen auch etwas schief von oben nach unten und aufsen verlaufend. Die zweite Reihe der intertransversarü der Lenden- wirbel wird gemeiniglich übersehen; sie liegt zwischen den processus acces- sorü der Lendenwirbel. Albin und Sömmering haben sie gekannt. Al- bin beschreibt diese Fascikel beim mwlüfidus spinae, zu dem sie nicht gehö- ren können, obgleich sie mit dem äufsern Rande desselben meist verwach- sen. Dieser Anatom sagt bei der Beschreibung des multifidus (Hist. muse. p- 344.): ad eundem (multifidum) quoque, nisi quis malit distinctos di- 310 Mürrer: Jergleichende Anatomie der My:xinoiden, cere, referas alios, quos in lumbis invenimus, orientes ab exteriore parte ra- dicis processus obliqui adscendentis, pertinentes ad vertebram proximam supe- riorem ad inferiorem partem radicis lius tuberculi, quod inter processum trans- versum et obliguum superiorem ex ea eminet. Sie liegen, wie hier ganz rich- tig angegeben ist, zwischen den oben bezeichneten beiden verschiedenen processus accessorü zweier Lendenwirbel, zwischen den Wurzeln der Quer- fortsätze. Sömmering (vom Bau des menschlichen Körpers III, p. 177.) beschreibt sie auch beim multifidus spinae und sagt: ‚,Bisweilen findet man abgesonderte Muskeln — — an den Lenden, die vom schrägen Fortsatz zum Höcker, der zwischen dem Querfortsatz und dem schrägen Fortsatz liegt, aufsteigen.” Eigentlich entspringen sie aber nicht vom schiefen Fort- satz, sondern von dem oben bezeichneten Höckerchen am schiefen Fort- satz, das, wie man stufenweise an den unteren Rückenwirbeln des Pferdes, Lama’s und anderer Säugethiere sieht, mehr zur Wurzel des Querfortsatzes als zum schiefen Fortsatz gehört. Lage, Ursprung und Form dieser zweiten intertransversarü der Len- denwirbel kommen ganz mit den intertransversarü der unteren Rückenwirbel überein und erstere sind die Fortsetzung der letzteren. Wenn man nun die letzteren intertransversarü dorsi nennt, so mufs man die mit dem Rande des multifidus verwachsenen auch intertransversaril lumborum nennen. Wenn dies sich aber so verhält, so haben die intertransversarü zwischen den rippenar- tigen Querfortsätzen der Lendenwirbel eine andere Bedeutung und müssen, wie die vorderen intertransversarü des Halses, mit den Intercostalmuskeln verglichen werden. Auf diese Art sieht man nun deutlich ein, warum nur die intertransversarü dorsi einfach, die der Halswirbel und Lendenwirbel aber, wo wahre Rippen fehlen, doppelt sind. Ein Theil der Nackenmuskeln, die auf den ersten Blick vom allge- meinen Plan der Rückenmuskeln abzuweichen scheinen, läfst sich auch auf diese reduciren. In demselben Verhältnifs, wie der muscwlus semispinalis dorsi et cervieis zur Wirbelsäule steht, in demselben steht der complexus et biventer zum Schädel und er ist gleichsam der semispinalis capitis. Die er- steren kommen von den processus transversi und gehen zu den processus spi- nosi;, die letzteren kommen von den Querfortsätzen und gehen zur Schuppe des Hinterhauptes. Die kleinen Muskeln des Kopfes sind schon von An- deren passend verglichen worden. Jeder sieht ein, dafs der rectus lateralis der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 311 der letzte intertransversarius, der rectus capitis posticus major und minor die obersten interspinales sind, obgleich der interspinalis des zweiten Halswirbels (rectus capitis posticus major) den Atlas überspringt. Nachträge. 1. In der systematischen Aufstellung der Cyclostomen im Anfang dieser Abhandlung ist auch bemerkt, dafs die Cyelostomata hyperoartia (Petromyzon, Ammocoetes) keine Gal- lenblase besitzen. Hierbei hatte ich mich auf die Bemerkung von Rathke gestützt, dals bei Ammocoetes die Gallenblase fehle. Ich habe jedoch bei eigener Untersuchung mehrerer Anmocoetes die Gallenblase vorgefunden. Sie ist zuweilen von Lebersubstanz etwas ein- gehüllt, meistens aber frei und liegt am rechten obern Theil der Leber. Bei Petromyzon fehlt allerdings die Gallenblase. 2. Bei der Beschreibung der Structur der Knorpel wurde des Knochens am äufsern Ohr der Meerschweinchen gedacht, den Leuckart gefunden und worauf er bei der Ver- sammlung der Naturforscher in Stuttgart aufmerksam gemacht hat. Seitdem hat Leuckart diese Ossification, welche doppelt ist, ausführlicher beschrieben (Tiedemann’s Zeitschrift für Physiologie Bd. V, Heft 2.). Beim Meerschweinchen sind diese Ossificationen sehr deut- lich; beim Aguti habe ich sie nicht vorgefunden. 3. Zu dem, was über die Schnautzenknorpel und Nasenflügelknorpel der Plagiosto- men bemerkt worden, füge ich hier noch eine Bemerkung über diese Theile bei einer von Herrn v. Olfers aus Brasilien eingesandten Cephaloptera bei, die ich Cephaloptera Ol- fersii nenne. Die Nasenflügelknorpel verhalten sich im Allgemeinen wie bei den anderen kopfgeflügelten Gattungen, Myliobates und Rhinoptera, doch ist der von den Nasenflügel- knorpeln und der Haut gebildete Vorhang über dem Munde und vor den Nasenlöchern hier aufserordentlich breit und über dem Munde festgewachsen, während derselbe bei den ande- ren frei beweglich ist. Die Nasenlöcher werden blofs von dem äufsersten Theile des Vor- hanges, und nur vom äufsern Nasenflügelknorpel, der an der innern Seite der Nasencapsel befestigt ist, bedeckt. Die zwei mittleren Knorpelflügel zwischen beiden Nasen hängen wie- der an einem gemeinsamen unpaarigen Knorpelstiel über dem Munde. Die Knorpelfranzen der saumartigen Haut über dem Munde werden bei Cephaloptera Olfersii nicht von den Nasenflügelknorpeln selbst gebildet, sondern sind besondere Knorpelstreifen, die (wie Zähne eines Kammes) neben einander liegend den kleinen Hautsaum über dem Munde stützen. Bei der Cephaloptera von Herrn Ehrenberg, die ich nur trocken sah und die ein eigenes Genus kopfgeflügelter Rochen mit vorn am Kopfe liegendem Munde bildet, scheint der ganze . Apparat dieser Nügelartigen Knorpel zu fehlen. Cephaloptera Olfersii hat noch einen eige- nen Kopfknorpel, der bei den Myliobates und Rhinoptera fehlt; er geht von der Basis einer Kopfflosse zur andern hinüber, ist 3” breit und 5” hoch, übrigens platt. Diese Knorpelplatte liegt quer oberhalb der Nasenflügelknorpel an der untern Fläche des vordern Schädelendes; ihr vorderer gerader Rand läuft mit dem vordern Rande des Schädels parallel und über- 342 Mürver: Jergleichende Anatomie der Myxinoıden, ragt ihn noch ein wenig. Die äufseren Enden stolsen nicht unmittelbar auf die Wurzel der Schädelflosse, sondern vermittelst eines kleinen abgesonderten Knorpelplättchens. 4. Während des Drucks des Endes dieser Abhandlung sind Mayer’s Analecten für vergleichende Anatomie (Bonn 1835. 4.) erschienen. Es ist darin eine Beschreibung und Abbildung des Skelets von Petromyzon marinus, und auch die Beschreibung und Abbil- dung der Muskeln der Zunge und des Zungenbeins gegeben. Da es zu spät war, im Text dies anzuführen, so erwähne ich es nachträglich hier. Die Deutung derjenigen Skelettheile, die ich zur Vergleichung mit den Myxinoiden beleuchtet habe, ist von der meinigen sehr abweichend. Die Beschreibung der Muskeln ist ausführlicher als die von Rathke gegebene, obgleich in den meisten Puncten bestätigend. — a nn na u.a der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 313 Erklärung der Abbildungen. abe" Die oberflächlichen Muskelschichten des Bdellostoma heterotrema in natürlicher Gröfse. a Nasenöfrnung. bbbb die 4 Tentakeln jeder Seite. c der unpaare Gaumenzahn. ddd die Öffnungen der Schleimsäcke. eee die durch Wegnahme des schiefen Bauchmuskels blofs gelegten Schleimsäcke. Sie sind vom schiefen Bauchmuskel bedeckt; bei Myxine verläuft dieser hinter ihnen. ff die 6 Kiemenlöcher der linken Seite. g die siebente Öffnung, gemeinschaftlich für den siebenten Kiemengang und den Gang der Speiseröhre. h After. A schiefer Bauchmuskel der linken Seite, von der Oberfläche des grofsen Seitenmuskels D entspringend. B schiefer Bauchmuskel der rechten Seite. AB Zusammenstofsen des hintern Theils der schiefen Bauchmuskeln in der Mittellinie. 4’ Theil des schiefen Bauchmuskels der linken Seite, der von dem kreuzenden Theil 3’ des rechten schiefen Bauchmuskels bedeckt wird. 4A” Theil des schiefen Bauchmuskels der linken Seite, der aus der Kreuzung kömmt und nun auf der rechten Seite sich auf dem schiefen Bauchmuskel 2 inserirt. B’ zurückgeschlagener abgelöster Theil des rechten schiefen Bauchmuskels B, der auf die ent- gegengesetzte Seite übergesetzt hat. Man sieht den bedeckten Theil 4’ des linken schie- fen Bauchmuskels 4. B” Theil des schiefen Bauchmuskels der rechten Seite 3, der nach der Kreuzung auf die linke Seite übergesetzt hat und sich auf dem schiefen Bauchmuskel 4 inserirt. D Seitenmuskeln und Zigamenta intermuscularia. E Rückenmuskeln. F Gerader Bauchmuskel von den schiefen Bauchmuskeln bedeckt. Tab. II. Fig.1. Ansicht der innern obern Fläche des Mundes von Myzxine. a Schlund. b Umschlag der obern Wand der Mundschleimhaut in die Nasenschleimhaut. c Schlundsegel. d Befestigungsfalte des Schlundsegels an die obere Schlundwand. Phys.- mathemat. Abhandl. 1834. Rr 314 Mützen: Jergleichende Anatomie der Myxinoiden, Fig.2. Dieselbe Ansicht. Die obere Wand der Mundschleimhaut ist aufgeschnitten, dafs man den Umschlag in die Nasenschleimhaut an den Schnitträndern sieht. Die Borste zeigt die Direction des Nasengaumenganges an. a Schlund. b obere Wand der Mundschleimhaut, aufgeschnitten. b’ untere Wand des Nasengaumenganges, woran die Gaumenplatte fest anliegt. c Schlundsegel. d Befestigungsfalte des Schlundsegels an die obere Schlundwand. Fig.3. Dieselbe Ansicht. Der Schnitt ist auch durch die untere Wand des Nasengaumenganges fortgesetzt. Bezeichnung dieselbe. Fig.4. Ansicht der innern obern Fläche des Mundes von Bdellostoma hexatrema. Bezeichnung abcd wie in Fig.1-% ist der grofse Muskelapparat der Zunge. Bei i sicht man den Übergang der Mundschleimhaut zur Zunge und die Fortsetzung der Schleimhaut vom hin- tern Umfang der Zunge in die untere aufgeschnittene Wand des Schlundes. Die Borste bezeichnet den Nasengaumengang. Fig.5. Dieselbe Ansicht. Der erste Umschlag der Mundschleimhaut ist aufgeschnitten. a Schlund von unten, aufgeschnilten. b obere Wand des Mundes durch einen Schnitt getheilt. b’ obere Hälfte der Falte, eingeschnitten. ce Schlundsegel. d Anheftungsfalte desselben an die obere Schlundwand. e zweite Falte, die eigentliche der Nasengaumenöffnung, mit ihren Seitenschenkeln f, ‘welche in die Haut des Schlundsegels übergehen. Die Borste g zeigt die Direction des Nasen- gaumenganges an. h,i wie in Fig.4. Fig.6. Ansicht in den Schlund der Myaine von unten. Das Schlundsegel ist nach der Seite umgelegt. b Umschlag der obern Wand des Mundes in den Nasengaumengang, den die Borste anzeigt. e Schlundsegel nach der Seite umgelegt, um die blinde Seitenvertiefung k unter dem Schlund- segel und die Anheftung der obern Fläche des Schlundsegels an die obere Schlundwand durch die Falte d zu schen. Fig. 7. Senkrechter Durchschnitt der Myzxine in der Gegend der Mitte des Schlundsegels. a Haut. b Seiten- und Rückenmuskeln. c Gallertsäule. d Rückenmark. e Fettzellgewebe im obern Theil des Rückenmarksrohrs. SF Kopfmuskeln. g Schleimsäcke. h Zungenbeinmuskeln. Ü knorpeliger Kiel des Zungenbeins. k Höhlung des Kiels. ! Sehne des Längenmuskels der Zunge. m häutige Decke über dein Kiel des Zungenbeins. n Haut des Rachens. o Schlundsegel. Fig.8. Schiefer Durchschnitt der Myxine in der Gegend der Gehirncapsel von oben nach unten und vorn. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 315 a Haut. b Seitenmuskeln. c knorpelige Basis cranii, in der Mitte getheilt. c’ knorpelige Gehörcapseln d medulla oblongata. e Durchschnitt der Gaumenleisten. f Muskeln. h Muskeln. ? Durchschnitt des Zungenbeins. k Mundschleimhaut. ! Zahnkeim der Zungenzähne. p Nasengaumengang. Fig.9. Durchschnitt der Myxine durch das Gchirn. a Haut. b Muskeln des Kopfes. c Gehirncapsel. d Gehirn. c Gaumenleisten. f Muskeln. Rh Muskeln. ii knorpelige Zungenbeinstücke. 2 fibröse Haut, die Grundlage der Mundhöhle; an ihr liegt m die Schleimhaut an. rn Mundhöhle. o Sehnen der Vorwärtszieher der Zunge, die über das vordere Ende des Zungenbeins in den Mund treten. p Nasengaumengang. Fig. 10. Schiefer Durchschnitt der Myxine durch das vordere Ende der Nase nach unten und vorn. a Haut. e Gaumenleisten. F Muskeln. i vordere Enden des Zungenbeins. r obere Wand der Mundschleimhaut. p Nase mit den Falten der Schleimhaut. Fig.11. Durchschnitt der Mywine durch die Mitte des grofsen muskulösen Zungenapparates. a Haut. b Seiten- und Rückenmuskeln. c Gallertsäule in ihrer Haut. c’ fibröse äufsere Haut der Gallertsäule und zugleich Haut des Rückenmarksrohrs. d Rückenmark. e Fettzellgewebe im obern Theile des Rückenmarksrohrs. f Muskeln. g Schleimsäcke. h gerader Bauchmuskel. ö muskulöse Capsel des Längsmuskels der Zunge. 7 Durchschnitt des Längsmuskels der Zunge. 316 Müruer: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, m Speiseröhre. Fig. 12. Durchschnitt der My:wine durch den vordern Theil des grofsen muskulösen Zungenapparates. Haut. b Rückenmuskeln und Seitenmuskeln. c Gallertsäule des Rückgraths mit ihrer Scheide und der gemeinschaftlichen äufsern Haut der Gallertsäule und des Rückenmarksrohrs. d Rückenmark. e Feitzellgewebe über dem Rückenmark. R Tab. II. Osteologie des Bdellostoma heterotrema (Fig. 1-7.) und der Myxine glutinosa (Fig.8.9.). Fig. Fig. 1. Schädel von Bdellostoma heterotrema von oben. 2. Gaumenplatte, Gaumenleisten, Schnautzenstütze und Schlundkorb, Skelet des Schlundse- gels; die Gaumenleisten mit der knöchernen Basis cranii zusammenhängend; die Hirn- capsel ist weggenommen. .3. Dieselben Theile; auch die knöcherne Basis cranii ist weggenommen. .4. Schädel von unten. Man sieht die knöcherne und häutige Basis cranii, die Gaumenplatte, die Gaumenleisten, den Schlundkorb, das Skelet des Schlundsegels, die Schnautzenstütze. .5. Dieselben Theile mit einigen Muskeln und den Knorpeln der Mundtbkeile. 6. Ansicht des Schädels und Zungenbeins von der Seite. Die Bezeichnung der Fig. 1-6. ist dieselbe. A Gallertsäule (Fig.2.4.5.6.). x (Fig.4.) Knorpelplättichen am Anfang der untern Fläche der äufsern Scheide der Gallertsäule hinter der Basis cranii. B Rückenmarksrohr (Fig. 1. 6.). C Gehirncapsel (Fig. 1. 6.). D kwöcherne Basis eranii (Fig. 2. 4.5.). E Flügelfortsätze der knöchernen Basis cranii, die Träger der Gaumenleisten (Fig. 2.4.). F Gehörcapseln (Fig. 1.2.4.5. 6.). G Nasencapsel (Fig. 1.4. 6.). H Nasenrohr (Fig.1. 6.). T Gaumenleisten (Fig. 1-6.). K Verbindung des Schlundkorbes mit der Gehörcapsel. L Unterer Fortsatz der Gaumenleiste zum Schlundkorb. M Verbindung der beiden Fortsätze X und Z zum Schlundkorb. N Oberer Fortsatz des Schlundkorbes. O Unterer Fortsatz des Schlundkorbes. no hintere Endfortsätze, aus der Verbindung der beiden Fortsätze N und O hervorgehend. P gvofses Horn des Zungenbeins, verbindet das Ende der zweiten Reihe der Knochenstücke des Zungenbeins mit dem obern Fortsatze des Schlundkorbes N. p (Fig. 6.) kleines Horn des Zungenbeins, an derselben Stelle des Zungenbeins ausgehend, am Schlund befestigt. Q Hauptstück des Schlundsegels, an der innern Fläche des Schlundkorbes befestigt. In Fig. 7. besonders abgebildet. q spitzes Ende dieses Stückes, im Ende des Seitenrandes des Schlundsegels liegend. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 317 R Mittelriemen des Schlundsegels, welcher die beiden Hauptstücke Q verbindet. $ Hintere Fortsätze des Mittelriemens R des Schlundsegels. T vordere, paarige, aufsteigende Fortsätze des Mittelriemens R; sie theilen sich Tförmig in einen hintern und vordern Arm, die in der obern Schlundwand liegen. t hinterer, unpaariger, aufsteigender Fortsatz des Mittelriemens R vom Schlundsegel; er liegt in der mittlern Falte, welche die obere Fläche des Schlundsegels an die obere Schlund- wand befestigt. U Gaumenplatte. *** fibröse Haut zwischen den Gaumenleisten und der Gaumenplatte. Y knöcherne Stütze der Schnautze, liegt unter dem Nasenrohr. IV vordere Reihe der Zungenbein - Knochenstücke. X hintere Reihe der Zungenbein - Knochenstücke. Y koorpeliger Kiel des Zungenbeins. Z Zunge. 3 Sehne des grofsen Längszungenmuskels, aus der Höhle des knorpeligen Kiels Y hervorge- schoben. 1.2.3.4. durchbrochene Stellen beim Übergang der Gaumenleisten in den Schlundkorb und im Schlundkorb, von Membran geschlossen. erste Lücke an der Wurzel der Gaumenleisten. zweite Lücke im Anfang des Schlundkorbes. dritte gröfßste Lücke zwischen den Fortsätzen MNO des Schlundkorbes. . kleine Lücke zwischen Schlundkorb und Gehörcapsel. «ßyden Mundknorpel. « Querknorpel am vordern Ende der knöchernen Stütze Y der Schnautze; läuft in den Knorpel des zweiten Tentakels «' aus. ß Knorpelfortsatz am vordern Ende der Gaumenleiste; hängt mit dem Knorpel des ersten Tentakels e und dem Knorpel y (Fig. 6.) zusammen. y Knorpelfortsatz an der vordern Kante des Zungenbeins; hängt mit dem Knorpel des ersten Tentakels e und dem Knorpel des dritten Tentakels $ und mit & zusammen. ® Knorpel des dritten Tentakels; hängt mit ß, e und y zusammen. e Knorpel des ersten oder obersten Tentakels; ist in Fig.6. etwas herabgezogen, um die oberen Theile nicht zu decken. n Knorpelplatte des vierten Tentakels (Fig.6.); hängt blofs mit einem Bandfortsatz »’ mit dem vordern Ende des Zungenbeins zusammen. Sund‘% Muskeln (Fig.1.5.6.). 3 Muskel zwischen dem Seitenrand der Gaumenplatte U und der Apophyse x des Haupt- knorpels des Schlundsegels Q und dem Anfang des Knorpels Q. % Muskel zwischen dem Kopfe vom Seitenarm des Schlundsegels Q und dem vorden Ast des aufsteigenden Fortsatzes 7’ des Mittelriemens vom Schlundsegel (Fig. 1.5.6.). Er zieht das Schlundsegel vorwärts. Der vorige und dieser Muskel verschliefsen das Na- sengaumenloch, indem beide Muskeln das Schlundsegel vorwärts ziehen, der Muskel $ auch die Gaumenplatte gegen die Basis cranii erhebt. Fig.7. Seitenknorpel des Schlundsegels. x Apophyse zur Verbindung mit der innern Fläche des Schlundkorbes an der innern Fläche von M (Fig.2.3.4.6.). y Apophysis muscularis. 7 Körper mit hinterm spitzem Ende, im Seitenrande des Schlundsegels. 318 Müuuer: Vergleichende dnatomie der Myxinoiden > Fig.8. Schädel von Myzine glutinosa von unten (ohne Gaumenplatte). Man sieht die Spitze der Gallertsäule zwischen die beiden Theile der knorpeligen Basis treten. Fig.9. Schädel von Myxine glutinosa von oben. Hirncapsel aufgeschnitten. Man sieht die in- nere Fläche der Gehörcapseln und die in der Mitte halbirte knorpelige Basis. Fig.10. Gaumenzahn von Bdellostoma heterotrema. Tab. IV. Fig. 1-5. Osteologie von Petromyzon marinus. Fig. 6-10. Osteologie von Ammocoetes branchialis. Fig.11. Myxine glutinosa. Fig.1. Senkrechter Längendurchschnitt vom Schädel und der Wirbelsäule des Petromyzon marinus. Fig.2. Seitenansicht vom Schädel und Anfang der Wirbelsäule von Petromyzon marinus. Fig.3. Ansicht von der untern Seite des Schädels von Petromyzon marinus. Fig.4. Schädel des Petromyzon marinus von oben. Die Bezeichnung der Fig. 1-4. ist dieselbe. A innere Scheide der Gallertsäule. B äufsere Scheide des Gallertrohrs, geht in b das Rückenmarksrohr, über. C knorpelige Rudimente der Bogenstücke der Wirbel. D Koorpelstreifen in der äufsern fibrösen Scheide des Gallertrohrs verborgen; hängt mit dem hintern Seitenrand des Schädels zusammen. Von diesem Streifen gehen die Knorpel ddd aus, welche den Anfang des Knorpelkorbes der Kiemen bezeichnen. E Schädelgewölbe, knorpelige Seitenwand. e hinterer knorpeliger Theil der obern Wand des Schädelgewölbes. e vorderer fibröskäutiger Theil der obern Wand des Schädelgewölbes. e’ vorderer häutiger Theil der Schädelbasis. e” vordere häutige Wand des Schädels, welche an die Nasencapsel stöfst, F hinterer knorpeliger Theil der Basis cranii. f Fortsatz von 7 nach rückwärts an die untere Wand der äufsern fibrösen Haut der Gal- lertsäule. G Gehörcapsel. H knöcherner Gaumen. h Verbindung mit der hintern Deckplatte des Mundes L. h’ Nasengaumenöffnung. I Fortsatz des knöchernen Gaumens, der sich mit dem Fortsatz der Schädelbasis 2 zu einem halbringartigen Schirm verbindet. i’ absteigender Fortsatz der Schädelbasis. i” Knorpelplatte, am Fortsatz i’ befestigt; dient zur Befestigung der Zungenmuskeln. K knorpelige Nasencapsel. k Nasenrohr. k’ Riechfalten der Schleimhaut der Nasencapsel. k" Nasengaumengang. k” blindes Eude des Nasengaumenganges zwischen Wirbelsäule und Schlund. L hintere Deckplatte des Mundes. M hintere Seitenleisten des Mundes. N vordere Deckplatte des Mundes. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 319 O vordere Seitenleisten des Mundes, von Anderen zum Zungenbein gerechnet. P knorpeliger Lippenring. Q stielförmiger Anhang des Lippenringes. R Zungenbein. S knorpeliger Stiel der Zunge. xxx häutige Verbindungen der knorpeligen Theile. 1.2.3.4.5.6.7.8. Öffnungen der Seitenwand des Schädels. 1. vordere kleinere Öffnung in der Seitenwand des Gaumens. 2. hintere gröfsere Öffnung in der Seitenwand des Gaumens für eine Arterie. 3. foramen opticum. 4. Öffnung für einen Augenmuskelneryen. 5. Öffnung für den nervus trigeminus. 6. Öffnung unter der Gehörcapsel, nach Born für den rervus communicans faciei. 7. Eingang in die Gehörcapsel auf der innern Fläche des Schädels. ® Öffnung dicht darüber für eine Schlagader. Fig.5. Nasencapsel des Petromyzon marinus von der hintern Fläche, mit der Öflnung für die Riechnerven. Fig.6-10. Osteologie von Ammocoetes branchialis. ! Fig.6. Schädel des A4mmocoetes branchialis von oben. Fig. 7. Schädel desselben von unten. Fig.8. Derselbe, aufgeschnitten, von oben angesehen. Die Gaumenleisten scheinen durch die Basıs der Gehirncapsel durch. Fig.9. Derselbe von der Seite. Fig. 10. Senkrechter Längendurchschnitt desselben. Bezeichnung in Fig.6-10. gleichbedeutend. 4 innere Scheide des Gallertsäule. a Gallerte. a spitzes Ende der Gallertsäule bis fast zur Mitte der Basis cranıi. B Rückenmarksrohr. b Gehirncapsel, b’ häutige Basis der Gehirncapsel. C Gehörcapsel. D Gaumenleisten. d knorpelige Basis eranii; nimmt die Spitze der Gallertsäule zwischen die paarigen Stücke auf. d’ vordere Commissur der Gaumenleisten unter der Nasencapsel. E Gaumenplatte, überall an die Gaumenleisten D angewachsen. F Nasencapsel. / Nasenöffuung. f” häutiger Nasengaumengang zwischen der häutigen Basis cranii und der Commissur der Gaumenleisten d’, ferner zwischen der häutigen Basis ceraniı und der Gaumenplatte, blind geendigt. G Weiche Lippe. Fig. 11. Durchschnitt des Kopfes der Myxine glutinosa. 4 innere Scheide der Gallertsäule, endigt spitz bei @ in der knorpeligen Basis eranüi a’. B äufsere Scheide des Gallertsaule; setzt sich fort in 5b das Rückenmarksrohr. © Gehirncapsel. D Nasencapsel und Riechfalten der Schleimhaut. 3 ip} 0 Müurer: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, E Nasenrohr. F Nasengaumengang. G Nasengaumenöflnung. H Schlundsegel. T Schleimhaut des Schlundes. K Gaumenplatte, mit der untern Wand des Nasengaumenganges verwachsen. L Durchschnitt der Commissur der Gaumenleisten. M knorpelige Stütze der Schnautze. N obere Wand der Schleimhaut des Mundes. O fibröses Band zur Anheftung der Keimplatte des Gaumenzahns an das hintere Ende der knöchernen Schnautzenstütze M und an die Commissur der Gaumenleisten Z. O0’ Keimplatte des Gaumenzahns. 0” zahnfleischartige Falte der Mundschleimhaut um den Gaumenzahn. P Zunge und Zungenzäbne. Tab. V. Fig.1.2. Osteologie der Chimaeren. Fig. 3. 4. Kiefer-, Gaumen- und Lippenknorpel der Narcine brasiliensis (Torpedo brastiliensis). Fig.5.6. Kieferknorpel von Squatina laevis. Fig.7. Osteologie von Planirostra edentula. Fig.1. Vorderes Ende der Wirbelsäule von Chimaera monstrosa. a Gallertsäule mit der Scheide. b Rudimente von Wirbelkörperstücken. c Bogenstücke, carlilagines crurales. d cartilagines intercrurales. e Deckplatten. f Verwachsung der vordersten Theile des Rückgraths zu einem Knorpelstück mit den Öfl- nungen für die Wurzeln der Spinalnerven. g Gelenkfläche für die Articulation des Schädels. Fig.2. Schädel der Chimaera antarclica (Callorhynchus antarcticus). A apophysis articularis. B apophysis palato- maxillaris. C Unterkiefer. D Nasencapsel, mit dem Schädel verwachsen. a unterer unpaarer Lippenknorpel. bc unterer und oberer Seitenknorpel des Mundes. d Träger der Lippenknorpel und der Nasenflügelknorpel e und f. ist unter der Nase am Kieferstück des Schädels befestigt, gekrümmt, und hat eine kolbige Apophyse zur Ver- bindung mit dem obern Lippenknorpel c und dem äufsern e und innern Nasenflügel- knorpel /, verbindet sich auch mit dem Schnautzenknorpel %. e äufserer Nasenflügelknorpel, ist die Stütze einer häutigen äufsern Nasenklappe. f innerer Nasenflügelknorpel, besteht aus einem gröfsern halbmondförmigen Knorpel / mit nach vorn gerichtetem convexem Rande und einem kleinern halbmondförmigen Knorpel f'; zwischen f’ und f ist der Eingang der Nase, der von aufsen von der Klappe e zu- gedeckt wird. f hängt oben häutig mit d und A zusammen, unten ist / an das vor- dere Ende des Kieferknorpels angeheftet. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 321 g ist ein halbringförmiges Verbindungsstück zwischen A und f. Ah’ der untere Schnautzenknorpel der einen Seite mit seinen beiden Wurzeln A und A‘. h sitzt auf d beweglich auf mit dickem Ende und hängt häutig auch mit f zusammen; bei A” hört dieser Knorpel auf und heftet sich schnig an A’. A’ entspringt von der in- nern Seite der Nasencapsel. i oberer unpaarer Schnautzenknorpel; sitzt zwischen und über beiden Nasencapseln am Schädel fest. Es ist ein durch Bandmasse befestigter Knorpel, kein blofser Fortsatz. k unteres Seitenstück des Zungenbeins, an der apophysis articularis des Schädels und am Unterkiefer häutig befestigt; ist mit dem der andern Seite durch ein kleines Querstück- chen verbunden. 2 Mittelstück des Zungenbeinhorns, durch fibröse Haut am Schädel befestigt. m oberes Stück des Zungenbeins, an der Basis cranii durch fibröse Haut befestigt. rn Kiemendeckelplatte, mit den davon ausgehenden 4 Strahlen, an das untere Zungenbeinstück und dessen Verbindung mit dem zweiten angeheftet. nr’ Kiemendeckelstrahlen, am untersten Zungenbeinstück angeheftet, am Anfang verwachsen ; einige haben keinen Zusammenhang mit der Wurzel. Die erste halbe Kieme ist inwen- dig an die Kiemendeckelstrahlen oder Kiemenhautstrahlen angeheftet. 0000 die Hauptstücke der 4 Kiemenbogen. Die 3 ersten tragen Knorpelstrahlen ». Diese Kiemenbogenstücke sind die zweiten, von unten gerechnet. Die untersten kann man in der Abbildung nicht sehen. 0’ os pharyngeum. ppp das dritte Stück der 3 ersten Kiemenbogen, von unten gerechnet. Das entsprechende Stück des vierten Kiemenbogens fehlt. 999g die oberen Stücke der 3 ersten Kiemenbogen. Das entsprechende Stück am vierten Kiemenbogen fehlt. Diese Kiemenbogenstücke sind durch Haut an den Anfang der Wir- belsäule angeheftet. rr knorpelige Kiemenstützen; blofs an den drei ersten Kiemenbogen, und zwar blofs am Stück o. s plattes, hinten zugespitztes, letztes Mittelstück zwischen den Kiemenbogen beider Seiten. Über die vorderen hier nicht sichtbaren Mittelstücke siehe die Abhandlung. Fig.3. 4. Kiefer-, Gaumen- und Lippenknorpel der Narecine brasiliensis (Torpedo brasiliensis). Fig.3. von oben, Fig.4. von der Seite. a Suspensorium der Kieferknorpel. Quadratknorpel. b Unterkieferknorpel. c Öberkieferknorpel. d cartilago pterygoidea, in der vordern Wand des Spritzlochs. e Gaumenknorpel. J/ Obere Lippenknorpel. g Untere Lippenknorpel. Fig.5.6. Kiefer- und Lippenknorpel der Squatina laevis. Fig.5. von der Seite, Fig. 6. von vorn. a Oberkieferknorpel. db Uniterkieferknorpel. ec äufserer oberer Lippenknorpel. d unterer Lippenknorpel. e innerer oberer Lippenknorpel. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Ss 322 Müruen: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, Fig.7. Kiefergerüst der Planirostra edentula. a äufsere Knochenplatte des Oberkieferapparates. Oberkiefer und Zwischenkiefer. a’ knorpeliges Ende derselben an der Articulation, apophysis articularis. 5 mittlere Knorpelplatte des Oberkieferapparates, cartilago pterygoidea (?). c hintere Knochenplatte des Oberkieferapparates, os palatinum? d oberes knöchernes Stück des Quadratbeins. d' knorpelige obere Apophyse zur Verbindung mit dem Schädel. e knorpeliges Mittelstück des Quadratbeins, woran der knöcherne Kiemendeckel e’. f unteres knorpeliges Stück, das sich mit dem Ober- und Unterkieferapparat verbindet. g knöchernes Stück des Unterkiefers. g’ knorpeliges Ende desselben an der Articulation, apophysis articularis cartilaginea. h hinteres knorpeliges Stück des Zungenbeinhorns mit dem untersten Knorpel des Quadrat- beins verbunden, woran die knöcherne Platte der verwachsenen Kiemenhautstrahlen ?. i mittleres knöchernes Stück des Zungenbeinhorns. k vorderes knorpeliges Stück des Zungenbeinhorns. Tab. VI. Fig.1. Oberflächliche Muskeln des Vordertheils des Körpers von Bdellostoma heterotrema. a Nasenrohr. bbb die 3 längeren Tentakeln. c das kurze vierte Tentakel. A schiefer linker Bauchmuskel, unter 2” fortlaufend. B” schiefer vechter Bauchmuskel nach der Kreuzung. D Seitenmuskel. d und d’ die vorderen Enden des grofsen Seitenmuskels; d am Knorpelfortsatz des vordern Endes des Zungenbeins und am Knorpel des untersten Tentakels befestigt, d’ an der obern Fläche der Gaumenleisten befestigt und mit d’ der andern Seite durch eine Apo- neurose zusammenhänhängend. L Heber des Zungenbeins. Entspringt von der untern Fläche des vordern Stückes des Zun- genbeins in der Mittellinie, inserirt sich an dem Knorpelfortsatz des vordern Endes der Gaumenleiste. M vorderer Vorzieher des Zungenbeins. Entspringt vom Seitenrand der zweiten Reihe der Zungenbein-Knochenstücke und vom grofsen Horn, inserirt sich am vordersten Theile der Gaumenleiste. P Zurückzieher des Zungenbeins. Entspringt vom Seitenrand des vordern Stücks des Zun- genbeins, inserirt sich am Seitenrand der Gaumenleiste von der Gegend des Auges an bis zum Ende des herabsteigenden Schlundkorbes. Q Zurückzieher der äufsern Nase. Entspringt an der Gaumenleiste vor dem Auge und geht zur Seite des ersten Knorpels des Nasenrohrs am äufsern Ende des jochförmigen Mund- knorpels. R Zurückzieher der Tentakeln. Entspringt von der Gaumenleiste vor dem Auge, inserirt sich mit einer Portion an dem Knorpel des ersten und zweiten Tentakels, mit der zwei- ten Portion an dem des dritten Tentakels. $ Zurückzieher der Schnautzenstütze. Entspringt von der Gaumenleiste vor dem Auge, in- serirt sich an den Seitenrand der knöchernen Schnautzenstütze. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 323 Fig.2. Oberflächliche Kopfmuskeln von Zdellostoma heterotrema. x Knorpelringe des Nasenrohrs. D Seiten- und Rückenmuskeln. d und d’ vordere Enden derselben, d am Knorpel des untersten Tentakels und am Knorpel- fortsatz des vordern Zungenbeinendes, d’ an der obern Fläche der Gaumenleiste hinter dem Auge befestigt und mit d’ der andern Seite durch eine Aponeurose verbunden. L Heber des Zungenbeins (vergl. Erklär. Fig. 2.). M vorderer Vorzieher des Zungenbeins (vergl. Erklär. Fig. 2.). P Zurückzieher des Zungenbeins (vergl. Erkl. Fig. 2.). @ Zurückzieher der Schnautze (vergl. Erklär. Fig. 2.). R Zurückzieher der Tentakeln (vergl. Erklär. Fig. 2.) $ Zurückzieher der knöchernen Schnautzenstütze (vergl. Erklär. Fig. 2.). Fig.3. Zungenbeinmuskeln und zweite Schichte der Bauchmuskeln des Bdellostoma heterotrema von unten. Die oberflächliche Schichte der Bauchmuskeln, bestehend aus den kreuzenden schiefen Bauch- muskeln, ist zur Seite geschlagen. AB Innere Ansicht vom Verlauf der schiefen Bauchmuskeln bis zur Kreuzung. 4'B' äufsere Ansicht der gekreuzten Theile der schiefen Bauchmuskeln 4 und 2. © Innere Ansicht der grofsen Seitenmuskeln mit den Zigamenta intermuscularia. F gerade Bauchmuskeln mit den ligamenta intermuscularia, am knorpeligen Theil des Zun- genbeins. befestigt. GH der zweite oder innere Vorzieher der Zunge. GG äufserer rechter und linker Kopf, entspringt an der Seite der Mittellinie des Zungenbeinknorpels; 4 die verwachsenen mittleren Köpfe, entspringen ebendaselbst vor den äufseren Köpfen. Zwischen beiden Köpfen G und 4 geht die Sehne des langen geraden Bauchmuskels # durch zum knor- peligen Theil des Zungenbeins. I der erste Vorzieher der Zunge. Entspringt vom hintern, zugespitzten, knorpeligen Theil des Zungenbeins. T’ gemeinschaftliche Schne des rechten und linken Muskels; bedeckt die gemeinschaftliche Sehne des zweiten linken und rechten Vorziehers der Zunge. L Heber des Zungenbeins. Entspringt von der unten Fläche des vordern Knochenstückes des Zungenbeins in der Mittellinie, inserirt sich an dem Knorpelfortsatz des vordern Endes der Gaumenleiste. M vorderer Vorzieher des Zungenbeins. Entspringt vom Seitenrand der zweiten Reihe der Zungenbeinknochenstücke und vom grofsen Horn, inserirt sich am vordersten Theile der Gaumenleiste. N hinterer Vorzieher des Zungenbeins. Entspringt vom Seitenrand des knorpeligen Kiels des Zungenbeins, inserirt sich am Seitenrand der Gaumenleiste. O constrictor pharyngis. Entspringt vom grofsen Zungenbeinhorn, von der Seite des Zun- genbeinknorpels und vom vordern Ende des grofsen Muskelkörpers der Zunge, inserirt sich an der innern Fläche der innern Fascie der Seitenmuskeln neben der Wirbelsäule. Fig.4. Zungenbein des Bdellostoma heterotrema von unten angesehen, in natürlicher Gröfse. WW’ vordere Reihe der knöchernen Stücke. / äufseres, /Y’ inneres Stück, s Knorpel- fortsatz von HF. XX hintere Reihe der knöchernen Stücke. P grofses Horn, Fortsatz von X. 324 Müruer: Vergleichende dnatomie der Myxinoiden, p kleines Horn, Fortsatz von X. F knorpeliger Theil des Zungenbeins. Fig.5. Zungenbein von oben, mit dem Anfang der grofsen hohlen Muskelmasse, die den Zurück- zieher der Zunge einschliefst. W vordere Reihe der knöchernen Stücke. X hintere Reihe der knöchernen Stücke. P grofses Horn. p kleines Horn. Y Anfang des grofsen Muskelkörpers, an dem knorpeligen hintersten Stück des Zungen- beins F (Fig.4.) befestigt. a sehnenhäutiger doppelter Vorsprung auf der innern Flache des Zungenbeins, mit mittlerer Rinne zur Aufnahme der langen Sehne der Zunge. b Zusammenflufs dieser beiden sehnenhäutigen Vorsprünge in eine häutige Decke c, welche über den Kiel des knorpeligen Theils des Zungenbeins gespannt ist und ihn zu einem Kanal für die Sehne der Zunge macht. Nach hinten geht diese häutige Decke in die grolse Muskelmasse des Zungenapparates über. Tab..Vll. Fig.1. Vorderer Theil des Körpers des Bdellostoma heterotrema. Die schiefen Bauchmuskeln 4 sind vom Rumpf linker Seits abgelöst und nach unten geschlagen, die Seitenmuskeln D nach aufwärts geschlagen. Die Kiemenpleuren BB sind aufgeschnitten, so dafs man die Kiemen und Kiemengänge sieht; die Bauchhöhle ist aufgeschnitten und man sieht den obern Theil der Leber und des Darmes. % zweiter knöcherner Theil des Zungenbeins. $ knorpeliger Theil des Zungenbeins. v oberer Knorpelriemen des Schlundkorbes, N Tab. III. r grofses Zungenbeinhorn, P Tab. II. AB schiefer Bauchmuskel. A’ Schleimsäcke. C vorderes Ende des Seitenmuskels der rechten Seite. D Seitenmuskel und Rückenmuskel der linken Seite. F gerader Bauchmuskel. GH die beiden Köpfe des innern Vorziehers der Zunge. I äufserer Vorzieher der Zunge. T' Sehne desselben. L Zungenbeinheber. M erster Vorzieher des Zungenbeins. N zweiter Vorzieher des Zuugenbeins. O erster Constrictor des Schlundes. 0'’0” zweiter Constrictor des Schlundes. O0” dritter Constrictor des Schlundes. P der Zurückzieher des Zungenbeins. R der Zurückzieher der Tentakeln. 44 der grofse Zungenmuskel. BB die Pleuren der Kiemen, aufgeschnitten. (s11 der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 32 a Speiseröhre. a’ cardia, von dem Constrictor der cardia bedeckt. a” Magen und Darm. DD’ oberster zellenförmiger Theil der Bauchhöhle, Herzbeutel (?), der mit der grofsen Bauch- höhle unter dem rechten Leberlappen % zusammenhängt. In diese Abtheilung der Bauch- höhle ragt die untere Wand der cardia a’, die hintere Wand des ductus oesophago- cutaneus f und das Herz gg’ (g Kammer, g’ Vorhof‘). DD Bauchhöble. DD, DD' Duplicatur des Peritoneums, welche die obere Zelle der Bauchhöhle von der gro- {sen Bauchhöhle absondert; sie ist unter der rechten Leber durchbrochen. c äufsere Kiemengänge. d Kiemen. e innere Kiemengänge. F ductus oesophago-cutaneus. h rechte Leber. h’ linke Leber x Drüse neben der cardia. 4 vena jugularis sinistra, verbindet sich mit der Hohlvene 5 vor dem Eintritt in den Vor- hof g”. 4’ äufserer Ast derselben. 4” innerer Ast derselben. 4” Äste des Stammes zum grofsen Zungenmuskel. 4”” Äste des Stammes zur Speiseröhre. 5 Hohlvene. 6 Stamm der Lebervenen. 6’ Lebervene des grofsen Leberlappens, verzweigt sich auf der convexen und concaven Seite desselben. 6” Lebervene des kleinen Leberlappens, verzweigt sich auf der concaven Seite desselben. 7 nervus vagus. 7’ Schlundast zu den Constrictoren des Schlundes. 7” Kiemenäste. 7” Darmast. Fig.2. Athmungsapparat des Bdellostoma heterotrema und Constrictor desselben. D Rückenmuskeln. E Unterfläche des Rückgraths, wo die äufsere fibröse Hülle der Gallertsäule sichtbar ist. 4A Hinteres Ende des grofsen Zungenmuskels. DD Theil des Peritoneums, wo es die obere Bauchhöhlenzelle bildet, in welche das Herz gg’ und der ductus oesophago- cutaneus hineinragt. a Speiseröhre. a' cardia. a” Magen. c äufsere Kiemengänge. d Kiemen. e innere Kiemengänge und ihre Sphincteren. F ductus oesophago-cutaneus, an dessen äufserm Ende der Knorpel x liegt (vergl. Fig. 5.). g Herzkammer. 3 [7 6 Mürrenr: Jergleichende Anatomie der Mysinoiden, g' Vorhof. g” bulbus aortae. aßydeönS$x% Constrictor der Athemorgane. « erste Schleife, welche vor der ersten Kieme weggeht und sich an das hintere Ende des grofsen Zungenmuskels 44 anheftet. ß zweite Schleife, welche an der zweiten und dritten Kieme herabsteigt und sich an die äufsere Bauchwand beim Ende des ersten äufsern Kiemenganges anheftet. y dritte Schleife, 3 vierte Schleife, e fünfte Schleife, von gleichem Verlauf und Befestigung. & sechste Schleife, zwischen der sechsten und siebenten Kieme. n siebente Schleife, zwischen der siebenten Kieme und dem ductus oesophago - cutaneus f herabsteigend. Die beiden letzten Schleifen heften sich nicht an der äufsern Bauchwand fest, sondern umgehen den sechsten und siebenten äufsern Kiemengang und laufen un- ten wieder rückwärts einwärts (vergl. Fig.3 {n) in die untere Wand des Constrictors der cardia. $ Schleife, die sich an den _ductus oesophago - cutaneus anlegt. x Constrictor der cardia. Die Portion x liegt noch über dem Anfang der aorta abdomi- nalis 1”, % liegt schon unter derselben; x umfalst auch das obere Ende des ductus oeso- phago-cutaneus bei der Einsenkung desselben in die Speiseröhre. u schiefe Faserlage, welche von dem aufsteigenden Knorpel des ductus oesophago-cutaneus entspringt und an der hintern Seite des Ganges sich schief aufwärts schlägt und mit dem constrietor cardiae vermischt. 1 aorta thoracica, liegt unter dem Constrictor der Kiemen, zwischen diesem und der Speise- röhre. 1’ arteria vertebralis. 1” aorta abdominalis. 1” arteriae intercostales. Jede theilt sich in einen ramus dorsalis und intercostalis. 2 Kiemenvenen. 2’ Stämme der Kiemenvenen, welche in die aorta thoracica übergehen und sie zusammen- setzen. Es sind 5 auf der linken Seite, indem die Kiemenvenen der zwei ersten Kiemen mehr zur Bildung der carotis beitragen. Auf der rechten Seite geht schon von der zweiten Kieme ein Kiemenvenenstamm zur aorta thoracica. Die Kiemenvenen geben Ästchen zur Speiseröhre. 2” rami communicantes oder Anastomosen zwischen den Kiemenvenen der 4 ersten Kie- men und wieder zwischen den Kiemenvenen der sechsten und siebenten Kieme. 3 arteria carotis sinistra. Entspringt aus den Anastomosen der Kiemenvenen der ersten Kiemen. Fig. 3. Bruststück des Bdellostoma heterotrema, vorn aufgeschnitten, so dafs der Raum, in wel- chem die arteria branchialis und ihre Ramification liegt, oflen ist. AB 4’B’ schiefer Bauchmuskel. 4 linker, A’ Fortsetzung desselben auf der rechten Seite nach der Kreuzung. B rechter, 2’ Fortsetzung desselben auf der linken Seite. BA schiefer Bauchmuskel, Abdominaltheil desselben, wo die Kreuzung aufhört. C Raum, in welchem die arteria branchialis liegt. D grofse Öffnungen in die Pleurensäcke der Kiemen, für den Eintritt der Zweige der ar- teria branchialıs. a Schleimsäcke, durchscheinend. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 3247 c aufsere Kiemengänge. d Kiemen, auf der linken Seite durch Erweiterung der Löcher der Pleuren ganz entblöfst. e innere Kiemengänge. S ductus oesophago- cultaneus. g Herz. i arteria branchialis. @y?3e Enden der Muskelschleifen By3e Fig. 2. &n Fortsetzung der Muskelschleifen Zn Fig.2. Sie gehen in die untere Wand des Constri- ctors der cardia über. x% Constrictor der cardia, Fortsetzung von x% Fig. 2. BP yy ?3 ee 5 gleichnamige Muskelschleifen wie £y3e linker Seite. nn Muskelfascikel, das an der äufsern Bauchwand hinter dem letzten rechten Pleurensack ent- springt und in den constrietor cardiae übergeht. 23 starkes Muskelbündel, das von der untern Wand des constrictor cardiae an der innern Seite des letzten rechten Pleurensackes nach aufwärts in den obern Theil des Constri- ctors der Kiemen geht. Fig.4. Hinteres Stück des Constrictors der Kiemen und der cardia von Bdellostoma hetero- trema. Die Bezeichnung dieselbe wie in Fig.2. 1 aorta thoracica. 1” aorta abdominalis. 1” arteriae intercostales. 2’ Kiemenvenen. v Ringfasern des ductus oesophago- cutaneus. x Knorpel des ductus oesophago -cutaneus. x Sförmiger Schenkel, x’ aufsteigender Schenkel (vergl. die folgende Figur). Fig.5. Knorpel des ductus oesophago- cutaneus. x Sförmiger Schenkel, x’ aufsteigender Schenkel. Fig.6. Athmungsorgane von Myxine glutinosa, von vorn. 4 Seitenwand des Leibes. B Speiseröhre. € Stigma und äufserer gemeinschaftlicher Kiemengang: theilt sich in die 6 äufseren Kie- mengänge c. d Kiemen. e innere Kiemengänge. ıf- ductus oesophago - cutaneus. g Herzkammer. g’ Vorhof. i arteria branchialis. Fig.7. Ansicht der aufgeschnittenen Pleurensäcke von Myxine glutinosa. 4 Speiseröhre. c äufsere Kiemengänge. d’ Pleurensäcke. d Kiemen. e innere Kiemengänge. i arteria branchialıs. Fig.8. Die Pleurensäcke der Myzxine, unaufgeschnitten. Bezeichnung dieselbe wie in Fig. 7. 328 Mürzer: Jergleichende Anatomie der Mysinoiden, ce äufserer Kiemengang. c’ der im Pleurensack eingeschlossene kurze Theil desselben. Fig.9. Seitenansicht des Constrictors der Kiemen und der cardia. 4 hinteres Ende des grofsen Zungenmuskels. B Speiseröhre. C Magen. D Stück der vordern Bauchwand, worin die linke Athemöffnung 2. F Heız. G oberster Theil der Bauchhöhle zwischen Herz, cardia, ductus oesophago-cutaneus. « vorderste Schleife des Constrictors der Kiemen; vermischt sich mit den Fasern des Con- strictors des Schlundes a’. £ zweite Schleife des Constrictors der Kiemen; geht zwischen dem ersten und zweiten Pleu- rensack zur Seite des hintern Endes des grofsen Zungenmuskels. y dritte Schleife des Constrictors der Kiemen; geht zwischen dem zweiten und dritten Pleu- rensack durch und läuft zu der Insertionsstelle x zurück (vergl. Fig. 11 y). d vierte Schleife, e fünfte Schleife; haben denselben Verlauf (vergl. Fig. 11 3e). t Fascikel, welches sich an die äufsere Bauchwand anheftet. n vier pyramidale Fascikel, welche über die hinteren Pleurensäcke herabsteigen und sich in einer Linie vor dem Stigma E in der vordern Bauchwand befestigen. $ Fascikel, welches von dieser Befestigungsstelle abgeht und um den ductus oesophago- cu- taneus gehend sich dem constrictor cardiae beigesellt. x constrictor cardiae. Fig. 10. Dieselben Theile auf der rechten Seite, etwas vergröfsert. 4 Hinteres Ende des grofsen Zungenmuskels. B Speiseröhre. C Anfang des Magens. D'’ gerader Bauchmuskel. D” Reihe der Schleimsäcke, durch den hier sichtbaren schiefen Bauchmuskel durchscheinend. D” Seitenmuskel, nach unten geschlagen. F Herzkammer und Vorkammer. aa vorderste Schleife des Constrietors der Kiemen; vermischt sich mit dem hintern Theil des constrietor pharyngis ad. £P wie ß Fig.9. Die übrigen Schleifen sind hier verdeckt. on äufserer Theil des Constrictors des Kiemenapparates ; geht über die hinteren Pleurensäcke weg und inserirt sich mit 5 Fascikeln an der vordern Bauchwand am Rande des Sei- tenmuskels D. % constrictor cardiae. Entspringt an der vordern Bauchwand nahe der Mittellinie auf der innern Fläche des geraden Bauchmuskels bis zum äufsern Rande desselben. Die Por- tion % geht, mit der entgegengesetzten kreuzend, zur andern Seite der cardia und dann um dieselbe nach oben herum. A% bleibt auf derselben Seite und geht auch nach oben um die cardia herum. Diese Fasern laufen am hintern Theil der cardia oben bogenförmig herum bei C, weiter vorn laufen sie schief durch den obern Theil des Constrietors der Kiemen und steigen auf der entgegengesetzten Seite in die schlei- fenartigen Muskeln vertheilt wieder herab. Fig. 11. Constrictor der Kiemen und der cardia der Myzxine von vorn. Fig. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 329 4 hinteres Ende des grofsen Zungenmuskels. B Kiementheil der Speiseröhre. C Magen. D vordere Bauchwand, in der Mittellinie aufgeschnitten, die Schnittränder auseinander ge- schlagen. d’ gerader Bauchmuskel. d” schiefer Bauchmuskel, sichtbar zwischen dem geraden und Seitenmuskel. d”" Vorderes Stück des Seitenmuskels. ß die zweite Schleife des Constrictors der Kiemen; geht zwischen dem ersten und zweiten Pleurensack durch und befestigt sich an der Seite des hintern Endes des grofsen Zun- genmuskels (vergl. ß Fig.9, £P Fig. 10.). y®e Fortsetzung der Fig.9. unter y3e abgebildeten Schleifen. Man sieht hier die rück- laufenden Schenkel der Bogen, wie sie zwischen den Pleurensäcken zum Vorschein kom- men nnd in die untere Wand des Constrictors der cardi@ übergehen. % Ursprung des constrictor cardiae von der vordern Bauchwand über dem geraden Bauch- muskel. % entspringt links und bleibt auf der linken Seite, ANY entspringt rechts und bleibt auf der rechten Seite. Beide gehen nach oben um die car- dia herum. %’ entspringt links und geht schief rückwärts an der untern Wand der cardia auf die ent- gegengesetzte Seite und dann um die cardia nach aufwärts herum. %%” enlspringt rechts und kreuzt sich mit X”. 2. Dieselben Theile wie in Fig.11. in der Seitenansicht. B Speiseröhre. C cardia. D vordere Bauchwand. x Mittellinie derselben. E Herzkammer mit der Kiemenarterie. c äufsere Kiemengänge, von der Ausmündungsstelle abgeschnitten. d Kiemen. F ductus oesophago-cutaneus, von der Ausmündungsstelle abgeschnitten. A und A% Insertion des constrictor cardiae auf den geraden Bauchmuskeln jederseits. X linker Theil, der auf derselben Seite um die cardia geht. %’ linker Theil, der zu der entgegengesetzten Seite der cardia geht. A% rechter Theil, der auf derselben Seite um die cardia herumgeht. %%” rechter Theil, der zu der entgegengesetzten Seite der cardia geht und sich mit A” an der untern Wand der cardia über der Kiemenarterie kreuzt. Tab. VII. Fig.1. Muskeln des Zdellostoma heterotrema in natürlicher Gröfse. «a. Nasenrohr. ß Auge. y Gehörcapsel. ® Gaumenleiste und Schlundkorb. &' grofses, £” kleines Zungenbeinhorn. Phys.- mathemat. Abhandl, 1834. Lt 330 Müruer: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, n knorpeliger Zungenbeinkiel, oben durch Membran geschlossen. $ Zunge. ö oberes Knorpelschild am hintern Ende des Längenmuskels der Zunge. » knöcherner Stab am hintern Theil der untern Fläche der musculösen Scheide des Längen- muskels der Zunge. x’ vorderer schief aufsteigender Knorpelfortsatz desselben. * Schlundhaut, am Schlundkorb befestigt, und Speiseröhre. p untere Fläche des Rückgraths. C Seitenmuskel, aufwärts geschlagen (C Fig.1, Tab. VI.). d abgelöstes vorderes Ende, das am vordern Zungenbeinende befestigt ist. G der zweite Vorzieher der Zunge. I der erste Vorzieher der Zunge. K Beuger des Zungenbeins (siehe Fig.2 A). L Heber des Zungenbeins, vom Zungenbein abgelöst; man sieht seine Insertion am Knor- pelfortsatz des vordern Endes der Gaumenleiste (vergl. Z Tab. VI, Fig.1.2.3.). M vorderer Vorzicher des Zungenbeins (vergl. 7 Tab.VI, Fig.1.2.3.). Hier ist er von sei- ner Insertion am vordern Theile der Gaumenleiste abgelöst. N hinterer Vorzieher des Zungenbeins, von seiner Insertion an der Gaumenleiste abgelöst. O0” constrictor pharyngis posterior. O0” constrictor pharyngis medius, abgelöst von der untern Fläche des Rückgraths. P Zuwrückzieher des Zungenbeins, von seiner Inserlion an der Gaumenleiste und dem Rachen- korb abgelöst (vergl. P Tab.VI, Fig.2.3.). Q Zurückzieher der äufsern Nase, von seiner Insertion abgelöst (vergl. Q Tab.VI, Fig. 2.3.). R Zurückzieher der Tentakeln, von der Gaumenleiste abgelöst (vergl. A Tab.VI, Fig. 2.3.). $ Zurückzieher der knöchernen Schnautzenstütze, von dieser abgelöst (vergl. $ Tab. VI, Fig. 2.3.). T Zurückzieher des Mundes. Entspringt vom hintern und untern Theil der Gaumenleiste und inserirt sich am Knorpelfortsatz des vordern Zungenbeinendes; ist von einem Zweige des zweiten Astes des Trigeminus durchbohrt. T' Anzicher des Schlundkorbes (vergl. Tab. III, Fig.5X’). Entspringt mit einer dünnen Sehne vom vordersten Theil der untern Fläche der Gaumenleiste, schwillt bald in einen spin- delförmigen Bauch an und inserirt sich am untern vordern Rand des knorpeligen Schlund- korbes, den er etwas vorziehen kann. U zweiköpfiger Herabzieher-des Mundes. Entspringt mit dem einen Kopf U von der untern Fläche des vordern Endes des Zungenbeins (von dem innern Stück der ersten Reihe). Dieser geht aufwärts und verbindet sich mit dem zweiten Kopf U’, der vom Knorpel des dritten Tentakels entspringt; beide setzen sich vereint an den Knorpelbogen zwischen dem ersten und dritten Tentakel. Y MHerabzieher der knöchernen Schnautzenstütze. Entspringt vom vordern Rande des Zun- genbeins nach aufsen, geht schief unter den Mundknorpeln nach aufwärts, einwärts, vor- wärts, inserirt sich am vordern Ende der knöchernen Schnautzenstütze. IF Compressor des Mundes. Entspringt vom Knorpel des dritten Tentakels, geht an dem obern Mundrande quer hin und befestigt sich einestheils an das vordere Ende der knö- chernen Schnautzenstütze, anderntheils geht er unter diesem Knochen, zwischen ihm und der Mundschleimhaut, mit dem gleichnamigen der andeın Seite zusammen. Z Anzieher des Schlundsegels. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 331 AA,aa, «ac muskulöse Scheide des grofsen Längenmuskels der Zunge, in der obern Mittel- linie aufgeschnitten. 4A die kurze äufserste Schichte der Fasern. aa die langere nächste Schichte der Fasern. aa die längste oder Cirkelschichte von Fasern. BB grofser Längenmuskel der Zunge, in der Muskelscheide 44 enthalten, bei bb in den der andern Seite umbiegend. Seine Sehne läuft in dem Kanal des Zungenbeinkiels, der oben durch Membran n geschlossen ist, zur Zunge. CC senkrechter Muskel des Zungenmuskelapparates, geht zwischen ZB, bb und 5b’ durch, entspringt von der untern Fläche des Knorpelschildes ? und inserirt sich am Knochen x und am Knorpel x’. 1 vordere aorta oder arteria vertebralis impar an der untern Fläche des Rückgraths u, zwi- schen den Insertionen der constrictores pharyngis O gelegen. 1’ rami intercostales; sie sind halb so häufig als die nervi intercostales. 2 äufserer Ast der vena jugularis sinistra, die am vagus über den constrictores pharyn- gis O herabläuft. 3 nervi intercostales. Sie sind doppelt so häufig als die arteriae intercostales; einer liegt zwischen zwei arleriae intercostales, der nächste an seiner artleria intercostalis. 4 nervus vagus sinister, hinter der Gehörcapsel die Gehirncapsel an der Seite durchboh- rend, dann über den constrictores pharyngis O verlaufend, neben der vena jugularis sinistra 2. 5.6.7.8. Zweige des nervus trigeminus. Fig.2. Muskeln des Bdellostoma heterotrema. a Nasenrohr. ß Gehirncapsel. ß’ Auge. y Gehörcapsel. & Gaumenleiste und knorpeliger Schlundkorb. Der letztere ist von der anhängenden Haut des Schlundes befreit, so dafs man das innere Knorpelgerüst des Schlundsegels mit dem linken knorpeligen Seitenarme 3’ des Schlundsegels sieht. e Gaumenplatte. & Zungenbein. &’ grofses Zungenbeinhorn. &” kleines Zungenbeinhorn, am Schlund befestigt. n knorpeliger Zungenbeinkiel. Die ihn oben schliefsende Haut ist aufgeschnitten und die Sehne des langen Zungenmuskels 55” ist aus dem Canal hervorgezogen, so dafs man ih- ren Verlauf bis zur Zunge sieht. $ linke Zungenhälfte, von unten angesehen. C Seitenmuskel, aufwärts geschlagen. F vorderes Ende des geraden Bauchmuskels, tritt zwischen den Vorziehern der Zunge G und H durch und befestigt sich am Zungenbein (vergl. Tab.VI, Fig.3 F). GH die beiden Köpfe des zweiten oder tiefen Vorziehers der Zunge, entspringen hinter ein- ander an der Seite der Mittellinie des knorpeligen Zungenbeinkiels. Sie gehen vorn mit denen der andern Seite in die gemeinschaftliche platte Sehne G’ über, welche von der Sehne des ersten oder oberflächlichen Vorziehers der Zunge / von unten bedeckt ist, über den vordern Rand des Zungenbeins weggeht, sich in den Mund unter die Zunge zu- rückschlägt und sich an der untern Fläche der Zunge am vordern Zungenknorpel befestigt. I erster oder oberflächlicher Vorzieher der Zunge, entspringt vor dem vorhergehenden an der Tt.2 332 Müuter: /ergleichende dnatomie der Mysxinoiden, untern Fläche und Seitenfläche des knorpeligen Zungenbeinkiels; er geht mit dem der andern Seite in die gemeinschaftliche Sehne 7’ über, welche die Sehne des vorhergehen- den G’ von unten deckt (vergl. Tab.VI, Fig.3 7’) und sich auch über den vordern Rand des Zungenbeins wie um eine Rolle in den Mund schlägt, um sich an das vordere Ende der Zunge zu befestigen. Diese Schne hängt mit dem Bande I” zusammen, das zum Knorpel des vierten Tentakels geht. K der Beuger des ersten und zweiten Gliedes des Zungenbeins, wodurch der vordere Theil des Zungenbeins gehoben wird. Er entspringt von der untern Fläche des zweiten Glie- des des Zungenbeins vor dem Ursprung der Zungenbeinhörner, schlägt sich nach aufsen und oben um das Zungenbein in die Mundhöhle unter die Zunge und breitet sich in eine breite Sehne K” aus, deren innerer Rand sich an die Oberfläche des ersten Glie- des des Zungenbeins in einer Längslinie neben der Mittellinie bis zum vordern Rande des Zungenbeins befestigt. Das vordere Ende der Schne hängt durch ein Band mit dem Knorpel des vierten Tentakels zusammen. Der Muskel ist auch durch ein Bänd- chen mit der untern Fläche des hintern Theils der Zunge verbunden X’; an diesem Leitbande kommt der Zungennerve zur Zunge. O constrictor pharyngis der rechten Seite; der der linken Seite ist weggenommen. UU’ zweiköpfiger IHerabzieher des Mundes, abgelöst (vergl. UU’ Fig.1, Tab.VII.). Y Herabzieher der knöchernen Schnautzenstütze (vergl. Tab.VU, Fig.1Y). W Compressor des Mundes (vergl. Tab. VII, Fig.1.3 77). MW’ compressor narium, kömmt vom vordern Ende der Schnautzenstütze und schlägt sich um den Knorpel des ersten Tentakels nach aufsen und oben, befestigt sich an der Seite des Nasenrohrs am vordern Ende. X Compressor der Mundhöhle; entspringt von der ganzen Seite der knöchernen Schnautzen- stütze und setzt sich mit der Spitze seiner Pyramide an den Knorpelfortsatz des vordern Endes der Gaumenleiste. Y Stück vom vordersten Fascikel des constrictor pharyngis, der abgeschnitten ist. Z der Anzieher des Schlundsegels (vergl. Tab. II, Fig.5 X). Entspringt vom Seitenrand der Gaumenplatte und unter der Gaumenleiste, geht rückwärts auswärts zur apophysis mus- cularis 8” des Seitenarmes des Schlundsegels 3’. AA, aa, ac. muskulöse Scheide des Längenmuskels der Zunge, aufgeschnitten und etwas zur linken Seite umgelegt, so dafs man von oben in die Scheide hineinsieht. AA kürzeste äufserste Schichte von Fasern. aa längere folgende Schichte. aa längste innerste oder Cirkelschicht. aa’ hinteres häutiges Ende der Scheide. BB die hinten getrennten Theile des Längenmuskels, welche hinter i innerhalb des häutigen Blindsackes der Scheide aa’ in einander übergehen (vergl. 5b Fig.1, Tab.VII.). bb” Sehne des Muskels ZB, aus dem aufgeschnittenen Kanal des knorpeligen Zungenbein- kiels hervorgehoben; man sieht ihr vorderes Ende an ihrer obern Fläche gespalten, ihre Insertion mit einem Theil in das hintere Ende, mit dem andern in die untere Fläche des hintern Endes der Zunge. CC senkrechter Muskel am hintern Theil der muskulösen Scheide (vergl. CC Fig. 1, Tab.VII.). Insertion an der untern Fläche des Knorpelschildes i, das hier von oben geschen wird. A nervus vagus. 5.6.7.8. Zweige des nervus trigeminus. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 333 Fig.3. Mundmuskeln von Bdellostoma heterotrema. GH Köpfe des tiefern Vorziehers der Zunge. G’ ihre gemeinschaftliche Schne, von der Schne /’ bedeckt, sich über den untern Mundrand unter die Zunge schlagend (vergl. Fig.2 G’). II oberflächlicher Vorzieher der Zunge. I’ gemeinschaftliche Seline, über der vorigen sich um den untern Mundrand schlagend und hier mit der Schleimhaut x verwachsen. I’ Band, welches diese Sehne mit dem Knorpel des vierten Tentakels verbindet. UU’ zweiköpfiger Herabzieher des Mundes. Entspringt mit dem einen Kopf U von der un- tern Fläche des vordern Endes des Zungenbeins (von dem innern Stück des ersten Glie- des) hier abgelöst, mit dem andern kürzern Kopf U’ vom Knorpel des dritten Tentakels. Beide setzen sich vereint an den Knorpel zwischen dem ersten und dritten Tentakel. Y Merabzieher der knöchernen Schnautzenstütze. Entspringt vom vordern Rande des Zun- genbeins nach aufsen, inserirt sich am vordern Ende der Schnautzenstülze. W Compressor des Mundes. Entspringt vom Knorpel des dritten Tentakels, befestigt sich einestheils an das vordere Ende der knöchernen Schnautzenstülze, anderntheils geht er unter diesem Knochen mit dem der andern Seite zusammen. W' Compressor narium. Entspringt am vordern Ende der Schnautzenstütze und geht nach aufsen um den Knorpel des ersten Tentakels zum vordern Ende des Nasenrohrs an des- sen Seite. X Compressor der Mundhöhle (vergl. X Fig. 1.). Fig.4. Zunge von Zdellostoma heterotrema von unten. A vordere Zungenknorpel. a spitzes vorderes Ende ihrer Commissur. bb hintere Fortsätze ihrer Commissur. c hinterer äufserer Fortsatz der vorderen Seitenlappen. d hinterer innerer Fortsatz der Seitenlappen, mit den Enden des Knorpels 3 verbunden. B halbmondförmiger hinterer Zungenknorpel. C Sehne des grofsen Rückziehers der Zunge. D kurze Fortsetzung der Schne bis zum vordern Knorpel. G’ Sehne des tiefern Vorziehers der Zunge, am vordern Rande der Seitenlappen und ihrer Commissur befestigt. I Sehne des oberflächlichen Vorziehers der Zunge. Fig.5. Zunge von Zdellostoma heterotirema von oben. B hinterer halbmondförmiger Zungenknorpel. C Sehne des grofsen Rückziehers, vorn an der Oberfläche gespalten, in einen mittlern Theil y und 2 Flügel x. Erklärung der Nerven auf Tab. VII, Fig.1. 2. In den eben genannten Figuren sind einige Nervenäste sichtbar, die bei der Präparation der Muskeln mitbeachtet wurden. Obgleich die ausführliche Beschreibung des Nervensystems der Myxinoiden in einem zweiten Theil der Anatomie der Myxinoiden gegeben wird, will ich doch hier Einiges davon, was durch die vorliegenden Abbildungen erläutert wird, erklären. Die Intercostalnerven entsprechen der Zahl der Zigamenta intermuscularia, an denen sie anliegen, die vordersten ligamenta ausgenommen. In Fig.1. sind sie mit 3 bezeichnet. Die In- 334 Müruer: Vergleichende Anatomie der My.xinoiden, ” tercostalarterien sind bei Bdellostoma nicht so häufig als die Nerven. Gemeiniglich liegt an je- dem zweiten ligamentum intermusculare eine Intercostalarterie (1’). Der nervus vagus (4) titt durch eine Öffnung der Hirncapsel dicht hinter der Gehörcap- sel hervor, liegt über den constrictores pharyngis O, wo er seinen Schlundast abgiebt (Tab. VII, Fig.1. 7’). Seine weitere Verzweigung ist auf Tab.VII, Fig.1.2. abgebildet. Man sieht dort die Kiemenäste, die er abgiebt, wo er über die Kiemenbeutel verläuft, und den ramus intestinalis. Auf Fig.1.2, Tab. VIII. sind einige der Hauptverzweigungen des zerwus trigeminus von Bdellostoma heterotrema dargestellt. Retzius hat sie im Allgemeinen schon bei Myxine be- schrieben. Dieser Nerve kömmt aus einer länglichen Öffnung an der Seite der Gehirncapsel, bei Bdellostoma hinter dem foramen opticum; der erste Ast geht über der Gaumenleiste sogleich fort, die übrigen treten aufser einem Hautast zwischen der Wurzel der Gaumenleiste und der Gehirn- capsel abwärts. Der erste Ast erscheint über der Gaumenleiste hinter dem Auge. Er geht bei Bdellostoma (Tab.VIII, Fig.2. 5) an der innern Seite des Auges über den Sehnerven weg, giebt zuerst einen Hautast für die obere Fläche des Gesichts (5’), dann vor dem Auge einen ramus nasalis an das Na- senrohr (5”). Dieser erreicht das Nasenrohr dicht vor der Nasencapsel und kann, dicht an der Seite dieses Rohrs liegend, eine geraume Strecke verfolgt werden, wo er sich verzweigt. Der Stamm des ersten Astes vom nervus trigeminus theilt sich nach Abgabe des Nasenastes vor dem Auge so- gleich in 2 Zweige, einen obern und einen untern. Der obere (Fig.2.5”) ist dünner, geht zwi- schen dem Nasenrohr einerseits und den hier weggenommenen Zurückziehern der Nasenöffnung und der Schnautze (Tab. VI, Fig.2Q$) über dem pyramidalen Muskel des Schnautzenknochens (Tab. VII, Fig.2X) gerade vorwärts, giebt dem Rückzieher der Nasenöflnung und der Schnautze, auch dem vordersten Theil des Nasenrohrs kleine Zweige, auch ein kleines Astchen zum ersten Tenta- kel und zu den oberen kleinen Mundmuskeln und endigt oberflächlich an der Nasenöffnung. Der untere Zweig vom ersten Ast des trigeminus (Tab.VIH, Fig.2 5””) geht unter dem hier weggenommenen Zurückzieher der Schnautze über dem pyramidalen Muskel des Schnautzen- knochens X vorwärts, giebt den Mundmuskeln Äste und endigt sich in dem ersten Tentakel. Der zweite Ast des zervus trigeminus (Tab.VIU, Fig.1. 6) tritt, sobald der Stamm des trigeminus aus der Gehirncapsel getreten, zwischen der Wurzel der Gaumenleiste und der Ge- hirncapsel hinter dem Auge abwärts vorwärts; er liegt also unter der Gaumenleiste, während der erste Ast über derselben liegt. Zuerst kömmt er zwischen dem Zurückzieher des Mundes 7 und dem Anzicher des Schlundkorbes 7” zum Vorschein, die beide von demjenigen Theil der Gaumen- leiste entspringen, der in den Schlundkorb übergeht. Der letztere Muskel, der für die Beschrei- bung der Lage der Nerven besonders wichtig ist, liegt unter der Gaumenleiste; er entspringt mit einer dünnen Sehne vom vordersten Theil der untern Fläche der Gaumenleiste, schwillt bald in einen spindelförmigen Bauch an und inserirt sich am untern vordern Rand des knorpeligen Schlundkorbes, den er nach vorwärts und einwärts ziehen kann. In Fig.5, Tab.III. sieht man diesen Muskel unter A’ von unten abgebildet und sieht, dafs er mit dem mehr nach innen lie- genden Heber der Gaumenplatte X parallel läuft; in Fig.1, Tab. VIII. sieht man ihn unter 7” von der Seite. Also zwischen dem Zurückzieher der Mundknorpel Z und dem Anzieher des Schlund- korbes 7’ kömmt der zweite Ast des nervus trigeminus (6) unter der Gaumenleiste zum Vor- schein; sogleich theilt er sich in zwei Äste 6’ und 6”, beide sind von den Muskeln zwischen Gau- menleiste und Zungenbein P und M bedeckt, die hier zurückgeschlagen sind. Der stärkere ober- flächliche Ast 6’ geht an der äufsern Seite des Zurückziehers der Mundknorpel 7° vorwärts bis unter den nach aufwärts geschlagenen Heber des Zungenbeins Z. Hier giebt er dem letztern Muskel mehrere Zweige, die in der Abbildung angegeben sind, und theilt sich dann in 2 Zweige der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 335 für den zweiten und dritten Tentakel 6”. Der tiefere dünnere Zweig 6” vom zweiten Ast des trigeminus durchbohrt den Zurückzieher der Mundknorpel 7’, in dem er verborgen liegt und dem er Zweige giebt, und erscheint vorn wieder an der innern Seite des vordern Endes dieses Muskels unter dem pyramidalen Muskel des Schnautzenknochens. Hier theilt er sich in zwei Zweige, wovon der eine sich in dem letztern Muskel, der andere in den tiefen Muskeln des Mundes, besonders in dem zweiköpfigen Herabzieher des Mundes U und in der Gegend des vierten Tentakels verbreitet. In Fig.2, Tab.VIII. sieht man den zweiten Ast des frigeminus wieder. Die Muskeln 7 und Z sind hier weggenommen; deswegen ist der durchbohrende Ast 6” (Fig.1.) hier frei. Der Muskelast, der sich in Fig.1. im Muskel Z verbreitet, erscheint nach Wegnahme dieses Muskels unter Z ohne Insertion. Gleich hinter dem zweiten Ast des trigeminus folgen einige ganz kurze Muskelzweige zu den Muskeln des Gaumens. In Fig.1, Tab.VIII. ist nur einer sichtbar (6*), der sich in den An- zieher des Schiundkorbes 7’ verbreitet. Auch die anderen Gaumenmuskeln, namentlich der An- zieher des Schlundsegels, erhalten kurze Zweige. An derselben Stelle gehen 3 Äste zur Schleimhaut des Mundes vom Stamm des trigeminus ab; sie sind in der Abbildung verdeckt und werden in einer spätern Abbildung erläutert. Der erste dieser Zweige dringt von oben abwärts durch die fibröse Haut zwischen der Gaumenplatte und der Gaumenleiste am vordern Rande des Anziehers des Schlundsegels; er verzweigt sich im vordern obern Theil des Mundes, auch an der Keimplatte des Gaumenzalns; ein mittlerer und hinterer Zweig kommen zwischen dem Anzieher des Schlundkorbes und dem Anzicher des Schlund- segels herab und verzweigen sich divergirend im mittlern und hintern Theil der obern Mundwand unter der Gaumenplatte, der letzte auch im Schlundsegel. Ein Hautzweig geht vom hintern Theil des Stammes, gerade da wo er aus dem Schädel kommt, zur obern Fläche des Kopfes nach vorn und liegt nahe nach aufsen neben dem Hautzweig vom ersten Ast des trigeminus. Diese Hautnerven werden später von Myxine abgebildet. Das hintere untere Bündel der Zweige des trigeminus ist in den Abbildungen (Tab. VIII, Fig. 1.2.) wieder sichtbar. Die Äste dieses Bündels treten unter dem Anfang des Schlundkorbes hervor und begeben sich theils gerade abwärts, theils abwärts rückwärts. Die gerade herabsteigenden Zweige kommen unter der Stelle zum Vorschein, wo die Gaumenleiste in den Schlundkorb übergeht (Tab. VII, Fig. 1. 7,7’), und gehen über den Anzicher des Schlundkorbes 7” herab, an der Seitenwand des Muskels liegend, bedeckt von den Muskeln zwischen Gaumenleiste und Zungenbein P und M, die hier zurückgeschlagen sind. Von diesen sind einige Muskeläste (7), der stärkere ist der Zun- genast 7’. Die Muskeläste verzweigen sich theils in dem Zurückzieher des Zungenbeins ?, theils in dem Beugemuskel des Zungenbeins X, der unter und an der Seite der Zunge liegt. Der Zun- genast 7’ geht dicht an der Schleimhaut des Mundes herab unter den Beugemuskel des Zungen- beins X, der von ihm von unten nach aufwärts da durchbohrt wird, wo dieser Muskel seknig wird. _ An dieser Stelle geht ein Zweig mit der Sehne gegen den untern Mundrand, der übrige Theil des Zungenastes geht mit dem Bändchen (Fig. 1 A’), welches die Sehne dieses Muskels an die Zunge heftet, zur Zunge $ und senkt sich theils in eine Öffnung in den hintern Theil der untern Fläche des ersten Zungenknorpels, so dafs er den Keimplatten der Zungenzähne bestimmt ist, theils verbreitet er sich von hinten in der Schleimhaut der Zunge. In Fig.2. sieht man den ganzen Verlauf des Zungenastes, während die Muskeläste, die in Fig. 1. sichtbar sind, hier nach Wegnahme der Muskeln abgeschnitten erscheinen. Der letzte Zweig des hintern Bündels vom rervus trigeminus geht abwärts rückwärts; er ist, wo er unter dem Schlundkorb zum Vorschein koınmt, von den vorhergehenden Zweigen ge- trennt, indem er nicht über den Anzieher des Schlundkorbes (Fig. 1 7’), sondern zwischen diesem 336 Mürten: /ergleichende Anatomie der Myxinoiden, und dem Anzicher des Schlundsegels durchgeht (Fig.1. S). Von aufsen ist er von den Muskeln zwischen Schlundkorb und Zungenbein gedeckt, die in Fig.1. zurückgeschlagen sind; nach innen liegt er dicht an der Seitenwand des Mundes. Er giebt zuerst einen kleinen Zweig (8’) zum Beu- gemuskel des Zungenbeins X, dann einen stärken Zweig (8”) zu den Vorziehern der Zunge, die unter dem Zungenbein liegen. Um dahin zu gelangen, durchbohrt dieser Zweig den hintersten Theil des ersten Vorziehers des Zungenbeins M, dicht am Zungenbein. Nach Abgabe dieser Äste, wovon ich den letzten bei einigen Myxinen auch aus den Muskelzweigen des vorhergehenden Bün- dels kommen sah, geht der hinterste Ast des zervus trigeminus an der innern Seite der Zungen- beinhörner rückwärts. Hier giebt er einen dünnen Zweig zum hintern Theil der Zunge (8”); dieser ist Fig.1. in seinem ganzen Verlauf dargestellt; er schlägt sich einwärts gegen das Ende der Sehne der Zunge und begiebt sich in die Rinne des Endes dieser Sehne, und so zur Oberfläche des hintern Endes der Zunge, wo er sich verzweigt. Die Fortsetzung des Stammes vom hintersten Ast des frigeminus (8”") geht nun rückwärts auf den Zungenbeinkiel, wo er sich in der sehnigen Decke desselben verbirgt. Dieser starke Ast ist nun der Nerve des grofsen Zungenmuskels. Er verläuft in der sehnigen Decke des Zungenbeinkiels und dann in der Muskelmasse des grofsen hoh- len Zungenmuskels rückwärts. Anfangs liegt er in der Dicke dieser Muskelmasse mehr unten und giebt auch einen Zweig ab, der an der untern Wand der hohlen Muskelmasse bleibt; der Stamm, der viele Zweige in den hohlen Muskel abgiebt, gelangt aber weiter rückwärts, indem er immer noch in der Muskelmasse verborgen ist, mehr nach oben gegen die obere Mittellinie. Diese erreicht er schon im vordersten Drittheil des hohlen Muskels und liegt nun neben dem gleichna- migen Nerven der andern Seite in der Mitte der obern Wand des hohlen Muskels, nicht oberfläch- lich, sondern an der innern Fläche dieses hohlen Muskels. Beim Aufschneiden des hohlen Mus- kels sieht man ihn indefs nicht sogleich an der innern Fläche der obern Mittellinie; er ist hier noch von der Membran bedeckt, die den hohlen Muskel von innen auskleidet. Schon im ersten Drittheil des hohlen Muskels verbindet sich dieser Nerve mit dem der andern Seite, bald aber tren- nen sich beide Nerven, um sich wieder theilweise zu verbinden und theilweise zu trennen, so dafs sich beide Nerven hier ganz geflechtartig verhalten. Sie geben auf ihrem Wege nach rückwärts noch viele Zweige in die hohle Muskelmasse und gelangen zuletzt bis zum hintern Theil dieses Muskels, wo in der obeın Wand desselben das Knorpelschild liegt; hier senken sie sich in die Tiefe und verzweigen sich im Bauch des Längsmuskels der Zunge ZB und im senkrechten Muskel CC. Der Verlauf und die Verzweigung dieses Nerven wird in dem folgenden Theil dieser Ab- handlung durch Abbildungen an Myxine erläutert werden. Aufser dem rzervus trigeminus und vagus haben die Myxinoiden auch noch einen nervus Jeecialis, wie die Petromyzen, wo ihn Born beschrieben hat. Wir werden seinen Verlauf später durch Abbildungen an Myxine erläutern Hier genüge anzuzeigen, dafs er hiuter dem zervus tri- geminus durch eine besondere Öffnung der Gchirmcapsel vor der Gehörcapsel hervorkömmt. Diese Öffnung ist oben bei der Angabe der Schädelöffnungen zu erwähnen unterlassen; sie ist schr klein und der Nerve sehr fein. Er geht anfangs rückwärts, dann auswärts und schlägt sich um den hintern Rand des Hauptstücks des Schlundkorbes 7 (Tab. III.) nach vorwärts unter den vordern Vorzieher des Zungenbeins. Die ausführliche Beschreibung bei Myxine und bei dem kleinen Zdel- lostoma wird bis auf den zweiten Theil dieser Abhandlung verschoben. Tab. IX. Fig.1. Durchschnitt durch den Glaskörper der chorda dorsalis der Myxine glutinosa. a Zellen. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 337 5 Durchschnitt des mittlern Bändchens. Fig.2. idealischer Durchschnitt durch das Rückgrath von Bdellostoma und Myxine. Fig Fig Fig a innere Scheide des Glaskörpers, ß äufsere Scheide, y Fortsetzung der letztern unter dem Rückenmark, ® Fortsetzung derselben über dem Rückenmaık, e Fortsetzung derselben über dem Fettzellgewebe. .3. Mikroskopische Abbildung von Stückchen des pflasterförmigen Knorpels von Myliobates aquila. .4. Knorpelstückchen von Bdellostoma heterotrema, mikroskopisch. .5. Knorpelstückchen vom Lippenring von Petromyzon marinus, mikroskopisch. Fig.6. Senkrechter Querdurchschnitt durch einen Wirbel von Squalus mustelus. Fig. 7. Zungenbeinmuskeln und Zungenmuskeln von Petromyzor marinus von unten. Die Mus- kelhülle des Rumpfes ist aufgeschnitten und auseinander geschlagen, der Lippenring und die Lippe unten durchgeschnitten, so dafs man die Zunge sieht. Knöcherne Theile. P Lippenring, durchgeschnitten. Q Grifielfortsatz, am Lippenring befestigt, wie Q Fig.1.2, Tab. IV. R Zungenbein, wie R Fig.1.2, Tab. IV. S säbellörmiger Zungenstiel zwischen den beiden Muskelkörpern CC, vorn über dem Zun- genbein R gelegen (vergl. Tab. IV, Fig.2 8). !” Knochenplättchen, welche an den griffelförmigen Schädelfortsätzen (Tab. IV, Fig.1.2:’) befestigt sind und zum Ansatz der Muskelscheide eZ des grofsen Zungenmuskels n dienen. O Zunge. CC grofse Muskelmasse der untern Mundwand, x Speichelsack von Born. Zwischen bei- den Muskelmassen liegt in einem Kanal der säbelförmige Zungenstiel $. X Muskelhülle des Kumpfes, aufgeschnitten und auseinander geschlagen, vorn am Lippen- ring jedersers befestigt. Zungenbeinmuskeln. a Muskel zwischen dem Griffel des Lippenringes Q und dem Zungenbein AR, ist aponeuro- tisch an R angeheftet. ce Vorzieher der Zunge. Entspringt vom säbelförmigen Zungenstiel $, geht über der Apo- neurose des Muskels @ weg; seine Sehne c’ heftet sich an das knopfförmige Ende des Zungenstiels. d innerer Vorzieher des Zungenstiels. Entspringt vom hintern Ende des Zungenbeins AR und heftet sich an den Zungenstiel $. e äufserer oder langer Vorzieher des Zungenstiels. Entspringt mit dünner Sehne vom Lip- penring, heftet sich an den Zungenstiel $. f kurzer Vorzieher des Zungenstiels. Entspringt von der Knorpelplatte i” und von der Fascie der grofsen Muskelmasse C, heftet sich an das hintere Ende des Zungenstiels $. 3 Vorzieher der muskulösen Scheide des grofsen Zungenmuskels. Entspringt von den Knor- pelplatten i” und geht als eine muskulöse halbeirkelförmige Binde um den Anfang der muskulösen Scheide «£ von einer Seite zur andern. Der vordere Theil geht mehr halb- cirkelförmig von einer zur andern Seite, comprimirt die musculöse Scheide e£ und nä- hert die Knorpelplatten z” einander. Der hintere Theil geht mehr rückwärts mit dem der andern Seite zusammen und ist an die muskulöse Scheide eZ von unten angcheftet. eZ muskulöse Scheide des grofsen Zungenmuskels. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Uu 338 Mürren: /ergleichende Anatomie der M: yainoiden, e untere Pyramide von Querfasern. & obere halbeirkelförmige Schicht von Querfasern; beide sind am Rande durch Raphe ver- bunden. n grofser Zungenmuskel. Fig.8. Zungenbeinmuskeln und Zungenmuskeln von Petromyzon marinus, von oben angeschen. Die Kopfknorpel und das Rückgrath sind der Länge nach durchgeschnitten, so dafs diese dasselbe Ansehen darbieten wie der halbirte Schädel Tab. IV, Fig.1. Der Schlund- kopf ist weggenommen. A Gallertsäule des Rückgraths. D Rückenmarksrohr. Z Gehirncapsel. F knöcherne Basis cranii. F harter Gaumen; sichtbarer Theil des vom Gaumen abgehenden Halbringes (vergl. Tab. IV, Fig. 1-47). i’ Gviffelfortsatz der Schädelbasis. i” daran befestigte Knor- pelplatte, dieselbe welche in Fig.1. von unten erscheint. K Nasercapsel. k Nasenrohr. k’ Inneres der Nase. ZL hinteres Mundschild. 47 Seitenknorpel des Kopfes. N vor- deres Mundschild. © vorderer Seitenknorpel des Kopfes, Seitenstück des Zungenbeins von Rathke. x häutige Verbindungen. Y grolse Muskelmasse der untern Mundwand, Rathke's Speicheldrüsen, von oben angese- hen, von Fascie bedeckt. Bei F’ ist die Seite dieser Muskelmasse von der Fascie befreit und man sieht die von unten nach oben, von der untern zur obern Fascie gehenden Muskelfasern dieser dicken Muskelmasse. «a Zusammenschnürer des Mundes; geht von dem vordern Mundschild N quer nach einwärts und hängt mit dem der andern Seite durch Band zusammen. Durch dieses Band kömmt jederseits die Sehne c’ des unten liegenden Vorziehers der Zunge (Fig.1c) zum Vor- schein, welche sich an den Knopf des Zungenstiels befestigt. ß paariger Zurückzieher der Zunge. Entspringt von dem Griffelfortsatz der Schädelbasis ?’, läuft über die dicke Muskelmasse der untern Mundwand F, unter der Mundschleimhaut. Zwischen ihm und der Muskelmasse F liegt die hier weggenommene untere Wand des constrictor pharyngis. Das vordere Ende des Muskels wird schnig und befestigt sich mit dem der andern Seite an das vordere Ende der Schne $ des langen unpaarigen Rückziehers der Zunge. An dieser Stelle entspringt der kleine Muskel y für die Zun- genlappen. muskulöse Scheide des grofsen Rückziehers der Zunge, ist an den Knorpelplatten i” be- festigt. vr n grofser unpaariger Rückzieher der Zunge. Sein hinteres Ende ist an die Knorpelcapsel des Herzbeutels befestigt, sein vorderes Ende geht innerhalb der muskulösen Scheide & zugespitzt in die Sehne $ über, welche in einem eigenen häutigen Kanal auf der Fascie der grofsen Muskelmasse der untern Mundwand F verläuft und sich vorn, nach Auf- nahme der Sehnen der paarigen Rückzieher der Zunge ß, in zwei Sehnen spaltet, die sich an die Knorpel ö der Zungenlappen befestigen. Fig.9. Zungenknorpel von Peiromyzon marinus. 1 Seitenplatten. 2 Stiel der Zunge mit dem vordern Knopfe. Fig.10. Schädel und Anfang der Wirbelsäule von Accipenser Ruthenus nach einem von Herrn Brandt verfertigten Skelet. Alle Hautknochen sind weggeuommen. 4A Gallertsäule in ihrer Scheide. B untere Wirbelstücke, welche die Querfortsätze bilden, woran die Rippen C mit einer knor- peligen Apophyse C’ sitzen. der Cyclostomen mit durchbohrtem Gaumen. 339 D obere Wirbelstücke, welche die Bogen bilden. d’ Schaltstücke. E processus spinost. F Verwachsung der vordersten Knorpel des Rückgraths unter sich uud mit dem Schädel. F’ knorpeliger Schädel. G Basilarknochen. G’ Fortsetzung desselben über die untere Wand des Anfangs des Rück- graths. G” Flügelfortsatz. G” Fortsetzung des Basilarknochens als Vomer. Dieser Theil durchsetzt den Knorpel bei x und kömmt bei G”’ wieder zum Vorschein. H knorpelige Querfortsätze am Basilarknochen des Schädels. An ihnen sitzen die ersten Rippen mit noch besonderen knorpeligen Apophysen. I Augenhölle. K Nasenhöhle. L Theil des Schädelknorpels, der dem orbitale seu frontale anterius der Knochenfische entspricht. M kmnöchernes oberes Stück des Quadratbeins, hängt durch eine knorpelige Apophyse m’ am Schädel. N zweites knorpeliges Stück. O drittes knorpeliges Stück. P Unterkiefer. b unpaare Knorpelplatte des Gaumens. c Gaumenknochenstück des Oberkiefer - Gaumenapparates. d Marginalstück, knöchern. . e Verbindungsstück zwischen c und d, knöchern. f Mundwinkelstück, knöchern. Fig.11. Oberkiefer-Gaumenapparat von Accipenser Ruthenus. 4 die knöchernen und knorpeligen Theile desselben. a paariger Gaumenknorpel. b unpaariger Gaumenknorpel. B die blofsen knöchernen Theile allein dargestellt. c Gaumenknochen. d Marginalstück, Kiefer. e Verbindungsstück zwischen c und d. f Mundwinkelstück. Fig.12. Schädel von Akinoptera brasiliensis. 4 Schädel. B Brustflossenknorpel. 2’ vorderste Stückchen desselben. C Schädelflossenknorpel, verbindet die Nase mit dem vordern Ende der Wurzel der Brustflosse. D Schädelllosse. E zwei Verbindungsknorpel der beiden Schädelflossen. F Unterkiefer. G Öberkiefer. H Zähne, grofse Pflasterstücke. I Nasencapsel. v Träger der Knorpel des Nasenvorhanges zwischen beiden Nasencapseln. v’ Knorpelplättchen an dessen Ende. u äufserer Nasenflügelknorpel. Uu2 340 Müırzer: Vergleichende Anatomie der Myxinoiden u.s.w. zu innerer Nasenflügelknorpel. Das untere Ende geht in Knorpelfranzen über; auf der lin- ken Seite hat man die häutigen Franzen daran gelassen. xy Labialknorpel im Mundwinkel. 5 Fig.13. Schädel von Myliobates aquila. A von unten, 2 von der Seite. 4A Schädel. B Brustflossenknorpel, 2’ vorderstes Stück desselben. An B und 3’ ist die Schädelflosse D befestigt. C Schädelflossenknorpel, verbindet das vordere Eude der Wurzel der Brustflosse mit der Nase TI. E Verbindungsknorpel der beiden Schädelflossen. Ganz dünner Knorpelfaden. F Unterkiefer. G Öberkiefer. FG Quadratknorpel. I Nasencapsel. v Träger der Nasenflügelknorpel. u äufserer Nasenflügelknorpel. uu innerer Nasenflügelknorpel. y Spritzlochknorpel. z Jochknorpel. Band zwischen dem Träger der Nasenflügelknorpel und dem Oberkiefer. Fig. 14. Durchschnitt der Schwanzmuskeln von Scomber scomber. Fig. 15. Verlauf der Zigamenta intermuscularia in den Seitenmuskeln von Trachinus lineatus. Fig. 16. Dasselbe, durch Quer- und Längenschnitte deutlich gemacht. Fig.17. idealische Figur eines ligamentum intermusculare der Seitenmuskeln von Trachinus li- neatus nach einem Modell. Fig.18. Querdurchschnitt der Seitenmuskeln von Trrachinus lineatus am Schwanz. fig.19. Dasselbe, weiter vorn. Schlufsbemerkune. Um Mifsverstägdnisse bei Denjenigen zu vermeiden, welche blofs Myxine und nicht Zdel- lostoma untersuchen können, von welchem wir gerade die Beschreibung des Skelets gegeben, mufs bemerkt werden, dafs die Bezeichnung knochenhart, knöchern, Knochen für Skelettheile des Zdellostoma heterotrema nicht auf Myzxine übertragen werden kann, bei welcher, so wie auch bei dem kleinen Bdellostoma hexatrema, alle Skelettheile mehr knorpelig bleiben, die bei Bdellostoma heterotrema vor den weichen Knorpeln seines Skelets durch knochenartige Festigkeit sich auszeichnen. Die Form des Skelets ist bei den Bdellostomen und Myxinen so gleich, dals es keinen wesentlichen Unterschied giebt, denjenigen ausgenommen, dafs der Basilarknorpel der Bdel- lostomen einfach, bei den Myxinen aber in der Mittellinie getheilt ist, und dafs sich beide Seiten- theile in der Mitte nur nahe kommen, indem sie die zwischen ihnen befindliche Spitze der Gal- lertsäule nicht ganz bedecken. —elE> — Tab. TI. Arı Zu d SIE 2 DANN. URN? » 7» u T;* © .E. Weber jeulp “ . Hrn Miller's Abh._Phrs KL. 188 | ! Taf: I. Ein 12. a Z. Müller del. C.E Weber fäulp. u Hrn. Müllers _Abh. Phys. Kl. 183. Taf UWE _L.Ifüller del. E CB_Weber feubp. Taf.IW. K Fig. 10. Q 4. Müller del. C .E.Weber ‚Seuip. D \ 1 D ’ . . E2 — Bu D _— —— x - ’ Me D “ a v ee X - 2 a “ . a Ze . 2: . ‘ ER, u | ’ N ‘ I Li r ' x - n RE VE Ze = —- Hera. AbhPhyı:Kl. 1834, u Z. u ‚7 rn: A i b £ i u B e 0 un IL 222) au 70022 1400711 7 UI, Z.u Hrn: Müllers AbA: PM K1.163#. » * + E Bi 5 5 “ $ e ” r IR er “ sd j R f . | N i R . x j Pi - , e “ E ‘ - . } ; e h . . . oT \ = Fe En un = en En 4 i - u — . “ 1 | unge u e une ne Br SEREREER: i u E . j E % vw e Au B Ex h er u « e 2 * - - 2 & 5 ® j | | , E ’ D fi ' 5 5 | Tab. VI. EEE | > u er en id Tab. VII. Bio. 7. e 4A d’ De "GOAEL . I - nn Fig. VO. Xu Herrn Müllers Abh.: Phys. Äl. 1631. Tab. VL Hütter det. Lünoer Sbudp MAR nr ö Ba h Im} {i \ eK 41 art. MT 1 Br: BR . a N re. Me BP ü ve er £ ENT RR u ri B, er y mE a re ed Ri Be FR f Aare Ki Me N SE ? Aa 4, Bach, Bin: ü ? AR, TSaı ar pP “ PAR Er a“ RE IE ur ye. M 5 3 u MN a R 1 UNTERE a I NSDE aM NEM A we Bi; j N X] Mr ar Ha Fr E18 Dr a En B: 1 j 5 A 5 D.: aRft Ey Ki 4 Be ih x sk MR N ei m et; RER 5 Ki S =S S | SIT: PS em Y Zu Üerrn Mi $ # 4 N au nr > CE Über fo Be: E i a ö vr BA ee Pa A N wen ar Y } Q 0 j L Über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. N Von H" POSELGER. aannnmnVVwernver [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 20. März 1834.] | charakteristische Verschiedenheit zwischen der Methode der Griechi- schen Geometer, und der der Neuern, bedingt die Bestimmung des Begriffs des Irrationalen und dessen Anwendung. Wie die Alten das Irrationale auf- fafsten und behandelten, zeigt besonders deutlich das zehnte Buch des Eukli- des und es belehrt zugleich über die grofse Umständlichkeit zu welcher sie sich durch ihre übrigens ganz folgerechte Umgehung des Negativen genöthigt sahen. Wenn es daher auch in neuerer Zeit beinahe gänzlich antiquirt und als überflüssig aus dem Elementarunterrichte entfernt worden ist, so dürfte es doch für die Geschichte der Wissenschaft unentbehrlich sein, um das ganz eigenthümliche Verfahren der Alten zum klaren Verständnifs zu bringen. (') Und, wenn auch alle darin enthaltenen Theoreme mittelst der Algebra auf kürzerem Wege gefunden, und aus höher stehenden Sätzen als leichte Co- rollarien abgeleitet werden können, so scheint doch in einer genaueren Er- wägung der Euklideischen Lehre, das Verfahren der Alten überhaupt eine mit dem Wesen der Wissenschaft selbst begründete Rechtfertigung zu finden, (') Ich erlaube mir das Urtheil eines Kenners herzusetzen: le 10° Zivre contient une theorie si profonde des incommensuralles, que je doute quwil yait aujourd'hui un geo- me£tre qui osdt suivre Euclide dans cet obscure dedale. Montucla histoire des ma- Ihematiques part. I. livre IV. page 208. Er setzt zwar hinzu: on ne voit pas trop, je Vavoue, lutilite des recherches. Diese utilitE aber ist schwankenden Begriffs Den alten Geometern war eine so gediegene Theorie des Incommensurabeln, wie die des Euklides, nicht blos nützlich, sondern unentbehrlich zu ihrer Stereometrie. 342 PosELGeEr so weit nämlich nur von Gründen, nicht von Anwendungen die Rede ist. In so fern hoffe ich auf Entschuldigung, dafs ich zum Gegenstande der mir heute obliegenden Vorlesung die angezeigte elementare Abhandlung des Eu- klides gewählt habe. Ich habe geglaubt, dafs, ohne seiner Theorie das ihr eigne Alterthümliche zu entziehen, ihre innere logische Bündigkeit und ihre äufsere Abrundung und das Ebenmaafs aller ihrer Theile sich in ein helleres Licht setzen liefse, als der Anblick des Originales selbst gewährte, und es eines solchen Versuches um so mehr verlohnen dürfte, als derselbe Gegen- stand bis jetzt keinen Bearbeiter gefunden hat. Denn der algebraische Com- mentar von Meier Hirsch, dessen Klügel’s Wörterbuch erwähnt, ist mehr eine blofse Übersetzung des Alten in die Sprache der Algebra, die jener nicht kannte und in welcher das Originale seiner Methode ganz und gar ver- schwindet. Um mit dem Wortverstande der Worte: Rational (öyrv) und Irrational (@Acyov) den Anfang zu machen, so ist jede wirkliche Zahl, nach den in ihr enthaltenen Einheiten, ein öyrov, läfst sich durch ein blofses Wort darstellen, wogegen eine räumliche Gröfse einer bildlichen Beschreibung im Raume bedarf. Da nun die Alten, nach des Euklides Definition, unter Zahl nichts anders verstanden, als eine begrenzte Menge gleicher Einheiten, so konnten sie nur rationale Zahlen für solche anerkennen, und diese waren alle nach der Einheit unter sich mefsbar. Der Raum dagegen bot Gröfsen dar, welche, wiewohl vollkommen gegeben, unter sich nach keiner Einheit com- mensurabel waren. Daher kommen in Euklides Zahlentheorie die Unter- schiede des Rationalen und Irrationalen; das Commensurabele und Incom- mensurabele, gar nicht vor. Diese sind blos beschränkt auf gerade Linien und Flächen. Und hierin zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zwischen jener alten Mathematik und der heutigen. In der letzteren wird der Raum selbst, sogar werden die entgegengesetzten Richtungen in ihm in Zahl verwandelt: daher sie unter irrationalen Gröfsen nur Zahlen versteht, die aber nach keiner Einheit wirklich ausgesprochen (önrev) sondern als ideal nur in dem Verfah- ven können erkannt werden, wodurch es möglich wird, sie der Form einer wirklichen Zahl, einer wörtlich angebbaren Menge von Einheiten so nahe zu bringen, als man will. über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. 343 Wenn nun solche nicht angebbare Irrationalzahlen, z.B. die Quadrat- wurzel aus 2, zu rationalen oder irrationalen addirt werden, so fällt in die Augen, dafs dies nur in Zeichen, nicht aber in der Wirklichkeit, geschehen könne, weil es einen Widerspruch enthält, eine nicht angebbare mit einer - wirklichen Zahl in ein Ganzes zu verbinden. Dagegen ist nichts was im Raum das Zusammenfügen rationaler und irrationaler Geraden oder Figuren verhinderte. Denn das irrationale Räumliche ist in seinen Grenzen eben so gegeben, als das rationale, und ihre Verschiedenheit von einander liegt allein darin, dafs kein gemeinschaftliches Maafs der Einheit für beides gefunden werden kann. Einem Widerspruche von der angegebenen Art entgingen die Grie- chischen Geometer, indem sie den Begriff des Rationalen auf den Raum be- schränkten. Eine beliebige Raumgröfse wurde als Rational zum Grunde ge- legt, und damit jede andere verglichen, die dann selbst rational war oder irrational, je nachdem eine gemeinschaftliche Maafseinheit für beide vorhan- den war, oder nicht. Auf solche Weise fiel die Theorie des Rationalen und seines Gegensatzes, der Geometrie anheim, und veranlafste das elegante Ver- fahren, welches wir bei Euklides antreffen. Die irrationalen Geraden des Euklides werden durch Zusammensetzung oder durch Trennung zweier Stücke gebildet: daher führen die Zusammen- gesetzten die Namen Binomien oder Bimedien. Die beiden Geraden, welche die ganze irrationale zusammensetzen, sind jederzeit unter sich in- commensurabel; dies hindert jedoch nicht, dafs Quadrate, die über ihnen gebildet werden, unter sich zusammen mefsbar sein können und rational. Wären diese letzteren incommensurabel, dann auch nothwendig ihre Seiten oder Wurzeln. Sind aber zwei Gerade nicht nach einer gemeinschaftlichen Einheit mefsbar und doch das über jeder gebildete Quadrat rational; wird dann aus ihnen ein Rechteck gebildet, welches nothwendig irrational sein mufs, und dies in ein Quadrat verwandelt, so heifst die Seite eines solchen eine Medie; und die aus Medien zusammengesetzten Irrationalen bilden eine eigne Klasse. Auf diese Weise giebt es drei verschiedene Hauptarten von Irratio- nalen durch Zusammensetzung. Entweder beide Stücke sind, ohne Medien zu sein, der Länge nach incommensurabel, dem Quadrat, oder wie es heifst, der Potenz nach, rational; aber sie sind der Potenz nach zwar 344 PoseLcer commensurabel aber nicht rational: Medien; oder sie sind der Potenz nach und daher auch der Länge nach incommensurabel. Die erste dieser drei Hauptklassen, zu welcher alle Binomien gehö- ren, begreift drei verschiedene Fälle unter sich. Nothwendig müssen näm- lich die beiden zusammenzusetzenden Stücke, da sie eines gemeinsamen Maafses entbehren, ungleicher Länge sein. Nun ist entweder das gröfsere Stück, oder das kleinere, oder es sind beide irrational; und zugleich, wenn der Unterschied ihrer beider Quadrate selbst in ein Quadrat verwandelt wird, ist mit der Seite des letztern das gröfsere Stück entweder zusammen mefsbar oder nicht; welche zwei Unterabtheilungen der erwähnten drei Arten sechs verschiedene Klassen von irrationalen Binomien bilden, die daher auch: Hexaden durch Zusammensetzung genannt werden. Aus den verschiedenen Klassen der Binomien sind die Bimedien ab- zuleiten, und zwar zwei Bimedien erster Art aus den Binomien der ersten Art und der vierten, zwei Bimedien zweiter Art aus den Combinationen einer Binomie der ersten mit einer der vierten Art; und einer Binomie der dritten mit einer der sechsten Art; wogegen aus den Binomien der zweiten und der fünften Art sich keine Bimedien ableiten lassen. Hieraus ergeben sich zwei, nicht mehr, Arten von Bimedien, jede mit zwei Unterabtheilungen, je nachdem das gröfsere Stück mit der Wurzel des Quadratunterschiedes beider zusammen melsbar ist, oder nicht. Die dritte Hauptklasse der zusammengesetzten Irrationalen nach den Binomien und Bimedien enthält die, deren Theilstücke weder der Länge noch der Potenz nach zusammen mefsbar sind. Unter dieser Hauptklasse sind drei, und nicht mehr als drei, Arten begriffen. Es läfst sich nämlich aus einer Binomie vierter oder fünfter oder sechster Art eine zweitheilige Irrationale von der vorhin angezeigten Natur ableiten, deren Theilglieder ein Rechteck bilden, welches ein Medium und die Summe ihrer Quadrate verbindet. Die Eigenschaft einer Binomie, dafs ihr gröfseres Theilstück nicht commensurabel sei mit der Wurzel des Qua- dratunterschiedes beider, macht eine solche Ableitung möglich. Die Bino- mien also der ersten, zweiten und dritten Art, bei denen dieses nicht statt findet, geben auch keinen Beitrag zu dieser, übrigens keinen eigenen Namen führenden Hauptklasse. Dagegen entsteht aus jeder der beiden Arten der Bimedien eine Art dieser unbenannten Irrationalen, nämlich aus der Bimedie - über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. 345 erster Art eine solche, deren Theilstücke ein rationales Rechteck bilden, während die Summe ihrer Quadrate rational und aus der Bimedie zweiter Art eine solche, deren Theilstücke ein Medium bilden, und zugleich ein Medium in der Summe ihrer Quadrate. Euklides hat keine andere aus zwei Theilstücken zusammengesetzte irrationale Gerade, als die eben dargestellten, wovon aber nur die sechs Bi- nomien als ursprüngliche, die übrigen als abgeleitete zu betrachten, daher auch das Ganze bei ihm den Namen führt der Hexaden durch Zusammen- setzung, obgleich überhaupt genau eilf solcher viertheiligen Irrationalen, nicht mehr, möglich sind, nämlich aufser den Binomien noch zwei Bimedien und drei, die keinen besondern Gattungsnamen führen, wovon aber nach ihren Eigenschaften eine die gröfsere heifst, die zweite die ein Rationale und ein Medium potenzirende, die dritte die ein Medium und ein Medium po- tenzirende. Zusammen bilden diese Irrationalien ein Ganzes, dessen verschiedene Zweige durch eine erschöpfende Zergliederung der dabei möglichen verschie- denen Fälle mit logischer Folgerichtigkeit und Bestimmtheit gegeben sind, sowohl ihrer Zahl nach als nach ihrer Stellung gegen einander. Das ganze System aber wird in allen Theilen bedingt und vollendet durch die sechs Ar- ten der Binomien. Analog der Binomie ist die Apotome, nur dafs hier das eine Theil- stück fehlt, welches mit dem übrig gebliebenen eine Gerade von einer vor- geschriebenen Bedingung bilden soll, und aus diesem Gesichtspunkt demsel- ben als congruent betrachtet wird. Die Ganze Gerade besteht aus zwei Theilstücken. Von diesen aber ist nur das eine vorhanden, welches zur gan- zen in einer analogen Beziehung steht, wie die beiden Theilstücke einer Bi- nomie oder Bimedie. Was dort Zusammensetzung war, wird hier Trennung. Die neuere Mathematik bewirkt eine solche Umänderung durch blofses Ver- ändern des Vorzeichens + in —, die ältere, einer geometrischen Anschauung nie entbehrend, behielt die Figur des Raumes bei Betrachtung seiner Gröfse Schritt vor Schritt im Auge, woraus sich die Nothwendigkeit ergab, andere Wege einzuschlagen bei Trennung räumlicher Gröfsen, als bei deren Zusam- mensetzung. So begreift es sich, warum Euklides’s Theorie der Irrationalen in zwei von einander ganz getrennte Abschnitte zerfällt, von denen der eine Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. I 346 PoseıLcer den Namen führt: Hexaden durch Zusammensetzung; der andere den: Hexa- den durch Trennung. Es läfst sich aber ganz auf demselben Wege, auf welchem die ver- schiedenen Arten der Binomien gefunden werden, statt jeder derselben, eine Apotome gleicher Art bestimmen und eben dieselben Schlüsse, welche dort die Zusammengesetzte als eine Irrationale bestimmen, finden auch auf die Trennung Anwendung. Dennoch hat hier Euklides einen andern Weg ein- geschlagen, sichtbar aus keinem andern Grunde, als weil solcher in diesem Falle der Natur des Raumes und seiner Figur mehr zu entsprechen schien. Er hat auch die Apotome im Gegensatze der Binomie nur im Allgemeinen als Gattung aufgestellt, um überflüssige Wiederholungen zu vermeiden. Wie aber aus einer Binomie eine Bimedie, so, auf ganz ähnliche Weise, läfst sich aus einer Apotome im Allgemeinen die Apotome einer Medie ableiten. Und auch der dritien, nämlich der unbenannten Klasse zweitheilig zusammenge- setzter irrationaler Geraden stellt die Analogie eine ganz entsprechende Klasse der Apotomen gegenüber. Nach diesem in seinem ganzen Umfange gefundenen Systeme zweithei- liger Geraden, Irrationalen durch Zusammensetzung oder durch Trennung, läfst sich nun eine Rationale mit einer der sechs Binomien zu einem Recht- eck zusammensetzen, dies aber, in ein Quadrat verwandelt, hat eine irrationale Wurzel von einer Art, welche durch die zusammensetzenden Seiten des Rechtecks bestimmt wird. So ist die Wurzelseite eines aus einer rationalen und einer Binomie zweiter Art zusammengesetzten Rechtecks eine Bimedie erster Art; gleichermafsen giebt das Rechteck zwischen einer rationalen und einer Binomie dritter Art eine Bimedie, u.s.w. In jedem der hier möglichen sechs verschiedenen Fälle, und durch die Art der irrationalen Seite eines Rechtecks dessen andre Seite rational, ist die Natur der Seite des dem Rechtecke gleichen Quadrates gegeben. Aber auch umgekehrt, wenn die Seite eines Quadrats eine zweitheilige Irrationale ist, und dasselbe in ein Rechteck verwandelt wird, dessen eine Seite rational, so ist die andere eine zweitheilige Irrationale, deren Natur durch die der Seite des Quadrats bestimmt ist. Dies ist es, was Euklides den Grundsatz der Hexaden nennt und was sowohl von den Hexaden durch Zusammensetzung gilt, als denen durch Trennung, den Apotomen. über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. 347 Ein zweiter von Euklides geometrisch dargethaner Grundsatz der He- xaden ist: wenn ein rationales Quadrat in ein Rechteck verwandelt wird, dessen eine Seite eine Binomie oder eine Apotome ist, so ist die andere eine Apotome oder Binomie. Ein dritter, dafs zwei der Hexaden, um commensurabel zu sein, von einerlei Art sein müssen. Dies gilt sowohl für die Irrationalen durch Zu- sammensetzung, als für die durch Trennung. Endlich ein vierter, dafs eine Gerade Irrationale, nur auf einerlei Art als eine Hexade oder Apotome in ihre zwei incommensurable Theilstücke getheilt werden kann. In der hier beabsichtigten treuen Darstellung der Methode des Eukli- des wollen wir uns, der Kürze wegen, folgender Zeichen bedienen: (') p, Rational; op, Irrational; Z, Commensurabel; 0£, Incommensurabel, der Länge nach; €, Commensurabel; o€, Incommensurabel, dem Quadrate nach. Bezeichnen «, ß, zwei gerade Linien; sei «> ß und a| B 20€ (das heifst: «, £, incommensurabel der Länge nach); so läfst sich setzen: entweder, @:p und d: op («: rational; Q : irrational) oder, a:opund@:p oder, a:pundQ:op und zwar letzteres in Bezug auf ein drittes Rationales. Sind m, n, Zahlen, nach Euklides Definition, so ist jederzeit m|n:X& (9) Es sind dies nahe bei dieselben Zeichen, deren sich G. F. Bärmann in seiner latei- nischen Übersetzung der Elemente des Euklides (1769) bedient hat. Xx2 348 PoszeLcer (m, n, commensurabel der Länge nach), weil jede solche Zahl durch die Einheit mefsbar ist. . Ist also [4 ß end so ist auch a| Bee weil wir immer «, ß, in m, n, gleiche Theile zerlegen können, und, damit obige Proportion statt finde, ein solcher Einzeltheil in beiden derselbe sein mulfs. Aus a|ß = folgt en @|@’ : £ (Quadrate der Commensurabeln) a|ß ae Nicht umgekehrt aber folgt a|ß: £aus«e|ß:€. Denn, wenn durch Con- struction, mittelst eines Kreises, Quadrate bestimmt werden: «, £?, die sich, wie Nichtquadratzahlen: p, g, verhalten: a so ist Be und dennoch aß Oz, Es kann also sein: 02 0=.0E (der Länge nach incommensurabel, der Potenz nach commensurabel), und dann ist | > Es kann auch sein: a|ß o6 und dann ist jederzeit auch a|ß : o£ wie solches aus dem unmittelbar vorhergegangenen folgt. Aus obigem folgt: wenn @a:p,; B:p; yip, so ist eß|y :&, und Y:p über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. 349 wäre Q: op, so: aß|y : og, mithin aß: auf gleiche Weise auch yß «op und da eB:yB=a:y aly:& so aß|yß SS zwei Flächen unter sich mefsbar, wenn gleich beide irrational. Eben dies gilt offenbar von den ihnen gleichen Quadraten. Wenn also «]® : oX, €, so sind zwei mögliche Fälle darunter begriffen: entweder «|: 0£, €, cr, wenn «’, @’, beide irrational, oder a|ß:o&, €, r, wenn beide rational sind. Ist nun gegeben a|ß on, €&,H so folgt @|aß 220 und weil, nach der Voraussetzung, @ : p, so ist aß?! cp. Ein solches Rechteck heifst: Medium; wird nun geometrisch ge- macht: aß =, so ist 6°: op, daher auch d: op, und es heifst die Gerade 8, eine Media. Hieraus ergeben sich nun drei Hauptklassen irrationaler Geraden: 1. alB202,6€,; I. «|ß:oX, €, med. (Medien) IT.,.e|9208e: Zur ersten gehören die Geraden, deren Quadrate rational; zur zweiten die Geraden, die, selbst Medien, irrational, deren Quadrate aber commensu- rabel, obgleich ebenfalls irrational; zur dritten die Geraden, die der Potenz nach, und daher auch der Länge nach, incommensurabel sind. Aus a|ß : o& folgt, dafs «, $, ungleich sein müssen. Wir wollen also jedenfalls voraussetzen: «> ß, und — @’=y’, so ist die Alterna- tive denkbar a|y: & oder a|y:0£. Durch Zusammensetzung aber, oder durch Trennung der ineommensurabeln «, ß, entstehen neue, irrationale, 350 Poseucer die also dem einen dieser beiden Wechselfälle oder dem andern gehören, wo denn zugleich sein kann, entweder die gröfsere @:opund ß:p; oder@:p, und ß:op, oder endlich @: cp und RB: cp. Auf solche Weise begreift folg- lich die erste der obigen drei Hauptklassen, zwei Gattungen und sechs Un- terarten in sich. Daher der Euklideische Namen: die Hexaden, welche ent- weder Hexaden sind durch Zusammensetzung, oder durch Trennung, in welchem letzteren Falle sie Apotome genannt werden. Die incommensurabeln Theilstücke einer solchen Zusammensetzung oder Trennung heifsen im Allgemeinen: Nomen, und, wenn sie Medien sind, heifsen sie auch Medien, daher die zusammengesetzten Irrationalen Binomien oder Bimedien heifsen. Zu der obigen ersten Hauptklasse also gehören ausschliefslich, als Ir- rationale durch Zusammensetzung, die sechs Arten der Binomien, welchen sechs analoge Arten von Apotomen, als Irrationalen durch Trennung, ent- sprechen, wovon weiter hin die Rede sein wird. Die Bimedien gehören zur zweiten der obigen Hauptklassen. Die Irrationalen der dritten Hauptklasse können unbenannte heifsen, da sie keinen besondern Namen führen. Die sechs Arten der Binomien aber werden durch Auflösung folgen- der Probleme gefunden: 1. Gerade: «|, zu finden, unter diesen Bedingungen: elB:o&,&, 5, @— A—=y;alyı$ ar, Q:o. Wir wählen zwei Zahlen, p, g, von solcher Beschaffenheit, dafs p® — qg’=m, eine Nicht-Quadratzahl, und setzen, was leicht zu machen ist, @:p, und e:9@ = p°:m; e— My so wird ap: 2 a.y=p:g daher aA: 08€, a: Bio aly : € Aus 9.2 0E folgt ala+R: 0X; «:pr, nach Voraussetzung über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. 351 daher a ET. Diese Irrationale «+ 3 heifst: Binomie erster Art. 2. Gerade: «, £, zu finden, unter diesen Bedingungen elB:0%, 6,5; de —P—=y;aly:S a:o,ß:p. Vorausgesetzt @ : p, und «, wie in 1. gesucht, so ergiebt sich ganz auf dem gezeigten Wege #9 :02,€, 5 02:0,®B:> aly:& a+ß:% und diese Irrationale « -+ @ heifst Binomie zweiter Art. 3. Gerade: «, 8, zu finden, unter diesen Bedingungen: ep 208, C, 5 Ps; aly:Z,a@:o; Q: op. Setzen wir a: p und wählen: g°, eine Quadratzahl; P; ?, Nichtquadratzahlen; p+9g° = m’, eine Quadratzahl. -Wir machen dann, was immer thunlich ist, rım®=a’:a’; daher «@’;,, und ala: 0, €, p5 » @scp rıp=a:Pr; daher £ 0%, €, p; » ß ferner machen wir p, und di wir haben dann pP en, folglich @ >; seier— l=y, so ist m’igd—=wW:y mig=a:y aly:& al@:oX, €, p also der Aufgabe genügt. Es läfst sich aber aus zwei irrationalen Theilstücken: «, £, kein ratio- nales Ganzes zusammensetzen: daher ist 352 PoserLGer a+ß:op und diese Irrationale heifst: Binomie dritter Art. Analog der Lösung des ersten dieser drei Probleme wählen wir nun zwei Zahlen p, q, von solcher Beschaffenheit, dafs 2° +g°=m, eine Nicht- quadratzahl, und setzen: @:p; e:Q@ =m:g’; dakera>ß. Sie — l'=y' so wird Bean: yıß =p:q y|ß:z elB2 EEE, 7 folglich aly: oz Diese letzte Bedingung ausgenommen genügt allen übrigen Bedingungen ei- ner Binomie erster Art diese eben erhaltene Irrationale «+: op, welche den Namen führt: Binomie der vierten Art. Wir dürfen aber für diese letztere Herleitung nur « : op setzen, so er- halten wir eine Binomie der fünften Art, welche allen Bedingungen der Binomie zweiter Art genügt, aufser, dals «|y: o£. Analog der Lösung des dritten obiger drei Probleme wählen wir nun g°, eine Quadratzahl; p, r, Nichtquadratzahlen; gq’—p=m’, eine Quadratzabl; wir machen dann a: p, und r29 =a 2; daher & 2 p,/und a|a: 0, €, p; » 0: 0p; ferner machen wir rım®=a?:; daher &: pr, und al9:08, 6, » Q:o Wir haben dann ee g° . Pp= @ ıy aly : oX. Diese Bedingung ausgenommen genügt allen übrigen Bedingungen einer Bi- über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. 353 nomie der dritten Art, die eben gefundene Irrationale «+ @: cr, welche den Namen führt: Binomie der sechsten Art. Wir wenden uns nun zur zweiten Hauptklasse der zweitheiligen Irra- tionalen der Zusammensetzung, welche die Bimedien unter sich begreift. Um diese nun ebenfalls vollzählig darzustellen, wird es nöthig einige Lehrsätze, die Medien betreffend, voranzuschicken. 1. Sei cc: Media cld: & so ist auch d: Media. Denn nach dem oben aufgestellten Begriff einer Media ist jederzeit zu setzen: RE ß wenn 69 20er Wir können jederzeit machen d=ua.6 so kommt «aßlad: & £je:=® daher a|d : o£ und s ler mithin 0408,60, und folglich dd’: med. d : Media. 2. Sei ce’! med.; d’ : med.; so ist e—d:op. Denn setzen wir, wie vorhin, =«.ß, € =«.6, so ist «| ß 0%, E; p aa se aß 8 °2 gleicher Weise ad s op Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Yy 354 Poseıcer daher a (98): 0p und [0 (8-8) =e0'—d:o. 3. Sele.med.; ca’: = so ist auch d’ : med. Denn setzen wir e=aß, so ist alß:o£, €, p Wir können aber auch setzen d’—= ud Dann ist, nach der Voraussetzung, «Blad: € Bılonz= Br Orr ro a|ß@:os ar BZ daher Oo [02 s ald;=x a|d:o&£, €, p, und d? : med. Die Bimedien, Irrationale durch Zusammensetzung, deren Theilstücke Medien sind, gehen aus den Binomien hervor, und die verschiedene Weise, wie dieses möglich ist, bestimmt ihren Character und ihre Anzahl. Dies erhellet aus der Lösung folgender Aufgaben: 1. Aus einer Binomie erster Art arb:o 1 ala:0&,€,7p ; ale rg ar; ad — D! — c! abzuleiten eine Bimedie arß:o a|ß ımed., &,€E ; - M=y ; ey. 3 aß:p. Nach der Voraussetzung ist ab: med. über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. 355 Machen wir ab=« ; a:med. ; «a:Media uud E DL =as .: aß:p; folglich a:b=a: ß @l@;z ; A":med. Q: Media daher a: =: ß°, mithin aaa; oe. und aly: = Die Irrationale «+: cz genügt also der Aufgabe. Sie heifst eine Bimedie erster Art. 2. Aus einer Binomie vierter Art eine Bimedie abzuleiten. Die Binomie vierter Art unterscheidet sich von der Binomie erster Art allein durch die jener zugehörige Bedingung a|c : o£. Dieses aber ändert in 1 nichts als dafs dann @|y: o£ wird. Also wird aus der Binomie vierter Art abgeleitet die Bimedie: a+ß:o alß:med.o&,E ; — Ar:y ; aly:o& ; aß:p Diese Irrationale heifst ebenfalls: Bimedie erster Art. i : B zweiten fünften z 8 i Aus einer Binomie der “, . oder der Art läfst sich keine er . dritten sechsten Bimedie ableiten. Dagegen ergiebt sich eine Bimedie besonderer Art aus der Combina- tion einer Binomie erster oder vierter Art; desgleichen eine Bimedie aus der Combination einer Binomie dritter oder sechster Art. Verbinden wir nämlich b . . erster 8 er eine Binomie nn) Art, arbiop; Blbauz, ce, a: a Bias hi: we a : : dritter mit einer Binomie von; sechster Art, b+d:op; = bjd:0&,€,p ; b:n ; dp ; b—d=e ; se, 356 Posercer Setzen wir ab=w ; a zmed. ; «:Media bd=aß ; aß:med. ad 00 5 :aldamoz ala: a|ß:oX ia; z @lar:z ag: = mithin ela@:z ; Azmed ; R:Media a:.d=a:M ; a>ßB,;, die G=y so ist mach rel —E0 37 Sei +e=g’'. Istnun alg::& , sorely:& ist alg:o£. ,„ so aly:o£. Hiernach ergeben sich zwei Bimedien zweiter Art «+: er, a|@: med. o&.€.....aß. med. welche sich von denen der ersten Art in nichts unterscheiden, als dafs, für diese, «.@:p und, für jene, «.ß : med. Wir wenden uns nun zu der dritten der oben aufgestellten Haupt- klassen der zweitheiligen Irrationalen durch Zusammensetzung, deren Theil- stücke nämlich weder der Länge noch der Potenz nach unter sich mefs- bar sind. Ihre Form ist hiernach bedingt durch: ßB: o€ und «, 2, werden auf folgende Weise gefunden: [04 Wir setzen: a>c und ale: oz ;;€ so können wir annehmen a Seinun b=2e und ® —=(a—f) f, so kommt (a—2f = c; a—2f —IE Da nun so ist auch und eben so über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. ale: 0£ 2f: oX a—f|f: € a(a—f)|af: oz a Wir können aber jederzeit machen ) so ist mithin aa); af=R' aß? : oX a EEE was zu finden war. 357 Die so eben dargelegten Bedingungen der ganzen dritten Hauptklasse zweitheiliger Irrationalen geben drei, und nicht mehr als drei, darunter ste- hende Arten. Sie sind nämlich anzutreffen in den Binomien vierter, fünf- ter und sechster Art, woraus eine jener Arten abgeleitet wird. Sie finden sich ferner in der Bimedie erster Art, woraus die zweite flieist. Endlich sind sie auch den Bimedien zweiter Art eigen, und daraus läfst sich eine dritte Art des oben angegebenen Characters herleiten. Sei nämlich @-+b : op eine Binomie vierter, oder fünfter, oder sechs- ter Art, so ist immer a|b: 0X, €, p !2—d=cd, ; alc:02 also, nach dem vorhin gezeigten, erhalten wir: daher folglich aber auch daher a|ß . oE “= a(a—f) je] == af er —a nl: ”o a + [er “op w«. = a (a—f)f a?’ .e! 358 PoseEeLcer B=ae—=tab ab. med. also aß. med. Die aus «,, zusammengesetzte ad = op unterliegt daher diesen Bedin- zungen: alB:oE ; @+R:p 5; aß:med. Ist @-+b:op eine Bimedie erster Art, so ist albzmed..oS,E ; !—-WH=da z alesoz ; abip mithin auch hier al@ : vE und wir erhalten, wie vorhin, «+ [ek —— hl d.h. hier ferner, wie vorhin, und daher hier aß: ::5; die hieraus abgeleitete zweitheilige Irrationale «++: c> unterliegt also diesen Bedingungen: al@:oE ; @+Pimed. ; aß:p. Ist a-+b: op eine Bimedie zweiter Art, daher alb:med,o&E ; @« —b=a ; ale:o£ ; ab: medium so erhalten wir daraus: a|ß . o€ a 2 = a daher a + 3% : med. und aß= ab: med. Die hieraus abgeleitete zweitheilige Irrationale ist also diesen Bedingungen unterworfen: aß:oE ; @+Pr:med. ; aß: med. über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. 359 In jeder der eben gefundenen drei Arten von Irrationalen ist das zum Grunde gelegte: alb : o&; daraus folgt atlab . 0£, woraus, für sämmtliche drei Arten, a + | aß:oE. Euklides hat keine andere aus zwei Theilstücken: «, £, zusammengesetzte irrationale Gerade, als die in den vorigen Auflösungen gefundenen, näm- lich: sechs Binomien; zwei Bimedien, deren jede zwei Unterarten hat, und drei unbenannte, also eilf an der Zahl. Die drei letzteren entstehen, wie wir gesehen haben, aus Binomien, oder Bimedien. Aus Binomien entsteht nur eine, und wird die Major genannt; aus Bimedien zwei verschiedene, wovon das Quadrat der einen («+)? enthält die Summe zweier rationaler Flächen: «’++ und ein Medium: 2a; das Quadrat der zweiten («+P)": die Summe zweier Flächenmedien: «+ @’ und ein Medium: 2«, welches die Alten so ausdrücken: jene potentiirt ein Rationale und ein Medium; diese ein Medium und ein Medium Zusammengenommen bilden diese Irrationalien ein Ganzes, dessen verschiedene Zweige, durch eine erschöpfende Zergliederung der dabei mög- lichen verschiedenen Fälle, mit logischer Folgerichtigkeit und Bestimmtheit, sowohl ihrer Zahl, als ihrer Stellung nach gegen einander gegeben sind. Anschaulich macht solches folgende Tafel. Die allgemeine Form ist: @«+%:cr. Hierunter sind begriffen : I. Binomien. Ihre gemeingeltenden Bedingungen: 8208,67 5-0>B ; we hez Besondere Bedingungen der Arten und Unterarten: (A): a|ly u: K2): aly Sop= (a).a: p ; Brop ; B. erster Art; (a).a:p; (b).a:ep ;.B: p ; B. zweiter » (b)@500 5 ().a:op ; Bieop ; B. dritter » (o$).a:o; op ; B. vierter Art; : o ; B. fünfter » sop ; B. sechster » DIT- 360 PoseuLger II. Bimedien. Ihre gemeingeltenden Bedingungen: al@: med. o&,€ ; a>B ; ww M—=y. Besondere Bedingungen der Arten und Unterarten: (4) . a® : p; Bimedie erster Art; (eo). 2. ey = (b) . aly:o& (B) . «aß : medium; Bimedie zweiter Art; (a) . aly:& (db) . aly: oz, II. Unbenannte. Ihre gemeingeltenden Bedingungen: «|ß :oE : @ + aß: oX, Besondere Bedingungen der Arten und Unterarten: (4) Major: @+:p ; aß: medium; (B) die ein Rationale und ein Medium potentürende: «@ + ? : medium ; aß: ag (C) die ein Medium und ein Medium potentirende: @-+?:medium ; «aß: medium. Da, nach dem gesagten, die Bimedien aus den Binomien entspringen, und die übrigen, unbenannten, Irrationalen aus beiden, so wird das ganze System der zweitheiligen Irrationalen bedingt und vollendet durch die Bino- mien. Dies, ohne Zweifel ist der Grund, warum sie bei den Alten im All- gemeinen die Hexaden hiefsen. Analog der Binomie ist die Apotome. Die Zusammensetzung in der Binomie wird eine Trennung in der Apotome. Die neuere Mathematik be- wirkt eine solche Umänderung durch blofses Verändern des Zeichens + in —. über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. 361 Dies reicht auch hin, so lange nur gerechnet wird. Das Endresultat aber der Rechnung bedarf nun noch, wenn ihr Gegenstand ein räumlicher war, einer besondern Anwendung auf diesen, weil dann mit Änderung der Größe im Raum auch die Figur sich ändert. Die Alten, denen eins vom andern un- zertrennlich schien, behielten bei ihren geometrischen Betrachtungen die Figur des Raumes Schritt vor Schritt im Auge, und daraus ergab sich die Nothwendigkeit, andere Wege einzuschlagen bei Trennung räumlicher Ge- genstände, als bei deren Zusammensetzung. So begreift es sich, warum die Abhandlung des Euklides über die Irrationalen in zwei von einander ganz getrennte Abschnitte zerfällt. Der eine davon führt den Namen: Hexaden durch Zusammensetzung; der andere: Hexaden durch Trennung. Dies vorausgeschickt, läfst sich, genau auf demselben Wege, auf welchem vorhin die verschiedenen Arten der Binomien gefunden wurden, anstatt jeder derselben, eine Apotome gleicher Art bestimmen, und eben derselbe Schlufs, welcher dort die Zusammensetzung: «+, als eine Irra- tionale zu erkennen giebt, findet auch auf die Trennung «— $, Anwen- dung. Dennoch hat hier Euklides einen andern Weg eingeschlagen, gewils aus keinem andern Grunde, als weil solcher, in diesem Falle, der Natur des Raumes mehr zu entsprechen schien. Übrigens hat er auch nur das Genus: Apotome, nicht die den sechs verschiedenen Binomien entsprechenden Unterarten derselben, deren Dar- stellung nur eine Wiederhohlung des schon von den Binomien gezeigten sein würde. Auf dieselbe Weise, wie aus zwei Medien durch Zusammensetzung die Bimedie erster Art ethalten wird, geht aus zwei Medien durch Trennung eine Apotome hervor, welche den Namen führt: Apotome einer Medie, erster Art. Eben so der Bimedie zweiter Art entsprechend ergiebt sich die Apo- tome einer Medie zweiter Art. Die Herleitung dieser letzteren aber zeigt von selbst, dafs sie nicht unmittelbar auf die der ersteren übertragen werden kann. Jener Major der zweitheiligen Irrationalen durch Zusammensetzung entspricht eine Minor durch Trennung. Die ein Rationale und ein Medium potentiirende Zusammengesetzte geht durch eine leichte Änderung über in eine Apotome gleicher Art: dagegen bedarf die Apotome, welche ein Me- dium und ein Medium potentiiren soll, einer Herleitung, die sich wesentlich Phys.-mathemat. Abhandl, 1834. 22 362 PossugeEr von der unterscheidet, aus welcher die ihr entsprechende unbenannte Irra- tionale durch Zusammensetzung entspringt. Hiernach lassen sich die verschiedenen Apotomen, mit ihren Herlei- tungen, in folgender Tafel mit einem Blicke übersehen. I. Apotome. Sei al BozyE, pe so ist a | «aß :0ox | ran a 7 | 2 aß ;oxX («—R)' | +R:ox£ Es ist aber ar: p daher (a— ß)' 2uch) ‘5 a—ß: op welche Gattung, nach Analogie der Binomien, sechs Arten unter sich be- greift. I. Apotome einer Medie. (4) Apotome einer Medie erster Art. ei «| 2 med..oz,E ; aß:p Aus a|ß : o£ folgt a | aß: oX, Nach der Voraussetzung ist a | ar: & daher @+ß|2aß : oX und («— Br | 2uaß : o£ Es ist aber aß: p daher («a — By" aroBr% a—B:o. über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. (ZB) Apotome einer Medie zweiter Art. Sei a|@ : med. o&,€E ; «aß: medium. Aus a|ß 0X folgt a] aß: o€ Nach der Voraussetzung ist e+PR| @ :< ; @ +? : medium ar | 2aß: oX Setzen wir nun: und machen @+ß=gh; so ist glh=0£, €, p 200 = gi, sort ige = 08,6, Es ist aber auch @+fr|zaß: o£ ghlgi: oz folglich hli:o&,€,p und h—i : cp, Apotome I. sh—N:o glh—i) = (e— By daher EB > cp» III. Unbenannte Apotome. Allgemeiner Character: alß:o€E ; @+P|aß:ox. (#) Minor @+f":p ; aß: medium. Es folgt hieraus a + | aß: oxX (a—B)' | + ß? x o£ (Pi daher a—ß:o. Zz2 364 PoseuLcer (Z) die ein Rationale und ein Medium potentiirende Apotome; ihr Cha- racter: alß:0E ; «+? .medium ; «@:p. Ihre Herleitung ist ganz gleichlautend mit der in (4). (C) die ein Medium und ein Medium potentiirende Apotome; ihr Charac- 2 ter: «|B:0€ ; «+7: medium ; «®: medium und «+P’|aß: 0X. ei 8-Pp @ + 2° —=gh ; glh:02,€,p Dep er rel Porn gh\gi: oz ki :05,€> h—i: cp; Apotome I. sh—N): g(h—i) = (a— B)' a— ß .0 Wird ein Rechteck gebildet, dessen eine Seite rational, die zweite eine Binomie ist, und wird das Rechteck in ein Quadrat verwandelt, so ist die Seite dieses, eine der Irrationalen durch Zusammensetzung. Dies ist der von Euklides so genannte Grundsatz der Hexaden, wel- cher für jede derselben, wie folgt, erwiesen wird. I. Sei a:pund«+%: or, Binomie erster Art. Es ist also alB:o&,€&,p ; —-M=y ; alyszin as Br (A werde gesetzt: werde ferner: Aus ß=28 a(«—f) = d afla(@-f): Ds) f fe folgt Be = («a —2f)r aft=de ale: & SI En 2ad = aß=2de lee Ep «e—2f|y:& — ER a (d-+e)’ =a (<+£) weil aber und weil ae ealy :& Es ist ER i so ale u P18: z alaf: = af «|8 :0& or len = Sle—f:& a|af . = a(«—f) | «eo = aflak—f): FE d’|de ;0& p über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. 365 I. Sei @:; und «++: cp, Binomie zweiter Art. Es ist also 9: 05,6, 035 d-B ey salyıs ara Dip Aus alß ,o& und aß: € folgt ala :0&,€,p Wie in I. wird nun gemacht am. = alf :0&,€E,p ; af : medium ala—f:X< ala—f: 0X, €E,p ; a(a—f): medium und, nach I, d:med. ; e:med. auch, nach I, (d+e)’ =a (+) a(a—f)|af: & die ;< Ale €, med. und weil a(a—f)|ad : oz d’\de : o£ d|e : oZ, €, med. ß :P 5 y p aö:p ; de:p daher d-+e:cp, Bimedie erster Art. II. Sei a: und «+: cp, Binomie dritter Art. Es ist also: aB:08, €, ; —A=y ; ayıS 5; 500% B:op. Weil a:p ; @:cr, so gilt die Herleitung II. auch für II, nur mit dem Un- terschiede, dafs dort 283 p:;, deayas 366 PosELGEr hier aber: a]: al ot: a|ß : 29 = MIMM aber auch a |Iß :o&,€p ; daher «@ : medium. Blase = a|d :0&,€,p ; daher «ad : medium und de : medium. Also ist a («+Pß) = (d-+e)! dla oS26, med. ; de : medium daher d-+e:op, Bimedie zweiter Art. IV. Sei a:p und a+R: cp, Binomie vierter Art. Es ist also «19:08, €, 7 e—-Q=y ; aly:0o& ; a:p; B: op. Auf demselben Wege, wie in I, kommt: aa=d’+ e Weil a@aıp . aly : 0& Te so ıst de ip a—f)|f : € a = alf : o€ aß: < a—f|« :o& a|ß : €, o&, p a(a—f)|a«: 0 daher d’|e? : oZ aß : medium dje : o€ und daher de : medium. d-re : op, Major. V. Sei @:p und «+: op, Binomie fünfter Art. Es ist also alß:o&,&,p ; e—B=y 5; alyıo& ;a:p ; B:a Hier wird ala : o£, €, p über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. daher aa@ : medium de? : medium ann ide weil nun aly: 0x so ist a—f|a: 0 a(a—f)|au : 0& d’|e! ; o& die : €, folglich d-+e : cp, eine ein Medium VI. Seia:punda+ß:% Es ist also 9:02, 6,01; e—-M=y ; aly:o& ; ap; Q:op. Hier ist (—f)|f: d’\e: Nun ist Q Ta auch und ein Rationale potentiirende. ‚ Binomie sechster Art. oz oz o€ oz ß a—h (@«+ß) Wir machen @—kß a+B:ß=k:h; also =: Wir können daher setzen: k=h+f aB=fen, also f>h Wir können daher auch setzen Jshzh+sis so ist oder auch RES fzseh h+/+sYhr+s=s+h:!s AHfrs: (hrs —hrf+sıs=w:ß daher h+f+s|s: & h+-f|s:X& Nun ist a'|(h+f)ß ee daher (+f)R:p; über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. 369 aber auch Bsp daher h+f\R:X mithin s| 2 und weil a:B=h+rsis so auch h+s|a: & also sind « und A+s; ß und s gleichnamige Theilstücke, und es ist, weil «++ :0cp eine Binomie, (A+s) — s: op eine Apotome, =. Sei ferner (k+s) — s’ = 87 a— = y so folgt yıdö=a:hfrs Hiernach erhält % die Bedingungen einer Apotome, von einerlei Art mit der Binomie «++ :cp, und die gefundene Apotome bildet mit der gege- benen Binomie ein rationales Rechteck. Es sei, für den zweiten Wechselfall, asp a—B:op, Apotome ; a>ß a—=h («—ß) und machen wir a — ka a—B:B=k:h;,adlokh—s und weil j a:ß=s:h—s so ist s+h—s=h eine Binomie derselben Art, wie die gegebene Apotome @—:op, und jene über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. 371 die zweite Seite des rationalen Rechtecks, wovon die Apotome die gege- bene eine Seite ist. Sind zwei irrationale zweitheilige Gerade durch Zusammensetzung commensurabel, so sind beide von derselben Art. Die zwei commensurabeln Irrationalen mögen sein a+ß: c> und d-+HEeio. ' Ist nun «+ eine Binomie, oder eine Bimedie, oder eine der ungenannten zweitheiligen, so ist d++e von derselben Art. Denn es sei I. «+: eine Binomie, folglich 09.08, 6,p und o+e=h «a+ß er = Wir können machen: a+ß:d+s=a:6, und daraus folgt e+B:ö+e=ß:;; hieraus eB=dtie > ald:& 5 Biere also Öle:0&,€E,p ; d-+e:op, eine Binomie. Sei nun a _-G=oy ,; dell so ist aıy=d:l und oz oz aly:z ; lg: = folglich d-+ 8: cp eine Binomie derselben Art, wie «+: or. I. «+: eine Bimedie, folglich alß : med. oz, € Wenn nun arß|d+re: 8 so kommt, wie in I, auch Öle: med. o&,€ ; ö-+E:cp, eine Bimedie Aaa2 312 PosELGer araß — Öt:de a|dö:<, so auch aß | de EZ woraus erhellet, dafs &+e:cp und die Commensurable «+ 8: cp Bimedien sind von einerlei Art. II. «+: eine der unbenannten zweitheiligen Irrationalen, mithin a|ß 20c Wie in I, erhalten wir a:ß=d:: a+ß:d+e=u:d Ist nun a+ßjöre:& so ist auch @ |& ee aloe: = daher auch aß | de IseS Aus a: ß9 = Ö:98 folgt a + [3 |H+e:X und aus aß : oz folgt le : o£ woraus erhellet, dafs d&+e:cp und die Commensurable unbenannte @-+Q:cp zweitheilige unbenannte Irrationalen sind von einerlei Art. Derselbe Grundsatz gilt vermöge derselben Herleitungen I; II; III; wenn wir darin Apotomen setzen, statt der Hexaden durch Zusammenset- zung. Eine gerade Linie kann nicht auf zweierlei Art in eine zweitheilige Irrationale zerlegt werden. Denn es sei eine Binomie («+Pß):op = (d+:):0p so kommt «+ — (re) —=2(de— aß). Setzen wir «ip über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. 313 so ist e@+ß!=aH ss 5 "+em=al ; I:p. Wir können immer machen: zaß=ah ; 2de=ai so ist ah : medium ; a’: medium. Es ist a + BT — (8° 8°) —=2 (de = aß) a(H—I) =a(h-—!). Es ist aber offenbar H—I:o und a (h—i):o also wäre ein Rationales gleich einem Irrationalen, welches unmöglich ist. Eben dasselbe kommt, wenn wir statt der Binomien a+ß ;d+s, Apotomen setzen: a—ß ; d—e. In allen Fällen, also wo eine gerade in zwei verschiedene Binomien zerlegt, oder zwei verschiedenen Apotomen congruent werden könnte, würde sein: entweder H—T:g und h—i:gp oder H—I:pwudh—i:o oder A—I:o und h—i:o welches entweder eine Gleichheit zwischen Rational und Irrational, mithin etwas Unmögliches, oder die Gleichheit zweier verschiedener Apotomen H—I; h— , voraussetzen würde, welche nicht statt finden kann. Auf dieselbe Weise ergiebt es sich sofort, dafs auch nicht eine Apo- tome zugleich eine zweitheilige durch Zusammensetzung; überhaupt keine zweitheilige Irrationale durch Zusammensetzung, oder durch Trennung zu- gleich eine andere dergleichen sein könne. Werden zwei Rechtecke 4:2 ; B: medium, in eins zusammenge- setzt und dann in ein Quadrat verwandelt, so ist die Seite dieses Quadrats eine Binomie. Denn es sei: 4A+B=4k und a:: so können wir setzen: 374 Nun ist daher Poseteer über das zehnte Buch der Elemente des Euklides. A=ag ,;, B=ah , A+B=a(g+A)=Kk BERND san ZI OS re, g|h 0 g-+h: op, Binomie erster Art folglich, nach I. Seite 364, k : Binomie. Über den Bau der Farrnkräuter. Erste Abhandlung. on HP EHI NIE: mannnNAwwwwe [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 16. Januar 1834.] | alten allen natürlichen Ordnungen der Gewächse ist die der Farrnkräuter eine der sonderbarsten. Eine geringe Entwickelung der Blüthe und Frucht ist hier mit einer grofsen Ausbildung des Stammes und der Blätter verbun- den; der vollkommene Bau der Phanerogamen vereinigt sich hier mit dem unvollkommenen der Kryptogamen. Es ist ein Naturgesetz des Organismus, dafs die Theile sich auf dieselbe Stufe der Entwickelung zu bringen streben; ein Gesetz, welches bei sehr verschiedenen Stufen der Entwickelung grofse Anstrengungen, ja, so zu sagen, einen Kampf hervorbringt, der Übertrei- bungen und Hemmungen zur Folge hat und gewissermafsen ande Mon- strositäten erzeugen kann. Wir sehen dieses besonders an dem Bau der Farrnkräuter, welche ihre Früchte auf der Rückseite der Blätter tragen; sie sind die sonderbarsten aller Gewächse, die nur in wenigen Beziehungen mit einander sich vergleichen lassen. Was wir Farrnkräuter nennen, und was sich von den Phanerogamen nur durch die Kryptogamie unterscheidet, zerfällt in drei Abtheilungen. Zu der ersten gehören die Epiphyllospermae, welche die Früchte auf der Rückseite der Blätter tragen und welche die Familien Polypodiaceae, Hy- menophyileae, Osmundaceae, Gleicheniaceae, Marattiaceae und Ophioglosseae begreifen. Die zweite Abtheilung wird von den Familien Zycopodiaceae und Salviniaceae gebildet, wo die Blätter ganz von den Früchten getrennt sind. Zu der dritten Abtheilung gehören die Zgwisetaceae allein, deren Blätter auf einer sehr geringen Stufe der Entwickelung, als sehr wenig ausgebildete Scheiden stehen bleiben. 376 Lıs«& Von der Bildung der Polypodiaceae als der Musterbildung unter den Epiphyliospermae will ich zuerst reden. Der Stamm ist der wichtigste Theil der Pflanze, aus dem sich alle andern entwickeln; wir müssen mit ihm an- fangen. Es giebt aber fünf verschiedene Arten des Stammes (caudex), welche wohl von einander zu unterscheiden, selten aber gehörig unterschie- den sind. Die erste Art wollen wir den stengelartigen Stamm (caudex caulescens) nennen. Er ist immer kriechend, entweder auf der Erde durch Wurzeln, welche in diese herabsteigen oder auf und an Felsen und an Bäu- men, in deren Ritzen die Wurzeln dringen. Er ist ferner mehr oder weni- ger ästig, stielrund, oft mit Spreublättchen (sgquamae) bedeckt, von grüner oder brauner Farbe. Wir haben kein einheimisches Farrnkraut mit einem stengelartigen Stamme, wohl aber viele ausländische. Die Polypodien mit einfachen, unzertheilten Wedeln gehören fast alle hierher und sonst auch viele derselben Gattung, z.B. P. aureum mit den verwandten Arten, P. ra- mosum ebenfalls mit den verwandten Arten, welches als eine Musterbildung dieser Art von Stamm angesehen werden kann. Die Wedelstiele kommen an diesem Stamm einzeln hervor. Die zweite Art des Stammes ist der sprossenartige (c. stolonescens). Hier liegt der Stamm ganz unter der Erde und treibt überall Wurzeln; die Wedel kommen einzeln wie an dem vorigen hervor und steigen aufwärts. Es ist zwischen diesem und dem vori- gen Stamme allerdings kein grofser Unterschied, und kein anderer, als den man an den vollkommenen Gewächsen zwischen den Ausläufern und den Stämmen selbst bemerkt, die im Grunde nur durch den Ort verschieden sind, indem man jene Stämme unter der Erde nennen kann. Sehr viele Farrnkräuter, auch einheimische, gehören zu dieser Abtheilung, z.B. Pte- ris aquilina, Polypodium vulgare — die sogenannte radix Polypodü ist nichts als ein solcher Ausläufer —, die ganze Gattung Adiantum, sowohl die süd- europäische als die ausländische, und viele andere. Die dritte Art von Stamm ist der knollige (c. tuberascens), der an dem einheimischen 4spi- dium Fılix mas und an sehr vielen andern einheimischen und ausländischen Farrn gefunden wird. Die Wedelstiele kommen in einem Haufen aus einer flüssigen Masse hervor; die äufsern zuerst, die innern später, wie dieses auch an den knolligen Stämmen der vollkommenen Pflanzen, z.B. am Sel- leri (Apium graveolens) der Fall ist. Zuweilen treibt dieser Stamm Ausläu- fer, und dann vereinigt sich diese Gestalt mit der vorigen. Der knollige über den Bau der Farrnkräuter. 371 Stamm geht über 4) in den baumartigen (c. arborescens). Er ist nur ein verlängerter knolliger, meistens hohler Stamm. Die Wedelstiele stehen an demselben auf dieselbe Weise als an dem meistens knolligen Stamm; die äufsern sind zuerst hervorgebrochen, die innern später. Auch wechseln sie am baumförmigen Stamm wie am knolligen mit einander und bilden so Schraubenlinien. Kurz der baumartige Stamm unterscheidet sich vom knol- ligen nur durch seine Länge. Endlich 5) eine Art von Stamm, welche ich den strauchartigen (c. frutescens) nennen werde. Er ist ein verlängerter knolliger Stamm wie der baumartige, bleibt aber im Verhältnifs zu seiner Länge immer sehr dünn, ist niemals hohl und hat nur durch die nach allen Seiten hin gerichteten Überbleibsel von Blattstielen einen grolsen Umfang. Er kommt selten vor; unter den einheimischen an Struthiopteris germanica, unter den ausländischen an Blechnum. Doch es ist nothwendig, diese ver- schiedenen Arten von Stämmen genauer und ihrem innern Bau nach zu betrachten. Ein Durchschnitt von dem stengelartigen Stamme des Polypo- dium ramosum ist wenig vergrölsert (Tab.I, Fig. 1) abgebildet. Man sieht hier keine ausgezeichnete Rinde, sondern ein fast gleichmäfsiges Zellgewebe erfüllt den ganzen Stamm. In diesem liegen Holzbündel von ungleicher Gröfse in einem Kreise, jedes mit einem braunen Ringe umgeben. Ein gro- fser Holzbündel ist Fig.4 in einer 400 maligen Vergröfserung vorgestellt, ein kleiner Fig.5 ebenfalls in einer solchen Vergröfserung, und eben so der Längsschnitt Fig.6, welcher zur Erläuterung dient. Man sieht hier in der Mitte eine Reihe von grofsen und kleinen Spiralgefäfsen, die fast alle schon in den Zustand der Treppengefälse übergegangen sind. Ein straffes Zell- gewebe umgiebt sie, mit einigen gelblich gefärbten Fasergefäfsen, dann folgt etwas weiteres Zellgewebe, zum Theil braun gefärbt, welches den braunen Ring des Holzbündels bildet, endlich lockeres Zellgewebe, wie es den gan- zen Stamm anfüllt. Man sieht beim ersten Blick, wie nahe die Bildung der Monokotylenbildung steht, wo ebenfalls Holzbündel in Kreisen umherliegen. Hätte Mohl (!) einen solchen wahren Stamm untersucht, so würde er nicht gesagt haben, dafs die Ähnlichkeil der Farrnkräuter mit den Monokotyle- (') Siehe Icones plantarum cryptogamicarum Brasiliensium, quas coll. et descr. d. Mar- tius p.50. Mohl’s Abhandlung de szructura caudicis Filicum arborearum fängt p- 40 an. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Bbb 378 Lınk donen nur im Äufsern bestehe und dafs ihnen die gesonderten Holzbündel fehlen, welche diese auszeichnen. Ich habe den Stamm von einem neuen Polypodium, welches ich iteophyllum im Hort. bot. Berol. genannt habe, un- tersucht, ferner von Polypod. deflexum, percussum, persicariaefolum, auch aureum und überall denselben Bau gefunden. Wenn die Stämme im Her- barium trocken sind, so kommt der Kreis in Unordnung und selbst die Holz- bündel bleiben oft nicht ganz rund. Ich will nur kurz bemerken, dafs der sprossenartige Stamm völlig denselben innern Bau hat, wie man am Po- Iypodium vulgare sehen kann. Indessen sind allerdings bedeutende Unterschiede zwischen dem Bau der Monokotylen und dem Bau der Farrnkräuter. In diesen ist immer nur ein Kreis von Holzbündeln vorhanden, in jenen bemerkt man immer mehrere, besonders in den ältern Stämmen. In diesen sind die Bündel sehr ungleich an Gröfsen, in jenen sind sie gleich, oder wenigstens unbedeutend an Gröfse verschieden. In diesen liegen die Spiralgefäfse in einem geraden oder etwas gebogenen Streifen, wie die Figuren zeigen, in jenen bilden sie ein Dreieck oder einen rundlichen Haufen, nie einen Streifen. Auch im Äufsern ist der Stamm der Farrnkräuter verschieden. Er hat nie Knoten oder Absätze, wie sie sich immer an den Monokotylen finden; die Wedelstiele kommen gerade zu aus dem Stamme hervor, und nicht aus dem Winkel von Scheiden; end- lich hört dieser Stamm mit einem stumpfen Ende plötzlich auf, ohne an sei- ner Spitze junge Triebe zu bilden. Die Art, wie ein Wedel aus dem Stamm entspringt, ist Tab. I. vorgestellt. Nämlich Fig. 1 ist ein Querschnitt des Stammes, da, wo keine Wedel entspringen; Fig. 2 ist ein Querschnitt dicht unter dem Ursprunge der Wedel, und man sieht, dafs sich die Holzbündel in mehrere kleine getheilt haben, die dann (Fig.3) in den Wedelstiel über- gehen. In dem untern Theile des Wedelstiels sind zwei dieser Holzbündel noch getrennt (Tab.II, Fig. 1), obwohl viel gröfser als sie noch in Tab. I, Fig.5 waren; nach oben zu nähern sie sich und stofsen zusammen (Tab. II, Fig.2). Von dieser Doppelheit der Holzbündel in jedem Wedelstiele wird noch unten die Rede sein. Sehr merkwürdig und eigenthümlich ist der Bau des knolligen Stammes (caudex bulbescens) der Farrnkräuter. Ganz anders als ein Knol- len oder eine Zwiebel der Phanerogamen läuft dieser unten spitz zu und er- weitert sich nach oben immer mehr. Man sieht einen halben Längsschnitt über den Bau der Farrnkräuter. 379 des untern Theiles von Zspidium rivulorum Tab.Il, Fig.4 wenig vergröfsert abgebildet. Er besteht aus einem Marke von dunkelbrauner, beinahe schwar- zer Farbe, welches von unten bis oben (a,c) der Länge nach durchläuft, einem grünlich-weilsen Fleisch (d, d) und einer Rinde (2, 5) aus derselben Substanz, woraus das Mark gebildet ist. Auf der äufsern Fläche sieht man eine grofse Menge von Wurzeln (g,9,g8), die in der Mitte jenes grünlich- weifse Fleisch haben und mit der dunkelbraunen Rinde überzogen sind. Das grünlich-weifse Fleisch im Stamme bricht überall seitwärts durch, das schwarze Mark folgt, umhüllt jenes, und so bildet sich ein Wedelstiel, wie bei p die Fig.8 zeigt, den Querschnitt von Fig.4, und zwar vom breitern Ende, nicht vergröfsert. Man sieht hier in der Mitte das dunkle Mark, und im Umfange drei Wedelstiele (a,a,a) gesondert und eben so drei (b, 5,5) mit einander verwachsen. Jeder dieser Wedelstiele hat seine zwei grofse und einen oder einige grünlich - weifse Fleischbündel oder vielmehr Holzbündel (c,c) von der braunen Substanz umgeben, welche die Rinde bildet. Ein Querschnitt, 4 Linien höher als der vorige, zeigt Fig. 9 noch mehr verwach- sene Wedelstiele, und noch 2 Linien höher sind auch die innern Fleisch- bündel verwachsen oder fangen an sich zu berühren (Fig. 10). Es besteht also offenbar und deutlich der ganze knollige Stamm aus zusammengewach- senen oder noch nicht gesonderten Wedelstielen. Stärkere Vergröfserungen (460 mal) zeigen die braune Substanz des Markes und der Rinde als ein braunes Zellgewebe (Fig. 6), welches in der Mitte zwischen den beiden Arten steht, die ich Parenchym und Prosenchym genannt habe. Die Membran der Zellen ist hier selbst gefärbt, nicht der darin enthaltene Stoff; ein Fall, der, so viel ich weifs, nirgends in der Klasse der Phanerogamen vorkommt. Etwas von der grünlich- weifsen Sub- stanz der Holzbündel zeigt sich Fig. 7. Es ist in dünnen Stücken ungefärbt, in Masse etwas grünlich und besteht aus eckigen Zellen, die zu der Art von Zellgewebe zu rechnen sind, welches ich Parenchym genannt. Das braune sowohl als dieses grünlich-weilse Zellgewebe ist mit grofsen Körnern er- füllt, die sich durch Jod sehr schön blau färben, also zum Amylum gehören. Die Bündel von grünlich-weifser Farbe zeigen bei gehöriger Vergröfserung Öffnungen von grofsen Gefäfsen und haben völlig die Zusammensetzung der Holzbündel im stengelartigen Stamme, wie sie Tab. I, Fig. 1, 4, 5, 6 vorge- Bbb2 380 Lınk stellt sind, so dafs ich es für überflüssig gehalten habe, eine derselben in einer gleichen Vergröfserung wiederum vorzustellen. Der baumartige Stamm der Farrn erscheint äufserlich als eine Ver- längerung des knolligen Stammes, nur dafs die Wedel mit ihren Stielen ab- gefallen sind und nur noch die Narben zurückgelassen haben. Diese Narben befinden sich daran in denselben wechselnden Reihen, wie an den knolligen Farrn die Wedelstiele, nur ist hier alles mehr auseinander gezogen und ver- längert. Sieht man auch ein baumartiges Farrnkraut in seiner Jugend, z.B. das Diplazium ambiguum Baddi, welches nach diesem Schriftsteller einen Stamm von 6-7 Fufs Höhe erlangt, in unserm botanischen Garten, so kann man es durchaus nicht von einem knolligen Farrn unterscheiden, und man erfährt nur aus Raddi’s Nachrichten, dafs es zu den baumartigen gehört. Ich habe dieses Exemplar nicht aufopfern wollen; da es sich aber im AÄufsern durchaus nicht von den knolligen Farrn unterscheidet, so glaube ich berech- tigt zu sein, die Anatomie der knolligen Farrn auf die Anatomie der baum- artigen anzuwenden. Wir haben keine baumartige Farrn mit einem ausgewachsenen Stamme in dem botanischen Garten. Der nun in Nord- Amerika verstorbene Bey- rich brachte für den Garten grofse Stämme aus Brasilien, die aber sich nicht lange hielten. Einen von diesen Stämmen hat der Hr. Graf v. Stern- berg in seiner Flora der Vorwelt abgebildet, den andern besitze ich noch. Doch gehören diese Stämme nicht zu den gröfsten, weil man nicht glaubte, diese lebendig überbringen zu können. Gröfsere sah ich in der Sammlung der Zinnean Society in London, bei R. Brown, darauf bei Herın Hooker in Glasgow, welcher mir auch einen Querschnitt von einem sehr dicken Stamme gefälligst gab. Endlich hat mir Herr Meyen nicht allein mehrere solche Stämme gezeigt, sondern mir auch Stücke freundlichst mitgetheilt, und so habe ich auch einige sehr ausgezeichnete Stücke Herrn Professor C.H. Schultz zu verdanken. Die baumartigen Farım haben alle eine deutliche von dem darunter liegenden Holze gesonderte Rinde, die sich zuweilen durchaus ablösen läfst. Sie besteht ganz und gar aus brauner Substanz, wie in den knolligen Farrn (Tab. II, Fig.4 2,2), und wenn man diese mikroskopisch untersucht, so fin- det man sie aus braunen Zellen bestehend, aber noch mehr parenchyma- tisch als Tab. II, Fig. 6. Darunter liegt das Holz in einem Ringe, doch sel- über den Bau der Farrnkräuter. 381 ten, gewöhnlicher in solchen Absätzen, wie man Tab. II, Fig 5c,c,c aus einem Farrn von Brasilien sieht. Jeder dieser verschlungenen Absätze be- steht aus einer Umgebung von dunkelbraunem Zellgewebe und einem viel helleren Zellgewebe, worin Spiralgefäfse oder vielmehr getüpfelte Gefäfse von ansehnlicher Gröfse sich befinden. Vergleicht man den Querschnitt eines ausgebildeten baumartigen Stammes (Tab. II, Fig.5) mit den Quer- schnitten eines knolligen oder werdenden baumartigen Stammes (Fig. 5, 6, 7), so wird man eine grolse Übereinstimmung finden. Die hervorspringenden Stellen a,a,a (Fig.5) bezeichnen die Narben der Wedelstiele und eben so bezeichnen ähnliche Stellen (Fig. 8, 9, 10) die Stellen, wo die Wedelstiele sich befinden, welche Fig. 8 und 9 zum Theil gesondert, Fig.9 verwachsen sind. In Fig. 10, wo die Verwachsung der Wedelstiele zu den Holzbündeln vorgedrungen ist, tritt auch die Ähnlichkeit mit Fig.3 noch mehr hervor. Aber der baumartige Stamm unterscheidet sich noch auffallend durch die Holzbündel, welche in einer geringern Anzahl als in dem knolligen Stamm und auf eine sonderbare Weise gedreht und gewunden sind. Doch wir fin- den Fig. 10 schon den Anfang von der Windung jener Holzbündel in den Wedelstielen, und wenn wir diese Holzbündel weiter nach oben in den We- delstielen desselben Aspidium rivwlorum vergleichen, so finden wir die Win- dungen noch weiter fortgesetzt. Es ist also wohl kein Zweifel, dafs die Ge- stalt des baumartigen Stammes Fig.5 (dessen Art ich nicht kenne), sich so gebildet hat, wie Fig. 8, 9, 10, nämlich aus verwachsenen Wedelstielen. Der baumartige Stamm der Farrn besteht also aus verbundenen und ver- wachsenen Wedelstielen; er ist eine Fortsetzung des knolligen Stammes, oder vielmehr die Wedelstiele sind mehr und länger in ihrer innigen Verei- nigung geblieben in dem baumartigen Stamme, als in dem knolligen, wo sie sich schr bald sondern und ausbreiten. Er ist weit verschieden von dem wahren Stamme der Farrn, wie er oben von Polypodium ramosum beschrie- ben und untersucht ist. Der letztere hat grofse Ähnlichkeit mit dem Baue des Stammes der Monokotylen, der erste viel weniger. — Ich habe gar viele baumartige Stämme von Farrn gesehen, welche ganz hohl waren; ich habe andere gesehen und besitze solche, welche unten hohl und oben dicht sind; andere zeigte mir Herr Meyen, wiederum be- sitze ich andere ganz mit Mark erfüllte. Dieses Mark bestcht in einigen, grölstentheils aus braunem Zellgewebe, wie in dem knolligen Stamme Fig. 4, 382 Lınm«k in den meisten aber ist es auf eine sonderbare Weise von anderm Zellgewebe durchzogen. Von der sonderbaren Bildung der Wedelstiele werde ich ein anderes Mal handeln. Wir haben eine sehr genaue und vortreffliche Beschreibung des baumartigen Stammes der Farrn von Herrn Mohl in den Zcones planta- rum quas in Brasilia colleg. et descr. I. Th. de Martius Monach. 1828-34, p-30. Er zeigt darin, dafs in diesen Pflanzen das Holz einen Ring oft bilde, wie in den Dikotylen, dafs auch selbst, wo der Ring unterbrochen ist, wie wir Tab.II, Fig.5 sehen, diese Unterbrechung nur in einem kleinen Raume statt findet, wo Holzbündel nach dem Wedel gehen. Durch diese Bildung eines Ringes unterscheidet sich nach ihm der Stamm der Farrn gar sehr von dem Stamme der Monokotylen, aber auch von dem Baue der Dikotylen weiche er sehr ab, denn er zeige keine Jahrringe und sei ganz ohne alle Markstrahlen. Er äufsert sich dabei über das Anwachsen der Monokotylen, der Dikotylen und der Farrn, welches zu untersuchen hier nicht der Ort ist. Überall zeigt sich der Verfasser, wie man ihn schon lange kennt, als einen genauen Forscher. Doch habe ich Manches gegen seine Folgerungen einzu- wenden. Es scheint mir, als ob der Verfasser die Arten des Stammes der Farrn nicht gehörig von einander geschieden habe. Er vergleicht den baum- artigen Stamm mit dem Wedelstiele, aber von den wirklichen kriechenden Stämmen ist, so viel ich finde, nicht die Rede. Er hat daher die Ähnlich- keit mit den Monokotylen nicht bemerkt, welche doch, wie wir oben gese- hen, grofs ist. Er hat ferner die baumartigen Stämme nicht in der Jugend untersucht, oder da solche nicht leicht zu haben sind, so hat er nicht zu der Ähnlichkeit mit den knolligen Farrn seine Zuflucht genommen, welche ihn würde überzeugt haben, dafs die Meinung, es entstehe der baumartige Stamm der Farrn durch Verwachsen der Wedelstiele, so weit von der Wahr- heit nicht abweiche, als der Verfasser meint, der von ihr sagt, dafs sie plane a wveritate abhorrere. Die Vergleichung mit den Dikotylen ist ganz erzwun- gen, denn wenn auch zuweilen das Holz in einem Ringe zusammenhängt, so ist doch dieses gar selten der Fall, und das Durchgehen einiger Gefäfs- bündel durch die Lücken des Holzringes, um zu den Blättern zu gelangen, ist so beispiellos unter den übrigen Dikotylen, dafs sich beide Gewächs- klassen kaum mit einander vergleichen lassen. Der Verfasser setzt den Un- terschied nur in dem Mangel der Jahrringe und Markstrahlen in den Farrn; über den Bau der Farrnkräuter. 383 allerdings ein Unterschied, der wohl statt finden mufs, da hier sich das Holz auf eine ganz andre Weise bildet, als in den Dikotylen. Auch Herr Meyen hat sich in seinem Jahresberichte über die Fort- schritte der physiologischen Botanik (Wiegmann’s Archiv f. Naturgesch., Th.I, S.163), auch schon in seiner Reisebeschreibung über die Meinung geäufsert, dafs die baumartigen Farrnstämme aus Wedelstielen bestehen, und zwar bei Gelegenheit meines Buches über die Urwelt, zweite Auflage. Seine Worte sind: ‚‚Herr L. sagt, dafs die Blattstiele bei einigen Farrn zusam- mengewachsen sind und Stämme bilden, welche sich zu 15 und 20 Fufs Höhe erheben. Indem der Stamm sich erhebt, wachsen unten Blattstiele nach, welche sich aber nicht zu vollkommnen Blättern entwickeln, sondern sich von den eigenthümlichen blattartigen Theilen lösen, und nun die Figuren bilden, welche bis jetzt für die Narben der abgefallenen Blattstiele gehalten wurden. Diesen Ansichten, setzt Hr. M. hinzu, können wir nicht beistim- men; geleitet durch die Untersuchung dieses Gegenstandes an vielfach ver- schiedenen Arten und Gattungen wissen wir genau, dafs sich die einzelnen Blattstiele aus der Spitze des Stammes entwickeln, ohne vorher in dem Stamme vorgebildet gewesen zu sein. Am untern Theile des Stammes wach- sen aber niemals Blattstiele nach, sondern die Narben auf dessen Oberfläche entstehen blofs durch das Abfallen der früher an der Spitze gestandenen Blattstiele. Hieraus möchte schon hervorgehen, dafs der Stamm der Farrn nicht durch Zusammenwachsen der Blattstiele gebildet sein kann; ganz be- stimmt wird dieses aber durch die Vertheilung der Holzbündel widerlegt, welche ununterbrochen durch den ganzen Stamm hindurchlaufen und nur seitliche Äste zu den einzelnen Blattstielen abgeben. Hr.L. glaubt ferner, dafs alle diese Farrnstämme hohl waren, was aber nur im trocknen Zustande so erscheint; in der Natur haben wir an den wirklichen Stämmen dieser Ge- wächse niemals eine Höhle gefunden und wir haben so manchen schönen Stamm abgehauen und auch noch ganz gefüllte mitgebracht.”. Ich wünschte, Hr. Meyen hätte mir die Freundschaft erwiesen, auf eine andere Stelle des angezeigten Buches $.235 Anm. zu achten, wo sich Folgendes findet: ‚‚Was ich oben S. 174 folg. von den Farrnkräutern gesagt habe, ist im Ganzen richtig, nur kannte ich den Bau der baumartigen Farrn noch nicht genau, so dafs Alles, was darauf Bezug hat, einer Verbesserung oder genauern Bestimmung bedarf. Der Stamm der baumartigen Farrn ist 334 Lınk nach oben zwar hohl, nach unten aber dicht. Er besteht hier aus zusam- mengewachsenen oder vielmehr in eine Masse verwachsenen unentwickelten Blättern und stellt eine Knospe vor, wächst auch wie eine Knospe. — Die Narben der abgefallenen Blätter u. s.w.” Hier ist die Meinung, als ob die Blätter von unten nachwüchsen, als ob die Eindrücke von andern Theilen als abgefallenen Blättern herrühren, gegen welche Hr. M. redet, ganz verwor- fen, — ich hatte dabei andere Farrnordnungen im Sinn, wovon an einem andern Orte. — Auch rede ich hier bestimmt von Narben der abgefallenen Blätter. Hr. Meyen ist ein viel zu genauer Beobachter, als dafs er darauf bestehen könnte, der Satz, die baumartigen Farrnstämme bestehen aus We- delstielen, lasse sich durch Beobachtungen auf Reisen widerlegen. Ich habe oben meine Meinung darüber auseinandergesetzt. Was nun das Hohlsein der Farrnstämme betrifft, so mufs ich Hrn. Meyen glauben, dafs sie im lebendigen Zustande dicht sind, doch scheint mir die im Umfang geglättete Höhlung der trocknen Farrnstämme sehr bedenklich. Darauf kommt aber nichts an; ich wollte nur aus den sehr oft hohlen Stämmen den Umstand erklären, dafs die fossilen Farrnstämme in der Regel platt gedrückt sind, was doch bei dichten Stämmen nicht so leicht geschehen könnte. Ich fürchte aber, nach einigen später erhaltenen Stämmen, dafs ich die Sache umge- kehrt habe, dafs die Stämme mehr nach unten hohl sind als nach oben. Eine solche Umkehrung ist aber, wenn man nur einzelne Stücke sieht, leicht möglich. Lindley hat in der Zinglish fossil Jlora bei Gelegenheit der Sigillaria pachyderma t.54, 55 einige Bemerkungen über die baumartigen Farrn ge- macht, welche grofser Berichtigungen bedürfen. Er sagt S.153: ‚,Zwei- tens (was wir zuerst nehmen wollen), ist klar, dafs die Rindenbedeckung der Sigillaria von der Natur einer wahren Rinde war, nämlich völlig abzuson- dern von der holzigen Axe, ohne zerrissen zu werden, wie die vielen Über- bleibsel von rindenlosen Stämmen, welche gar gemein sind, beweisen, da in den baumartigen Farrn die Rindenbedeckung von der Natur der falschen Rinde der Palmen und Monokotylen dann ist, welche sich nicht mehr von dem Holze trennt, als Späne vom Holze selbst.”” Der Verfasser irrt hier sehr. Aus dem Öbigen erhellt, dafs der baumartige Stamm der Farrn dann fast gar keine Ähnlichkeit mit dem Stamme der Palmen und Monoko- tylen hat. Die baumartigen Farrn haben eine zwar dünne, aber wohl ge- über den Bau der Farrnkräuter. 385 schiedene Rinde, wovon ich ein sehr gutes Exemplar besitze. Sie besteht ganz und gar aus jenem braunen Zellgewebe, welches aus der Mitte hervor- tritt und alles umwickelt; eine Bildung, wovon Hr. Lindley nichts zu ken- nen scheint. Seine erste Bemerkung ist: ‚‚In baumartigen Farrn articuliren die Blätter nicht mit dem Stamme, lassen auch keine reine Narbe zurück, wenn sie abfallen, und haben meistens keine holzige Axe, mit welcher sie durch Gefäfsbündel verbunden sein könnten, sondern sie sind im Gegentheil Fortsetzungen von gebogenen, holzigen Platten, welche den hohlen cylin- drischen Stamm bilden.’’ Ich weifs nicht was der Verfasser meint. Alle Stämme von baumartigen Farrn, die ich gesehen habe, sind mit den Narben der abgefallenen Blätter oder Wedel besetzt, und gar oft ist die Narbe ganz glatt, auch mit den Zeichen von Holzbündeln versehen, welche das Innere des Stammes bilden. Zspidium articulatum hat sogar, ohne baumartigen Stamm, deutlich und rein articulirte Wedelstiele. Ob aber die Sigillarien Farrn sind, ist allerdings die Frage. Manches ist an ihnen sehr abweichend von den jetzt noch lebenden Farın, und hat daher manche Forscher bewogen, sie andern Pflanzenordnungen, z.B. den saftigen Euphorbien oder den Cacteen näher zu stellen. Vergleicht man in- dessen genau, so wird man finden, dafs doch die Farrn die nächsten blei- ben. So beruft sich Lindley auf die Beobachtung von Ad. Brongniart, dafs nämlich in einer Kohlengrube ein an der Spitze verästelter Stamm ge- funden wurde. Die Beschreibung deutet aber keinesweges auf die Veräste- lung einer Euphorbie oder eines Cactus, sondern einer Palme, einer Dra- caena u. dergl. Bedenken wir nun, wie selten das Beispiel einer ästigen Hy- phaena unter den Palmen ist, so werden wir einen ästigen baumartigen Farrn nicht aufserordentlich finden. Wichtiger scheint mir, was man nicht an- führt, die Stellung nämlich der Eindrücke an den Sigillarien. Sie stehen einzeln oder gar paarweise in einer Reihe über einander, wie Sigillaria ocu- lata zeigt. Eine solche Stellung ist der wechselnden Stellung der Wedel an den Farrn durchaus widersprechend und scheint zu einer ganz andern Pflan- zenfamilie zu führen. Allerdings ist sie auch der Stellung der Blätter oder Zweige an den Cacteen oder Euphorbiaceen eben so widersprechend. Aber wir finden auch an den Farrn gar oft andere Theile als Blätter oder Wedel, an den baumartigen Stacheln, zuweilen gar lange Stacheln, an den kraut- Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. E26 386 Lısk artigen Schuppen. Zwar stehen die Stacheln an den jetzt lebenden, -so viel ich weifs, unregelmäfsig, jedoch würde eine regelmäfsige Stellung derselben nichts dem Bau der Farrn Widersprechendes haben. Es ist auch nicht noth- wendig, dafs die fossilen Farrn zu der Ordnung der Polypodiaceen gehören. Die Gleicheniaceen haben bei sehr vieler Ähnlichkeit doch gar viele Abwei- chungen von den Polypodiaceen. Noch ist ein dritter Einwurf, den man gegen die Übereinstimmung der Sigillarien mit den Farrn machen könnte, der auch, so viel ich weifs, noch nicht gemacht ist, nämlich die Längsfur- chen oder Längsabtheilungen, die sich an den Sigillarien so auffallend fin- den, dafs Sigillaria Organum davon sogar den Namen führt. Aber dieser Einwurf läfst sich beseitigen. Die baumartigen Farrn sind oft eckig, und zwar nach den grofsen und gewundenen Bündeln von Holz und braunem Zellgewebe eckig, wie ein mir vorliegendes Stück zeigt. Wenn nun ein solcher Stamm, wie gar oft, hohl ist und durch eine grofse Last platt ge- drückt wird, so müssen solche Abtheilungen entstehen, wie sie manche Si- gillarien auszeichnen. Ein Hauptgrund, dafs die fossilen Stämme, von de- nen hier geredet wird, zu den Farrn gehören, ist immer das äufserst häufige Vorkommen der Blätter von Farın, und zwar unbezweifelt von Farrn, in den alten Steinkohlenlagern, indem alle andere vegetabilische Reste fehlen, oder doch wenigstens sehr selten sind. Nun haben allerdings die Cacteen und grofsen Euphorbiaceen keine Blätter, aber diese weiche Pflanzen konn- ten wohl nicht leicht fossil werden, und wenn auch der untere Theil des Stammes holzartig wird, so ist doch dieses Holz, wenn auch zähe, doch leicht zerstörbar; es fällt bald in Fasern auseinander; dagegen sind die baumartigen Farrn von einer grolsen Festigkeit und Dichte des Holzes. Der strauchartige Stamm der Farrnkräuter ist von einer merkwür- digen, bisher ganz übersehenen Beschaffenheit. Untersucht habe ich ihn bis jetzt nur an unserer einheimischen Struthiopteris germanica, er kommt auch an andern vor. Siehe die Abbildung Tab.II, Fig.3. Hier sind die Wedelstiele offenbar und deutlich seitwärts mit einander verbunden oder zusammengewachsen, so dafs an diesen Farrn aufserhalb geschehen ist, was an den baumartigen Farrn mehr nach Innen vorging. Ferner sind hier die Wedelstiele bei der Seitenverbindung von einander entfernt geblieben, in- dem sie an den baumartigen Farrn ganz mit einander verschmolzen sind. So ist diese Gestalt gleichsam die Exposition der vorigen und zeigt, welche über den Bau der Farrnkräuter. 387 Neigung die Wedelstiele haben, sich mit einander zu verbinden und in einen Stamm zusammen zu wachsen. C.B. Cotta hat in seinem Buche: die Dendrolithen (Dresd. u. Leipz. 1832. 4) unter dem Namen T'udi caulis (?) ramosus Tab.UI, Fig. 1 u. 2 einen Stamm vorgestellt, der höchst wahrscheinlich zu diesen strauchartigen Farrn gehört. Um eine etwas eckige Mitte, vermuthlich von zerstreutem Mark, liegen eine Menge Wedelstiele herum, mit einem gebogenen Holzbündel, wie sie sonst im stengelartigen Stamme vorkommen. Doch sind die Wedel- stiele so mannichfaltig in ihrer innern Bildung, dafs sie auch wohl diese Ge- stalt annehmen könnten, und die Stellung in Kreisen um einen Markstamm in der Mitte deutet auf Wedelstiele. Die Vergleichung unserer Abbildung mit Cotta’s Tafel wird von der Ähnlichkeit dieser Stämme überzeugen. — ET — Gee2 m. raus a” emshsr hund h mih sch ai er 3 | gaeiy alla vmbeibtre ne lee Miimdale: neilni Rn 0 Pr snain/T \ N - gend A u‘ ee 79 hehe i | Ar was iuhantHsih RM ge Mel WIRT Re iu near um en ae nr a | nel, BER e Cur = BORN ET a IN PER Bi an ce a ehe u ee oil on an re u ih ı HD AP nuaner hie rs 5 die In wa a FOR “N we uchrer I Ar Dear in ren A ee re m PSER nhay, ai ee ri sietl, WEL ET ia Ru NUT alu 3 une ae aan he Re Hillehr Zara EEE E INT BBETIER el or Verz Ve Be Neal Hi : is er WDArZ TEN Ip HT 7 ' j PB 3 tn D . ar } 4 e 5 E l . i r_ = \ > 3 - Ps 6 f Zr B} nn . . = * =. = 3 u 2 = » $ Pr) - nr < Y un h) Ye = . * " D ’ u B j Rn gt u ( [u 7 FR 5 = . 3 ” bu ie TabT. Hrıı: Links dbhkandtiber Farrnhrauter. Lfyysähz. Iilasse: 7834 Zu weder ve CE Schmied Gez Aw Hrn Links Abhandt. uber Farrnkrauter Ihgsik Llasse 1034. Tabl. Oex. 10: Btte.v. CE Sofzade- u u Be; iR es, L A; Br e i 2 u E% N m is eb aus Ek er u ne EN we "u Mr {ef 18 Me Pr ar a a = Bi RT r u 1 N # R. 4 Bu Br ir I zZ W m ” ’ nn Ri. 1 X Hu f" RR DR a: A Pc En. wi I E ö al Be; nu Ar 4 du) %“L He Jar N er y VRR BR Bi ” m wit f fi Du al u al Bi = 2 ink: 3 " 7 Dr u h { N ii Ri N . u Dr. vr a ” 3 0 I " u kkigeen Be EN IEEN 4 r el: l er Ye Au K B 1 I Be Mr An Ga R er HD R; le RR ae » en ae Mad an a 75 BR "a re TR # ey hi "2 ” a r N s BEN Sa # de Re ER Bu PR N Pi + Hu ;' % ur Über die Formeln für die Variation der Constanten bei den planetarischen Störungsrechnungen. „on TaENCKE MANAMWUWVVYDVUVEN [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 6. März 1834.] D. berühmten Formeln, durch welche Lagrange in dem Memoire sur la theorie des variations des elemens des planetes (Mem. de ÜInstitut de France 1808.) den Einflufs der störenden Kraft auf die Elemente des gestörten Pla- neten, die letztern als veränderlich betrachtet, ausdrücken lehrte, werden in den neuesten Zeiten vielfach zum Grunde gelegt bei diesem Theile der physischen Astronomie. Auch Herr Direktor Hansen ist bei der neuen Form der Störungen, auf welche sich seine von der Akademie gekrönte Preis- schrift bezieht, von ihnen ausgegangen. Das Princip, was bei den Formeln von Lagrange angewandt wird, die sogenannte Variation der willkührlichen Constanten, ist dasselbe wie dasjenige, von welchem man bei Betrachtung der Störungen der kleinen vier Planeten und der Cometen auszugehen ge- nöthigt war, die Endformeln können deshalb nur durch die Verschieden- heit des Ausdrucks, den man für die Kraft annahm, verschieden ausfallen. Bei Lagrange werden die Kräfte durch die partiellen Differentiale der von ihm sogenannten fonction perturbatrice gegeben. Bei der andern Anwendung auf Cometen müssen sie, da jede Reihenentwickelung unmöglich wird, so genähert als möglich direkt ihren numerischen Werthen nach berechnet werden. Wenn deswegen auch der analytischen Form nach in dem Endre- sultat eine Verschiedenheit obwaltet, so sollte doch der Beweis seinem Gange nach gleichförmig sein müssen und erst da sich trennen, wo der angenom- mene Ausdruck für die störende Kraft einwirkt. Dieses ist indessen bei den bisherigen Ableitungen nicht der Fall. Die eingeschlagenen Wege sind ganz 390 Encke über die Formeln für die Variation der Constanten verschieden, und eben deshalb die Identität beider Endformeln weniger in die Augen fallend. Gewöhnlich geht man bei den Störungsformeln, wie sie bei den Co- meten angewandt werden, von den Integralgleichungen aus, welche ein ein- zelnes Element durch die Coordinaten des gestörten Planeten und seine Geschwindigkeit am einfachsten ausdrücken. Durch die Differentiation die- ser Gleichungen in Bezug auf die Zeit, wenn sowohl die Gröfsen, die un- mittelbar von der Zeit abhängen, als auch die Elemente als variabel ange- sehen werden, erhält man, wenn die ersten Differentiale der Coordinaten eben so wie in der reinen Ellipse genommen werden, die zweiten dagegen, so wie sie in der gestörten Ellipse statt finden, eine Gleichung, welche für das eine Element den Differentialquotienten als Funktion der störenden Kräfte giebt. Hiebei liegt die Identität der auf die Coordinatenaxen projicir- ten Lineargeschwindigkeiten in der reinen und gestörten Ellipse zum Grunde, ' so bald der Ort in beiden identisch angenommen wird. Diese letztere An- nahme dient nachher dazu, um für die Elemente, deren unmittelbarer Aus- druck durch Ort und Geschwindigkeit etwas weitläuftig ist, die Differential- quotienten auf leichtere Weise herzuleiten, indem man überhaupt anneh- men darf, dafs die Differentiation jeder Gleichung zwischen Coordinaten und Elementen in Bezug auf die Zeit eine identische Gleichung geben mufs, wenn die rein elliptischen Werthe der Differentialquotienten substituirt wer- den, so lange die Elemente als constant gelten; dafs folglich der Theil der differentiirten Gleichung, welcher aus der Variabilität der Elemente ent- steht, in unserm Falle allein zu betrachten ist und das Verhältnifs der Dif- ferentialquotienten der verschiedenen Elemente zu einander giebt. Kennt man diese Differentialquotienten aus andern Gleichungen schon alle bis auf einen, so wird jede solche differentiirte Gleichung den noch unbekannten Differentialquotienten eines neuen Elementes kennen lehren. Anders ist der Gang bei Lagrange. Vermöge der eigenthümlichen Form der störenden Kräfte, die er angenommen, beweist er zuerst ganz all- gemein, dafs die Differentialquotienten der störenden Funktion in Bezug auf jedes Element ausgedrückt werden können durch die ersten Differential- quotienten der als variabel betrachteten Elemente in Bezug auf die Zeit, mul- tiplieirt mit gewissen Faktoren, die aber alle ganz frei von jeder Funktion des Ortes des gestörten Planeten sind, und nur aus den Elementen gebildet bei den planetarischen Störungsrechnungen. 391 werden. Diese allgemeine Eigenschaft dient ihm dazu, die Faktoren selbst zu finden, indem er die Berechnung derselben dadurch abkürzen kann, dafs er gleich von Anfang alle Glieder, die solche Funktionen des Ortes in dem Endresultat enthalten würden, wegläfst. Er drückt so zuerst die Differen- tialquotienten der störenden Function in Bezug auf jedes Element durch die Differentialquotienten der Elemente in Bezug auf die Zeit aus, und durch Umkehrung der Gleichungen findet er diese durch jene. Der Weg, den Lagrange eingeschlagen, scheint bei weitem der vor- züglichste wegen der grofsen Symmetrie, alle Elemente werden ganz gleich behandelt, und der Eleganz, die mit einem Blicke übersehen läfst, was vor- ausgesetzt wird und warum die Annahmen gemacht sind. Nur die Weit- läuftigkeit der analytischen Entwickelung scheint seine Befolgung verhindert zu haben. Der folgende Versuch wird zeigen, wie man diese Weitläuftig- keit vermeiden kann, und bei ganz unbestimmt gelassener Form für die stö- rende Kraft auf ihm die Endformeln finden, so wie dann auch die leichteste Substitution jeder beliebig gewählten Form die verschiedenen Ausdrücke in den verschiedenen Anwendungen unmittelbar giebt. g eines materiellen Punktes um einen andern festen materiellen Punkt hat man nach dem Newtonschen Gesetz der Anziehung die drei Gleichungen Für die Bewegun d?x as a dt? r dE k? —_. oo dit” z d?z k°z = 7 =0 dt“ r wo x,7,2,t, die drei rechtwinklichten Coordinaten des bewegten Punktes und die Zeit sind, wenn der Anfangspunkt bei sonst beliebigen Coordinaten- axen und Ebenen in den festen Punkt gelegt wird, r die Entfernung beider, und A* die in den festen Punkt vereinigt gedachte Masse ist. Legt man dem bewegten Punkte ebenfalls eine Anziehungskraft oder Masse bei, deren Ver- hältnifs zu der Centralmasse durch m ausgedrückt wird, so bleiben die For- meln ganz unverändert, mit der einzigen Ausnahme, dafs für A* die Summe 392 Encke über die Formeln für die Variation der Constanten beider Massen A? (1-Hm) gesetzt werden mufs. In jedem Falle ist A? eine Constante. Diesen Differentialgleichungen wird vollständig Genüge gethan durch die folgenden Annahmen: 7 4-re cos o x = r(cos(e+w) cos — sin + uw) sin R cos Z) y=r(cs(e+w) sin Q®-+ sin (+ w) cos % cos ’) z2z=r sin +u) sin 7 wo a,&,6,w, 8,1, die sechs Constanten sind, welche für die vollständige Integration der 3 Differentialgleichungen des zweiten Grades erfordert wer- den. Der astronomischen Bedeutung nach sind sie die halbe grofse Axe der Ellipse, die Epoche der mittleren Anomalie, die Eccentricität, der Winkel- abstand des Perihels vom aufsteigenden Knoten gezählt in der Bahn, die Länge des aufsteigenden Knotens, die Neigung der Bahn. Die Zwischen- funktionen Z und », excentrische und wahre Anomalie sind, so wie r der Radius vector, Funktionen der Zeit. Der halbe Parameter p, eine aus a und e gebildete Constante ist nur des einfacheren Ausdrucks wegen ein- geführt. Dafs diese Annahmen, deren Ableitung aus den Differentialformeln hier weiter nicht in Betracht kommt, wirklich den Fundamentalgleichungen Genüge thun, kann man durch die wirkliche Differentiation prüfen. Man findet damit dE _ k a a a2 Tr de __ k.yp @2.7, mn dr _ k.esino a A . . . d: und wenn man des Folgenden wegen die Differentialquotienten — en In besonders auch x, y, 3, bezeichnet bei den planetarischen Störungsrechnungen. 393 2, = T =— ur . sin (o+w) + esinw) cos + (cos („+w) + e cos )) sin &% cos i} = — =— r - (sin (+w) + esinw) cos I — (cos (Hu) + e cos w) sin &% cos 2 2, = E=+,, . [ (cos (+) + e sin w) sin 3 bei welchen der blofse Überblick zeigt, dafs dx, __ k’x dyı Bu k?y dz, k?Z en 5 Ba, j ’ —— dt 7 dt T dt FR Es wirke jetzt aufser der Kraft A” eine andere Kraft noch auf den be- wegten Punkt ein. Ihre Gröfse werde durch 7? bezeichnet, und die Rich- tung, in welcher sie wirkt, werde dadurch bestimmt, dafs auf einer um den bewegten Punkt beschriebenen Kugel, welche von den positiven Theilen der Coordinatenaxen in den Punkten XYZ getroffen wird, die Richtung der Kraft in Q trifft, so dafs sie von dem Anfangspunkt nach @ hin strebt. Bezeichnet man den Bogen des gröfsten Kreises zwischen Q und X YZ durch QX QFY QZ und ähnlich bei jeden andern zwei Punkten, so werden die neuen Gleichungen ?x k®: Er -=PcosQX dt % d? k? 2 Ge + — = P co or E d?z k®z wa Zr P cos QZ. Um diesen neuen Gleichungen genug zu thun, kann man die früher gefundene Form von xyz beibehalten, wenn man die darin aufgenomme- nen Constanten als variabel ansieht. Jede der Constanten asewißQ werde als aus zwei Theilen bestehend betrachtet a,+a,, &,+:,, etc., von de- nen der erste constant, der zweite eine solche Funktion von ? ist, dafs er verschwindet, wenn ?P =o wird. Nothwendig ist damit verbunden, dafs diese zweiten Theile Funktionen von £ werden, damit sie in den Differen- tiationen nicht verschwinden. Hieraus folgt, dafs der erste Differentialquo- tient von x aufser x, noch einen Zuwachs dr, erhält, und eben so findet ein öy, dz, bei y, z, statt, wobei Phys.- mathemat. Abhandl. 1834. Ddd 394 Encke über die Formeln für die Variation der Constanten ER NEE OS ar er a = MR ; FR )% +(z i v ey. Z + (io ar Fr j = Die zweiten vollständigen Differentiale werden daher in dem Falle der variabeln Theile dieser Constanten der dr (>) da a de +(2)- = dx,\ du dx, \ AR +(2).2 z u ta =) Dr Ta, Ve: 7 de na Na) Age d. = A dy, da dy; le 2 2 > dw er ne - rang ea 47 )z ZEN zeigt duo)‘ aQ 22 es a A de ( le) 2 ee a PER a 7 Ne FR, n70} 7 dx 2 dz s e 2 B wo unter 7, a 7, nur die Differentiale der obigen x, y, z, zu ver- stehen sind, welche sich auf die Funktion » beziehen, die einzige von der Zeit abhängige Funktion in x, y, z,, wenn die Gröfsen ase wi als reine Constanten betrachtet werden. Bezeichnet man die letzten Glieder, welche — enthalten, durch dx j . : 0.7, so hat man zur Bestimmung der unbekannten Differentialquotienten da dy ı das der Elemente folglich die Gleichungen, weil 7, schon gleich sind den — Er ee ue2 Le Zen Arad? a +23() = P c08,0X 20n + 3(2) = P’cos QF : BIO +3(-) = P cos QZ. Gleichungen, die da sechs Unbekannte in 3 Gleichungen enthalten sind, noch andere Bedingungen zur Vereinfachung der Auflösung hinzuzu- fügen erlauben. Die Bedingung, welche die Auflösung am einfachsten macht, weil sie . . .rp . = ? . . die zweiten Differentialquotienten ss ’ = ‚ etc. ganz wegschafft, wird in der Annahme enthalten sein, dafs bei den planelarischen Störungsrechnungen. 395 oder dafs wenn die analytischen Werthe von da de etc. in dx, dry, 83 N; dt?’ dt? 1 dv; 1 19 substituirt werden, diese Gröfsen für jeden Werth von £ sowohl als der Constanten identisch = o werden. Daraus folgt, dafs auch ihre vollständige Differentiale in Bezug auf 2 genommen ebenfalls o sind oder dafs auch d.ox, Ö d.öz, — 0 _— 0 dt dt dt so dafs die Herleitung der Unbekannten von den sechs Gleichungen abhängt: 0 -(5)4 a +) ur ze) ” +(Z ( du dx AR dx di + rl) do dy\ dR dy\ di FT an aa: )- ): .ı )- ) _ I dy de ce: dy 0. (Z)-% dt ener +(2): de dz de £ 2 da ( dz de Er 2) + ) + eL 1 N Zus — (5 +(7 )E Te ( de AN i dt di dt dx dx,\ du ( BrINXad RL d. N di de du dt AR i TER ze dt dyı de dz, de da dy, Zr di de dt Et da dy Le de dy pP r= (2). :). A (Z en u) 2 da) ur e de ar ar \aQ = du dz de dz du de dz di PcsQ2= (z 2). +( : — ( =) 2 Bee e dt ds dt Fz duo dt ES ()-° > di ): dt Um aus diesen sechs linearen Gleichungen die gesuchten Werthe zu ) ): =) ) S E dx finden, wird es darauf ankommen, den entwickelten Werthen von (Z): 5) etc., ea (2) ete. 2 z): =) etc., (Zi). ( ) ete Mr (2) (2) etc., (22), (4 7.) etc. die bequemste Form, sowohl zur Verbindung unter sich, als zur Vereinigung mit dem Ausdruck für die Kräfte zu geben. Die allge- meine Elimination wird erhalten, wenn man jede der sechs Gleichungen mit gewissen Faktoren multiplicirt und diese so bestimmt, dals in der Summe aller Produkte eine oder mehrere Unbekannte den Coöfficienten O0 erhalten. Drei von diesen Faktoren werden dabei resp. mit cos OA, cosQ@Y, cos QZ, multiplieirt werden müssen. Erinnert man sich jetzt des bekannten Satzes, dafs wenn R ein anderer Punkt der Kugel ist, cos OQOR= cos QAX cos RX + cos QF cos RF + cos QZ cos RZ wird, so sieht man, dafs die Faktoren am bequemsten so gewählt werden, dafs sie bestimmten Cosinussen von Winkeln einer leicht angebbaren Linie mit den Coordinatenaxen proportional sind. Solche Faktoren wären x, y, 2, Ddd2 396 Encke über die Formeln für die Variation der Constanten welche dem Cosinus des Winkels proportional sind, den der Radiusvector mit den Axen macht, &, y, 3,, welche eben so mit der Tangente zusammen- hängen wie jene mit dem Radiusvector. Überlegt man ferner, dafs die For- derung, dafs die Co@fhicienten der einzelnen Unbekannten in der Produkten- Summe —0 werden, am sichersten erreicht wird, wenn man einmal die drei ersten Gleichungen mit — (2), — (2), — = (&i 2); und = drei letz- da da dx dy 2 E ten mit (7 2): (Z): () multiplieirt, wodurch in der Summe z eliminirt wird, nachher mit — (>); — (3), —_ & zz 2), & ebenso de ds J? de)? \de ’ verfährt und successive mit allen übrigen, so sieht man, dafs es nur darauf ankomme, diesen Differentialquotienten symmetrische Ausdrücke zu geben, welche resp. ein oder mehrere Glieder enthalten, die gewissen Cosinussen proportional sind. Führt man die Differentiationen wirklich aus, so zeigt sich, dafs man zu diesem Zwecke mit der Annahme von 5 Richtungen, die deshalb besonders bezeichnet werden mögen und deren Beibehaltung nicht etwa künstlich gesucht, sondern unmittelbar gegeben ist, ausreicht. Bezeichne also R die Richtung des Radius vectors, in seiner Verlängerung genommen ; T.» » der’ Tangente, nach dem Sinne der Bewegung genommen; $ die senkrechte auf den Radiusvector in der Ebene der Bahn, nach dem Sinne der Bewegung genommen; N die Richtung der Normale nach dem Innern der Ellipse; /W die senkrechte auf die Ebene der Bahn nach der Nordseite zu. Sei ferner, wie schon oben, x = r(cos(w+w) cos % — sin (+w) sin 2 cos 7) Y = r(cos(-+u) sin QR + sin (+w) cos cos !) 2= Tr sin (+uw) sin ’ u, =— mr (cin („-+w)-+e sin w) cos R + (cos(o+w) -Fecosw) sin cos )) k i F j : Yyı =—- 7 ((sin („+u)-+e sin w) sin & — (cos(P+w) +ecosw) c0s% cos )) k ER: 3, =+ (cos (v„+w)-+e cos ») sın 2 I — sin (+) cos — cos (v-+w) sin R cos ’ — sin (#+w) sin 8 + cos (v-+w) cos R cos ! + c05 (v+w) sin / 8 m I bei den planetarischen S' törungsrechnungen. 397 _ (cos („+w) + e cos w) cos Rd + (sin (+) -F e sin w) sin $% cos i = Yl + 2e cose-+ e?) — (cos (o+w) + e cos w) cos Q — (sin (o+w) + e sin w) sin 2 cos i Au V(i+2ecose-+e”) — (sin («+») + e sin ») sin ’ Vi -+2e cos o—+ e*) Diese Systeme haben sämmtlich die Form f=zreosRß+nsinncos! ff!=XcosR+ u sin Rcosi g=iısin BR —ucosR cos g =Xsin R— uw cosR cos! h=-— sin! "= —w sini so dafs die Summe ihrer Produkte, wenn man sie paarweise multiplieirt, VHrsg+rhhl=rXN + uw und die Summe ihrer Quadrate a + 8° En > = P er [7 Bar .g _ h? se X? ee w? und der geometrischen Bedeutung nach ist, wenn man die Lineargeschwin- digkeit des bewegten Punktes mit c bezeichnet, so dafs 2 e=ai+yirs JH 2 en (1 + 2e cos» -+e”) EU —FCOSE. RN Mi Wweositr 2 —r 00 h2 ER ED T A 2, — 0.0812 E ECO IN > =, 2.1008 SZ Eco N 17 cos Nr &,= wsNZ wozu nun noch nach bekannten Sätzen kommt sinßsini=cosWX, — cosßsin!i—= cos WY, cosi= cos WZ. Durch ihre Verbindung unter einander findet man hiernach sehr leicht 2’ +Yy’+3° — Te rt me & + =ı Hrurg ni 398 Enckr über die Formeln für die Variation der Constanten za, #yy, +22, =crcs RT= rn . er sin v aE +#yn +2 =rcosRS=o agb, +#y1n, +29, =r cos RN=— + ze +Yyn +3°=ec c0sTS — Ay Er Fu ie cos TN 0 EEE Hmm + gm eos SN =, De und endlich weil alle diese Richtungen in der Ebene der Bahn liegen, die Richtung W aber senkrecht darauf ist: x änQsinz—y cosßsinz +2 cosi x,snQsinzö—y,cos®sinz + 3, cosi E sinQsinö—n cosRsinö+& cosi &, sinsindö —1,cosRsinö + l,cosi= Il [> Et = = =) Vermittelst dieser neu eingeführten Bezeichnungen lassen sich die Gröfsen (2), (&) etc. sehr leicht und bequem finden und schreiben, so wie die Werthe in Bezug auf X Y und Z vollkommen symmetrisch ausfallen. — Hat man diese aber, so finden sich sogleich die Werthe von (Z), Ze) ; (Z) etc., weil, da bei ihnen die Differentiale der Elemente in Bezug auf die Zeit nicht vorhanden sind, da sie in x, y, z,, vermöge der obigen Be- dingung von dx, =0o, d&y,=0o, dz,—=0, fehlen, auch diese Werthe ge- schrieben werden können: er See dt : dt I ze FL wodurch die Symmetrie der Form von selbst erhalten wird. Die Werthe selbst sind folgende: dx 4 32 dx __ az x Br een PR ap 2 32 dy _ a4 da a Pl 2a Y Bein ok I dz 1 32 dz a bei den planetarischen Störungsrechnungen. dx, 3k?e 1 dx; TI all u: x da 2ar 2a de dy; 3K°t 1 i dy; da 2ar? 2a Yı ds dz, __ 3k*t NE dz, da 2ar? 2a - ds dx acosv p+tr . = x ge SUV de r + 1—e” dy acosv ptr . = oo re de r % A 1i— e7 dz acosv p+t . = sın v de r = 1— e? da), _ & a cos v E e sin o = de yp r 1: 51 dy; k acosv c sin vo Fr = 7 + ETF N, e 172 T: i—e dz, k acosev e sin o re dx . s ER — 72 vv R ı zu) Er cos gr sin 2 sin dy en , 5 . : —=yrcosi + £r cosßsin: a — = £rcosi — Er cosi er ? dx, __ . e . Q EHER a E,cecosi! — Z,csin 2sinz By ze . SE ——— 91,ccosi + L,c cos sin’ a nu? 08 Q,c cosi HT ge ‚ce cos — sin 2 [A] cos 58 | u [A cotg i z,sin 2 — = — 2,0058 3, colg 399 Benutzt man jetzt die oben angegebenen Relationen und eliminirt Gleichungen : r 3€ — pP re = = cos OR == cPcsQT = da de d man zuerst 7,, nachher ",, dann k de 2ya di a k da p = er Pa DE 2Ya dt 7 u.s.f., so erhält man sogleich die sechs 400 Encke über die Formeln für die Variation der Constanten Ban k du k d —_ p R —— = IE a cos vo cosOR—+ sino P cos RE 773 ae dt + 7 ae cos i 2: kyp da k de rP cos 0S = Ta de ya ae in , . kvp da k „de di p —_ ; YV——ı Dee Se r cos? Pcos@S—r cos (o+w) sin? Pcos@ IF rail Ye * cos iz kyp sin i— Fr . R 1 rsin (+w) P cos O/W = kyp sin i aus welchen sich unmittelbar die folgenden Werthe ergeben: da 2a? Deine: © pP cos OR dt de 1 or pcose ge kya ce PFT sino P c0sQS+;,, „ce PeosQT du 1 p cos o I „pr a =: ei ge TE Pe — PcosQR u = sinv PcosQS$— cos 57 de 1 1— e? p {a =— . . zn os0O7T = Ev N ON Fe AR 1 r sın (o+W) er 9 TERN SRON INS r 2: EVp Er P cos QOW di 1 a Ve « T COS („+ uw) P cos QOW In diese Formeln sind nur noch die Werthe der störenden Kraft nach der gewählten Form einzuführen. Nennt man die Coordinaten der störenden Planeten x’ y' 7, &” y" u.s. w. ihre Massen in derselben Einheit wie die Sonnenmasse ausgedrückt, k’m', k’m" ete., so würden sie unmittelbar auf den gestörten materiellen Punkt einwirken mit den Kräften km’ @-2) + IHRE ee) km’ u\2 [ZEV TEN etc. EINE)! welche nach den Richtungen der Coordinatenaxen zerlegt, wenn man der Kürze wegen die Distanzen der Planeten m’, m” etc. von dem gestörten Punkte mit A’, A” etc. bezeichnet, werden k?’m’ (x — x) km’ (y'—y) Im’ (z = — mr ir km” ("’—x k?m" Mn), Kern (zu z) BEN ts a EN A"3 a3 4”? ze) bei den planetarischen Störungsrechnungen. 401 Die Einwirkung der störenden Planeten auf die Centralmasse wird km'x' AK®m’y! k®m’z’ Tears 9 Fe 2 zas k?m''x” k?m’'y" k?m!'z” ne Ge Me Ko, ma? etc. Kräfte, welche die relative Bewegung des gestörten Punktes um die Cen- tralmasse eben so afficiren als wenn dieselben Kräfte mit entgegengesetztem Zeichen als unmittelbar auf den gestörten Punkt einwirkend betrachtet wür- den. Man hat folglich vollständig 2 ’ „ n = 2, | xx Br 2,n JR —x Bi P cos e\ — k’m ! TE ala =} + Im ES — 2 A | y—y y KR]; v—yr Ya Rec. Or km Er} + k’m 5} ’ „ 2,.,]|:—: = un): 2 > 00:02 = km ! = 1 + k’m I =} Legt man dem gestörten Punkte eine Masse A’m bei, so wird nach dem obigen in den Endformeln überall statt A? zu setzen sein A” (1-Fm o° , wobei man sogleich übersieht, dafs in diesem Falle man die eben gegebenen Formeln für PcosQX, PcosQFY, P cos QZ, nur durch (1-+m) zu divi- diren hat, um alles frühere beibehalten zu können. r) Für die rein analytische Behandlung ist die von Lagrange angege- bene Form dieser Kräfte, nach welcher sie als die partiellen Differentiale einer und derselben Funktion betrachtet werden können, von einer solchen Wichtigkeit, dafs mit vollem Rechte Herr von Pont&coulant diese Form fe) ’ eine der wichtigsten analytischen Entdeckungen nennt. Bezeichnet man näm- lich mit @ die folgende Funktion, worin schon die Annahme einer Masse fe) ’ m berücksichtigt ist, m’ 1 ax+yy'+ 27 m” 1 ax yy" 22” Q el ——— FI a ea 7 ame + ae +: .. im A r 14m A r so wird P cos QX = 4 (-) Pe50Y =K (Z Pxs5s0Z=% (Z Phys.- mathemat. Abhandl. 1834. Eee 402 Encxr über die Formeln für die Variation der Constanten Für die Substitution dieser Form braucht man nicht erst die einzel- nen Werthe von cosQT, cos QS, etc. aufzusuchen. Denn da die ganze linke Seite der obigen Gleichungen nur entstand aus der Multiplication von PcosQA, PcosQFY, PcosQZ, mit (2). (2): (© -) in der ersten Glei- chung, mit (2): (2), (£) etc. in der zweiten u. s. fort, und die Funktion 2 die Gröfsen aeew&%i nur enthält, so fern sie in xyz enthalten sind, so wird die linke Seite der ersten Gleichung das vollständige Differential von A’Q in Bezug auf a sein, bei der zweiten das vollständige Differential A’Q in Bezug auf e u.s.w., so dafs die Gleichungen werden: [A dad? 62 k de kyp du kyp ER AR da ) 0 2ya dt 2a dt 2a dt 1 (-) zer k da des Ze 2 ya dt 2 12 k du aR kF (- ) = -<—-.ae —- ae cos 1 ER 7 Er => 7 cos 7 k® (= ) _ kyp da = k ZE de du 2a dt Vp dt 2 fd ky, da i di [Aal 2 0 2060080 — KV I — 749} 2a dt V zus kvp sin 272 () = apa welche dem auf rein theoretischen Wege von Lagrange gefundenen Satze, : q g . er dafs die Faktoren von 5, a etc. nicht von dem Orte des gestörten Punk- tes oder der Zeit abhängen, sondern nur aus den Elementen zusammenge- setzt sind, entsprechen. Sie geben für die einzelnen Elemente da ö da? - m 2K&K.Ya. dt k ) x ds ) des , a? da? RE (re Le a dt da Ze de du 2 dR ® = k. BE dt ae dt de a? FR I d? wa ..@ = 2) a FEN daR ai sin ? "sin iyp ve , u __ k — an k () aA du ) sin 7 Vr di welches die Formeln von ee sind. bei den planetarischen Störungsrechnungen. 403 Kann die Reihenentwickelung analytisch nicht ausgeführt werden, so müssen die Integrationen durch mechanische Quadratur und unmittelbare Berechnung der numerischen Werthe für bestimmte Zeitpunkte bewirkt wer- den. Die Verschiedenheit der Richtungen, welche man als Coordinaten- axen betrachten will, kann dabei die anzuwendenden Formeln für den einen oder den andern Zweck vereinfachen, und da die Faktoren der Kräfte keine Gröfsen enthalten, die von den Coordinatenaxen abhängen, sobald nur die Ebene, auf welche i bezogen ist, nicht geändert wird, so hat die Wahl die- ser Axen nur auf die Zerlegung der Kräfte Einflufs. Am bequemsten ist es in der Regel, die Axe der x mit der Richtung des jedesmaligen Radiusvectors des gestörten Planeten zusammenfallen zu lassen, oder die Punkte A, 5, W, als X, F, Z anzunehmen. Setzt man also Pc Q@R 293.09, ed P cos QW Ace Ich Zeh PcosQT=P (cos OR cos RT’ + cos QS cos ST + cos QW cos WT) Ex Y’ k’esino rY' k’yp — ce Yp er oder %? . =) Je p 71 cePcsQT=—-esinv.X+--:'— I : Y> vr r folglich da k 2 . en) k 2a®?p n — zZ —— : 2a esınv..z Er Fall dt 172 + 172 r 2 de k p cos ) =) k p+tr . y 3 @Xkb da =— —-{2r — Ku— rn >. — en dt ya L { ya e sin v.F = 2 = dt da k PCOSe x, k p+tr . , . dR — Zu I nv. — —— = 7: r X + VE si Y'’— cos e7 de k B = k pr) pr r ’ = —-.psin». —. -1_.— _—tf dt \» pP 2 Ve e % AR __ k r sin (o+ 3) z d __Yp sin i di k n > 7, recos (o+u) Z Sollte dem gestörten Planeten eine Masse A’m beigelegt werden, so würde überall in diesen letzten 6 Formeln statt k gesetzt werden müssen Eee2 Encke über die Formeln für die Variation der Constanten X — kV(i4m) 404 Bei der häufigen Anwendung dieser Formeln erlaube ich mir die für als die wirkliche Berechnung bequemste Form herzusetzen. Zuerst ist es angenehmer lauter homogene Gröfsen zu haben, Längen und Winkelgröfsen gemischt. Man kann deshalb statt . lieber | einführen, wenn z die mittlere tägliche Bewegung ist oder pe 7 dn =. dt und eben so statt e nach der Bezeichnung von Gaufs in der T’heoria motus den Winkel #, wo ein pie dp en 1 de de cd u eines Ortes der Epoche der Aufserdem bedarf man zur Berechnung mittleren Anomalie oder der Funktion M=nt+: welche sich, um anzudeuten, dafs die wahren von den Störungen affcirten Werthe angewandt werden müssen, so schreiben läfst: M=:/7 di+ SZ dt In dem Ausdruck für e findet sich aber ein Glied, was nicht unmittelbar die Kräfte X’ und Y’ enthält, nämlich der letzte Theil 4 da dn er dt so dafs wenn man den Werth von M vollständig schreibt, er heifst: = ‘) Adt -S7; PFT sin vY’dt. ya © k' c (7 ze e Ep = ye@ M= ıf di ft dt Vergleicht man hier die beiden ersten Glieder mit der Integrationsformel Sad = ap — Spdg bei den planetarischen Störungsrechnungen. 405 so wird man erhalten: K I ke i h u=fafza-f,@- ) DT EN dt ya € ya e oder gleich dem doppelten Integral von z nebst dem Integral von = ohne das von der Zeit abhängige Glied. Endlich pflegt man auch nicht die Epoche der mittleren Anomalie, sondern die der mittleren Länge in den Elementen aufzuführen, und nicht w, sondern die Länge des Perihels. Setzt man also L=n+rce+v +8 z=zu+rßR B . C « dL d so wird man aus den Differentialen von ne+e, w, und 2 die 7/, 7, zusam- menzusetzen haben. Es bleibt nun noch die Berechnung der X’, Y’, Z’, näher zu entwik- keln übrig. Am bequemsten erhält man sie, wenn man den Lauf des stö- [e} q 3 renden Planeten auf die Bahn des gestörten bezieht. Sind 7’, 2’, r’, die he- liocentrische Länge, Breite und Radiusvector des störenden Planeten, wie 8% ’ man sie gewöhnlich aus den Tafeln findet, so wird man mit Leichtigkeit bei der Geringfügigkeit der bei allen älteren Planeten statt findenden Breiten- ziug störungen daraus ein @’ und ’ herleiten können, die allen berechneten Or- ten so gut wie genau entsprechen, so dals für alle verschiedene Z’ und 5 während einer längern Periode b4 ! ! EB nn ’ sin (!—-g)tg!’ = tgb und tg (2) = tgu cos ’ wenn u das auf Q bezogene Argument der Breite des störenden Plane- ten ist. Aus 9,7, R,i, berechne man zuvörderst die relative Neigung bei- der Bahnen gegen einander, J, und den aufsteigenden Knoten des störenden Planeten auf die Bahn des gestörten. Sei 9 der Winkei zwischen diesem aufsteigenden Knoten der einen Bahn auf der andern und dem Punkte 8&, gezählt in der Ebene des gestörten Planeten, und $’ der Winkel zwischen demselben Punkte und 8, gezählt auf der Ebene des störenden, so hat man 406 Esckr über die Formeln für die Variation der Constanten sin -(@— 2) cos + (@+i) = cos +J sin +9 —#) sin z(X—S)sin+(@+i) = sin —J sin +(-+9) cos + (N —R) cos + (—i) = cos + J cos (9 — 9) cos + (X —R2)sin +(@—i) = sin 4+4J cos+ (9 — 0) Nennt man dann X, £', A’, die Länge, Breite und Entfernung des störenden Planeten von dem gestörten, die erste gezählt auf der Bahn des gestörten Planeten von der aufsteigenden Durchschnittslinie beider Bahnen an, die zweite auf die Bahn des gestörten Planeten bezogen, so hat man ts (W—6)cos J=tgX ; sin (W—9)sinJ = sin® A1=v/+r7r—QD a x = r' cos cos (X—R) Y' r' cos P’ sin (X—A) s’—=rsin Herr N reed r® — arr' cos Q cos (A—A) + r? oder vermittelst eines Hülfswinkels cos ®' cos (X— A) = cos y AsnN=r—rcosy =r—rcosy j i oder ARE AcosN = r sin y =rsiny womit dann Aaben m’ —r Ne m’ P 1 | ) T A= 1+m ( Aa Ze | Am [x cz v8 a’ 7 m’ ‚ 1 1 = 1m I, Fr 7 »)} j 1 1 2 ll) 1m 2 A’3 r'? und dann die Differentialquotienten: d k' . f MP _— —_zan.esinvX® — san? Y dt Vp Vp z aL k' R n ke 4 . , mir oHtptIgzeco» +7, ori rpsurf dn EEE 0:9) + [(Z) de+ 2 sin + i a En je} IT bei den planetarischen Störungsrechnungen. dr 14 cos k' +-r) sin o 2 2 d en er BEE ANY BR Em ac ya ne dt Vp e Yp € = dt d k' . = k' acosı » r rn I ng en 2 -Z)r dt vr Vp e r a ar __ K rsin (oe +r—Q) zZ DE Vp sin i di ke ’ —_ —rcos(k+r—R)Z = vt HrT—R) Man kann hier den gemeinschaftlichen Faktor nn sogleich mit X’ F’ Z’ verbinden, A’ dabei in Secunden ausdrücken, weil lauter Winkelgröfsen erhalten werden, und die übrigen Glieder alle in Theilen des Radius nehmen. Die Integrationen geschehen durch mechanische Quadratur entweder nach den ursprünglichen Cotesischen Formeln oder bequemer nach der von Laplace in der Mee. cel. und Gaufs gegebenen Umformung derselben. In allen Fällen beruht die Integration auf einer Interpolation, so dafs nur dann die Genauigkeit, die nöthig ist, erreicht werden kann, wenn die be- rechneten Werthe der Differentialquotienten eine solche Reihe bilden, dafs aus den berechneten Gliedern mit Sicherheit auf die zwischenliegenden ge- schlossen werden kann. Hiebei werden hauptsächlich die A’ den Ausschlag geben, in so fern immer vorausgesetzt werden mufs, dafs die » und » des gestörten Planeten für die angenommenen Zeitintervalle regelmäfsig sich än- dern. Einzelne Fälle, in welchen die A’ schr grofs werden, erlauben eine Abkürzung, indem man die Örter auf den Schwerpunkt des Sonnensystems bezieht; für sehr kleine A’ würde man umgekehrt den störenden Planeten als Haupikraft, die Anziehung der Sonne als Störung betrachten können. Alle Werthe der variabeln Constanten und davon abhängigen Gröfsen sollen eigentlich die sein, welche für den Augenblick, für welchen man rechnet, gelten. Bei den störenden Planeten wird man in der Anwendung auf Cometen und die vier kleinern Planeten durch die Tafelgröfse diese Be- dingung vollständig erfüllen. Für den gestörten Planeten wird man sie so nahe als die praktische Genauigkeit erfordert, erreichen, wenn man von Zeit zu Zeit die durch successive Integrationen erhaltenen Elemente anwendet. Es können indessen doch Fälle vorkommen, in welchen andere Coor- dinatenaxen den Vorzug verdienen. Diese werden aus den allgemeinen For- meln mit gleicher Leichtigkeit abgeleitet werden können. 408 Exckr über die Formeln für die Varialion der Constanten Wählt man z.B. als Axe der X die halbe grofse Axe des gestörten Planeten, oder für X die Richtung des Perihels, so wird, wenn man diese mit 4 bezeichnet, die darauf senkrechte der F mit Z cos AR —.)C03. 5 20038 BR = sn 2, cs ZA = cs AS=—sin»v ; cos BS = cos» ; woraus cos AT = cos AR cos RT + cos 4S cos ST Zul ner zyR sin v cYp er k . | e\ B = ——- SIn / Se COS v — — = sın v ce yp r cYp k c0527 —= T (e-+ cos v) Setzt man Pe VA=_hR, EEE Rcs0W# = EZ" so wird PcosQR=K$ cosvÄ”+ sin vF”} P cos QS = k* $— sin vX” + cos vr” eP cs Ol=R I— u sinvX”" + Em (e + cos v) re} folglich — = — . 2a’ sinvÄ’+ m 2a” (e+cos v) F”’ = _ —_ nr br cos 2 X'"— 7 far sin vo + He \ r 3 AK da rn dw k BR - c p-rsıno“ x" k r sın 0 COS v m = m a —————— rF dt Vp € Vp e de __ k 1—e. en k 1— e? 2 ET Aaen): „sin of + lr+ —— (a—r) cos» F AR __ k r sin (o+w) z' EEE Vp sin i di k n zero (v+w) Z bei den planetarischen Störungsrechnungen. 409 Ausdrücke, die durch Einführung der excentrischen Anomalie noch etwas vereinfacht werden können. Die Coordinaten, welche in die Werthe von X” F” Z” eingeführt werden müssen, erhalten dann den Werth a; NE 3 —=0 x = r cos BP cos (A—w+P9) Y=rcosP sin X—w+P) s’ = r sin Wollte man drittens die Richtung der Tangente als Axe der A an- nehmen, folglich setzen PIE ON RER EU OVi—ehr PO =" so wird dafür P} k i > 7 kyp 7 PcosQR= 4 In IE RE a } Yp c er [3 Yp c Br A e 2 vo } P 60 Q5 = a {4 re re. womit erhalten würde da __ 2 7m — 2a. 57 Ci de k? e Er k®? 1—e? 3 ke da ——— 95n0J2 rer, X" — resp "+ — — ' — dt cyYap e c Yap € 2 a? dt du k® 2sino k? r cos o A . dR = —: Xä"+—(2+ Y"” — cos i —. dt c € c ae dt de k? er k? rsineo m — RESET, } 4 PEN RER, 7” = Toele+reoa»)} n ud ar __ k r sin (+ w) z" i d 177 sin i di k 7 r cos („+u) Zt Phys.-mathemat, Abhandl. 1834. Fff 410 Encke über die Formeln für die Variation der Constanten etc. Der weitläuftige Ausdruck der Coordinaten indessen, obgleich die Faktoren von X”, Y”, sich durch Einführung der excentrischen Anomalie einfach ausdrücken lassen, macht diese Wahl nur rathsam, wenn die stö- rende Kraft eine reine Tangentialkraft ist, die entweder ganz constant oder als eine Funktion des Ortes in der Ellipse anzusehen ist. In diesem Falle wird Par —=o0 DH m) und die Ausdrücke reduciren sich auf die ersten Glieder. — HET — Das Leuchten des Meeres. Neue Beobachtungen nebst Übersicht der Hauptmomente der geschichtlichen Entwicklung dieses merkwürdigen Phänomens. ’ Von v H”- EHRENBERG. nmamnnnndvnnvVn [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 17. April 1834.] Vie grofse Naturerscheinungen gehen an allen Bewohnern der Erde gleich- artig, nur mehr oder weniger beachtet vorüber, andere sind weniger allge- mein und ziehen zwar die ganze Aufmerksamkeit aller derer auf sich, welche sie berühren, aber bleiben einer grofsen Zahl von Menschen für immer fremd und unbekannt. Erzählungen vom crystallartigen festen Wasser im Winter und vom grünen schattigen Gebüsch und dichten lebendigen Tep- pich der Wiesen, so wie vom Farbenschmuck der Fluren im Sommer sind uns Bewohnern Europa’s ein wohlbekanntes und liebliches, erheiterndes Bild, und selbst die blofse Erinnerung und gemüthvolle Erzählung davon vermag uns in eine heitere Stimmung zu versetzen, welche gewöhnlich zu- gleich die unwillkührliche Anerkennung der in der Erzählung liegenden Wahrheit ist. Von solchen Erzählungen versteht aber ein Bewohner des mittlern Afrika’s so wenig als ein Blindgeborner vom köstlichsten Gemälde. In Nubien erzählte ich öfter den Berbern und Nuba’s, um sie zu erfreuen und in Verwunderung zu setzen, vom festen Wasser unserer Flüsse im Win- ter, das wie das ihnen bekannte Steinsalz erhärte, oder dem dort ebenfalls vorkommenden blättrigen Gypse ähnlich werde und im Sommer wieder dem Nile gleich kräftig fortströme und pflanzenreiche Fluren bewäfsre. _ Meist hörten sie freundlich, aufmerksam und sich verwundernd zu, auch an den Mienen sah man wohl, dafs sie den Sinn der Worte richtig verstanden Fff2 412 EHrENBERG: hatten, allein dafs ihre Freundlichkeit ohne alles Mifstrauen gegen die Wahr- heit der Mittheilung gewesen, liefs sich selten recht zur Überzeugung brin- gen und ihre Gefühle sprachen sich zuweilen noch deutlicher aus, indem sie offenbar sehr übertriebene Dinge aus ihrem Lande erzählten, um im gutmüthigen Scherz mit gleicher Münze zu bezahlen. So findet sich fast in allen Beschreibungen von Seereisen ein Kapitel vom Leuchten der See, aber wer diese Naturerscheinung nie selbst gesehen, hat keine Vorstellung von ihrem zuweilen starken Eindruck und könnte wohl geneigt sein, die Erzählung für ein Mährchen, für eine Täuschung oder doch für übertrieben zu halten, so dafs er sich wenigstens nicht eben be- sonders angeregt fühlt, viel über die verschiedenen Erklärungen der Er- scheinung nachzudenken und deren Haltbarkeit oder Hindernisse bleiben in ziemlich gleichgültiger Betrachtung. Ganz anders verhält sich das mit einem im weiten Oceane Schiffenden. Man würde sich kaum anders freuen, wenn man nie den gestirnten Himmel gesehen hätte und urplötzlich den Anblick desselben in einer dunkeln Nacht in seiner ganzen Gröfse gewährt finde. Das todte furchtbare Element wird durch das Meeresleuchten zur belebten Flur und unwillkührlich trägt die Phantasie, während die endlose Sternenwelt oben waltet, den Schiffenden in jene grundlosen Tiefen, aus denen täglich dieses Feuer auf- und in die es scheinbar wieder untertaucht. Das Funkensprühen beim Schmieden des Eisens, das Brillantfeuer unserer Feuerwerke, womit Seefahrer die Erschei- nung häufig vergleichen, geben ähnliche Eindrücke für’s Auge, aber was sind diese momentanen Funken gegen das Feuerwerk der Meere, dessen Er- scheinung einen um so tiefern Eindruck macht, je andauernder sie ist und je mehr man sich allmälich überzeugt, dafs jeder der Millionen in jeder Se- kunde wechselnden Lichtpunkte die Willkühr und Freiheit eines besondern organischen Wesens bezeichnet. Ich will, bevor ich zu den eigenen Beobachtungen übergehe, ein hi- storisches Bild von der bisherigen Kenntnils dieser grofsen Naturerscheinung vorlegen und halte, obwohl schon oftmals eine Zusammenstellung der frü- heren Beobachtungen vorgenommen worden ist, eine noch vollständigere Übersicht des vorhandenen Materials für um so nützlicher, je mehr ähnliche bisherige Bemühungen sich mit einem allzu engen Kreise begnügt und lange Reihen wichtiger Beobachtungen unbenutzt gelassen haben. Ich halte dabei das Leuchten des Meeres. 413 für nützlich, die Beobachtungen des thierischen Leuchtens auch aufser dem Meere zwar nur zu berühren, aber nicht unbeachtet zu lassen, weil beide als Lebenserscheinungen sich gegenseitig gewifs erläutern helfen und irre ich nicht, aus gleicher Quelle kommen. Geschichtliche Übersicht der Beobachtungen und Erklärungen des Meeresleuchtens. Obwohl es nicht an Zeugnissen für das Leuchten des Meeres im Al- terthume und auch vor Christi Geburt fehlt, so ist es doch allerdings gar sehr auffallend, dafs diese merkwürdige, in der neueren Zeit alle Seefahrer und Küstenbewohner so tief erregende Erscheinung in einer gewissen Allge- meinheit von keinem alten Schriftsteller angezeigt worden ist und dafs die alte gemüthliche Dichtung nicht von ihrem hochpo&tischen Stoffe mehr Ge- brauch gemacht hat. Sondert man in den Schriften der Alten sorgfältig die Nachrichten über vulkanisches Leuchten ab, so bleibt bei Strabo Lib. XVII. nur ein Nilfisch, der den Namen Aruyyes, Doppellicht, führt, was, wie Gesner meint, auf das Leuchten seiner Augen oder Kiemen Bezug haben mag und bei Aristo- teles (Fegi Yuy#s B.7) nur die Spur einer Kenntnifs des Phosphoreseirens der Baumstummel (wizrs) (!), des Horns (oder Fleisches, wie Placidus Heinrich p. 415 den Text wohl richtig corrigirt, indem er zgeas für zegas lesen will), so wie der Köpfe, Schuppen und Augen der Fische, der Tinte des Tintenfisches, der Sepie (regi «rSyreus e. 2) und der alt geflügelten, jung ungeflügelten Leuchtinsecten übrig (ist. an. IV. c. 1, V. c. 19). Bei Plinius wird zwar das Leuchten der Zunge des Laternenfisches Lucernae piscis, Triglae Lucernae? (IX, c.7), der Bohrmuscheln (IX, 87)‘ (') a. Man hat das Wort nUzrs hier gewöhnlich und allgemein durch Schwämme über- setzt, allein aus dieser Stelle des Aristoteles kann man, glaube ich, gerade seine Bedeutung als -Baumstummel, welche Herr Boeckh bei einer Inschrift vermuthet hat, klar erweisen, weil das Leuchten des faulen Holzes nicht erwähnt wird, dieses aber den Alten bekannter sein mulste, als das neuerlich nicht einmal bestätigte Leuchten der Baumschwämme. b. Die feurigen Schlangen, durch welche die Israeliten unter Moses im peträischen Arabien getödtet wurden, sind deutlich genug nur figürlich zu verstehen als giftig mit bren- nendem Bisse, wie Feuer. Moses B.IV, c. 21, v. 6. 414 EHrENBERG: der Johanniskäfer, Cicindelae s. Lampyrides (Il, 26, 28), der Katzenaugen (XI, 37), der Reh- und Wolfsaugen, wozu er die Robben - und Hyänenaugen stellt, ferner der faulen und dicken Holzstämme, der trocknenden (faulenden) Fischaugen, aridi piscium oculi (ebenda), des A#garicus (XVI, 8), des Nycte- gretum (XXT, 11), des Talasseglen s. Potamaugis und des Arianides, sämtlich Pflanzen (XXIV, 17), dann der hercynischen Vögel (alites, Fliegen? X, 47), der Medusen, Pulmo marinus und der Tinte des Tintenfisches, Sepia (XXXH, 10), aber überdies nur ein Brennen des Trasymenischen Sees, Lago di Peru- gia (II, 107) erwähnt, welches wohl vulkanisch gewesen sein möchte. Pli- nius wufste, dafs wenn man Medusen (Pulmo marinus) an Holz reibe, das letztere so stark zu leuchten scheine, dafs es eine kleine Fackel? überstrahle (pulmone marino si.confricetur lignum ardere videtur adeo ut baculum ( faculanı) ita praeluceat. 1. c.). Ferner erzählt Plinius vom Nachtsehen der Ziegen (VIII, 1) und selbst des Kaisers Tiberius (XI, 37). Am Schlusse des 36“ Buches der Naturgeschichte endlich, dafs König Servius Tullius, der Nach- folger Tarquin’s, als Knabe einmal im Schlaf einen Lichtschein um den Kopf gehabt habe, der ihm das Königreich zuführte. Vergl. B. II, c. 37. Eine Stelle des Martialis könnte schliefsen lassen, dafs dieser Schrift- steller einige Kenntnifs der Lichtfunken hatte, welche beim Baden im See- wasser gesehen werden, denn Lib. IV, Epigr. 22 heifst es von einer Frau, Namens Cleopaira, welche sich badet: Merserat in nitidos se Cleopatra lacus und dann: Zucebat totis cum tegeretur aquis. Doch liefse sich diefs auch leicht anders erklären (!). (‘) «a. dals das Wort Adurn und Aaurrges, welches die Griechen für Meeresschaum und die Haut des Wassers brauchen, welches aber auch ursprünglich ein Leuchten bezeichnet, einen Zusammenhang mit der Kenntnils vom Leuchten der Meeresfläche habe, ist unwahr- scheinlich, so sonderbar es auch dahin deutet. KavSagıs, Mvgoraumis, Aumegıs = Cicindela. 6. Gäde erwähnt in seiner kleinen Schrift über die Medusen, dafs bei den Römern diese Thiere aulser Pulmo marinus auch Flammae maris genannt worden wären. Ich kann nirgend eine Auctorität für diese Bezeichnung finden, die auch Forcellini nicht hat. Da- gegen ist Ovid’s bekannte Bezeichnung einer unmöglichen Sache durch: unda dabit flam- mas (Trist.1.8,v.4) ein Beweis, dafs das Funkensprühen und scheinbar selbstthätige Leuch- ten des Meeres wenig bekannt war. Ob die feurigen Augen des Charon bei Virgil: stanz lumina flamma (Aen.\VI, 300), mit Aelian’s leuchtender 4/ga der Meerestiefe ursprünglich einen Zusammenhang haben, ist unklar: Virgil’s: malus Calabris in saltibus anguis — flam- mantia lumina torquens und Ähnliches ist gewils nur figürlich gebraucht worden (Georgica II, v. 432). Sein: Splendidulis jam nocte volant Lampyrides alis -ist licentia poetica. das Leuchten des Meeres. 415 Im dritten Jahrhundert nach Christo erwähnt Aelian (XIV, c. 24) des flimmernden nächtlichen Lichtes der 4glaophotis des Meeres, eines fa- belhaften, giftigen, Tamarix- (uvgixn-) ähnlichen Seegewächses, SaAarriou ouxous (Fucus), mit mohnkopfartiger, berstender, feuriger Frucht, dessen Fabel vielleicht das ganze Leuchten des Meeres zu jener Zeit verdunkelt und verschlungen hatte, indem man überall, wo man ein Leuchten sah, die gefürchtete, den Haifisch sogar tödtende Aglaophotis marina oder Alga erkannte (!). Nach Aelian bis auf unsre Zeit ist aber das Leuchten des Meeres so vielfach bestätigt und umständlich erörtert worden, dafs kein Mangel an Auctoritäten da ist. Ja die Litteratur über diese Erscheinung hat sich be- reits allzusehr ausgedehnt. Ich habe nicht weniger als gegen 300 verschie- dene Aufsätze darüber verglichen, welche über 240 Schriftstellern angehö- ren, und eine noch weiter fortgesetzte Durchsicht der Reisebeschreibungen liefse diese Zahlen leicht noch erhöhen. Da die Mannichfaltigkeit und das Interesse der Erscheinung samt der immer noch nicht gelösten Schwierigkeit der Erklärung derselben alle Nüan- cen, welche dabei vorkommen, zu überblicken wünschenswerth macht, auch die bisher befolgte Ordnung im Aufzählen bei den Schriftstellern immer mehr die meist schr mangelhafte Erklärungsweise als die Beobachtung selbst berücksichtigt hat, so möge hier eine rein chronologische, weit reichhaltige- rer Litteratur des Gegenstandes, als sie irgendwo gegeben ist, vorangehen und weitere gründliche Kenntnifs vorbereiten. Man hat öfter, besonders Otto in seinem Systeme der Hydrographie p-175, Gehler, in seinem physikalischen Wörterbuche, und Bergmann in seiner Physik der Erde p. 190 den zweiten Entdecker Amerika’s, Ame- ricus Vesputius, auch für den ersten Beobachter des allgemeinen See- leuchtens erklärt, allein Bernoulli sagt, dafs er keine darauf bezügliche Stelle habe finden können. Auch ich habe keine dergleichen kennen ge- (') In dem Kiranides, einem mystischen Buche des Hermes trismegistos, welches dem frü- heren Mittelalter anzugehören scheint und von Gesner benutzt ist, ist das Leuchten der Medusen (Pulmo marinus) umständlicher als bei Plinius beschrieben. Die Augen der Thun- fische (7hynni) werden von ihm als leuchtend ebenfalls specieller genannt, als diels bei Pli- nius der Fall ist. 416 EHrENBERG: lernt, und wenn die arabischen Tagebücher der beiden Muhamedaner über Reisen nach Indien und China, welche Renaudot 1733 übersetzt und be- kannt gemacht hat, wirklich, wie es wahrscheinlich ist, das hohe Alter ha- ben, so waren schon 600 Jahre vor der Entdeckung Amerika’s, nämlich im Jahre 868 nach Christo deutliche Nachrichten über das allgemeine Seeleuch- ten vorhanden und die Orientalen würden dabei wieder den Ruhm einer schärfern Naturbeobachtung davon tragen als die Occidentalen. Es heifst in einem jener Schreiben bei Renaudot: ,,Man beobachtete, dafs wenn ‚„‚dieses Meer (von Harkand) so heftig wüthe, es Funken sprühe wie ‚„‚Feuer.”’ (1) Älteste Nachrichten über China und Indien p. 6. Die erste ausführliche Nachricht über das allgemeine Seeleuchten von einem abendländischen Schriftsteller fand ich bei Don Jouan de Castro vom Jahre 1541, indem derselbe damals in seinem Schiffs-Journale bei Massaua im rothen Meere (Hist. gen. des Voy. p.177) angemerkt hat: a flotte se trouya entre certaines taches fort blanches qui jetterent des flammes aussi vives que des eclairs. On trouva 26 brasses d’eau. Während er bald (') «a. Die Erfindung des Schielspulvers oder der Lichtentwicklung des Schwefelsalpeters mit Kohle hat zwar erst spät, aber doch 1680 zu einer Erklärung des Meerleuchtens auf diese Weise Veranlassung gegeben, obschon man öfter nach Geräusch dabei gesucht haben mag. Dafs übrigens schon vor Barthold Schwartz und selbst vor Roger Baco (1267) Pul- ver gemacht worden sei, ist sehr wahrscheinlich. db. Im Speculum naturale des Vincenz von Beauvais, welcher 1264 starb, fand ich vom Meeresleuchten nirgends die Rede, obschon er als encyclopädischer Sammler der Plinius des Mittelalters war. c. Die Wolke feuriger Insecten, welche im Jahre 1400 (?) Kaiser Heinrich IV. auf seinem Zuge nach Italien als porzenzum vorkam, läfst sich wohl mit den feurigen Schlangen vergleichen, welche bei Moses die empörten Israeliten tödteten. Krantz Chronic. Saxon. L.V,c.13 nach Aldrovand. i d. Die ersten gedruckten Nachrichten vom amerikanischen grofsen Leuchtkäfer (Ela- ter noctilucus?) scheinen bei Petrus Martyr 1510 vorzukommen, welcher, nach Mouffet, den Fang derselben beschreibt. In dem Werke de rebus oceanicis fand ich diese Stelle nicht. e. In derselben Zeit des 16tc@ Jahrhunderts sagt Guillerinus (Guilhelmus), de con- chis, nach Mouffet: e cicindelis putrescentibus in vase aqua fit, sive liquor potius, qui mire eluceat in tenebris. Eine kinderhafte Fabel vom Ziguor Zucidus wiederholt sich oft. f. Gegen 1538 hat Gaudentius Merula haarige Würmer leuchten sehen. Mouf- fet pag. 112. g. Fernandez de Oviedo, welcher 1535 spanischer Commandant in St. Domingo war, beobachtete leuchtende Tausendfülse, wahrscheinlich Scolopendra. Mouffet ibid, das Leuchten des Meeres. 417 darauf das tiefere Meer als schwärzlich schildert und das über den Corallen- bänken röthlich oder grün sah (!). Im Jahre 1605 sah John Davis, dessen Namen seitdem die Davis- strafse trägt, am 15“ Februar ein helles Seeleuchten im Nordmeere (Pur- chas Vol.1, p. 132). Bis hierher hatte man nur die allgemeine Erscheinung hie und da ange- merkt, Niemandem war es noch eingefallen, dieselbe erklären zu wollen. Baco von Verulam schildert 1620 zuerst die Erscheinung des Mee- resleuchtens beim Rudern und dabei erwähnt er der indischen Fliege (des Cucujo), die eine ganze Stube erleuchten könne. Dann spricht er von Johanniskäfern, Leuchtwürmern, dem Leuchten mehrerer Thieraugen, des Zuckers beim Zerschlagen und des Schweifses erhitzter Pferde. Die Medu- sen erklärt er für erhitzteren Meeresschaum und meint, wie das durchsich- tige Glas im Glühen undurchsichtig und leuchtend werde, so werden Luft und Wasser, obwohl für sich durchsichtig, doch vereinigt, als Schaum, un- durchsichtig und selbstleuchtend. Opera p.120 und p. 748. 1640 hat Athanasius Kircher sehr ausführlich über verschiedenes Leuchten bei Thieren aus eigner Beobachtung berichtet. Aufser dem Jo- hanniskäfer erwähnt er Fische, Muscheln, Krebse, Medusen. Man hält ihn (') a. 1555 und 1558 sammelte Gesner sowohl in der Schrift über die Leuchtkörper (de Lunarüs) als in seiner gelehrten und verdienstlichen Historia animalium die Nachrichten über das Leuchten der Seefedern (Penna marina), der Medusen (Pulmo marinus) und der übrigen den Alten bekannten Leuchtthiere. Seine Excerpte über die Insecten aber kamen, da er im obigen Jahre starb, allmälig an Mouffet, dessen Werk aus ihnen grölstentheils besteht. db. 1557 beschrieb Cardanus, welcher, aus Pavia, nach Dänemark berufen, 1552 über Schottland nach Rom zurückkehrte, das von ihm in Schottland beobachtete Leuchten todter Seefische und sein eignes Nachtsehen. De rer. varietat. c. Um dieselbe Zeit beobachtete Bruerus in England einen leuchtenden Land - Sco- lopender (Scolopendra electrica Linnd) im Moose. Er wollte sich mit dem Schweilstuche den Kopf abtrocknen und sein Kopf sowohl als das Tuch leuchteten. Im Tuche fand er den leuchtenden Wurm und schickte ihn getrocknet an Penn, den letzten Besitzer, Verwahrer und Vermehrer der Gesnerschen Insecten- Manuscripte vor Mouffet. Mouffet p. 112. d. 1592 sah Fabricius von Aquapendente in Padua Hammellleisch leuchten. De oculo visus organo C.IV. Er meint: Animalia quae noctu non vident lumine insito carent, sed diurno et externo opus habent. Ferner: quae lucem insitam habent — interdiu deterius quam nos vident — alterum alteri officere necesse est. Id quod et externa fulgida omnia comprobant. Nam Sepia, fungi (uizrs?), piscium squama noctu quidem fulgent, interdum nequaquam, tanquam a diurna luce priori oppressa obrutaque. P- 46. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. 88 418 EHureEnBErc: für den Entdecker des Leuchtens der Austern, allein das ist de la Voie. Kircher sagt: Znter pisces Lucius, Gobio, Rana piscatrix (Lophius piscator), tum ostracea et crustacea, cum religua maris soboles in tenebris vim lucendi obtinent et ostreae in loco obscuro posilae putrefactae, tanlum subinde de se lumen fundunt, ut caussis rerum ignaris merito prodigiosa videri possint. Sunt et dactiyli ostracei generis, relig. Er hat sich des Wortes ostrea in weiter Be- deutung, als Muschel bedient. Die fabelhaften Tugenden des damals berühmten Ziquor Cicindelarum oder /ueidus, den man nur an die Angel zu streichen brauche um Fische zu fangen und mit dem bestrichene Stuben ohne Lampen hell wären, wie Wek- ker und Porta sich eingebildet hatten, hält er für eine Faselei (nuga) und Fabel. Neben den Pholaden spricht er vom Leuchten des Solen p. 17. Ars magna lucis et umbrae I, p. 15-16. Ars magnetica p. 528. In der Mitte des 17“ Jahrhunderts (1647) erklärt Papin die Erschei- nung als einen chemischen Entzündungsprocefs der Meersalze. Traite de la lumiere de la mer. Anders und weit mechanischer aber sah es um diese Zeit der be- rühmte Philosoph Cartesius an. Die Salz-Molecüle, meinte er, schweb- ten zwischen den Süfswassertheilchen, wären äufserst leicht zu erschüttern und wirkten daher, und weil sie gerad und unbiegsam wären, mit so grolser Kraft, dafs sie, wenn sie plötzlich aus dem sie umschliefsenden Wasser her- vorspringen, das letztere entzünden könnten, oder dafs sie auf eine ähnliche Weise Feuerfunken durch Anschlagen an Felsen oder an einander bewirkten, wie diese durch Anschlagen von Feuersteinen entständen. Mit gewandter Dialektik weifs er sich dabei vielen nahe liegenden Einwürfen zu entziehen, indem er allerlei Bedingungen daneben stellt. AMeteororum cap. II; ed. V", p- 167. Er hat es sogar abgebildet. Weitere Naturbeobachtungen haben diese Erklärungsweisen der Phi- losophen und früheren Beobachter schon zeitig als ganz unstatthaft leicht erkennen lassen (!). (‘) Im Jahre 1647 stellte Bartholin die Erfahrungen über das Licht der Menschen und der Thiere ohne alle Kritik, aber sehr reichhaltig zusammen. Der westphälische Anatom Ves- ling in Padua erzählte, frische Scheiben von Thiergehirnen (mactatorum pecudum) leuchtend gesehen zu haben p. 169. Nach Bartholin giebt es ein inneres Licht der Seele, besonders im Gehirn, allein auch dem Körper sei Licht als Bestandtheil beigemischt. p. 225, 243. De luce animalium. das Leuchten des Meeres. 419 De la Voie beobachtete im Jahre 1666 drei verschiedene Sorten von Seethierchen als Ursache des Leuchtens der Austern, sämtlich Annulaten. Er fand bei 20 Duzend Austern nur 10-12, die keine an sich hatten. Bei 16 fand er auch inwendig dergleichen. Bei den grofsen wurmstichigen mehr als bei den kleinen, meist auf der convexen Seite und mehr bei frischen. Zuweilen dauerte solch Leuchten 2 Stunden an. Er schrieb diese Beob- achtungen an Auzout nach Paris, der beim Prüfen derselben keine Thiere, nur leuchtenden Schleim zu bemerken glaubte. Diese Correspondenz ist ge- druckt, Journal des Savans 31. Mars 1666, und daraus weiter copirt. Oft ist die Beobachtung fälschlich dem Auzout zugeschrieben, der auch Au- xaut und Auxan irrig geschrieben wurde (bei Baker und Rozier). Einflufsreich auf die Erklärung des Meerleuchtens wurde das Jahr 1669, in welchem der Hamburger Alchymist Brandt den flüssigen Phos- phor im menschlichen Harne entdeckte, der von da oft zur Erklärung oder Vergleichung dieser Erscheinung benutzt worden ist. Boyle hat ihn erst 1679 in fester Form dargestellt wie venetianische Seife. 1667 theilt Moray die kurzen Beobachtungen eines Ungenannten über das Meeresleuchten mit, wonach Land, Strömungen und Winde die Erscheinung verändern sollten. Philos. Transact. 1667. p.469. In den Jahren 1667 -73 beschäftigte sich auch Robert Boyle mehr- fach mit Versuchen über das Licht. Zuerst machte er 2 Abhandlungen be- kannt, eine über das Verhalten der atmosphärischen Luft zum Lichte des faulen Holzes und todter Fische. Ohne Luft leuchten beide nicht, beim Wiederhinzutreten derselben leuchten sie wieder. Die zweite zeigt die Ver- schiedenheiten des Lichtes, der Kohle und des faulen Holzes, nämlich: 4) Druck löscht die Kohle aus, das Holz nicht; 2) Beim Wiederkehren der Luft leuchtet das faule Holz wieder, die Kohle nicht; 3) In einem en- gen Glase löscht Kohle aus, Holz nicht; 4) Kohle dunstet, Holz nicht; 5) Kohle verzehrt sich dabei, Holz nicht; 6) Kohle erhitzt sich dabei, Holz nicht. Phlos. Transact. 1667. Rücksichtlich des Meeresleuchtens vermuthete er 1773 in seinen /Vorks II, p.91 wunderlicher Weise, dafs ein cosmisches Gesetz, nehmlich wohl c. 1663. Dals die Augen des ägyptischen Basilisken (einer unklaren giftigen Schlan- genart (Naja Haje?)) leuchteten, was aus der chaldäischen Übersetzung von Jesaias XI, 8 her- vorgeht, hat Bochart zurückgewiesen. Hierozoicon. Ggg2 420 EurENBERG: eine Wirkung der Erddrehung durch periodische Friction der Atmosphäre an der Meeresfläche, grofsen Einflufs darauf haben möge (1). 1672 beschreibt Imperati das Leuchten des adriatischen Meeres durch Seefedern. 1673 erzählt Biornonius, dafs das Meer bei Island am 13'* Mai 1642 so leuchtend und klar gewesen, dafs er bei 40 Klafter Tiefe den Grund sehen konnte. Philos. Transact, 1674. p.240. 1675 sah Martens bei Spitzbergen das Meer funkeln (?). Reise nach Spitzbergen. 1675 Menzel de lapide bononiensi erwähnt mehrere Beispiele vom Leuchten der Menschenhaare beim Kämmen, auch an sich selbst und bei den Katzen. Das Leuchten des Zuckers beim Abschaben: Saccharum al- bissimum si abradas, lucem candıdam scinullarum instar exhibebit ob partes salino -nitrosas cum sulphure albo permixtas. Über das Meeresleuchten hat er die erste mir bekannt gewordene sehr ausführliche Bezeichnung des Funkelns der ganzen Meeresfläche. Er sagt: Confer te in altum noctuque coelo serenante, cum navis lua tranquülioris aeris motu mare altissimum ut et Atlanticum sulcat, injice vel levissima quaeque in Mare, etiam minimas sputi tui guttulas, roris in modum Jere ore tuo sparsas, et videbis argenteas in ipso Mare scinullas relucentes quotquot roris instar gut- tulae sputi tw in Mare incident. p- 21. 1680 meldet Rumph das Leuchten des Meeres aus Amboina, hält die Ursache für vulkanisch und räth zu versuchen, ob es sich nicht durch (') a. 1668 berichtet Stubbe über die Leuchtfliegen in Hispaniola und Jamaica. Es giebt verschiedene Arten. Sie können ihr Licht im Fliegen vermindern und vermehren und leuchten nicht nach dem Tode. Er ist nicht der Meinung, dafs das Licht die Yammula cor- dis in ihrem Schwanze sei. (!) Philos. Transact. d. Im Jahre 1670 sah Garmann wieder das Leuchten der Skolopendren. Miscell. Nat. Cur. Dec. I, p.307. c. 1671 machte Templer neue Beobachtungen über den Glühwurm (Elater noctilu- cus?), dals er nur bei Bewegung und Ausdehnung leuchte und dabei warm werde. Philos. Transact. 1671. p.2177 et 3035. d. 1672 sah Boyle in London Kalbfleisch und Hühnerfleisch leuchtend. Prilos. Transact. 1672. Nr.89. Redi sah Fleisch einer Schlange leuchten. Anim. vivo. p.11. (?) 1676 theilt Dr. Beal mehrere Beispiele des starken Leuchtens noch frischen Fleisches in London mit. Zuweilen leuchte es auf dem Markte am Strande schon nach 4 Stunden; auch eingemachte gekochte Schweinefülse leuchteten. Philos. Transact. 1676. das Leuchten des Meeres. 421 Salzwasser und schweflich- aluminöse Geister nachmachen liefse (!). Miscell. Nat. Cur. 1680. p.57. 1684 schrieb Boccone einen Brief über den Phosphor oder Bologne- ser Stein und erwähnt dabei neben einigen interessanten electrischen Er- scheinungen an Menschen p. 235 auch der thierischen Phosphore p. 245, nämlich des Leuchtens der Balanen im Hafen von Ancona, faulender Fische, der Actinien, des Satyrus marinus von Donati, eines Erd-Leuchtkäfers von Fabius Columna und des Johanniskäfers, welche alle ohne eine gewisse geronnene klebrige Feuchtigkeit nicht leuchten könnten. Ferner hatte er im Meere bei England zwischen Sertularien und Co- rallinen einige sehr kleine Thierchen beobachtet, welche des Nachts leuch- teten wie Johanniswürmchen, aber getrocknet das Licht verloren. Er erzählt weiter, dafs der Graf Marsigli das Leuchten von Eidech- seneiern beobachtet habe, wobei es deutlich geworden, wie das Eiweifs mit Schleim den animalischen Phosphor bilden (?). Osservaz. nat. p.224 sqq. 1686 bestätigte der jesuitische Missionär Tachard auf seiner Reise nach Siam das Leuchten des südlichen Meeres und meinte, dafs das Einsau- gen des Sonnenlichtes vom Meere wohl die Ursache sei. Yoyage a Siam (°). Obwohl die bisher verzeichneten Erfahrungen schon vorhanden, wenn auch nicht so übersichtlich bekannt waren, so erschien doch der Pariser Akademie der Wissenschaften im Jahre 1703 eine an sie eingesandte Nach- richt über ein 14 Nächte lang andauerndes prachtvolles Meerleuchten bei Cadix so fabelhaft, dafs sie unter folgender anonymer Überschrift dieselbe, wahrscheinlich ungern, in die M&moiren aufnahm: Fiction d’une lumiere brillante qu’on a cru voir pendant quince nuits a la mer de Cadix. Man er- (') a. 1681 gab Grew die erste Abbildung des brasiliensischen Laternenträgers, der Fwl- gora laternaria, nach einem trocknen Exemplar und sagt dabei, dafs die Kopfblase leuchte. Er nennt ihn Cucujus peruvianus. Museum Regalis soc. Lond. p- 158. db. 1682 beschrieb Dr. Grimm scharlachrothe, sich in Kugeln zusammenballende Erd- würmer, die er in Coromandel 1 Monat lang im Glase lebend erhalten und bei deren Licht er lesen konnte. Oniscus? Miscell. Nat. Cur. 1682. p- 406. (?) a. 1684 schrieb Waller einige Beobachtungen über den Johanniskäfer auf. Phil. Tr. db. 1686 erzählt Plot vom Leuchten des Torfes. Natural history of Staffortshire p. 115. (°) 1696 beobachtete Oliger Jacobaeus das Leuchten der Tintenfische wieder. Etwas unter der Haut verborgen liegendes gab das Licht, die Tinte glänzte schwächer. Acta hav- niensia T.V, p. 282. 422 EHureEnsgBEere: innert sich dabei des ähnlichen zufälligen Schicksals der wichtigen Beobach- tungen Peyssonnel's über die Corallenthiere ('). Im Jahre 1708 meldete der jesuitische Missionär Bourzes in den Zet- tres edifiantes p.359 umständliche Beobachtungen, besonders vom 12“ Juni 1704 über das allgemeine Meeresleuchten bei Brasilien und bei Malabar in Indien. Er bemerkt besonders, dafs es da am meisten leuchte, wo das Meer an der Oberfläche schleimig sei. Vom folgenden Jahre 1709 schreibt Worms in seiner ostindischen und persischen Reise p. 15 folgende Beobachtung und (merkwürdige) alche- mistische Erklärung: Unter den Tropen sieht man zuweilen die ganze Nacht das Meer mit Funken überzogen, dessen Ursache zweifelsfrei in dem Salze und Salpeter des Meerwassers und dergleichen zu suchen, so durch starke Bewegung sich entzündet und glänzend werden mufs. — Nach dem Sonnen- untergang gegen die Linie kommt einem oft vor als ob grofse Haufen klei- ner ziemlich schwacher Wetterleuchten aus dem Meer herausführen und ver- schwänden. Vermuthlich weil die Sonnenhitze das Meer den Tag durch mit einer unzähligen Menge feurigen Geister gleichsam geschwängert, welche des Abends sich mit einander vereinigen und diese kleinen Blitze bei ihrem Durchgehen machen (?). 1713 gab Deslandes wenig haltbare Bemerkungen über Lichtent- wicklung beim Faulen des Seewassers, indem dasselbe beim wiederholten Faulwerden von den öligten Theilen der jedesmal hineinkommenden Insec- ten und Würmer, wie er meinte, entzündlich werde. Allgem. Magazin der Natur, Kunst und Wiss. B. 10. Gleichzeitig liefs Ferrari einen Brief des Doctor Antonio Messer di Bibbiena über den Widerschein des Meeres im Finstern drucken. Zet- tera del Dott. etc. Lucca 1713. Da nun offenbar durch die bisherigen Beobachtungen das Leuchten des Meeres ein immer gröfseres Interesse gewonnen hatte, so war es ganz zeitgemäls, dafs im Jahre (') Im Jahre 1707 erwähnt Sloane, später Präsident der Royal society von London, Leuchtkäfer von Jamaica (Elater noctilucus) und bemerkt, dals sie nur bei Nacht umbherllie- gen, am Tage ruhen. Hist. of Jamaica II, p.206. Gleichzeitig beobachtete Paullinus das Leuchten verdorbener Hühnereier. Ephemer. Nat. Cür. an. IV, p.34. (?) 1710 beobachtete Ray eine leuchtende Land -Skolopender. Hist. Insect. p.45. das Leuchten des Meeres. 423 1716 die Akademie zu Bordeaux einen Preis auf die beste Schrift über die Ursache des Leuchtens natürlicher und künstlicher Phosphore setzte. Diesen Preis erhielt 1717 Dartous de Mairan, aus Bordeaux gebürtig wie es scheint, für eine kleine 54 Seiten lange vergessene Schrift in 12”° Format, Disserta- tion sur la cause de la lumiere des phosphores et des Noctiluques. Bordeaux 1717., während gleichzeitig eine andere bessere in Amsterdam von Cohausen erschien, der vielleicht bei der Concurrenz in Bordeaux zu spät gekommen oder als Ausländer nachgesetzt worden war. In dieser mir unzugänglichen kleinen Schrift sollen viele Facta gesammelt sein, ob- wohl die Erklärung, auf die ältere Chemie gegründet, jetzt ungenügend er- schiene. Er sah auch das Leuchten der Hühnereier wieder, cfr. 1707. Zu- men novum phosphoris accensum. Amstelodami AT1T. 8. Im Jahre 1723 wendete Reaumur seine Aufmerksamkeit von Neuem auf das Leuchten der Pholaden, welche schon Plinius bewunderte, und fand auch das Leuchten des Julus terrestris. Er bemerkte besonders, dafs die Pholaden umgekehrt wie die Fische leuchten, nämlich desto stärker, je frischer sie sind, während die letzteren mit der Fäulnifs anfingen zu leuch- ten. Mem. de l!’Acad. de Paris. 1723. p.198. 287. Im Jahre 1724 gewann diese Lichterscheinung wieder mehrere Mit- glieder der Akademie zu Bologna für sich. Es vereinigten sich nämlich Beccari, Monti und Galeati zu gemeinschaftlicher Beobachtung. Bec- cari fand, dafs die Pholaden aufhören zu leuchten, sobald sie in Fäulnifs übergehen, aber dann wieder anfangen und dem Wasser ihr Licht mitthei- len. Am meisten leuchteten sie in Milch. Comment. bononiens. Vol. II, pag. 232 (1). 1741 sah Thomas Harmer nach Baker, Beiträge zum nützlichen Gebrauche des Mikroskops p.250, einen 9” langen, 2%” breiten, flachen Seewurm (Polynoe?) leuchtend. Im Jahre 1742 machte Baker in seinem Buche Employment of Mı- eroscope U, p.399 ein besonderes Kapitel on Zuminous Water - Insects be- (') Im Jahre 1726 erschien erst eine umständlichere Nachricht über das Leuchten des surinamischen Laternenträgers von der Malerin Merian, wodurch die Kopfblase als Leucht- organ bezeichnet wurde. Ein detaillirt beschriebenes Factum, dessen Richtigkeit neuerlich sehr in Zweifel gezogen worden, obschon es mehrseitig vorher und nachher bestätigt ist. A2A EHrENnBERG: kannt. Ein gewisser Sparshall schickte ihm frisches leuchtendes Seewas- ser, worin kleine Leuchtthiere sein sollten (der Beschreibung nach schnel- lende Vorticellen, vielleicht auch Noctiluca miliaris). Baker fand zwar ei- nige Thierchen im Seewasser, aber sie leuchteten nicht. 1747 entdeckte Anderson auf seiner Reise nach Island, Grönland und der Davisstrafse ein neues Leuchtthierchen, den Oniscus fulgens. Nach- richten von Island, Grönland und der Davisstrafse. Adler, ein schwedischer Reisender in China, entdeckte 1749 3 neue Arten leuchtender Seethiere: 1) Nereis phosphorans, 2) Nereides Sertula- rias fabricantes, 3) Conchae valvis hiantibus (Chamae). Linne. Amoenit. acad. Vol. III, p.202. Das letztere könnten Pholaden gewesen sein, die beiden ersteren lassen sich auf ein und dasselbe Thier, einen leuchtenden Ringelwurm, bezichen. Vom Jahre 1749 erschienen neue umständliche Versuche über das Leuchten des Seewassers von Vianelli. Merkwürdig erschien ihm der Ver- such, dafs das Licht der kleinen, kaum ein Haar dicken Thiere, wahrschein- lich Nereiden, durch Papier gesehen werde. Nuove scoperte intorno alle luci notturne dell acqua marina. Venezia 1749. Im folgenden Jahre erneuerten sich die Beobachtungen der leuchten- den Ringwürmer bei Venedig durch Griselini. Observations sur la Scolo- pendre luisante. WVenise 1750. Gleichzeitig beobachtete Adanson auf seiner Reise am Senegal bei Gorea merkwürdige Erscheinungen des Leuchtens. Er hatte Wassergefäfse, Wannen mit lebenden Fischen, Schnecken, Polypen, Krabben und Seester- nen in seinem Zimmer und sah all diese verschiedenen Dinge des Nachts leuchten, so dafs ihre vollen Umrisse deutlich wurden. Reise nach dem Se- negal p.149. Das Meer leuchtete sehr stark bei Teneriffa am 15'* April 1749 p.23, und im März 1750 bei Gorea p.143. Auch erschienen in diesem Jahre 1750 2 Abhandlungen des Abbe Nollet in den Schriften der Pariser Akademie, deren eine das italienische Johanniskäferchen, und deren andere die Leuchtthierchen der Lagunen von Venedig (eine Nereide) zum Gegenstande haben. Mem. de !Acad. de Paris p-54 et p. 81. 1753 erklärt der Akademiker Baudoin in Philadelphia nach Frank- lin (Vol. II.) sich für Newland’s Ansicht. das Leuchten des Meeres. 425 Im gleichen Jahre erschien ein Aufsatz im Mercure Danois p.178 von M.V*** über die Leuchtthierchen des Meeres. (?) 4753 und 54 wurden diese Beobachtungen in deutschen Zeitschriften mitgetheilt, auch in den Berliner physik. Belustig. p. 945. LeRoy und Godeheu de Riville beschäftigten sich im Jahre 1754 mit diesem Gegenstande. Der erstere fand, dafs Säuren zu leuchtendem Wasser gesetzt das Leuchten vernichten. Mem. de Math. et de Phys. III, p- 143. Der letztere beobachtete an der Küste von Malabar im Juni 1754 2 kleine Leuchtthiere, deren eines Latreille für eine Art Zynceus erklärt. ibid. p. 269. Überdiefs beobachtete er leuchtende Thunfische (Bonites, vielleicht Scomber Pelamys). 1756 wurde im Hamburger physik. und ökon. Patrioten im 4“ Stücke p-73 ein Schreiben über die Lichterscheinungen des Meeres mitgetheilt, welches dieselben von der physikalischen Seite auffafste. (?) Patrik Browne sah 1756 in Jamaica leuchtende Schnellkäfer (Zlater noctilucus) und Feuerfliegen (eine Cicade). Zist. of Jamaica p.431. Osbeck beobachtete 1757 im Südmeere das Leuchten des Meeres und verschiedener Gewürme, nicht der Salpen. Reise nach China p. 105. Wenn sich alle bisherigen Beobachtungen an leuchtenden Thieren nur auf gröfsere, mit dem blofsen Auge leicht sichtbare Formen beschränk- ten, so scheinen die in den Jahren 1757 und 1760 von Dr. Baster aus Hol- land mitgetheilten Beobachtungen ein neues grofses Feld der Beobachtung zu eröllnen. Baster wohnte in Ciricsee in holländisch Seeland, nahe an der Nordsee, und beobachtete zuerst Infusionsthiere als das Leuchten des Meeres bedingende Organismen. Er sagt: ‚‚Ein Stein, ein Stecken im Mee- reswasser bewegt, bewirkt an unsrer Küste unzählige feurige Punkte, die nichts anders als sehr kleine leuchtende Thierchen sind, welche blofs durch Hülfe eines etwas starken Vergröfserungsglases wahrgenommen werden kön- nen. Um diese Thierchen in gehöriger Anzahl zu erhalten, läfst man eine hinlängliche Menge Wassers, worin man Funken wahrgenommen, durch Löschpapier durchlaufen, bis 5 Unze oder weniger Wasser auf dem Papiere bleibt. Hiervon bringt man ein Tröpflein mittelst eines Pinsels oder Feder auf ein Hohlglas und betrachtet es unter einem etwas starken Vergröfserungs- glase, so sieht man die Thierchen darin mit überaus schnellen Bewegungen Phys.-mathemat, Abhandl. 1834. Hhh 426 EHrEnBEre: schwimmen. Ich habe 3 verschiedene Gattungen davon wahrgenommen, welche man nach dem Leben auf der Tafel 44 bei Fig. 1 abgebildet findet. Es halten sich aber auch noch verschiedene andere Insecten im Meere auf, welche mit dieser leuchtenden Kraft begabt sind, und deren einige, die man auf den Corallinen angetroflen hat, auf Tafel 44, Fig.1, 2, 4, 5 abge- bildet sind.” So hatte denn Baster 7 leuchtende Thiere beobachtet: 3 Arten In- fusorien, 4 Arten Anneliden. Eins der Infusorien mit dem Zangenfufse kann wohl Synchaeta baltica gewesen sein. Die übrigen Formen liefsen sich für einen Stentor deuten, keine deutet auf ein Peridinium. Unter den Annula- ten ist Viviani’s /Vereis cirrigera nicht, auch nicht Abildgaard’s Nereis noctiluca. Freilich geht aus seinen Versuchen nur hervor, dafs im leuchten- den Seewasser mikroskopische Thierchen waren. Dafs gerade diese Thier- chen das Leuchtende waren, hat erxdurch’s Filtriren nicht zur Überzeugung ermittelt, nur wahrscheinlich gemacht. Philos. Transact. 1757. p.258-80 und Basteri opuscula subseciva. 1760. I, p.31. T.IV. 1758 vermehrte Löffling auf seiner Reise die Zahl der beobachteten Leuchtihiere bei Cumana durch vermuthlich leuchtende Medusen. M. pela- gia p.151 = Pelagia cyanella Eschscholz, M.aequorea, M. aurita. 1749 meldete Kalm das funkelnde Leuchten des Meeres aus Norwe- gen. Reise nach d. nördl. Amerika I, p. 121. Le Gentil sah 1761 auf seinen astronomischen Reisen das Meer im Kanal von Mosambique in einer Nacht in Feuer stehen und gleichzeitig St. Elmsfeuer auf dem grofsen Maste. Thiere konnte er mit dem Mikroskope nicht erkennen. Auf der Reise von Isle de France nach Manilla hielt er die Leuchterscheinung für Rückspiegelung kleiner flacher Wellentheile. Die Seeleute hielten dasselbe für Fischlaich (also wohl Noctiuca nuliarıs?). Er schliefst damit, dafs er sagt: ‚‚ich glaube vielmehr, dafs alles nichts als Electrieität ist.” 2 Th. p- 256. 1761 wurde die wundersame Meinung ausgesprochen, dafs da, wo es leuchte, Seegras sei und die Johanniswürmchen sich an solche Orte versam- meln möchten. Braunschweigischer Anzeiger. (?) Gleichzeitig wurde durch Martins sehr löbliche Bemühungen festge- stellt, dafs das Fleisch aller Seefische im Finstern leuchte. Abh. d. schwed. Akad. B.23, p.224. das Leuchten des Meeres. 427 1762 beobachtete Forskäl das Leuchten des Meeres und fand im Cat- tegat 3 Arten Leuchtthiere aus der Gattung Nereis, die er N. caerulea, pe- lagica und viridis nennt (Descriptiones animalium p.100), ferner 2 Arten Me- dusen im Mittelmeere, M. noctiluca und Beroe densa (p.109-111), eine im atlantischen, M. aequorea (p.110), und eine im rothen Meere, M. tetrastyla, zusammen 7 Arten, von denen er 2 mit neuen Namen nennt. Bei der Me- dusa noctiluca bemerkt er, dafs der Rand stärker leuchte als der Kern, und besonders wichtig erscheint ihm die gemachte Beobachtung, dafs man durch Durchseihen des leuchtenden Meerwassers es seines Lichts berauben könne, was vor ihm schon Baster beobachtete. 1763 meldete Pontoppidan das schon Plinius bekannte Leuchten des Octopus. (?) 2 Jahre später, 1765, wiederholt Cranz diese Beobachtung. (?) 1765 destillirte Schytte durch Pholaden leuchtend gemachtes Was- ser und es erhielt sich, wie er behauptet, die Lichterscheinung selbst nach- dem schon + des Wassers überdestillirt war. Drontheimische Gesellsch. Schriften I, p. 248. Gleichzeitig machte Rigaud, ein Marine-Arzt in Calais, welcher das flimmernde Meeresleuchten als Produkt kleiner Thiere erkannte, neue Beob- achtungen über die vernichtende Wirkung der Salpetersäure auf dieses Leuch- ten bekannt, indem ein Tropfen, in ein Gefäfs voll leuchtenden Wassers ge- than, hinreichte, die Thiere zu tödten. Vitriolsäure, Salzsäure, Essig brach- ten dieselbe Wirkung hervor. Derselbe entdeckte damals das eigentliche Leuchtthierchen Noctiluca miliaris, welches später von vielen beschrieben worden ist, aber jetzt erst klar wird. Mem. de !’ Acad. de Paris 1765. p.26. 1766 theilte Fougeroux de Bondaroy umständlichere Beobach- tungen des Elater noctilueus von Cayenne mit und im folgenden Jahre 1767 über die Leuchtthiere bei Venedig, eine Scolopendra auf den Blättern eines Fucus (Goemon) von der Gröfse eines Stecknadelkopfes. Mem. de !’ Acad. de Paris 1766. 1767. Weingeist, Urin und andere Flüssigkeiten machen, dafs es verlischt, nur beim Einschütten derselben zeigt es sich. Besonders wurden von dem Jahre 1768 an auf Cook’s Weltumseg- lungen neue Beobachtungen durch Banks und Forster gesammelt. Banks und Solander beobachteten 1768 nahe dem Äquator im Oc- tober, aufser den Medusen, besonders 3 Sorten kleiner krebsartiger Thiere als Hhh 2 428 EHRENBERG: Veranlassung von hellen Lichtfunken im Meere und bemerkten, dafs ein leuchtendes Krebschen gerade so viel Licht verbreite als ein Glühwurm, ob- schon es 10 mal kleiner sei. Besonders zwischen Madeira und Rio Janeiro erschienen am 29“ October 1768 leuchtende Medusen, die glühendem Ei- sen glichen, und von ihnen aus durchzuckten zuweilen 8-10 Blitze gleich- zeitig das nahe Meerwasser. Hawkesworth Account II, p.15. Benjamin Franklin’s Geist erscheint mitten in diesem erfolgreichen Streben, die Erklärung des Meeresleuchtens durch organische Verhältnisse zu entwickeln, wie ein durchzuckender electrischer Funke, der Verwunde- rung erregte, aber nicht zündete. Wohl könnte man erwarten, dafs er die electrischen Kräfte zur Erklärung der trotz aller Mühen räthselhaft bleiben- den grofsen Erscheinung in Thätigkeit setzen würde. So vergleicht er denn auch geradehin das Reiben der Seesalz-Molecüle an einander und an ihrem Medium mit der Glaskugel am Kissen. Das Unhaltbare der nicht auf Beob- achtung gebauten Theorie wurde ihm in London erwiesen und er verliefs später die aufgestellte Meinung, zu der ihn wohl Descarte’s Theorie am meisten angeregt hatte. Er sah selbst auch leuchtende Thiere in Ports- mouth. Experiments and obs. on Electrieity p- 273. 1769 theilte der Herausgeber eines Dietionn. d’hist. natur. Valmont de Bomare mit, dafs er am 19'* Juli 1762 in Languedoc sich mit dem Spa- nier Örtez im Meere gebadet und dabei ein aufserordentlich auffallendes Leuchten und Funkeln selbst beobachtet habe. Es scheint dabei Electrici- tät der Haare gleichzeitig gewesen zu sein. Er suchte nach Thieren, fand aber bei Tage nur unförmliche (schleimigte) Atome im Wasser. Dictionnaire d’hist. nat. 1769. Article: Mer lumtneuse. Beim Article Phosphore sagt derselbe: Combien de substances paroi- troient lumineuses, si avant de les porter dans un lieu obscur, on les exposoit quelque temps aux rayons du soleil pour s’imbiber de sa lumiere. In demselben Jahre wurden vom Engländer Canton merkwürdige Versuche über das Leuchten des Fischfleisches gemacht und daraus das un- richtige Resultat gezogen, dafs alles allgemeine Leuchten der See durch faule thierische Stoffe vermittelt werde. Philos. Transact. 1769. p.554.(') (‘) 1770 beobachtete Degeer das Weibchen und die Verwandlung der Zampyris nitidula. Mem. de Math. et de Phys. T. II, p. 261. das Leuchten des Meeres. 429 1770. Rigault (Rigaud?) sah leuchtende Polypen zwischen Brest und den Antillen. Journ. des Savans 1770. p.554.(?) (') Im gleichen Jahre nahm Silberschlag wirklichen Phosphor im Meere an. Sendschreiben über d. Nordlicht. (?) 1771 beschrieb Slabber, ein Landsmann und Freund Baster’s, in seinen physikalischen Belustigungen p.79 das Leuchten eines Cyclops, den er Oniscus lutosus nennt. Er fand diese Thierchen am 1“ August bei nie- drigem Wasser in einem der Wassergräben von Middelburg funkelnd im Schlamme. Mit vieler Mühe bekam er eins aus dem Schlamme auf das Glas und hat es abgezeichnet. Es ist offenbar ein junger Cyelops. Ob er das rechte Leuchtthierchen dabei wirklich bekommen habe, bleibt nicht ohne Zweifel. Überdiefs beschreibt und bildet er viele kleine Leuchtmedu- sen ab, ohne ihres Phosphorescirens zu erwähnen, hat sie also nicht Abends beachtet. Die noctiluca miliaris bildet er Tafel VIII, Fig. 4-5 zum ersten- male recht gut ab, hat nur den Rüssel übersehen. Tafel IX, Fig.5-8 ist Obelia sphaerulina nach Peron (Discolabe Eschsch.); Tafel IX, Fig. 4 Cy- dippe Pieus;, Tafel XI. Oceania microscopica Peron. In demselben Jahre 1771 scheint O.F. Müller, der im Kategat und im Sunde beobachtete, noch nie einen leuchtenden Seewurm beobachtet zu haben. Er sagt in seinem Werke von Würmern des süfsen und salzigen Was- sers nur p.130, dafs man den Nereiden die Eigenschaft des Leuchtens zu- schreibe und dafs er sie bei der bunten Nereide umsonst gesucht habe. Gleichzeitig wurde aber im Gentlemans Magazine das Leuchten des Meeres durch Mollusken erläutert. (?) 1772 erklärte Sage in seinen Zlemens de Mineralogie, Preface XI. die Erscheinung in so fern als einen chemischen Procefs, als die Entbindung von Phosphorsäure durch Fäulnifs constatirt sei und der Zutritt von brenn- barem Stofle zu jener Säure Phosphor gebe. Otto. Besonders interessant waren die Beobachtungen des englischen See- capitains Charles Newland im Jahre 1772, die er bei Surate gemacht hatte. Er fand das Meer zur Nacht mehrmals ganz milchfarben und sah un- (*) Im gleichen (?) Jahre sah der Schiffscapitain Eckeberg im asiatischen Meere auf dem Schiffe das Leuchten einer Scolopendra und theilte es Linn mit. Diese ist in Linn&'s Syst. Nat. ed. XI. als Sc. phosphorea aufgeführt. 430 Eurengerce: endliche Mengen kleiner Leuchtthiere als Ursache dieser Erscheinung, die er, weil sie rund waren (Noctiluca miliaris), für lebendigen Fischlaich gehal- ten zu haben scheint. Er schliefst: les apparitions laiteuses de Veau de la mer (pendant la nuit) ne proviennent que d’un amas considerable de frai de »oisson ou d’animalcules. Im Jahre 1773 hält Phipps im Anhang zur Reise nach dem Nordpol p- 147 die Phosphorescenz des Meeres für Wirkung der Wärme (!). 1773 hat auch Commerson, der bekannte gelehrte Naturforscher und Reisende, welcher in Isle de France starb, in seinen in Paris aufbewahr- ten Papieren Beobachtungen über das Meerleuchten hinterlassen und schreibt es faulen Walfischen zu. Er meinte: Za phosphorescence est due a une cause generale, celle de la decomposition des substances animales et surtout des cela- ces, des phoques, riches en matieres huileuses. Lesson hat diese Stelle im Dietionn. des sc. naturelles bei Levrault 1826 mitgetheilt. Arücle Phos- phorescence. Im gleichen Jahre erschien Murr’s Übersetzung der Beiträge zur Na- turgeschichte Spaniens vom Pater Torrubia (1754), welcher als Mission- när in Amerika gelebt hatte und in einem besondern Abschnitte die Phos- phoros maris abhandelt. Im Jahre 1746 sah Torrubia in Amerika an einer aus dem Meere gezogenen kleinen efsbaren Schildkröte (Xieoteas) ein Leuch- ten. Er fafste es an und sah die Materie am Finger mit einem guten Ver- gröfserungsglase aus kleinen Skolopender-ähnlichen Insecten bestehend, die 10, scheinbar geflügelte, Füfse, Fühlhörner und am Schwanze einen Sta- chel (?) hatten. Ihre Bewegung war wellenförmig. Er meint, das gesammte Meeresleuchten und auch das Leuchten des faulen Holzes (!) möge wohl von diesen Insecten herrühren. Er scheint kleine Polyno@n vor sich gehabt zu haben. Im Jahre 1774 urtheilte Bajon, Arzt in Cayenne, in Rozier Journ. de Physique II, p.104 und 1778, in seinen Beiträgen zur Naturgeschichte (') a. 1773 versuchte auch der Duc de Chaulnes, ob Essigälchen, die er wohl für Infusorien ansah, durch Zusatz von Säuren leuchten, und fand, dafs sie nicht leuchten, aber sich im Tode stabartig ausstrecken. Er fragt an, ob die Leuchtthierchen das auch so machen. (!) Journal de Physique 1, 413. 6. 1774 sah der als Beobachter rühmlich bekannte Maler Gründler in Halle das Leuchten von 5 Eidechseneiern theils von selbst, theils beim Schütteln derselben. Naturfor- scher III, p.218. Sie waren von der Grölse der Sperlingseier. Lac. agilis. das Leuchten des Meeres. A431 von Cayenne, dafs das Zusammenstofsen der Meeresströmungen das Leuch- ten bedinge und das Umrühren des Seewassers mit Glas fast gar keine, mit Holz schwache, mit der Hand stärkere, mit Metall aber lebhafte Funken gebe, weshalb Bernoulli p.100 Galvanismus vermuthet. Nordwind be- günstige es, Südwind und Feuchtigkeit verhinderen es. Wahrscheinlich ist Irrthum in der Beobachtung! In den Jahren 1774-75 machten Priestley und Scheele die wich- tige Entdeckung des Oxygens, welches die Ursache einer verfeinerten Erklä- rung des Meeresleuchtens bis in die neueste Zeit geworden. Im Jahre 1775 hielt de la Coudr£niere das von ihm an den Küsten Frankreichs, Afrika’s und bis Mexico beobachtete Meeresleuchten, welches auch bei vollem Mondschein sichtbar sei, für eine Phosphorescenz der Oberfläche selbst. Dans tous les climats le choc rend la mer lumineuse. — Il est surprenant que les physiciens celebres ayent attribues ce meteore marin (phosphorique) qui ne se fait voir qua la surface de la mer a des insectes mi- croscopiques, qu’ils ont vu dans le goömon. Journ. de Physique V,p.451. 1775 sah Diequemare, der verdienstvolle Beobachter der Seeane- monen (Actinien), an den Ufern von Havre Leuchtthierchen in solcher Menge, dafs das Licht 50-400 Toisen weit in die See von seiner Stube aus sichtbar war. Diequemare hat die Thierchen abgebildet. Eins derselben nennt er Porte-Iris, das Regenbogen-Thierchen, und hat es mit Fig. 9 dargestellt. Dies ist offenbar (Beroe) Cydippe Pileus. Das andere, welches in zahlloser Menge die Oberfläche bedeckte und 1778 besonders häufig war und das man bisher (Bernoulli und andere) für eine Vorticelle oder Cer- carie gehalten, Fig.S, ist ganz deutlich die Noctiluca miliaris, die ich um- ständlicher beschreiben werde. Diequemare schickte seine Zeichnung an Rigaud und dieser erkannte darin wieder dasselbe Thier, welches er (1765) beobachtet habe. Journal de Physique Vol.VI, p.319. 1778 machte Diequemare neue Beobachtungen über das Seeleuch- ten bekannt und'sprach dabei die wunderliche unzeitige Meinung aus, dals man aus der Verschiedenheit der Leuchthiere in den verschiedenen Meeres- strichen einen Nutzen für die Orientirung bei der Schiffahrt ziehen könne. Er sah ein kugliges Thierchen, die Noctiluca miliaris, in solcher Menge, dafs es eine Ölkruste auf dem Meere bildete, so dafs die Leute glaubten, es sei 432 EHrEnBERG: Öl ausgegossen worden. Auch die Actinien leuchteten damals, welche er in Gefäfsen zur Beobachtung bei sich hatte. Journ. de Physique XI, 137. 1780 schrieb Dombey aus Lima an den Abbe Rozier über das Mee- resleuchten. Sur le salpetre naturel de Peru et sur la lumiere phosphorigue de la mer. Er sah keine Insecten dabei, gesteht aber, dafs er kein stark vergröfserndes Mikroskop hatte und dafs es wegen geringer Helligkeit und Schiflsbewegung dabei schwierig sei, mit dem Mikroskope zur See zu beob- achten. Gegen die Magellanische Meerenge wurde das Leuchten geringer und am Cap Horn war keins (p.212). Regen, Blitz und Donner waren oft gleichzeitig. Bei Wärme war es stärker. Er sagt: Ze bitume lie avec Peau pourroit occasionner dans Üete les eclairs et la tonnere en s’evaporant avec Veau. Mit Cook’s und Reinholdt Forster’s Reise um die Welt bekam die Kenntnifs des Meeresleuchtens einen bedeutenden Zuwachs an intensiver Begründung. Forster’s Reisebemerkungen, welche 4778 in London und englisch erschienen, sind in der nächstfolgenden Zeit in vielen Schriften die Grundlage für die Darstellung und Erklärung dieses Phänomens geblieben. Die deutsche Übersetzung folgte erst im Jahre 1783. Pag.61 jenes Werkes findet sich ein Abschnitt überschrieben: T’he phosphoreal Light of Ihe Sea Water. Der wesentliche Inhalt ist folgender: Würmer und Mollusken mögen beide zum Leuchten der See beitra- gen, allein sie sind nicht die alleinige Ursache. Zuerst wird es zweifelhaft, dafs alles Leuchten von einerlei Art sei. Eine Art erstreckt sich nicht weit vom Schiffe. Es ist diejenige, wenn nur da die See leuchtet, wo sie vom Schiffe berührt wird. Eine andere Art sieht man nur bei Windstille. Sie dehnt sich weiter aus und geht in gröfsere Tiefe der See als die erste. Thut man dann Seewasser in ein Gefäfs und läfst es ruhig stehen, so ist es dunkel, aber bei jeder heftigen Bewegung wird es leuchtend. Das Licht heftet sich an den Finger oder die Hand, welche es bewegt, erlischt dabei aber sogleich. Eine dritte Art gehört ohne Zweifel den Medusen an. Selten nur hat er auch Fische und Muscheln leuchtend gesehen; auch möge es Würmer und Inseeten geben, die er nicht gesehen. Das prächtigste Leuchten kam ihm am 30°“ October 1772 am Cap der guten Hoffnung, wenige Meilen vom Lande vor. Das ganze Meer schien zu brennen. Jede Welle hatte einen Lichtsaum. Grofse erleuchtete Kör- per bewegten sich im Meere. Wie Blitze schossen manche vorüber. Es das Leuchten des Meeres. 433 waren Fische. Stiefs ein kleiner auf einen grofsen, so entfloh er möglichst schnell der Gefahr. In einem Eimer voll dieses Wassers fand Forster eine unendliche Menge kleiner, runder, leuchtender Körperchen in erstaunens- werther Lebhaftigkeit. Stand das Wasser ruhig, so wurden der Funken we- niger; durch Bewegung ward alles leuchtend. Er hing den Eimer auf, um die Schiffsbewegung davon abzuhalten, allein die Lichtpunkte bewegten sich immerfort auf und ab, wodurch eine freiwillige Bewegung derselben deut- lich wurde. Die Funken waren kaum wie ein Stecknadelknopf. Unter der schwächsten Vergröfserung zeigte das Mikroskop kleine, kugliche, gallertige, durchsichtige und etwas bräunliche Atome. Man sah von einer runden Mund- öffnung aus von der Oberfläche einen feinen Kanal in die Kugel gehen. Das Innere war mit 4-5 länglichen Darmsäcken erfüllt, welche mit dem Kanale in Verbindung standen. (Noctiluca miliaris?) Was nun die Ursache dieser Phosphorescenz anlangt, so nimmt For- ster, seinen Erfahrungen zufolge, deren 3 verschiedene an: 4) Electrieität durch Reibung des getheerten Schiffes am Wasser; 2) wahre Phosphorescenz durch faule animalische Theile in der See. Phosphorsäure sei in allen thie- rischen Theilen; diese, durch Fäulnifs befreit, mit einem brennbaren Kör- per verbunden, gebe Phosphor; endlich 3) lebende Thiere mit eignem Lichtbereitungs - Apparat. Während der Erzählung des Phänomens bricht Forster’s sonst gar nicht zur erschlafften pietistischen Richtung geneigtes Gefühl in folgende beachtenswerthe Worte aus: ‚‚Der unendliche Ocean, erfüllt mit Myriaden kleiner thierischer Wesen, welche Leben, freie Bewegung und die Fähigkeit in der Finsternifs zu leuchten, so wie das Licht nach Belieben zu unterdrük- ken besitzen, die auch alle mit ihnen in Berührung kommende andere Kör- per erleuchten! Diefs ist ein Wunder, welches den Verstand mit gröfserem Erstaunen und Ehrfurcht erfüllt, als ich im Stande bin es klar und richtig zu beschreiben.” Das Grofsartige und die Masse des Lebendigen, welches er sah, konnte er nicht besser bezeichnen, als dafs er, Forster, das Ge- müth (die unklare Anerkennung) an die Stelle des überwältigten Verstandes (der klaren Auffassung) setzte. 1780 erwähnt Otto Fabricius in seiner Fauna groenlandica auch der Nereis noctiluca. Er habe sie oft gesehen, aber nie genau betrachtet, und zweifelt nicht, dafs es das Leuchtthierchen der Meere bei den Autoren sei. Phys.- mathemat. Abhandl, 1834. Tii 434 EurEngBEere: 1781 beobachtete ein Anonymus am 15'* Juli auf einer Reise von Cronstadt nach Copenhagen in der Ostsee oft Meererleuchten. Am 30“ Au- gust sah er es lebhaft vor Copenhagen bei fast völliger Windstille. Er meint auch, das Meer enthalte Phosphorgas oder Phosphorsäure. Journ. de Phy- sigue XXIV, p.26. Sur les lueurs de la mer baltique (!). 1782 theilt Forster im Göttinger Magazin der Wissenschaften, 2'* Stück, p.281 Beobachtungen über das Leuchten der Zampyris splendidula mit. Ermachte, um dem Leuchtstoffe und Lichtentwicklungs- Processe le- bender Thiere näher zu kommen, Versuche mit dem Johanniskäfer in de- phlogistisirter Luft (Sauerstoflgas), welche Sömmering vorräthig hatte, und fand, dafs 4 in gemeiner Luft nur eben so stark leuchten als einer in jener. Er zieht daraus den Schlufs: die Hypothese, dafs die leuchtende Materie ein flüssiger in irgend einer ihm angemessenen thierischen Feuchtig- keit aufgelöster Phosphor sei, erlange hierdurch neue Wahrscheinlichkeit. Dafs das Leuchten willkührlich sei, leide, meint er, grofse Einschrän- kung. Das Aufleuchten sei isochronisch mit der Einathmung, das ganze Leuchten also in Verbindung mit der Respiration. Leuchtendes Holz werde durch dephlogistisirte Luft nicht heller. p. 288. 1782 gab auch Hablizl Nachrichten über Leuchterscheinungen im caspischen Meere. Im Mai fanden sich am Anker Feuerfunken im Schlamm und in todten Muscheln des Myulus polymorphus. Es ergab sich, dafs die Leuchtthierchen Weibchen des Cancer pulex waren, die kleine gelbe Eier unterm Bauche trugen. Ferner sah er das Leuchten des Accipenser Sturio (') a. 1780 meldete auch Flaugergues in einem Briefe an den Baron von Servieres in Paris seine Beobachtung des Leuchtens der Regenwürmer. Er sah es zuerst im Jahre 1771, als er im October Abends an der Rhone spatzieren ging. Er fand damals einen 3” langen, leuchtenden, matten Regenwurm. Am Gürtel war das Licht am stärksten. Unter Steinen in seinem Hofe fand er deren noch mehrere, die sehr lebhaft waren. Mehrere Jahre lang fand er dann keine wieder, bis er im October 1775 wieder dergleichen sah. Im Jahre 1779 sah er im Hofe an derselben Stelle nochmals leuchtende Regenwürmer. Wegen der Periodicität hält er die Erscheinung für zusammenhängend mit dem Ge- schlechtsreiz oder der Brunst. Journal de Physique XVI,311. Der Baron von Servieres macht in einer Nachschrift auf das Interesse und die Neuheit der Beobachtung aufmerksam. d. 1782 theilt Gueneau von Montbeillard in einem Memoire sur la Lampyre ou ver luisant mit, dals sowohl Puppe und Larve, als auch die Eier der Zampyris splendidula leuchten. Nowvelles memoires de Dijon 1783. Semestre 2, p.80. das Leuchten des Meeres. 435 und der Perca Zucioperca (Stör und Zander). Am Asterabatschen Meer- busen sah er weiter im Frühling und Herbst, dafs die Mücken (Cilex pi- piens) schwärmend einen Schein von sich gaben. Endlich fand er daselbst auch geflügelte Männchen der Zampyris (splendidula?). Pallas Neue nor- dische Beiträge IV, p.13. 1783. (') 1783 erschienen Forster’s Bemerkungen auf seiner Reise um die Welt deutsch. 1784 theilte Sparmann neue Beobachtungen mit, die er im Jahre 1772 am Vorgebirge der guten Hoffnung gemacht hatte. Am 5‘ März 1472 sah er ein schimmerndes oder funkelndes Leuchten der Meeresfläche beim Dunkelwerden, aufserdem einen stärkeren Glanz, 3’ im Durchmesser, über- all gleich leuchtend. Seine nordischen Matrosen nannten die Erscheinung Maarschein und meinten, es sei besonders häufig in der Nordsee. Im Jahre 1775 sah er nach einem Sturme in der Tafelbay eine end- lose Zahl leuchtender Medusen, ganz ähnlich jenem Maarschein, und meinte, er habe da auf einmal wohl mehr lebende Thiere beisammen gesehen, als es sonst auf dem ganzen festen Lande der Erde geben möge. Reise nach dem Cap p.5. 4784 machte der Graf Razoumowski Bemerkungen über den Jo- hanniskäfer in den Memoires de Lausanne bekannt. T.2, p.240. (?) Später gab derselbe Beobachtungen über das phosphorische Leuchten der Ostsee in die Verhandlungen der Haarlemer Gesellschaft der Wissen- schaften. erh. van het Maatsch. te Haarlem. Deel 23, Bl.3. (?) 1785 wurden von Jos. Mayer in Prag neue interessante Beobachtun- gen über das Leuchten des adriatischen Meeres in den Schriften der böhmi- schen Gesellschaft der Wissenschaften Abth. 2, p.3 bekannt gemacht. (?) Die Bewohner Venedigs erwarten es nach jedem ruhigen Tage. Durch- seihen schwächte das Licht. In Flaschen leuchtete es 14 Tage. Electrici- tät verstärkte es nicht und Electrometer gaben keine Anzeige von freier Elec- trieität. Er hielt die Erscheinung wieder durch ein Aufsaugen des Sonnen- lichtes von der Meeresfläche an ruhigen Tagen bedingt, wo das Licht mit voller Kraft sich in das Wasser senke. (‘) 1783 im Winter bemerkte Delius eine sehr schöne Phosphorescenz von einem Stück Rheinlachs oder Salm. Crell’s Chem. Annalen 1784. 1,524. lii2 436 EHrRENBERG: 1785 theilte Spallanzani in einem Briefe an Bonnet vorläufige Nachrichten über die einflufsreichen Beobachtungen mit, welche er im Jahre 1783 bei einem 24, monatlichen Aufenthalte in Portovenere bei Genua an- gestellt hatte. Er sah dort glänzendes Meerleuchten. Riville’s Thier sah er nicht, aber das von Vianelli und Griselini, und aufserdem noch 5 ganz neue Arten von Leuchtthieren. Er nimmt mit Canton auch ein Leuchten zer- störter Theile an, allein glaubt nicht, dafs die Fäulnifs der Fische diefs gebe. Er sah nur wenig Fische leuchten und die fettesten leuchteten nicht. Auch fand sich das Licht nicht, dem Öle gleich, auf der Oberfläche allein, sondern oft in einer Tiefe von 40 Pariser Fufs. Daher komme dem Seewasser ein Leuchten eigenthümlich zu. Bartholini’s Bericht über das Feuer des Octopus, wonach ein Pal- last in Flammen zu stehen scheine, hält er für übertrieben (!). Er sah das Leuchten dieser ihm vielfach vorgekommenen Thiere nur im Tode. Bei den Seefedern leuchtet nie der Stamm, nur die Fahne und auch nur die Enden derselben (die Polypen selbst) lebhaft. Drückt man die See- feder, so strömt aus der hintern Öffnung des Stammes ein leuchtender Was- serstrahl. Memorie di Verona T.II, p.603. Journ. de Phys. 1786. 1786 sahen zwei Mitglieder der Akademie von Marseille, Thulis und Bernard, bei Trans einen kleinen Krebs im Flusse leuchten. Nicht alle gleichartigen Thiere leuchteten. Sie nennen ihn Cancer macrurus rufescens und es war wohl ohne Zweifel der auch sonst in Flufsmündungen und leuch- tend beobachtete Cancer Pulex. Die leuchtenden Individuen mögen wohl wieder nur eiertragende Weibchen gewesen sein. Journ. de Phys. 28, 67. 1787 fafste Linn in seinen Amoenitatibus academicis im 3" Bande seine früheren Gelegenheitsschriften zusammen, in deren einigen von Leucht- thieren die Rede ist. Inden Miraculis insectorum p.331 nennt er als Leucht- thiere: Zampyris noctiluca, eine amerikanische Cantharis, welche Columna abgebildet habe (Zlater noctilueus), und die Fulgora laternaria. Ferner ist Adler’s Abhandlung über die Noctiluca marina (Meerlicht) von 1753 darin. Adler, ein schwedischer Chirurg, der 1787 wieder auf (') Das Unerwartete des Anblicks, grolse Dunkelheit und zufällig regere Einbildungskraft können wohl auch momentan Schreck und Gedanken an Feuer erregen. Die Persönlichkeit des Erzählers ist bei all solchen Mittheilungen freilich scharf ins Auge zu fassen. das Leuchten des Meeres. 437 Reisen war, machte seine Beobachtungen 1748 und 1749, wo seiner erwähnt worden, auf der ersten Reise bei China. Er meint (wahrscheinlich nach Linne’s Excerpten), dafs vor 1750 das Meerleuchten nicht bekannt gewesen, dafs die Alten das St. Elmsfeuer damit verwechselt hätten, was schwerlich der Fall ist. Besonders theilt er mit, dafs der schwedische Gesandte in Ve- nedig Griselini’s Beobachtungen bestätigend an Linne gemeldet, welcher darauf die Nereis noctiluca in sein Systema naturae aufgenommen, Als leuch- tend erwähnt er Kalbfleisch, Scomber, Clupea, Coryphaena, Gadus, Ossa Esocis Acus dicta, Byssus violacea L., Cicada laternaria, Scolopendra, Can- tharis; Oculi Luporum, Bubonum, Sepia, Chamae, Dactyli, Balani, Medu- sae aliaque Zoophyta, Fucus pennam referens (Pennatula), Cieindela, Nerei- des Sertularias fabricantes. Merkwürdig ist, was er über Taernström, seinen Landsmann, p.207 sagt. Dieser beobachtete ebenfalls das Meeresleuchten, ward aber von den Matrosen verhindert, solch giftiges Zeug an Bord zu bringen und zu unter- suchen. In frühern Zeiten mögen dergleichen Ideen und Äufserungen, welche Aelian’s Mittheilungen in mündlicher Tradition bei den Schillern gleichen, die Kenntnifs des Phänomens wohl sehr beeinträchtigt haben. Schliefslich giebt und beschreibt er eine Abbildung von Griselini’s Thieren unter dem neuen Namen Nereis phosphorans. Das kaum 2” lange Thier lebt auf Wasserpflanzen im Meere. (Es gleicht sehr der Nereis cirri- gera des Viviani, welche ich bei Helgoland ebenfalls gefunden zu haben meine und deren vordere Fühlfäden oft mangelhaft sind.) Linn&’s frühere Kenntnisse des organischen Leuchtens beschränkten sich auf das Leuchten der Cicada laternaria americana und chinensis, welche er schon im Jahre 1748 in seiner 6“ Ausgabe des Systema naturae aufgenom- men hatte. Letztere Art, welche er durch von Raben erhalten, beschrieb er selbst zuerst in den Abhandlungen der schwed. Akademie von 1746, wo er eine gute Abbildung gab und 1752. Auf das Leuchten schlofs er nur der Formähnlichkeit halber. Er erwähnt dabei des Leuchtens des Eulenfettes. Im Jahre 1758 in der 10° Ausgabe des Systema naturae nahm er die Nereis noctluca Griselini’s samt der Scolopendra electrica und phosphorea, letz- tere nach Eckeberg’s Beobachtung auf. Das Leuchten der Sepia und man- cher Medusen erwähnt er ebenfalls. 438 EHurenpBeEerce: Das Blitzen der Blumen des T’ropaeolum majus beobachtete und be- stätigte er auf Veranlassung seiner Tochter Elisabeth Christina Lin- naca, welche es 1762 auf seinem Landgute Hammerby bei Upsala entdeckte und in den Abhandlungen der schwedischen Akademie 1762 p.292 selbst beschrieb, wozu der Lector Wilkens als dritter Zeuge einen Nachtrag lie- ferte. Aus Linne’s Äufserung gegen seine Tochter geht hervor, dafs er den Lichterscheinungen, als physikalischen Processen, keine besondere Auf- merksamkeit schenken wollte (!). 1789. Olof Swartz theilt Beobachtungen über 2 Leuchtthiere mit, welche er auf seinen Reisen im atlantischen Ocean fand. Von Medusa pela- gica (Pelagia cyanella Eschsch.) sagt er: ‚‚sie ist zuweilen !,; Elle breit; im Wasser aber streckt sie sich zur Länge einer Elle aus, wenn etwas davon geholt wird, und erleuchtet oft das Seewasser fast wie ein Feuerbrand, zu- mal wenn es gerührt wird.” Das andere, welches er im atlantischen Ocean 57° N.B. im Septem- ber beobachtete, nennt er Actinia pusilla, es ist jedoch auch eine Meduse, die Eschscholz Melicertum pusillum nennt. Diese zeigte sich im Wasser wie ein kleiner, weifser, lichter Stern und ist von der Gröfse einer Erbse p-196. Neue schwedische Abh. 1789 (?). 1791 meldete Riche, der Begleiter von Labillardiere, dafs er an der Küste von Neuholland eine Daphnia sehr stark leuchtend beobachtet und bemerkt, dafs es bei Formen dieser Gattung bisher noch nicht bekannt gewesen. Rapport de la soc. philomath. T.H, p.188. Bernoulli hält es mit Unrecht für Daphnia Pulex. (') 1788 beschrieb Haggren, Lector der Naturgeschichte in Stregnas, ein schwaches Blitzen in der Calendula officinalis. Mehrere beobachteten gleichzeitig den Blitz. Es zeigte sich bei trockner Luft im Juli und August. Während 5 Sommern sah er das Blitzen des Tropaeolum majus, des Lilium bulbiferum, der Tagetes erecta und patula, auch wohl des He- lianthus annuus. Neue Abhandlungen der schwed. Akad. 1788, p.101. Vergl. Link 1824. (*) 1790 meldete ein Officier aus Stralsburg an Valmont de Bomare, dals er am 7! Ja- nuar 1790 bei nächtlicher Revision der Caserne Feuer zu sehen meinte. Er fand die Sol- daten in ihren Betten sitzend, auf dasselbe Licht schon aufmerksam. Sie hatten Kartoffeln geschält und eine als verdorben angesehene war mit den Schaalen in einen Korb geworfen und zerschnitten worden. Diese leuchtete so hell im Finstern, dals man dabei lesen konnte, und jeder neue Schnitt gab neue Leuchtflächen. Aus dem Journal de Physigue in mehreren deutschen Zeitschriften von 1790 und 1791. das Leuchten des Meeres. 439 Labillardiere berichtet von seiner Reise zum Aufsuchen des ver- unglückten Lapeyrouse, dafs er am 14 November 1791 dem Meerbusen von Guinea gegenüber das prächtigste Seeleuchten mit Gewitterwolken beob- achtet habe. Es war um 8 Uhr Abends. Ein eintretender Wind machte das Meer zu einer Feuerfläche (zappe de feu). An den Küsten ist das Meer weit leuchtender in den Tropen als anderswo. Am 14 April 1792 sah er es wieder so schön. Die Blitzableiter leuchteten gleichzeitig. Das Electro- meter zeigte viel Electricität der Luft. Er filtrirte das Wasser und fand kleine, runde, 4 Millimeter (£/”) grofse Mollusken (Noctiluca miliaris?). Er fand in den verschiedensten Gegenden immer dieselben Thiere wieder (j’ai trouve constamment les m&mes animaleules). Überdiefs sah er leuchtende Krebse und auch grofse Medusen von 2 Decimetern (7”) Durchmesser. F’oyage autour du monde p.43. 1792 beschrieb Olof Swartz nochmals die von ihm beobachtete Me- dusa pelagica (Pelagia cyanaca) und bildete sie ab. Er bemerkt dabei, dafs sie in dunkeln stürmischen Nächten an der Oberfläche des Meeres häufig leuchte, besonders bei Nordost- und Ostwind im September. Neue schwe- dische Abhandlungen 1792. 1792 machte Modeer seine Beobachtungen und systematischen Ar- beiten über die Gattung Medusa bekannt. Rücksichtlich des Leuchtens spricht er sich ziemlich theilnahmlos und oberflächlich folgendermafsen aus: Mehrere, vielleicht alle, nur hat man es nicht versucht, haben die beson- dere Eigenschaft, einen hellen Schein von sich im Wasser zu geben. Sie leuchten zwar überall, vorzüglich leuchtet aber der Rand am meisten. Zer- stückt und in das Meer geworfen sieht man die Stücke lange auf den Wellen leuchten, bis sie untersinken. #Zerbröckelt in ein Glas mit Meerwasser ge- legt und umgeschüttelt geben sie gleichsam einen funkenwerfenden Schein; seihet man das Wasser durch, so sieht man gleichsam kleine Sterne heraus- fahren. Ob man gleich nicht die Ursache dieses Leuchtens angeben kann, so ist es doch ausgemacht, dals es weder von dem Meerwasser herrührt, wel- ches diese Thiere eingezogen haben, noch dafs das Thier oder seine zer- streuten Theile selbst könnten das Leuchten des Meeres verursachen, das man oft bemerkt, denn die Zahl derselben ist viel zu klein, um ein Welt- meer leuchtend zu machen. A440 EurenBerc: Derselbe Verfasser sagt p.84: Die Medusen müssen also die dunkeln Tiefen des Meeres erhellen und es ist ein beträchtlicher Vortheil für die Ein- wohner des Meeres, dafs diese Thiere da sind. (!) Pag.95 berichtet er das Leuchten der Medusa Patina, wenn sie zerrie- ben wäre, und der M. noctiluca nach Forskäl. Neue schwed. Abh. 1792. Offenbar fehlt es diesem Urtheil des sonst verdienten Mannes an eig- ner Erfahrung und an Benutzung der vorhandenen fremden (!). 1792 stellte Otto in seinem Abrifs einer Naturgeschichte des Meeres einige der Erfahrungen und Urtheile über das Leuchten zusammen, mit besonderer Rücksicht auf das Urtheil Forster’s. pag. 93 (?). 1793 machte wieder der Abbe Spallanzani, Professor der Naturge- schichte in Pavia, wichtige Bemerkungen über Meeresleuchten in seiner Reise nach den beiden Sicilien. Das 27° Capitel handelt von leuchtenden Medusen, welche sich in der Meerenge von Messina finden. Er hatte Gele- genheit im ligustischen und adriatischen Meere, im Archipelagus und im thra- zischen Bosphorus sehr viele Medusen zu beobachten, allein er bemerkte nicht eine einzige, welche in der Nacht geleuchtet hätte. Blofs in der Meer- enge von Messina glückte es ihm solche zu sehen. — Hier hielt er sich meh- rere Wochen auf und hatte daher die schönste Gelegenheit über die oben erwähnten Medusen, welche sich in diesem Kanale des Meeres in aufseror- dentlicher Menge aufhalten, Betrachtungen anzustellen. Fährt man (im October) bei einbrechender Nacht auf einem kleinen Fahrzeuge in die Meerenge von Messina ein, besonders in die Nachbarschaft des Lazareths, so geben die Medusen anfangs ein schwaches Licht von sich, mit zunehmender Finsternifs erhält das Licht mehr Stärke und gröfsern Um- fang. Jede Meduse stellt eine lebhafte Fackel vor, die man einige 100 Schritte weit sehen kann, und nähert man sich, so unterscheidet man die (‘) 1791? bemerkt Borowski, dafs das Leuchten der Augen bei Zibethkatzen gesehen worden. Gemeinnützige Naturgesch. d. Thierreichs Th. 1, H.2, p.44. 1780? (°) 1792 bemerkte Olivier zuerst, dals das vermeinte Leuchten des Laternentrügers doch weiter untersucht werden müsse. Richard, den das französische Gouvernement als Natur- forscher nach Cayenne geschickt hatte, habe mehrere Arten von Fulgoren auferzogen, auch die, von welcher die Merian spricht, ohne eine Spur von Leuchten zu sehen. Er meint, Jals die Madame Merian ihre Thiere wohl nach dem Tode leuchtend gesehen habe. Er selbst sah im mittägigen Frankreich oft todte Cicaden leuchtend. Journ. @’hist. nat. II, 31. das Leuchten des Meeres, 441 Gestalt des Körpers deutlich. Mit der Contraction des oscillirenden (klap- penden) Thieres ist das Licht weit stärker als bei der Expansion. Zuweilen hält das Licht 4-1, Stunde und darüber ununterbrochen an, zuweilen er- löscht es auf einmal und kommt dann wieder. Die OÖscillation (das Klappen) oder das Ruhen des Thieres hat keinen Einflufs darauf. Die Resultate vie- ler Versuche waren folgende: 1) Die Medusen hören nie ganz auf zu leuchten als wenn sie nach dem 2) 3) 4) Tode in Fäulnifs übergehen. Das Leuchten wird nur abwechselnd schwächer und stärker, was mit Expansion und Contraction begleitet ist. Medusen, welche 22 Stunden im Trocknen gelegen und nicht mehr leuchten, leuchten sogleich wieder, wenn sie in Brunnenwasser gesetzt oder beregnet werden, nicht aber im Seewasser. Mechanischer Reiz vermehrt das Licht und entzündet es wieder, wo es erloschen scheint. Das Leuchten geht auf das Wasser über, sowohl das süfse als das salzige. 5) Wenn das Leuchten durch keinen Reiz mehr ersteht, kann man das- 8) 9 De z selbe durch Erhöhen der Temperatur wieder herstellen. Wenn bei 21-23°R. Lufttemperatur kein Leuchten mehr erfolgte, so geschah es bei 30°-+ Erhöhung. Zu hohe Wärme vernichtete es. Menschlicher Urin und Milch nehmen das Licht auf, Milch länger als jede andere Flüssigkeit. Nicht die ganze Meduse leuchtet, nur der Rand, besonders die gröfse- ren Fühlfäden. Schneidet man den Rand 5-6” breit ab, so leuchtet er fort, aber die Scheibe nicht. Das Licht rührt von einer dicklichen und etwas klebrigen Feuchtigkeit her, womit der Grund des Deckels befeuchtet ist und nicht nur dem innern Rande, sondern auch dem Maule und Sacke, in vorzüglicher Menge aber den grofsen Fühlfäden anklebt. Dieser Schleim abgeson- dert, mit Urin, Wasser und Milch vermischt, gab Phosphorescenz, ausgeprefster anderer Saft der Thiere gab keine. Des Schleims be- raubte Thiere leuchteten nie wieder. Medusen anderer Meere, die Spallanzani beobachtet hatte, leuch- teten weder lebend noch erstorben, aber bei ihrer Auflösung; die in Rede stehenden aber verhielten sich umgekehrt. Phys.- mathemat. Abhandl, 1834. Kkk 442 Eurenser: 10) Der klebrige phosphoreseirende Schleim nesselt. An die Zunge ge- bracht hielt das Stechen einen Tag lang an. “Selbst die flache Hand schmerzte davon. Die anderen Flüssigkeiten des Thieres schmeckten blofs salzig. 41) Nicht aller nesselnde Schleim von Medusen phosphorescirt. Im Golfo di Spezia gab es brennende Medusen, die nicht phosphoreseirten. 12) Die von Spallanzani bei Constantinopel untersuchten Medusen nes- selten nicht und leuchteten nicht. Die Leucht-Medusen von Messina halten sich dort, wie die Schiffer sagten, zu jeder Jahreszeit auf und heifsen Bromi. In Lipari nannte man sie Candellieri di mare (Meerleuchter). Sp. sah einmal einen kleinen Fisch in den klebrigen Fühlfäden einer Meduse hängen und hält diese Organe mithin für Leucht- und Fangorgane. Er hält die Medusen für hermaphroditisch, weil alle gleich organi- sirt waren und sie sich nie paarweise verbinden. Er suchte nach Eiern, blieb aber auch über diese zweifelhaft. Die beobachtete Art nennt er Medusa phosphorea orbieularis, con- vexiuscula, margine fimbriato, subtus 5 cavitatibus, tentaculis A crassioribus, centralibus, 8 tenwioribus, lateralibus, longioribus. Peron nannte diese Form später 4urelia phosphorea und Esch- scholz hat sie neuerlich als Pelagia phosphorea verzeichnet. Die 5 unteren Höhlen beziehen sich wahrscheinlich auf den mittleren von den 4 Eierhöbh- len umgebenen Mund. Jiaggi alle due Sicilie Tom.IV. 1793. 1793 erschienen auch Bemerkungen über Meeresleuchten aus Dal- dorf’s Tagebuche einer Reise von Kopenhagen nach Tranquebar. Am 24“ November 1790 beobachtete er in der spanischen See unter dem 42° N.B. leuchtende Theilchen. Mit Haartuch (Segeltuch??) liefsen sich keine auffan- gen. Am S'" December im 17° N.B. fand er das Leuchten ebenso Am 10'“ Dec. nahm er zum Auffangen der Leuchtstoffe feineres Haartuch und fand diefs unter Deck am Tage ganz leuchtend. Ebenso am 11'" Dec. Am 12“ Dec. bemerkte er, dafs wohl die weifse Farbe dabei trüge, indem alle weifse Gegenstände unterm Wasser heller aussähen und scheinbar leuchteten, so Fischbäuche, Speck an der Angel u. dergl. Am 26“ Januar war er unter 32° südl. Br. und hatte bald stärkeres, bald schwächeres Leuchten. Am 5'“ Februar fand er am Cap eine neue Art das Leuchten des Meeres. 443 Meeresleuchten. Bis dahin hatte es nur leuchtende Punkte gegeben; jetzt sah er aber grofse leuchtende Massen am Steuerruder. Am S'*Februar sah er noch eine andere Art Seeleuchten. Ein schlei- miges Thier (Molluscum) verbreitete einen Schein um sich. Es war einer Holothurie ähnlich, einen Daumen lang, dick, rund und an den beiden En- den zugespitzt, ganz durchsichtig wie das reinste Wasser. An einem Ende waren kleine durchsichtige Bläschen (Pyrosoma? Salpa?) Das Resultat seiner Beobachtungen ist: Es giebt mehrfache Arten des Seeleuchtens. 1) Eine Art kommt von wurmförmigen Thieren; 2) eine an- dere Art von Fischen, die einen hellen Silberglanz haben; 3) eine dritte Art besteht aus kleinen hellleuchtenden Theilchen, deren Beschaffenheit un- klar ist; 4) eine vierte Art wird durch gröfsere Leuchtmassen bedingt. Jagt- lagelser om Iysningen i havet. Naturhist. Selsk. Skrift. 2, 2, p.168 (!). (') a. 1793 machte Dr. Mayer in Göttingen Mittheilungen über das Leuchten der Thier- augen. Er erwähnt dabei auch des zuweilen beobachteten, aber nicht ganz sichern Leuch- tens der trüben grünlichen Schaafaugen und der Händeaugen. Er hält es für ein Einsaugen der Lichtstrahlen und Ausströmen derselben bei Nacht. Er meint, dafs die orangegelben Strei- fen der Zris es thun, indem er an das Blitzen der Calendula- Blumen erinnert. Lichten- berg’s (Voigt's) Magazin für Naturkunde B. 8, p.106. Es sei bei Katzen und Menschen im Sommer hänfiger als im Winter. d. 1794 theilte der Apotheker Luce Beobachtungen über einen Leuchtkäfer des süd- lichen Frankreichs mit, den er Scarabaee phosphorique nennt und welcher bis in die neueste Zeit als Scarabaeus phosphoreus, von Treviranus und Burmeister, besonders verzeichnet worden ist. Es scheint nichts weiter als der Johanniskäfer gewesen zu sein, denn die ganze Mittheilung zeugt von wenig Kenntnils der schon vorhandenen Erfahrungen. Das einzige Interessante des Aufsatzes könnte sein, wenn es sich bestätigte, dafs die Jungen nicht unmit- telbar, sondern erst einige Tage nach dem Auskriechen leuchten, wogegen es Erfahrungen über das Leuchten der Eier giebt. Er hat mithin nur die Entwicklung einer der Lampyris- Arten wieder beobachtet, die vielleicht L. italica ist. Journ. de Phys. XLIV, p. 300. c. Tormentill-Wurzeln leuchteten so lange sie frisch waren. Kurze anonyme Nach- richt in den Berliner Jahrbüchern der Pharmazie B. I, p.147. 1795. d. 1796 erwähnt Bruce in seiner Reise nach Habessinien beiläufig an einer Stelle, wo er von seinen beständigen Kämpfen mit den Hyänen spricht, dafs er in Maitsha des Nachts in seinem Zelte die grolsen blauen Augen einer Hyäne, welche 2 Pakete Lichter forttragen wollte, aufsich blitzen sah und dals er diese durchbohrte und erschofs. (!) Theil V, p.116 der deutschen Ausgabe. e. 1796 theilte Spallanzani die Resultate neuer Versuche über das Verhalten der organischen Leuchtkörper in gemeiner Luft, Oxygengas und in andern Gasarten, verglichen mit dem Kunkelschen Phosphor unter gleichen Verhältnissen mit. Faules Holz eines abge- Kkk2 444 EHRENBERG: 1797 meinte Brugnatelli: das Licht beim Leuchten anschiefsender Crystalle und beim Meeresleuchten sei blofs eine mechanische, doch un- stutzten Castariienstammes (Castanea vesca) aus den Bergen von Modena, das schon leicht, weich, zerreiblich und weilslich geworden war und von fern in der Nacht einem blassen Feuer glich, brachte er in kleinen Stücken in ein Eudiometer mit gemeiner Luft. Jedes Stückchen leuchtete im Finstern sehr gut. Eben so wenn er das Eudiometer mit Was- ser füllte. Reines Stickgas an dessen Stelle gebracht änderte 7 Minuten lang nichts, dann verminderte sich das Leuchten und nach { 2 in einem eingeschlofsnen Raume. Es blieb 3 Stunden im Stückgas dunkel. Beim Zutritt der reinen atmosphärischen Luft leuchtete es wieder wie vorher. Stunde war es aus, wie die Flamme eines Lichtes Füllte er das Eudiometer hierauf mit Oxygengas, so wurde das Licht ganz unglaub- lich hell. In ein Eudiometer, welches mit atmosphärischer Luft gefüllt war, brachte er zugleich Holzsäure und Kunkelschen Phosphor. Letzterer leuchtete wie gewöhnlich bis zum Verzeh- ren von 20 Grad Oxygengas. Das Holz hörte bei 16 Grad auf. Zutritt neuer atmosphä- rischer Luft brachte neues Leuchten. Das Castanienholz leuchtete nur 2 Tage lang; dann brachte man ihm Buchenwurzeln, welche 3 Tage lang leuchteten. Er meinte, es hinge von der Zersetzung ab. In Sumpfwasserstoffgas verhielten sich die Hölzer wie in Stickgas. Im folgenden September machte er Versuche mit Sepia officinalis in Venedig. Lebend leuchtete sie nicht, nur in der Fäulnils. Er hatte nur eine, aber hell leuchtende. Im Eudio- meter verhielt sich das Leuchten im Salzwasser wie in der atmosphärischen Luft. Im Stick- gas hörte alles Leuchten auf. Zutritt von atmosphärischer Luft stellte es etwas wieder her. Im Oxygengas war es doppelt so hell als in der gemeinen Luft. Da es keine Pennatulen und Leuchtmedusen im adriatischen Meere giebt, so machte er Versuche an lebenden Leuchtthieren bei den Johanniskäfern (Lampyris italica) im einge- tretenen Frühjahr. Die ungellügelten heilsen Zuecioloni (Leuchtwürmer), die gellügelten Zuc- ciole (Leuchtkäfer). Die Leuchtwürmer leuchten in der Freiheit ununterbrochen, die Leuchtkäfer abwech- selnd. In der Gefangenschaft können jene ihr Licht verbergen. Das Licht ist blafsbläulich am vorletzten weilslichen Bauchringe. Öfter eingefangene Thierchen leuchten selten wieder ununterbrochen. Um es zu erlangen, kann man den Bauchring, welcher leuchtet, öffnen und die weilsliche Leuchtsubstanz herausnehmen, wo sie dann eine Zeitlang leuchtet. Ein ungeflügeltes Thierchen brachte er in einem Eudiometer aus atmosphärischer Luft in Wasser, es fing wiederholt an zu leuchten. Aber im Stickgas hörte alles Leuchten auf. In gemeiner Luft fing es wieder an. In Oxygengas wurde es lebhafter leuchtend. Kohlen- säure und Wasserstoffgas verhielten sich wie Stickgas. Der abgeschnittene Hintertheil er- losch in Wasserstoffgas und Kohlensäure, wurde aber in Sauerstoffgas sehr lebhaft. Letzte- res beweise, dafs nicht die Respiration des reinen Oxygengases eine grölsere Lebendig- keit und in Folge dieser Leuchten erzeugt. Ferner macht Sp. darauf aufmerksam, dals die Leuchtwürmer nicht wohl die Weib- chen der Leuchtkäfer sein können, obschon man sie in Begattung gesehen haben wolle. p.129. das Leuchten des Meeres. 445 sichtbare, durch Bewegung frei werdende Anhäufung des Lichtstofles; eine sichtbare mechanische Anhäufung dagegen sei es beim faulen Holze und den leuchtenden Thieraugen. Annali diChimica T.XIN. 1797. Gilbert IV. 1800. Als Structur des Leuchtorgans (ventre Zuminoso) fand er folgendes: Die 2 letzten Bauchringe sind mit einer feinen durchsichtigen Haut überzogen, welche eine weilse, zühe und sehr weiche Masse einschlielst, die das Licht enthält. Diese weifse Stelle ist ein gut Viertel des Käfers, welcher 4” lang und 1”” breit ist. Obwohl die ganze Stelle leuch- tend erscheint, so zeigt sie doch, mit der Lupe besehen, viele kleine hellere Lichtpunkte, gleichsam Löcher, durch welche das innere Licht strahlt. Auch erkennt man diese Öffnun- gen in der Haut gegen das Licht wie in einer Eischaale. Durch diese Öffnungen mag die Luft in das Leuchtorgan treten. Besondere Athmungsorgane suchte er mit aller Mühe ver- gebens und unterm Wasser gereizt kamen Luftbläschen besonders aus dem Leuchtorgan. Die weilsliche zähe Leuchtmasse besteht aus kleinen, halbdurchsichtigen, unregelmälsigen Kügel- chen. Vereint leuchten sie, vereinzelt nicht, wiedervereint leuchten sie schwächer. Die Leuchtkäfer leuchteten auch nach dem Tode, so lange das Leuchtorgan weich war, und auch, wenn sie trocken waren, nach der Anfeuchtung mit Wasser, aber schwach. Schnell getrocknet leuchteten sie aber nie wieder. Sterbend leuchten sie mit einer Nadel gestochen wieder hell auf. Dasselbe geschieht bei abgeschnittenem Leibe. Bei 5° R. Kälte dauerte das Leuchten fort, bei 7° hörte es auf, aber es erschien beim Erwärmen der Tbierchen wieder. Die gewöhnliche Temperatur der Luft, in der sie fliegen, ist 17-21°, also war die Verschiedenheit etwa 21°. Auch der Kunkelsche Phosphor fängt im Sauerstoffgas meist erst bei 22° Wärme an zu leuchten, während er in gemeiner Luft bei 6° leuchtet. Es verlangt also das reine Sauer- stoffgas, um sich zu verbinden, eine laue Temperatur (p.147). In Kohlensäure gesenkt hörten sie plötzlich auf zu leuchten. Nach Zutritt von etwas atmosphärischer Luft fing das Leuchten wieder an. Stickgas und Wasserstoffgas wirkten langsamer ein, aber löschten das Leuchten auch aus. In Sauerstoffgas war das Licht doppelt so stark als gleichzeitig beobachtet in atmosphärischer Luft. Im Sauerstoff- Eudiometer stieg dabei das Wasser um %°, in der atmosphärischen Luft gar nicht. Mit 15 matt gewordenen Käfern diefs Experiment wiederholt zeigt sich Leuchten, aber keine Verminderung des Sauer- stoffgases. Er that dann 50 abgeschnittene Leuchtorgane in das Sauerstoff- Eudiometer, welche % Stunden leuchteten und 14° Sauerstoffgas absorbirten. Im erkälteten Sauerstoffgas war bei 4° Wärme das Leuchten abnehmend und bei 0° schon erloschen, also bei um 7° höherer Temperatur als in atmosphärischer Luft. Auch unter Wasser brachten Nadelstiche die gan- zen Käfer und ihre Theile zu hellem Aufleuchten. Endresultat: Es findet zwischen leuchtendem Holze sowohl als faulen Thierstoffen, Leuchtwürmern sowohl als Leuchtkäfern die grölste Ähnlichkeit mit dem Kunkelschen Phos- phor statt (la piu stretta analogia). p- 143. Es folgen dann seine Theorien des chemischen Leuchtprocesses im Holze. Wasser- stoff und Kohlenstoff sind die beiden einfachen Substanzen, welche die Pflanzen gröfstentheils zusammensetzen. Die Zersetzung oder die faulige Gährung erleichtert die Verbindung des Wasserstoffs und des Kohlenstoffs mit dem Sauerstoffe der Atmosphäre, welches sonach 446 EHurengene: Im gleichen Jahre? nahm Beckerheim ein eignes leuchtendes Flui- dum an und läugnete, dafs das Leuchten der Insecten im Sauerstoflgase einen langsamen Verbrennungsprocels abgiebt. So leuchten die Hölzer. Sind sie aber in me- phitischen Luftarten, so leuchten sie nicht, aus Mangel an Oxygen. Wenn nicht jedes Holz und nicht jedes faulende Thier leuchtet, so kann das daher kommen, dals sich nicht gleich- zeitig die Menge von Kohlenstoff und Wasserstoff entwickelt, welche nöthig ist, um das Licht erkennbar zu machen. Das Leuchten der lebenden Leuchtwürmer und Leuchtkäfer beruht auf denselben Prin- cipien. Das Athmen der Thiere ist ein langsamer Verbrennungsprocels des Wasserstoffs und Kohlenstoffs durch den Sauerstoff der Luft. Die gewöhnlichen seitlichen Luftröhren der In- secten habe er bei den Leuchtinsecten nicht gefunden, aber viele kleine Öffnungen im Leucht- organe, welche den Zutritt der Luft erlauben, und mithin des Oxygens zum Wasserstoff und Kohlenstoff der Flüssigkeiten des Leuchtorgans. Aufserer Reiz beschleunigt die Circeu- lation der Säfte, und mithin den Contact der brennenden Stoffe mit dem Oxygen. Im ab- geschnittenen Leibe bleiben die Feuchtigkeiten eine Zeitlang dieselben und dem Wasser ist atmosphärische Luft beigemischt, die das Leuchten unter dem Wasser unterhalten kann. Spall. Chimico esame degli esperimenti del Sig. Gottling a Jena. Modena 1796. p- 119 seq. f. 1796 regte auch Alexander von Humboldt mit der ihm schon damals eignen Umsicht und gründlichen Forschung diesen Gegenstand an, der von grolsem Interesse, aber seit Robert Boyle und Baco vernachlässigt sei und doch ganz im Kreise unserer Wahrnehmung liege. Er fragt also: Ist das Phosphoresciren des faulen Holzes, wie viele neuere Chemiker glauben, ein schwaches Verbrennen (une legere combustion)? Wird es durch hinzutretendes reines Sauerstoffgas wieder angefacht und erhöht? Er selbst machte Versuche mit faulem leuchtendem Kieferholze (Pinus sylvestris), wel- ches weilses mondähnliches Licht gab (während Weidenholz einen rötheren Schein gab). Das phosphorische Licht des faulen Holzes kam dem weilsen Lichte des Holzspahns im reinen Sauerstoffgase am nächsten. Aus directen Versuchen erhielt er diese Resultate: 1) dals das kohlensaure Gas den phosphorischen Schein des faulen Holzes um so viel schnel- ler verlösche, als es rein von Sauerstoffgas sei. 2) Sauerstoffgas, an die Stelle des kohlensauren Gases um erlöschtes faules Holz gebracht, gab in 2 Minuten wieder lebhaften phosphorischen Schein desselben. Dasselbe that at- mosphärische Luft. Auch 2 Stunden lang in kohlensaurem Gas erloschenes Holz leuch- tete beim Zutritt von wenig atmosphärischer Luft wieder. 3) In sehr reinem Sauerstoffgas leuchtete faules Holz nicht heller als in atmosphärischer Luft (obschon Forster bei den Johanniswürmchen das Gegentheil beobachtet hatte). 4) Holzstücke, die durch heifse Luft und dergl. verdunkelt worden waren, erhielten in Sauerstoffgas das Leuchten nicht wieder. 5) Holz leuchtete unter phosphorsaurem Wasser, aber kaum berührte es eine darüber ste- hende Schicht von Stickgas, so erlosch es. Einige Blasen atmosphärischer Luft in das Gefäls gebracht, gaben sogleich die Phosphorescenz wieder. das Leuchten des Meeres. 447 stärker werde, was Forster behauptete. Crell’s Annalen I,309. (?) An- nales de Chimie T.IV, p.19. 1789? Aus vielen Versuchen folgte: dals das Leuchten des faulen Holzes nur in Berührung mit Sauerstoffgas möglich sei, und dals das in irrespirabeln Gasarten verdunkelte Holz seine Phosphorescenz sogleich durch Zulassung neuen Sauerstoffs wieder erhalte. p.209. 6) Leuchtendes Holz absorbirt Sauerstoff, weil es in unreinem kohlensauren Gas allmälig erlischt. In solchem Gas, worin Holz bereits erloschen, leuchtet Phosphor noch, also bedarf das Holz mehr Sauerstoff zum Leuchten als der Phosphor. 7) Dafs das Holz nicht als faulende Substanz das Oxygen absorbirt, ging daraus her- vor, dafs leuchtendes Holz, durch heilse Luft für immer verdunkelt, in unreines Stick- gas gelegt nicht hinderte, dafs der hineingebrachte Phosphor nach 20 Minuten noch eben so stark leuchtete, als wenn kein Holz dabei war. 8) Directes Messen der absorbirten Gasmenge giebt nur unreine Resultate, weil bei jedem Faulungsprocesse Gasarten entbunden werden, ohne immer mit Licht verbunden zu sein. 9) Genaue Versuche über die Wärmeentwickelung sind ebenfalls nicht wohl möglich, weil die Verdampfung des Feuchten das Thermometer gerade so viel senken kann, als der entbundene Wärmestoff es hebt. 10) Im kalten Wasser phosphorescirt das Holz mehrere Tage lang, und Boyle’s Behaup- tung des Verlöschens darin ist irrig. Sonderbar ist es indels, dafs dagegen Phosphor nur selten im Wasser leuchtet, obschon er weniger Sauerstoff dazu bedarf. 11) Erhitzt man Wasser bis 80°R., so verlischt das Holz augenblicklich darin. In dem- selben siedenden und nach dem Verschliefsen beim Sieden erkalteten Wasser leuchtet neues Holz fort. Im destillirten Wasser (welches aber immer kein luftleeres ist) leuch- tet Holz auch fort. Weil die Wärme die Luft des Wassers nicht ganz austreiben kann, nur verdünnt, so trıtt sogleich atmosphärische Luft wieder hinein, wenn die verdün- nende Wärme abnimmt und die Luft Zutritt hat. 12) In über 30 und 32°R. erwärmtem Wasser leuchtet das Holz nie mehr, eben so we- nig in heifser Luft, in der Mundtemperatur (27 - 29°) leuchtet es noch. 13) In alkalischer Auflösung (Oleum tart per. del.) verschwindet der Glanz, im Alkohol 6 Minuten, in allen Säuren 9-12 Minuten nach dem Eintauchen. Neutralisirung durch Säure und Abwaschen der alkalischen Auflösung bringen das Leuchten nicht wieder. 14) Kochsalzsäure in Wasser gemischt tödtet, obwohl die atmosphärische Luft im \WVasser dieselbe bleibt, das Leuchten. Herr v. Humboldt stellte sich den Procefs so vor: Wenn das Gleichgewicht zwi- schen den Bestandtheilen organischer Stoffe aufgehoben ist und Fäulnils beginnt, so wird dieser chemische Procels durch die Temperatur und Beschaffenheit des umgebenden Mediums mannigfach modifieirt. Ist z.B. der Wärmegrad gering, so tritt der Wasserstoff an den Sauerstoff und bildet Wasser, ist die Temperatur beträchtlich erhöht, so geht der Sauerstoff sogleich eine Verbindung mit dem Kohlenstoffe zur Kohlensäure ein. Es folgt hieraus, dals da die faulende Substanz in jedem Augenblicke ihren Mischungszustand verändert, und da die Phosphorescenz von dieser Mischungsveränderung abhängt, alles gegenseitig einwirkt. Wird die Berührung des Holzes mit dem Sauerstoff aufgehoben, so verschwindet die Phos- 448 EHrEnBeErg: 1798 erhielt der Graf von Borch durch Einkochen der öligen leuch- tenden Materie des Schwerdtfisches ein phosphorescirendes Öl. Ati dell Acad. di Siena T.6, p.317. (?) phorescenz. Dauert aber die Berührung mit Sauerstoff wirklich fort, und wird nur die Tem- peratur des Mediums beträchtlich erhöht, so geht die faulende Substanz neue Mischungsver- hältnisse ein, die keine Lichtentbindung zugeben. Eben so hört der Kunkelsche Phosphor zu leuchten auf, wenn er entweder mit dem Sauerstoff nicht in Contact steht, oder bei dem Contact mit Schwefel vereinigt ist. Sollte sich auch bei den Fischen das Leuchten durch Sauerstoffgas bedingt zeigen, so könnte es scheinen, dafs diese Lebensluft die alleinige Quelle des Lichtes sei, aber auch nur scheinen. p.220. Wenn es schwer sei feinere Versuche zu ersinnen, so sei es noch schwerer aus den Versuchen nicht mehr zu folgern, als durch sie begründet wird. Übrigens folge aus allen (dort genannten) Erfahrungen, dafs bei der jetzigen Lage unserer physikalischen Kenntnisse es keineswegs mehr apodictisch zu behaupten sei, dafs der Lichtstoff nur in dem Sauerstoffgas allein gebun- den sei. Wahrscheinlicher und jenen bisherigen Erfahrungen angemessener sei es hingegen anzunehmen, dafs der Lichtstoff wie der Wärmestoff sich mit allen Substanzen, die von den Sonnenstrahlen getroffen werden, chemisch zu verbinden fähig sei. p.228. Er vermuthet p.231., dafs das faule Holz während des Faulungsprocesses die Licht- strahlen von sich gebe, welche es vorher eingesogen hat. Kein Wunder daher, wenn das Grubenholz (der Bergwerke), den Sonnenstrahlen seit vielen Jahren entzogen, diese phos- phorische Lichtentbindung so selten zeige. Altes zerrilsnes Grubenholz, welches an seinem Standorte gar nicht leuchtete, fing an zu leuchten als es einige Tage dem Sonnenlicht aus- gesetzt war. Dals Byssus phosphorea, welche nicht in Gruben wächst, die Ursache des Leuchtens des Holzes zu Tage und des Nichtleuchtens in der Grube sei, sei ungegründet, weil das meiste leuchtende Holz frei von flechtenartigem Überzug ist. Ja Herr v.H. schälte Byssus phosphorea vom leuchtenden Weidenholze ab, und fand sie für sich nicht leuchtend. Herr v.H. hielt es hiernach für fast gewils, dafs während der Lichtentbindung aus dem faulen Holze Sauerstoffgas zersetzt und Sauerstoff absorbirt werde. Schliefslich verwahrt sich der Herr Verfasser gegen den Ausdruck des materiellen Substrates bei der Lichterscheinung, und erklärt den Ausdruck Lichtstoff und Wärmestoff dem ® und y gleich, welches man für unbekannte Grölsen setzt, indem ihr Dasein nicht wie das materielle Substrat des Sauerstoffs oder der Kalkerde erwiesen sei. Bemerkenswerth ist noch eine Beobachtung des damaligen Bergamtsassessors Freyes- leben zu Marienberg, welche p.231 erwähnt wird. Derselbe sah einen Zichen filamentosus in der Grube leuchten. A. v. H. über die chemische Zerlegung des Luftkreises p. 198 seq. s. 1797 machte Gorradori Bemerkungen gegen Spallanzani’s Beobachtungen und Schlüsse. 1) Die phosphorescirenden Holzstücke leuchten auch unter Wasser, in Öl und im luftlee- ren Raume, also ohne Sauerstoff. das Leuchten des Meeres, 449 1798 giebt Olof Wäsström in den neuen schwedischen Abhandlun- gen Nachrichten über das Mareld (Seeblinken) in den norwegischen Schä- ren und über das Phosphoreseiren des Eises beim Aufhauen. Er glaubt an ein Verhältnifs der Erscheinung mit dem Nordlichte. Das Seeblinken ist besonders im Herbste häufig, und da fängt auch schon die Kälte an. Es könnten daher, wie er meint, blinkende kleine Eisnadeln sein, die anschie- fsen. — Auffassung und Darstellung nicht ansprechend. Übersetzt in Crell’s chemischen Annalen 1799. p. 392. 2) Findet er auffallend, dafs Spallanzani keine Veränderung des Volumens der Lebens- luft bei Holz fand, wohl aber bei den Johanniswürmchen. 3) Rügt er, dafs Spallanzani die Luceiolen (Leuchtkäfer) für blofs männlich halte, da er auch weibliche mit Eiern gefunden. (Allerdings waren die Zuccioloni Larven.) 4) Holz und Insecten leuchten in Öl. In Weingeist und Weinessig erlöscht das Licht, und in Öl und Wasser leuchtet es wieder auf. Es ist daher keine Verbrennung. 5) Dals das Leuchten die Lebensluft vermindert, ist nicht entscheidend, diels thun viele Substanzen ohne zu leuchten, durch ihre Ausflüsse. 6) Der künstliche Phosphor leuchtet nur bei einer bestimmten Temperatur, der natürliche bei jeder, sie sind also nicht sich gleich. 7) Spallanzani's Erklärungsart der Entstehung des Holzleuchtens, wonach der freige- wordene Wasserstoff und Kohlenstoff den Sauerstoff anziehen, hält er für unwahr- scheinlich. Er meint vielmehr, dafs das Holz sich um so viel dem Zustande des Phos- phorescirens nähere, als es (Harz) brennbaren Stoff verliere. Auch die Leuchtsubstanz der Insecten sei nicht harziger noch öliger Natur, könne also nicht viel Kohlen- und Wasserstoff enthalten und nicht sehr verbrennlich sein. 8) Endlich bemerkt er, dafs wenn die Insecten unter Wasser durch ein Verbrennen leuch- ten, warum thut diels der künstliche Phosphor nicht? Das Leuchten der Johanniskäfer sei gleichförmig, nur geängstigt leuchten sie ungleich- förmig. Es sei eine eigene Membran da, in welche sie die Leuchtsubstanz zurückziehen kön- nen. Er vermuthet, dals das Leuchten nur in einem Zittern der phosphorischen Substanz bestehe, und gar kein Ausströmen statt finde. Die leuchtende Masse in einem eigenen Be- hältnifs an den letzten Bauchringen ist teigig, hat einen Knoblauchsgeruch und wenig Ge- schmack. Ausgedrückt verliert sie in wenig Stunden ihren Glanz, und verwandelt sich in eine trockne weilse Masse. So wenig als Verbrennung sei das Leuchten auch eine Fixirung des Stickgases, wie Göttling meine. Vielmehr scheinen die Insecten das Licht aus den Nahrungsmitteln abzuscheiden, wie andere Thiere die Wärme. Annali di Chimica 1797. h. 1797 ergab sich aus Tychsen’s Versuchen in Kongsberg wieder, dafs das faule Holz im Leuchten sich doch ganz wie Phosphor verhalte.e Crell’s Annalen 1. St. p.20. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Lil 450 Eurensere: 1798 ist das Seeleuchten in Gehler’s physikalischem Wörterbuche sehr kurz und theilnahmelos im Artikel Meer abgehandelt. 1798 entdeckte der Capitain Horsburg an der arabischen Küste ein Leuchtthierchen des Meeres, welches wieder als Oniscus fulgens verzeich- net worden. Vergl. 1810. Macartney. Im gleichen Jahre bemerkt Lacepede in der Histoire des Poissons T.1, p.: Fische, welche zugweis aus dem Wasser springen, um ihren Verfol- gern zu entgehen, erscheinen beim Herabfallen wie ein Feuerregen (!). 1799 sahen Scherer und Osiander einen faulen Schellfisch leuch- ten und bemerken, dafs die atmosphärische Luft mit dem Leuchtprocesse in genauer Verbindung stehe. Scherer’s Journal der Chemie p. 589. 1799 erschienen Alexander von Humboldt’s Zusätze zu seinen Beobachtungen über den Leuchtprocefs, die während seiner amerikanischen Reise von Herrn Wilhelm v. Humboldt in dem Werke: über die un- terirdischen Gasarten herausgegeben worden. Pag. 67 wird das Leuch- ten des Holzes in den Gruben wieder aufgenommen. Herr v. Humboldt hatte seitdem von alten Bergleuten in Marienberg gehört, dafs sie diese sel- tene Erscheinung doch beobachteten. Er nennt dabei den schon 1796 er- wähnten leuchtenden Zichen filamentosus des Hrn. Freiesleben wieder und bezeichnet ihn als dem Z. pinnatus der Flora Fribergensis subterr. nah ver- wandt. Dafs in den Gruben, wo das Holz in allen Abstufungen der Zer- setzung beisammen und so häufig ist, so selten Lichtentbindung vorhanden sei, damit zu lösen, dafs Mangel an Einsaugung des Sonnenlichtes es be- dinge, erscheint ihm ungenügend, und er stellt die Frage: Wo hat der Lichen filamentosus (ein organischer Körper, der in der Finsternifs der Grube entstand) den Lichtstofl eingesogen, welchen ihn Herr Freiesleben von sich geben sah? (‘) a. 1798. Afzelius beobachtete in Freetown in Sierra Leone im Anfange des Jah- res 1796, dafs die Kügelchen an den Fühlern des Pausus sphaerocerus, eines Käfers, leuch- ten. Zinnean Transact. IV. p- 261. 1798. d. 1798. Der englische Insectenmaler Donavan hat in seinem Werke: An Epitome of the natural history of the Insects of China die Fulgora candelaria auf Chrysanthemum indicum leuchtend abgebildet, ohne neue Beobachtungen dafür zu haben und ohne es selbst gesehen zu haben. c. Im gleichen Jahre beobachtete Dr. Schaub in Cassel leuchtendes Holz. Tromms- dorf Journal d. Pharmazie. (0) das Leuchten des Meeres. 451 1799. Nach Davy dauert das Leuchten verwesender Fische in engen versiegelten Röhren unter Öl und unter ausgekochtem Wasser fort. Bed- does Contrib. to phys. and med. knowl. 1799. p.143. Bernoulli p.177. In demselben Jahre gab Blumhof in Voigt's Magazin für Naturge- schichte und Physik eine neue Übersicht der Geschichte des Meeresleuch- tens, die jedoch wenig reichhaltig und detaillirt ist, vielmehr wieder For- ster’s Ansichten vorzüglich mittheilt. Voigt I, 4. p.1.(') 1800. Dr. Bressy erklärt das Meeresleuchten wieder als eine durch Reiben erregte Electricität des Wassers. Er hat ein eignes Instrument er- funden, das Psychoscop, um Wasser durch Schlagen (mit eisernen Ketten) electrisch zu machen. Bei der geringsten Bewegung des Wassers soll sich schon Electricität, Anziehen und Abstofsen kleiner auf dem Wasser schwim- mender Stückchen Siegellack (Sensitive) zeigen. Da nun das Meer selten ohne Bewegung ist, so liegt die Ursache des Meerleuchtens ihm nahe. Dafs ein wenig Alcohol das funkelnde Seeleuchten zerstört, erklärt er durch Auf- lösung des Bitumens in demselben. (!) Bernoulli hat schon diese Schrift p- 63 als ganz unzuverlässig und auf geringen Fundamentalkenntnissen beru- hend angezeigt. Essail sur Üelectricite de leau. Paris V, p.178. 1500. Bosc in der Histoire des vers suite de Buffon sagt, dafs alle Beroe-Arten im Meere leuchten. Ferner spricht er als erfahrner Reisender zuerst, wie es scheint, die falsche Beobachtung bestimmter als Modeer aus, dafs alle Medusen leuchten, was ihm vielfach nachgesprochen worden ist. Les orlies marines sont loutes phosphorescentes pendant la nuit, mais cet effet (') a. 1799 theilte Gärtner Beobachtungen über das Leuchten des faulen Holzes mit. Er benutzte Eichenholz und Fichtenholz. Das Verzehren von Lebensluft und die Bildung von Luftsäure dabei zeigen ihm an, dafs diese Lichtentwicklung unter die Klasse der Ver- brennungsprocesse gehöre. Das eigentlich Leuchtende scheint ihm gar nicht Phosphor zu sein, weil es in dephlogistisirter Luft fortleuchte. Er findet mehr Ähnlichkeit mit dem animalischen Respirationsprocesse, als mit einer wahren Verbrennung. Auch das Leuchten fauler Fische und anderen Fleisches gehöre in dieselbe Klasse. Scherer’s Journal 3, p.3. d. 1799 erklärte Volta in seinen meteorologischen Beobachtungen in Briefform im ersten Bande p.243 das Leuchten der Blumen für eine, anderen electrischen sehr ähnliche, durch Auffallen des Blüthenstaubes erregte Erscheinung, wofür es auch Pulteney (Sketches of the progress of botany in England ]. p- 346) gehalten haben soll. L112 452 EHRENBERG: est le resultat de leur volonte, car ıl n’est pas permanent, souvent n’est qu’in- stantand p.134. Auch die Velellen p.158 und alle Salpen, deren er 12 Arten aufführt p.174, sind phosphorescirend, ‚,tous les biphores sont phos- phoriques,” was nicht erwiesen ist ('). Erfreulich waren 1800 besonders Hulme’s Versuche und Bemerkun- gen über das Licht, welches verschiedene Körper von selbst mit einiger Fortdauer ausströmen. Er unterscheidet das von selbst entstehende Licht (spontaneous Light) von dem der künstlichen Phosphore, dem der Electrici- tät, der Meteore u.a. Als mit diesem Lichte begabt nennt er die leuchtenden lebenden See- thiere, die leuchtenden leblosen Seefische, das Fleisch der todten Säuge- thiere, die lebenden Leuchtinsecten, Holz und Torf. Seine Versuche machte er mit Heringen, Makrelen und Kaulquappen (jungen Fröschen), und er glaubt, dafs Boyle’s Versuche mit Witlingen ge- macht wären. Die Resultate seiner directen Versuche sind folgende: 1) Die Menge des Lichts, welche faule thierische Körper ausströmen, steht nicht im Verhältnifs mit dem Grade der Fäulnifs, wie man gewöhnlich annimmt, sondern je gröfser die Fäulnifs ist, desto geringer ist umge- kehrt die Lichtmenge. 2) Dieses Licht ist ein besonderer Bestandtheil verschiedener Körper, vorzüglich der Seefische (am meisten des Rogens und der Milch) und kann von ihnen getrennt und für eine Zeitlang bleibend gemacht wer- den. Es scheint ihrer ganzen Substanz einverleibt und ein Bestand- theil derselben nach Art aller andern Bestandtheile zu sein. (?) Das Licht ist der Bestandtheil, welcher zuerst entweicht. Die leuchtenden Fische scheinen dem Auge ganz frisch und gut, und bei merklicher Fäulnifs leuchten sie nicht. (*) a. 1800 beobachtete von Szüts, Apotheker in Ungarn, im September das Leuch- ten der Blätter einer Phytolacca decandra Abends im Garten, das auch nach dem Abwischen jener bis nach Mitternacht anhiel. Trommsdorf’s Journal d. Pharmazie D.8. St. 2. p-54. db. Gleichzeitig machte Gilbert einen Auszug von A. v. Humboldt’s Versuchen, und gab einige Bemerkungen darüber. Gilbert’s Annalen III. p.84. e. 1500 ward Kortum’s Beobachtung des Leuchtens verdorbener Faleriana-W ur- zeln, auf dem Boden einer Apotheke zu Warschau, bekannt gemacht. Er hatte sich umsonst Mühe gegeben Kartoffeln leuchtend zu schen. Voigt's Magazin für die Naturkunde B.2, p- 67. das Leuchten des Meeres. 453 3) Wasser allein, Wasser mit ungelöschtem Kalk oder kohlensaurem Gas oder Schwefellebergas geschwängert, gegohrne Säfte, ‚Spirituosa, Mi- neralsäuren concentrirte sowohl als verdünnte, Pflanzensäuren, fixe und flüchtige Laugensalze in Wasser aufgelöst, saturirte Auflösun- gen von Mittelsalzen, erkaltete Aufgüsse von Kamillenblumen, spa- nischer Pfeffer und Kampher, reiner Honig, endlich Kälte löschen das freiwillige Licht aus. 4) Verdünnte Auflösung von Epsomsalz, Glaubersalz, Rochellesalz, Sal- peter, Kochsalz, Salmiak, reiner Honig und Zucker, so wie Seewasser machte das Licht eine Zeitlang dauernd, wenn der Leuchtstofl’ damit geschüttelt ward. 5) Der lichtauslöschende Stoff läfst sich durch Verdünnen oft neutralisi- ren oder unwirksam machen, und so ausgelöschtes Licht wieder her- vorrufen. 6) Bewegung macht das Licht lebhafter. 7) Das Licht hat keine durch das Thermometer bemerkliche Wärme. 8) Kälte löscht es für eine Zeitlang aus, aber sowohl bei Holz, als bei Fischen, als bei Johanniswürmern kehrt das Licht mit der Wärme wieder. 9) Siedehitze des Wassers tödtet das Leuchten völlig, laue Wärme befüör- dert es. 10) Fischlicht an den menschlichen Körper gebracht erlischt früher (nach 45 bis 20 Minuten) als an einem kühlen Orte (doch wohl der schnel- leren Verdunstung der Feuchtigkeit halber). Erwärmen von Holz in der Hand, Anhauchen eines todten Johanniswurms vermehren das Leuch- ten. Blut und faules Serum nehmen den Lichtstoff nicht oder wenig auf, aber frisches Serum. Makrelenlicht, mit Harn vermischt, erlischt sogleich oder bald. Galle löscht es bald aus. Frische Milch hält das Licht schön und lange, saure Milch löscht es aus. Diese Versuche über Seefische reihen sich nebst den früheren von Canton und den weniger detaillirten, aber an zahlreicheren Formen ange- stellten von Martin, obwohl an Schärfe der Beurtheilung offenbar nach- stehend, an die Versuche von Alexander von Humboldt über das Leuchten des faulen Holzes und an die von Spallanzani über die ABA Eurenserc: Johanniswürmchen an. Philos. Transact. 1800. Gilbert’s Annalen 1803. p-129. (‘) (') a. Im Jahre 1800 wurden von Aim@ Lair in Paris die Fälle von Selbstverbren- nung bei Menschen gesammelt, welche ebenfalls zuweilen von Lichterscheinungen begleitet waren. Es waren eine alte trunksüchtige anonyme Frau von niederem Stande in Copenhagen 1692, Frau Millet in Reims 1725, Grace-Pitt Frau eines Fischhändlers aus Suffolk 1744, Madame de Boiseon in Plerguer bei Dol 1749, die Gräfin Cornelia Bandi aus Cesena 1763, Marie Clues eine Arbeitsfrau 1773, Marie Jauffret eine kleine fette Schuhmacherfrau in Aix en Provence und Demoiselle Thuars in Caen 1782, in welchem letzteren Orte besonders viele Selbstverbrennungen vorgekommen sind. Anonyme Fälle sind noch mehrere erwähnt. Man fand diese Personen brennend und in Asche verwandelt, ohne dafs ihre Betten oder anderen Umgebungen sehr beschädigt waren, neben ausgebrannten Lampen oder Lichtern. Todte menschliche Körper brennen sonst so wenig als frisches Thierlleisch. Essai sur les combustions humaines produites par un long abus des liqueurs spirituelles, übersetzt von Rit- ter 1801. Er fand, dafs alle plötzlich von selbst verbrannte Personen alte dem Trunke er- gebene Frauen waren, und dals äufseres Feuer die Entzündung veranlafste. ö. 1800 erwähnt Professor Göttling in Jena des Leuchtens der fetten Öle beim Kochen im Dunkeln. Göttling’s Taschenbuch 1800 p.71. Derselbe hatte 1794 gefunden, dafs der Phosphor in reinem Sauerstoffgas ohne Wärme gar nicht leuchte, und hielt mithin das Leuchten und Brennen desselben nicht für eine blofse Sauerstoffverbindung. Eine Ansicht, welche auch auf das Leuchten der Thiere Anwendung gefunden. Spallanzani wurde 1796 sein Gegner, dem andere folgten. Gött- ling Beiträge zur Berichtigung der antiphlogistischen Chemie 1794. c. 1801 erzählt Fouquet die Selbstverbrennung des Priesters Maria Bertholi, ohne Zutritt äulseren Feuers. Bibliotheque salutaire. Paris 1801. (?) d. 1801 gab Prof. Boeckmann die Resultate seiner Beobachtungen über organisches Leuchten an faulem Buchenholze an. Es war mittelmäfsig feucht, ohne besondern Moder- geruch und leuchtete nicht durch und durch, sondern nur einige Linien tief. Es ist diese Arbeit eine sehr interessante Vergleichung der früheren Beobachtungen und als Resultat ergiebt sich, dafs das phosphorescirende Holz sich vom künstlichen Phosphor (gegen Spallanzani’s Ansicht) ganz wesentlich unterscheide: 1) Es leuchtet, im Sauerstoffgas, bei niedriger Temperatur, Phosphor nicht, nur bei hö- herer. 2) Es leuchtet in allen irrespirabeln Gasarten meistens kurze Zeit, Phosphor nur in Stick- stoffgas, in oxydirtem Stickstoffgas und in salzsaurem Gas. 3) erlischt es in salzsaurem Gas schnell, Phosphor entzündet sich darin glänzend. 4) es leuchtet in verdünnter Luft schwächer, Phosphor stärker. 5) Es phosphorescirt in der torricellischen Leere, Phosphor nicht. 6) In Sauerstoffgas erhitzt erlischt es, Phosphor brennt. 7) Beim Leuchten in Sauerstoffgas bildet sich kohlenstoffsaures Gas, bei Phosphor nicht. 8) Wenn Holz in irrespirabeln Gasarten erloschen ist, so leuchtet neu hinzugethanes doch auch wieder eine kurze Zeit, Phosphor nicht wo Phosphor erlosch. das Leuchten des Meeres. 455 1802 wurde in Krünitz Encyclopädie unter dem Artikel Meerwas- ser einiges Historische über das Meerleuchten zusammengestellt. Auch die Artikel: Meerassel (Nereis) und Lichteinsaugende Körper (1800) ge- hören zum Theil dazu. In Kant’s physikalischer Geographie von diesem Jahre, welche hie und da citirt wird, fand ich nichts über diese Erscheinung. Pag. 143 spricht er oberflächlich vom Eisblinken. 1802 erschienen interessante, aber sonderbar verfehlte Beobachtun- gen über ein schönes Meerleuchten vom Prof. Mitchill in Newyork. Er sah am 13'* November 1800 aus seinem 210 Fufs vom Ufer ent- fernten Fenster ein auffallendes Meerleuchten bei der Fluth. Er fand die Ursache in kleinen, bis 14, Zoll grofsen Mollusken, die er Medusa simplex nennt. Bei jedem Fufstritt zertrat er mehrere. Der Sand, auf dem sie ge- legen, leuchtete, und der Finger, der sie berührt hatte, auch. Er erkannte überdiefs mehrere verschiedene Arten von Thieren. Einige waren so klein wie Punkte, kaum sichtbar, diese hielt er für Nereis noculuca (es war wahr- scheinlicher Noectiluca miliaris); andere waren +; Zoll (3”) lange Würmer der Gattung Jereis (vielleicht Nereis cirrigera). Die elliptische Medusa simplex, welche vielleicht Bero& ovata war und mit der gleichzeitig noch andere kleine Beroe- oder Cydippe-Arten vor- handen gewesen zu sein scheinen, die der Beobachter aber nicht unterschied, roch im Tode nach Phosphorgas. Auf die sonderbarste Weise hat er sich mit der Beobachtung einer vermeinten Bluteirculation getäuscht, welche er für die Ursache des Leuch- tens und den Träger des Lichtes hält. Die Bewegung der schillernden Wim- pern der S Rippen oder bandartigen Bewegungsorgane hat er nämlich für eine Bluteirculation angesehen und spricht dabei von 8 grofsen Arterien (er meint die 8 Rippen) und einer vera cava, für welche er den Magen gehal- ten zu haben scheint. Er schliefst nun, dafs das Athmen die Lichtentwick- Es wird ihm wahrscheinlich, dafs das Holz zur Phosphorescenz unmittelbar keines Sauerstoffgases nöthig habe, und meint, dafs nicht ein einfacher, sondern viele besondere Umstände zusammenwirken müssen, weil man sonst das Phänomen viel häufiger antreffen mülste. Herrn A. v. Humboldt’s Ansicht übrigens, dals das Leuchten einen besonderen bei Fäulnils oft übersprungenen Mischungszustand der Gährung verlange, ist auch die seinige. 456 EHrENBERG: lung bedinge und dafs man sie im Menschen, wäre er durchsichtig, vielleicht auch wahrnähme. (!) Er vermuthet, dafs alles Meerleuchten von Thieren auf diese Weise bewirkt werde. Dafs die Rippen der Beroön ein specieller Sitz der Lichtentwicklung sind, hatte schon Diequemare angezeigt, allein Hulme hat es detaillirter beobachtet. Aus Mitchill and Miller Medical repository Vol. 4, p.375 in Gilbert’s Annalen XII. 1803. p. 161. 1802 gab Tilesius vor seiner Weltumseglung Bemerkungen über einige Quallen (Medusa), welche sich im Tagus und an den portugiesischen Küsten fanden: M. cruciata (alfureca) und capillata. Wenn man sie an einen kühlen und feuchten Ort legt, so leuchten sie (todt) schon in der ersten Nacht, aber bei weitem nicht so stark als die faulen Tintenfische. Er be- schreibt dabei noch eine neue Art M. radiata (Estrela do mar, Seestern). Von dieser und Vandelli's 7. hysoscella (isoscela) erwähnt er keines Leuch- tens. Jahrbuch d. Naturg. p.173. (!) In gleichem Jahre erschien Marchand’s Reise um die Welt aus den Jahren 1790-92. Der Abschnitt über das Meeresleuchten II, p.340-347 läfst wenig eigene intensive Beobachtung erkennen. 1803 bemerkte Humphry Davy in seiner Theorie des Lichtes (Gil- bert’s Annalen XI, p.574.), dafs das Licht weder Wärme noch Ätherschwin- gung sein könne, sondern ein eigner Stoff sei. Er glaubt, dafs Licht und Sauerstoff sich in verschiedenen Verhältnissen verbinden p.589; dafs der Lichtstoff auch mit organischen und animalischen Körpern Verbindungen eingehe p.591. Das Leuchten der faulenden Fische schreibt er dem bei einem gewissen Grade der Fäulnifs frei werdenden Lichtstoffe zu, und den in den Körpern gebundenen Lichtstoff sieht er als die Ursache der Sensi- bilität und Reizbarkeit an, und meint, dafs wir ihm das Empfinden und Den- ken verdanken. Auch die hellen Farben der Körper verhalten sich wie die Mengen des in ihnen gebundenen Lichtstofles. (') 1802 bemerkt Felix Azara das Leuchten des Harnes beim Uriniren des Stinkthieres Yagouard, Zorillo (Fioerra Mepkitis) in Paraguay nach dem Zeugnils des Pater Guerra. Apuntamientos. Madrid 1802. p.187. das Leuchten des Meeres. 457 In demselben Jahre schrieb der Akademiker Patrin den Aufsatz für das Nouveau Diet. des sc. naturelles, welcher das Meeresleuchten enthält, Article: Mer. Er stimmt ganz den Ansichten Le Roy’s bei und hat selbst auf seiner Reise von Petersburg nach Frankreich das Meer jeden Abend leuchten ge- sehen. Mit einem an einen Stock gebundenen grofsen Löffel (!) schöpfte er vom Schiffe aus Wasser, um es mit der Lupe zu besehen. Er sah nur Schleim, der, zwischen den Fingern gerieben, leuchtete. Eine der reichhaltigsten Sammlungen der Geschichte des Meeresleuch- tens und des Leuchtens thierischer Körper, welche allen späteren zur Grund- lage diente, ist das kleine, sehr fleifsige Werk des Dr. Bernoulli in Göt- tingen vom Jahre 1803: Über das Leuchten des Meeres u.s.w. Es zerfällt in 6 Abschnitte: 1) Geschichtliche Einleitung, 2) Leuchten des Mee- res durch Einsaugung des Sonnenlichtes, 3) Leuchten des Meeres durch Electrieität, 4) Leuchten des Meeres durch lebende Seegeschöpfe, 5) Leuch- ten des Meeres durch Verwesung animalischer Substanzen, und 6) Entste- hung des Lichtes in organischen Körpern. Mayer’s Beobachtungen liegen der Annahme der Lichteinsaugung zum Grunde p.33 und 43. Es lasse sich nicht einsehen, dafs bei den Bec- carischen Versuchen ein leises Verbrennen statt finde, indem Materien, welche Jahre durch der Sonne ausgesetzt sind, keine Verbrennung, sondern das Gegentheil, allmälige Desoxydation zeigen und indem das Licht durch Überziehen der Materie mit Öl, welches die Luft und das Verbrennen ab- hält, nicht gemindert werde (p.40. 41). Das Meer leuchte durch beige- mischtes Kochsalz (p. 53). Seine Ansicht über electrisches Leuchten stützt sich besonders auf Forster’s Meinung. Pag.65 und 77 spricht er sich dahin aus, dafs er nicht immer in der Nähe des Schifles die Electricität des geriebenen Kissens, son- dern zuweilen, des Eisens und Kupfers wegen, Galvanismus vermuthe. Das thierische Leuchten, wofür er viele historische Bestätigungen an- führt, ist er zuletzt nicht abgeneigt, auch für electrische Wirkung zu hal- ten, weilLe Roy ein allmäliges Verschwinden des Leuchtens beim Umrüh- ren und eine Restauration bei der Ruhe des Wassers beobachtete. Seine Deutung der Leuchtthiere von Diequemare p.93 als Vorticelle oder Cer- Phys.-mathemat. Abhandl, 1834. Mmm 458 EHrENBERG: carie, so wie der Daphnia bei Riche als Monoculus (Cancer) Pulex p.97 und die Infusorien des Duc de Chaulnes p.111 sind unrichtig. Rücksichtlich des Leuchtens todter Substanzen glaubt er den ganzen Körper mit einer leuchtenden Masse erfüllt, die im Leben regelmäfsig, im Tode unregelmäfsig ausströme. Das Licht bei der Auflösung organischer Materien, die im Leben nicht leuchten, hält er für besonders merkwürdig (p. 113). Was endlich die Entstehung des Lichtes in organischen Körpern an- langt, so hält er den Phosphor für die Ursache, welcher ein Product des Lebens sei (p.146). Bei Zampyris werde er als Gas ausgehaucht, bei den Pholaden als Schleim ausgeschwitzt (?) p.151. Er glaubt, dafs die Medusen und Pflanzenthiere u. s.w., welche weniger Phosphorsäure in inneren Kno- chen binden, eine mehr gephosphorte Gasart exspiriren und daher mehr leuchten als die Wirbelthiere (p. 150. 151. 159). Als Resultat seiner Bemü- hungen über das organische Licht führt er folgende 8 Sätze an: 1) Das Leuchten im lebenden Thiere besteht in einer langsamen Verbren- nung einer brennbaren Materie, die manchmal wenigstens wirklicher Phosphor zu sein scheint. 2) Der Lebensprocefs erzeugt die Materie und sie ist das Residuum der Lebenskraft. 3) Die Oxydation wird durch Respiration oder auf ähnliche Weise durch die Luft vermittelt. 4) Bei vollkommener Respiration ist die Oxydation nicht sichtbar, nur bei unvollkommener. 5) Zum Sichtbarwerden des innern Leuchtens ist Durchsichtigkeit des Körpers nöthig. 6) Manche Thiere besitzen eigene Leuchtorgane, die einen Leuchtstoff aussondern. 7) Poren gestatten zum letztern den Zutritt der Luft und Muskularbewe- gungen können eine ihn deckende Haut entfernen, daher bei Bewe- gung das Leuchten stärker ist. 8) Die ausgeschiedene Leuchtmaterie kann ohne Schaden des Thieres weg- genommen werden, wodurch es nur dunkel wird, während jene ge- trennt fortleuchtet. das Leuchten des Meeres. 459 Rücksichtlich der Lichtentwicklung todter thierischer Substanzen ist er nach p. 178 der Meinung, dafs diese keineswegs als eine Oxydation ange- sehen werden dürfe, sondern dafs das Licht nur als wesentlicher Bestandtheil aller Organisationen bei vielen Arten während der Auflösung wieder sicht- bar werde. Ob das Licht mechanisch in den Körpern angehäuft, oder als Kraft, oder als Lichtmaterie vorhanden sei, entscheidet er endlich p.179 dahin, dafs das austretende Licht wahrscheinlicher die Entfernung einer Kraft sei. Übrigens ist er auch geneigt, den Nervengeist für eine Modification des Lichtes zu halten. Dafs die Elastieität bei ihrer Entweichung aus den thierischen Thei- len sich in Licht auflöse (wie beim Zerplatzen von Glas u.s.w.) und dafs dabei das Kochsalz eine wesentliche Rolle spiele (besonders Seefische leuch- ten), ist endlich die Idee, welche ihn zum Schlusse führt. Er meint dabei: „Kochsalz vereinigt Säure und Kali. Seine Hauptrolle im Meere ist Zer- setzung, wodurch jene unendliche Menge von Organisationen sich bilden (!Generatio spontanea), indem ihnen die Basis der Säure die Substanz, das Kali die zugleich werdende Kalkhülle, das Oxygen aber den Stoff zu ihrer Er- haltung darreicht. Jene Basis (der Säure) aber scheint es zu sein, welche nach dem Tode in den Seegeschöpfen das Leuchten hervorbringt.” Es ist wohl Schade um diese mit vielem Fleifse errungene Hypothese. 1803 hat der Hofrath Beckmann Bernoulli privatim mitgetheilt, dafs er im baltischen Meere einen ihm an der Hand hängen gebliebenen Licht- punkt mit dem Mikroskope ganz so gestaltet gefunden, wie Griselini’s Thier. Auch an Austern fanden sich dergleichen daselbst. Bernoulli p:90. (?) (') a. 1803. Rücksichtlich der Lichterscheinungen bei lebenden Insecten führt Bernoulli die ihm privatim mitgetheilte beachtenswerthe Meinung seines Freundes des Prof. Horkel an, dals sie mit dem Generationsgeschäfte in genauer Verbindung stehen und den riechenden Sekretionen der meisten Thiere ähnlich sein mögen. Man hat auch behauptet, dafs nur die männlichen Insecten Abends nach dem Lichte flögen, weil dasselbe eine gleiche Empfindung in ihnen errege, wie das Weibchen. Horkel bezieht sich auf eine Stelle von Götze 1775 ım Naturforscher 5. St. p-218. Nach Bernoulli hat Latreille sogar bei den meisten Nachtinsecten ein Leuchten der Weibchen besonders vermuthet, weil sie so begierig nach der Flamme lliegen. Bernoulli hält es (sonderbar genug) für ein Streben nach dem Son- nenlicht oder der Wärme (des Nachts!). p. 166. Mmm 2 460 EHrengeEre: 1504 theilte Peron nach der Rückkehr von seiner Weltumseglung zuerst seine Beobachtungen über das Leuchten der Pyrosomen mit. Am 13“ Frimaire (December) 1500 sah er in 3-4° N.B. und 19-20° W.L. bei Wind- stille und Gewitterwolken, wobei das Meer 22° Temperatur zeigte, eine un- zählige Menge grofser, prachtvoller, ganz unbekannter Leuchtthiere. Sie mafsen 3-7 Zoll. Mauge fing sogleich 30-40 auf einmal. Er beschreibt sie als Pyrosoma atlanticum. Annales du Museum IV. 1804 erzählt Peron ferner, dafs er mit seinem Collegen Maug£ in der Nähe des Cap Leuwin in Neuholland bei Windstille aus der Tiefe von 90-100 Klafter die Körper des Meeresgrundes heraufgeholt habe. Sie fan- den Retiporen, Sertularien, Isis, Gorgonien, Aleyonien, Schwämme mit Fucus und Ulven vermischt. Fast alles leuchtete. Auch waren alle Sub- stanzen um mehr als 3° wärmer als die Oberfläche. Schon Treviranus bemerkt, dafs die Gegenstände vielleicht todt wa- ren. Annales du Mus. T.V, p.133. Gleichzeitig beschreibt Bory de St. Vincent, der auf demselben Schiffe nach Isle de France fuhr, seine Beobachtungen. Von jenem Pyro- soma spricht er unter dem andern Namen Monophora noctiluca. Er giebt eine ausführliche Beschreibung des Meerleuchtens im 1“ Bande seiner Reise p- 108. Oft sah er in dem Abends leuchtend gewesenen Meerwasser (wenn er am Tage darnach davon heraufzog) auch mit der Lupe gar nichts. Er stellt sich das Meer als einen dünnen Brei von aufgelösten, in steter Wech- selwirkung befindlichen organischen und anorganischen Theilen vor und scheint die Leuchttheile (partieules lumineuses) zerstörten Leuchtthieren zu- zuschreiben. Er sagt: L’analogie des vers mollusques et des Infusoires est sl marquce quwon acru pouvorr en conclure — que c’est a cetle phosphorescence ö. 1503. Latreille beschreibt einen fraglichen neuen Leuchtkäfer aus der Familie der Pimelien, der bei der Expedition des Cap. Baudin von der Insel Maria gebracht wurde, und 2 behaarte häutige Stellen hat, von denen Lamarck vermuthet, dals es Leuchtor- gane wären. Er nennt ihn Chiroscelis bifenestra Lam. Hist. nat. des Insectes. Suite de Buf- fon Vol.X, p. 262. ce. Gleichzeitig bemerkt Schmid wieder, dafs Eier, Larve und Puppe der Lampyris (noeziluca) leuchten. Versuche über die Insecten 1, p.245. (?) d. 1503 gab Hulme neue Beobachtungen unter dem Titel: „Wirkungen verschie- dener Luftarten auf das von selbst entstehende Licht.” Philos. Transact. 1801. - Gilbert B. XII. 1503. p. 292. das Leuchten des Meeres. 464 des microscopiques marins, qui faut attribuer celle de "Ocean. — Mais pour- quoi les Paramecies, les Cyclides, les Boursaires et les Vorticelles d’eau douce ne sont elles pas aussi phosphoriques? — On n’a encore publid aucune obser- vation microscopique (? vergl. 1757) dont on puisse appuyer opinion de ceux qui expliquent la phosphorescence de la mer par les animaleules dont elle est remplie. — Personne n’a jamais dit avoir vu de ses yeus briller un mollusque invisible a Voeil nu, pas plus quun infusoire. Foyages aux 4 Isles d’Afrique I, p.112. Wären die Medusen nicht monoeeisch, so könnte man im Lichte einen Sexualreiz vermuthen (vergl. 1803). Schliefslich meint er, weil das Flüssige des Wassers auf der Erde allmälig abnehme, so nehme wahrschein- lich die Phosphorescenz der Meere zu. 1804 schrieb Langsdorf, welcher mit Tilesius Krusenstern be- gleitete, von der Insel St. Catharina bei Brasilien, dafs er mit Hülfe eines sehr guten Mikroskops gefunden habe, dafs alles Meeresleuchten von orga- nisirten Körpern, von Thieren komme: Krebschen, Squillen, Gammarel- len, Salpen, Medusen. Er besitze schon jetzt eine Sammlung leuchtender Seekörper, die einzig in ihrer Art sei. Voigt’s Magazin für die Naturkunde B.IX, p.220. 1805 ('). Horner, der Astronom und Gefährte von Langsdorf, schrieb im October 1303 von Teneriffa: Der atlantische Ocean leuchte nicht minder (') a. 1804 bemerkt der Pfarrer Jacob Müller in Odenbach, dals das Leuchten der Lampyris während der Begattung am stärksten sei. Naturgeschichte der Zampyris hemiptera in Illig. Magaz. f. Insectenkunde 4. p.178. Interessant. Zamp. hemiptera leuchtet auch. b. Gleichzeitig sprach sich Saussure der Jüng. über das Leuchten bei Pflanzen aus. L’inflammation qu'on peut produire sur les grappes des Fraxinelles (Dietamnus albus) paroit tenir uniquement ü la combustion de son huile essentielle. Von den Capucines (Tropaeolum) und Soueis (Calendula) sagt er, ihr Glanz sei geeignet, Täuschung zu verursachen. Recher- ches chimıques sur la vegetation p-129. c. 1804 gab auch Ritter, der Übersetzer von Zair, eine besondere Schrift heraus: über Selbstentzündungen in organisirten und leblosen Körpern. (°) d. Stedmann beobachtete auf seiner Reise nach Surinam das Leuchten der Fu/gora /aternaria wieder. Das Licht ist weit stärker, als von irgend einem andern Leuchtinsect. Es kommt von der grofsen Stirnblase. Illiger Magazin f. Insect. 4. p.226. 1504. (Ist es wirkliche Beobachtung?) e. Lamarck beschreibt den von Latreille erwähnten neuen Käfer von Neuholland aus der Familie der Tenebrionen, Chiroscelis bifenestra. Annales du Mus. 3, p. 262. vergl. Klug 1834. 462 EureEnBEenc: stark als die Nordsee. Das Leuchten scheine in das noch dunkle Gebiet des Phosphoreseirens zu gehören. Mit kleinen Thieren und öligen Theilen scheine die Sache wohl nicht abgethan. v. Zach’s monatliche Correspon- denz B.9, p.61. Am 23“ November schreibt derselbe unter 40° 40’ N.B. und 21° 33’ W.L. auf der Fahrt nach Brasilien: Unsere Naturforscher (Langsdorf und Tilesius) beschäftigen sich sehr mit dem Leuchten des Meeres. Besonders hat Dr. Langsdorf eine grofse Anzahl neuer mikroskopischer Wesen (Thiere) entdeckt, welche, — todt und lebendig —, so lange sie nafs sind, leuchten. Da ich anfangs ungläubig war, so habe ich solches Wasser filtrirt, aber die Thierchen blieben auf dem Filtrum sitzen und das durchgelaufene Wasser gab kein Licht mehr. Ebenda p. 497. Im Januar 1804 schreibt er von St. Catharina bei Brasilien: Das Leuchten des Meerwassers haben wir auf unsrer Reise unter verschiedenen Umständen oft sehr stark gefunden. Doch scheint die atmosphärische Elec- trieität einigen Einflufs zu haben. Das gewöhnliche Leuchten scheint wohl meist von Seethieren herzurühren. Sonderbar jedoch, dafs diese Thierchen entweder nicht immer leuchten oder nicht immer an der Oberfläche sind. Wir fischten mehrere heraus, von denen einige noch eine Zeitlang lebten. So wie sie irocken waren, hörte das Licht auf. Ich filtrirte leuchtendes Wasser, weil ich das Leuchten für eine Eigenschaft des Wassers in Berüh- rung mit kleinen Körpern hielt, und streuete nachher Sägespäne hinein. Allein mein Wasser blieb trotz allem Schütteln dunkel und die Punkte leuchteten im Filtrum. Erschütterung kann das sterbende Licht wieder aufleben machen. Dr. Langsdorf hat die Thierchen unter- sucht und allerlei noch unbekannte Krebschen, Squillen u. dergl. gefunden. Der Durchmesser des leuchtenden Punktes mochte wohl 10 mal gröfser sein als das Thierchen, das ihn darstellt. v. Zach monatliche Correspondenz B. 10. 1804. p.221. Man erkennt in dieser allmäligen Darstellung den vollendeten Über- gang von der physikalischen Vorstellung zur physiologischen bei einem wohl unpartheiischen, gut accreditirten Gelehrten. 1805 meldete Ducluzeau das Leuchten einiger Seeconferven der Ge- gend von Montpellier: Za phosphorescence est encore a noter dans les confer- ves marines, elle est plus ou moins remarquable selon les differentes especes. das Leuchten des Meeres. 463 J’ai souvent observe ce phenomene sur une conferve de nos etangs, voisine de la Conf. rupestris L. Essai sur Vhist. nat. des Conferves des environs de Montpellier p.18. Vergl. das Folgende und 1819. Besondere Aufmerksamkeit hatte in demselben Jahre Viviani, Pro- fessor in Genua, dem Gegenstande gewidmet. Er fand im ligustischen Meere noch 14 bisher unbekannte Thierchen, welche Licht von sich gaben. Be- sonders den bis dahin weniger beachteten mikroskopischen Thieren, die bald zahlreich einzeln zerstreut, bald haufenweis das Meer erfüllen, bald schwimmen, bald kriechen, schreibt er das Meerleuchten zu. Alle Algen, alle Corallinen des Meeres, vom Grunde heraufgehoben, funkeln durch eine Menge an ihnen hängender Thierchen. Das glänzendste Thierchen ist Nereis cirrigera. Das Leuchten ist Lebensact, der Tod unterbricht es, nur bei Asterias nocüluca leuchten auch die abgerifsnen Strahlen. Fische und andere Seethiere, welche beim Faulen an der Luft leuchten, gaben kein Licht, wenn er sie absichtlich unter Meerwasser faulen liefs. Wenn das Meer in einem zusammenhängenden Licht gleichsam von selbst leuchtet, so geschieht diefs durch die weit zahlreicheren Heere der Infusionsthierchen, welche dasselbe erfüllen. Einige den leuchtenden ganz ähnliche Thiere leuchteten nicht und es sei noch kein Leuchtthier in süfsem Wasser gefunden. Die von ihm beschriebenen und abgebildeten Thiere sind: 1) 4ste- rias noctiluca mit 1” grofsem Discus = Ophiura, 2) Cyclops exsliens var. Jlavescens, 3) Gammarus caudisetus, 4) G. longicornis, 5) G. truncatus, 6) G. circinnatus, 7) G. heteroclitus, (G. crassimanus leuchtet nicht), 8) Ne- reis cirrigera (= Sylis cirrigera Aud.), 9) N. mucronata, 10) N. radiata, 11) Zumbricus hirticauda (!) = Proctochaeta hirticauda, 12) L. simplieissimus = Orthostoma simplieissimum, 13) Planaria retusa = T'yphloplana retusa, 14) Branchiurus quadripes = Larva Dipteri? 15) Spirographis Spallanzani (= Tubularia Spallanzanü Gmel. Vielleicht doch nur eine Serpula od. Sabella). Da Viviani nur von 14 neuen Leuchtthieren spricht und er auch den Ganmarus crassimanus mit aufzählt und abbildet, obwohl er nicht leuchtet, so ist wohl auch die Spirographis, welche von Späteren mit aufgenommen (‘) Eine eigenthümliche Form, vermuthlich der Strudelwürmer, mit vorderer Endöffnung (Turbellaria monosterea) aus der Familie der Micruraeen. Man könnte sie unter dem eignen Gattungsnamen Proczochaeta hirticauda festhalten. Der warzige Theil ist der einziehbare Rüssel oder Schlund. 464 Enrensere: ist, nicht als überzähliges Leuchtthier anzusehen, da er nirgends ihres Lich- tes erwähnt. Viviani behauptet ferner zwar, dafs die Afterbüschel des Branchiurus rothes Blut führen, allein die Form ist zu deutlich eine Larve und die Abbildung zeugt nicht von sehr scharfer Auffassung. Phosphores- cenlia Maris. Genua 1805. 1806 gab die Gesellschaft der Wissenschaften zu Haarlem als Preis- frage für 1807 auf: Welches ist die Ursache der Phosphorescenz des Meerwassers? Gilbert’s Annalen 1806. p.126. Eine genügende Lösung scheint nicht erfolgt zu sein. 1806 bildete auch Abild gaard in der Zoologia Wanica Tab.148, Fig. 1-3 einen Ringelwurm unter dem Namen Nereis noctiluca ab. Es läfst sich geschichtlich darthun, dafs Linne’s gleichnamiges Thierchen einerlei mit dem von Griselini ist. Letzteres ist aber Nereis phosphorans von Ad- ler und wahrscheinlich Nereis eirrigera von Viviani. Abildgaard’s Thier hatte Schilder und scheint eine Species der Gattung Polynoe, nicht Sylis, wie Audouin vermuthet, zu sein. Übrigens wird des Leuchtens nicht erwähnt. 1807 erschien die Beschreibung von Peron’s Reisen um die Welt in den Jahren 1800-1804. Im ersten Bande p.38 befindet sich ein beachtens- werthes Capitel über das Meeresleuchten. Er sagt darin: Za phosphorescence appartient essentiellement a toutes les mers. — Tous les phenomenes de la phosphorescence des eaux de la mer, quelque multiplies, quelque singuliers quls puissent etre peuvent cependant Etre rapportes tous a un principe unique, la phosphorescence propre aux animaux et plus partieulierement aux mollus- ques et aux Zoophytes mous. Als Leuchtthiere erwähnt er p.44 Beroö macrostoma, die auf Tafel XXAXT, Fig.1 abgebildet ist (= Bero& capensis Eschsch.), dann der Stepha- nomia Amphitrites Taf. XXIX, Fig.5, deren Licht besonders glänzend war. Ferner des Leuchtens dreier Arten von Salpa, S. cyanogaster Taf. XXX, Fig. 3°, S. anteliophora Fig. 3° und S. vivipara Taf. XXXI, Fig.3. Auf Taf. AXX, Fig.2 und Taf. XXXI, Fig.2 hat er zwei Leuchtmedusen abgebildet, die Cuvieria = Berenice rosca Eschsch. und Medusa panopyra = Pelagia panopyra Eschscholz, ferner auf Taf. XXX, Fig. 1 das Pyrosoma atlanti- cum. Auch erwähnt er pag. 121 einer leuchtenden Ophiura von der Insel Bernier. Es leuchteten 5 Drüsen ihrer Scheibe. Er nennt sie Ophiura phos- das Leuchten des Meeres. 465 phorca. (Viviani’s Ophiura noctiluca leuchtete strahlend vom Centrum nach den Radien hin.) Endlich befindet sich p. 485 die frühere Abhandlung über Pyrosoma atlanticum angehängt. Gleich Anfangs nennt Peron eine grofse Menge von weniger bekann- ten Beobachtern des Meeresleuchtens, deren Namen aber sehr oft falsch ge- schrieben sind und die er wohl kaum selbst verglichen hat. Bei einigen der angeführten französischen Reisenden suchte ich umsonst nach der Stelle. Seine Landsleute werfen ihm auch die Liebhaberei einer Induction durch Citate, namentlich bei den Corallenverhältnissen vor. Doch mögen bei den Reisenden einzelne Beobachtungen noch aufzufinden sein, die man später nachtragen kann, wenn sie interessant genug sind. In gleichem Jahre (1807) gab die physikalisch - mathematische Klasse des Pariser Instituts eine Preisfrage für das Jahr 1809: Durch Erfahrung zu bestimmen, in welcher Beziehung unter einander die verschiedenen Phos- phorescenzen stehen und welche Ursache jeder Art zuzuschreiben sei, mit Ausschlufs der lebenden Thiere. Diesen Preis erhielt Dessaignes (vergl. 4809). Aber auch Placidus Heinrich ward durch sie angeregt, den Ge- genstand in dieser Beziehung zu bearbeiten, und seine Concurrenzschrift er- hielt, wie er 1811 pag.ıx der Vorrede sagt, den zweiten Platz, obschon er nicht undeutlich der Meinung zu sein scheint, dafs sie wohl noch andere Berücksichtigung verdient habe ('). (') a. 1807 machte Illiger eine Abhandlung über die leuchtenden Elateren bekannt. Er glaubt die älteste Spur bei Marcgrav zu finden und zählt 16 Arten, darunter 11 ganz neue, auf; nämlich 1) Elater noctilucus L. Fabr. aus Brasilien, Peru, Cayenne; 2) Lampa- dion Illig. aus Bahia; 3) retrospiciens Illig. aus Para in Brasilien; 4) phosphoreus L. Dej. aus Para in Brasilien; 5) Zueidutus Illig. aus Peru; 6) niczitans Illig. aus Para; 7) Zucernula Illig. aus Siara in Brasilien; 8) Speculator Illig. aus Siara; 9) Janus Illig. aus Siara; 10) py- rophanus Ullig. aus Bahia; 11) Zurminosus Illig. von den amerikanischen Inseln; 12) Zucens Illig. aus Bahia; 13) ewstinezus Illig. aus Para; 14) ignizus Fabr. aus Cayenne und Para; 15) Cuewjus Mouffet aus St. Domingo und Virginien; 16) /ucifer Voet. Vaterland unbekannt. Neue Beobachtungen über das Leuchtvermögen hat er bei keiner Art zufügen kön- nen, er hat nur aus den ähnlichen Flecken und vertieften Stellen auf ähnliche Thätigkeit geschlossen. E. noctilueus? ist von Browne und Sloane als leuchtend beobachtet werden, und dann scheint der E. Zuminosus nach p.150 von Illiger als einer der lebend beobach- teten angesehen zu werden. Auch lälst sich glauben, dals das abgebildete Specimen des E. Cucujus von Mouffet mitgebracht wurde, weil es geleuchtet hatte. Bei den neueren Arten ist es aber eben so wahrscheinlich, dals sie am Tage aufgerafft und getödtet wurden. Spä- Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Nnn 466 EuHrENBERG: 1808 erschienen die beiden gekrönten Preisschriften von Link und Heinrich über die Natur des Lichtes, welche durch die Petersburger Preis- frage vom Jahre 1804 auf das Jahr 1806 hervorgerufen waren. Link rechnet darin die leblosen, nicht immer faulen, organischen Leuchtsubstanzen unter die Lichtmagnete und ist der Meinung, dafs die Er- scheinung mit dem Leuchten durch Erhitzung die gröfste Analogie habe. „Wärme ist hier wie dort, sagt er, das Mittel zum Leuchten” (p.80). — Alles Leuchten des Seewassers in der Nordsee, im Kanal wie an den engli- schen und spanischen Küsten habe er bedingt gefunden durch runde 4,” grofse durchsichtige, gallertige Körperchen, an denen eine starke Lupe keine äufse- ren Gliedmaafsen erkennen lasse. Es schienen ihm Eier von Medusen zu sein p.83. (Wahrscheinlich also war es wieder Noctiluca scintillans.) 1809 erklären Peron und Lesueur in ihrer Systematik der Medu- sen, dafs ein grofser Theil dieser Zoophyten phosphorisch sei, erwähnen es aber nur speciell bei Jequorea phosphoriphora p.336 und bei Aurellia phos- phorea (Pelagia) p.359. Annales du Mus. d’hist. nat. XIV. (!) tere Beobachter haben jedoch noch mehrere Arten ausdrücklich beobachtet und bezeichnet. Pag.143 leugnet Illiger das Leuchtvermögen der Lampyris hemiptera. Magazin d. Berlin. Gesellsch. Naturf. Freunde 1.B. p.141. 6. Als Nachtrag zu Illiger's Abhandlung gab der Graf Hoffmansegg eine Mit- theilung über das Leuchten der Fulgoren. Sieber, sein fleilsiger Reisender für Insecten in Brasilien, hat das Leuchten der Fulgora laternaria, obschon er sie zahlreich gesammelt, ein- geschickt und beobachtet hat, ausdrücklich so wenig als das dortiger anderen Arten (F. Dia- dema) gesehen. Die europäischen Fulgoren F. europaea und pannonica Hoffmansegg. leuch- ten nicht. Die Darstellungsart der Merian ist etwas unklar, ihre Beobachtung zum Theil erweislich unrichtig, aber Grew (1681), die Merian (1726) und Stedmann (1804) be- haupten das Leuchten. Ebenda p.152. (Vergl. Richard und Olivier 1792, nebst Langs- dorf 1811, und Spix und Martius 1831, welche es, wie Sieber, leugnen.) c. 1507 machten die Pariser Chemiker Fourcroy und Vauquelin als Resultat ih- rer Untersuchung der Milch (der männlichen Samendrüsen) der Flufsfische bekannt: Phosphor est un element essentiel de la laite du poisson. Sie behaupten 1) Fischmilch (der Flufsfische) sei eine animalisch phosphorische Mischung (mixte animal phosphure), welche durch den Phosphor charakterisirt sei. 2) La decowerte du phosphore ü l’etat de combustible dans les corps. organises appartient toute entiere ü MM. Fourcroy et Fauquelin. 3) Sie halten es da- durch für tief begründet, dals dieser Phosphor Einfluls auf das Leuchten der Fische habe. Annales du Mus. X. (') 1808. Hermbstädt sammelte 200 Stück Johanniskäfer im Mai. 80 Stück in einer dünnen weilsen Glaskugel erlaubten noch nicht bei diesem Licht zu lesen. In reinem Sauer- das Leuchten des Meeres. 467 1809 sagt Dessaignes in seiner gekrönten Preisschrift: De la phos- phorescence par insolation: Die spontane Phosphorescenz sei ein Verbrennen, wobei sich Wasser und Kohlensäure bildet. — Über das Meeresleuchten er- klärt er sich p.34: Es gebe ein abgesondertes und ein zusammenhängendes (diserete et continu); das erstere gehöre kleinen lebenden Tbieren (Mollusken oder Fischen) an, welche leuchtenden Schleim ausschwitzen, das zweite werde durch solchen aufgelösten Schleim im Wasser bedingt. Das lebendige Leuch- ten inhärire einem Safte in durchsichtigen Behältern. Dieser Saft mit fest gewordenem, gebundenen, aber nicht combinirten Oxygen, welches die Bran- chien oder Luftröhren geliefert haben, versehen, verlange zum Leuchten Bewegung. Die Willkühr der Ausdehnung und Zusammenziehung bedinge das periodische Leuchten. Journal de Physique V01.09, 5. 1510 gaben die Beobachtungen von Macartney neues Interesse. Dieser Gelehrte revidirte die inedirten Zeichnungen und Manuscripte meh- rerer Weltumsegler bei Sir Joseph Banks in London und verband damit eigene Beobachtungen bei England. Seine Resultate waren folgende: Zu- erst leugnet er vielen Beobachtungen vom Leuchten ihre Richtigkeit ab. Die Fische Tetraodon Mola, Coryphaena Hippuris, Mullus, Clupea Sprattus, Scomber Scomber und S. Pelamy's (Bonite) leuchten lebend nicht. Zepas, Mu- rex, Chama, A4sterias leuchten nicht. Cancer Pulex leuchte nicht. ,Sco- lopendra phosphorea sei fabelhaft und das so seltene Leuchten des Regen- wurms sonderbar. Die früher von Banks bei Brasilien beobachteten Leuchtthiere fand er in Zeichnungen vor und theilt die Abbildungen mit. Es sind ein Krebs- stoffgase verstärkte sich das Licht nicht, aber es dauerte länger als in gemeiner Luft. — Er hält es für den Ausfluls eines eigenen leuchtenden Fluidi, welches durch den Act des Lebens erzeugt werden müsse. Er vermuthet, es sei eine Verbindung von Phosphor mit etwas an- derem, das ihn vor dem Entzünden schützt, aber sein Leuchten nicht hindert. — Er kannte einen thüringischen Bauer, der beim Schwitzen allemal leuchtete, und scheinbar überall wah- ren Phosphor entwickelte. p.252. — Das Leuchten fauler Krebse, fauler Cadaver auf Schind- angern und Hochgerichten in warmen Sommernächten sei eine allgemein bekannte Erschei- nung, so dals man sich öfters davon überzeugen könne. Er habe auch faule Austern und faulen Käse leuchten gesehen. Ebenda. Auch todte Schellfische sah er leuchten. p.254. — Er macht darauf aufmerksam, dafs todte Fische, ehe sie faulen, leuchten, und so lange schwerer sind als das Wasser und zu Boden sinken, dafs sie aber, wenn sie faulen und schwimmen, nicht mehr leuchten. Magaz. der Berl. naturf. Fr. II, p.249. Non2 468 EuHrEnBEre: chen, Cancer fulgens, und eine Meduse, Medusa pellucens (Pelagia Tiles. = Chrysaora). Der Capitain Horsburg beobachtete im arabischen Meere zwei sehr kleine funkelnde Leuchtthierchen, die er für Monoculos erkannte und deren einem er den speciellen Namen Zimulus noctilueus gab. Die Zeichnung bei Banks wird mitgetheilt. Tilesius erklärt sie für Oniscus fulgens und eine Cyclops-Larve. Eigene Beobachtungen machte M. an den englischen Küs- ten von Kent in Herne Bay. Es waren besonders 3 Leuchtthiere zu unter- scheiden, die er Beroö fulgens, Medusa (hemisphaerica var.) lucida und Me- dusa scintillans nennt. Letztere war die kleinste und einflufsreichste, kugel- förmig, durchsichtig, farblos, kaum sichtbar, wie der kleinste Stecknadel- knopf (!). Im September 1805 waren in Herne Bay nur die beiden Medu- sen, keine Beroe. Im Juni 1806 reiches Meerleuchten durch Medusa scin- üllans (die kleinere). In einem Gefäfse lebten sie 25 Tage lang, ohne grö- fser zu werden. Er fand dieselbe an den Küsten von Sussex zu Tenby und Milfordshaven, auch in den Buchten von Dublin und Carlingford in Irland. Im September 1506 fand er zu Sandgate nur Beroe fulgens, so klein wie Medusa seintillans, und im April 1809 fand er diese wieder zu Hastings, aber von der Gröfse von 2’ bis zu der eines Stecknadelkopfs. Er glaubt daher, dafs Mitchill in Newyork dasselbe Thier beobachtet habe. In Herne Bay sah er einen plötzlich aufleuchtenden Lichtstrom, veranlafst durch Medusa scintillans, von 18 Fufs Breite und 1!, englische Meile Länge. Das Licht der Wellen war so stark, dafs er den Bedienten in einiger Entfernung er- kennen konnte. Eine Untersuchung der früheren Beobachtungen leitete ihn darauf, dafs Bajon, Le Roy, Forster, Langstaff und Mitchill in den verschie- densten Meeren ebenfalls wohl die Medusa scinullans als Haupt-Leuchtthier bezeichnet hätten, und eine in Banks Museum befindliche Abbildung von Forster's Thierchen, die er mittheilt, bestätigt es. Er fand ferner, dafs alle die, welche Phosphor, Fäulnifs, Lichteinsaugen oder Electrieität als Ursache des Meerleuchtens angegeben hätten, nicht hinlängliche, auf Ver- (') Tilesius hält es für junge Brut, die er in Peter-Pauls-Hafen auch gesehen, aber nicht für der Mühe werth gehalten zu beachten. p.18. (Es war aber fast deutlich Nocziluca miliaris von Surir ay-) Bei den Bero@n scheint Macartney mehrere Arten für eine zu halten. das Leuchten des Meeres. 469 suche gestützte Gründe dafür beibrachten und dafs die bewährten Principien der Physik jenen Annahmen widersprächen. Somit hält er denn die Medusa scintuillans für allgemeinste Ursache des Leuchtens der See um England und vielleicht in allen Meeren. Philos. Transact. 1810. p.258. Gilbert'’s An- nalen 61, p.1. 1819. mit zu scharfen Anmerkungen von Tilesius. Ferner: Das Leuchten fände sich nur bei Mollusken, Insecten, Wür- mern und Zoophyten. Bei den Mollusken und Würmern gebe es nur je eine einzige Art: Pholas dactylus und Nereis noctiluca, bei den Insecten 8 Gattungen: Elater, Lampyris, Fulgora, Pausus, Scolopendra, Cancer, Lyn- ceus, Limwlus. Bei den Zoophyten leuchten nur Medusa-, Beroe- und Pennatula-Arten. Pyrosoma hält er für eine Deroe, Riville’s Thier für einen Zynceus; bei beiden widerspricht mit Recht Tilesius. Er untersuchte die Lichtorgane bei Zampyris (splendidula?), tadelt die Beobachtungen und Abbildungen von Razoumowsky und fand bei an- dern (ausländischen) Zampyris-Arten die 2 leuchtenden Beutelchen nicht. Er untersuchte Zlater noctlucus und ignitus (lebend oder todt?) und schreibt letzterem einen schwächeren Glanz zu. Das Leuchten der Ful- gora hält er für sicher und beschreibt die Structur der Kopfblase und deren Öffnungen an der Basis. Corradori’s Bewegungsapparat im Leuchtorgan der Zampyris fand er nicht, auch keinen andern Regulator. Stärkere Ner- ven oder besondere Lichtwege fand er ebenfalls nicht daran. Bei Scolopen- dra electrica fand er das Licht in einer vom Thiere über seine Oberfläche er- gossenen sehr feinen Flüssigkeit, die auf Glas unsichtbar war. Über die Natur des thierischen Lichtes machte er Versuche mit Zampyris (splendi- dula?) und Medusa hemisphaerica, bei letzterer auch mit Electrieität. Er schliefst : 4) Nur die einfachst organisirten Thiere, meist Seethiere, leuchten. 2) Alle leuchten periodisch. 3) Träger des Lichtes ist eine besondere Flüssigkeit, die bald in beson- dern Organen, bald allgemein verbreitet ist. 4) Im lebenden Körper leuchtet diese Substanz intermittirend, nach der Willkühr des Thieres, isolirt ununterbrochen bis zum Verlöschen, läfst sich aber durch Reibung, Stofs, Wärme wieder erwecken. 5) Die Leuchtsubstanz ist vom Phosphor sehr verschieden, unentzündbar, verliert beim Trocknen und in starker Hitze das Licht, büfst beim 470 EHrRENBERGE: Leuchten nichts an Gewicht ein, erfordert kein Sauerstoffgas, dauert auch in andern Gasarten fort. 6) Es wird in den lebenden Thieren durch lange Fortdauer oder Wieder- holung nicht erschöpft, durch Aussetzen ans Tageslicht nicht verstärkt, ist von keiner äufsern Quelle abhängig, sondern inbärirt als eine Ei- genschaft einer besonders organisirten thierischen Substanz oder Flüs- sigkeit. 7) Das Licht des Meeres wird stets von lebenden Thieren erzeugt, am häufigsten von Medusa scintillans. Grofse dichte Massen an der Ober- fläche vereint können eine blitzartige Erscheinung hervorbringen. Ihre grofse Menge giebt dem Meerwasser eine gröfsere specifische Schwere. 8) Das Leuchten der Thiere scheint nur bei den fliegenden Insecten zur Lebensöconomie zu gehören, um sich des Nachts zur Begattungszeit zu finden. Ebenda 1810. bei Gilbert p. 114 seq. 1819. Der Chirurg Langstaff fand zwischen Neuholland und China das zum Erschrecken milchweifse nächtliche Meerwasser, welches bei 70 Klafter keinen Grund zeigte, durch wasserhelle Thierchen erzeugt, von der Gröfse eines Stecknadelknopfes, die in 3 Zoll Länge kettenartig an einander hingen. Macartney hält sie für Medusa scintillans, indem er Herrn Langstaff die letztere in Weingeist zeigte und dieser sie für sein Thierchen erkannte. Ebenda. (Tilesius hält es für Salpen; ich werde später darauf zurück- kommen.) Vergl. Tilesius 1819. 1810. Risso bemerkt in seiner Zchthyologie de Nice p.55: Chimaera arctica Lac. (monstrosa L.) schwitze aus den Poren der Schnautze einen leuchtenden Schleim aus. Ferner p. 61: Cephalus Mola (Orthragoriscus, Tetraodon Mola), La Lune genannt, habe unter der Haut eine weifse phos- phorescirende Substanz, womit er im Wasser leuchte. Pag.210 sagt er von Trıgla Lucerna: Les Trigles brillent pendant la nuit d’une lumiere phospho- rıque, semblables a des etoiles flamboyantes, üÜs tracent autour d’eux d’immen- ses sillons de lumiere (!). (') a. 1810. C. Scherf theilt in Kopps Jahrbuch der Staatsarzneikunde Jahrgang 5, p-135 nach Treviranus 1818 einen zweiten Fall von Selbstverbrennung eines männlichen Brantweintrinkers mit. b. Prevost theilt Beobachtungen und Übersichten des Leuchtens der thierischen Au- gen mit. Bei Katze, Hund, Schaaf, Ochse, Pferd, Steinmarder, mehreren Schlangen und ei- das Leuchten des Meeres. 471 1811 findet Dessaignes, dafs das Wasser durch starke Compression leuchtet. (Auf das Meeresleuchten ist diefs jedoch nicht anwendbar, weil nicht beim gröfsten Sturme dasLeuchten am stärksten ist, sondern gar nicht existirt, auch solche Bewegung keine Compression ist.) Journ. de Phys. 1811. p.44. 1311 erschien die vermehrte Concurrenzschrift um den Preis des Pa- riser Instituts für 1809 vom Professor Heinrich in Regensburg, welcher jedoch die von Dessaignes vorgezogen worden war. Derselbe hatte schon den Preis der Münchener Akademie für 1788 gewonnen und seitdem auch noch für denselben Gegenstand einen aus Leipzig, einen andern aus Peters- burg erhalten. Es existirt nach ihm ein Lichtstoff (p.75). Die Augen vie- ler Thiere sind natürliche Phosphoren und die Hauskatze trägt ihre Leuchte mit sich herum, doch genügt manchmal feine Reizbarkeit der Sehnerven zum Sehen des Nachts (p.77). Das Leuchten lebender Geschöpfe und der See ist absichtlich übergangen, weil es ihm an Beobachtung fehlte (p.8). Die Phosphorescenz der Körper, erste Abtheilung. 1811. Sämmtliche 5 Ab- handlungen sind 1820 zusammen gedruckt und zugleich die Übersetzung von Dessaignes Abhandlungen angehängt ('). nigen Insecten (Spinx Atropos) sah er leuchtende Augen. Er glaubt nicht mit Dessaignes (Journal de Physique 1809) an Insolation, auch nehmen nach Dessaignes selbst Flüssig- keiten und schr feuchte Körper kein Licht an. Ganz im Dunkeln leuchten Katzen- und Eulenaugen nicht. Nur die Thieraugen leuchten, welche ein Tapetum lucidum (Glanzhaut) haben, daher sollte der Mensch, Affe, Hase, Kaninchen, Schwein und die Vögel gar nicht leuchten. Der Mensch habe auch nur sehr schwaches Licht, Schwein, Hase, Kaninchen gar keins, Schaaf, Ochse, Pferd leuchten oft, Vögel nicht. Dafs das Licht einen Affeet der Thiere bezeichne, leugnet er gegen Dessaignes. Er sah 2 Steinmarder 15-20 Minuten nach ihrem Tode leuchten, auch leuchteten die Augen einer jungen Natter, die er vorzeitig aus dem Ei nahm, und die mithin leidenschaftslos (?) gewesen sei. — Das Licht wirke che- misch, nicht durch Anstofs. p.209. Das Licht des Katzenauges sei nicht phosphorisch, son- dern rellectirtes Licht, es sei unabhängig von der Willkühr des Thieres, es zeige sich nicht in absoluter Dunkelheit, es könne auch endlich doch den Thieren nie zum Sehen helfen, weil es subjectiv sei und nicht von den äulseren Gegenständen ins Auge komme. Bibliotheque britannique sc. et arts T.45, P- 196. 1810. c. 1810. Nach Dessaignes Versuchen ist Phosphorescenz durch Bestrahlung nicht die Folge eines Lichteinsaugens, sondern rührt von einem durch die abstofsende Kraft des Lichts in Bewegung gesetzten electrischen Fluidum her, dessen Träger eingemengtes nicht combinirtes Wasser ist. Die Oberhaut seiner Finger leuchtete durch Insolation. Journa? de Phys. 1810. (') a. 1811 erschien Pallas Zoographia rosso asiatica. Er sagt p.14. Die Thier- und Menschenaugen leuchten deshalb, weil im Auge allein die elecirische Nervensub- 472 EHrengBenc: 1812. Tilesius theilt in Krusenstern’s Reise seine Beobachtung des Leuchtens der Seeblasen (Physalia) mit. Man hielt auf dem Schiff im- mer die gröfsten Feuermassen für Physalien, weil man sie im Segeln, der Senkfäden halber, nie fangen konnte, was mit Pyrosomen gelang. (Jene Lichter konnten aber mithin auch Medusen mit langen Senkfäden gewesen sein.) Seeblasen in Gefäfsen, lebend, leuchteten nicht. Th. III, p.70. 1812. In der 2" Abhandlung über die Phosphorescenz der Körper behandelt Heinrich das Leuchten durch äufsere Wärme. Das Leuchten verbrennlicher Körper besteht gar oft in einem schwachen Verbrennen, allein eben so zuverlässig giebt es ein Leuchten mit Temperaturerhöhung von aufsen ohne Verbrennen (p. 245). Er rechnet dahin das Leuchten des Phosphors unter Wasser u. dergl. Ferner giebt es ein Leuchten durch chemische Wärme- erregung im Innern. — Phosphorescenz durch äufsere Erwärmung ist Ent- weichung des durch eindringenden Wärmestoff frei gemachten Lichtstofls. Bei Lichtentwicklung durch Insolation wäre nicht Licht durch Licht ausge- trieben, sondern das Licht wirke auf die Säure, und Leuchten sei Folge der Entsäurung. Er hält das frei werdende Licht für einen Bestandtheil der Säure (p. 265). Die Oberhaut seiner Finger wurde durch Insolation leuchtend, was schon Beccari beobachtet habe, auch Dessaignes sah. p.128 (!). stanz frei liegt und sichtbar ist. Haec ignea acies forte nudum electrum retinae ner- vosae! caet. (Wogegen das Leuchten todter Thieraugen zu sprechen vielleicht nur scheint.) ö. In gleichem Jahre fand Vauquelin, dals das Gehirn bei Menschen und Thieren mehr als 1 Procent wahren Phosphor enthalte. Annales du Mus. XVII, p. 232. vergl. 1650. c. Kopp. Ausführliche Darstellung und Untersuchung der Selbstverbrennungen des menschlichen Körpers. 1811, nach Treviranus 1818. d. 1811 schrieben Emmert und Hochstedter über die Entwicklung der Eidech- seneier, und bemerken, dals sie nie ein Leuchten derselben, auch nicht bei Eiern des Coluder Natrix sehen konnten, allein der Aufseher des Naturaliencabinets in Bern, Lienert, habe es beobachtet. Reil’s Archiv X, 1811, p.85. e. Gruithuisen erwähnt in seiner Organozoonomie, dals nach Le Roy Menschen durch Phosphorgebrauch leuchtend wurden, und dafs stehendes Blut phosphorescirte. p.22 und p. 154. (‘) a. 1812. Langsdorf erzählt im 2tc@ Theile seiner Reise um die Welt, dafs in Ca- lifornien ihm ein Geistlicher versicherte, der entsetzlich stinkende Harn der Fiverra Putorius leuchte im Finstern, selbst noch im Glase stehend. p.184. db. 1812 lieferte Dr. Sachs, Professor der Medicin in Erlangen, ein Albino, eine Selbstbiographie über seinen Zustand. Er und seine Schwester hatten phosphorescirende Au- das Leuchten des Meeres. 413 1814 erschien der erste historische Theil von Alexander v. Hum- boldt’s grofsem Reisewerke. Er hatte seine Aufmerksamkeit auch auf das Meeresleuchten gewendet. Am 12'” zum 13“ Juni sah er auf der Reise von Teneriffa nach Brasilien Medusa aurita Baster, M. pelagica Bose und M. hysoscella Vandelli durch Erschütterung leuchten. p.79. Setzt man Me- dusen auf einen zinnernen Teller und schlägt daran, so leuchten sie. Beim Galvanisiren entsteht das Leuchten im Moment, wo die Kette geschlossen wird, wenn auch die Erreger nicht unmittelbar im Contact mit dem Thiere sind. Die Finger, welche sie berühren, leuchten 2-3 Minuten fort, wie bei Pholaden. Reibt man Holz mit Medusen und hört der Ort dann auf zu leuchten, so bringt ein Überfahren mit der trocknen Hand das Leuchten wieder, aber nie zweimal, obschon die Stelle feucht bleibt. Dann heifst es: ,‚‚Ist das was das Leuchten begünstigt, eine milde Wärme-Er- höhung, oder ersteht das Licht wieder, weil man eine neue Oberfläche schafft und die animalischen Theile, welche Phosphor-Wasserstoffgas zu entbinden vermögen, mit der atmosphärischen Luft in Berührung bringt? Ich habe durch Beobachtungen im Jahre 1797 festgestellt, dafs das leuch- gen, am Tage sowohl als Nachts. Es schossen periodisch zolllange Strahlen hervor. Am stärksten leuchteten sie im Zustande des Nachdenkens, im Sommer häufiger als im Winter. p-52. Sie selbst hatten keine Empfindung dieses Lichtes, welches aber die Mutter beim Säu- gen erschreckte. p-50. Das Finstre sahen sie auch finster. Historia duorum Leucaethiopum. c. Gruithuisen erkennt kein selbstthätiges Leuchten der Augen an. Er sah auch abgeschnittene Katzenköpfe und ausgeschnittene Augen leuchten. Er erklärt es blols für Lichtbrechung, Reflexion und Opalisiren. Beiträge zur Physiogn. u. Eautogn. p.199. 1812. d. Dr. Steinbuch „über den eigenthümlichen Lichtprocels der Netzhaut des Auges” glaubt, die Katze sieht das unläugbar physische Licht ihrer Augen selbst. Er hält das Leuch- ten für einen selbstthätigen Lichtprocels der Netzhaut aller thierischen Augen, und für eine Art von Electricität durch Reibung und Druck erzeugt. Hufeland’s Journal der pract. Arzneikunde B.35, I, p.54. 1812. Vergl. 1811. e. 1812 fand man im Dorfe Morigny bei Etampes die Überreste einer zu Asche ver- brannten Frau, der Wittwe Paris, welche an Epilepsie gelitten hatte, aber nie trunksüchtig gewesen war. Journal de Medecine par Sedillot. 46.B. nach Treviranus 1818. f. 1813. Pietet und Jurine in Genf sahen ihren eigenen Urin leuchtend. Journa? general de Medec. par Sedillot T.48, Sept. 1813, nach Treviranus Biol. V, 117. 5. In gleichem Jahre wiederholte und vermehrte Dessaignes die Erfahrungen über das Leuchten beim plötzlichen Aufheben der Continuität fester und elastischer Körper. Druck und Expansion, meint er, erregen das in den Körpern verborgene Licht. Journal de Physique. Gilbert 1815. p.310. Phys.-mathemat. dbhandl. 1834. Oo0o 474 EHrENBERG: tende Holz im Wasserstoflgase und im reinen Stickstoffgase erlischt und dafs die kleinste Blase von zutretendem Sauerstoff es wieder erleuchtet. Diese Thatsachen, wozu ich späterhin noch andere fügen werde, leiten zur Ent- hüllung der Ursache des Meeresleuchtens und der besondern Wirkung, welche der Wellenschlag auf die Entstehung des Lichtes ausübt.” 1814 gab auch Tilesius in den Annalen der Wetterauer Gesellschaft die erste Lieferung seiner beobachteten Leuchtthiere des Meeres. Es sind 23 Arten. Er ist überzeugt, dafs ikm noch tausende fehlen (p.362). Die von ihm beobachteten Leuchtthiere sind: 1) Telephorus australis = Pyro- soma atlanticum, 2) Salpa cornuta, 3) $. Rathkeana, 4) $. appendiculata, 5) S. punctata, 6) S. septemfasciata, T) S. sociata, 8) S. Horneri, 9) S. truncata, 10) S. caudata, 11) Beroe Espenbergü, 12) B. japonica, 13) B. ovata, 14) B. micans, 15) B. Campanula, 16) Medusa saccata s. marsupi- Jormis, AT) Nereus Hydrachna (N. Hydraster = Actinia pusilla Swarz sei eine andere Art dieser Gattung), 18) Mammaria adspersa, 19) Gleba pseu- dohippopus, 20) G.cerispa, 21) G. erystallina, 22) G. deformis, 23) G. spi- ralis, 24) G. Conus, 25) Leucophra echinoides, 26) Trichoda granulifera, 27) T. calva, 28) T. triangularis. (Die Salpa-Arten lassen sich grofsen- theils auf damals bekannte beziehen, die 3 letzteren könnten nach Meyen’s Meinung Diphyen sein. In der Übersichtstabelle sind die Synonyme, auch der übrigen Formen, von mir angezeigt. Mammaria und Gleba sind keine Infusorien, erstere vielleicht eine Meduse, die letzteren Formen sind wohl ebenfalls Fragmente von Diphyen gewesen, wofür auch Eschscholz Gleba- Formen ansieht.) B.III, p.360. In einem Briefe an Gilbert 1819, B.61, p.153 meldet Tilesius, dafs die Wetterauische Gesellschaft die Tafeln, welche er deshalb, weil sie im Krusensternschen Atlas etwas verzeichnet wären, für jene Schriften noch einmal gezeichnet, nicht geliefert habe. Zwei Tafeln sind aber wirklich geliefert, doch nur Mollusken, Medusen und Infusorien, keine Insecten. Die Hauptübersicht von Tilesius Beobachtungen über das Meeresleuchten istin Gilbert's Annalen B.61, wo er auch anzeigt, dafs er die 1810 in Kru- senstern’s Reise (Vol.I, p.60) versprochene Übersicht seiner Beobachtun- gen für den 4'" Band nicht in demselben mittheilen werde. Vergl. 1819. 1514 theilt Home Beaufort's Beobachtung einer leuchtenden Da- [e) 8/5a vitrea mit, welche Eschscholz 1829 für eine Diphyes erklärt. Er sah das Leuchten des Meeres. 4T5 sie 1808 im Südmeere und sagt dabei: er habe meist bemerkt, dafs wenn die See mehr als gewöhnlich leuchte, ein leichter Wind (dreeze) eintrete, und obwohl Leuchttheilchen von ihm in allen Theilen des Oceans gesehen worden, so scheinen doch die grofsen Leuchtmassen (large brillant spots) auf die heifse Zone beschränkt. (Es geht hieraus hervor, dafs beim Leuchten selbst Windstille war) (!). Zectures on comp. Anat. Vol.], p.367. 1815 war das für Naturforschung allerdings interessante Jahr, wo Sa- vigny, Desmarest und Lesueur die wahre Natur der Botryllen und Py- rosomen erkannten, dafs es nämlich den Polypenstöcken gleiche Anhäufun- gen sehr kleiner zusammen verwachsener Ascidien (Schnecken) wären. Das Pariser Institut hat entschieden, dafs die 3 Gelehrten es gleichzeitig gefun- den, weil sie es gleichzeitig bekannt machten, obwohl Savigny es früher ge- funden zu haben scheint. Kaum so wichtig wären jetzt Wirbelthierstöcke. Lesueur entdeckte zu dem Pyrosoma atlanticum 1813 das Pyrosoma elegans und 1815 das P. giganteum von 14 Zoll Länge, beide bei Nice, und sagt, dafs diese Thiere alle ausgezeichnet phosphoreseiren. Bulletin de la soc. philom. 4815. p.70. Den innern Bau dieser Thiere erläuterte Savigny noch klarer und sehr vollständig mit vortrefflichen Abbildungen nach todten Exemplaren, die er von Cuvier erhielt. Memoires sur les animaux sans verlebres 1816. 1815 wurden die Beobachtungen von Bladh über das Phosphoresci- ren des Meerwassers in den Göttinger gelehrten Anzeigen aus den Abhand- lungen der schwedischen Akademie von 1807 p. 302 mitgetheilt. Er nimmt 6 verschiedene Arten an: 1) sternähnliches, oder als viele einzelne Punkte, durch vom Boden der See sich erhebende schleimige Luftbläschen ent- stehend, 2) gröfsere abgerundete Massen am Steuer der Schiffe, der Aus- sage der Schiffer nach: Medusen, 3) wurmartiges Leuchten neben dem Schiffe durch Luftblasen, die oft wie Seegeschöpfe aussähen, 4) unförm- liche starke Lichtmassen in der Nähe des Landes, durch schleimige, fet- tige Substanzen; 5) Meerblitzen; 6) Leuchten von Seegeschöpfen. Das (‘) 1814 spricht Treviranus im 4 Bande seiner Biologie p.604 von leuchtendem Urin. Henkel’s Citat ist ein Irrthum, denn dieser schrieb über den Sudor phosphorascens mate- riae phosphori argumentum. Acta Acad. Cur. V, 332. 1740. Ferner erwähnt er einer Beob- achtung von Hufeland über leuchtenden Urin, die nach ihm Rudolphi wohl irrig Hermb- städt zuschreibt. Ich habe die Stelle nicht auffinden können. 0002 476 EHrENBERG: allgemeine Leuchten des Meeres sei hauptsächlich von schaumähnlichen Sub- stanzen der Oberfläche und von aufsteigenden phosphorischen Gasarten. (Dieser Aufsatz enthält offenbar wenig Beobachtung, aber viel Theorie.) Nya Vetenskaps Handlingar XXVII. 1815 beschrieb Tilesius in den fctis petropolitanis die von ihm beob- achteten krebsartigen Leuchtthiere von Kamtschatka, ohne mit Klarheit die leuchtenden Formen anzugeben. Nur Cyelops armatus und C. inermis sind als leuchtend angezeigt und abgebildet. Er sagt dabei: Complura denique Entomostraca pusilla et microscopica profecto nova noctiluca describenda essent, quae vero, cum speciebus multo grandtoribus ex Herbstü cel. aliorumque ico- nibus jam cognitis similitudine ac forma fere congruerent et eandem ob caussam non delinearentur, silenlio praeterire oportet. Im Allgemeinen, sagt er, leuch- teten nie kurzschwänzige, nur langschwänzige Krebse. 1815 gab auch Oken seine Bemerkungen zu Macartney’s Ansicht des Meeresleuchtens in Schweigger’s Journal XII, 353. Er giebt zu den früheren Beobachtungen folgende Synonyme: Medusa pellucens Banks = Aurellia; M. phosphorica Spall. = Aurellia; Cancer fulgens = Palaemon s. Crangon; Limulus noculucus = Cyelops s. Talitrus s. Corophium; Med. hemisphaerica = Oceania,; Med. scinüllans = Oceania microscopica s. O. te- tranema; Beroe fulgens = Idyae species? Er selbst machte auf der Insel Wangeroog an der Nordseeküste Beob- achtungen, indem er sich ein halbes Jahr dort aufhielt. Jeder aus dem Wasser gesprungene Tropfen leuchtete. Mit Ruthen gepeitscht gab das Was- ser im Gefäfs mehrere Nächte dieselben Funken. — Medusen leuchten, aber nicht jedes Leuchten komme von Medusen. — Die thierische Substanz ge- höre als Urschleim zur Mischung des Meerwassers und gebe den unange- nehmen Geschmack. — Das allgemeine Leuchten komme nicht von Thie- ren, sondern vom Wasser selbst. Doch gehöre es mit dem Leuchten der Thiere in eine Rubrik und es sei kaum der Mühe werth, dafs man darü- ber streite. Oken sagt, dafs er damals nicht in einer Verfassung war, in der er hätte genaue mikroskopische Untersuchungen anstellen können. Diefs und der Mangel eines Versuchs, dieselbe Erscheinung an filtrirtem Seewasser zu prüfen, schwächen wohl die entscheidende Kraft der Beobachtung. Auch ist es nicht die geringe Gröfse dieser Thierchen, welche sie oft übersehen läfst, das Leuchten des Meeres. 477 sondern noch weit mehr ihre völlige Durchsichtigkeit. Sogar zollgrofse Me- licerten konnte ich selbst zuweilen in einem Glase Wasser lange übersehen. Bald darauf erschien, durch Oken’s Ansicht veranlafst, ein kurzer Auf- satz vom General-Lieutenant Helvig in Gilbert’s Annalen 1815, p. 126. Auch H. sah weder im schwarzen Meere bei Constantinopel, noch an den italienischen Küsten Thiere als Ursache des Leuchtens. Er hält die grofsen Meere für Lichtmagnete und räth zu dem Versuche, künstliches Seewasser durch die Sonne bescheinen zu lassen. 1815 gab Prof. Heinrich seine dritte Abhandlung über die Phospho- rescenz heraus, welche die organischen Verhältnisse umfafst. Dieses Werk ist ein äufserst reichhaltiger, etwas zu breiter Codex, besonders für den phy- sikalischen und chemischen, weniger für den physiologischen Theil der Er- scheinung. Das Ganze ist nach den Erfahrungen, Versuchen und Theorieen geordnet und mit vielen eigenen Beobachtungen durchwebt. Rücksichtlich des Leuchtens des Holzes bemerkt der Verfasser: 1) dafs alle hochstämmige Holzarten leuchten. Er zählt deren 14 auf; von ihm zuerst beobachtet sind: Birke, Erle, Tanne, Weifstanne und Nufsbaum; 2) Stammholz, das Innere der Rinde, Äste und Wurzeln leuchten. 3) Die noch frischen tiefen Pfahl- und Seitenwurzeln der Wurzelstrünke der Bäume in den Keller gelegt leuchten immer, auch Rinde von gesunden Ästen. Man kann sich es dadurch, dafs man die noch nicht ganz faulen Wurzeln fauler Stämme in den feuchten Keller legt, leicht bereiten. 4) Die bedeckten Wur- zeln faulen von aufsen nach innen, sind daher oft äufserlich leuchtend, die Stämme faulen immer (?) von innen nach aufsen, leuchten daher selten. 5) Das Leuchten des Holzes tritt viel früher ein als die wahre Fäulnifs, ge- sundes und vegetirendes Holz leuchtet nicht. 6) Nicht die Fasern, sondern die Säfte entwickeln das Licht, Zerstörung dieser zerstört das Licht. 7) Im Sauerstoflgas aus Quecksilberoxyd leuchtet Holz nicht heller und hört nach 7 Nächten auf, in Gas aus Salpeter scheinbar etwas heller und eine Nacht länger. 8) Phosphor ist ein Bestandtheil aller Pflanzen und Holzarten. Bei der Zersetzung wird er wohl neutralisirt und vom Wasserstoff und Kohlen- stoff angezogen (p.346). 9) Bei den ephemeren Schwämmen und Moosen sind Aufkeimen und Verwesen manchmal gleichzeitig, daher Phosphores- cenz (?). 10) Das Grubenholz leuchtet wegen Übermaafs von Nässe und Unregelmäfsigkeit der Zersetzung nicht (p. 352). 478 EHrENBERG: Rücksichtlich des Leuchtens der Seethiere und des Meeres nimmt er aufser den 3 Forsterschen Ursachen: Lebende Thiere, Electrieität, Fäul- nifs, noch, mit Bernoulli, Insolation und überdiefs das blofse Reiben ohne Electricität an, hält aber das Leuchten durch lebende und todte Seethiere für die allgemeinste Ursache (p.357). Beim Leuchten der Mollusken hat er sich von Mitchill zur Annahme einer rothen Blutcirculation bei der Me- dusa simplex und zu Folgerungen daraus verleiten lassen (p.361). — Er selbst sah in Regensburg einen aus Holland frisch ohne Eingeweide ange- kommenen (14 Tage alten p.371) Kabeljau (Gadus Morrhua), nachdem er einen Tag lang in frischem Wasser gelegen, im Speisegewölbe bei 12° R. leuchten (p.368). Auch das Gerippe eines aufgezehrten (gekochten) Fisches leuchtete. Diese Fische werden aber beim Kochen nicht bis zum Sieden er- bitzt, damit sie nicht zerfallen (p.369). Schellfisch (Gadus Heglefinus) leuch- tete ebenso (p.369). Sardellen, Heringe und Austern, auf gleiche Weise beobachtet, leuchteten in Regensburg nicht. — Seine Vermuthung, dafs auch einheimische Springkäfer (p.374), so wie Nais proboscidea, Lumbricus va- riegatus und Oniscus Asellus todt und lebend leuchten (p. 375), ist ohne Be- gründung. Ebenso vermuthet er bei den Pflanzen (p.337), dafs Kohl, Rü- ben, Zwiebeln und grofse Beeren leuchten mögen. Ahnliche Sachen sind zuweilen als Beobachtungen aufgenommen worden und verwirren nur die Übersicht der Erfahrungen. — Bei Mya pietorum gelang es ihm weder frisch, noch bei Fäulnifs, noch durch Kochsalz Leuchten zu sehen (p. 378). — Er tadelt den Ausdruck: pisces sale conditi lucent, und besonders Dessaignes, weil dieser angegeben, man könne alle Fische, auch die Flufsfische, immer zum Leuchten bringen ('). Er selbst untersuchte mit vielfachen Abänderungen der Temperatur und des Mediums Muraena Anguilla, Gadus Lota, Perca fluviaulis, P. Lu- cioperca, Sılurus Glanis, Salmo Fario, Esox Lucius, Cyprinus Barbus, C. Carpid, C. Tinca, C. Alburnus. Nur einmal leuchtete ein mit Kochsalz ein- geriebener Hecht nach 24 Stunden ohne Spur von Fäulnifs. Zweimal ge- (') Les viandes de boeuf, de veau et les poissons d’eau douce brillent plus difficilement que ceux de mer. Il faut ä toutes ces substances une temperature moderee de 8° a 12° une hu- miditE et le contact de l’air atmospherique. L’eau de mer ou une solution saline au meme degre ardometrique favorise le developpement de la phosphorescence. 1809. das Leuchten des Meeres. 479 lang es nicht. Ganz schwach leuchtete auch ein Stück von Slurus Glanis. Von mehr als 30 Proben gelangen nur eine vollständig, eine unvollständig, die übrigen nicht (p.308). — Über das Leuchten menschlicher Leichname citirt er Ruysch, Fourcroy, Chaussier, Wrisberg und Bartholin nach Bernoulli, mit Wiederholung der Bemerkung, dafs besonders verhungerte Personen bei der Section leuchteten. Die Erzählung Bartholin’s vom leuchtenden Leichnam einer Kirchengruft in Rom hält er für besonders merk- würdig; (Rudolphi hält sie, gewifs mit Recht, für Fiction) (p.353). — Al- les Leuchten lebender Menschen und Thiere ist electrisch oder rein phos- phorisch, so das des Servius Tullius, Ascanius, Lucius Marius (p.353). — Ältere Männer, die nur einige Zeit auf sich achten, können ihren Urin leuch- ten sehen (als ob er selbst es öfter an sich beobachtet hätte) p.384. — Dafs die Milch der Kühe, und besonders Frauenmilch leuchte, vermuthet er nur ohne Erfahrung dafür (p.384). — Das Katzenauge sei für sich zum Nacht- sehen eingerichtet; es sei ein Spiegel und ein Phosphor durch Insolation, aber auch ein eigenthümlicher Phosphor. Er sah in ganz dunklem Raume das Leuchten der Augen junger Katzen nicht, und alter Katzen nur dann, aber äufserst selten, wenn sie gegen einen Hund in Zorn kamen. Auch bei Menschen hält er das Leuchten der Augen für unläugbare Thatsache, ob- schon leicht Täuschung möglich sei (p. 356). — In allen 6 Klassen des Thier- reichs gebe es viele Leuchtthiere, deren einige im Leben, andere im Tode leuchten. — Der Leuchtstoff dringe aus dem Innern und sei flüchtiger als die schleimige Substanz, welche ihn trägt. — Zarte Thiere leuchten schon bei Lebzeiten, kraftvollere erst nach dem Tode (? Elater). — Seewasser als Nahrungsmittel begünstige das Leuchten (p.388). — Er vermuthet, dafs auch die Chlorine und Jodine einigen Einflufs haben, denn beide verbinden sich begierig mit Phosphor (p. 404) u. s. w. Das Resultat ist: Das pflanzliche sowohl als das thierische Leuchten der lebenden sowohl als der todten Körper sei ein äufserst schwacher und kaum bemerkbarer Verbrennungsprocefs. Phosphor, der verbrennlichste aller bekannten Stoffe, sei überall verbreitet. Beide Erscheinungen beruhen auf derselben Grundursache. Die Abweichungen seien Folgen der Verschie- denheit zwischen Pflanzen und Thieren. Im Pflanzenreiche erscheine der Phosphor mit Wasserstoff und Kohlenstoff, im Thierreich mit Wasserstoff und Stickstoff in Verbindung. 450 EHrENBERG: In der Stelle bei Aristoteles reg Yux%s B. II, Cap. VII, schlägt er vor, anstatt zegas, Horn, zu lesen zge«s, Fleisch, wobei er wohl Recht ha- ben mag. Die Ursache der Meinungsverschiedenheiten bei den Beobachtern des Meeresleuchtens findet er darin, dafs nicht leicht einer allein Gelegenheit hat, alle Arten von Phosphorescenz zu beobachten, mithin jeder aus par- tiellen Beobachtungen einseitig schliefst. Er selbst meint (ohne Beobach- tung): 1) einen grofsen Antheil müsse die Reibung des Schiffes gegen das Wasser haben, 2) einen noch gröfseren die lebenden Geschöpfe, 3) einen andern die in Verwesung übergehenden, 4) die Pflanzen, 5) die aus der Tiefe sich emporschwingenden verbrennlichen Gase (Irrlichter). Ja es gebe der Ursachen so viele, dafs man der Electricität 6) zur Erklärung bald nicht mehr bedürfe (p.412). 7) Die Insolation, welche er p.357 ebenfalls an- nimmt, fehlt hier (!). Vergl. 1820. 1816 theilte Dr. Suriray, Arzt in Hayre, an Lamarck eine Ab- handlung über eine kleine Leuchtmeduse mit, welche er für neu hielt und Noctiluca miliaris nannte. Er hatte sie als das eigentliche hauptsächliche Leuchtthier des Meeres beobachtet, welches zuweilen die ganze Oberfläche bedecke und zur Brutzeit roth färbe, wie Weinhefen (cowleur lie-de-vin). Lamarck nahm die neue Gattung und Beschreibung in seinem Systeme des animaux sans vertebres 1816 ausführlich auf und stellte dieselbe in die Nähe von Beroe. Forskäl’s und Bruguieres Gleba hält er fälschlich für eine zweite Species derselben Gattung. Nach Quoy und Gaimard ist letztere eine eigene Gattung: Hippopodius. Aus Blainville’s Mittheilung, der 1830 die Form an die Diphyen reiht, geht hervor, dafs Suriray’s, wie Lamarck sagt, an das Institut eingesandtes M&moire nicht gedruckt, sondern von La- marck nur im Manuscript benutzt worden ist. — Das Thier ist die oft ge- nannte Medusa scintillans von Macartney und mufs mithin in den Verzeich- nissen als Noctiluca scintllans aufgeführt werden. Cuvier und Esch- (') 1815. Nasse versuchte eine Wirkung des thierischen Magnetismus auf das Leuchten der Blumen vergebens. Reil’s Archiv XII. 1815. p.292. Beobachtungen (?) einer Somnam- büle über Leuchten des Schenkelnerven eines frisch getödteten Frosches beim Galvanisiren, auch der Fingerspitzen des Magnetiseurs hat derselbe ebenda im 9" Bande 1809 mitgetheilt. das Leuchten des Meeres. 41 scholz hatten es nicht kennen gelernt und nicht verzeichnet. Oken hält es für eine Oceania (!). Risso erwähnt in seiner Fistoire naturelle des Crustaces de Nice nichts von leuchtenden Arten des dortigen Meeres, was auffallend ist, da er die besonderen Eigenschaften der Thiere gern bespricht. 1817 erklärt Keraudren das Meerleuchten aus 3 Ursachen: 1) von Thieren (Crustaceen und Mollusken), 2) von Electrieität, 3) von Phos- phorbildung. Annales maritimes ASIT, nach Lesson Bullet. d.sc.nat. 1526 (?). 1818. Treviranus gelehrte und reichhaltige Zusammenstellung der Beobachtungen erschien im 5“ Bande seiner Biologie. Die Anordnung ist (') a. 1816 gab Treviranus Bemerkungen über das Leuchten der Zampyris noctiluca, besonders die Organisation betreffend. Die Zahl der Leuchtilecken ist veränderlich. — Alle Erfahrungen über Wirkung der Gasarten und anderer Agentien, die nicht vergleichend mit andern phosphoreseirenden Materien gemacht sind, bezeichnet er als unzuverlässig. Die 2 stärksten Lichtpunkte liegen auf Knorpeln, sind nicht 2 Vertiefungen der Haut. Die beiden Säcke, welche nach Macartney eine gelbe Leuchtmaterie enthalten, sind nichts anders als die Luftsäcke, die Stigmate des letzten Bauchringes, woraus die Tracheen entspringen. Sie liegen seitwärts, die Leuchtstellen sind mehr gegen die Mitte. Zampyris hat also kein ihr eigenthümliches Leuchtorgan. Die inneren Zeugungstheile sind die eigentlichen Quel- len des Lichts und es nimmt mit deren Entwicklung zu. Auch giebt es keine eigenen Organe, die das Leuchten verbergen könnten. Das Athmen giebt den Rhythmus an und diels können die Insecten bald beschleunigen, bald unterdrücken. Lampyris kann ihre Stigmate verschlielsen und lange Zeit von der Luft der Tracheen leben. Vermischte Schrif- ten 1516. d. 1816 erwähnt Morney zuerst des leuchtenden Milchsaftes der Cipo de Cunandm, einer brasilianischen Euphorbiacee (?). Wenn er die Rinde verletzte, leuchtete sie, und abfal- lende Tropfen der giftigen ätzenden Milch leuchteten wie brennender Talg. Philos. Transact. 1816. Gilbert's Annalen, Neue Folge 26, p.367. Vergl. Nees von Esenbeck 1823 und Martius 1828. (2) 1817 zählt Schoenherr in seiner Synonymia insectorum Illiger's 16 Arten von Elateren mit Leuchtorganen und 63 Arten von Lampyris auf, von denen Gmelin 1788 nur 24 gekannt hatte. Aus Europa sind 4, aus Afrika 5, aus Asien 8, aus Nordamerika 5, aus Südamerika 28, aus Guadeloupe 1, aus Jamaica 1, aus Martinique 1, aus Barthelemy 1, aus St. Domingo 4, aus Surinam 3, aus den Inseln des stillen Oceans 2, aus Neuholland 1. Das Cicaden-ähnliche, kleinere Leuchtthierchen aus Jamaica von Brow.ne ist als Lampyris pal- lens verzeichnet. Ob all diese Formen leuchten, ist erst durch Erfahrung zu ermitteln. Ma- cartney behauptet, dafs die aufsereuropüischen keine Leuchtorgane haben, aber auch bei den europäischen leugnet Treviranus die Leuchtorgane, obschon sie leuchten. Eine japanische Form sah Thunberg leuchten und die brasilianischen leuchten nach Martius und Anderen auch, ebenso die Brownesche von Jamaica. Phys.-mathemat. Abhandl, 1834. Ppp 482 EHrEnNBEre: nach den Gegenständen und Erklärungsweisen. Beim Leuchten der Blumen vermuthet er das Ausströmen eines sich an der Luft entzündenden Öls. Bei Peron’s Sertularien u.s.w., Aristoteles Schwämmen und Duclu- zeau’s Conferven vermifst er die Angabe, ob sie frisch und lebend gewesen, bei Byssus phosphorea, ob nicht das Holz unter ihr blofs leuchte (p. 84). Mitchill habe die Rippen der Meduse für Gefäfse gehalten (p.88). Ma- cartney’s Beroe fulgens sei Medusa ovata Baster und Medusa pellucens Banks sei wohl M. pelagica Loeffling. Unter den Leuchtinsecten ver- zeichnet er den Scarabaeus phosphoricus nach Luce mit Unrecht besonders. Degeer habe das Leuchten der Scolopendra electrica deshalb nicht gesehen, weil er die Se. /lava dafür gehalten (p.99). — Er tadelt Macartney über den Grund seines Zweifels am Leuchten der Regenwürmer nach Flauger- gues und Brugieres (!), weil nämlich es dann öfter sichtbar sein müsse, was gar nicht nöthig sei (p.98). Macartney’s Beschreibung der Leucht- organe der Elateren sei unklar. Er giebt eine andere nach eignen Beobach- tungen an in Spiritus aufbewahrten Exemplaren des E. noctilucus und phos- phoreus, die er von Langsdorf erhielt. Er hält das Leuchtorgan für ganz einerlei mit dem Fettkörper, der an den vorzüglich leuchtenden Stellen von festerer Textur, hier geronnenem Hühnereiweifs ähnlich, dort mehr körnig sci. Nerven gehen zu keiner der leuchtenden Massen; die lichtreichsten Stellen haben gröfseren Reichthum an Luftröhren, übrigens verhindere wohl nur die Undurchsichtigkeit der Bedeckung das Leuchten des ganzen Leibes (p-103). Langsdorf schrieb ihm, dafs Fulgora laternaria bei Rio de Ja- neiro in 3 Jahren von ihm nur einmal gesehen sei und dafs er nichts von ih- rer Phorphorescenz gehört habe. Treviranus meint gegen Sieber, dafs wenn auch die surinamische Art die brasilische wäre, doch das Leuchten wahr- scheinlich nur periodisch sei (p. 105). — Leuchtende Zampyris gebe es 4. Forster, Gueneau de Montbeillard, Macartney und Treviranus haben Z. splendidula beobachtet, Hermbstädt und Heinrich Z. noctiluca, Spallanzani, Corradori und Grotthufs (?) Z. italica. — Spallan- r i . 2 & n (') Brugieres sah, wie Flaugergues vor ihm, die Regenwürmer an den Ufern der Rhone zwischen Rochemaure und Avignon leuchten. Toutes les hales en eloient parsemees sagt er. Das Licht war am hinteren dünneren Ende. Journ. d’hist. nat. 1792. T.U, p.267. (*) Grotthufs machte 1817 bei seinen Beobachtungen über die Verbindung des Phos- das Leuchten des Meeres. 483 zani’s Zucciolon! hält er für die Weibchen der Zucciole (was deshalb nicht angeht, weil Z. italica geflügelte Weibchen hat, wie schon CGorradori an- giebt). Z. hemiptera hält er für leuchtend (p.106. 107). — Sorg’s Beob achtung, dafs das Leuchten nach der Begattung beträchtlich abnimmt, hält er in Beziehung auf das Männchen für richtig (p. 103) (!). — Sauerstoffgas wirke verschieden, nach der Willkühr des Thieres (p. 113). — Wirklicher Phosphor sei die Ursache des Leuchtens aller Insecten, Mollusken und Wür- mer (p. 115). — Macartney’s Beobachtung einer gleichzeitigen Tempera- turerhöhung beim Leuchten hält er für möglich, aber zweifelhaft (p.116). — Beim Licht des Harns und Schweifses glaubt er ebenfalls an wahren Phos- phor (p. 118). — Die Electrieität der Netzhaut der Thier- und Menschen- augen nach Pailas hält er für unwahrscheinlich, wie auch die blofse Licht- reflexion; dagegen meint er, das Licht gehe wohl vielmehr von dem Pig- ment der Augen aus und verrathe ebenfalls Absonderung von Phosphor (p. 121). — Das Leuchten des Holzes zeige sich ebenfalls dem Glanze des Phosphors ähnlich und sei mit der Phosphorescenz der lebenden Zoophyten und Thiere von einerlei Art (p. 127). Spallanzani’s Versicherung des Leuchtens einer wirklich faulen Sepie stellt er in Zweifel (p. 128). Das Phosphoresciren todter Thiere findet er in der Erscheinung dem der leben- den ganz analog (p. 130). Die Verbindung des Phosphors in den organischen Körpern mit andern Materien hindere ihn im gewöhnlichen Zustande vor dem eigentlichen Verbrennen und nur bei Menschen habe man Beobachtungen über sein wirkliches Entzünden und Verbrennen in den Fällen von Selbst- verbrennungen, deren lehrreichsten des Priesters Bertholi er umständlich mittheilt. Es sei offenbar nicht der Brantwein, sondern im Zellgewebe an- gehäuftes phosphorhaltiges Wasserstollgas, was die Selbstverbrennung ver- ursache (p. 1131-39). — Das Licht mehrerer Insecten scheine der Begattung wegen auszuströmen, was bei den Zoophyten nicht sein könne, bei denen es ein dem Harn und der Hautausdünstung ähnlicher Auswurfsstoff zu sein scheine (also Horkel’s Meinung). Immer sei es eine eigene Materie, von phors u.s.w. bekannt, dals Zampyris italica, in Stickluft getödtet oder betäubt, über rauchende Salpetersäure gehalten, sogleich wieder blendend leuchte. Annales de Chimie 64, p. 38. C) Sorg, Disquisitio circa respirationem insectorum et vermium, 8. p- 35. 1805. sah, dals zwei seiner Käfer sich begatteten; dabei leuchteten sie heller, dann aber nahm ihr Licht sehr ab gegen das der übrigen. Im Sauerstoffgas nahm das Licht zu. Ppp2 454 EHRENBERG: der das Licht ausgehe, die bald lokal sei, bald den ganzen Körper durch- dringe, aber alle Eigenschaften eines wahren Phosphors habe, dessen Licht Zutritt von Luft und Bewegung verstärken (p. 140). Ferner gab man in demselben Jahre des Capitains Tuckey Bemer- kungen von der Reise zum Congo heraus. Er starb mit vielen seiner Ge- fährten (auch dem Botaniker Smith) an Krankheit daselbst. Im folgen- den Jahre (1819) wurden sie in Gilbert’s Annalen 61, p.317 mitgetheilt und von Tilesius mit Bemerkungen begleitet. — Von Guinea bis zur Prin- zeninsel ward das Meer immer leuchtender, so dafs das Schiff des Nachts in Milch zu segeln schien. Man hing Fangsäcke aus und fing viele verschiedene leuchtende Thiere, Salpen und unzählige kleine Crustaceen, denen man vorzüglich die Farbe des Wassers zuschrieb. Von 12 Arten solcher Krebs- chen waren 8 Krabben, 4 Garnelen, keiner über 4; Zoll lang. Unter ihnen war Cancer fulgens. Eine Art davon zeigte den Sitz des Leuchtens im Ge- hirn, das bei Ruhe einem glänzenden Amethyste von der Gröfse eines Steck- nadelknopfes glich, bei Bewegung Strahlen ausschofs. Beroen, Seeblasen und viele andere dortige Schleimthiere werden nicht ausdrücklich als leuch- tend bezeichnet. Züge fliegender Fische gaben einen dem von der See zu- rückgeworfenen Mondlicht ähnlichen Schein. Besonders zur Nacht fingen sie die mehrsten Mollusken und Crustaceen. Einige leuchteten durch einzelne Punkte, andere (2-3 Krebse) strahlten das funkelndste Licht aus. Die Leuchtpunkte der Mollusken waren gröfser, aber weniger glänzend. Die leuchtende Erscheinung, welche sich über die ganze Oberfläche verbreitet, entstehe durch eine schleimige Materie, die wie Phosphor schimmere. Die kleinsten Theilchen erscheinen bei sehr starker Vergröfserung als kleine, feste, sphärische Körper. Relation d’une expedition au Zaire. Paris 1818. Gilbert’s Annalen 1819. 61. p. 317. 1819 sind besonders die zahlreichen Beobachtungen von Tilesius(!) bei Krusenstern’s Weltumseglung aus den Jahren 1803-6 bekannt gemacht (') Von Krusenstern’s Reise kamen 1804 briefliche Nachrichten über das Meerleuchten von Horner und Langsdorf; 1811 einige Nachrichten von Langsdorf und Krusen- stern im ersten Bande von Krusenstern’s Reise p- 60 u. 93; 1812 im dritten Bande Nach- richten von Tilesius über Physalia (die Tafeln zu Krusenstern’s Atlas mit den Leucht- thieren waren 1814 fertig); 1814 Nachrichten von Tilesius in den Schriften der Wette- rauer Gesellschaft über Mollusken und Infusorien; 1815 Nachrichten von Tilesius über das Leuchten des Meeres. 485 worden. Theils hat er selbst in Gilbert's Annalen Bemerkungen zu spä- tern Beobachtern (Macartney, Tuckey) gegeben, theils hat Gilbert seine unverarbeiteten, zu verschiedenen Zeiten mit verschiedenen Ansichten gemachten Notaten auszugsweise, zuweilen unrichtig mitgetheilt, weshalb spä- tere berichtigende Briefe von ihm beigegeben sind. Das Ganze der Beob- achtungen von Tilesius ist daher schwierig zu übersehen. Es ist etwa fol- gendes: Auf dem Schille gab es zwei gute englische Mikroskope; mit dem stärksten beobachteten Langsdorf, Horner, Krusenstern und Löwen- stern, das schwächste war Eigenthum von Tilesius und wurde von ihm gebraucht. Fangsäcke, an Reifen ausgespannt, dienten zum Schöpfen des leuchtenden Wassers (Gilbert’s Annalen 61, p.320-21). Besonders inte- ressant ist das ebenda p. 40-44 mitgetheilte Journal über die Beobachtungs- zeiten, welches alle Monate des Jahres und alle Breiten vom Äquator bis zum Cap (35° S.B.) und Peter - Pauls- Hafen (53° N.B.) umfafst. Berichti- gungen dazu finden sich p. 154. Es geht daraus hervor, dafs in mehr als 40 verschiedenen Nächten der Jahre 1803-6 Beobachtungen gemacht wurden, allerdings die zahlreichsten, welche je absichtlich benutzt und aufgezeichnet waren. Die Resultate dieser Beobachtungen waren: 1) Das Seelicht er- scheint in den tropischen Meeren bald wie ein matter Lichtschimmer oder ein gleichmäfsig verbreiteter Milchglanz, bald wie einzelne Sterne, Feuer- kugeln, Lichtkegel, feurige Ketten, Fäden und Bänder, bald wie einzelne kleine Funken, bald wie glühende Kanonenkugeln, wie (brennendes) grünes Leuchtkrebschen in den Schriften der Petersburger Akademie. Eine allgemeine Übersicht von Tilesius sollte in den vierten Band von Krusenstern’s Reise kommen. Von diesem vier- tem Bande war erst 1819 der erste Theil unter dem andern Titel: „Beiträge zur Hydro- graphie der gröfseren Oceane” erschienen, und den zweiten Theil, der also später gedruckt wurde, sollten Tilesius naturhistorische Bemerkungen füllen (Gilbert 61. 1819. p.34) Tilesius schreibt später an Gilbert, dafs in den vierten Band der Reise keine Abhandlung über das Meerleuchten komme, weil er (G.) seine Papiere benutze, sondern nur eine Erklä- rung der beiden Kupfertafeln XXI und XXII, die allein leuchtende Thiere enthalten, (p. 154). Endlich sind im 61° Bande von Gilbert's Annalen alle Bemerkungen von Tilesius über diesen Gegenstand von Gilbert übersichtslos (er entschuldigt sich p.155) gesammelt und mitgetheilt. Ebenda p.154 sagt Tilesius, dals er 7 Bogen Text als Erläuterung der Ku- pfertafeln abgesendet, und p.172 führt Gilbert die Worte dieses Textes, wahrscheinlich aus dem Manuscripte, an. Ich habe nicht Gelegenheit gehabt, sie anderswo als bei Gilbert ge- druckt zu sehen, indem ich einen zweiten Theil der deutschen Hydrographie von Krusen- stern nicht vorfinde. 486 Eurenperc: Schwefelfeuer, wie das matte Licht des faulen Holzes und wie die sprühen- den Funken aus einer Schmiedeesse. 2) Es leuchten blofs lebendige Thiere (? siehe 8)), Mollusken, Crustaceen, Nereiden, Medusen, Zoophyten und Infusorien, aber es giebt eine zahllose Menge dieser Leuchtthiere und ihrer Brut. Jedes leuchtet auf seine Weise (p.36). Auch wenn das ganze Meer als eine zusammenhängende leuchtende Masse erschien, fanden sich kleine Thiere als Ursache, deren Zahl auf Millionen steigen mochte (p. 173). 3) Die gröfsten glänzendsten Seelichte, wie glühende Kugeln, sind die Pyro- somen, dann die Salpen, wie feurige Ketten und Fäden, dann die Medusen, besonders Pelagia. Matter sind die Beroön und Physalien. Funkensprü- hend ist das Licht der mikroskopischen Krebse, und diese geben in allen Meeren das häufigste Licht. Die Infusorien haben nur ein kleines mattes Licht (p.37). 4) Dicht an der Oberfläche ist das Licht der Thiere in na- türlicher Gröfse, senken sie sich tiefer, so erweitert sich der Lichtschein mit unbestimmtem Contour (p.172). 5) Das allgemeine Licht erscheine ge- meiniglich beim ersten Wellenschlage nach langer Windstille, welcher die Thierchen auf der Oberfläche überrascht (p. 135. 176). 6) Das Licht sei eine Folge der Anstrengung bei ihrer Respiration. Athemholen und Fort- stofsen im Meere sammt der Ernährung geschehe alles durch dieselbe Bewe- gung. 7) Das Licht sinke mit der Lebenskraft und verschwinde im Tode ganz. 8) Faules Haifischfleisch an der Angel leuchtete auch, aber wie fau- les Holz (p.36-39). 9) Was endlich das Meerleuchten ohne Thiere be- trifft (was er früher auch angenommen p. 175), so habe er daran keinen Glau- ben mehr, seitdem er sich während der letzten 2 Jahre der Erdumseglung bei jeder Form des Meerleuchtens von dem Dasein der Thiere überzeugte. Den matten Milchglanz gaben verschiedene leuchtende Thiere, auch Laich, in der Ruhe (p.332). 10) Nur Erdumsegler, nicht Küstenbewohner, kön- nen über das Leuchten des Meeres auf dem ganzen Erdballe richtig urthei- len (p. 39). Aufser den bereits im Jahre 1814 mitgetheilten 23 Mollusken, Medusen und Infusorien verzeichnet Tilesius namentlich noch folgende 19 Leucht- thiere von Crustaceen: 1) Acanthocephalus syringodes Fig.8('), 2) Am- blyrhynchotus glaucus Fig. 4, 3) Anarthrus erystallinus Fig. 11, 4) Astacus (') Eie Zahl der Figur bezieht sich auf den Krusensternschen Atlas. das Leuchten des Meeres. 487 macrochirus Fig. 21, 5) 4. melanophthalmus Fig. 3, 6) Crangon fasciatus Fig. 22, 7) Cyclops rostratus Fig. 13, S) Cyelopis pullus Fig.18, 9) Erythro- cephalus coecus Fig. 6, 10) E. macrophthalmus Fig.5, 11) Zarva histrio Fig. 23, 12) Mantis platyura Fig.20, 13) Nauplius Fig.17, 14) Palaemon no- ctilueus Fig.2, 15) Penaeus adspersus Fig.1, 16) Phasmatocarcinus glaucus Fig.9, 17) P. discophthalmus Fig. 10, 18) Prionorhynchotus Apus Fig. 7, 19) Symphysopus hirtus Fig.19. (Gilbert 61, p.322. Dafs Hablitzl’s Leuchtkrebs Cancer Pulex gewesen, sei zweifelhaft, da es viele ähnliche gebe (p.S). Eckeberg’s Scolopendra electrica sei = Nereis noctiluca von Griselini, Abildgaard und Fabricius (p.9-10). Swammerdam (1655) habe eine zweite Art (!), Slabber (1771) eine dritte beobachtet. Er selbst sah Scolopendra electrica, ein Erdinsect, in Brasilien und auch die Stelle, worauf es gelegen, leuchten. (Es war also wohl $. morsitans?) p.9-10. — NMedusa pellucens Banks sei eine Pelagia (p.12). Von Horsburg'’s beiden Krebschen von 1788 sei der Zimulus noctlucus = Oniscus fulgens, weil ihm kein Zimulus vorgekommen, der andere eine Mo- noculus -Larve (Nauplius oder dmymone p.14u.32). — Medusa scintillans Mac. sei die Brut einer Meduse (p. 18.u.27). — Beroe fulgens Mac. sei Deroe Cucumis seu Infundibulum, Pyrosoma sei keine Beroe (p.20). — Langstaff's leuchtende Ketten seien Salpen, Osbeck nenne die Salpen Adelphocion, Banks Dagysa (p.25). — Bajon’s und Le Roy’s Kügelchen seien nicht Tedusa seintillans, sondern Mammarien (p. 20). — Forster’s kugliges Leucht- thierchen sei = Oceania cymbaloidea (p.31). — Riville’s Thier sei kein Zyn- ceus (p. 114). — Peron’s Pyrosomen seien lebende Eierstöcke der Salpen; er habe dieselben Telephorus australis genannt (p. 134). — Das Leuchten bestehe wahrscheinlich aus einem Phosphor-Wasserstollgas, welches sie ex- spiriren (p. 135. 136). — Das Leuchten der Land- und Seethiere werde mit Unrecht zusammengeworfen (p. 137). Es sei beim Atlımen unwillkühr- lich (p.138). — Zepas (Macartney) habe niemand leuchten gesehen, solle wohl Pholas heifsen (p. 142). — Die Beroen bringen auf den Rippen einen matt leuchtenden Regenbogenschimmer hervor (p.150). Es dauert nur so lange als das Zittern der Rippenfasern anhält. Er hält sie für Respirations- (') Swammerdam’s und Slabber’s Leuchtwürmer der Austern sind wohl doch unter den 3, welche de la Voie beobachtete. Slabber. T. VI. leuchtete nicht, ist Spio seticornis. 488 EHrENBERG: organe und erkennt den von Mitchill beobachteten Kreislauf an, nur die systematische Bestimmung desselben tadelnd (p. 152). — In der Sertularia neritina leuchteten Krebschen, nicht sie selbst (p. 155). — Holothuria nannte Tilesius die Physalien (p. 155). — Die Physalien leuchteten vielleicht des- halb in den Gefäfsen nicht mehr, weil sie matt geworden (p. 157). — Riche’s Daphnia war wohl eine Monoculus- oder Cyclops-Larve und Hablizl’s Cancer Pulex auch. Scylarus von Tuckey wohl Mantis platyura (p.322). — Das Krebschen mit leuchtendem Gehirn bei Tuckey sei wohl sein Zrythro- cephalus macrophthalmus (p.324). — Das Licht der Physalien glaubt er durch Tuckey bestätigt (was nicht der Fall ist) (p.325). — Der Fischglanz sei kein Licht, sondern Spiegelglanz der Schuppen. Die Heringe haben ihn alle, auch Atherina hepsetus und Clupea atherinoides, Trichiurus u. a. m. Exocoetus volitans und ealiens zeigen den Glanz auch im Fluge (p.326). — Nur lebende Thiere leuchten, keine todte schleimige Materie. Der leuch- tende Laich erscheine wie eine schleimige Materie der Oberfläche. Er be- stehe aus Gallertkügelchen oder Embryonen (p.327). — Steller (1774) erwähne des leuchtenden Fischlaichs auch in Kamtschatka. Tilesius hielt es dort für Laich der Zurelia camtschatica. — Er sah 1814 kleine Seesterne unter leuchtenden Krebsen in Helgoland und vermuthet, dafs sie leuchten (p-333). (Ich fand diese Seesternchen daselbst auch und sah sie nicht leuch- ten.) Endlich ist zu bemerken, dafs bei Gilbert die Mehrzahl der Leucht- thiere, aber meist unbrauchbar klein abgebildet ist. Gilbert 61. Eine ganze Sammlung von Leuchtthieren der Krusensternschen Reise sendeten Horner und Tilesius in Gläsern an Blumenbach und getrocknete bekam Professor Schwaegrichen in Leipzig. Wetterauer An- nalen III, 360. Gilbert selbst bemerkt p. 164, dafs die Ausscheidung eines brenn- baren Gases bei Thieren, wie sie Tilesius dachte, Schwierigkeit habe, und fragt, ob es nicht doch zersetzte Materie und ein Bestandtheil des Meerwas- sers sein könnte, den die Bewegung der Thiere nur erschüttre (was leicht aber unstatthaft erscheint, wenn man die Erscheinung intensiv sah). 4519 meint Henry Robertson, der das Leuchten im mittelländi- schen Meere gesehen, es sei wohl im Zusammenhange mit der Wasserverdun- stung und veranlafst durch rasche Entwicklung der Electricität, obschon es auch andere Ursachen geben möge. Ein griechischer Physiker in Athen das Leuchten des Meeres. 489 hatte immer gleichzeitig die Electrieität äufserst schwer in Apparaten anhäu- fen können. Zdinburg. Phi. Journ. I, 236. Auch Murray beobachtete das Meer. Eine Leuchtmeduse fand er an der Küste von Suffolk. Zwischen Leghorn und Civita vecchia leuchtete Beroe fulgens. Prof. Smith aus Christiania, der am Congo starb, glaubte an leuchtenden Schleim, dessen kleinste Theilchen kuglig wären. Er selbst meint, die Wellen zerbrächen die gröfseren Leuchtthiere in so kleine Theile. Eine 3 Zoll grofse Meduse hielt er (fälschlich) für M7. seinullans. Wernerian soc. 3, p.467. 1821. Ferner theilte Schweigger Vincent Rosa’s, des Aufsehers des Na- turaliencabinets in Pavia, Beobachtung des Leuchtens der frischen Yermila- ria retusa Imperati (Spongodium vermiculare), einer schwammartigen Alge des Meeres mit. Beobacht. auf naturh. Reisen p. 58. Gleichzeitig sagt v. Chamisso de Salpa p.T: Phosphorescentia Sal- pis cum vermibus marinis pluribus communıs est und giebt eine schöne Abbil- dung der Pelagia cyanella in Choris Foyage pittoresque als Pel. noetiluca. Im gleichen Jahre erschien eine blofs compilatorische, ausführliche Zusammenstellung der Erscheinungen des thierischen Leuchtens in Rees Cyelopedia, Article Light by living animals, meist nach Macartney, nach den Gegenständen geordnet, worin bei weitem nicht alles benutzt ist ('). 1820 schrieb Kuhl aus Java an Dr. Boie: Pyrosomen erleuchteten das Wasser so stark, dafs man im schnellen Segeln Scomber Pelamys und Sarda in 15 Fufs Tiefe erkennen konnte. Sie erhöhen die Temperatur des süfsen (!) Wassers um 1° Cent. zucken nicht bei der Galvanischen Säule und haben keine Spur von Nervensystem. (Letzteres ist ganz unwahrscheinlich, und die Nerven waren auch von Savigny bereits dargestellt.) Schweig- ger's Journal 34, 364. 1824. 1821. Rudolphi sah in Neapel todte Scomber, Krebse und Krabben leuchtend (p. 122). Er selbst war in seiner Jugend sehr electrisch und hatte (') a. 1819 bemerkte der berühmte französische Wundarzt Percy, dafs er die Wunden am Fulse eines Officiers mehrere Tage lang habe leuchten gesehen. Cuvier Analyse des travaux de !’Acad. des sc. 1819. 6. 1520 sah Johnson zu Wetherby in Schottland die Blumen von Polyanthes tu- berosa leuchten. Jameson Edinburgh Journal UI, 415. Schweigger’s Jahrb., Neue Reihe I, 361. Phys.-mathemat. Abhandl, 1834. Qqgq 490 Euresgere: Schauder, wenn ihm jemand die Haare strich. Kaninchen sah er leuchten beim Streichen, Pferde leuchten beim Kämmen. Das Leuchten der Thier- augen hält er für ein Rückstrahlen. Im Pigment könne die Ursache nicht sein, weil diefs den Kakerlacken (Sachs) fehle. Durch Congestion und Spannung werde das Auge modifieirt, bald mehr, bald weniger zu glänzen (p-198). Bei Johanniswürmchen sah er, wie Treviranus, keine eigenen Organe zum Leuchten (p.197). An das Leuchten vermoderter Leichname sei nicht zu glauben (p.223). Auch sei die Selbstverbrennung nicht vom Brantweingenufs herzuleiten. Aufser Harn, Schweifs und Rlectrieität sei kein Leuchten bei Wirbelthieren (p.169) (1). Physiologie B.1. 1821. Mac Culloch behauptet, dafs wenn auch zuweilen Fisch- schleim leuchten möge, doch alle hellere Funken von lebenden Thieren kommen. Die Kleinheit vieler dieser Thiere habe veranlafst, dafs man sie übersah und dem Wasser selbst das Leuchten zuschrieb. Eine Reise nach den Shetland-Inseln und Orkaden gab ihm Gelegenheit zu neuen Beob- achtungen. Er fand so viel neue unbestimmte Thiere, dafs er mit der Be- nennung derselben in Verlegenheit kam. Er beobachtete in Häfen und nahe bei der Küste. Einige derselben scheuen das stürmische Wasser nicht, an- dere verschwinden, wenn Wind kommt. Sie sind, wie Blutegel, sehr em- pfindlich für Wetterveränderung. Das Leuchten sei willkührlich und erst ein Ruderschlag bringe es zum Vorschein. Einige Thiere sind kleiner als 4”, also wegen Kleinheit, andere, obwohl gröfser, doch wegen Durchsichtig- keit unsichtbar. Manchmal konnte im Wasser aus verschiedenen Tiefen 1 Cubikzoll nicht weniger als 100 Thiere enthalten. Die Menge also übersteigt alle Begriffe (p.254). Die grölseren Individuen, mit einem trocknen Instru- mente herausgehoben, leuchteten im Moment des Aufhebens und in dem des Wiedereinsenkens. Er giebt die Regeln an, mit denen man die Thiere leich- ter beobachtet. Er habe im verg um 190 Arten vermehrt (p.250). Es waren besonders 20 Arten kleiner Me- dusen, eine grofse Anzahl Squillen, 5-6 Arten ‚Scolopendra und Nereis. angenen Sommer die Zahl der Leuchtthiere (') 1821 machte Macaire Beobachtungen über die Phosphorescenz der Leuchtkäfer be- kannt. Willkühr des Thieres sei unläugbar. Alle Körper, die Eiweils coaguliren, nehmen der Materie das Licht. In oxygenlosem Gas leuchten sie nicht. Die Galvanische Säule er- regt das Licht, Electricität nicht. Die Leuchtmaterie ist meist Eiweilsstoff. Ziblioth. uni- verselle 1821. p- 52. 7 das Leuchten des Meeres. 491 Übrigens waren es Arten der Gattungen Phalangium, Monoculus, Oniscus, Julus, Vorticella, Cercaria, Fibrio, Volvox. Dazu kommt eine neue Fisch- art der Gattung Zeptocephalus. Die übrigen sind Formen, die zu keiner be- kannten Gattung passen, deren Abbildung er besitzt und späterhin mitthei- len will. Er meint endlich, es existiren Fische nach Bouguer’s Beobach- tung in Tiefen, wohin kein Sonnenlicht dringt, und die Fischer behaupten, dafs sie den Zing (Gadus Molva) nur in 250 Faden Tiefe reichlich fangen, so beschwerlich auch das Heraufziehen so langer Angeln sei. Um sich aber in solcher, offenbar lichtlosen Tiefe zu ernähren, müsse nothwendig der Fisch entweder selbst leuchten oder sich von leuchtenden Thieren dieser Tiefe nähren. Quarterly Journal of se. Vol. XI, p. 248. (Dafs der Verfas- ser die Gattungen Scolopendra, Phalangium, Julus ohne Auszeichnung mit unter den Wasserthieren aufzählt, ist für das Jahr 1821 auffallend. Diese Bestimmungen scheinen daher sehr unsicher und mögen sich sämmtlich auf Wasserthiere ganz anderer Gattungen beziehen. Somit sind aber auch die übrigen Namen preifsgegeben.) 1823 theilten Spix und Martius ihre ersten Beobachtungen mit. Das helle Licht der Meeresfläche, die leuchtenden Kugeln, das Funkensprü- hen gehämmertem glühenden Eisen oder einem glühenden Feuerrade gleich rief sie zur Untersuchung auf. Sie sahen in dem Wasser am Morgen zahl- reiche kleine Gallertkugeln wie Mohnsamen mit Nabel und 6-9 Fäden darum. Sie fanden sie der Srethusa pelagica von Peron und Lechenault und der Noetiluca miliaris ganz ähnlich. (Es waren also wohl Oceaniden nach Esch- scholtz?’) Die Körperchen, Fetttröpfchen gleich, zogen sich fast magnetisch einander an und bildeten Gruppen. Am Tage fanden sich keine. In grofsen Feuerkugeln vermutheten sie Mollusken oder Medusen. Aufser dieser verein- zelten sahen sie aber noch eine andere, bisher wenig beachtete Lichterschei- nung. Wo 2 Wellen sich berührten oder übereinander stürzten, sahen sie einen flachen bläulichen Lichtsaum; es war ein gleichmäfsiges, nicht fun- kelndes Licht, dem der Weingeistflamme gleich. War es ein Wiederschein des Lichtes der Kugelthiere? war es ein Ausgleichungsprocefs der electri- schen Spannung zweier Wellen, oder des Meeres und der Atmosphäre? Beinahe möchten sie sich bei diesem Lichte zur letztern Ansicht verstehen, nämlich, bedenkend den Salzgehalt und die fauligen Stoffe dee Meeres, es Qqgqg2 492 EHurensBene: als Wirkung der Electrieität und Oxydation betrachten. Reise nach Bra- silien B. I, p.31 ('). 1824. Audouin erwähnt im Diet. classique d’hist. nat. Article Cre- vette p.59, dafs man den Gammarus Locusta der englischen Küsten oft mit (') a. 1823 beobachteten Gilbert und Dr. Jordan ein grünliches Leuchten im Moose an der Frankenscharner Hütte. Gilbert’s Annalen 1823. B.20, p. 242. db. Nees von Esenbeck theilte darauf in der Regensburger botanischen Zeitung mit, dals Funk auf dem Fichtelgebirge und der Consul Brandenburg bei Triest ebenfalls ein leuchtendes Moos gefunden, welches ersterer als Schistostega osmundacea Weber und Mohr bezeichnet. Ferner habe Herr Derschau in den Stock- und Scheerenberger Steinkohlen- gruben eine leuchtende Zirizomorpha gefunden und ihm zugesendet und Herr v. Laroche die Beobachtung bereits wiederholt. B.1, p.119. Vergl. 1832. c. In demselben Jahre erschien dann eine sehr umsichtige, gründlich prüfende Ab- handlung über die Verhältnisse des Leuchtens jener Rhizomorphe von Bischoff, Noegge- rath und Neesvon Esenbeck. Die Pflanzen leuchten 1) durch spiegelndes Wiederstrah- len (des Mondlichtes), so die Scheidewände der Schötchen bei Zunaria rediviva, Farsetia; 2) durch entzündliche Atmosphäre, wie Dietamnus albus; 3) durch Funkensprühen (Electri- cität?), wie Calendula, Tropaeolum, Lilium, Tagetes, Helianthus, Polyanthes; 4) durch stä- tiges stilles Leuchten, wie: Schwämme (?) Dematium violaceum (Trentepohlia), Schistostega osmundacea, Phytolacca decandra, Iihizomorpha pinnata, aidela, stellata. 5) Einzelne Pflan- zentheile leuchten bei ihrer Verwandlung: «) faule Kartoffeln, 2) zerschnittene bezuckerte Melonen, c) der Milchsaft der Cipo de Cunanäm, einer. brasilianischen Asclepiadee oder Eu- phorbiacee, d) Baumstrünke, e) faule Baldrianswurzeln, f) Torf. Von Bäumen: das Holz der Esche, Buche, Kastanie, Birke, Erle, Wallnufs, Haselstaude, Eiche, Weide, Föhre, Roth- tanne, Weilstanne. Die Prüfung des Leuchtens geschah mit Rhizomorpha subterranea stel- lata Nees v. Es. und Ahiz. aidela Humboldt. Resultate waren: 1) Sie leuchten in der Torricellischen und Guerikschen Leere nicht, 2) auch nicht in irrespirabeln Gasarten, 3) sie leuchten in der Luft und im Wasser, 4) an Insolation sei nicht zu denken, 5) es sei nicht blols Sauerstoffabsorbtion, sondern Sichtbarwerden des Lebensprocesses p.696, Licht- entbindung als Lebensthätigkeit ohne Zersetzung. Oder sei die Zersetzung der Grund des Lichtes, so zeige das Leuchten das Leben als einen milden Verbrennungsprocels. Man könne also die Bildung der pflanzlichen Substanz in der Wurzel als ein fortwährendes Oxydiren einer Basis betrachten, welche die Pflanze selbst aus Kohlen- und Wasserstoff in jedem Mo- ment der Ernährung neu zusammenfüge (p.700). Nov. Act. Leopold. XI, p.603. d. 1823 fand auch Brewster, dals Chara vulgaris und hispida, auf ein erhitztes Blech gelegt, leuchten, und dafs der ihnen anhängende Kalk keineswegs ein Niederschlag aus dem Wasser, sondern ein organisches Produkt in besonderen Zellen sei. Edind. Philos. Jour- nal 1823. p. 194. e. Goethe hielt das Leuchten des Katzenauges für ein specifisches, phosphorisches Licht. Chroopsie sei Überflufs von Phosphor, grauer Staar sei Mangel an Phosphor. Mor- phologie B.II. Das Blicken der Blumen sei optische Täuschung. Farbenlehre 1810. I, p.21. das Leuchten des Meeres. 493 dem G. Pulex der französischen verwechsele, da der erstere in Frankreich seltener sei. Suriray habe in Hayre sein Leuchten beobachtet. (Viviani sagt ausdrücklich, dafs G. Pulex leuchte, aber der ihm verwandte Zocusta nicht leuchte). In gleichem Jahre steht ein kurzer compilatorischer Aufsatz über das Phänomen des Meeresleuchtens aus Amerika von Webster im ersten Theil des Boston Journal of philosophy p.59, worin aber auch eine neue Beob- achtung aus den Manuscripten eines Reisenden in Indien vom Jahre 18516 mitgetheilt wird, der das Meer in der Nacht vom 20” August in 9°8’S.B. 105°45’ Ö.L. milchartig und scheinbar dick sah. Im Glase war dasselbe Wasser am Licht aber durchsichtig wie anderes Seewasser. Dr. Roget nimmt an, dafs die Erscheinung meist von Thierchen her- rührt, die man Medusa scintillans genannt hat. Der Procefs des Leuchtens sei verschieden von einem leichten Verbrennen, obschon diefs beim Phos- phor ähnliche Wirkung habe. Es sei vielmehr eine Lebensthätigkeit, die von Bewegung und Willkühr abhänge. Es sei unabhängig von äufserem Licht, und die Medusen hören sogar auf zu leuchten, wenn der Mond scheine (?) u.s.w. Ebenda p. 60 (!). 1825 wurden Quoy und Gaimard’s Beobachtungen von Freyci- net's Weltumseglung in den Annales des sciences naturelles mitgetheilt. Der Schleim des Meeres werde ganz deutlich durch eine zahllose Menge von (') a. Ein Aufsatz von Jameson im Edinb. Philos. Journal über das Leuchten der Pflan- zen enthält nur bekannte Beobachtungen. 1824. p.222. b. Göbel beobachtete ein Leuchten bei der Weingährung. Schweigger Journal 40, p.257. Ebenda sind Lichterscheinungen bei Crystallisationen gesammelt, deren specielle Erwähnung ich hier ausschlielse. ce. Link bemerkt in den Elementis philosophiae botanicae p-394, dafs die Rhizormor- pha subterranea Persoon und Neesv. Es. die RA. fragilis (Both) und Clavaria phospho- rea Sowerby sei. Auch Himantia candida (nach Wildenow Spec. plant. VI. 1824 sein zonium candidum) sei leuchtend gefunden. Aufser Linn&’s Tochter und Haggren babe Niemand das Tropaeolum leuchtend gesehen und auch Crome (Professor der Chemie in Mög- gelin) habe es in Gesellschaft eines Frauenzimmers gesehen (Siehe Hoppe’s Taschenbuch d. Bot. 1809. p.52.) d. Der Oberberghauptmann Gerhard theilte in der Berliner naturforschenden Ge- sellschaft im Februar 1824 die Beobachtungen des Leuchtens von Rhizomorphen in Bocchum- schen Steinkohlengruben aus einem Bericht des Herrn v. Laroche und andere des Oberberg- ratıs Charpentier mit. Beschäftig. B.I. 1829. Vergl. Act. Leop. 1823. p- 634, 702. 494 EHRENBERG: Thieren gebildet. Die Produktivität des Meeres möge wohl die der Erde übersteigen. Leuchtende Fische sahen sie selbst nicht, schreiben vielmehr das Leuchten den kleinen Thieren zu. Bei Rawak sahen sie weifse Linien auf dem Wasser, konnten aber mit der Lupe keine Thiere unterscheiden. Es waren räthselhafte Lichtpunkte, die sich plötzlich ausbreiteten Leuch- ten sahen sie bis zum 60° S.B. aber dort weniger stark, auch im Laplata- Strom. Sie bemerkten bei den Leuchtthieren Geruch der Electricität. Eine Seeschildkröte, deren Schilder abgerissen waren, leuchtete auf Geschwüren des Rückens. V, p.9. Artaud, ein Apotheker in Martinique, fand daselbst Thiere als die Ursache des Meeresleuchtens. Es waren sehr kleine geschwänzte Kügelchen (Noctiluca scintillans). Ann. maritimes 1825. Schweigger 1823, p.319 ('). 1826 gab Alexander von Humboldt ausführlichere Mittheilungen über seine Beobachtung des Meeresleuchtens. ,,Das Leuchten des Oceans gehört zu den prachtvollen Naturerscheinungen, die Bewunderung erregen. Unter den Tropen ist es ein majestätisches Schauspiel. Was man mit Be- stimmtheit davon weils, ist Folgendes: Es giebt mehrere leuchtende Mol- lusken. — Das Leuchten des Meerwassers wird bisweilen durch diese lebendigen Lichtträger bewirkt; ich sage bisweilen, denn mehren- theils erkennt man selbst durch starke Vergröfserung keine Thiere im leuch- tenden Wasser. Und doch überall wo die Welle an einen harten Körper anschlägt und sich schäumend bricht, überall wo das Wasser erschüttert wird, glimmt ein blitzähnliches Licht auf. Der Grund dieser Erscheinung liegt wahrscheinlich in faulenden Fäserchen abgestorbener Mollusken.” — ‚„‚Bei der ungeheuren Menge von Mollusken, die sich in allen Tropenmeeren (') a. 1825. John Todd’s Untersuchungen über das Leuchtvermögen der Lampyriden, welche Home in der Royal society zu London vortrug, lehrten: das Licht sei nur Produkt des Lebens, es inhärire einer durchscheinenden körnigen Substanz, welche tief durchdrungen sei von Nerven. Sind die Käfer durch Nux vomica getödtet, so erscheint doch ein festes Licht 12-14 Stunden lang. Er vergleicht das animalische Licht mit der animalischen Wärme. Es leite besonders die Männchen den Weibchen zu. Zoolog. Journal I, p. 274. 5. Golin Smith sah zu Lochawe in Argyleshire 1813 im März fallenden Schnee stark leuchten. Edinb. Philos. Journ. XI, p. 405. c. Der Bergrath Freyesleben schrieb an Noeggerath, dals Erdmann wieder leuchtende Rhizomorphen in wundersamer Schönheit in Burgk gefunden. Schweigger 44, p.66. das Leuchten des Meeres. 495 finden, darf man sich nicht wundern, dafs das Seewasser selbst da leuchtet, wo man keine Fäserchen absondern kann. Bei der unendlichen Zer- theilung der abgestorbenen Massen von Dagysen und Medusen ist vielleicht das ganze Meer als eine gallerthaltige Flüssigkeit zu betrachten, welche als solche leuchtend, von ekelhaftem Geschmacke, dem Menschen unge- niefsbar, für viele Fische aber nährend ist.” — ‚,Bisweilen leuchtet das Meer unter scheinbar gleichen äufseren Umständen eine Nacht sehr stark, die nächst folgende gar nicht. Begünstigt die Atmosphäre diese Lichterschei- nung, dieses Abbrennen des gephosphorten Wasserstofls? Oder hängen all diese Verschiedenheiten von dem Zufalle ab, dafs man ein mit Mollusken- Gallerte mehr oder minder angeschwängertes Meer durchschifft? Vielleicht kommen auch leuchtende Thierchen nur bei einem gewissen Zustande des Luftkreises an die Oberfläche?” — ,‚,‚Dafs übrigens das Leuchten lebender Thiere von einem Nervenreiz abhängt, davon kann man sich durch galva- nische Versuche überzeugen. Ich habe einen sterbenden later noctilucus stark leuchten sehen, wenn ich sein Ganglion am vorderen Schenkel mit Zink und Silber berührte.” Auch Medusen scheinen heller, wenn man die galvanische Kette schliefst. Ansichten der Natur II, 65. 1826 bearbeitete Lesson, welcher bei Duperrey’s Weltumseglung war, den Artikel Phosphorescence für das Dietion. des sc. nat. par Levrault. Das Meerleuchten gehöre den Thieren, meist Crustaceen an. Nach seiner eigenen Beobachtung und Überzeugung könne dasselbe nicht durch rein phy- sikalische oder chemische Wirkung hervorgebracht sein. Es komme von Seethieren und habe seinen Sitz in Drüsen (glandes), welche in verschiede- dener Zahl an den Seiten des Thorax gewisser Krebse, wie bei den Leucht- käfern vorhanden seien und dafs man es bis auf weitere Untersuchung für eine Modification der Lebensgesetze halten müsse, die von dem Leuchten faulender Substanzen verschieden sei. (Diese Drüsen sind nicht von ihm nachgewiesen, daher nur hypothetisch.) Bory de St. Vincent sagt in seinem Zssai d’une classification des microscopiques, Paris 1826, p.104: Er habe auf seinen Reisen alle Gewäs- ser untersucht und nur zufällig einige Infusorien in dem leuchtenden Wasser gefunden und diese leuchteten nicht. Er schliefst: gue les animalcules ne sont pour rien dans un phenomene, qu’on leur attribue cependant aujourdhw ar analogie Kun commun accord et principalement sur lautorite de M. Peron. 5 pP ! 496 EnurespBerc: Derselbe hat den Artikel Mer für das Dietion. class. d’hist. nat. verfafst, welcher besonders gegen Peron, seinen ehemaligen Reisegefährten, gerich- tet ist (!). Er habe zwar so alte Auctoritäten nicht nachgelesen, er habe auch, obwohl er mit Peron reiste, nicht Sterne im Meere gesehen, die schö- ner waren als die unserer Feuerwerke, auch keine kreisenden Kegel, glühende Kugeln, Guirlanden- und Schlangenfeuer, aber er habe mit dem Mikroskop sich viele Mühe umsonst gegeben, die Thierchen Peron’s zu entdecken. Peron habe Bory’s Namen in seiner Schilderung nicht erwähnt (p. 396). Das schönste Leuchtthier habe er zuerst beschrieben und Monophora noctiluca (Pyrosoma Peron)(?) genannt. Da sich Quoy und Gaimard nie eines Mikroskopes bedient hätten, so könne auch dieser Urtheil nicht gelten. Er macht auf den Werth seiner früheren Mittheilungen aufmerksam und be- merkt, dafs die Heringszüge einen Schleim zurückliefsen, den die Fischer gresins nennen und der im Finstern leuchte. Man möge also aufhören, das Phänomen einer einzigen Ursache überall zuzuschreiben, und wenn viele See- thiere lebend und todt augenscheinlich Licht von sich gäben, so sähen wir das Funkeln vielmehr darum, weil sie die Elemente dazu, welche sie in sich aufgenommen hätten, dem gemeinsamen Depot wiedergäben (p. 403). (Der Aufsatz ist etwas leidenschaftlich und die Beobachtungen sind nicht ausrei- chend jene Meinung fest zu begründen.) In gleichem Jahre sprach sich Herr Link in seiner physikalischen Erd- beschreibung wieder über den Gegenstand so aus: Das Meerleuchten rühre (') a. 1826 wurde in Murray’s Experimental Rescarches in Glasgow die frühere Ab- handlung mit noch 4 andern wieder abgedruckt. Siehe Heusinger’s Zeitschrift für org. Physik 1828. B.2, p. 94. b. Esser schrieb in Kastner’s Archiv B.8, p.394 über das Leuchten der Thier- augen. Katzen, Hunde, Kaninchen, Schaafe, Pferde leuchten an ganz dunkeln Orten nicht. Todte Augen strahlen selbst nach Wegnahme der Hornhaut, Iris und Crystalllinse noch Licht zurück, mithin sei es keine Phosphorescenz. (Dafs es keine gebe, ist damit nicht erwiesen.) (*) Der Tadel, welchen Herr Bory de St. Vincent dagegen ausspricht, dals man sei- nen Namen Monophora gegen den schlechteren und späteren Pyrosoma vertauscht habe und welcher Cuvier und Lesueur besonders treffen soll, ist auch von Deshayes im Dietion. class. mehrfach bitter ausgesprochen (Ari. Monophora, Pyrosoma). Bei gleichzeitig auftreten- den Namen mag man wohl ein Recht haben, den bessern zu wählen, welcher hier offenbar Pyrosoma ist. Übrigens scheint auf dem Schiffe die Billigkeit und das Recht zur Namenge- bung für Peron zu sprechen, da er authorisirter Naturforscher, Bory Passagier war. das Leuchten des Meeres. 497 von kleinen Thieren aus der Familie der Medusen her. Dafs die Leucht- thiere nur bei Erschütterung leuchten, habe die Meinung von einer electri- schen Erscheinung hervorgebracht, die er für blofsen Wahn halte. An der Meduse von der Gröfse eines Stecknadelkopfes konnte er keine Tentakeln finden. I, p.375. 1827 erschienen Beobachtungen des Schiffschirurgus Lauvergne über Meeresleuchten in den Annales maritimes et coloniales Il, p.181. Les- son sagt im Bulletin des sc. nat. 1829, p.210, es sei nichts Neues darin. Gleichzeitig wurden in Leopold Gmelin’s sehr fleifsigem und über- sichtlichen Handbuche der theoretischen Chemie die Erscheinungen des or- ganischen Leuchtens unter der Rubrik „die Lichtentwicklung als Folge einernichterwiesenen, aber wahrscheinlichen chemischen Ver- einigung der wägbaren Stoffe” aufgeführt. (Sauerstoff, Chlor, Jod, Selen, Schwefel, Phosphor entwickeln, in dieser Folge abnehmend, bei ihrer Vereinigung mit andern Stoffen Licht. So auch Vitriolöl und Bittererde, Kalk und Wasser u.s.w.) Das Licht sei dabei entweder in einem oder in beiden Körpern schon vorhanden und werde nur ausgeschieden, oder es werde aus ihren unwägbaren Bestandtheilen (+ — Electrieität) zusammenge- setzt, wobei Sauerstoff, Chlor u.s. w. die eine, die Metalle die andere Elec- trieität gäben. — Die Leuchtkörper zerfallen in lebende und faulende orga- nische Körper, jedes wieder in Thiere und Pflanzen. — Das Leuchten le- bender Thiere scheine in Ausscheidung einer Phosphor- oder dem ähnliches enthaltenden, meist flüssigen Materie zu bestehen, welche sich mit dem Sauer- stoff der Luft oder des lufthaltigen Wassers unter schwacher Lichtentwick- lung vereinige. Die Abscheidung dieser Flüssigkeit scheine im Leben vom Willen des Thieres abzuhängen, aber der Lebensact könne nicht die unmit- telbare Ursache des Leuchtens sein, weil die Materie, getrennt vom Thbiere, fortleuchte. — Während des Lebens phosphoreseiren nur Thiere der nie- dern Klassen, vorzüglich Insecten und Würmer (!). — Es folgt nun eine (') Es scheint zweckmäfsig, hier an zuweilen hell leuchtenden Harn übrigens gesunder Menschen zu erinnern, dessen schon 1813 Erwähnung geschehen. In der Bibliotheque me- dicale desselben Jahres erschien ein Aufsatz von Guiton Morveau über dieses Phospho- resciren, welcher ebenfalls die Fälle von Pictet und Jurine nebst einem ähnlichen von Guyton zu Autun anzeigt. Guiton Morveau meint, man könne diese Erscheinung nur mit dem von Alexander v. Humboldt und Fourcroy entdeckten gasförmigen Stickstoff- Phys.-mathemat, Abhandl, 1834. Rrr 498 EurenBere: reichhaltige, nicht vollständig gemeinte Aufzählung der Leuchtthiere nach den Klassen, 1 Amphibie (Eidechseneier), 1 Fisch, 22 Käfer, 1 Grille u.s. w., wobei jedoch nicht immer scharf gesichtet ist, was wirklich oder vermuth- lich leuchtete. So sind Gammarus crassimanus, Spirographis, Sertularia ne- ritina, Physalia und andere dabei. Phalangium ist als Spinne, Branchiurus als Annulate, Gleba als Infusorien verzeichnet. Unter den Zoophyten wird als Privatmittheilung erwähnt, dafs Leuckart Yeretllum Cynomorium und Alcyonium exos’ habe (lebend) leuchten gesehen. — Es folgt eine etwas spe- cielle compilatorische Aufzählung der hauptsächlichsten Verhältnisse und Versuche beim Leuchten, besonders der Zampyris. — Beim Leuchten le- bender Pflanzen wird des Blitzens nur obenhin erwähnt, das stetige Leuch- ten aber nicht einer Erzeugung von Phosphor zugeschrieben, vielmehr einer Kohlenstoff und Wasserstoff haltenden Verbindung. Bei faulenden thierischen Körpern scheine vor der Fäulnifs eine Zer- setzung zu erfolgen, deren Produkt ein Schleim sei, dessen Bestandtheile in der kleinsten Menge vorhandenen Sauerstoffs unter schwacher Licht- und unbemerkbarer Wärmeentwicklung verbrennen. — Sehr selten leuchten menschliche Leichname, Fleisch der Ochsen, Kälber, Hammel, Lämmer, Schweine, Hühner, Adler, Schwalben und Schlangen, auch Hühner- eier. Am leichtesten leuchten Seefische, deren Namenverzeichnifs das von Heinrich ist; von Süfswasserfischen Hecht und Wels, von Amphibien Kaul- quappen. Ferner ‚Sepia officinalis und Zoligo. Leuckart sah todte Aply- sien, Doris- Arten und Holothurien, Tiedemann Seesterne, Redi eine Taenia (?) leuchten. Endlich leuchteten todte Medusen und gekochte Krebse. Es folgen die Erscheinungen und Bedingungen dieses Leuchtens compilato- und Phosphoroxyd erklären (Syst. des connoiss. chim. 'T.I, p.163 et 202). Der Phosphor sät- tige das Stickgas, ohne darin zu brennen und zu leuchten. Sobald aber dieses Phosphorstick- gas mit Sauerstoff, selbst in niedriger Temperatur, vermengt werde, sehe man Licht und es trete ein langsames Verbrennen ein. Er hält diese Erklärung für anwendbar. Gilbert's Annalen 49. 1815. p.291. Hierauf theilte der Professor Driessen bei Gilbert (59. 1818. p.262) mit, dals er selbst solches Leuchten bei sich dreimal beobachtet habe, ohne krank zu sein. Der später aufgefangene, nicht leuchtende Harn hatte viel Sediment von phosphorsaurem Kalk. Er ging reichlich, ohne Beschwerde, nur mit etwas Gefühl von Schärfe ab. Er bemerkt dazu, eine solche Zersetzung der Phosphorsäure sei wahrscheinlich auch die Ursache des Leuchtens der Fische vor der Verwesung. Vergl. 1814 und 1815. das Leuchten des Meeres. 499 risch. — Das Leuchten faulender Pflanzen gehe der Verwesung voraus. Da das Holz keinen Phosphor enthalte (vergl. 1815), so könne die leuchtende Materie kein Phosphor sein, vielmehr sei es eher eine eigenthümliche, aus der Zersetzung der ursprünglichen Bestandtheile hervorgegangene, leicht verbrennliche, organische Verbindung von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Es folgt eine gedrängte, nicht erschöpfende Übersicht der bis- herigen Beobachtungen (!). Im folgenden Jahre 1828 machte Henderson in Calcutta eine schein- bar sehr auffallende Erfahrung bekannt. Er beobachtete am 5‘ März 1821 auf dem Schiffe Moffat in 2° N.B. und 21° 20° W.L. ein so aufserordentlich helles Meerleuchten bei einem leichten Winde, dafs alle, die nur eine kurze Zeit die Augen darauf fixirten, einer mehr, der andere weniger, sogleich (') a. 1827 beschreibt Grant die Structur und Entstehungsart der Füirgularia mirabilis und Pennatula phosphorea. Die Polypen der letztern allein geben beim Druck im Dunkeln ein helles, bläulichweilses, momentanes Licht, nicht die der Firgularia. Brewster Eadinb. Philos. Journal VI, p.334. 6. Curtis theilt mit, dals John Campbell Lees 1827 lebende Exemplase des Eia- ter noctilucus von den Bahama-Inseln mit nach England gebracht habe, wo sie jedoch in wenig Tagen starben. Er hatte sie 2% Monate mit Zuckerrohr genährt. Sie mufsten täg- lich in Wasser getaucht werden. Man konnte beim Lichte lesen. In der Havanna tragen sie die Damen iu Gaze eingeschlossen in den Locken. Das Licht kam von einer convexen Stelle an jeder Seite des Thorax. Zoolog. Journ. 1827. p.379. Heusinger’s Zeitschrift für org. Phys. 1833. p.138. (Einen lebenden aus Cayenne hatte Fougeroux in Paris schon 1766.) c. Charlwood sah Leuchtkäfer in Egg Harbour in New Jersey, die jenen gli- chen. Ebenda. d. Sprengel hat die eryptogamischen Leuchtpflanzen 1827 unter folgenden Namen in sein Systena Fegetabilium aufgenommen: 1) Zichen pinnatus Humb. = Rhizomorpha Achariana, 2) Lichen aidelus Humb., Rhizomorpha fragilis Roth ei Clavaria phosphorea So- werby = Rhizomorpha subcorticalis, 3) Himantia candida Pers. = Sporotrichum plurno- sum. Die übrigen: Byssus phosphorea, Dematium violaceum, Auricularia phosphorea u. S. w. sind übergangen. Sprengel hielt 1817 in seiner Geschichte der Botanik das Nyctegretum des Demo- crit bei Plinius für Caesalpinia pulcherrima (!). e. F. Boje erzählt in der Isis B.20, 1827, p. 726, dafs sein Bruder Heinrich Boje, der bekannte eifrige Naturforscher, welcher in Java starb, in der Capstadt hörte, es gebe bei Stellenbosch phosphorescirende Kröten und Frösche. Aus Rolander’s Diario surinamico sah er bei Hornemann in Kopenhagen, dals dieser auch leuchtender Frösche in Surinam erwähne. Diese Rana typhonia ist schon 1758 in Linn&’s Syst. nat. ed.X. verzeichnet. Crepitando ignem flavum vomere videtur. Rrr2 500 EHRENBERG: Kopfweh, Schwindel, Schmerz in den Augen und Unwohlsein bekamen. Keiner blieb frei von aller Einwirkung. Der Referent hatte besonders hef- tiges Kopfweh, das bis zum Morgen dauerte. Es war ihm als hätte er zu viel Tabak geraucht. — Man sei der Meinung jetzt, dafs solches Meerleuch- ten von Fischlaich oder von Infusorien (#rimalcules) komme. Er ist für das letztere, habe auch mit dem Mikroskop, obwohl der Schiffsbewegung halber undeutlich, dergleichen gesehen und führt Gründe für die Wahr- scheinlichkeit an. — Ferner: Phosphor bringe beim, obwohl viel helleren, Brennen in Oxygengas solche Wirkung nicht hervor und es sei nur als habe man in die Sonne gesehen, während wenig Sonnenstrahlen jenes Leuchten unsichtbar machen würden. Er meint, diese Insecten hätten also wohl eine eigenthümliche Kraft, solche Wirkung hervorzubringen, wenn sie in hin- reichender Menge und Intensität leuchteten. Ubrigens sei das Meerwasser der Thierchen halber am Äquator specifisch schwerer. Aus Transact. of the Medie. and Physic. soc. of Calcutta I, p.107 in Brewster’s Zdinb. Journal of sc. VIII. 1828. p.167. (Die Erfahrung mag wohl richtig sein und da manche Leute, wenn sie in die Sonne sehen, niefsen, kann wohl auch künf- tig ein Beobachter erzählen, dafs er beim Meeresleuchten habe niefsen müs- sen, ohne dafs deshalb die Annahme bestimmter eigenthümlicher Naturkräfte nöthig wäre. Solche Sympathien der Sinnesorgane sind der Physiologie nicht befremdend und schon oft angezeigt. Siehe Tiedemann, Zeitschrift für Physiologie I, 237. War es aber in diesem Falle nicht auch eine Wir- kung der hohlen See, Seekrankheit, die bei besondern Umständen auch see- feste Leute zuweilen ergreift?) Gleichzeitig sah Finlayson in der Nachbarschaft von Prince of Wa- les Island den Ocean wie flüssiges Feuer von geschmolzenem Schwefel und Phosphor. Man konnte ein Boot schon in der Entfernung von mehreren Seemeilen erkennen. Auf dem Meere war ein grünlicher Schleim, derselbe leuchtete Nachts. Er bestand aus unzähligen, körnigen, gallertigen Körpern wie Stecknadelknöpfe, die sich bewegten. (Wohl nicht undeutlich Nocti- luca miliaris.) Aus Finlayson’s 4ecount of Siam in Brewster's Journal VII. 1825. p.362, auch in Schweigger’s Journal 52, p. 323. 1528 theilte auch Pfaff mit, dafs das Ostseewasser in Kiel am Ende Sommers und im Herbste bis in den November leuchte; dabei sei aber kein Phosphorwasserstoflgas wirksam, sondern es werde lediglich von mikrosko- das Leuchten des Meeres. 501 pischen Thieren, besonders Infusorien bedingt. Er verweist auf seine diefs schon bezeichnende Schrift über das Kieler Seebad von 1823, die ich nicht sah, und macht auf bald zu publicirende interessante Beobachtungen des Dr. Michaelis (1830) aufmerksam. Wurde in einer Röhre mit frischem Seewasser eine Voltaische Säule durch hineinreichende Drähte geschlossen, so zeigten sich viele bewegliche Lichtpunkte. Durch Ammoniak, Säure, Äther, Weingeist und andere Reize wurde Emission des Lichtes der Thierchen be- wirkt. Pfaff über das färbende Wesen des Ostseewassers in Schweig- ger's Journal 52, p. 316. 1828 verzeichnet Blainville die leuchtenden Ringwürmer. Nereis radiata Viviani nennt er Zycoris; Spirographis Spallanzani = dmphütrite Spallanz.; Nereis cirrhifera et mucronata Viv. = Nereisyllis. Diet. des sc. nat. Art. Vers. Delle Chiaje sagt in seinen Memorie degli animali senza vertebre Vol. II. 1828, Salpa caerulea (pinnata var.) sei an sich nicht leuchtend, son- dern nur die sie umgebenden Infusorien gäben Licht (p.61). Des eignen Lichtes der Pyrosomen aber erwähnt er p. 53, des der Bero& ovata p.55 ('). (') a. 1828 erschien der zweite Band von Spix und Martius grolsem Reisewerke. Da- rin wird p- 612 eine Euphorbia phosphorea botanologisch beschrieben, deren Leuchten des Saftes vielleicht Morney 1816 zuerst sah und von welcher Nees von Esenbeck 1523 vermuthete, dals es eine Asclepiadee sein möge. Speeieller wird der Lichterscheinung p-726 erwähnt. Das Leuchten ist stärker als das des faulen Holzes, aber minder stark als die flam- mende Atmosphäre des Diptam. Martius glaubt ferner p.746, dals Gewitterschwüle einen Antheil haben könne, weil er es bei solcher und nur einmal gesehen. Morney’s Sipo de Cunandm möge als Schlingstrauch wohl eine von der Euphorbia phosphorea verschiedene Apocynee sein und dieses mit allen übrigen Lichterscheinungen bei Pllanzen unvergleichbare Licht möge auf eine eigenthümliche Veränderung des Pflanzensaftes deuten, wenn er an die Luft tritt. Ferner wird p.688 das Leuchten des Elater phosphoreus und noctilucus Fabr. geschil- dert. Sie können das Licht, welches von beiden gelblichen Punkten ihres Thorax ausstrahlt, erhöhen und schwächen. Bald ist es flammend und röthlich, bald bleich wie Mondschein. Sie leben und leuchten, an die Nadel gesteckt, 5-8 Tage. Spix fand, dafs die Phosphores- cenz von einem kleinen Säckchen im Thorax ausgehe, welches mit einer zerllossenen, Phos- phorähnlichen, talgartigen Masse angefüllt sei und über das sich Äste der Tracheen ausbrei- ten. Es ist ihm wahrscheinlich, dals Zuführung der Luft durch die Tracheen das Licht be- liebig schwächen und anfachen könne. Mit den Geschlechtstheilen schien das Organ in gar keiner Verbindung zu sein. d. Sheppard’s Versuche mit Zampyris bei Kirby und Spence ergaben, dals der Beutel, künstlich entleert, sich in 2 Tagen wieder füllt. Die ausgezogene Masse mit flüssi- 502 EHurEenBEere: 1329 sah Thompson das Meeresleuchten nur durch Thierchen be- dingt; er beschreibt 5 neue Genera leuchtender Krebse. Bei Gibraltar sah er eine sehr weiche, halbkugelförmige Meduse wie Stecknadelknopf in sol- cher Menge, dafs das Meer wie geschmolzenes Silber erschien (doch wohl Noculuca scintillans). Horsburg's Oniscus sah er an der Küste von Mada- gascar 1816 wieder und bildet ihn unter dem Namen Saphirina indicator als eignes Genus ab, das in der Nähe von Cyelops stehen soll. Noctcula Banksil ist ein anderes Genus, welches Banks bei Brasilien fand und Can- cer fulgens nannte. Ein drittes, Mysis verwandtes Genus nennt er Cynthia, ein Name, der schon öfter verbraucht ist. Er fand es zwischen Madera und Barbados. Eine vierte Form ist die neue Gattung Zucifer aus dem atlanti- schen Ocean. Sie ist der Noctieula ähnlich; der lineäre Körper nähert sich an Caprella. Eine fünfte Gattung nennt er Podopsis, ein Name, der auch schon einer Acephalen-Gattung gegeben ist. Er fand sie mit Nocticula. Thompson Zoological Researches 1829. Bullet. des sc. nat. XX, p.312. 1830. Vergl. Straufs. gem Gummi arabicum überzogen, leuchtet noch ‘; Stunde fort. In 2 Minuten wird die Masse trocken und lichtlos, mit Speichel befeuchtet leuchtet sie wieder und lischt trocknend wie- der aus. Introd. to Entom. II, p.421. ce. Kirby und Spence haben ein langes Kapitel dem Leuchten der Insecten gewid- met. Zampyris noctiluca, splendidula, hemiptera leuchten und White (Nat. hist. 11,279) meint, dals sie zwischen 11-12 Uhr Nachts regelmäfsig aufhören zu leuchten (p.406). Py- golampis (Lampyris) italica hat geflügelte Weibchen, weshalb es eine eigene Gattung bildet, die auch ein freierer Kopf bezeichnet. Sie leuchtet sehr schön. Wahrscheinlich leuchten alle Zampyris- Arten mehr oder weniger. — Aufserdem leuchten Elater noctilucus, ignitus und noch 12 Arten von Illiger (p.408). Auch eine Gattung der Hemipteren Fulgora la- ternaria, candelaria und pyrrhorhynchus, welche letztere Donavan abbildet. Ferner Geo- philus (Scolopendra) electricus und phosphoreus, Pausus sphaerocerus, die Augen von Aero- nycta Psi und Cossus ligniperda. Auch Chiroscelis bifenestra halte Lamarck für leuchtend und derselbe habe ihm mitgetheilt, dafs ein Freund von ihm (L.) eine Buprestis ocellata lebend gesehen habe, die mit Holz von China nach Isle de France gebracht war und deren Augen- flecke der Flügel leuchteten (?). Dr. Sutton aus Norwich habe ihm mitgetheilt, dals jemand im Jahre 1780 in Cambridgeshire eine leuchtende Gryllotaipa vulgaris todt geschla- gen habe, die er (als Knabe also!) selbst gesehen (p.416). Die meisten Irrlichter mögen wohl Leuchtinsecten gewesen sein (?) (p-417). Inztroduct. to Entomology. d. Guvier und Valenciennes erwähnen in dem grofsen systematischen Fischwerke des Leuchtens der Fische, so viel ich sehe, gar nicht. Histoire nat. des Poissons. das Leuchten des Meeres. 503 Rang 5 ron's Callianira und Lesueur's Cestum in eine Familie der Beroiden, der sammelte die Formen der bisherigen Gattung Bero@ mit Pe- er 2 neue Gattungen, Alcynoe und Ocyroe, hinzufügte. Alcynoe vermiculata ist aus Rio Janeiro; Ocyro6 erystallina und fusca sind vom Cap verd, Ocyro@ maculata von den Antillen. Alle diese neuen Arten sind ausgezeichnet phos- phorescirend. Mem. de la soc. d’hist. nat. de Paris IV. 1829. Bulletin des sc. nat. XV, 142. 1829 sprach Eschscholz in seinem «mühevollen und erfahrungsrei- chen System der Acalephen p. 19 ganz entschieden aus: Alle Acalephen leuchten im Leben, wenn sie erregt werden, im Tode aber durch Fäulnifs. Da er zwar sehr viele, aber doch nicht alle gesehen, und von jenen wahrscheinlich auch nicht alle Arten darauf einzeln geprüft hat, so erscheint der Ausspruch des sonst so vorsichtig prüfenden Mannes doch zu allgemein, und es ist sehr zu wünschen, dafs er einer weiteren Prüfung nicht nachtheilig sein möge. Ich selbst habe viele Arten durchaus ohne Licht gefunden und andere sind von andern Beobachtern vielfach angezeigt. Will- kühr der Thiere und Periodieität reichen nicht hin, die Allgemeinheit der Erscheinung festzustellen (!). (') a. 1829 gab Carus in seinen Analecten zur Naturwissenschaft und Heilkunde Beob- achtungen über das Leuchten der Zampyris italica (?). Die Leuchtsubstanz, auf Glas gestrichen, leuchte so lange sie nals sei und erloschen beim Befeuchten wieder. Das rhytmische Leuch- ten coincidire mit dem Pulsschlage. Der gröfsere Schein komme von der mehr anfeuchten- den Blutwelle. Die Weibchen (waren es Larven?) leuchten stetig, weil sie einen saftigeren Körper haben und auf feuchter Erde kriechen. Elater noctilucus pulsire deshalb nicht, weil die Stelle vom Herzen entfernt sei. (Dals die Larven nicht pulsirend leuchten, scheint gegen diese neue Ansicht zu sprechen, denn die Blutwelle bedingt dann wohl auch bei Ihnen mehr Feuchtigkeit. Übrigens ist die Bluteireulation wohl gleichförmiger als das Leuchten, auch berührt das Blut die Substanz schwerlich so unmittelbar. Vergl. auch Treviranus.) 6. Nach Berthold’s Lehrbuche der Physiologie I, p.78 existirt ein an der Luft ver- brennender Haut-Ausdünstungsstoff. Die Leuchtorgane, wo sie wären, seien also nur Ab- sonderungsorgane, keine Leuchtorgane. Bei Zampyris fand auch B. kein besonderes Organ. c. Elias Fries hat 1829 in seinem Systerna mycologicum die Leuchtpilze mit fol- genden Namen benannt: 1) Byssus phosphorea L. et Dematium violaceum Pers. = Tele- phora caerulea, 2) Auricularia phosphorea Sowerby Himantiis affınıs, 3) Clavaria phos- phorea Sow. = Rhiz omorpha phosphorea Fries, 4) Himantia und Rhizomorpha seien die Jugendzustände von Blätterpilzen und Sphaerien. (S. Ehrenb. SyZvae mycol. 1818. p- 23.) d. Gimmerthal in Moskau beobachtete im August 1828 das Leuchten einer Raupe, nach Fischer der Noczua occulta. Nur die braunen Kopfflecke und Körperstreifen wa- 504 EurENBERG: 1830. Die wichtigsten Beobachtungen der neueren Zeit über das Mee- resleuchten hat ollfenbar Dr. Michaelis in Kiel dadurch gemacht, dafs er das Leuchten von Infusorien, welches vielfach behauptet, aber nicht scharf bewiesen war, aufser Zweifel setzte. Zwar hatten Baster in der Nordsee, Viviani im adriatischen Meere, Tilesius im Ocean und Pfaff in der Östsee Infusorien als leuchtend glaublich bezeichnet, doch war keine jener Beobach- tungen überzeugend. Michaelis hat bei einer der kleinen Formen mit Be- stimmtheit ermittelt, dafs, aufser ihr, nichts an der Stelle war, wo es ge- leuchtet hatte, und 4 andere immer in solchem Wasser gefunden, welches leuchtete. Es waren: 1) ein Folvox, 2) eine Cercaria, 3) Cercaria Trıpos Müller, 4) noch eine Cercaria, 5) eine F’orticella. Mit dem J’olvox hatte Hr. Michaelis es zur völligen Überzeugung gebracht, dafs er das Leuchtende sei, die übrigen 4 fanden sich in jedem stark leuchtenden Wasser häufig und waren mithin ebenfalls höchst wahrscheinlich die Ursache des Leuchtens p-35. (Die Yortcella könnte leicht Baster’s Räderthier sein.) Die Zn- tomostraca, welche häufig dabei waren, leuchteten bestimmt nicht. Ferner leuchteten alle Monaden durchaus nicht (p.39). Der Verfasser geht viele verschiedene Meinungen über die Form und Ursache der Erscheinung durch und sucht die irrigen gründlich zu wiederlegen, namentlich auch jene von Mayer (1785), dafs das Filtriren des Wassers das Leuchten nur schwäche, nicht wegnehme, dadurch, dafs die Infusorien auch durch ein nicht allzu fei- nes Filtrum gehen (p.50). Die Natur des Leuchtens ist er geneigt für eine organische Reaction auf einen Reiz anzunehmen, wie es Entzündung ist, die mit dem Willen der Thiere auch in keiner mittelbaren Verbindung stehe. Es scheint ihm wie die Irritabilität der Muskeln an die Masse des Thieres ge- bunden (p.41). Leuchtende Fische, mit dem Mikroskop untersucht, zeig- ten keine Infusorien an der leuchtenden Oberfläche (p. 43). Uber das Leuch- ten der Ostsee. Hamburg 1830. Zu dieser sehr interessanten kleinen Schrift hat Pfaff ein anerken- nendes Vorwort geschrieben und deutet darauf hin, dafs Fäulnifs, Leuchten und Iufusorienbildung innigst verbundene Dinge seien und dafs besonders diese Verhältnisse weitere Nachforschung verdienen. (Dafs die Verbindung ren dunkel. Man konnte dabei lesen. Es dauerte 14 Tage. Bulletin des nat. de Moscou 1529. V. Bulletin des sc. nat. 26, p.101. das Leuchten des Meeres. 505 jener Verhältnisse eine nur scheinbare sei und also dieser Weg der Forschung kaum fruchtbar werden dürfte, ergiebt sich aus den specielleren, von mir seit 1830 mitgetheilten Entwicklungs - und Lebensverhältnissen der Infusorien.) Neue Beobachtungen lieferte gleichzeitig Baird in Edinburg. — Wo das Seewasser nicht leuchtete, sah er keine Thierchen, wo es leuchtete, gab es deren in Menge. — Während einer Reise nach Indien und China hatte er Gelegenheit Beobachtungen zu sammeln und Zeichnungen zu machen. Meist fand er, dafs wenn das Wasser am stärksten leuchtete, es auch eine gröfsere Menge kleiner runder Körperchen, wie Sandkörnchen, gab, die er für Medusa scintillans hält und welche beim Leuchten viel gröfser aussahen als sie waren. (Seiner Zeichnung nach sind diefs die Mammarien von Tile- sius und ganz deutlich das Physematium allanticum von Meyen.) Die Gesammtzahl der von ihm beobachteten, aber nicht benannten Leuchtthiere sind angeblich 16 Arten: 1) Kleine Gallertkügelchen in allen Meeren (= Noctduca scintillans? Mammaria adspersa?) Fig.81 a.b. 2) In der Meerenge von Banca eine Meduse oder Actinie Fig.81 h (= Oceania microscopica?). 3) In der Meerenge von Malacca und der javanischen See kettenartige, brüchige Fäden, deren Glieder wie Sandkörnchen (= Junge Salpen? offenbar dasselbe was Langstaff sah) Fig. 83 a.d. 4) Ebenda eine Planaria (= Typhloplana?) Fig.53 k. 5) Ebenda ein Cyclops, wie Sand- korn, mit 2 Augen (= Cyclops mit einem Auge?) Fig.83d. 6) Im atlanti- schen Meere, der Meerenge von Malacca und sonst: Cyelops, dem rubens Müller verwandt, wie Stecknadelknopf (= Cycelops inermis Tiles.?) Fig. 83e. 7) In der Meerenge von Malacca allein, ein anderer Cyclops, eben so grofs, Fig.S3 f. 8) In derselben Meerenge ein wunderbares kleines Thier- chen, wie Stecknadelknopf, mit 2 Augen, Fig. 83 Ah (kann die Larve des obi- gen, angeblich zweiäugigen E’ntomostraci sein). 9) In der Meerenge von Ma- lacca ein besonders interessantes Strudelthier mit 2 Augen, Fig.83i. (Un- ter den Figuren in dem von Herrn Michaelis dargestellten Tropfen findet sich ein nicht ganz unähnliches, zweiäugiges, lichtloses Thierchen der Ost- see. Der deutlich gegliederte Körper läfst vermuthen, dafs diese Formen als Larven zu den Entomostracis oder Insecten, nicht zu den Räderthieren ge- hören, obschon die Gattungen der Dreibärte und der Flossenthierchen bei letzteren eine Analogie bieten, indem Formähnlichkeit jetzt kein Prin- cip der Systematik mehr sein kann. Eine intensivere physiologische Unter- Phys.- mathemat. Abhandl. 1834. Sss 506 EnurenBere: suchung wird über die wahre Stelle derselben leicht entscheiden.) 10) Eben- da ein zweiäugiges, angeblich ungegliedertes Panzerthierchen, silberfarben, mit gespaltenem, behaarten Schwanzende (deshalb wahrscheinlich auch ein Entomostracon, vielleicht eine ältere Entwicklungsform des Carcinium opa- linum) Fig.83 g. 11) Im südatlantischen Ocean ein wurmförmiges, sehr be- wegliches Thierchen von unbekannter Gattung, Fig.83 2 (war wohl eine Turbellarie?). 12) In der Meerenge von Malacca ein ringförmiges, geglie- dertes Thierchen (bewegungslos), 4 Zoll (2”) im Umfang, Fig.83 c (war wohl eine Ösecillatorie). 13) Im hohen Meere oft, und auch in der Meer- enge von Malacca ein kugelförmiges Thierchen, wie ein halber Stecknadel- knopf, aus gegliederten, nach innen convergirenden Fäden, um welche kleine runde Kügelchen sich rasch bewegten, Fig.81c (vielleicht ein Nostoc, um das Monaden schwärmten). 14) Am letzteren Orte ferner auch eine Form wie ein in der Mitte eingeschnürtes Bündel von Gliederfäden, Fig. 81 d (viel- leicht No. 13 in der Auflösung). 15) Ebenda eine kuglige Form mit gebo- genen Tentakeln, FigSie (wohl verwandt mit Rivularia?). 16) Endlich ebenda, weniger regelmäfsig, scheiben- oder eiförmig verbundene Tenta- keln (Fäden) (noch eine Verwandte von Rivwlaria?). Von all diesen Formen ist mit einiger Überzeugung als selbstleuchtend nur die Meduse No.2 beob- achtet worden, alle übrigen fanden sich nur immer gleichzeitig mit dem hel- leren Leuchten in besonderer Menge, ein Umstand, der die Resultate vieler Beobachter völlig unbrauchbar macht. — Das Meer sei zuweilen blau wie gewöhnlich, wenn es leuchte, und enthalte doch viele Thierchen. — Das Leuchten sei nicht immer Vorbote von Stürmen, aber oft Anzeige von Wet- terveränderung. Beim leichten Regen sei es am schönsten; nicht bei Wind- stille, sondern wenn ein leichter Wind auf Windstille folgt. Loudon Ma- gaz. of nat. hist. III, p.308. Giesecke in Greenland beobachtete zuverlässig, nach Baird, 1 oder 2 leuchtende Cyclops-Arten bei England. Ebenda p. 317. 1830 beschrieb der Capitain Bonnycastle in Quebec, dafs er im St. Lorenz-Golfe am 7‘ September 1820 bei einem eintretenden Winde ein zum Erschrecken starkes, aber prachtvolles Seeleuchten wiederholt be- obachtete. Grofse Fische zogen Feuerlinien in der See. Es folgte Regen. Ein Glas Wasser leuchtete 7 Nächte lang. Er hielt nicht lebende Thiere, son- dern eine aus faulenden Fischen entstandene phosphorige Materie der Ober- das Leuchten des Meeres. 507 fläche für die Ursache. Jameson’s Edinburg N. Philos. Journal 1830. p- 388 aus den T'ransact. der Society of Quebec 1. 1830 erschien auch Tiedemann’s gehaltreiche Physiologie des Men- schen, worin ein besonderes Kapitel der Lichtentwicklung der organischen Körper gewidmet ist (I, p.480). Er hält die Emanationstheorie des Lichtes für leichter anwendbar zur Erklärung dieser Erscheinungen als die Vibra- tionstheorie, zieht auch das Leuchten der unorganischen Körper, und selbst der Weltkörper, mit in die Betrachtung, handelt erst das Leuchten todter Pflanzen und Thiere, dann lebender Pflanzen ab und geht zum Leuchten der lebenden Thiere über. Er selbst sah todte Seesterne (also wohl Aste- rias auranliaca ?) leuchten (p. 486) und beim Meeresleuchten im September 1811 auf dem adriatischen Meere erkannte er im Wasser unter dem Mikros- kope leuchtende Infusorien (p.492). Die Schwierigkeit der Deutung der fast endlos zersplitterten Nachrichten der Beobachter, welche der Verfasser in grofser Fülle zusammengestellt hat, machen zwar einige Berichtigungen, besonders in dem Verzeichnisse der Leuchtthiere nöthig, in denen man aber nur eine Fortbildung, keine kleinliche Kritik jener musterhaften Arbeit su- chen wolle. Medusa ovata und Beroe ovatus sind als 2 besondere Thiere verzeichnet. Das zweifelhafte Leuchten der Physalia, Rhizophora (sollte vielleicht Rhizophysa heifsen) und Physsophora ist relatorisch angenommen. Ophiura telactes ist irrig, Scarabaeus phosphoricus von Luce möchte zu ent- fernen sein, Pyralis minor von Browne — Lampyris pallens, ist irrig als Lepidopteron verzeichnet; Mac Culloch'’s Jıdus und Phalangium sind unter die Myriopoden und Arachniden gewifs so wenig aufzunehmen als die p. 486 erwähnte 7aenia von Redi unter den Saugwürmern. — Er schliefst: ‚,Bei Erwägung aller Umstände scheint das Leuchten (lebender Thiere) von einer Materie abzuhängen, die durch die das Leben begleitenden Mischungsverän- derungen hervorgebracht und, wie es scheint, durch eigene Organe aus der Säftemasse abgesondert wird. In dieser Flüssigkeit ist wahrscheinlich Phos- phor oder eine ähnliche verbrennliche Materie. Die Bereitung und Abson- derung dieser Materie ist ein Lebensact und wird durch Einflüsse und Reize verändert, gesteigert oder vermindert, welche die Lebensäufserungen der Tbiere verändern. Das Leuchten selbst aber kann nicht als ein Lebensact betrachtet werden, ist in den Mischungsverhältnissen der abgesonderten Ma- Sss 2 508 EHneEsBeErc: terie begründet, weil es auch nach dem — Tode — Tagelang — fortbesteht. Über die Bestimmung des Lichtes — läfst sich nur — sagen, dafs wahrschein- lich die Bereitung und Absonderung der Materie für die Erhaltung des Le- bens dieser Thiere wichtig ist. Auch — werden die Männchen durch leuch- tende Gegenstände angezogen. Vielleicht gewährt es ihnen selbst einen ge- wissen Schutz gegen die Angriffe von Feinden” (p. 508). — Höhere Thiere leuchten selten. — Das Leuchten der Augen könne nicht zu den phospho- rischen Erscheinungen gezählt werden (p.509). — Das Leuchten todter Pflanzen und Thiere hält er für einen Zersetzungsprocefs, wobei eine leuch- tende, wahrscheinlich Phosphor enthaltende Flüssigkeit erzeugt und ausge- schieden werde, welcher letztere langsam verbrenne (p.486. 487). — Das Leuchten der lebenden Pflanzen sei ebenfalls ein langsamer Verbrennungs- procefs, vielleicht eines ätherischen Öls (p. 491). In gleichem Jahre theilte Blainville einige Beobachtungen über das Leuchtthier der Nordsee bei Havre mit, welches er bei Dr. Suriray gese- hen, dafs es zur Laichzeit sich roth färbe u.dergl. Er stellt es zu den Diphyiden, glaubt #ppendieularia Flagellum von Chamisso und Eysen- hardt sei eine andere Art derselben Gattung, allein gewifs mit Unrecht (p- 128. 129). Das Leuchten der Pennatula erwähnt er p.73, dafs die Ci- lien (?) der Ciliograden (Beroiden) im höchsten Grade leuchtend wären p.130. Nach dem Tode höre das Leuchten der Beroen auf p.135. Diet. des sc. nat. Article: Zoophytes. Rapp’s Abhandlung über den Bau einiger Polypen ist von 1827, wurde aber erst im XIV‘ Bande der 4Jeta Nat. Curios. p. 648 gedruckt. Er sagt: Vereullum zeige lebhafte Phosphorescenz, sowohl lebend als todt. Die Quelle derselben sei ein zäher Schleim der Oberfläche, wie bei Pennatıla phosphorea und grisea, sie theile sich auch den Fingern mit. Auch Fische scheinen so zu leuchten. Seefedern und Feretillum zerfliefsen in einen stark leuchtenden Schleim. Es rühren also diese Lichterscheinungen von einem ausgeworfenen oder todten Stoffe her und scheinen dem Leuchten todter Fische, bei welchen er diese Erscheinung, sie mochten im Wasser oder an der Luft liegen, sehr oft beobachtet habe, am ähnlichsten zu sein. Diese Lichtentwicklungen seien ganz verschieden von dem animalischen Lichte der Nereiden und kleinen Crustaceen des Meeres und der Lampyriden. Ein das Leuchten des Meeres. 509 Zweck der Lichtverbreitung bei Seethieren könne wohl sein, die Abgründe des Meeres zu erleuchten (!). 1831 meldete Bennet von seiner Reise nach Polynesien, dafs er im stillen Ocean an der Insel Rotuma in der Thor-Bai mit dem Boot an Co- rallenriffe streifend sah, dafs das Wasser davon leuchtete.. Er vermuthet daher ein Leuchten der Corallenthiere. (Da jedes Corallenriff die ver- schiedenartigsten Wasserthiere aller Klassen beherbergt, so ist daraus ja nicht auf Leuchten der Corallenthiere zu schliefsen.) Zondon medical Ga- zetle 1831. Gleichzeitig schrieb Daniel Sharpe an Bennet über das Meeres- leuchten bei Lissabon. Im Glase Wasser war nichts sichtbar. Am nächsten Morgen, mit dem Mikroskope untersucht und in der Meinung Crustaceen zu entdecken, sah er doch nur dünne Fasern und Theilchen anscheinlich thie- rischer Materie, ohne irgend ein ganzes Thier. Er glaubt daher, die See leuchte von Theilchen todter Fische u. s. w., obschon er es unerklärbar fin- (') a. 1830 wird angezeigt, dafs Rich. Chambers in der Londoner Linneischen Ge- sellschaft 1829 die Irrlichier durch Leuchtinsecten zu erklären bemüht war. Figors Zool. Journ. 1830. P- 265. b. Der Botaniker Meyer in Petersburg sah das Leuchten seiner eignen Haare bei einem Gewitter in der Kirgisensteppe. Ledebour’s Reise Il, p.358. c. Georg v. Cuvier erwähnt in der neuesten Ausgabe des Regne animal 1830 der thierischen Phosphorescenz nie mit besonderer Theilnahme. Bei Biphora heilst es: ls sont souwvent doudes de phosphorescence. Die von Tilesius und andern, freilich meist sehr über- eilt beschriebenen Leuchtthiere hat er nicht aufgenommen. Viviani's Branchiurus hielt er auch wohl für eine Dipternlarve, wie aus der Anmerkung bei Viviani selbst hervorgeht. d. Strauls referirt gleichzeitig in Ferussac Bulletin des sc. nat. XX, p.312 über Thompson’s neue Leuchtthiere. ‚Saphirina indicator gehöre wirklich zu den Branchiopo- den als eigne Gattung. Nocticula Banksii sei der Gattung Mysis der Schizopoden sehr ähn- lich. Cynthia sei ein schon 3mal verbrauchter Name, der unstatthaft sei. Die Form sei auch den Mysis sehr ähnlich. Zucifer gehöre ebenfalls zu den Schizopoden in die Nähe von Nocticula und Caprella. Podopsis sei ein schon von Defrance verbrauchter Name. Die Form gehöre ebenfalls den Schizopoden an. (Da auch der Name Nocticula wahrscheinlich durch einen Druckfehler für Nocziluca entstanden (s. Baird 1831) und der letztere eigent- liche Name ebenfalls bereits verbraucht ist, so ist es allerdings sehr beklagenswerth, dafs die Naturgeschichte wieder durch 3 leicht zu vermeidende Synonyme belastet worden ist.) e. 1830 erwähnt Rengger des Leuchtens der Haare beim Streicheln der Unze p- 157, keines beim Cuguar, und des Leuchtens der Augen beim Nachtaffen auf 1%,’ Weite, dann bei Felis mitis, Onca, concolor, Canis Fulpes, Azarae, Lepus brasil., Cavia Cobaya und der Eule. Naturgeschichte von Paraguay p.196, 383. 510 EHrENBERG: det, dafs diese nicht ohne Bewegung leuchten ('). Mac Culloch sei der Meinung, dafs alle Thiere im Meere leuchten. (Daher hat er auch so viele verzeichnet, die mithin gröfstentheils oder gänzlich aufser Acht zu lassen sind, da ein Vertrauen auf die Umsicht bei den einzelnen Beobachtungen mangelt.) Procedings of the Zoolog. society of London 1. 1831. p. 21. 1831. Woodward aus Norwich wollte am 19'* Juli 1830 Abends von Lowestoft nach Yarmouth überfahren und sah bei eintretender Wind- stille prächtiges Meerleuchten. Er konnte das Wasser nicht untersuchen, aber sein Freund Foulger verschaffte ihm Wasser von jenem Orte und sie fanden mit dem Mikroskope, dafs das Leuchten durch kleine lebende Thiere bedingt sei, die er abbildet. Fig.52a (deutlich Noctluca scintllans) waren in grofser Menge wie ein Bienenschwarm; ein anderes, doppelt so grofses und noch lichtvolleres Thierchen ist Fig.52 b.c.d, kugelförmig, mit 8 Rip- pen, mittlerem Tubus und 4 perlschnurartigen Tentakeln (sehr deutlich eine Oceanide, keine Beroe. Vergl. die Thiere, welche Spix und Martius sa- hen.) Loudon Magazin of nat. hist. 1831. IV, p. 284. 1831 gab William Baird in Edinburg Zusätze zu seinen früheren Beobachtungen. Am zahlreichsten seien in dem hohen Meere die leuchten- den Eintomostraca (Cyclops), aber sie seien schwerer zu prüfen als die an- dern Thiere der Küsten und Meerengen. Er giebt Abbildungen von noch 9 andern Leuchtthieren, die er, wie es scheint, am Cap der guten Hoffnung fand. 1) ein Cyclops Fig.98 a,b. 2) unbekannte Form, scheint wohl eine kleine Meduse aus den Oceaniden gewesen zu sein, Fig.99 a. 3) eine ähn- liche andere Form, war vielleicht ein Fragment der vorigen, Fig. 995, beide wie Sandkörner. 4) ein gallertiges, kugliges Thierchen mit 4 langen und 2 kurzen Tentakeln, Fig.99c — Beroide? 5) Noctiluca Banksü? var. Fig. 100.a. 6) ein anderer ähnlicher Krebs mit grofsen Augen, Fig. 1005 (Cyn- thia? Palaemon noctilucus Tiles.). 7) Creseis conica Eschscholz Fig.101 a. 8) unbekanntes Thier Fig. 10125 (= Salpa democratica?). 9) unbekanntes Thier Fig. 101 c (wohl dieselbe Salpa). Loudon Magaz. 1831. p. 500. (') Diese Beobachtung ist nicht detaillirt genug gewesen, so dals der Zweifel wegfiele, der Verfasser habe Infusorien übersehen, zumal da er grolse Thiere suchte. Auch giebt das Unter- suchen am folgenden Tage, ohne im Dunkeln zu prüfen, ob es auch noch leuchte, keine Sicher- heit darüber, ob nicht die leuchtend gewesenen Thiere (kleine Medusen) gestorben und schon aufgelöst waren. Manchmal leben sie wohl lange, oft aber sterben und zerlließsen sie bald. das Leuchten des Meeres. 51i Westwood bemerkt dazu, er sei mit Sharpe nicht der Meinung Baird’s, dafs Thiere die Hauptursache des Leuchtens wären. Die zersetz- ten Organismen bedingen es wahrscheinlicher, obschon auch einige Thiere leuchten. Wenn Thiere es wären, würden sie immer leuchten, nicht blofs bei Bewegung des Wassers (? Sharpe schlofs gerade umgekehrt). Thier- leuchten sei also eine Nebenursache des Meerleuchtens. Lebende Thiere schwimmen durch leuchtenden Schleim und kommen theils auswendig, theils durch Athmen innerlich damit in Berührung. So habe Hope eine Sulpha ob- scura einmal an der Küste leuchtend gesehen (innerlich oder äufserlich?), die sonst nie leuchtet, aber ganz gewifs von einem leuchtenden faulen Fische am Ufer gefressen hatte. — Baird’s Medusa habe, wie es ganz deutlich sei, nicht geleuchtet, sondern das Wasser im Glase. Riville's Zyzceus, der wohl eine Cytherea gewesen, habe nicht selbst geleuchtet, sondern dessen Eibeutel. — Übrigens halte er dafür, dafs die Erscheinung bis jetzt nicht zu erklären sei. Ferner sei es Schade, dafs Baird’s Beobachtungen und Zeich- nungen nicht ausreichen, die Thiere zu classificiren. Fig. 83 / sei wohl = Cyelops minutus Müller = Monoculus staphylinus Jurine u. Desmarest, der auch im Meerwasser lebe. Fig. 83 g sei wohl das Junge von 83d. Ebenso möchten sich Fig. h und ’ verhalten, die wohl Branchiopoden sein möchten, dem Branchipus stagnalis verwandt. Fig.98 a und d hält er für gattungsver- wandt mit 83d. Fig.83 e und f seien entweder Malacostraca podophthalma macroura oder Schizopoda. Fig. 100 5 scheine zu Thompson’s Cynthia zu gehören. — Rennie (/nsect. Miscellanies p. 232) sei nicht geneigt, lebende Thiere für die Ursache des Meerleuchtens zu halten. Loudon Magaz. of nat. hist. 1831 .p.505. — Baird vermuthet das Leuchten der Physalia p. 476 ('). (') a. 1831 erschien der dritte Band von Alexander von Humboldt’s Relation his- torique. Nach p.564 benutzte Herr v. H. das reine Stickgas der Luftvulkane von Turbaco zu Versuchen mit Elater noctilucus, der in den Zuckerplantagen daselbst sehr häufig war. Phosphor leuchtete darin 40-50 Sekunden, Käfer 18-25 Sek. Zutritt von atmosphärischer Luft brachte das Leuchten wieder, wenn es erloschen war. Weidenliolz hatte dasselbe ge- zeigt. — Wenn der Elater und das Holz im Flufswasser leuchten, so geschehe dies wahr- scheinlich, weil eine oxygenreiche Luft im Wasser vertheilt ist. — Längerer Aufenthalt im Gas der Vulkane machte den Elater krank. Beim Herausnehmen aus der Flasche leuchtete er schwach, stärker beim Druck mit dem Finger oder bei galvanischer Reizung durch Be- rührung der Körperenden mit Zink und Silber. — Ruhig leuchte der Käfer wenig, stark im Laufe. Die zwei runden Blättchen leuchten nach Willkühr; sie gleichen Hornblättchen, sind 512 EHreEnsgere: 1831 theilte ich in Poggendorf’s Annalen die Beobachtung eines neuen lebenden schleimlosen Leuchtthieres der Ostsee, der Polynoe fulgu- rans (4 Linie grofs) mit, welche ich in Berlin im Wasser von Kiel fand, das mir durch Herrn Dr. Michaelis Güte zugeschickt war. Die Prüfung der einzelnen Individuen war dabei genau angestellt worden und ich vermu- ihete, dafs 2 grofse innere Körper, die 2 Eierstöcken glichen, die Leucht- organe wären, weil gerade diese Stelle stark leuchtete. Gleichzeitig auf gleiche Weise geprüfte Meerinfusorien der Gattungen Monas, Enchelys und Euplotes leuchteten nicht. durchscheinend und am Rande behaart. Inwendig sind sie mit einem blafsgelben Schleim überzogen, der beim Reiben leuchtet. Mit dem Wasser abgeschabt leuchtet die Materie 3-4 Minuten am Finger. — „Welche Lebensäufserung ist es, fährt Herr von Humboldt fort, wodurch das Insect nach Belieben die Lichtmenge abmilst, die es verbreiten will, wie der Gymnotus die Entladung seiner electrischen Organe nach aulsen richtet?” 6. Ohnweit Cumana bei Cap Arenas sah Herr v. Humboldt 15-16 Delphine (Der- phinus Phocaena), welche durch Schlagen mit dem Schwanze das Meer hell erleuchteten. Man hätte es für aus dem Boden des Meeres aufsteigendes Feuer halten können. Ruder- schlag gab gleichzeitig nur kleine Funken. Es schien, dals der schleimige Überzug des Kör- pers der Delphine leuchte. Ebenda B.I, p.533. 1814. c. 1831 ward der dritte Theil von Spix und Martius Reisewerke ausgegeben und darin finden sich p.1115 Nachrichten über die brasilianischen Laternenträger. Man fürchtet diese Thiere ohne allen Grund als höchst giftige, stechende Insecten. Leuchtende sahen sie niemals. — Phosphorescirende Käfer (Caca Zume) waren am Amazonas, besonders in den Wäldern der Serra do Mar wunderschön. Es waren ihrer so viele, dafs sie die Umrisse der Gebüsche deutlich machten. Eine besondere übersichtliche Darstellung der Beobachtun- gen des Leuchtens ist p- 1132. Elater noctilucus, ignitus und phosphoreus leuchten wohl 6 mal intensiver als unsere Johanniswürmchen. Bei feuchter Luft, daher vom November bis zum April, ist das Leuchten am stärksten, aber in allen Jahreszeiten vorhanden. Sie sammelten 24 Arten von Lampyrideen, 5 Phengodes, 19 Lampyris, darunter Ph. plumicornis, praeusta; Lampyris maculata, corusca, glauca, thoracica, hespera, pyralis, marginata, pallida, lucida, occidentalis, compressicornis. Sie zählten 11 Arten Laternenträger; an keiner sahen sie Phos- phorescenz, aber einmal fanden sie einen sterbenden Herculeskäfer entschieden leuchtend, so möge es auch mit den Fulgoren sein. Vergl. 1834. d. Brehm meint in der Isis 1831, p.273, die 4 Büschel wollenartiger Dunen am Vorderkörper der Reiher könnten wohl Nachts beim Fischfange diesen Vögeln als Leuchte dienen, weil ein Amerikaner bemerkt habe, dafs Funken daraus kämen. (Das Factum ist un- sicher und mag wohl mit den leuchtenden Vögeln Amerika’s bei Herrera und denen im Harz bei Plinius in eine und dieselbe Reihe gehören, dals nämlich ein Johanniswürmchen am Vogel safs, oder als Vogel (Ales, Fliege) von einem der Naturgeschichte ganz Unkundigen beschrieben wurde.) das Leuchten des Meeres. 513 1832. Bowmann und Wilson sahen zwischen Garth Ferry und Bangor in der Meerenge von Menai am 27“ Juli 1830 Meerleuchten. Sie beziehen sich besonders auf Westwood und sind der Meinung, dafs die le- bendigen Thiere nicht die Primitivursache des Leuchtens wären, sondern etwas Leuchtendes, welches sie fressen, scheine durch sie hindurch. Die Mollusken, meinen sie, mit Mac Culloch, leuchten sich selbst zu Tode, damit die Fische sie sehen und auffressen. 1832 gab Dr. Strehler in seinem Tagebuche über 2Reisen von Rotterdam nach Batavia p. 48 Nachricht über ein auffallendes Seeleuch- ten am 27“ Nov. 1828 in 4° 20’ N.B. 19° 6° W.L., das er so, obschon er 4 mal die Linie passirt sei, nur einmal gesehen habe. Es war, wie er sagt, eine Scene, die weder Pinsel noch Feder beschreibt. Es war um Mitternacht so hell, dafs man hätte eine Fliege auf dem Segel sehen können. Der Him- mel war pechschwarz. Ein Platzregen war gleichzeitig; in dem Grade wie dieser nachliefs, verschwand das Leuchten. (Sehr wahrscheinlich durch- schnitt das Schiff eine thierreiche Gegend und die Erschütterung der die Oberfläche bedeckenden Nortiluca-, Beroe-, Salpa- und Crustaceenformen, vielleicht nur der ersteren, durch den Regen bewirkte das Phänomen.) Meyen beschrieb gleichzeitig die von ihm beobachteten Sa/pa - Arten von der Erdumseglung des Capitain Wendt im Jahre 1830-32. Es wur- den von ihm 5 bekannte Arten beobachtet und eine als neu verzeichnet. Die Menge derselben übersteige oft alle Vorstellung. In kleinem Umkreise er- füllen Millionen und Millionen die See. Sie glänzen Nachts mit bläulichem Lichte (p.367). Er unterscheidet keine nicht leuchtenden Arten und spricht später aus, dafs alle leuchten. Er hat überdiefs eine monographische Über- sicht aller beobachteten Salpen gegeben und 32 Arten unterschieden, da- bei sind aber die 2 Forskälschen Arten des rothen Meeres (S. Sipho und S. solitaria) aus Versehen aufgenommen, denn man erkennt, dafs es keine Salpen, sondern festsitzende Thiere sind, wie Forskäl deutlich sagt; es sind Ascidiae. Die als leuchtend angegebenen hat er in folgender Synony- mie: 1) Salpa cornuta Tiles. = S. democratica, 2) S. appendieulata Til. = S. maxima, 3) S. Rathkeana Til. = S. polycratica, 4) $. punctata Til. = S. cylindrica, 5) S. septemfasciata Tiles. = S. cylindrica, 6) S. sociata Tiles. = S. democratica, 7) $. Horneri, 8) S. truncata und 9) S. caudata hält er für Diphyen, 10). vivipara Peron sei der gefärbten Gefälse halber Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Ti 514 EuHrENBERG: unerklärlich, 11) S. antheliophora Peron = S. socia, 12) S. cyanogaster Peron = S. mucronata. 1532 bestimmten auch Audouin und Milne Edwards die von Fre- minville 1813 zuerst (Societ, philomat. t.3, p.253) beschriebene Aphrodyta clavigera, ein See-Leuchtthier von der Insel Gorea, als Polyno& clavigera. Sie soll besonders auf:der Bauchseite leuchten. (Was dafürsprechen würde, dafs die Elytren der Rückenseite der Polyno@n nicht selbst leuchten, son- dern das im innern Leibe sich entwickelnde Licht nach oben verdecken.) Übrigens bemerkten sie, dafs mehrere Polynoen leuchten. Annales des sc. nat. 17, p.414(!). (') a. 1832 nahm Dr. Burmeister in seinem fleilsigen Handbuche der Entomologie 27 leuchtende Insecten meist nach Kirby und Spence auf, worunter 15 Elateren, 5 Zampy- ris, der Scarabaeus von Luce, die Chiroscelis, Buprestis ocellata u. S. w. b. Menetrils zeigte 3 Arten Lampyris vom Kaukasus an: Z. noctiluca, L. Zenkeri vom caspischen Meere (wahrscheinlich die, welche Hablizl sah) und Z. mingrelica. Das Leuchten selbst wurde nicht beobachtet. Catalogue raisonne. c. Agardh meint, die Phänomene des Leuchtens beim faulen Holze und dem Eu- phorbiensafte zu erklären, sei mehr Sache der Chemie als Biologie. Aglaophotis, Cynospastos, Baaras und Nyctegretum der Alten seien Synonyme. Er hält diese Leuchtpflanze weder für Mandragora, noch für Caesalpinia, noch für Dietamnus, sondern für Feratrum, weil Theo- phrast’s Angabe dazu passe. — Nach Bridel entstehe der Schein der Schistostega von einer kleinen Alge: Prozococcus smaragdinus Agardh, Catoptridium smaragdinum Bridel (Bryo- logia universa 1826?). Biologie der Pflanzen p.179. (Nach Bowmann 1829 ist es kein Protococcus, sondern vielleicht Conferva velutina, jedenfalls gegliederte und verästete Fäden. Er fand sie auf Steinen in Derbyshire mit Jun- germannia pusilla, minutissima und Gymnostomum osmundaceum (Schistostega). Das Licht kam nicht von diesen Moosen, sondern von kleinen Körperchen dazwischen, von der Con- ferve. Er meint, es sei kein wahres Selbstleuchten, sondern das grünliche Licht sei nur ein durch die kleinen durchsichtigen Glieder, wie durch Glaslinsen concentrirtes Licht der At- mosphäre. Loudon Magaz. II, p.407. — Gleichzeitig (1829) berichtete ein Anonymus in England, W. €. T., das nächtliche Leuchten der Tremella meteorica, ebenda p.209; wie es auch Murray in seinen Experimental researches angegeben haben soll. Letzterer nenne als Leuchtthiere Englands: Lampyris noctiluca, splendidula und Scolopendra electrica, ebenda B. 1. 1529. Jene bald weilse, bald bläuliche oder im Alter gelbliche Tremella meteorica alba, welche sich zuweilen auf Reiher- Gewell (halb verdauten Fröschen u. s. w.) feuchter Wiesen- rasch entwickelt, halte ich, öfterer Beobachtung zufolge, der gleichen Structur. halber, für gleichartig mit der auf blofsem feuchten Moose ebenda und auch wohl an Baumstämmen vor- kommenden Form, deren gedrängtere 1835 unter dem Namen Anhaldtia beschrieben und de- ren laxere 1827 Actinomyce Horkelii genannt wurde. Im letzteren Falle sah es der Verfasser nicht blols für eine neue Gattung, sondern eine neue natürliche Familie der Pilze an und das Leuchten des Meeres. 515 Woodward bemerkt, dafs das von ihm beobachtete Leuchtthier Slabber’s Medusa marina und Oken’s Slabberia sei. Loudon Magaz. V, p-302. Derselbe sagt p. 487 daselbst, dafs er mit Bowmann’s Ansicht übereinstimme, dafs 1) das Licht aus einer anorganischen Materie der Mee- resoberfläche komme und 2) die Thiere nur durch Berührung, Einsaugen und Fressen dieser Materie, also aus zweiter Hand leuchten. Er meine, es leuchte von selbst durch Berührung der Luft, nach Bowmann sei eine Er- regung nöthig. (Oken Naturgesch. 1815. IH, p. 828.) 1832 erschien von Olfers gediegene Abhandlung über Physalia Are- thusa, welche 1831 vorgetragen war. Er spricht sich p. 171 über das Leuch- ten derselben dahin aus, dafs es, obwohl behauptet, noch keine bestimmte Erfahrung dafür gebe. Torreen sage in seiner Reise p.512 nur im Allge- meinen, dafs sie leuchten, Tilesius habe seine Aussage selbst zurückge- nommen. Er hält für möglich, dafs sie nur periodisch dann leuchten, wenn sie mit Fortpflanzungskeimen bedeckt sind. Er selbst sah sie nicht leuchten. Abhandl. der Berl. Akademie 1832. 1833 beobachtete Rathke eine neue Leuchtmeduse im schwarzen Meere bei Sebastopol und nannte sie Oceania Blumenbachü. Bericht über die Versammlung deutscher Naturf. und Ärzte in Breslau p-56. Froriep’s Notizen B.38, p. 148. Gleichzeitig sprach Wilbrand über die selbstständige Lichtentwick- lung des Meerwassers. Ebenda. meint, es sei ein Fortvegetiren des thierischen Fettes selbst, was eben so wenig haltbar ist als die Pilzstructur der parasitischen Rafflesia und das behauptete Fortvegetiren der Eichen als Vogelleim (Fiscum) und der Hanfwurzeln als Orodranche ramosa es gewesen. Es scheint fast, dals man das zuweilen beobachtete Leuchten dieser Form auf Rechnung der nicht im- mer vorkommenden thierischen Unterlage bringen könnte. Linnea 1827. II, p.444. 1835. IX, p.127.) d. Biot beobachtete 1832, dals Dictamnus albus keine allgemeine entzündliche At- mosphäre habe, sondern jede Blume habe eine solche abgesondert für sich, die man entzün- den könne ohne Theilnahme der übrigen, und machte auf die es bewirkenden Bläschen auf- merksam .(Annales du Mus. I, p.273.) Arago Annales de Chimie et de Physique p. 3806. e. Green sah mit männlichen Freunden 3 Abende hindurch das Leuchten des Pa- paver orientale in England im Mai 1831. Loudon Magaz. 1832. V, p- 208. f. Das Leuchten der Ohren lebender Pferde wird 1832 öfter in Loudon’s Maga. p-111, 400, 762, 763 von Timbs, Albert und andern, aber mit untermischten Versen, nicht im wissenschaftlichen Tone angezeigt. Ttit2 516 EHRrENBERG: Bennet sah am 6'“ Sept. 1832 nahe am Äquator in 11°59 W.L. das Meer als eine einzige hell leuchtende Masse, so dafs man am Cajüten- fenster kleine Schrift lesen konnte. Das Licht schien nur von Pyrosomen herzurühren, die er auffing. Nach dem Tode waren sie nicht phosphoresei- rend. Aus kleinen braun und roth gefärbten Flecken zwischen den perlar- tigen Höckern der Cylinder schien das Licht hervorzudringen. TIsolirt leuch- teten die Flecke aber nicht. Zdinb. Philos. Magaz. 1833. Froriep’s No- tizen B.38, p. 250. Audouin und Milne Edwards nehmen Viviani’s Leucht- Annu- late unter dem Namen Syllis eirrhigera auf und setzen auch die Nereis nocti- luca Abildgaard’s und phosphorica Bosc’s dahin. Annales des sc. nat. 29. 1833. p. 230 (!). (') a. 1833 verzeichnete Laporte in den Annales de la soc. entomologique de France 128 Arten der Gattung Zampyris, die er in 15 Subgenera abtheilt (p.151). Die europäi- schen Formen, deren er 7 aufgenommen, nennt er: Zuciola italica, lusitanica, Lampyris noctiluca, splendidula, Zenkeri und Phosphena hemiptera. db. Gleichzeitig (1833) verzeichnete Dejean in seinem Catalogue de la collection, 2. Li- vraison, 219 Arten derselben Gruppe in 19 Generibus, nämlich aus Nordamerika 24 Arten, aus Mittelamerika mit den Inseln 20 Arten, aus Südamerika mit den Inseln 136 Arten, aus Südafrika mit den Inseln 5, aus Nordafrika 4, aus Europa 8, aus Ostindien mit den Inseln 11, aus Australien 7. Die europäischen Leuchtkäfer hat er in 3 Gattungen vertheilt und Ca- lophotia italica, mehadiensis, pedemontana und ilyrica, Lampyris noctiluca, Zenkeri und splendidula und Geopyris hemiptera benannt. Zu diesen systematischen Bemühungen bemerke ich, dals schon Vintimilia, ein Apo- theker in Sizilien, an Fabius Columna schrieb, er habe geflügelte Lampyriden sich mit ungellügelten paaren gesehen. Es mag also in Sizilien (und Italien?) auch wahre Zampyris- Arten geben, wie nach Aristoteles in Griechenland. Columna Ecphrasis stirp. II, p. 106. e. 1833. Der Medicinalrath Seiler in Dresden theilte in Henke’s Zeitschrift für Staatsarzneikunde 1833, p.266-283 einen gerichtlichen Fall über das Leuchten der Augen mit, wonach ein katholischer Geistlicher, den ein Mann Nachts verbrecherisch mit einem Steine aufs rechte Auge schlug, durch entstandenes eigenes Licht den Thäter im Finstern erkannt haben wollte. Sein Gutachten war gewesen, dals es physiologisch wohl möglich sei. Er erwähnt dabei neben andern Feuerbach’s Nachricht (1832. p. 164), dafs Caspar Hauser Nachts immer das angebotene Licht ausgeschlagen und überall mit der gröfsten Sicherheit vor- wärts geschritten sei, auch die Farben unterschieden habe. Man hat ihn später des Betrugs ge- wils mit Unrecht beschuldigt. Ferner einer Beobachtung des Dr. Gescheidt, der ein grün- liches (wohl deutlich rellectirtes) Licht bei einem Kinde mit Coloboma Iridis sah. De Colo- bomate 1831. p-13. Kastner hatte 1824 angemerkt, dals er durch ein beim Räuspern und Nielsen bei ihm entstehendes electrisches Licht der Augen sehr kleine Gegenstände im Dunkeln sehe, das Leuchten des Meeres. 517 1834 gab Meyen als Resultat seiner Reise mit dem Seehandlungs- schiffe nach Canton eine ausführliche Abhandlung über das Meeresleuchten in die 4cta Nat. Curios. Vol.XVI. Da die Beobachtungen des Verfassers nicht rein gesondert, sondern in eine allgemeinere Geschichte des Seeleuch- tens verwebt sind, so hält es nicht selten schwer zu erkennen, wie viel er selbst beobachtet und was er nur als Meinung anderer referirt. Die aus der Gelegenheit zu beobachten, welche er hatte, gezogenen Resultate scheinen etwa folgende zu sein: Meyen ging, wie er p. 147 sagt, mit der vorgefafs- ten Meinung aus, dafs alles Leuchten der Seethiere durch sie umkleidenden Schleim entstehe und er hielt deshalb auf der Hinreise nicht für der Mühe werth, die Sache nochmals anzusehen Erst auf der Rückreise wurde er von seinem grofsen Irrthume (wie er selbst sagt) abgeleitet. Der Verfasser wenn sie nahe genug sind, und dals er 1811 dabei gelesen habe. Kastner’s Archiv I, p.68. — 1825 sah Gruithuisen, dals Kastner’s Augen eine auffallende Beweglichkeit der Iris ha- ben. Archiv VII, p.89. — 1826 bemerkt Kastner, dals er jetzt nicht mehr so deutliches Licht habe, jedoch ihm, aber nur ihm, sein ausgeworfener Speichel so leuchte, dals er augen- blicklich kleine Schrift dabei sehe (also in jenem Moment empfänglicher für sehr schwaches, von ihm ausgehendes Licht sei als andere? Dieser Satz erlaubt allerdings, an hypochondri- sche Vision zu denken.) — Im Jahre 1817 hörte er, dals ein junger Mann seiner Bekannt- schaft leuchtenden Urin gelassen habe. VII, p.405. d. Carus war 1833 in Breslau der Ansicht Seiler's beigetreten, dals ein actives Leuchten der menschlichen Augen anzunehmen sei. (Freilich ist wohl keine der bisherigen Beobachtungen für actives Leuchten menschlicher Augen wissenschaftlich entscheidend, allein andererseits die Wirklichkeit schwer abzuleugnen. Man sollte sich des Ausdrucks subjectives Licht in diesen Fällen nicht bedienen, oder sub- jectiv nicht für gleichbedeutend mit eingebildet nehmen. Warum sollte das auch sub- jective (d.h. organisch selbst produeirte) Licht der Zampyris oder der Meduse nicht auch ihr selbst sichtbar sein, da es für das menschliche Auge erleuchtend wirkt? Dafs das gewöhn- liche Licht im Auge beim Druck und Stols dem individuellen Schmerz und Schauder in der warmen Stube ähnlich sei, wäre möglich, aber sollten wohl alle anderen Erfahrungen Täuschung sein? Man kann wohl fragen: Warum wäre es unmöglich, dafs ein heftiger Stols jenes historische Licht als wirklich electrisches oder organisches Licht im Auge erzeuge, das, war es im Verhältnils zur Empfänglichkeit des Auges intensiv genug, auch als zurück- geworfenes von aufsen empfunden werden kann, wie Lampyridenlicht? Auch das Licht beim Reiben des Auges (ich habe es oft darauf geprüft) könnte ein im innern Auge selbst schon auf die Netzhaut zurückgeworfenes, schwaches und nur der Intensität nach zu stark empfun- denes sein. Alles dieses unbeschadet der Spiegelung lebender und todter Augen. Ich möchte bei den vorhandenen Erfahrungen und der grolsen Verbreitung der organischen Lichtentwick- lung nicht alle Beobachtung für wahres Phosphoresciren der Augen (vom Kaiser Tiberius bei Sueton Yita Tiberü cap.68 an) verwerfen, wenn auch nicht jede vertreten. Die übrige In- 518 EHrRENBERG: theilt alle Beobachtungen in 3 Abtheilungen. 1) Leuchten des Seewas- sers durch aufgelösten Schleim. Es soll dieses Leuchten nur sehr sel- ten in offner See, häufiger in den Häfen der Tropengegenden sein (p. 131). In offner See bleibe das Wasser klar und die specifische Schwere scheine durch die animalischen Stoffe nicht verändert zu werden (Untersuchungen darüber sind nicht angegeben). An den Küsten sei die Oberfläche zuweilen mit solchem Schleim abgestorbener, zerfallener Thiere bedeckt, der Nachts leuchte. — Schleim von Salpen und Bero@n mit Wasser abgewaschen und geschüttelt zeigte Licht, aber nicht immer. Infusorien suchte er vergeblich in letzterem Schleim (p.133). 2) Leuchten durch Thiere, welche mit phosphorescirendem Schleim bedeckt sind. Die Medusen, alle Aca- lephen und Salpen läfst er so leuchten. Er habe Salpen, Bero@n, Pelagien und Aequoreen nebst vielen anderen Gattungen mehrfach untersucht. Sie leuchteten ganz oder stellenweis. Bei Ruhe hörte das Leuchten auf; ward die Oberfläche des Schleims durch Berühren verändert, so leuchtete sie eine Zeitlang wieder. Die berührenden Hände wurden eine Zeitlang leuchtend. Auch die Excremente der Salpen hüllte ein leuchtender Schleim ein (p. 135). dividualität, Absicht und Urtheilsfähigkeit des Beobachters mufs freilich das Urtheil leiten. Die Beobachtungen von Cardanus, die von C. F. Michaelis bei Schlichtegroll Necro- log III, p.377 und besonders die von Lichtenberg 1788, Magazin p.155, welche mit Schwindel begleitet war, erinnern etwas sehr an Nüancen der Erscheinungen des Sehens bei Mondsüchtigen mit Bewulstwerden. Erhöhte Reizbarkeit mag zuweilen grolse Empfäng- lichkeit für sehr schwaches Licht gleichzeitig geben, wie man bei Kopfweh, ohne alle Augen- entzündung, eine gewöhnliche, selbst matte Tageshelle oft zu blendend fühlt. De Lens und Gorcy sahen Glanz der Augen, den sie nicht Phosphoresciren nennen, bei Augenentzündung und Wasserscheu im Hotel-Dieu zu Paris. Diez. d. sc. medic. 1820. Phosphorescence p.529. Das Leuchten menschlicher Wunden hat Percy mit Laurent 1820 noch weiter be- schrieben. Aufser 1) beim Lieutenant Pilon leuchteten sie 2) beim Soldaten Fallot, 3) bei einem Tambour, 4) beim Unterofficier Freytag in Zürich. Auch Dr. Fournier Pescay hat 2 mal dergleichen gesehen. Diet des sc. medicales. Phosphorescence p-541. — Das Leuchten menschlicher Leichname sah, nach Percy, Pelletan oft und Mascagni habe mit Hülfe des- selben einige seiner feinen Lymphgefäfspräparate gemacht (p.532). Dieser letztere Zusatz scha- det offenbar Hrn. Percy’s Mittheilungen. Vergl. Cardanus de rer. variet. XIV, 69. Die Litteratur über menschliche Selbstverbrennungen fand ich, da ich zwar Lair, aber das Buch von Kopp nicht sah, von Marc, im Diction. des sc. medicales unter Com- bustion spontanee reichhaltig gesammelt. Lecat 1693. Dupont 1736. Adolphi 1746. Alberti 1755. Kopp 1800. Lair 1800. Koester 1804. Chirac 1805. Vigne 1805. Kopp 1811.) das Leuchten des Meeres. 519 Er erklärt sich dieses Leuchten durch stete Erneuerung der Oberfläche des Schleims, welcher die. Thiere umschliefst, und glaubt, dafs es durchaus nicht von der Willkühr derselben abhänge (p. 135). Sei die obere Schleim- lage verbrannt und werde eine neue blofs gelegt, so beginne der Verbren- nungsprocels von Neuem (p.136) (Vergl. Alexander von Humboldt 1814.). — Die Rippen der Salpen seien auf der Oberfläche mit Respirations- organen (Cilien) bedeckt. (Nach meiner Ansicht möchten wohl Respira- tionsorgane mit den Cilien bedeckt sein.) Ein und dasselbe Thier leuchte an einem Orte und nicht an dem andern; diefs verursache die Temperatur. Pelagien sah er im wärmeren Wasser des Kanals von England leuchten, die in dem kälteren (?) der Nordsee nicht leuchteten (p.138) (welche Art?). Man könne es (nach Spallanzani) durch äufsere Reizmittel ganz nach Will- kühr hervorrufen p. 139 (bei allen?). — Bei den Physalien sei gerade nur die Stelle leuchtend, welche Brennen zu erregen im Stande sei. p. 141. (Vergl. v. Olfers. Sollte diese Beobachtung, zumal da der Verfasser es als ganz bekannt und sicher vorauszusetzen scheint, dafs die Physalien leuchten, ganz sicher sein? Man kann sich auch Leuchtthiere an nicht leuchtenden, besonders an den Fanggliedern hängend denken.) Oft komme Leuchten und Nesseln einer Materie zu. — Dieser leuchtende Schleim sei ein besonders secernirter Saft. — Es sollen hierher von einer unendlichen Menge angegebe- ner Thiere die Infusorien und Räderthiere gehören, von denen zuerst Ti- lesius, dann besonders Michaelis spreche. Das Leuchten sei nicht ein der Irritabilität gleiches organisches Werhältnifs, weil Blausäure und Arsenik es nach Michaclis eigner Angabe nicht zerstören. p- 143. (Dieser Schlufs ist scheinbar richtig, allein ich habe selbst viele Versuche mit Giften bei Infu- sorien angestellt und Resultate erhalten, aus denen hervorgeht, dafs sie für gewisse starke Gifte, z.B. Arsenik und Mercurialien, sehr unempfindlich sind.) Es leuchte vielleicht die ganze Familie der Acalephen und Salpen. Die Fühlfäden der Diphyes sah er nur einmal leuchtend, obschon die Thiere häufig waren. (Hatte diese nicht ein Leuchtthierchen gefangen?) — Dafs Osbeck das Leuchten der Salpen zuerst gesehen (p.143), kann ich nicht finden. — Im Hafen von Valparaiso sah er leuchtende Actinien und konnte den leuchtenden Schleim abwischen (p. 144). Oft waren ganze Wassermas- sen dadurch erleuchtet, dafs sich grofse leuchtende Acalephen in der Tiefe befanden, deren Lichtatmosphären zusammenflossen. p. 143. (Vergl. Tile- 520 EHurENBERG: sius. In solchen Fällen sucht man freilich im Eimer des von der Oberfläche geschöpften Wassers die Leuchtthiere umsonst.) Das von andern beobach- tete Leuchten der Pholaden, der Planarien, der Spirographis, der Regen- würmer, des (vermeinten) Fischlaichs und der Eidechseneier rechnet er in diese Abtheilung. — Das funkelnde Licht der Krebse und Annulaten möge zuweilen auch vom anhängenden Schleime herrühren, wie er es bei einer Menge derselben gefunden habe. Einige haben besondere Leuchtorgane. Die Entomostraca und mikroskopischen Astacoiden scheinen sämmtlich zu leuchten. Die Gattungen: Gammarus, Cyelops, Monocwlus, Daphnia (?), Cy- pris (?), Cythera, Lynceus, Argulus (?), Zoe (?), Astacus, Squilla und viele andere scheinen ganz allgemein zu leuchten. p.147. (Diese Urtheile beru- hen nicht ausdrücklich auf eignen Beobachtungen, sondern wohl auf denen von Tilesius und der andern und sind offenbar zu allgemein.) — Auch grofse Seefische, Delphine und Wallfische erscheinen wie mit Feuer bedeckt. Anfangs glaubte er, der Schleim ihrer Oberfläche leuchte, allein er über- zeugte sich später, dafs lebende Fische gar nicht leuchten, sondern dafs ihre Bewegung das Leuchten kleiner Thiere veranlafst. Oscillatoria phosphorea in Schleim gehüllt leuchtete im atlantischen Oceane innerhalb der Wende- kreise in ungeheurer Menge. (Ist sie wohl nicht jenes Nostoc, welches Baird abgebildet hat?) Der Schleim derselben und die Spitzen der Fäden schienen zu leuchten (p. 148). — Die Leuchterscheinung des faulen Holzes und die Phosphorescenz der Rhizomorphen reihen sich an diese Erscheinun- gen und gleichen sämmtlich den Oxydationen (p. 149-150). Endlich 3) Leuchten des Seewassers durch Thiere mit besonderen Leuchtorganen. Er beobachtete selbst 2 solcher Thiere und führt noch 3 von andern Beobachtern an. Diese können das Licht willkührlich her- vorbringen und unterdrücken. In der Nähe des Äquators fand er im at- lantischen Oceane Pyrosoma atlanticum mit auffallend schönem farbigen Lichte. Wurde ein Thier beim Fangen berührt, so ward es dunkel und senkte sich. Eingefangen leuchteten sie nur bei Berührung. Das Licht kam aus kegelförmigen, rothbraunen Körpern im Innern der Substanz jedes Thieres, deren Farbe aus 30-40 Pünktchen besteht. Bei der Berührung werden erst diese Pünktchen einzeln leuchtend und dann fliefst das Licht aller Thiere zusammen. Umgekehrt hört es auf (vergl. Bennet 1833). Diefs Leuchtorgan liegt dicht hinter der Mundöffnung, etwas vor den beiden Re- das Leuchten des Meeres. 521 spirationsorganen. In einem sich stets sternförmig verbreitenden Gefäfssy- stem, worin Herr M. Blutkügelchen gesehen haben will und das bei jedem Leuchtorgan eine doppelte Zahl von Ästchen zeigt, vermuthet er die Ver- bindung aller Thiere, welche bei Durchbrechung des ganzen Polypenstockes das Aufhören des Leuchtens der Einzelnen bedinge. (Savigny und Le- sueur (1815) haben so detaillirte schöne Zeichnungen der Pyrosomen ge- liefert, dafs es auffällt, indirect zu hören, sie hätten ein grofses Organ über- sehen. Schade dafs Herr M. nicht versucht hat, eines der dort angegebe- nen Organe auf das seinige zu beziehen, oder selbst eine Zeichnung zu ma- chen. An der von ihm bezeichneten Stelle, vorn zwischen den beiden Kie- mennetzen, liegt jederseits der Eierstock, und mithin ist jenes Organ wohl kein besonderes Leuchtorgan, sondern eben der Eierstock gewesen?) — Das andere Leuchtthier mit Leuchtorganen, welches er selbst sah, war der Oniscus fulgens (Carcinium opalinum von Banks oder Saphirina indicator Thompson). Er fand es in der Gegend der Azoren häufig. Es ist 24” lang, ganz farblos, aber durch facettirte Oberfläche schön opalisirend. Es könne sein, dafs die Leuchtorgane zugleich die Ovarien wären, sie schienen ihm aber im Zusammenhange mit dem Nervensystem zu stehen. (Sollten die als Nerven angesehenen Organe wirklich Nerven sein? Jeder einzelne Strang ist der Abbildung nach so dick und dicker als der ganze Darm des Thieres. Ich würde jenes Nervensystem eher für 2, bei den Z’ntomostracis sonst leicht sichtbare, männliche Samendrüsen, Hoden, halten, und die bei- den Leuchtorgane sind doch wohl wahrscheinlicher nur deren Basis. Das was für das Gefäfssystem gehalten wurde, scheint als Samenleiter betrach- tet werden zu können, so dafs von Gefäfs- und Nervensystem so wenig als von Muskeln etwas erkannt wurde. Diese letzteren Systeme mögen zu fein und durchsichtig sein. — Aufserdem stellt der Verfasser den von Tuckey und Tilesius beobachteten Amethystkrebs (Zrythrocephalus?) und die von mir beobachtete Polynoe fulgurans in diese Reihe. — Er schliefst damit, dafs wie Carus das Leuchten der Zampyris im Zusammenhange mit dem Pulsschlage gesehen, so seien auch die Leuchtorgane der Pyrosomen im ge- nauen Zusammenhange mit dem (vermutheten) Gefäfssysteme, indem beim Zerreifsen derselben das Leuchten aller Thiere aufhöre. (Dieser Schlufs ist - auf die Vermuthung des Verfassers gegründet, dafs er auf dem Schiffe ein von Savigny und Lesueur in ruhiger Mufse übersehenes Gefälssystem bei Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Uuu 522 EureEsBer: diesen Thieren entdeckt habe. Eine Zeichnung davon hat er nicht entwor- fen.) — Endlich hat der Verfasser bei dieser reichhaltigen Darstellung des Seeleuchtens noch eine seiner eignen Beobachtungen unberücksichtigt gelas- - sen. Er sah nach p. 163 auch Physematium allanticum südlich von den ca- narischen Inseln im October leuchtend ('). (') Meyen bildet aus dem Physematium atlanticum mit noch 3 andern von ihm beob- achteten und für neu gehaltenen Körpern sogar eine ganze neue Thierklasse, die er Agastrica nennt, aber ausdrücklich nicht weiter begründet. Denselben Namen hat schon La- treille 1825 für eine äbnliche Gruppe verbraucht (Farmilles naturelles p.550). Beide sind nur durch Mangel an Organisation der ihnen zugetheilten Formen bezeichnet. Latreille’s Gruppe hat ihre Auflösung in der Infusorienstructur bereits gefunden. Die Schwierigkeit der Untersuchung auf Schiffen läfst es wahrscheinlicher werden, dafs die Einfachheit auch dieser Organismen durch solche bedingt sei. Physematium atlanticum ist übrigens keine unbekannte Form, sondern sehr wahrscheinlich die undeutlich abgebildete Marmmaria adspersa von Tilesius (1814) und ganz deutlich und sicher das 1830 von Baird (Loudon Magaz. 3, p.312, Fig.81 a) abgebildete Thier. Eine der Formen bei Tilesius war roih punktirt; das könnte zur Laichzeit gewesen sein, wie es von Suriray und Blainville bei der Noezi- luca miliaris berichtet wird. Es scheinen sogar diese Mammarien die gröfste Verwandtschaft, ich meine sogar Identität, mit Nocziluca oder Slabberia zu haben und Acalephen zu sein, de- ren Rüssel und Structur schon oft übersehen worden. Andere Species der Mammarien mö- gen anders gefärbte Eier haben. — Die Gattung Acrochordium jener neuen Thierklasse würde ich für eine wurzelnde schiefe Ascidienform halten, besonders wenn die beiden als Eier be- zeichneten Stellen, wie es der Abbildung nach sehr wahrscheinlich ist, 2 Öffnungen waren. Die innere Strömung palst gut dazu. Waren jene Stellen nicht offen, so scheint mir die Form zu Syncoryne der Hydrinen zu stellen, indem deren vordere Mundöffnung, wie die von Hydra, geschlossen ist und leicht übersehen wird, zumal wenn man Aufsergewöhnliches sucht. Derselbe Verfasser spricht im weitern Verlaufe der Mittheilung p.168 daselbst sehr umständlich, meist historisch, über Structur der Polypenthiere und schlielst p.178 damit, dals folglich die von mir gegebene Eintheilung der Polypen nicht naturgemäls sei. Alles entwik- kelt sich und immer Besseres darf an die Stelle des Früheren treten, allein es ist durch die im Königlichen Museum aufgestellten Exemplare erwiesen, dafs jene Resultate auf sorgfälti- ger Beobachtung von mehr als 100 lebenden Arten fast aller Abtheilungen jener Organismen beruhten. Diese anderen Ansichten gründen sich aber auf nur eine Form der wahren Po- lypen (Corallenthiere), die Melicerta ochracea, die auch nicht lebend beobachtet wurde und deren zwar schönes, aber trocknes Fragment der Verfasser für die deza Natur. Curios. XVI, Tab. 29 in Berlin hat abbilden lassen. Durch Beobachtung von 9 kleinen Sertularien - For- men war ein solcher Mangel nicht wohl zu ersetzen und da die Structur der Halcyonellen- formen immer noch als einfacher bezeichnet wird, auch die von Cavolini und Olivi um- ständlich angezeigte Saftcirculation in den Sertularien mit jenen Beobachtern als Bluteircu- lation angesehen wird, mithin die organischen Hauptsysteme auch der Sertularien selbst un- ‘ erkannt blieben, so dürfte es doch rathsam sein, jener Ansicht der Organisation in den Sym- das Leuchten des Meeres. 523 Ich füge nachträglich hierzu noch einige Urtheile der neuesten Zeit. 1834 sprach sich Herr Joh. Müller in seinem Handbuche der Phy- siologie über die organische Leuchtentwicklung in gedrängter Kürze reich- haltig aus. Es scheine nach allen bisherigen Untersuchungen Treviranus Ansicht am wahrscheinlichsten, dafs das Leuchten des Meeres und der Or- ganismen von einer phosphorhaltigen Materie herrühre, die sich zwar unter dem Einflusse des Lebens combinire, aber einmal gebildet auch einigerma- fsen vom Leben unabhängig leuchte. Unter den höheren Thieren kenne man kein Leuchten, aufser Eidechseneiern und Harn. Das Leuchten der Augen sei fast zum medicinischen Aberglauben geworden und es würde sonderbar erscheinen, wenn man das Leuchten der europäischen Katzenaugen deshalb glauben wolle, weil der verdienstvolle Rengger es an amerikanischen Thie- ren beobachtet habe. Das Licht beim Druck auf das Auge sei durchaus nur subjectiv, wie der Schmerz in der Haut. Am 25°” September 1834 stand in Nr. 224 der Berliner Spenerschen Staats- und Gelehrten Zeitung eine kurze Nachricht über das Leuchten der Ostsee bei Zeppot (!). bolis physicis und später in den Schriften der Akademie noch fernere Berücksichtigung zu gewähren. Wenn von besonderen Leuchtorganen mit wissenschaftlicher Sicherheit gespro- chen werden soll, mufs nothwendig der zum gewöhnlichen Leben nöthige Organismus erst klar entwickelt sein. (') 1834 erschien Perty’s allgemeine Übersicht der brasilianischen Insecten von Spix und Martius. Die Beschreibungen der Arten sind von 1830. Es sind daselbst (p-27 der Specialbeschreibungen) 3 neue Arten von Zampyris unter den Namen Z. vitellithorax, conco- lor und cossyphina beschrieben und abgebildet, eine vierte Art scheint, Exemplaren des hie- sigen Museums zufolge, als Homalisus telephorinus auf Tafel 6 abgebildet zu sein. Besonders merkwürdig ist, dals, nach Perty, die 2 mittleren keine Leuchtorgane haben sollen. Es scheint diefs aber ein Schreibfehler zu sein, weil vielmehr Z. vizellitkorax, wie ich mich selbst überzeugte, im trocknen Zustande keins erkennen läfst, während bei einer wohl von Z. con- color nicht verschiedenen Form des hiesigen Museums ein solches existirt. — Ferner wird in der allgemeinen Übersicht p.4, p.6 und p.40 auf Lacordaire’s ausführliche Beobachtungen (Annales des sc. nat. XX. 1830) aufmerksam gemacht. Lacordaire berichtet: Die Leucht-Elateren sind in Brasilien am Tage selten, Nachts häufig. Elater noctilueus bat 3 nicht mit einander zusammenhängende Leuchtstellen, eine am hintern Mesothorax. Durch kochendes Wasser lassen sich die phosphorhaltigen Beutelchen absondern. Unter den Nichtleuchtenden ist eine sehr variable Form, welche als 4 Species: E. humeralis, axillaris, scapularis und oulneratus Germ. verzeichnet ist, die er aber täglich abwechselnd in copula fand. Vielleicht sind also die Arten auch der leuchtenden zu reduciren. Uuu2 524 EHrENBERG: 1835 erwähnt Schubert in seiner Geschichte der Natur eines dreifa- chen Meerleuchtens: eines eigentlichen Meeresleuchtens im Gegensatze des Leuchtens durch Thiere und überdiefs eines durch aufserordentliche elec- trische Lichterscheinungen. I, p. 228. Dafs die Indier sie als Leuchte benutzen, hält er, des nicht hinreichend intensiven Lichtes wegen, für unwahrscheinlich. (!) — Die grölsten Formen der zahlreichen Lampyriden: Z. Linnaei, Latreillei, Fabricii, distincta, Herbsti, Panzeri und vicina, Niegen hoch und leuchten am stärksten. Zu einer andern Abtheilung gehören: L. albomarginata, infuscata, fuliginosa, pellucida, intermedia, sobrina, Lacordairii, andere sind der nocziluca und splendidula ähnlich und diese in Brasilien am häufigsten leuchtend zu finden. Maculata, bimaculata, nigricornis, sublineata, lineata und Zitigiosa sind schmale Formen in Montevideo, wo es auch eine Art, wie noctiluca, mit flügellosen Weibchen giebt. Z. elongata ist die gemeinste in Buenos- Ayres. L. pyralis, ceroina und pellucida sind stets in den Wäldern zu finden. Die Gattun- gen Amydoetes und Phengodes unterscheiden sich durch Lebensweise nicht (p.6). — Nach Lacordaire (Now. Annales du Mus. d’hist. nat. I, 1823) ist der Leuchtapparat bei Elater ignitus, indistinctus und phosphoreus wie bei noctilucus. — Über die Anwendung der Käfer als Leuchte handle Oviedo Zist. de las Indias 1.14, c.8. Piso nenne Zampyris Memoa c.291, Rochefort Hist. des Antilles c.14, Art.2 Mouches lumineuses, Barrere Essais sur Phist. nat. de la France equin. p- 207 nenne sie Mouches a feu. Dobrizhofer spreche da- von II, p.389. Azara Yoyage de P’Amer. merid. I, p.211. Herr Klug erkannte 1834 ein von Adolph Erman’s Weltumseglung nach Berlin ge- brachtes, über Zoll grofses Insect für eine zweite Art der Gattung Chiroscelis und zugleich für den Trenebrio digitatus Fabrie. Diese Chirosc. digitata hat an den Bauchseiten 2 Flecke, welche wohl auch der Bemerkung werth erschienen, die aber Herr Klug doch für Leucht- organe zu halten Bedenken trägt. 1835. Da es nach Perty’s Zeugnifs doch wahre Zampyris- Arten giebt, welche keine Leuchtorgene haben, so erhält Macartney’s Beobachtung (1810), dafs nicht alle ausländi- schen Lampyriden leuchten, neue Begründung. Ich habe daher die zahlreichen Formen des Königlichen Museums nachträglich selbst mit revidirt, mich aber überzeugt, dafs der Mangel der Laterne gegen die grofse Zahl des Vorkommens nur unbedeutend sein kann. Zahl und Stel- lung der Leuchtflecke ändern schr nach den Arten, zuweilen sind sie fast unsichibar, doch wirklichen Mangel haben wir unter den schon beschriebenen Arten nur an Z. vitellithorax Perty und denticornis Germar erkannt. Es mag sich also dieser wirkliche Mangel des Leuchtileckes auf sehr wenig Arten beschränken, die man, wenn er sich bei wohl erhaltenen Exemplaren überall bestätigt, deshalb wohl in eine eigne Gruppe absondern könnte. Mit Leuchtflecken versehene Arten der Lampyriden besitzt das Berliner Museum jetzt, 1835, nach Herrn Klug’s Zusammenstellung, 319 Arten. Davon sind aus Nordamerika 16, aus Mittelamerika mit den Inseln 43, aus Südamerika 232, aus Südafrika mit den Inseln 6, aus Europa 7, aus Ostasien mit den Inseln 11, aus Westasien 2, aus Polynesien 1. — Elate- ren mit Leuchtorganen besitzt das Königliche Museum zu Berlin, denselben Mittheilungen zufolge, 44 Arten. Aus Südamerika 40, aus Mittelamerika und den Inseln 4. das Leuchten des Meeres. 525 Pöppig’s Reise in China, Peru u.s. w. (1835) enthält endlich p. 11 Beobachtungen des Meeresleuchtens durch Wasserthiere: In den verschie- denartigsten Richtungen, bald funkenartig, bald strahlend, in Kugelform, bald als ein schnell vergänglicher Blitz durch die dunkle Wasserfläche schie- fsend bewegten sich leuchtende Wesen im atlantischen Ocean. — Bei Um- seglung des Cap Horn, dicht am Cap, sah er das Meeresleuchten sehr stark: Wahrhaft schreckend war das schneeweifse, blendende Licht, welches auf dem Kamme der langen Wogen dahin lief. p.21. (Gerade am Cap Horn sollte nach Dombey (1780) kein Leuchten mehr sein.) Das Interesse, welches selbst von den geistvollsten Männern aller Zei- ten, die nur in Berührung mit der organischen Lichtentwicklung gekommen, an diesem Phänomen genommen worden ist, ergiebt sich am klarsten durch vorstehende chronologische Entwicklungsgeschichte unserer Kenntnisse da- von. Die übereinstimmenden oder abweichenden Urtheile werden nicht kleinlich blofs den Sinn auf Lob oder eine nothwendige Kritik des Einzel- nen, sondern vielmehr auf ein höchst intensives und merkwürdiges gemein- sames Streben zur Erklärung einer auffallenden, für die Idee des Lebens, wie es scheint, wichtigen Naturerscheinung leiten. Ich wollte und konnte nicht eine vollständige Reihe aller Beobachtungen vorlegen, denn es giebt der Beobachter und Wiedererzähler, die sich nicht immer leicht unterschei- den lassen, noch eine grofse Menge mehr. Nur eine reichhaltige, nicht nach einem einseitigen Systeme künstlich verschrobene Übersicht der Mit- theilungen wollte ich geben, die das Wichtigste in sich fassen und eine Ba- sis für weitere Forschung geben möchte. Dennoch ist die Zahl der Theil- nehmer über 400 gestiegen, deren viele sich mehrfach ausgesprochen haben. Nur einige wenige, besonders früherer Zeit, die mir für die Entwicklungs- geschichte wichtig schienen, habe ich angeführt, ohne sie, theils zufällig, theils aus Mangel ihrer Schriften in meiner Nähe, selbst nachgelesen zu ha- ben. Das folgende Verzeichnifs enthält alle revidirte und nicht revidirte Beobachtungen besonders ausgezeichnet. Der Zweck dieser ganzen Litteratur aber war nicht blofs die obige historische Darstellung, sondern dieselbe soll nur zur Grundlage für die bei- liegende Tabelle dienen, welche versucht, eine möglichst kurze und bün- 526 EHrENBERG: dige kritische Übersicht in die bisherigen wirklichen Beobachtungen des Or- ganischen Leuchtens zu bringen. Denn wenn auch die geschichtliche Über- sicht in den Beobachtungen und Erklärungen die schroffesten und grellsten Widersprüche zeigt und man fast jede beliebige Ansicht durch hinreichende Auctoritäten belegen kann, so scheint es doch einen Faden zu geben, der aus diesem Labyrinthe führen kann; es ist diefs die kritische Aufzählung und Übersicht der wirklichen Beobachtungen und ihre Sonderung von den Meinungen. Diefs ist der Zweck der Tabelle und Litteratur. Erstere würde ohne die letztere nicht verständlich sein. Nachweisung der Verhandlungen über die organischen Leuchterscheinungen. Das Zeichen ! bedeutet, dafs die bezeichnete Stelle reyidirt worden; ? dafs sie angegeben ist, aber nicht aufzufinden war; die nackte Zahl bezieht sich nur auf fremde Angabe; die Zahl selbst auf den kurzen Auszug der Nachricht im Text. A bildgaard 1806! Adanson 1750! Adler 1749 (1753) 1787! Adolphi (1746) siehe 1833. Aelian! Afzelius 1798! Agardh 1832! Albert 1832! Alberti (1755) s. 1833. Albrecht! Americus 1500. Anderson 1747? Anonymus 1667! 1703! 1761 1781! 1790! 1795! 1812. Araber (855) p./16! Aristoteles! Artaud 1825! Audouin 1824! 1832! 1533! Auzout 1666! Auxaut s. Auzout. Auxan s. Auzout. Azara 1802! 1834. Baco von Verulam 1620! Bajon 1774! Baird 1830! ıs31! Baker 1742! Banks 1768! (1810) Barrere s. 1834. Bartholin 1647 s. 1650. Baster 1757! 1760! s. Krünitz 1767. Beal 1676! Beaufort (1814!) Beccari 1724! (1512) Beckerheim (1789!) 1797. Beckmann 1803! Beddoes 1799. Bennet 1831! 1833! Bergmann p.415. Berliner pbysik. Belust. 1753. Bernard 1786! Bernoulli 1803! Berthold 1329! Biornonius 1673! Bischoff 1523! Bladh (1507) siehe 1515! Blainville ıs2s! Blumhof 1799! Boccone 1684! Bochart 1663! Boeckmann 1501! Boje 1827! Bomare 1769! 1790! Bonnycastle 1530! Borch 1798. { Bordeaux (Akademie) 1756. Borowski 1789 s. 1791! Bory de St. Vincent 1804! 1526! Bosc 1800! Boston Journal s. Webster. Bourzes 1708! Bowmann (1829) s. 1832! bis. Boyle (Robert) 1667! 1672. 1673! Brandenburg 1823! Braunschweig. Anzeig. s. J. P. Brehm 1531! " Bressy 1799. Brewster 1823! Bridel (1826?) 1532! Browne (Patrik) 1756! Brugnatelli 1797! Bruguieres (1792) s. 1818! Bruce 1796! Burmeister 1832! Canton 1796. Cardanus 1557 (1533!) Cartesius 1648! Carus 1829! 1833. de Castro 1541! Chambers 1530! Chamisso (1819!) 1520! Charlwood 1527! Charpentier (1823!) 1824. Chaulnes 1773! Chaussier s. 1815. Chirac 1805 s. 1833. Choris 1820! Cohausen 1717. Columna 1616 1833! Commerson 1773! Cook 1768! 1780! Corradori 1797! Coudreniere 1775! Cranz 1765? Crome (1809) s. 1824! Curtis 1827! Cuvier 1828! 1829! Daldorf 1793! Dampier s. 1819. Dartous 1717. Davis 1605! Davy 1799 1803! Degeer s. de Geer. Dejean 1833! Delius 1753! Delle Chiaje 152! Derschau 1823! Deshayes 1826! das Leuchten des Meeres. Dessaignes 1809! 1810! 1811! 1813! Deslandes 1713 Krünitz. Desmarest 1815! Diequemare 1775! 1778! Dombey 1750! Donati (Antonio) (1631) siehe 1684. Donavan 1798! Driefsen (1518!) s. 1827! Ducluzeau 1505! Duges 1833! Dupont (1736) s. 1833. Eckeberg 1758 s. 1770. Edwards (Milne) 1832! 1833! Ehrenberg 1819! s. 1829 1831! Ellis s. Krünitz (Baster) 1767! Emmert 1s11! Erdmann 1825! Eschscholz 1829! Esser 1526! Fabricius (Otto) 1780! Fabricius ab Aquap. 1592! Ferrari 1713. Feuerbach 1832. Finlayson 1528! Fischer 1829! Flaugergues 1780! Forskäl 1762! Forster (1778) s. 1780! 1782! 1783! (1810!) Fougeroux de Bondaroy 1766! 1767! Fouquet 1801. Fourcroy 1807! 1815. Fournier Pescay (1820) 5.1834. Franklin 1768. Freminville 1813 s. 1832! Freyesleben 1796! 1825! Fries (Elias) 1829! Funk 1523! Gaede 1816 s. Plinius. Gaertner 1799! 527 Gaimard 1825! Garmann 1670! Gaudentius Merula 1538. de Geer 1770. Gebler 1798! Le Gentil 1761! Gentlemans Magazin 1771. Gerhard 1524! Gescheidt 1831 siehe 1833. Gesner (1555!) 1558! Giesecke 1830! Gilbert 1500! 1819! 1823! Gimmerthal 1829! Gmelin (Leopold) 1827. Godeheu de Riville 1754! Goebel 1524! Goethe 1s10! 1823! Goettling (1794) s. 1797! 1800! Goetze (1775) s. 1803! Gorcy 1820 s. 1833! Grant 1527! Green 1532! Grew 1681! Grimm 1682! Griselini 1750. Grotthuls 1817! s. 1818. Gruithuisen 1811! 1812! Gründler 1774! Gueneau de Montbeillard 1782! Guillerinus (1510?) p- 416. Gui-Tachard 1686! Guiton-Morveau 1813 5. 1827. Guyton 1813 s. 1827. Haarlemer Gesellschaft 1506! Hablizl 1752! Haggren 1788! Harmer 1741! Hawkesworth s. Banks. Heinrich (Placidus) 1808! 1811! 1512! 1sı5! Helmont (Bory Mer. p. 01.) Helvig 1515! Henderson 1828! 528 EHRENBERG: Henkel 1740! siehe 1814. Lamarck 1804! 1516! Mitchill 1502! Hermbstädt 1508! siehe 1814. Langsdorff 1804! (1s11!)s.1828 Modeer 1792! Hernandez 16515. Tabelle: Cum- 1512. Montbeillard s. Gueneau coatl. Langstaff 1510! Moray 1667! Herrera 1728 s. 1831. Laporte 1833! Morney 1816! Hochstedier 1811! Laroche 1823! 1824! Moses! Hoffmannsegg 1807! Latreille 1803! (s. 1754.) 1828. Müller (O.F.) 1771! Home 1514! Lauvergne 1827. Müller (Jacob) 1504! Hope 1831! Lecat 1694. Müller (Johannes) 1834! Horkel 1503! (1818) Lees 1827! Müller (Statius) 1819! s. Slab- Horner 1804! de Lens 1820 s. 1834! ber. Horsburg 1798! 1810! Lesson 1826! Murr s. Torrubia. Hufeland (s. 1814.) Lesueur 1809! (1813!) 4815. Murray 1821! 1826! 1829 siehe Hulme 1500! 1503! Leuckart 1827! 1832. Humboldt (Alexander v.) 1796! Lichtenberg 1788 s. 1833. Nasse 1809! s. 1815! 1799! 1814! 1826! 1831! Lienert 1811. Nees v. Esenbeck 1823! Jameson 1824! Link 1508! 1824! 1826! Newland 1772! Jacobaeus (Oliger) 1696. Linn& 1787 (1646 1748 1758) Noeggerath 1523! 1825! Illiger 1507! Linnea (Elisabeth) (1762) s. Nollet 1750! Imperati 1672. 1787. Oken 1515! 1830! Johnson 1820! Loeftling 1758! Olfers 1532! Jordan 1823! Luce 1794! Olivier 1792! Jurine 1313. Maccaire 1521! Osbeck 1757! (1819) Kalm 1759! Macartney 1510! Ösiander 1799! Kant 1802!? Mac Culloch 1521! Otto 1792! Kastner 1824! 1826!1833! 1834! Mairan s. Dartous de Ovidius! Köraudren 1817. Mannevillette s. Dicquemare. Oviedo 1535 (1834) Kiranides p. 415. Marchand 1502! P. (J.) 1761 Krünitz. Kirby 1828! Marsilji (1684) Pallas ıs11! Kircher 1640! Martens 1675! Papin 1647. Klug 1834! 1835! Martialis! Paris 1812. Koester 1804 s. 1833. Martin 1761. Pariser Akademie 1703! 1807! Kopp 1811 1800 s. 1834. Martius 1823! 1828! 1834! Parlet s. Rengger. Kortum 1500! Martyr (Petrus) (1510?) p.416. Patrin 1802! Krantz p.416. Mascagni s. 1834. Patriot (physikalischer) 1756. Krünitz 1502 (1767! Ellis Co- Mayer (Joseph) 1735. Paullinus 1707! rall. p. 145.) Mayer 1793! Pelletan 1820 s. 1833. Krusenstern (1804) (1812) 1818! Menetries 1832! Percy 1819! 1820 s. 1833. Kubl 1820! Menzel 1675! Peron 1504! 1507! 1809! Labillardiere 1791! Merian 1726! Perty 1830! s. 1834! Lac£pede 1798. Meyen 1329 s.1831!1832!1834! Pfaff 1323 1828! 1830! Lacordaire 1830! 1833 s. 1834. Michaelis 1830! Phips 1773. Lair (Aime) 1800! Michaelis (Dr. C.F.)s. 1833. Pictet 1813. Piso s. 1831. Plinius! siehe 1831. Plot 1686! Pontoppidan 1763!? Porta (1640) Prevost 1810! Pulteney 1799. Purchas s. de Castro. Quoy 1825! Rang 1529! Rapp (1527) s. 1830! Rathke 1533! Ray 1710! Razoumowski 1784 1785. Reaumur 1723! Redi (1684) s. 1672 (1827 Rees 1519! Renaudot (1733) p. 416! Rengger 1830! Rennie (1831!) Richard 1792! Riche 1791! Rigaud 1765! Rigault 1770? (Riville?) Risso 1810! 1816! Ritter 1804. Riville s. Godeheu de R. Robertson 1819! Rochefort s. 1831. Roget 1523! Rolander 1758! s. 1827! Rosa 1519! Le Roy 1754! Rudolphi 1821! (s. 1814) Rumph 1680! Ruysch s. 1815. Sachs 1812! Sage 1772. Saussure 1804! Savigny 1815! (1816) Schaub 1798. das Leuchten des Meeres. Scherer 1799! Scherf 1510. Schmid 1503. Schoenherr 1817! Schwabe 1829! s. 1832. Schweigger (A. F.) 1519! Schytte 1765. Seiler 1833! Servieres 1750! Sharpe 1831! Sheppard 1525! Sieber 1807! Silberschlag 1770. Slabber 1771! (1819!) Sloane 1707. Smith (Christian) 1818! 1819! Smith (Colin) 1525! Solander 1768! Sorg 1505 s. 1818! Sowerby s. 1824. Spallanzani 1786! 1793! 1796! Sparmann 1754! Sparshall 1742! Spence 1825! Spix 1823! 1828! 1834! Sprengel 1527! (1817) Stedmann 1504! Steinbuch 1512! Steller (1774) s. 1819. Strabo! Straufs 1830! Strehler 1532! Stubbe 1668! Sturm 1798! (s. Gründler.) Suetonius! s. 1833. Suriray 1816! 1823! Sutton 1528! Swammerdam 1685! s. 1819. Swartz 1789! 1792! Szütz 1500! Tachard s. Gui - Tachard. Phys.-mathemat. Alhandl, 1834. 529 Taernström s. 1757. Templer 1671! Thompson 1829! s. 1830. Thulis 1756! Thunberg (1817) Tiedemann 1527! Tilesius 1502! (1804) (1810!) 1512! 1sı4! ası5! Timbs 1532. Todd 1525. Torrubia 1754 s. 1773! Torreen s. 1832. Treviranus 1804! 1814! 1816! asıs! ıs19! Tuckey ıs18! Tychsen 1797! V. (M.) (Vianelli?) 1750. Valenciennes 1828! Vauquelin 1507! ıs11! Vesling 1650. Vianelli 1749. Vigne 1805 s. 1833. Vincentius de Beauvais (1250?)! Vintimilia 1616 s. 1833. Virgilius! Viviani 1805! Voie (de la) 1666. Volta 1799! Waelsström 1798! Waller 1684. Webster 1523! Wecker (1640) Westwood 1831! White 1528! Wilkens (1762!) s. 1787! Willbrandt 1533! Wilson 1532! Woodward 1831! Worms 1709! Wrisberg s. 1815. Xxx eltnknign Ki v TicH Sina aa BETON OTE Mel: NIT PL IT ONE a , nam a Naay Goa), ea aa AA TEN DT et a ra je | hl k u .,bi ansre amsrark ! Far j Hall Teak ı aan AIR Ir Im Bere 2 DL OR 1A er & Bidet BErT . % BIETE, - Bar Ale \ ir Milan du Ana Ikland But .o Eimer N H BI ERS RTE EET Ie IT IB ya ot N 8 re E32) up? Pro) ?.! x User) we) th ur ALELGer IR Y nahe 77 Igası x ren, kazyndat? ala) er star en PT R NK surhuiel) Ä' at ul hei ae ee N ea laouier ee Pe USTTE Jura 7 Dr, par! 118) van Ines uch iz ET wu BI TEE, aa Put?) hs DIE TRUE DIET 7/ Matz MWaks ine It DT in sn? ge rd a let DET TOR GE a I hg Vera Apegaaa aka a Anl BL TEEN | TAGEN TONER EN wrögns Yanz ke PN ‚For bittet ea i wlemndant Kr adaeı \Eerp salat || Ie Da PRVEITERTCRRERTE tn Euer Eredar marT Kran oa urrr Seldanadhd u an IUEN ndialäie. are re er Tr dates de ar N INATPSShanlael zu re ü Fand sl In? 0 Kerr usa up Bir ig rear musgd alt Fre A PR 7310 TE LIT SO ER Than wusaibahdr,s ee ve) hen - Yadrl DIE RT En fun ar ah IR Dr aaa Anaf el 13°: dei va Ruh kihasahihle HL SAN: ie hinstsah ee A eye har ; ran arkiggorist dt) Bin: Mira BE 7 BR a ars De STa Ierkr art Kr Yonzı ‚E Ka) geil u le ar EERAETREE. Es =; MERETE va iatı Ban ir haha 0 VDE ER RT KRAEN Dr ze real 12 Nahe | a Br aaggası ' tray Vase d. i re N DE; Bu a Enszuh | h EN Via ut at ER: EL); id 7070) nu “ aller { Ki ie Leuchterscheimungen. zeichnet die Namen, todte Körper; tigkeit der obachtung. Die arabiscgen ; —A or, Löwds04? is Aug ıca, Unz :NA Croeı1818., ‚ENA seu O7. 1828. 1830 Us brasilie\ Cuniculus, 5. 1668. 1671. ‚us, Auge: H + Mus1 NYCTIPITHECL Ovıs Aries, Scheenreiz 1828. + — Bi. PuocaA (vitulin + — Pils Männchen, + Sus „arven. 1761. VESPERTILION VIVERRA Zibe436; 1835: 229. — Genetta (?) 20 » 43 tholinp. 1824» 24. lebend beo 11 » 11. Ä ‚ ! ACHETA Gryllotalpa „rt 1328. ? GRYLLOTALPA vulgaris „. Schnabelgryllen, Henıprena. ! CICADA laternaria 1787. s. Fulgora. — (Orni)) Bartholin p.224.? 7 1792. — 71756 —= Lampyris pallens. FULGORA candelaria 1746. s. 1787? — laternaria 4581. 1726. 1787. X1792. 1804. X 1807. x 1810. X 1831. — pyrorhynchus 1798? 1828. (14 Species nach Burmeister II, 1535.) S Wurmgryllen, Tausendfüfse, MryrıoropA. 404.! GEopuILUS electricus. Flüssigkeit der Oberfläche 1558. 1710. 1723. 1758 s. 1787. 1810. 1818. 1828. — phosphoreus 1828. s. Scolopendra, JULUS zerrestris 1723? 1821. s. Scolopendra electrica, (marinus siehe Crustacea.) SCOLOPENDRA (terrestris) 1670. (marina) 1773. 1821. s. Nereis aut Polyno&? — electrica 5. Geophnlus. — morsitans 1538? 1819 (?) — phosphorea 1757? (1770 lies1757) Linn& 1788 (de Nat. Pelagi in ÄAmoen. acad.) X 1819. cfr. Nereis u. Syllis, ? hinter der Jahreszahl, Zweifel an der Rich- Die Jahreszahlen beziehen sich auf die Quellen im Text. s. ist gleich: siehe. ichnet die Reihe der lebenden organi Versuch einer Übersicht der annehmlichen Beobachtungen sämmtlicher organischen Leuchterscheinungen. 13.!Vıvenna Mephitis, Zonillo, Frischer Harn 1802.) 14. — putorius, nordamerik. Stinktbier. Frischer Harn 1812. @) Mensch. | 1.! Auge: Plinius. 1557 (Cardanus) (7) siehe 1533. Bartholin pAt, 81. 1793. 4812. 1821. 1830. 1833. (Tapetum?) 1810, Netzbaut 1811. x1815. Gefälsbaut, Pig- 1 Vögel, Aves. + Vogellleisch, Haut 1761 Martin, Federn 1555 (Gesner). I Hencyntae aditer, Federn. Plinius. Vergl. Lampyrides ment 151%. X1521. 5. Bartholin p. 251. Herz *ı6i7. Bartb. p. 109. H ‚Atbem 1647. Bartholin p. 116. H Haupihaar, (Kopf, Heiligenschein): Moses. Plinius. Bartholin ; p59 viele Fälle. 1675. 1654 Boccone p. 235. 1 1516. splendidulis alis Firgilü und Bombycivora, 1821. 1830. Aguıza, Adler 1827. ‚Körper (Bartbolin p. 54, 57, 110, 1 1811. AupeA, Reiher, Brustfedern 18317? Fuls 1684 Boccone p.235. Diese letzteren 3 sind electri- + Annea einereo, Fischmoße. Fleisch 1761 Martin. ‚scher Natur. Bonsrcivona garrula, Steilsfedern 1558 (Gesner)? Finger 1509 s. 1815. 1810. 1812. 2 Milch *ısıs? Schweils 1740 s. 1814. 1508. 1821. Frischer Harn: Bartbolio p.37. 1813 s. 1827. 4818 4. 1927, 4 Speichel 1833? Wunden 1819. 1520 5. 1833. Gauzus domesticus, Hubn, Bartholin p. + — Fleisch: Bartholin p.223. 1827. Ei: Bartbo- lin p.224. 4707. 1717. + Hınuxno, Schwalbe 1827. 15. Srux, Eule. Auge 1787. 1510. 1830. + Srmix. Feit 1746 s. 1787. 1761. Ternao Urogallus, Auerhabo. Auge des Männchens beim Balzen? Nach der Jügersag 1817 5: 1833. ’ Selbstverbrennung: Bartholin p. 116. 4693 4.1821. 1800. 1501. are c. Amphibien, Aupnimia. + Blut ısıt. ! Schlangen. Augen: Bartholin p. 159. 1810. Körper: Mo- ses.? X1663. 8. Cumcoatl, + — Fleisch 1672. Buro, Kröte 1827? Corunen Natrix, Natter. Auge 1810, 2 1504, 19104. 4844: AH12: 4818. 1833. + Todte Körper 1647. Bartholin p. 115. 1308? 1515. ’ Thiere. , MAMMALIA. ! Tbieraugen 4793. 1797. ıs21. 1826. + Todte Thiere (Fleisch): Aristoteles. 1650. 1805. ‚Gebirn 1650, vergl. 1811. + Horn: Aristoteles. s. Fleisch. Bos Tuurus, Rind, Ocbse, Kub, Kalb. Auge 1810. Milch 1515? Fleisch 1650. 1672. 1761. 1787. 1809 s. 1815. se 1808? 2. Casıs Asarae Auge 1830, 3. — familiaris, Hand. Auge: 1793. 1810. 4 tholin p. 168. — Lupus, Wolf. Ange: Plini A. — Fulper, Fuchs. Auge 1830. Schwanz 1650.? Carna Hircus, Ziege. Auge: Plinius. 6b. Cavıa Cobaya, Auge 1830. ‚Crnvus Copreolus, Reh. Auge: Plinias. Ceracea, Walfische. Auge: Bartb. p.231. Oberfläche 1534? + — Fleisch 1773 Derpursus, Auge: Barihol 230, Oberfläche 183. L 6, — Phocaena, Oberfläche 1831. + Deupnmxus Orca, Schwerdifisch 1798. ef. Mohlar. Equus Gaballus, Pferd. Auge: Plioius, Bartholin p. 187. 189. a. Süugethi Cnocopitus niloticus, Grocodil. Auge; Bartholin p. 204? CumcoAtL. Körper 16517 Hernandez. 16. Lacenta agilis, Bidechye. Eier 1774. 1811. X 1511. — ugilis? Eier 1684, Nasa Hoje? Auge 166). Rasa? irphonia, Rachen (feuerfarbig?) 1758 s. 1827. — al. sp. 18, + RanxAtemporaria, Frosch. Nerven 1809 5.1815. — Kaulquappen 1800. + Raxa Pücarrir 5. Lophius, Fische. TESTUDO (virgata?), Geschwüre des Rückens 1823. — al. sp. 1773, + Virena, Viper? Fleisch 1 + era dimare 5. Muraena, . Haare; Bar- d. Fische, Pısces. ! Fische 1761. " HTEI A785, 4809 5, 1815, 1819, 1925, 1530. . fe: Aristoteles. Augen: Aristot. Pli- nius- Schuppen, Aristot. 4819. Fleisch 1558. 1761: 1769. Rogın 1500, Milch 180 1810. 1836. Ohren 1832. Haare 1821. Schweifs 160: Fischlaich 17612 1772? ırly „ 48197 48287 Verglı Noc- 7. Feuıs Carus, Kat as. Barth. p.187, 189. 179). filwca seintillans, Qual, — —— Ta asred . Haare: Barth. p.189. 1675. Iracana. Bartholia p.226) # — Ange 1512. 1830 Tiedemann, + Accıpensen Sturk, Fleisch (2) 17 8. = er Auge 1830, AruEnıNA hepsetus. Schuppen 1519, rennen + CrnoLA rubescenn, Tania, Medi 1 Rzraekueln. II. 17. CmmaxnA arctica. Schnauze 1540, . — Onco, Unze. Auge 1830. Haare 1530 Crurra. 1555 Geser ps, ı Hyazıa Crocusts, Auge (Plinius?) 1796. TEE HYArSA seu Givetta Bartholin s. Fiverra Genetta, Se Als 41. Levus drasiliensis, Auge 1830. g BER egarichi — Gunieulus, Kaninchen. Auge 1926. Haare 1521. IL 18. — erythraes, Oberfläche 4834. Mus, Auge: Bartholin p. 190 ? IV. 19. — Harengus, Hering. AUßEN: Barıh 233? Schleim 2 + MusTELA Foina, Steinmarder. Auge 1810. 1826. 5. Clupea, Ze « NYCTiPrTmecus erivirgasus, Nachtaffe, Auge 1830. Ovis Arier, Schaaf, Lamm. Auge 1810. 1 + — Fleisch 1592. Bartbolin p-1 Pnoca (viulina?), Seehund, + — Fleisch ı + Sus Seropha, Schwein. Gekochte Fülse 1676. Vsspenririoxes, Fledermäuse, Augen: Bartholin p.2 Vırzana Ziberha, Zibeihkatze (Civeria + — Oberfläche 1800, Xıs15. — Sprattus X1810. Conxrnaexa Hippuris (Dorade) 1787. XiRıo. + Corrus cataphractus 4815. orpiur. Kopf und Haut: Bartholin p.231. 1764. + Cxrnumı X 1513. + Dinxcunos, Strabo. 4514 9) = Hereronls? + Esox Zueiss, Hecht. 1640. Kopf: Barth. p23. 1787 () 1518. Exocoerus uolitans 1818 () 1819, . 1672. Auge: Plinius. 16? ?) 1789 5.1791 — Genesta (?) (Civetta seu Hyaena), Auge: (Plinius?), Bar- tholin p. 156. Herz Bartholin p. 159. (Herz von Veslin; lebend beobachtet?) ö : ; H A H : H ; 3 H H : ’ F H ® : ® ® 4 ß ® H F ; : | ’ A FH A A ; H ; : H : ; F ? PRRREERERREREERRERREREEORREEREEOREOREEREOLDEOORRORRRORERLEREELEUEELEEEEELEELEREEREREEEEEER EUREN LEEREN 1 COREL RR LERNEENOOEELROLEREEEEEHRERNERNUGERLEEREEEN ‚chen Leuchtkörper; gröfsere Zahlen, actives Leuchten; kleinere Zahlen, passives Leuchten; + vor dem Namen, todte Körper; ? hinter der Jahreszahl, Zweifel an der Rich- igkeit der Beobachtung; (°) Zweifel an der richtigen Bestimmung des Beobachteten; * vor der Zahl, irrige Beobachtung; x verneinende Beobachtung. Die Jahreszahlen beziehen sich auf die Quellen im Text. Die arabischen Zahlen bezeichnen die begründeteren lebenden Leuchtorganismen, die römischen Zahlen solche, welche das Meeresleuchten bedingen; s, ist gleich: siche. Tafel 1. ! EXOCOETUS exsiliens 1819. + Ganus — Seglefinus, Schellfisch. 17%. 1800, 1815. Lota X1815. — Mertangus (Witling) 1673. — Morrhus (Kabeljau) 1761. Oberbaut, Ge- ripp 1815. virena 1761» + Gonuus 1610. ! LEpTOcErnALUS (Mori?) 18212 + Loputus piscator 4640. + Murrus X1810. + Munaexa Helena? 1684. Redi. — Anguilla X 1815. V. 20. Onrunasonıscus Mola, Oberfl 1510. x 1810. + PencA Zucioperca, Sander. — fluviatilis, Barsch. X 1815. — marina, Seebarsch. 1761. + Preunonectes Platessa 1815. ea. Haut + Mara Myuila 16% läche: Bartholin p. 230. Bartbolin p.231. | Redi, = Pastinaca, Schwanz: Bartholin p. 234. + Sarmo ı753. — alpinus 1815. — Trutta 1815. Scomen Pelamys (Bonite) 175%. 0) + Scomnen Pelamys 1787. () 1811. 1821. (0) — Scomber (Makrele) 1800. X1810. — Tnynnus, Thunfisch. Auge: Kiranides. SELACHE (Ze. Aristoteles. + Sırunus Glanis 1815. + Spurxnarsa 1684 Redi. + Souarus 1819, — Pristis 1815. 2 4) # Gesner 1555 (de Lunarüs) nicht — Spinaz 1761. TernaoDox siehe Orthragoriscus, Tnıemunus 1819. VL 21. Tnıora Zucerna, Zunge, Rachen. Plinius. Bartbolin 1510. + — Auge: Gesner. Bartholin p.230. + Tu6ıa volitans 1684 Redi, + Xıvmas G/adius (0) . ch Delphinus Orca, e. Kerbthiere, InsEera. De NN NN TEREERRRRRRRRRRRRRERERERREREREREREERERLEEen Eee eeee: ! Insecten und Würmer 1100? +ırm «. Käfer, Coreortena. ! Anxperes siehe Zamprrir. Bupnssris ocellata. Flügel 1923? Caropuora s. Zuciola 1832. CaAnxTuanıs 1787 Cmnoscenis bifenesra — digitata? Unterleib 1834. CıcıspeuA Plio. s. Lamprris 1605. 1810. s. Elater? Lampyris? Unterleib 1503? 15047 r, Schnellkäfer. 1517. 1818. 1766. 1807. 1825. 1530 Exxten, Leucht 22-61. aus Südamerika 40 Arten. 5. 1831. 1831. 62-65. aus Mittelamerika A Arten. 1510? 1605. 1668. 1671 1707. 1756. 1807. 182 aus Nordamerika 1 Art. 18 aus Europa? 1815.? — Fettkörper 1814. Nervenreiz 1826. Tracheenreiz 1828. 1831. Leuchtbeutelchen 1523. 4830. 4331. GroPxnis hemiptera 1833 5. Phosphena. Lanpynıs, Jobanniskäfer, Feuerlliegen als Männchen, 1761. Leuchtwürmer als Weibchen oder Larre": 1805 ». 1819. 1828. 4531. 1833 bis, 66-295. Südamerika 4817: 11Arten; 1532: 1365 18 296-338. Mittelamerika » 8 m» m 20 339-362. Nordamerika » 5 » „a 363-373. Ostasien „1. a a ee EN NEELRERERRRRRER 404.! Grorirus electrieus, Flüssigkeit der Oberfläche 1558, 374-376. Westasien 4817: - Arten; 1832: -; 1835: 2. 377-383. Polynsien » 3 = BE E 384-338. Südafrika ” 5 389-392. Miuelafrika » - = U CR; Nordafrika ” 393-400. Europa aha a8 ae ! — Aristoteles. Plinius. 1510. 1605. 1668. 1684 dir. 1750. 1770 (lies splendidula). 1782 ter. 1784. 1737. 1796. 1797. 1804. 1505. 1815. — hemiptera 1804. X 15077 1518. — pallens 1756 8. 1817. — Larven (Haarige Würmer 1538, Erdleuchtkäfer, Her- rera s, Bartholin p.207. 1605 &. 1654.) 1782. 1503. — Puppe 1782. (1809). — Eier: Bartbolin 1647. p.210. 1782. (1503). — ohne Leuchtorgan, einige: 1810. alle: 1818. 1321. 1829. L. concolor 1834? L, cosıyphina 1834? L.den- L. vitellithorax 1835. x 1810. in Blutwelle 96. 1797. 1821. 1828. Lucıor.A iralica 1833. 5. Proolampis, ticornis 1835. — Lichtbedingung in Nerven 18 1829. in Leuchtbeutelchen 17 101. Pausus sahaerocerus. Eühler 4596. PurxGones siehe Zampyris. Puospnexa 183). 5. Lampyris. Puospnonus Foer. 5. later. Proorampıs (s. Luciola) 1528. s. Lampyris, 402. Scanauarus Hercules 1831. — phosphoricus 1T9A? 5, Luciola talica? SıLpna odscura 18317 £. Schmetterlinge, Lerivorrena. ! Acnosxcta (Noctua) Pri. Auge 1828. Bomeyx Mori. Raupe: Bartholin p.215? Cossus ligniperda. Auge 18; LasıocamPA quereifolia. Auge 1831. 403. Nocrua oeculta. Raupe 1829, Pynaris minor 1830. s. Lampyris pallens. Spuuxx Atropos. Auge 1810. — Consolsuli. Auge 1834. 7. Immen, Hruesorrena. 9. Rüsselfliegen, Dirrena. ! Cuxex pipiens, Mücke. Schwarm 1732? Lanva Dipteri? = Branchiurus quadripes {805.7 5. Ring- wärmer. (Audouin Dics, class. 1522.) « Netzfliegen, Neunorrena. &. Grylien, Onruortena. FÄCHETA Grybioraipe } nat GnYLLOTALPA vulgaris = n. Schnabelgrylien, Herren. ! CicADA laternaria 1787. * Fulgora, — (Orni) Bartbolin p.221. + 1792. — ? 1756 — Lampyris pallens, FuL6ona candelaria 17Ä6. m 178 1726. A787. — /aternaria 1581. x1792. 1504. X1807. x1s10. X183l. — prrorhrnchus 1798? 1925. (14 Species nach Burmeister II, 1835.) Wurmgrylien, Tausendfüfse, MrnıoronA. 4710. 1723. 1758 5. 1787. 1810. 1818, 1823. — phosphoreus 1828. 5. Scolopendra, JuLus terrestrie 4 821. 3. Scolopendra electric. (marinus siehe Crustacen.) SCOLOPENDRA (Lerrestria) 1670. (marina) 1773. 1821. 5. Nereis aut Polrnos? — electrica 5. Geophlus. — morsitans 15387 1819. () — phosphorea 1737? (1770 lies1757) Linnd 1738 (de Nat. Pelagi in Amoen. acadı) X 1819. er. Nereis u, Spllis. ya Yen sdadoatinuadalersians rmalig:; ve sb BEarer RP ri D Mi ‚ds ‚dad wg za hie rd nu ea al ERLH vs als Dre 42 Teen ash} yaunizrllanil wa ah Bil (”) kn r B i x / Hindk wa ae 7 Lt Ismnhaän „m DELEETE Bee 2 vn ‚Bi au nd F « KW F 9 a £ ed slaga tk rs vUr? y Et arme) 5 STE Te run € Du Bo WU TE BET Ari er, DEEI or FE TE oIE ed en ia Hındı ehe ee Wi > f EEE ie A ul % Rune Mi re we I Kar „ne ul —— N aa W TERN her Zt nnd \® ashnädst wsuasabuitgend ib nee aha auch = | i SEE nn iz 2 I Sau es 3 u Bar pteha BE radgie % Und 4 . > Ei Re { a N ri; \ i neu eu u de et ’ ES ® 17\ 0 m er: Ki « ler: i . 1 nr Ti en k Dun | B - rn A oc mans: een u 2a) f 2 er toteratd 2 ROrREE LET Ss), ag Eu; ‚EBAR Aus. Nee EUER gr "N it, RR BrREse: Ih landet ra Er IRRE 0 i a Zu 4 3 A Mn, "N ha le Be a EIN dehahler ie Ina wa u ira en Rn ir „or: Pa er u% ae en nn XIX. 417. XX. 418. XI. 419. — ME nn, 8. Sfes. : Spinr Puar 7} 8: vlica, ! Krebi”drica. 17 [as ‘ Krabt Bierstöcke der Salpen 'allenschnecken. Exto ACANGREGATA, Amsı : of = = Amym 520- s. Pyrosoma at adsy' (Nocticı !wceranides, 1558. 1640. OÖsıscuv, hein). 1787. 1791. a EN — fulg — Asei PALAEN == urn scintillans. PHALAN Prasma — disco ENAEU| ,. 5 pP alia?) s.Oceanides., Popomn, ,, Eier; s. Mam- Ponvops) Prıono: SAPHIRN SCYLLAH, . , „uvıieria, Squil SQUILLA — platyı n Symenv. O. TALıTRU Typus c — ZEZELO cephai ZOE, 153, Milne“ | | BEROE Infundibulum, s. B, fulgens. LXV. 463. — micans, 1814. 1319 p.42, 151. LXVI 464. — ovata, 1802) 1814. ısıg, 1819 p. 150. 1828. — Pileus, 1775 s. Cydippe. LXVII. 465. — tsoscela, 1514. LXVIIL 466. — pellucens, 1768. 1810. ısas, CUVIERIA, s. Berenice, 1807. T CYANEA capillata, 1802. LXIX. 467. CyDiPppE densa, 17062. LXX,. 468. — Pileus, (1771). 1775. 1833. Dacysa vitrea, 1814 s. Diphyes ( 1829). DIANAEA phosphorica, 5. Oceania, Dipnyes, 1$14. 1834 s. Gleba, Dagysa. — cala? s. Trichoda, — caudata, 1514. 1832. — Horneri, 1814. 1832. IRXTIAHOT na RN -Kühlföder AXCIY. 482, — pleata, 1534. OCEANIDES, 1823. 1831? Bis 5, Oceania Lentic, und Leucophra echinoides. XXCV. 483. ÖCYRoE erystallina, 1829, XXCVI. 484. — /fusca, 1829, XXCVI. 485. — maculata, 1829, PELAGIA, 1819. 1834. XXCVII. 486. — cyanelta, 1758. 1739, 1792. 1814, 1520. XXCIX. AS noctiluca, 1762. XC. 488. — panopyra, 1807. — pellucens, 1819 s. Chrysaora, XCH 489, — phosphorea, 1654. 1793. 1509, PuysaLıa Arethusa, 1812. 1319, 1823 (?) 1830? 1831. X1832. 1834? — glauca, 1319 s. Ph. Arethusa (1529). PuYsEMATIUMm azlanticum, 1830. 1834 5, Mam- maria atlantica, PıyssoPpHorA, 1519. 1830? Rurzopnora, 1830? Runzopuysa, 1830 (?) RuızosToMmA Cwwvieri, 1762? x 1834. SATIRO marino, 1684 s. Pelagia phosph. SLABBERIA, 1815 s. 1832. s. Mammaria scint, XCH. 490. Stepnayomıa Amphitritis, 1307. (THAUMANTIAS hemisphaerica, 5. Oceania. | | CurYsaoRrA hyssoscella, S. isoscela. — Lenticula, s. Oceania, — lucida, s. Oceania hemisphaerica.) XCII. 49 1. Tıma? 1 814 s. Medusa saccata, XCIV. 492. VeLeLLA, 1800? 1829? rn ; f. Spianen, AnacnxoipEA. ! Spinnen. Auge: Dobrizbofer II, p. 407. PuALaxcıum (marinum) 1821? siche Crustacea, „ Krebse, CRUSTACEA. en (Cancer, Garnele, Gammarelle) 1640 @) 4768. 1791. 1504. 1809. 1816. 1818 A Arten; Leuchtdrüsen 1826? + 1640.@) Bartholin p.226. 1821. Krabben x 1815. 1518 $Arten. Erbsenkrabben 1819. p-40, 155 (leuchten nicht), j + sat. Exromostnaca 1819. Alle leuchten 1834? AÄCANTIOCEPNALUS apringodes 1519, AnnurnumxcnoTUs glaucus 1819. Ammon 1819. s. Oyelopis pullus. ‚Axanrunus erystallinus 1819 Anguzus 1934? ‚Astacus macrochirus 1819 (0) — melanophthalmus 1819 (?) + — fuwiatitin, Barth. p.226. 1808. 1527, Brascmipus stagnalis? 1531. ». Zoe, CAxcEn Astacus s. Astacus flusiatilie. — fasciatus, 1819. p.155. 5. Crangon. — fulgens, 1810, 1818. #. Noctieula Banksii. — macrourus, 1786. # Gammarus Pulex. — Pulex, 5. Gammarus. YIL 405. Cancısıum opalinum Banks () 1747.1798. 1810, 1519 p.35 bei Gilbert. 1530 Fig.10 (€) 1834. Conormum, (1815?). Cnaxcon, (15137) s. Noeticula. — fasciarus 1819. pı155? — 5. Oyelops armalus (}). Cxcrors, 1830. 1831. — armatus, 1815 () (6. Crangon?) — exsiliens 3. flavescens, 1805. cfr. Zutosus. — inermis, 1815, 1830. efr. Zutosus, VIIL 406. — Zutosus, 1771. (Oniscus). — minutus, (16307) 184 Q)- — rostratus, 1819 (0). — rubens, 1830. 5. inermis. — 1830 n.5. s, Larve. 204? v. Branchipus. Cyclopis pullus, 1818? CrwrnA, 1829. 1830. 5. Cynthlops, Crstuors, 1829. (Cynthia). Crrnis, 18347 ‚Crruena, 1754? 1810, 4531. 1834? Darnnta, 1791? (1804) (1819). — Pulex, (1791) 1803 (?) 5. Cyelopis pullus (?). EnYTUnocEPNALUS coecus, 1819. #. Typhis (1810), — macrophthalmus, 1813 () 1 ‚ehe Zyphis (1810). X. 408. Gasmanus caudiserus, 1805. — erassimanus, X1505 (leuchtet nicht). XL 409, eircinnatus, 1805. XI 410. — heteroclisus, 1805. XI. 414. — Locusta, X 1805. 1824. XIV. 412. — longicornis, 1805. XV. 413. — Puler, Eier 1782 () 1786 () x 1519. 1830 Michaelis p.5. XVL Ad. — vruncazus, 1805. Junus (rmarinus), 1821? Lanva Histrio, 1819? Räderthier? Larve eines En- 1519 quater, IX. 407. tomostraci? LimuLus noczilueus, 1610. 5. Careinium opali num. XVII. 415. Lucıren, 1829. 1830, Lyxceus, 1754 Cytherea, MAnTıS platyura, 1819. 5. Squilla, Moxocuxos, 1810? 4821? — Pulex, 1803. # Dophnia, 1810, — Staphylinust831. #. Orclops minutus, Mxsıs? s. 1829, 1530, Naupzius, 1819. ». Orelopis pullus, XVII. 416. Nocrıcura Banksii, 1810, 1929, 1831? 6. Penacur adıpersus (1819). oc lucens). Oxıscus, 1682 (9) 1821? — Lutosus, 17 ‚la mereurial Heusingeri 1723. = Facuum 5. Cyelops, — fulgena, (1rir — Asellus, 15152 PALAEMOoN, 1815? 1830. XIX. 417. — noctitueus, 1819. 1831. 0.6. PuALANGIUM (marinum), 1321? PuASMATOCANCINUS glaucus, 1819, ) # Curcinium opalinum. — discophthalmus, 1819. PexARUSs adspersur, 1919. 4. Noctleula Banksii. XX. 418. Ponomaa, 1829, (Podopsis), Poporsis, #. Podomma, PRIONONRWENCHOTUS Apus, 1819, SAPIIIRINA Indicator, 1829. s. Carcinium opalin. Scrruanvs, 4518. 6. 1819. — Mantis platyura 1, Squillo, SouiLua, 1804, 1818 (2) 1519, 1821 geolse Anzahl, — platyuro, s. Mantis. SYMPIXSOPUS Airtus, 1819, Taxırnus (18157) Trpuıs coecus, 1819. — Eryihrocephahus XXL 419, — mocrophihalmus, 1818 Q et cephalus, 1830 n.5? 18312 1834? (efr. Dier, class, 1830. Milne Edwards), Larven, ) 1819. = Erythro- nn nn a | Ey Tafel H. h. Ringelthiere, ANNULATA. ! Seewürmer 1666 3 Arten, 1684 (?) 1757 A Arten, Xu) 179. AMPUITNITE Spallanzani, 1505? (1825) (Spirogra- phis). APUNODYTE clasigero, 1813. s. Polynoz. Bnanchtunus quadripes, 1805. 5. Diptera, EULALIA, 5. Nereis viridis, Lumpnicus Zirticauda, 1805. s. Proctochaeta der Steudelwürmer. — simplicissimus, 1805. s: Orthostoma der Stru- delwärmer, — terrestris, 1780. 1792. s. 1518. — variegatus, 18157 Lyconis margaritacea, 5. Nereis eaerulea, — radiate, 1805. 4928 (s. Nereis). — pelagica Savigny = Nereis pelagica, NAıS (marina). 1771. 8. Nereis. Neneis, 1666 3 Arten (?) 1719 () 1750 dis 0) 1767 @) A785) A770) 1s10Q) 1821 5-6 Arten (?). — caerulea, 1762 0) = Lycoris margaritacea? — cirrigera, 1505. 8. Syllir. XXIL 420. XXI. 421. XXIV. 422, — mucronata, 1805. 5. Nereisyllis, — noctiluca, 1750. 4780. 1785. 5. Syllis eirrigera, 1506. s. Polnoe () 1819. — pelagica, 1762 () s. Eyeorir. — phosphoranz, 1749, A787. 5. Syllis, XXV. 423, — radiata, 1805. 5. Lycoris. — Sertularias fabri 19. 17872 17062 () s, Eulalia v. Savigoy, 4, XXVL 424. — viri — 18 15 — flava s, Nais (marina), A771 (). Neneisyıuis cirrifera, 1828. 8. Spllis cirrigera, — mucronata, 1805 () 1528. XXVIL 425. XXVII. 426. Puorocnanıs eirrigera, s. Syllis cirrigera, PoLYNoE, 1832. — clavigera, 1513. 1832. (guranı, 1831. 1. 1806 (9) 5. Syllia (abstersis elyiris). — al. sp., 1741 @) — al. sp. 1773.0)- SABELLA unbpira, 4. Spirogrophiı Spallanzanii, Syrris cirrigera, 1750. 1767 (?) 1803. 4805. 1539. 1534, “ XXXL 429. — Yurgurans, 1833. — noctiluca, 4806. 1833 () 5. Polynoi. XXXIL 430. — phosphorica, 1833. Spinosmarnis Spallanı und Subella. ZA. 427. . 428, — noetiluı 1805. ih, j. Amphitrite i. Spaltihiere, SOMATOTOMA. I NAıs proboseidea, 1515? — Rin — (marino), 17 gelthier s. Nereis flava. k. Tintenfische, CErmALoPODA. + Louıco, 1684 (Redi). 1764. + Ocrtorus, 1650 s. 1785. 1684 (Redi). 1763? 1765? 1785. + Seria offeinalis, Fleisch 4684 (Redi). 1696 (7) 1787. 1797. 1602. 1818. Tinte: Aristoteles, Plinius, 169% (*). 2. Flossenschnecken, PTEROPODA. XXXIIL 431.! Cneseis conica, 1831. m. Sohlenschnecken, GASTROPODA. + Arızsıa, 1827. + Donıs, 1827, + Munzx, X 1810, rn. Muschelschnecken, AckpnALA. ! Ostnear (Muscheln), 1640. 1778. Cuasa, 1749. 1787. X1s10, MYA pietorum, X 1815. Osrnea (Austerschaale), 1666 (3 Nereis- Arten). + — Fleisch, 1508, X 1515. XXXIV. 432. Pnor.as Dactylur: Plinius. 4640. 1783, 1724. 1765? + — 1819. p.1d2, Soxzs, 1640 Q). 0, Armschnecken, Bracnıoron«a. U DAnanus, 1684. 1787. Leras, X 1810. X1819, N !SarpA, 1793 @) 1800. 1804. 1819. Eierstöcke 1819 (s..Pyrosoma atlant. 1820). 1830. 1832. Eier 1819, yphora, 4807 &. Pp- ıntelschnecken, Tunıcata — anıhe XXXV, 433, — appendleulata, 1814 1, maxina. — caerulca, X 1828. (pinnata?) — caudata, 1814 5. Diphyes, 'ornuta, A814 5. denoeratica, 'nogaster, 1807 8. mucronata. XXXVL 434. — cylindrica, 1814. 1832, XXXVIL A435. — demoerasica, 1514. 1531 (9) 1832. PRRREEREEREERERERERLERERLEREOOUROLEEEREELEEEN EEE EEE EEE EEEEEEEEREEEREELUEEEREREE EEE EEE Eee ee ee ee N ee et ET ee 777 00000 !Saıpa Horneri, 1814 5. Diphren. XXXVIIL 436. — mazxima, 1514. 1832. XXXIX, 437. — mueronata, 1807. 1832« XL, 438. — polyeratica, 1814. 1832» — punctata, 1514 3. erlindrica — Rathkeana, 1814 s. polyeratica, — septemfasciata, 1814 5. „fllndrica, XLL 439. — socia, 1507. 1832. — sociata, 1814 3. democraliia, — truncata, 4814 : Diphyes XLIL. 440. — vieipara, 1507. Turnernonus australis, = Bitrstöcke der Salpen 1819 s. Prrosoma der Corallenschnecken. q. Corallenschnecken, AG6REGATA, ! Moxoruona noetiluca, 1801. 1826. s, Pyrosoma at- lanticum. PynosomA, 1810, XLIL A441. — atlanticum, 1804. 1807. 1814. 1819. 1820. 1328. 1833. 1834, XLIV. 442. — etegans, 1813 ». 1815, XLY. 443. — gigunteum, 1315. XLVL 444. — pygemacum, 1832. Moosthiere, BrYoz0A. | Rerepona, 18042 ”. Kapselthiere, Divornuaea. V SERTULARIA, 18042 1518. — neritina, K1819 — volubilis, 1830? ConarLina, s. Algen. Strudelwürmer, TURBELLARIA. ! Tunnerrantum, 1930 Fig. 10. Onruostoma? granulosum, 1814 % Trichoda. VIL. 445. — simplicissimum, 1805. XLVII. 446. Pnoctocuaera hirticauda, 1805. Fadenwürmer, NEMATOIDEA, N Essigaale (Anguiltula), KATTE 0. Büderthiere, Rossronia, !Räderthiere, 1831. Lanva Histrio, clr. Anuraca (vix) 1819. ANURAEA? octoceras, 1834. 5, Microtheca der Ma- gentbiere. XLIX. 447. SyncnAetA baluica, 1757 (2) 1830 (Porticella), xıs3l. w. Seeigel, EcmınoIDeA. + Seeigel, Mundöffaung 1647 (Bartb, ! Hororuynıa, 1819 s. Physalia, +— 107. x. Seesterne, ÄSTEROIDEA. ! Seesterne, X 1810. 1819. + 1827. 1836. Acrısıa pusilla, s. Melicertum der Acalephen. + Astentas aurantiaca (?) 1830. Astenıas Coput Medusae, % Gorgonocephalus. — noctiluca, s. Ophiura, — 1519 () 1835. L. 448. Gonsoxocernarus Coput Medusae, 1757. 1759. (Linn de Natura Pelagi). LI. 449. Opuıuna noctiluce, 1805. LIL. 450. — phosphorea, 1807. — telacter, X 1807. 1830. Y. Quallen, AcALEPIAE. !Medusen (Mollusken): Plin., Kiranides, 1558. 1640. 1768. 1771. 1754 (Maarschein). 1787. 1791. 1792.%1793. 1793. 1800. 1504 20 Arten? 1521. 1823, 1826, + — 1793. 1802. 1897, — Brut, 1819 8. 1810. 1819. Noctiluea scintillans. LIIL. 451. Acıno vermiculata, 18 152. Arguonka Korskätiana, 1762, LYV. 453. — phosphoriphora, 1809. Anwruusa pelagica, 1923 (s, Phyzalia?) ».Oceanider, AUNELLIA camtschatica, 1819, p.332 Eier; # Mam- maria seintilarıs. — pellucenz, s, Chrysaora, — phosphorea, 5, Pelagia. LVI. 454. Denexice rosea, 1807. 1829 5, Qwieria BEnoE, 1800. 1840. 1831. 1834, LVII. 455. — drasitiensis, 1819 p. 140.0), LYUL 6. — Campanula, 1814. 1819 p.151 LIX. 457. — capensis, 1807. 1929. — Cucumis, 1819 5 fulgens, — densa, 5. Cydippe, LX. 458. — Eipenbergii, 1814. 1819 p.151 0 169. — Aava, 1819 pi, Al). LXIL 460. — fülgens, 1810. 1519. 1835. E. LXIM. A61. — globosa, 1819 p.A0. — Japonica, 1814. 1819 p.151. 27 Fe rn | | | | | ; ; | | ; ; ; ‚ ; i | Benor Infundibulum, # B. fulgens. LXY. 463. — micans, 1814. 1319 p.A2, 151. LXVL 464. — ovara, 18020) 1814. 1818. 1819 p. 150. 1828. — Pileus, 1775 5. Oydippe. Cunysaona hyssoscella, 5. loscela, LXVIL 465. — isoscein, 1814. LXVIIL 466. — peltucens, 1768. 1810, Cuvıznua, s. Berenice, 1507. + CraneA capillata, 1802, LXIX. 467. Cxvivpe densa, 1762, LXX. 468. — Pius, (1771). 1775. 1833. Daoxsa vitrea, 1814 5. Diphres (1829). Dianxaea phosphorica, 8, Oceania. Diewves, 1514. 1834 s. Glebo, Dagysa, — cala? 5. Trichoda, — caudata, 1814. 1832. — Horneri, 1814, 1832. — regularis, 1834. Fühlfäden. — iriangularis, s. Trichoda, — fruncata, A814. 1832. — vitrea, 1814. 1529. DiscoLABE mediterranea, 4771 ()« Genxonıa? /ucida, s. Medusa lucida, GLEBA crispa, 1814. — errstallina, ASt. — Conus, 181. — deformis, 1314. — pseudohippopus, A814. LXXL 469. LXXIL 470. — Diphyis fragmenta, — spiralis, AS1h. Inya Julgens, 1815 5. Berof. Manmanıa adıpersa, 1814. 1819.1830. 1834. efr. Noctiluca seintillans. LXXIIL 471. LXXIV. 472. LXXV. 473. — atlantica, 4, Physematium, — scintillans, 4 Noctiluca seine. ArA2 Q) 1761 () 1765. 1771 (erste Abbildung). 1772. 1775. 1 1519. 1778. 1791. 1808. 1810. (isıh). 1816. 1818. 1919 dir. 1823. 182 1825. 1823. 1829. 1830. 1530? 1830. 1331. ıs32. 1835. MenusA aequorea, 5. Aequorea Forskäliana, — aurita, 1814. — capillata, 1802 5. Cyanea, LXXVL 474. + — eruciata, 1802. — hemisphaerica, 1810 4. Oceania, — hysoscella, s. Chrysaora. — lıoscela, — Tucida, 1810 ». Thaumantias (Oceania). — marsupiformis, 1314 (S. Tima?). — noctiluca, 1762 3. Pelagia. — ovata, 1818 5. Berod, . Dologia. — panappru, 180° — Patina, s. Aeyquorea Forik. — pelagica, s. Pelagii — pellucens, 1810 5, — phosphorea, 1793 5. Pelagia, — saccata, 5. marsupiformis (Tima?) — scintillans, 1510 5. Mammaria, — simplex, 1802 4. Beroz wata. — letrastyla, 5. Mhizostoma Cusieri? MELicEnTum, 1819 (p-131). _ eneeuleten, 151? LXXVIT. 475. — Hrarachna, 1814 Nereus. LXXVIIL 476. — pusittum, 1789. 1814 Nereus). 1529. Neneus Hydrachna, — Hydraster, s. Mei NocriLuca miliaris, 1816 s. N, seintillans. Melicertum. 'ertum pusillum. — scintillans, s. Medusa seint. LXXIX. 477. Oceasıa Blumenbachü, 1833. — cymbaloidea, 1819 # Mammaria scint. XXC. 478. — hemüphaerica, 1810. 1834. (Thaumantias). XXCL 479. — Lentieula, 1834. 1823 () 1831 (@). Yucida, 1510 (Vergl. Zhaumantias). mieruscopica, A171: (1815?) s. Mammaria seint. XXCIT. 480. — 1500 0) 1833. 1834. XXCHL 481. — phosphorica. 1516 Lamarck. XXCIV. 482. — pitasa, 1834. Ockanınes, 1823. 1831? bin 5. Oceamia Lensic, und Leucophra ec} XXCV. 483. Ocynos ee 1829. XXCVL 484. — fusca, 1 XXCVIL 485. — maculara, 182 PrLAsıa, 1819. et XXCVIILA86.— cyanella, 1758. 178 XXCIX. 487. — noezituea, 1762. xC. 488. — panopyra, 1807. — pellucens, 1819 #. Chrysaora, XCL 489. — phosphores, 1654. 1793. 1509. Puysanıa Areihusa, 4812. 1519. 1823 (f) 1830? 1511. X1s32. 1834? — glauca, 1819 5 Pf. Arethusa (129). PuxsestArıum atlansicum, 1830. 1834 s. Mam- maria allantica, Puryssoruona, 1819, 18307 Ruızoruona, 1830? Rınzopnxsa, 1830 () Runzosroma Cuvieri, 1762? X 1831. Sarıno marine, 1684 s. Pelagia phosph SLANBERIA, 1815 5 1832. & Mammaria seint, XCIL 490. Srapmaxomıa Amphitritis, 1807. (TnaumanTıas hemisphaerica, 4 Oceania, noider. 1814. 1820. — Lenticula, s. Occania. — lueide XCHT. 494. Tıma? XCIV. 492. Vexerza, 1500? 1829? Occaniu hemisphacrien.) 1814 ». Medusa saccata, ih h RL erh je ip @ ara Pr . Ben eluh., a Y — in mi: ENT N 3 ee ne j 4. ei 2 Fr BR En u. Br ha FR A (Aka re, BR, EERTaR Au EL DEZE UNE rat ni Bi v Er Du Su Ku A In Du 5 ar] ab olläde nd Nahe fi ' R ö vi van FTIELUN y HalnAdı 7 BER ver ee 7?) ala in = 5 we You? ” zu ud ra ee cn RiLIE Bere vol vn DAL TER, ihr IDEE LAT: a A ER haikıhı ML Bne-. Day AR ern ven aM (N. rag rc s Pe 2 PATER 2711) JEAN and NE . Sea en Kine) er De ir j f . ut zul sehe DR 17630 | Eh mann SB NFE i Eu And, MIET hei: R ir Aalen PN ihel! ArELı e UN ie r » E — = . s » j v i 5 2 eher ren A FDEL- a RER | ORTEN NE TS Di ERBETEN (12 SSL} 7 0 Kl); Pan bi ae wie a re IE LETTEISITE DE 5 DUBRRET TOIBE. Be u 5 Yıabı ven ao un WERE . 1 EL R ee EIIE 2 anna ce PeTZEE “ 8 Nah re Rehlik, Ir U y - BSD We Nr NZ ET ! ' k 2 waren Am j BRATEN a! A hi A EN "? R er LAY ST a 1 aa Rn . B .00 Irpeorjill ah Amen IR er ah Ar Ach ItKk & " - j „te mE i h Be u = ' ab ke Br; SM h vu = A | 30 BANN Pe DELL: Der | due er Da r rer ar? u Bar A ul NEN, KERT, ER Ken ie RATE % - B D TT =: r une 72 >, a SR | “ vor bear, PeTR ETW; De u j Bu nechrngeg Ki ö 5 . ü . oo. j N) % e we uns U 5 Ze Pe Mc a EUR Al) a I Era ah z i BET Een a i he . D . 7 mi ae 70) Du 4 . | a h PR ie. Te bu ee RE Dh ll } 2. ET. u z. Blumenthiere, AnTnozoA. ! Polypen (Corallenthiere), 1770? X 1796, 1831. XCV. 493. Acrısıa, 1684 €) 1778. 1834. — pusilla, s. Melicertum der Acalephen. Arcxonıum, s. Halgonium. GonsonzA, 1804 Harcvoxıum, 15042 — es, 1827. Isıs, 13012 Pexsarura, 1558. Bartbolin p.229. 4787 (Fucur). 1830. — argentea, 1830. — srisea, 1329 s. 1830, — phosphorea, 1827. 1829 5. 1830. — rubra, 1830. VERETILLUM Cynomorium, + 1990. VInGULANIA miradilis, X 1327. ıcvL 494. 1672. 1785. acvn. 495. xcviIt. 4906. CK, 497. c. 458. c1. 499. 1827.1829 ». aa. Saugwürmer, TREMATODEA. | Eingeweidewürmer, 1830. s. Tuenia. "TAENIA, 1827. 1830, s. Copola rubescens der Fische. bb. Plattwürmer, CoMPLANATA, IPLANAnIA retusa, 1805. 5. Zyphloplana (?). CH. 500. TxeuLopuana (?) rerusa, 1805. — 1530. cc. Magenthiere, PoLyGastrıch !Iofusionstbierchen, 3 Arten 1757. 1803? X1s0l. 1805. xX1326. 1828 24. 1830. 1830. 1534. Vergl, Räderthiere. Cencanta, 17757 1803. s. Noctiluca; As21? — Tripos, 1830. 4 Peridinium Trivos. — 1830. s. Peridiuium Fusus, — 1530. u. Prorocentrum micans. Grena, ». Acalephen. LeucopimA echinoides, 1514? 1831 n.3 (0) siche Oceania? Masımanıa, 1814, 5. Acalephen. MIcnoTnECA oetoceras? 1834. Penmixium aeuminarum, 1834. — Furca, 1332 ». 1514. — Fusus, 1830. 1832 s. 1831. — Michaelis, 1830 (Porticella). 1832 s. 1831. — Tripos, 1830. 1832 s. 183. Pırwsemarıum, 183. s. Acalepben. PronocENTaUus micans, 1830 (Cercario). 1832 s.1534. Srexton, 1757 0) TnıcnoDA cala, 1814. 5. Diphyen. — echinoider, 18197 s. Leucophra, — sranulosa, 4814? 5. Orthostoma der Turbel- larien. 18192 CL 501. IV, 502. cv. 503. CVL 504. CYIL. 505. — triangularis, A814. s. Diphyes. Vınnio, 1821? Vorvox (Kugelihier), 1521? 1830. s. Peridi- nlum Michaelis, VonriceLta, 1742 (0) 1775 ©) aszı? — 1830, ‚0eta baltica, ‚Spni Armen DEDEUUEDERDEDEDDADTATE ERDE : g H : H A Ä : ; : H : ’ H 2 : : : : : : 4 H H : H : % A ; : : : : ? ? A : : A : : : [4 : ’ : g : n A : z : : 2 : : ? g F A : Leuchtende lebende Pflanzen. I Phanerogamische. ! Samenkapseln, 1755 (ist keine Beobachtung, nur Vermu- thung). Blumen, Gesner de Lunarits 1555. Bartbolin p-18. 1799 X 1816. X 1823, 1824. a. APOCYNEAE. 1. !:SıPo de Cunandm, Milchsaft, 1816. 1823. 1528. b. ASPHODELEAE. 2. Poziaxtues zuberosa, Blume, 1820. c. COMPOSITAE, ? CALENDULA offieinalis, Blume, 1788. x 1804, ? HerıAntnus anruus, Blume, 1788? ? TAGETES erecta, Blume, 1758. 2 — patuta, Blume, 1788. d. CUCURDITACEAE. Cucvmus Melo, zerschoittene Frucht, 1653. Casati de igne, -ı e. DiosmEAE (DICTAMNEAR). . ! Dieramsus albus, Blüthe, angezündet, 1804. 1823. 1528. Blüthenstiele, 1832. 3 Jr EUPHORBIACEAE. ! Eupuonsıa phosphoreo, Milchsaft, 1828. g. Liriackar. Lızium Zulbiferum, Blume, 1788. chalcedonicum, Blume 5. 1823. h. PAPAVERACEAE. 12. ? PArAven orientale, rohe Blume, X 1810 s, 1823. 1832, 1. PORTULACEAE. 13. ! Pırrtoracca decandra, Blätter, 1800. k. RoSACEAE 44. ! TonMtesTILLa (ereeta?), frische Wurzela, 1795. 1. TROPAEOLEAE. 15. ? Tnoraeorum majus, Blume, 1762 s. 1787. 1788. X1504. 1809 ». 1821. AGLAOPUOTLS terrestris, Aclian Anıaxınes, Plinius. Baanas, rl Josephus, CxsoceruALıA, Apion, CrxosrAstos, Aclian, Manaanırıs, Democrit. Morx, Homer (?) Osınırıs, Apion. NxcrAconzrum, Nxcreonerum, f Plioius. Paeonia, siehe Bauhin Pinax, 1623. Mandragora 4. 1832. Cassalpinia, 1817. & 1827. Dictamnus, 1823. Veratrum, 1832. IYYYYYVVYUVVUVVUVUUUDUVVUVUVVUUDAVVUUDUVVUUVENDEUUDUVUUVVUDEDUUDEUUEUUUMUUUYUDEDEDUENE EINER MENT IL U. Cryptogamische, a. Farrnkräuter, FıLıczs. b. Moose, Muscı. ! Moos, 1823. ScuistosTEGA osmundacea (Gymnostomum), 1823. 1826. s. Catoperidium, Algen, c. Flechten, Licnexes. d. Pilze, Funsı. Pilze (Baumschwämme), 1818. (uUxNg Aristotelis sind nicht Pilze, sondern Baumstummel), Acrıxomxce Horkelil, 1827,4.4832, 5. Algen. (Der Struc- tur nach kein Pilz, mitbin Anhaldiia.) Acanıcvs, Plinius s. Boletus. AurıcuLanıa phosphorea, 1810, s. Himantia. Boerus (Polyporus) offeinalis (Laricis), Plio. — (Polrporus) dryadeus (qureinus), Plin. Byssus floccosa, 1823 p. 710 5. Ozonium candidum, — phosphorea, 1796. s. Aurieularia, — violacea, 178 16. Dematlum. CLAVAnIA phosphorea, 1824. 5. Rhizomorpha, Demarıum violaceum, 1823, s. Telephora caerulea, Hımanrıa candida, 1824. s, phosphorea, s. Ozonium. — phosphorea, 1810. 5. Telephora eaerulea, Licuen fitamentosus, 1796. s. Rhizomorpha pinnata. — pinnatus, s, Ihizomorpha, Ozoxıum candidum, 1524. cr. Telepliora caeruleo, RınzomonpnA Achariana, 18 13.! — aidela, 1823. neilir, 1524, 17. s. pinnata, 19 20.1 — pinnata, 17906. — zubterraneo, (1823) s, ılellata, 21.!— ztellata, 1823. SPonoTnIcHUM plumosum, 1827. #. Ozonium candidum. 22. Terernona caerulea, 1796. 1810. 1818, 6. Bysaus, Dema- tum, Auricularia, Honantia phosphorea, "TnENxTErOULIA, 5. Telephora coerulea, 1818. Bug hacas, 183 e. Algen, ÄLGAE, Algen, 1650. 1805. Acrınomvce Horkelü, 1827 % 1832, s. Pilze, s. Anhald- tia (Tremella). 23.! AnuAnorıa, 1635 5. 1830, 5 Tremella, CoxrEnvA rupestris, 18052 1818, — velutina, 1529. 5. Catoptridium, Corallinen, X 1505. Fu 1504? — pennam referens, 4787. & Pennatula, Corallenthiere, Nosroc phosphoreum, 1830 n.13, 14. 1534. I. 25. IL. 26. Oscıruaronıa phosphorea, 1834. s. Nostoc. — 1830n.12 0). Pnorococcus smaragdinus, 1832. & Catoptridium. Rıvuranıa? phosphorea, 1830 n.15? — 1830. n.16? Spoxsta, 15042 SPOXGODIUM verrniculare, 1819. 1834. TapMELLA meteorica alba, 1829 s. 1832. Actinomyce der Pilze, Auhaldtia. Urva, 1504? AcLAOPHOTIS marina, Aclian, Fuci siebe Algae mit Poramausıs, Plinius. = Leuchtibieren be- TuALASSEGLEN, selzt, i ! 2 ’ ’ ’ ’ ’ Leuchtende todte Pflanzen. 1799. 1810, 1815. 1818. a. ÄDIETINAE. Pıxus ariwestris, Fichtenbolz, 1796. 1799. 4815. — picea, Weilstannenholz, 1515. — Strobus, Weihmutbskieferholz, 1815. b. BETULACEAE. Auxus glutinosa, Erlenholz, 1815. BeruLa alba, Birkenholz, 1815. €. ÜHARACEAE. CuanA hispida, kalkabsondernde, erhitzte Pflanze, 1523. — vulgaris, kalkabsondernde, erhitzte Pflanze, 1523. d. CUPULIFERAE, CASTASEA vesca, Elikastanienholz, 1796. Conxrus avellana, Haselaufsholz, 1620 (Baco). 1823. FaAcus zrivatica, Buchenbolz, 1801. 1815. Wurzeln 1796. Quencus, Eichenholz, 1799. 1509. 1815. €. CYPERACEAE. CAnex (Torf), 1656 ()» J- Enaxınkar, FRAXIKXUS excelsior, Eschenholz, 1620 (Baco). 1823. 8: JUGLANDINEAE, JUGLANS regia, Nulsbaumhole, 1515. h. Muscı. Sruacxum (Torf), 1686 (2). %. SALICINAE. Popurvs, Pappelbolz, 1809, Sarıx, Weidenbolz, 1796. 1815. k. SOLANEAE. SOLANUM Zuberosum, verdorbene Kartoffelo, 1790, 2. VALERIANEAE. VALERIANA offieinalis, verdorbene Baldrianwurzeln, 1500, m. ÜULMACEAE. Urmus campestris, Ulmenholz, 1809. + Faules Hola; Aristoteles (uUxns), Plinius. 1773. 1797. 4798. | | er or ar 4b . - NE ee ne et a ee 2 Yan, (anudi ao dr [7 ” B} ‚ 1 Dnsır!I eh, 2, 7 s EU TR ATD % “L ü . Is { an ._ i a ö \ ara. e uni? all R aan} Huren hr Ar ‚4 laaın tn 4 . f © At f: ı B; 4, SIEB werd I Dr EEE se=£. BEIDE TBEIEII TH ..» Pr RANTEEERELT DIT EEE [} . i VERF, I aA . u - 8 CB a y\ = ö a I LET hOShTAN PRRET FAHREN A N \ a ER le MT Tray! Int! L ’ ARD EUR EEE NIE an Be War) arhran Khe a | 5 [EEDU RE Tas, umiaad TE ER TER et ur ann < i 7a 77 “2 4 BAT M Ei id Ar: 3 Be Din lei Ahr EA I E Moda Bar aH en Dunn 2 Alıyoha ü . - Ara al er — "Nah! A Ei BE TEL eu run). PuluTwUnee ne Ir BL bus er ea Nr 2 A hr ri > \ Tr En Alk B . | Es u BE ee 4 & ‚ala ll AM at ri u [EL LED FE Hape Er 152 KAHN ea u the uanhwehu DR eTIE H u BEN. u we . i ıy ä u] AERO weilte Bi . \ ur E Br Fr r Ayers Ra ytnn ULLA TREE | REITERENEEEN N EEE BILDBIRT Zum, . J 14 ni BETT. h LI | oh KASF Re Y } Ba " Fin Ka das Leuchten des Meeres. 531 Eigne Beobachtungen über das Meeresleuchten. a. Beobachtungen im adriatischen und rothen Meere. Im Jahre 1820 sah ich auf meiner Überfahrt von Triest nach Alexan- drien in Ägypten im August nur wenige Leuchtpünktchen zweifelhaft in der Bocca di Cattaro, sonst war das adriatische Meer, wahrscheinlich zufällig, dunkel und leblos. Die Seekrankheit, an der ich sowohl als Dr. Hemp- rich litt, mochte uns beide wohl für schwaches Leuchten weniger em- pfänglich machen und die allgemeine Aufmerksamkeit der Schiffsmannschaft wurde nicht angeregt. Die ersten deutlichen Lichtfunken sollten wir in Afrika finden. f Bald in den ersten Tagen unserer Ankunft in Alexandrien, im Anfang des Septembers, fand ich Nachmittags am östlichen Meeresufer bei der Stadt, aufserhalb der Stadtmauer, einen Seekörper, auf welchen ich meine Aufmerk- samkeit schon besonders geschärft hatte. Es war das mir durch Schweig- ger’s Beobachtungen auf naturhistorischen Reisen (1819) bekannt gewordene Spongodium vermiculare. Schweigger's Schrift war damals neu und ich hatte sie bei mir. Es war mir daraus lebhaft gegenwärtig, dafs Vincent Rosa, der Aufseher des Naturaliencabinets in Pavia, diesen Körper, den Lamarck und Lamouroux zu den Halcyonien und Polypen stellten, Schweigger aber für eine Pflanze erklärt, im Leben leuchtend gesehen habe. Durch das auffallende, gleichzeitig vorkommende Spongodium Bursa war der Körper sogleich sehr sicher erkannt und ich sammelte möglichst viel davon ein, um frisch am Abend noch das Leuchten zu beobachten. Eilig trug ich ihn in meine Wohnung am Hafen in der Stadt, legte einiges davon in den Hafen selbst ins offene Meer, anderes in ein grofses Wassergefäfs, was um so glücklicher von Statten ging und Hoflnung für Gelingen der Beob- achtung liefs, je näher der Abend schon war. Ich und Hemprich sahen wirklich den Körper am Abend leuchten. Ich hatte mir vorgestellt, er werde an gewissen Stellen seiner Oberfläche selbstleuchtend phosphoresci- ren, allein er leuchtete nur, wenn er bewegt wurde, in einzelnen hellen Punkten. Beim stärkeren Bewegen lösten sich die Lichtfunken ab und leuch- teten nicht fort, sondern schienen sich entweder immer von Neuem zu ent- zünden oder nur einmal zu leuchten. Da ich gleichzeitig verschiedene Fucos Az 532 EHRENBERG: eingesammelt hatte, so verlor die Erscheinung an ihrem Interesse für jene Pflanze ('), weil ich dasselbe an diesen allen auch sah und mithin das Leuch- tende als etwas von beiden Körpern an sich verschiedenes, Selbstständiges erkannte, und ich dachte an Viviani (1805), der alles Kraut des Meeres durch anhängende Leuchtthierchen lichtgebend sah. Ich fing nun solche Leuchtpunkte in einem Uhrglase auf und brachte sie, mich mühsam über- zeugend, dafs ich das Leuchtende auch wirklich habe, in immer kleinere Wassermengen. Das Mikroskop zeigte mir in allen Fällen der wiederholten Beobachtung in dem Wasser kleine, schleimige, rundliche Partikeln, oft mit zerrissenen Rändern, ohne alle bestimmte Form, ohne deutliche Organe und ohne Leben. Ich mufs dabei bemerken, dafs die mir damals zu Gebote ste- hende klare Vergröfserung nur nahe an 100mal im Durchmesser reichte; eine stärkere Linse war beim Lampenlicht nicht hell genug. Ferner schlofs ich damals aus der starken Intensität des erscheinenden Lichtes, dafs der leuchtende Körper ansehnlich grofs sein müsse. Wenn ich daher mich da- mals auch überzeugt hielt, dafs das Leuchtende ein anhängender, zersetzter, thierischer Stoff oder formloser Schleim wäre, so bin ich doch jetzt nicht mehr überzeugt, dafs meine damalige Beobachtung hinreichend scharf ge- wesen. Auch hat das Beobachten mit dem Mikroskope zur Nachtzeit beim Wechsel von Licht und Dunkel noch besondere Schwierigkeiten, welche die Überzeugung bei solchen Gegenständen sehr erschweren. In einem Uhr- glase liefs sich ein Leuchtpünktchen durch Bewegung des Wassers mit einem Stifte oft 2 bis 3mal zum Aufblinken bringen, dann aber nicht weiter. In dem im Uhrglase aufbewahrten Wasser, worin Leuchtpunkte waren, sah ich am folgenden Tage ebenfalls nur unförmliche Schleimpartikeln und einige kleine Monaden. Die Vorbereitungen zur weiteren Reise nahmen in Alexandrien die fernere Zeit in Anspruch. Eine zweite Beobachtung von Phosphorescenz, welche wir in Afrika machten, war erst im Jahre 1822 in Dongala am Nile. In Ambukohl hatten wir von Fischern mehrere grofse Nilfische gekauft; einen derselben, einen mehr als Fufs langen Panzerfisch, Heterotis nilotica, (') Dafs das Spongodium kein Thier, sondern eine Pflanze sei, liels sich sogleich ent- scheiden. Es besteht nur aus grünen Confervenfäden, welche in keulenartige Fructifications- organe enden. das Leuchten des Meeres. 533 benutzte ich zur Untersuchung des Skelets und präparirte das Fleisch von den Gräten ab. Am Abend war dieser, fast schon ausgetrocknet, von der Hitze übel riechend geworden und er wurde deshalb in einige Entfernung vom Zelte verlegt. Am Abend des zweiten Tages war dieses ganze Skelet hell phosphorescirend, wie ich nie etwas ähnliches gesehen hatte. Wir ha- ben diese Erscheinung weder bei Flufsfischen noch bei Seefischen wieder beobachtet, vielleicht weil wir, um den üblen Geruch zu vermeiden, Arse- nikseife darüber strichen. Wäre diefs also der Nilfisch Dilychnos des Strabo, dessen Augen im Tode leuchten? Neue Gelegenheit für Beobachtungen des Leuchtens fand sich im ro- then Meere. Im Mai und Juni 1323 waren wir in Sues, ohne ein Leuchten des Meerwassers zu bemerken, allein schon bei der Überfahrt von Sues nach Tor am Sinai sahen wir das herrliche Funkensprühen bei bewegtem Meere. Es war eine finstere Nacht mit heftigem Nordwinde, der uns nur leider beide seekrank machte. Auf dem ganzen Wege von Tor bis Moileh jenseits des Meerbusens von Akabah und an allen Inseln im Eingange dieses Meerbusens hatten wir das prachtvolle funkensprühende Leuchten immer. Ich liefs an verschiedenen Orten im hohen Meere, kurz vor dem täglichen Einlaufen in den Hafen, Wasser schöpfen, in der Meinung, ich werde es mit Infusorien oder kleinen Medusen erfüllt finden, allein in dem geschöpften Wasser wa- ren meist beim starken Umrühren am Abend nur wenige Leuchtpünktchen sichtbar, während das Meer, aus dem es geschöpft wurde, des Nachts zu brennen schien, und Thiere fand ich nie darin. Ob sie beim Schöpfen im Eimer zu Boden sinken oder was sonst hier wirkt, blieb unerklärt. Gern gebe ich der Seekrankheit, von der ich unablässig heimgesucht wurde, und der Unbequemlichkeit der arabischen Schiffe einige Schuld, dafs jene Beob- achtungen für Lebendiges unfruchtbar waren, allein oft habe ich mit grofser Sorgfalt untersucht und ebenfalls nur schleimige Theilchen oder Kügelchen gefunden. Noch weit umständlicher und specieller verfolgte ich die Erscheinung des Leuchtens im Hafen von Tor, wo ich 5 Monate lang im Zelte und in einem Corallenhause einheimisch war. Das Besuchen der Corallenriffe und das Anlegen von Magazinen lebender Corallen gab mir vielfach Gelegenheit, das Leuchten zu beobachten. Alle Arten von Corallen ohne Ausnahme und alle Fuci, so wie das Seegras leuchtete bei Tor. Ein Ruderschlag am Abend 534 EurenBEen: auf einem Corallenriffe sprühte zahllose Fuuken. Hier sah ich zuweilen, dafs die in dem Uhrglas oder beim Durchseihen aufgefangenen Körperchen kleine Krebschen waren, die jedoch einzeln beobachtet und gereizt nicht leuchteten. Gewöhnlich fand ich Schleimkügelchen, an denen ich keine Structur entdecken konnte, die auch oft gerissene Ränder zeigten. Ohner- achtet eines {1monatlichen Aufenthaltes im rothen Meere und ohnerachtet der unausgesetzten Beachtung des Phänomens, beim eignen Sammeln und Beobachten von mehr als 100 Arten von Corallenthieren und Tausenden ver- schiedener Meereskörper, von denen wir alle Nächte umgeben waren und wovon die Beweise im Königlichen Museum liegen, sahen wir doch nie ein deutliches und auffallendes selbstständiges Leuchten der gröfseren. An Medusen- Arten war das Meer, als wir es bereisten, auffallend arm. Pen- nateln, Pyrosomen und Salpen gab es gar nicht, aber das funkelnde und blitzende Leuchten war oft, und fast immer, überaus auffallend und ergöz- zend. Selbst faule Körper am Strande leuchteten nicht, vielleicht weil die Zersetzung zu rasch erfolgte. Das Resultat meiner Untersuchungen im ro- then Meere blieb, dafs es im Meerwasser eine nicht eben fein zertheilte, schleimartige, zersetzte, organische Substanz gebe, welche das Leuchten bedinge, und dafs mit dieser alle übrigen Körper zufällig theilweise besetzt und zuweilen vielleicht eingehüllt werden. Diese Substanz bildete aber un- serer Erfahrung nach frei im Meere nie einen zusammenhängenden Schleim oder eine Haut, sondern nur kleine Flocken. Nie habe ich mich auch über- zeugen können, dafs ein mikroskopisches lebendes Thierchen ganz für sich die Ursache des Leuchtens war. Übrigens fehlt es im rothen Meere keineswegs an gröfseren Leucht- thieren. Das ganze Geschlecht der Medusen nernen die Araber Kandıl el bahhr, d.i. Seelaternen oder Seelichter, und es scheint nur eine Pe- riodieität nicht des Leuchtens, sondern der Erscheinung der wirklich leuch- tenden Medusen-Arten daraus hervorzugehen, dafs ich zwar viele Medusen, aber nie leuchtende daselbst gesehen. Besonders Andromeda Cephea von Forskäl und Medusa aurita habe ich in zahlloser Menge Tag und Nacht zur Seite gehabt, ohne sie, wie Forskäl, je leuchtend zu sehen. Im Juli 1823 hatten wir bei Moileh auf der Rhede ein sehr auffallen- des Seeleuchten durch. Züge kleiner Sardellen, Clupea erythraca, welche wir bis in weite Entfernung vom Schiffe verfolgen konnten. Ja es liefsen das Leuchten des Meeres. 535 sich sogar die einzelnen Individuen zuweilen ganz scharf erkennen, obschon das sie umgebende Wasser ohne Funkeln und ganz dunkel war. Es ist da- her unwahrscheinlich, dafs diese Fischzüge nicht selbst mit Leuchtstoff um- geben gewesen wären, sondern nur im Vorbeischwimmen den Leuchtstoff des Meeres berührt hätten; auch war das Meer damals beim Rudern nicht ungewöhnlich leuchtend. Im südlichen arabischen Meere war ebenfalls das funkensprühende Leuchten in den Jahren 1824 und 1825 stark und schön, und bei völliger Windstille blitzte das Meer, wenn wir über die Fläche sahen, zuweilen auf, während es in der Nähe wenig lichtreich erschien. Am Tage sieht man bei Windstille sehr oft einzelne Stellen der ganz glatten Meeresfläche sich fein kräuseln, was ganz deutlich durch einen schwachen lokalen Luftstrom bedingt zu sein scheint, der auch jenes Blitzen des Nachts bewirken mag. Diese kleinen Luftzüge (daher auch das Blitzen) sind die Vorboten des eintreten- den Windes nach Windstille.. Auch beim Baden am späten Abend fanden sich Lichtpunkte an unserm Körper. Don Juan de Castro hat sogar dort das Leuchten des Meeres von allen Europäern, wie es scheint, zuerst be- merkt, und es mochten, seiner Darstellung nach, gröfsere Medusen gewe- sen sein. Die Salpa-Art, welche das rothe Meer roth färben soll, wie Quoy und Gaimard vermuthen, ist hypothetisch. db. Das caspische Meer. Im Jahre 1829 befuhr ich mit Herrn Alexander v. Humboldt und Gustav Rose auf einem Dampfschiffe einen Theil des caspischen Meeres am Ausflusse der Wolga bei Astrachan. Obwohl schon sehr entfernt vom Lande, war das Meerwasser noch sehr wenig salzhaltig. Wir sahen zur Nacht kein Leuchten. Hablizl’s Beobachtung kleiner Leuchtkrebschen da- selbst zeigt aber, dafs es ebenfalls leuchten möge. c. Beobachtungen aus der Ostsee und Nordsee. Je mehr ich durch die im rothen Meere 9 Monate lang oft wiederhol- ten Beobachtungen und direeten Untersuchungen in der Meinung bestärkt war, dafs bei weitem die gröfste Lichtmasse des oft äufserst intensiv fun- kelnden rotben Meeres durch schleimige, in demselben umherschwimmende 536 EurENBERG: zersetzte Theile hervorgebracht werde, desto mehr wünschte ich die Körper kennen zu lernen, welche Herr Dr. Michaelis in der Ostsee bei Kiel jähr- lich beobachten zu können im Jahre 1330 angab. Ich hatte in jenen hei- fsen Ländern die Erfahrung gemacht, dafs sich lebende kleine Thiere, wenn sie nur nicht aus ihren Umgebungen und Elemente genommen werden, sich weit transportiren lassen. So hatte ich in Tor eine grofse Zahl Infusorien beobachtet, welche ich zwischen Conferven vom Sinaigebirge 3 Tagereisen weit in brennender Tageshitze, doch gut verwahrt, mitgenommen hatte. Ich habe dann ähnliche Beobachtungen öfter immer so gemacht, dafs ich nur nasse Conferven in einer Blechbüchse mit mir nahm. So lange die Con- ferven grün waren, lebten auch immer die kleinen sich zu ihnen gesellenden Thiere. Ich schrieb daher an Herrn Michaelis und erhielt auf meine Bitte im Jahre 1830 einige Fläschchen Ostseewasser aus Kiel mit Leuchtthierchen. Was ich erwartet hatte, sah ich erfüllt. Eins der Fläschchen zeigte in Berlin, wenn ich es im Dunkeln schüttelte, sehr deutliche Lichtfunken;; das andere war erloschen. Gofs ich etwas von dem geschüttelten Leuchtwasser in ein Uhrglas und that ich, nachdem das Licht weggenommen worden war, ein wenig Schwefelsäure dazu, so sah ich sogleich mehrere helle Lichtfunken. Ich untersuchte nun die einzelnen Funken des Wassers. Es waren besonders mehrere Arten von Cycelops lebend, allein obschon ich sie vielfach in Uhr- gläsern absonderte und einzeln reizte, so leuchtete doch keiner. Überdiefs fand ich nur eins von den von Herrn Michaelis verzeichneten Hauptleucht- thieren, die Synchaeta baltica, welche er Yorticella genannt hat, und auch diefs leuchtete nicht. Die eigentlichen Leuchtthierchen fand ich ohne grofse Schwierigkeit am Boden. Es waren sehr kleine, dem blofsen Auge noch recht wohl sichtbare Ringwürmer, Annulaten, von nur 4-4” Länge. Ich that eins dieser Thierchen einzeln in einen Tropfen Wasser und brachte mit einem Glasstäbchen etwas Schwefelsäure hinzu. Sogleich entstand ein ein- zelner heller Punkt und das Thierchen lag todt in dem Tropfen. Ich zeigte nach Ermittelung des eigentlichen Lichtirägers diese interessante, ganz über- zeugende Erscheinung mehreren bei diesem Vortrage hier anwesenden Freun- den, indem ich die noch übrigen gleichartigen Thierchen isolirte und bald Weingeist, bald Säuren zum Wasser setzte oder ein Thierchen einzeln auf eine feine Messerspitze nahm und im Finstern in verdünnte Säure senkte. Es blieb kein Zweifel übrig, dafs alle Lichtpunkte des übersandten Kieler das Leuchten des Meeres. 537 Wassers nur von ebensoviel Individuen der Polynoe fulgurans, wie ich es nannte, gebildet wurden. Nachdem sämmtliche Individuen zu den Experi- menten verbraucht waren, leuchtete das Wasser nicht weiter. Unter dem Mikroskope zeigte das nicht in Schleim gehüllte, behaarte und mit Schildern besetzte Thierchen zu den Seiten des Leibes 2 innere, grofse, gekörnte Organe, und gerade in dem Verhältnifs dieser Organe zu ihrem Körper erschien auch der Lichtfunke, nämlich der Hälfte der Länge gleich. Diese Organe gleichen aber ganz offenbar den Eierstöcken dieser Thiere, und so scheint denn, dafs eine krampfhafte Zusammenziehung des Körpers durch Druck auf die Eierstöcke das Licht erzeuge. Diese Beobach- tung machte ich vorläufig im vorigen Jahre (1831) in Poggendorff’s An- nalen bekannt und gab daselbst eine verkleinerte Abbildung meiner Zeich- nung des Thierchens. Da ich zwar die Erscheinung gesehen und bestätigt, aber ein anderes Resultat erhalten hatte als Herr Michaelis, so bat ich im folgenden Jahre 1832 nochmals um dergleichen Seewasser. Ich erhielt 2 Flaschen im Au- gust und noch 4 Flaschen im September. Durch die Versuche, welche ich mit diesem Wasser anstellen konnte, sind in mir alle Zweifel über die Fr- scheinung des Leuchtens bei Kiel beseitigt worden. Das Leuchten des Ost- seewassers war in einzelnen kleinen Flaschen in Berlin vollkommen deutlich zu sehen, wie sich viele, auch einige der Herren Akademiker, mit mir über- zeugt haben. Diese kleinen, so oft besprochenen Fünkchen, welche, wenn sie zahlreich in einer Fläche sichtbar werden, ein Aufblitzen, einen Schim- mer und eine Milchfarbe ganzer Meeresflächen bewirken, waren hier deut- lich nicht Ergüsse der electrischen Spannung einer Wassermasse, son- dern die kleinen von Herrn Michaelis beschriebenen und abgebildeten In- fusorien. Es gelang mir leicht, mit feinen Federpinseln einzelne Lichtpunkte so aufzuheben, dafs sie auf der Spitze der Feder aufser dem Wasser leuch- teten. Ein solches Tröpfchen mit einem einzelnen Lichtpunkte unter das Mikroskop gebracht zeigte mir 9 mal hinter einander das lebende Peridinium Tripos ganz allein, so dafs kein Zweifel darüber sein konnte, dafs die Licht- entwicklung von ihm ausgegangen war. Zusatz von etwas Säure in den et- was vergröfserten Tropfen zeigte wieder einen einzelnen hellen Lichtpunkt. Auch bei Peridinium Fusus habe ich mich 4mal auf diese Weise von seinem Leuchten überzeugt. Ebenso konnte ich Peridinium Furca und Prorocen- Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Yyy 538 EurEengEerg: trum micans deutlich als leuchtend erkennen. Drei dieser Formen sind offen- bar dieselben, welche Hr. Michaelis beobachtet und abgebildet hat. Syn- chaeta baltica, ein von mir so benanntes Räderthierchen, welches ebenfalls leuchten soll, habe ich oft in dem Wasser gefunden, aber obschon es grö- fser als alle übrigen ist, nie leuchtend gesehen. Es ist mehr als wahrschein- lich, dafs der fruchtbare oder unfruchtbare Zustand dieser Thierchen das Leuchten begünstigt oder hindert. Die von Herrn Michaelis abgebildeten Individuen tragen Eier mit sich und haben mithin fortdauernde Eientwick- lung im Eierstock; die von mir beobachteten Individuen waren ohne stark entwickelten Eierstock, unfruchtbar. Anuraea biremis und Anuraea? octoce- ras, zwei andere Räderthierchen des Kieler Wassers, leuchteten ebenfalls nicht. Endlich leuchtete kein einziges Individuum der zahllosen Zntomo- straca, besonders der Gattung Cyclops, welche das Wasser erfüllten und an Gröfse die genannten sehr übertrafen. So wären denn diefs die ersten Leucht-Infusorien, welche genau systematisch bezeichnet werden können und einen neuen grofsen Einflufs dieser dem blofsen Auge unsichtbaren Or- ganismenreihe aufser Zweifel stellen. Endlich habe ich im vorigen Jahre 1833 bei Droebak im Meerbusen von Christiania in Norwegen zu Ende August’s ein Meerleuchten zu beob- achten Gelegenheit gehabt, welches durch verschiedene Arten von Medusen erzeugt wurde und mir eine neue Seite dieser Erscheinung darbot. Es war Windstille bei etwas bedecktem Himmel, am folgenden Morgen trat allge- meine Bedeckung des Himmels und allgemeiner Regen ein. Bewegte Leucht- kugeln von der Gröfse einer Haselnufs bis zu der der infusorischen Licht- punkte bildeten eine zahllose sternenartige Bevölkerung des Meeres. Ich zeichnete am folgenden Morgen die dort gesehenen und geschöpften Formen; es waren: Cydippe Pieus, Oceania pileata, Melicertum campanulatum, Ocea- nia (Thaumantias) Lenticula n.sp. (') und Oceania mieroscopica. Die Ocea- (') Oceania (Thaumantias) Lenticula; dimidia linea minor, hemisphaerica, obsolete umbonata, cirris marginalibus crassis, brevibus 4-5, basi bulbosis, quaternis cruciatim oppo- sitis validioribus. — Wentriculus brevis, e disco prominulus. Os quadrifidurn, appendieibus nul- lis. Ferrucae nonnullae inter cirros marginales, cirrorum basi minores, nec cirrigerae. Ab oris angulis quaternis totidem vasa lata ad marginem producuntür. Obwohl ich diese Form für leuchtend zu halten Ursache hatte, so gelang es doch nicht, eines der wenigen Exemplare scharf zu isoliren. Die Gattung Thraumantias könnte leicht junge Specimina der Oceanien das Leuchten des Meeres. 539 nia microscopica von 1; Linie Durchmesser bildete äufserst lebhaft leuchtende, kräftig, den Cyelops-Larven ähnlich, hüpfende und bewegliche Punkte, Es gelang mir, sie zu isoliren und mich von ihrer selbstständigen Lichtent- wicklung so zu überzeugen, wie es bei der Polyno@ fwlgurans geschehen. Ihr Licht ist viel heller, weifser und stechender als die gelben Funken der Infusorien. Leblosen, leuchtenden Schleim fand ich nicht, auch keine leuchtenden Infusorien. Besonders bei Cydippe Piüeus überzeugte ich mich, dafs das Leuchten von der Mitte gerade da ausging, wo die beiden Eierstöcke liegen, und dafs die ganze gallertige Kugel, welche das Thier bildet, theils in der Richtung der 8 Rippen radienartig, theils so erleuchtet werde, wie der Schirm oder die Glocke von mattem Glase, womit man die Argand’schen Lampen überdeckt. Bei Oceania pileata erschien es mir ebenso. Vergleiche ich damit die Erscheinung der oben erwähnten leuchtenden Infusorien, so ist es auffallend, dafs diese sämmtlich innen gelb gefärbt sind, während die anderen, nicht leuchtenden Arten derselben Gattungen meist grün er- scheinen. Auch ist durch den allmäligen Übergang von gröfseren zu den kleineren Formen deutlich, dafs die innere Färbung der Infusorien, da wo sie nicht durch die Nahrung gegeben ist, kleinen Körnern angehört, welche mit grofser Wahrscheinlichkeit den Eierstock bilden. So wäre denn von 3 Seiten mit Wahrscheinlichkeit das Resultat gewonnen, dafs die Eierstöcke die besonderen Träger des Leuchtens mehrerer dieser Leuchtthiere, sowohl bei Annulaten, als bei Medusen, als bei Infusorien sind. Aus der Geschichte der früheren Beobachter ergiebt sich ferner, dafs bei kleinen Leuchtkrebsen zuweilen einige derselben Art gleichzeitig leuch- tend, andere lichtlos waren, und dafs die Beobachter jene für eiertragende Weibchen erkannten; so Hablizl, Thulis und Bernard. Das Leucht- organ der Pyrosomen, wie es zuletzt (1834) geschildert worden, würde eben- falls dem Eierstocke zunächst vergleichbar sein und in der Leuchtstelle des Carcinium vermuthet sein Beobachter selbst den Eierstock, obschon er das Organ für Nervensubstanz hält. Der Zeichnung nach gehören die letzteren Organe wohl ohne Zweifel zum Geschlechtssystem, weil man diefs früher enthalten, und ich halte die verdickte Basis der Fühlfäden nicht für einen Charakter, der eine besondere Gattung begründen kann. Übrigens könnte Eschscholz die 4 Eierstöcke für Magen gehalten haben. Vielleicht ist diefs dieselbe Oceanide, welche 1823 und 1831 beobachtet wurde. Yyy2 540 EHreEnBeEre: erkennen mufs als das feinere Nervensystem, und wenn das abgebildete Thierchen ein junges Männchen gewesen, so liefse sich glauben, dafs die erwachsenen Weibchen noch stärker als diese Männchen leuchten mö- gen ('). Dafs die Form hermaphroditisch wäre, würde gegen den herrschen- den Charakter seiner Gruppe sein. Ferner sind auch die Lampyrideneier und Eidechseneier leuchtend gefunden. Vielleicht giebt es endlich, wie vielfach berichtet worden, leuchtenden Fischlaich, auch Rogen und Milch der Fische phosphoreseiren vorzugsweise nach dem Tode (1800) und enthal- ten mit dem Gehirne vorzugsweise entzündlichen Phosphor (1807. 1811). So ergäbe sich denn mit grofser Verbreitung das Geschlechtssystem oder der Eierstock als das Lichttragende direct zu erkennen (?). Rücksichtlich des Leuchtens der Medusen der Östsee stellte ich in den Jahren 1833 und 1534 in Wismar vielerlei Versuche an. Ich hatte nur Me- dusa aurita bequem zur Disposition. Ihre Gröfse war zwischen 6 Lin. und 1 Fufs im Durchmesser. Das Meerwasser hatte im August die Temperatur von 11-14° Reaum. Ich habe lebende Exemplare im Dunkeln auf sehr ver- schiedene Weise gereizt, Brunnenwasser, Brantwein, Schwefelsäure und Er- hitzung angewendet, sie gestochen, zerschnitten und zerrissen, allein von einer Lichtentwicklung, sie mochten mit vollen oder leeren Eierstöcken sein, nie eine Spur gesehen. Auch sah ich die todten Medusen wohl zerfliefsen, aber nicht leuchten. Ebenso habe ich die, wie aus der mitgebrachten Ab- bildung hervorgeht, wohl unbezweifelte Medusa aurita im rothen Meere lichtlos häufig gesehen. Sollte die leuchtende Medusa aurita des atlantischen Oceans (1814) vielleicht eine sehr nah verwandte andere Art sein? (') Das gezeichnete Exemplar, welches, wegen Undeutlichkeit der Sexualorgane, auch, fast ein Räderthier anzeigenden, unentwickelten Bewegungsorgane, offenbar ein junges Thier ge- wesen, halte ich deshalb nicht für weiblich, weil dann die als Nerven bezeichneten Organe vielmehr zum Eierstock gehören würden, dieser aber, ohne von Eiern erfüllt zu sein (im jungfräulichen oder unthätigen Zustande) bei allen untersuchten Entomostracis und Rotatorüs von mir nie so lang zweihörnig, sondern kurz und breit gefunden worden. (?) Die Leuchtinfusorien vom Jahre 1832 habe ich in den 1834 gedruckten dritten Bei- trag zur Organisation im kleinsten Raume unter kurzer Diagnose mit aufgenommen. Ihre speciellere Bezeichnung und Abbildung ist hier beigefügt. Ich erwähnte damals auch einer Anuraea? octoceras als vermeintlichen Leuchtthierchens. Diese Form habe ich, weil die Beobachtung nicht hinreichende Vollkommenheit hatte, hier nicht aufgenommen und ihre Ab- bildung unter dem Namen Microtheca ocioceras unter den Bacillarinen der XI! Tafel des allgemeinen Infusorienwerkes stechen lassen, welches ich jetzt bearbeite. das Leuchten des Meeres. 541 Ich schliefse an diese Beobachtungen noch einige andere nachträg- lich an. Im Jahre 1834 befand ich mich im Monat August in Wismar und hörte von den Lootsen der Insel Poehl auf meine indirecten und directen Fragen, dafs das Meer, die Ostsee bei Wismar, jedes Jahr etwas später im Herbste sehr leuchtend sei. Ich selbst war zur Nacht nicht entfernt genug von der mit Flufswasser vermischten Küste und das von Poehl mitgenom- mene Seewasser leuchtete Nachts in Wismar nicht. Durch Herrn Dr. Mi- chaelis Güte erhielt ich in Wismar nochmals schwach funkelndes Wasser von Kiel und auch diefs Leuchten bewirkten höchst wahrscheinlich Infuso- rien. Es war darin eine dem schwachen und seltenen Lichte ganz angemes- sene, bis dahin nicht gesehene, kleinere Form derselben Gattung Perxdi- nium, welcher schon fast alle übrigen Leuchtinfusorien angehören. Ich habe sie als Peridinium acuminatum bezeichnet und abgebildet. Scharf iso- liren konnte ich sie nicht, weil ich zu wenig Exemplare hatte und diese beim Beobachten und Zeichnen starben, indem ich die ersten, da keine physio- logische Beobachtung einen Werth hat, deren Object unsicher ist, wie ge- wöhnlich der Formbetrachtung opferte. Eine noch neuere Beobachtungsreihe scheint mir das Interesse des Gegenstandes noch mehr zu erhöhen und Einklang in eine noch andere Folge der früheren Erfahrungen zu bringen. Ich war im August dieses Jahres (1835) in Helgoland, um lebendige Anschauungen von Lebensformen des Meeres in einer der Kürze der Zeit angemessenen, doch möglichst reichhal- tigen Zahl von Neuem aufzunehmen. Ich fand unter anderem das Meeres- leuchten schön und lebhaft und opferte gern demselben mehrere Nächte. Kurz vor meiner Ankunft hatte ein sehr heftiger Sturm alle Medusen zer- schellt und vertrieben; ich fand nur wenige, aber meist noch lebende, Frag- mente der rostfarbenen grofsen Cyanea capillata, der braunstreifigen grofsen Chrysaora isoscela, der amethystfarbenen Cyanea Lamarcki von mittlerer Gröfse, die ich schon bei Droebak in Norwegen gesehen hatte, und endlich einer kleineren Cyanea, die ich für unbekannt halte und als Cyanea helgo- landica (!) bezeichne. Von all diesen Formen sah ich keine leuchtend. Ich (') Cyanea helgolandica: pollicis latitudine minor, hyalina, disco medio obsolete pa- pilloso, cirris inferis inaequalibus quinis, ternis majoribus, medio longissimo, ita ut 8 tantum ceirros marginales exserat, margine profundius lobato, tentaculis oris quatuor parum ac vix exsertis, hyalinis. 542 EnHurEnBERG: reizte sie ebenfalls auf sehr verschiedene Weise umsonst. Erwärmung des Wassers gab kein anderes Resultat. — Sind nicht in der sehr veränderlichen Chrysaora tsoscela (oder hyssoscella der Auctoren) doch, wie Peron vermu- ihet, verschiedene Arten begriffen worden? Die portugiesische würde die eigentliche Art sein. ‚Eine ihrer Formen, vielleicht die von der nordischen verschiedene wahre, hat Herr Alexander von Humboldt 1814 leuchten gesehen. Dafs die geringe Temperaturverschiedenheit des Meerwassers das Leuchten so lokal mache, ist weniger wahrscheinlich und durch meine Beob- achtung der auch bei Erwärmung und im rothen Meere lichtlosen Medusa aurita noch unwahrscheinlicher. Auch todt leuchtete keine der genannten Formen. Oder gehören noch besondere Verhältnisse dazu, bei todten Me- dusen das Leuchten zu erwecken? Das Meerwasser hatte bei Helgoland im August im Meere 15-18° Reaumur Wärme, ‘im rothen Meere im August 18- 20° Reaumur. Das leuchtende Meer gab Ausbeute an kleineren, ganz anderen Thie- ren. Während der 10 Tage meines Aufenthaltes in Helgoland gab es öfter Gewitter und Regen, nie ganz wolkenlosen Himmel, aber an den Tagen, wo es am'schönsten leuchtete, :hatte der Himmel nur einen Wolkensaum am Horizonte. Es war keine andauernde Windstille, sondern die zuweilen glatte Oberfläche wurde immer in kleinen Zwischenräumen durch lokale Luftströme gekräuselt. Es war meist Südwest- und Nordwestwind. Einige Helgolander versicherten, das Meer leuchte nur bei Westwind, andere, nur bei Nordwind, und von andern hatte ich früher gehört, es müsse Südwind sein, so dafs ich auf die Richtung des Windes nicht viel Gewicht zu legen Ur- sache hatte. Ich sah es daselbst bei Südwestwind, Westwind und Nordwest- wind. Da die Westwinde dort mehr feuchte Atmosphäre und Wolken brin- gen, so kann wohl das atmosphärische Verhältnifs zum Auftauchen der Leuchtthiere mit einwirken. Ein Blinken der ganzen Fläche sah ich nicht, aber beim Rudern schien das Wasser zuweilen doch wie flüssiges, glühendes Metall. Ich beobachtete besonders 3 Nächte lang sehr anhaltend. An einem schönen Abende fuhr ich gemeinschaftlich mit Professor Rudolph Wagner aus und wir ergötzten uns am Feuerwerke. Ich habe im Ganzen 35 mal zu den Versuchen Wasser geschöpft und Nachts mehrmals stundenlang am Strande das Phänomen in seinen Einzelheiten betrachtet. Ich fand keine Infusorien im leuchtenden Seewasser in Helgoland, allein ich fand Anfangs das Leuchten des Meeres. 543 oft zerrissene, gallertige Theile, die, scharf isolirt, ein helles Licht gegeben hatten, und dann fand ich die zerrissenen Gallertkügelchen deutlich wieder, welche ich vom mittelländischen und rothen Meere her kannte. Überdiefs sah ich zum ersten Male das herrliche Leuchten der Nereiden oder Leucht- würmer, das wie ein Feuerwerk die Seepflanzen belebt und den Badenden zur ergötzlichsten Belustigung diente. Kaum wissend, wo in diesem Über- flusse von herrlichem neuen Material die specielle Betrachtung anzufangen sei, zog ich die unklarsten Theile desselben zuerst vor. Dafs die Leucht- würmer das Licht selbst produeirten, war augenscheinlich, aber diefs con- eurrirte gar nicht zu der Erscheinung des Meeresleuchtens beim Ruder- und Wellenschlage, indem diese Würmer nicht schwammen, sondern an den Tangen umherkrochen und seltner, mit ihnen ausgeworfen, am Ufer lagen. Ich schöpfte leuchtendes Wasser mit grofsen weilsen Cylindergläsern ein, die ich für solche Zwecke mit mir hatte. Im Zimmer des nur wenig vom Ufer entfernten Hauses angelangt bewegte ich das Wasser und fand es im Finstern noch in vielen einzelnen Funken leuchtend. Ich nahm mit kleinen Uhrgläsern nun einen kleinern Theil auf und bewegte es in diesen wieder, auch da leuchtete es funkenweis. Beim Lichte schien es ganz klar und was- serhell. Ich fing mit einem breiten Federpinsel einen leuchtenden Punkt auf und brachte ihn unter das Mikroskop; es war, wie früher und wie in Afrika, ein zerrissenes Schleimhäutchen. Eine schärfere Untersuchung des Wassers in den Uhrgläsern zeigte mir dann aber bald kleine rundliche Gal- lertkügelchen. Ich hatte deren 4 in einem Glase, gofs etwas Brantwein zu und sah 4 helle Funken. So schnell und schlagend hatte ich mir die Ent- räthselung nicht gedacht, denn damit war schen der Schlüssel für die Er- scheinung gefunden. Ich schöpfte nun öfter, zählte jedesmal die deutlich lebenden und langsam schwimmenden Gallertkügelchen, in denen die Me- dusa oder Noctiluca scintillans leicht erkenntlich war. Beim blofsen Bewe- gen des Wassers im Uhrglase leuchteten selten alle, aber immer beim Hin- zuthun von Brantwein, Brunnenwasser oder erhitztem Seewasser. Beim Einschöpfen mit dem Uhrglase aus dem Cylinderglase hatte ich oft 10 bis 20 Noctiluken in demselben, so erfüllt waren das Meer und das Glas davon, und meine directen Versuche über das selbstständige Leuchten gezählter einzelner Thiere belaufen sich bei mehr als 30 jener auf über 200 der letzte- ren. In allen auf dem Zimmer vorgenommenen Versuchen ergab sich, dafs 544 EnureEnBEenre: zwar überaus vieles, aber nichts anderes Leuchtendes in dem Seewasser war als die kleinen Gallertkügelchen von der Gröfse eines Stecknadelknopfes, welche beim Herausnehmen aus dem Wasser und Übertragen auf den Ob- jectträger des Mikroskops oft platzten, wie gefaltete und zerrissene Gallert- häutchen erschienen und dann nicht mehr leuchteten ('). Nicht befriedigt, dieses organische Licht zu jener klaren Entscheidung gebracht zu haben, wanderte ich Abends und Nachts am Strande auf und ab und untersuchte die Leuchtstoffe, welche das Meer in reicher Fülle aus- warf. Ich hatte mehrere kleine Gläser bei mir, um Einzelnes sogleich zu isoliren. Alles was ich von Leuchterscheinungen sah, liefs sich auch auf die Noctiluca anwenden, und alle Lichtpunkte, die ich auffing, liefsen jene ganz oder zerrissen so erkennen, dafs andere, nicht darauf passende Leuchtstoffe mir nicht vorkamen. Zuweilen nur warf das Meer auch zollgrofse Haufen von zusammenhängenden Leuchtpunkten und 2 bis 3 Zoll lange Ketten aus, die aber die nächste Welle wieder mit sich nahm oder die im Sande sogleich zerrannen und verschwanden. Um diese Erscheinung zu prüfen, bemühte ich mich daher sehr angelegentlich, dem Wellenspiele solche Haufen und zusammenhängende Ketten von Feuerfunken zu entziehen, was nicht ohne Schwierigkeit war. Mit Geduld und den Umständen abgewonnener Erfah- (') Slabber's Abbildung dieser Noctiluca ist recht gut, ruhend, er hat nur den zurück- gezogenen Rüssel übersehen. Diesen Rüssel hat schon Diequemare richtig angegeben. Die Abbildung bei Woodward (1831) ist auch gut, zeigt die Thiere in Bewegung, alle sind jedoch zu klein, um die Structur bestimmter erkennen zu lassen. Gewöhnlich ist unter dem Mikroskope gar kein Rüssel zu sehen, allein wenn man die Gegend der Einbuchtung oder des Nabels, wo immer schon der Mund vermuthet worden, scharf betrachtet, so sieht man allemal den zurückgezogenen Rüssel spiralföürmig zusammengewickelt daselbst liegen. Nur beim Schwimmen ist er frei ausgestreckt und er scheint ganz dem Monadenrüssel analog zu wirken, jedoch ohne zu wirbeln. Dafs diese Form nicht zu den polygastrischen Thieren gehört, habe ich mich überzeugt. Ihre Ernährungskanäle gehen radienartig und verzweigt vom Munde über die kugliche Scheibe hin, wie bei den Medusen. Der Eierstock liegt im Innern der Kugel. Tilesius hält 1819 p.29 diese Gallertkügelchen für seine Mammarien (Warzenthierchen Nabelthierchen?), die er p.43 und 44 als Gallerteier mit rothen Punkten bezeichnet und 1814 abgebildet hat. Die Abbildung ist sehr unklar. Die gezeichneten Thiere, deren Nabel doch sichtbar ist, scheinen sehr mit rothen Eiern erfüllt gewesen zu sein. Baird’s Tbierchen hatten keine rothen Eier und sind jedenfalls das Prysematium atlanti- cum, das vielleicht wegen anders gefärbter Eier als Mammaria atlantica abzusondern ist. Ich habe von der Mammaria (Noctiluca) scintillans sowohl eine detaillirtere Zeichnung als auch Exemplare, die ‘sich erkennen lassen, mitgebracht. das Leuchten des Meeres. 545 rung gelang es mir, eine Mehrzahl derselben (!) zu fangen, und nach jedem solchen Fange ging ich eilend in meine Wohnung, um sogleich zu sehen, was ich aufgefangen. Obwohl ich sorgfältig das Object trug, so fanden sich doch immer nur zerrissene, gallertige, zollgrofse Häute, die ganz deutlich den Charakter von Fragmenten zerstörter Medusen an sich trugen. Leicht hätte ich mich auch jetzt wieder, wie früher in Alexandrien und im rothen Meere, damit beruhigt, allein die vielen organischen, lebenden Leuchtwe- sen, welche ich bis dahin nun schon beobachtet hatte, machten mich mifs- trauisch gegen das frühere und gegenwärtige erneute Resultat. Ich nahm spät am andern Abend ein Boot und suchte nach den Leuchtmedusen, de- ren Theil jene Gallerte zu sein schien. Es glückte vortrefflich. Halb über- zeugt, in der Dunkelheit den guten Fang eines zusammengesetzten funkeln- den Lichtes gemacht zu haben, ward ich es beim Lichte ganz. Ich hatte 2 Exemplare der Oceania (Thaumantias) hemisphaerica (Medusa hemisphaerica der Zoologia danica) in einem meiner Gläser. Eins derselben war beim Fan- gen zerrissen, klappte und schwamm aber munter herum. Beide waren so durchsichtig, dafs ich, obwohl sie über einen Zoll im Durchmesser hatten, bei schwacher Ortsveränderung oft Mühe hatte sie zu erkennen. Lebhafte Örtsveränderung verrieth sie aber leichter. Ich isolirte eine dieser Medusen in einem Uhrglase, ging in das finstere Zimmer und erregte sie mit einem Stifte. Sogleich erschien ein völlig unerwarteter ganzer Kranz von Feuer- funken im Umkreis des Randes. Dasselbe zeigte das zerrissene Exemplar in verschiedener Ordnung, zuweilen in fast einfacher Reihe oder Kette, je nachdem die Lappen des zerrissenen Thieres eine verschiedene Lage beka- men. Ich wiederholte diese Beobachtung dann öfter mit demselben Erfolge. Das ganze Thier habe ich gezeichnet und auf Glimmer getrocknet mitge- bracht. Das verletzte verwendete ich zu weiterer Untersuchung. Durch Brantweinzusatz in das Uhrglas erschien wieder nur ein einmaliges helles Auf- blinken vieler Funken am Rande. Nach mehrfacher Abschätzung der Zahl dieser Funken und nach deutlicher Stellung derselben entsprachen sie alle- mal der verdickten Basis der grölseren Cirren am Rande, oder Organen in (‘) Die Ketten kleiner Lichtpunkte, welche Langstaff im hohen Meere sah, waren wohl nicht solche, sondern die von Baird abgebildeten kleinen Salpen. Phys.- mathemat. Abhandl. 1834. Zzz 546 EHRENBERG: deren Nähe und mit ihnen abwechselnd. Sonst gab der Körper dieser Thiere, weder lebend noch im Tode, irgend eine Spur von Licht. Somit war es mir denn zur Überzeugung geworden, dafs todte, zerstörte Medusen dort so wenig leuchten als Fragmente todter Fische oder umhertreibender Schleim. Es folgte darauf nothwendig die Vermuthung und bei Berücksichtigung der Umstände die Überzeugung, dafs auch meine im rothen Meere und bei Ale- xandrien gemachten Beobachtungen über das Leuchten von Fragmenten zer- störter organischer Körper ebenfalls wohl nicht auf todte Stoffe zu beziehen sein mögen, sondern dafs sie den zerrissenen, noch lebenden Noctiluken und Oceanien glichen, die ich mit noch mehr Umsicht und Erfahrung und mit noch besseren Instrumenten in Helgoland untersuchen konnte. Ein gleiches Resultat, wie ich es im rothen Meere erhielt, scheint überall da leicht hervorzugehen, wo die Leuchtkörper, obwohl sie das Meer in ein sehr lebhaftes Funkeln versetzen, doch nicht so häufig sind, dafs sie beim Einschöpfen in kleinem Raume in grofser Zahl aufgefangen werden. Je schwieriger das Auffangen und Isoliren eines solchen Körperchens nämlich wird, desto leichter wird dasselbe dabei gedrückt, verletzt und zerrissen, ohne defshalb schnell zu sterben. Fragmente der Medusen leben, meiner eignen Erfahrung nach, wochenlang als solche fort, manche sterben und zer- fliefsen sogleich. Die Wahrscheinlichkeit, dafs auch frühere Beobachtungen Anderer diese Auslegung anwendbar machen, liegt am Tage, und ich mag wohl die Überzeugung aussprechen, dafs die Beobachter, welche Nachts ge- schöpftes Wasser erst am folgenden Morgen untersuchten und dann keine lebende Thiere, sondern Schleim und zerstörte Stoffe fanden, oft gar kein Leuchtwasser mehr vor sich hatten, sondern nur lichtloses, worin Leucht- thiere gestorben waren und sich aufgelöst hatten. Bei nicht wenig Beobach- tern lassen die angegebenen Versuche gegründete Zweifel, ob sie nicht ziem- lich grofse, durchsichtige, oder kleine lebende Thiere ganz übersehen ha- ben, einige andere, die ungeachtet sorgfältiger und scharfer Untersuchung zu dem Resultate des Leuchtens zerstörter Stoffe kamen, mögen ebenfalls noch lebende für todte Fragmente thierischer Körper gehalten haben. Ich darf aus der eignen Erfahrung der Schwierigkeit dieser Untersuchungen und aus der Kenntnifsnahme von den verschiedenen Beobachtungsmethoden nicht als Vermuthung, sondern als Factum darlegen, dafs die früheren Beobach- tungen in dieser Hinsicht keine wissenschaftliche Sicherheit gewähren. das Leuchten des Meeres. 547 Endlich komme ich zu dem schönsten aller Leuchtthiere meiner Er- fahrung, das nur durch die Pyrosomen übertroffen zu werden scheint. Es ist die Nereis eirrigera, welche zugleich die eigentliche Nereis noctwluca Lin- ne’s zu sein scheint ('). Dieser Ringelwurm von 1-3 Lin. Länge hat eine durchaus überraschende Wirkung in seinem Lichte. Er lebt gesellig, nur kriechend, nicht schwimmend, und gewöhnlich findet man eine grofse Zahl, zuweilen wohl Hunderte beisammen auf stark zerästelten Seetangen (?), welche bei Bewegung mit grofsen flimmernden Lichtfunken besetzt erschei- nen und deren Licht sehr anhaltend ist. Da die Thierchen im feuchten Tange auch aufser dem Meere fortleben, so leuchten diese Algen oft aufser dem Meere viele Tage und Nächte lang, bis die Thierchen selbst aussterben. Sondert man einen Lichtfunken ab, so findet sich allemal ein kleiner Wurm, der auf dem Finger oder dem Messer fortleuchtet. Den Act des Leuchtens der Medusen mit dem Mikroskope zu beob- achten, ist mir nie gelungen und auch bei Infusorien völlig ungenügend ge- blieben, weil er einfach und momentan ist, wie die Explosion eines Schiefs- gewehrs. Ganz anders ist die Erscheinung bei der Pkhotocharis. Diefs Tbier- chen hat auf jedem seiner Füfse zwei fleischige Fäden, deren oberer etwas länger, deren unterer etwas kürzer und dicker ist, die sich aber im innern Bau sehr ähnlich sind. Eine Circulation von Blutkügelchen liefs sich in kei- nem von beiden erkennen. Immer von diesen Organen (Cirren) aus, und besonders vom untern, etwas dickern Cirrus, der zwischen der eigentlichen (') Blainville und Audouin haben diefs Thierchen in ihren Gattungen Nereisyllis und Sylis verzeichnet. Es scheint an der [ranzösischen Küste nicht vorzukommen, was zwar auf- fallend wäre, aber auch leicht durch Lokalitäten bedingt sein kann, welche ihr nicht zusagen. Es bildet offenbar eine eigne, kieferlose, Aäugige Gattung mit 5 Antennen u. s. w. zwischen Polynice und Amytis von Savigny, die Blainville sämmtlich als Nereisyziis vereinigt. Es unterscheidet sich diese Gattung durch doppelten Cirrus auf jedem Fulsgliede, deren oberer, sehr langer keine Kieme ist. Ich nenne sie Photocharis. Adler’s Abbildung pafst ziemlich gut dazu. Ich zählte 47 Fufspaare. (*) Die Fucus-Arten, auf welchen das Thierchen bei Helgoland vorzugsweise einheimisch ist, waren meiner Erfahrung nach Chondria flagelliformis und Sporochnus aculeatus. Diese wachsen in einer Tiefe von 2 bis 6 Faden unter dem Niveau des Meeres zur Zeit der Ebbe und werden von den Wellen nicht selten ans Ufer geworfen. Am Strande findet man die Thierchen auf allen Arten von frisch ausgeworfenen Seetangen, aber nur einzeln. Schwim- mend im Meere babe ich keins gefangen. Zzz 2 548 EHrENBERG: borstenführenden Fufswarze und dem obern Cirrus liegt, verbreitete sich das Leuchten. Erst entstand ein Flimmern einzelner Funken an jedem Cir- rus, welches an Menge zunahm und endlich den ganzen Cirrus erleuchtete. Zuletzt flofs das Feuer über den Rücken hin und das ganze Thierchen glich einem brennenden Schwefelfaden mit grünlich-gelbem Lichte. Eine grofse Anzahl solcher Thierchen in dem schwarzen Fucus geben ein bewunderns- würdiges Schauspiel. Diese kleinen, zum Feuerwerfen immer und anhal- tend bereiten Thiere liefsen sich auch bequem unter das Mikroskop bringen und ich habe mich oft und wiederholt überzeugt, dafs die Erscheinung voll- ständig einer lokalen electrischen Entladung gleicht. Funken auf Funken springen aus verschiedenen Gegenden der kleinen Cirren hervor und auch das zusammenhängende Glühen ist unter dem Mikroskope eine Zeitlang erst eine Scintillation. Man könnte die Erscheinung nicht wohl mit dem Fun- keln des Katzenfells beim Streichen im Finstern vergleichen, aber durchaus ähnlich ist sie dem electrischen Blitze im goldenen Netze bei der Electrisir- maschine. Mit ganz richtigem Vorgefühle mag daher wohl Hr. Alexander v. Humboldt im Jahre 1831 die willkührliche Entladung der electrischen Organe beim Gymnotus vergleichend neben das Leuchten des Insects ge- stellt haben. Ebenso verhält es sich, zufolge der Darstellungen von Bennet 1833 und Meyen 1834, beim Pyrosoma, wo der erstere, vielleicht glück- licher, die farbige Stelle als Leuchtorgan bezeichnet, während der letztere einen innern Körper dahinter (den Eierstock?) dafür annimmt. Ich habe mich bei der Photocharis auf das bestimmteste überzeugt, dafs die Erschei- nung eine der electrischen höchst analoge ist, und da es durch die Erschei- nungen beim Zitterrochen, electrischen Aal und Wels keinem Zweifel mehr unterliegt, dafs die Electrieität im thierischen Organismus der Willkühr unterworfen sein kann, so möchte wohl auch diese Lichterscheinung sich ohne bedeutende neue Schwierigkeiten analog erklären lassen. Rücksicht- lich der Erscheinung bei der Photocharis ist noch bemerkenswerth, dafs die sich wiederholenden Funken einen gleichzeitig sich ergiefsenden zähen Schleim allmälig zu entzünden oder leuchtend zu machen scheinen, den ich abwischen konnte. Berührt man das Thierchen mit dem Finger oder schiebt man es mit einem Instrumente fort, so leuchten der Finger, das Instrument und die frühere Stelle ein Moment fort. Das Ergiefsen einer Flüssigkeit glaubt Macartney 1810 bei der electrischen Land - Scolopendra direct beob- das Leuchten des Meeres. 549 achtet zu haben; bei der an sich feuchten ereis macht die geringe Gröfse das Beobachten desselben schwieriger, allein die Erscheinung spricht auf- fallend dafür und hier giebt vielleicht die Beobachtung, zufolge welcher der electrische Funke einen ohnediefs dunkeln Körper leuchtend macht, einige Erläuterung ('). Versuch zu allgemeinen Resultaten zu gelangen. Man würde sehr irren, wenn man, nach der grofsen Masse der vor- gelegten Beobachtungen über das Wesen und den Grund des Meeresleuch- tens oder der organischen Lichtentwicklung, glauben wollte, es sei nun nicht mehr nöthig Erfahrungen zu sammeln, sondern es lasse sich durch eine geistreiche Verbindung der schon vorhandenen eine vollgültige Erklä- rung philosophisch begründen und feststellen. Mit einem gewifs erfreulichen Eifer sieht man im geschichtlichen Bilde die Thätigkeit der vor uns Gewe- (') Ich habe überdiefs mit Dr. Hemprich in Syrien bei Beirut 2 Arten von kleinen, der Zuciola italica ähnlichen Leuchtkäfern beobachtet und gesammelt, welche sich im König- lichen Museum befinden, wo sie von Herrn Klug unter den Namen Zuciola Hemprichii und Lampyris Niebuhrii aufbewahrt werden. Die einzigen bekannten Formen aus Westasien. Was die Leuchtorgane der Luftinsecten anlangt, so habe ich mich mikroskopisch über- zeugt, dals bei den Elateren die erhabenen Leuchtorgane äufserlich völlig geschlossen und mit einer der Hornhaut des Auges ähnlichen, dünnen, behaarten, dichten, convexen Membran so überzogen sind, dafs ein directer Zutritt atmosphärischer Luft an jenen Stellen selbst nicht statt findet. Auch bei den Zampyris ist es so. Die das Leuchtorgan der letzteren bedeckende Membran ist in der Mitte vertieft, aber ohne Öffnung, und so facettirt, dals sie unter dem Mikroskop wie das Zellgewebe einer Pflanze erscheint. Auch sie ist überall dünn behaart. Poren, wie sie Spallanzani angiebt, existiren nicht, und er mag wohl die Stellen der ab- geriebenen Haare dafür gehalten haben. Die Tracheen liegen bei Zampyris gerade so wie bei den übrigen Käfern, und ich konnte bei einer aufgeweichten amerikanischen Art ober- halb des Leuchtorgans jederseits 3 einzeln in den einzelnen Ringen mit den Stigmaten noch leicht darstellen. Die Stigmate waren länglich und weit, an beiden Enden stark abgerundet. An der Leuchtstelle liegt eine feinkörnige, wachsgelbe Masse. Eine ähnliche liegt unter der Leuchtstelle des Elater noctilucus. Luftröhren ziehen sich bei Zampyris durch die Leucht- masse, ohne in ihrer Gestalt abzuweichen. Es wäre wohl recht interessant, wenn jemand das Leuchtorgan der Zampyris zu einem Gegenstände recht genauer Anatomie machte, da sich seit Treviranus Zeit Ansichten und Hülfsmittel schon sehr verändert haben. Mit der Respiration scheint das Organ so wenig als mit dem Gefälssystem in directer Beziehung zu stehen. Ich bedaure, nicht selbst einladende Gelegenheit gehabt zu haben, an lebenden grö- fseren Insecten diese Verhältnisse näher ermitteln zu können. 550 EHRENBERG: senen der Auffassung und Erforschung des Phänomens hingegeben und un- sere Zeitgenossen mit vervielfachten Kräften in gleichem Streben fortschrei- tend. Dessenungeachtet giebt schon eine oberflächliche Durchsicht allzu deutlich an die Hand, dafs die grofse Masse der Erfahrungen und Mitthei- lungen über den Gegenstand nichts weniger als geeignet ist eine bedenken- lose wissenschaftliche Basis zu geben, auf welcher sich irgend eine Idee zu- versichtlich erbauen liefse. Eine Übereinstimmung in den Resultaten der Beobachtungen und den daraus gezogenen Schlüssen, welche eine besondere Kraft der Überzeugung mit sich zu führen pflegt, ist nur selten vorhanden. Folgt man dem Beobachtungs- und Ideengange der Einzelnen, so wird man oft leicht in ihre Meinung gezogen. Allein die fort und fort sich entwickelnde und häufende Erfahrung zeigt doch allzu deutlich, dafs weder der Scharf- sinn des Cartesius, noch Franklin’s origineller Geist, noch auch For- ster’s sicherer Tact in der übersichtlichen Auffassung, oder der von Tile- sius auf das Aufsammeln der Einzelheiten verwendete Fleifs jene Basis und Idee feststellen konnten, zu welcher die neu hinzutretenden Beobachtungen der späteren Zeiten sich nur ergänzend und ausschmückend verhielten. Es ergiebt sich, dafs das Anfangs auf wenige Leuchtkörper beschränkte Phäno- men, je specieller man in seine Erklärung einzugehen versuchte, sich desto mehr aushreitete und mit seinen Bestandtheilen in immer weitere Entfernung und vielseitigere Beziehungen rückte, ja dafs es der wachsenden Ausdeh- nung im Ganzen ungeachtet, mit seinen Einzelheiten in so kleine Räume sich vertheilte, dafs neue Hülfsmittel und besondere Übung mit denselben, deren Anwendung nicht in allen Verhältnissen ausführbar ist, zu seiner Auf- findung und Begrenzung darin nöthig wurden. Je mehr sich aber die Er- scheinung durch Nachforschung ausgebreitet und je mehr sie dadurch an all- gemeinerem Interesse gewonnen hat, desto mehr verliert sich nothwendig die Thätigkeit des einzelnen noch so eifrigen und umsichtigen Forschers in einzelnen Richtungen, und wie bei allen Erfahrungswissenschaften bedarf es erst einer gewissen gemessenen Zahl von überzeugend befestigten Thatsachen, ehe eine glückliche Combination den Faden in die Hand zu geben vermag, woran sich die übrigen Erscheinungen ruhig anreihen und entwickeln lassen. Diese Ruhe ist noch nicht eingetreten. Noch sind die Erfahrungen zu sam- meln, zu prüfen und zu sichten. Das von mir auszusprechende Urtheil wird wieder nur die Meinung eines Einzelnen sein und willig schliefse ich das Leuchten des Meeres. 551 mich an die lange Reihe derer an, die nur zur Lösung des Problemes einiges Brauchbare beitrugen, obschon ich hoffe, dafs ich dessen nicht wenig gab. Was die hauptsächlichsten Meinungen über den Grund des Meeres- leuchtens anlangt, so erlaube ich mir nun darüber folgende kurze Refle- xionen. Die Bewohner des innern Festlandes, welche nur theoretisch vom g und ö Intensität selbst gesehen zu haben, sind geneigt, alles, was möglicherweise Meeresleuchten sprachen, ohne es je oder doch in einiger Ausdehnun Lichterscheinungen im Wasser hervorbringt, auf das Meeresleuchten anzu- wenden, wie Placidus Heinrich und Bladh. Wie aber überhaupt von zahllosen Möglichkeiten immer nur einige Verhältnisse in der Natur wirklich sind, so geben dergleichen Theorien, so gelehrt sie auch entwickelt werden, gar keine Beruhigung. So hat man z.B. brennbares Gas aus dem Meeres- boden, wie aus einem gährenden Sumpfe aufsteigen und daraus Irlichter werden lassen, welche nie beobachtet wurden und nur in der Phantasie be- stehen. Ebendahin scheint die Electrieität durch Reibung des Schiffes, Eis- bildung und Anderes zu gehören. Die Liebe zum Erklären des Beobachteten hat aber auch die Beobachter aller Zeiten zu gewissen Meinungen nur des- halb verleitet, weil sie in Einklang mit den zu ihrer Zeit herrschenden phy- sikalischen und chemischen Systemen sind. Die Einheit und Unsicherheit des Grundes der Erscheinung hat sich mit Forster zuerst entschieden in ein Dreifaches Festeres gestaltet, und wenn einerseits man neuerlich gesucht hat, die Veranlassung noch mehrfach zu zertheilen, so haben andrerseits grofse Mengen von Beobachtungen eine Einheit der Ursache herbeizuführen mehr als begonnen. Als vielfache Ursache des Meeresleuchtens mit einiger scheinbaren oder wirklichen Begründung nennt man: 1) Insolation des Meerwassers: 2) Electricität des Meeres selbst; 3) entzündliche, aus der Tiefe schlan- genartig (?) aufsteigende Gase und Irlichter; 4) Eisbildung; 5) Spiegel- glanz glatter und weifser, belebter und lebloser Körper im Meerwasser und des Meerwassers selbst; 6) lebende, lichtbereitende Organismen; 7) todte Organismen mit Lichtentwicklung durch Phosphorgasbildung. Die schon von Tachard 1686 und von Worms ausgesprochene Idee, dafs das Meeresleuchten auf Insolation beruhe, war durch die von Baster und Forskäl gemachte Beobachtung, dafs man durch Durchseihen das Mee- 552 EHrEnBERG: reswasser seines Lichtes berauben könne und das Leuchtende im Filtrum bleibe, verdrängt worden. In der neuesten Zeit hatte sie jedoch durch Mayer’s Beobachtungen eine neue Stütze erhalten und schien besonders da- durch befestigt, dafs nicht immer das Durchseihen dem Wasser alles Licht raube. Von Seiten der Experimentalphysik war man entgegengekommen. Die Insolation des Meerwassers erschien sowohl Bernoulli als Heinrich und Dessaignes neuerlich wieder als möglich an sich und also in dem Falle annehmbar, wenn das Durchseihen des leuchtenden Meerwassers das Licht nicht wegnähme. Diese Erklärungsweise, welche ihre Erneuerung den Beob- achtungen des Leuchtwassers in Venedig durch Mayer verdankt, hatte schon in der möglichen unendlichen Zertheilung der animalischen Leuchtstoffe im Meereswasser ein Gegengewicht und sie hat durch Michaelis Nachweisung so kleiner lebender Leuchtihiere, dafs sie ein nicht allzu dichtes Filtrum mit dem Wasser durchdringen, noch ein neues erhalten, indem es offenbar an Beweisen fehlt, dafs ein mit gehöriger Vorsicht filtrirtes Wasser wirklich je geleuchtet habe, während das Nichtleuchten, selbst weniger vorsichtig fil- trirten Wassers, oft bestätigt worden ist. Was die Mitwirkung der freien Electricität des Seewassers (1761) und des Leuchtens durch Friction des Wassers an sich (1775) oder des Schiffes am Wasser (1768. 1778) anlangt, so ist diese Erklärungsweise auch in der neuern Zeit wieder aus dem Bedürfnifs hervorgegangen, den Grund der Lichterscheinungen nachzuweisen, welche man im Kielwasser des Schiffes sieht, und der anderen, welche den Kamm der überschlagenden Wellen er- leuchten. Bedenklich ist diese Erklärung deshalb, weil Frietion und Über- schlagen der Wellenränder nicht allemal die Erscheinung geben, sondern nur zuweilen und weil nicht mit der Heftigkeit der Friction sich auch die Lichterscheinung steigert. Oft sieht man, und ich sah selbst, hohe über- schlagende Wellen ohne allen Lichtkamm und bei den heftigsten Stürmen weder am Schiffe im Meere, noch an Felsen der Küste Lichterscheinungen. Diese Umstände haben auch wohl die neueren namhaften Seereisenden fast ganz abgehalten, an Electricität dabei zu glauben. Nur das Licht des schäu- menden Wellenrandes ist noch neuerlich Martius zwar zweifelhaft, aber doch möglicherweise als ein electrisches erschienen, was denn wie ein St. Elmsfeuer zu denken sein würde. Ich selbst habe diese Erscheinung des leuchtenden Wellenkammes im rothen Meere, zuweilen lange Zeit, täglich das Leuchten des Meeres. 553 sehr auffallend beobachtet, aber es immer nur für ein jenen zerstörten Or- ganismen angehöriges gehalten, deren Fragmente die Untersuchung des Was- sers mir darbot. In Helgoland habe ich neuerlich wieder mit aller Ruhe und Mufse Beobachtungen darüber anstellen können. Ich stand am Ufer und die ziemlich hoch brandenden Wellen zeigten mir das Phänomen sich nähernd bis an die Spitze meines Fufses. Der Rand der überstürzenden Welle war, wenn das Meer sonst leuchtete, heller als der blofse Schaum es war. Er hatte eine Milchfarbe und oft ein deutliches Licht, aber keine Funken. Dieselbe dann auslaufende Welle brach sich in viele Funken und ich fing deren auf. Es waren Exemplare der Mammaria scintillans. Ich habe mir weiter das Phänomen in aller Mufse und Ruhe und ganz in der Nähe meiner Augen anschaulich gemacht. Fuhr ich Abends ganz langsam im Boote, so brachte die geringste Bewegung mit dem Ruder oder der Hand oft zahllose Lichtfunken (!). War der Ruderschlag kräftig, so schäumte das Wasser und erschien milchig. Offenbar wirkte der Wasserschaum auf das Mammarienlicht wie die matte Glasglocke auf ein Lampenlicht. Der eigent- liche kleine Lichtpunkt ward unsichtbar und an seiner Stelle erschien ein ihn umhüllender, vielleicht handbreiter, matter Lichtschimmer, der, wo viele Thierchen in der Nähe beisammen waren, in eine mehr oder weniger breite, hellere Fläche zusammenflofs. Ich habe über dieses Phänomen bei mir selbst keinen Zweifel mehr. Da jeder Ruderschlag meist Hunderte von Thierchen zum Leuchten veranlafste, so entstand ein gemischtes, zum Theil funkelndes, zum Theil und zwar da, wo das Wasser schäumte, mattes, mil- chiges Licht. Das Emporsteigen entzündlicher Gase als feurige Luftblasen aus der Meerestiefe ist eine hypothetische, eingebildete, keine beobachtete Erschei- nung, und scheint mir, da der Mangel historisch begründet ist, einer wei- tern Erörterung nicht zu bedürfen, zumal da die Irrlichter auch aufser dem Meere, so vieler Bemühungen ungeachtet, keinesweges in die Reihe der klaren und annehmlichen Erscheinungen gehören. Siehe Heinrich und Bladh. (') Bei einem solchen langsamen Fahren mit dem Ruderboote sieht man auch im Kiel- wasser oder der Furche vollständig dieselbe verhältnilsmäfsig starke Lichterscheinung, wie beim grofsen segelnden Schiffe, obschon man jene Friction fast ganz aufheben kann, ‘welche man beim Schiffe für so wirksam hält. Eine Ruderfurche zeigt dasselbe. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Aaaa 554 EurEsBEre: Es bleiben nun die beobachteten organischen Lichtentwicklungen im Meere übrig, welche sich in 2 Reihen, in active und passive scheiden. Alles Leuchten todter organischer Körper und Stoffe nenne ich passives Leuchten und ziehe dahin auch alles solches äufsere Licht lebender Körper, welches nicht aus einer innern organischen Quelle kommt. Es ist mir bei der histo- rischen Durchsicht der Erfahrungen höchst auffallend gewesen, dafs, nimmt man den mehrfach beobachteten, leuchtenden, formlosen Schleim als etwas von Seefahrern selbst öfter Bezweifeltes und Zweifelhaftes aus, es eigentlich keine einzige nachweisliche Beobachtung giebt, dafs ein Theil eines todten organischen Körpers oder nur ein todter Fisch im Meere treibend leuchtend gesehen worden. Auch das Leuchten von Fischfleisch an der Angel beim Nachschleppen im Meere wird von Daldorf nicht als ein wahres Leuchten bezeichnet und Tilesius berichtet nur, dafs sein Hayfıschfleisch an der An- gelüber dem Meereswasser geleuchtet habe wie faules Holz. Zwar sind sehr zuverlässige Reihen von Erfahrungen absichtlich darüber angestellt wor- den, dafs todte Fische und deren Schleim leuchten, allein auffallend bleibt es, dafs dieses also an sich mögliche, von mir auch selbst beobachtete Licht nie von einem Seefahrer im Meere selbst nachgewiesen worden, so wie ich selbst bei jahrelangem Aufenthalte im Meere auch nie eine Erfahrung dieser Art gemacht habe. Das Leuchten todter Fische und anderer Thiere für eine irgend wesentliche Ursache des Meerleuchtens zu halten entbehrt also aller Begründung. Viel wahrscheinlicher hat sich ein wesentlicher Antheil ganz zerstör- ter und verkleinerter, todter, organischer Körper oder Stollfe am Meeres- leuchten finden lassen. Schon Spallanzani machte jedoch 1785 einen wichtigen Einwurf gegen diese Meinung, den nämlich, dafs die animalischen, öligen und zerstörten Theile, welche man für das Meer Licht gebend anse- hen könnte, sich bei Ruhe an die Oberfläche ziehen würden, dafs er das Leuchten aber bis auf 40 Pariser Fufs Tiefe beobachtet habe. Wenn ich Steine bei Helgoland ins glatte Wasser fallen liefs, sah ich auch das Wasser auf ihrem ganzen Wege leuchten, und so tief ich auch das Ruder senkte, so gab die Bewegung seines Endes Licht. Dieser früher beobachtete Um- stand, verbunden mit der mikroskopischen Beobachtung sehr kleiner Thiere, die man für Infusorien hielt, hat seit Baster von Zeit zu Zeit (s. New- land) die Idee erweckt, dafs es vielmehr Leuchtinfusorien geben möge, das Leuchten des Meeres. 555 die sich willkührlich in jeder Tiefe aufhalten, und durch Peron wurde die- selbe geradehin als durch Erfahrung begründet aufgenommen, so wie denn auch Tilesius dergleichen verzeichnete und abbildete. Bory de St. Vin- cent hat sich dieser Annahine lebhaft entgegengesetzt und den allerdings trif- tigen Grund angegeben, dafs er, als Begleiter Peron’s, nie dergleichen mit dem Mikroskope beobachten konnte und Peron sie nur hypothetisch sta- tuire. Dagegen vermuthet Bory de St. Vincent im Meerwasser einen eig- nen schleimigen und leuchtenden Grundstoff, der zu dessen integrirenden specifischen Theilen gehöre und von Auflösung organischer Körper herrüh- ren möge. Die Consequenz hat dann Herrn Bory verleitet, auch anzuneh- men, dafs, weil die Zersetzung organischer Körper eine fortlaufende und überall auf der Erde eine Zunahme des Festen auf Kosten des Flüssigen be- merkbar sei, auch die Verbindung des organischen Urstoffs mit dem Mee- reswasser im Zunehmen sei und dafs deshalb auch das Meeresleuchten wohl jetzt stärker sei als es früher gewesen. Diese Meinung besonders auf den Mangel der Beobachtung des Meeresleuchtens vor Christi Geburt anzuwen- den ist zu bedenklich, als dafs sie Aufnahme finden konnte. Jener Grund- meinung aber der so äufserst fein zertheilten thierischen Leuchtmaterie im Seewasser, dafs dieselbe darin schwebend erhalten wird, hat auch Hr. Ale- xander v. Humboldt 1826 seine Theilnahme deshalb geschenkt, weil eine so unendliche Zertheilung der absterbenden zahllosen Gallertthiere statt finde, dafs das Meer vielleicht als eine gallerthaltige Flüssigkeit zu betrachten sei. Allein die hinzugefügten, aus der Periodicität des Leuchtens entnommenen Bedenken und Fragen zeigen, dafs er den Gegenstand noch weiterer Prü- fung angelegentlich empfiehlt. So ist denn die Meinung vom Lichte der todten und zerstörten organischen Körper aus dem Bereiche der dem blofsen Auge sichtbaren Körper in das des Mikroskops verwiesen worden. Es sind nun aber auch wirklich nicht wenige Beobachter darin ein- verstanden, dafs es im Meere, besonders auf der Oberfläche, in heifsen Erd- zonen und nahe den Küsten einen schon dem blofsen Auge sichtbaren, leuchtenden, sonst nicht organisirten Schleim gebe, der sich auch an sehr verschiedene Seekörper hänge. Schon 1708 beobachtete der Missionair Bourzes solchen Schleim direct. Bomare beobachtete dergleichen am an- dern Morgen und Commerson nahm ihn hypothetisch an, auch ich habe selbst eine Zeitlang geglaubt ihn beobachtet zu haben. Die Beobachtungen Aaaa2 556 EHRENBERG: von Fischlaich bei Le Gentil, Newland und besonders Diequemare’s Darstellung der ölähnlichen Meeresdecke machen wahrscheinlich, dafs gar leicht die früheren Beobachter nicht scharf unterschieden. Jedoch hat sich die Beobachtung auch ganz neuerlich sowohl bei Deutschen als Englän- dern wiederholt. So geneigt man aber auch sein mag, mehrere Ursachen des Meeresleuchtens als gleichzeitig einwirkend anzunehmen, so läfst sich doch das Bedenken nicht entfernen, dafs doch eigentlich keine, selbst der neuesten Beobachtungen des unorganischen leuchtenden Schleims so detail- lirt angestellt und überzeugend berichtet ist, dafs aller Zweifel wegfallen könnte. Leuchtender Schleim als phosphoreseirende todte Materie würde ja doch unter dem Mikroskope wohl fortleuchten? Auch diefs hat Niemand gesehen. Ich würde, wie jeder, meinen eignen Beobachtungen gern am mei- sten vertrauen, da ich nicht am andern Morgen das Leuchtwasser des rothen Meeres zu untersuchen pflegte, sondern sogleich die Stoffe prüfte und sie, nur isolirt erst, in Uhrgläsern zum Morgen verwahrte, um sie bei Tageshelle nochmals zu betrachten. Ich glaube aber seit ich die Infusorien von Kiel und besonders die oft zerrissenen Mammarien und Oceanien von Helgoland kennen gelernt habe, dafs ich damals für blofsen Schleim gehalten, was doch noch lebende Organismen waren, deren Fragmente bisweilen willkührlich aufzuleuchten eine Zeitlang noch im Stande sind und erst aufhören, wenn das dazu nöthige Leben sie ganz verlassen hat. Auch die lebende unver- sehrte Mammaria scinuillans sah ich nie leuchtend unter dem Mikroskope, weil es nur ein Moment ist, welches man onne Bewegung, die das Thier- chen aus dem Focus bringt, im Finstern und ohne besondere Vorrichtungen schwer anschaulich erhalten kann. So ist denn alles Leuchten todter Stoffe und auch die damit zusammenhängende Phosphor- und Phosphorgasbildung im Meere als Mitwirkung zur grofsen Erscheinung des Meeresleuchtens, so wahrscheinlich es auch von mancher Seite nahe liegt, doch nur ein nicht hinlänglich durch Erfahrung begründetes. Das Leuchten durch Spiegelung der Wellen und Wassertheilchen ver- warf schon Le Gentil und das Blinken der Eisnadeln bei Bladh ist nicht geeignet es festzustellen. Das Spiegeln der glatten Meeresfläche und den glitzernden Mondschein im Meere wird Niemand mehr mit Bartholin zum Meeresleuchten zählen. Das Glänzen und Blinken der Fische durch Spie- gelung hat mehr für sich. Ich sah die Erscheinung auffallend schön nur an das Leuchten des Meeres. 557 schwimmenden Heringen im rothen Meere. Ich glaube dabei nicht an Spie- gelung, weil ein Spiegellicht nur aus einer bestimmten Richtung kommen kann, die beweglichen Fische aber (deren Schuppen nur eine zweiseitige Eoretnikans darbieten, die wegen unklarer Grenzen jener Schuppen und ihres häutigen Überzuges nicht einmal mit Crystallflächen verglichen werden kann) zuweilen und in grofser Zahl bei allen Bewegungen ganz hell erschie- nen. Auch Daldorf’s Meinung, dafs es eine Täuschung durch die weifse Farbe sei, war nicht an weil nicht blofs der weifse Bauch oder die silberfarbene Seitenlinie, sondern der ganze, oben blaue Körper in allen Theilen sichtbar war. Weit eher würde ich mich mit der Annahme von Be- rührung leuchtender Infusorien oder kleiner Acalephen, die ich aber nicht beobachtet, beruhigen, wenn es nicht vom Fische selbst ausgehen sollte. Wären Risso’s Beobachtungen eigne Erfahrungen, so wäre das seit alter Zeit beobachtete Fischleuchten im Meere als ein organisches begründet. Auch das Leuchten fliegender Fische im Fluge nach Tuckey und Tilesius ist durch Spiegelung schwerlich zu erklären. Oft sind Leuchtfische durch andere kleine Leuchtthiere deutlich nur erleuchtet, nicht selbst leuchtend gewesen, wie schon Adanson’s Thiere. Das Meeresleuchten hat nur einen völlig sichern Anhalt, und zwar im Leuchten lebender Organismen. Ganz naturgemäfs hat man mit der Beob- achtung der gröfseren Leuchtthiere, der Fische und Medusen, angefangen und allmälig hat man immer kleinere und zahlreichere entdeckt. Die An- zahl derselben hat sich so vermehrt, dafs sich jetzt 107 Meeresthiere und 3 Meerespflanzen namhaft machen lassen, welche das Vermögen, Licht zu ent- wickeln, mit völliger oder ziemlicher Sicherheit besitzen. Man hat zwar von Tausenden und Zahllosem öfter berichtet, allein mit einiger Sicherheit wurde im Ganzen nur jene Anzahl bisher beobachtet, die man sogar eher beschränken als vermehren darf. Sie verhalten sich nach den verschiedenen gröfsern Abtheilungen der Wasserthiere wie folgt. 1 Säugethier, kein Wasservogel, keine Wasseramphibie, 5 Fische, kein Insect, keine Wasserspinne, 15 Krebse, 11 Ringwür- mer, kein Tintenfisch, 1 Flossenschnecke, keine Sohlenschnecke, 1 Muschelschnecke, keine Armschnecke, 8 Mantelschnecken, 4 Corallenschnecken, kein Moosthier, kein Kapselthier, 2 Strüudel- würmer, kein Fadenwurm, 1 Räderthier, kein Seeigel, 3 See- 558 EHrEnBERG: sterne, 42 Quallen, 7 Blumenthiere, kein Saugwurm, 4 Platt- wurm, 5 Magenthierchen. In der vorangehenden historischen Einleitung und den Tabellen sind alle Materialien zur Erleichterung einer weitern wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung auch denen nahe gebracht, welche nicht grofse Bibliothe- ken zur Hand haben. Wenn es früher immer darin eine besondere Schwierigkeit gab, das Meeresleuchten durch lebende Organismen zu erklären, dafs es (nach Mo- deer) lächerlich erschien, den grofsen Ocean mit den wenigen Leuchtme- dusen zu erhellen, so haben die neueren vielseitigsten Beobachtungen einen endlosen Reichthum des Licht entwickelnden Lebens in den Meeren aller Zonen kennen gelehrt, welcher nicht blofs hinreichend erscheint, das oft beobachtete Funkeln und das Licht des Wellenkammes zu erklären, sondern auch das Aufblitzen grofser Meeresstrecken, ja das scheinbare Aufflammen des ganzen Sehkreises im Oceane zu verursachen vermag. Die directesten Untersuchungen des Meereswassers unter solchen Umständen haben lebende Thiere als die Ursache des Lichtes ergeben, und wenn man zuweilen, wie Horner berichtet, mikroskopische todte Thiere fand, so mochten diefs wohl mehr sterbende als todte sein, denn z.B. in jenem Falle widerspricht Tilesius selbst. Das Filtriren des Wassers und das Untersuchen des Rück- standes wird immer mehr Bewegungsloses, scheinbar und wirklich Todtes ergeben, als das Auffangen mit Uhrgläsern von der Oberfläche des im Eimer heraufgehobenen Wassers. Mag man auch die Zahl der sicher beobachteten Formen noch mehr beschränken als ich es gethan habe, so wird man doch andrerseits in dem Enthusiasmus, womit das lebendige Leuchten neuerlich so oft von verschiedenen Seiten geschildert worden ist, einen Beweis mit finden, dafs es viel der Formen und der Massen sein mögen. Rücksichtlich der grofsen Mengen von Individuen und deren Verhält- nisses zu den verschiedenen Formen scheint es nach den Reisenden, welche alle Öceane befuhren, als ob die Hauptmasse des Meerleuchtens überall nicht von den gröfseren, sondern weit mehr von den kleineren Leuchtthieren aus- geht. Die grofsen Medusen, deren Senkfäden ich selbst bis 15 Fufs lang aus- gedehnt sah, und deren Scheibe oft über einen Fufs im Durchmesser hat, sogar nicht selten 2 Fufs und darüber erreicht, bilden nur einzelne leuch- tende Flecke; doch scheint Sparmann auch solche am Cap legionenweis das Leuchten des Meeres. 559 gesehen zu haben. Die Pyrosomen sind zuweilen in grofser Menge versam- melt, scheinen aber nie so zahllos zu sein. Dagegen sind kleine Krebse und Salpen zu Millionen dicht beisammen vielseitig beobachtet worden. Bei Aus- arbeitung der geschichtlichen Übersicht habe ich mich überdiefs überzeugt, dafs die einflufsvollste aller Thierformen allerdings, wie schon Macartney aus weniger zahlreichen Nachrichten schlofs, die Mammaria (Noctiluca) scin- ullans sein möge. Die von mir in den Tabellen angeführten Beobachtungs- reihen scheinen diefs unwiderleglich zu begründen, obschon Tilesius den kleinen Krebsen eine gröfsere Verbreitung giebt. Fast unbedenklich kann man zu diesem Thiere alle Beobachtungen von sogenanntem Fischlaich oder Meduseneiern zählen, deren wahre Natur nie scharf untersucht worden ist und zuweilen erweislich dahin gehört. Dafs auch dieselben zuweilen eine dichte Kruste grofer Meeresoberflächen bildenden Körperchen, vom Schiffe aus gesehen, das Meer schleimig erscheinen lassen müssen und für Schleim gehalten worden sind, wird höchst wahrscheinlich (!). Gröfse, Farbe und Gestalt passen gewöhnlich bei solchen Nachrichten von schleimigen Kügel- chen des Wassers bei sehr ausgezeichneten Lichterscheinungen ganz voll- kommen auf die Mammaria sceintillans. So wäre denn im Sinne Linn&’s nicht die Photocharis cirrigera oder Nereis noctiluca, sondern Mammaria scinullans, vielleicht mit noch einigen Arten ihrer Gattung, die wahre Noctiluca marina. Die Krebse, besonders Zntomostraca, scheinen den südlichen Meeren vielen Glanz zu verleihen, den nördlichen fast keinen, dagegen sind bisher nur in der Nordsee und Ostsee wahre Leuchtinfusorien von Baster, Michaelis und mir beobachtet worden. Die von Tilesius angegebenen Formen lassen sich sämmtlich nicht zu den Infusorien rechnen, sollen auch zum Theil knorplich gewesen sein. Andere Beobachtungen sind nicht so speciell ge- wesen, dafs die beobachteten Formen namhaft zu machen und so die Beob- achtungen sicher zu stellen wären. Die Periodieität des Erscheinens zahlloser Heere von Leuchtthieren an der Oberfläche und die Coincidenz mit Gewitterschwüle ist vielen andern (') Die phosphorige Substanz bei Bonnycastle z.B, ist so wenig detaillirt beobachtet worden, dafs man volles Recht hat, auch in ihr Mammarien zu vermuthen. Dals er auch im Glase die Thierchen übersehen habe, ist gar wohl glaublich, und als Kruste der Oberfläche mag er sie gar leicht für blolsen Schleim gehalten haben, auch wenn er sie sah. Man vergl. Tilesius 1819. am Schlusse, Finlayson 1828. u.a. 560 EurenBerc: Erscheinungen der Thierwelt sehr ähnlich. Junge Frösche verbreiten sich beim Gewitter in zahlloser Menge über das Land. Fische sind zuweilen in unab- sehbarer Menge an der Oberfläche. Die Schneewürmer kriechen zuweilen gleichzeitig in unabsehbaren Schaaren aus ihrem Versteck auf den Schnee und beim Gewitter kriechen sehr häufig die Schmetterlinge in grofser Zahl gleichzeitig aus ihren Puppen. — Specielleres über die Leuchtkörper ergiebt sich aus den Tabellen, in denen ihre Zahlen und Formen kritisch festzu- stellen versucht ist, und ich gehe nur noch auf Untersuchung der Art und Weise über, wie das organische Licht sich zu entwickeln scheint. Die Frage, wie sich das organische Licht entwickelt, ist ein Gegenstand oft wiederholter und fleifsiger Forschung gewesen. Dafs das Licht und die Seele des Menschen verwandte Stoffe seien, ist eine schr alte Meinung der orientalischen Mythe, die man von der poötischen Idee der feurigen Welt- seele oder des auf die Erde herabgefallenen Sternen - und Götterfunkens mit Pythagoras und Heraklit allmälig immer buchstäblicher aufgenommen, specieller zu begründen und direct zu beobachten versucht hat. Wärme als Eigenschaft des Lichtes liefs allmälig das Centrum der menschlichen Wärme, das Herz, im Gegensatze des kalten, die Hitze mäfsigenden Gehirnes, als den Sitz der Seele bezeichnen, wie lange vor Christi Geburt Aristoteles that (!). So entstand die Idee von der Flammula cordis im lebenden Menschen und Thiere. Früher scheint man sich, ohne diefs Licht zu sehen, selbst ohne es zu suchen, damit philosophisch beruhigt zu haben, dafs das äufsere Licht (') Aristoteles war ein zu gewandter Dialektiker und klarer wirklicher Philosoph, als dals er die ihrer Natur nach unklare Seele hätte geradehin für gleich mit dem Lichte und Feuer bezeichnen sollen. Ja er sagt geradezu de part. animal. lib.I. c.7. das Feuer sei nur das Instrument der Seele, und die Seele selbst definirt er reg: Yuyfs B.«. ungenügend als Anfang und Vollendung eines lebenden organischen Körpers, also nicht ihrer Natur, son- dern nur ihrer concreten Äufserung nach. Dals er Feuer und Seele als zwei innig verbun- dene Dinge betrachtete, geht aber aus vielen seiner Äufserungen deutlich hervor. Herz und Gebirn nennt er de part. animal. l\ib. II. c.11. +« zUgre die Hauptorgane des Lebens und megı airSnreus c2; sagt er. aAvrizsırca yao Fu eyzecbanu alrn (zegötc) ze Fri Seguore- rov röv mogisv. Im Buche vom Athmen setzt er die Quelle der Wärme c.15. +/v agyıv FÜS Seguoryros in das Herz, und nennt die Wärme daselbst geradehin das Feuer der Seele, 70 buyuızev mÜg. das Leuchten des Meeres. 561 und die Luft, sobald sie Zutritt erhalten, das innere Licht neutralisiren oder unsichtbar machen, und noch Bartholin antwortet 1647 den vivorum rese- rati pectoris prosectoribus, welche kein Licht gefunden zu haben versichern, p- 109 auf gleiche Weise. Um doch dieser wissenschaftlich wichtigen Ange- legenheit näher zu kommen, schnitt auch der Anatom Vesling ein allge- mein verhafstes Thier, eine junge Hyäne, auf der Reise in Cahira in Ägy- pten vor Zeugen lebendig auf und er sah mit dem Venetianischen Consul Cornelius am Herzen gleichsam ein schwaches Licht (ut cor igneo quasi fulgore aliguantiper micuerit sagt Bartholin p. 189). Nach Bar- tholin’s Ausdruck wird es auch unsicher, ob das geopferte Thier eine grau- same Hyäne oder eine weit weniger grausame Civette (Marder) gewesen. Weitere Erklärungen der früheren Zeit (bis 1647) sind, dafs die Haut zuweilen leuchte, weil sie Poren habe, aus denen das innere Licht hervortreten könne. Die Haare leuchten als hohle Kanäle des Lichtes. Bei dem Augenlichte hielten Galen die Crystallfeuchtigkeit, Lactantius die Pu- pille, Aquilonius die Iris und Vegetius den Zwischenraum zwischen Cor- nea und Uvea, oder die Hornhaut allein für Träger des Lichtes (welches vom Herzen aus dahin geführt werde). Bartholin hält das Fett überall für den speciellen Sitz des Lichtes, weil es bei todtem Fleische daran besonders sichtbar sei und ausgangslose, geschlossene Säckchen bilde, in denen das Licht zurückgehalten werden könne. Übrigens ertheilt er dem Herzen ein materielleres, roheres, dem Gehirn aber ein feineres, geistigeres Licht, des- sen Theile als Spiritus vectores der Seele nach aufsen wirken (p. 251 seq.). Bei den Insecten, meint er, vertreten andere Theile die Stelle des Herzens. Der Schwanz vertrete das Herz im Pulsschlage und im Sitze des Lichtes beim Glühwurm (p.240. vergl. 1668). Der allgemeine Ernst der Erklä- rungsversuche spricht für die Überzeugung der Existenz der Lichterscheinun- gen, auch menschlicher Augen, bei den Alten, deren Bedingung meist ein hoher Affect gewesen zu sein scheint. Das Zurücktreten der Spielerei mit Meinungen über unklare Gegenstände, welches man sonst Philosophiren nannte, und das Fortschreiten der angestrengten Untersuchungen hat aber nicht blofs sämmtliche Meinungen, sondern auch viele Beobachtungen jener alten Zeit ganz werthlos gemacht. Auf besserem Grunde hat man in der neueren Zeit zu bauen begonnen. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Bbbb 562 Eurengenre: Seit Forster’s Untersuchungen der Leuchtkäfer, welcher 1782 eine Verstärkung des Lichtes im Sauerstoflgas und das rhytmische Aufleuchten isochronisch mit der Einathmung, also das Leuchten in Verbindung mit der Respiration gefunden zu haben meinte, kehrte die Idee oft wieder, dafs alles active Leuchten der Thiere mit dem Respirationsacte zusammenhänge. Mit- chill wendete 1802 diese Idee auf die Medusen an, indem er, freilich ganz irriger Weise, die fiimmernden Bewegungsorgane der Bero@ für Blutgefäfse hielt. Bei den Johanniskäfern ist der Zusammenhang mit dem Respirations- und Gefäfssysteme auch neuerlich von Treviranus und Carus durch er- neute Beobachtungen neu zu begründen versucht worden. Tilesius hat es mit bestimmtem Ausdruck, aber ohne die sehr nöthige Begründung, auf alle Meeresthiere so angewendet, dafs sie sämmtlich Phosphorwasserstollgas ex- haliren sollen. Die sehr sorgfältigen nnd umsichtigen vergleichenden Prüfungen der Lichterscheinungen am faulen Holze gegen das Ende des 18‘ Jahrhunderts leiteten allseitig auf Absorbtion von Sauerstoff bei allen Lichterscheinungen sowohl todter als lebender Organismen, weshalb man es einen milden Ver- brennungsprocefs nannte. Corradori fand aber damals wahrscheinlicher, dafs lebende Leuchtthiere das Licht als besondere Materie so aus den Nah- rungsmitteln abschieden, wie andere Thiere die Wärme; eine Idee, welche sich, zumal bei der noch fortbestehenden Unklarheit der Natur des Lichtes, im Allgemeinen nicht erweisen läfst, die auch, aller andern Schwierigkeiten ungeachtet, durch Beobachtung der deutlich ohne alle Lichtnahrung leben- den Leuchtpflanzen in dunkeln Bergwerken schon durch Alexander von Humboldt gleichzeitig zurückgewiesen wurde. Eine Entwicklung von Phosphorwasserstoflgas aus schleimigen, bald mehr, bald weniger lokal excernirten, oder schon sehr phosphorähnlichen, in besondere Beutelchen secernirten Stoflen erschien seitdem als die haupt- sächliche Ursache der Lichterscheinung, wodurch denn die Erscheinung sammt ihrer Ursache aus dem Bereiche der Physiologie in das der Chemie überging und der Organismus durch Secretion fast nur zufällig entzündbarer Stofle auch nur mittelbar mit der Lichterscheinung in Verbindung stand. Dals die Leuchterscheinung in einer specielleren Verbindung mit dem Sexualsysteme stehe, ward schon frühzeitig vermuthet und beobachtet, und dieselbe Meinung hat sich immer wieder durch immer neue Thatsachen gel- das Leuchten des Meeres. 563 tend machen lassen. Schon 1616 hielt Vintimilia (vergl. auch Bartho- lin 1647, p.210) das stärkere Licht der ungeflügelten Weibchen der Zam- pyris für geeignet die Männchen anzulocken. Der Mangel an geschiedener Sexualität bei den leuchtenden Medusen war aber für Spallanzani ein be- deutendes Hindernifs für die allgemeine Gültigkeit und weitere Entwick- lung dieser Idee. Aus der Periodicität des Leuchtens der Regenwürmer schlofs dann Flaugergues 1780 auf Zusammenhang desselben mit dem pe- riodischen Geschlechtsreize und Horkel verband scharfsinnig noch andere Erscheinungen, welche auf Ähnlichkeit jener Lichtergiefsungen mit den rie- chenden Secretionen der Thiere deutete; eine Meinung, die in unwesent- lichen Abänderungen bei Treviranus und auch in Berthold’s Physiologie 1529 wiederkehrt und die von Tiedemann 1830 ebenfalls berücksichtigt wird. Einen noch directeren, besonderen Zusammenhang mit den weibli- chen Fortpflanzungsorganen hatte nach Bartholin p- 210 zuerst Spleist 1647 durch das Leuchten der frischen Lampyrideneier erkannt. Später hat man lebende Eidechseneier, vielleicht auch Hühnereier (diese wohl aber doch nur faul) und Krebseier leuchtend gesehen. Zweifelhaft sind der im Meere umhertreibende Fischlaich und die Meduseneier, doch schien mir in Droe- bak die Stelle des Eierstockes bei Beroe und Oceania der Centralpunkt des Leuchtens zu sein. Auch nimmt, nach Treviranus, das Leuchten der Lampyriden mit der Entwicklung ihrer Geschlechtsorgane zu. Ferner lassen sich die von mir 1831 gemachten Beobachtungen eines lichtentwickelnden Organs im Leibe der Polyno& auf den Eierstock beziehen und Freminville’s ähnliche, weniger detaillirte Beobachtung ist damit nicht widersprechend. Ebenso scheint das von Meyen als das lichtbereitende angegebene Organ im Körper des Pyrosoma atlanticum und auch das im Carcinium opalinum von ihm bezeichnete mit gröfserer Wahrscheinlichkeit dem Sexualsysteme anzu- gehören. Dafs das Leuchten in einem directen Zusammenhange mit dem Ner- vensysteme stehe, hatte Alexander von Humboldt durch im Oceane und in Amerika angestellte galvanische Versuche sowohl an Medusen als am le- benden Zlater noctilucus erkannt (s. 1814, 1826). Bei Tuckey’s Reise nach dem Congo (1818) glaubte man die strahlende Lichtentwicklung bei einer der Gattung Z'yphis wohl ähnlichen Krebsform deutlich im Gehirne zu er- kennen. Ebenso behauptete Todd 1325 eine grofse Verbreitung von Ner- Bbbb 2 564 EurEnBer: ven im Leuchtorgane der Lampyriden, die jedoch Macartney 1810 nach eignen Beobachtungen läugnete. Als eine besondere Eigenschaft des Fettkörpers der Elateren erkannte es Treviranus an in Weingeist aufbewahrten, von ihm anatomirten Exem- plaren. Mit demselben läugneten Rudolphi und Berthold auch den Lam- pyriden die besonderen Leuchtorgane ab und er erklärte diese für Tracheen- säcke, welches letztere ich selbst nicht bestätigen konnte. Auch Rudolph Wagner erklärt neuerlich (Vergleich. Anatomie II, p.419) die Leuchtsub- stanz nach eignen Untersuchungen für zwar dem Fettkörper ähnlich, aber verschieden von demselben, lockerer und flüssiger, wie sie denn Maccaire und Carus als mehr eiweifsartig fanden. Besondere Leuchtdrüsen hat Lesson zu beiden Seiten im Thorax der kleinen Krebse und Elateren 1826 angezeigt, dieselben jedoch nicht umständ- lich beobachtet noch gründlich beglaubigt. Für eine Eigenschaft der Bewegungsorgane hält die Erscheinung Blain- ville bei Bero@n, welche er Ciliograden nennt, die mir aber nur secundär zu leuchten schienen. Dieselben Organe erklären Andere, jedoch ohne hin- reichenden Grund, für Respirationsorgane. Pallas und Nees von Esenbeck halten, jener bei Menschen und Thieren im Augenlichte, dieser bei den Rhizomorphen das Leuchten für den unmittelbarsten Lebensact, für die anschauliche nächste Äufserung des Le- bensprocesses selbst, in welchem jener geradehin ein electrisches Verhalten, dieser geradehin einen milden Verbrennungsprocefs zu erkennen geneigt ist. In den neuesten physiologischen Lehrbüchern und Systemen wird das Leuchten lebender Thiere als von einer phosphorartigen Materie abhängig angenommen, die durch den Lebensprocefs in eignen Organen aus der Säfte- masse willkührlich bald mehr, bald weniger abgesondert wird. Das Leuch- ten selbst aber sei kein Lebensact. Nach Vergleichung dieser verschiedenen Meinungen und meiner eig- nen Erfahrungen scheint es deutlich zu sein, dafs eine Verbindung des orga- nischen Lichtes mit dem Respirationssysteme der Organismen noch niemals hinreichend begründet und bestätigt worden ist, obschon eine Absorbtion von Sauerstoff dabei aufser Zweifel gesetzt zu sein scheint. Dagegen tritt das Leuchten des Meeres. 565 ganz offenbar eine vielseitig erkannte Verbindung desselben mit dem Sexual- systeme deutlich hervor. Rücksichtlich der Meinung eines Excretionsstoffes, welcher sich denn auch in Verbindung mit diesem Systeme bringen liefse, ist immer sehr zu bedenken, dafs die den Leuchtstoff enthaltenden Körperstel- len der Luftthiere weder einem zu entfernenden Stoffe einen freien Ausgang, noch der atmosphärischen Luft einen freien Zutritt gestatten, sondern unter hornigen, sogar behaarten, durchsichtigen Oberhäuten verborgen liegen. So scheinen diese denn auch nicht zunächst als Excretionsorgane betrachtet werden zu können. Oder man müfste das Licht selbst für den jene Horn- häute durchdringenden Auswurfsstoff ausgeben wollen, was voraussetzen würde, dafs die so feine Materialität des Lichtes an sich erwiesen sei, und was die Annahme zur Folge haben würde, dafs die Rhizomorphen der Berg- werke dieses materielle Licht, ohne es aufgenommen zu haben, in sich be- reiten. Jedoch liegt allerdings da, wo sich gleichzeitig beim Leuchten eine zähe oder wäfsrige leuchtende Feuchtigkeit über das Ganze oder einen Theil des Körpers verbreitet, neben der Secretion auch eine Excretion am Tage, und diese ist bisher in den Thieren, deren Gesammtorganisation deutlich zu beurtheilen war, meist in naher Beziehung zum Sexualsysteme, besonders dessen weiblichen Theilen, erkannt worden. Aufser dieser deutlich existirenden Secretion und Excretion eines Leuchtstoffes stellt die Übersicht und Kritik der bisherigen Erfahrungen noch eine unmittelbare Nerventhätigkeit mit Wahrscheinlichkeit als wirksam vor, die denn gerade auch als das Beherrschende für das zur Absonderung noth- wendig mitwirkende Gefäfssystem anzuerkennen sein würde. Nach meinen eignen bereits absichtlich sehr detaillirt angeführten Beob- achtungen des organischen Leuchtens in verschiedenen Meeren und Weltthei- len habe ich, nach Abzug der unbestimmt und zweifelhaft gebliebenen oder zurückgewiesenen Leuchtkörper, von 6 Arten von Infusorien 4, von 7 Arten von Acalephen 5, 2 Ringwürmer, (1 lebenden und) 1 todten Fisch, zusam- men von 17 beobachteten sehr verschiedenen Thierformen 12 auf das schärf- ste isolirt, in ihrem Verhältnisse zum Leuchten beachtet ('). Kleine Formen () Infusorien: PROROCENTRUM micans; PERIDINIUM acuminatum, Furca, Fusus, Michaelis, Tripos. Acalephen: OCEANIA hemisphaerica, Lenticula, microscopica, pileata; BEROE fulgens; CYDIPPE Pileus; MAMMARIA scintillans. Ringwürmer: 566 EHRENBERG: hatte ich in endloser Menge zur Untersuchung, allein gerade mit gröfseren war ich so glücklich nicht. Bei jenen blieb mir, sobald ich die ersten leben- den Leuchtthiere und ihre Thätigkeit sah, keinen Augenblick ein Zweifel, dafs ihr Leuchten ein Lebensact sei, und dieselbe Ansicht ist durch später oft wiederholte Beobachtungen nur bestätigt und befestigt worden. Die intensi- vere Anschauung der gröfseren Formen scheint hier ein anderes Resultat zu geben, indem schon Beccari und Spallanzani das Leuchtende als etwas abzusonderndes, nach dem Tode noch selbstständiges bezeichnen. Bei vielen der Versuche mit Medusen aber, welche nicht blofs im Leben, sondern auch im Tode geleuchtet haben sollen, z.B. wohl allen von Spallanzani, bleibt es mir durchaus zweifelhaft, dafs diese Medusen todt gewesen wären. Ich habe öfter am Meeresufer Medusen aufgehoben, die schon lange der Sonne aus- geseizt, am Strande gelegen haben mufsten, die, schon zerflossen und stark verstümmelt, ins Wasser gesetzt, ihre klappende Bewegung wieder langsam begannen. Vielleicht also könnte man in den mit so zähen Leben versehenen Gallertthieren und ihren Fragmenten sich über Tod und Leben gar oft ge- täuscht haben. In Beziehung nun auf meine Beobachtung des Medusen- lichtes, so ging dasselbe bei den Oceanien von zwei Stellen des Körpers aus, bei püleata vom Eierstocke, bei hemisphaerica vom Rande (!). Vom Rande ausgehend sahen es deutlich schon Forskäl und Spallanzani, und letzte- rer fand den Sitz allein im Rande, begleitet von einer Absonderung leuch- tenden Schleimes. Die neueren Beobachtungen über die Structur der Medusen, welche ich 1834 vollendete, der Akademie aber später (1835) vorgelegt habe, de- ren Resultat ich, um das Material für die Übersicht zu sammeln, hier auf- nehme, haben gerade den Rand der Medusen als den Sitz einer grofsen Or- ganisation, ja als den Hauptsitz solcher Organe erkennen lassen, welche dem Nervensysteme mit grofser Wahrscheinlichkeit angehören. Jene von mir zwischen je 2 Fühlfäden des Randes, und besonders unter den 8 braunen Körperchen aufgefundenen, ganglienartigen, markigen Organe sind ihrer PHOTOCHARIS cirrigera; POLYNOE fulgurans. Fische: !CLUPEA erythraea; "HETE- ROTIS nilotica. (') Leuchten vielleicht die Medusen und die Oceanien, deren Randfühler an der Basis ver- dickt sind (Traumantias nach Eschscholz), deshalb am Rande mehr, weil gerade diese so verdickten Basaltheile zum Lichtbereiten eingerichtet sind? das Leuchten des Meeres. 567 Stellung nach, mehr als die muskulöse Basis der Cirren, ganz geeignet, für mitwirkend beider Lichterscheinung angesehen zu werden, während der überall an der Oberfläche abgesonderte Schleim auch durch die überall häufig verstreuten kleinen Körner als Drüsen (?) seinen Ursprung erhalten kann. So gäbe es denn anatomisch eine Möglichkeit, und sogar eine Wahrscheinlich- keit, für die Meinung, dafs die galvanischen Versuche Herrn von Hum- boldt’s deshalb das Licht der Medusen aufregten, weil das Licht selbst auch bei ihnen einer Nerventhätigkeit seinen Ursprung verdankt und da seinen Hauptsitz am Rande hat, wo diese Nerven liegen. Auch in der Nähe des Eierstockes der Medusa aurita sind Fühlfäden mit unter ihnen liegenden gan- glienartigen Organen erkannt. Es liegt mithin nahe, auch diese mit der Lichterscheinung bei den ÖOvarien in Verbindung zu bringen, und eine der Medusa aurita sehr nah verwandte Art, wenn nicht sie selbst, ist leuchtend beobachtet worden. Mehr als diese so befestigte Ansicht erlaubt das noch zu unbebaute Feld der Organisation der übrigen Medusenformen nicht wis- senschaftlich zu begründen. Deutlicher noch und die Überzeugung eines rein organischen Verhält- nisses beim Meeresleuchten befestigend war mir das schon angezeigte, dem allgemeinen Leuchten eines überziehenden Schleimes vorausgehende Fun- keln der Photocharis in Helgoland. Ich habe dieses Funkensprühen der Cir- ren unter dem Mikroskope anhaltend im Finstern beobachtet und bin auf das Bestimmteste an etwas, kleinen, partiellen, electrischen Entladungen Analo- ges erinnert worden. Vergleiche ich damit die vielen Beobachtungen An- derer, so ergiebt sich fast überall, dafs die Leuchtthiere des Meeres, wenn sie auch mit ruhigem Lichte zu leuchten scheinen, doch beim Anfang und Ende ihres Leuchtens ein sehr bestimmtes Funkeln erkennen lassen. Schon de Castro sah das Ausschiefsen von Blitzen aus den hellen Flecken im Meere, die gröfsere Medusen gewesen zu sein scheinen, und dieses Blitzen des frei schwimmenden Thieres ist eine allgemeine Erfahrung. Nur darin unterschei- den sich die verschiedenen Arten, wie es scheint, dafs einige nur in gröfse- ren Zeitabständen momentan blitzen, andere aber durch schnell wiederholtes Blitzen einen sie umhüllenden Schleim zum eignen Leuchten bringen, der den ganzen Körper mehr oder weniger anhaltend leuchtend erscheinen läfst. Die Bewegungsorgane der Bero@ön und Cydippe ‘scheinen das Licht durch ihre Bewegung und längs ihrer Rippen’ hin zu verbreiten. Ich überzeugte 568 EHrENBERG: mich nicht, dafs sie selbst Licht bereiten, sondern sah dieses allemal aus dem Innern auf sie übergehen und zuweilen im Innern allein. Es ist bisher sehr schwierig gewesen, Organe aufzufinden, welche mit einiger physiologischen Wahrscheinlichkeit als wirklich lichtbereitende sich kund gäben, nur als zunächst Verbundenes ist der Eierstock hie und da zu erkennen gewesen. Bei der Photocharis war es deutlich, dafs die Cirren das Licht bereiten. Ich habe deshalb die Structur dieser Cirren zu ergründen versucht. Sie haben einen grofszelligen Bau ohne weitere Auszeichnung. Die Durchsichtigkeit aller dieser Zellenwandungen war nicht völlig gleich, aber hinderte doch bisher, dafs sich weitere Verhältnisse der Organisation darin unterscheiden liefsen. Gerade so zellig, gallertig und scheinbar indifferent ist aber der Bau des electrischen Organes der Zitterfische, welches ich so- wohl an Torpedo-Arten, als am Silurus electrieus des Nils frisch untersucht und gezeichnet habe. Wären diese so klein, so würde auch dessen Structur denselben Schwierigkeiten für die Erkenntnifs unterliegen. Der Verlauf von Nerven in das letztere und die unmittelbare Beziehung des Nervensystems auf die meist funkenlosen electrischen Entladungen der Fische ist vielseitig, auch von mir, erkannt und bestätigt. Die Erfahrungen für das Funkengeben der Zitterfische sind noch nicht häufig und festgestellt, allein dafs die ani- malische Electrieität von der physikalischen nicht wesentlich verschieden sei, hat neuerlich wieder Faraday nach sehr scharfen Vergleichungen an- erkannt. Die Feinheit und Durchsichtigkeit der weit kleineren Leuchtor- gane wird in diesen Verhältnissen noch lange Schwierigkeiten und Zweifel dar- bieten. Vielleicht habe ich aber den fruchtbaren Weg zur Weiterförderung dieser für die Idee vom Leben, das ich weit entfernt bin für Electricität, aber geneigt bin hier für den unmittelbarsten Erreger derselben zu halten, gewifs wichtigen Kenntnisse hiermit nachgewiesen. Es giebt aufser dem organischen activen Leuchten ein rein physikalisches und chemisches, organisch passives Licht. Leuchtender Harn und Schweifs gesunder lebender Menschen und Thiere ist der Erscheinung nach ein passives Leuchten, welches der Chemie angehört. Passiv ist auch die zufällige unwill- kührliche Electrieität, obschon sie prädisponirt sein kann. Alles Leuch- ten fauler Stoffe und todter Körper mag Phosphorwasserstoffgas- Entwick- lung sein und der Chemie allein angehören. Vieles Leuchten der Augen mag Spiegelung, auch Vision sein, aber Pallas dürfte nicht Unrecht: haben, das Leuchten des Meeres. 569 wenn er das Leuchten der Augen im Affeet bei Menschen und Thieren als Lebensact betrachtet. Gewils mögen einzelne Erfahrungen dafür leichtsin- nig hingesprochen oder, anderen Ursachen angehörig, selbst blofs eingebil- det sein, aber geschichtlich ist das Leuchten der Augen (vergl. Bartholin u.s.w., besonders aber Rengger) wohl zu vielfach begründet und nur der dazu nöthige Grad des Alfectes, Todesgefahr, höchste Wuth, gröfste Geis- tesspannung, grofse Gier und dergl. als seltne Bedingung (auch bei Katzen) mögen die Ursache der Seltenheit der Erscheinung sein. Das Leuchten der Augen eines Sphinx Convolvuli, den ich Nachts lebendig fing, sah ich als Student der Medicin in Leipzig. Im Jahre 1830 sah ich in Berlin eine Za- siocampa quercifolia am späten Abend mit leuchtenden Augen, konnte aber das Licht nicht wieder sehen, nachdem ich sie einige Zeit in der Hand ge- halten. Andere Thier-, auch Sphinx- und Bombyx-Augen, habe ich Nachts Licht rückstrahlend gesehen, auf actives Leuchten aber umsonst untersucht. Fehlte ihnen das Vermögen oder die Bedingung zum Leuchten? Es ist schwer, genau und fein zu beobachten, aber noch schwerer, aus dem Beobachteten nicht mehr zu folgern als es enthält, sagt ein Koryphäe der Naturforschung zu Ende des 18‘ Jahrhun- derts. Nach vorausgegangener eigner, vielfacher Prüfung und offener Vor- legung alles Details zur Beurtheilung schliefse ich mit folgenden sich mir an- zeigenden Resultaten: 1) Das Meeresleuchten erscheint nur als ein Act des organischen Lebens. 2) Es leuchten im Wasser und aufser dem Wasser sehr viele organische und unorganische Körper auf verschiedene Weise. 3) Es giebt in der Luft ein Leuchten organischer Körper, wahrscheinlich auch als Lebensact. 1 4) Das active organische Leuchten erscheint in der Form häufig als ein einfaches, von Zeit zu Zeit wiederholtes Blitzen, freiwillig oder auf Reiz; häufig auch als vielfache, unmittelbar auf einander folgende, der Willkühr unterworfene, kleinen electrischen Entladungen ganz ähnliche Funken. Nicht selten, aber auch nicht immer, wird durch diefs wiederholte Funkeln eine schleimige, gallertige oder wälsrige Feuchtigkeit, welche sich dabei reichlicher ergiefst, sichtlich in einen Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Ccece 570 5) 6) EHrENBERG: passiven oder secundären Zustand des Lichtgebens versetzt, welcher ohne weiteren Einflufs des Organismus, selbst nach der Trennung von ihm und nach dem Tode desselben, eine Zeitlang fortdauert. — Ein dem blofsen Auge zusammenhängend und ruhig erscheinendes Leuch- ten zeigte sich bisweilen noch funkelnd unter dem Mikroskop. Besonders der die Eierstöcke umhüllende und durchdringende Schleim scheint, so lang er frisch excernirt und feucht ist, empfänglich für je- nes mitgetheilte Licht, welches durch Reiben momentan verstärkt wird und wenn es erloschen schien, vorübergehend wiederkehrt. Könnte das Licht der lebenden Fische, Actinien und mancher ande- ren lebenden schleimigen Körper demnach nicht zuweilen ein nur mit- getheiltes sein, und deshalb nur gleichzeitig mit grofsen Mengen anderer Leuchtthiere erscheinen ? Eine Verbindung der Lichtentwicklung mit den Sexualfunctionen ist bei den Leuchtkäfern deutlich, selbst wenn auch der directe Zusam- menhang der Leuchtbeutelchen mit jenen Organen unerweislich bliebe. Bei den vielen meist hermaphroditischen Seethieren scheint das Leuch- ten offenbar ein Vertheidigungs- und Schutzmittel zu sein, wie bei Brachinus crepitans, den Sepien, den Fröschen und vielen anderen Thieren Ähnliches auf andere Weise geschieht und wie der Zitterrochen seine Schläge vertheilt. Nebenbei erleuchten sie auch die Luft und das Meer. Das Leuchten der Säugthier- und Menschenaugen würde, wenn man nach Zwecken suchen wollte, eine Warnung sein. Nur bei den Ringwürmern und nur bei Photocharis (also den Nerei- dinen) hat sich bisher ein lichtentwickelndes, vielfach funkelndes, be- sonderes, äufseres Organ als etwas verdickte mittlere Cirren (fleischige Fäden) erkennen lassen, welches eine grofszellige Structur und galler- tige Beschaffenheit im Innern zeigt. Als seltner funkelnde, ähnliche Organe könnten die verdickten Basaltheile der Randcirren bei T’hau- mantias der Acalephen zu betrachten sein. Die Eierstöcke sind wahr- scheinlicher nur passiv oder secundär leuchtend, jedoch mögen, wegen Kleinheit und Durchsichtigkeit bisher unerkaunte, Organe der Licht- bereitung hie und da neben den Eierstöcken liegen, so auch bei Polyno@ und Pyrosoma. das Leuchten des Meeres. 571 8) Das Lichterregende ist offenbar ein der Entwicklung von Electricitätsehrähnlicher Lebensact, welcher individuell meist bei öfterer Wiederholung schwächer wird und aussetzt, nach geringer Ruhe wieder erscheint und zu dessen Darstellung die volle Integrität des Organismus nicht nöthig ist, der sich aber als im direeten und allei- nigen Zusammenhange mit den Nerven zuweilen da klar zu erkennen giebt, wo die Organisation des Körpers überhaupt klar ermittelt ist. Sehr auffallend bleibt die vielleicht auch activ entstehende, all- mälig aber secundär und passiv werdende Lichterscheinung bei ster- benden Pflanzen und Thieren, welche, im Verein mit der Selbstver- brennung bei lebenden Menschen, diesen Lichtentwicklungsverhältnis- sen eine der weiteren intensivesten Aufmerksamkeit sehr würdige Be- deutung geben. —_a anno no Cccec2 572 EnurEnBeErc: Erklärung der Kupfertafeln. Da es bisher noch keine so beobachteten Leuchtinfusorien gab, dafs dieselben in das naturhistorische System eingereiht werden konnten, so habe ich der Akademie die Abbildun- gen vorgelegt, welche ich nach den von Herrn Dr. Michaelis mir zugesendeten lebenden Thieren selbst gefertigt habe. Diese Formen sind auf den beiden Kupfertafeln abgebildet. Auf der ersten Tafel ist neben dem einzigen bisher sicher bekannten Leucht-Räderthier- chen der leuchtende Ringelwurm, Po/ynoö fulgurans, in der ursprünglich beobachteten und gezeichneten Grölse dargestellt. Die zweite Tafel enthält die lichtgebenden Magen- thierchen. Tafel 1. Figur I. PoLyNoE fulgurans n.sp. 4-% Linie grofs, mit 9 borstenführenden Fufspaaren, jeder Fuls mit 6-10 gesägten Borsten von ungleicher Länge. Auf jedem Fulse ein an der Basis verdickter und warziger Cirrus. Sämmtliche Fulspaare bedecken 5 Paar stachliche Schilder (E/ytra), von denen das 3! und 4! die grölsten, das 2° und letzte die kleinsten sind. Zwei Aftercirren, an der Basis verdickt und warzig, haben fast 2 Drittheile der Körperlänge. Kopf grols und dick, halbmondförmig, mit 4 runden, schwarzen, grolsen Augen. Fünf Antennen und 2 Nebenfühler, sämmtlich an der Basis verdickt, sind am Kopfe; die 3 mittleren Antennen sind warzig, wie die Basis der Nebenfühler. Zwischen den Fühlern des Kopfes und zu den Seiten des Afters sind kleinere Borsten. - Im innern Körper liefs sich deutlich nur der mittlere Darm mit Azahnigem Schlund- kopfe und ein doppeltes, grofses, körniges Organ zu beiden Seiten desselben deutlich erkennen, welches einem Eierstocke gleicht und das blitzende Licht zu entbinden schien. 1a die 4 Zähne im Schlunde mit ihren Wurzeln oder Kiefern besonders, 12 ein abgefallenes Seitenschild, 1c eine etwas vergrölserte Fulsborste, x die beiden ver- muthlich lichtentwickelnden Eierstöcke. Vergl. Poggendorf’s Annal. 1831. Die Rückenschilder dieser Form fallen sehr leicht ab, daher kann Abildgaard’s Thierchen auch ohne Schilder eine Polyno@ gewesen sein. Fig. U. SyncnAETA baltica n. sp. Körper panzerlos, kurz conisch, bis %"’ lang, vorn breit ab- gestutzt, hinten spitz, in eine kurze bewegliche Zange endend, welche oft als einfache Spitze erscheint. Ein Alappiges, muskulöses Räderorgan wird vorn so hervorgescho- ben, dals die gröfseren Theile weit seitlich hervorstehen. Zwischen dem Räderorgan in der Mitte ist ein kleiner, unpaarer, behaarter Stirntheil, oder Oberlippe, hinter dem auf der Rückenseite unmittelbar ein grofses, rothes Auge liegt. Zwischen den das Leuchten des Meeres. 573 beiden Haupttheilen des Räderorgans jederseits befinden sich je 2 Griffel oder län- gere, nicht wirbelnde, aber bewegliche und einziehbare Borsten. Vom Rücken aus gesehen liegt unter dem Auge innerlich ein grolser muskulöser, eiförmiger Schlund- kopf, dessen äufsere Umkleidung bei anderen Arten dieser Gattung ein deutlicher getheiltes Gehirn bildet und welcher zuweilen vorn ein Paar lange, einfache oder doppelte Zähne führt. Dieser Schlundkopf, der vorn zwischen den Räderorganen im Munde endet, geht hinten in einen sehr dünnen Schlund über. Der Schlund mündet weiter nach hinten in einen dicken, conischen, einfachen bis an den Zangen- fuls reichenden Darm. An der Einmündungsstelle liegen 2 gröfsere, kuglige Drü- sen (Pancreas?) und etwas nach hinten schliefsen sich ein oder 2 andere drüsige Kör- per eng an den Darm, welche dem Eierstocke anzugehören scheinen. Übrigens unterschied ich im Körper 5 Queergefälse und einen deutlich gestreif- ten, vor der Mitte anfangenden, beim After endenden, in sich contractilen Längs- muskel und eine bis zum Auge sich erstreckende, bei den Contractionen des Körpers passiv gebogen erscheinende, bandartige, männliche Samendrüse. Mehr habe ich bis jetzt aus den wenigen, sehr durchsichtigen, mir vorgekomme- nen Exemplaren an Structur nicht entwickeln können, doch zeigt schon diels deut- lich an, dafs alle organischen Systeme der Gattung Synchaeta vorhanden sind. Vergl. Synchaeta pectinata Abhandl. der Akademie 1833, TafelX, und Synch. baltica da- selbst im Text. 2a ein grölseres, schwimmendes Individuum, dessen innern Körperraum kleine Bläschen erfüllen, ein bei Räderthieren häufiges Zeichen von Krankheit und Mangel an Lebensenergie; 25 ein jüngeres, frischeres, schwimmendes Individuum, « die Mundstelle, » die Afterstelle, + die Griffel, < . ® 5 ' . Ä . rn v “« Über die Darstellbarkeit der Wurzeln einer allgemeinen alge- braischen Gleichung mittelst expliciter algebraischer Ausdrücke von den Co6fficienten. He ae ar mmnamnnnmanmVn [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 13. März 1834.] Einleitung. Piss OEL AN Ren, m von einander unabhängige Unbestimmten,. und 2) K<=a"+2a + Eat rare Er he +, , cCcHE,—0 die allgemeine algebraische Gleichung des Grades m rücksichtlich x: so sind bekanntlich z verschiedene Funktionen von den Gröfsen (1), BIER elle nenn) Selaeskee ea SE SR 0 EN denkbar, so dafs man identisch habe Alla f (Erkner EIKE nr IKK lenken KR X (Erkadse En]; und es wird eine jede von den, dieser Bedingung entsprechenden Funktio- nen (3) eine Wurzel der Gleichung (2) genannt. Die Darstellung dieser Funktionen mittelst analytischer, auf eine explicite Weise von eben jenen Gröfsen (1) abhängiger, Ausdrücke, oder die allgemeine Auflösung der Gleichung (2), ist bekanntlich der Gegenstand vieler, bisher gröfstentheils noch erfolgloser, Bestrebungen gewesen. Für m=ı wird diese Darstellung durch einen rationalen, — für die Werthe 2, 3 und 4 von z durch irratio- Phys.- mathemat. Abhandl. 1834. Dddd 578 Dirxsen über die Darstellbarkeit der IWW urzeln nale, — für alle diese vier Fälle von m also mittelst algebraischer Ausdrücke zu Stande gebracht. Der Hauptzweck der folgenden Betrachtungen ist, un- ter Berücksichtigung der, diesen Gegenstand betreffenden Leistungen Ruf- fini’s, Abel’s und v. Ettingshausen’s, darzuthun, dafs sich keine von den Wurzeln der Gleichung (2) mittelst algebraischer Ausdrücke von den Gröfsen (1) darstellen läfst, wenn m gleich, oder gröfser, als 5 ist. Um dahin zu gelangen, schien es dem Verfasser nicht unwesentlich, aufser denjenigen Lehrsätzen, mit welchen der in Rede stehende Satz in der nächsten Verbindung steht, oder vielmehr als stehend betrachtet werden kann, auch diejenigen, und zwar in ihrem Zusammenhange, zu einer, wenn auch theilweise nur factischen, Erörterung zu bringen, welche demselben entfernter liegen, jedoch, an und für sich betrachtet, nicht zu den bekann- testen gerechnet werden dürfen; — und es ist deshalb, dafs diese Abhand- lung in drei Abschnitte zerfällt. Der erste Abschnitt hat die, auf den vorliegenden Gegenstand zu- nächst bezüglichen Eigenschaften der algebraischen Ausdrücke, und der, durch algebraische Ausdrücke bestimmten Funktionen zum Gegenstande. Der zweite Abschnitt betrifft die nähern Bedingungen, welche eine Funktion von den Coäffhicienten der Gleichung, in so fern man dieselbe durch analytische Ausdrücke überhaupt, und durch algebraische Ausdrücke ins be- sondere, als bestimmt betrachtet, zu erfüllen hat, um eine Wurzel der all- gemeinen Gleichung des Grades m zu sein. Im dritten Abschnitt wird endlich gezeigt, dafs diesen Bedingungen nicht entsprochen werden kann: 1) durch eine, mittelst rationaler Ansdrücke bestimmte Funktion, wenn nA Jst. 2) durch eine, mittelst irrationaler, oder theils rationaler, theils irratio- naler, Ausdrücke dargestellte Funktion, wenn der Grad m der Glei- chung höher, als 4 ist. Die folgenden Sätze werden hier jedoch, unter der Benennung „Hülfs- sätze,” als hinreichend bekannt in Anspruch genommen. Hülfssatz I. Bezeichnen "+ 4,0704 4,077 + A,0” + ei -E Ar AR und x” AErT7 + A,x"7 + A," araleht..% HA E Al einer allgemeinen algebraischen Gleichung u. s.w. 579 zwei ganze Polynomien rücksichtlich x, und a4 Ba" + Ba" + Ba” +... + B_,x+B, einen gemeinschaftlichen Divisor derselben: so lassen sich die Gröfsen BAER, BasswD, beziehungsweise mittelst rationaler Ausdrücke von A A AA A > He a EEE darstellen. Hülfssatz II. Ist, unabhängig von x, 3 Ar Aa" + Aa Aa" He A, aA, 0: so hat man RE ZA —105 A —0: FE RR - 9 =) BI —a0: n— Hülfssatz III. In so fern man unter einer primitiven Wurzel der Gleichung 32 — ı =0o eine solche versteht, die keiner Gleichung eines nie- 5 ’ 5 drigern Grades von eben dieser Form zu entsprechen vermag, werden, wenn « eine solche Wurzel bezeichnet, die Gröfsen 4 rn 2 3 A _ We eonleridaiE ie: =, die n von einander verschiedenen Wurzeln jener Gleichung darstellen, und es wird sein n n x Fa I. 4_ n—1,_ I p'— 2’ = (p—as) (p—.a°z) (p— «'z) (p— «'2)....(p— «"'2) (p—a'z). Hülfssatz IV. Bezeichnen 4,%, +4,%, 44,8%, 4: +a,_,%,_,+a,x2, +a,,=® a, x, ir 02%, + a, xt: a Re Wr Er a, x, er —05 ab + ax, + ax, + eo. 7 San een + ax, + Re =0, (9) ) (8) 1272, (2) (5 9 a, X, Fa, X, +4, %X,t +4, t%%tr 9 "nn Rn nn 1 = = a“ a a le De TER 127 ine ER SR eat, ein System von z linearen Gleichungen zwischen den z Unbekannten 5 KERLE, 5 sh anal Dddd2 580 Dirksen über die Darstellbarkeit der FF urzeln insgesammt unabhängig von einander, und einander nicht widerstreitend : so läfst sich der, diesen Gleichungen entsprechende Werth von x,, streng allgemein, von g=1 bis g=n, mittelst eines rationalen Ausdrucks von ER a EL a BR n-+1)9 (1) (N A) (1) (1) (1) 3 Ag, A; y, A, yeer..Q,, A,,ı (2) (2) (2) 16%) (2) 3 Agy Az, Ayyerer ll, y Ayyı = - = “ we ne 2 (9) (9 (9 (2) we) 5 ER CR UNSERER RANG N ga Seo Doc N NN (r—1) (n—1) (r—1) ("—1) (a —1) (r—1) 1 „4; „4; » 4 er, y„ Anzı? darstellen. 2.4 Von den algebraischen Ausdrücken. 1. Def.1. Bezeichnen £,, &,, &3; Eis... -.Z, eine Anzahl von m unbe- stimmten Gröfsen, so heifst jeder Ausdruck Z, welcher diese Gröfsen, in Verbindung, oder nicht, mit andern Gröfsen, durch irgend welche von den analytischen Grund-Operationen, zu einer neuen unbestimmten Gröfse mit einander verknüpft enthält, ein analytischer Ausdruck von jenen m Un- bestimmten. Ist ein analytischer Ausdruck 7 von jenen Unbestimmten von der Art, dafs die Verknüpfung dieser Gröfsen, sowohl mit einander, als mit den übrigen, rücksichtlich ihrer selbst, lediglich durch eine angebbare Anzahl von Einer, mehrern, oder allen algebraischen Grund-Operationen, als Ad- dition, Subtraction, Multiplication, Division, Erhebung zur Potenz eines po- sitiven ganzen Exponenten und Ausziehung der Wurzel eines positiven gan- zen Grades, geschieht; so heifst derselbe ein algebraischer Ausdruck von jenen unbestimmten Gröfsen; nicht-algebraisch, oder transcendent hingegen wird ein analytischer Ausdruck in allen übrigen Fällen genannt. Ist ein algebraischer Ausdruck Z in Bezug auf die Unbestimmten von der Operation der Wurzelausziehung unabhängig, oder auf einen, von die- ser Operation unabhängigen zurückführbar; so heifst er ein rationaler Ausdruck von den Unbestimmten: irrational dagegen wird ein algebrai- scher Ausdruck in allen übrigen Fällen genannt. einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 5s1 Ist ein rationaler Ausdruck Z in Bezug auf die Unbestimmten von der Operation der Division unabhängig, oder auf einen von dieser Operation unabhängigen Ausdruck zurückführbar; so heifst er ein ganzer Ausdruck von den Unbestimmten: gebrochen wird der rationale Ausdruck in den entgegengesetzten Fällen genannt. Ein Ausdruck von Ausdrücken wird ein Ausdruck Z von den Unbe- stimmten £,, &,, &,, &,.....£, genannt, in so fern man diese Unbestimmten selbst als Ausdrücke von andern Unbestimmten, z.B. &,, X, Ay, Xssees betrachtet. 2. Die vorigen Bestimmungen voraus gesetzt, seien gegeben und fı (ar v3...) Ef: (827 823.-.)) Es =f; (217223 %3---)2+ ++. Em = fm (A R2y%-..)- Denkt man sich hier die Ausdrücke für £,,£&,, &,....£, in Z gesetzt, so ist es einleuchtend, dafs Z dadurch in einen Ausdruck von &,, 255 Kr... übergehen wird, in welchem, zum Behuf der Verknüpfung dieser Gröfsen mit einander, keine andere Operationen in Anspruch genommen werden, als diejenigen sind, welche zur Bestimmung jener unmittelbar gegebenen Ausdrücke selbst dienen. Daher, vermöge Def. 1, Lehrsatz 1. Ein algebraischer Ausdruck Z von Einem oder meh- rern algebraischen Ausdrücken irgend einer gegebenen Anzahl unbestimmter Gröfsen bildet, nach geschehener Substitution, entweder einen algebraischen Ausdruck von Einer, mehrern, oder allen jenen Unbestimmten, oder einen von diesen unabhängigen Ausdruck. Lehrsatz 2. Ein rationaler Ausdruck Z von Einem, oder mehrern rationalen Ausdrücken von irgend einer gegebenen Anzahl unbestimmter Gröfsen bildet, nach geschehener Substitution, entweder einen rationalen Ausdruck von Einer, mehrern, oder allen jenen Unbestimmten, oder einen von diesen unabhängigen Ausdruck. Lehrsatz 3. Ein ganzer Ausdruck von Einem, oder mehrern gan- zen Ausdrücken irgend einer gegebenen Anzahl unbestimmter Gröfsen bil- ganzen Ausdruck von 8 Einer, mehrern, oder Allen jenen Unbestimmten, oder einen von diesen det, nach geschebener Substitution, entweder einen unabhängigen Ausdruck. 582 Dirxsen über die Darstellbarkeit der Wurzeln 3. In so fern man das System von Grund-Öperationen, durch wel- ches eine Gröfse mittelst anderer logisch bestimmt, oder ausgedrückt wird, als die Form der Gröfse, oder des Ausdrucks, constituirend betrachtet, be- steht bekanntlich die allgemeinste Weise, eine Funktion X von den m Ver- änderlichen : (Diese Bes Enten fen mittelst explieiter Ausdrücke von einer gegebenen Form darzustellen, darin, zunächst von (1) eine angebbare Anzahl m, Ausdrücke von der gegebenen Form an ‘ 1) (2) 3) DEI) Or ET dann ferner aus (1) und (2) eine angebbare Anzahl m, Ausdrücke von der gegebenen Form , ee BERN, U TINTE darauf wiederum aus (1), (2) und (3) eine angebbare Anzahl m, von der ge- gebenen Form DE 2 zn ()......1®, DO, I... 17»); u.s.w., — endlich aus (1), (2), (3), (4),....(g)-... (r) eine angebbare An- zahl m, Ausdrücke von der gegebenen Form (+1).....170, 09, 19, ....00”, und zum Beschlufs aus (1), (2), (3),.....(7), (+1) einen Ausdruck X von der gegebenen Form zu bilden. Dies vorausgesetzt, ist es, vermöge Def. 1, einleuchtend, dafs jeder Ausdruck U, welcher aus einer angebbaren Anzahl, durch Addition und und Subtraction mit einander verbundener, Glieder von der Form ne) ın!) ‚ni n‘? Ayers Lues Sa besteht, wo 4% von &,, &,, &....&, unabhängig ist, und z‘”, zn, n®....n‘® beziehungsweise ganze Zahlen bezeichnen, einen ganzen Ausdruck von £&,, Een hildel; Da sich nun, wie solches hinreichend bekannt ist, die Summe, die Differenz, das Product, so wie die Potenz positiver ganzer Exponenten von solchen Ausdrücken auf Ausdrücke von eben dieser Form zurückführen las- sen, und eine jede von den Gröfsen &,, &,, &,.....£, einen besondern Fall dieser allgemeinen Form bildet: so hat man, vermöge Def. 1, einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 583 Lehrsatz 4. Bezeichnen n‘”, n{, n\.....n”” beziehungsweise ein- zelne positive ganze Gröfsen, Null nicht ausgenommen, und 4°” eine, von Ei» Es &u-....£, unabhängige Gröfse; so läfst sich jede, mittelst ganzer, auf En eine explicite Weise von &,,&,, &3-.....£, abhängiger Ausdrücke bestimmte, Funktion X von £,, &,, &......£, durch eine angebbare Anzahl, mittelst Ad- 51765 dition und Subtraction mit einander ee Glieder von der Form Er gr 2 ge ) darstellen. Folg. Hieraus folgt, dafs sich jede, mittelst ganzer Ausdrücke be- stimmte, Funktion X von &,, &,, &,.....£, stets durch eine angebbare An- zahl, mittelst Addition und Subtraction mit einander verbundener, Glieder von der Form ” K®E gr darstellen läfst, wo &, eine ee und X‘ einen ganzen Ausdruck von den (m — ı) übrigen der m Veränderlichen bezeichnet. Bezeichnen ferner [ (&u 8 Fraser 2, 2» anze Ausdrücke von £&,,&,, &,.....Z,: so wird, nach Def. 1, 43 E ı53 Om 3 (En Enns N in, En&n Sera ven) einen gebrochenen Ausdruck von eben diesen Unbestimmten darstellen. Da sich nun, wie solches bekannt ist, die Summe, die Differenz, das Product, der Quotient, und die Potenz eines positiven ganzen Exponenten solcher Ausdrücke auf Ausdrücke von eben dieser Form zurückführen lassen, und eine jede von den Gröfsen £,, &;, &r.....£, selbst einen besondern Fall die- ser allgemeinen Form bildet: so hat man, nach Def. 1, Lehrsatz 5. Jede Funktion X von £,, &,, &,....£,, entweder durch lauter gebrochene, oder theils durch ganze, theils durch gebrochene, expli- eite Ausdrücke hestinralı läfst sich stets durch den Quotienten zweier gan- zen Ausdrücke von E.....£, darstellen. x 54) Eu 53 Bezeichnen = zo £ x N 523 539 Eu, m unbestimmte Gröfsen: (Dean de, Die, OT, 4 rationale Ausdrücke derselben ; 5854 Dirksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln (3) Omen Narr. beziehungsweise positive ganze Gröfsen; F die Charakteristik eines rationa- len Ausdrucks von den, unter diesem Buchstaben befindlichen, Gröfsen: und hat man 1 1 4 N p 5 nd nn nm) n\") Heu V ZENErrEosbsue- rin 05 Valı 95 se, 73 so ist es einleuchtend, dafs sich 7 nur in so fern auf keinen rationalen Aus- druck von &£,,&,, &,....£, wird zurückführen lassen, als die Ausdrücke 1 1 1 1 n\!) n'?) 7) CD a (3) n‘*) 0.0. n 3 entweder alle, oder theilweise, auf keine rationale Ausdrücke von &,,&,, Ere....&, zurückgeführt werden können. Dies vorausgesetzt, sind zwei Fälle von einander zu unterscheiden. Entweder lassen sich von den Ausdrücken (5) einer oder mehrere durch die übrigen in Verbindung mit den Ausdrücken (2) und (1) mittelst rationaler Ausdrücke darstellen, oder solches ist nicht der Fall. Im ersten Falle werden sich offenbar von den in (4) enthaltenen p. von einander verschiedenen Radical- Ausdrücken eben so viele eliminiren lassen; im zweiten aber nicht. Um demnach, von der einen Seite, die Ir- rationalität eines Ausdrucks (4) sicher zu stellen, und, von der andern Seite, keine überflüssigen Radical- Ausdrücke in denselben aufzunehmen, darf hier, der Allgemeinheit unbeschadet, vorausgesetzt werden, dafs von den in (4) enthaltenen Radical- Ausdrücken (5) keiner durch die übrigen in Ver- bindung mit denen von (2) und (1), mittelst eines rationalen Ausdrucks, dargestellt werden könne. Der Kürze wegen soll hier diese gegenseitige Beziehung der Ausdrücke (5) dadurch bezeichnet werden, dafs wir sagen, sie seien irreductibel unter sich. Dies vorausgesetzt, erlangt man, unter Berücksichtigung des Vorher- gehenden, Lehrsatz 6. Bezeichnen rn Bus Mg Mes PARERR UL; “) (2) 3) ) (), N, No D,, Miesierelli: 5 65) (2) (3) (4) (2), DE EL 9 ee einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 585 65) (2) (3) (4) (23), N; ;3 N, y, N, y Merci, 5 (1) (2) (3) (4) (12 ): a Or RE ea’ "Aa 2 3 4 kr Zus DI um, PS ) beziehungsweise angebbare positive ganze Gröfsen; und ea ee ee eine Anzahl von m unbestimmten, von einander unabhängigen Gröfsen; sind (4) (2) 3) (144) U), U, 5, U, e....cd, , rationale Ausdrücke von (1), und N 1 N ] (2) SMelersleyeiststare rt” art” Ph NE ur irreductibel unter sich; sind a a A: (2) #, rationale Ausdrücke von (1) und (2), und 1 1 1 1 a) 2) 3) (#2) ana (eyr2 (372 Ko "72 Bares Us guüs S.u, uunen. u) irreductibel unter sich; sind “) (2) 3) (143) Usy,U,, Usseascl, 4, rationale Ausdrücke von (1), (2), (3), und 1 1 1 1 ca ‚nl ) 3) (4) u wars, s, yes” EEK DFUGTN UL n U eos irreductibel unter sich, u.s.w.; — sind endlich 4) ,,02) u, r a ak „, rationale Ausdrücke von (1), (2), (3), (4)..-.. (r—1), (r), und 1 1 1 1 ) ui (2 2 ayTır (Her u u Phys.-mathemat. Abhandl,. 1834. Eeee n‘? u raue r 586 Dirksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln irreductibel unter sich: so läfst sich jede Funktion X von £,, &,, Eis... &,, entweder durch lauter irrationale, oder theils durch rationale, theils durch irrationale explieite Ausdrücke bestimmt, darstellen durch die Formel 1 1 1 1 1 1 (1) (2) (Aı) (1) (2) (#3) Ban R ayrı (ay7?ı I ara (2)rr2 Ko)? . s=FlEnkabn.d: EN u er, u. 1 1 1 1 1 1 nn ar? ) re (mp) (1) (2) (ky) (12 nor ar (2) Wr" e ...ul8e) ....d, ,„ U, ee ) ’ wo F die Charakteristik eines rationalen Ausdrucks von den, unter diesem Buchstaben stehenden Gröfsen bezeichnet. Anmerk. Die in der Reihe (g) enthaltenen Radical- Ausdrücke heifsen 1 hier irreductibel unter sich, in so fern sich un nicht mittelst eines ratio- nalen Ausdrucks von den übrigen in (g) und denen in (g—1), (e—2)... (2), (1) enthaltenen Ausdrücken darstelien läfst. 5. Bezeichnet F die Charakteristik eines rationalen Ausdrucks, und hat man so läfst sich 7, nach Lehrsatz 4, Folg. und Lehrsatz 5, in Verbindung mit Def. 1, streng allgemein, darstellen durch a, in P N, n, rs N, Rn, zu Mo+M,o, + Mo, + M;o, +... Mo, +....#+M,o, Fu u 2 3 ef Br n, un, n, 7 ns Not No, + Nav, + N ze, +....t+N%, +....H N, wo M, und N,,, beziehungsweise vonge=obise=p, und !)=obisg =p), 1 von v," unabhängig sind, und ganze Ausdrücke von den (u — ı) übrigen Grö- 1 2 =) fsen v"', v3”, 0°’ u.s.w. bilden. Da sich nun jede ganze Zahl A, gleich, oder gröfser, als r,, darstel- len läfst durch «z,+, wo « eine ganze Zahl, gleich, oder gröfser, als 1, und 8 ebenfalls eine, mit Einschlufs der Null, ganze Zahl, kleiner, als n,, einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 537 bezeichnet: so wird sich der Ausdruck »"” auf v“. v””, — und daher der vo- rige Ausdruck auf ae: P et 2 Zen N, 5 a P,+P;e, Sedo Die)" +. + Pe, + ..Pn,—1o (2). .-- Ei 1 2 3 p ny—i n, 7, n, n DErON: "+02, "+07, +....+0;0, + ....QOn,—i1o zurückführen lassen, wo P, und Q,, beziehungsweise von o=0 bis o=n,—1 Re N ganze Ausdrücke von v, und 0‘, 0%°, 0%’ u.s.w. bezeichnen. Da nun ein rationaler Ausdruck von rationalen, und daher auch von ganzen, Ausdrük- ken (Def.1) einen rationalen Ausdruck gibt (Lehrs. 2): so folgt hieraus, dafs in dem Falle, wo die Gröfsen n n n n 1 2 3 v ENDET VE pr, Ausdrücke von andern Unbestimmten bilden, die irreductibel unter sich sind, 4 der Ausdruck v"” durch keinen rationalen Ausdruck von den Gröfsen Ps DIS PEN DER PT, 02.03: 3,0 2. On dargestellt werden kann. Denn, könnte eine solche Darstellung statt finden, 1 so würde sich e”” mittelst eines rationalen Ausdrucks von den übrigen und v, bestimmen lassen, was der vorausgesetzten Irreductibilität widerstreitet. Betrachten wir jetzt den Ausdruck (2) näher. Setzt man, der Be- quemlichkeit wegen, ar =)» Zul ©) er so geht der Ausdruck (2) über in n—1 4)... nk ek, yet: A hey® ee gege le = ugs. .+LAÄAYF Eeee2 588 Dirxsen über die Darstellbarkeit der Wurzeln Bezeichnet nun « eine beliebige von den primitiven Wurzeln der Glei- chung wodurch man, nach Hülfssatz III, hat 6) ?—2=(9—2)(g—e2) (g—a°z) (g—a°’2)...(g—a'2)...(g—a 2); und setzt man, zur Abkürzung, e n—1 ..... +,« y’+ 7 Ar art Y n ) x(l, Hl, a yr + l,a'yr + Lay? +... e n—1 Br shl,affge po u you ey) (6) x(arley” "+ Lay” "+ Lay + Be 2 . : RE +/, a? ap et Dre) x(,+ La yr Hl, ae +1, Et Enns nn + La" "’yr he, ae) wie auch Bi Ei a n a FH Hl Hy He Hy tee Hl.) =W: so erlangt man MD) ER (brhrHrrreH H+”): Was nun die Gröfse /Y betrifft, so sei, der Kürze wegen, 1 Nu (8) ee ele ereletelsnetskelelöfskeneieke te DESE— Rz und, einem bekannten Satze gemäls, (9) +1,23 + 1,3” + 1,2’ +...» +12’... +L_2""" Alsdann ist „Wr, az+1,a’2’+1,a’2’+....- +l,a’z’+..... i..0 = = (a, — a2) (a,— a2) (a, — a2) (a, — a2)....(a,_,— 2), IL, +1la’z +1,03’ + 1,02’ +..... + Lats’... tet einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 589 LW+Ll,®2+1,a2’ +1,32’ +...- +la'z’ +... BLHNENE . 3 : — (a, — az) (a,— az) (a,— a’z) (a, — @’2)....(a,_,—@ 2), DElao ala Lo Ver Lot st. te n—1 = (a,—«a'”'z) (a,— a’ "'2) (a, —a'"'2)....(a,_,— a2): daher, vermöge (5) und (6), W = (a\—2') (a,—2') (a\—2")....(a,—2")....(a_,—2’"); endlich, in Folge von (8), W <= (a\—y) (a,—yY) (a3— Y)....(aW—yY).... (aU_,—yY). Vermöge des 3'“ Lehrsatzes folgt aus dieser und der Gleichung (6) für 77, dafs diese Gröfse einen ganzen Ausdruck von den (n-+1) Gröfsen ll, Lac, „Bildet. Was ferner den Ausdruck 7 anbelangt, so besteht derselbe, nach der Gleichung (6), aus einem Producte von (ra— 1) Factoren, von denen ein jeder, nach Def. 1, ein ganzer Ausdruck von y* und von Z,, L,5 dy5 Izer..Z, _, ist. Daher wird, derselben Def. und Lehrs.3 zufolge, das Product selbst ein ganzer Ausdruck von eben diesen Gröfsen sein, welcher sich, nach Lehrs. 4, Folg., durch die Form DAL Je lern, yet. + Ly° +: = yr darstellen läfst, wo Z,, Z,, Z,, Z,....Z, beziehungsweise ganze Ausdrücke von Z,, 2,5 la, lye...2,_, bilden. Aus denselben Gründen wird sich der Aus- druck Vx(k,tky”+ k,y" + k,y’+ ORHR, + hy + Aare + k_,Y”) durch die Form 1 [4 3 ep 7 K,+K,y’ + K,y" + K,y’ +: + K,y' +: +K,y' darstellen lassen, wo XÄ,,K,,K,, K,...,. K, ganze Ausdrücke von A,,A,, Ru, kzechk,_5 Toyluslay las. 2,_, bezeichnen, welcher Ausdruck sich wie- derum, einer frühern Bemerkung gemäfs, zurückführen läfst auf die Form n—1 ur 2_ ea eu wa I, +. FF LH ya +/,y'+ Bro —2.,7*, 590 Dirxsen über die Darstellbarkeit der Wurzeln wo 1 1, Io, Tan... 7,2; ganze Ausdrücke von Yu), A, skin; Lydia, dyrr..Z2,_, bilden. Verbindet man hiermit die Gleichung (7) und den gun Lehrsatz, so folgt, dafs man hat f 2 3 e ni E=R,+R,y" + R,y" + R,y” +: -- +Ry”r +. + R_y”, wo R,, R,, R,, R;,.... R,_, beziehungsweise rationale Ausdrücke von y, /,, Velen sie sole cz = bezeichnen. Mit Rücksicht auf die Gleichung (3) und das Vorhergehende eb sich hieraus Lehrsatz 7. Bezeichnet 7 die Charakteristik eines rationalen Aus- drucks, und hat man n—1 1 N 1 1 1 ny na 2, n,\, = ER ang ne et); so läfst sich E, streng allgemein, auf die Form 1 @- 3 R ni 72 3,72 or v3.72, M n, E=R"N ERW" LRWT HR +. RW) er ei Rdn. 0” zurückführen, wo AR, RV, RY, RS..... RY....R„,—ı rationale Ausdrücke 1 1 1 1 1 1 n; no n3 2,4 ey VOnY.; 0. 5 0, 5.05 a n . .....9," bezeichnen. Folg. Da ein rationaler Ausdruck von rationalen Ausdrücken stets auf einen rationalen Ausdruck von den primitiven Gröfsen zurückgeführt 1 . . n . werden kann (Lehrs. 2): so wird sich v,”, in so fern Ausdrücke von andern Unbestimmten bilden, die insgesammt irreductibel unter sich sind, durch keinen rationalen Ausdruck von Bw, RW, Re, RS... R"n,—ı darstellen lassen. 6. Lehrsatz 8. Bezeichnen vr Pos: Ps Pr Pan HR, n—i einer allgemeinen algebraischen Gleichung u. s.w. 594 beziehungsweise irgend welche Ausdrücke von den Unbestimmten {,,L,, Q3» 24:.., von der Eigenschaft, dafs v” durch keinen rationalen Ausdruck von » und Pa. 0 Dir Pics P,_, dargestellt werden kann; und ist ! 2 3 2 (1) P,+ P,v” + P,v" + P,v" +... .- + P,v” er. 2 A so hat man auch Sea er ieaietyrrr LE SR Y Beweis. Finden die Gleichungen (2) nicht statt, so wird auch das Polynomium P,+P,t+P,”+P, +... + Pt +..+P,_U", wo t eine neue Unbestimmte bezeichnet, nicht unabhängig von i gleich Null sen. Denn, damit dies der erste Fall sei, müssen, nach Hülfsatz III, die Gleichungen (2) statt finden. 1 Findet nun ferner die Gleichung (1) statt, so wird v” eine Wurzel der Gleichung (3)...-A, + Pt+-P,P+P,t"+..+Pt+..+P_U'=o 1 sein. Denn setzt man hier =», so entsteht die Gleichung (1). Da nun Br auch eine Wurzel der Gleichung bildet, so folgt, dafs, in so fern (1) statt findet ohne (2), die Gleichungen (3) und (4) wenigstens Eine Wurzel gemeinschaftlich haben müssen. Es bezeichnen u die Anzahl, und A,, k,, ky.... k, die Werthe dieser gemeinschaftlichen Wurzeln. Alsdann ist es klar, dafs diese Anzahl kleiner, als z, und die Werthe insgesammt von einander verschieden sein werden, — weil nahmentlich, wie solches hinreichend bekannt ist, die Gleichung (3) nicht mehr als a—ı Wurzeln haben kann, und die Wurzeln der Gleichung (4) insgesammt von einander verschieden sind. Einem bekannten algebrai- schen Satze zufolge wird sich alsdann das Polynomium von (3) durch T(t—k)(t—k,)(t—k,)..... (t— A). und das Polynomium von (4) durch 592 Dirksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln T (t—k,)(t— k,) (t—k,)....(t—%,) darstellen lassen, wo 7 ein ganzes Polynomium vom Grade za — u — 1, und ’ 5 J M ’ T’ ein eben solches vom Grade 2 — u bezeichnet. Daher wird der Ausdruck (ya ne (er) ar) ek) einen gemeinschäftlichen Divisor der Polynomien von (3) und (4) bilden. Auch ist es einleuchtend, dafs diese beiden Polynomien keinen höhern ge- meinschaftlichen Divisor, als den Ausdruck (5) haben können, wofern nicht die Anzahl der gemeinschaftlichen Wurzeln gröfser, als » sein soll. Denkt man sich demnach den Ausdruck (5) nach fallenden Potenzen von 2 entwik- kelt, und die so entstehende Form durch "+ OU" +0," + QO,UY ++ Q_:E+Q, bezeichnet; so werden, nach Hülfssatz I, Q@,, Q,, Q;....Q, mittelst ratio- naler Ausdrücke von v, P,, P,, P..... P,_, dargestellt werden können, und die x Wurzeln der Gleichung (EB + QO ET HQOLUHRQU" + +0Q,,1+Q,=0 den x gemeinschaftlichen Wurzeln von (3) und (4) beziehungsweise gleich sein. . Da demnach eine jede der Wurzeln von (6) einer besondern der Wur- zeln von (4) gleich ist, und diese insgesammt von der Form «, o- sind, wo «, eine Wurzel der Gleichung 2 —1=0 bezeichnet (Hülfss. IIL.): so wer- den sich die #« Wurzeln der Gleichung (6) durch Ausdrücke von der Form 1 1 1 (Drag are CE CL) 1 n 73 darstellen lassen, wo &,, &,, &,....@, irgend welche u von den z verschiede- nen Wurzeln der Gleichung 2° — ı=0 bezeichnen. Substituirt man dem- nach in (6) für t die Formen von (7), so erlangt man, dem Begriff der Wurzel einer Gleichung zufolge, ar + EEE ET Qt + Q,_,0,9” Be ur + Q,a,”” Br mr Q,a er hiirzgle at = 2. ++ Q, 0 en, an + Q (Er einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 593 n—2 n—3 air + Qi Qza; vo a m Q,a; v7 + a = Or ... x Au : + Q,_,0,9” +Q,=0, n—1 n—2 K— u Fl 3 e DE 9 Rt + Q 9 + +Q,aitor He + Q,_,040” + 0 R— 0, "u — n—1 a;v +0Q;,« v Da nun diese u Gleichungen, der Annahme nach, gleichzeitig statt finden, und, wie man leicht sieht, keine derselben in den übrigen enthalten ist; da sie ferner rücksichtlich der x Gröfsen 1 n PERSAGDEIE HOFER VIER. v vom ersten Grade sind: so wird sich der, diesen Gleichungen entsprechende ı j & Werth von vo”, vong=1bise=1u, dem IV‘ Hülfssatze gemäfs, durch ra- Q1, Qz> Qs+... Q, darstellen lassen. Da endlich, dem oben Erwiesenen zufolge, Q,, ®,, Q;....Q, beziehungsweise rationale Ausdrücke von u Pu Ps Php tionale Ausdrücke von bilden: so folgt, nach Lehrs. 2, dafs, wenn die Gleichung (1) statt findet, 1 ohne dafs zugleich den Gleichungen (2) Genüge geschieht, alsdann #” durch einen rationalen Ausdruck von EN Se a ARE 25 n—1 darstellbar sein wird. Da nun endlich dieses den Bedingungen des in Rede stehenden Lehrsatzes widerstreitet; so folgt, dafs, unter der gemachten An- nahme, die Gleichung (1) nicht ohne die Gleichungen (2) statt finden kann. 7. Def. 2. Bezeichnen (BE De a ae m von einander unabhängige unbestimmte Gröfsen, wo m>ı gedacht wird, und N I SIE irgend welche u gegebenen derselben, wo also =, oder 1 angenommen wird; denkt man sich die Gröfsen (1) zunächst in irgend einer Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Ffff 594 Dirksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln gegebenen Ordnung auf einander folgend, und dann so abgeschrieben, dafs eine jede von den u Gröfsen (2) eine andere Stelle in dieser Ordnung er- halte, während die (m — u) übrigen Gröfsen ihre ursprünglichen Stellen ein- nehmen: so heifst dieses die x Gröfsen (2) von jenen m Gröfsen (1) unter einander versetzen. Bezeichnet Z= 4 (x,, 0,5 25, &,....X,) irgend einen gegebenen ana- Iytischen Ausdruck von den m Unbestimmten (1), und Z’ einen andern Aus- druck derselben, dadurch aus E zu gewinnen, oder wirklich gewonnen, dafs hier von den m Gröfsen (1) die x Gröfsen (2) unter einander versetzt wer- den: so wird der Ausdruck Z’ eine Versetzung der Ordnung u von E genannt. Um eine beliebige von den Versetzungen anzudeuten, welche aus Z entstehen, indem man u beliebige von den Unbestinmten (1) unter einander versetzt, soll das Zeichen £“” dienen. Folg. Aus dieser Definition folgt mit Leichtigkeit, dafs sich jede Versetzung der Ordnung x von Z mittelst (u — ı) auf einander folgender Versetzungen der Ordnung 2 erhalten läfst. 8. Ist 1 a und E, BD, (Is Es Eger. )5 und hat man identisch E 2 Ein. oh so ist offenbar De DER, ER xE®=ExE, E\") = E, EP T B;T Dies verallgemeinernd, erhält man, unter Berücksichtigung der 1" Def., Lehrsatz 9. Bezeichnen F,, £,, E,....E, beziehungsweise irgend welche analytische Ausdrücke von den m von einander unabhängigen Unbe- stimmten &,,.%,, X,....x%,; und hat man BO—R% Ei —=E:; MN a 5 2 n) bezeichnet endlich 4 irgend einen rationalen Ausdruck von den Ausdrücken Es Pi, Py...E,: so hat man n A" —= A. einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 595 Lehrsatz 10. Bezeichnen m von einander unabhängige Unbestimmten, und EINER Pre 6? 0 ER irgend welche analytische Ausdrücke derselben; ist HG. FeArtAr HA Hr Ar" red rd und, rücksichtlich der Unbestimmten (1), unabhängig von y, so ist auch I =Ao dY=A, Ay =A,....A), =d_,, 4, =4. Beweis. Der Gleichung (3) und der 2” Def. zufolge, hat man, un- abhängig von y, Y"t= A + AHA THAT Pre HAN HAN. Verbindet man mit dieser Gleichung die Gleichungen (3) und (4), so kommt 4A HATT HAT re + (IN —A,_,)Y+ (AP —A,)=0; daher, nach Hülfss. II, AA, MA, Mad, Med... Ad =A_, M=A,. Lehrsatz 11. Ist E08 (2,,0,, re) und hat man identisch Beweis. Fände die Gleichung (2) nicht statt, so würden für irgend welche u von den m Unbestimmten Werthe denkbar sein, für welche Z nicht Null würde, was der Gleichung (1) widerstreitet. Ffff2 596 Dirksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln 9. Lehrsatz 12. Bezeichnet m eine ganze Zahl, gleich, oder grö- fser, als 5; &,,&,, &,....x, eine Anzahl von m unbestimmten Gröfsen ; N a EN a A | N zwei solche rationale Ausdrücke derselben, dafs idee; RE EN PO — F DR ee BO und und sei, wo rn eine ganze Zahl andeutet: so ist auch "=. Beweis. Um die Begriffe fest zu stellen, mögen Br On, Km. Kay, Kuh fünf beliebige von jenen m Unbestimmten bezeichnen. Zur Beförderung der Kürze mögen diese, der Reihe nach, durch die einfachen Zeichen a,, @,, A,, Ay, A;; und, diesem gemäfs, FR TE,,8, 8, 21.0X,) «durch ‚A(a\a,,0,a,a a), FEN, se.) Aucch“f (G,,0,,0,,0,,0,.:.2 dargestellt werden. Da nun, wie man leicht übersieht, die gegenseitige Versetzung von a,,4,,a, in f blofs die beiden neuen Ausdrücke I W100, 0 a An); ER = Bi (a5, 4, Ag, @,, ge...) gibt: so wird der in Rede stehende Lehrsatz erwiesen sein, sobald die Rich- tigkeit der beiden Gleichungen ef" =f Der Bequemlichkeit wegen mögen in diesem Beweise die eingeklam- merten Zahlen an der Spitze des Buchstabens /, die Ordnung der Verset- zung andeutend, weggelassen werden. dargethan worden ist. einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 597 Aus der identischen Gleichung (1) f’=[Pla 250,05; 5) =# ia, A,, d;; Ayyy:...) folgt, vermöge des 11‘ Lehrs., indem man a,, a,, a, unter einander so ver- setzt, dafs a, an die Stelle von a,, a » » » » Ad, 3 trete, Zn. an rn (3) A=[J(&;43,4,,8,,4, ---)"=F (@,,0,,0,,4,,8,..)= FF“ (Def. 2) = F [Gleich. (2)] = f” [Gleich. (1)]; = folglich 20, >70; ae) 0 (a, 0a, ) ch, wo « irgend eiue von den Wurzeln der Gleichung 232 —1=0 bezeichnet. Da die Gleichung (4) in Bezug auf die Unbestimmten a ,,a,,0,,0,,4,... identisch, und «, wie solches bekannt, von eben diesen Gröfsen unabhän- gig ist: so hat man, nach Lehrs. 11, indem man hier a,,a,,a,, nach der obigen Vorschrift, unter einander versetzt, (5) L=J (@4,4,,0,,4,5,4,..-.)= af (a,,0,,4,,4,,4,...)= af, [Gleich.(4)]; und, aus ähnlichen Gründen, (6) f =S (a,,09Q5,0,54, +.) = af (0,,4,,4,,0,,4,...)= af, [Gleich. (5)]. Eliminirt man nun zwischen den drei letzten Gleichungen f, f,, fs; so kommt Aus der identischen Gleichung (3) Lf (as: 8, @,, 0,3 0, +++ )]" = FF la15:025:455.0,5.05...); erhält man, nach Lehrs. 11, indem man a,,a,,a, so unter einander ver- setzt, dafs 598 Dirxsen über die Darstellbarkeit der Wurzeln a, an die Stelle von a,, a, » » » » @,; [79 » » » » [7 trete, = 9 = [/(a,,a,,0,,4,,4..-)l = er (2,,0.5,0,, 4,01 =) = FÜ [Dei,2]; — F [Gleich. (2)]; == [ f(@,,2.:8,0.,0.8)l 7 leich.(1)l: daher, in so fern 8 eine Wurzel der Gleichung z°— ı =0 bezeichnet, (I... 9, = last) > Bfla „aya,asya..)=Rf Da nun diese Gleichung rücksichtlich jener Unbestimmten identisch, und ß von eben diesen Gröfsen unabhängig ist; so erhält man, indem man @,,d4,,@,,Q@,,a, so unter einander versetzt, dafs a, an die Stelle von a,, A; » » » » a 29 a 4 » » » » [73 33 5 » » » » a, 3 1 » » » » a 5 trete, (9) 9 =f (0505040 )=Rflasayasaya)=RB: [Gleich. (8)]; und, aus denselben Gründen, vermittelst Wiederholung dieser Versetzung, (10) P3 —=f(a,,0,,0,,0,,4,...)=P/(a,,0,,4,,8,58,..)=ßb, [Gleich. (9)], (11) HF la,,04a,,A,00,)— 0 (0,,0,,0,0A) 09, [Gleich. (10)], (12) f=fla,,a,,a,,a,,a,..)=ß/ (a,,a,,a,,a,,a,..)=ß®,[Gleich. (11)]. Eliminirt man nun zwischen den fünf Gleichungen (8), (9), (10), (11) und (12) die Gröfsen f, ®,, P2> #5, P.: so kommt Aus der identischen Gleichung (8), di =f (a; Ad;,Q4,,A4;,,4, ....) = ßf (2,5, 4,,4,,4,, 2...) erhält man, nach Lehrs. 11, indem man a,,a,,a, so unter einander ver- setzt, dafs einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 599 a, an die Stelle von a, , A, » » » » [Le a, » » » » Az treie, V=/(a,,4,4,4,A,.) = Pf (a;, 4,4, @,yAyer..). Verbindet man hiermit die Gleichung (4), so kommt (14)....3b, = f (a,,0,, 0,00 Gg...) = aßf (a5 0,5 455 Ar ger). Da diese Gleichung identisch ist, und « und £ von den Unbestimm- ten unabhängig sind; so erlangt man, nach Lehrs. 11, indem man a,, a,,a,, a,, a, so unter einander versetzt, dafs ” a a, an die Stelle von a,, a, » » » » A, > A, » » » » A, > a, » » » » a, , RR » » » » A, trete, (15) V=f(@,,0,,4,,0,,0,..)=aßf (a,,0,,0,,4,,4,..)=aßWV, [Gleich.(14)]; und ferner, durch Wiederholung dieser Versetzung, (16) Y,=/(a,,0,,4,,4,34,.)=aßf (a,,a,,4,,4,,4,..)=aßW,[Gleich.(15)], (17) Y,=f(a,,4,,0,,0,,4,.)=aßf (a,,0,,4,,0,52,.)=eßV, [Gleich.(16)], (18) f =f(@,,0,,45,4,,4,.)=aßf (a,,a,,0,5,0,,4,.)=a&b [Gleich.(17)]. Eliminirt man zwischen den fünf Gleichungen (14), (15), (16), (17), (18) die fünf Gröfsen f, W,,W,,Y,, %,; so erlangt man Verbindet man ferner die Gleichungen (7), (13) und (19) mit einan- der, nach der Formel aD, so kommt Verbindet man endlich die Gleichungen (4), (5) und (20) mit einan- der, so erlangt man Kel=LF. 0, . BED. 600 Dirksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln Anmerk. Es ist leicht zu übersehen, dafs der Beweis dieses Lehr- satzes hauptsächlich auf die Begründung der Gleichung (20) zurück kommt; wie auch, dafs der vorige Beweis nur in so fern gültig ist, als 2, die An- zahl der Unbestimmten, nicht kleiner, als 5 ist. Wäre m=3, oder 4, so würde über die Gleichung (7) nicht hinaus zu kommen sein. 10. Def. 3. Bezeichnen be En ar se m von einander unabhängige unbestimmte Gröfsen, und Bzw Krrens) irgend einen analytischen Ausdrück derselben, für welchen man hat a genannt. so wird EZ ein symmetrischer Ausdruck von &,, 2,5, 3, 24... 8 Da sich, nach Def.2, Folg., jede Versetzung der Ordnung u von & wmittelst (1 — ı) auf einander folgender Versetzungen der Ordnung 2 erhalten läfst; so erlangt man, unter Zuziehung des 11‘ Lehrs., Lehrsatz 13. Ist Ei (0: es und DI =: so ist auch, für jeden ganzen Werth von u, von 2 bis m einschliefslich, ER =E. 11. Setzt man X=(2—x,) (X —X,) (2 —x,) (C—X,)....(2—%X,); so wird, weil durch die gegenseitige Versetzung von zwei beliebigen der m Unbestimmten &,, &%,, &3....X%,, blofs die Ordnung der Factoren geändert wird, und der Werth eines Productes mehrerer Factoren von der Ordnung eben dieser völlig unabhängig ist, unabhängig von der neuen Unbestimmten x, a an, und daher, nach Def.3, X ein symmetrischer Ausdruck von x, , X, Xs-. "X, sein. einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s. w. 601 Denkt man sich nun X nach fallenden Potenzen von x entwickelt, und die entsprechende Form durch "+ Eat re HE cH+HE, dargestellt; so erlangt man, mittelst Lehrs. 10, Def.3 und Def. 1, Lehrsatz 14. Ist, unabhängig von x, Ra 2 2 a +," Er’ EC H+ &, =(2—x,) (x—x,) (2 —x,) (xX—x,) (x—x,): so bilden &,, &,, &, Ei -&,_, &, beziehungsweise symmetrische ganze Aus- drücke Von 2,5 8... Zinn: Folg. Da bekanntlich, unter Festhaltung der vorigen identischen Gleichung, die Unbestimmten x&,, &,, X,, Kur x, die m Wurzeln der Gleichung a" +Ean'+&,a”’+ ar re +& , a+,=0 sind; so bilden die Co@fficienten £,, &,, 3, &,-...£, von x beziehungsweise symmetrische ganze Ausdrücke von den Wurzeln eben dieser Gleichung. 12. Was die Beziehungen zwischen £,, &; &» &--.-&,_.,&, und x,, 2, X, Xen X,_,,&, näher anbelangt; so lassen sich diese auf verschiedene Weisen darstellen. Eine dieser Darstellungen besteht darin, dafs man das Glied auf der rechten Seite der identischen Gleichung et HE" He HE ,cHE, = (x —x,) (0 —x,) (2 —8,) (2 —%X,).-.. (2%) nach fallenden Potenzen von x entwickelt. Die dadurch, vermöge des II" Hülfss., entstehenden 2 Gleichungen zwischen den in Rede stehenden Grö- fsen haben das Eigenthümliche, dafs sie beziehungsweise rücksichtlich £,, En Er &u_., &, von aufgelöster Form sind, dagegen die Gröfsen x, x,, zer X, X, gleichzeitig enthalten. Eine zweite Darstellungsweise besteht darin, mit dem Ausdrucke MN... + ELCH die Bedingung zu verbinden, dafs derselbe für die Werthe x, ,&x,, &3..:X,_1» x, von x in Null übergehe. Die Substitution dieser Werthe für & in den Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Ggsg 602 Dirksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln vorigen Ausdruck, und die Vergleichung der dadurch entstehenden Aus- drücke mit Null, wird ebenfalls m: Gleichungen zwischen jenen 2m Gröfsen geben, die das Eigenthümliche haben, dafs sie beziehungsweise von den Grö- fsen ©; Xg, Lane, .,; X, nur eine einzige, dagegen die Grölsen &,,£&,, Es... &,_ 1, &, insgesammt enthalten, indem sie nahmentlich insgesammt von der Form Ef u IE. TU 05 2% Pal 38 25 SU hc ur SER De 2 A sein werden. Eine dritte Darstellungsweise besteht darin, dafs man für be R Y x v Br = —.GE _—_ =‘ = N — — UNO DE 2 — an vi V—Xo = x—X; ” x—X, v—Xo u A N. ve Km die entwickelten Formen mittelst der Bedingungen bestimmt, dafs ’ 7 7 7 7 vd vn OR EC AR. der Reihe nach, für die Werthe DE were von x, Null werden. Es ist leicht zu übersehen, dafs man, auf diese Weise, indem man den Z=Xor Ausdruck, in welchen X, fürx=x,,, übergeht, mit X, bezeichnet, erhält =X; N XY— MA ne (m (DLm-2-2 (dm—R—3 (2) Re +72 +E7°x + 85% eb (2) a (8) 5 + &,% +2, WO EN SEN SENSE ee nen. Ganze Ausdrucke von m—? Es Es en Eisen euch Er 0 2 RE OR RR 2 und bilden, die rücksichtlich der g letzten Gröfsen, da Xo Er A, 7 (@—2,) (02) (83)... (8;) ist, symmetrisch sind; und wo der Ausdruck X‘, in Null übergeht, für die Werthe einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 603 Wr X ,42) DV ,439 Koyarree din von x. Die so entstehenden m Gleichungen z=ı2 Z=X3 r=r, Bert mr t=XTz 3 GB), 0, Au I, N tn. el. so m—i1 haben alsdann das Besondere, dafs, streng allgemein, r=rort Zr na (9) „.m—2—1 („m 2—2 (9) „m—2—-3 (1) „mt A, rar + Er +E\a +» Fi: e+1 +1 (2) rn (12) BA a ein, nach Potenzen von x,,, geordnetes, ganzes Polynomium vom Grade m— g sein wird, in welchem die Coäfficienten A a 2 Es Sr 7 ra Ei X KU, X, X e+1 ganze Ausdrücke von und 4 ID bilden, die rücksichtlich der 9 letzten Gröfsen symmetrisch sind. " i . : ’ Da nun £,, E35 E3++...£,_, beziehungsweise symmetrische Ausdrücke u) 2423 Xoyser a, sind (Lehrs. 14); so werden, nach den Lehrs. 9 nr . .,. und 13, die Ooäfficienten von X, bei jeder gegenseitigen Versetzung von X or) Coraı Kaya, Qieselben bleiben. von 4 Tori) 13. Die Gleichungen (3) sind vorzugsweise zur Elimination von x, X, %,...%, mittelst &,, &,, &,...£, aus einem gegebenen symmetrischen Aus- druck von jenen geeignet. Es bezeichne Y/, irgend einen gegebenen, sym- metrischen ganzen Ausdruck von &,, &,, X,....x,; und es werde einstweilen angenommen, dafs derselbe, mittelst Elimination von &,, &,_,, &,_g....X in einen ganzen Ausdruck 7, von m—2—1 Es Eos 2 Er Ds Roy Kay set ?+2 und +1 verwandelt worden sei. Da /,_,,=/, ist, und m For Es En & RT er Gggg2 604 Dirksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln beziehungsweise rücksichtlich &,, &,, &,....x, symmetrisch sind (Vorauss. und Lehrsatz 14): so ist es einleuchtend, dafs 7,_,_, rücksichtlich »,, x,, %,....%,,, symmetrisch sein wird. e+1 Als ein ganzer Ausdruck von x telst der Form (HET m—?—1 ‚ wird 7,,_,_, der Darstellung mit- Y+1 n—2 = Am tt Asa rent HA A +1 fähig sein (Lehrs. 4, Folg.), wo r eine ganze Zahl, und die von x,,, unab- hängigen Ao 4, A:; Az... d, er E: Eh Rn = N N Os, Wo Ken ganze Ausdrücke von 3 bezeichnen, die rücksichtlich der 9 letzten Gröfsen symmetrisch sind; indefs der Ausdruck 7,_,_, selbst, indem man darin für 4,, 4,, 4..... 4, ihre Werthe in &,,2,, &,, &,....x, substituirt, in den symmetrischan Ausdruck Y, von eben diesen Unbestimmten übergehen wird. Da also Y,_,_,, unter diesem Gesichtspunkte betrachtet, einen sym- metrischen Ausdruck von &,,,, &;43» „er, bildet; und die Gröfsen A,d, 4842... es die Gröfsen £,, &,, &> &u---&,_,_, sind; da ferner diese Gröfsen, als sym- metrische Ausdrücke, unverändert bleiben, indem man darin x,,,, x x + nur in so fern von diesen Gröfsen abhängig sind, als g+29 & ya. ®, auf irgend eine Weise unter einander versetzt: so hat man auch n—?2 n—3 TE =A ar At A rar Ast Art Art fr ?+2 n n—1 n—2 n—3 n—4 7 =A 3 rt Ar Ar Aa tr At rt A ara rt „AR EAST LAT EAN AH AT de e—1 0” m 1 2 3 4 Hieraus folgt demnach, dafs die Gleichung (d) Aa Aa Ar Aare A, HAN m——1 pa identisch sein wird für die Werthe &,,,, & 425 Kayss Zgrur X, VON. + Jetzt denke man sich den Quotienten Aox" + A, x”! A.2”77 + 4,2773 A,x”tr.... +4,10 + An vr ENarti ENRPTErE + EP EOARTETTIR.... + SUR m em: einer allgemeinen algebraischen Gleichung u. s. w. 605 in die Form U, + zZ verwandelt, wo U, ein ganzes Polynomium vom Grade (r—m+-g), und U, ein Polynomium höchstens vom Grade (m — e—1) rücksichtlich x bezeichnet, was bekanntlich durch die gewöhnliche Division geschehen kann. Alsdann wird offenbar U, ze KK, + Ka "+ KR,’ +K,_..,2+ Due, sen Wr, Ns Rau m—rl— ‚ beziehungsweise ganze Ausdrücke von do 4, 4; Assaead (2) (9) 70) Er (9) (9 19 23 &s ’ 4 tt Gm) m—2) und daher auch, dem Vorigen nach, von 55 ar en Ense DEE Ka Kann ® und und 8 bezeichnen; und es wird die Gleichung (5) in die Gleichung (ne P=P._=UX,+U; übergehen. Da nun diese Gleichung identisch ist für die Werthe x, ,,, 2.4.» X 5435 X ya, von x, und X,, für eben diese Werthe von x, in Null über- geht: so hat man, für die (m — 9) Werthe &,,,, 2,425 Zgyss Kaya c, VON x, MIN, =U=Ka "KR, HR, K, .,c+K,_.o- Daher Ku. RR, K,=%.,.R, 0,20, K 4 m—2—1 Denn, wäre das nicht der Fall, so würde die Gleichung (7), welche rück- sichtlich x vom Grade (n—g— ı) ist, (m— g) Wurzeln haben, was be- kanntlich ungereimt ist. Hieraus folgt demnach, dafs, wenn es möglich ist, 7, in ein Poly- nomium Amt Amt Amt An A, e+1 zu verwandeln, wo AA As Areas A Es Eo» Es en: n ganze Ausdrücke von 606 Dirxksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln und Xy Xoy X33 Crrre Loy bilden, iss die gewöhnliche Division dieses Polynomiums durch das x=%o von Ä, einen Rest X,„_._,=V/.._, giebt, welcher gleich /, und ein ganzer Ausdeuck von Ein = En a ai u x, X, X, KarreeX%o und sein wird. I Nun ist es einleuchtend, daß, da X, , =x,+2%,_,+2,.+2,.,+ + 2,+2®,-+&, ist, der Rest 7, der Division von dem, nach Potenzen von x, geordneten Polynomium 7, dieser Bedingung entspricht: mithin werden auch 7, F,, FF ;.... F, eben dieser Bedingung genügen. m Aus der Zusammenfassung dieser Betrachtungen ergibt sich also, dafs sich jeder symmmetrische ganze Ausdruck 7, von x,,%,,&,, &,...x, durch einen ganzen Ausdruck 7, von &,, E:, &, &-.-&, darstellen, und dafs sich dieser Ausdruck 7, aus Y/, auf folgende Weise gewinnen läfst. m Man betrachte, streng allgemein, x,,, als die Hauptgröfse der beiden, w—Xor4 vorhin besprochenen, Polynomien 7,_,_, und X,; wie auch U,_, und 7, m—2 m 2 als zwei neue ganze Polynomien von x,,,, von a Ei Grad von V_ X=X; wenigstens um eine Einheit niedriger, als der von X, sei, und bestimme Ge a A ee 7a m so, dafs man habe —=ıXI, P,=P - U I=Im1 AR = V, == UA, mern — RP TIZ=In-3 2 F=Pr,-UXx. 14 einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 607 Dies vorausgesetzt, wird 7, =YV,, und Y,, blofs ein Ausdruck von &,, &.; Er ösee Ben: Da nun jeder gebrochene Ausdruck, streng allgemein, durch den Quo- tienten zweier ganzen Ausdrücke, und jeder symmetrische gebrochene Aus- druck ins besondere, erweislichermafsen, durch den Quotienten zweier sym- metrischer Ausdrücke dargestellt werden kann: so hat man, vermöge Def. 1, Lehrsatz 15. Hat man, unabhängig von x, @—-2,)(@- 2.) @-2,) @-2.)....(@—2.) zit + E&_0 + &.: so läfst sich jeder rationale symmetrische Ausdruck 7’, von den sämmtlichen Unbestimmten &,, x,, &,, &,....x, durch einen rationalen Ausdruck 77, von Ey Ei» Eu; &u-...&, darstellen, der ganz oder gebrochen sein wird, je nach- dem 7’, selbst ganz, oder gebrochen ist. Folg. Da, unter Festhaltung der vorigen identischen Gleichung, die Gröfsen die m Wurzeln der Gleichung "+ Eat + Er re + 0450 sind: so läfst sich jeder rationale symmetrische Ausdruck von den sämmt- lichen Wurzeln einer Gleichung des Grades m durch einen rationalen Aus- druck von deren Co£ffhicienten darstellen. 14. Was einen rationalen nicht - symmetrischen Ausdruck Z der sämmtlichen Gröfsen x Koy Hy Kur. 19 4 m betrifft, so mögen N EEE CE 2 n—1 die sämmtlichen verschiedenen Versetzungen der Ordnung 2 von Z bezeich- nen. Alsdann ist es einleuchtend, dafs das Product @=-E) E—#£,;) (—E,) —B,) Ene3e -(t—E,_.) ein symmetrischer Ausdruck von &,, &,, &,, &,....x, sein wird (Def. 3). Denkt man sich nun dieses Product nach fallenden Potenzen von Z entwik- kelt, und die so entstehende Form durch 608 Dinksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln (een “+ Bit" + BB, "+ Bl” +... +B _t+B. dargestellt; so wird offenbar £— E ein Divisor dieses Polynomiums, — und es werden, nach Lehrs. 14, B,, B,, B,, B,....B,_,, B, beziehungsweise symmetrische ganze Ausdrücke von Z, E,, E,, E,....E,_,, — und daher ganze, oder gebrochene symmetrische Ausdrücke von &,, &,, 25, %,....%, bilden, je nachdem Z selbst ganz, oder gebrochen ist. Nach Lehrsatz 15 werden sich also diese Gröfsen, unter Voraussetzung der betreffenden iden- tischen Gleichung, Was endlich einen rationalen Ausdruck 4 von einigen, z.B. r, der mittelst rationaler Ausdrücke darstellen lassen. m Gröfsen &,, x,, &,, &,....x, anbelangt, so mögen zunächst B,.C,HD, Es F w.iss w. die verschiedenen Ausdrücke bezeichnen, welche sich aus # mittelst Com- bination der m Gröfsen &,, &,, &,....x, zu r gewinnen lassen. 4,5 Ass Assshuores Bis BB BE 248 04.0. 0... 40 323 4 U.S. W. bezeichnen beziehungsweise die Versetzungen der Ordnung 2 von 4, B,C, u.s.w. Dies vorausgesetzt, ist es einleuchtend, dafs das Product (—.4) (t—4,) (t—A,)(t—A4,)..-- x (—B)(t—B,) (t—B,) (t—B,).... x (t—C) (t—C,) (t—C,) (t—C,)...: uU. $S.W. ein symmetrischer Ausdruck von &,, &,, &;, &,...x, sein wird. Denkt man sich nun dieses Product nach fallenden Potenzen von t entwickelt, und die so entstehende Form durch (1) dargestellt: so wird (*— 4) ein Divisor die- ses Polynomiums sein; und es werden sich, aus den oben angeführten Grün- den, die Gröfsen Bis Bi, Ba B. 5, B M ebenfalls mittelst rationaler Ausdrücke von &,, &,, &,.... £, darstellen lassen. Daher einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s. w. 609 Lehrsatz 16. Bezeichnen &,, &,, &,....x, die m Wurzeln der Glei- chung des m‘ Grades a" at Er He + 2+=0, und Z irgend einen gegebenen rationalen nicht-symmetrischen Ausdruck von einigen, oder von allen Wurzeln &,, &,, &,...x,: so läfst sich stets eine Gleichung von einem gewissen Grade u rücksichtlich t, “+ Bit" + BB,” + Bit” +... + BD, ,t+B,=0 aufstellen, deren sämmtliche Wurzeln rationale Ausdrücke von &,, x,, xX,, %,....X, bilden, von denen die eine gleich Z selbst, und in welcher Glei- chung 2, B,, B,, B.....B,_,, B. beziehungsweise rationale Ausdrücke von Ein Ser Basen. Selen. EL Über die Bedingungen, welche eine Funktion von £&,, &, 3, &i-+--£ zu erfüllen hat, um eine Wurzel der Gleichung x” + ,2”""+ 5,2” "+--- ++, ,2x0+&,=0 zu sein. 15. Bezeichnen En Eos & &: Su a En »ı von einander unabhängige Unbestimmten, und die Funktionen Si (En En Er En) Sa (Ein Er Eat En Sa (En Er Er En) a SEES BE die m Wurzeln der Gleichung m (1) X=a"+ Ei 23 ae Re Er r- +L,_.0+&,=0: so hat man bekanntlich die identische Gleichung (2) Alf (Erkner EX SRrlEr Erf en IX Ss lEn nr äs En )]K X [cf (En&adseen)]- Setzt man nun (3) Fi SE HE 7 = ’ Eu; Eee) Js (£, 5 Ess Eu) Rs: ZEN NEAR SEEN Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Hhhh 610 Dinksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln so geht die Gleichung (2) über in X=(x—x,) (ca —%,) (2&—x,) (C—X,).. (Ca8,)... (0 8,)- Hieraus folgt also, dafs wenn f (£,, &,, &;....£,) eine, mittelst expli- citer analytischer Ausdrücke darstellbare, der Gleichung (1) als Wurzel ent- sprechende Funktion von &,, &;, Ess... &, bezeichnet, die Elimination eben dieser m Unbestimmten zwischen der Gleichung x —errt >t und den m Gleichungen (3), irgend eine von den m Gleichungen Beier: 2 Kemer geben mufs. Da nun, den Gleichungen (3) und dem 14'* Lehrs. zufolge, &,, &:» E3....&, beziehungsweise symmetrische ganze Ausdrücke von x, , &,, X3...X, bilden: so hat man Lehrsatz 17. Bezeichnen £,, &,, &,....£, m von einander unabhän- gige Unbestimmten, und / (£,, &,, &;....£,) eine, mittelst expliciter analy- tischer Ausdrücke darstellbare, der Gleichung Pe a"+ Eat + a Er". +, a +0 als Wurzel entsprechende Funktion von &,, E,, Es... &,: so ist f (E, Es E,....£,) von der Beschaffenheit, dafs für &,, &3> &..-.&, beziehungsweise symmetrische rationale Ausdrücke von den m Wurzeln x,, &,, &,...x, denk- bar sind, durch deren Substitution sie in eine Funktion von einer einzigen dieser letzten Gröfsen übergehe, und von allen übrigen derselben unabhän- gig werde. 16. Lehrsatz 18. Bezeichnet (ya, "+ Eat ar rt. + 245,0 die allgemeine Gleichung des Grades m, und 1 1 1 1 1 1 (2) a er a? (2) (m) a) (2) (#2) 1 „.ayrı (n,)ri. „ur2 „arte (ks)"2'. ET ae Een 2 einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 611 eine, auf die in Lehrs. 6 näher beschriebene Weise dargestellte, der Glei- chung (1) als Wurzel entsprechende, Funktion von £,, &,, Er. Er &u_, &u: so sind die Ausdrücke 1 15 1 1 u‘ vi war er dei Ju" „ en RE Ru f u) vo or ar) nr ul”, ER rer 1 u weor®) or, m ul, Al { 1 f m) ar) we Br OR insgesammt durch rationale Ausdrücke der Wurzeln von (1) darstellbar. Beweis. Nach dem 7'* Lehrsatze läfst sich x darstellen durch 23 2 SL E ” % v n} v v n! v v „nl 6) a a te nu Ru RN pe. Ru Err 1 (v 2) (wAr re, wo Ri”, R”, RP. Rin_ „ explicite rationale Ausdrücke von u;” und den ni der Gleichung (2) en in x enthaltenen Gröfsen, mit Ausschlufs von u” , bezeichnen. Da nun, den Bedingungen des 6“ Lehrsatzes ge- 1 ierr7) mäls, streng allgemein, u” durch keinen rationalen Ausdruck von den in Ri”, R\”, R!’” u.s. w. unmittelbar enthaltenen Gröfsen dargestellt werden 1 . ar o a kann: so wird, nach Lehrs. 7, Folg., u‘” " auch durch keinen rationalen druck von u‘”, R5”, Ry”, Ry”.... R/‘},_, dargestellt werden können. n, Dies vorausgesetzt, denke man ah für &, in dem Polynomio (1) ent- halten, die Form A wre”? wm” N) Be (4)...2=4+4u +4,u + 4,u, +. +4 u 612 Dirxsen über die Darstellbarkeit der IV urzeln substituirt. Da das Polynomium (1) einen ganzen Ausdruck von x, EwEL; (v Io &,...&,, — und x, nach (4), einen ganzen Ausdruck von u! und, A,u4,, Ay, Az... A, _; bildet: so wird, vermittelst der in Rede stehenden Sub- stitution, nach Lehrs. 3, das Polynomium (1) in einen ganzen Ausdruck von es Es Ei Fee fe übergehen, — und daher, nach Lehrs. 4, Folg., wie man leicht sieht, durch die Form re 2 3 ni v v ge ne) ni”) (au. BB RB Ber. Ban u dargestellt werden können, wo B,; Bi; Bes Dose. D (v) nn, —1 beziehungsweise ganze Ausdrücke von Un: Au Iya, Asei bezeichnen. 1 Bas Eos Euren E, Da nun die Form (4) in die Form (3), welche mit der Form (2) iden- tisch ist, übergeht, wenn man, vong=0, bis ge = n/"—1, A; —= Ri setzt, und die Form (2), der Voraussetzung nach, eine Wurzel der Glei- chung (1) ist: so wird, durch eben diese Substitution, das Polynomium (5) in Null übergehen. Hieraus folgt, dafs, durch dieselbe Substitution, ent- stehen werden a Er Bu B#—0 B,=09.... Bon =0. —1 Denn, wäre dies nicht der Fall, so würden diese z‘” Gröfsen beziehungs- weise in rationale Ausdrücke von einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 613 w. u, 5; iv) (v) u w 02) R, 2 R| 3 18 R ‚”) En Ess > = a und das Polynomium (5) nur in so fern, ohne die Gleichungen (6), in Null EN übergehen können, als u” *" mittelst eines rationalen Ausdrucks dieser Grö- fsen darstellbar wäre (Lehrsatz 8), was aber dem bereits Erwiesenen wi- derstreitet. IB a ER I Ro, beziehungsweise rationale Ausdrücke von u‘ bilden; so ist es Sa dafs sie unverändert bleiben, wenn 23° v) man darin Qu” nu anstatt u” “setzt, in so fern ® eine beliebige von den n‘ Wurzeln der Gleichung er ı — 0 bezeichnet. Angenommen nun, dafs AyAı, Az, Ass Ayn_,, in (4) enthalten, ebenfalls diese Eigenschaft ha- ben, wird durch eine solche Substitution die Gleichung (4) in 1 2 3 (7) z=A,+4,ßwW”" +4, ße" 4, Bu" +4," + -- nz ] n)—4 w Dre übergehen. Ann 8 u Denkt man sich diese Form für x in das Polynomium (1) substituirt: so wird dasselbe, wie leicht zu übersehen, in mL Sc Bo ie N „ni? De „n’) Bo trat?) (8)...3, + B, Bw” + B,Ru" + B,Ru”" + B RU + 1 n\ 11 N n\”) = B,o_ ‚e” ur übergehen. Da nun der, in Bezug auf A; Ans AR, Ay... An _ı gestellten Bedingung, wie schon bemerkt, entsprochen wird, wenn man, streng allgemein, vong=obisg=n/"—1, SER, (v) ir setzt, und alsdann, wie bereits erwiesen, die Gleichungen (6) statt finden: so wird auch, durch eben diese Substitution, das Polynomium (8) in Null übergehen. 614 Dirksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln Dem Begriff der Wurzel einer Gleichung gemäfs, kann also behauptet werden, dafs, wofern die Form (3) eine Wurzel der Gleichung (1) bildet, auch die Forni (v) 23% nn, —1 (v) (v) _ pi {v) wa” wNe Ss S wN3 en Y (v nA (ur z= RL IB RVB UN RO O’U an ui _,® De wo ß eine völlig beliebige der Wurzel von n\") z —ı1=0 bezeichnet, eine Wurzel der eines (1) sein wird. Dies vorausgesetzt, hat man, in so fern « eine beliebige von den pri- mitiven Wurzeln der Gleichung n(?) _1=0 bezeichnet, dem III‘ Hülfss. und der Voraussetzung des in Rede stehenden Lehrsatzes gemäfs, die n\' folgenden Formen: 1 2 3 nr) —1 (v) rt” ger Wr” (v) wink ,=R + RW ER TERN... +-R BONER.. g 2. 2 3 y ‚) n\ ra) x,= RV+ Rau” N + Ra ul) + Ry’a° u” je er = 2 nn, —1 re ni r , 237 2 E) ” n(”) n\ v n‘”) ER ae 5 kl u + Rau + Rau” "+... 1 (v) (v) 0) Hi 2(n! —1) Wr (9) Rn 4? u ; PEHR 2, ar ah, + Re u u + Rau” 2 N AA A CHR, : nn 3(n) —4) n\”) (v) r yer Be 2 u) A u” ä an vo 3 : w) n\ „nt Kıhyı — = R)+ Ras users + Rva 2 Roa 32 u, ee : ni . ) er RN) (n)—1) NN einer allgemeinen algebraischen Gleichung u. s.w. 615 SE 1 2” 2 (n\”’—1) 3(n!?—1) RO) : er wu.zl vn! 5 n, „ni 7 nn) „n® a n=RV’+ ) + Ra ) u‘ ) + Ra ) u‘ ) + Ri« 3( u‘ FE u rn (02) (—1)? er? +R nt : welche Formen insgesammt Wurzeln der Gleichung (1) sein werden. Es läfst sich leicht zeigen, dafs die Ausdrücke &,, &,, X,, &,...x,. alle von ein- ander verschieden sind. Denn, wäre &,,,—=x,,,; so wäre identisch 7 2 3 v v { v n”) v v nu) (10) o= Ri’ (@—a*) U” + AR (ar — ar) u” RÜ (a—ar) u)’ "+... 21 4) 1) ea) Da nun p und u von einander verschieden, und beziehungsweise klei- ner, als x‘ sind; so wird, nach Hülfss. III, (ar? — aP"), für keinen Werth von p, von ı bis n!”—ı einschliefslich, Null sein kön- nen. Daher würde, nach Lehrs. 8, wofern die Gleichung (10) statt fände, 1 v) N, E = R ’ m v u.” " mittelst eines rationalen Ausdrucks von u‘ selbst und A{”, R, R/”, RR R'\ ) N) Da an eine Gleichung vom Grade m niemals mehr, als m ‚ dargestellt werden können, was dem Obigen ileisteenter, von einander verschiedene Wurzeln haben kann; so folgt hieraus für die Form (3), dafs, wofern sie eine Wurzel der Gleichung (1) sein soll, n‘” nicht gröfser, als m sein kann. Betrachtet man nun die Gleichungen (9) als z\” Gleichungen zwischen den n‘” Gröfsen ni ») () R" u” en u R 3 ( 1 2 17) W) (v) (v),,u?r (v),,(v tr (v) u” TIER SD 1 ae A in Bezug auf welche sie alle vom ersten Grade sind: so folgt, da sie, erweis- lichermafsen, weder in einander enthalten sind, noch mit einander in Wi- derspruch stehen, vermöge des IV‘ Hülfss., dafs sich eine jede von diesen 616 Dirksen über die Darstellbarkeit der W: urzeln n\? Gröfsen, und daher auch A” und Ai” u durch einen rationalen Aus- druck von den Wurzeln &,, &;, X,, X, ....x, darstellen läfst. Als rationaler Ausdruck von &,, &,, X,...x, läfst sich, nach Lehrs. 10, stets eine Gleichung in t vom Grade x aufstellen, deren sämmtliche Wurzeln rationale Ausdrücke von &,, X,, &,....@,, — und von denen der eine gleich R\” sei. Indem man nun, der Kürze wegen, die Gröfsen Eis Er» Er Eu &, mit (D), al 1) . U mib (ID), 1 1 1 1 n\ an n®) ra) 2 Pe a 7 ° ul) 2’ mit (IT), 1 1 1 ı (2) (3) (#7) ar Br...” mit (+1) r bezeichnet, und v=u, setzt, wird, dem Vorigen nach, AR” einen rationalen Ausdruck von den Gröfsen (1), (ID, (IT) ....(e+D, mit Ausschlufs von u und von x“) bilden. Als solcher läfst sich RV, dem 7" Lehrs. zufolge, darstellen durch die Form 1 nr! er + Qu Qu wo Q,, Q,, Q, u.s.w. rationale Ausdrücke von u) ed, (TIL) ur =Hl); 1 1 ri n,—1)”r t bilden. Da nun diese Form eine Wurzel der Gleichung in t ist, so werden 1 (kr) mit Ausschlufs von u” und uf sich, dem Erwiesenen gemäfs, Q, und Qu” durch rationale Aus- drücke von den Wurzeln eben dieser Gleichung, und daher auch, weil diese, dem Vorigen nach, rationale Ausdrücke der Wurzeln von (1) sind, durch ra- tionale Ausdrücke von den Wurzeln der Gleichung (1) darstellen lassen. Als rationaler Ausdruck von eben diesen Wurzeln läfst sich, nach Lehrs. 16, wiederum eine Gleichung in t’ vom Grade w aufstellen, deren einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 617 sämmtliche Wurzeln rationale Ausdrücke von &,, X,, &,....x,, und von de- nen die eine Q, selbst sei. Da nun, nach Lehrs. % Q, durch die Form re +Q: ul“ BO + u.$s.w. tk, —2 Qi Qiu- dargestellt werden kann, wo Q,, Q,, Q, u.s. w. rationale Ausdrücke von u), 19, „9, (1), (ID, (IM)....(r-+1), jedoch mit Ausschlufs von u" ‚ul u ‚ul m? ") bilden, — und da diese Form der Gleichung in €’ genügt: so Ben sich Q, und 8, u“ u | , dem Erwiesenen gemäfs, durch rationale Ausdrücke von den Wurzeln eben dieser Gleichung, und daher auch, weil diese selbst rationale Ausdrücke der Wurzeln von (1) sind, durch rationale Ausdrücke von x,, X, Xz....%, darstellen lassen. So fortfahrend, erhält man das Resultat, dafs zwei Ausdrücke O5") „nl ee EB s # und Qu” ", wo Q5=" und Q{”" rationale Ausdrücke von [65] (2) 3) (), Uns. U, BUN Saal. bezeichnen, denkbar sind, welche durch rationale Ausdrücke der Wurzeln von (1) dargestellt werden können. Da nun, der Voraussetzung und dem 6'°= Lehrsatze gemäfs 5 aan u) (2) u, (1) u,Uu); (), (I), (MM)....() bezeichnen; so folgt, dafs ein rationaler Ausdruck von (D), (II), (IM)... (0) denkbar ist, welcher durch einen rationalen Ausdruck von den Wurzeln der Gleichung (1) dargestellt werden könne. Auf eine völlig ähnliche Weise ergibt sich, dafs zwei Ausdrücke ?, rationale Ausdrücke von und ?, nr wo P, und ?, rationale Ausdrücke von Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Tiii 618 Dirksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln (1), r—1 r\ (1D),D), "Hy, (IT) bezeichnen, denkbar sind, welche beziehungsweise durch rationale Ausdrücke der Wurzeln von (1) dargestellt werden können. Da nun, der Voraussetzung und dem 6'* Lehrs. nach, x! , «°,, u”, u.s.w. rationale Ausdrücke von den Gröfsen (r—I) bezeichnen: so folgt, dafs ein rationaler Ausdruck von (1): AD), KU ee) denkbar ist, der durch einen rationalen Ausdruck von den Wurzeln der Glei- chung (1) dargestellt werden könne. [65] (2) (3) U_,, U_,ı> u_, „o.ÜU Ähnliche Resultate erhält man rücksichtlich analoger Ausdrücke von A ine von (I), (U), ID. ); von (0), KIN (UD.2.(6 W): u.5.W Endlich: es sind zwei Ausdrücke C, und C,u‘” ', wo C,undC, ra- tionale Ausdrücke von IS IE 7 und (I) . ur, bezeichnen, denkbar, welche sich durch rationale Ausdrücke der Wurzeln von (1) darstellen lassen. Da nun, der Voraussetzung und dem 6‘ Lehrsatze nach, (2) 5 BE ur) (1) Ü,.,.Ur su, beziehungsweise rationale Ausdrücke von 25 EN BAilEL, und diese wiederum rationale Ausdrücke von den Wurzein der Gleichung (1) [Lehrs. 14] bezeichnen; wie auch ein rationaler Ausdruck von rationalen Ausdrücken ebenfalls einen rationalen Ausdruck bildet (Lehrs. 2): so folgt, 1 dafs u””', vonv=ıbisv=%,, durch einen rationalen Ausdruck von den einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. j 619 Wurzeln der Gleichung (1) dargestellt werden kann. Dasselbe wird daher auch, der Voraussetzung nach, mit . Eu a} a) 5 der Fall sein. 3 ’) . 2 „yr% . Da nun, dem Erwiesenen nach, ein Ausdruck D, u’ *, wo D, einen rationalen Ausdruck von u) (v 65) (2) 3) (12), BU, Une, ; (D, (U), bildet, denkbar ist, welcher durch einen rationalen Ausdruck der Wurzeln von (1) dargestellt werden kann; so wird solches auch mit u”? von v=1i, bis v=u,, der Fall sein. So fortfahrend, erlangt man das Ergebnifs, dafs, in so fern die Form (2) eine Wurzel der Gleichung (1) darstellt, die Gröfsen (I), (II), (IV)....(r+1) beziehungsweise durch rationale Ausdrücke von den Wurzeln der Gleichung (1) dargestellt werden können. g. U. Über die Darstellbarkeit der Wurzeln einer algebraischen Gleichung. 17. Lehrsatz 19. Bezeichnet die Funktion f (E,, &, Eu, Er -&,) eine Wurzel der Gleichung (1)... + Fa! + Eat’ + a’ re +, c HE —m0: so läfst sich f (£,, &, &; Zu--.-£,) nicht durch lauter rationale, insgesammt auf eine explicite Weise von &,, Es, E3> Eu--...£, abhängige, Ausdrücke dar- stellen, so bald m > ı ist. Beweis. Nach Def.1, in Verbindung mit den Lehrs. 4 und 5, läfst sich jede, mittelst explieiter rationaler Ausdrücke bestimmte Funktion von Er Es Eu Eu... &, durch einen einzigen rationalen Ausdruck von eben die- sen Gröfsen darstellen. Denkt man sich also hierin für &,, &,, &» Er--+£ ihre symmetrischen rationalen Ausdrücke in x,, &,, &,, &,.....w, gesetzt; so liii 2 620 Dirksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln wird, wofern m>ı ist, dem 9“ Lehrsatze zufolge, eine solche Funktion entweder von &,, &,, &,....x, unabhängig werden, oder in einen symmetri- schen Ausdruck von eben diesen Gröfsen übergehen. Da aber, durch eine solche Substitution, / (£,, &, &, &,....&,), in so fern sie eine Wurzel der Gleichung (1) bildet, dem 17'” Lehrsatze nach, in irgend eine einzige von den Gröfsen &,, &,, &,....x, übergehen, und von allen übrigen dieser Gröfsen unabhängig werden mufs: so kann eine auf die in Rede stehende Weise dargestellte Funktion von £,, &,, &, &,-...&, keine Wurzel von (1) sein, so bald m > ı ist. 18. Lehrsatz 20. Bezeichnet die Funktion X von £,, &,, &, E--£, eine Wurzel der Gleichung (1)... "+ Excel +&, 0: so läfst sich X weder durch lauter rationale, noch theils durch rationale, theils durch irrationale, insgesammt auf eine explicite Weise von &,, &., &» E,-...&, abhängige, Ausdrücke von &,, &,, &3, &.....£, darstellen, wenn m gröfser, oder eben so grols, als 5 ist. Beweis. Nach dem 6'* Lehrs. läfst sich eine, auf die in Rede ste- hende Weise bestimmte Funktion X von &,, &,, &, &,....£, darstellen durch die Formel (r4) 4 1 1 X E nl) an (wi ar ayrz Aa Es Ella U „u, U, ; U, „U, ZITEN ..ut2)"?; 1 > yor.. wo F die Charakteristik eines rationalen Ausdrucks von den, unter demsel- ben stehenden, Gröfsen bezeichnet, und die Gröfsen selbst in der Bedeu- tung des 6" Lehrs. zu nehmen sind. Damit nun ein solcher Ausdruck eine Wurzel der Gleichung (1) bilde, werden, dem 18‘ Lehrsatze zufolge, die Ausdrücke de Fade ur de 2) (3) (rı) zn n\ SEE al aa (DEE er 5 1 1 1 1 (3) (#2) [E)E] Kg)? UEDRIRN u®#2)"2. (1) 2 dp?r2 an? 2 e 2 >} u s einer allgemeinen algebraischen Gleichung u.s.w. 621 za (14, ynler) ) in so fern man hierin für &,, &3 &, &,-..-&, ihre Ausdrücke in den Wurzeln der Gleichung, X ,, &,, &;, &,...x,, substituirt, in lauter rationale Ausdrücke VON X, Eon Ey Kuren. X, übergehen müssen. Da nun £,, &,, &, &.--..£, beziehungsweise symmetrische Ausdrücke Von X,, X, X, Xyee..X, bilden (Lehrs. 14); so wird, mit Bezug auf einen jeden dieser Ausdrücke, sobald m Z 3 ist, die Gleichung () E®=E statt finden (Liehrs. 13). Angenommen nun, dafs m Z5 sei, werden auch die Ausdrücke der Gröfsen (2) beziehungsweise eben dieser Gleichung («) entsprechen. Denn, es ist z‘’ ein rationaler Ausdruck von £,, &,, £,. ..£, (Vorauss.), und es sind diese Gröfsen beziehungsweise symmetrische Ausdrücke von &,, X,, Xz...X, (Lehrs. 14), folglich, weil m Z 5, der Gleichung («) entsprechend (Lehrs. 13): daher wird auch «‘” rücksichtlich &,, &,, &,....x, der Gleichung («) genü- gen (Lehrs.9). Da nun, unter der gemachten Annahme, dem 18“* Lehr- 1 x ae r } . satze gemäls, x‘ ' ein rationaler Ausdruck von &,,x,,%,,&,...x, sein wird; 1 so wird auch z% '‘, vonv=ıbis v=%,, rücksichtlich &,, x,, 25, &....,, der Gleichung («) entsprechen (Lehrs. 12). Ferner ist u; 1 “® ein rationaler Aus- Ba >> 5 - ? (n 27 3) druck von £,, &,, &,....£,, und von u", u® ar Mn ; ud” : und da- her, nach dem Vorigen, in Verbindung mit Lehrs. 9, rücksichtlich &,, &,, = Xze..d,, der Gleichung («) genügend. Da ferner u”? einen rationalen Ausdruck von &,,2,, &,, &,....x, bildet (Lehrs. 18); so wird eben dieser druck auch, rücksichtlich &,, x,, &,....x,, der Gleichung («) entsprechen (Lehrs. 12). — So fortfahrend, ergibt sich das Resultat, dafs ein jeder von den Ausdrücken (2), rücksichtlich der Wurzeln &,, x,, &,, &,...x,, der chung («) Pe entspricht. 622 Dırxksen über die Darstellbarkeit der Wurzeln u.s.w. Diesem nach würde also, für den Fall von nm Z 5, die Funktion X, wenn sie eine Wurzel der Gleichung (1) wäre, in einen rationalen Ausdruck von solchen rationalen Ausdrücken von &,, &,, X, &,....x, übergehen, mit Bezug auf welche beziehungsweise die Gleichung («) statt fände. Kraft des 9: Lehrsatzes würde daher X selbst entweder derselben Gleichung entspre- chen, oder von &,, &,, X, X,....x, unabhängig werden müssen. Da aber eine Funktion von £&,, &,, &3, &.-..-£,, in so fern sie eine Wurzel der Glei- chung (1) bildet, durch die Substitution der Ausdrücke für eben diese Grö- fsen in &,, &,, X, X +... %,, dem 17‘ Lehrsatze zufolge, in eine einzige von den Gröfsen &,, &,, &,, X,....x, übergehen, und von allen übrigen unab- hängig werden mufs; so kann die, auf die in Rede stehende Weise bestimmte Funktion X von &,, &,, &, &.....£, keine Wurzel der Gleichung (1) sein, wenn m 25 ist. Über das Gypssystem. Nachtrag zu der Abhandlung über dasselbe vom Jahre 1821 ('). „Non mm "WEISS. . [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 9. Januar 1834.] St: He Professor Neumann in Königsberg hat unlängst die krystallogra- phisch-physikalische Literatur mit einer Abhandlung bereichert, welche in Poggendorff’s Annalen von 1833. H.2. S.240-274. erschienen ist und den Titel führt: „Die thermischen, optischen und krystallographischen Axen des Krystallsystems des Gypses.” Die Originalität und Gediegenheit, welche jeder der bisherigen lite- rarischen Leistungen des Hrn. N. ihren Stempel aufgedrückt, und sie, nur in innigem Zusammenhang unter sich, in der übrigen krystallographischen Literatur beinahe einsam dastehend gemacht hat, giebt auch dieser Abhand- lung durchweg das Gepräge einer bis jetzt ausschliefslich diesem Kıystallo- nomen eigenen Höhe des theoretischen Standpunctes und der ganzen Be- handlung. Er stellt sich die allgemeine Aufgabe, zu beweisen: dafs die dreirechtwinklichen krystallographischen Axen identisch sind er- stens mit den Axen der doppelten Strahlenbrechung, d.i. den Fres- nel’schen drei unter sich rechtwinklichen „Elasticitätsaxen,” und dafs ') gs. die Abh. d. phys. Kl. v. J. 1820 u. 1821. S.195 u. fgg. ( Bay; 65 624 Weıss diese in der That Axen verschiedener Cohäsion, also Cohäsionsaxen sind; ferner dafs sie identisch sind mit den ebenfalls 3 unter einander recht- winklichen (und von Hrn. N., dafs sie überall existiren müssen, nachgewie- senen) thermischen, d.i. bei der Temperaturveränderung ungeachtet der Winkeländerung an den Krystallen ihre Richtung nicht verändernden Axen, und endlich identisch mit den wiederum ihre Richtung bei allgemei- nem gleichförmigem Druck oder innerer Ausdehnung nicht verändernden drei rechtwinklichen Compressions- und Expansionsaxen eines star- ren Körpers. Die Identität der krystallographischen Axen mit den op- tischen und thermischen, welche letztere beide die Identität mit den Cobäsions- und mit den Compressionsaxen schon involviren, schien für das reguläre, das viergliedrige, und das zweiundzweigliedrige System kaum eines besonderen Beweises zu bedürfen; sie aber auch an einem zwei- und ein- gliedrigen Systeme nachzuweisen, dazu wählte der Verf. das Gypssystem. 8.2. Was die krystallographischen Untersuchungen des Hrn. N. über das Gypssystem, auf welche sich unsere gegenwärtigen Erörterungen allein be- ziehen werden, betrifft, so wird, nächst der Bestimmung einiger neuen oder zweifelhaften Flächen, vor allem schon die Betrachtung der graphischen Darstellung desselben, deren Methode wir Hrn. N. verdanken, von neuem lehrreich sein. In Fig.1.(!) sind die Krystallflächen des Gypses, sämmt- lich als durch 1c gelegt gedacht, in ihren Durchschnitten mit der Ebene a2, d.i. dem Querschnitt der gewöhnlichen Säule f dargestellt, und zwar sind es die Flächen: (') Wir substituiren hier beim Abdruck der Abhandlung der N.’schen Figur eine nach der umgekehrten, d.i. der graphischen Linearmethode (im Gegensatz der graphischen Punctmethode) entworfene, nachdem in der Zwischenzeit Hr. Quenstedt diese Linearme- thode für die Darstellung eines Krystallsystems mit so vielem Glück hervorgehoben und ver- folgt hat, dals an ihrer nunmehrigen allgemeineren Verbreitung nicht zu zweifeln ist (vgl. Poggendorff’s Ann. 1835. B. XXXIV. H. 3.4. und B. XXXVL H.2.). über das Gypssystem. 625 M= [e:005:00e] n unbenannt: f—lesm:88: = |[+. 5B:e] [e:e:003 a a:—-b!00c R— +eiidte d:c:oo6] r= [e:->2:00e w= da: bc —-a2c2005 = 12:0022009: a GET >e] —arcroob Neu unter ihnen ist die Fläche w. Ihre Bestimmung beruht darauf, dafs sie fällt: 1) in die Zone, deren Axe =(c; a+b), welche wir die Kan- tenzone schlechtweg zu nennen pflegen; hier ist es individuell die Zone von [+e:43:e] nach +ai4 re] und [2:0]; 2) in eine Zone von [e:+:e] nach Fe: #:e], deren Axe ist (c;@-+ +5) ('). In Fig.1. stellt also die- jenige Linie die gesuchte Fläche w — [ a@a.ad:%.d:c dar, welche die Puncte (a +) und (a’-+ b) verbindet. Man sieht sogleich, dafs ihr Durchschnitt mit 5 giebt 8.d=-b; a.a’ aber =3«'; denn man hat @a.a: b=(a +1) a:ıb; also 3e+3—=4a, d.i.a=3. Die gesuchte Fläche w ist alo = |3@:— d:c| = [@:+3:>e], und tritt in den natürlichsten Verband mit den Haüy’schen Flächen e= und 2= d:48:3e]; sie liegt, eben so wie z, in der Diagonalzone von e, und hat in derselben die dreifach stumpfere Neigung. (‘) Für den Schneidungspunct der Linien von 1a nach 42, und von +2’ nach 4a’ in Fig.1. seien die Coordinaten m.a’ und n.d’, so ersieht man aus der Figur leicht, dafs, we- gen der Ähnlichkeit je zweier entsprechender Dreiecke, 3m—1 , 4 e! 1) n.d:(m 4) d“=-4b: 4a; n= 2) (mHi)a:nb=a:15,n= "7 - = 7; ao 2m=2; m=; n=i=4; also ist der Schneidungspunct (ma’+n.b) = (+75), und die gesuchte Zonenaxe ist (c; a ++), wie oben. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Kkkk 626 Weıs's Die Fläche v=|e2:+4: e] ist identisch mit der von Hrn. Mohs (4) unter dem Zeichen Pr anstatt des Soret’schen u richtig substituirten (?). Die Zonen stellen sich in der graphischen Linearmethode theils in den Durchschnittspuneten der geraden Linien dar, welche die Flächen be- zeichnen, theils in dem Parallelismus einiger solcher Linien, welche sich also im Unendlichen schneiden würden — hier die den Flächen der vertika- len Zone zugehörigen Linien. Betrachtet man die Fig. 1. in dieser Bezie- hung, so sieht man, aufser der so eben erwähnten vertikalen Zone der Flä- chen M, T, s, u.s.f. und aufser der horizontalen, M, f, o, r, P; die verschiedenen Diagonalzonen, wie 7,n,,,P; ,w,u,P;us.f.; die beim Gyps sehr hervortretenden Zonen /, M,n..., deren Axe die Linie (ce; -5-+o.a) ist, und in welche die seltenen Flächen z und » sich auch stellen; die Zonen f, n, /, welche wir die Kantenzone nennen; sie begreift die (') Grundrifs d. Min. 2t* B. S.70. (?) Die zwei Zonen, durch welche sie bestimmt wird, sind: 1) die Zone ,M,n, deren Axe = (c; +5 +0.a), von welcher der zweite so eben geschriebene Endpunct in Fig.1. als der Schneidungspunct der drei mit Z, M und n bezeichneten Linien sich darstellt; 2) die Zone von |a:+2’:o0c|, d.i. o (unten rechts in Fig.1, wenn der vorige Punet 5 rechts genom- men wird), nach IH2:4 2’: el, d.i. 2 (in Fig.1. von — 5 links nach 4a unten gezogen); die Axe dieser Zone ist (c; -a+ +); (der ihr entsprechende Endpunct in Fig.1, der, wo +a nach unten, und +25 rechts genommen wird). In Fig.1. findet man den Beweis der Rich- tigkeit dieses Ausdrucks leicht, wenn man durch den Pnnet 4a (unten) die Parallele mit o zieht; sie schneidet 2’ in 5 2’; wie nun (L—-5) 2:5’, d.i. wie 6:4, oder 3:2, so die entsprechenden, durch die Parallelen und durch M abgeschnittenen Stücke in der Linie 7; und eben so +’ zur gesuchten Coordinate in d; diese ao =. =+2. Wie aber (L—-4) 0:4, d.i. wie 6:10=3:5, so in der Linie 7 die von 4-2’ aus durch die beiden Parallelen abgeschnittenen Stücke; und eben so -a zur Coordinate in a für den gesuchten Endpunct der Zonenaxe in der Ebene ad; diese Coordinate also = +.-a=+ta. Daher der Ausdruck (a +5). Zieht man nun durch die beiden Endpuncte +25 und (+a+--5) der gegebenen Zo- nenaxen — für jede derselben den andern Fndpunct gemeinschaftlich in 1c genommen — die gerade Linie 0, so schneidet diese die Coordinatenlinie @ in 1a; denn man sieht sogleich: wie (-—4)5:42, d.i. wie 2:6, oder 1:3, so +a zum gesuchten Werthe in a; dieser also = 1a. Folglich ist die durch die beiden gegebenen Zonenaxen bestimmte Fläche = artbrc|. über das Gypssystem. 627 Schief- Endfläche des Systems als ihr wesentlich angehörig; ihre Axe ist (c;a +5); sie nimmt die neue Fläche w mit auf. Aufser diesen bekannten Zonen aber macht uns die graphische Me- thode in Fig. 1. auf viele neue Zonen aufmerksam, deren eine in der letzten Note erwähnt wurde, nemlich die Zone, deren Axe (c;+a-+—+b) oder (c; -a+-d); in ihr liegen die Flächen o, s, v, la ebenso auf die Zonen o, n, [d’:e:02], w, v,k; ihre Axe ist (c; d+-—b) oder (cs; +0); ferner 5, x,v,|4-@:c:oo5|; deren Axe =(e;4+a-+--) oder (5ta+13); r,51,|a:c:%5|,k; ihre Axe= (ce; a-+ +5) oder (c;a-+—-') u.s.m. In jeder dieser Zonen findet man durch das Kreuzen anderer neue Flächen wie im voraus construirt, und an den schon vorhandenen Flächen neue Zonen durch neue Combinationen an den Tag kommend. Bei jeder durch Beobachtung neu hinzutretenden Krystallfläche sieht man den Reich- thum dieser Beziehungen krystallonomischen Verbandes wachsen und wird, wie an jedem Beispiel, so an diesem, den eminenten Vorzug und fast uner- schöpflichen Reichthum der graphischen Methode erkennen und würdigen. Alles dies wiederholt sich in der Projection auf der Kugelfläche, wie sie Hr. Prof. N. in Fig. 2. seiner Abhandlung beifügt; und die Hinzufügung der Nei- gungswinkel der verschiedenen Flächen gegen einander in Graden und Mi- nuten der Bogen gröfster Kreise giebt dieser Darstellung als geometrisch- naturhistorischer bei grofser Fülle in geringem Raum alle Eleganz und Net- tigkeit, die man nur wünschen könnte, während der Verf. seine Projection auf gerader Ebene zur kürzest- möglichen Berechnung der Winkel zu benut- zen schon in seinen „Beiträgen” gelehrt hat. Das durch solche Projectionen gegebene Bild des Systems, rein auf den Zusammenhang der Zonen gegründet, steht überdem in seiner Allge- meinheit so fest, dafs, was auch durch fortschreitend schärfere Beobachtung in den Winkeln des Systems und in der relativen Lage der Schneidungspuncte in unsern Figuren sich corrigiren möge, dies den gegenseitigen Verband der Flächen gar nicht trifft und keinen von den Schneidungspuncten, so wenig Kkkk2 628 Weıss in der einen als der andern graphischen Darstellungsweise, aufhebt oder be- einträchtigt. Man kann es also auch vorerst für jene Verhältnisse annehmen, welche das Individuelle meiner Darstellung des Systems ausmachen, und welche durch die so eben von mir gebrauchten Flächenzeichen ausgespro- chen sind. Von dieser meiner Darstellung sind in der Neumann’schen be- deutende Abweichungen niedergelegt, gegründet auf neue Messungen, zu- folge welcher nicht allein die Fundamentalwinkel einzelner Zonen, sondern auch das angenommene krystallonomische Verhältnifs der Flächen, und, was das Wichtigste hier ausmacht, der Flächen der vertikalen Zone unter einan- der oder das Gesetz der gegenseitigen Abhängigkeit der Winkel in Fig. 2. sich verändern würde. 8.3. Fassen wir zusammen, was überhaupt seit meiner ersten Vorlesung über das Gypssystem Neues und Dankenswerthes von mineralogischen Bear- beitungen desselben erschienen ist; so sind es die Bearbeitungen von Phil- lips, von Hessel, von Naumann, und von Neumann. Die Messungen von Phillips hat Hr. Neumann in seiner Abhand- lung näher gewürdiget (!), und weitere Bemerkungen unnöthig gemacht; nur das will ich hinzufügen, dafs die Ph.’sche Fläche e, wenn sie wirklich mit a und d, d.i. +0: Biel und E dic einen Rhombus bilden soll, keine andere sein würde als «se80oB|], Eine recht interessante und schätzbare Abhandlung über den Gyps lieferte Hr. Prof. Hessel in Marburg in Leonhard’s Zeitschrift für Mine- ralogie, Jahrg. 1826. H.9., und bewährte darin den schärferen Beobachter und genauen Krystallographen u.a. in der Angabe der Richtung der vorzugs- (') Man mufs seinem Urtheile vollkommen beitreten, dafs, obwohl in der Ph.’schen klei- nen Figur die Flächen d das Haüy’sche n bedeuten, dennoch in der grofsen a für das Haüy’sche n genommen werden mufs, und d für N.’s 0; so wie, dals in den Winkelanga- ben Pg.d mit Pg.a verwechselt worden ist; denn der Winkel „a on a” stimmt mit dem angegebenen „P on d,” nicht aber mit „P on a,” so wie er hinwiederum mit den Winkeln des Haüy’schen r stimmt. über das Gypssystem. 629 weise leichten Biegsamkeit des Gypses um eine Axe, senkrecht auf dem zweiten (faserig aussehenden) blättrigen Bruch. Nachdem er ferner an einem Zwillingsstück durch die ununterbrocheneFortsetzung einer Richtuug, welche einer bestimmten Fläche der vertikalen Zone des einen Individuums entspricht, in das andre Individuum hinein, wo sie zu der einer anderen Fläche der vertikalen Zone mit umgekehrter Lage gegen die des musch- licheren (oder dritten) blättrigen Bruches wird, den befriedigendsten Beweis geführt hatte, dafs das Krystallsystem des Gypses in der That auf drei un- tereinander rechtwinklichen Axen beruht, ging er auf die Discutirung des wahren Verhältnisses der Flächen der vertikalen Zone, als den Haupt- punct der Theorie, wenn einmal die Begründung auf drei rechtwinklichen Axen festgestellt ist, weiter ein. Durch Messungen der ebnen Winkel in der Fläche des Hauptbruchs (P) (Fig. 2.), wobei er dem Wollaston’schen Go- niometer eine Einrichtung gab, dafs es ihm als eine Art Anlege- Goniometer dienen konnte, hielt er sich von der Genauigkeit der Haüy’schen Winkelbe- stimmungen so weit überzeugt, dafs keiner der hier in Rede stehenden Win- kel sich um — Grad vom Resultate der Haüy’schen Bestimmung entferne. Aus diesen Prämissen war er denn auch genöthiget, meiner Annahme, welche sich von den Haüy’schen Winkeln merklich weiter entfernte, nicht beizutreten. Anstatt des Verhältnisses 3:5 für die Neigungen der zwei wich- tigsten Schief-Endflächen, 7’ und der Abstumpfung von = ('), um welches sich die Angel der speciellen Theorie nach meiner Darstellung drehte, sub- stituirt Hr. Hessel das allerdings den Haüy’schen Winkeln sehr viel näher liegende Verhältnifs 4:7. Anstatt dafs ich eine aus der Haüy’schen Annahme fliefsende Zahl 0,57 —... (genauer 0,5695) in 0,6 verwandeln mufste, erhält Hr. H. 0,57143. Mit anderen Worten: statt der fach schärferen Neigung nimmt Hr. H. die —fach schärfere (?) an für die schief laufende End- (') in Fig.2. die beiden Winkel OEFE’ und AEE”. (?) Dies wird in der krystallonomischer Sprache die beste und bequemste Ausdrucksweise der Winkelverhältnisse bleiben: der nfach schärfere oder stumpfere Winkel eines ge- gebenen ist der, welcher im ersten Fall bei gleichem Sinus mit dem gegebenen den nfachen Cosinus desselben, im andern Falle den nfachen Sinus bei gleichem Cosinus hat, wobei n immer >1 genommen wird. 630 Weıss kante = verglichen mit der Fläche 7’ oder der schief laufenden Endkante — gegen die Axe der Säule /(!). Und indem er die letztere Neigung als Ein- heit nimmt, und zugleich / (mehr zufällig mit Rücksicht auf die Reihe der Soret’schen Seitenflächen) nicht für [e:5:e], sondern für setzt, so gelangt er zu folgenden Ausdrücken der Werthe der Endigungs- flächen : Die durch die Kanten 7 7, oder 5 ; 7 gelegte Schief-Endfläche des Systems, mein [a:c:003]|, bekommt bei ihm ganz die entsprechende Be- deutung; allein statt dafs sie bei mir die mit der 3fach stumpferen Neigung von 7 gegen die Axe, oder der 5fach stumpferen von 2 ist, wird sie bei ihm die mit 4fach stumpferer für 7’ (und 7 fach stumpferer für >); also — [Ae’:e:0 2]. Aufserdem erwähnt er ebenfalls die 3fach stumpfere der letzteren, auf der entgegengesetzten Seite des Endes, d.i. [12e:e:02], welche mit meinem [34;c;00| übereinkommt, als derjenigen Fläche, aus deren Diagonalzone die Haüy’sche Fläche zu, mein Be:+3:e], ist. Was aber die Verhältnisse der drei rechtwinklichen Dimensionen selbst betrifft, so adoptirt er für a:c das Verhältnifs Yır :y2 (vgl. meine Abh. v. 1821, pag. 221. Note; und Abh. v. 1825, pag.199. 200.); für die Säule f aber Yıı : V23 statt Vı2:5, welches diesen Säulenwinkel zu 110° 40’ (Haüy hat 110° 36; die Annahme Yı2:5 giebt 110° 3X), also fast unverändert giebt. (‘) Wenn in Fig.2. die drei Winkel 4cC, OEC, AEC verglichen werden, deren Cosinus- linien bei gleichen Sinuslinien 4C = Od sich verhalten, wie Cc ; dE: GE, so war meine An- nahme, Cc:!dE:CE=1:3:5. Für Hrn. Hessel ist Ce: dE: CE=1:4:7. über das Gypssystem. 631 Aus den angegebenen Prämissen konnte keine einfachere Darstellung, und, wie mich freut es aussprechen zu dürfen, vollkommen im Geiste mei- ner Methode, gegeben werden. Nun bin ich allerdings der Meinung, dafs, wenn die Resultate der Messungen als entscheidend gegen das Verhältnifs 3: 5, und übereinstimmend mit dem Verhältnifs 4:7 angesehen werden dürften, die Theorie nun erst noch die Aufgabe haben würde, das Verhältnifs 4: 7 in ähnlicher Weise streng und befriedigend zu deduciren, als das 3:5 bein Feldspath, Epidot u. s. f. aus dem ı: ı deducirt worden ist, so dafs, wenn es auf den Gyps übertragen werden konnte, in diesem System keine Lücke der Art geblieben wäre. Denn von vorn herein angenommen darf ein solches Verhältnifs oder jedes andere, nicht blos werden, wenn die Theorie befriedigt sein will; es mufs deducirt werden, und dies zuletzt immer aus dem Verhältnifs 1:1, wie alles, was der Art im Feldspath- oder Epidotsystem vorkommt, so deduecirt worden ist. Diese Bemerkung wird dann für alle die Fälle gelten, wo, wie Hr.H. sehr einsichtig urtheilt(!), Krystallsysteme mit seinsollend schief- winklichen Axen auf ein Verhältnifs in etwas complicirteren rationalen Zahlen bei rechtwinklichen Dimensionen hinzuleiten scheinen. 8. 4. Wiederum eine durchaus selbstständige, neue Bearbeitung des Gyps- systemes verdanken wir Hrn. Prof. Naumann in Freiberg, den betreffen- den Artikel nemlich in seinem schätzbaren ‚‚Lehrbuch der Mineralogie,” Berlin, 1828. S.268 u. fgg., gegründet auf eigne Messungen, die er zwar selbst nur ‚‚annähernd’”’ nennt, gewifs aber mit aller der Genauigkeit mit dem Wollaston’schen Goniometer angestellt hat, die nur die Beschaffen- heit der Stücke gestattete. Das Resultat ist überraschend. Hr. N. geht aus von der Beziehung auf schiefwinkliche Axen, die er bekanntlich in ähn- lichen Fällen immer zum Grunde zu legen geneigt ist, und findet Winkel- verhältnisse, welche nicht allein die Deduction aus den rechtwinklichen Axen (!) 22.0. S. 227. 228. 632 Weıss vollkommen gestatten, sondern auch mein angenommenes Verhältnifs 3:5 mit einer Schärfe, die man nicht erwarten sollte, repräsentiren, umgekehrt also das Hessel’sche Verhältnifs 4:7 ausschliefsen würden. Aber wie unerwartet weit entfernen sich die Resultate dieser Messun- gen von den Haüy’schen Angaben gerade da, wo die Differenzen am gering- sten erwartet wurden. Der Haüy’sche Winkel von 113° 7’ 48”, der wichtigste, fundamentalste von allen, wird zu 114° 24 (Complement 65° 36°); wogegen der Haüy’sche von 126° 52° zu 127°4 (Complement 52° 56) wird; aber die >-fach schärfere Neigung des ersteren (114° 24 oder 65° 36) gäbe 127° 5'— statt 127° 4’; umgekehrt die $-fach stumpfere von 127° 4 oder 52° 56° gäbe 114° 23, wo Hr. N.’s Messung 114° 21 gab. So befriedigend stimmen diese Winkel mit dem Theoretischen meiner Darstellung, und scheinen somit die Richtig- keit meiner Ausdrücke für die Flächen nach ihren relativen Werthen zu beweisen. Aber eine so grofse Abweichung von dem Haüy’schen Werthe des Hauptwinkels von 113° 7’ bei Hrn. Hessel’s neueren so nahen Bestätigungen desselben! Hr. Hessel hält sich hier an den Haüy’schen Winkel bis blos auf ı' Differenz. Phillips nahm ihn aus Haüy unverändert auf, da er di- rect mit dem Reflexionsgoniometer nicht füglich gemessen werden kann; meine Abweichung betrug ı7'; in demselben Sinne ist sie bei Hrn. N. 1° 16 bis 17’ (!). Diese unerwartet grofse Differenz erinnert an die Schicksale der älte- ren Bestimmungen dieses Krystallwinkels, welcher unter die frühest gekann- ten gehört. Rome deLisle, der doch sonst für seine Zeit sich der Wahr- heit um ein Grofses mehr zu nähern pflegte, als seine Vorgänger und Zeit- genossen, giebt diesen Winkel, und auf eine auffallende Weise, gar zu 116° (Haüy 113°s, Naumann 114° 2%); er sagt nemlich (?): Leeuwenhoek (‘) Eine noch gröfsere Differenz gegen die Hessel’schen und Haüy’schen Werthe giebt der Winkel — gegen —- oder 7, nach Haüy 120° 0’; nach Hessel 120° 12’; nach Nau- mann 118° 32’. Differenz 1°40”. Nach Hrn. Neumann’s Messungen wird er 118° 30’. (?) Cristallogr. t.1. p.445. Note. über das Gypssystem. 633 habe hier um 4° geirrt; er habe den Winkel zu 112° angegeben (!). Aller- dings aber darf man annehmen, dafs Rome de Lisle diesen Winkel mit einem gewissen Vorurtheil behandelt habe. Den Haüy’schen Winkel von 126° 52’ nemlich hat Rome& de Lisle als 125° (Naumann als 127° 2’); von diesem, als dem der gewöhnlichen Tafel der Gypskrystalle, geht Rom& de Lisle aus; dieser Winkel aber, glaubt er, werde halbirt (durch 7’); das giebt freilich 64° und sein Complement 116°. Bei der Neigung aber, den Winkel von 125° durch die Abstumpfung des scharfen von 52° in gleiche Theile getheilt zu finden, übersah er freilich, wie die von ihm so vollkommen wahr- genommene Verschiedenheit der beiden Zuschärfungen der Tafel — nach ihm mit 110° und 145° — auch eine Verschiedenheit der beiden Hälften, in welche der Winkel zerfällt, im voraus vermuthen läfst. — So ist aber doch wenigstens die Naumann’sche Angabe noch weit innerhalb der Differenzen der Haüy’schen und Rome de Lisle’schen. — Können wir uns aber wohl erwehren, bei so grofsen Differenzen der neueren Messungen auf eine grofse Abweichung der verschiedenen Individuen, auf eine grofse Weite des Variirens bei ihnen, zu schliefsen ? Nach den Naumann’schen Messungen also würden meine Flächen- ausdrücke für Gyps ganz unverändert bleiben. Dem Dimensionsverhältnifs a:c solche Werthe zu substituiren, welche bei hinreichender Annäherung an die Messung die Rechnung aufs möglichste vereinfachen, würde die An- ..2 nahme genügen a:c=Y7:-7. Sie gäbe die Neigung der Schief- Endfläche gegen die Axe der Säule / zu sı° 2; Hr. N. findet sı° 26’; die 3fach schärfere, d.i. die Neigung von 7’, zu 65° 30, wie Hr. N. selbst an- giebt, die 5fach schärfere zu 52° 55’ (statt 52° 56° N.). Für die Säule /, welche Hr. N. zu 111° 14° gemessen hat, liegt schon sehr nahe das Verhältnifs «:2=Vı5:Y32, welches 111° 12’ 17’ giebt; etwas () „Angulos ejusmodi gypsi particularum dimensus sum, sagt Leeuwenhoek, (Arcana naturae detecta, Delphis Bat. 1695. p- 134.) ac maximos angulos ut E et G singulos repperi 112 graduum, et parvos sive acutos angulos H et F singulos 68 graduum. Nam’ latera EF ac GA erant parallela.....” Phys.- mathemat. Abhandl. 1834. L1ll 634 Weıss entfernter auf der entgegengesetzten Seite a:5=V7:Yı5; welches 111° 19° 25” gäbe, und mit dem obigen Ausdruck von a:c in den ganz kurzen Gesammt- ausdruck für das System, a:5!c=YV7:Yı5:—- sich verbinden würde, aus welchem alle die N.’schen Winkel sehr angenähert fliefsen. Mit einer noch gröfseren Annäherung aber in ähnlichen Ausdrücken sie darstellen zu wol- len (!), wäre ganz überflüssig, da sie keineswegs in dieser Schärfe als der Natur entsprechend gelten wollen, nach Vergleichung mit den neueren Neu- mann’schen Messungen aber noch viel weniger für die wahren Werthe schei- nen genommen werden zu können. S.5. Die Neumann’schen Messungen nemlich geben Resultate, welche den Hessel’schen Bestimmungen weit günstiger sind als die Naumann’schen, und welche dem Verhältnifs 4:7 sich nicht allein mehr annähern, als dem Verhältnifs 3:5 (?), sondern sogar noch jenseits des ersteren vom letzteren abweichen, und sich also dem von 5:9 nähern. Sie sind an den Flächen JS und /,/, jede unter sich und die einen gegen die anderen, angestellt, wäh- rend die Naumann’schen es an den Flächen f, f und n,n waren. Es ist sehr zu vermuthen, dafs hierin einer der Gründe von der grofsen Differenz, welche beiderlei Messungen mit dem Wollaston’schen Goniometer gegeben haben, zu suchen ist. Allerdings lassen sich aus theoretischen Gründen den Flächen / noch gröfsere Störungen zutrauen, als den Flächen 2; hinwie- derum entbehren die Naumann’schen Messungen jener Controlle durch Mes- sung des vierten Winkels, deren sich Hr. Neumann vortrefflich zu bedienen gewufst hat, um seinen Messungen die möglichste Sicherheit zu geben, nem- (') So gäbe @:5= 675: Y3t6—= 15 Y3:2 79 den N.’schen Winkel von 111° 14° selbst, d. i. 111° 14° 2077. (?) Unten wird es sich ergeben, dals sich das Neumann’sche Resultat in dieser Bezie- hung annäherungsweise so fassen läfst, dafs die Kante -- die 2%-fach oder, noch genauer ge- rechnet, die 5, fach schärfere Neigung gegen die Axe der Säule 5 haben würde, als die Fläche 7. Nun aber lassen sich die Verhältnisse — und > mit dem 2% oder 2 zu beque- 4 3 13 53 merer Vergleichung so ausdrücken: 21, 22, 2 oder 24,22, 3. Ersteres löst sich auf in die Verhältnisse 273 : 276 : 260, letzteres in die Verhältnisse 1113 : 1116 : 1060, über das Gypssysiem. 635 lich der Messung eines f nicht blos gegen das eine, sondern auch gegen das andere /. Hr. Neumann findet den Haüy’schen Winkel von 113° 3° zu 113° 46’ (rechnet man nach den zuletzt in einem abgeänderten Sinne angegebenen Zahlenwerthen a:b:ce = 1,1805: 1,12022}1, so würde er sich sogar zu 113° 49’ ergeben), also zwar dem Haüy’schen Winkel sich wiederum nähernd, aber doch nur auf die Hälfte, und zwar genau auf die Hälfte der Naumann’schen Differenz, immer um 38’ noch abweichend von der Haüy’schen Angabe, welche Hr. Prof. Hessel in engeren Grenzen zu verbürgen glaubte; den Haüy’schen Winkel von 126° 57, d.i. die Neigung der Kante 2 gegen die Kante FL, welchen Hr. Naumann 127° X fand, findet Hr. Neumann zu 127° 4X (zu 127° 40, nach dem Verhältnifs :b:c, wie oben, gerechnet), also um 52’ von der Haüy’schen, und ı° 2’ von der Hessel’schen Angabe ab- weichend. Mit jener Höhe des Standpunctes aber, mit welcher Hr Prof. Neu- mann seine krystallonomischen Aufgaben jederzeit aufzufassen und auf das einfachste zu lösen weifs, wird man sich freuen, zuerst die Ausdrücke der Gypsflächen allgemeiner behandelt zu finden, wie sie aus dem rein natur- historischen Gesichtspunkt des bekannten, am Gyps so evident zu beobach- tenden Zonenverhältnisses abgeleitet werden können. Hr. N. geht dabei beliebig von der Fläche 2, und von derjenigen aus, in deren Diagonalzone die von ihm beobachtete Fläche v, mein [e:+3:e], liegt. Hr. N. bezeichnet die Fläche 2, bezogen auf meine Dimensionen a,2,c, in gröfster Allgemeinheit als [-&:#:1]; die Fläche, in deren Diagonal- zone die vorgenannte Fläche v ist, eben so in gröfster Allgemeinheit als >:1|, folglich die Fläche v selbst als -#:3:), und erhält hienach die schönen allgemeinen Ausdrücke für sämmtliche übrige Flächen: L1lll2 Man sieht sehr bald, dafs meine Ausdrücke, c=1 gesetzt, in die- . 5 1 4 sen enthalten sind, win d=—, «= — und B=-. Eben so aber werden auch die Hessel’schen Ausdrücke darin liegen, os . . 4 für welche die Gleichungen gelten «— 22 = ; und «= — ; woraus 3 ß , a 4 11 =; ferner z=(@-0), =; P=- Aus seinen Messungen aber findet Hr. Prof. Neumann «' = 0,77381 = cot. 52° 167 @ = 0,16675 (= cot. 30° 32’ (1)); also « — 2a = 0,44031 = cot. 66° 14 ßB = 0,4437 oder, wenn er sie den Phillips’schen Messungen noch mehr anpafst, «' = 0,7695 — cot. 52° 25’ @ = 0,1657 — cot. 50° 35’; mithin @ — 2« = 0,4351 = cot. 66° 20' B= 0,4121 Freilich nun, wenn @«:@—2a:« wäre=ı:3?5, meiner Darstellung gemäfs, so sollte man haben a= = 1576 statt 0,16675 und @ — 2« = 0,16428 statt 0,44031ı nach den ersten Werthen, oder nach den zweiten « = 0,1539 statt 0,1657 u.s.f., welches von der Übereinstimmung allzuweit entfernt ist. Hingegen stimmen die Hessel’schen Ausdrücke damit ganz wohl; denn es würde @:a= 1: =14:3. Nun aber 14:3= 0,77351!.... gäbe «= 0,1658 (statt 0,16675), wenn « = 0,77381. Oder wenn «' = 0,7695, so würde « = —- «' = 0,1619 (statt 0,1657), beides den aus den Messungen abgeleiteten Werthen sehr nahe. (') Hrn. Naumann’s Messung gab s1° 2; meine Annahme war S1? 47. über das Gypssystem. 637 Hienach schiene das Verhältnifs, dafs . die — fach schärfere Neigung als 7’ gegen die Axe der Säule / habe, befriedigend genug bestätiget; und es bliebe der Theorie, dafern sie bei der Beziehung auf die drei Axen a, b,c beharrte, noch der Schritt zu thun übrig, dessen ich oben gedachte, auf befriedigende Weise das Verhältnifs 4:7 aus dem 1: ı krystallonomisch ab- zuleiten. Inzwischen kann man theils bei dem grofsen Mangel der Überein- stimmung der Neumann’schen und der Naumann’schen Messungen, bis sie an geeigneten Stücken vergleichend wiederholt sind, noch mit zu wenig Zuversicht das erreichte Resultat in Beziehung auf die (gar zu sehr, wie es scheint, variirenden) Winkelgröfsen des Gypses als feststehend betrachten; theils giebt Hr. Prof. Neumann der theoretischen Betrachtung nun eine ganz neue Wendung. S.0: Er geht nemlich, durch die Vergleichung unsrer vorläufig gewählten krystallographischeu Axen mit den von Biot bestimmten optischen geleitet, nunmehr zu einer gänzlichen Umgestaltung dieser ersten, blos naturhistori- schen Behandlung der krystallographischen Axen über. Man denke sich den stumpfen Winkel, welchen meine Schief- End- fläche [e:e:2] mit der Seitenkante 5 oder mit M macht, halbirt — die- ser Winkel betrug nach meiner Darstellung 95° ı3’, nach den Neumann’- schen Messungen folgt er zu 99° 2’ — die Hälfte also ist 49° 44° — so ist, wie Hr. N. bemerkt, jene halbirende Linie die Biot’sche optische Halbirungs- linie, und wird deshalb für Hrn. N. als die krystallographische Axe c ge- wählt; folglich die auf ihr senkrechte, in der Ebne ? liegende, die krystal- lographische Axe a; die Linie senkrecht auf ? bleibt, wie bisher, die kry- stallographische Axe 2. Meine Schief- Endfläche [e:e: 2] wird es auch für Hrn.N. in ih- rer neuen Funktion gegen die Axe c; die Fläche M wird die ihr gegenüber- liegende |—a:c:3| = |a:c:5| mit gleicher Neigung gegen die neue Axe c. Diese beiden Flächen verhielten sich also jetzt, wie P und x bei Feld- spath. 7’ bekommt die vierfach schärfere Neigung gegen die neue Axe c 638 Wit und wird = [a:4e:!»2|= —a:c!oob|. Umgekehrt erhält die schief laufende Endkante 2 oder deren Abstumpfung die vierfach stumpfere Neigung gegen c; letztere würde also sein = [e:+.:2]. Die Fläche » bleibt in der Diagonalzone von [e:e:03]; die Seitenflächen f, o, r werden zu Flächen aus der Diagonalzone von M=|d:c: 0025|; so wie n, x, s Flächen aus der Diagonalzone von |a:c:03|, Zund A aus der von [e:£e:02]; die Haüy’- sche Fläche : erhält die -fach schärfere Neigung gegen c; und wird also zu [> 2:4 0:0 »)=[2@:3c:%]. In ihrer Diagonalzone bleiben die Flä- chen w und u. Indem nun Hr. N. die gewöhnliche Seitenfläche /f = setzt, so entstehen ihm folgende Werthe der Gypsflächen in Beziehung auf seine krystallographischen Axen: M=|d:c:»5|; T=|-u:c:oob|; = a’ b e.|, o=|d:-ı es De —b el; und es wird zufolge seiner Messungen a:b:c = 1,1805 : 1,1202 : 1. ET Ob die Fläche f für gut gewählt sei, dagegen, wenn es gleich nur die Eleganz des Ausdrucks und somit einen unwesentlichen Ne- benpunct betrifft, möchte es dennoch erlaubt sein, eine leichte Erinne- rung zu machen. Abgesehen davon, dafs nach den bekannten Analogieen für entschieden zwei- und eingliedrige Systeme diese Fläche zu den ausge- schlossenen zu gehören scheint (vgl. Feldspath, Hornblende, Augit, Epi- dot u.s.f.), so erhält zufolge dieser Wahl die für den Zusammenhang des Systems so wichtige Fläche v einen Ausdruck = [e:>3:e], welcher erst be- friedigend deducirt sein will, und so gleichsam an die Spitze gestellt, für über das Gypssystem. 639 Hrn. N. selbst etwas problematisches behalten haben dürfte; besonders aber ist zu berücksichtigen, dafs jene ausgezeichnete Zone des Gypses, welche die Flächen M, n, !, nebst den noch zwischen z und / fallenden Flächen u und » bilden, in dieser Darstellung die übelste Stellung bekommt; ihre Axe würde sein die Linie (c; a -+--b) (!). Wenn diese Zone uns auf die richtige Seitenfläche |a:2:c im Sinne der N.’schen Grundansicht führte (anstatt seines [e:8: 00], wel- ches eine Säule von 86° 59’ — die Schief- Endfläche auf die scharfe Seiten- kante aufgesetzt — giebt), wenn, sage ich, uns diese Zone auf die richtige Seitenfläche führte, d.i. wenn sie zur Kantenzone (von Schief-Endfläche nach Seitenfläche statt nach [a:#2:00c]) gleichsam erhoben würde, dann würde sie als die wichtige erscheinen, die sie ist. Die Umwandlung ist leicht geschehen; es ist nur anstatt des jetzigen 1) b des Hrn. N. ıÖ zu setzen, oder sämmtliche Coefficienten von 5 mit ; zu multipliciren, während die von a und ce unverändert bleiben. So gestalten sich die Ausdrücke nun so: v— — dem Gegenstück von dem, was wir Rhomboidfläche bei Feldspath nennen; n [Zei #2:e], sogleich deutlich in der Kantenzone; l (') Es sei in Fig.3. C4=CA=a (Neum.); CB=b (Neum.); on=-ta; Cm=b; A'B’ parallel mit CB; so ist nn die der Fläche ta:28:e =n, und 4’D’ die der Fläche a';c:c05) M zukommende Linie in der Ebene der ad, — beide Flächen durch c (aulser- halb der Eigur) gelegt. Und die Linie, in welcher beide Flächen sich schneiden, wird sein die Linie von c nach o, als dem Durchschnittspunct von der verlängerten nm mit 4’B’. Nun aber do!:Cm=An:Cn=Fa:ta=s}i; do=5.Cm=°%2b; folglich die Axe der Zone, die von M nach n geht, = (c; «+ % 2). A440 WeEıss T.0783 ıle ab:ch; o= Ar da:dhbric|. Lieber wird man noch, dem blättrigen Bruch folgend, die Haüy’sche Fläche M als die Schief-Endfläche des Systems, und die, aus deren Diago- nalzone » ist, als der hinteren Seite des Endes gehörig ansehen, also die accentuirten und die unaccentuirten a in den Zeichen zu vertauschen ha- ben; dann wird v»—= [+ 3:e], wie beim Feldspath die Rhomboidfläche selbst u.s. w. Es bleibt indefs zu wünschen, dafs die Biot’schen Beobachtungen, welche die eigentliche Triebfeder der krystallographischen Umgestaltung ge- worden sind, von Hrn. Neumann wiederholt und bestätigt würden, da es besonders noch darauf ankommen möchte, ob die Halbirung des frag- lichen Winkels die eigentlich optisch wirksame Axe gebe ('). Die Kıry- stallographie als solche begnügt sich, auf die naturhistorisch entsprechendste und geometrisch einfachste Weise den Zusammenhang des Krystallsystems in sich aus den einfachsten Fundanıenten abzuleiten; wogegen die optischen Eigenschaften allerdings, weiter belehrend, die in der Form versteckteren Elemente zum Vorschein bringen, und dann die Überzeugung gewähren können, dafs wir hier der Sache noch tiefer auf den Grund gekommen sind; und so hat die Neumann’sche Darstellung jetzt alle Ansprüche, dies von sich glauben zu machen. Die thermischen Axen, welche zu bestimmen Hr. N. nur auf die we- nigen, aber höchst wichtigen Beobachtungen fufsen konnte, welche Herr Mitscherlich in unsern Abh. v. J. 1825. pag. 212. mitgetheilt, und welche Aufgabe Hr. N. mit seinem gewohnten mathematischen Scharfsinn gelöst hat, fand er der Richtung nach nahe genug mit dem auf die Biot’sche Halbirungs- linie gegründeten Axensystem zusammenfallend, so dafs die Differenzen in- (') Die optische Entdeckung des Hrn. Professor Nörrenberg über den Gyps (s. Pogg- Ann. 1835. B.XXXV. 8.81.) giebt Hrn. Professor Neumann jetzt, wie wir sehen, die er- wünschteste Veranlassung zur vollständigen Lösung dieser Frage. über das Gypssystem. 641 nerhalb der unvermeidlichen Beobachtungsfehler liegend angesehen werden durften, zugleich aber gelangte Hr. N. zu dem wahrscheinlichen Resultat, dafs, parallel seiner Axe ce eine starke Contraction bei der Erwärmung Statt finden müsse. Die Versuche von Fresnel werden hiebei zu verglei- chen sein (). $. 8. Unter den krystallographischen Reflexionen, zu welchen die N.’sche Bestimmung der Axen des Gypssystems Veranlassung giebt, ist eine der nächstliegenden diese: In welchem Falle wird der Winkel, unter welchem sich die Schief- Endfläche gegen die Seitenkante neigt, über- haupt krystallonomisch halbirbar sein, also, unverändert in sich, eine solche gewendete Deutung der Funktionen gestatten, wie die N.'sche hier ist, wodurch M zum Gegensatz der Schief-Endfläche, d.i. zu wird? — Krystallonomisch halbirbar wird ein solcher Winkel nur sein, wenn —— eine Rationalzahl, also Ya’-++c? eine rationale Vervielfachung von c a [4 = ist. Zufällig trifft es sich, dafs dies für den Gyps nach meiner Bestimmung galt, woicha:c=Vis: ı setzte. So war also Va = +. Und es würde für die Neigung der halbirenden Linie gegen meine Axe c, d.i. für den hal- birten Winkel sein sin: cos=YV4is?7—ı1(?)=Vis:6=2:V3. Dies in mei- nen Linien a und c ausgedrückt, so ist Vis:6=a:6c. Also wäre die N.’sche Axe c die Längendiagonale meines [e: 66:2]; und seine horizontale Zone wäre die Diagonalzone der eben geschriebenen Fläche. Seine Linie a hin- gegen, als die rechtwinkliche auf seinem c und 2, wäre der Linie analog, (*) Bulletin des sc. math. 1824. Feor. p.100. — Poggendorff’s Annalen, 1824. St.9. S.109. (2) Es heilsen s, c, r, Sinus, Cosinus und Radius eines gegebenen Winkels, s’ und c’ Sinus und Cosinus seiner Hälfte, so ist, wenn der halbirte Winkel ein stumpfer ist, s=ec=sır—c=r-+c:ts umgekehrt, wenn es ein scharfer ist, !» sec er—cıs=s!ir-#.c. Phys.-mathemat. Abhandl. 1334. Mmmm 642 Weiss welche (wenn die Neigung meiner Schief-Endfläche unverändert gedacht würde) gegen die Axe der Säule S sich in der Ebne ? neigte unter sin! cos —Y3:2=Yas:s. Daher wäre die Lage der N.'schen Axe a analog der Län- gendiagonale einer Fläche [a:se:00>] meiner Darstellung. In einem nahen Zusammenhang mit den übrigen Flächen des Gypssystems steht indefs nach meiner Darstellung nicht die Fläche TER] sondern vielmehr [2:9c:005|: denn diese letztere würde durch die Flächen = He:+2:e] in der vertikalen Zone unmittelbar bestimmt sein; die auf ihr rechtwinkliche Linie aber, d.i. die Längendiagonale einer Fläche [3 : 16°:008] würde zwischen die Richtung der Biot’schen Linie und der aus den Versuchen des Hrn. Mitscherlich direct gefolgerten thermischen Linie in die Mitte fallen. Der Neumann’sche doppelte Neignngswinkel der Schief-End- flächen gegen die Axe (also ihre Neigung gegen einander) ist genau der, wo sin:cos=6t:1i. Dies Verhältnifs jedoch streng beibehalten, gäbe kein krystallonomisches Verhältnifs @:ec, sondern 6:Y/37 —ı. Hingegen wenn man es sich abzuändern erlaubte in Y'35 : ı, also die Neigung der Schief-End- flächen gegen einander annähme zu 99° 35’ 35,66 statt 99° 25’, so wäre aic —=Y7:Ys. Suchte man ein solches krystallonomisches Verhältnifs a:c, den Neumann’schen Winkeln noch näher angepafst, so würde es zwischen dem Yr:Vs und dem Yıs: Yı3 liegen. Letzteres gäbe für die Neigung der Schief- Endfläche gegen die Axe 49° 35’ statt 49° 4X oder den doppelten Winkel zu 99° 16. Die Neumann’schen Werthe a: fallen merkwürdigerweise scharf zusammen mit dem Verhältnifs Yı0o: 3, welches seinen Säulenwinkel auch zu s6° 59, wie oben, geben würde. Und das auf die oben 3 639.) vorgeschla- gene Weise substituirte Verhältnifs @:5 würde = Yıo:4l.3=1:Y10; also die Säule zu 144° 34. So hätte man, in Verbindung mit dem vorigen a:c, sehr angenähert 1 j a:b:o=Y+:V.:Yt=Y+: 1 Vay. :V:V zogen über das Gypssystem. 643 Man vergl. die Feldspathausdrücke und die Quarzausdrücke in d. Abhandl. v.1825.8.177:u 168: Die Winkel der Säule f würden dadurch 111° 32’ 10. Hr.N. fand sie durch unmittelbare Messung zu 111° 23/6 und 111° 25/6; durch Correction 111° 22’. Die Naumann’sche Messung war 111° 14, die Phillips’sche 111° 20. Dieser Phillips’sche Winkel stimmt vollkommen mit dem oben bei Gele- genheit der Neumann’schen Darstellung des Gypses erwähnten Verhältnifs V7:Vı5, welches ihn giebt zu 111° 19°25”. Zwischen diesem und dem Yı3: y2s lägen die verschiedenen Neumann’schen Werthe. Letzteres Verhältnifs gäbe den Winkel zu 111° 27’ 36” (1). Auf meine Axen a und c aber die Neumann’schen Ausdrücke zurück bezogen, erhielte man, wenn man die obige Annahme 4C:Cce=V35:ı zum (') In der Angabe der Neigungswinkel in der Zone Mnuv/, wie sie auf der Neumann’- schen Figur, welche die Projection auf der Kugelfläche darstellt, angegeben sind, sind kleine Irrungen vorgefallen. Man sieht aber aus den beiden ersten Neigungen für M gegen n, und n gegen u, 67°52' und 22° 8’ sogleich, dafs mit der zweiten Neigung nicht die von n auf u, sondern nur die von n gegen eine Fläche gemeint sein könne, welche in meiner Darstellung +b:c:00a| heilsen würde; eine Differenz um 3 in der Summe der drei übrigen Neigungen bleibt als Schreibfehler zu berichtigen. Rechnet man nach den angegebenen Werthen @:b:c = 1,1805 7 1,1202?1, so erhält man die folgenden Winkel der ersten Columne, denen ich die N.'schen in der zweiten Columne als diejenigen beisetze, welche die wahren Data enthalten; denn Hr. N. hat nicht die Winkel aus jenen Elementen, sondern umgekehrt jene Elemente aus den schon vorher geführteu Rechnungen annäherungsweise abgeleitet. Also: Mg.n, 67°51°7 ; 67°52° Neum. ng.u 20° 144 ; 22° 8’(%) ug.o, 10° 39% = 8° 49’ (9) vo. g.I,. 26° 52’ _;..,26° 49’ 2 g.M, 547.23’ 25” n g.v, 30° 53, a.2. 0. .$.253. 180° 0’ 180° 3’ (*) gilt für r gegen #2 5 c:oa]. (**) 8° 46’ für ER 3 c:a]| gegen v; nach Hrm. N.'s späterer brieflicher Mittheilung. Mmmm 2 644 W.r‘ı sı$ Grunde legte, für 7’ statt des Ausdruckes [a 301% | den [sa 13€; |, so wie für die Aue der Kante - : anstatt [a:50:002| [3:50:02] den Ausdruck 5a:23c:006|, d.i. die # und fach hchiirfären Neigungen statt der 3 fach schärferen und 5 fach chsufeieh unter sich verglichen, die 2 -fach statt der --fach schärferen oder stumpferen. Legt man hingegen zufolge der N.’schen Messungen zum Grunde a:c=6:1, so erhält man sehr angenähert 7’ = EIZZ :53ce 2005|, und die andere Fläche = [202 : 930100 b |; unter sich ver- glichen, die -fach schärferen oder stumpferen Neigungen (!). (2) Die obigen Ausdrücke se’: 13e: 2] und |50:230:002) 23c:005|, oder aber ERZEREN »2| und |»«: 93c: &2| ergeben sich auf folgende Weise: "Es sei, wie in Fig.2, so in Fig.4, 4C=a, Ce=c, und 1 nach der Voraussetzung Ac=A0'=6Cc=6c; ferner SA=c* Neum., Sc=S0’=a* Neum.; SI=4Sc=4at; Sn=48$4A=4c* Neum., so dafs 47 die Richtung der schief laufenden Endkante 2, so wie no die der schief laufenden Endkante — oder der Längendiagonale von 7, sowohl in Bezie- hung auf die Neumann’schen Dimensionen a* und c*, d.i. auf O’O und PAR, als auf die mei- nigen a und c, d.i. AC und Ce darstellt. Für die Richtung no finden sich die Werthe 40: Am, oder Co:Cc, d.i. die ihr in den Dimensionen @ und c zukommenden Werthe folgendermafsen: Man denke sich durch eine in der Figur nicht ausgezogene Linie nO’ das Dreieck nO'c vollendet, für welches OS=Sc und n4:48=3:1, so wie O’4A=6Ce gegeben ist, so hat man nach einem unserer Lehrsätze (s. d. Abh. d. Akad. v. J. 1819. $.278, Note. v. J. 1824. S.244, Note): 04A:Am=nA.08S + AS.0'c:Sc.nA; d.i. 2.2.0. viw=na+-m(a+b):bn oder, da O2 = 208.280, d.ı..22.0. a=b v,3w=n-+t+2myin 0A: Am=nA-+2.ASınl=3-+2:3=5:3 Am + oOo0A= - Cc Aber do:Co=Am:Co=- 1 TOT C=2,A=a Also Co:Cc= };a:c; und Co negativ gegen CA; also die gesuchte Fläche = 5a'z13c:008|. Für die Neigung der Linie 47 aber gegen AC und CE haben wir: AO',Ec=Ol:zcl=5:3; E=2410=2.0 = Ce; folglich EC=Ec-FcC = (#1) Cco=%c Mithin, da 4C=a, haben wir die gesuchte Fl: achen, die durch die Linie 47 gelegt und senkrecht ist auf der Ebne der a und c, = la:2:c:0| = 5a:230:002]. 5 Setzt man hingegen zufolge der directen N.’schen Angaben 40 =Ac=y37Cec, in- sofern nemlich 4C:Ce=6:1 wäre, dann wird Am=->y3rCe; und Co:Ao=Q@e:Am über das Gypssystem. 645 Diese Rechnungen machen geneigt, lieber das Verhältnifs 5:9 als das 4:7 dem von 3:5 zu substituiren; denn aus den in der Abhandlung über den Epidot gegebenen Erörterungen ist klar, dafs für die Flächen der verti- kalen Zone eines zweiundeingliedrigen Systems das Neigungsverhältnifs 5 : 9 gegen die Axe aus dem Verhältnifs ı:ı ganz nah und ohne alle Schwierigkeit hervorgeht, das von 4:7 hingegen ein noch ungelöstes Problem darbieten würde. Die Flächen z und / würden dann die Ausdrücke erhalten Se:$3:e] und >e:53:e]. Zugleich wäre hiemit eine Grenze einfach bezeichnet, zwi- schen welcher und meiner früheren Darstellung die Abweichungen der bis- herigen neueren Messungen liegen. Mein lebhaftester Wunsch ist jetzt, dafs Hr. Prof. Neumann den Gegenstand von neuem wieder aufnehmen und verfolgen möge, da die Höhe der wissenschaftlichen Behandlung, welche ein solcher Gegenstand durch ihn erreicht, jeden früheren Maafsstab ähnlicher Arbeiten so weit überragt ('). 8.9. Es möchte zur Vollständigkeit des abgestatteten Berichtes über die Fortschritte der krystallographischen Untersuchungen über den Gyps seit meiner Abhandlung vom J. 1821. noch erforderlich scheinen, derjenigen Schriftsteller Erwähnung zu thun, von deren Arbeiten ich damals sprach. 3y37 3y37 13,2482875... u =1: "=, aber Co: a ee ea er angenähert 5:13 =2:53, also Co= 3 zn 3.46, nahe #2 4C; somit Co:Cc = arc giebt für die durch co gehende Fläche 7' N en Ww Ba: c:006| = 200° :53c2 »2]. Eben so, wenn en Ad — =-y37Cc, so it EC= (ee +1) Cc ee Cc, 23.24 und AC: CE=a: D ., angenäbert 52:83 c=2a:9c; mithin der angenäherte Aus- druck für die durch 47 gehende, anf der Ebene ac senkrechte Fläche je: 3c: »5]. (') Das überraschende Resultat, zu welchem Hr. Prof. Neumann in seiner neueren Un- tersuchung über die optischen Eigenschaften des Gypses gekommen ist (s. oben S.640, Note), ist: dals die optische Linie AR (Fig.4.) ihre Richtung mit der Temperatur verän- dert, und zwar um 3° 5 innerhalb einer Temperaturveränderung um etwa s0’R. Da also die Lage der Neumann’schen Axen gegen die krystallographischen mit der Temperatur sich ändert, so können sie nicht für diese genommen werden. 646 Weiss Es war nicht zu erwarten, dafs die im darauf folgenden Jahre erschie- nene zweite Ausgabe von Haüy’s Traite de mineralogie irgend eine wesent- liche Veränderung in seiner Darstellung des Gypses enthalten würde; und so war es auch. Aufser den neuen Krystallflächen, deren oben Erwähnung geschehen ist, A,0,r,e, blieb die Bestimmung im Wesentlichen die vorige. Hr. Prof. Mohs, welcher noch im J. 1821. selbst die zweite Auflage seiner ‚‚Charakteristik des naturhistorischen Mineralsystems” herausgegeben, und in derselben die Charakteristik des Gypses ganz unberichtiget, wie in der ersten Ausgabe, hatte wieder erscheinen lassen, erkannte späterhin den begangenen Irrthum. Im zweiten Bande seines ‚‚Grundrisses der Minera- logie,” welcher 1824 erschien, ist der Artikel gänzlich umgearbeitet wor- den, und hat zu einem der ersten Beispiele der seitdem von Hrn. M. ange- ’ nommenen octaödrischen ‚‚Grundgestalten’’ mit schiefwinklichen Axen ge- dient, d.i. von ‚‚Grundgestalten,”’ welche keine ‚‚einfachen Gestalten,’ mit andern Worten, nicht von gleichartigen Flächen gebildet sind; und hie- durch unterscheiden sich von da an Hrn. Mohs’s Abtheilungen der Krystall- systeme wesentlich von den früher von ihm anerkannten, mit den meinigen identischen. Die Haüy’schen Winkel vom Gyps wurden ohne alle Verän- derung der nunmehrigen Mohs’schen Darstellung zum Grunde gelegt; und dabei hat es auch noch in den „leichtfafslichen Anfangsgründen der Naturge- schichte des Mineralreichs, Wien, 1832,” seinem letzterschienenen Werke, sein Bewenden gehabt. Hr. Prof. Breithaupt liefs in der zweiten Ausgabe seiner ‚,‚vollstän- digen Charakteristik des Mineralsystems, Dresden 1823,’’ den Winkel von 117° 20° wieder weg, und setzte den Winkel von 113° an seine Stelle wieder ein. Der Mohs’sche Winkel von 149° 37, von Hrn. Breithaupt im Text der zweiten Ausgabe mit 149° 30° wieder aufgeführt, wurde unter den Druck- fehlern oder ‚‚Verbesserungen’’ auf 139° 30° herabgesetzt; mehr enthielt die Charakteristik nicht. In der dritten Ausgabe derselben hingegen (Dresden, 1832.) erscheinen drei Winkel als ‚‚ungefähr’’: der Haüy’sche für 2 von 135° (wird Säulenwinkel); der Winkel von 117°% von neuem, und zwar an über das Gypssystem. 647 der Stelle des Haüy’schen von 113°,wie die Beziehung der Fläche f auf ihn beweist. Auf der entgegengesetzten Seite der Axe (von der Säule z) aber ein neuer Winkel — wenn nicht mit ihm der Haüy’sche von 113° gemeint ist —, nemlich: von 115° oder sein Complement 65°. Vertauschen wir lie- ber, um, wie es scheint, der Sache näher zu kommen, die angegebenen Beziehungen zwischen f und jenen beiden Winkeln, so wird — mit deut- licheren Worten — die Neigung der Kante Z gegen die Kante — angegeben sein zu 117°4 ungefähr, welche nach den Neumann’schen Messungen 115° 30, nach den Naumann’schen 115° 37‘, nach den Haüy’schen ı20° 0’, und nach den Hessel’schen 120° 12° betrug. — Die weitere Erläuterung mufs man von dem bereits angekündigten gröfseren Handbuche der Mineralogie des Hrn. Prof. Breithaupt erwarten. ED — Aa age ae Praha Ba f Enz enz ante Et Im " Diner use ran ia blau, Am EN Ale 2 tel gti KM, silber ur 1 44 y ie luabluneıt i pi Ai Be ar re A Au. Jun A EEE ee KR BR us Anz eu Id er Y \ ‚Bu FU EEREE IHN NrBns vesdil! ET ale u Imafhs KEN EN a 1 die ah h: IRRE pi Al fi in Alte RR ee MIT E06 75 Be Aa: Wei BEE ES nn Ru ae Be ne ’ ‚eines rien a Re we "as R Hr ee ee u u TIUrTSUT Pe Aimwakiee ge Au area Ah k rei ü m anumath) ML Ar, DEE Lea j Me en, a % IN Aa KA EN Sup MEI, em y a verssle Mil En u BREI > Nein Be ESF u a2 ZZ bi 2 va ar i “en all 2 au LEE En rapie rr u: . "regen ine IA 1 Ka vn ee dar Ar Zu Hrn Weiss Abh.über das Gypsfvstem. Phys. mathı. KL 1834. = > NN / E m 7) Be SS Einige neue Sätze über unbestimmte Gleichungen. Von H'” LEJEUNE - DIRICHLET. mnnannnAannnden [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 19. Juni 1834.] Osgteich die Methoden zur Auflösung der unbestimmten Gleichungen des zweiten Grades mit zwei Unbekannten, welche man Lagrange verdankt, nichts zu wünschen übrig lassen, wenn eine solche Gleichung mit numerisch gegebenen Coefficienten wirklich aufgelöst werden soll, mag man nun für die Unbekannten blofs Rationalzahlen verlangen oder die beschränkendere Bedingung hinzufügen, dafs dieselben ganze Zahlen werden sollen, so findet doch zwischen diesen beiden Fällen ein wesentlicher Unterschied Statt, wenn man, ohne die Auflösung wirklich darzustellen, blofs entscheiden will, ob die vorgelegte Gleichung eine solche zuläfst oder nicht. Im ersten Falle, wo die Unbekannten nur rationale Werthe zu erhalten brauchen, sind die Trans- formationen, welche die wirkliche Auflösung der Gleichung erfordert, von so einfacher Art, dafs man aus der genauen Betrachtung derselben einen Satz hat ableiten können, welcher die Möglichkeit der Gleichung unmittel- bar aus den Coeffhicienten zu beurtheilen erlaubt. Werden hingegen ganze Zahlen für die Unbekannten verlangt, so ist zur Entscheidung über die Mög- lichkeit der Gleichung, wenn ihre Coefficienten nicht etwa von solcher Be- schaffenheit sind, dafs sie nicht einmal einer Auflösung in blofsen Rational- zahlen fähig ist, die Ausführung aller Rechnungen nöthig, welche zur wirk- lichen Auflösung erfordert werden. Man wird dies wenig befremdend finden, wenn man bedenkt, dafs in diesem Falle unter den vorgeschriebenen Operationen die Verwandlung der Wurzel einer quadratischen Gleichung in einen Kettenbruch vorkommt, und dafs man über den Zusammenhang der Glieder eines solchen Bruchs mit den Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Nonn 650 Leseune - DiricaLer: Coefficienten der Gleichung, aus der er hervorgegangen, noch ziemlich im Dunkeln ist. Doch hat man für einige Gleichungen von specieller Form Kriterien, um über ihre Möglichkeit zu entscheiden, ohne die ganze Reihe der durch die allgemeine Auflösungsmethode vorgeschriebenen Transforma- tionen zu durchlaufen. Zu den wenigen bekannten Sätzen, die diese Erleich- terung gewähren, habe ich Gelegenheit gehabt, einige hinzuzufügen, welche ich der Akademie in dieser Abhandlung vorzulegen die Ehre habe. Die eben erwähnten Sätze stehen im innigsten Zusammenhang mit der Gleichung "’— Au’—= 15 welche in der Theorie der unbestimmten Gleichungen des zweiten Grades eine so wichtige Rolle spielt. Von Fermat nach der damaligen Mode den englischen Mathematikern vorgelegt, beschäftigte dieselbe namentlich Pell und Lord Brounker, deren Auflösungen in die Lehrbücher der Algebra von Wallis und Euler übergingen. Ihre eigentliche Wichtigkeit erhielt jedoch diese Gleichung erst durch die von Euler gemachte Bemerkung, dafs mit Hülfe derselben aus einer bekannten Auflösung einer Gleichung des zweiten Grades neue Auflösungen in unendlicher Anzahl abgeleitet werden können. Diese Eigenschaft (die aller Währscheinlichkeit nach schon Fermat bekannt war, und durch die er vielleicht auf die Gleichung selbst geführt worden war) machte es für die weitere Ausbildung dieses Theils der Analysis nothwendig, streng nachzuweisen, was man bis dahin stillschweigend vorausgesetzt hatte, dafs die obige Gleichung für jeden nicht quadratischen Werth von 4 eine Auflösung zuläfst, denn, wenn gleich die Brounkersche und Pellsche Methode in jedem besondern Falle zur Auflösung führte, und, wie wir jetzt wissen, nothwendig führen mufste (da sie von der jetzt gebräuchlichen Methode nicht wesentlich verschieden ist), so ging doch diese Nothwendigkeit nicht unmittelbar aus der Natur der Methode selbst hervor, und es konnte mit Recht gezweifelt werden, ob die Gleichung unter der oben ausgesprochenen Beschränkung immer möglich sei. Lagrange hob jeden Zweifel, indem er die Theorie der Kettenbrüche auf diese Frage anwandte, und legte so den Grund zu der vollständigen Behandlung der unbestimmten Gleichungen des zweiten Grades. Was nun die früher erwähnten Kriterien betrifft, welche Legendre aus der für jedes „/ Statt findenden Lösbarkeit der Fermatschen Gleichung Einige neue Sätze über unbestimmte Gleichungen. 651 abgeleitet hat, so geben dieselben unter andern auch über die für einige Untersuchungen wichtige Frage, für welche Werthe von 4 die Gleichung ii Au A eine Auflösung zuläfst, in mehreren Fällen Aufschlufs. Lagrange hatte in seiner ersten Abhandlung über unbestimmte Gleichungen (!), von einer nicht weit genug fortgesetzten Induktion verleitet, die Vermuthung ausge- sprochen, dafs die verhergehende Gleichung stets möglich sei, wenn 4 keine anderen ungeraden Primfaktoren enthält, als solche von der Form An +1. Diese Bedingung ist nöthig, indem sonst 4 kein Divisor von t’+-1 sein könnte, wie es die Gleichung erfordert, allein sie reicht nicht hin und ist z.B. für 4=5.4ı erfüllt, ohne dafs deshalb die Gleichung eine Auflösung zuläfst. Man kann zwar mehrere Bedingungen auffinden, welche die Auflös- barkeit der Gleichung zur Folge haben, aber sie erschöpfen nicht alle Fälle, und es scheint eine sehr schwierige Aufgabe zu sein, das vollständige Merk- mal anzugeben, woran sich alle Werthe von 4 erkennen lassen, für welche die Gleichung möglich ist. Sul; Wir beginnen mit einer kurzen Darstellung der Legendreschen Me- thode (?). Es bezeichne 4 eine gegebene positive Zahl ohne quadratischen Faktor, d.h. deren Primfaktoren alle von einander verschieden sind, und es seien p und g die kleinsten Werthe (»=1ı und g=0 ausgenommen), welche der bekanntlich immer lösbaren Gleichung pP—Ag=ı (1) genügen. Bringt man dieselbe in die Form (p-H1) (»„—1)= 49°, und be- merkt man, dafs p+1 und p—1 relative Primzahlen sind oder blofs den ge- meinschaftlichen Faktor 2 haben, je nachdem p gerade oder ungerade ist, so sieht man gleich, dafs die Gleichung (1) im ersten Falle die folgenden nach sich zieht, p+1=Mr, p—ı= Ns’, A=MN, ERS; (') Melanges de Turin. Tome IP, seconde partie, p.88. (?) Theor. des Nom. premiere partie, $. VD. Nnnn 2 652 LeEeseune - DiricauLer: und eben so im zweiten, pt=2Mr, p-ı=2Ns ,A—=MN, g—2r, wo M, N und mithin r, s durch p völlig bestimmt sind. Es sind nämlich M, N im ersten Falle respective die gröfsten gemeinschaftlichen Theiler von 4, p+ı und 4, p—1, im andern dagegen von 4, I und 4, Pt . Aus diesen Gleichungen folgt resp. für den ersten und zweiten Fall (2) Mr—Ns=:, Mr—Ns’=ı. Hat man die Gleichung (1) nicht wirklich aufgelöst, und ist also p nicht bekannt, so weifs man blofs, dafs eine dieser Gleichungen Statt finden mufs, und da unter dieser Voraussetzung M und N nicht einzeln gegeben sind, so enthält jede der Gleichungen (2) mehrere besondere Gleichungen, die man erhält, indem man successive für M alle Faktoren von 4 (1 und 4 mit eingeschlossen) nimmt und N= 4 setzt. Das Legendresche Verfahren besteht nun darin, eine oder mehrere dieser Gleichungen als unmöglich nach- zuweisen. Bleibt nach dieser Ausschliefsung nur eine übrig, so ist die Lös- barkeit derselben dargethan; im anderen Falle ist nicht entschieden, welche unter den nicht ausgeschlossenen Statt findet (!). Es läfst sich immer all- gemein, d.h. für jedes 4, eine Gleichung angeben, welche ausgeschlossen werden mufs, diejenige nämlich, welche die zweite Gleichung (2) für den Fall darstellt, wo man M =1 setzt; denn, da diese der Form nach mit (1) (') Es geht aus dem Gesagten blols hervor, dals von sämmtlichen Gleichungen (2) (welche man durch alle möglichen Zerfällung von 4 in zwei Faktoren M und N erhält) immer nur eine aus (1) folgt. Man könnte daher vermuthen, dafs von allen diesen Gleichungen, wenn man von ihrem Ursprung aus (1) abstrahirt, d.h. r und s in denselben als ganz unbestimmte Zahlen betrachtet, mehrere möglich werden können. In diesem Falle mülsten diese möglichen Gleichungen nach Anwendung irgend einer Ausschlielsungsmethode übrig bleiben, in so fern nämlich dabei die Gleichungen ebenfalls an und für sich betrachtet würden. Allein es ist leicht, jede Ungewilsheit zu heben, denn man kann beweisen (man sehe das Ende der Ab- handlung), dals von den Gleichungen (2), wenn man auch r und s in denselben ganz unbe- stimmt läfst, aufser der immer darunter befindlichen ?— 4s?=1, die nun nicht mehr aus- zuschliefsen ist, nur noch eine einzige möglich ist. Wenn daher das Legendresche Ver- fahren und die im Folgenden entwickelte Methode aufser dieser noch mehr als eine Glei- chung übrig lassen, so liegt die dadurch entstehende Unbestimmtheit nicht in der Natur der Sache, und es sind neue Kriterien erforderlich, um unter diesen Gleichungen diejenige zu erkennen, welche allein eine Auflösung zulälst. Einige neue Sätze über unbestimmte Gleichungen. 653 zusammenfällt, und dar und s offenbar resp. kleiner als p und g sind, so würde aus derselben gegen die gemachte Voraussetzung folgen, dafs man nicht von der in den kleinsten Zahlen ausgedrückten Auflösung der Glei- chung (1) ausgegangen ist. 8. 2. Es sei nun, um das eben angedeutete Verfahren anzuwenden, 4 zu- nächst eine ungerade Primzahl. Die Gleichungen (2) reduciren sich alsdann auf die folgenden r—As’=2, Ar—s’=2 Ar—s’=ı. Hat 4 die Form ir-+1, so sind die beiden ersten unmöglich, da in beiden die erste Seite offenbar nicht gerade sein kann, ohne durch 4 theil- bar zu werden. Die dritte bleibt also allein übrig und man erhält den Satz: „Für jede Primzahl 4=4n-+1 ist die Gleichung ?— Au = - ı möglich.’ Ist 4 von der Form in-+3, welche in die beiden Unterabtheilungen sn +3, 8n +7 zerfällt, so ist die dritte nicht zulässig, da nach derselben 4 ein Theiler von s’+1 sein müfste, welche Eigenschaft keiner Primzahl die- ser Form zukommt. Zugleich ist klar, dafs, da in den beiden ersten r und s ungerade vorausgesetzt werden müssen und jedes ungerade Quadrat in der Form sz + ı enthalten ist, die ersten Seiten derselben resp. die Formen s2 +6, sn +2 oder die Formen sn +2, sn +6 annehmen werden, je nach- dem 4 in der Form sn +3 oder in dieser s2 +7 enthalten ist. Vergleicht man diese Formen mit dem Werthe der zweiten Seite, so ergiebt sich der Satz: ‚Für jede Primzahl /=sn +7 ist die Gleichung t’— Au’=2, für jede Primzahl = sn +3 hingegen die Gleichung ?— 4u’= — 2 möglich.” Man sieht also, dafs man nie ungewifs ist, welche Gleichung Statt findet, wenn 4 eine Primzahl ist. Anders stellt sich die Sache, wenn 4 mehrere einfache Faktoren enthält. Setzt man 4=2a, wo a irgend eine ungerade Primzahl bezeichnet, so ist » ungerade und man erhält aus der zweiten Gleichung (2) die folgenden rt —a’=ı, af 2’ —=1, 2a mi. 654 Le£eseunwe - DiricaLer: Hat a die Form An +3, so ist wieder die letzte auszuschliefsen, weil a kein Theiler von s’++1 sein kann. Ist a=s2-+-3, so ist auch die erste nicht möglich, da die erste Seite, wenn sie ungerade sein soll, nur eine der Formen sn +5, sn +7 annehmen kann. Ganz ähnlicherweise ist für a—=sn+-7 die zweite auszuschliefsen. Es folgt also der Satz: ‚„„Die Gleichung 2:”— au’= ı gilt für jede Primzahl der Form sn +17, die Gleichung 2!”—au’=— ı hingegen für jede Primzahl der Form sn +3. Untersucht man jetzt den Fall, woa=4in-+1, so kann die dritte nicht mehr ausgeschlossen werden. Hat a die speciellere Form sn + 5, so sind die beiden ersten nicht möglich, denn in jeder derselben kann die erste Seite, wenn sie ungerade bleiben soll, nur eine der Formen sz +3, sn +5 annehmen. Wir haben also den Satz: „Ist a eine Primzahl der Form sr + 5, so findet die Gleichung t’—zau® —=— ı immer Statt.” Für den Fall hingegen, wo man a die Form sn + ı beilegt, ergiebt diese Ausschliefsungsmethode gar kein Resultat und es bleibt völlig unent- schieden, welche der drei Gleichungen Statt finden mufs. Auf diesen Fall wollen wir nun die Methode anwenden, welche den eigentlichen Gegenstand dieser Abhandlung ausmacht. Wir werden zeigen, dafs, sobald a gewisse Bedingungen erfüllt, die beiden ersten der zu untersuchenden Gleichungen, welche wir zu leichterer Übersicht in der Doppelgleichung et’ —au"—ı vereinigen, nicht Statt finden können. Wir nehmen zunächst das obere Zei- chen und haben also die Gleichung (3) et —au=ı zu untersuchen. Zerlegt man u, welches offenbar ungerade ist, in seine ein- fachen Faktoren h, A, h’..., so dals u=hh'h"..., so ergiebt diese Glei- chung auf der Stelle, wenn man sich des von Legendre eingeführten Zei- chens bedient, = = @=: Einige neue Satze über unbestimmte Gleichungen. 655 Jede der Primzahlen Ah, %‘, A”... ist also nach bekannten Sätzen in einer der Formen s2 +1, sn — ı enthalten, und dasselbe gilt also auch von ihrem Produkt x. Aus der für z gefundenen Form sz + ı folgt für u® die Form 162 +1, und da £ offenbar ungerade, 22” mithin in der Form 162 +2 enthalten ist, so ergiebt sich gleich, dafs die erste Seite von (3) entweder die Form 162-1 oder 162 +9 hat, je nachdem a=16r +1 oder = 16r +9. Im letzten Falle ist daher die Gleichung (3) nicht möglich. Nehmen wir jetzt das untere Zeichen, so haben wir folgende Glei- chung zu betrachten t’—a"=—ı, (4) in der £ gerade angenommen werden mufs. Setzt man t=2'gg’g"..., wog, g', g'... ungerade Primzahlen bezeichnen, so folgt aus (4) =) =1, 8 1A ’ und hieraus vermöge des Reciprocitätsgesetzes, dda=in-+ 1, (£) , eben so (E) =1, (£-) =1,... Zugleich ist wegena=sn- 1, (—)= 1. Man erhält also durch Multiplikation i 4 E Aus (4) ergiebt sich, wenn man zur Potenz “7— erhebt, und berück- a—i1 a—1 sichtigt, dfsa=sn +1, 2 * t°® =ı(mod.a), oder durch Vergleichung mit dem oben gefundenen Resultate o—! 2° =1ı (mod.a). a Ist daher2 * =— ı (mod. a), so kann die Gleichung (4) nicht Statt finden. Sind die beiden Bedingungen, welche respective die Unmöglichkeit von (3) und (4) nach sich ziehen, vereinigt, so bleibt blofs die erste Glei- chung übrig, und wir erhalten so den folgenden Satz. o—1 „Ist a eine Primzahl der Form 162 +9, und ist zugleich 2 ° =-— ı (mod. a), so ist die Gleichung 2’ — 2au’= — 1 stets auflösbar.’’ a—1 Die Entscheidung des Zeichens n2* =+ı (mod. a), kann nach einem bekannten Satz durch Zerlegung von a in zwei Quadrate ‘geschehen. Setzt man a= $#°+L” (wo gerade angenommen wird), so findet das 656 Leseune - DiricHater: obere und untere Zeichen Statt, je nachdem X die Form sr oder die Form sn +4 hat. Es sei z.B. a=am1=1.414+9=19’+%°. Die Gleichung t? — 1522u’=— ı ist also möglich. Die beiden Bedingungen sind jedoch nicht nothwendig zur Möglich- keit der Gleichung 2? — 2au’ = — ı und diese kann eine Auflösung zulassen, ohne dafs auch nur eine derselben erfüllt ist. Es ist z.B. 15°— 2.113.1°—= — 1, 41134 und doch ist 113 von der Form 162 + ı und zugleich 2 * =ı (mod. 113). Für die Primzahlen s2 + 1, die nicht beiden Bedingungen zugleich genügen, sind also neue Kriterien erforderlich, zu deren Entdeckung das hier ge- brauchte Verfahren nicht geeignet scheint. 8.3. Wir behandeln jetzt den Fall, wo 4 das Produkt von zwei ungeraden Primzahlen a, 5 ist, die entweder beide die Form 4n + 1 oder beide die Form An +3 haben; die Gleichungen werden für diesen Fall r—as’—=2, at —bs’=2, b’—as’=2, ab’ — s’—2 a’—bs’=ı, Dr —as’=ı, ar’ — s’=ı. Die vier ersten sind nicht zulässig, da nach den gemachten Voraus- setzungen in jeder derselben die erste Seite, wenn sie gerade sein soll, durch 4 theilbar wird. Sind a und 5 beide 42 +3, so ist auch abr’— s’= 1 aus- zuschliefsen, und es entscheidet sich gleich, welche der beiden anderen Statt findet, denn die Existenz der ersten erfordert die Bedingung (5) =, und eben so die der zweiten z.) — 1, oder was dasselbe ist, (+) =—ı. Es gilt also folgender Satz: „Sind a und 5 zwei Primzahlen in -+3, so ist die Gleichung at? — bu? = + ı immer möglich, wo das Zeichen mit dem des Ausdrucks (5) —=-tı übereinstimmt.”’ Haben a und 5 die Form in -+ 1, so ist die letzte Gleichung nicht mehr auszuschliefsen. Soll die erste Statt finden, so müssen die Bedingungen (7) =ı und (=) — (2) = erfüllt sein. Nach dem Reeciprocitätsgesetz redueiren sich dieselben auf eine von beiden, da immer für Primzahlen der Einige neue Sätze über unbestimmte Gleichungen. 657 genannten Form (7) _ (2). Dieselbe Bedingung (5) — (2) — 1 ist zur Möglichkeit der zweiten Gleichung erforderlich. Es folgt also hieraus der Satz: ‚Sind a und 5 zwei Primzahlen 42-+ 1 und hat man zugleich (7) =—ı, so ist die Gleichung 2? — abu?—= — ı immer möglich.” Ist hingegen (4) = () — ı, so bleibt es auf diese Weise unent- schieden, welche der drei übrig bleibenden Gleichungen eine Auflösung zu- läfst. Um für diesen Fall Kriterien zu finden, wenden wir das vorher ge- brauchte Verfahren auf die beiden ersten dieser Gleichungen an, und ziehen dieselben zu gröfserer Gleichförmigkeit der Bezeichnung in die folgende zusammen ==. Gilt zunächst das obere Zeichen, haben wir also die Gleichung a — bu” —i (5) zu untersuchen, so müssen £ und x respective ungerade und gerade ange- nommen werden. Man setze u=:2"hh’h”..., wo h, h‘, k"... ungerade Prim- zahlen bezeichnen. Aus 9) folgt leicht (2) = = ı, und hieraus mit Hülfe des Ra er )=ı. Multiplieirt man diese Gleichung und die ähnlichen für A, A’, ..., so kommt = —=1ı. Die Zahl a hat eine der beiden Formen s2 +1, sn +5. Im ersten Falle ist (2) = ı und also auch )= =ı. Füra=sn-+-5 hat at” dieselbe Form (da ?=sr +1), und man sieht leicht aus (5), dafs sw nicht durch 4 theilbar ist. Man hat also () =(7)=—1. Beide Resultate sind in der Formel =) =(—1) en enthalten, und man erhält durch Multiplikation mit der oben gefundenen =" (6) Andrerseits folgt aus (5), wenn man zur Potenz *7— erhebt, o—i .—_ Bu =(-)° ” (mod. a), oder, wenn man hiermit das eben erhaltene Resultat (6) vergleicht, Do (mod. a). Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Oooo 658 Leseun®s-DiırıcaLer: Diese Bedingung mufs also erfüllt sein, wenn die Gleichung (5) mög- lich sein soll. Hat man daher 3° & 1 (mod. a), so ist diese Gleichung auszuschliefsen. Eben so findet man (ohne alle neue Rechnung durch blofse Vertauschung von a und b), dafs die Gleichung at’ — bu’= — ı unmöglich 2 —1 ist, wenına * =—1 (mod.2). Man erhält also, wenn man beide Bedin- gungen als gleichzeitig Statt findend voraussetzt, folgenden Satz ('): „Sind a und 5 zwei Primzahlen 42 + ı, für welche (7) =1, und zu- gleich 2), =—ı, (2), =—1, so ist die Gleichung !— ab’ = — ı immer auflösbar.’’ Setzt man z.B. a=5, b=59, so sind alle Bedingungen erfüllt. Die Gleichung ?—5.99u”—=— ı läfst also eine Auflösung zu und man findet in der That für die kleinsten Werthe von 2 und z, £— 41662,,..11=='221. Es gilt übrigens hier wieder die schon früher gemachte Bemerkung, dafs die Gleichung sehr wohl möglich sein kann, wenn gleich von den Be- . a RR b 8 en . . . dingungen 5) —= —1 und C), — — ı keine oder nur eine erfüllt ist. Es ist z.B. für =5, b=3aı, (z) —=4 und (2) =1, und doch ’ 6); uk ’ ist die Gleichung 2” — 5.521u°= — ı auflösbar, denn man findet £ = 66402, u = 1301. Ein zweites Beispiel liefert die Gleichung Wir überlassen dem Leser die Entwicklung des Falles, wo 4=ab, und von den Zahlen a und d die eine die Form 42 + ı, die andere die Form An -+-3 hat, so wie des Falles, wo 4/=2ab, und a, 5 ungerade Primzahlen bezeichnen, und wählen als letztes Beispiel der Anwendung unserer Methode den Fall, wenn 4 das Produkt von drei Primzahlen a, 2, c ist, die alle drei (') Zur Abkürzung bediene ich mich hier und im Folgenden eines dem Legendre’schen ganz ähnlichen Zeichens. Es sei c irgend eine Primzahl 4n +1 und k eine nicht durch c ce—l o—1 theilbare Zahl, für welche () =4, d.h. ?2 Z=1(mod.c), so ist entweder k * =Z+1 oder —1 (mod. c). Diesen Rest +1 oder —1i werde ich durch () bezeichnen. Einige neue Sätze über unbestimmte Gleichungen. 659 in der Form 42 +1 enthalten sind. Von den Gleichungen (2) sind alsdann diejenigen, ‘deren zweite Seite 2 ist, auszuschliefsen, da in denselben die erste Seite, wenn sie gerade sein soll, offenbar den Faktor 4 enthält, und die übrigen lassen sich wie folgt schreiben, a— be" —=tı, ar =tı, — ad" —=tı, P— ab" —=— ı. (7) Hat von den drei Ausdrücken Se er: keiner oder nur einer den Werth + ı, so sind alle drei Doppelgleichungen unmöglich. Aus (;) —_ (-) =—ı z.B. folgt die Unmöglichkeit der ersten und zweiten, eben so aus (2)=(£) = — ı die der dritten. „Sind a, b, ce Primzahlen der Form 4n-+ 1, und ist zugleich von den b > F ö Pt & Resten (2): (2), (>) keiner oder nur einer + 1, so ist die Gleichung t — abeu” = — ı immer möglich.’ Für die beiden anderen Fälle, wo die Reste (3). (2), (:) sämmtlich oder zwei derselben den Werth + ı haben, ist also eine neue Untersuchung nöthig. Wir beginnen mit dem zweiten, d.h. wir gehn von folgenden Vor- aussetzungen aus, a b c ei) re —j = 1 — ts ® ) 2 ( -) 2 (2) Die zweite und dritte Doppelgleichung kann dann offenbar nicht Statt fin- den und es bleibt blofs die erste zu untersuchen. Nimmt man zunächst das obere Zeichen, so dafs a” — beu’—1, (8) so müssen 2 und z respective ungerade und gerade angenommen werden. Setzt man u=2"hh'h”..., wo wieder h, 4’, h"... ungerade Primzahlen bezeichnen, so folgt aus (8), () =, und mit Hülfe des Reciprocitäts- gesetzes (=) =14. Multiplieirt man diese Gleichung in die ähnlichen für h, h" ..., so kommt Bar —1ı. Hat die Primzahl die Form s2 + 1, 3 2” U H i so ist (=) — 1, und also auch )=% ist hingegen a=sn-+5, so hat O0002 606 Leseune - DiricaLer: man = )= — ı. In diesem Falle erhellt aus 8) dafs z nicht durch 4 theil- bar sein kann. Es ist a v=1,d. h. .()= —=(-)— . Beide Fälle ver- einigt der Ausdruck . —(— 1) ° , und man erhält; wenn man denselben in das vorhergehende Resultat multiplicirt, Oe Aus (8) folgt durch Erhebung zur Potenz — (a, ee Diese Bedingung mufs also nothwendig erfüllt sein, wenn die Glei- chung (8) möglich sein soll, und diese anne ist auszuschliefsen, sobald (), —=— ı, oder was dasselbe ist, (- ). =-( ). a 1 und folglich " Läfst man jetzt das andere Zeichen gelten, so ist die zu untersuchende Gleichung (9) a — bu” —=—ı, wo £ uud u respective gerade und ungerade anzunehmen sind. Man setze t=2"gg'g"..., so erhält man gleich (=) — (£) (2)=: und nach dem 8 8 Reciprocitätsgesetz ‚Ie)=' Diese Gleichung mit den ähnlichen für g,g',... multiplicirt, führt zu dem Resultate nn a) (eo se) =ı. Haben die Zahlen 5 und c beide die Form sz + ı oder beide die Form sn +5, so ist (z) () —=1, und also auch (;) (7) —=ı,. Ist aber eine derselben von der Form s2 +1, während die andere =srn +5, so hat man € nn) -)=-1. Zugleich ist aus (9) klar, dafs alsdann n—=ı. Man hat also für diesen Fall (F ) (= )= =— 1. Multiplieirt man die Formel ln Einige neue Sätze über unbestimmte Gleichungen. 661 welche beide Resultate vereinigt, in die vorher gefundene, so findet man VO“ Auf der andern Seite folgt leicht aus (9), wenn man zur Potenz 2 und 2 erhebt, OXOELDEELOKG ui Vergleicht man das Produkt dieser Ausdrücke mit dem vorher erhal- tenen, so gelangt man zu der für die Möglichkeit der Gleichung (9) nothwen- digen Bedingung ) (=), —aln Man weifs also, dafs die Gleichung (9) nicht zulässig ist, sobald (5) (2) = —1. Combinirt man diese Resultate, so erhält man den Satz: „Sind a, 5, c Primzahlen 42 + ı von solcher Beschaffenheit, dafs (*) = (<) —; () —=— 1, und zugleich (Z) = —ı und (z), (2), =— 1, so ist die Gleichung 2? — abeu’= — ı auflösbar.”” Sämmtliche Bedingungen sind erfüllt, wenn man a=5, b=41, c=109 annimmt, denn man hat )=4 2-4 9-1 1 €2),=-1 ),=-4 Go). Die Gleichung 2?’ — 5.41.19u’=— ı ist also auflösbar. Dasselbe gilt von der Gleichung 2?’ — 5.9.11” = — 1. Der andere Fall, wo nämlich die Reste (>): ; (=) alle drei + ı sind, ist einer ähnlichen Behandlung fähig. Die beiden alsdann hinzutreten- den Doppelgleichungen aus (7) sind von derselben Form wie die eben unter- suchte, und man erhält, wenn man die vorher gefundenen Resultate durch blofse Vertauschung von a, b, c auf dieselben überträgt, einen Satz, der sich wie folgt, aussprechen läfst: 662 Leseune- Diricnuer: ‚Sind «, b, e Primzahlen 42 +1, welche die Bedingungen () — =) (= I H-II-ON, — (=), 6), =-' erfüllen, so ist die Gleichung ?— abe = — ı immer möglich.’ So ist z.B. die Gleichung £* — 5.41.409u° = — ı auflösbar, denn man hat (U) = (2) = 2) =1, a SE Feen Die 4 (7) (4),=-% 10), = % a) Zi S.5. Es bleibt uns die oben in der Note zu $. 1. ausgesprochene Behaup- tung zu rechtfertigen. Zu diesem Zwecke bemerke man, dafs die Anwen- dung des in dem genannten $. gebrauchten Verfahrens nicht auf die in den kleinsten Zahlen ausgedrückte Auflösung der Gleichung (1) beschränkt ist, sondern dafs man eben so gut von irgend einer anderen Auflösung ausgehen kann. Es seien ?, Q irgend zwei Werthe, die der Gleichung genügen, so dafs also (10) P—-AQ=ı, während man p, q wie früher zur Bezeichnung der kleinsten Werthe beibe- hält, so folgt ganz auf dieselbe Weise aus (10) eine der Gleichungen (11) MR—N'S’=», (12) MR—N'S’=ı, und wo M’, N’ mit Accenten versehen sind, um sie von M, N in (2) zu unter- scheiden. Es ist immer M’N’—= 4, und die erste oder zweite Gleichung gilt, je nachdem P gerade oder ungerade ist. Die Zahlen M', IN’ sind im ersten Falle die aröfften.E gemsinsghaftlichen Theiler von P+1, 4 und P—1,4, im andern von ?*1, 4 und +, A. Umgekehrt führt jede Auflösung einer der Gleichung 11), (12), zu Eier Auflösung von (10); denn findet (11) Statt, so darf man nur ?= M'R’— ı undQ@—=AS setzen. Findet hingegen (12) Statt, so setze man P=:2M'R’— 1, und Q=2RS. Einige neue Sätze über unbestimmte Gleichungen. 663 Es geht hieraus hervor, dafs man alle Auflösungen sowohl der Glei- chungen von der Form (11), als derjenigen von der Form (12) erhalten wird, wenn man nach einander alle Werthe ?, Q betrachtet, die (10) ge- nügen. Will man, ohne alle diese Auflösungen darzustellen, blofs entschei- den, welche der in (11) und (12) enthaltenen Gleichungen auflösbar sind, so hat man nur zu untersuchen, ob P gerade oder ungerade ist, und M’ zu bestimmen. Je nachdem P gerade oder ungerade ist, gehört die entspre- chende Gleichung zu (11) oder (12), und der gröfste gemeinschaftliche Di- visor von und P-++1 im ersten Falle, und der von 4 und +! —— im zwei- ten giebt den Werth von M’. Um nun sämmtliche Auflösungen von (10) auf einmal zu umfassen, erinnere man sich, dafs alle Werthe von ? durch die Gleichung p- L ++ R-H/d 2 gegeben werden, in der irgend eine ganze Zahl bezeichnet. Entwickelt man, so erhalten alle Glieder mit Ausnahme des ersten p” den Faktor 4; man hat also P= p" (mod. A). (13) Denkt man sich zunächst 2 ungerade, so wird, wie leicht zu sehen, P gerade oder ungerade sein, je nachdem » gerade oder ungerade ist. Für ein gerades » folgt aus $.1.»=— ı (mod. M), p= ı (mod. N), und durch Erhebung p’ = — ı (mod. M), p'=ı (mod. N), oder wenn man (13) und 4 = MN berücksichtigt, ?=— ı (mod. M), P= 1 (mod. N), d.h. P+ı ist ein Vielfaches von M, und P— ı ein Vielfaches von N. Es mufs also, daP-+ı1und ?/— ı relative Primzahlen sind und ihr Produkt durch M’N’ = MN theilbar ist, M=M und N'=N\ sein. Die aus (10) folgende Glei- chung ist also für diesen Fall MR’— NS’=2, d.h. sie hat dieselben Co- efficienten M, — N, 2, wie die aus (1) abgeleitete. Ist p ungerade, so hat man nach 8.1. p=ı (mod. 2M), p= ı (mod. 2N) und folglich p =— ı (mod. 2M), p’=ı (mod.2/V), woraus sich mit Berücksichtigung von (13) ergiebt, dafs . ein Vielfaches von 7, und —- ein Vielfaches von /\ ist. Man schliefst dann wie vorher MV =M, N'=N, so dafs die aus (10) abgeleitete Gleichung MR? — NS” =1 dieselbe Form hat, wie die aus (1) folgende. Man sieht also, dafs, wenn man von ir- 604 Leseune-DirichLer: Einige neue Sätze üb. unbestimmte Gleichungen. gend einer Auflösung von (10) ausgeht, die einem ungeraden z entspricht, die sich ergebende Gleichung (11) oder (12) der Form nach mit der aus (1) abgeleiteten in (2) zusammenfällt. Es bliebe nun noch übrig, die einem geraden z entsprechenden Auflösungeu von (10) zu betrachten. Allein, ohne uns bei diesem Falle aufzuhalten, bemerken wir nur, dafs sich durch ähn- liche Betrachtungen oder nach direkter aus dem allgemeinen Ausdruck für ? leicht zeigen läfst, dafs man alsdann als abgeleitete Gleichung die folgende R’— AS$S’= 1 erhält, welche dieselbe Form wie (10) hat. Es ist somit be- wiesen, dafs in dem System von Gleichungen (2), wenn man darin M und N der Bedingung # = MN unterwirft, und unter r und s unbestimmte ganze Zahlen versteht, aufser der immer darin vorkommenden r?— 4#s’= 1 nur noch eine einzige eine Auflösung zuläfst. S Beobachtun 8 einer bisher unbekannten auffallenden Structur des Seelenorgans bei Menschen und Thieren. “ Von H”" EHRENBERG. mn [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 24. October 1833. Gedruckt im Febr. 1836.] Erster Abschnitt. Kurze Übersicht der bisherigen Kenntnifs der Nervensubstanz und ihrer Beziehung zum Organismus. H.. und Nerven, welche das organische Empfindungssystem oder die Nervensubstanz bilden, sind als die specielleren Organe der Seelenthätigkeit schon früh und oft der Gegenstand tiefen Nachdenkens und mühsamer For- schungen gewesen. Einerseits haben sich die scharfsinnigsten Vermuthungen über ihre Structur und Function geltend zu machen gesucht, andrerseits hat man mit unermüdetem Eifer auf analytischem Wege diese geheimnifsvollsten aller Organe mehr zu enträthseln sich bemüht. Das Resultat aller bisherigen Bemühungen aber ist ein auffallender Contrast zwischen der höchst wunder- bar vielseitigen und hohen Function und der auffallenden Einfachheit dieser Organe geblieben. Wenn es daher gelungen ist, ein ganz unerkannt geblie- benes mehrseitiges und auf klare Anschauung gegründetes Structurverhältnifs bei denselben nachzuweisen, so habe ich diefs für besonders geeignet ge- halten, eine Mittheilung darüber, wie weit sich der Gegenstand bis jetzt hat verfolgen lassen, der Akademie vorzutragen. Zur Klarheit der ÖOrientirung über das heutige Wissen und Fort- schreiten in dieser Beziehung ist es nöthig, eine kurze Übersicht der wesent- licheren früheren Untersuchungen und Meinungen vorauszuschicken, welche aber keine Geschichte, nur eine Andeutung sein soll. Eine sehr reichhaltige Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Pppp 666 EurENBERG: Geschichte des so vielfach aufgenommenen Gegenstandes findet sich für die ältere Zeit in Hallers Zlements physiologiae humanae im IV. Bande und in der neueren Zeit lieferten Sprengels und Heckers Geschichte der Medi- ein und Treviranus Biologie, so wie die speciellen neueren Werke über das Gehirn von Sömmering, Carus, Burdach und Anderen übersicht- liche Zusammenstellungen der früheren und neuesten Kenntnisse. Merkwürdig ist es, dafs die neuesten Ideen über das Wesen der Hirn- und Nervensubstanz wieder zu den ältesten zurückgekehrt sind. Schon 500 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung (weiter hinaus giebt es keine Ge- schichte über diesen Gegenstand mehr) war Pythagoras, dem die Existenz von Nerven im Körper noch nicht bekannt war, der Meinung, dafs das Ge- hirn der Hauptsitz der Seele, der Sitz des Verstandes sei ('), und zugleich den Samen für die Zeugung bilde (?), welcher ein Schaum des Edelsten des Blutes sei. Die Seele war nach ihm ein Theil des Äthers. So nahe es auch für jedermann gelegen haben könnte, das Haupt für die Umhüllung des edelsten Organs zu halten, so hatten doch die Ägypter um jene Zeit gar keine Achtung vor dem Gehirn, da sie es, wie auch Hero- dot II, 85. angiebt, bei der Einbalsamirung ihrer Todten zerstückt durch die Nase hervorzogen und keineswegs wie andere Eingeweide achtsam behandelt und einbalsamirt wieder in den Körper legten. Ähnliche Ideen bildeten sich später unter den Hippokratikern in Griechenland aus (°). Diese frühesten praktischen Anatomen und Ärzte fanden in dem Ge- hirn einen kalten schwammartigen drüsigen und schleimigen Körper. Man bildete sich daher die medicinische Idee, dafs es wohl nur dazu diene, die Feuchtigkeiten aus dem Organismus an sich zu ziehen, und den Abgang bei der Ruhr hielt man für Ausflufs aus dem Gehirn (durch das Rückenmark). In der vielleicht unächten Schrift des Hippokrates über die Epilepsie wird das Gehirn dessenungeachtet insofern als Seelenorgan anerkannt, als es den Leebensgeist aus der Luft an sich ziehen soll (*). Wenn nicht einige der (') Diogenes Laört. VII, 30. (?) Plutarch plac. philos. 5, 3. 4. (°) Hippokrates de glandulis c.Iv. Eyzibanov I4sAov ade. (*) Hippokrates de morbo sacro c.Iv. sagt: Wenn der Mensch durch Mund und Nase den Luftgeist einathmet, so kommt derselbe zuerst ins Gehirn, rev yag erıra[y avSgwrros \ \ ’ v \ - \ n m \ x 14 7 KAT@ TO SONMR Aa TOoUS MURTNORS TO MVEUML, FEWTOV MEV es Tor eyasıparov Eoyertt. Structur des Seelenorgans. 667 zweifelhaften Hippokratischen Schriften erst zur Zeit des Aristoteles oder nachher abgefafst sind, so giebt es auch schon ganz deutliche Spuren einer Kenntnifs wahrer Nerven vor Aristoteles, indem unter den zwei Adern des Gehirns, welche durch den Schädel zu den beiden Augen gehen und ihnen das Feinste aus der zähen Gehirnmasse durchgeseiht zuführen, doch allzu- deutlich die beiden Augennerven zu erkennen sind ('). Plato folgte in seiner Ansicht des Gehirns der Lehre des Pythagoras, schmückte sie aber als poetischer Philosoph mit wunderlichen phantastischen Zusätzen aus (?). Aus kleinen dreieckigen unbiegsamen und glatten Atomen habe die Gottheit die vier Elemente: Feuer, Luft, Wasser und Erde gebildet. Durch Mischung und Abgleichung dieser letzteren sei das Mark (uvsAos) ge- schaffen worden, an welches die verschiedenartigen Seelen der organischen Körper gebunden wären. Das innere Mark aller Knochen hielt er für Fort- sätze des Hirnmarkes und das Knochengewebe für den spröden Panzer der Seele, der zu besserer Sicherheit noch mit einem weichen, dem Fleische, überzogen sei. Den edleren Theil des Markes, das Hauptmark, r3 &yx&sa- Acv, dessen Kapsel das Haupt, xebaAx, sei, und worin wie in einem Acker der göttliche Samen, r5 Selcv aregua, liegen sollte, habe die Gottheit kugel- förmig gebildet. Das die übrigen, sterblichen Seelenkräfte aufnehmende Mark habe Gott cylindrisch und lang geformt (sgeyyir« xai mgeunen). Das Ganze habe er Mark genannt und den Körper so gebildet, dafs die Seele gleichsam mit Ankern (er meint das Mark der Arm - und Fufsknochen) an ihn befestigt sei. — Die eigentlichen Nerven kannte Plato nicht und er be- zeichnete mit dem Worte veüge, zervi, Sehnen und Bänder. Eine bestimmtere ganz deutliche Kenntnifs dreier Nerven findet sich zuerst bei Aristoteles, dem Philosophen aller Philosophen. Sie waren auch das Resultat eigner Forschung (?). Er beschreibt die drei Nerven des Fisch- ” . > \ n > ' - ’ \ (') Hippokrates de carnibus c.VI. ’"Ano roÜ Eyzeharov rs mrviyyos BAeV zuSyzeı 25 Fov > SE‘ wur a; Sr \ ‚ m m SEN m r ’ obTamnov dk FoU üseou Eraregov. Ag Favre Fe preßoiv ame Froü eyasbarou ÖiySesrar TO ‚ R ‚ Aemrorarov ToU H0rAWÖEs«roOVU. (?) Plato. Timaeus ed. Bipont. p.395. . R h ’ 35 a5 & & ’ ’ 3) Aristoteles Hist. animal. 1,16. Beoousı 8° &+ To0 obIaAmod Tess moon eis rav koribe- ’ g @ PL € \ FR ei re ’ N N BE \ da j4 8 \ ” ER N \ > ’ y Aov 6 EV MEyısos Au 0 Eros Eis Tv mugeyascbarıda, 6 EARYISOS EIS auroVv ToV Eyrsbaror. EL >» sh e \ - m , e y Er ’ , 8 \ > ERayısos 8 Erw 6 mgOs Tu Murrngr Marısc. 0: EV oVv Meyısor TÜREN AOUS EITı za OU TUM- ı nv. x m ’ BEN mn 3,0? . x x F R T . ß a minrousı (OyAov de Folro narısa Erı rov Iy,Dvav) za yag EyyUrsgov ovro Fol Eyaebarou 7 ’ FEN) ’ " ER, 3 D x. f 0: neyarcı oi Ö eAayısor mAEFOV TE amypryvrar aMyAuv zul ou ouumiarrourı. Pppp?2 668 EHrenBEre: auges sehr kenntlich als drei Canäle des Gehirns, einen kleineren der Nase zunächst liegenden (den nervus patheticus der oberen Augenhöhle), einen mittleren, welcher sich mit dem des anderen Auges verbindet und ver- schmilzt, suurırreı, (den eigentlichen Augennerven mit dem Chiasma), und einen längsten, uey:scs, welches offenbar der in der unteren Augenhöhle hin- laufende Kiefernerv, ein Zweig des fünften Nervenpaares, war. Übrigens erkannte Aristoteles das Haltlose der Platonischen Lehre vom Organismus rücksichtlich der Nerven. Er war überzeugt, dafs das Knochenmark der Arme und Beine mit dem Gehirn gar nicht zusammenhänge und also jene Ankerform des Seelenorgans bei Plato nur spielend und eingebildet sei. Die Idee aber, dafs die Seele, wenn sie auch nicht selbst Feuer sei, doch des Feuers oder der Wärme zur Erweckung der Thätigkeit im Organismus be- dürfe, liefs ihn selbst auch an der edleren activen Function des kalten Ge- hirnes zweifeln. Er hielt das Herz für das Centrum des Lebens und erklärte sich das Verhältnifs des Gehirnes, dessen Wichtigkeit für den Organismus ihm anschaulich geworden war, mehr durch den Gegensatz, welchen die Natur, deren treue Beobachtung ihn überall zunächst leitete, zu erkennen gab. Herz und Hirn waren ihm zwar die Hauptorgane des Körpers, ra zugıe, allein den eigentlichen Sitz der Empfindung und Seelenthätigkeit dachte er sich im Centrum der animalischen Wärme, dem Herzen, von welchem aus Canäle nach allen Sinnesorganen gingen. Das kalte Gehirn dachte er sich mehr mäfsigend und zügelnd, abkühlend. Das Rückenmark hielt er dem Marke der übrigen Knochenhöhlen gleich und für ganz verschieden vom Ge- hirn, sogar für einen Gegensatz des Gehirns. Dieses sei kalt, jenes warm. Auch Aristoteles bezeichnet noch mit dem Worte veüge nur Sehnen und Bänder, wie Hippokrates und Plato. Wenn nun auch die Existenz einiger Nerven als Hirnfortsätze in jener Zeit schon ohne Zweifel bekannt und auch ihr wichtiger Einflufs auf den Organismus anerkannt war, so waren sie doch nicht als Werkzeuge der Empfindung angesehen. Nach den Mittheilungen Galens und des Rufus von Ephesus kam der bei den Alten berühmte Anatom und ägyptisch-griechische Arzt Herophilus von Chalcedon in Alexandrien durch Versuche auf diese Entdeckung. Er bemerkte nämlich, dafs einige Sehnen, veiga, die Empfin- dung, andere die Bewegung vermittelten. Erasistratus, welcher gleichzeitig in Syrien lebte, bestätigte oder machte zu gleicher Zeit dieselbe Entdeckung. Structur des Seelenorgans. 669 Merkwürdig ist, dafs auch Eudemus von Rhodus unter den Entdeckern ge- nannt wird, so dafs es scheinen könnte, als haben alle jene griechischen Ärzte aus Einer orientalischen Quelle geschöpft (cf. Galenus ed. Kühne. V, 602.). Herophilus fand, dafs die Empfindungs-Sehnen (Nerven) immer vom Gehirn oder dem Rückenmarke kommen, die Bewegungs-Sehnen aber von Knochen oder Muskeln ausgehen und an solche sich wieder anheften (!). Er hielt auch schon nach Galen die hintere Krümmung der oberen Hirn- höhle für den Hauptsitz der Empfindung. Nach Galen soll zwar Praxagoras, der Lehrer des Herophilus, die letzten Endigungen der Arterien als die Empfindungsorgane erkannt haben, allein das waren dann keine wirklichen Nerven. Auch hatte derselbe Praxagoras von Kos das Gehirn für einen un- nützen Anhang des Rückenmarkes erklärt (?) und mithin keine klare An- sicht der wahren Verhältnisse. Dafs Erasistratus die wahren Nerven selbst wieder in Empfindungs - und Bewegungs-Nerven unterschieden habe, wird ebenfalls berichtet und zwar seien die Empfindungsnerven hohl und ent- sprängen nur von den Häuten des grofsen Gehirnes, während die Bewegungs- nerven vom grofsen und kleinen Gehirne ausgingen. In jener alten Zeit schon treten die poötischen Hypothesen der Philo- sophen zurück und es entwickelte sich bei den Ärzten ziemlich rasch durch Naturbeobachtung eine sehr detaillirte Kenntnifs dieses neuen und wichtig- sten organischen Systemes. Galen hatte im zweiten Jahrhundert nach Christo schon eine sehr umfassende Kenntnifs dieser Organe (°). Er hielt mit gröfserer Sicherheit das (') Die historisch interessante Stelle des Rufus Ephesius, welcher wahrscheinlich gegen Ende des ersten Jahrhunderts nach Christo vor Galen schrieb: De partium corp. hum. ap- pellat. edit. Clinch. London 1726. 4. p.65. lautet so: Secundum Erasistratum quidem et Hero- philum sensorii nervi sunt. Asclepiades autern ipsos, sensu vacare testatus est. (Caeterum se- cundum Erasistratum cum gemina nervorum (vevgwv) natura sit, sensoriorum (eisSyrızav) videlicet atque moventium (zwrrızav), sensorü, qui cavi sunt in cerebri membranis originem habent, moventes in cerebro ac cerebello. Dixit autem Herophilus aliquos esse voluntati obe- dientes nervos, qui a cerebro et a spinali medulla oriuntur, aliquos qui ab osse orientes in os inseruntur, aliquos a musculo in musculum transeuntes, qui articulos etiam copulant. (?) Galenus ed. Kühne III, 625. 671. (°) Galenus ed. Kühne Vol.XIV. p.710. (Eyziparov) Est d2 dmrodv aäue za did Foüro > x \ ’ m > ev \ \ Nape \ n m »_» ERS c RIYIHOV za AUZINTATOV TWV EV Ve Ao za 70 NYElsoviHov Trs Nuss ausw TISEVvoUTıW, wo , ‚’ \ Iharwv zu Immorgerns. 670 EHurENBERG: Gehirn besonders deshalb für den wahrscheinlichen Sitz der Vernunft, weil es ein einfacher, gleichsam organischer Ur-Körper sei, und die Nerven erklärt er für die Wohnung der Seele. Er lehrte, dafs die aus dem grofsen Gehirn entspringenden Nerven weicher und Empfindungsnerven, die aus dem klei- nen Gehirn gehenden härter und Bewegungsnerven seien (ed. Kühne Vol. Il. p- 725.). Die aus dem Gehirn und Rückenmark kommenden Nerven -Paare (ruguyiaı vevguv) beschreibt er genau und umständlich (III, 722 relig.). Er er- theilt jedem Gehirnnerven, was aber nur beim Sehnerven richtig ist, drei Substanzen, eine innere Marksubstanz, eine feinere umschliefsende Haut und eine dickere äufsere Haut (V, 602.). Er dachte sich die Bewegung des Ge- hirns als ein Ein- und Ausathmen des Lebensgeistes, rveun« (III, 457.). Die Faserung bezeichnete er als durchgehenden Charakter der Nerven und hielt die Nervenfasern für hohl. Später als Galen, mit dessen Tode das finstre Zeitalter begann, hat man sich zwar, besonders in dem so überaus fruchtbaren 16'* Jahrhundert auch noch angelegentlich mit dem Aufsuchen vieler einzelner damals noch unbekannter Nerven und deren Verbindung mit dem Gehirn und verschie- denen Organen, so wie mit einer specielleren Topographie des Gehirns selbst beschäftigt, allein die Meinungen der genaueren Anatomen fingen an sich über verschiedene wichtige Ansichten der Nervenstructur zu theilen. Beren- gar von Carpi fand 1520, dafs das kleinere Gehirn nicht die Bewegungs- nerven, sondern gar keine Nerven gebe, und dafs alle Hirnnerven vom gro- fsen Gehirn ausgehen. Vesalius unterschied gleichzeitig die Mark - und Rindensubstanz des Gehirns. Volcher Koyter entdeckte 1573, dals faden- förmige Markfasern, fibrae capillares, im Gehirne von der weichen Hirnhaut umgeben, die Nerven bilden, welche beim Austritt aus der Schädelhöhle von der dura mater überzogen würden und meinte, dafs die Fasern jedes Nerven schon ursprünglich in so viele und so dicke Bündel besonders eingehüllt wären, als in seinem Verlaufe Zweige von ihm abgingen. Kein Nerv bestehe aus einem einzelnen Faden (!). Fallopia widersprach 1600 rücksichtlich des Überzuges aller Nerven von der harten Hirnhaut, welcher nur dem Seh- nerven eigenthümlich sei. Laurentius von Montpellier (Du Laurens) fand gleichzeitig, dafs in den Nerven keine Höhlung zu erkennen sei und (') Coiter. Odserv. anat. p.107. Structur des Seelenorgans. 671 dafs die Theilung der Nerven in empfindende und bewegende nicht auf das sechste Nervenpaar, den Stimmnerven, passe, welcher beide Functionen übe. Den Mangel einer sichtbaren Höhlung in den Nerven bestätigte auch Ves- ling 1647, sah aber doch die Nerven für Gefäfse und Canäle an, die mit einem weifslichen Marke erfüllt wären. Diese und noch viele andere Bemühungen zur genaueren Kenntnifs der Hirn - und Nervensubstanz blieben so lange nur unsichere Meinungen und Conjecturen, bis die Erfindung des Mikroskops den Forschern ein neues Organ gegeben hatte, womit sie tiefer in die Structurverhältnisse eindringen konnten. Leeuwenhoek, durch seinen Eifer und ansprechende Auffassung der Gründer der mikroskopischen Anatomie, beschäftigte sich gegen des Ende des 17‘ Jahrhunderts auch angelegentlichst mit der Erforschung der wahren Structur der Nervensubstanz in ihren verschiedenen Verhältnissen. Seine Beobachtungen sind zwar nicht so umsichtig angestellt, dafs sie hätten eine Basis für die Physiologie werden können, denn dazu fehlte es ihm an den nöthigen Vorkenntnissen, allein sie weichen nicht so weit von der Wahr- heit ab, als die herrschenden Vorstellungen der neuesten Zeit. Was Ruysch durch seine feineren Injectionen der Gehirngefäfse gefunden hatte, bestätigte Leeuwenhoek durch mikroskopische directe Beobachtung, dafs nämlich die Rindensubstanz des Gehirns nur aus Gefäfsen bestehe ('). In der Mark- (') Leeuwenhoek. De structura cerebri epistola. Delftae 1684. Op.Il. p.38. — Inter cerebra grandium et parvorum animalium nullum intercedit aliud discrimen — nisi quod magnitudo illorum conflata est ex maiori numero partium. Et cum accuratissime examino vitream (corticosam) substantiam cerebri, videtur illa mihi in universum constare ex nullis partibus aliis, quam ea incomprehensibili multitudine minimorum vasculorum. lares globulos diversarum magnitudinum — (sanguinis globulum. fere aequantes) — quique — maximamn parten constabant ex tenui translucida et oleosa materia. Hi globuli — videntur maximam cerebri parlem constituere. Caussantur colorem album — apparentque mihi per fila retis modo esse contexta. — Inter quodlibet foramen retis corpus — pilae forma adiace- bat. — Reti comparo vasa medullosae substantiae — pilae globulos. — Restantes medullosae partes constabant ex infinita multitudine minutissimorum globulorum et quadam clara ac tenui materia, quam ultimam conüiciebarm ‚ex ruptis vasculis manasse, nec non quaedam vasa guoque in aqueam materiam confluxisse. p- 34. Ulterius progressus — deprehendi in corticosis partibus ingenten numerum tenuissi- morum vasculorum sanguiferorum. — Fidebam singula fere vascula iterum dehiscere in 672 EHurENBERG: substanz aber fand er aufser den Gefäfsen noch gröfsere ölige Kügelchen von der Gröfse der Blutkörper, die fast die ganze Substanz bildeten und aus denen er durch ihre Lichtbrechung die weifse Farbe herleitet. Diese Kugeln oder Bläschen sah er wie ein Netz durch Fäden verbunden und in den Ma- schen des Netzes jene Kügelchen. Das Übrige der Marksubstanz waren noch viele sehr kleine Kügelchen nebst einer geringen durchsichtigen Materie, die er für ausgeflossen aus den kleinen Gefäfsen hielt, so wie er auch einige Ge- fäfse selbst in sie zerflossen meinte. Ferner sah er in der Rindensubstanz verästete Blutgefäfse, welche sich immer feiner zertheilten, überdiefs Kügelchen von 4 des Durchmessers der Blutkügelchen und schliefst, dafs die Blutkügelchen, wenn sie an engere Äste der Gefäfse kommen, als ihr Durchmesser ist, sich theilen. Er erkannte nun Gefäfse, welche für den 500“ Theil eines Blutkügelchens im Huhn und für den 64“ Theil eines Blutkügelchens im Schaafe noch zu eng waren und berechnete, dafs wenn man ein Sandkorn in 64 Millionen Theile theile, doch ein solcher Theil noch zu grofs wäre für die feinsten Hirngefäfse. Diese ersten Beobachtungen Leeuwenhoek’s waren an frischen Ge- hirnen angestellt und lassen sich in vielen Einzelheiten mit den Beobachtungen in Einklang bringen, welche ich mitzutheilen beabsichtige; nur hat sich Leeuwenhoek über den von ihm beobachteten directen Zusammenhang der rothes Blut führenden verzweigten Canäle und der farblosen und un- verzweigten des Gehirnes sehr getäuscht und durch unklare, irrige Theorieen über das Blut und die Blutgefäfs-Verästelung auf einen falschen Weg ver- leiten lassen, auf dem er in immer gröfsere Entfernung von der richtigen Deutung der Structur dieser Substanzen gelangt ist. Dreifsig Jahre später, 1717, als Greis, wie er selbst sagt, wiederholte Leeuwenhoek diese Untersuchungen der Gehirnsubstanz. Seine Mitthei- lungen aus dieser Zeit haben aber bei weitem weniger Werth. Er beobach- tete auch nicht die frische, sondern die angetrocknete Substanz und betrach- tete abgeschnittene Blättchen getrockneter Hirnmasse. Nach diesen ganz un- natürlichen verzerrten Erscheinungen sind von einem Maler seine Zeichnun- ramulos: praeterea notabam magnam multitudinem globulorum, quorum magnitudo erat . pars unius globuli sanguinis. — Imaginabar mihi modo memoratos globulos, vasculis tam an- gustis, ut transitus üs negetur, occurentes, in alias minores partes dividi necesse habere et talia vascula colore carere etc. p.34. 35. Structur des Seelenorgans. 673 gen entworfen. Was er für Gefäfse ansieht, können ebensowohl blofse Fal- ten, Kämme und Furchen sein, welche durch das Gerinnen der Substanz entstanden waren (Op.1. Epistolae physiol. p.309 segg.). Glücklicher als mit der Hirnsubstanz war Leeuwenhoek mit der mikroskopischen Untersuchung einiger der eigentlichen Nerven. Schon im Jahre 1674 beschrieb er die Struktur des Sehnerven im Ochsenauge. Er fand keinen Sehcanal in seiner Mitte, sah aber, dafs er aus einer fasrigen, gefäfsartigen Substanz bestehe. Diese Fasergefälse sah er mit langsam fort- rückenden Kügelchen erfüllt. In dem Sehnerven des Pferdes fand er die- selben durchsichtigen gröfseren Kugeln, welche das Gehirn in der Nähe des Rückenmarks zeigt (!). Erst im Jahre 1715 meldet er (Op.I. p. 162.), dafs er vor wenig Tagen beobachtet habe, dafs die Fleischnerven der Thiere aus 4-20 Strängen zusammengesetzt wären. Nicht nur einzelne Nervenstränge seien hohl, sondern alle mit vielen Höhlungen versehen, jedoch sei es gut, diese Beobachtungen zu wiederholen (p.163.). Er sche nicht wohl ein, wie ‚soviel Flüssigkeit, als die Nerven geben sollen, durch sie fortgeführt werden könne (p. 169.). Im Jahre 1717 meldet er, dafs er die Höhlungen der Ner- ven bei einer Kuh direct beobachtet habe, sie aber niemand zeigen könne, weil es sogleich trockne. Es seien gegen 100 Gefäfse, welche einen einzelnen Nerven bilden und obwohl ihre Höhlungen sehr klein wären, so habe er doch noch kleinere lebende Thiere im Wasser (nicht in den Röhren selbst) gesehen, die sich bequem darin bewegen könnten (die Abbildung des Quer- schnittes, welche er giebt, ist also ideal) (p.311.). — Eine regelmäfsige Saft- bewegung oder Circulation sei nicht in den Nerven sichtbar (p.351.). An den Nervensträngen sah er zuweilen auch Blutgefäfse, Venen und Arterien (?), deren feinste kein Blut mehr führten (p.352.). — Das Rückenmark fand er hie und da mit dem Bau der Nerven übereinstimmend, doch immer sehr verworren. In dem der Dicke eines Barthaares gleichen Nerven eines Löwen schätzte er die Zahl der Röhren auf 1000 (p.356.). Nach Leeuwenhoek haben besonders Della Torre, Monro und Fontana durch ihre Beobachtungen der Structurverhältnisse der Nerven- substanz Aufmerksamkeit erregt, die um so grölser war, je mühsamer, um- (') Leeuwenhoek sagt Op. IV. p.103. Ifa ut mihi iam imaginer nervum hunc opticum copiarm vasorum globulis completorum in se continere. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Q qgq 674 EHrRENBERG: ständlicher und scheinbar sorgfältiger sie angestellt worden waren. Leider haben aber sämtliche drei Beobachter, weil sie mit gleichartigen Hülfsmitteln ganz dieselben Substanzen untersuchten und doch ganz entgegengesetzte, völlig unvereinbare Resultate bekannt machten, der Entwicklung dieser Kenntnisse wesentlich geschadet. Della Torre’s Beobachtungen mit dem Mikroskope, welches aus klei- nen selbstgefertigten Glaskügelchen bestand und sehr wenig Gesichtsfeld ge- stattet haben mag, verbreiteten die unrichtige Vorstellung, dafs das Gehirn eine breiartige Masse sei, die aus in einer zähen und hellen Flüssigkeit schwim- menden Körnchen bestehe, welche sich hie und da reihenweis aneinander legen. Diese Körnchen seien in den verschiedenen Hirn - und Nerventheilen von verschiedener Gröfse (!). Zur Feststellung dieser Ansicht für eine lange Zeit trug besonders ihre Bestätigung durch den geistreichen Prochaska bei, der nur darin abweicht, dafs er die Nervenkügelchen überall von glei- cher Gröfse anerkennt (?). Überdiefs war diese Darstellung den sich später verbreitenden naturphilosophischen Ideen sehr günstig, für welche man nach einer materiellen einfachen Grundsubstanz suchte, aus der die Organismen sich entwickeln könnten, und gerade in dieser centralen Punktmasse des Seelenorgans, wie man es nannte, fand sich jene einfache der Seele am mei- sten verwandte Substanz mit den alten Platonikern wieder. Auch im Em- bryo nahm man sie an und in den niedern Thieren glaubte man sie als allei- nige Substanz anzutreflen. Neuere Beobachtungen haben für diese letztere Ansichten unübersteigliche Hindernisse ergeben. Ebenso nachtheilig wirkten Monro’s Beobachtungen, welcher im Gehirne mit dem Mikroskop beim durchgehenden Lichte schlangenförmig gewundene, solide Fasern gesehen zu haben lehrte, die die ganze Substanz, nicht blofs des Gehirns, sondern auch aller übrigen Körpertheile ausmachen. Die Beobachtung war ganz richtig, allein anstatt aus derselben zu schliefsen, dafs das Sonnenlicht, wenn es durch irgend ein feines Gewebe geht, allemal die Erscheinung gewundener Fasern veranlafst, hatte er vielmehr wegen Mangels an Fertigkeit im Beobachten mit dem Mikroskope geschlossen, dafs die Nervenmasse, mit der er zufällig gerade seine Beobachtungen anfıng, der (') Nuove osservazioni microsc. Napoli 1776. nach Barba. (2) Prochaska de structura nervorum. 1779. Structur des Seelenorgans. 675 einzige Grundbestantheil aller Organe, auch der Haut, Nägel, Haare, der Pflanzen und selbst der Metalle, Erden und Salze sei. Er sah jedoch später seinen Irrthum ein und erklärte die Erscheinungen selbst für Trugbilder. A.Monro, Bemerkungen über die Structur des Nervensystems, übersetzt und mit Bemerkungen versehen (von einem seiner Zuhörer, Söm- mering). 1787. Weit umsichtiger, aber nicht fruchtbarer, waren Fontana’s Beobach- tungen, die in seiner Schrift über das Viperngift bekannt gemacht wurden. Der verdienstvolle Physiker und Director des Naturalien-Cabinets in Florenz, Felix Fontana, war zur Zeit, als der als Arzt berühmte Alexander Monro seine Ansichten und Erfahrungen mündlich vortrug und öffentlich lehrte (1779), in England, und ersuchte Hrn. Monro schriftlich um umständlichere Mittheilung seiner wichtigen Entdeckung, da er selbst im Begriff’ sei, eigne Re- sultate bekannt zu machen. Er erhielt aber keine Antwort. Gerade diese Verhältnisse zeitigten die Publication von Fontana’s Beobachtungen, deren Hauptresultate folgende waren: Zuerst erkannte er, dafs die gebänderte äu- fsere Zeichnung ein durchgehender Charakter aller Nerven und eine nur durch die wellenförmige Lagerung der Parallelfasern der Nervenhülle (des Neurilem’s) gebildete Erscheinung sei. Im Innern der Nerven sah er die Masse aus parallelen Fäden bestehen, die er Primitivfasern (cylindres ner- veux primitifs) nennt. Die Parallelfasern der Oberfläche, welche den Nerven- fasern zur Hülle dienen, nennt er cylindres tortueux, Spiralfasern, und giebt ihre Dicke zu „I; Zoll, also etwa 1,5 Linie an (p.206.). Beim Kaninchen erkannte er ganz deutlich (p. 204.), dafs die Primitivfasern der Nerven feine Cylinder waren, die aus einem dünnen Häutchen gebildet und zum Theil mit einer durchsichtigen gallertigen Feuchtigkeit und kleinen Kügelchen oder ungleichen Körperchen angefüllt zu sein schienen. Seine Abbildung (Taf. IV. Fig. ıı.) ist jedoch der Klarheit seines Ausdruckes so wenig entsprechend, dafs die Beobachtung selbst keine klare gewesen sein kann. Auch ist er durch spätere Untersuchungen, wie er selbst gleich darauf erzählt, über jene Beobachtungen wieder zweifelhaft geworden und obwohl er (p.205.) die Nervenfasern ganz deutlich und richtig als Röhren mit Inhalt beschreibt, so ist doch die summarische Beschreibung derselben (p. 207.) wieder unrichtig, indem er behauptet, dafs jede einzelne Primitivröhre der Nerven in einer Scheide von zahllosen Spiralfasern eingehüllt sei. Auch darf man die Ab- Qqggg2 676 EHrEnBERG: bildungen nur ansehen, um in ihnen sogleich solide Cylinder zu erkennen, denn von einer Höhle und Mark ist keine Spur vorhanden. Die Marksubstanz des Gehirns besteht nach Fontana aus einer gefäls- artigen Substanz, welche sich wie Gedärme in Falten lege und von Kügel- chen umgeben sei. Auch zeigten sich in der darmähnlichen Substanz (sub- stance intestinale) selbst einige runde oder stumpfe Körperchen. Einige Stücke der darmählichen Substanz, sagt er (p. 211.), besonders die dickeren, schienen verästelt, andere schienen in runde Körperchen zu enden. Jeden- falls habe er sich versichert, dafs die Marksubstanz nicht blofs aus Blut- gefäfsen bestehe und dafs sie auch nicht aus blofsen Kügelchen gebildet werde, sondern eine aus darmähnlichen gekrümmten Canälen geformte Masse sei. Dieselbe Structur, nur feiner, erkannte er in der Cortikal- Subsanz und, mit noch mehr Kügelchen umgeben, auch in der Retina des Kanin- chens. — Alle diese darmförmigen von Fontana beschriebenen Schläuche sind deutlich die elastisch contrahirten Gliederröhren, von denen ich später sprechen werde (!). Da, obwohl Fontana’s sämtliche Beobachtungen richtig sind, doch keine einzige der vier untersuchten Substanzen von ihm in ihrer wahren Ge- stalt erkannt wurde, Andere mithin sie nicht ebenso sahen, so sind auch diese mühsameren Arbeiten ohne Aufnahme geblieben und die so sehr ver- schiedenen Resultate der obengenannten Beobachter haben die Hülfe des Mikroskops nur verdächtig gemacht und dazu beigetragen, dafs jetzt erst ge- funden wird, was, da man die dazu nöthige Kraft der Mikroskope schon ein Jahrhundert lang besafs, auch längst schon hätte gefunden und benutzt sein sollen. Lebendig genug zwar haben in der neuesten Zeit Georg v. Cuvier, Sömmering, GallundSpurzheim, Reil, Treviranus, Meckel, Tie- demann, Carus, Burdach, Mascagni und viele Andere namhafte Män - ner sich für das detaillirteste Studium des Seelenorgans interessirt, allein nur Treviranus spricht es aus, dafs er nicht ohne Furcht das Mikroskop zur (') Fontana’s Vergröfserungen waren sehr stark. Er bediente sich einer 700 - 800maligen Vergrölserung im Durchmesser. Ist nun Fig. VIH. welche 800mal vergröfsert und 6 Linien dick gezeichnet ist, richtig aufgefafst, so waren seine Primitivfasern der Nerven —; Linie dick, was recht wohl palst. Sur le venin de la vipere. 1781. T.U. p- 206. Structur des Seelenorgans. 677 Hand nehme, welches schon so Viele getäuscht habe. In diesem Mifstrauen gegen die eigne Auffassung jener so verdienten Beobachter mag es liegen, dafs sich erst jetzt nach langem anhaltenden Gebrauche dieses wichtigen In- strumentes, das allein uns zu einer einigermafsen befriedigenden Physiologie und Erkenntnifs des menschlichen Organismus führen kann, durch mit grö- fserem Vertrauen vorsichtig erfolgte Prüfung eine ganz neue Darstellung die- ser Verhältnisse gewinnen liefs. Noch immer vertheidigt die neueste Zeit, anstatt auf schon fester Ba- sis die organischen Processe der Seelenthätigkeit ordnend und vergleichend zu betrachten, zwei entgegengesetzte Meinungen über die Hirnstructur, welche noch dazu beide irrig sind. Barba und mit ihm sehr viele namhafte neuere Beobachter bestätigen immer von neuem die durch Della Torre und Pro- chaska befestigte Ansicht von Körnchen in einem Schleime, während sonst ebenso namhafte und verdienstvolle Forscher keine Körnchen, sondern Fa- sern als Grundsubstanz selbst bis in die Rinde des Gehirns zu erkennen be- haupten; einige Andere schwanken zwischen beiden. Daher findet man denn allgemein in den physiologischen Schriften unter den einfachsten organischen Körpertheilen entweder Hirnkügelchen oder Hirnfasern oder ein Hirn- gewebe aufgeführt. Die, welche die Faserung behaupten, haben sich meist mit Betrachtung der durch Weingeist und dergl. erhärteten Hirnsubstanz be- gnügt, Andere haben die schon mit blofsem Auge und schwacher Vergröfse- rung hie und da sichtbaren Strahlungen und Streifungen berücksichtigt (!) und man ist, mit Hintenansetzung der Plattnerschen (Quaest. physiol. 1794. p- 219.) und Sömmeringschen Meinung (über den Nervensaft. 1811. p. 17.), dafs die Nerven wohl nur aus soliden Fäden bestehen, welche durch die Ar- terien mit Lebensfluldum so umgeben und erfüllt werden, wie ein Seiden- faden electrisch gemacht wird, darin sehr übereinstimmend, dafs die Gehirn- substanz, welche das innere Gehirn bildet, in den Nerven durch häutige cy- lindrische Röhren umhüllt sei und dafs also der Inhalt der cylindrischen Nervenröhren im Zusammenhange und ein und dasselbe mit dem Gehirn sei. (‘) Besonders Bergmann hat die von Gall und Spurzheim vorgezeichnete Strahlung neuerlich recht fleilsig beachtet und diese Anordnungen der Strahlung scheinen von viel grölserer Wichtigkeit zu sein, als alle Höcker und Furchen der Hirnsubstanz. Bergmann, neue Untersuchungen über die Organisation des Gehirns. Hanover 1831. 678 EHRENBERG: Diesen neueren Resultaten der Untersuchungen von Treviranus(!) zufolge bestände sonach das ganze Gehirn aus Nervenmark. Zweiter Abschnitt. Beobachtungen über den gegliederten röhrigen Bau des Gehirnes und Rückenmarkes der Menschen und Thiere und über den Mangel des Nervenmarkes in beiden (?). Einzelnes der hier mitzutheilenden Beobachtungen habe ich schon seit einer Reihe von Jahren gemacht, allein da die Resultate von den bis- herigen Ansichten sehr abweichend waren und ein klarer Zusammenhang der röhrigen Hirnstructur sich nicht ergeben hatte, so habe ich, um nicht durch voreilige unklare Mittheilungen das Vertrauen auf die mikroskopische Hülfe zu schmälern, dieselben zurückgehalten. Neuerlich haben mich die philo- sophischen Ansichten sehr verdienter Männer, welche noch immer im Ge- hirne eine thierische Ur-Substanz erkennen, im Verein mit dem eignen Wunsche, die Grenzen der Organisation im Säugethier - und Menschen- Körper zu verfolgen, wieder auf diesen Gegenstand zurückgeführt, und so nahe es auch liegt, sämtliche sogenannte Elementarstoffe des Körpers gleich- zeitig zu untersuchen und abzuhandeln, so habe ich doch vorgezogen, den wichtigsten derselben gründlich und möglichst umsichtig, als alle zusammen abzuhandeln, obschon ich auch für mehrere der übrigen interessante Erfah- rungen gesammelt habe. a) Übersicht der Behandlung. Die vorzulegenden Resultate sind nicht aus einer oder wenigen Be- obachtungen gezogen, sondern sie umfassen ziemlich das ganze Bereich des Nervensystems, sowol intensiv, als Untersuchung vieler einzelnen Theile eines und desselben Nervensystems, als auch extensiv, als Vergleichung der verschiedenen Classen und Ordnungen der Organismen. Um das Material (‘) Treviranus Vermischte Abhandl. II, 132. 1816. Über die neuesten Untersuchungen dieses würdigen Forschers werde ich am andern Orte sprechen. (?) Einen Auszug aus diesen Beobachtungen des Vortrags theilte ich vorläufig 1833 in Poggendorffs Annalen der Physik mit. Structur des Seelenorgans. 679 bemerklich zu machen, aus welchem die Schlüsse gezogen wurden, lege ich dasselbe in diesen 42 Blättern meiner Zeichnungen vor. Dieselben enthalten: 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) Vom Menschen 21 Darstellungen der Nervenmasse von ebensoviel verschiedenen Stellen. Von 12 verschiedenen Säugethieren 84 Darstellungen, nämlich vom Hund, Pferd, Hasen, Kaninchen, Maulwurf, Schwein, Schaf, Reh, Fledermaus, Kalb, Meerschweinchen und Eichhörnchen. Von 7 Vogelarten 39 Darstellungen, nämlich vom Huhn, der Krähe, der Gans, der Taube, der kleinen Rohrtommel, dem Gabelweihen und dem Staar. Von 4 Amphibienarten 17 Darstellungen, nämlich vom grauen Frosch, vom grünen Frosch (Rana esculenta), vom Wassersalamander und der Natter. Von 11 Fischen 43 Darstellungen, nämlich vom Dorsch (Gadus Cal- larias), Blennius viviperus, Gobius niger, Clupea Harengus, Labrus lineatus, Gasterosteus pungitius, sämtlich aus der Nordsee, ferner vom Hecht (E’sox lueius), dem Aal, der Karausche, dem Flufsbarsch und dem Rothauge (Cyprinus erythrophthalmus). Von Crustenthieren 14 Darstellungen, nämlich vom Flufskrebs, dem Hummer und der Krabbe der Ostsee. Von Mollusken 5 Darstellungen von der rothen nackten Wegschnecke und der lebendig gebärenden Sumpfschnecke. Von Insecten 3 Darstellungen vom Nashornkäfer, und Von Ringwürmern, dem Blutegel, 12 Darstellungen. Sämtliche Zeichnungen sind nach so eben getödteten, ganz frischen Thieren gemacht worden, und auch vom Menschen habe ich möglichst un- veränderte Theile bei Frostwetter im Winter untersucht (!). Rücksichtlich der weiteren und specielleren Behandlungsweise beim Untersuchen mache ich auf folgendes Verfahren aufmerksam : Ich besitze (1833) ein von Chevalier in Paris gefertigtes, aber durch die Pistor und Schieksche Anstalt in Berlin mehrseitig verstärktes Mikro- (') Es ist von diesen Zeichnungen eine Auswahl auf den beiliegenden Kupfertafeln ge- stochen worden. Die in Poggendorffs Annalen gegebenen, vom grauen Frosch, sind nicht wiederholt worden, aber zu vergleichen. 680 EHurEensBEre: skop, welches zwar nicht die gröfste jetzt erreichbare Vergröfserung darbie- tet, aber der Vergröfserung gleichkommt, welche Fontana benutzt hat (!). Ich hatte auch leichte Gelegenheit, die gröfsten erreichbaren Vergröfserungen zu vergleichen und habe dieselben benutzt bis zur Vergröfserung von gegen 3000 mal im Durchmesser. Diese stärksten und jene starken Vergröfserungen habe ich jedoch nie angewendet, um Zeichnungen danach zu entwerfen. Alle vorzulegenden Beobachtungen habe ich vielmehr nur bei 350-360 maliger Vergröfserung des Durchmessers angestellt, einer Vergröfserung, welche ganz jener gleich kommt, der sich Treviranus schon im Jahr 1816 bediente (vergl. Trev. p. 131.). Der Grund, warum ich die stärkeren Vergröfserungen ausschlofs, ist die geringere Helligkeit und Bestimmtheit des inneren Bildes bei denselben; jedoch habe ich sie als Prüfungsmittel des Aufgefundenen gar häufig benutzt. Um Hirnschnitte zu machen, bediene ich mich eines zweischneidigen, sehr flachen, breiten und spitzen Messers und ziehe im Schneiden. Auf diese Weise erhielt ich die feinsten Blättchen, besonders von ganz frischen Gehirnen. Das feinste so abgeschnittene Blättchen schiebe ich mit einer Nadel oder Spitze vorsichtig vom Messer auf ein Glastäfelchen und schneide denjenigen Theil seines feinsten Randes durch senkrechten Druck ab, welcher sich am wenigsten verändert hatte. Gelingt dies nicht mit dem ersten Schnitte, so übe ich Geduld, bis es gelingt. Diesen feinsten Rand des dünnsten Hirnblättchens betrachte ich mit dem Mikroskope un- mittelbar ohne Wasser und ohne Druck; dann lege ich ein sehr dünnes und kleines (nicht schweres) Glastäfelchen von etwa 4 bis 5 Linien Breite und 1 Linie Dicke, oder ein Glimmerblättchen darauf, um es ohne bedeutend verändernden Druck etwas auszubreiten und die Theile in eine gleiche Ebene zu bringen. Glimmer ist weniger gut als Glas. Den Effect betrachte und vergleiche ich genau. Dann drücke ich das Glasblättchen durch leichten und immer stärkeren Druck auf und vergleiche auch dessen Wirkung. Ferner hat mich die vielfache Erfahrung gelehrt, dafs die zähe Hirnmasse in ihren fein- sten Theilen dem Glase fest anhängt und dafs beim leichten Druck die das Glas unmittelbar berührenden Theile sich nicht zum Fortrücken ablösen, sondern die mittleren sich zwischen den berührenden verschieben, was eine (') Seit dem Jahre 1834 bediene ich mich eines neuen stärksten Mikroskops von Pistor und Schiek und habe damit dieselben Beobachtungen vielfach bestätigt und erweitert. Structur des Seelenorgans. 681 meist beträchtlich störende Veränderung der natürlichen Anordnung der faden- förmigen Theile so bewirkt, wie schiebender Druck von zwei klebrigen Platten die parallelen Fäden einer Zwirn - oder Garnflechte in entschiedene Kreu- zung bringt und aus ihnen ein Gewebe bildet, welches eine vom ursprüng- lichen Zustande sehr verschiedene Erscheinung hervorruft, die zu Irrthum verleitet. Ich habe defshalb auch die Hirnschnitte mit etwas Wasser um- geben und bemerkt, dafs diefs die Beobachtung im natürlichen Zustande nicht nur nicht stört, sondern dafs dieses die Objecte klarer und in mehr natürlicher Lagerung der Theile erkennen läfst, da das Wasser bekanntlich die Nervensubstanz nicht auflöst. Dasselbe erfolgte durch Eiweifs, Augen- wasser und Serum. Den Druck der Markblättchen, bald dickrer, bald der an- geführten zartesten, habe ich bis zum Zerreifsen der Blättchen verstärkt und auch an den so geborstenen Stellen, wo alle Bestandtheile ganz einzeln zu liegen pflegen, und an den Rändern, mit und ohne Wasser, kurz vor dem Bersten, meist die allerklarsten Anschauungen erhalten. Leicht ist aber der Druck zu stark und zerquetscht die organische Structur. Da wo man un- regelmäfsige Kügelchen und Körner sieht, hat man die organischen Verhält- nisse durch den zu starken Druck zerstört; so ist es Leeuwenhock und Fontana und Allen ergangen, die Körnchen und Kügelchen sahen. Ganz besonders zerstörend wirkt auch bei ganz leichtem Drucke das leiseste Ver- schieben der Glasplättchen auf einander. Ich habe, um diefs zu verhindern, schon im Jahre 1831 einen Druckapparat ohne Verschiebung angegeben, der auf meine Veranlassung von den Herren Pistor und Schiek ausgeführt worden ist und dessen ich p. 46. meines zweiten Vortrags über die Infusorien- Structur 1832 erwähnt habe (!). (') Dieser Apparat ist später, seit 1833, den Berliner Mikroskopen zugegeben worden. Er besteht aus einer kleinen runden Messingbüchse, welche auf- und zugeschraubt werden kann. Im unteren Theile liegt ein dickeres geschliffenes Glas, welches mit einem Ausschnitte in einen am Rande vorragenden Messingstift pafst. Auf dieses Glas wird ein sehr dünnes geschliffenes Glas gelegt, welches ebenfalls mit einem Ausschnitte sich um jenen Stift legt und mit seiner Dicke über den Rand des unteren Kapseltheiles ragt. Wird ein zartes Ob- ject zwischen die beiden Gläser gebracht und wird der obere Kapseltheil aufgeschroben, so drückt er mit seinem Rande die beiden Gläser allseitig mit beliebiger Schraubenkraft zu- sammen, ohne dafs sie sich verschieben können. Etwas grölser nur ist der im Jahre 1834 von den Herren Purkinje und Valentin angegebene ganz ähnliche mikroskopische Quet- Phys.-mathemat. Abhandl. 1334. Rrrr 682 EHrENBERG: Beim Untersuchen von dickeren Nervensträngen der Muskelnerven u. s. w. habe ich immer erst den frischen Nerv ganz rein präparirt und mit der Scheere ohne Zerrung ein Stück von beiden Seiten losgeschnitten. Die- ses Stück habe ich dann durch senkrechten, nicht zerrenden Druck entweder mit dem scharfen Messer oder mit der Scheere seiner Länge nach gespalten, um das Neurilem leichter zu trennen, dann die Theile mit zwei feinen ge- stielten Nadeln unter möglichster Verhütung alles Zerrens auseinander ge- zogen und ohne Wasser betrachtet. Ähnliche Präparate habe ich mit einem Glaspättchen belegt und mit allmälig verstärktem Drucke betrachtet. Das- selbe habe ich dann unter Wasser versucht und ich habe nie gefunden, dafs das Wasser in der Ansicht der Structur das geringste ändert; nur sah ich alles klarer, isolirter mit dem Wasser, alles enger beisammenliegend, zum Theil anklebend und verzerrt ohne das Wasser. Um das Nervenmark in den Nervenröhren und die Röhrenform mit Überzeugung zu erkennen, mufs man die Nervenröhren durch etwas Druck ausbreiten, bis die zu betrachtende Röhrenmenge in eine möglichst einfache Reihe tritt. Es würde pedantisch sein, wenn man die parallele, ganz deut- lich sichtbare Lagerung aller Nervenröhren so verstehen wollte, dafs sie ma- thematisch parallel verliefen. Sie verlaufen auch unter- und schief neben- einander und die in diesem Moment parallelen Fasern sind es durch die Be- wegung des Muskels und Neurilems im nächsten Moment nicht und werden es abwechselnd im folgenden. Der Druck auf eine Zwirnflechte wird die allerparallelsten Zwirnfäden, wenn sie nicht scharf gespannt sind, in eine netzartige Kreuzung bringen. Daher sieht man viel häufiger beim Druck sich leicht kreuzende als ganz parallele Nervenröhren, obschon die Betrachtung der Umstände keinen Zweifel läfst, dafs man von Parallelismus der Fasern sprechen darf und mufs. Um Rückenmark genau zu untersuchen, habe ich den Knochencanal aufgebrochen und im Canale selbst mit feiner Scheere die zu untersuchen- scher. Der beste mir bekannte Apparat dieser Art ist neuerlich von Pistor und Schiek angefertigt worden. Dieser läfst sich, während des Beobachtens selbst, mit zwei Fingern einer Hand beliebig verstärken und nachlassen, eine Einrichtung, die grolse Vortheile ge- währt und sich wohl nur durch noch etwas sichrere Befestigung am Mikroskope vervoll- kommnen lälst. Structur des Seelenorgans. 683 den Stücke ohne Zerrung allseitig losgeschnitten, oder bei feineren Thieren (jungen Fröschen u. s. w.) das Rückenmark wie einen Muskelnerven be- handelt. d) Structur des Gehirns. «) Rindensubstanz. Die Substanz des Gehirns theilt sich in eine, schon den Ärzten des Mittelalters bekannte, röthlichere äufsere Rindensubstanz oder Cortikal- substanz und in eine weifse nach innen gelegne Marksubstanz oder Medullar- substanz. Die Substanz der Peripherie des Gehirns oder die Rindensubstanz besteht aus einem dichten, sehr feinen, oft viele Blutkügelchen führenden Gefäfsnetze, wie letzteres Ruysch zuerst beobachtet hat, das aber an seiner Oberfläche durch eine auch mit Gefäfsen durchwirkte Schicht von geschlän- gelten Sehnenfasern (ia mater genannt) überzogen wird. Aufser dem sehr dichten und feinen Gefäfsnetze der ersteren Substanz sahe ich aber in der- selben, dem äufsersten Rande zunächst, also in seiner entferntesten Peri- pherie, eine sehr feinkörnige, weiche Masse, in welche hie und da gröfsere Körner nester - und lagenweis so eingelagert sind, wie diefs z.B. in dem Thymusbeutel der Fall ist. Die gröfseren Körner sind frei ıınd bestehen aus noch kleineren Körnchen, die sehr feinen kleineren der Masse erscheinen einfach und überall da, wo ihre Kleinheit, Weichheit und Durchsichtigkeit sich über diese Verhältnisse zu überzeugen erlaubt, durch zarte Fäden reihen- weis verbunden. In der Nähe der Medullarsubstanz tritt das Fasrige der Cortikalsubstanz immer deutlicher hervor und im gleichen Mafse werden die Blutgefäfse etwas stärker und viel seltener ('). (') Ich habe mir auch neuerlich wieder viele Mühe gegeben, die letzten Endigungen der Rindenfasern zu verfolgen und nur soviel erlangt, dafs sie in einem dichten Gefälsnetze des Blutsystems unsichtbar werden. Von Anastomosen habe ich nichts entdecken können, ob- schon ich die zeitgemälsen Hülfsmittel sehr vollkommen angewendet habe. Immer anschau- licher aber ist mir ein directes Verhältnils der daselbst scheinbar hüllenlos ausgeschie- denen gekörnten Blutkerne (nicht Blutkügelchen) zur Nervenmasse geworden. Hätten die feinsten Enden der Gliederröhren offene Mündungen, so pafsten die feinsten Körnchen der Blutkerne dazu, um direct aufgenommen zu werden und zur Destillation oder Bereitung des Nervenmarkes zu dienen. Wie die Blutkerne aus den Gefälsen treten, ist noch unklar; allein darin einen Grund gegen das Austreten zu finden, weil man keine Öffnung sieht, scheint mir kein wichtiger Einwurf, denn alle organischen Öffnungen sind geschlossen und Rrrr 2 684 EHRENBERG: 2) Marksubstanz. Die weifse oder Medullarsubstanz des Gehirns zeigt noch viel deut- lichere Hirnfasern und zwar als deutliche directe und stärker werdende Fort- setzungen der feineren Rindenfasern, die besonders von gewissen Kämmen, d.i. lineären oder bandartigen Anfangsstellen der Hirnoberfläche aus, welche meist in der Längsrichtung der äufseren Hirnwindungen liegen, strahlen- förmig gegen die Basis gewendet sind. Sie sind nicht einfache eylindrische Fibern, vielmehr gleichen sie, gar sehr vielen meiner sorgfältigsten Unter- suchungen zufolge, hohlen Perlenschnüren, deren Perlen sich nicht berüh- ren, sondern durch eine Röhre (engeren Zwischenraum) getrennt sind, oder sie gleichen geraden hie und da blasig aufgetriebenen Röhren. Diese Blasen der Röhren erkannte schon Leeuwenhoek und hielt sie für Fettkügelchen, welche die gröfste Masse des Gehirns bildeten. Auch selbst die Verbindungs- röhren hat er unklar angezeigt. Diese stets geraden Röhren, welche nur durch Zerquetschen der Masse und darauf erfolgendes Aufheben des Druckes auf dieselbe darmähnlich gewunden und verschieden gebogen erscheinen, wie Fontana es sah, sind meist in paralleler Richtung, zuweilen sich durch- kreuzend. Nur viermal habe ich bei fast zahllosen einzelnen Untersuchungen eine Verästelung einzelner solcher Röhren erkannt, aber ein Anastomosiren habe ich nie beobachtet (!). In der Nähe der Hirnbasis findet man zwischen diesen knotigen Röhrenbündeln immer einzelne viel dickere Röhren, als die übrigen sind, was auch in der Umkleidung der Hirnhöhlen der Fall ist. Diese dickeren lassen oft ganz deutlich eine äufsere und eine innere Grenze der Wandung erkennen, oder sie zeigen aufser ihren äufseren zwei Grenzlinien noch zwei diesen genäherte innere, welche ganz deutlich die Weite des Lu- mens der inneren Höhlung der Röhre erkennen lassen. Man kann daher diese knotigen linearen Hirntheile weder mehr Fibern, noch Fasern nennen, son- dern es sind abwechselnd angeschwollene, d.i. variköse, geglie- derte Röhren oder Canäle. Aller Zweifel über dieses Verhältnifs wird öffnen sich periodisch nach dem Bedürfnifs. — Man kann leicht in den Fehler verfallen, die Anastomosen des Gefälssystems für solche der Hirnröhren zu halten. (') Weniger umsichtige Beobachter können entleerte, daher ganz wasserhelle, dazwischen liegende Blutgefälse leicht täuschen. Schon Fontana scheint aber eine wirkliche Gabelung bei einer Nervenröhre beobachtet zu haben. Die Abbildung würde nicht auf ein Blutgefäls passen. Structur des Seelenorgans. 685 durch den directen Übergang der Cylinderröhren der Muskelnerven in diese gegliederten gehoben. y) Specieller Bau der gegliederten Hirnröhren, ihr Inhalt und ihre Strahlung. Das Innere der varikösen oder gegliederten Hirnröhren ist überall ganz wasserhell, so dafs man sie nur für Dunst, Wasser oder klare Gallerte führend halten könnte. Die milchweifse Farbe, welche sie dem blofsen Auge darbieten, spricht defshalb dafür, dafs etwas in den Canälen enthaltenes, nicht aber die Wandungen selbst eine Milchfarbe, also doch eine leichte Trübung besitze, weil diese Milchfarbe der Cortikalsubstanz, in welche die- selben Wandungen übergehen, mangelt. Jedoch ist es mir nicht möglich ge- wesen, auch bei 3000 maliger Linear-Vergröfserung das Trübende als etwas Körniges oder Besonderes an sich zu erkennen, vielmehr sah ich bei der stärksten Vergröfserung auch keine Trübung mehr (!). Da die farblosen oder wasserhellen Gliederfasern der Cortikalsubstanz ganz deutlich nur die Spitzen der Fasern der Marksubstanz ausmachen, mithin zwar die Wandun- gen ganz gleichartig haben, nur eine kleinere innere Höhlung und also we- niger Inhalt in derselben haben können, so scheint man zu dem Schlusse be- rechtigt, dafs die weifse Farbe nicht der Röhrenwandung, sondern dem In- halte der Hirnröhren inhärirt. Bei Zerreifsung einzelner Hirnröhren, auch der gröfseren, tritt sogleich elastische Gontraction an den freien Enden ein, welche das unregelmäfsige, darmähnliche, meist an den Enden knotige An- sehn bewirkt, das viele Beobachter getäuscht hat; ein Ausflufs ist aber dabei nicht sichtbar, was jedoch keinen Beweis für die Nichtexistenz einer inneren Feuchtigkeit abgiebt. Denn schneidet man einen, besonders jungen, Blut- egel in zwei Stücke, so contrahiren sich beide Schnittflächen sogleich so stark, dafs meist kein Tropfen Flüssigkeit ausfliefst, obwohl dessen genug im Körper ist und dabei runden sich die Schnittflächen ab. Dergleichen Con- tractions-Erscheinungen sind dem geübteren vergleichenden Anatomen kei- neswegs auffallend. Auch wird man einen Ausflufs dann schwer erkennen, wenn die Feuchtigkeit zäh und ganz durchsichtig ist, wie es sich hier im In- (‘) Man mufs nur ja nicht Cylinderröhren, die zufällig oder kurz nach ihrem Austreten aus Hirn und Rückenmark noch etwas ungleiche Ränder haben, für Gliederröhren halten. In ersteren erkennt man die körnige Marksubstanz leicht, in letzteren habe ich sie nie ge- sehen. 686 EuHurenBeEere: nern zeigt. Luft ist nicht in den Röhren, weil beim Druck unter Wasser keine Luftblasen aus den Enden hervortreten und da man bei den dickeren das Lumen der inneren Höhle sieht, so ist die erfüllende Substanz als sehr durchsichtig und zäh nicht zu verkennen. Nennt man nun diejenige markige Substanz Nervenmark, welche in den Cylinderröhren der Muskelnerven deut- lich sichtbar ist, so ist von einer solchen keine Spur in den Gliederröhren des Gehirns und nur sehr selten eine zweifelhafte Spur in den dickeren, zum Austritt in die Bewegungsnerven sich anschickenden Gliederröhren des Rückenmarks zu erkennen. Vielmehr ist die krystallhelle zähe Feuchtigkeit, welche diese Röhren erfüllt, ihrer Consistenz, Durchsichtigkeit und Entwick- lung nach, eine vom Nervenmarke der Cylinderröhren so verschiedene, wie es der Chylus oder die Lymphe vom Blute sind. Ich würde für diese durch- sichtige, scheinbar homogene, wenigstens bestimmt weit feinkörnigere, zähe Hirnröhrenflüssigkeit den besonderen Namen der Nervenfeuchtigkeit, Ziquor nerveus (Liquor nervosus Haller, Naphtha im Sinne der phantastischen Che- miatriker), vorschlagen, während der Name Nervenmark, Medulla nervea, für das Mark der Röhrennerven bliebe und die Marksubstanz des Gehirns, Medulla cerebri, will man sie nicht lieber die weifse Substanz nennen, nur figürlich ferner so genannt würde, da sie nicht, wie das Knochenmark u. dergl. in einer Höhle liegt und beim Rückenmark sogar die Rinde bildet. Wenn es noch Zweifler geben könnte, welche den geraden Verlauf der Gliederröhren defshalb unsicher meinten, weil Leeuwenhoek und Fontana die Hirnröhren darmförmig gewunden sahen und abbildeten, so können sich diese ohne alle mikroskopische Beihülfe mit blofsen Augen da- von schon fast vollständig überzeugen, indem sie nur die weifsen Streifungen der in die graue Hirnsubstanz übergehenden weifsen betrachten. Diese ganz geraden Strahlungen im Gehirn sind oft sehr deutlich und sehr fest an be- stimmten Stellen stärker ausgesprochen. Über die Wichtigkeit einer weite- ven Untersuchung dieser Verhältnisse für die Bedingung der Seelenthätigkeit kann kein Zweifel sein und es ist in den Schriften denkender Anatomen schon recht Vieles darüber angemerkt worden, so wie denn Gall schon grofse Rücksicht darauf genommen hatte. Noch fehlt es aber an einer weit schärferen und mikroskopisch zuverlässigen Beachtung so wie an einer Über- sicht der bisherigen Kenntnisse und Benutzung derselben für die Physiologie. Structur des Seelenorgans. 687 Die gröfseren Hirnröhren der Marksubstanz convergiren gegen die Stellen der Hirnbasis, wo die peripherischen Nerven entspringen und gehen in diese unmittelbar über. Einige der gröfseren Gliederröhren-Massen scheinen in den Hirnhöhlen zu enden, an deren Wänden ich sie schr entwickelt finde. Viele gehen in das Rückenmark über und von da in die Rückenmarksnerven unmittelbar fort. Was ich über diese hochwichtigen Verhältnisse gesammelt habe, werde ich zu einer anderen Zeit mit möglicher Umsicht und vielfach geprüfter Sicherheit mittheilen. Die Untersuchung ist leicht und sehr schwie- rig, ersteres für flüchtige, letzteres für sorgfältige mikroskopische Auffassung. Der Gegenstand ist der wichtigste der ganzen Physiologie. ce) Structur des Rückenmarkes. Man hat schon zuweilen das Rückenmark mit einem umgekehrten Ge- hirne verglichen und die mikroskopische Structur zeigt, dafs man Recht hatte. Beim Gehirn liegt der gefäfsreiche feinere Theil äufserlich als Rinde, der gefäfsärmere, nervösere Theil innerlich als Mark; umgekehrt ist es beim Rückenmarke. Der gefäfsreichere feinere Theil des letztern liegt in der Mitte und die gröbere Marksubstanz umhüllt ihn äufserlich. Beide Substanzen sind der des Gehirns ganz gleich. Von der äufseren, aus gröberen Glieder- röhren bestehenden Markmasse gehen unmittelbar die Rückenmarknerven ab und man kann sich meist leicht und deutlich überzeugen, dafs die Glieder- röhren, da wo sie aus der umhüllenden harten Hirnhaut hervortreten, fast plötzlich die Form von Röhrennerven so annehmen, dafs sie dicker werden und mit einigen flacheren Anschwellungen in die rein eylindrische Form übergehen. Ziemlich leicht sind diese Übergänge im hinteren Theile des Rückenmarks zu finden und ebenda findet man auch wohl, doch nie deut- lich, Spuren des eigentlichen Nervenmarkes in ihnen. Unter allen von mir untersuchten Thieren fand sich bei den Fischen das Rückenmark schon am meisten zur Röhrenform und zur Markbildung geneigt; jedoch auch bei ih- nen fand sich das Mark und die cylindrische Form, verbunden mit gröfserer Consistenz und Spannung, bei weitem deutlicher in den Muskelnerven, so dafs ein wesentlicher Unterschied im Baue der äufseren Theile des Rücken- markes gegen die letzteren immer sehr klar vor Augen lag. 688 EHrEnBErc: Dritter Abschnitt. Beobachtungen über den vom Gehirne abweichenden, meist eylindrisch-röhrigen Bau der Nerven und über das Nervenmark. a) Nervenstränge. Der Sehnerv, der Gehörnerv und der Geruchsnerv, also die drei edel- sten Sinnesnerven, sind, wie man aus anderen Erscheinungen, ihrer Farbe und ihrer Weichheit, schon richtig geschlossen hatte, auch den mikroskopi- schen Resultaten nach, unmittelbare Fortsätze der unveränderten varikös- röhrigen Medullarsubstanz des Gehirns; alle übrigen Nerven, ausgenommen der Sympathische in seinem Mittellaufe, unterscheiden sich von der Hirn- substanz wesentlich; sie enthalten die feinen Röhren beträchtlich verstärkt in einer veränderten Form und Thätigkeit. Alle von mir untersuchten Nerven, die drei obengenannten und der Sympathicus ausgenommen, bestehen nur aus cylindrischen, parallel neben- einander laufenden, normal nie anastomosirenden, etwa 1, Linie (im Mittel) dicken Röhren, den Elementar-Nervenröhren oder den eigentlichen Nerven- röhren, die bündelweis vereinigt wieder gröfsere Bündel bilden, welche man Nervenstränge nennt. Jedes einzelne Bündel und die ganzen Stränge, jedoch, wie ich mich überzeugt habe, keineswegs die einzelnen Röhren (!), sind mit einer sehnigen, gefäfsreichen Hülle (pia mater, Neurilem) umgeben. Sehr häufig verbinden sich verschiedene Nervenbündel eines und desselben Ner- ven durch falsche Anastomosen, indem die Röhren aus einem Bündel ab- gehen und in einem benachbarten weiter fortlaufen, ohne dafs die einzelnen Röhren je zusammenschmelzen. Diefs sind die Geflechte, denen die Nerven- wurzeln meist gleichen und deren eines die Netzhaut des Auges zum Theil bildet. Ganz anders verhalten sich die Ganglien oder Nervenknoten, welche keineswegs blofse Geflechte der Röhrennerven sind. In den getheilten Wur- zeln der meisten Nerven, da wo sie aus der Oberfläche des Gehirns und Rückenmarkes treten, habe ich zwischen den cylindrischen Röhren noch fast eben so starke variköse (gegliederte) Röhren erkannt, dieselben aber meist ebenfalls mit Nervenmark erfüllt gesehen. Ob diese auf die angegebene (') Es war Fontana's irrige Ansicht, dafs jede einzelne Röhre in Spiralfasern eingehüllt sei, die schon Treviranus widerlegt hat. Structur des Seelenorgans. 639 Weise gemischten Nerven die empfindenden sind, die rein eylindrisch-röhri- gen die bewegenden, ist ein sehr interessanter Gegenstand weiterer For- schung. Vielleicht giebt hier die mikroskopische Structur neue Mittel, zu einer Überzeugung zu gelangen; ich habe mich aber bisher noch nicht über- zeugen können, dafs bestimmte röhrige Nerven in gröfserer Entfernung vom Ursprunge in ihrem Mittellaufe noch mit gegliederten Röhren gemischt sind. Im Sympathieus sehe ich überall feinere gegliederte marklose Röhren ge- mischt mit stärkeren ceylindrischen. Die cylindrischen einfachen (nicht gegliederten) Nervenröhren zeigen darin besonders einen wesentlichen Unterschied von den gegliederten Hirn- röhren, dafs sie eine viel gröfsere innere Höhlung haben und in derselben einen sehr deutlichen, weniger durchsichtigen, markähnlichen Inhalt ein- schliefsen, der auch schon öfter, nur mit weniger Sicherheit, beobachtet zu sein scheint. Auch in frischen und iebenden Nerven, wie ich mich bei Frö- schen überzeugt habe, erscheint dieser Inhalt der einfachen Nervenröhren als eine markige, gleichsam coagulirte, aus kleinen rundlichen, jedoch wenig regelmäfsigen Partikeln bestehende, zuweilen netzförmig oder streilig zer- theilte Masse, welche durch leichten Druck sich aus den Röhren sichtlich hervortreiben läfst. Beim Querdurchschnitt jedes Nerven wird sie durch eigne Contraction seiner sehnigen Scheide aus den einzelnen Röhren hervorgeprefst und bildet die Oberfläche der dann entstehenden Verdickung des Nerven- endes, kann auch wohl einem nassen Farbenüberzuge gleichen. Sie ist von Farbe weifs. Diese markige Substanz ist es, welche Treviranus, bei seinen gründlichen Forschungen, das Nervenmark nannte, während Frühere, auch Reil, weniger scharf unterscheidend, die ganzen, feinsten Nervenröhren samt ihrem Inhalte als das Nervenmark ansahen, obschon sie doch wieder sämt- liche Hüllen der letzten markigen Substanz zum Neurilem rechneten. Reil aber hat seinen Abbildungen zufolge dieses eigentliche Nervenmark gar nicht gekannt. So war man in der Sache selbst nicht klar, besonders verwechselte man die Sehnervensubstanz mit der der übrigen Nerven, welche doch sehr verschieden ist. Auflösung dieser Substanz durch kaustisches Kali giebt sehr unreine Resultate, da nicht blofs das wirkliche Nervenmark, sondern auch die Röhren und alle sehr verschiedene feineren Theile unter dem Mikro- skope angegriffen erscheinen. Die auf solche Weise allerdings entstehenden Röhren und Fasern sind mithin ebensowenig von physiologischer Wichtig- Phys.-mathemat. dbhandl. 1834. Ssss 690 EurEnNBERG: keit, als die von Bogros (Ann. des sciences nat. 1828. p.5.), oder die hohlen Gehirnfasern des Galen und des Cartesius, welche hypothetisch waren. Über das Hohlsein dieser Fasern habe ich mich auf mehrfache Weise streng überzeugt. Erstlich lassen sich an jeder Röhre vier parallele Linien scharf erkennen, deren zwei die äufsersten Grenzlinien bilden, deren innere aber die Grenzen der inneren Höhle bezeichnen, wie bei einer Glasröhre, was von dem scheinbaren, durch blofse Lichtrefraction der Seiten des soli- den Cylinders entstehenden Lichtstreife in der Mitte der Haare ganz verschie- den ist, sobald man mit Ruhe und Umsicht es betrachtet. Zweitens erreicht man sehr leicht die Ansicht der mit Mark erfüllten Röhren, wenn man sie ohne allen oder ohne starken Druck ausbreitet, d.i. mit zwei Nadeln aus- einander rückt. Legt man dann ein Glastäfelchen darauf und drückt dieses etwas an, so sieht man die vorher mit Mark erfüllten Röhren ganz leer und das Mark bildet an ihren Enden eine dicke Wulst. Drittens habe ich durch allmäligen sanften Druck während des Beobachtens selbst das Fortrücken der inneren Masse erkennen können und viertens habe ich bei Querdurch- schnitten öfter die Lumina der einzelnen Röhren auf das deutlichste erkannt. Jeder einzelne dieser Gründe und umsomehr alle zusammen beweisen un- widerleglich das Hohlsein der Nervenröhren. Ich habe nun die eylindrischen Röhren der Bewegungsnerven mit gro- fser Sorgfalt bis in die Hirnsubstanz einzeln verfolgt und mich überzeugt, dafs sie unmittelbare Fortsetzungen der varikösen (gegliederten) Hirnröhren sind, welche bei ihrem Austritte aus dem Rückenmark die variköse Form allmälig verlieren, indem die Verbindungstheile der kugelförmigen oder ei- förmigen Glieder dicker werden und das Ganze endlich einen immer mehr gleichförmigen Cylinder bildet. Ich habe dieses Resultat sehr mühsam zu meiner Überzeugung gebracht, endlich aber gefunden, dafs man sich sehr leicht davon überzeugen kann, indem in den Wurzeln der Nerven, aufser- halb der Hirnsubstanz, ganz den Hirnröhren ähnliche, einzelne gegliederte Fäden im Übergange zum Cylindrischen angetroffen werden. Die Evidenz dieser Bildung war wichtig, weil sie darüber entscheidet, dafs das in den Röhrennerven enthaltene deutliche Nervenmark erst dann erscheint, wenn die Nervenröhren aus dem Gehirn oder Rückenmark bereits hervorgetreten sind, dafs aber dieselbe markführende Röhre, so lange sie noch einen Theil des Gehirns bildet und scharf gegliedert (varikös) ist, ein ganz durchsichtiges Structur des Seelenorgans. 691 klares Inneres ohne Mark zeigt. So ist denn der gallertartige milchfarbene körnige Inhalt der letzten Nervenröhren nicht, wie Treviranus in seiner vieles andere Vortreffliche enthaltenden Abhandlung darstellt, die von einer Neurilemröhre umhüllte Gehirnsubstanz, sondern er ist ein eigenthümliches Nervenmark, welches entweder dem Gehirne, dessen feinere Röhren völlig wasserhell sind, ganz abgeht, oder in ihm in einer andern weit durchsichti- geren Natur als Dunst oder zäher, nicht ausfliefsender homogener Saft, wie schon Fontana es sich dachte, vorhanden ist. Sonach ist offenbar das Ge- hirn einem Capillargefäls-Systeme für die eigentlichen Nerven vergleichbar. In Folge dieser Resultate habe ich mir Mühe gegeben, nachzuforschen, ob nicht in den Nervenröhren jene im Tode markige, stellenweis angehäufte, stellenweis aber fehlende, scheinbar coagulirte Substanz für das Leben eine zusammenhängende körnige Flüssigkeit bilde und, wie das Blut, doch einer Circulation unterworfen sei, deren hypothetische Annahme auch den Ärzten eine lange Zeit hindurch nothwendig geschienen, bis Herrn Alexander von Humboldts sehr geistreiche und feine Untersuchungen Reil’s Hypo- these von den Nervenatmosphären, welche Plattner noch früher anregte('), bestätigt und jene Ideen verdrängt hatten. Meine bisherigen Untersuchungen an Nerven lebender Thiere haben mir allerdings noch keine Circulation ge- zeigt und Leeuwenhoek läugnet sie ebenfalls bestimmt. Ob aber Leeu- wenhoek da, wo er von gesehenen Bewegungen in den Canälen der Augen- nerven des Ochsenauges spricht (*), eine Circulation, doch unklar, beobach- tet habe, ist ungewils. Diesen Gegenstand, als einen physiologisch höchst wichtigen und erreichbaren, empfehle ich der Mithülfe wissenschaftlicher Forscher zur Entscheidung, zumal da es meinen Erfahrungen zufolge nicht ganz leicht ist, dieselbe zur Evidenz zu bringen. Die blofse übereilte Be- hauptung für oder gegen hilft freilich zu nichts. Die Lehre von den Nerven- atmosphären, welche auch Meckel aufgenommen, kann natürlich auch ne- (') Plattner Quaestiones physiol. 1794. p- 219. (?) Leeuwenhoek Opera IV. p.102. Nervum opticum ex filamentosa consistere essen- tia — illaque fila lente fluentibus esse impleta globulis —! Diese Beobachtung ist aus der kräftigen Zeit Leeuwenhoeks (1674), die Mittheilung an jener Stelle aber im Greisen- alter geschehen. Ssss 2 692 EHreEnBeEre: ben der Circulation bestehen, da diese doch die Erscheinungen der Geistes- thätigkeit allein nicht erklärt. Eine Circulation ist auch nicht gerade noth- wendig. Es handelt sich nur um Feststellung der Thatsachen, um klares Bewufstwerden des Erreichbaren im Organismus nach der zeitgemäfsen Kraft. Eine besondere Erwähnung verdient von den drei gegliederten fein- sten Sinnesnerven der Hörnerv. Fast überall habe ich die einfachen Röhren dieses Nerven ansehnlich dicker gefunden, als die der andern und auch die Anschwellungen, obwohl sie überall deutlich hervortraten, waren flacher und daher etwas weniger auffallend. Im Übrigen war er jenen andern bei- den gleich. Ich bin auf diesen Umstand defshalb besonders aufmerksam ge- blieben, weil gerade der Gehörsinn einige merkwürdige Erscheinungen dar- bietet, die ihn von den andern unterschieden. So ist er zuweilen bei Schein- todten noch thätig gewesen, während das ganze übrige Leben erloschen schien und seine Eindrücke sind bei weitem weniger allgemein bestimmt, ja er ist doch wohl der gröbste von den dreien. Was die Geschmacksnerven anlangt, so bin ich mit deren detaillirter Untersuchung noch im Rückstand geblieben. Die Gliederung schien mir undeutlicher; im Nervus hypoglossus und glossopharyngeus des Menschen sah ich nur Cylinderröhren. 6) Nervenendigungen. Rücksichtlich der Nervenendigungen erlaube ich mir noch auf eine, wie mir scheint, nicht unwichtige Beobachtung aufmerksam zu machen. Ich habe schon erwähnt, dafs mir in der Cortikal-Substanz des Gehirns noch neben dem Gefäfsnetze und den feinen Hirnröhren, der Oberfläche zunächst, eine unregelmäfsige Schicht freier, farbloser gröfserer Kügelchen bemerkbar war, die vielleicht auch Leeuwenhoek unterschied, welche aber von den neueren Beobachtern übergangen worden ist. Ganz gleichartige gröfsere Körner sind längst bekannt als Bestandtheile der Netzhaut des Auges, auch hier in Verbindung mit einem sehr dichten Gefäfsnetze als Zertheilung der Arteria und Vena centralis, während die Retina selbst das freie Ende des Sehnerven ist. Von der Anwesenheit gleichartiger Kügelchen habe ich mich auch an der Ausbreitung der Geruchsnerven in der Nase überzeugt. Ver- gleichend anatomische Beobachtungen belehrten mich, dafs bei Salaman- dern (Zriton), Fröschen und Kröten die Körner jener Stellen der peri- Structur des Seelenorgans. 693 pherischen Hirnenden bedeutend gröfser sind, als bei den übrigen Wirbel- thieren und dem Menschen. Da nun dieselben Amphibien von den übrigen Wirbelthieren und dem Menschen sich auch durch eine weit ansehnlichere Gröfse der Blutkügelchen unterscheiden, während die Hirnsubstanz sich ganz gleichartig verhält, so liegt ein directes Verhältnifs zwischen den Körnern der Netzhaut u. s. w. und den Blutkügelchen sehr nahe. Bei Fröschen habe ich ferner bemerkt, dafs die am Gehirn und in der Retina nicht selten einfach reihenweis in den feinsten Blutgefäfsen befindlichen Blutkügelchen viel klei- ner und blasser, als die des übrigen Gefäfssystems erscheinen und wirklich einen Theil ihrer flügelartigen Hülle (Schale) verloren haben. Hierdurch bin ich der Meinung, dafs die ganz erblafsten Kügelchen der Retina u. s. w. Excrete des Gefäfssystems, vielleicht sogar geradehin frei gewordene Kerne von Blutkügelchen sein mögen, deren relativer Gröfse und deren Zu- sammensetzung aus noch kleineren Kügelchen sie ganz nahe kommen. So wäre denn vielleicht die Oberfläche der Hirnendigungen der einzige Ort im ganzen Organismus, an welchem man mit einiger Bestimmtheit Ablagerungen von Blutkügelchen erkennen könnte (!). Ob eine weitere innere Entwick- lung dieser an den Hirnenden abgelagerten vermeinten Blutkerne, welche etwa auch deren Gröfsen-Diflerenz bedingt, zur Ergänzung und Vergröfserung der Hirnsubstanz oder zur Bereitung des Ziquor nerveus und Nervenmarkes dient und dergleichen, sind Gegenstände weiterer Nachforschung, aber es ist schon hinlänglich klar ausgemittelt und besonders durch Reil und Söm- mering (°) sehr hervorgehoben worden, dafs überall die Nerven- (') Es findet sich im Organismus der grölseren lebenskräftigeren Thiere noch ein bisher dunkel gebliebenes Organ, welches in seiner Bildung Verhältnisse zeigt, die mir bei diesen Untersuchungen in das Gedächtnils kamen. Es ist dies die 7rymus-Drüse der jungen Säuge- thiere und der Kinder. Zeichnungen, welche ich mir in früherer Zeit selbst entworfen hatte, bestärkten mich und ich habe daher, sowohl beim Menschen als beim Kalbe und der Katze, es wieder untersucht. Die Ähnlichkeit, ja Gleichheit der Körner, welche die übrigens nur aus sich kreuzenden Elementarfasern und Blutgefälsen gebildete, gelappte 7rymus- Substanz mit den Blutkernen derselben Organismen zeigt, ist auffallend. Bliebe vielleicht also die Thymus so lange ein actives Magazin für die Kerne der Blutkörper, bis das Nervensystem seine volle Kraft und Thätigkeit erlangt hat? Die Ähnlichkeit der Kalbsmilch mit dem Kalbsgehirn in Farbe, Consistenz und auch im Geschmack möge man ebenfalls berücksichtigen, denn letzteres ist den Schmeckern wohl bekannt. (?) Sömmering. Über den Nervensaft. 1811. p- 14. 694 EHrenBEre: enden vorzugsweise mit dichtem Gefäfsnetz umsponnen sind, dessen Wechselverhältnifs zu den Nerven bisher noch ganz unklar geblieben ist. Gar nicht widersprechend solcher Ansicht finde ich die leicht zu beob- achtende Entwicklung der Gehirnsubstanz bei den Embryonen und jungen Fröschen aus einer grolskörnigen Form, aus welcher sich später erst die Cylinderröhren hervorbilden ('). Mehrere Nervenendigungen unterscheiden sich noch von den periphe- rischen feinsten Theilen des Gehirns durch eingestreute keulenförmige oder auch stabförmige Körper, deren Verhältnifs zur Nervensubstanz mir nicht klar geworden ist, obschon sie hie und da als unmittelbare Endigungen von Nervenröhren erschienen. Stabförmige, etwas prismatische Körper finden sich im Frosch - und Fischauge in der Retina, keulenförmige in der Schnei- derschen Haut der Nase. Die gröfsten Körper dieser Art fand ich aber im Innern der Ganglien beim Blutegel und andern ähnlichen Thieren. Auch im unteren Hirnknoten der Schnecken sah ich sie. Sind sie durch Druck abge- löst, so läfst sich eine Formähnlichkeit gewisser Formen der Samenthierchen mit diesen Körpern nicht verkennen, jedoch halten mich andere Beobach- tungen ernstlichst ab, eine spielende Ähnlichkeit als ernste Gleichheit gel- tend zu machen und ich warne vielmehr davor. Viele Mühe habe ich mir noch gegeben, die letzten Verhältnisse der peripherischen Gliederröhren zum Gefälssystem zu verfolgen, allein die sich durch sie hinziehenden Gefäfsnetze irren so sehr, dafs ich mich nicht zu ent- scheiden wage. Soviel habe ich zur Überzeugung gebracht, dafs die letzten anastomosirenden Gefälszweige ansehnlich gröber sind, als die noch zwischen ihnen erkenntlichen Gliederröhren. Sehr viele Äste der Blutgefäfse scheinen mir überdiefs ohne Anastomose frei zu enden, doch entzogen sich die Enden derselben selbst allmälig der Sehkraft. Es scheint, dafs die jetzigen, auch die besten Instrumente, hier eine Grenze bilden, welche zu überschreiten die Freude der Zukunft ist. Möge man ja diese Verhältnisse nicht übereilt be- urtheilen. Dafs bei Injectionen keine Extravasate durch die offen münden- den Zweige entstehen, ist wohl kein sehr wichtiger Einwurf, den ich mir (') Diese Ansicht habe ich in einer Gratulations-Schrift zu Herrn Hufelands Jubiläum, De globulorum sanguinis usu, reebss Tai TE FrV Luynv amo roÜ alNaRFOS, 1833. etwas ausführ- licher mitgetheilt. Structur des Seelenorgans. 695 machte, denn die Anastomosen des Gefäfsnetzes vor den Endigungen können leicht sowohl der Propulsationskraft des Blutes als der Injectionsmasse in dem Netze selbst Schranken setzen, welche die Lebensökonomie periodisch mit unbewufster Thätigkeit übersteigt, so wie der Pylorus die Speisen perio- disch aus dem Magen in den Darm übergehen läfst oder hemmt und dabei sich ansehnlich erweitert und wieder schliefst, und wie sich bei Erröthen und Entzündung blutlose Gefäfse mit Blut erfüllen und leeren, wie Galle, Harn u. s. w. viel, wenig oder gar nicht abgesondert werden. c) Ganglien und der sympathische Nerv. Die Nervenknoten oder Ganglien sind verschieden in ihrer Structur. Alle fast haben das gemein, dafs sie aus Anhäufungen von gegliederten Hirn- röhren bestehen, welche entweder, wie im Chiasma opticum, ganz allein den Knoten bilden, oder wie in allen von mir untersuchten Knoten des Sympa- thieus, mit stärkeren cylindrischen Nervenröhren gemischt sind, die in ein zartes dichtes Blutgefäfsnetz eingeschlossen sind, zwischen dessen Maschen wieder jene Körnchen erscheinen, die die Retina bedecken und den Hirn- nerven-Enden zukommen. In den Ganglien der Rückenmarksnerven sah ich bei Vögeln aber nur Röhrennerven und schr grofse fast kugelförmige (etwa 4 Linie dicke), die eigentliche Anschwellung bildende, unregelmäfsige Kör- per, die mehr einer Drüsensubstanz ähnlich sind und die ich fast geneigt bin, mit den Kalksäcken der Frösche zu vergleichen, welche Krystalle führen, (die mit Säuren stark brausen, daher, obwohl die prismatische Form der Kry- stalle dafür spräche, kein phosphorsaurer Kalk sein können). Sehr deutlich konnte ich die gegliederten Hirnröhren der Nervenknoten beim Verfolgen ihres Verlaufes allmälig dicker und an Stärke den Nervenröhren fast gleich werden sehen; doch so weit ich sie verfolgt habe, zeigten sie immer durch mehr oder weniger scharfe Gliederung einen eigenthümlichen Bau und nie erreichten sie an Stärke den Durchmesser der übrigen ceylindrischen Nerven- röhren. Die Idee, als seien die Nervenknoten kleinen Gehirnen vergleich- bar, wird durch die Erkenntnifs der Structur begünstigt; allein die allge- mein verbreitete Lehre, als wären sie nur der Cortikal-Substanz des Gehirns gleich, ist dahin zu berichtigen, dafs die Farbe zwar dieser ähnlich ist, die Substanz aber aus einem Gemisch von Gefäfsen und sehr zarten, kaum unter- scheidbaren Gliederröhren (scheinbarer feinkörniger Marksubstanz), also 696 EHrEnBEre: wahrer Cortikal-Substanz und einer überwiegenden Menge stärkerer Glieder- röhren, also wahrer Medullar- Substanz, besteht. Diese Hirnsubstanz lagert sich um cylindrische Nervenröhren, welche sich in derselben nicht verän- dern, aber durch Beimischung von Gliederröhren in ihre Bündel verstärkt werden. Vierter Abschnitt. Kritik der Ursachen der Verschiedenheit in den Ansichten der Beobachter. Da man das Mikroskop, das so wichtige Verstärkungsmittel der mensch- lichen Sehkraft, oft beschuldigen und verdächtig machen hört, so halte ich für nützlich, einiges über die wahrscheinlichen Ursachen in der Verschieden- heit der Ansichten bei der Nervenstructur hinzuzufügen. Malpighi’s erste mikroskopische Beobachtungen des Gehirns vor Leeuwenhoek waren defshalb sehr unrichtig, weil dieser grofse Anatom seiner Zeit auf unklare Erkenntnisse eine grofse systematische Theorie bante. Auch waren seine Untersuchungen auf gekochte Hirnsubstanz beschränkt ge- wesen, wahrscheinlich, weil die weiche natürliche Hirnmasse zu schwierig zum Untersuchen war. Er verglich das gekochte Gehirn mit einem Granat- apfel voll Kerne und fand Drüsen und gefäfsreiche Säckchen darin, weil er nach solchen suchte; denn er hatte die Idee, dafs alle Eingeweide einen drüsigen Bau besäfsen. Ich habe daher von Malpighi, als einem Theore- tiker, in der Einleitung nicht gesprochen. Die Verschiedenheit von Leeuwenhoeks folgenden und den von mir vorgetragenen Resultaten ist scheinbar grofs; allein genauer betrachtet, hat er die Grundzüge der neuen Ansicht ebenfalls ausgesprochen. Er sah im Ge- hirn Gefäfse, röhrenartige Fäden und helle Kugeln, aber nicht in ihrer wahren Verbindung, sondern offenbar durch zu starken Druck zerquetscht. Die spä- ter im Greisenalter nachgeholten Untersuchungen waren ohne gesunde Kri- tik in der Wahl des Gegenstandes, was dem Beobachter ganz allein zur Last fällt. Leeuwenhoeks helle Kügelchen, welche die Hauptmasse des Ge- hirns ausmachen und die Farbe geben sollen, die auch die noch jetzt häufige Vorstellung hervorbrachten, dafs das Gehirn viele Öltröpfchen enthalte, was gar nicht der Fall ist, sind keine Täuschung, sondern die kuglich contra- Structur des Seelenorgans. 697 hirten Fragmente der zerstörten Gliederöhren und haben daher alle, als sichern Charakter, eine doppelte Grenzlinie. Monro irrte, weil er, ohne vorher sich mit mikroskopischen Beob- achtungen beschäftigt zu haben, sogleich den ersten Eindruck der Nerven- substanz bei grellem Sonnenlichte festhielt. Er nahm es aber, sich entschul- digend, selbst zurück, nachdem er zur richtigeren Ansicht angeregt war. Fontana irrte bei den Nerven, weil er eine viel zu starke und daher zu lichtarme Vergröfserung anwendete, welche ihm dunkle Röhren zeigte, die er als solide Cylinder abbildete, deren äufsere Rauhigkeit oder vielmehr Unsicherheit des Bildes ihm viel zu sehr imponirte. Beim Gehirn irrte Fon- tana, weil er die Blättchen nicht fein genug schnitt und nicht ausbreitete, oder zu kleine schon contrahirte Theilchen betrachtete. Man kann sich da- durch bei gleicher Vergröfserung leicht dieselben Bilder verschaffen. Della Torre und Barba irrten, weil sie die Hirnsubstanz zwischen Glimmer und Glasblättchen quetschten, was alle organische Textur zerstörte und daher nur Schleim und Körner zeigte, wie es Leeuwenhoek schon ähnlich, aber doch etwas besser gesehen hatte. Barba Mikrosk. Beob. über d. Gehirn. 1819. übers. von Schönberg. 1829. Neuerlich hat man zuweilen die Faserung oder Streifung in der Ge- hirnmasse oder Netzhaut gesehen, aber die so auffallende variköse Form der Röhren übersehen. Ich habe mich bemüht, auch den Grund dieses Irrthums zu erkennen. Er scheint mir in zu geringer Vergröfserung zu liegen, welche in der Netzhaut und Rindensubstanz, als den feineren Theilen, ein feines Gewebe solider glatter Fasern erkennen läfst. Es bewirken also Mangel an Licht bei starker Vergröfserung und Mangel an hinreichender Vergröfserung bei vielem Licht hier gleichartig die optischen Eindrücke von soliden Fasern. Zur Beruhigung einiger mir bekannt gewordenen Zweiller an der Rich- tigkeit der varikösen Röhren selbst, welche dieselben für ein unwillkührli- ches Kunstproduct des Druckes, oder des Wassers, oder irgend etwas Andren halten möchten, füge ich noch hinzu, dafs ich diese Gliederung ohne Wasser und ohne Druck sogar zuerst gesehen habe, und diesen beiden Bedingungen gar keinen Einflufs gestatten kann. Nur der elastischen Spannung wegen bin ich einige Zeit in Zweifel geblieben. Ein gespannter Seiden-Faden run- zelt sich, wenn er an den Enden frei wird und die Spannung aufhört. Solche Runzeln könnten sich hier als Knoten darstellen. Allein ein verstärkter Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Titt 698 EHrRENBERG: Druck auf die varikösen Röhren dehnt sie nicht wieder zu Cylindern aus, obwohl das Hirnblättchen ganz auseinander getrieben wird und sie oft ganz isolirt werden. Beim Reifsen der Hirnsubstanz unterm Mikroskop an gewis- sen Stellen durch Druck bleiben auch sehr oft einzelne variköse Fasern als Verbindungstheile der Rifsflächen, und werden bis zum eignen Zerreifsen einzeln gedehnt, ohne ihre Gliederform zu verlieren. Zweitens sieht man eine ganz andere Wirkung der elastischen Contraction bei denselben Glie- derröhren sehr deutlich. Hat man sie durch Druck ausgedehnt und läfst man dann im Druck nach, so erscheinen die früher geradlinigen glatten Glieder- röhren verkürzt, gebogen, gefaltet und unregelmäfsig darmförmig, was offen- bar die eigentliche Wirkung ihrer elastischen Contraction ist. Ferner läfst sich erkennen, dafs die Cylinderröhren der Muskelnerven ebenfalls ela- stisch sind, bei diesen aber kommt durch beliebiges Zerstückeln, so wenig als bei irgend einer andern Elementarsubstanz des Körpers, nie jene Pater- nosterschnurform zum Vorschein, sie kräuseln sich nur an den Rändern und krümmen sich, sind aber doch deutlich die Fortsetzungen jener, welche sich zerstückt auch kräuseln. Ich machte mir wohl auch die Vorstellung, dafs der Liquor nerveus, bei der elastischen Contraction nach dem Abschneiden der Markblättchen, sich in die Knoten sammle und diese Stellen der Röhren zu- fällig ausweite, was auch ihre Unregelmäfsigkeit bedinge. Es würde dann die- ser Umstand nur eine gröfsere Contractilität (Elastieität) der feineren Nerven- röhren, Hirnröhren, vor den gröberen, den Röhrennerven, bezeichnen. Allein auch dies ist ungegründet. Denn Druck macht nicht, dafs jener vermeintlich nur angehäufte Inhalt seine Stelle verändert und bei den gröberen Röhren sind die Erweiterungen im Verhältnifs zum Durchmesser oft so flach und da, wo die Gliederröhren im Übergange zuweilen schon deutlich Mark und Kör- ner enthalten, zuweilen so deutlich ganz leer, während der engere Canal gefüllt ist, dafs die Form der Röhre, meiner Ueberzeugung nach, eigenthüm- lich sein mufs. Wie man nun aber auch die Sache ansehen möge, so bleibt die eigenthümliche Fähigkeit der Gliedernerven (Hirnröhren u. s. w.), solche Perlschnurformen darzustellen, doch jedenfalls ein sehr wesentlicher Unter- schied vor den Röhrennerven, die so etwas kaum oder nie zeigen. Einige neuere Beobachter sind noch durch von all den genannten verschiedene Umstände bewogen worden, die Nervensubstanz als eine kör- nige Masse zu bezeichnen, indem sie wirkliche Körner deutlich und richtig Structur des Seelenorgans. 699 beobachtet haben. Besonders imponirt der körnige Überzug der Netzhaut des Auges, dessen Theilchen der hochverdiente Meckel Markschüpp- chen nennt. Diese Körnerschicht hat man gröfstentheils, und noch neuer- lich Arnold in der sehr beobachtungsreichen Schrift vom Auge, für die Retina selbst gehalten, was sie nicht ist. Überhaupt ist die Ansicht der Re- tina bekanntlich wunderbar verschieden und mehrere Beobachter erkennen sie gar nicht als eine Fortsetzung und Ausbreitung des Sehnerven an, was sie doch wirklich ist. Dafs nicht die körnige Schicht, sondern die hinter dieser liegende (sogenannte seröse) Haut, welche Herr Treviranus umständlich beobachtet hat, die eigentliche Retina ist, ergiebt sich beim frischen Kanin- chenauge, wo diese Haut ganz deutlich und leicht die varikösen (gegliederten) Hirnröhren des Sehnerven zeigt. Dieselben habe ich auch einmal in einem weniger aufgelösten Menschenauge noch erkannt. An vielen andern als den Kaninchenaugen habe ich dasselbe Verhältnifs deutlich wiedergefunden. Bei den Fischen sieht man häufig diese Gliederröhren der Sehnervenausbrei- tung, von der Eintrittsstelle des Sehnerven durch die Sclerotica aus, als weifse Strahlen, gleichförmig nach allen Richtungen hingehend, bei vielen andern Thieraugen ist diese Strahlung wie beim Menschen für das blofse Auge weniger deutlich, beim Kaninchen, dem Hasen und einigen andern Thieren sind sie in zwei Richtungen vorherrschend. Die feinen Gliederröh- ren, welche die radienartige Streifung veranlassen, verhalten sich aber anders als die Streifen selbst. Sie sind nicht alle gleichartig vom Centrum aus so divergirend wie die Radien eines Cirkels, sondern sie bilden überall, wie man es beim Kaninchen am leichtesten sieht, ein Nervengeflecht (plexus), in dem die Gliederröhren schief (sich schief durchkreuzend) zur Peripherie ver- laufen. Meine Ansicht der Retina, die noch immer genauer, als es bisher ge- schehen, untersucht werden mufs, ist bis jetzt die: die Netzhaut ist eine durch Ausbreitung des Sehnerven hauptsächlich gebildete Hirnsubstanz, welche von einem dichten Gefälsnetz überzogen und durchdrungen ist, in dessen Maschen sich vorn eine dichte Schicht von freien Körnern befindet, die aus noch kleineren Körnchen bestehen und mit den Blutkernen die gröfste Ähn- lichkeit haben. Bei einigen Augen (z. B. im Frosch und bei Fischen), aber nicht beim Menschen, erkannte ich noch stabartige oder keulenförmige Kör- perchen in der Peripherie der Netzhaut (nicht im Centrum), deren Zusam- menhang mit den Nerven und Gefäflsen unklar blieb. Dafs die Nervenröhren Tttit2 700 EHRENBERG: selbst darin enden, liefs sich nicht entscheiden. — Die Gliedersubstanz der Re- tina nun (wie ich sie erkläre) besteht wie das Gehirn selbst aus zwei Theilen, aus einer sehr feinen, soweit sie erkennbar ist gegliederten, grauen Substanz (Cortikalsubstanz) und aus einer deutlicher gegliederten weifsen Substanz (Medullarsubstanz). Die letztere ist dem Sehnerven selbst zunächst und ihre Fasern sind deutliche Fortsetzungen desselben. Diese Verhältnisse sind nur in ganz frischen, nicht über Nacht gelegenen Augen deutlich zu erkennen. — Ganz anders hat 1832 Arnold die Retina erklärt, indem er das, was ich Netzhaut nenne, als eine Schleimschicht und ein die Körner als Nervenmasse verbindendes Zellgewebe betrachtet. Mein Auffinden des Zusammenhanges der Gliederröhren der Netzhaut mit den ganz gleichartigen des Sehnerven hat jedoch obige Ansicht festgestellt. Besondere Stränge des Sympathicus, die nach Ribes mit der Centralarterie und an deren Zweigen eintreten und sich mit verbreiten sollen, was er aus nosologischen Gründen schliefst, habe ich nicht unterscheiden können, ohne dafs ich Schwierigkeiten für dessen Möglichkeit finde. Fünfter Abschnitt. Zusammenstellung der Resultate dieser Mittheilungen, nebst einigen Folgerungen. a. Feste Resultate: Das Mikroskop. Das zusammengesetzte Mikroskop (Mieroscopium compositum) zeigte, der Geschichte zufolge, allen sorgfältigen Beobachtern dieselbe Sache, sich entwickelnd, auf eine und dieselbe Weise und gab feste Grundkenntnisse, welche sich weiter ganz oder zum Theil fortbilden liefsen. An irriger Deu- tung des Gesehenen trägt, wollte man es auch den herrschenden Ideen der Zeit aufbürden, immer der Beobachter, nicht das Mikroskop, die offenbare Schuld, und wenn auch übrigens verdienstvolle Männer damit irrten, so liegt, wie die Geschichte deutlich zeigt, der Grund ebenfalls nicht in dem Mikro- skope, sondern darin, dafs sie sich, vor seiner Anwendung auf Untersuchung so zarter und wichtiger organischer Verhältnisse, nicht mehrseitig vorberei- teten und angelegentlich bemühten, sich mit dem Gebrauche des Instruments vertraut zu machen, dafs sie Schlösser auf einem Boden aufbauten, dessen Structur des Seelenorgans. 701 Grund sie nicht tief genug befestigt hatten, oder dafs sie die Structur des zu zarten Lebenden am Gekochten, Erhärteten oder Getrockneten erkennen wollten. Dafs man auf glattem Eise über Wasser geht und damit ein Ziel rasch und sicher erreicht, welches sonst grofse Umwege oder Verzichtleisten nöthig macht, ist eine sehr gewöhnliche Erfahrung. Auch ist es nicht schwer auf dem Eise zu gehen, aber je unvorbereiteter, kecker oder selbstgefälliger man geht, desto leichter und desto weniger unerwartet ist der Fall. Das wichtigste Hülfsmittel, die Erscheinungen des organischen Lebens zu immer näherer Erkenntnifs zu bringen, ist das zusammengesetzte Mikroskop in der Hand des vorsichtigen Geübten, und wenn man häufig noch immer die ein- fachen Linsen vor den zusammengesetzten, bei weitem stärker vergröfsernden, der Helligkeit halber, empfiehlt und vorzieht, so liegt diefs nur darin, weil man die Vortheile der letzteren noch nicht allgemein genug kennt und noch nicht richtig würdigt. Niemand, wer die Gröfse der Natur ahnet, wird ver- langen, dafs die erste Untersuchung eine vollendete Kenntnifs irgend eines organischen Verhältnisses geben solle; allein was der gute Beobachter nach umsichtiger wiederholter Prüfung und treuer Darlegung erkannt hat, konnte bisher und wird immer von Folgenden als eine Basis benutzt werden, auf der sich sichre Stufen weiter bauen lassen. Darum war Leeuwenhoek ein verdienstvoller Beobachter, weil die Elemente seiner Beobachtungen mit sehr unvollkommenen Instrumenten noch jetzt mannigfach geltend sind, so unvollständig sie auch waren. Darum war der beste nach ihm in gegenwärti- ger Beziehung bisher Treviranus. Flüchtigkeit und Mangel an Treue in der Mittheilung bestrafen sich, wenn der Gebrauch der stark wirkenden Instru- mente sich verbreitet, schnell, und schaden viel weniger als ein Mangel an Benutzung so wichtiger Hülfsmittel. Mögen die hier vorgetragenen bisheri- gen Mittheilungen ahnen lassen, was noch zu erwarten ist und einen weiteren vorsichtigen Gebrauch dieser Hülfsmittel empfehlen. Der Bau des Seelenorgans. 1) Die Gehirnsubstanz besteht weder aus Körnchen, noch aus ein- fachen Fasern und ist ihrer gröfseren Masse nach kein Gewebe, sondern sie besteht aus parallel oder bündelweis nebeneinander liegenden, abwechselnd nicht ganz, aber auffallend regelmäfsig erweiterten (varikösen oder geglieder- ten) Röhren von 4; - ;;1,; Linie Durchmesser, welche von der Peripherie nach 702 EHurEnBeEre: den Hirnhöhlen und der Hirnbasis, stärker werdend, convergiren, durch kein besondres wahrnehmbares Cäment oder Zellgewebe vereinigt sind und in das Rückenmark übergehen, welches sie gröfstentheils bilden. 2) Das Gehirn, welches in seiner Function deutlich ein Centralorgan ist, ist seiner Structur nach (wie auch schon Gall erkannte) ein peripheri- sches Organ, und mit dem Herzen oder Magen als Centralorganen gar nicht vergleichbar. 3) Das Rückenmark des Menschen und aller grofsen Abtheilungen der Wirbelthiere besteht aus gegliederten Röhren, ganz wie das Gehirn, nur liegen die feineren Röhren nach innen, die stärkeren nach aufsen und alle Röhren haben gegen einander eine vorherrschend parallele Lagerung. Die äufseren stärkeren Röhren setzen sich unmittelbar in die Cylinderröhren der Rückenmarksnerven fort. Markthiere (Myeloneura, Medullaria). 4) Die drei weichen (edleren) Sinnesnerven und der sympathische Nerv bestehen aus gegliederten Hirnröhren, die bündelweis von Neurilem- Röhren (Sehnenfasern und Gefäfsnetz) umgeben sind und die ersteren drei sind unmittelbare Fortsetzungen der Marksubstanz des Gehirns; der letztere hat eine gemischte Substanz. Ich nenne diese Form Gliedernerven. 5) In den Gliederröhren des Gehirns, Rückenmarkes und der Glieder- nerven befindet sich eine ganz durchsichtige, nie deutlich körnige, zähe Feuch- tigkeit, der Nervensaft, Ziguor nerveus, welcher vom Nervenmarke ähnlich verschieden ist, wie der Chylus vom Blute. Eine sichtbare Bewegung des- selben ist nicht sicher beobachtet, ein langsames Fortrücken aber wahr- scheinlich. 6) Alle übrigen Nervenstämme, ich habe die Mutterstäimme sämmt- lich untersucht, bestehen nicht aus gegliederter Hirnsubstanz, sondern sie sind von Sehnenscheiden und Gefäfsnetzen umschlossene Bündel cylindri- scher, etwas stärkerer Röhren, welche die unmittelbaren, aber meist plötz- lich veränderten ganz oder fast gliederlosen Fortsetzungen der gegliederten Hirnröhren sind und als solche erst vom sehnigen Neurilem umgeben wer- den. Diese Cylinderröhren, welche am stärksten und feinsten bei den wirbel- losen Thieren erkannt werden, haben 4;- -t, Linie im Durchmesser. Bei den Wirbelthieren sind sie häufig „1;-1; Linie stark. Sie zeigen neben der Formveränderung auch eine Functionsveränderung, indem sie in ihrem In- nern eine ganz eigenthümliche unterbrochene, körnige, wie geronnene, Mark- Structur des Seelenorgans. 703 substanz enthalten, welche durch mäfsigen Druck sichtlich aus ihnen hervorgetrieben werden kann, worauf sie als leere Hüllen, mit innerer und äufserer Wandgrenze, daneben sichtbar bleiben. Diese Form nenne ich Röhrennerven. 7) Die Nervensubstanz als Seelenorgan besteht mithin überall aus marklosen, Nervensaft führenden Gliederröhren und wahres Nervenmark führenden Cylinderröhren. 8) Das Gehirn besteht nicht aus Nervenmark. 9) Ein aus gegliederten Röhren bestehendes nervenmarkloses Rücken- mark fehlt den wirbellosen Thieren. Oder: die wirbellosen Thiere ha- ben kein Rückenmark, wenn auch ihre deutlich nervenmarkführende und aus Cylinderröhren hauptsächlich bestehende Bauchganglienkette die Function eines Rückenmarkes ersetzen mag. 10) Bei den wirbellosen Thieren, welche ich Rückenmarklose (Ganglioneura, Emedullaria) nennen möchte, sind besonders gegliederte Hirnsubstanz und Blutkügelchen in einem geringeren Verhältnifs erkennbar. 11) Die gegliederten marklosen Nervenröhren sind, ihres Verhältnisses zum menschlichen Organismus und ihrer Verbreitung im Thier- reiche nach, der wichtigere und edlere, der Empfindung zunächst die- nende Theil des Nervensystems. 12) Meist alle Hirnendigungen, nur im Gehörorgane weniger, sind mit einem immer dichteren Gefäfsnetze durchwirkt und eingehüllt und enthalten gröfsere zerstreute gekörnte Kügelchen neben sich, deren Gröfse in einem festen Verhältnifs zur Gröfse der Blutkügelchen eines und desselben Organis- mus steht, auch abgesehen davon, dafs bei einigen Thieren mehrere Elementar- theile etwas gröfser sind, als bei andern. 13) Die Structur der Netzhaut des Auges ist (auch beim Menschen) bisher sehr unrichtig angegeben worden. Die körnige Marklage der vorde- ren Oberfläche der Netzhaut ist mit einem Gefäfsnetz der Centralgefäfse durchwirkt und hinter beiden erst liegt die Ausbreitung des Sehnerven, welcher aus Gliederröhren besteht und in eine peripherische Cortikal- und centrale Medullarsubstanz zerfällt. Einzelne zerstreute Kölbchen und Stäb- chen dazwischen scheinen oft den Lichteindruck zu mildern. Ihr Zusammen- hang mit den Gliederröhren des Nerven ist mir nicht klar geworden. 704 EHrENBERG: 5. Einige Betrachtungen und Folgerungen. 1) Zum Gehirn geht, schon nach Malpighi’s und Haller’s Abschät- zungen, beständig ein Drittheil der ganzen Blutmasse des Körpers. Da man bisher das Gehirn für einen Brei von Kügelchen ansah, der auf soliden Fa- sern ruhte, so war ein Zweck dieser auffallenden Blutmenge gar nicht zu erkennen. Nach Vorlegung der feineren anatomischen Verhältnisse wird es mehr als wahrscheinlich, dafs im Gehirne eine Verwendung des Blutes zu- nächst für bestimmte organische Haupt- Zwecke statt findet. 2) Das Blut besteht aus einer zähen, fast farblosen Flüssigkeit (Se- rum) und aus rothfarbigen, zahlreich darin schwimmenden Körperchen. Ungeachtet der mannichfachsten Untersuchungen liefs sich aber bisher kein annehmbarer Zweck der Blutkörperchen angeben, und doch machte das fort- währende Zuströmen der Chylus- und Lymphkügelchen und deren Ver- schwinden eine Umwandlung dieser in jene und einen Verbrauch der Blut- körper nothwendig. Dafs die Blutkörper nur wie Erbsen die Gefäfswände auseinander hielten, um dem plastischen Serum freien Weg zu machen, oder sich zu Muskelfasern an einander reihten, oder hie und da stehen blieben (in den Capillargefäfsen, die sich nicht enden, sondern ganz netzartig sein sol- len!), oder durch Entstehen und Vergehen in den Gefäfsen, ohne andern sichtlichen Zweck als den einer steten Verwandlung, blofs eine Thätigkeit darin unterhalten sollen, sind geschichtliche Meinungen, welche ich etwas specieller in der Gratulationsschrift, De globulorum sanguinis usu (Juli 1833.), berührt habe, deren keine aber befriedigt, weil die so grofse Blutbereitung auch die weniger wunderlichen der genannten Zwecke in so geringem Maafse oder vielmehr gar nicht deutlich erkennen läfst. 3) Die Blutkügelchen bestehen bei den Rückenmarkthieren wie beim Menschen, was schon Hewson richtig sah, aus einem mittleren farblosen, den Chylus-Kügelchen ganz ähnlichen, nicht immer gleich grofsem weifsen Kerne und einer röthlichen homogenen Hülle. Die Lymphkörner mit dieser Hülle zu umgeben, scheint ein Zweck des Gefäfssystems und zwar der Re- spiration zu sein. Keinem der Markthiere, aber sehr vielen, vielleicht den meisten rückenmarklosen Thieren geht die Hülle der Blutkerne ab. Die Kerne der Blutkügelchen bestehen aus noch kleineren, fast gleich grofsen Körnern, welche ich bei Säugethieren bis —{,, einer Linie im Durch- Structur des Seelenorgans. 705 messer erkannte, die aber bei rückenmarklosen Thieren oft viel gröfser sind. Diese drei Bestandtheile der Blutkügelchen sind bei Amphibien leicht, beim Menschen schwer zu sehen, und die Kerne lösen sich weniger leicht im Wasser auf, als die Hülle, wie auch Joh. Müller’s vortreffliche Untersu- chungen deutlicher lehrten. Die Hüllen der Blutkerne sind bei Amphibien, Fischen und Vögeln grofs, bei Säugethieren, besonders beim Menschen, klein. Den Blutkernen gleich und durch ihr Freiwerden kaum etwas mehr aufgelockert sind, meiner Ansicht nach, die Körnerschicht der Retina und die nesterweisen Ablagerungen in der Cortikalsubstanz des Gehirns. 4) Die Menge der Blutkügelchen ist bei den verschiedenen Organis- men in einem deutlichen directen Verhältnifs zur Menge der Gliederröhren- substanz des Nervensystems, grofs, wo deren viel ist, klein, wo wenig ist, am gröfsten bei Säugethieren und dem Menschen. 5) Ein Verbrauch der Kerne der Blutkügelchen für die Bereitung des Liquor nerveus der Gliederröhren im Gehirn u. s. w., ist bei dem Gefäfs- reichthum der Nervenendigungen nicht unwahrscheinlich. 6) Merkwürdig ist die Niederlage solcher Markkerne, die den Blut- kernen gleichen, in dem Thymusbeutel (welcher die Gestalt einer vielzelligen vielgelappen Börse hat) vor der geistigen Selbsständigkeit des Kindes und jungen Thieres, und deren Verschwinden mit der Entwickelung dieser. Die Vergleichung der Hirnkörner hat mich auf diese Analogie geleitet. Ähnliche Körner zeigt der Markschwamm. Ist dieser eine anomale, das organische Leben defshalb beeinträchtigende Thymusbildung? (Ablagerung von Blut- kernen mit folgender Tabes?) 7) Es existirt, meinen neuesten directen Untersuchungen lebender unverletzter Froschnerven nach, keine rasche bemerkbare Saftbewegung in den Gliederröhren, vielmehr ist daselbst eine Ablagerung eines nicht wei- ter auszubildenden, jedoch wie es scheint sehr wichtigen Stolles, des weilsen Nervenmarks, in den farblosen Röhren. 8) Die Untersuchung der letzten Endigungen der Haut - und Muskel- nerven, welche auch von Gefäfsen umhüllt sind, zeigen keine Körnerablage- rungen in ihrer Nähe. Vielleicht darf man daraus mit schliefsen, dafs es eine Resorbtion des Nervenmarks in den Endpunkten der Cylinderröhren giebt (Hirn= Anfang, Haut=Ende). Die ideale Figur einer einzelnen Neryenröhre ist für mich, so weit Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Uuuu 706 EHurEnBErc: directe Untersuchung zu kommen erlaubte, spindelförmig, mit grofser Zart- heit und Gliederung anfangend, hinter der Mitte geschwollen cylindrisch und markführend, dann abnehmend, immer einfach, und sich zwischen, vielleicht in Gefäfsen verlierend ('). 9) Wäre demnach nicht anscheinend die Nerventhätigkeit Absonderung eines Stoffes aus dem Blute und zwar dessen Kernen, welcher erst als zäher Saft in Gliederröhren und allmälig als Nervenmark in den Cylinderröhren langsam und unsichtbar fortrückend angehäuft wird, an deren Enden er wieder als Auswurfssto[l in die allgemeine Resorbtion übergeht? So schiene denn die Destillation des Nervenmarkes aus dem Blute der Entwickelung jenes geheimnifsvollen geistigen Processes zunächst zu stehen, welcher sich als Empfindung kund giebt und, mit dem Körper wachsend, zum klaren Selbstbewufstsein steigert. Dafs der Mensch durch Umfang und Windungen die gröfste Oberfläche des Gehirns, mithin die ausgebreitetste Absonderung des Nervensaftes hat, mag wohl in einer directen Beziehung zu seiner geistigen Kraft liegen. Möge es mir gelungen sein, durch diesen Vortrag anschaulich zu machen, dafs auch die so vielen einfach und formlos erscheinende Neryen- substanz nichts weniger als einfach und formlos ist, dafs die Organisation des Menschen auch sich weit über unsre gewöhnliche Sehkraft hin erstreckt und dafs unserer Einsicht in die organischen Wechselwirkungen des Geistes und Körpers noch weit tiefere Studien der Organe selbst vorausgehen müssen, als es bisher der Fall gewesen. (') Ich bemerke dabei, dafs ich seit langer Zeit auch die feinste Muskelfaser, die ich aber nicht hohl sehe, ebenfalls spindelförmig erkannt habe, indem jeder einzelne queergefaltete Nleischige Faden an beiden Enden in einen einzelnen zarten spiralförmigen Sehnenfaden übergeht. Daher wohl die häufige Spindelform und, wegen ungleicher Länge der Fleisch- fäden, die Sehnenleisten der Muskelbäuche. Die Isolirung ist meist schwierig. Ich gebe das Resultat vieljähriger zweifelvoller Betrachtung. Dafs ein ähnliches Verhältnis statt finde, wie bei den Nerven und es auch Röhren wären, läfst sich, den jetzigen Hülfsmitteln nach, nicht entscheiden und früher konnte es noch weniger der Fall sein. Structur des Seelenorgans. 107 Nachtrag. Diese Resultate meiner Untersuchungen wurden am 29. April 1833 der Akademie in einer Klassensitzung der physikalisch-mathematischen Klasse vorgetragen, und um die Benutzung desselben zu beschleunigen, wurde ein Auszug davon in Poggendorils Annalen der Physik, Bd. XXVIH. 1833. ab- gedruckt. Ich erweiterte damals die Beobachtungen in manchen Richtungen noch und schrieb eine kleine lateinische Gratulationsschrift zu Herrn Hufe- lands Jubiläum am 24. Juli 1833 De globwlorum sanguinis usu. Einen aus- führlichen Vortrag über denselben Gegenstand mit obengenannten Zeich- nungen hielt ich vor der Gesamt-Akademie am 24. Oktober desselben Jahres. Diese Mittheilungen haben manche Theilnahme gefunden und ich halte für wissenschaftlich-nützlich einige Worte darüber hinzuzufügen. Die hiesigen Freunde und Anatomen, welche bei mir die Erscheinungen sahen, sprachen sich sogleich dahin aus, dafs dieselben ihnen ebenso erschienen, wie ich sie darstellte. Mit Herrn Joh. Müller untersuchte ich bald darauf die als ge- sonderte Empfindungs - und Bewegungsnerven geltenden Nervenwurzeln beim Frosch und es ergab sich kein wesentlicher Unterschied in ihrer mikro- skopischen Structur, wie ich es schon kannte. Etwas anders aber betrachtete bald darauf Herr Professor Krause in Hannover den Gegenstand. Er er- klärte die Hirnfasern für solide Fibrillen und für auflöslich im Wasser; auch hielt er die von ihm ebenfalls erkannten Anschwellungen für besondere Kü- gelchen, die er Nervenkügelchen nennt. Ich äufserte meine Gegengründe gleichzeitig in Poggendorfls Annalen Bd. XXXT. 1834. Ebenso abweichend von meiner Auflassung waren auch noch die Mittheilungen des Herrn Prof. Berres in Wien, welche in den medicinischen Jahrbüchern des österreichi- schen Staates 1834. erschienen. Allein Herr Joh. Müller sprach sich bald selbst öffentlich in seinem Handbuche der Physiologie, nach eignen Unter- suchungen, in der allgemeinen Ansicht sehr übereinstimmend aus und es er- schien in Müllers Archiv für Physiologie auch bald ein Aufsatz des Dr. Valentin, eines Schülers von Purkinje in Breslau, welcher in mehreren wichtigeren Punkten mit dieser Darstellung übereinkam, z.B. nicht nur das Lumen, die innere Höhle der Cylinderröhren, sondern auch der Glieder- röhren versichert er, direct beobachtet zu haben, woran ich, der mir zu Ge- bote stehenden Hülfsmittel wegen, zu zweifeln Grund habe, obschon es mit Uuuu2 708 EHRENBERG: besseren Mitteln möglich sein wird. Die Körner der Netzhaut hält er, der Gröfse nach, nicht genau übereinstimmend mit den Blutkernen, die jedoch überall sehr verschiedene Gröfse haben. Er verlangt nach sichtbareren Öffnungen der Blutgefäfse, die jedoch nicht nöthig scheinen, da es Enden der Zweige genug giebt, die frei münden. Die Glieder der Gliederröhren hält er für zufällige Producte, was den obigen Darstellungen zufolge aber unstatthaft ist. Rudolph Wagner nahm die sämtlichen Hauptangaben von mir ohne Einwurf in sein Lehrbuch der vergleichenden Anatomie auf. Professor Volkmann in Leipzig gab neuerlich in seinen Neuen Beiträgen zur Physiologie des Gesichtssinns, 1836, eine vielfach gleiche Beschreibung der Gegenstände nach seinen eignen Beobachtungen, nur hat er nicht deut- lich die Lumina der Röhren gesehen und meint mit Krause, dafs man sich mit dem inneren Contur, wie beim Haar, täuschen könnte, was bei flüchtiger Beobachtung möglich ist, aber da nicht statt finden kann, wo Lumen und Fortrücken des Inhaltes, Voll- und Leersein beobachtet und sorgfältig ab- gewogen wurden. Die grofse Weichheit der Substanz hat ihm noch die ab- gerissenen dazwischen gelegenen Fragmente für Öltröpfchen halten lassen (!). Seine Abbildungen der Gliedernerven und Röhrennerven sind, bis auf ge- ringere Schärfe der Umrisse und den Mangel an Wahl noch völlig turgeseci- render gespannter Röhren, ganz naturgemäfs richtig und mit meiner Ansicht recht wohl übereinstimmend. Es geht auch aus seiner Mittheilung über die Netzhaut der Fische, bei der er nur Brei, keine Gliederröhren sehen konnte, die er doch deutlich, wie ich, bei andern Augen sah, hervor, dafs die Be- handlung der zartesten Theile dieser Verhältnisse einer längeren Beschäfti- gung mit dem Gegenstande bedarf, wie ich sie freilich demselben gewidmet habe. Die Anschwellungen der varikösen Fasern hält er mit mir für reale, nicht zufällige Verhältnisse (p. 11.) und unterstützt die Ansicht durch gute neue Gründe aus seiner eigenen Erfahrung. Die Körner der Netzhaut hält er für wesentliche Theile des Gewebes derselben, bestätigt aber das Vor- kommen ähnlicher, nur nicht so gleichförmiger Körner zwischen den vari- kösen Hirnröhren (p.9.). In einem Anhange (p. 198.) widerruft der Ver- (‘) Um die so grofse Unähnlichkeit dieser sphärischen Hirnröhrenfragmente deutlich zu sehen, darf man nur gleichzeitig ein wirkliches Öltröpfchen betrachten. Das hat keine dop- pelten Ränder. Structur des Seelenorgans. 709 fasser die Bildung der Netzhaut aus Gliederröhren, nachdem er Treviranus Schrift erhalten und erklärt das vorherrschende Gebilde der Netzhaut, ge- wifs mit Unrecht, für cylindrische Fasern; allein (p. 200.) gesteht er wieder Anschwellungen zu. Ich habe diese Fasern der Netzhaut, beim Kaninchen sowohl als bei vielen Fischen, scharf verfolgt und bin überzeugt, dafs es die Gliederröhren des Sehnerven selbst sind. Dafs die Gliederröhren an manchen Stellen weniger, an anderen zahlreichere Anschwellungen haben, sollte kein Hindernifs für die frühere Ansicht sein; denn Marklosigkeit und Erfülltsein mit weilsem Ziquor nerveus, wo es beides zusammentrifft, bezeichnet erst Gliederöhren des Nervensystems, und wenn auch zuweilen die Knoten in so kurzen Strecken, welche man für das Mikroskop lang nennen kann, spar- samer sind, so reichen einzelne schon hin, den Charakter aufzudrücken. Ebenso können scheinbare oder auch wirkliche Knoten der Cylinderröhren, wenn sie hie und da (selten gewils) abnorm oder als Entwicklungsstufe vor- kommen, ja jener allgemein vorherrschenden Bildung nicht gleich gehalten werden. Leere Blutgefäfse sind auch nicht weils, sondern farblos, wasser- hell; die Strahlungen im Kaninchenauge sind aber weils und ihre Röhren unverästet, wie nie die Blutgefäfse. Gottfried Reinhold Treviranus, der hochverdiente Biolog un- serer Zeit, hat in seinem neuesten Werke: Beiträge zur Aufklärung des organischen Lebens, seine Meinung über diese Verhältnisse, auf neue Untersuchung gegründet, wieder vorgetragen. Er fängt damit an: ‚‚Unter allen thierischen Substanzen erfordert keine eine so zarte Behandlung, als die des Gehirns.’ Er sagt p.29: der Übergang der Markröhren in die Nervenröhren sei allerdings so, wie ich ihn angegeben, allein in zwei wich- tigen Punkten sei er doch anderer Meinung. Er läugnet nämlich die Realität oder Beständigkeit der Perlschnurform in den Gliederröhren, welche zwar keine Täuschung, aber zufällig sei, und sie entständen erst einige Zeit nach dem Tode. Luft und Wasser, meint er, änderten ebenfalls die wahre Gestalt der Röhren (p.31.). Er sah auch einmal den Nervus abducens eines Sper- lings mit Gliederröhren (aber auch so regelmäfsig und marklos?), obwohl diefs kein Sinnesnerv ist. Alle Röhren seien ursprünglich eylindrisch. Zwei- tens habe ich, meint er, die Nervencylinder der Cortikalsubstanz nicht er- kannt, die doch deutlich vorhanden wären. Es mag schwer sein, im Aus- druck sich bei so zarten Verhältnissen richtig zu bewegen und es hat gewils 710 EHrEnBEere: in meinem vorläufigen Ausdrucke nur die Verschiedenheit gelegen. Die hier beigehenden Abbildungen werden leicht alle solche Zweifel beseitigen. Ich habe die Röhren der Cortikalsubstanz keineswegs abgesprochen, vielmehr die ganze Substanz als eine Masse von Blutgefäfsnetz, sehr feinen Hirnröhren und wenigen Blutkernen -Haufen bezeichnet. Übrigens sind die Glieder- röhren, die in der Nähe der Marksubstanz sehr deutlich sind, dicht an der Peripherie des Gehirns so fein, dafs meine besten Mikroskope die Verbin- dungstheile der kleinen blasigen Glieder sehr schwach, zuweilen gar nicht, erkennen lassen. Ich glaube daher, dafs Herr Treviranus die deutlichen Röhren nur näher an der Medullarsubstanz meinen kann, denn die sich kreu- zenden Cylinder, welche man so deutlich dicht an der Oberfläche sieht, meine ich gar nicht als Hirnsubstanz, sondern ich erkenne in diesen die kurzen anastomosirenden, meist blutleeren, Äste des Gefäfssystems, die- selben sind auch ohne Spur von Anschwellungen. Was die Gliederform an- langt, so mufs ich nur wiederholen, dafs alle oben angegebenen, bei den Röhren eine Veränderung bedingenden Ursachen von mir ausgeschlossen worden sind und dafs ich der grofsen Allgemeinheit der Erscheinung halber sie demnach doch für etwas Beständiges, Reales halten mufs. Eine sehr wichtige Entdeckung hat Herr Treviranus, wie sich- denn die Bemühung eines solchen Forschers immer belohnt, darin gemacht, dafs er die Kölb- chen der Netzhaut und der Schneiderschen Haut als unmittelbare Fortsätze des Nerven erkannt hat. Die Kölbchen selbst waren mir schon seit längerer Zeit bekannt, allein ihren Zusammenhang habe ich nicht klar sehen können und habe noch jetzt kein eignes festes Urtheil darüber, obschon ich auf den bezeichneten Tafeln diese Verhältnisse mehrseitig mit dargestellt habe. Ähn- liche, weit gröfsere Keulen finden sich im Gehirn und den Ganglien der rückenmarklosen Thiere, sogar bei einigen Vögeln sah ich Ähnliches in den Ganglien. Aus Remak’s fleifsigen Untersuchungen, welche soeben in Mül- lers Archiv gedruckt werden, hebe ich hervor, dafs er die Gliederröhren für etwas Beständiges ansieht, aber mit fortrückender Körper-Entwicklung die markführenden Cylinderröhren häufiger werden sah. Wenn sich die Bell’schen Empfindungswurzeln der Nerven, die man jetzt so allgemein annimmt, welche mir aber noch nicht so klar geworden sind, allgemein bestätigen sollten, so wären vorherrschende Markröhren in ihnen defshalb auffallend, weil in den Sinnesnerven, welche am klarsten Structur des Seelenorgans. 71 empfinden, die Cylinderform und das Mark ganz fehlen. Mir will auch ein solcher bestimmter Charakter noch nicht klar werden. Ich würde vielmehr, im Fall es besondere Empfindungswurzeln als Erfahrungsgegenstand giebt, denn nothwendig sind sie nicht, mir die Erscheinung lieber so erklären, dafs ihre Elementarröhren vom Gehirn unmittelbar ausgingen, während die be- wegenden ohne klare Empfindung vom Rückenmark oder den Ganglien kommen. Doch diefs sind unfruchtbare Speculationen. Man mufs noch erst tiefer beobachten. Erklärung der Kupfertafeln. Da die sprachliche Darstellung sehr zarter organischer Verhältnisse, besonders aller mikroskopischen, entweder ermüdend breit oder leicht undeutlich und unzureichend ist, da- her, bei völliger Übereinstimmung in dem Object der Beobachter, sich zuweilen kaum zu erklärende Gegensätze in dem Ausdrucke und dem Urtheile ergeben, welche fast glauben liefsen, dafs jeder ein andres Object gesehen habe, so sollen die vorliegenden Tafeln dazu dienen, die Gegenstände zu klarerem Verständnils zu bringen. Sämtliche Objecte sind von mir selbst präparirt und gezeichnet. Die 6 Tafeln sollen sowohl die Form der Nervenröhren im Menschen und 32 ver- schiedenen Thieren aller gröfseren Abtheilungen der Thierbildung vergleichbar machen, als auch die verschiedenen Haupt-Nervenbildungen eines und desselben Organismus erläutern. Es war auch zugleich die Absicht, das Verhältnils der Blutkerne zu den peripherischen Hirn- körnern vor Augen zu legen und in Hinsicht auf diese Erscheinungen habe ich auf der 1sten und 2°" Tafel die Aufmerksamkeit noch auf die Structur des Thymusbeutels beim Kinde und Kalbe gelenkt. In der grofsen Mehrzahl und zur Darlegung aller einflufsvollsten Erscheinungen habe ich Darstellungen vom Menschen und solchen Thieren absichtlich ausgewählt, welche leicht zu haben und nachzuprüfen sind. Alle Nervenverhältnisse sind nur von ganz erwachsenen Organismen entlehnt und geben in dieser Hinsicht eine reine Vergleichungsstufe. Eine Entwicklungsgeschichte zu versuchen ist nur erst dann rathsam, wenn die Urtheile über das vollendet Entwickelte sich mehrseitig festgestellt haben. Eile schadet dem Eiligen und der Sache und nicht Jeder, wer ein Mikro- skop und den Willen hat, versteht damit zu sehen, aber Jeder kann das Sehen damit lernen. Die Hauptmasse dieser Darstellungen sind die treuen Copien des Gesehenen und zwar nicht des ersten, sondern des bestgelungensten Präparates, da wo es am klarsten vorlag. Nur wenige Darstellungen, bei denen es besonders angezeigt ist, sind mit strenger Analogie, um eine grölsere Übersicht zu geben, als sie das Mikroskop erlaubt, etwas mehr, jedoch skizzenartig ausgeführt. Alle diese Darstellungen sind, wenn die andere Vergröfserung nicht besonders ange- zeigt ist, nach einer und derselben allgemein verbreiteten Vergröfserung von 260 - 360mal im Durchmesser entworfen. Die stärksten Cylinderröhren der 1:2 Tafel sind 300mal ver- 712 EHrENBERG: gröfsert. Die Zeichnung hat etwa 1 pariser Linie im Durchmesser, folglich war das Ob- ject, wenn die Zeichnung genau ist, 535 Linie stark. Die stärksten Gliederröhren in Fig. 2. sind ebenso stark vergröfsert, aber 2 Linien dick, sie waren also ;!; Linie im Durchmesser. Solche Messungen müssen zwar nothwendig immer angezeigt sein, allein man mufs sich hü- ten, in einen Zahlenpedantismus zu verfallen. Die Schwankungen sind sehr grols, und es giebt zwar Maxima, die aber selten vorkommen und vielleicht allemal abnorm sind, jedoch die Minima sind mit den jetzigen Hülfsmitteln kaum oder nicht zu erreichen, folglich giebt es keine sichern Media. Die Grölse @ potiori ist das alleinige Nützliche und jede andere Substanz, jede andere Entwicklungsstufe des Organismus und viele andere Elemente ver- wischen auch hier die Regel. Druck, Spannung, Turgor, elastische CGontraction durch auf- gehobene Continuität geben Unterschiede des Doppelten bis Zwanzigfachen im Durchmesser. Bei diesen Abbildungen ist der dem natürlichen möglichst nächste Zustand darzustellen ge- sucht worden, auf Taf. II. sind aber absichtlich einige ohne die natürliche Spannung gegeben, weil diese am häufigsten gesehen und milsverstanden werden. Endlich mache ich übersichtlich darauf aufmerksam, dals bei Tausenden von Unter- suchungen der Nerven die einzige, von mir deutlich, also abnorm, beobachtete Anastomose zweier Röhren auf Taf. I. Fig.o. und zwei der vier von mir deutlich beobachteten Verzwei- gungen auf Taf. I. Fig.1. a und e abgebildet sind. Tafel I. Bau des Seelenorgans im Menschen. Das Verhältnifs der Blutkügelchen und Blutkerne, nebst den Elementen des Gehirns, Rückenmarks und vieler Nerven eines und desselben Organismus sollen hier in Einem Bilde vorliegen. Marklose gegliederte, markführende eylindrische und gemischte Nervenröhren sind übersichtlich geordnet und in der Mitte unterhalb ist eine Structur- Ansicht aus dem mensch- lichen Thymus-Beutel zugefügt. «&) Gliedernerven. 19m Fig.a. Structur der Medulla oblonga des Gehirns. Dickste Röhrenglieder ;45”, feinste 7000 * Fig.d. mittlere Marksubstanz des Gehirns, z45- 705 - Fig.c. weilse Substanz des Am en ‘ 4 3 a Fi a R Rückenmarkes, 345 - 565 - Fig. d. Geruchsnervensubstanz, Röhre 355-555. Fig.e. Gehör- 1 2 1 7 7 0 55-00 im Durch- 1 m messer. Fig. f. Sehnervensubstanz, #45 - 355 - Fig. g. Kreuzungsstelle des Sehnerven (Chiasma 46-500“ Fig.%. Netzhaut des Auges mit den Markkörnern, Gliederröhren 5006 » Markkörner ;55”, Kerne der Markkörner circa 5555. Fig.:. einige Gliederröhren der Netzhaut, 800mal vergröfsert. Fig.%. Blutkügelchen und deren Kerne, welche an Gröfse sich ziemlich gleichen, und deren letztere sich in noch kleinere Kerne auflösen. nervensubstanz, mit einigen sehr dicken, fast eylindrischen Röhren von opticum) von a £) Gemischte und reine Cylindernerven. Fig. 7. Structur des Nerous dieisus, künstlich auseinander gezogen; Dicke der Röhren 300°290 » Fig. m. Structur eines Ganglion vertebrale, mit gemischten Nervenröhren und einigen Markkörnern. Fig. n. Structur des Nervus oculorum motorius, mit rein eylindrischen Röhren, welche zum Theil noch ganz mit Mark erfüllt sind, zum Theil aber durch ange- wendeten Druck ihr Mark stellenweise einzeln entleeren; Dicke 200. Fig. o. Nervus troch- Structur des Seelenorgans. 713 learis, wie voriger. Das Zusammenmünden der mittleren Röhren ist die einzige Beobachtung dieser Art. Fig.p. Nerous abducens, mit durch Druck grölstentheils entleerten Röhren; Dicke 2. Fig. g. Nervus facialis, wie voriger. Fig. r. Nervus vagus, Dicke rk Nerous hypoglossus, alle Röhren mit Mark erfüllt; jede 4,” dick. Fig. 2. Nervus glossopha- Fig. s. ryngeus, noch ganz mit Mark erfällt. Fig. u. Nervus accessorius, mıt zum Theil durch Druck entleerten Röhren. Fig.v. Nervus intercostalis, durch Druck zum Theil entleert. Fig. x. Nervus ischiadicus, an seiner Wurzel. Bei den mehrsten dieser Nerven liefsen sich die Lu- mina der inneren Höhlen an den Abschnittsflächen erkennen. Fig. y. Ein vergröfserter Theil des frischen Markbeutels, den man bisher als Tryrmus-Drüse beschrieben hat, von einem todtgebornen Kinde, mit seinem Netz von Elementarfasern, starken Blutgefälsen und der, ab- gelagerten, #4 - 515 grolsen Blutkernen ganz ähnlichen Marksubstanz. 288 336 Tafel II. Hirn und Nerven der Säugethiere. Diese Tafel enthält die Formen der Nervenelemente von fünf Thierarten aus eben so vielen Gattungen der Säugethiere. I. Vom männlichen Kalbe. Fig. a. Basis des Sehnerven beim Druck. Die Fäden # * sind durch theilweise zu grofse Spannung, ohne ihre yariköse Form zu verlieren, an einem Punkte so fein ausgedehnt, dals sie im nächsten Momente abreilsen, wo sie dann die Form der daneben liegenden, ganz verschieden erscheinenden, gekrümmten und höckrigen Röhren anzunehmen pflegen. In der Mitte liegt zufällig eine dichotomisch getheilte, abgerissene und daher höckrige Nervenröhre in einem Haufen anderer, gleichfalls elastisch contrahirter Röh- ren von verschiedener Dicke, und zwischen ihnen zerstreute, zum Theil in Kugelform con- trahirte, schr kleine Fragmente. Fig. 2. ist ein sorgfältig nachgezeichneter übersichtlicher kleiner Theil des äufsersten seitlichen Randes eines Hirnlappens. Er besteht oberhalb aus Rindensubstanz, die unterhalb allmählig in Marksubstanz übergeht. Von der Mitte der Hirn- windungen aus pflegen die Röhren senkrecht oder schief herabzusteigen, daher sind sie den Seitenflächen parallel gelagert, welche Richtung sie unterhalb der Gehirnwindung verlassen. Die stärkeren unteren Gliederröhren zeigten durch ihre weifse Farbe schon an, dafs sie mit Nervensaft erfüllt sind, ohne jedoch Nervenmark erkennen zu lassen. Die feineren oberen erschienen farblos wasserhell, vielleicht weil der innere vom Nervensaft erfüllte Raum noch zu geringe ist. Die letzteren werden durch grofse, dichotomisch verzweigte Blutgefälse durch- zogen, in denen zum Theil deutlich die Blutkügelchen in einfacher Reihe liegen. Am äufseren Rande, zwischen den feinsten Gliederröhren, sind abgelagerte gröfsere Markkörner, welche fast ganz von der Gröfse der Blutkügelchen sind, die noch in den Gefäfsen liegen. Fig. c. Substanz der Medulla oblonga. Fig. d. Substanz der Corpora quadrigemina. Fig. e. Substanz des Rückenmarkes, mit einer nur einmal beobachteten Verästelung. An der inneren Seite sind alle Röhren in Spannung, an der äulseren sind sie losgerissen und elastisch contrahirt in verschiedener Form. Fig. f. Structur des Pons Farolü.. Fig. g. Structur eines Intercostal- Nerven, mit markführenden starken Cylinderröhren. Fig.%. Form und Verhältnifs der Blut- kügelchen (5) und ihrer Kerne. Fig. i. Blutkerne, nach durch Wasser aufgelöster Hülle der Blutkügelchen besonders dargestellt. Fig. k. Körner des Thymusbeutels, 4, 520 grols. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Äxxx 714 EHRENBERG: II. Nervensubstanz des Haushundes. Fig. a. Marksubstanz des Gehirns, mit einer scheinbar, aber nicht wirklich verästeten Gliederröhre. Fig. 2. Rückenmark. Die Figur stellt wohlerhaltene Gliederröhren in ihrer Spannung dar, nach innen aber sind Fragmente in ver- schiedener Form elastisch contrahirt. Fig.c. Substanz des Sehnerven, mit einigen normal gespannten Gliederröhren und vielen verschiedenen kleinen meist sphärisch contrahirten Frag- menten. Diese Fragmente mit ihren deutlichen Doppel-Conturen sind es, welche man seitLeeuwenhoek immer und immer wieder für Fettkügelchen hält. Diese Täuschung der weniger geübten mikroskopischen Beobachter wird durch die so grolse, fast gallertige Weichheit dieser Theile unterhalten, welche bei jeder kleinen Strömung dazwischen fliefsender Feuchtigkeit Nachgiebigkeit in der Form zeigen. Auch unter dem Namen Hirn- kügelchen verstehen Viele diese Fragmente, welche Jeder sieht, aber immer anders beurtheilt. Man mache sich nur ein Öltröpfchen auf Wasser und beobachte es gleichzeitig, der Unter- schied ist dann deutlich. Fig. d. Blutkügelchen mit ihren Kernen, auch äulserlich eins vom Rande gesehen, stabförmig. Der Durchmesser beträgt 375”. In einigen sind die Körner sicht- bar. Fig. e. Ein Theil der Netzhaut, durch Druck ausgebreitet. Nach oben sind die Körner der Netzhaut noch in ihrer natürlichen Lage und ein Blutgefäls geht durch sie hin. Nach unten sind die Gliederröhren des Sehnerven blofs gelegt. Die Körner sind gekörnt und 5” grols, also kleiner als die Blutkügelchen, aber den Blutkernen gleich. Fig. f. ist ein Theil der Schneiderschen Haut der Nase, mit seinem Gefälsnetz, Gliederröhren des Geruchsnerven, Markkörnern und keulenförmigen, innen körnigen Körperchen, die zuweilen wie Fortsetzungen der Nervenröhren oder auch der Gefäfse erscheinen, aber bei scharfer Isolirung daneben lagen. Aufserlich geht ein Strang von Sehnenfasern hin. Fig. g. ist aus dem Stamme des Geruchsnerven. Fig. h. ist der Nervus oculorum motorius, bei seinem Austritt aus der Ge- hirnbasis, da wo die Gliederröhren in die Cylinderröhren (oder die Nervensaftröhren in die Nervenmarkröhren) übergehen, wo also die Bildung des Nervenmarkes im Inneren der Röhren beginnt. In der durchlaufenden Gliederröhre ist zwischen den markvollen Knoten der mark- leere zu bemerken, eine häufige Erscheinung, welche beweist, dals nicht die Anhäufung der inneren Masse die Knoten austreibt. II. Nervensubstanz des Maulwurfs. Fig.a. Blutkügelchen mit ihren Kernen. Durchmesser ;5;”. Einige, von der Seite gesehen, erschienen stabartig oder spindelartig. Fig. 6. Rindensubstanz des Gehirns, mit ihren äufserst zarten, kaum zu unterscheidenden Gliederröhren und starkem Blutgefälsnetz, in dessen feinsten Zweigen die einzelnen Blut- kügelchen durch Einzwängung fast eylindrisch erscheinen. Bei diesem Durchgange, wenn er auf natürliche Weise erfolgt, scheinen sie ihre Hülle abzustreifen, um aus feinen Mündungen einzelner Zweige in ein anderes organisches System überzutreten. Drückte ich das Object schärfer, so wurde die feinfasrige trübe Substanz deutlicher zu lauter Gliederröhren, aber die Körner und Blutkügelchen verschwanden durch Zerquetschung. Fig. c. Marksubstanz des Gehirns, nur aus deutlichen Gliederröhren bestehend. Fig. d. Rückenmark. Fig. e. Hörnerv. Fig. /. Gesichtsnerv, an seinem Ursprunge, mit deutlichem Übergang der Gliederröhren in Cylinderröhren. Beim verstärkten Druck entleerte sich das Mark der einzelnen Röhren sicht- lich. Fig. g. Armnerv (Nervus brachialis), ın der Nähe seiner Wurzel. Fig. h. Cauda equina des Rückenmarkes. IV. Nervensubstanz des Eichhörnchens. Fig. a. Blutkügelchen mit ihren Ker- nen, 5” grols; die stabartigen Formen sind Seitenansichten der runden. Bei + und * sind Structur des Seelenorgans. 715 dieselben 800mal vergröfsert. Die Blutkerne bei + sind verschiedener Gröfse und gekörnt, die grölsten maßsen —”. Fig.2. ein Stück der Netzhaut mit ihren Körnern und darunter g 5 432 * liegenden deutlichen Gliederröhren. Fig. c. Form des Netzes, welches die Bündel der Glieder- röhren des Sehnerven in der Netzhaut bilden. Fig.d. Schneidersche Haut der Nase, mit ihren Gliederröhren und Körnern. Fig.e. Rindensubstanz des Gehirns, mit ihren Glieder- röhren und Körnern. Fig.f. Thalami nervorum opticorum. Nig.g. Stamm der Sehnerven. Fig. A. Röhren des Plewus drachialis. Einige durch den Druck von ihrem Marke entleert, eine im Begriff sich zu entleeren. V. Nervensubstanz des Meerschweinchens. Fig. a. Blutkügelchen, a’. Blut- kerne. Erstere 51," grols, letztere ;- 545”. Fig.6. Netzhaut mit ihren Gliederröhren und Körnern. Fig.c. Ein Theil des Ganglion coeliacum, mit Gliederröhren, markführenden Cy- linderröhren (in denen das Mark fast ganzen Blutkernen glich) und den Blutkernen samt den kleineren Theilchen der letzteren gleichenden Körnern. Überdiels fanden sich darin noch grö- (sere drüsenartige Kugeln. Alle diese Zeichnungen sind wieder bei 300 maliger Vergröfserung entworfen und mit- hin die Grölsen untereinander vergleichbar und ihr Verhältnils natürlich. Einzelne Ausnahmen sind angezeigt. Ebenso ist es mit den folgenden. Tafel II. Hirn und Nerven der Vögel. Diese Tafel, welche die Bildung der Nervensubstanz aus sechs Arten von Vögeln eben so vieler Gattungen anschaulich macht, enthält zugleich eine Darstellung der Richtung der Gliederröhren in einer Spitze eines Hirnlappens der Taube, woraus man sieht, wie (verti- kale) Seitenabschnitte des Gehirns eine andere Lage der Fasern zur Seitenfläche ergeben müssen, als solche, welche horizontal in der Ebene des Kammes der Hirnlappen gemacht werden. Die Ansicht ist nicht ideal, sondern durch mühsame Studien erworben, aber skizzirt. Sie zeigt auch das Verhältnils der Rinden - und Marksubstanz zu einander. Vergl. II. Fig. e. I. Vom Huhn. Fig. a. s. (Sanguis), Blutkügelchen und deren durch Wasser enthülste Kerne. Erstere ;1;” grofs. Fig. 2. ce. c. (Cortex cerebri), Rindensubstanz des Gehirns, mit ihren Blutgefälsen, Markkörnern und Gliederröhren. Die Markkörner sind , - 55,” grols und ge- körnt. Fig. c.r. (Retina), ebenso. Fig. d.m.c. (Medulla cerebri), Marksubstanz des Gehirns. Fig. e. (Medulla spinalis), Rückenmark, mit schon fast eylindrischen, aber noch nicht mark- führenden Röhren. Fig. f. m. o. (Medulla oblonga), verlängertes Hirnmark. Fig. g. Glieder- röhren des Geruchskolben, mit Körnern. Fig. r. Gliederröhren des Sehnerven, mit kleinen Fragmenten derselben. Fig. i. Nervus oculorum motorius, nur aus dieken markführenden Gliederröhren bestehend. - I. Von der Taube. Fig.a.s. Blutkügelchen und deren Kerne. Erstere 59" grols- Fig. 6. Netzhaut des Auges mit ihren Körnern. Letztere 5,” grols. Fig. c. Sehnerv. Fig. d. Medulla oblonga. Fig. d. Oberer Theil eines Hirnlappens, mit seiner aus sehr feinen Glieder- röhren bestehenden, an der Peripherie mit grölseren Markkörnern versehenen und mit zahl- reichen Gefälsen netzartig durchwirkten Rindensubstanz, die gegen die Mitte strahlenartig nur durch Stärkerwerden der Röhren in die deutlichen, mit weilsem Nervensaft erfüllten Röhren der Marksubstanz übergeht. Alle Gefälse sind nur Fragmente des Gefälsnetzes und Xxxx 2 716 EHrEnBEre: ihre gezeichneten Endigungen sind durch den Schnitt künstlich entstanden. Sie bilden augen- scheinlich ein dichtes zusammenhängendes Netz, das aber viele doch frei mündende Zweige haben mag. In diesem Netze verliert sich, wie es scheint, sowohl die natürliche Propulsations- kraft des Blutes als die künstliche Einsprützung. Das Ausscheiden der Körner durch frei- mündende, vielleicht gewöhnlich engverschlossene Enden, wenn es, wie ich vermuthe, so statt- findet, mag eine besondere Erweiterung der feinen Spitzen erst nöthig machen. Alles was man über die hier wirkenden Prozesse sagen kann, sowohl für als gegen gewisse Meinungen, ist bypothetisch. Es ist in diesem wichtigsten aller Theile des Laboratoriums des Lebens- prozesses für das geistige Leben leider auch die Grenze der sinnlichen Auffassungskraft für unsre Zeit. Wendet man schärferen Druck an, so bleibt zuweilen das Blutgefälsnetz, dem vielleicht noch andere Gefäfse beigemischt sind, ganz entleert, allein sichtbar, und wer nicht vorsichtig genug ist, kann leicht dieses Netz von Röhren für ein Anastomosiren von gliederlosen Hirnröhren halten. Letztere sind aber zehn - bis zwanzigfach, ja noch weit fei- ner, als diese gliederlosen Blutröhren und es beginnt, meiner Überzeugung nach, hier das neue System des Seelenorgans, dem das Blutsystem nur sein Material zuführt. II. Von der Gans. Fig.a. Blutkügelchen und deren Kerne. Erstere sind 7” grols. Fig. d. Netzhaut. Hier ist besonders bemerkenswerth, dafs neben den Markkernen und den Gliederröhren noch ziemlich grofse keulenförmige Körper auf der Netzhaut befindlich sind, deren Zusammenhang unklar blieb. Diese Keulen hält Herr Treviranus neuerlich für Nervenpapillen. Sie scheinen mir aber zu dick, um für die Enden der zarten Gliederröhren gehalten werden zu können, welche offenbar der nervöse Theil sind. Fig. c. Rindensubstanz des Gehirns, mit vielen Markkörnern. Fig.d. Gliederröhren der oberen Hirnhöhlenwand. Fig. e. Bau der gestreiften Körper des Gehirns. Fig. f. Bau des Schnerven. IV. Von der Dohle. Fig.a. Netzhaut. Fig. 6. Marksubstanz des Gehirns. Fig. c. Intercostal- Nerv, aus markführenden Eylinderröhren bestehend. V. Von der kleinen Rohrdommel (Ardea minuta). Fig. a. Rindensubstanz des Gehirns. Fig.d. Marksubstanz des Gehirns. Fig.c. Rückenmark. Fig.d. Structur eines Bauchganglions, mit Gefälsen, Markkörnern, Gliederröhren und Cylinderröhren. Fig. e. Cy- linderröhren des markführenden Intercostal- Nerven. Vl. Vom Staar. Fig.a. Blutkügelchen und deren Kerne bei +. Erstere „1;”” grols. Fig. 6. Netzhaut. Markkörner 5,” grols. Fig.c. Hirnsubstanz mit Gefäfsnetz voll Blutkügel- chen, Markkörnern und sehr feinen Gliederröhren. Fig.d. Rückenmark. Tafel IV. Hirn und Nervenmark der Amphibien und einiger Fische. Diese Tafel enthält den Nervenbau von drei Amphibien und drei Fischen ebensovieler verschiedener Gattungen. Diese Formen zeichnen sich bei Amphibien durch grölsere Dimen- sions-Verhältnisse aus. Ich rathe defshalb, die ersten Untersuchungen über diese Structur- Erscheinungen an Fröschen zu machen. Nicht gröfser, aber weicher, sind sie bei Wasser- salamandern. Man vergleiche hiezu die von mir in Poggendorffs Annalen vorläufig schon mitgetheilten, um Raum zu sparen, hier nicht wiederholten Darstellungen des Baues im ge- meinen Frosche, bei welchem ich den Übergang der Gliederröhren in die Nervenröhren zuerst deutlich erkannte. — Einige Gliederröhren haben im Stich vorzeitig Lumina erhalten. Structur des Seelenorgans. ZT «) Amphibien. I. Vom grünen Sumpffrosche. Fig.a. Blutkügelchen und Blutkerne. Erstere sind 5-5” grols. Einige davon sind von der Seite gesehen und erscheinen daher spindelförmig. Bei + sind sie im angetrockneten Zustand dargestellt, wo die inneren Kerne deutlicher um- gränzt erscheinen. Löst man, durch Zuthun von etwas Wasser, die Hülle ab, so bleiben die Kerne, wie bei ++ übrig, welche 51,” grols sind. Fig.d. Rindensubstanz des Gehirns, nur von Gliederröhren, verästeten Blutgefälsen und Körnern gebildet, welche deutlich den Blut- kernen gleichen. Solche schon fast hüllenlose Körper sieht man nicht selten in den feinsten Gefälsästen, die enger sind, als die Durchmesser jener, cylindrisch ausgedehnt. Fig.c. Netz- haut. Fig.d. Marksubstanz des Gehirns. Fig.e. Rückenmark. Fig.f. Wurzel des Nervus ischiadicus, mit gemischten Röhren, die zum Theil Mark führen. II. Vom Wassersalamander (Triton ceristatus). Fig. a. Blutkügelchen, 45’ grols, mit ihren Kernen. Fig.d. Netzhaut mit grolsen Markkörnern, welche den Blutkernen glei- chen, und sehr feinen Gliederröhren. Fig.c. Hirnsubstanz mit sehr grolsen Markkörnern (Blutkernen?) und sehr feinen Gliederröhren. Fig.d@. Rückenmark, aus gröberen und immer feineren Gliederröhren gebildet. Bei verstärktem Drucke verlieren die gröberen ihre natür- liche Gestalt, aber die feineren werden deutlicher. Eine Zwischensubstanz anderer Art läfst sich nicht erkennen. Die gewebeartige Form wird meist durch den Druck erzeugt, wie bei einer Zwirnllechte. Fig.e. Ein kleiner Theil des Plexus drachialis, mit durch verstärkten Druck aus den Abschnittsflächen der einzelnen Röhren hervortretenden Nervenmarke. II. Von der Natterschlange. Fig.a. Blutkügelchen ;},”’ grols. Fig. 2. Körner der Netzhaut. Fig.c. Rückenmark. £) Fische. IV. Vom Dorsch (Gadus Callarias). Fig. a. Blutkügelchen in ihrer verschiedenen Erscheinung. Regelmäfsigste bei +, gefaltete bei *, mit deutlicherem Kerne bei ++, hüllen- lose bei +++. Gröfse der ersteren —”. Fig.d. Netzhaut des Auges, mit ihren Glieder- röhren und Körnern. Solche Fälle sind geeignet, die Glieder ganz übersehen zu lassen, die doch deutlich da sind. Fig. c. ist die Darstellung des halb durchgeschnittenen Augapfels, so dafs der Eintritt des Sehnerven in der Mitte sichtbar ist und seine allseitig gleiche strahlen- förmige Verbreitung erkennbar wird. Bei noch stärkerer Vergrölserung erkennt man auch das bündelweise Verlaufen der Röhren, welches ein Nervengelflecht darstellt. Die obere Figur zeigt die natürliche Gröfse, die untere eine schwache Vergrölserung mit der Lupe. Fig. d. Röhren des Sehnerven. Fig. e. des Geruchsnerven. Fig. f. des Rückenmarkes. V. Vom Hecht. Fig. a. Blutkügelchen und ihre Kerne. Erstere 55-75 grols. Fig. 6. Netzhaut. Fig.c. Bau der grolsen Hirnkugeln. Fig.d. des Schnerven. Fig.e. des Rückenmarkes. VI. Vom ZLadbrus lineatus der Nordsee, im Sommer 1833 in Christiania in Norwegen beobachtet. Fig. «. Blutkügelchen, ;55”” grols, nebst ihren Körnern. Fig. 2. Bau des Sehnerven. Tafel V. Hirn und Nervenmark noch anderer Fische. Es sind hier noch acht verschiedene Fischarten, welche noch sieben andern Gattungen angehören, dargestellt. Ich habe besonders die Geruchs - und Gehörorgane hei diesen Dar- 718 EHrEnBEre: stellungen hervorgehoben. Alle Abbildungen, bis auf die des Gehörnervengeflechtes im Ohre der Fische, sind bei 300maliger Vergröfserung entworfen. Letzteres bei 200 maliger. I. Von der Karausche. Fig.a. Blutkügelchen mit ihren Kernen, 45” grols. Fig. >. Netzhaut, aus Gliederröhren, Blutgefäfsen und Körnern bestehend. Auch einige keulen- förmige grolse Körper finden sich darin. Fig.c. Hirnsubstanz. Fig.d. Gliederröhren des Rückenmarkes. Fig. e. Strahlung des Sehnerven in der Netzhaut des halben Augapfels. Fig. f. Theil des Geruchsnerven mit dem Riechkolben, mit Weglassung der dünnen Sehnenfaser- Umhüllung. Die ganze Masse besteht aus Gliederröhren, die im Kolben nur feiner sind. Der Kolben ist der Rindensubstanz, der Stamm der Marksubstanz des Gehirns ähnlich. Ge- rade, wenig verästete Blutgefäfse begleiten den Stamm und verzweigen sich auf das dichteste im Kolben, wo viele Markkörner liegen. Alle diese Gefälse waren mit Blutkügelchen dicht erfüllt, und in den Kolbenzweigen waren diese in einfacher Reihe, in den feineren waren sie langgestreckt, wie mit Gewalt hineingetrieben, was zum Theil Folge des Druckes ge- wesen sein mag. II. Vom Rothauge (Cyprinus erythrophthalmus). Fig. a. Netzhaut mit Markkörnern. Fig. 2. Blutkügelchen von 5” Grölse. Fig.c. Verlängertes Hirnmark (Medulla oblonga). Fig. d. Hirnsubstanz. Fig. e. Rückenmark. Fig. f. Sehnerv. Fig. g. Intercostal-Nerv. Fig. h. Ausbreitung des Gehörnerven in der steinführenden Gehörkapsel, mit der Lupe vergrölsert. Fig. i. (heifst auf der Tafel aus Versehen auch Fig. 5.) Dieselbe 200mal vergröfsert. Der Gehörnerv erscheint als ein Nervengeflecht aus Gliederröhren. Der Stamm zeigt viele, fast eylindrische Nervenröhren mit unregelmäfsigen, weit stehenden Knoten, aber kein Nerven- mark. II. Vom Aal. Fig.a. Blutkügelchen, von der breiten und schmalen Seite. Gröfse 1-4”. Fig. 5. Rindensubstanz des Gehirns, oberhalb einige Blutkügelchen mit ihren Ker- 44 168 ven; zu deren Vergleichung mit den Markkörnern, die 515-555 messen. Fig. c. Netzhaut. Fig. d. Marksubstanz des Gehirns. Fig. e. Medulla oblonga, äulserlich mit gespannten Glieder- röhren, nach innen mit verschieden contrahirten Fragmenten. Fig. f. Rückenmark mit sei- nen zum Theil schr grofsen Gliederröhren, deren gröfste in der Mitte dargestellt ist. IV. Vom Blennius viviparus der Nordsee und Ostsee, den ich 1833 beobachtet. Fig. a. Blutkügelchen, 45” grofs. Fig. d. Strahlung des Sehnerven in der Netzhaut oberhalb des Augapfels, mit der Lupe vergröfsert. Die Strahlung ist fast kreuzförmig. Fig. c. Netz- haut, welche auf den Gliederröhren Gefälse, Körner und Kölbchen enthält, die mit einer körnigen Masse erfüllt sind. Um Enden der Gliederröhren zu sein, scheinen sie zu dick. Fig. d. Marksubstanz des Gehirns. Fig. e. Medulla oblonga. V. Vom Gobius niger der Nordsee und Ostsee 1833. Fig. a. Blutkügelchen, 45” grols, mit ihren Kernen. Fig.d. Netzhaut, aulser den Gliederröhren, Gefälsen und Mark- körnern mit Stäbchen und kleinen Keulen besetzt. Fig.c. Bau des kleinen Gehirns. Fig a. Rückenmark. VI. Vom Flufsbarsch. Fig.a. Blutkügelchen und deren Kerne. Erstere Fig. 2. Netzhaut. Ein sich verzweigendes Blutgefäls geht über die Gliederröhren des Nerven hin, welche Markkörner bedecken, die den Blutkernen gleichen. VI. Vom Hering (Clupea Harengus) aus der Nordsee, bei Christiania 1833. Fig. a. Blutkügelchen, z7” grols, von der breiten und schmalen Seite, nebst den Kernen. Fig. 2. Körner der Netzhaut. in grols. Structur des Seelenorgans. 719 VII. Vom Stichling (Gasterosteus pungitius). Fig. a. Blutkügelchen, von der breiten und schmalen Seite. Fig. 6. Netzhaut mit ihren Körnern. Fig.c. Rückenmark. Tafel VI. Bau des Seelenorgans der rückenmarklosen (wirbellosen) Thiere. Es sind auf dieser Tafel die Verhältnisse der Nervensubstanz von sieben verschiedenen Thieren vorgelegt, deren zwei der Classe der Mollusken, drei der Classe der Crustaceen (Krebse), eins der Classe der Insecten und eins der Classe der Ringwürmer angehören. Ich habe deren viel mehr untersucht. Es ist wohl kein Zweifel, dafs alle diese Thierformen dadurch sich von den früheren sehr wesentlich unterscheiden, dals sie in ihrer Nerven- substanz weit weniger Gliederröhren und verhältnilsmäfßsig weit mehr Nervenmarkröhren besitzen. Dals die Cylinderröhren und die Mark führende Bauchganglienkette nicht mit dem Gliederröhren führenden Rückenmarke verglichen werden kann, steht anatomisch, meines Erachtens, ganz fest und ich halte diesen durchaus klaren Charakter für einen der wichtig- sten der Zoologie. Auch bei Seesternen habe ich in den Tiedemannschen Nervensträngen, die ich bis an die von mir entdeckten Sinnesorgane, die Augen, verfolgt habe und mithin um so sichrer für Nerven ansprechen kann, einfache, sehr feine Cylinderröhren mit Mark erkannt. Die Nerven der Acalephen, Entozoen, Infusorien u. s. w. sind zu zart, als dafs sich über ihre Bestandtheile mit einiger Sicherheit entscheiden liefse. Bei ıhnen leitet bis jetzt am meisten die allgemeine Form und ihre Verbindung mit Augen zur sicheren Feststellung ihrer Function. Überall aber da, wo die Verhältnisse sich klar entwickeln lielsen, habe ich jene Bildung so ohne Ausnahme erkannt, dafs ich dieser anatomischen Verschiedenheit ein hohes Gewicht beizulegen kein Bedenken trage. Ob aus diesem Baue hervorgehen würde, dals die rückenmarklosen Cylinderröhren-Thiere nicht so klarer Empfindungen fähig wären, als die Rückenmark - oder Gliederröhren-Thiere, läfst sich nicht entscheiden. Sie haben ein Gehirn und directe Verbindung ihrer Nervenröhren mit demselben, folglich wohl, auch nach anatomischen Rücksichten, gewisse klare Empfindungen. Alles aber, was sich über die Intensität ihrer Fähigkeiten sagen läfst, bleibt unklare Vermuthung. Nur soviel ist gewils, dafs auch sie dieselben organischen Mittel zu klarem Sebstbewulstsein, nur in geringerer Menge, haben, wie die Säugethiere und der Mensch. a) Mollusken. I. Die rothe nackte Wegschnecke (Arion Empiricorum). Fig. 1. Blutkügelchen aus dem Herzen, mit deutlicher Hülle und Blutkernen. Grölse 4 -%”. Fig. 2. Sonderbare Structur des unteren Hirnknotens. Im oberen Hirnknoten sah ich sehr feine, nicht ganz deutlich werdende Fasern (wie Gliederröhren) und Körner, welche den Blutkernen glichen. Fig. 3. Bauchnery. Aus deutlichen markführenden Cylinderröhren gebildet. Feine verästete Gefälse, die keine Blutgefäfse sein können, lassen sich auf seiner Oberfläche erkennen. Durch verstärkten Druck entleerten die Cylinder sichtlich ihr Mark und waren dann, im Innern leer, noch deutlich zu erkennen. Dicke der Cylinderröhren Zz”. II. Die lebendig gebärende Sumpfschnecke (Paludina vivipara). Fig.1. Blut- kügelchen ohne deutliche Hülle, deutlich gekörnt. Gröfse 437”. Fig. 2. Bauchnerv, aus mark- führenden Cylinderröhren gebildet, deren Durchmesser 5 - 534,5” betrug. Vergrölserung der Abbildung dieser letzteren 800 mal. 720 EurENBERG: £) Krebse. II. Der Hummer (4stacus marinus), aus Christiania in Norwegen, 1833. Fig.1. Blutkügelchen ohne Hülle, ganz aus Körnerchen bestehend, aus den Kiemen und dem Herzen. Gröfse 5". Lösen sich durch Druck in die Körnchen auf. Fig.2. Hirnsubstanz, deutlich aus sehr feinen Gliederröhren mit grolsen gekörnten Körpern gebildet, die den Blutkörpern gleichen. Fig, 3. Sehnervensubstanz, auch Körner und Gliederröhren enthaltend. Fig. 4. Theil eines Bauchganglions aus dem sogenannten Schwanze, der aber der Leib selber noch ist, weil er den After am Ende erst führt. Es zeigen sich wieder Körner und Glieder- röhren neben grofsen dicken Cylinderröhren. Fig.5. Verbindungstheil der Ganglien, der eigentliche Bauchstrang. Diese sehr grolsen Nerven-Cylinder, welche deutlich hohl sind und Mark führen, sind aber sehr gallertig und durchsichtig, wie denn das Nervenmark der Krebse nicht von Farbe weils, sondern wasserfarben ist. So sieht kein Rückenmark der Wirbelthiere aus. Diese Röhren sind 4” dick. IV. Der Fluflskrebs (Astacus fluviatilis). Fig.1. Blutkerne ohne Hülle, als Blut- kügelchen. Größse Z- -;5”, aus den Kernen und dem Herzen. Fig. 2. Sehnervensubstanz. Fig. 3. Hirnsubstanz. Fig. 4. Substanz des Schlundringes, aus markführenden Cylinderröhren bestehend. Fig.5. Bauchnery zwischen den Ganglien, ganz deutlich aus markführenden Cy- linderröhren gebildet, die 44-515” im Durchmesser haben. Fig.6. Ein anderer Theil des Bauchnerven am Ganglion, umgeben von grolsen Blutkörpern, denen auch die innere Mark- masse sehr gleicht. V. Die e[sbare Seekrabbe, Garnele, der Ostsee (Palaemon Squilla). Fig. 1. Blutkerne als Blutkügelchen, Grölse 1; - 745”. Fig. 2. Gehirn, aus deutlichen Gliederröhren und grolsen Markkörnern bestehend, die den Blutkernen ganz gleichen. Fig. 3. Bauchnerven zwischen den Ganglien, als markführende Cylinderröhren. y) Insecten. VI. Der Nashornkäfer (Geotrupes nasicornis). Fig.1. Blutkörperchen als gekörnte Kerne ohne Hülle. Gröfse bis 4”, viele kleiner. Fig. 2. Hirnsubstanz, sehr feine Glieder- röhren, grolse, den Blutkörpern ähnliche Körper und überdiels keulenartige, innerlich trüb erfüllte Organe, von noch weit grölserer Form enthaltend, die einen hellen Fleck in der Mitte haben, der aus einen Haufen von Körnchen zu bestehen scheint. Fig. 3. Structur eines Nervenstranges der Bauchnerven, mit ansitzenden Luftröhren. Es sind deutliche mark- führende Cylinderröhren. %) Ringwürmer. VD. Der Blutegel (Sanguisuga medicinalis). Fig. 1. Blutkügelchen in runder Form. Es finden sich öfter längliche, fast eylindrische Blutkügelchen, ich halte aber diese runde Form für die normalere, die andere für verändert durch Collapsus. Man hat bisher noch gar keine Kügelchen im Blute des Blutegels erkannt, allein das ist ein Irrthum gewesen. Ich sehe sie immer, auch bei Helluo vulgaris sind die rothen, sehr zahlreichen Kugeln zu unterscheiden und von Form rund. Sie sind noch etwas gröfser als beim Blutegel. Grölse der nicht sichtbar gekörnten, aber wahrscheinlich nur aus Körnern ohne Hülle bestehenden Blutkügel- chen 555”. Fig.2. zeigt die Substanz des Bauchnerven, selbst durch die Ganglien hindurch, aus lauter Cylinderröhren bestehend, welche durch ein sehr zähes und sehr feines Neurilem, aus äulserst zarten Sehnenfasern, umhüllt sind und durch deren Contraction wahrscheinlich die schlangenförmige Biegung erhalten. Bei starkem Druck und starker Vergrölserung von Structur des Seelenorgans. Ta 500mal im Durchmesser ergiebt sich diese Ansicht. Fig. 3.4. und 5. sind verschiedene For- men dieser Röhren. In den feineren liegt die Marksubstanz als feine Körnchen in einfacher Reihe, in den dickeren ohne bestimmte Ordnung. Die feinsten Cylinderröhren haben einen Durchmesser von 55. Ohne Ausbreitung durch Druck, im normalen Zustande, sind sie wohl um das Doppelte feiner, aber nicht scharf zu unterscheiden. Fig. 6. giebt die Ansicht eines ganzen Ganglions mit seinen Nervenstrahlen. Senkrecht stehen die beiden je zwei Ver- bindungstheile der Ganglıen-Reihe, rechts und links sind je zwei Seitenstrahlen, die sich als- bald in viele Äste spalten. Das ganze Ganglion und alle Nervenzweige sind mit einer sehr feinfasrigen, sehnigen, festen Hülle umgeben, deren Fasern sehr schwer zu erkennen sind. Auf den ersten Blick glaubt man, das Ganze bestehe aus Gliederröhren oder Körnerreihen, allein beim allmälig verstärkten Drucke überzeugt man sich, dafs alles einfache, schlangen- förmig gebogen liegende, markführende Cylinderröhren sind. Bei dem äufseren unteren Seitennerven ist durch Druck die Gliederröhren-Masse geborsten und die Hülle noch ganz geblieben. Bei nicht zu starkem Drucke zwischen Glasplatten sieht man im Innern des Ganglions grofse keulenförmige, in der Mitte helle, sonst trübe, zuweilen mit gekörnten Ku- geln erfüllte Körper, wie sie an andern Hirnstellen schon häufig von mir angezeigt worden sind, deren Zusammenhang mir unklar blieb. Aufserdem auch noch einzelne kleinere Kugeln. Diese Keulenkörper bilden acht Bündel, von denen je zwei in die vier Schenkel des Ganglions durch lange cylindriche Röhren austreten. Drückt man stärker, so platzt entweder das Gan- glion und lälst diese Körper und die zerquetschten Markröhren austreten oder sie bahnen sich einen Weg durch einen der Seitenstrahlen. Die Oberfläche des Ganglions und der Ver- bindungsnerven ist mit feinen verästeten Gefälsen (?) besetzt, die keine Blutgefälse sein und auch nicht den Namen von Zellgewebe erhalten können. Bei sehr starkem Drucke entleeren sich alle markführenden Cylinderröhren und man sieht im Ganglion noch Gliederröhren, über die ich aber im Zweifel blieb. Fig. 7. 8. und 9. stellen diese Verhältnisse dar. Nach Fig. 8. könnte man Gliederröhren annehmen, allein die Knoten scheinen nach Fig. 7. durch Druck zu entstehen, indem sie nur an Kreuzungsstellen sind. Zuweilen erscheint es, wie Fig. 9., als reine Sehnenfasern. Fig. 10. giebt noch eine Ansicht sich entleerender markführender Cylinderröhren der Verbindungstheile der Ganglien. In Fig.11. sind die Keulen aus dem In- neren des Ganglions natürlicher in Lage und im Umrils angegeben. Fig. 12. stellt diese Keulen noch etwas umständlicher dar. Diese Studien zur Erkenntnils des Seelenorgans sind das Resultat strenger Prüfung, und werden defshalb, auch wo sie im Einzelnen irrten, zur nützlichen Anleitung dienen. Werth lege ich nur auf die gewonnenen Facta, nur wenig auf die Folgerungen und es ist keineswegs die Absicht, irgend eine Theorie leichtfertig damit aufzuerbauen. Nur Grund sollen sie hauptsächlich legen helfen, warnend durch Anderer Beispiele vor Übereilung und den geübten Fernsehenden lockend durch einige gewonnene Ausbeute an einer Stelle, wo man, schon verzweifelnd, alles Nachforschen der bequemeren und angenehmeren, aber nie sehr fruchtbar gewesenen Speculation übergeben hatte. ——— 0 Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Yyyy BET air 0 va AN vs en / Ina eh ag Sr: ur ua! An ri A nn als Se: be ö . ” i nn , un ls wi 5 PER 4 A li) ” Ion weh, Are Er \ . un u e * ® i er. FR . „ urn Feragh Bull ele | > BR a E f = . er . . ” f are et u (kan) „ia ur; 2448 her DE f «el: Fi Ham: aa Lie) auhesi as JE ar 5 i . PR Et ae RE Fe es . N u ge an ww A 5 5 . en _ [oa Da 5 ’ 4 m Ar an Ai wre" i u u \ \ a RN we: 4 i — Ä f ei s E, = ARR Ei nl, Ei i -r; a Fre 0! Er ge apa le Ar Es j \ n RER NT | Bi ‘6 Bu » EIN Ar u Na hi Eur We 5 | Fan Br j 25! ie Er Ag a a. ee . EEE U Re 6 1.) Des In = Fu re er ash <= h i . - | 5 i fi 7 £ : = 15 . = u MR k ns A f Eu = B . Yun An a Ic: \ = .- 0 £ u we, r Bu oe j . i 5 ; Ku 2 ID uw . Ber Br ie SE £ . B u — oz ee a er en 7: it HG, Air) W ü . N) Br ah "HR ee R 1! a - fi u ‘3 r ie ‘ Inn | . = u r IE AR - = ee ve 4 ne. a | | tn . 5 vn FE IE Br = . en En - . ui Sa te 3 EZ Ze. 2: . 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Der entstandene Niederschlag von schwefelsaurer Baryterde konnte nicht sogleich filtrirt werden, weil die abfiltrirte Flüssigkeit sich unmittelbar nach dem Filtriren durch neu erzeugte schwefelsaure Baryterde trübte. Ich liefs sie 18 bis 20 Stunden stehen und filtrirte sie dann. Die schwefelsaure Baryterde wurde mit kaltem Wasser ausgewaschen. Sie wog 0,797 Grm.; die nur 25,92 Procent Schwefelsäure in der Verbindung entsprechen. Die abfil- trirte Flüssigkeit, die im Anfange ganz klar war, fing nach 2 Stunden an sich zu trüben. Ich setzte sie mit dem Aussülsungswasser an einen sehr mäfsig erwärmten Ort, wo die Temperatur nur bis zu ungefähr 30° bis 40° stieg, und liefs die Flüssigkeit vollkommen eintrocknen, was nach 61 Tagen ge- schehen war. Die eingetrocknete Masse mit Wasser übergossen, hinterliefs 0,859 Grm. schwefelsaurer Baryterde ungelöst; diese entsprechen 27,93 Proc. Schwefelsäure in der Verbindung. — Die abgesonderte Flüssigkeit wurde zur Trocknifs abgedampft, und die trockne Masse einer solchen Hitze ausgesetzt, dafs sie schmolz. Sie wurde mit Wasser und einem kleinen Zusatz von Chlorwasserstoflsäure übergossen, wodurch 0,450 Grm. schwefelsaurer Ba- ryterde aufgelöst zurückblieben, die 14,63 Proc. Schwefelsäure entsprechen. Auf diese Weise gelang es mir endlich, fast die ganze Menge der Schwefel- säure in der Verbindung, 68,47 Proc. zu erhalten. Man erhält nur dann die ganze Menge der Schwefelsäure mit Baryt- erde verbunden, wenn bei der Zersetzung vollständig das gebildete ammo- niakalische Salz verjagt worden ist, was durch ein vollkommenes Glühen der zersetzten Masse bewirkt wird. Glüht man die Masse nur schwach, so ist die Zersetzung nur unvollständig. — Ich trug 0,561 Grm. der Verbindung in eine concentrirte Auflösung von kohlensaurem Kali, dampfte das Ganze in einem grofsen Platingefäfs bis zur Trocknifs ab, und erhitzte die trockne Masse, so dafs nur ein kleiner Theil des Bodens des Gefäfses sehr schwach roth glühte. Sie wurde darauf in Wasser aufgelöst, die Auflösung mit Chlor- wasserstoffsäure übersättigt, und mit einer Auflösung von Chlorbaryum ver- setzt. Ich erhielt 1,288 Grm. schwefelsaurer Baryterde, was 51,42 Procent Schwefelsäure entspricht. Die abfiltrirte klare Flüssigkeit trübte sich durch’s Einkochen. Sie wurde zur Trocknifs abgedampft und geschmolzen. Nach dem Auflösen der geschmolzenen Masse im Wasser, mit einem kleinen Zu- Phys.-mathemat, Abhandl. 1834. Zzzz 730 Heınrıcu Rose satz von Chlorwasserstoffsäure, blieben noch 0,388 Grm. schwefelsaurer Ba- ryterde ungelöst zurück, die 15,49 Procent Schwefelsäure entsprechen, so dafs im Ganzen 67 Procent davon erhalten wurden. Man sieht aus diesen Versuchen, dafs die ganze Menge der Schwefel- säure im wasserfreien schwefelsauren Ammoniak vermittelst der Auflösung eines Baryterdesalzes nur dann erhalten werden kann, wenn die Zusammen- setzung der Verbindung ganz zerstört worden ist. Noch weit auffallender, als gegen die Auflösung der Baryterdesalze verhält sich die Auflösung des wasserfreien schwefelsauren Ammoniaks gegen die Auflösung der Salze der Strontianerde und der Kalkerde. Wird die concentrirte Auflösung des wasserfreien Salzes mit einer eoncentrirten Auflösung von Chlorstrontium vermischt, so erfolgt kein Nie- derschlag, die Auflösung bleibt vollkommen klar. Zur Vergleichung wurde eine eben so grofse Menge des gewöhnlichen wasserhaltigen schwefelsauren Ammoniaks, in welchem die Menge der Schwefelsäure geringer ist, in einer eben so grofsen Menge von Wasser aufgelöst, wie diefs beim wasserfreien Salze geschehen war, und mit einer gleichen Menge derselben Chlorstron- tiumauflösung versetzt; es bildete sich sogleich in diesem Falle ein starker Niederschlag von schwefelsaurer Strontianerde. — Die Auflösung des wasser- freien Salzes blieb nach dem Zusatze von Chlorstrontium acht Tage hindurch klar; nach dieser Zeit bildete sich ein äufserst geringer, beinahe unwägbarer Niederschlag von schwefelsaurer Strontianerde. Sie wurde nun erhitzt, wo- durch sie sogleich anfıng sich zu trüben. Als sie darauf bis zur Trocknifs abgedunstet, und die trockne Masse so stark erhitzt worden war, bis alles Chlorwasserstoff-Ammoniak sich verflüchtigt hatte, blieb nach der Auflösung in wenigem Wasser, zu welchem etwas Chlorwasserstoffsäure gesetzt worden war, schwefelsaure Strontianerde zurück, die mit Weingeist ausgesüfst wurde, und deren Menge der Menge Schwefelsäure entsprach, welche der Berech- nung nach im angewandten Salze vorhanden war. Die concentrirte Auflösung von Chiorstrontium kann also sehr gut dazu dienen, in der Auflösung das wasserfreie von dem gewöhnlichen wasser- haltigen schwefelsauren Ammoniak zu unterscheiden. Die Auflösung des wasserfreien Salzes kann vor der Zumischung des Strontianerdesalzes gekocht werden, ohne dafs eine Fällung erfolgt, wenn man sie vor dem Zusatz letzterer hat erkalten lassen. — Ich habe ferner die über das wasserfreie schwefelsaure dmmoniak. Tan Auflösung der wasserfreien Verbindung mehr als zwei Jahre hindurch aufbe- wahrt, ohne dafs sie die Eigenschaft verlor, in der Kälte die Auflösung des Strontianerdesalzes zu fällen. Enthält aber die wasserfreie Verbindung auch nur eine kleine Menge freier Schwefelsäure, so wird durch die Auflösung derselben sogleich in der Kälte eine Fällung von schwefelsaurer Strontian- erde durch ein Strontianerdesalz hervorgebracht. Auf ähnliche Weise verhält sich eine Auflösung von Chlorcaleium gegen eine Auflösung des wasserfreien Salzes. Wärend eine gewogene Menge des gewöhnlichen wasserhaltigen schwefelsauren Ammoniaks, in einer gemes- senen Menge Wassers aufgelöst, durch eine gemessene Menge einer Chlor- caleiumauflösung sogleich getrübt wurde, blieb die Auflösung einer eben so grolsen Menge des wasserfreien Salzes in eben so vielem Wasser, und mit derselben Menge von Chlorcalciumauflösung versetzt, vollkommen klar, und setzte auch innerhalb acht Tagen nicht die geringste Spur von schwefelsau- rer Kalkerde ab. Nach dieser Zeit wurde sie erhitzt, wodurch sie sich trübte. Sie wurde zur Trocknifs abgedampft, und nachdem alles Chlorwasserstoff- Ammoniak von der trocknen Masse verjagt worden war, erhielt ich durch Behandlung derselben mit etwas Chlorwasserstoflsäure und einer hinreichen- den Menge Weingeist eine Quantität schwefelsaurer Kalkerde, in welcher eben so viel Schwefelsäure enthalten war, wie der Berechnung nach im an- gewandten wasserfreien Salze. Ich löste die wasserfreie Verbindung in möglichst wenig Wasser auf, und fügte zu der Auflösung eine gesättigte Auflösung von Chlorcaleium, wo- durch keine Fällung entstand. Nach einem Zusatze von starkem Alkohol entstand sogleich ein Niederschlag, der aber nur aus der unzersetzten wasser- freien Verbindung bestand, die unlöslich in Alkohol ist. Ich liefs das Ganze mehrere Wochen hindurch stehen; nach dem Abgiefsen der alkoholischen Flüssigkeit löste sich der Niederschlag vollkommen in wenig Wasser auf. Enthält die wasserfreie Verbindung freie Schwefelsäure, so wird durch die concentrirte Auflösung derselben in einer concentrirten Chlorcalcium- auflösung ein Niederschlag von schwefelsaurer Kalkerde erzeugt. Es wurde die Auflösung von 1,139 Grm. des wasserfreien Salzes mit einer Auflösung von essigsaurem Bleioxyd versetzt, zu welcher noch freie Essigsäure hinzugefügt worden war. Obgleich die Auflösungen concentrirt waren, so blieben sie doch in den ersten Augenblicken vollkommen klar, Zzzz 2 732 Heınrıcn Rose und es fing ein Niederschlag von schwefelsaurem Bleioxyd erst nach einiger Zeit sich zu bilden an. Nach 2 bis 3 Stunden filtrirt, wog er 0,829 Grm.; was nur 19,24 Procent Schwefelsäure im angewandten schwefelsauren Salze entspricht. Aber die abfiltrirte Flüssigkeit fuhr fort sich in der Kälte noch zu trüben, und der Niederschlag vermehrte sich, als sie erwärmt wurde. Aber es ist nicht blofs die Schwefelsäure in der Auflösung des wasser- freien schwefelsauren Ammoniaks, welche sich durch die gewöhnlichen Rea- gentien auf die gewöhnliche Weise nicht abscheiden läfst, sondern auch das Ammoniak in der Verbindung kann eben so wenig auf die Weise bestimmt werden, wie man es gewöhnlich mit Genauigkeit zu bestimmen pflegt. 1,905 Grm. der Verbindung wurden in möglichst wenigem Wasser aufgelöst; zu der Auflösung wurde eine spirituöse Auflösung von Platinchlo- rid im Überschufs gesetzt, und das Ganze mit starkem Alkohol verdünnt, zu welchem etwas Aether gesetzt worden war. Es schlug sich das Doppelsalz von Platinchlorid und Chlorwasserstoff- Ammoniak nieder, das filtrirt, und mit starkem Spiritus, der etwas Äther enthielt, ausgesüfst wurde. Der Nie- derschlag wurde nach dem Trocknen vorsichtig geglüht. Er hinterliefs 1,610 Grm. Platin, welche aber nur 14,70 Procent Ammoniak in der angewandten Verbindung enstprechen, also ungefähr nur der Hälfte von dem Ammoniak, das die Verbindung wirklich enthält. — Die vom Doppelsalze abgedampfte Flüssigkeit wurde vorsichtig so weit abgedampft, bis der Spiritus sich ver- flüchtigt hatte und Schwefelsäure anfing zu verdampfen. Der Rückstand wurde mit Kalihydrat vermischt, wodurch schon in der Kälte ein starker Ammoniakgeruch sich entwickelte, während Platinschwarz sich niederschlug. Der Versuch wurde noch einmal mit einer Quantität der Verbindung von 1,084 Grm. wiederholt. Ich erhielt diefsmal 1,076 Grm. Platin, was 17,26 Procent Ammoniak in der Verbindung entspricht. In der wasserfreien Verbindung der Schwefelsäure mit dem Anımoniak sind also beide Bestandtheile in einem Zustande, der isomerisch genannt werden kann in Vergleichung mit dem, in welchem sich diese Bestandtheile in anderen Substanzen und im wasserhaltigen schwefelsauren Ammoniak be- finden. Werden beide Bestandtheile von einander getrennt, so treten sie in den Zustand über, in welchem sie durch die gewöhnlichen Reagentien quan- titativ bestimmt werden können. Es glückt daher nicht, die Schwefelsäure aus dem wasserfreien schwefelsauren Ammoniak in ihrer isomerischen Modi- über das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak. 733 fication auf andere Basen überzutragen. So wie sie vom Ammoniak getrennt wird, unterscheidet sie sich von der gewöhnlichen Schwefelsäure nicht. — Ich digerirte in der Kälte Kalkhydrat mit einer Auflösung von wasserfreiem schwefelsauren Ammoniak so lange, bis die Flüssigkeit nicht mehr nach Ammoniak roch; aber die Schwefelsäure, von dem Theil des Salzes, der zer- setzt wurde, bildete mit der Kalkerde gewöhnliche schwefelsaure Kalkerde. Ich leitete ferner die Dämpfe der wasserfreien Schwefelsäure auf fein zerriebenes Bleioxyd und fein zerriebene Kalkerde, aber ich konnte es nicht dahin bringen, dafs diese Basen sich mit der Säure verbanden. Die Dämpfe derselben setzten sich nur an die Stellen des Gefäfses an, wo dieses durch eine Frostmischung am kältesten erhalten wurde, und geschah dies nur da, wo die Basis lag, so legte sich die Säure auf diese, ohne sich mit ihr zu verbinden. Dafs die Schwefelsäure nur in ihrer wasserfreien Verbindung mit Am- moniak eigenthümliche Eigenschaften zeigt, und ohne mit Ammoniak zu einem neutralen Salze verbunden zu sein, sie nicht zeigt, geht schon aus den oben angeführten Versuchen hervor, nach welchen die Auflösung der was- serfreien Verbindung, welche freie Säure enthält, die Auflösungen der Stron- tianerde - und Kalkerdesalze fällt. Die Trennung der Schwefelsäure von Ammoniak im wasserfreien Salze geschieht nicht blofs theilweise in der Kälte durch starke Basen im reinen Zustande, sondern selbst auch durch Auflösungen von Salzen der Basen, die eine grofse Verwandtschaft zur Schwefelsäure haben. Es geht aus den früher angeführten Versuchen hervor, dafs kohlensaures Kali in der Kälte zwar schon Ammoniak aus der Auflösung des wasserfreien Salzes entwickelt, aber die ganze Menge der Schwefelsäure im Salze verbindet sich dann erst mit dem Kali zu gewöhnlichem schwefelsauren Kali, wenn das Ammoniak voll- ständig von der Säure getrennt worden ist; und aus einem der früher er- wähnten Versuche ging hervor, dafs ein Überschufs des kohlensauren Kalis mit dem wasserfreien Ammoniaksalze bis zum anfangenden Glühen erhitzt werden kann, und dafs dennoch nicht die ganze Menge des letzteren voll- ständig zersetzt wird. Wird die Auflösung des wasserfreien Salzes mit einer Auflösung von Chlorbaryum in der Kälte vermischt, so ist die Verwandtschaft der Baryt- erde zur Schwefelsäure so grofs, dafs sie dieselbe aus ihrer isomerischen Modification in den gewöhnlichen Zustand zurückführt und sich mit ihr zu 734 Hrınrıcu Rose schwefelsaurer Baryterde verbindet. Aber diese Umwandlung dauert sehr lange; sie wird zwar durch Erhitzung beschleunigt; es geht aber aus einem oben angeführten Versuche hervor, dafs selbst die Zersetzung einer kleinen Menge der Verbindung nach einer Erwärmung von einigen Monaten nicht vollendet ist, und dafs eine Glühhitze, oder eine Hitze, bei welcher sich zu- gleich alles Ammoniak mit der Säure des Baryterdesalzes verbindet und sich verflüchtigt, dazu gehört, um sie vollständig zu machen. Schwächer als die Verwandtschaft der Schwefelsäure zur Baryterde ist die zu der Strontianerde und zu der Kalkerde; daher zersetzten die Auflö- sungen der Salze dieser Erden die Auflösung des wasserfreien schwefelsauren Ammoniaks nicht oder fast nicht in der Kälte, und es gehört eine Erwär- mung dazu, um das hervorzubringen, was die Auflösung des Baryterdesalzes schon in der Kälte bewirkt. Es ist ferner die Neigung des Ammoniaks, um das Doppelsalz von Platinchlorid und Chlorwasserstoff-Ammoniak zu bilden, welche bewirkt, dafs in der Auflösung des wasserfreien schwefelsauren Ammoniaks durch Pla- tinchlorid dieses Doppelsalz erzeugt wird; aber eben so wenig wie durch die Auflösung eines Baryterdesalzes die ganze Menge der Schwefelsäure, so kann auch durch Platinchlorid nicht die ganze Menge des Ammoniaks abgeschie- den werden. Das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak scheint auf keine andere Weise, als auf die oben beschriebene erzeugt werden zu können. Es entsteht nicht, wenn die Dämpfe der wasserfreien Schwefelsäure in starke Ammoniak- flüssigkeit geleitet werden; es bildet sich in diesem Falle nur schwefelsaures Ammoniak, aus dessen Auflösung in der Kälte durch die Auflösung eines Baryterdesalzes die Schwefelsäure völlig gefällt wird. Das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak läfst sich in seiner Auflösung im Wasser nicht nur lange unverändert aufbewahren, sondern man kann es auch aus derselben krystallisiren lassen, ohne dafs die Krystalle einen Was- sergehalt annehmen. Es ist natürlich, dafs die Krystalle eine andere Form haben müssen, als die des gewöhnlichen schwefelsauren Ammoniaks; aber bei denen, die ich dargestellt habe, habe ich keine deutliche Krystallform bestimmen können. Sie bildeten Nadeln und Blättchen, die sich indessen sehr von Krystallen des wasserhaltigen Salzes unterschieden, das in kleinen Mengen in Wasser aufgelöst, beim freiwilligen Abdunsten, zum Theil recht über das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak. 735 deutliche Krystalle bildet, zum Theil bekanntlich sehr effloreseirt, was bei der Auflösung des wasserfreien Salzes nicht der Fall ist. Ich habe übrigens mehrmals die Auflösung des wasserfreien Salzes, sowohl unter der Luftpumpe über Schwefelsäure, als auch durch Abdampfen bei sehr gelinder Wärme krystallisiren lassen, ohne so bestimmbare Krystalle zu erhalten, wie man aus weit kleineren Mengen vom gewöhnlichen wasserhaltigen Salze erhält. Die Auflösung der krystallinischen wasserfreien Verbindung bringt übrigens keine Fällung in der Kälte mit einer Chlorstrontium-"Auflösung hervor, und durch die Analyse einer hinreichenden Menge derselben erhielt ich die Menge der Schwefelsäure, die im wasserfreien Salze enthalten ist. Ich habe bisher die Auflösung des wasserfreien schwefelsauren Ammo- niaks als eine isomerische Modification von der des gewöhnlichen wasserhal- tigen schwefelsauren Ammoniaks angesehen; man kann indessen die wasser- freie Verbindung als einen Körper eigenthümlicher Art betrachten, der in einer ähnlichen Beziehung zu dem gewöhnlichen schwefelsauren Ammoniak steht, wie das Oxamid zum oxalsauren Ammoniak. Das wasserfreie schwe- felsaure Ammoniak ist aber von den Stoffen dieser Klasse der Amide wesent- lich hinsichtlich seiner Zusammensetzung verschieden. Während in ihnen Stickstoff und Wasserstoff bekanntlich in einem anderen Verhältnifs wie im Ammoniak enthalten sind, und nur durch Wasserstoff vom aufgenommenen Wasser Ammoniak gebildet wird, ist im wasserfreien schwefelsauren Ammo- niak Stickstoff und Wasserstoff in dem Verhältnifs, wie im Ammoniak; aber diese Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff ist nicht das Alkali Ammo- niak, das sich im wasserfreien Zustande nur mit Wasserstoffsäuren und nur im wasserhaltigen Zustande sich mit Sauerstoflsäuren verbindet, vielleicht, weil es dann nach einer sinnreichen Hypothese von Berzelius Ammonium- oxyd (84°) bildet. Nach dieser Hypothese wären die gewöhnlichen, längst bekannten wasserhaltigen Verbindungen des Ammoniaks mit Sauerstoflsäuren Ammoniumoxydsalze und nur das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak ein wahres Ammoniaksalz. Da es möglich wäre, dafs die Stoffe, welche man jetzt Amide zu nen- nen pflegt, Wasser enthalten können, so kann man, auf eine ähnliche Weise, wie man nach Dumas den Harnstoff als ein Amid des Kohlenoxyds ansehen kann, das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak als ein wasserhaltiges Amid der schweflichten Säure betrachten, und seine Zusammensetzung durch die 736 H. Rose über das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak. Formel $YH?-+H ausdrücken, welche dieselbe Menge von einfachen Atomen enthält, wie die Formel S+HX°. Ich will nicht entscheiden, welche von diesen Ansichten die richtige sei; ich glaube indefs, dafs eine Untersuchung der Verbindungen von ande- ren wasserfreien Sauerstoffsäuren mit wasserfreiem Ammoniak vielleicht zu Resultaten führen könnte, wodurch eine von diesen Ansichten als die wahr- scheinlichere erkannt werden kann. Es ist bekannt, dafs die wasserfreie Schwefelsäure mit Schwefel eine blaue Verbindung bildet. Ich habe einige Versuche über die Einwirkung des trocknen Ammoniakgases auf dieselbe angestellt. Die von mir angewandte blaue Schwefelsäure enthielt viel überschüssige wasserfreie Schwefelsäure. Durch die Dämpfe des Ammoniaks entstand eine sehr heftige Einwirkung, und die blaue Farbe der Verbindung, da wo sie am intensivsten war, ging in eine schön carminrothe über. Da die trockne Verbindung mit vielem über- schüssigen wasserfreien schwefelsauren Ammoniak gemengt war, so sah sie weifs aus, mit röthlichen Stellen gemengt. Mit Wasser behandelt, löste die- ses wasserfreies schwefelsaures Ammoniak und schweflichtsaures Ammoniak auf, während Schwefel ungelöst zurückblieb. Über das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak. Von Hm. HEINRICH ROSE. mmnwmmnnnndVn [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 15. Mai 1834.] FE, ist schon seit längerer Zeit bekannt, dafs sich das Ammoniak mit den Sauerstoffsäuren nur dann zu Salzen verbindet, wenn zugleich noch Wasser vorhanden ist, und diese Bedingung ist eine so allgemeine, dafs man das Ammoniak nur in Verbindung mit Wasser als eine salzfähige Base, ähnlich den feuerbeständigen Alkalien, betrachten kann. Ich habe indessen gefunden, dafs auch das wasserfreie Ammoniak sich mit einigen wasserfreien Sauerstoff- säuren verbinden kann, aber diese Verbindungen unterscheiden sich in vieler Hinsicht wesentlich nicht nur von den Ammoniaksalzen, welche dieselben Sauerstoflsäuren mit dem Ammoniak in Verbindung mit Wasser bilden, son- dern auch von den Salzen überhaupt. Eine der merkwürdigsten Verbindun- gen dieser Art ist die der wasserfreien Schwefelsäure mit dem Ammoniak. Man bereitet das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak auf die Weise, dafs man in ein Gefäfs, welches feste wasserfreie Schwefelsäure enthält, das Gas des trocknen Ammoniaks leitet. Will man indessen ein Produkt haben, das immer gleich zusammengesetzt ist, so hat man bei der Berei- tung desselben mehrere Vorsichtsmafsregeln zu beobachten. Zuerst leitet man die Dämpfe der wasserfreien Schwefelsäure in ein Gefäls mit weiter Mündung, das äufserlich durch Schnee oder Eis erkältet ist, auf die Weise, dafs sich dieselben an die kalten Wände desselben gleichförmig absetzen, und keinen zu dicken Überzug bilden; was man durch Umdrehung des Glases bewirken kann, oder auch dadurch, dafs man von aufsen das Glas gleichför- mig mit Schnee umgiebt. Man mufs durchaus zu verhüten suchen, dafs die Säure sich an einer Stelle in zu grofser Menge anhäuft. Unmittelbar darauf leitet man in das Gefäfs sehr langsam die Dämpfe vom Ammoniak, die durch Yyr72 724 Heıycıcn Rose Kalihydrat sorgfältig getrocknet worden sind, nachdem man das Gefäfs mit einer Frostmischung umgeben hat. Der dünne Überzug der wasserfreien Säure verbindet sich sogleich unter Entwicklung von Wärme, die sehr be- deutend ist, wenn das Gas rasch hinzugeleitet wird und man das Gefäfs nicht stark erkältet, zu wasserfreiem schwefelsauren Ammoniak; aber diefs umhüllt an den Stellen, wo die Säure gröfsere Massen bildet, dieselben so, dafs das Ammoniak nicht in das Innere derselben dringen kann. Man bewirkt auch selbst dann keine vollständig neutrale Verbindung, wenn man die Oberfläche der Säure durch Umrühren zu erneuern sucht; es bildet sich dann eine Ver- bindung von wasserfreiem schwefelsauren Ammoniak mit wasserfreier Schwe- felsäure, die aus harten glasähnlichen Stücken besteht, und dem weilsen arabischen Gummi ähnlich ist. Ist diefs mit einer Rinde von neutralem was- serfreien schwefelsauren Ammoniak bekleidet, so kann es länger als ein Jahr in einer Flasche, die mit Ammoniakgas gefüllt ist, aufbewahrt werden, ohne dafs es seine freie Säure verliert. Man mufs es so schnell wie möglich in einem Calcedon-Mörser zu einem feinen Pulver reiben, zu diesem trocknes Ammoniakgas leiten, und es von Zeit zu Zeit gut umschütteln. Wenn man sich indessen nicht sehr beim Zerreiben beeilt, so zieht das Pulver sehr leicht Feuchtigkeit an, und hat man es nicht fein genug zerrieben, so enthält es, ungeachtet der nachherigen Behandlung mit Ammoniakgas, noch wasserfreies saures schwefelsaures Ammoniak. Man thut daher am besten, das lockere leichte Pulver des neutralen wasserfreien Salzes, das sich durch einen dünnen Überzug von Säure bildet, in ein besonderes trocknes Glas zu bringen, das man vorher mit Ammoniak- gas gefüllt hat, und es zu sondern von allen harten Stücken, die saures Salz enthalten, und die sich nur mit Schwierigkeit aus dem Gefäfs, in welchem sie sich gebildet haben, herausbringen lassen, da sie sehr fest an den Wän- den desselben sitzen. Man kann dieses saure Salz nur auf die Weise von seiner über- schüssigen Säure befreien, dafs man es in einer Flasche mit starkem Alkohol übergiefst, in welchem das neutrale Salz nicht löslich ist, es oft stark damit umschüttelt, und nachdem sich das Salz abgesetzt hat, den Alkohol abgiefst. Dies mu[s man so oft wiederholen, bis der abgegossene Alkohol nach Ver- dünnung mit Wasser noch durch die Auflösung eines Baryterdesalzes getrübt wird. Aber in manchen Fällen wird auf diese Weise nicht alle freie Schwe- über das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak. 125 felsäure fortgeschafft. Man mufs dann versuchen, das getrocknete Salz im Calcedon-Mörser äufserst fein zu zerreiben, und damit die Behandlung mit Alkohol zu wiederholen. Das neutrale wasserfreie schwefelsaure Ammoniak bildet ein weifses lockeres Pulver. Beim Zutritt der atmosphärischen Luft erleidet es, wenn es frei von saurem Salze ist, keine Veränderung; es zieht aus ihr nicht Feuch- tigkeit an und zersetzt sich nicht; enthält es aber saures Salz, so wird es nach längerer Zeit etwas feucht, und ist die Menge desselben bedeutend, so zerflielst es endlich. Es löst sich sehr leicht in kaltem Wasser auf; die Auf- lösung reagirt neutral oder sehr schwach alkalisch, was aber nur davon her- rührt, dafs ich es immer in Gläsern aufzubewahren pflegte, die mit Ammo- niakgas gefüllt waren. Wenn es etwas des sauren Salzes enthält, reagirt die Auflösung schwach sauer. Ist die Menge desselben beträchtlich, so bemerkt man ein Zischen, wenn man es mit Wasser übergiefst. — Der Geschmack der Auflösung von der neutralen Verbindung ist bitter, gerade so wie der des gewöhnlichen wasserhaltigen schwefelsauren Ammoniaks. Das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak ist wie das wasserhaltige in Alkohol unlöslich. Es wird auch, längere Zeit mit ihm in Berührung gelassen, durch den Alkohol nicht verändert. Wird es mit Alkohol der Destillation unterworfen, so enthält der abdestillirte Alkohol etwas Ammoniak. Die Auflösung des neutralen Salzes entwickelt Ammoniak, auch schon in der Kälte, wenn man eine Auflösung von Kali oder Kalkhydrat hinzufügt. Auch eine Auflösung von kohlensaurem Kali entwickelt aus ihr in der Kälte einen Ammoniakgeruch, wie aus gewöhnlichem wasserhaltigen schwefelsau- ren Ammoniak. Wird hingegen das trockne Salz mit trockner kohlensaurer Baryterde oder Kalkerde gerieben, so entwickelt es nicht, wie das wasser- haltige Salz, einen schwachen Ammoniakgeruch; dieser zeigt sich erst nach Befeuchtung des Gemenges mit Wasser. Mit concentrirter Schwefelsäure übergossen, wird aus dem Salze kein Geruch nach schweflichter Säure entwickelt. Mit einem Überschufs von concentrirter Schwefelsäure mäfsig erwärmt, löst es sich darin auf, jedoch schwierig; durch’s Erkalten scheidet es sich wieder daraus ab. Es unter- scheidet sich in dieser Hinsicht vom wasserhaltigen schwefelsauren Ammo- niak, das sich weit leichter in concentrirter Schwefelsäure beim Erwärmen auflöst, und sich durch’s Erkalten nicht aus der Auflösung abscheidet. 726 Heınrıcu Rose Wird das Salz erhitzt, so erleidet es ähnliche Zersetzungen, wie das gewöhnliche schwefelsaure Ammoniak. Es schmilzt zu einer klaren Flüssig- keit, welche beim Erkalten erstarrt und aus saurem schwefelsauren Ammo- niak besteht, wenn das Erhitzen nicht zu lange fortgesetzt worden ist. Es befindet sich aufserdem in der Retorte viel gasförmige schweflichte Säure. Im Halse der Retorte bildet sich ein Sublimat, welches aus schweflichtsaurem und schwefelsaurem Ammoniak besteht, und in der Vorlage findet sich, aufser freiem gasförmigen Ammoniak, schweflichtsaures Ammoniak ohne Spuren von Schwefelsäure. Das gewöhnliche krystallisirte schwefelsaure Ammoniak entwickelt beim Erhitzen Wasser; sonst aber zeigen sich dieselben Erscheinungen wie beim Erhitzen des wasserfreien Salzes. Wird das wasserfreie Salz in einer Atmosphäre von Wasserstoffgas erhitzt, so sind die Erscheinungen fast dieselben. Die Vorlage enthält aufser freiem Ammoniak schweflichtsaures Ammoniak; im Halse des Apparates hatte sich ein geringes gelbliches Sublimat von wasserfreiem schweflichtsaurem Ammoniak gebildet, und im Apparat blieb saures schwefelsaures und schwe- flichtsaures Ammoniak zurück. Das gewöhnliche wasserhaltige schwefelsaure Ammoniak giebt, unter gleichen Umständen erhitzt, kein gelbliches Sublimat, sonst aber zeigt es ähnliche Erscheinungen. Wird das wasserfreie Salz in einem Apparate in einer Atmosphäre von trocknem Ammoniakgas erhitzt, so sublimirt sich nur schweflichtsaures Am- moniak in der Vorlage und im Halse, und auch im Apparate selbst blieb fast nur schweflichtsaures, mit wenigem schwefelsauren Ammoniak gemengt, zu- rück. Dasselbe findet auch bei dem krystallisirten wasserhaltigen schwefel- sauren Ammoniak statt. 0,629 Grm. vom ziemlich reinen wasserfreien Salze wurden in wenig Wasser aufgelöst und mit 4,328 Grm. reinem frisch geglühten Bleioxyd ge- mengt. Es entwickelte sich ein Ammoniakgeruch. Es wurde darauf Salpeter- säure hinzugefügt, alles bis zur Trocknifs verdunstet und die trockne Masse geglüht. Sie wog 5,273 Grm. Hiernach enthält das Salz 70,75 Proc. Schwefelsäure. 1,333 Grm. des Salzes wurden in Wasser aufgelöst, und die Auflösung mit freier Salpetersäure und mit einer Auflösung von salpetersaurer Baryt- über das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak. 127 erde zersetzt, wodurch ein Niederschlag entstand. Es wurde alles bis zur Trocknifs abgedampft und die trockne Masse geglüht. Mit Wasser behandelt, hinterliefs sie 2,699 Grm. schwefelsaurer Baryterde, die 69,59 Proc. Schwe- felsäure im Salze entsprechen. 1,280 Grm. des Salzes, das minder rein war und dessen Auflösung Lackmuspapier röthete, wurde mit kohlensaurem und salpetersaurem Kali und etwas Wasser gemengt. Es entwickelt sich schon in der Kälte ein Am- moniakgeruch. Das Ganze wurde vorsichtig zur Trocknifs abgedampft und die trockne Masse geschmolzen. Sie wurde im Wasser aufgelöst, die Auflö- sung durch Chlorwasserstoflsäure sauer gemacht und durch Chlorbaryumauf- lösung gefällt. Ich erhielt 2,730 Grm. schwefelsaurer Baryterde. Das ent- spricht 73,30 Proc. Schwefelsäure im wasserfreien Salze, woraus hervorgeht, dafs in der angewandten Menge saures schwefelsaures Ammoniak enthalten war, dessen Einmengung im neutralen Salze ganz zu vermeiden mit sehr vie- len Schwierigkeiten verknüpft ist, wie diefs schon oben bemerkt wurde. 1,443 Grammen des wasserfreien Salzes, das ebenfalls freie Säure ent- hielt, wurden mit kohlensaurem Kali, ohne Zusatz von salpetersaurem Kali, gemengt, die Mengung mit Wasser übergossen, das Ganze bis zur Trocknifs abgedampft, und so stark geglüht, dafs die Masse schmolz. Nachdem sie auf dieselbe Weise wie die vorher erwähnte behandelt worden war, gab sie 3,100 Grm. schwefelsaurer Baryterde, was 73,84 Procent Schwefelsäure im Salze anzeigt. 0,531 Grm. vom sehr reinen wasserfreien schwefelsauren Ammoniak wurden mit einer grofsen Menge vom Kupferoxyd gemengt, und das Gemenge in einem Apparate, wie man ihn zur Analyse der organischen Substanzen vermittelst Kupferoxyd zu gebrauchen pflegt, behandelt. Die Röhre mit Chlorcaleium, welche zur Absorption des erzeugten Wassers angebracht wurde, hatte sich um 0,247 Grm. vermehrt, und es wurden 101 Cubikcenti- meter Stickstoffgas (bei 0° Temp. und 760 Millimeter Barometerstand be- rechnet) erhalten. Das erhaltene Wasser entspricht 5,17 Procent Wasserstoff und der erhaltene Stickstoff 24,12 Procent. Beide stehen in einem ähnlichen Verhältnifs, wie im Ammoniak. Es geht aus diesen Versuchen hervor, dafs das Salz in der That die Bestandtheile der Schwefelsäure und des Ammoniaks in dem Verhältnifs ent- hält, wie diefe der Rechnung nach in einer neutralen wasserfreien Verbindung 728 Heınrıcn Rose von Schwefelsäure und Ammoniak sich finden. Die Menge der Schwefel- säure betrug nach der Analyse des reinen Salzes 70,75 Procent und die des Ammoniaks 29,29 Procent. Die Zusammensetzung einer berechneten neu- tralen wasserfreien Verbindung von Schwefelsäure und Ammoniak im Hun- dert aber ist: 70,03 Schwefelsäure 29,97 Ammoniak 100,00. Da bei der Verbindung der wasserfreien Schwefelsäure mit dem ge- trockneten Ammoniak kein Stoff entweicht, so liefs sich diese Zusammen- setzung mit Sicherheit vermuthen. Obgleich das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak hinsichtlich der Auflöslichkeit im Wasser, des Verhaltens gegen Alkohol, gegen starke Basen, und bei erhöhter Temperatur dem wasserhaltigen sehr ähnlich ist, so unter- scheidet es sich doch in anderer Hinsicht so sehr von ihm, dafs es nicht ein- mal wie dieses zu den Salzen gerechnet werden kann, sondern einen Körper ganz eigenthümlicher Art ausmacht. Wird die Auflösung der wasserfreien Verbindung mit der Auflösung eines Baryterdesalzes vermischt, so entsteht ein Niederschlag von schwefel- saurer Baryterde, wie durch die Auflösung des wasserhaltigen schwefelsauren Ammoniaks; der Niederschlag läfst sich indessen sehr schwer filtriren, be- sonders in der Wärme. Aber selbst nach längerer Zeit und durch längeres Erwärmen konnte lange nicht die ganze Menge der Schwefelsäure auf diese Weise als schwefelsaure Baryterde abgeschieden werden, wie die folgenden Versuche zeigten: 1,062 Grm. sehr reinen Salzes, deren Auflösung das Lackmuspapier gar nicht röthete, gaben mit einer Auflösung von Chlorbaryum, mit welcher sie, nach einem Zusatze von etwas freier Chlorwasserstoffsäure, lange er- wärmt und gekocht wurden, 1,262 Grm. schwefelsaurer Baryterde, die nur 40,55 Procent Schwefelsäure in der Verbindung entsprechen. 1,070 Grm. von derselben Menge des Salzes wurden in Wasser auf- gelöst, mit Salpetersäure versetzt und mit einer Auflösung von salpetersaurer Baryterde gefällt. Das Ganze wurde ebenfalls längere Zeit erwärmt und ge- kocht. Ich erhielt 1,299 Grm. schwefelsaurer Baryterde, entsprechend 41,73 Procent Schwefelsäure im Salze. Über das wasserfreie schweflichtsaure Ammoniak. Von H”- HEINRICH ROSE. mmmmavir [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 26. Juni 1834.] D. grofse Verschiedenheit, welche in den Eigenschaften des gewöhnlichen wasserhaltigen schwefelsauren Ammoniaks und des wasserfreien stattfindet, veranlafste mich, die Verbindungen mehrerer wasserfreien Sauerstoflsäuren mit trocknem Ammoniak zu untersuchen. Von diesen zeigte das wasserfreie schweflichtsaure Ammoniak die auffallendsten Erscheinungen. Des wasserfreien schweflichtsauren Ammoniaks ist zuert von Döbe- reiner (!) Erwähnung gethan worden, der indessen von ihm weiter nichts bemerkt, als dafs es eine hellbraune starre Masse bildet, die sich durch die kleinste Menge von Wasser in farbloses schweflichtsaures Ammoniak ver- wandelt. Ich erhielt durch Zusammenbringung der beiden Gase im wasserfreien Zustand immer nur eine schmierige Masse von gelblichrother Farbe, die sich, wenn Ammoniakgas im Übermafs angewandt wurde, besonders bei einiger Erkältung, als sternförmige Krystalle von rother Farbe an die Wände des Gefäfses ansetzte. Diese Krystalle haben, obgleich ein Überschufs des Ammoniakgases bei der Erzeugung derselben angewandt wurde, die Zusammensetzung des neutralen schweflichtsauren Ammoniaks; es bildet sich dadurch kein basi- sches Salz; denn bringt man ein Volum vom schweflichtsaurem Gase über Quecksilber mit einem grofsen Übermaalse von Ammoniakgas zusammen, so werden dadurch nur 2 Volume dieses Gases absorbirt; selbst in vielen Fällen wurden diese nicht vollständig, sondern weniger vom Ammoniakgas absor- (') Schweigger’s Jahrbuch der Chemie und Physik, Bd. XVII. S.120. Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Aaaaa 738 Heınrıcuı Rose birt, wenn auch beide Gase lange mit einander in Berührung waren. — Da- gegen verbinden sich beide Gase, wenn das schweflichtsaure Gas im grofsen Überschufs vorhanden ist, zu gleichen Volumen, und bilden dann eine saure Verbindung, wie diefs aus folgenden Versuchen hervorgeht: 1) 23 Volume Ammoniakgas verbanden sich mit 26 Volumen schweflichtsaurem Gase. 2) 28 ” ” ” nn 25,4 ” " ” 3) 19 ” ” ” 191.185 0 ” ” 4) 20,4 » ” ” » » 192 » ” „ 5) 17,6 » u) » ».» 156 » ” ” 6) 168 » ” n » nn 16,7 -» 5) ” Der Luft ausgesetzt, wird die krystallinische Masse durch Aufnahme von Wasser weils und zerfliefst endlich. Sie zieht überhaupt so leicht Feuch- tigkeit an, dafs sie selbst in Gläsern mit ziemlich gut eingeschliffenen Glas- stöpseln nach einigen Tagen anfängt weils zu werden. Es gelang mir nur, sie auf die Weise unverändert und mit ihrer eigenthümlichen Farbe zu erhalten, dafs ich entweder das Gefäfs mit der Mündung unter Quecksilber aufbe- wahrte, oder den Glasstöpsel mit einem halten Überzug verkittete. Die Masse löst sich mit der gröfsten Leichtigkeit in Wasser auf, ohne einen Rückstand zu hinterlassen. Im Anfang hat gewöhnlich die Auflösung eine blafs gelbliche Farbe, die sich indessen von selbst verliert. Die Auflö- sung der Substanz, wenn zu derselben ein Übermaafs von Ammoniak ange- wandt wurde, röthet, frisch bereitet, nicht das Lackmuspapier; diefs ist in- dessen der Fall, wenn sie längere Zeit in verschlossenen Gefäfsen aufbewahrt wird. Nach sehr langer Zeit setzt sich aus der Auflösung etwas Schwefel ab. Wird das trockne Salz in nicht sehr gut verschlossenen Gläsern sehr lange (einige Jahre) aufbewahrt, so hinterläfst es bei der Auflösung in Wasser Schwefel ungelöst. Die frisch bereitete Auflösung der Substanz verhält sich zwar gegen einige Reagentien bei flüchtiger Prüfung wie eine Auflösung des gewöhnli- chen wasserhaltigen schweflichtsauren Ammoniaks, gegen die meisten indes- sen ist das Verhalten sehr verschieden davon. Die an der Luft zerflossene Masse verhält sich gegen Reagentien, wie die frisch bereitete Auflösung. Wird die frisch bereitete Auflösung des wasserfreien Salzes mit Chlor- wasserstoflsäure versetzt, so bemerkt man bei einer gewissen Concentration der Auflösung eine röthliche Färbung; es entwickelt sich aus der Flüssigkeit über das wasserfreie schweflichtsaure Ammoniak. 739 ein starker Geruch nach schweflichter Säure, ohne dafs sich eine Spur von Schwefel absondert, selbst wenn sie viele Tage aufbewahrt wird. Wird indessen die Auflösung des wasserfreien Salzes nach dem Zu- satze von Chlorwasserstoflsäure gekocht, so bildet sich bald, aufser der Ent- bindung der schweflichten Säure, ein Absatz von Schwefel, und die Zerset- zung der Auflösung vermittelst Chlorwasserstoffsäure findet eben so statt, als wenn sie ein unterschweflichtsaures Salz enthielte. — In der über dem Schwefel stehenden Flüssigkeit bringt die Auflösung eines Baryterdesalzes einen starken Niederschlag hervor, der von vielem Wasser und von Säuren nicht aufgelöst wird, und daher aus schwefelsaurer Baryterde besteht. Bei Erhitzung der Auflösung des wasserfreien schweflichtsauren Ammo- niaks mit Chlorwasserstoflsäure zerfällt die schweflichte Säure in demselben nach diesem Versuche also in unterschweflichte Säure, die in der sauren Auflösung dann ferner auf die bekannte Weise zersetzt wird, und in Schwe- felsäure. — Behandelt man die Auflösung des gewöhnlichen wasserhaltigen schweflichtsauren Ammoniaks mit Chlorwasserstoflsäure in der Wärme, so kann man bekanntlich alle schweflichte Säure daraus vertreiben, und das- selbe in Chlorwasserstoff- Ammoniak verwandeln, ohne dafs sich Schwefel absondert. Wird die frisch bereitete Auflösung des wasserfreien Salzes gekocht, läfst man sie darauf vollständig erkalten und setzt dann Chlorwasserstoffsäure hinzu, so entwickelt sich zwar sogleich schweflichte Säure, ohne dafs indes- sen Schwefel fällt. Was durch Vermittlung der Chlorwasserstoffsäure in der frisch berei- teten Auflösung des wasserfreien Salzes in der Wärme geschieht, findet schon in der Kälte statt, wenn die Auflösung in verschlossenen Gefälsen längere Zeit aufbewahrt worden ist. Dann ist die schweflichte Säure von selbst schon durch die Zeit in unterschweflichte Säure und in Schwefelsäure ver- wandelt worden, und Chlorwasserstoflsäure bringt in der Auflösung in der Kälte nach einigen Augenblicken einen Absatz von Schwefel und einen Ge- ruch von schweflichter Säure hervor, wie in der Auflösung eines unter- schweflichtsauren Salzes, und in der Flüssigkeit findet man Schwefelsäure. Ist indessen bei der Bereitung des wasserfreien Salzes ein Überschufs von schweflichter Säure angewandt worden, so entwickelt die Auflösung mit Aaaaa2 740 Heınrıcuı Rose Chlorwasserstoffsäure nur einen Geruch nach schweflichter Säure, ohne auch nach längerer Zeit durch’s Kochen einen Absatz von Schwefel fallen zu las- sen. Sie verhält sich also gegen Chlorwasserstoflsäure wie das gewöhnliche wasserhaltige schweflichtsaure Ammoniak; gegen alle andere Reagentien ver- hält sie sich indessen wie die eines Salzes, bei dessen Bereitung ein Über- schuls von Ammoniakgas angewandt wurde. Wird zu der sehr verdünnten frisch bereiteten Auflösung des wasser- freien Salzes concentrirte Schwefelsäure gesetzt, so zeigt sich blofs ein Ge- ruch nach schweflichter Säure und kein Schwefelabsatz, selbst wenn die Flüs- sigkeit lange aufbewahrt wird. Setzt man hingegen concentrirte Schwefel- säure zu einer mehr concentrirten frisch bereiteten Auflösung des Salzes, so entsteht nach einigen Augenblicken neben der Entbindung der schweflichten Säure ein Absatz von Schwefel. Durch selenichte Säure entsteht in der frisch bereiteten Auflösung des Salzes in der Kälte nach einiger Zeit der bekannte zinnoberrothe Nieder- schlag von reducirtem Selen, gerade so wie derselbe sich zeigt, wenn man selenichte Säure mit einer Auflösung des gewöhnlichen wasserhaltigen schwef- lichtsauren Ammoniaks vermischt. — Hat man indessen die Auflösung des wasserfreien Salzes einige Wochen aufbewahrt, so wird aus ihr, nach Hin- zufügung von selenichter Säure, nur eine Spur von Selen, mit Schwefel ver- mischt, ausgeschieden, wie es der Fall ist, wenn die Auflösung eines unter- schweflichtsauren Salzes mit selenichter Säure versetzt wird. Die Spur des ausgeschiednen schwefelhaltigen Selens vermehrt sich durch’s Kochen. Fügt man dann aber Chlorwasserstollsäure hinzu, so erzeugt sich eine starke Fäl- lung von schwefelhaltigem Selen, wie sie unter gleichen Umständen durch die Auflösungen der unterschweflichtsauren Alkalien hervorgebracht wird. Fügt man zu der Auflösung des wasserfreien Salzes eine Auflösung von salpetersaurem Silberoxyd, so zeigen sich alle Erscheinungen, welche dieses Reagenz in den Auflösungen unterschweflichtsaurer Salze hervorbringt, und sie zeigen sich nicht nur in Auflösungen des Salzes, die längere Zeit auf- bewahrt worden sind, sondern auch in frisch bereiteten. Es entsteht zuerst ein weilser Niederschlag, der durch’s Umschütteln verschwindet, wenn man nur sehr wenig des Silberoxydsalzes zu der Auflösung gesetzt hat. Bleibt der weifse Niederschlag durch weiteres Hinzufügen des Reagenzes, so wird über das wasserfreie schweflichtsaure Ammoniak. 741 er sehr bald gelb, braun, und endlich, besonders schnell durch’s Kochen, schwarz, und besteht dann aus Schwefelsilber. — Ich brauche wohl kaum darauf aufmerksam zu machen, dafs die Auflösung des gewöhnlichen wasser- haltigen schweflichtsauren Ammoniaks mit salpetersaurem Silberoxyd zwar auch einen weifsen Niederschlag bilden kann, der in einem Übermaafse des schweflichtsauren Salzes leicht auflöslich ist, der aber durch längeres Stehen, schneller durch Kochen, sich leicht in metallisches Silber verwandelt, das oft als eine blanke silberweifse Haut die Wände des Gefäfses überzieht, kei- nen Schwefel enthält und nicht entfernt dem Niederschlage des Schwefel- silbers ähnlich ist, der in der Auflösung des wasserfreien Salzes durch Silber- oxydauflösung gebildet wird. Auch die Auflösung des Quecksilberchlorids bringt selbst in der frisch bereiteten Auflösung des Salzes Erscheinungen wie in Auflösungen eines unterschweflichtsauren Salzes hervor. Durch ein Übermaafs des Quecksil- berchlorids wird ein weifser Niederschlag hervorgebracht; durch ein Über- maals der Auflösung des wasserfreien Salzes wird er schwarz und verwandelt sich in Schwefelquecksilber (!). — Die Auflösung des gewöhnlichen wasser- (') Herschel giebt das Verhalten der unterschweflichtsauren Salze gegen Quecksilber- chlorid und gegen salpetersaures (Juecksilberoxyd nicht ganz richtig an. Nach ihm enthält der Niederschlag, der in Quecksilberchlorid-Aullösung entsteht, Quecksilberchlorür, unter- schweflichtsaures Quecksilberoxyd und Schwefel, während Schwefelsäure gebildet wird (The Edinburgh Philosophical Journal, Fol.I. p.28). Das unterschweflichtsaure Quecksilberoxyd existirt indessen nicht, oder nur im ersten Augenblicke seiner Entstehung. Setzt man eine geringe Menge einer Aullösung von Quecksilberchlorid oder von salpetersaurem Quecksilber- oxyd zu einem Überschuls einer Auflösung eines unterschweflichtsauren Salzes, so entsteht zwar ein weilser Niederschlag, der indessen sogleich gelb, braun, und endlich durch längeres Stehen, oder schneller durch’s Kochen, schwarz wird. Ist die Auflösung des unterschwe- flichtsauren Salzes in einem grofsen Überschuls vorhanden, so löst sich der weilse Nieder- schlag durch’s Umschütteln sogleich auf. — Der entstandene schwarze Niederschlag ist Schwefelquecksilber; die über demselben stehende Flüssigkeit enthält Schwefelsäure. Vermischt man hingegen einen grolsen Überschuls einer Auflösung von Quecksilber- chlorid oder von salpetersaurem Quecksilberoxyd mit einer geringen Menge von der Auf- lösung eines unterschwellichtsauren Salzes, so entsteht sogleich ein weilser Niederschlag, der lange in der Flüssigkeit suspendirt bleibt, und weder durch langes Stehen, noch durch’s Kochen seine weilse Farbe verändert. Er besteht aus einer unlöslichen Verbindung von Schwefelsilber mit Quecksilberchlorid, oder mit salpetersaurem Quecksilberoxyd; die von ihm getrennte Flüssigkeit enthält Schwefelsäure. Der schwarze Niederschlag des Schwefelqueck- 742 Heıyrıcn Rose serhaltigen schweflichtsauren Ammoniaks bringt in Quecksilberchlorid - Auf- lösungen keine Veränderung hervor. Die Auflösung des wasserfreien schweflichtsauren Ammoniaks zeigt sich auch hinsichtlich ihres Verhaltens gegen Kupferoxydsalze sehr ver- schieden von der des wasserhaltigen Salzes. In der Kälte bringt eine Auf- lösung von schwefelsaurem Kupferoxyd in ersterer keinen Niederschlag her- vor; durch’s Kochen wird sogleich, wie durch ein unterschweflichtsaures Salz, schwarzes Schwefelkupfer abgeschieden. — Bekanntlich wird in der Auflösung vom gewöhnlichen wasserhaltigen schweflichtsauren Ammoniak schon in der Kälte durch eine Auflösung von schwefelsaurem Kupferoxyd ein voluminöser hellbrauner kupferoxydulhaltiger Niederschlag erzeugt. Eine Auflösung von Chlorbaryum bewirkt auch in der frisch bereiteten Auflösung des wasserfreien Salzes eine weilse Fällung, die in vielem Wasser und in Chlorwasserstoflsäure nicht aufgelöst wird, und daher aus schwefel- saurer Baryterde besteht. In der abfiltrirten Flüssigkeit bringt Chlorwasser- stoffsäure besonders durch’s Kochen unter Entwicklung von schweflichter Säure einen Absatz von Schwefel hervor. Kalihydrat entwickelt schon in der Kälte aus der frisch bereiteten Auflösung des wasserfreien Salzes einen Geruch nach Ammoniak, der noch weit bedeutender ist, wenn die Flüssigkeit erwärmt wird. Übersättigt man diese heifse Auflösung durch Chlorwasserstoflsäure, so fällt aus ihr nach einiger Zeit Schwefel, und es entwickelt sich schweflichte Säure. Hat man indessen die frifch bereitete, aber nicht zu concentrirte Auflösung des was- silbers, wenn er mit einer Auflösung von Quecksilberchlorid oder von salpetersaurem (Jueck- silberoxyd geschüttelt wird, wird wiederum weils, indem sich die erwähnte Verbindung bildet; es zeigen sich überhaupt alle die Erscheinungen, die durch Behandlung einer Quecksilber- oxyd- oder Quecksilberchlorid- Auflösung mit Schwefelwasserstoff oder mit Schwefelwasser- stoff- Ammoniak erfolgen (Poggendorf’s Annalen, Bd. XII. S. 19.). Eine Auflösung von salpetersaurem Quecksilberoxydul bringt in den Auflösungen der unterschwellichtsauren Salze sogleich einen schwarzen Niederschlag von Schwefelquecksilber im Minimum von Schwefel hervor, sowohl wenn erstere, als auch wenn letztere Auflösung im Übermaals vorhanden ist; in der Auflösung ist alsdann Schwefelsäure enthalten. In Kupferoxyd- und Kupferchlorid-Auflösungen wird durch’s Kochen mit Auflösun- gen von unterschwellichtsauren Salzen ein schwarzer Niederschlag von Schwefelkupfer er- zeugt; die über demselben stehende Flüssigkeit enthält Schwefelsäure. über das wasserfreie schweflichtsaure Ammoniak. 743 serfreien Salzes mit einem Überschufs von Kalihydrat so lange gekocht, bis kein Ammoniakgeruch sich mehr zeigt, läfst dann aber die Flüssigkeit voll- ständig erkalten, so entwickelt sie durch Übersättigung mit Chlorwasser- stoflsäure nur schweflichte Säure, ohne Schwefel fallen zu lassen. Aus diesen Versuchen geht hervor, dafs die schweflichte Säure im wasserfreien Ammoniaksalze sich von der schweflichten Säure sowohl im wasserhaltigen Ammoniaksalze, als auch in allen andern schweflichtsauren Salzen wesentlich dadurch unterscheidet, dafs sie sich in der Auflösung im Wasser langsam durch die Länge der Zeit, schnell aber durch Einwirkung von gewissen Reagentien in Schwefelsäure und in unterschweflichte Säure zersetzt, was bei der gewöhnlichen schweflichten Säure in den Auflösungen ihrer Verbindungen bekanntlich nicht der Fall ist. Dieses Zerfallen findet durch Chlorwasserstolfsäure erst bei erhöhter Temperatur statt, durch die Auflösungen von Metallsalzen, deren Metalle keine grofse Verwandtschaft zum Sauerstoff haben, so wie auch durch Chlorbaryum schon in der Kälte. Die genannten Metallsalze bewirken indessen in der frisch bereiteten Auflösung des wasserfreien Ammoniaksalzes nicht sogleich eine ganz voll- ständige Zerlegung der schweflichten Säure in Schwefelsäure und in unter- schweflichte Säure. Ich habe das Schwefelsilber analysirt, welches ich durch’s Kochen der frisch bereiteten Auflösung mit salpetersaurem Silber- oxyd erhalten hatte. Ich fand es reicher an Silber als das gewöhnliche Schwefelsilber, ein Beweis, dafs bei dem Versuche ein Theil der schweflich- ten Säure im wasserfreien Salze sich noch nicht in Schwefelsäure und in unterschweflichte Säure verwandelt hatte, sondern wie gewöhnliche schwef- lichte Säure metallisches Silber aus dem Silberoxydsalze ausschied, das, mit dem Schwefelsilber gemengt, gefällt wurde. Er scheint als wenn nur die schweflichte Säure im wasserfreien Salze eine isomerische Modilication der gewöhnlichen schweflichten Säure sei, und dafs es nicht das ganze wasserfreie Salz sei, dessen Auflösung mit der des wasserhaltigen Ammoniaks als isomerisch zu betrachten sei. Diefs scheint wenigstens aus dem oben angeführten Verhalten der frisch bereiteten Auf- lösung des wasserfreien Ammoniaksalzes gegen Kalibydrat hervorzugehen ; denn offenbar tritt nach Austreibung des Ammoniaks die schweflichte Säure in ihrer isomerischen Modification an das Kali, und die Auflösung des ent- 744 Hrınrıcu Rose standenen Kalisalzes verhält sich, aber nur in einer nicht zu concentrirten Auflösung, gegen Chlorwasserstoflsäure in der Kälte und in der Wärme, wie die des wasserfreien Ammoniaksalzes in einer frisch bereiteten Auflösung. Das wasserfreie schweflichtsaure Ammoniak zeigt also im Vergleich zum wasserhaltigen schweflichtsauren Ammoniak ein anderes Verhalten, als das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak zum gewöhnlichen wasserhaltigen. Diese Verschiedenheit zeigt sich auch in anderer Hinsicht auffallend. Das wasserfreie schwefelsaure Ammoniak kann mit Beibehaltung seiner Ei- genschaften und Zusammensetzung aus seiner Auflösung durch Krystallisation gewonnen werden; dampft man aber die Auflösung des wasserfreien schwef- lichtsauren Ammoniaks bei Vermeidung aller Wärme im luftleeren Raume über Schwefelsäure ab, so bekommt man ein Haufwerk von Krystallen, die aus einer Mengung von gewöhnlichem schwefelsauren und von unterschwef- lichtsaurem Ammoniak bestehen. Es ist schwer, die Krystalle beider Salze durch Krystallisation von einander zu trennen; läfst man indessen die Auf- lösung einer ziemlich bedeutenden Menge des wasserfreien Salzes krystallisi- ren, so erhält man sehr deutliche Krystalle von wasserhaltigem schwefelsau- ren Ammoniak von der bekannten prismatischen Form, während das unter- schweflichtsaure Ammoniak mehr aufgelöst in der Mutterlauge bleibt und Rinden bildet, bei denen man die Krystallgestalt unmöglich bestimmen kann. Reinigt man die Krystalle des schwefelsauren Ammoniaks mechanisch vom unterschweflichtsauren Salze, so kann man es dahin bringen, dafs die Auf- lösung derselben mit Quecksilberchlorid- Auflösung im Übermaafs keinen Niederschlag, und mit Silberoxyd- Auflösung nach längerer Zeit nur eine braune Färbung und keine Fällung von Schwefelsilber hervorbringt; die Rinden und die Mutterlauge hingegen zeigen aufgelöst die Eigenschaften der unterschweflichtsauren Salze im hohen Grade. Bei sehr kleinen Quantitäten der Substanz kann eine Trennung der Krystalle beider Salze indessen nur sehr unvollkommen bewirkt werden. Wird die Auflösung des wasserfreien Salzes mit einem Überschufs von Kalihydrat zerlegt, concentrirt man darauf die Auflösung durch’s Abdampfen bei geringer Hitze, ohne sie zum Kochen zu bringen, so sondert sich, bei einem gewissen Grade der Concentration, plötzlich eine bedeutende Menge eines Krystallmehls ab, das, wenn man es mit kaltem Wasser abwäscht, aus über das wasserfreie schweflichtsaure Ammoniak. 745 schwefelsaurem Kali besteht, welches ein wenig mit unterschweflichtsaurem Kali verunreinigt ist. Reinigt man das Krystallmehl durch Umkrystallisiren, so kann man es in die schönsten und reinsten Krystalle des schwefelsauren Kalis verwandeln, die keine Spur des unterschweflichtsauren Salzes enthal- ten, welches ganz in der Mutterlauge enthalten ist. Denselben Erfolg erhält man auch, wenn man die frisch bereitete, mit einem Überschufs von Kalihydrat versetzte Auflösung des wasserfreien Ammoniaksalzes in der Kälte ohne Anwendung aller Wärme über Schwefel- säure im Juftleeren Raume abdampft. Auch in diesem Falle scheidet sich bei einer gewissen Concentration schwefelsaures Kali ab, während das unter- schweflichtsaure Salz gröfstentheils noch aufgelöst bleibt. Wenn die schweflichte Säure im wasserfreien Ammoniaksalze in Schwefelsäure und in unterschweflichte Säure zerfällt, so mufs in der ent- standenen Schwefelsäure und in der unterschweflichten Säure gleich viel Schwefel enthalten sein, oder wenn man die Auflösung des Salzes durch sal- petersaures Silberoxyd zersetzt, so mufs die entstandene Schwefelsäure drei- mal so viel Schwefel als das Schwefelsilber enthalten. Mehrere analytische Versuche, die ich darüber anstellte, gaben den Schwefelgehalt im Schwefel- silber ziemlich bedeutend kleiner aus dem Grunde an, weil, wie schon oben bemerkt worden, ein Theil der schweflichten Säure metallisches Silber aus dem Silbersalze fällt und sich dadurch in Schwefelsäure verwandelt. Da man nach einer gewissen Vorstellungsweise die unterschweflichte Säure sich aus Schwefel und schweflichter Säure, so wie die Unterschwefel- säure sich aus schweflichter Säure und Schwefelsäure zusammengesetzt denken kann, weil diese Säuren durch Einwirkung anderer Säuren in diese Bestand- theile zerfallen, so kann man aus einem ähnlichen Grunde die schweflichte Säure im wasserfreien Ammoniaksalze, zum Unterschiede von der gewöhn- lichen schweflichten Säure, sich aus unterschweflichter Säure und aus Schwe- felsäure, oder aus Schwefel, schweflichter Säure und Schwefelsäure beste- hend, vorstellen. Wird das wasserfreie schweflichtsaure Ammoniak mit starkem Alko- hol behandelt, so zeigen sich Erscheinungen, mit deren Untersuchung ich noch beschäftigt bin; leitet man indessen trocknes Ammoniakgas und trock- nes Schweflichtsäuregas in starken Alkohol, so scheidet sich ein unlösliches Phys.-mathemat. Abhandl. 1834. Bbbbb 746 H. Rose über das wasserfreie schweflichtsaure dmmoniak. Salz ab, das, in Wasser aufgelöst, sich ganz wie eine Auflösung von gewöhn- lichem wasserhaltigen schweflichtsauren Ammoniak verhält. Die wasserfreien Verbindungen der Schwefelsäure und der schwef- lichten Säure mit dem Ammoniak sind, nach den mitgetheilten Untersuchun- gen, Körper eigner Art, welche, obgleich in Wasser leicht auflöslich, durch dasselbe nicht die entsprechenden wasserhaltigen Ammoniakverbindungen bilden. In der wässrigen Auflösung des schwefelsauren und in der frisch bereiteten wässrigen Auflösung des schweflichtsauren Ammoniaks kann man daher das Ammoniak nicht wie in den gewöhnlichen wasserhaltigen Ammo- niaksalzen als Ammoniumoxyd (8H‘) betrachten. DE ALDROVANDAE VESICULOSAE ET MESEMBRYAN- THEMI FOLIORUM STRUCTURA. SCRIPSIT BHCHTREVLIRANUS; ACAD. SOC. EPISTOL. mummmmnnnwn H. diebus in foliorum singularis formae quorundam structuram in- quisivi. Et foliis quidem Aldrovandae vesiculosae L. a Linnaeo tribuuntur „Utriculi fere ut in Utricularia” (Syst. Yeg. ed. 12. 225.), nec modo valde absimili Pollinius ipsa vocat „inflato-utriculosa, apice vesiculä subro- tundä terminata” (Fl. Yeron. 111. 790.). Quae nos in foliis, siccatis qui- dem, sed aqua tepida diligenter emollitis observavimus, haec sunt. Folia pulposa, quorum tela cellularis cava sexangularia, regulariter disposita, nervo indiviso medium percurrente, exhibet, lineari-cuneiformia sunt, eademque apice dividuntur in segmenta quinque, rarius sex, praelonga acuminata ciliata, qualia in fig. nostra 1. exhibentur. Haec ubi divisio incipit appendix illa, quam pro vesicula habuerunt observatores, pedicelli brevissimi ope insidet et constat quidem e laminis duabus semiecircularibus ventricoso-planis, medio iunctis, ibique nervo medio percursis. Laminae complicatae sunt, ita quidem, ut margines ipsarum ubique sint contigui, nec tamen connati, sed tantum leviter conglutinati: facili enim negotio, tam in iunioribus foliis, quam in adultis, et absque ulla ruptura, potui- mus alteram ab altera separare, totamque appendicem ita evolvere, ut figura 2. monstrat. Notari simul meretur, superficiem tam folii, quam Bbbbb 2 748 TREVvIRANUS appendicis, numerosis scatere punclis opacis, quae si majori sub augmento Justrentur, qualia exhibentur in fig. 3. e granulis videntur composita ac glandularum genus quoddam non male referunt. Ex hac descriptione vi- detur elucescere, appendicem modo dietam, cum ipsius laminae, quod constanter fit, complicatae sunt et aörem intra se, ventricosas enim esse modo diximus, occludunt, non tamen vesiculae, qualis in Utrieularia vere adest, nomen mereri. Ex altera parte haud ambigua ipsius sese manifestat similitudo cum appendice foliorum Dionaeae Muscipulae L. et non male itaque, caetera si non obstant, junguntur haec duo genera in methodo plantarum sic dieta naturali (Decand. Prodr. I. 319. 320.). Aliam nobis suggerunt observationem folia prismatica, qualia in Mesembryanthemi genere frequentissima sunt. Notum est omnibus, fasci- culos folii plani vasculoso -fibrosos reticulum planum formare, quod qui- dem, destructä telä cellulosä, sceleton folii sie dietum effieit. In foliis, etiamsi crassioribus, constanter tamen non nisi unicum obseryatur planum tale vasculosum: at in foliis carnosis, si Candollio fides habenda (Organ. veg. 1. 270.) hoc minime locum habet, sed fasciculi vasorum secundum omnes sparguntur directiones („s’epanouissent en tout sens”). Hoc tamen non intelligendum est, nisi de ramis primariis e nervo principali prodeun- tibus, qui centrum folii occupat: dum ultimi ipsorum processus simili modo rete efficiunt planum superfieiei parallelum, ut in foliis planis ob- servatur. In pluribus enim Mesembryanthemi speciebus, quae foliis gaudent triquetris ex gr. in M. rubricauli, perfoliato, eduli etc., sectione trans- versali per medium folii facta, vasorum ultimorum decursus formam trian- gularem nobis exhibuit: ita quidem ut extra hunc triangulum tela cellulosa viridis totam folii superficiem occuparet, intra ipsum vero parenchyma succulentum quidem, sed virore destitutum, includeretur. Hoc ad naturam sistere studuimus in fig. 4. et 5. ubi litt. a.a.a. vasorum surculos ultimos dissectos exhibent. Quodsi autem sectio decursum sequitur vasorum isto- De Aldrovandae vesiculosae et Mesembryanthemi foliorum structura. 749 rum, tunc obseryamus, prout in fig. 6. cernitur, idem vasorum anastomo- santium rete, ac in foliis planis et persuasio nobis enascitur, esse planum illud, quod vasa in folio plano exhibent, in folio triquetro Mesembryan- themorum in plana tria invicem connexa divisum. Cum vero parenchyma viride, quod superficiem talis folii occupat, cellulas exhibeat non alias, nisi perpendiculariter versus hanc superficiem dispositas, quales in supe- riori foliorum planorum facie solemus observare: hinc licet considerare huiusmodi Mesembryanthemorum folia, ut formata reflexione utriusque marginis et coalitione in carinam, ita quidem, ut superficies folii inferior, in sensu physiologico sumta, prorsus nulla appareat. Sed ulteriorem hujus rei disquisitionem gravissimo Regiae Scientiarum Academiae iudicio subiicimus. Dab. Bonnae ad Rhen. xxıv. April. unccexxxiv. [a x 2 7 AlzLlN w x A D,, Vs ITS se u een ' u Sl; R- i Fr k ir mu 119 ) 2 - j 7 u u v ii G * f 154 Bern - * Ba“ . BAT ı De mi ion, Ai. Bart { RT) es .. in ur a 5 . De! Berichtigungen. Pag.104. Zeile 2 der Note von oben lies Messer für Wasser. ». 411. » 5417: n 705. n 721. ” EL 3 6 von oben lies Beroön für Salpen. 1 von oben lies Chile für China. 9 von unten lies Cylinderröhren für Gliederröhren. 10 von unten lies in natürlicher für natürlicher in. v gepedenf eyf up rrohapusenf, 5 re 273 E Pr ? a (@) PET, GR vyahyg: I, EREE "A BA : CHILE. 2 . URS 72 Abhandlungen der historisch-philosophischen Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. sanızananannanenarnıorernıgeon Aus dem Jahre 1834. sananananreoororeraerererın Berlin. Gedruckt in der Druckerei der Königl. Akademie der Wissenschaften. 1830. In Commission bei F. Dümmler., N Ba . v vi N } 5 =, el 2 i sSUurWı Y ZERUEEE A PR 4 : Er E ee . . ° ir | Ps. ı . n 45 Pe eh Pu r' ü Bez En k Bd Pe 0 x ‘ : pr hr s s « 1/07 ‘an i we “.* . u Ri " - en & a « . Inhalt. = BoEcKH: Erklärung einer Attischen Urkunde über das Vermögen des Apollinischen Herlıgihumswauß Delosı 20 een a rasante ana ee Seite 1 IDELER über die Reduction ägyptischer Data aus den Zeiten der Ptolemäer....... - 43 BrAnDıs über die Aristotelische Metaphysik (erste Hälfte) .......22222nc2n 20... - 63 EıchuorN über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts.......... -.8 LevEezow über die Ächtheit der sogenannten Obotritischen Runendenkmäler zu IN US SS CHE LIE Sr ee een ee are deines - 143 —ma——n nm aan - = * v . » * ! vn . D - r si j fV a Ber 7 = > Erklärung einer Attischen Urkunde über das Ver- mögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. Von H"- BOECKH. manannnrnmmnrnwVe [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 10. April 1834.] r; Athens Verhältnifs zu dem Delischen Heiligthum. 1: S, wie Hellas bei geringem Flächenraume durch die geistige Kraft seiner Bewohner unter allen Ländern des Alterthums die gröfste Bedeutsam- keit erlangt hat, so dürfen wir auch die einzelnen Hellenischen Staaten und Landschaften nicht nach dem Mafse ihres Umfanges und ihrer natürlichen Kräfte messen. Die jetzo öde und wüst liegende Delos würde ihrer Gröfse nach in den untersten Rang der Hellenischen Inseln verwiesen werden müssen; und doch erschien sie den Alten als die gottgegründete, der weiten Erde unbewegtes Wunder, durch vier stahlfüfsige Grundpfeiler auf ihren Säulen- köpfen getragen, und die Götter im Olymp nannten sie der dunklen Erde weitstrahlendes Gestirn (!). Als Geburtstätte der Zwillingskinder der Leto ist Delos durch alle Zeiten des Alterthums hindurch ein Punkt gewesen, an welchen sich die heiligsten Erinnerungen knüpften; auch die Neueren haben nicht ermangelt, dem Eiland ihre Aufmerksamkeit zu widmen, und aufser dem, was die Reisenden, vorzüglich Tournefort und in Rücksicht der Denk- mäler Stuart in den Athenischen Alterthümern, zur Kenntnifs desselben beigetragen haben, und was bei den Auslegern der Alten, nahmentlich in Spanheims Erläuterungen zu Kallimachs Delischem Lobgesang, so wie in den Erklärungen der Sandwicher Steinschrift und der Delischen Inschriften (*) Pindar Prosod. 1. Histor. philol. Abhandl. 1834. A 2 Boeckn: Erklärung einer dttischen Urkunde von mehreren Gelehrten versteckt ist, giebt wo nicht Sallier’s Geschichte von Delos (!), doch Dorville’s Versuch über dasselbe (?) einen dankens- werthen Beitrag zur Geschichte der merkwürdigen Insel. 2. Dem Apollinischen Heiligthum bei weitem mehr als seinem Hafen und seiner übrigen sehr günstigen Lage (?) verdankte Delos seine ganze Wichtigkeit, das Volk der Delier sein Glück, seine Wohlhabenheit, Handel und übrige Nahrung: nicht minder aber gereichte es ihm wiederholt zum höchsten Mifsgeschick. Athen erkannte mit dem scharfen Blicke, welcher seinen Staatsmännern eigen war, die Wichtigkeit dieses kleinen Punktes; es eignete sich daher, worauf es zunächst allein ankam, den Tempel zu als einen Besitz in auswärtigem Lande, dergleichen es in den Zeiten seiner Herrschaft an mehreren Orten zu erwerben wufste; überdies stand Delos, was keines Beweises bedarf, zu Athen in den Zeiten seiner Macht in dem bekannten Ver- hältnifs der Bundesgenossenschaft; die Besetzung der Insel mit Attischen Kleruchen hat aber, abgerechnet die erste Ansiedelung, nur vorübergehend stattfinden können, ehe die Römer sie den Athenern zu solcher Besetzung übergaben. Dafs schon in den Urzeiten des Attischen Staates eine Verbin- dung zwischen Athen und Delos gewesen sei, kann nicht durchaus in Abrede gestellt werden; indessen mag, was davon berichtet wird, von den Athenern in spätern Jahrhunderten zur Begründung ihrer Ansprüche auf den Delischen Tempel ausgeschmückt worden sein. Angeblich hatte schon Erysichthon, Kekrops des ersten Sohn, eine Theorie nach Delos geführt, welches die Alten wegen der daselbst sich niederlassenden Wachtelschwärme damals Or- tygia genannt hatten (*); von dort brachte er nach Attika das älteste Bild (') Mem. de l’Acad. des Inscer. Bd. Ill. S.376. (?) Exereitatio, qua inscriptionibus Deliacis certa aetas assignatur, et alia ad De- lum spectantia obiter tanguniur et Ülustrantur, Misc. Obss. Vol. VII. P. I. (°) Vergl. Strabon X. S.486. wo sehr richtig besonders die spätere Handelsblüthe der Insel seit Korinths Fall und einige Zeit vorher geltend gemacht wird. Den Antheil des Heilig- thums gerade an der Blüthe des Handels hat ebenderselbe hervorgehoben, indem er bemerkt, die Steuerfreiheit des Heiligthums (% @r?Azıe rc0 iegod) habe die Kaufleute angezogen, und die maugyugıs sei Zumogınov Tı TOR Yo. Über die Wichtigkeit von Delos und Rheneia als Handelsplatz vergl. das ausgezeichnete Werk von Thiersch De l!’dtat actuel de la Grece Bd. I. S.102. (*) Phanodemos bei Athen. IX. $.392.D. (aus dem zweiten Buche der Atthis): vs zaretdev a, PEN = m. \ m \ 0! n > ‚’ En ’ E J \ x x DRM Eousiy,Swv Aydov Tyv virov TrV Umo Fuv apyanıv zaAovpevyv Ogrvyiav mug& FO Tas ayeras über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 3 der Eileithyia, welche aus dem Lande der Hyperboreer nach Delos gekon- men war, um der Leto bei der Geburt hülfreich beizustehen (!); auf dem Rückwege von dieser Theorie verstarb er, und hatte bei dem Demos Prasiae sein Grabmal: was offenbar damit zusammenhängt, dafs der Attischen Sage gemäfs die heiliger® Sendungen der Hyperboreer nach Delos, nachdem sie mittelst der Arimaspen, Issedonen und Skythen bis Sinope gelangt, durch Hellenen nach Prasiae kamen, und von den Athenern nach Delos gebracht wurden (*). Bedenkt man nun, dafs die Delier, deren Sagen Herodot (°) folgt, diese Gaben Attika gar nicht berühren lassen, indem dieselben nach ihnen von den Hyperboreern zu den Skythen, von diesen durch mehrere Völker bis ans Adriatische Meer, dann nach Dodona, von Dodona nach dem Malischen Meerbusen und Euboea, und durch Euboea durch bis Karystos gehen, von den Karystiern aber unmittelbar nach Tenos, von den Teniern nach Delos gebracht werden; so liegt die Vermuthung nahe, die Athener hätten ihr Prasiae in die Reihe der Stationen eingeschoben, um ihre uralte Verbindung mit dem Delischen Heiligthum zu begründen, ungefähr wie sie die Attische Landzunge Zoster in den Mythos von der Niederkunft der Leto verwebt haben; eine Vermuthung, welche um so statthafter erscheint, da auch Sinope durch Milet von Athen abstammt. Aufser Hypereides, dessen Delische Rede sattsamen Fabelstoff darbot, mögen andere Attische Schrift- steller derselben Zeit, vorzüglich aber die Schriftsteller der Atthiden solche Vorstellungen vollends ausgebildet haben; nahmentlich hatte Phanodemos im zweiten Buche der Atthis des Erysichthon Fahrt nach Delos erzählt, und schwerlich irgendwoher als aus einer der Atthiden, welche die älteste an- gebliche Geschichte von Attika am Faden der Zeit erzählten, konnte Euse- bios (*) unter dem siebenunddreifsigsten Jahre des ersten Kekrops anmerken, Tu eu rourwv hegentvas 2] mEIGYoUS idavsw sis rrv vrrov did To Eogpov eivaı. Kareidev ist eine ganz gute Leseart, und weder z«rtsysv noch ein ähnliches zu schreiben, eben so wenig aber an Reinigung der Insel zu denken. (') Pausan. I, 18,5. (*) Pausan. I, 31,2. vergl. Müller Dor. Bd.I. S.272. (°) IV, 33. (°) Euseb. N.497. des Kanon, desgl. Hieronym. Vergl. Cedrenus, welchen schon Scaliger anführt. A2 4 Boscku: Zrklärung einer dtuischen Urkunde dessen Sohn Erysichthon habe den Tempel des Delischen Apollon gegrün- det. Hiermit war der älteste Anspruch Athens auf diesen Tempel gegeben (?). Theseus Opfer auf Delos, während er gen Kreta zog, und seine Gelobung der Theorien, zu welchen man die allbekannte allerdings aus sehr alten Zeiten stammende Delische Theoris gebrauchte, konnte dagegen ein Anrecht auf die Insel oder das Heiligthum nicht begründen; dafs aber nachher, als von Athen aus Ionien bevölkert wurde, auch Delos mit Attischen Ionern be- setzt worden (?), ist schwerlich zu bezweifeln. Indessen ist diese Colonie, wie alle in ältern Zeiten ausgeführten, eine unabhängige gewesen, und nicht zu vergleichen mit dem Verhältnisse, welches später durch die Kleruchien gegründet wurde, wonach die Ansiedler Athenische Bürger blieben, und so in jeglichem Kleruchenstaate ein Volk der Athener eingesetzt war: auch konnte dadurch kein Recht Athens auf das Delische Heiligthum gegründet werden, falls nicht ersonnen wurde, bei Einsetzung der Colonie habe der Mutterstaat das Eigenthum des Tempels sich vorbehalten. So wenig ein solcher Vorbehalt wirklich stattgefunden haben dürfte, so möglich erscheint es, man habe ihn später vorgegeben; und allerdings bezog sich Hypereides in der Delischen Rede auf eine Urkunde über Gründung der Colonien (dra- xi«) (?): wiewohl eine solche Beziehung auch sehr allgemein gewesen sein kann. Peisistratos, welcher das benachbarte Naxos eingenommen und dem Lygdamis übergeben hatte, reinigte, während er zum dritten Mahle Athen beherrschte, Delos nach Orakelsprüchen (ex r&v Aoyiwv), entfernte jedoch die Leichname nur aus dem Bezirke des Tempels, soweit davon die Aussicht reichte, und übertrug sie auf andere Stellen der Insel (*). Dieses setzt wenigstens eine angemafste, und freilich durch die Orakel hinlänglich gerechtfertigte augenblickliche Gewalt über den Tempel voraus. Wenn Polykrates von Sa- mos später Rheneia dem Delischen Apoll weihte und mit einer Kette an De- los knüpfte (°), so folgt daraus noch nicht gerade, dafs er Delos beherrschte; aber es erscheint als unglaublich, dafs er jenes gethan haben würde, wenn (') Siehe Dorville 8.12. (°) Vellei. I,4. wo darauf kein Gewicht zu legen, dafs Ion als Gründer Ioniens genannt ist. (°) S. unten 8.7. (*) Herodot I, 64. Thukyd. III, 104. (°) Dorville 8.17. . über das Vermögen des Spollinischen Heiligthums auf Delos. 5 der Tempel im Besitze Athens oder der Peisistratiden gewesen wäre. Und als Datis vor der Marathonischen Schlacht der Insel sich genähert hatte, be- zeigte er auf Befehl des Königs nicht allein den Deliern die gröfste Milde, sondern ehrte die beiden Lichtgötter hoch (!), ungeachtet später die Atti- schen Tempel von den Persern rücksichtslos geplündert, niedergerissen oder verbrannt wurden: ein hinlänglicher Beweis, dafs Datis und sein Gebieter das Heiligthum zu Delos nicht als Attisches erkannten, indem ihnen sonst die Ehrfurcht vor den Delischen Göttern schwerlich würde in den Sinn ge- kommen sein. Auch erwähnt Herodot durchaus nichts davon, dafs der Tem- pel nicht den Deliern gehört habe. So dürfte denn Athens Anspruch auf das Heiligthum erst damals sich ausgebildet haben, als die Athener die Inseln zu unterwerfen strebten. Bekanntlich war die Schatzkammer des Attischen Bun- des seit der Anlegung des Schatzes (Olymp. 77, 3.) zu Delos, und letzterer von den Hellenotamien verwaltet, welche auch damals schon ausschliefslich von Athen und aus Athenern ernannt wurden; wo sollte derselbe aber ver- wahrt worden sein als im Apolltempel? Dies konnte für Athen die nächste Veranlassung sein, den Tempel sich zuzueignen; dafs später gröfserer Sicher- heit wegen die Gelder nach Athen gebracht wurden, kann keinen Beweis da- für abgeben, dafs der Tempel damals den Athenern noch nicht gehört habe. Der Tempel, sage ich; der Staat bestand noch so gesondert von Athen, wie andere bundesgenossische aber unterwürfige Staaten (?): denn tributpflichtig wird er gewils gewesen sein, da alle Inseln des Aegäischen Meeres an Athen steuerten, mit Ausnahme bestimmter, unter denen Delos nicht genannt wird: und auf diese Tributpflichtigkeit scheint auch Hypereides in einer Stelle an- gespielt zu haben, welche später berührt werden soll. Mit der gegebenen Zeitbestimmung liefse auch die Nachricht von einem Streite der Delier gegen Athen über Delos zur Zeit des Königs Pausanias, des Sohnes des Kleom- brotos, sich vereinigen, wenn gegen diese Erzählung nicht mehreres stritte, was gleich erwogen werden soll. 3. Dafs allerdings bereits vor Beginn des Peloponnesischen Krieges der Delische Tempel von Athen verwaltet wurde, wird unten aus der In- (') Herodot VI, 97. Oi övo Sec, sagt Herodot: die Perser erkannten darin ohne Zweifel ihre Lichtgötter. (*) Nur dieses konnte auch Dorville S.19. gewollt haben, wenn er läugnet, dals Delos damals den Athenern unterworfen gewesen. 6 Borcxn: Erklärung einer Attischen Urkunde schrift erhellen, welche uns zu diesen Auseinandersetzungen veranlafst hat; Dorville’s Irrthum, als ob Delos im Jahre des Treffens bei Delion (Olymp. 39, 1.) von Athen völlig unabhängig gewesen, ist von Wesseling (') schon widerlegt. Gerade in diesen Zeitläuften hatte sich die Aufmerksamkeit der Athener auf das Heiligthum und die Insel gesteigert, weil jenes für die Er- haltung der Bundesverhältnisse wichtig war; wieder nach einem gewissen Orakel (zara yensuv d4 wa, wie Thukydides mit versteckter Ironie sagt) reinigen sie Delos Olymp. 88, 3. vollständig durch Wegschaffung sämmt- licher Todtenkisten aus der Insel, und bestimmen, dafs künftig auf Delos kein Weib Wochen halte und keiner daselbst sterbe, sondern Gebährende und Sterbende sollten auf die Insel Rheneia gebracht werden. Nach dieser im Winter vollbrachten Reinigung feierten die Athener, offenbar im Früh- jahr wie ich anderwärts bemerkt habe, im Thargelion, zum ersten Mahle das grofse vierjährige, nach Hellenischem Sprachgebrauche penteterische Fest in Verbindung mit Kampfspielen, wozu sie auch Rofslauf hinzufügten; nach- dem die alten Feierlichkeiten der Ioner und der Umwohner (Fegixricver) von Delos meist waren abgekommen gewesen (?). Auch die frühere Reinigung von Delos genügte bald den Athenern nicht mehr, sondern es däuchte ihnen nach Wegschaffung der Leichen noch zu fehlen, dafs die Delier selbst ent- fernt würden, indem auch sie wegen einer gewissen alten Ursache oder Schuld unrein seien (?); sie wurden daher Olymp. 89, 2. vertrieben, und begaben sich nach Atramytteion in Mysien, welches ihnen Pharnakes ein- väumte. Diodor behauptet, die Athener hätten den Deliern zur Last gelegt, sie hätten ein heimliches Bündnifs mit Sparta geschlossen ;, Thukydides Still- (') Zu Diodor XII, 70. (*) Thukyd. III, 104. vergl. 1,8. Diodor XH, 58. und über die älteren Feierlichkeiten Strabo X. S.485. (') Dies ist, ohne Rücksicht auf das Wort ieg#rScı, der wahre Sinn der Stelle des Thu- kydides.V,1. nehmlich „die Athener seien der Meinung gewesen, dies (roöre, die Vertreibung der Delier) sei dasjenige, was der Reinigung noch mangle, durch welche sie die Todten- kisten entfernt und daran Recht gethan zu haben glaubten nach seiner obigen Erzählung” (III, 104.). Was er vom Glauben der Athener Recht gethan zu haben sagt, ist ein iro- nischer Zusatz: denn er billigte das Verfahren gewils nicht. Daran hätte man nicht denken sollen, dafs erst Olymp. 89,2. noch Todtenkisten entfernt worden seien. Aufserdem reden von dieser Vertreibung der Delier Diodor XII, 78. Pausanias IV, 27,5. und Thukydides selbst VIIL, 108. über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 7 schweigen hierüber läfst vermuthen, dafs dergleichen nicht zur Sprache ge- kommen sei, wenn gleich zuzugeben sein mag, dafs das Attische Volk den Deliern keinesweges vertraute. Athen besetzte nunmehr Delos mit eigenen Bürgern (1) als Kleruchen; das Delphische Orakel jedoch, welches in den Zeiten seiner schönsten Wirksamkeit statt schnöden Priesterbetrugs und Pfaffenherrschaft die edlere Rolle milder und versöhnender Vermittelung entwickelte, befahl kurz hernach (Olymp. 89, —.) die Zurückführung der Delier in ihr Vaterland; die Athener leisteten um so williger Folge, weil sie geschreckt waren durch die Kriegsunfälle, von welchen sie seit Vertreibung der Delier waren heimgesucht worden (?). So wurden die Athener wieder auf den Besitz des blofsen Heiligthums zurückgeführt, später, als Athen nach der Seeschlacht bei Aegospotamoi von den Spartanern belagert oder schon übergegangen war, scheinen die Delier endlich einen Versuch gemacht zu haben, auch den Tempel wieder zu gewinnen. In der Plutarchischen Schrift, genannt Aazwvıza arepSeyuare, findet sich nehmlich folgende Er- zählung, wie die Delier vor Pausanias, des Kleombrotos Sohn, gegen die Athener gerechtet hätten: Hauravias 6 KAsou@gorev Andıwv ÖraroAoyoupevwv reg! Tas vnrou mgos ’ASyvalous nal Asyovrwv OTI Kara TV vouov Tov mag’ aürois sure ai Yuvalnes &v TH UNTW TIHTOUTW OUTE ci TEAEUTNTaVTES Sarrovraı Ilas cuv, Ebn, aurn margis Unwv Ein, Ev f oUTE YEyove Tıs Unav our’ errass Der Ausdruck megl 745 unrcu ist hier augenscheinlich ungenau; weder unter Pausanias Kleombrotos Sohn noch unter dem gleichnahmigen Sohne des Pleistoanax konnten die Delier über ihre Insel gegen Athen rechten, da erst Olymp. 89. die Athener diese sich angeeignet und nur etwa ein Jahr besessen hatten, und ähnliche Versuche in den letzten Zeiten des Peloponnesischen Krieges und in den nächstfolgenden Jahren, als Pausanias Il. regierte, gewifs nicht wieder gemacht wurden, nach- dem der Delphische Gott dagegen Einspruch gethan hatte; nur also um den Tempel konnte es sich handeln, und des Königs Antwort will sagen, die Delier als Fremdlinge in ihrem Wohnsitze hätten keinen Anspruch an das Heiligthum, welches nur denen gehören kann, die daselbst ihr wahres und festes Vaterland haben. Gesetzt aber, in Olymp. 77. als Pausanias I. noch lebte, hätten die Delier sich den Athenern, die um jene Zeit allerdings (') Diodor a.a.O. (*?) Thukyd. V,32. Diodor XII, 77. 8 Bosexn: Erklärung einer Attischen Urkunde den Tempel schon in Anspruch nehmen mochten, widersetzt: so war, wie Dorville richtig bemerkt, der ohnehin damals schon verhafste König von Sparta nicht derjenige, vor welchen ein solcher Handel gehörte, der ledig- lich nur von einem Amphiktyonengericht entschieden werden konnte; und schwerlich durften es die Delier in jenen Jahren wagen, auch nur Lakoni- sche Fürsprache nachzusuchen. Dieser Grund nebst andern bestimmte be- reits Dorville’n, welchem ich auch früher schon hierin gefolgt bin ('), diese Anekdote auf Pausanias des Pleistoanax Sohn zu übertragen, der Athen be- lagerte und einnahm, und auch während Thrasybuls Unternehmung das La- konische Heer befehligte; diefsen Zeitpunkt liefsen die Delier gewifs nicht ungenutzt, um ihr gutes Recht geltend zu machen; und damals war die Ent- scheidung von dem siegreichen Sparta abhängig. Überdies stimmt die schnöde Abfertigung der Delier ganz zu dem bekannten milden Benehmen dieses Pau- sanias gegen Athen, welches späterhin eine der Ursachen ward, weshalb ge- gen ihn eine Anklage auf Tod und Leben erhoben wurde. So viel ich be- greife, haben die Delier damit, dafs auf Delos weder ein Weib gebähren noch ein Todter beerdigt werden dürfe, die Heiligkeit ihrer Insel beweisen wollen: mag dies ursprünglich auch Delisches Herkommen gewesen sein, so wurde es offenbar doch vor Olymp. 88, 3. nicht gehalten, erst die Athener haben es damals so in Ausübung gebracht, dafs die Delier sich darauf be- rufen konnten: und weit entfernt, dafs sie darum es nicht hätten thun kön- nen, weil Athen ihnen das Gesetz auferlegt hatte, mufste der Beweis desto strenger scheinen, welchen der Gegner nicht anfechten konnte. Wäre aber schon früher, um Olymp. 77. diese Sitte befestigt gewesen, wie konnten die Athener sie erst verordnen? Wie konnten, um von Peisistratos Auswerfung der Leichen nicht zu reden, in Olymp. 88, 3. noch viele Todtenkisten weg- zuschaffen sein? Freilich waren die damals gefundenen über die Hälfte aus sehr alter Zeit, nehmlich aus Karischen Gräbern (?); aber die andere Hälfte waren doch gewifs Hellenische. Mag Pherekydes von Pythagoras auf Delos begraben worden sein, wie erzählt wird (%), oder nicht, so liegt dieser An- gabe jedenfalls die Voraussetzung zu Grunde, dafs damals Todte in Delos (') Dorville S.22. vergl. Staatsh. d. Ath. Bd.I. S.441. (?) Thukyd. I, 8. (°) Diog. Laert. VIII, 40. aus Herakleides, und dort die Ausl. über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 9 bestattet wurden; ja nach Diodor (?) haben die Athener, die Ursache der berühmten Pest im Zorne der Götter suchend, nach jenem gewissen Orakel- spruch Delos eben gereinigt, weil es dadurch befleckt war, dafs man die Todten dort beigesetzt habe: woraus zu schliefsen sein dürfte, dieses sei eben kurz vorher noch geschehen. Überhaupt ist es, welche Scheu vor den Göttern auch vorausgesetzt werde, ziemlich unwahrscheinlich, dafs die De- lier selber willig und ohne äufseren Zwang jenem höchst drückenden Gebote sich unterwarfen; noch in Bezug auf des Redners Aeschines Zeiten findet sich, freilich nur in einem untergeschobenen aber hierin dennoch glaubhaften Briefe (?), die Delier seien damals mit einem weifsen Aussatze behaftet ge- wesen, weil man gegen die frühere Gewohnheit einen angesehenen Mann auf der Insel begraben habe. Erwägt man alles dieses, so erscheint es als un- glaublich, dafs die Delier schon unter Pausanias I. auf ein solches Gesetz sich hätten berufen können, welches augenscheinlich erst später durch At- tische Gewalt volle Geltung o Insel als Eigenthum besafs, in seiner Wirksamkeit fortbestand; daher noch erhielt, und freilich seitdem Athen die ganze Strabon (?) bemerkt, es sei unerlaubt, daselbst einen Todten zu beerdigen oder zu verbrennen. Die Hellenischen Leichensteine, welche sich in Delos finden, sind daher für Denkmäler ohne wirkliche Gräber (zeveragı«) zu hal- ten; womit auch ihre Altarform übereinstimmt (*). 4. Bekanntlich waren die Hellenischen Staaten durch verschiedene gemeinsame Heiligthümer zu mehrern Amphiktyonien verbunden, von wel- chen die Pylaeische am bedeutendsten wurde; andere verschwanden, wie die uralte Kalaurische, oder tragen nicht mehr diesen Namen, wie der Posei- donische Verein von Tenos. Das Delische Heiligthum war ein Mittelpunkt (‘) XI, 58. (?) Aeschines Brief I. Dafs die Aeschineischen Briefe untergeschoben seien, ist völlig sicher; einen schlagenden Beweis habe ich zum Pindar Th. I. Bd. II. S.18 f. geliefert. () X. 5.486. (*) Corp. Inser. Gr. Bd.1l. S.246 f. Hiermit will ich jedoch nicht behauptet haben, dals alle Grabaltäre der Hellenen für Kenotaphien bestimmt gewesen: was leicht zu widerlegen wäre. Die meisten Grabmäler zeigen durch ihre Form und Inschriften ihre Bestimmung zum wirklichen Bestatten; aber bei einem Altar bleibt dieser Zweck zweifelhaft, wenn nicht an- dere Entscheidungsgründe hinzukommen. j Hıstor. philol. Abhandl. 1834. B 10 Bozen: Erklärung einer dttischen Urkunde der Ioner und der Umwohner von Delos gewesen; noch Thukydides, wie wir eben gesehen haben, spricht von dieser alten Versammlung, und bedient sich dabei ausdrücklich des Wortes regizrioves, welches gleichbedeutend mit dudırriovss ("Aubırrvoves) ist. Nichts ist daher wahrscheinlicher, als dafs Athen gleichzeitig mit der ersten Festfeier (Olymp. 88, 3.), wie ich früher vermuthet habe (!), einen Schein von Amphiktyonie hergestellt hat; aber wie die Athener allein und aus ihrer Mitte die Hellenotamien ernennen, so auch diese Amphi- ktyonen, welche daher auch "Ausızrüoves "ASnvaiwv heifsen: Ein Athener mit seinem Schreiber bildet die eigentliche jährlich wechselnde Behörde; jedoch mufs er einen Rath gehabt haben, da man Einen nicht ’Audızruoves nennen konnte (?). Vierjährig stellen sie ihre Rechenschaft zusammen, so dafs das vierte Jahr der vorhergehenden und die drei ersten der folgenden Olympiade einen Cyklus bilden. Ein Gesetz dieser Amphiktyonen, Dinge betreffend, welche mit der Festfeier zusammenhingen, ist von Athenäos aus dem Athener Apollodor erwähnt, die einzige Stelle über dieselben in den Schriftstellern ; über ihre Verwaltung geben die Inschriften mehr Auskunft. Die Sandwicher Steinschrift, welche in Athen gefunden ist, enthält eine Rechnung über die Tempeleinkünfte und die Ausgaben für die Theorie und Festfeier aus dem Zeitraume von Olymp. 100, 4. bis 101,3. Was.die Einkünfte betrifft, auf welche ich meinem Zwecke gemäfs hier mich beschränke, sind darin ver- zeichnet die Zinsen der an Staaten ausgeliehenen Gelder, welche bezahlt waren, wahrscheinlich im Betrage von 4 Talenten 3993 Drachmen 2 Ob., die von Privatleuten bezahlten Zinsen der ihnen geliehenen Capitalien, 4925 Drachmen, beide offenbar nur von drei Jahren: aufserdem gröfsere und kleinere Posten aus eingezogenen Gütern und Pfändern der in Rechts- händeln Verurtheilten, Pachtgelder der heiligen Ländereien (reusevwv) von Rheneia und Delos, und Häusermiethen; von welchen jedoch die Pacht- gelder nur aus zwei Jahren, die Miethen aus Einem Jahre sind, das Übrige (') Staatsh. d. Athen. Bd. II. S.218. wo im Verfolge die Beweise für das Übrige liegen. Vergl. Corp. Inser. Gr. Bd.1. S.256. a. (?) Der Plural kommt nicht allein in dem Marm. Sandw. (Corp. Inser. Gr. N.158.) in der Überschrift, wo mehrere Jahre zusammengefalst sind, sondern 8.9. auch von der Behörde Eines Jahres, desgl. N. 159. und in dem Gesetze vor, welches Apollodor bei Athen. IV. S.173. B f. anführt. über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 11 wahrscheinlich auch nur auf wenige Jahre, und höchstens auf drei sich be- zieht. Die Summe der verrechneten Einnahme beträgt 8 Talente 4644 Dra- chmen 25Ob. Eine grofse Summe Zinsen war aber noch rückständig, nach ausdrücklicher Angabe von vier Jahren; einjährige Rückstände sind wenig- stens nicht besonders berechnet: und man mufs daher, da von denen, welche für drei Jahre bezahlt hatten, einige nicht unter denjenigen vorkommen, die im Rückstande waren, annehmen, dafs diese im vierten Jahre nicht mehr Schuldner waren. Rechnet man die bezahlten Zinsen und deren Rückstände zusammen, so ergiebt sich eine Summe von beinahe 19 Talenten, und wird diese als vierjährige Einnahme betrachtet, so kommen auf jedes Jahr im Durchschnitt etwa 4-- Talente, welches nach dem gewöhnlichen Zinsfufse von 12 vom Hundert ein baares Capital von ungefähr 40 Talenten voraus- setzt: dabei ist jedoch nicht in Anschlag gebracht, dafs unter den rückstän- digen Zinsen Einiges ausgefallen und ein Posten als nachgezahlt ausgetilgt ist; auch wissen wir nicht, ob dasjenige, wovon nur dreijährige Zinsen ver- rechnet sind, schon im vierten Jahre wieder an andere Schuldner ausge- liehen war, und Zinsen davon unter den Rückständen der vier Jahre mit ent- halten seien; endlich wird unten einleuchtend werden, dafs sogar nur zu 10 vom Hundert ausgeliehen sein konnte. Jedenfalls also sagen wir wenig, wenn wir ein baares Capitalvermögen von 40 Talenten, oder das Talent nur zu 1375 Rthlrn. Conv. G. gerechnet, von 55000 Rthlrn. Conv. G. annehmen, welches für jene Zeit nicht unbedeutend war. Übrigens mochte sich das Eigenthum des Tempels fortwährend vermehren, nahmentlich durch erkannte Geldstrafen, deren eine grofse Summe $.9. aufgezählt wird, und aus einge- zogenen Gütern, wohin zu grofsem Theil die 8.10. nahmhaft gemachten Grundstücke gehören: eine Folge der Attischen Verwaltung, da mehrere Delier, wahrscheinlich sogar ein Archon, des Verbrechens der Gottlosigkeit angeklagt und verurtheilt worden waren, weil sie, offenbar aus Widerwillen gegen das bestehende Verhältnifs, Olymp. 101, 1. die Amphiktyonen aus dem Tempel gejagt und geschlagen hatten. 5. In Demosthenes Zeitalter brachten die Delier endlich eine förm- liche Klage auf Zurückgabe des Tempels an den Amphiktyonenrath, den Pyläisch -Delphischen, wie sich ohne Weiteres versteht; die Athener müssen nach gewöhnlicher Sitte vorgeladen worden sein, um in diesem Streite über B2 12 Borexn: Erklarung einer Attischen Urkunde das Eigenthumsrecht (dadıraria) (') ihre Vertheidigung zu führen; da sie grofses Gewicht auf diese Sache legten (?), so entstand ein Partheikampf um die Ernennung des Vertheidigers, welchem Kampfe wir einen Theil unserer Kenntnifs der Sache verdanken, und namentlich die Möglichkeit einer nä- heren Bestimmung der Zeit dieses Rechtshandels, der uns übrigens belehrt, dafs Athen damals noch in ungestörtem Besitze des Tempels war (?). Anti- phon der Athener war in Folge einer Bürgerprüfung (dalydırıs) (*) seines Bürgerrechtes beraubt worden (riv @roWngırSevra ’Avrıpövra nennt ihn De- mosthenes); dieser Antiphon hatte sich angeblich gegen Philippos anheischig gemacht, die Flotte der Athener und die Schiffhäuser im Piräeus zu ver- brennen: Demosthenes nahm ihn gefangen, Aeschines bewirkte jedoch seine Loslassung; der Areopag liefs ihn wieder verhaften, und er wurde hinge- richtet. Dies wissend entfernte der Areopag, als Aeschines von der Volks- versammlung zum Sachwalter der Athener für das Delische Heiligthum (suv- Öinos Ümeg Ted iepoU reD Ev Ayıw eis ros "Audirrüovas) erwählt, der Areopag aber nachher zugezogen und zur Ernennung dieses Sachwalters bevollmächtigt wurde, den Aeschines als einen Staatsverräther, und wählte mittelst der feierlichsten, nur in grofsen Angelegenheiten .‚gebräuchlichen Abstimmung vom Altar den Hypereides als einen würdigen Vertreter des Volkes; und Hy- (') So bezeichnet die Sache richtig Apollonios Prooem. in deschin. S.14. Reisk. Der falsche Plutarch (Leben des Aeschines) nennt sie @upıs@yrnue g6s Anrtovs, im übrigen nicht unangemessen, nur traten die Delier als Kläger auf, und eigentlich war es also eine aupıs- , EREEN Burnsıs meos AIyvarovs. (?) Philostrat. Leben der Sophisten I, 18, 4. "ASywarsv oU ixgov yyounzvuv Ermereiv Tod ev Arıu iepov. (°) Da für eine genauere Ansetzung des Rechtshandels früher ein Grund fehlte, habe ich denselben Staatsh. d. Ath. Bd. I. S.441. auf Olymp. 107-108. bestimmt, und darnach Corp. Inser. Gr. Bd.U. S.224. diese Zeit als diejenige gesetzt, wo die Athener noch unzweifel- haft im Besitz des Tempels gewesen seien, ohne auf Inschr. N.159. Rücksicht zu nehmen, weil die dortige Annahme des Archon Euaenetos der Anfechtung unterworfen schien, und eine den weitesten Spielraum lassende Bestimmung für das Zeitalter der dort behandelten Inschrift gegeben werden sollte; indefs scheint es zulässig, die Inschrift N.159. so zu be- nutzen, wie ich unten thun werde: auf dieser beruht auch die früher in meiner Staatshaus- haltung der Athener aufgestellte Behauptung, nach jenem Amphiktyonischen Rechtshandel habe der Besitzstand der Athener noch fortgedauert. (*) Dafs die Sache in Folge einer Öuelyperıs geschah, wulsten noch Ulpian und die an- dern Grammatiker (s. Taylor’s Anm. zu Demosth. v. d. Krone $.271. Reisk.). über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 13 pereides wurde wirklich abgesandt (!). Wie wir wissen, ist aber eine be- deutende und in diesem Zeitalter die einzige Bürgerprüfung unter dem Ar- chon Archias Olymp. 108, 3. gehalten worden; es leidet keinen Zweifel, dafs Antiphon eben in dieser ausgestofsen wurde (?). Sein Anschlag auf die Athenischen Werfte dürfte aus Erbitterung hierüber nicht lange hernach ge- macht worden sein; und jedenfalls erfolgte die Verhaftung des Antiphon vor der Anwesenheit des Byzantiers Python zu Athen, welche Olymp. 109, 1. erfolgte (°). Endlich leitet der Zusammenhang der Begebenheiten dahin, dafs die Ernennung des Hypereides zum Sachwalter wegen Delos nicht lange nach der Verurtheilung des Antiphon sich eräugnet hatte. Der Rechtshandel möchte also sehr bald oder vielmehr gleich nach Olymp. 108, 3. vielleicht sogar in diesem Jahre selbst vorgekommen sein. Zu Anfang des genannten Jahres hatte Philippos den Phokischen Krieg gänzlich beendigt; die Bestra- fung des Tempelraubes der Phokenser, welche er im Namen der Amphiktyo- nen ausgeführt hatte, mochte die Delier ermuthigen, auch ihre Angelegen- heit vor die Amphiktyonen zu bringen, deren Mitglied der Hauptgegner der Athener, der König der Macedonier, nun geworden war. 6. Dafs bei Gelegenheit dieses Rechtshandels besonders die ältere und mythische Geschichte von Delos zum Vortheil der Athener von Ein- heimischen ins Auge gefafst wurde, ist nicht unwahrscheinlich; da zumahl die Hellenen in ihren Staatsverhandlungen nichts mehr liebten als den An- schlufs an ihre vom Glauben geheiligten Mythen. Demades, der leichtsin- (‘) Demosth. v. d. Krone S.271f. nebst dem dortigen Zeugnils: nach welchem Demosthe- nes auf Pythons Auftreten zu Athen als eine spätere Thatsache übergeht. Die Geschichte von Antiphon kommt ohne weitere Verbindung mit der Wahl des Aeschines und Hypereides bei Deinarchos g. Demosth. S.46. und bei Plutarch im Leben des Demosth. 14. vor; in Ver- bindung mit jener Wahl aber bei Philostratos a. a. 0. 8.2. Blofs die Verwerfung des Ae- schines und die Ernennung des Hypereides ohne Erwähnung des Antiphon erzählen, jedoch nur aus Demosthenes, Apollonios a.a.O. und Pseudoplutarch im Leben des Hypereides und des Aeschines (wo statt uvöızos das ungefähr gleichbedeutende suryyegos steht), desgleichen Photios Cod. 266. (°) Diese Zusammenstellung und die Anwendung auf den Delischen Rechtshandel habe ich bereits in der Abhandlung über Philochoros (zum 6. Buche) gemacht. Von einem solchen Ausgeworfenen (arotnpırSeis) von derselben Bürgerprüfung her handelte auch eine fälsch- lich dem Deinarchos beigelegte Rede zar« Krgvzwv (Dionys. $.116 £.). (°) Über diese Zeitbestimmung s. Winiewski Comm. in Dem. de cor. S.138 f. 14 Bozen: Erklärung einer Atuschen Urkunde nige aber geistvolle Demagog, hatte allerdings nichts geschrieben, was Ci- cero und Quintilian noch gehabt hätten, welche ausdrücklich sagen, man kenne von ihm keine Schriften (!), und er habe keine Reden verfafst (*); Suidas führt jedoch bekanntlich seinen droAsyıruss rns Eaurov Öwdezarries an, und welche Bewandtnifs es damit auch haben und wer immer ihn verfafst haben mag, so war eine solche Rede wirklich vorhanden, da wir selber noch ein Bruchstück davon besitzen: weshalb die von demselben ihm beigelegte irrogia megl Aryıcu zul ns yeverews rav Tns Ayroüs radwy ebenso als vorhanden gewesen anzusehen ist. Dürfte auch die erstgenannte Rede eben nicht von Demades herrühren, so ist dagegen kein bestimmter Grund vorhanden, die Schrift über Delos, die ja keine Rede war, mit Fabricius, Sallier und Ruhn- kenius ihm ohne weiteres abzusprechen ; als ein ehemaliger Seemann konnte er mancherlei von Delos wissen, wo er öfter gewesen sein mochte (*); und in einem solchen mythologischen Schriftchen hatte leicht mittelst gelegent- licher oder vom Gange der Betrachtung veranlafster Einmischung auch das- jenige Platz, was dem Demades als eine eigenthümliche Meinung über die Gegend, wo Persephone geraubt worden sei, beigelegt wird (*), zumahl da dieser Ort in Attika zu suchen sein möchte. Gerade auch mit seiner Nei- gung, dem Volke Festlichkeiten zu bereiten, stimmt es ziemlich überein, dafs er, etwa um über die Ansprüche der Athener auf den Tempel zu Delos zu unterrichten, ein Schriftchen zusammenstellte: die Volksversammlung wird er aufserdem mündlich berathen haben. Dafs nehmlich, ehe die Sache beim Amphiktyonengericht vorkam, darüber zu Athen Reden gehalten wur- den, beweiset schon die Wahlverhandlung. Eine solche Rede läfst sich mei- nes Erachtens wirklich auch nachweisen. Unter den Schriften des Deinar- chos, der nach Dionysios erst Olymp. 111, 1. unter dem Archon Pythode- mos Reden zu schreiben anfing, befand sich eine öffentliche, also auf Staats- (') Cicero Brut. 9. (?) Quintilian II, 17,12. XII, 10, 49. (°) Ungefähr so urtheilt auch Dorville 8.3. (*) Schol. Hesiod. Theog. 914. Bavodyuos 82 ame Trs "Arrızys, Anuadys de Ev Names (ng rasr>cı ayv Ilegrecovyv rei). Dafs Narcı eben auch in Attika gewesen sein dürfte, urtheilt auch Siebelis (Phanodemi, Demonis, Clitodemi, Istri Atthid. S.6.); es lag wahrscheinlich am Kephisos bei Eleusis, wo Persephone geraubt worden sein sollte (Pausan. I, 38, 5.)- über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 15 angelegenheiten bezügliche Rede, Ayrıaxes Acyes: Dionysios (1) erklärt, diese sei nach ihrer Weise und ihrem Gepräge von einem andern Schriftsteller ; sie sei alterthümlich geschrieben, und bewege sich in der örtlichen Ge- schichte von Delos und Leros. Sie war also ein älteres Werk, wie mehrere unter den Reden des Deinarchos; sie begann aber mit Delischen Mythen. Die ersten Worte der Rede sind: ’ArorAwves xaı “Pawls 775 Erabvrcu. Sta- phylos ist des Dionysos oder Theseus und der Ariadne Sohn (?), wo- durch schon ein Verhältnifs zu Athen angedeutet wird; Apolls und der Rhoeo Sohn aber ist Anius, König von Delos zur Zeit da Troia belagert und eingenommen wurde (?). Anius also, Apolls Sohn und König der Insel, ist der Urenkel des Theseus; wie leicht konnte hieraus ein Anrecht der Athener an das Apollinische Heiligthum zu Delos abgeleitet werden? Frei- lich bleibt unbekannt, wie Leros in diese Angelegenheit verwickelt war; ge- wifs jedoch ist nichts einfacher als die Beziehung jener Rede auf den Rechts- handel, von welchem wir sprechen (*); vielleicht war sie eine in der Volks- versammlung gehaltene Deuterologie, da ihr Anfang vorauszusetzen scheint, dafs der Gegenstand, worauf sie sich bezog, schon vorher besprochen war. Den Ayrıaxos Aoyos des Aeschines dagegen verwarfen die alten Kritiker, weil Aeschines die Amphiktyonische Rede nicht gehalten habe, sondern Hyperei- des (°); sie mufsten aus der Rede selbst erkennen, dafs diese vor den Am- phiktyonen gehalten sein sollte, daher man nicht sagen kann, sie könne vor- her in Athen gehalten und also doch Aeschineisch gewesen sein (°). Auch (') Deinarch. S.118. Sylb. (*) Schol. Apollon. Rhod. IH, 997. Apollod. I, 9,16. Plutarch Thes. 20. vergl. Hemsterh. z. Aristoph. Plut. 1022. (°) Diod. V,62. und dort Wess. nebst Dorville über Delos S.12 f. (*) Unter den Reden, welche Dionysios dem Deinarchos abspricht, befand sich auch eine wegi v5 AyAcv Suries für Menesächmos (Dionys. S.117.); diese scheint Dionysios für ein eigenes Werk des Menesächmos, welcher der Sprecher war, gehalten zu haben; wahrscheinlich be- zog sich aber diese nicht auf die Attische Verwaltung des Delischen Heiligthums, sondern auf ein Opfer der Theoren. (°) Pseudoplutarch Leben des Aeschines, Philostratos Leben der Sophisten I, 18,4. Pho- tios Cod. 264. Schol. Hermog. de ideis 5.389. (alte Ausg.) und daraus Max. Planud. zu Hermog. de ideis S.482. Walz. Bd.V. (°) Eben dadurch wird auch das Urtheil des Caecilius bei Phot. Cod. 61. ausgeschlossen, 16 Borckn: Erklärung einer Attischen Urkunde diese behandelte den Gegenstand vorzüglich durch Darlegung des mythischen Stoffes (1); doch soll derselbe darin schlecht dargestellt gewesen sein, un- geachtet hier gerade, wie Philostratos sagt, Theologie, Theogonie und Ar- chäologie in der Sache selber lagen (?). 7. Etwas besser sind wir über den Amphiktyonischen Ayrıanos Aoyas des Hypereides unterrichtet. Ungenau geben Einige der Alten an, es habe sich darum gehandelt, welche von beiden Partheien dem Delischen Heiligthume solle vorstehen (geisrarSau) (?): es war vielmehr ein Streit über das Eigen- thum des Tempels, die Ausübung des Dienstes und die Einkünfte des Heilig- thums, wie wir mehrere Beispiele von solchen Rechtshändeln (diedızariaus) über das Eigenthum von heiligen Orten und die damit verbundene Ausübung der Opfer und heiligen Handlungen oder über letztere Ausübung und die davon abhängigen Ehrengeschenke (yg«) allein kennen, z.B. in Athen Kporuvıdwv Öadızaria mgös Kegwvidas (*). Des Redners Zweck war daher zu beweisen, dafs von Alters her die Heiligthümer in Delos den Athenern gehört hätten (EE apyamu def reis "AOyvarıs 7a &v AyAw iega moosynovra) (°); dies suchte die Rede, die dort fälschlich ö Arkıczös voros heifst, sei von einem andern dem berühmten Aeschines gleichzeitigen Redner desselben Nahmens. Dafs der Irrthum des Caecilius auf einer Verwechselung mit Hypereides beruhe, wie Westermann Gesch. der Bereds. Bd. I. S.118. vermuthet, ist undenkbar, weil der AyAı«zös des Aeschines ja hiernach mit dem AyAı«z0s des Hypereides eins sein mülste. (') Schol. Hermog. und Planudes a. a. O. (?) Philostratos a.a. O. 8.4. (°) Pseudoplutarch im Leben des Hypereides, Photios Cod.266. Tittmann Amphikt. V, 8. spricht ebenso ungefähr von Aufsicht. (*) Eine Rede, wahrscheinlich des Philinos (Ruhnk. Hist. crit. Oratt. S.153.). Viele solche drdızaericı kamen in den Tieden vor, welche fälschlich dem Deinarchos zugeschrieben wurden, wie dı@dızarıa "ASpoveüst megi Tns Musäuns zur 775 Miaxos, Öuedızarıae TYS iepsias 775 Ayunroos maos rov “Isgodavruv,, Eldartuuv moös Kyguzes (Dionys. S.117.). In den ächten Reden des Deinarchos befand sich eine diadızaric Barygewv meös Poaivızas Umso TnS kegwsuung Toü Hoss:ösvos (Dionys. S.116.), wo res Parvizas nicht mit Sylburg anzufechten ist; ob jedoch die ®oiwızes ein Attisches Geschlecht waren wie die Phönikischen Gephyräer, ist mir zweifelhaft. Sollte vielleicht gar ein Phönikischer Dienst in der Nähe des Phalerischen Gebietes gewesen sein? Mindestens ist es auffallend, dafs in Attika schon drei Phönikische Inschriften gefunden worden sind. Aus Harpokr. in ’Arorn, wo dieselbe Rede angeführt wird, läfst sich darüber nichts Bestimmtes ersehen. (°) Schol. Hermog. de ideis S.389. alte Ausg. Joannes Sikeliota bei Ruhnk. Hist. crit. Oratt. S.149. Reisk. Max. Planudes a. a. O. S. 481. über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 17 er durch häufige Anwendung des Mythos zu erreichen, wozu ihn dem Ur- theil der Rhetoren nach der gegebene Stoff genöthigt hatte. Als eine Probe davon liefern sie folgende Stelle (!): Asyeraı yap rnv Anrw »Veurav reis mal- das En Aus MavverSar Ümo Tis “Has zara yrv nal ara Sararrav* Yon Ö8 ar Baguveuevnv nal ümopousav eis Try yAv EAIEIv Tu Nueregav za Aucaı TAVv Cwunv Ev ru remw, 65 vüv Zwarng zarelraı. Er begann folglich sogar mit den Vorboten der Niederkunft, welche er auf Attischen Boden verlegt, nach Zoster, wo dem Pausanias zufolge Athena, Apoll, Artemis und Leto einen Altar hatten. Nach der Erzählung des Aristeides ging Leto von Zoster aus immer nach Osten unter Führung der Athena Pronoia (?); von der Landspitze von At- tika aber (&r’ axgas rns "Arrızys) setzte sie über auf die Inseln, und weiter nach Delos, woselbst sie die Artemis und den Apollon den Patroos der Athener gebahr. Unter der Landspitze versteht der Scholiast des Aristeides das Vorgebirge Sunion, wo der berühmte Tempel der Athena stand; dieses habe auch Hypereides im Deliakos bezeichnen wollen, und habe also gesagt: or am anpas 775 Arrınas Ant Enelßn TIS varcu (°). Hypereides mufs nach Angabe der Rhetoren auch hiernächst von der Geburt der Götter gehan- delt haben (*); ohne Zweifel sehr ausführlich, da seine Weitläuftigkeit im Mythischen von Longin, einem hinlänglichen Kunstrichter, angemerkt wird, welcher zugleich seine gerade in dieser Rede enthaltene Erzählung von der Leto (ra egi r7v Anrw) dichterischer gehalten (romrızwrega) findet (5). (') Diese setze ich so hierher wie sie Walz im Planudes herausgegeben hat; bei Ioannes Sikeliota steht noch dabei: !rsıra eis Ayrov dafs dıövmous rare "Agre TE zur Amor- Auwva roös Seovs: welches jedoch gewils nicht die Worte des Redners sind, sondern nur der Sinn dessen, was demnächst weitläuftiger ausgeführt war. Zur Sache vergl. Steph. Byz. in Zwsrrg, Pausan. I, 31,1. Aristid. Panath. Bd.I. S.97. Jebb. (S.169. Canter.) Menander Rhet. de encom. S.42. Heeren. (2) Auch in Delos war ein Tempel der Athena Pronoia (Macrob. Sat. I, 17.), und der Nahme derselben wird sogar von ihrer Fürsorge für Leto’s Geburt abgeleitet (Harpokr. Phot. in Igövoz, Lex. Seg. S.293. 26.). (°) Schol. Aristid. S.13. S.109. Frommel, Bd. II. S.27. Dindorf. Die Nebenbemerkung des Scholiasten, Hypereides habe hiermit beweisen wollen, die Inseln seien nahe bei Attika, habe ich nicht berücksichtigt; denn sie ist handgreiflich ungereimt. (*) Hegı rov margav FoU tegoü daramaver zn Ts yertsews rWv Tewv, heilst es in den Scholiasten zum Hermogenes. (°) Longin v. Erhab. 34, 2. Histor. philol. Abhandl. 1834. C 18 Borcekn: Erklärung einer diuschen Urkunde Aus zerstreuten Anführungen, vorzüglich bei Harpokration, die Suidas und andere Grammatiker, ohne immer den Deliakos zu nennen, meist ausge- schrieben haben, erkennt man ferner, dafs vieles von heiligen Gebräuchen und was damit zusammenhängt gesagt war: so kam darin das Wort averov (iegov naı aveaevov Se wi) (1), "Agrenisiov (ein Bild der Artemis) (?), Opfer für Apollon (?) und das Opfer moongoria (*) vor. Letzteres war bekanntlich ein Opfer für Demeter, und wurde schon seit alter Zeit von den Athenern für ganz Hellas auf Befehl eines Orakels dargebracht; offenbar sollte die Anführung dieses Opfers dazu dienen, die Würdigkeit der Athener zu be- weisen, dafs von ihnen auch das Delische Heiligthum für die Ioner oder alle Hellenen verwaltet würde. Ein Bruchstück beim Athenäos (°), ‚Kal rev »garnga rov Ilavıwviov von ol "Errves negavvVouow””, ist vielleicht aus einem ähnlichen Beweise, dafs die Berechtigung an die Heilighümer nicht an die Stelle gebunden sei, sondern eine Gemeinschaft vieler stattfinde, in deren Nahmen Einer oder mehrere, selbst auswärtige Staaten, das Heiligthum ver- walteten; so würden sämmtliche Hellenen als diejenigen angesehen, welche den Panionischen Krater mischten, obgleich das Fest nur ein Ionisches sei; auch der Delische Tempel sei ein Gesammtheiligthum der Delischen Am- phiktyonie, dessen Verwaltung dem Hauptstaate zukomme, wofür natür- lich Athen als Mutterstaat der Ioner und der meisten benachbarten Inseln gelten mufste (°). Auch war ferner von Colonialverhältnissen die Rede; (') Etwas verschieden im Cod.E. bei Bekker, womit die Surayuyr r2Eeuv Yonzılawv in Bekkers Anecd. Bd.1. S.399. übereinstimmt. (?) Vergl. Bekkers Anecd. S.448. in der Swaynyn ?2Eeswv Yorsinwr, wo gesagt wird: R, \ 9 a; ‚ 7 PERT ® ing MeV Wrrsgsiöns vwonare moAAaRıS 70 vhs "Agremidos ayarıce, wahrscheinlich in der- selben Rede öfter. (°) Priscian Gramm. XVII. S.229. Krehl. ’EvrauSi Sverar rU "Arorrwv örmusger, ze usgis aurw zer Öeizvov magerıSercı "EvreuSı kann schwerlich auf Athen bezogen werden, da die Rede vor den Amphiktyonen gehalten ist; ich beziehe die Stelle auf Delphi, worauf der Inhalt einzig palst: so dals also die Rede vor einer zu Delphi gehaltenen Pyläa gesprochen war. Welche Anwendung der Redner diesem Gedanken gegeben hatte, ist nicht erkennbar. (*) Harpokr. (°) X. S.424.E. Die Auslegun ; ae Glosse zegavvvousı bei Suidas. g von Dalecamp ist lächerlich. Aus dieser Stelle ist die (°) Beim Scholiasten d. Aristoph. Vögel 881. wird aus Hypereides erwähnt, die Chier er- Nehten von den Göttern Heil für Athen: welche Stelle man ebenfalls dem Deliakos zugeeignet über das Vermögen des Apollinischen Heilıgthums auf Delos. 19 es kam darin @reızia (!) in der Bedeutung vor: ygauuara naS’ a dreams res, also als Urkunde über die Gründung der Colonie; so wie go&evia zai eegyeria eine Urkunde über verliehene Proxenie und Euergesie ist (?). Nichts scheint natürlicher, als dafs Athen auch jenes Verhältnifs geltend machte. Nicht minder möchte die ehemalige Tributpflichtigkeit von Delos an Athen berührt gewesen sein; die Worte bei Harpokration in Suvrafıs: Zuvrafw &v ra magavrı oudevi didovres, Ausls de were HEinsanev Aafeiv, erlauben eine andere Auslegung nicht als diese, die Delier seien jetzt niemanden tributpflichtig, Athen aber habe ehemals von ihnen Tribut empfangen: die Partikel de, welche ausgestrichen worden, welche jedoch auch Photios in dem gleich- nahmigen Artikel anerkennt, mufs wieder hergestellt werden. Audovres Ausis würde den Sinn geben, Athen zahle gegenwärtig niemanden Beiträge, habe aber ehemals welche erhalten: als ob einem Attischen Redner in Demosthe- nes Zeiten der Ausdruck hätte entfallen können, Athen zahle gegenwärtig keinem andern Staate Beiträge. Ohne Zweifel endlich hatte Hypereides auch die bekannte schon früher geltend gemachte Unreinigkeit der Delier be- sprochen. Diese beruhte auf einer gewissen alten Schuld (rarae rıs «i- ria) (?): welche sollte dies sein, als ein ungesühnter Mord (@ycs), dessen Verunreinigung, wie die fortdauernde Anfechtung des Hauses der Alkmäoni- den zeigt, selbst Jahrhunderte nicht tilgten? Sopatros zum Hermogenes (*) giebt nehmlich aus dieser Delischen Rede eine lange Stelle, worin erzählt wird, es seien reiche mit vielem Gold versehene Aeoler auf einer Theorie hat. Sie lautet: ‘O ö& Vrrsssiöns Ev ru Xarzu zen Orı Xior nuyorro 'ASnvaroıs ÖsdyAwzev. Statt Xarz0 haben Meursius, Valesius, Ruhnken u. A. geschrieben Aryiıezw: es ist aber vielmehr Xıeza zu verbessern (über dieses zrrrız2v vergl. Steph. Byz. in Xios), obgleich wir diese Rede weiter nicht kennen. Auch fehlt alle Ursache, mit Ruhnken den Titel einer Rede des Hy- pereides KuSviezös anzufechten. Ganz verkehrt aber ist es, wenn Valckenaer, dem Ruhnken (Hist. erit. Oratt.) zu gefällig beipflichtet, bei Plutarch de glor. Athen. 8. des Hypereides INrereizev in ArAıezov verwandeln will. Der Zusammenhang erfordert dort offenbar eine Platäische Rede, und schlielst eine Delische ganz aus. (‘) Harpokr. (*) Corp. Inscer. Gr. N.90. 91. 1563. (°) Thukyd. V,1. (*) FErar. S.183. alter Ausg. bei Walz Bd.IV. S.446. Auf diese Stelle beziehen sich die Glossen ‘Prvaiz (‘Prvsic) und &yogercı bei Harpokr. u. A. C2 20 Borexu: Erklärung einer dwuischen Urkunde nach Delos gekommen, und vom Meere ausgespült (&#ße@rnueva) auf Rhe- neia todt gefunden worden: die Delier hätten gegen die Rheneier die Klage der Gottlosigkeit erhoben, die Rheneier aber hierauf gegen die Delier eine Widerklage; hiernächst werden feine auf den Umständen und Muthmafsung beruhende Gründe beider gegen einander vorgebracht, wodurch jede der Partheien es wahrscheinlich zu machen sucht, dafs der andern der Frevel zur Last falle. ‚„,Warum’’, sagen die Rheneier, ‚‚sollen die Fremden zu uns gekommen sein, die wir weder Hafen noch Handelsplatz noch sonst Verkehr haben? Alle Leute kommen nur nach Delos, und wir selber verkehren meist auf Delos.’”’ Da die Delier erwidern, die Fremden hätten in Rheneia Opfer- thiere kaufen wollen, antworten die Rheneier: ‚‚Warum, wenn sie Opfer- thiere kaufen wollten, wie ihr angebet, brachten sie nicht ihre Sclaven mit, welche die Opferthiere führen sollten, sondern liefsen sie in Delos zurück, und setzten allein über? Überdies, ungeachtet von der Überfahrt bis zur Stadt Rheneia ein rauher Weg von dreifsig Stadien ist, welchen sie zum Be- hufe des Kaufes zurücklegen mufsten, setzten sie dennoch unbeschuht über, in Delos dagegen, im Heiligthum, gingen sie wohl beschuht umher?’ Hand- greiflich ist die ganze Darstellung zum Nachtheil der Delier, welche in jenen alten Zeiten, als diese Anklage soll vor Gericht gekommen sein, die Be- schuldigung nicht mochten überwunden haben. 8. Welche Gründe aufserdem vor dem Pyläischen Amphiktyonenrath von beiden Seiten vorgebracht werden konnten, ist eine müfsige Betrach- tung, der sich Valois (!) und Dorville unterzogen haben; über die Entschei- dung aber ist nichts bekannt, weil die Spätern hierüber aus der Rede des Hypereides nichts ersehen konnten. Wenn indessen, woran ich nicht zweifle, eine von mir herausgegebene bei Athen gefundene Urkunde der Attischen Amphiktyonen von Delos (?) unter den Archon Euaenetos Olymp. 111, 2. gehört, so erkennt man, dafs der Tempel damals noch in Attischem Besitze war. Dieses Denkmal enthält das Verzeichnifs der herkömmlich den Nach- folgern übergebenen werthvollen Tempelschätze, an zinsbarem auf der Wechselbank liegendem Gelde waren damals, wenn unsere Verbesserung der (') Mem. de U’ Acad. des Inser. Bd.V. S.410. dessen Darstellung nicht einmahl den ge- schichtlichen Verhältnissen genau angemessen ist. (°) Corp. Inser. Gr. N.159. über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 21 Ziffer richtig ist, nur drei Attische Talente vorhanden. Wie lange dieses Verhältnifs des Tempels zu Athen noch fortdauerte, ist ungewils; schon Olymp. 115, 3. verloren die Athener den Besitz sogar von Salamis, und er- hielten ihn erst wieder Olymp. 137,1. (!); wohl konnte also auch der Tem- pel von Delos ihnen schon damals verloren gegangen sein. Ganz unwahr- scheinlich aber ist es, dafs seitdem Ptolemaeos Philadelphos, der Olymp. 124, 1. zur Regierung kam, die Kykladen besafs, den Athenern der Tempel noch als Eigenthum zustand; die Sendung Attischer Theorien, welche auch damals noch fortdauerte (?), beweiset nicht das Mindeste für den Besitz des Heiligthums, sondern ist in allen Zeiten, auch bevor die Athener den Tem- pel inne hatten, gebräuchlich gewesen; daher bereits in den Solonischen Gesetzen Deliasten vorkamen (3). Dafs die Delier jedenfalls vor ihrem letz- ten Unglück, ich meine vor ihrer gänzlichen Vertreibung, wirklich in den Besitz ihres Heiligthums gelangt waren, beweisen die Inschriften augenschein- lich. Wir haben noch die Bedingungen, unter welchen sie die Herstellung des Tempels Unternehmern zu überlassen beschlossen hatten (*); die Nahmen der darin vorkommenden Personen sind theilweise alte Delische, welche früher in der Sandwicher Steinschrift vorkommen; die Delier hatten damals aufser andern Behörden auch ihre eigenen Opfervorsteher (isgerowvs), und waren folglich im vollen Genufs ihrer heiligen Rechte. Aufserdem besitzen wir drei Delische Volksbeschlüsse (°), wodurch die Aufstellung von Proxenien im Tempel den Opfervorstehern befohlen, und worin überhaupt von dem Heiligthum wie einem eigenen gesprochen wird. Erst Olymp. 153, 2. er- hielten endlich die Athener durch Römische Begünstigung die Insel ganz (°); die Delier wurden insgesammt vertrieben, wanderten nach Achaia aus, er- hielten daselbst das Bürgerrecht, und führten von dort Rechtsstreite über ihr Vermögen gegen die Athener (?). Nunmehr wurde die Insel, gerade da- (‘) .. Corp. Inser. Gr. N.108. vergl. die dddenda. (2) Dorville S.40. (°) Staatsh. d. Athen. Bd. II. S. 217. (*) Corp. Inser. Gr. N. 2266. ©) N.2267 22269. () S. zu Corp. Inser. Gr. N.2270. (”) Polyb. XXXIL, 17. 22 Boecexn: Erklärung einer dtüischen Urkunde mals ein äufserst blühender Handelsplatz, mit Attischen Kleruchen besetzt ; es giebt keine eigentlichen Delier mehr, sondern ein Volk der Athener auf Delos: die einzelnen Personen nennen sich als Athener nach Attischen Gauen; sie haben zwar, wie alle Kleruchenstaaten, eigene Archonten, aber zugleich einen Attischen Epimeletes ('): die ganze Verfassung ist Attisch, auch der Kalender der Attische. Aus dieser spätern Zeit haben wir noch eine ziemliche Anzahl Denkmäler, darunter zwei bedeutende Beschlüsse (?), in welchen die Attischen Monate Gamelion und Elaphebolion vorkommen. II. Erklärung der Inschrift. 9. Diese Vorerinnerungen über das Verhältnifs des Delischen Heilig- thums zu Athen schienen wesentlich, um ein sicheres Urtheil über das merk- würdige Denkmal zu gewinnen, welches ich nunmehr erläutern will. Das- selbe ist ein Marmorbruchstück, anderthalb Fufs hoch, 1-1 Fuls breit, unge- fähr 150 Schritte nordöstlich von den Resten des Prytaneums zu Athen von Hrn. Georg Psyllas, als er neulich ein Haus daselbst baute, in der Nähe eines alten Türkischen Bades gefunden, welches jedoch nicht, wie geglaubt wurde, im Zusammenhange mit dem Denkmal steht; Hr. Dr. Rofs hat eine davon gemachte Abschrift drucken lassen (%). Unterhalb und am rechten Rande ist der Marmor abgebrochen; der obere Theil ist bedeutend zerstört, weshalb man nicht beurtheilen kann, ob über dem Erhaltenen noch etwas fehlt; da die ersten sechs Zeilen etwas gröfser geschrieben sind, so könnten sie scheinen der Anfang zu sein; doch ist diese Vorstellung schwerlich halt- bar. Links sind Z.20--24. bis auf Einen Buchstaben vollständig. Die In- schrift ist Z. 1--7. abgerechnet nicht rroryndov eingegraben;, die Ziffern sind gröfser geschrieben als die andern Buchstaben. Die Formen der Schriftzüge und weniges in ihrer Stellung habe ich berichtigt nach der Urschrift des Hrn. Rofs, welche mir Hr. Dr. Funkhänel zugesandt hat; ich vermisse (‘) S. Corp. Inser. Gr. N.2286. und die dort angeführten Stellen. (?) N.2270. 2271. (°) In den Jahrbüchern für Philol. und Pädag. von Jahn, Seeböde und Klotz, N. Suppl. Bd. 3. Heft (Dec. 1833.) 8.436. über das Vermögen des dpollinischen Heiligthums auf Delos. 25 darin noch das E£, welches statt Z erwartet wird. Der obere Theil ist schlech- terdings nicht herstellbar; von Z.9. an kann etwas mehr erkannt werden; von Z.12. aber bis gegen das Ende ist das Meiste mit gehöriger Kenntnifs der Sache so der Ergänzung fähig, dafs Zusammenhang und Inhalt sich be- urtheilen lassen. Ich setze nun die Inschrift, wie sie überliefert ist, hierher, und gebe zugleich die Herstellung derselben, welche nicht ohne Berücksich- tigung des Raumes, der auszufüllen war, gemacht ist. Links ist nehmlich die Breite bestimmt begrenzt; wie weit aber die Schrift wenigstens in der Mehr- heit der Zeilen rechts auslief, zeigt die unfehlbare Ergänzung der vierzehnten Zeile; auch Z.17. kann die Ergänzung schwerlich täuschen: jedoch mufs man bedenken, dafs eine völlige Gleichheit der Buchstabenzahl nicht erfor- dert wird, weil der gröfsere Theil der Inschrift nicht rreyndev eingegraben ist. Die Herstellung wird übrigens im Folgenden theils hinlänglich gerecht- fertigt werden, theils durch Übereinstimmung aller Einzelheiten sich selbst rechtfertigen. A AIO® = BON AHA 5 AH MDO: NN iS AN A=ILAH- MO = SS H.ASFDO.NODEANDONTT EA HAARE zYMTANT RHHHHA 10 ZSIONTOBAAANEIONQPIZANT OMHZANTHNPHNEIANDPIZANAN EAANEISAN FT TT.T 3.3 EHIAE AANEIZAMENOZATTTXXXA NEIZANTOXPONOZAPXEIMETAFTEITNIQNMHNAOHN 15 AHARIAEBOYPONIQRNMHNAPXONTOZEYMTEPOZ . EPANEMIZONZANKAITOZKHMTOZKAITAZOIKIAZKAI .EIMOZIAHIQNMHNAOHNHZINAPXONTOZKPATHTOZE . NAPXONTOZEYTTEPOZNZTEANOAIAONAITHMMIZONE . IEONMENOZEKATATAZEYTTPABAZMIZONZENZKED 2? ARHHA NL: TR2NAEAAARNET2EN:FPTH HH AITHNIEPANEMIZONZANAEKAETHXPONOZ MHNAPXONTOZAYEYAOZENAHARIIEPOZ .ORZTEAMNOAIAONAITOMMEMIZONME DZIN 2: T. X.H A: THNOAAATTANTHNAO 25 THNENPHNEIAIEMIZONZANAEKA 24 Borexn: Erklärung einer Attischen Urkunde eh le i = " a 2 £ ” - - - - Aıöp[avros? _ z 2 2 F ze - - - - Eavm? - = u ä & 2 R - - - - Bovranıys? - & u = A & AyuoSarys - = = £ 2 & e [S 11 1 1) ‘ ' - - - ’Avagıönuos - - e Ä a “ A Arılav öbeirov[rwv ? - 2 & “ 2 - - - EyEvero, anal ai magı a 2 2 B 5 zebaraıev dgyupiov] Evurav FRHHHHA \ m [73 \ 10 eeeeeeeenne en. 10V TO GuAaveiov ugırav r{o? - = = 2 2 = / 2 LT ie , J > un... MyogavJounsav? av Prveiav wpinav av = = - - - e 5 ad D u 3 agyupiou de] Savas ATTTTAAL:] iriöelzarcıs Toros mevre ern, worte dmo- IN‘ . 69 ! Re dıdevan roüs] davaranzvous ATTTXXXA[AA! 70, re aoyalev zal TOUS TOROUS WV > ‚ ’ „ \ \. ’ „ ’ Edaveiravro. Xgovos apycı Merayeırvinv un "AOyv[now apxovros Koarmros, 15 &] Ayıw de Bouboviwv wmv apx,evros Eirregous. [ra Av ra Ev Ayıw Av i]egav EuirQwrav zul ols aymous nal Tas oinias nal - - - [dena ern. Wgovos ag- x,]J&e Hosudniwv unv ’ASyunrw aoy,avros Koaryres, Ev Ayiw ö& Torıdyiwv u- av agxovres Eürregous, WsTe Arodidova rau MirYwolw aravruv rourwv ToÜs ue- vlırSwusveus zara ras Euyygapas. mrIwrews zep[adAaıev Tev ev meWTOU Erous 20 RHHAPFL[?] rov d& aruv Zrwv EAHHHH - - - - [vav yrv av ev "Power \ e x SE Er oo ’ y ! Y > 4 .\ @ muy iegav EmoeSwrav Öena ern: xgovos [apyeı "AOyynaiv Iorıöniav yanv apyovros "Anbeudous, &v Ayaw [dJE [MJor[ıöniwv un apy,ovroc u „ou, Wsre dmodidovar ron Men Iwuelvov Enaoreu Tov Erous Tyu MiTS- wow ITXHA! rav Sararrav ryv ’AS[yvaloy era? - = = > abe SER ‚ „ 25 -xal] rav &v 'Pıvsi@ EmioIwrav dena [ern - — = = = 10. Die Urkunde ist rein und vollständig in der Ionischen Schreib- weise eingegraben; sie ist eine Attische Staatsschrift, und da diese nicht früher als unter dem Archon Eukleides Olymp. 94, 2. in Ionischer Art ge- schrieben wurden, so kann dieses Denkmal in dieser Form nicht älter als Olymp. 94, 2. sein: dafs in einer Inschrift aus Olymp. 93. (') durch Nach- lässigkeit eines wahrscheinlich jungen Schreibers einige Annäherung an die (') Corp. Inser. Gr. N.149. Umgekehrt findet sich offenbar aus alter Gewohnheit des Steinschreibers noch X statt E N.525. nach Eukleides. über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 25 [onische Schrift vorkommt, kann dagegen nichts beweisen. Wie lange nach Eukleides die Inschrift eingegraben sein möchte, kann allein aus ortho- graphisch - paläographischen Gründen bestimmt werden. Der erste derselben ist dieser: statt OY steht darin durchweg O, aufser Z.15. in dem Worte Boubeviwv. Aber auch vor Eukleides schon findet sich OY in gewissen Wör- tern, wie in cöres, cv, obgleich nicht immer, doch häufiger; ebenso nach Eukleides in den Zeiten, in welchen übrigens O noch herrschend ist: und gerade in einem Eigennahmen des Monates ist jenes OY am wenigsten auf- fallend. Da dieser also nicht in Betracht kommt, gehört die Inschrift in das Zeitalter, da O fortdauernd statt OY bis auf solche bestimmte Ausnahmen herrschend war. Dieses war nicht länger als Olymp. 101-102. wie die In- schriften zeigen. Die Sandwicher Steinschrift aus Olymp. 101. hat wie alle früheren Inschriften noch das O allein; aber schon Olymp. 101-103. tritt ein Schwanken zwischen beidem ein, wie die Denkmäler unter den Beschlüssen N. 585. 87.88. zeigen, wovon das erste sogar bestimmt in Olymp. 101, 1. un- ter Charisandros gehört; dieselbe Schwankung zeigt der Volksbeschlufs für Dionysios I. Tyrannen von Syrakus in Olymp. 102, 2-3. (1) Ein anderes Bruchstück (?) aus Olymp. 102, 4. worin der Laut cv nur einmahl vorkommt und O geschrieben ist, verdient kaum Erwähnung. Die Actenstücke der fol- genden Zeit, aus Olymp. 106, 2. unter dem Archon Kallistratos (N. 90. 91.), Olymp. 108, 4. unter Eubulos (N. 93.), Olymp. 107-109. unter einer ganzen Reihe Archonten (N. 155.), Olymp. 109, 1. in einer von Mustoxidi mitge- theilten noch ungedruckten von den iegerasts verfafsten Weihinschrift unter dem Archon Lykiskos, ferner von Olymp. 110, 1. unter Theophrastos (N.530.), von Olymp. 111, 2. wie ich glaube unter dem Archon Euaenetos (N. 159.), von Olymp. 111,3. 4. unter Ktesikles und Nikokrates (N. 157.), von Olymp. 114, 1. unter Hegesias (N.99.), der Volksbeschlufs des Demades (N.96.), und eine andere Inschrift der Demosthenischen Zeit (N.459.) geben mit einer einzigen Ausnahme in N. 159. OY schon beständig: einzelne Ausnah- men kommen dennoch auch später in gangbaren Formeln vor. Nach dem ersten Kennzeichen kann also die Inschrift nicht leicht unter Olymp. 102. herabgerückt werden, und pafst völlig in die Zeit der Sandwicher. Der (‘) Corp. Inser. Gr. Add. N.85. b. S.898. (?) N.85.c. in den Addendis. Hıstor. philol. Abhandl. 1834. D 26 Borexn: Erklärung einer Aitischen Urkunde zweite Grund zur Bestimmung, wie lange nach Eukleides das Denkmal ge- setzt werden könne, ist orthographisch -grammaätisch, indem 2.9. 19. Eiurav und Euyygadas vorkommt. Bekanntlich ist Evv alt Attisch und nahmentlich Thukydideisch; in den Staatschriften, welche von wohlerfahrnen und ein- geübten Schreibern eingegraben wurden, wird das Vorherrschen des Züv vor Eukleides, des süv aber nach demselben leicht bemerkbar. Auch vor Eu- kleides jedoch ist rüv bereits gebräuchlich gewesen, zumahl in den letzten Jahren vor demselben, und ich habe mir daher in Ergänzungen, wo darauf nichts ankam, dasselbe etliche Mahle erlaubt ('). Das älteste Beispiel, in der Liste gefallener Krieger aus Olymp. 80, 3. [F]uvpsguros (N. 165, 46.) be- ruht freilich nur auf Ergänzung, die aber genau den Raum erfüllt: es ist in- defs nicht von Bedeutung, da auf Eigennahmen der gangbare Sprachgebrauch wenig Einflufs hat; und Attisch ist der Nahme gewifs nicht, obgleich ihn ein Athener trug. Was von Volksbeschlüssen und Bündnissen vor Eukleides übrig ist, hat grofsentheils ZUv, nahmentlich das Bündnifs mit Erythrae aus der Kimonischen Zeit (N. 73. 2.) (?), das Bündnifs mit Regium Olymp. 86, 4. unter dem Archon Apseudes (N.74.), desgleichen ein mit gegenwärtiger In- schrift zusammen herausgegebenes Bruchstück eines öffentlichen Beschlusses, worin Perdikkas König von Macedonien vorkommt, welches Actenstück spä- testens im Anfange des Peloponnesischen Krieges verfafst war. Züv dagegen findet sich in einem andern Bruchstück vor Eukleides (N. 77.), und durch- aus und häufig in dem Volksbeschlusse des Kallias (N. 76.), welchen ich in Olymp. 90, 2. gesetzt habe, und nicht gerne weiter herabrücken möchte; der besondere Gebrauch des Verfassers konnte hier dem gemeinen Gebrauche um etliche Jahre vorausgeeilt sein. Wenigstens dauert Züv länger in den eine ziemlich zusammenhängende Folge bildenden Urkunden der Schatzmeister fort; wobei man freilich bedenken mufs, dafs in einem grofsen Theile der- selben, nehmlich den Übergabe-Urkunden, der Nachfolger immer das Acten- stück seines Vorgängers vor Augen hatte, und also mit den daraus entlehnten gangbaren Formeln auch Ziv sich fortpflanzte. Die Übergabe - Urkunden N.138. 139. 141. umfassen den Zeitraum von Olymp. 87, 3. bis 90, 2. und haben Zuv; die Rechnungen N. 144. 145. wahrscheinlich aus Olymp. 91, 3. (') Corp. Inser. Gr. N.73.144. (S.208. a.) (?) Bd.I. S.891. in den Addendis. über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 27 und 92, 1. desgleichen: dafs dieses auch N.46. (wahrscheinlich aus Olymp. 92, 2.) vorhanden war, beweiset das von X& übrige X in der neunzehnten Zeile. Aber N.147. welche Inschrift sich bestimmt auf Olymp. 92, 3. be- zieht, kommt Züv bereits nur einmahl in der früherem Muster nachgeformten Überschrift vor, dagegen nachher immer und zwar einundzwanzigmahl our; und N. 148. 149. (offenbar aus Olymp. 93.) ist das letztere allein zu finden. Wir können daher sagen, dafs in Olymp. 90-92. sich der Gebrauch des cüv allmählig verbreitete und somit ZUv beinahe ganz aufhörte. Nach Eukleides aber herrscht jenes vollends, wie in den Inschriften der Schatzmeister unter dem Archon Ithykles Olymp. 95, 3. (N. 150.) und unter Dexitheos Olymp. 98, 4. (N.151, 11.), in den Volksbeschlüssen für Dionysios aus Olymp. 102, +. (N.85. 2.) (') und für Straton den König von Sidon aus Olymp. 101-103. (N. 87.), wo nahmentlich sUwßer« vorkommt; desgleichen in der Inschrift aus dem Jahre des Hegesias Olymp. 114, 1. (N. 99.) Weiter herabzugehen ist überflüssig. Nur N. 86. findet sich Zuu@erwv und Zuu@eres; aber wiewohl auch O und OY daselbst schwankt, trägt diese Inschrift doch mehrere schon früher nachgewiesene Spuren, dafs dieselbe kurz nach Eukleides verfafst sein müsse. Nach diesem Kennzeichen scheint es also rathsamer, unser Denkmal näher an Olymp. 94, 2. als an Olymp. 102. zu rücken. Auch der Z.8. vor- kommende Gebrauch des E statt &ı in ODEAONT pafst in diese Zeit, wie- wohl daraus kein so bestimmtes Kennzeichen für die engere Begrenzung der- selben hergenommen werden kann. 11. Je zuverlässiger das paläographische Ergebnifs ist, dafs die In- schrift in dem Zeitraume von Olymp. 94, 2. bis Olymp. 102. eingegraben sei, desto mehr verwirrt Anfangs die entgegengesetzte Bemerkung, dafs die obwohl lückenhaften, doch mittelst der Kritik völlig zur Klarheit kommen- den Zeitbestimmungen, welche darin enthalten sind, vor den Anfang des Peloponnesischen Krieges zurückweisen; so dafs dieses Denkmal das älteste ist, was wir über die Verhältnisse des Delischen Tempels bis jetzt besitzen: dafs es nehmlich darauf bezüglich sei, kann einstweilen aus dem Folgenden vorausgesetzt werden. In Verhandlungen, die für verschiedene Staaten be- stimmt waren, oder woran mehrere Theil nahmen, datiren die Alten nach der Zeitrechnung der verschiedenen Staaten. So in dem Bündnifs der Athe- (‘) Bd.l. S.898. in den Addendis. D2 28 Borcku: Erklärung einer dtuischen Urkunde ner und Lakedaemoner (!): "Apxeı d& ruv amevdäv "Ebopos Ilreısriras, "Agre- Miriev umvos Teragrn Bvovros, &v ÖE ASmvaıs aoy,uv ’AAnatos, "Erabnorrävos unvös Eur pSiwvovros. Inschrift N. 1702. "Apxovros Kalfızgareos, unvös Beura- riev (zu Delphi), &v d& Airwäig argarayeovros Fo deuregov ug. ırugoU, urvos IIe- vauov. N. 1707. "Apx,ovros Irgarayov, ymvos Ioxiev, Ws "Audirceis ayovrı, & AsAbels ÖE apyevros Ilvöäi«, umvos "Hoardsiev. Dreifache Daten kommen in den Erkenntnissen eines Austrägegerichtes über Streitigkeiten zweier Staaten vor, wie N. 2265. weurrns @mıövros ToV Immiwvos umvös Emi - - - Tav era "Apxe- Biev, ws "Egergueis, ws de Nagıcı em iegews ro) Auovurou BiAongirou Tolısres- - - - Myvos, Ws de Hagıcı Em apy,ovras u.s.w. N.2905. 1. ist es ähnlich; nur findet sich dort eine doppelte Ausfertigung des Erkenntnisses der Rho- dier, die eine für Samos mit Rhodischer und Samischer, die andere für Priene mit Rhodischer und Prienischer Zeitbestimmung. In Sachen des De- lischen Tempels datirte die Attische Tempelbehörde, als Delos noch ein ei- gener Staat war, nach Attischer und Delischer Zeitrechnung mit Voranstel- lung der Attischen, wie in der Sandwicher Steinschrift (N. 158.) $.1. T«de empugav ’Audırrüoves "ASyvalwv amd KaAAtov apy,ovros HEXgL Tov OupynAwvos un- vos rov Em Immodanavros apx,ovros, &v Ayıuı de amo Erıyevous apy,ovros MEXpL Tou BupynAusvos unvos rou Em Immiou UEXovroS. S.4. em dey,ovruv ’ASyvyrı Xagı- ravdpev, “Irmodanavros, Ev AyAy de Iararov, ‘Irriov. Ebendas. mi Irrodauav- 705 dgX,ovros ’ASyuncı, Ev Ayıw de Immiou. S.7. em dpy,ovrwv ’ASyınrı KaAreov, Xagıravögev, “Irrodauavros, Zwnparidou, &v Ayıy de ’Erwyevous u. Ss. w. ebenso 8.8. endlich $.9. &mı Kapıravögou apyovros ’ASyunrı, &v Ayıw de Tladaiı. Hiernach wird man erkennen, nach welcher Regel die Zeitbestimmungen Z.14f. Z.17f. Z.21 f. ergänzt sind: da die zweite Zeitangabe sich in allen Beispielen mit d& anknüpft, wird man zugeben, dafs Z.22. IE in AE (ev Any de) zu verwandeln sei. Die Ergänzung der Nahmen der Archonten und Mo- nate kann erst unten gerechtfertigt werden; davon abgesehen aber ist es augenscheinlich, dafs hier sowohl als in obigen Beispielen nach Attischer Zeitrechnung zuerst, dann nach Delischer datirt sei, beidemahle mit Angabe des Archon und des Monates. Nun sind Z. 17.22. Krates und Apseudes (') Thukyd. V, 19. "Apysı wird hier gewöhnlich falsch verstanden; es heilst: „der An- fang des Bündnisses ist das Jahr des Ephoros” u.s.w. Siche Corp. Inser. Gr. Bd.1. 5.29. S. 877. x über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 29 die Attischen Archonten. Nach Eukleides aber kommen beide nicht vor; bis Olymp. 118, 2. ist unsere Liste der Archonten vollständig; von da bis Olymp. 123, 2. bezeichnete nicht der Archon, sondern ein iegeus rüy Zurnguv die Jahre; dieser aber konnte in keinem gleichzeitigen Denkmal &gy,av ge- nannt werden, sondern nur später in gelehrten Arbeiten ('); und auch un- ter diesen Priestern, deren meiste wir kennen, kommen Krates und Apseu- des nicht vor. Also müfsten sie nach Olymp. 123, 2. Archonten gewesen sein; aber dagegen entscheidet sowohl das paläographische Gepräge der In- schrift, wonach wir nicht unter Olymp. 102. herabgehen können, als die Geschichte des Delischen Tempels, wie sie oben entwickelt ist, da das Denk- mal einer Zeit angehören mufs, da Delos noch ein eigener Staat, das Heilig- thum aber in Attischem Besitze war. Doch wozu bedarf es so vieler Um- schweife? Apseudes, welcher an der zweiten Stelle genannt wird, ist der be- kannte Archon von Olymp. 86, 4. Vor ihm erscheint Krates in unserer In- schrift; dieser wird also sein Vorgänger sein. Diodor (?) bezeichnet nun freilich das Jahr Olymp. 86, 3. &’ agxovros ’ASynsı Xagyros: aber die Ar- chontennahmen sind in seinem Werke öfters etwas verändert, entweder weil er selber schon keine gute Liste hatte, oder weil spätere Abschreiber seinen Text entstellt haben; aufser ihm aber finden wir bis jetzo diesen Archon nirgends: offenbar ist also Xapnros in Kodrnres zu verwandeln. Die Inschrift bezieht sich demnach auf Olymp. 86, 3.4. und die Urkunde selbst ist da- mals verfafst, aber die erhaltene Abschrift nicht vor Olymp. 94, 2. und nicht nach Olymp. 102. eingegraben. Nur die Erhaltung oder die gröfsere Zu- gänglichkeit der Urkunde konnte der Zweck dieser neuen Aufzeichnung sein, möge nun die vorhandene Abschrift der Urkunde aus den Acten oder von einem älteren Stein übertragen worden sein. Hier bietet sich zuerst der Ge- danke dar, als um Olymp. 108, 3. der Rechtshandel über den Besitz des Tempels vor die Amphiktyonen gebracht wurde, möchten die Athener die ihren alten Besitzstand betreffenden Actenstücke hervorgesucht und neu aus- gestellt haben, soweit wir aber urtheilen können, haben sie damals, wie (') Vergl. zu Corp. Inser. Gr. N.90. Etwas anders drückt sich Clinton aus Fast. Hell. S.380. vergl. Prooem. S.xıtı. doch nicht besser: was für obige Beweisführung wesentlich ist, folgt übrigens auch aus seiner Auffassung. () XI, 35. 30 Borexu: Erklärung einer dAtüschen Urkunde oben gezeigt ist, ihre vorzüglichsten Rechtsgründe aus viel älterer Zeit her- geholt: und das Paläographische weiset uns jenseits des Zeitalters jenes Rechtshandels. Nothdürftig kann die Steinschrift allerdings in dieselbe Zeit gesetzt werden, in welcher die Sandwicher verfafst ist; und es wäre mög- lich, dafs sie damals, vielleicht nebst mehrern ähnlichen, zur Vergleichung oder aus irgend einem andern Grunde mit jener zusammen gestellt worden: aber die paläographische Betrachtung führte uns am meisten dahin, das Denkmal gehöre in die nächste Zeit von Eukleides ab. Sollten also nicht die Athener damals, als obiger Darstellung zufolge die Delier, nach der See- schlacht bei Aegospotamoi, ihre Rechte auf den Delischen Tempel geltend ge- macht hatten, ältere Actenstücke neu ausgestellt haben, um ihre gute Verwal- tung des Tempels zu beweisen, und bei ähnlichen Versuchen gegen ihren Besitz darauf sich beziehen zu können? Dies finde ich am wahrscheinlich- sten. Da die alte Form Züv damals wenigstens noch nicht gänzlich ver- schwunden war, konnte diese um so leichter aus der ursprünglichen Ur- kunde auch in diese Abschrift übergehen. 12. Wem die Geschichte des Delischen Heiligthums gegenwärtig ist, und wer nahmentlich die Sandwicher Steinschrift genau kennt, der ersieht auf den ersten Blick, dafs diese in Attika gefundene, nach Attischen und Delischen Archonten datirende Inschrift auf die Attische Verwaltung des Delischen Heiligthums bezüglich ist, und eine jedoch nur ganz allgemeine Rechenschaft über diese enthält. Die Behörde selbst erscheint in dem Bruch- stücke nicht; da ihre Rechnung mindestens zwei Jahre, Olymp. 86, 3. 4. umfafst, so müfste die Behörde entweder mehrjährig gewesen sein, was nicht wahrscheinlich ist, oder die Abrechnungen folgten einem Cyklus, wie die Rechenschaften der jährigen Schatzmeister der Athenäa jederzeit vierjährig von den grofsen Panathenäen zu den grofsen Panathenäen zusammengestellt wurden: wie ferner die Amphiktyonen von Delos, obgleich sie einzeln jeder ein einziges Jahr im Amte waren, doch ihre Rechenschaft vierjährig zusam- menstellten, ohne die einzelnen Jahre überall zu unterscheiden. Der Cyklus der letztern (!) stimmt aber mit demjenigen, welcher hier zum Grunde liegt, keineswegs überein; denn Olymp. 86, 3. 4. gehören in einen und eben den- selben, während jener Amphiktyonische Cyklus mit dem vierten Olympiaden- (') S.$.4. dieser Abhandlung. über das Vermögen des Apollinischen Heilıgthums auf Delos. 31 jahre beginnt. Dafs die Behörde, welche unsere in Olymp. 86, 3. 4. gehörige Rechnung abfafste, de’ Nahmen der Amphiktyonen geführt habe, ist nicht erweislich; eben so wenig, dafs sogenannte Deliasten sie abgelegt haben; wir lassen also den Nahmen der Behörde dahingestellt, und bemerken nur, dafs sie die Finanzen des Tempels dürfte ganz neu geordnet haben, da sie sel- ber das Capital erst zu einem Ganzen zusammengebracht zu haben scheint, und die Grenzen der zu verpachtenden Grundstücke bestimmt hatte. Nicht unwahrscheinlich ist es überdies, dafs diese geordnetere Verwaltung des Tempelgutes in der Absicht geschah, aus den Einkünften die grofse Festfeier und die Spiele zu bestreiten, sobald das Vermögen und die Einkünfte wür- den eine bestimmte Höhe erreicht haben: auf diese Weise wurden öfter hei- lige Spiele gegründet, nahmentlich zu Korkyra und Aphrodisias (1); und zu dieser Ansicht stimmt es vortrefflich, dafs Olymp. 88, 3. die grofse Pentete- ris von den Athenern zum ersten Mahle gefeiert wurde, und in Olymp. 100- 101. die Ausgaben für die Feier des Festes und der Spiele insgesammt, sogar der Ausfuhrzoll für die Opferstiere der Theorie, aus den Tempeleinkünften bestritten werden mufsten (?). Leider ist ein sicheres Urtheil hierüber uns dadurch geraubt, dafs der Anfang des Denkmals verloren ist. Z.1-5. sind blofs Namen übrig; dafs alle diese Nahmen (und es müssen ihrer noch meh- rere gewesen sein) aus der Bezeichnung der Attischen Behörde übrig seien, ist nicht anzunehmen; eher könnten es Nahmen von Schuldnern sein, da zumahl Z. 6. Andiav öbeirovr[av oder etwas Ähnliches stand. Z.2. kann der Nahme auch Aıpavns gewesen sein. Über Z.7.’läfst sich durchaus nichts be- stimmen; «i raga - - - kann auf erfolgte Zahlungen oder Einforderungen gehen, wie in der Sandwicher Steinschrift $. 4. eisergay, Sy unvuStv raga Iv- Swvss Aydıcv. Z.9. war aber eine Summe aller vorhergegangenen, nicht mehr vorliegenden Geldposten zusammengezogen; die Ergänzung zedarav üg- Yupiov] £uurav kann schwerlich weit fehlen:” fast dieselbe Formel steht in der Inschrift N. 145, 16. (?) Hiernächst ist von Grenzbestimmungen die Rede: Z.10. ro Baravetov worrav. Dieses Badehaus war vielleicht Tempelgut, braucht aber nicht dasjenige zu sein, was die Sandwicher Steinschrift $. 10. (') Corp. Inscr. Gr. N.1845. 2741. (?) Marm. Sandw. $.5. (°) Vergl. dazu die Erläuterung S.215.d. und auch N.157. 158. :32 Borcexn: Erklärung einer Autischen Urkunde nicht als Eigenthum des Tempels, sondern als Grenze eines dem Tempel zugehörigen Grundstückes anführt. Z.11. wird eine zweite Grenzbestim- mung berührt, welche sich auf Rheneia, nehmlich auf die nachher genannten heiligen Grundstücke daselbst bezieht: ryv “Pyveiav woLTav. Da, wie gezeigt werden wird, bei der Verpachtung des Landes zuerst das Delische, nachher das Rheneische genannt war, die Abgrenzung des Landes aber zur Verpach- tung im Verhältnifs gestanden haben mufs, so wird hieraus wahrscheinlich, dafs die erstere Grenzbestimmung, wobei das Badehaus genannt ist, sich auf Delos bezog. Das vorhergehende OMHZAN wülste ich nicht anders zu er- gänzen als durch yopavounrav: es wäre denkbar, dafs die Attische Behörde den Delischen Agoranomen, die aus einer Inschrift (1) des unabhängigen Delos bekannt sind, die Grenzbestimmung überlassen hätte: wiewohl es nicht möglich ist, hier einen Zusammenhang in die Worte zu bringen, und das Bestimmtere zu ermitteln. Wie nun erstlich die Zusammenbringung einer Geldsumme, dann die Abgrenzung von Ländereien, und zwar eine doppelte, im Vorigen erwähnt war, so wird nächstdem von Z.12. an von Ausleihung des Geldes und Verpachtung zweier gesonderter Parthien von Grundstücken gesprochen, nehmlich derer auf Delos und derer auf Rheneia, woran sich noch etwas über Verpachtung von Gewässern anknüpft. Die Behörde legte unstreitig dar, auf welche Weise sie das Capital des Tempels zusammen- gezogen, und das Grundeigenthum festgestellt hatte; hiernächst aber, wie jenes ausgethan, dieses verpachtet worden sei: gerade wie die Herakleischen Tafeln die Vermessung und Grenzbestimmung des Dionysischen heiligen Landes zum Behufe der hierauf erfolgten Verpachtung nachweisen. Dieses ist der Zusammenhang des Ganzen, soweit dasselbe erhalten ist; wir be- trachten nun noch insbesondere die darin enthaltenen allgemeinen Angaben erstlich über die Ausleihung des Geldes, sodann über die drei Pachtverträge, wovon jedoch nur die beiden ersten'sich genauer bestimmen lassen. 13. Jene in der neunten Zeile offenbar als Zusammengebrachtes auf- geführte Summe beträgt 55,410 Drachmen; sie war vielleicht aus vielen kleineren Posten zusammengezogen, welche unter einem Talent waren, und ist deshalb nicht nach Talenten angegeben, sondern mit Anwendung des in solchen Attischen Rechnungen sonst ungewöhnlichen Zeichens für 50,000 (?) N.2266. über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 33 Drachmen; wie in der Sandwicher Steinschrift ('), jedoch nicht in Summen der Rechnung selbst, sondern nur zur Bezeichnung der besonders aufge- führten Geldstrafen M für 10,000 Drachmen vorkommt. Ob die Ziffer, worin die Geldsumme ausgedrückt ist, ganz vollständig vorliegt, bleibt un- gewils; fehlte etwas, so betrug es weniger als 40 Drachmen, und ist also von geringem Belang. Sicher ist aber, dafs die Behörde 9 Talente 20 Drachmen ausgeliehen hat (Z.12.): offenbar ist dieses die Hauptmasse des vorigen Geldes, welches 9 Talente 1410 Drachmen betrug: die übrigen ungefähr 1400 Drachmen müssen zu Bedürfnissen des Heiligthums ausgegeben wor- den sein, ausgenommen vielleicht einen kleinen Bestand, und werden wie die Ausgaben in der Sandwicher Steinschrift in einem andern Theile dieser Rechenschaft verzeichnet gewesen sein. Wie nun nachher in den Pachtver- trägen das jährliche Pachtgeld und die Anzahl der Jahre, wie lange die Pacht dauere, und der Anfangspunkt der letztern bestimmt ist, so ist unverkennbar hier der Zinsfufs, die Anzahl der Jahre, auf welche verliehen worden, und der Anfangspunkt des Leihvertrages bestimmt. Zwar enthält das Bruchstück nur vom Anfangspunkte des Vertrages etwas Deutliches; aber aus der Vergleichung der Z.13. erhaltenen Geldbestimmung mit der ausgeliehenen Summe geht hinlänglich hervor, dafs das Capital auf eine Reihe von Jahren, also unauf- kündbar für diesen Zeitraum ausgethan war, zum Theil vielleicht an Handel- treibende und Wechsler, was später von den Attischen Amphiktyonen von Delos geschah (?), desgleichen an Staaten, wie in der Sandwicher Stein- schrift, aus welcher wir zugleich sehen, dafs viele Gelder mindestens vier Jahre bei denselben Schuldnern standen. Ganz nothwendig mufste der Zins- fufs ausgedrückt sein; diesen bestimmt man entweder nach dem monatlichen Zins vom Hundert, wie &ri dgayur, oder nach dem Theile des Capitals, welcher als jährlicher Zins zum Capital zuzuschlagen ist, wie &midexarcs To- xcıs, das ist genau genommen zu solchen Zinsen, wonach zu 100 jährlich 10 zugeschlagen werden. Unmittelbar nach der Summe des Ausgeliehenen steht aber in dem Bruchstücke EMIAE, welches sich als &mide[z«ras rorcıs] dar- bietet: ein Ausdruck, der gerade bei Verleihung nach Jahren gebräuchlich (') Vergl. Staatsh. d. Athen. Bd. II. S.222. welche Stelle hiernach etwas zu ändern sein wird. (2) Staatsh. d. Athen. Bd. II. S.227. (Corp. Inser. Gr. Bd.I. S.256..a.) vergl. besonders auch Inschr. N. 159. Histor. philol. dbhandl. 1834. E 34 Borcku: Erklärung einer dttischen Urkunde ist. Wie ich früher vermuthet habe (‘), wurden Tempelgelder gleich dem Vermögen Minderjähriger nur gegen gute Sicherheit verliehen, womit der mäfsige Ziusfufs von 10 vom Hundert, der unter dem gewöhnlichen steht, sehr gut zusammenstimmt. Welches war aber der Zeitraum, auf welchen die Verträge lauteten? Diesen können wir durch Betrachtung der Z.13. erhal- tenen Zahl finden. Dort werden nicht etwa die Ausleihenden (c duvsisevres), sondern die Schuldner (si davasauevcı) angeführt, deren natürlich, wie im Sandwicher Denkmal, mehrere waren: davarausvous ist noch vorhanden; und vergleicht man die nachher Z.18. 23. bei den Pachtverträgen gebrauchte Formel, welche in der Mitte steht zwischen der Benennung des Verpachteten und dem Anfangspunkte der Pachtzeit, und wendet dieses auf den vorliegen- den Gegenstand an, so ergiebt sich die Ergänzung [&sre arodidevar reis] daveı- rausveus. Die dazu gehörende Summe ist also der Betrag des Zurückzuzah- lenden, wobei der Kürze halber in dieser ganz allgemeinen Übersicht Capi- tal und Zinsen zusammengenommen werden; eine Ansicht, welcher die höchst einfache weitere Ergänzung, [7° se dgxalev zal reUs röneus wv Eda]vei- savre, sich anschliefst. Ahnlich ist in einer Attischen Tempelrechnung (?) das Capital zwar besonders, dann aber eilfjähriger Zins zusammen berechnet gewesen. Nicht als wären die Zinsen erst nach Ablauf sämmtlicher Jahre zugleich mit dem Capital gezahlt worden, sondern die Fristen für die Zins- zahlung waren in den Verträgen selbst bestimmt, wie dieselben für die Pacht- gelder bestimmt waren, wovon nachher die Rede sein wird; in diesen Über- blick ist aber jene Bestimmung der Fristen für die Zinszahlung eben so wenig aufgenommen als für die Pachtgelder. Nun aber beträgt was die Schuldner zu zahlen haben 13 Talente 3010 Drachmen, wozu, da das jetzige Ende der Ziffern in die Stelle des Bruches der Steinplatte fällt, noch etwas hinzu- gefügt werden kann, was jedoch nach dem Zahlensystem weniger als 40 Dra- chmen betragen mufs. Man setze das Mittel, nehmlich AA, 20 Drachmen zu; so erhält man 81,030 Drachmen als die Summe, welche von den Schuld- nern zu zahlen ist. Zieht man hiervon das Capital mit 54,020 Drachmen ab, so bleiben 27,010 Drachmen. Ferner betragen die jährlichen Zinsen des (') Vergl. meine Anm. zur Sandw. Steinschr. in der Staatsh. d. Athen. und Corp. Inser. Gr. Bd.L S.258. 2. (?) Corp. Inscr. Gr. N.156. über das Vermögen des Apollinischen Heilıgthums auf Delos. 35 Capitals zu 10 vom Hundert gerade 5402 Drachmen; welches fünfmahl genommen 27,010 Drachmen giebt. Folglich ist das Capital auf fünf Jahre unaufkündbar ausgeliehen worden. Bis in die 100. Olymp. ist dieses zins- bare Capital des Tempels bedeutend gewachsen, da es damals, wie wir ge- sehen haben, mindestens 40 Talente betrug. Endlich war der Anfangspunkt des Vertrags bestimmt: xgeves agysı Merayeıznv unv "ASnu[nsw aoyevrss Kou- amros, Ev] Anrw d& Bouboviwv unv ayyevros Eörregeus, welche Ausfüllung un- feblbar ist. Die Formel für die Angabe des Anfanges ist xg:ves day, die in dieser Inschrift bei allen drei Verträgen, deren Erwähnung etwas vollstän- diger erhalten_ist, gebraucht war, und bei einem durch den andern sich er- gänzt; auch habe ich früher schon (!) diesen Sprachgebrauch so erläutert, dafs nichts darüber ‚hinzuzufügen nöthig ist. Der Delische Archon mufs Ei- mregnS Genit. Eir regeus geheifsen haben; denn Eözrng Genit. Evmregos wird Nissand annehmen wollen: Eürreges her konnte er nicht genannt sein, da zweimahl deutlich EYTTEPOE& als Genitiv vorkommt. Diesem Delischen Archon entspricht nach 2.17.18. der Attische Krates: folglich mufs Krates auch hier gestanden haben, wie ich dieses setze, wenn anders das Attische und Delische Jahr gleichen Anfangspunkt hatten. Dies ist aber wirklich der Fall gewesen. In der Sandwicher Steinschrift Olymp. 100. 104. wird nehm- lich immer je ein Attischer Archon mit einem Delischen so verglichen, wie es schlechthin nur bei Übereinstimmung der Jahre geschehen kann (?): da aber das Attische Jahr bereits vor dem Peloponnesischen Kriege denselben Anfang wie später hatte, woran nach unserer von Herrn Ideler angenom- menen Folgerung aus der Marathonischen Schlachtordnung simiäich mehr gezweifelt werden kann, so ist jene Übereinstimmung auch für Olymp. 86. anzunehmen: wobei ich noch bemerke, dafs dem Nachfolger des Krates, dem Apseudes, bestimmt wieder ein anderer Archon als Eupteres entspricht, da dessen Nahme nach Z.23. sich anders als Eupteres endigt. 14. Es sei gestattet, ehe wir weiter fortschreiten, einen Blick auf den Delischen Kalender zu werfen. Corsini (°) findet es einleuchtend, dafs letz- terer mit dem Attischen einerlei sei; ihn täuschten die Monate Gamelion und (') -Corp. Inser. Gr. Bd.IL S.29. S.877. (°) Siehe die Stellen $.11. dieser Abhandlung. C) Fast. At. Bd.IL S.435 £. 36 Borcexkn: Erklärung einer Atuschen Urkunde Elaphebolion, welche in Delischen Beschlüssen derjenigen Zeit vorkommen, wo Delos keinen eigenen Staat mehr bildete (!), indem er nicht einsah, dafs diese Angaben nicht zum Delischen, sondern zum Attischen Kalender ge- hören; ihn täuschte ferner der Monat Thargelion in einem bei Iosephus (?) erhaltenen Delischen Beschlusse, welcher ebenfalls von den Athenern auf Delos herrührt, und aufserdem das Vorkommen dieses Monates als eines Delischen in der Sandwicher Steinschrift. Allerdings ist der Thargelion dem alten Delischen und dem Attischen Kalender gemeinsam, und auch zeitlich derselbe Monat, weil die Thargelien, das Delisch-Attische Geburtsfest der Kinder der Leto, an ihn gebunden sind; aber deshalb stimmten beide Ka- lender nicht vollständig überein. In unserer Inschrift finden wir gleich einen Delischen Buphonion, und ihm entspricht der Attische Metageitnion, zu- nächst freilich nur in diesem bestimmten Jahre, schlechthin aber dann, wenn die Attische und Delische Schaltperiode eine und dieselbe war. Höchst wahr- scheinlich ist es dagegen, dafs der Tenische und Delische Kalender gro- fsentheils oder völlig derselbe war, da Tenos eine der nächsten Kykladen ist. Von Tenischen Monaten kennen wir, um einen zweifelhaften zu über- gehen, aus einer Inschrift (*) den Apelläon, Heräon, Buphonion, Apatu- rion, Posideon, Artemision, Thargelion: ihre Folge ist unbestimmt; in- dessen glaubte ich früher annehmen zu dürfen, sie sei ungefähr die eben ge- gebene: und noch sehe ich keinen Grund fürs Gegentheil, aufser dafs die Reihe nicht gerade mit dem Apelläon zu beginnen braucht, sondern mit ir- gend einem der andern, dergestalt dafs die vorangesetzten dann nachzustellen wären. Wir haben: hier aber gleich den Buphonion und Thargelion wie in Delos; wir haben ferner den Poseideon oder Posideon zu Tenos, und dafs dieser auch Delisch und freilich zugleich derselbe wie der Athenische sei, wird sich hernach als wahrscheinlich ergeben. Ist ferner der Tenische Apa- turion dem Attischen Mämakterion gleich, was ich ehedem (*) für den Apa- tureon des ältern Ionischen Kalenders vermuthet habe, und entspricht der Tenische Artemision dem Attischen Elaphebolion, wie anerkannt der Lako- nische Artemisios, weil die Elaphebolien der Artemis Elaphebolos gefeiert ) Siehe oben 8.8. ) Archäol. XIV, 10. ?) Corp. Inser. Gr. Bd... S.273. ) Abh. über die Dionysien 8.54. in den Schriften der Akad. v. J. 1816. 1817. über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 37 werden; so fügt sich wirklich die angenommene Reihe der Tenischen Mo- nate ungezwungen in die Folge, welche für die Delischen Monate Bupho- nion, Posideon und Thargelion angenommen werden mufs. 15. Nach der Angabe des Vertrages über das ausgeliehene Capital folgen drei Pachtverträge, wovon sich die beiden ersten auf Grundstücke beziehen. Dies erhellt aus Z. 16. wo i]egav, nehmlich y7» übrig ist, und dann xal TOÜS ANmous zul Tas oinias zal - - -, und aus Z. 21. wo ebenfalls iegav er- scheint: das heilige Land ist gemeint, in der Sandwicher Steinschrift $. 4. reuevn. Dafs die Theilung in zwei Verträge auf eine besondere Verpachtung des Delischen und des Rheneischen Landes bezüglich ist, läfst die Sandwicher Steinschrift vermuthen, wo wir zuerst finden urSwrus reuevav EE "Prveias, dann wırSweeis reuevov &y AyAov, dann noch besonders cizıäv wrSwreis. Hier ist aber die Ordnung offenbar umgekehrt. Denn erstlich ist bei dem zweiten Vertrag Z. 21. Al übrig, welches auf ['Pyve/]& führt: sodann bezieht sich der dritte Vertrag, über die Gewässer, wenigstens in seinem zweiten Theile, worauf es allein ankommt, bestimmt auf Rheneia; die Anordnung war also regelmäfsiger, wenn Rheneia auch im Vorhergehenden erst nach Delos auf- geführt war. Nach der grammatischen Wendung des Satzes kann ferner beim zweiten Vertrag vor Z.21. schwerlich etwas von Häusern eingeschoben wer- den; der Tempel besafs aber Häuser auf Delos nach der Sandwicher Stein- schrift 8.10. und sollten auch jene alle erst durch kürzlich vorhergegangene Gütereinziehung erworben worden sein, so ist dennoch glaublich, dafs er früher auf Delos, wo nicht jedes Haus zugleich Acker haben konnte, ein- zelne Häuser ohne Feld besessen habe, die nachher veräufsert sein konnten: aber dafs der Tempel Häuser ohne dazu gehöriges Land auf Rheneia, welches wie ein Landstädtchen den Ackerbau und die Viehzucht betrieb, besessen habe, ist nicht wahrscheinlich. Hiernach wird man also den ersten Vertrag, worin Häuser einbegriffen sind, auf Delos, den zweiten auf Rheneia beziehen müssen ; womit übereinstimmt, dafs die Sandwicher Steinschrift die Hausmiethen zu- nächst nach den Delischen Pachtgeldern nennt. Überdies kommen beim ersten Vertrag aufser dem heiligen Lande, worunter vorzüglich Triften und Acker- land zu verstehen, auch Gärten vor, offenbar Tempelgärten auf Delos, so- weit dieselben Gegenstand eines Erwerbes sein konnten. Nicht minder nennt die Angabe über die Begrenzung, wovon oben gehandelt ist, Rheneia zuletzt. Endlich lehrt sogar der Betrag der Pachtgelder selbst in Vergleich mit der 38 Borcexu: Erklärung einer ditischen Urkunde Sandwicher Steinschrift, dafs der erste Vertrag die Delischen, der zweite die Rheneischen Grundstücke betrifft; indem die höchste Pacht des ersten Ver- trags nicht 1000 Drachmen (!) beträgt, wie die Delische Pacht mit Einschlufs der Hausmiethen im Sandwicher Stein nur etwas über 1500 Drachmen aus- macht, wogegen das Pachtgeld des zweiten Vertrages und das Pachtgeld von Rheneia nach der Sandwicher Steinschrift sich über ein Talent jährlich be- laufen. Dafs in unserer Inschrift der Delische Pachtvertrag dem Rheneischen vorangeht, ist sachgemäfs, weil Delos der Hauptort ist, und der Vertrag überdies ein Jahr früher anfängt als der Rheneische; wollte man solche Kleinigkeiten mit ängstlicher Casuistik verfolgen, so bliebe nur die Frage aufzuwerfen, weshalb in der Sandwicher Steinschrift die umgekehrte Ordnung befolgt sei: eine Frage deren Lösung nicht schwer fallen dürfte, und eben darum nicht gegeben werden soll. Hiernach wird man erkennen, dafs die Ergänzungen 2.15. [rm yav rv Ev Ayaw riv iJegav, und Z.20. [rav yav av Ev "Prver]@ ziv iegav, im Wesentlichen sicher sind: absichtlich habe ich nicht ryv de yav ge- schrieben, weil die Erwähnung des dritten Pachtvertrages Z. 24. ohne öde ein- geleitet ist: wogegen Z.12. ein d& nothwendig schien, habe es nun daselbst hinter @pyugiev, oder schon Z. 11. bei einem andern Worte gestanden. 16. Nachdem wir so gezeigt haben, worauf sich jeder der Pachtver- träge bezog, betrachten wir noch einige Einzelheiten der beiden ersten Pacht- verträge in Verbindung mit einander, da der dritte mit wenigen Worten ab- gefertigt werden mufs, weil davon beinahe nichts erhalten ist. Beim zweiten 2.21. erhellt, dafs die Pachtung auf zehn Jahre zugeschlagen worden; dasselbe gilt vom dritten wo Z.25. öer« [ern] stand. Dies mufste gleichmäfsig für den ersten gelten, wo ich dasselbe Z. 16. an seiner Stelle eingefügt habe. Dieser Zeitraum scheint für Landpachten von Staats- oder Gemeindegut in Attika so gewöhnlich gewesen zu sein, dafs er Inschr. N. 103. in dem Vertragsentwurfe nur beiläufig angegeben ist: doch finden wir N. 93. sogar eine vierzigjährige Verpachtung von Gemeindegut: in den Herakleischen Tafeln wird auf Lebens- zeit verpachtet. Der Anfang des ersten Pachtvertrages ist der Monat Posei- deon (antik geschrieben Nerıöriwv) des Attischen Archon Krates, also vier Monate später als die Ausleihung des Capitals; der Delische Archon ist Eu- pteres, der Delische Monat fehlt. Nach der Ähnlichkeit, welche wir zwi- (') Siehe die Berechnung $.16. dieser Abhandlung. über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 39 schen dem Delischen und Tenischen Kalender annehmen müssen, ist es aber wahrscheinlich, dafs in Delos wie in Tenos ein Monat Poseideon war, wel- cher wie der Thargelion mit dem gleichnahmigen Attischen Monate überein- gestimmt haben dürfte. Dies erhält eine Bestätigung durch dasjenige, was beim zweiten Pachtvertrage vorkommt. Dieser beginnt nehmlich unter dem Attischen Archon Apseudes, dem Nachfolger des Krates; der Attische Monat und der Delische Archon fehlen: aber es hat eine innere Wahrscheinlichkeit, dafs die Pachtung um dieselbe Zeit des Jahres anfing wie in dem ersten, also mit dem Attischen Monat Poseideon. Wirklich ist nun Z. 22. nachdem da- selbst IE, wie oben als nothwendig erwiesen ist (!), in AE verwandelt wor- den, vom Anfange des Namens des Delischen Monates POZ übrig, welches gewils MOX ist, Ilr[ıdniwv]: wodurch alles in völlige Übereinstimmung kommt. Hiernach rechtfertigt sich die Ergänzung der Zeitbestimmungen von selbst; nur bemerke ich, dafs Z. 21. das Wort ’AS4vnrw nicht nach Ilorıöniwv Av sondern vor demselben gestellt ist, anders als Z. 14. 17. Die oben (?) an- geführten Stellen der Sandwicher Steinschrift geben ähnliche Abweichungen in der Stellung des ’ASyynrw und der Archontennahmen. Der Anfang dieser Pachtungen fällt übrigens ungefähr in unsern December; in einer Attischen Urkunde (*), wodurch auf vierzig Jahre verpachtet wird, beginnt die Pacht- zeit mit dem bürgerlichen Jahre, in unserem Juni oder Juli; bei einer an- dern zehnjährigen Verpachtung Attischen Landes (*) scheint dieser Zeitpunkt, da gar keiner bestimmt ist, ebenfalls vorausgesetzt, jedoch mit der Bestim- mung, dafs im zehnten Jahre nur die Hälfte des Landes beackert werden dürfe, damit vom 16. Anthesterion an, gegen den Frühling, anderthalb Mo- nate nach dem Poseideon, der Acker von dem Nachfolger gebaut werden könne; eine ähnliche jedoch zu unserer Betrachtung nicht gehörige Bestim- mung bietet die Urkunde über die vierzigjährige Verpachtung dar. Man er- kennt aus dieser ganzen Erwägung, dafs der Anfang der Pachtung vom Po- seideon ab höcht passend und der Attischen Sitte nicht schlechthin unange- messen ist, und ein Zweifel über die richtige Herstellung der Zeitbestimmun- gen keinen Raum hat. Warum übrigens die Grundstücke auf Rheneia ein Jahr 1 (') 8.11. dieser Abhandlung. (°) $.11. dieser Abhandlung. (°) Inschr. N.93. (*) Inschr. N.103. 2 4 40 Borckn: Erklärung einer Attischen Urkunde später verpachtet werden, wissen wir nicht; indefs lassen sich viele Gründe denken, die jeder leicht finden wird. Die Delischen Grundstücke, welche von verschiedener Art sind, waren nach dem Z.19. erhaltenen [usu]ırSwuevous Kara Tas Euyygabas mittelst mehrerer besonderer Verträge an Mehrere ver- pachtet und vermiethet: denn den Singular [nen]ırSwwuevos schliefst die Fü- gung der Worte aus. Die Rheneischen dagegen waren nach Z. 23. an Einen verpachtet, der vielleicht einzelne Grundstücke, wie oft geschah, Unter- pächtern überliefs. Die Fristen für die Zahlung des Pachtgeldes sind offen- bar hier eben so wenig als in dem Leihvertrag für die Zinsen angegeben ge- wesen: solche Besonderheiten gehörten nicht in diese allgemeine Rechen- schaft, sondern waren in den Vertragsurkunden bestimmt: welches in Bezug auf den ersten Pachtvertrag Z.18. 19. in dem Ausdruck «@rodidevaı zara Tas Euyygapas mit einbegriffen ist, und für den zweiten sich von selber versteht: übrigens mag das Pachtgeld vielleicht nur Jährlich bezahlt worden sein, wie nach der Attischen Urkunde N. 93. nur einmahl jährlich zu Anfang des Jah- res bezahlt wird. Doch findet sich auch Zahlung in zwei oder drei Terminen im Jahre (!). Für die mittelst des ersten Vertrages verpachteten Delischen Grundstücke ist das Pachtgeld im Ganzen für Alles und alle Pächter angegeben ; hierauf gründet sich die allerdings ungewisse Ergänzung dravruv reurwv Z.18. Es wird jedoch gesagt, die Pächter sollten nach den Urkunden zahlen; worin bestimmt war, wieviel jeder Einzelne zahlte: für die allgemeine Rechenschaft aber mufste die Gesammtsumme gezogen werden, welche mit einer sehr kur- zen Formel angefügt war: wrSurews »eb[ararv. In Einem Jahre beträgt diese weniger als in den andern, natürlich im ersten, wie ich ergänzt habe; in diesem mochten die Grundstücke des schlechten Zustandes’ wegen zum Theil geringern Ertrag geben, weil sie früher vernachlässigt waren. Für das erste Jahr beträgt diese Pacht 716 Drachmen; für jedes andere über 900 und unter 1000 Drachmen, indem nach Ergänzung des Anfanges der nächsten Formel hinter der Zahl 900 eine bedeutende Lücke bleibt. In der Sand- wicher Steinschrift beträgt die zweijährige Pacht der heiligen Grundstücke (reuevav) von Delos 2484 Drachmen, also die jährige 1242 Drachmen, und die jährigen Hausmiethen, von Delos wie wir annehmen müssen, 297 Dra- chmen, zusammen 1539 Drachmen. Dies giebt, wenn in unserem Denkmale (') N.103. 104. über das Vermögen des Apollinischen Heiligthums auf Delos. 4 statt 900 Drachmen durch Ergänzung nahe an 1000 angenommen werden, ungefähr 550 Drachmen mehr als die gröfsere Pachtsumme auf unserem Stein, schwerlich weil die Pachtungen später theurer wurden, sondern weil durch Schenkungen, Gütereinziehung und andere Erwerbungen die Grund- stücke auf Delos sich gemehrt hatten. So schenkte Nikias, welcher erst nach Olymp. 86. Archetheoros war, dem Tempel zur Speisung der Delier und zu Opfern ein Grundstück von 10,000 Drachmen Werth (!), ob freilich auf Delos oder Rheneia wissen wir nicht, sondern führen dies überhaupt nur als Beispiel von Schenkungen an; Beispiele von eingezogenen Gütern, beson- ders Häusern, giebt das Ende der Sandwicher Steinschrift. Bei dem Pacht- gelde von Rheneia findet kein Unterschied der Jahre statt; ich habe daher, wiewohl unsicher, &xasrou reü Erevs ergänzt; denn die Ergänzungen lassen sich von dieser Stelle an so bestimmt nicht mehr machen. Das Pachtgeld ist, da auf Rheneia viel ausgedehntere Tempeigüter lagen, hier sowohl als in der Sandwicher Steinschrift weit bedeutender als für die Delischen. Es beträgt nehmlich hier bestimmt 1 Talent 1110 Drachmen, in dem Sandwicher Denk- mal aber für die beiden Jahre unter Charisandros und Hippodamas 2 Talente 1220 Drachmen, also von Einem Jahre 1 Talent 610 Drachmen; es ist dem- nach gerade um 500 Drachmen gefallen in dem Zeitraume von sechsund- vierzig Jahren, welcher zwischen dem Ablaufe des zehnjährigen Pachtvertra- ges (Olymp. 86, 4. bis 89, 2.) und dem Archon Charisandros Olymp. 101, 1. verflossen war: wogegen der Ertrag von Delos um etwas mehr und das Ca- pital aufserordentlich gestiegen war. Vom dritten Pachtvertrage wissen wir nur, erstlich dafs er Meergewässer betraf, wobei bemerkt scheint, dafs es den Athenern gehöre, natürlich nur in einer gewissen Gegend, vermuthlich an einer bestimmten Seite von Delos; dann dafs derselbe sich aufserdem auf etwas in oder bei Rheneia bezog, vielleicht ebenfalls Gewässer. Wahr- scheinlich war die Fischerei oder der Salzgewinn verpachtet, und der Pacht- ertrag von den Athenern als angemafsten Eigenthümern zu den Tempel- einkünften geschlagen worden. Auch diese Verpachtung war zehnjährig. In der Sandwicher Tafel geschieht ihrer nicht Erwähnung. (‘) Plutarch Nik. 3. vergl. dazu Staatsh. Bd. II. S.218. S.330 f. (Corp. Inser. Gr. Bd.I. S.261..a.) —— I IDD DDP — Hıstor. philol. Abhandl. 1834. F Z 5 sat 2 Nach dem Drucke dieser Abhandlung hat Hr. Dr. Rofs in einem Schreiben aus Nauplia vom 15. Juni 1834. dem Verfasser angezeigt, dafs 2.23. der Inschrift (S. 23.) so anfange: . PONZ, und Z.7. \AHAIRQN. Das erste ändert für die Beurtheilung der Sache, nahmentlich für das $. 13. zu Ende Gesagte, nichts; das letztere führt auf maga Ayıluv, welches zu der $. 12. aufgestellten Ansicht vollkommen pafst. Hoi Über die Reduction ägyptischer Data aus den Zeiten der Ptolemäer. Von Hm. IDELER. [Gelesen in der philosophisch -historischen Klasse am 5. August 1834.] D.: Gegenstand, den ich hier zur Sprache bringe, ist den Forschern des ägyptischen Alterthums noch nicht so geläufig, als er es billig sein sollte. Seit der Bekanntwerdung des Steins von Rosette ist eine bedeutende Anzahl ägyptischer Denkmäler ans Licht gezogen worden, in denen Zeitbestimmun- gen vorkommen, und es steht zu erwarten, dafs man solcher Bestimmungen immer mehr auffinden werde, je mehr Papyrusrollen man aufwickelt und je tiefer man in das Verständnifs der altägyptischen Sprache und Schrift ein- dringt. Dafs die richtige Reduction dieser Data allein eine sichere Auskunft über das Alter der jedesmaligen Urkunde geben könne, versteht sich, und dafs sie zu allerlei historischen Combinationen und zur Ermittelung mancher uns sonst unbekannt gebliebenen Thatsachen führe, lehrt die Erfahrung. Eine einfache und sichere Methode, solche der ägyptischen Zeitrechnung angehörige Data auf die unsrige zu reduciren, erscheint daher als ein wah- res Bedürfnifs, und diesem abzuhelfen ist meine Absicht. \ Die Alterthumsforscher, die auf ägyptische Zeitbestimmungen stofsen, halten sich in der Regel an die chronologische Tafel, die Hr. Champol- lion-Figeac im zweiten Theile seiner Annales des Lagides gegeben hat. Allein die Principien, auf denen die Zählungsweise der ägyptischen Jahre beruht, sind von dem Urheber dieser Tafel nicht scharf genug aufgefafst, oder doch nicht mit hinlänglicher Bestimmtheit in Anwendung gebracht wor- den. Wer also seine Positionen nicht selbständig zu prüfen vermag, kann durch sie leicht zu falschen Reductionen verleitet werden, und dies ist nur zu häufig der Fall gewesen. Ohne mich auf die Berichtigung derselben ein- F2 A4 Inener über die Reduction ägyptischer Data zulassen (!), will ich in möglichster Kürze zeigen, worauf es hier ankommt. Ich kann eigentlich nur wiederhohlen, was ich in meinem Handbuch der Chronologie längst auseinandergesetzt habe, will es aber auf eine Weise thun, welche die Anwendung sehr erleichtern wird. Die alte Welt, namentlich die ägyptische, war gewohnt, in Erman- gelung fester Aeren, die erst spät durch Geschichtsforscher und Astronomen eingeführt worden sind, die Jahre nach ihren Regenten zu zählen. Ptole- mäus hat uns zum Behuf der Vergleichung und richtigen Benutzung der an Regentenjahre geknüpften astronomischen Beobachtungen, auf die er sei- nen Almagest gründet, eine fortlaufende Tafel der babylonischen, persischen, griechischen und römischen Regenten aufbewahrt, die unter dem Namen des astronomischen Kanons bekannt und für uns von unschätzbarem Wer- the ist. Die Jahre, die dieser Tafel zum Grunde liegen, sind ägyptische zu durchgehends 365 Tagen. Da das julianische Jahr, nach welchem wir rechnen, um einen Vierteltag länger ist, so verschiebt sich der Anfang des ägyp- tischen alle vier Jahre um einen Tag in dem julianischen, und zwar begreif- licherweise immer nach einem 29. Februar. Die Einrichtung jener Tafel ist nun folgende: jedem Regenten ist die Dauer seiner Regierung in ganzen Jahren beigeschrieben, und diese Jahre sind von dem einen Regenten zum an- dern summirt. Auf diese Weise werden bis auf Alexander den Grofsen einschliefslich 424 Jahre gezählt, die man die Jahre dernabonassarischen Aere nennt, von Nabonassar, dem ersten babylonischen Könige der Ta- fel. Mit Alexanders angeblichem Nachfolger Philippus Aridäus beginnt eine neue Jahrreihe, die bis zu Ende der ganzen Tafel fortläuft. Ptole- mäus nennt sie die philippische Aere oder die Aere seit Alexanders Tode. Da die Tafel nur volle Jahre, nirgends Brüche von Jahren, in Rechnung bringt, so kommt das Datum des Regierungsantritts der einzelnen Regenten nirgends in Betracht, sondern blofs das julianische Datum, auf das der Anfang oder der 1. Thoth eines jeden Regierungsjahrs trifft. Diesen (') Hr. Direktor Passalacqua hat seinem zum Druck vollendeten Catalog der Denkmä- ler des hiesigen ägyptischen Museums einen Leitfaden zur Chronologie der Lagiden angehängt, worin er ausführlich zeigt, wie Champollion’s schwankende Positionen in je- dem Fall zu richtiger Reduction der ägyptischen Data benutzt werden können. Er hat die Gefälligkeit gehabt, mir seine gelehrte, in mehrfacher Beziehung verdienstliche, Arbeit mitzu- theilen, auf die ich im voraus aufmerksam zu machen, mir das Vergnügen nicht versagen kann. aus den Zeiten der Ptolemäer. 45 Punkt hat Hr. Champollion nicht gehörig beachtet. Es fragt sich nun aber, ob für das Todesjahr eines Regenten allemal das letzte der ihm im Kanon beigelegten Jahre, oder das erste seines Nachfolgers zu nehmen sei. Dafs die Jahre der römischen Imperatoren durchgängig in letzterem Sinne gezählt sind, geht so entschieden aus den unter ihren Namen in Ägypten ge- prägten Münzen hervor, dafs hierüber schon längst kein Zweifel mehr ob- waltet. Man sehe nur, wie sich Eckhel hierüber äufsert ('). Die Regierung eines jeden Kaisers wird von dem 1. Thoth gerechnet, der seiner Proklama- tion zunächst vorangegangen ist, sollte diese auch erst gegen Ende des ägyp- tischen Jahrs erfolgt sein. Diesem Princip gemäfs beziehen sich nicht selten zwei verschiedenen Kaisern angehörige Münzen auf einerlei ägyptisches Jahr, indem man die Münzen so lange unter dem Namen eines Kaisers fortprägte, bis die Nachricht von der Proklamation seines Nachfolgers in Alexandrien eingelaufen war. Was die früheren Regenten im Kanon, namentlich die Ptolemäer, betrifft, so hat Fr&ret zu beweisen gesucht, dafs ihre Jahre in ersterem Sinne gezählt sind. Aber nicht zu gedenken, dafs eine Änderung des Prineips der Zählung der Jahre in einer und derselben Tafel an sich sehr unwahrscheinlich ist, hat sich aus den bis jetzt ermittelten Datis der Regie- rungsantritte der Ptolemäer auch nicht Ein Fall mit Sicherheit ergeben, wo das Todesjahr eines Regenten ihm selbst und nicht seinem Nachfolger bei- gelegt würde. Ich halte die Sache für so entschieden, dafs ich, selbst in Ermangelung anderweitiger Beweise, den Tod Alexanders des Grofsen unbedenklich in das Jahr 425 der nabonassarischen Aere setzen würde, weil der Kanon dasselbe zum ersten des Philippus Aridäus macht, so dafs der Kö- nig nicht, wie Hr. Champollion-Figeac und mit ihm fast alle andere französische Chronologen glauben, im Jahr 324 v. Chr., sondern 323 ge- storben ist. Um den Zusammenhang der Regierungsjahre der Ptolemäer mit den Jahren vor Christus klar darzulegen, liefere ich hier eine Tafel aller ägypti- schen Jahre vom Tode Alexanders oder dem Regierungsantritte des Philip- pus Aridäus bis auf den Anfang der Regierung des August, oder bis auf den Zeitpunkt, wo Ägypten eine römische Provinz wurde. Es sind dies die Jahre der philippischen Acre, oder, wie man jetzt gewöhnlich sagt, der (') Doctrina numorum veterum Vol.ıv. p.42. 46 Ipener über die Reduction ägyptischer Data Lagiden. Daneben stehen die entsprechenden Jahre vor Christus, nach chronologischer Weise so gezählt, dafs das erste Jahr vor unserer Aere un- mittelbar vor dem ersten nach derselben hergeht, nicht das Jahr der Geburt Christi nach der Rechnungsweise der Astronomen gleich 0 gesetzt ist. Auch füge ich in einer dritten Columne die Olympiadenjahre hinzu, deren Anfang man, ohne Gefahr eines bedeutenden Irrthums, durchgängig auf den 1. Ju- lius setzen kann. Das julianische Datum, mit welchem jedes ägyptische Jahr anfängt, ist bemerkt. Der Wechsel dieses Datums tritt allemal ein, wenn das nebenstehende Jahr vor Christus ein Schaltjahr ist. Bekanntlich ist dies der Fall, wenn es durch 4 dividirt den Rest 1 gibt. Die ganze Tafel zerfällt in so viele Partikularären, als es verschiedene Regenten gegeben hat. Der astronomische Kanon zählt in dem betreffen- den Zeitraum zwölf Könige, von denen jedoch die beiden ersten, Phi- lippus Aridäus und Alexanderll, nicht eigentlich Ägypten angehören. Die Jahre, die er jedem einzelnen beilegt, haben sich durch alle bisherige Untersuchungen als vollkommen richtig erwiesen. Da aber die Regierun- gen der fünf letzten Ptolemäer, von Philometor an, in Folge theils ihrer Schwäche, theils des immer stärker werdenden römischen Einflusses auf Ägypten, manchen Wechseln unterworfen waren, die zu noch anderweitigen im Kanon nicht erwähnten Partikularären Anlafs gegeben haben, so füge ich meiner Jahrtafel so viele historische Notizen bei, als hinreichend sein werden, um über alle bis jetzt bekannt gewordene Partikularären Auskunft zu geben. Um nicht ohne Noth weitläufig zu werden, habe ich blofs die Resultate der bisherigen Untersuchungen zusammengestellt, ohne mich auf ihre kritische Begründung einzulassen. Ich verweise defshalb vor allen auf die Herren Champollion-Figeac und Letronne. Letzterer hat in seinen Recher- ches pour servir a Phistoire de ’Egypte pendant la domination des Grecs et des Romains mehrere Punkte der Geschichte der späteren Ptolemäer auf eine sehr scharfsinnige Weise ins Licht gesetzt. m nn Jahre vor Christus, 324 323 322 321 320 319 318 317 316 315 314 313 312 311 310 309 308 307 306 305 304 303 302 301 300 299 298 297 296 295 Jabre der Olymp. 114,1 116,1 » m = Fr w 118, aber on rm sau ro» oo 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 Jahre der Lagiden. 12. Nov. 11. Nov. 10.Nov. 9.Nov. 8. Nov. 7.Nov. 6. Nov. 5.Nov. aus den Zeiten der Ptolemaer. 47 Chronologie der Ptolemäer. Nach dem astronomischen Kanon das erste Jahr des Philippus Aridäus. Alexander der Grofse starb am Schlusse des ersten Jahrs der 114ten Olympiade, im Junius 323 v.Chr. Zu seinem Nach- folger wurde sein blödsinniger Bruder Philippus unter der Vormund- schaft des Perdiecas ernannt. Das erste Jahr der philippischen oder Lagiden-Aere hat am 12. November 324 v.Chr. zugleich mit dem 425sten der nabonassarischen Aere angefangen. Will man also die erstere auf die letztere reduciren, so darf man zu ihrem jedes- maligen Jahr nur 424 addiren. Das achte Jahr der Aere der Lagiden ist nach dem Kanon das erste Alexanders II. Philippus Aridäus wurde Ol. 115,4 von der Olym- pias aus dem Wege geräumt. Schon bei seinen Lebzeiten war ihm der bald nach Alexanders des Grofsen Tode von dessen Gemahlin Roxane geborne Alexander, im Kanon der zweite, zur Seite gesetzt. Dieser wurde 117,2 von Cassander ermordet. Er überlebte also sei- nen Mitregenten Philippus nur um sechs Jahre. Da er aber in den ersten sechs Jahren nach seinem Tode keinen eigentlichen Nachfolger hatte, so legt ihm der Kanon auch diese noch bei, statt ein sechsjäh- riges Interregnum einzuführen. Nach dem Kanon das erste Jahr des Ptolemäus Sohns des Lagus, des Stifters der Dynastie der Lagiden. Er führte den Beinamen Soter, und wird daher auch Soter I. genannt. Nach dem Kanon regierte er 20 Jahre, einschliefslich bis zum Jahr 39 der Lagiden. Seine Münzen lehren aber, dafs er nach Annahme des Königstitels im Jahr 20 die 19 Jahre seiner Statthalterschaft über Aegypten als zu sei- ner Regierung gehörig mitgezählt hat. So hätte er also überhaupt 39 Jahre regiert. Aufser den Münzen hat sich bis jetzt noch kein Denk- mal gefunden, das seine Regierungsjahre in gleichem Sinne zählte. 48 Inener über die Reduction ägyptischer Data Jahre vor Christus. 294 293 292 291 290 289 288 287 286 255 270 Jahre der Olymp. 128, Jahre der Lagiden. 4. Nov. 3. Nov. 2.Nov. | Nach dem Kanon das erste Jahr des Ptolemäus Philadelphus, von dem Zeitpunkt an gerechnet, wo er Mitregent seines Vaters Soter wurde. Dieser starb erst zwei Jahre später. 1.Nor. 31. Okt. 30. Okt. 29. Okt. 28. Okt. aus den Zeiten der Ptolemaer. 49 mm m Jahre Jahre Jahre vor der der Christus. | Olymp. Lagiden. 264 | 129,1 | 61 263 2| 62 262 3|63 261 4 | 64 27.Okt. 260 | 130,1 | 65 259 2| 66 258 3| 67 PAYj 4 | 68 26. Okt. 256 | 131,1 | 69 255 2| 70 254 Sun 253 4| 72 25.Okt. 252 |132,1| 73 251 2| 74 250 3.1.75 249 4\ 76 24. Okt. 248 | 133,1 | 77 247 2| 78 Nach dem Kanon das erste Jahr des Ptolemäus Euergetes I, Sohns 246 3|79 des Philadelphus. Seine Gemahlin Berenike war die Tochter des PIAZ 4| so 23. Okt. Königs Magas von Cyrene, eines Bruders des Philadelphus. 243 2| 82 242 3| 83 241 4| 84 22. Okt. 240 | 135,1 | 85 239 2|s6 238 3| 87 237 4| ss 21. Okt. 236 | 136,1 | 89 & 235 2| 90 Histor. philol. Abhandl. 1834. G 50 InezLer über die Reduction ägypüscher Data Jahre | Jahre Jahre vor der der Christus. | Olymp. Lagiden. 234 3| 9 233 4| 92 20. Okt. 232 |137,1| 93 231 2| 94 230 3| 95 229 4| 96 19.Okt. 22s |ı3s,1| 97 227 2| 98 226 31 99 225 4 | 100 18. Okt. 224 | 139,1 | 101 223 2| 102 222 3 | 103 Nach dem Kanon das erste Jahr des Ptolemäus Philopator, des 221 4 | 104 17.Okt. | ältesten Sohns des Euergetes I. und der Berenike. Er heirathete seine 220 | 140,1 | 105 Schwester Arsinoe, die ihm erst spät einen Sohn, seinen Nachfolger 219 ihre Epiphanes, gebar. 218 3 | 107 217 4 | 108 16. Okt. 216 | 141,1 | 109 215 2| 110 214 3 | 111 213 4 | 112 15.Okt. 212 | 142,1 | 113 211 2| 114 210 3,1115 209 4 | 116 14. Okt. 208 | 443,1 | 117 207 2| 118 206 3 | 119 205 4 | 120 13.Okt. | Nach dem Kanon das erste Jahr des Ptolemäus Epiphanes (Eu- charistos). Er kam fünf Jahr alt zur Regierung, und stand bis zu aus den Zeiten der Ptolemaer. 51 ee — Jabre | Jahre Jahre vor der der Christus. | Olymp. Lagiden. 204 | 144,1 | 121 seinem vierzehnten Jahr unter Vormundschaft. Dann wurde er im 203 21122 neunten seiner Regierung oder 128sten der Lagiden zu Memphis inau- 202 3 [123 gurirt. Dies ist die Epoche des Steins von Rosette, der ein De- kret der Priester zum Andenken dieser Inauguration enthält. 201 4 | 124 12. Okt. 200 -| 145,1 | 125 199 2| 126 198 3 | 127 197 4 | 128 11. Okt. 196 | 146,1 | 129 195 2 | 130 194 3 | 131 193 4 | 132 10. Okt. 192 | 147,1 | 133 191 2134 190 3 | 135 189 4 | 136 9.Okt. 188 | 148,1 | 137 187 2 | 138 156 3 | 139 185 4| 140 8.Okt. 184 | 149,1 | 141 183 2| 142 182 3| 143 181 4\444 7.Okt. | Nach dem Kanon das erste Jahr des Ptolemäus Philometor, des 180 | 150,1 | 145 ältesten Sohns des Epiphanes. Dieser hinterliefs nach einer 2/jährigen 179 2 | 446 Regierung von seiner Gemahlin Cleopatra, einer Tochter Antiochus ; des Grofsen, zwei Söhne und eine Tochter, alle drei noch sehr jung. E18 ut Der älteste Sohn wurde unter dem Namen Philometor inaugurirt. 177 4 | 148 6.Okt. | Seine Mutter regierte acht Jahr als seine Vormünderin. Nach ihrem 176 | 151,1 | 149 151 erfolgten Tode brachte ihn ein unvorsichtig gegen Antiochus Epi- 475 21150 phanes unternommener Krieg in Gefangenschaft, worauf sein Bruder Euergetes zum Könige ausgerufen wurde. Dies geschah 155, im zwölften Regierungsjahr des Philometor. Dieser wurde bald wieder frei, und regierte nun fünf Jahre gemeinschaftlich mit Euergetes bis G2 52 Ipezuer über die Reduction ägypüischer Data Jabre Jahre Jabre vor der der Christus. | Olymp. Lagiden. 174 as 160, wo römische Abgeordnete entschieden, dafs Philometor allein in 173 4\152 5.Okt. | Ägypten und Euergetes in Cyrene herrschen solle. Die ganze Dauer der Regierung des Philometor beträgt nach dem Kanon 35 Jahre, mit 172 1452,11 153 R R i u Einschlufs der acht, die er unter Vormundschaft gestanden. 171 2] 154 170 3| 155 169 4\ 156 4.Okt. 168 | 153,1 | 157 167 2| 158 166 3 | 159 165 4160 3.Okt. 164 | 154,1 | 161 163 2 | 162 162 31163 161 4| 164 2.Okt. 160 | 155,1 | 165 159 2 | 166 158 3 | 167 457 41168 1.Okt. 156 | 156,1 | 169 R 4139 21170 154 3.4174 153 4 \ 172 30. Sept. 452 | 157,1 | 173 151 2| 174 150 31175 149 4 | 176 29. Sept. 148 | 158,1 | 177 147 2|178 146 3|179 Nach dem Kanon das erste Jahr des Ptolemäus Euergetes II, we- 145 4 | 180 28. Sept. | gen seiner Corpulenz Physcon genannt. Dieser hatte kaum den Tod seines Bruders Philometor erfahren, als er an der Spitze einer Armee aus Cyrene herbeieilte und zum Vormunde des minorennen Sohns des- selben, des Eupator, ernannt zu werden verlangte. Cleopatra, Jahre vor Christus. 144 143 142 141 140 139 138 137 136 135 Jabre der Olymp. 159,1 m Jahre der Lagiden. 151 182 183 184 27. Sept. 185 186 187 188 26.Sept. 189 190 191 192 25. Sept. 193 194 195 196 24. Sept. 197 198 204 22.Sept. 205 206 207 208 21. Sept. 209 210 aus den Zeiten der Ptolemder. 53 die Königin-Mutter, seine Schwester, trat ihm die Regierung ab, un- ter der Bedingung, dafs er sie heirathe. Er ermordete den jungen Eupator, der seinen Vater nur drei Monate überlebte, und sah sich so in dem alleinigen Besitz des Throns. Mit seiner Schwester erzeugte er einen Sohn Memphites, den er ebenfalls ermorden liefs (180), worauf er die Mutter verstiels und eine Tochter von ihr und seinem Bruder Philometor, also seine Nichte, Cleopatra Kokke, heira- thete. Von dieser hatte er zwei Söhne, Soter und Alexander. Nach dem Kanon regierte er 29 Jahre; er befahl aber, als er sich des Throns von Ägypten bemächtigt hatte, ihm die 24 Jahre zuzurechnen, die er von 155 an theils gemeinschaftlich mit seinem Bruder in Ägyp- ten, theils allein in Cyrene geherrscht hatte. So steigt die Zahl seiner Regierungsjahre auf 53. Dafs er 193 vertrieben und erst 198 restau- rirt wurde, hat auf die Zählung seiner Regierungsjahre keinen Einflufs gehabt. Doch mufs bemerkt werden, dafs er sich in seinen letzten Jahren mit seiner verstofsenen Gemahlin ausgesöhnt haben mufs, weil auf gleichzeitigen Denkmälern ihr Name neben dem seinigen und dem seiner zweiten Gemahlin genannt vorkommt. Nach dem Kanon das erste Jahr des Ptolemäus Soter Il. Euer- getes hatte in seinem Testament den Thron seiner Gemahlin Gleo- patra Kokke und demjenigen seiner beiden Söhne vermacht, für den sie sich entscheiden würde. Sie liebte den ältesten nicht; doch mufste sie die Rechte der Erstgeburt anerkennen, und Soter wurde 208 zu Memphis inaugurirt. Da sie aber nachmals glaubte, dafs ihr jüngerer nn nn nn mn 54 Jahre Jahre vor der Christus. | Olymp. 114 3 113 4 412 | 167,1 111 2 110 3 109 4 108 | 168,1 107 2 106 3 105 4 104 | 169,1 103 2 102 3 101 4 100 | 170,1 99 2 98 3 97 4 9 |1ırı1 95 2 94 3 93 4 92 | 172,1 91 2 90 3 89 4 ss [173,1 87 2 86 3 85 4 Ipruenr über die Reduction ägyptischer Data Jahre der Lagiden. 211 212 20. Sept. 213 214 215 216 19. Sept. 217 218 219 220 18. Sept. 221 222 223 224 17.Sept. 225 226 227 228 16. Sept. 229 230 231 232 15. Sept. 233 234 235 236 14.Sept. 237 238 239 240 13. Sept. Sohn Alexander, der seit 211 in Cypern regiert hatte, sich ihrem Ehrgeiz fügsamer beweisen werde, so wiegelte sie die Alexandriner 218 gegen Soter auf, der sich nach Cypern zurückziehen mufste. Sie regierte nun gemeinschaftlich mit Alexander bis 235, wo der Sohn die Mutter ermorden liefs. Das über diese Schandthat empörte Volk rief den Soter aus Cypern zurück und vertrieb den Alexander, der bald nachher umkam. Nach dem Kanon regierte Soter überhaupt 36 Jahre von 208 bis 243, von denen er jedoch nur die ersten zehn und letzten acht in Ägypten und die übrigen in Cypern zubrachte. Cleopatra herrschte 28 Jahre, zehn gemeinschaftlich mit Soter und achtzehn mit Alexander, und letzterer 25 Jahre, sieben in Cypern und achtzehn mit seiner Mutter in Agypten. Jahre Jahre vor der Christus. | Olymp. s4 | 174,1 83 2 s2 81 [A so |175,1 79 2 78 3 77 4 76 | 176,1 75 2 74 3 13 4 172 177,1 71 2 70 3 69 4 68 | 178,1 67 2 66 3 65 4 64 | 179,1 63 2 62 3 61 4 60 | 180,1 x) 2 58 3 57 4 56 | 181,1 55 2 Jabre der Lagiden. 241 242 243 244 12. Sept. 245 246 247 248 11.Sept. 256 9.Sept. aus den Zeiten der Ptolemaer. 8. Sept. 7. Sept. 6. Sept. Nach dem Kanon das erste Jahr des Dionysius. Soter II. hinter- liefs keine legitimen Kinder weiter, als eine Tochter Berenike, Wittwe Alexanders. Diese folgte ihm. Als sie sechs Monate re- giert hatte, wurde der zu Rom lebende Alexander der zweite, Sohn des obgedachten Alexander, Bruders des Soter, von Sylla nach Ägypten geschickt. Die Königin nahm ihn zu ihrem Gemalhl, wurde aber schon nach 19 Tagen von ihm ermordet. Er erhielt sich nur kurze Zeit auf dem Thron; das Volk empörte sich gegen ihn, und er floh nach Tyrus, wo er seine verlorne Krone den Römern ver- machte. Unterdessen beriefen die Ägypter den unehlichen Sohn Soters, der den Namen Neos Dionysos annahm (er führte auch den Spott- namen Auletes) zum Könige. Der Kanon bringt die kurz dauernden Regierungen Berenike’s und des jüngeren Alexander nicht in Rech- nung. Auch Dionysius selbst scheint seine Regierung von Soters Tode an gezählt zu haben. Es folgt nun eine höchst unruhyolle Pe- riode, während welcher der römische Einflufs auf Ägypten immer stärker hervortritt. Dionysius, von den Alexandrinern verachtet und gehafst, wird 267 verjagt und sucht Schutz in Rom. Unterdessen herrscht seine Tochter Berenike über zwei Jahr als Königin. Dann kehrt er zurück, ermordet sie, und regiert nun noch drei Jahre, nach dem Kanon zusammen 29. Inzrer über die Reduction agypüscher Data 56 Jahre | Jahre Jahre vor der der Christus. | Olymp. Lagiden. 54 3:1.274 53 4| 272 5.Sept. 52 182,1 | 273 51 2\274 50 31275 49 4| 276 4.Sept. | 48 1483,1 | 277 47 2 | 278 46 31279 45 4 | 280 3.Sept. 44 184,1 | 281 43 2 | 282 42 3 | 283 4 4 | 234 2.Sept. 40 185,1 | 285 39 2 | 286 38 3 | 287 37 4| 288 1.Sept. 36 | 186,1 | 289 35 2| 290 34 3|\ 291 33 4 | 292 31. Aug. 32 187,1 | 293 31 2| 294 30 3.| 295 Nach dem Kanon das erste Jahr der Cleopatra, der berühmtesten unter allen Königinnen, die diesen Namen geführt haben. Sie war die zweite Tochter des Dionysius, dem sie folgte, vier Jahre mit ihrem ältesten Bruder Dionysius, und dann drei Jahre mit dem jüngsten Ptolemäus gemeinschaftlich herrschend. Beide kamen, noch ehe sie mündig geworden, um. Cleopatra’s Regierung dauerte nach dem Kanon überhaupt 22 Jahre. In den 12 letztern, von 283 an, stand ihr dem Namen nach ihr mit Julius Cäsar erzeugter Sohn Cäsarion zur Seite. Im Jahr 295 gerieth sie in Folge der Schlacht bei Actium in die Hände des Octavius, worauf sie sich tödtete und Ägypten eine römische Provinz wurde. Nach dem Kanon ist das 295ste Jahr der Lagiden das erste des Au- gustus. Die Ptolemäer haben also mit Einschlufs der 19jährigen Statt- halterschaft des Ptolemäus Lagi überhaupt 294 ägyptische oder 293 julianische Jahre und dritthalb Monate geherrscht. Mit Hülfe vorstehender Tafel wird sich nun jedes ägyptische Datum aus den Zeiten der Ptolemäer eben so leicht als sicher auf unsere Zeitrech- nung reduciren lassen, so bald man nur mit Bestimmtheit weifs, auf welchen aus den Zeiten der Ptolemaer. 57 Regenten es sich bezieht. Einige Beispiele werden zeigen, wie man zu ver- fahren hat. Nach Ptolemäus (!) ist im siebenten Jahr des Philometor in der Nacht vom 27 zum 28. Phamenoth eine Mondfinsternifs zu Alexandria beobachtet worden. Die ägyptischen Monate führen bekanntlich die Na- men: Thoth, Phaophi, Athyr, Choiak, Tybi, Mechir, Phame- noth, Pharmuthi, Pachon, Payni, Epiphi, Mesori. Sie halten durchgängig 30 Tage. Zur Ergänzung des 365 tägigen Jahrs werden ihnen noch fünf Epagomenen beigefügt. Wenn man also das julianische Datum des 1. Thoth kennt, und die Länge unserer Monate und den Sitz unsers Schaltmonats gehörig berücksichtigt, so wird man leicht die julianischen Data hinschreiben, denen die Anfänge der ägyptischen Monate entsprechen. Das siebente Jahr des Philometor ist nach unserer Tafel das 150“ der Lagi- den, das am 6. Oktober 175 v. Chr. seinen Anfang nahm. Es correspon- diren demnach der 1. Thoth mit dem 6. Oktober 175 v. Chr. - 1.Phaophii - - 5. November - 4. Athyr - = 5. December u GChoilak =! #14: Januar 174 v. Chr: - 4. Tybi - = 3. Februar - 4. Mechir - = 5.März - 41. Phamenoth - - 4. April - 4.Pharmuthi - - 4.Mai. Rechnet man vom 1. Pharmuthi vier Tage zurück, so findet man, dafs der 27. Phamenoth dem 30. April entspricht, dafs also die Finsternifs in der Nacht vom 30. April zum 1. Mai des Jahrs 174 v. Chr. beobachtet worden ist, wo sich auch wirklich nach den astronomischen Tafeln eine Mondfinster- nifs ereignet hat. Ein zweites Beispiel bietet uns die Inschrift von Rosette dar. Sie datirt sich vom 18. Mechir des neunten Jahrs des Epiphanes, an welchem Tage dieser König zu Memphis inaugurirt wurde, nachdem er so lange unter Vormundschaft gestanden hatte. Nach der Tafel ist das neunte Jahr des Epiphanes das 128° der Lagiden, das am 11. Oktober 197 v. Chr. begann. Es gehören demnach zusammen (') Almagest v1,5, S.389 ed. Halma. Philos.- histor. Abhandl. 1834. H 58 Ipenenr über die Reduction ägyptischer Data der 1. Thoth mit dem 11. Oktober 197 v. Chr. - 1.Phaophi - - 10. November - 1.Athyrr - - 10. December - 1.Choiak - - 9.Januar 196 v. Chr. - 4. Tybi - - 8. Februar - 1.Mechirr - - 10. März. Zählt man bis zum 18. Mechir, also 17 Tage, weiter, so ergibt sich der 27. März des Jahrs 196 v. Chr. Ein drittes Beispiel entlehnen wir von dem Kaufbriefe desNechu- tes, der, in einem aufgewickelten Papyrus der Berliner Sammlung enthal- ten, scharfsinnig von Hrn. Böckh entziffert und erläutert worden ist (!). Diese Urkunde datirt sich vom 29. Tybi des zwölften Jahrs der Cleopatra und des neunten ihres Sohns Alexander. Man sieht sogleich, dafs hier von der Cleopatra Kokke die Rede ist, die mit ihrem ältern Sohn Soter zugleich die Regierung im 208'= Jahr der Lagiden, 117 v. Chr., antrat, und, nachdem sie denselben zehn Jahre später entfernt hatte, ihren jüngern Sohn Alexander zum Mitregenten annahm, der bereits seit sieben Jahren König von Cypern gewesen war. Ihr zwölftes Jahr ist also nach dem Kanon, der ihrer und des Alexander gar nicht gedenkt, das zwölfte Soter’s II. Dieses war das 219“ der Lagiden, welches den 19. September 106 v. Chr. seinen Anfang nahm. Es stimmen mithin überein der 1. Thoth mit dem 19. September 106 v. Chr. - 4.Phaophi - - 19. Oktober - 1.Athyrr - - 18. November - 4.Choiak - - 18. December - 4. Tybi - —- 47. Januar: 105 v. Chr. - 1.Mechir - - 16. Februar. Rechnet man von dem letzten Dato 2 Tage zurück, so erhält man den 14. Februar 105 v.Chr. Hr. Böckh hat nach Hrn. Champollion’s Tafel den 13. Februar 104 angesetzt (?). (') Abhandlungen der Berliner Akademie aus den Jahren 1820 und 1821. (*) Das Jahr 104 v. Chr. gilt Hrn. Champollion wirklich für das 105, da er in der Regel (er bleibt sich hierin nicht ganz gleich) das Geburtsjahr Christi nach astronomischer Weise = ( selzt, wie man aus der Vergleichung mit den Jahren der Olympiaden und der nabonassarischen Aere ersieht. aus den Zeiten der Ptolemaer. 59 Noch weitere Beispiele gewähren die Papyre No.36 bis 41 der Ber- liner Sammlung, die aus einem ägyptischen (enchorischen oder demotischen) Text und einer griechischen Bei- oder Unterschrift bestehen. Jener enthält einen vom Priestercollegio vollzogenen Contract über ein verkauftes Grund- stück, mit ausdrücklicher Nennung des Königs, seines Regierungsjahrs und des ägyptischen Monatstages; die zweite die etwas später erfolgte Einregistri- rung desselben beim Steueramte, mit Wiederholung des Jahrs, aber ohne weitere Erwähnung des Königs. Die Beischrift zu No. 36 ist vom 9. Choiak des 36“ Jahrs datirt. Hr. Buttmann, der sie zuerst gelesen hat ('), be- zieht sie auf EuergetesII, weil Hr. Spohn in dem ägyptischen Text die- sen Namen gefunden haben wollte. Das 36“ oder nach dem Kanon das 12“ Jahr dieses Ptolemäers ist das 190“ der Lagiden, das am 26. September 135 v. Chr. begann, und so würde der 2. Januar des Jahrs 134 v. Chr. ge- meint sein. Allein nach Hrn. Kosegarten (?) nennt der ägyptische Text entschieden den Philometor. Dieser hat nach dem Kanon nur 35 Jahre regiert; sein 36"* ist also sein Todesjahr und zugleich das erste seines Nach- folgers Euergetes II, nach unserer Tafel das 179°“ der Lagiden, welches am 29. September 146 v. Chr. seinen Anfang nahm; die Einregistrirung des Contracts ist mithin am 5. Januar 145 v. Chr. geschehen. Die Vollziehung desselben datirt sich nach dem ägyptischen Text vom 18. Athyr des 36" Jahrs, d. i. vom i5. December 146 v. Chr. Die griechischen Beischriften zu No.37 bis 41 sind von Hrn. Doctor Droysen entziffert und mit vieler Umsicht im Rheinischen Museum für Philologie, Geschichte und griechische Philosophie (°) erläutert worden, und die Anfänge der ägyptischen Texte mit den Zeitbestimmungen gibt Hr. Kosegarten (*). Der Kaufbrief unter No.37 ist im 52“ Jahr (‘) Abhandlungen der Berliner Akademie vom Jahr 1824. Historisch - philolo- gische Klasse S.89 ff. (2) S. seine Bemerkungen über den ägyptischen Text eines Papyrus aus der Minutolischen Sammlung (Greifswald 1824), und seine Commentatio prima de prisca Aegyptiorum litteratura (Weimar 1828, 4) Tab. ıx ff. Hr. Kosegarten stimmt mit Hrn. Thomas Young überein, der ein anderes zu Paris befindliches Exemplar dieses Kaufbriefes vor Augen gehabt hat. Hieroglyphics collected by the egyptian society, second fasciculus (London 1823), Tab. 31 ff. (‘) Dritter Jahrgang S. 491 ff. (*) "Tab.&ır: 60 Ipever über die Reduction ägyptischer Data des Euergetes II. am 3. Pachon stipulirt und am 15. Pachon einregistrirt worden. Das 52" Jahr dieses Ptolemäers, nach dem Kanon sein 28“*, ist das 206“ der Lagiden, welches den 22. September 119 v. Chr. begann. Die gedachten Data entsprechen also dem 22. Mai und 3. Junius (!) des Jahrs 118 v.Chr. Die Data des Kaufbriefes unter No.38 sind der 4. Tybi und 21. Phamenoth des 31*” Jahrs des Philometor, d.i. des 174*® der La- giden, das den 30. September 151 v. Chr. seinen Anfang nahm. Die Re- duction gibt den 31. Januar und 18. April des Jahrs 150 v.Chr. Die Zeit- bestimmung zu No.39 hat sich weder im ägyptischen Text noch in der grie- chischen Beischrift vollständig erhalten. In No.40 werden der 18. Phame- noth und der 5. Pharmuthi des Jahrs 14 und 11 der Cleopatra Kokke und ihres Sohns Alexander genannt. Der Kaufbrief ist also zwei Jahr jünger als der des Nechutes. Das 221“ Jahr der Lagiden, auf welches er sich bezieht, fing den 18. September 104 v. Chr. an; die Data entsprechen demnach dem 3'” und 30. April des Jahrs 103 v. Chr. (?). No.41 endlich nennt den 19‘ und 29. Choiak des 23*” Jahrs des Ptolemäus Epipha- nes, des 142“ der Lagiden, das am 8. Oktober 183 v. Chr. begann. Die ägyptischen Data geben also den 24. Januar und 3. Februar (°) des Jahrs 182 v. Chr. Aus allen diesen Beispielen erhellet zur Genüge, wie leicht und sicher mit Hülfe unserer Tafel das ganze Reductionsverfahren von Statten geht, wenn man nur die Partikularäre kennt, auf die sich Jahr und Datum bezie- hen. Ist man hierüber im Dunkeln, so mufs man den Regenten durch Com- bination zu ermitteln suchen. Einen Fall dieser Art bietet der im ägypti- schen Museum des Louvre befindliche, griechisch geschriebene, Steckbrief dar, den Hr. Letronne gelesen und mit grofser Gelehrsamkeit erläutert hat (*). Dieses interessante Aktenstück nennt blofs den 16. Epiphi des 25° Jahrs. Hrn. Letronne’s scharfsinnige Zusammenstellungen lassen nicht be- zweifeln, dafs sich das Datum auf Euergetes Il. bezieht. Das 25°“ Jahr (‘) Nicht dem 2ten, wie Hr. Droysen $.509 sagt. (*) Nicht dem 28. März und 21. April 102, wie es S.531 bei Hrn. Droysen heilst. (°) Nicht den 2östen und 29. Januar, wie Hr. Droysen S.539 sagt. (*) Recompense promise ü qui decouvrira ou ramenera deux esclaves echappes d’Alexandrie le xvı Epiphi de lan xxv d’Evergetell (10 Juin de lan 146 avant notre ere). Paris 1833, 4. aus den Zeiten der Ptolemaer. 61 dieses Ptolemäers, nach dem Kanon sein erstes, ist das 179°“ der Lagiden, das den 29. September 146 v. Chr. begann. Es stimmen mithin überein der 1. Thoth 1. Phaophi 1. Athyr 1. Choiak 1. Tybi 1. Mechir 1. Phamenoth 1. Pharmuthi 1. Pachon 1. Payni 1. Epiphi mit dem 29. September 146 v. Chr. 29. Oktober 28. November 28. December 27. Januar 145 v. Chr. 26. Februar 27. März (') 26. April 26. Mai 25. Junius 25. Julius. Zählt man vom letztern Datum 15 Tage weiter, so erhält man den 9. Au- gust des Jahrs 145 v. Chr. Hr. Letronne findet den 10. Junius des Jahrs 146. Dafs er sich um ein Jahr geirrt hat, ist leichter zu begreifen, als wie er sich in der Bestimmung des Datums um zwei Monate verrechnen konnte. (') Das Jahr 145 v. Chr. ist ein Schaltjahr. —— ganz: ee EB ir u . | . i nu \ u Bine ATE ua NT De 1. 1 rt s «0 Mi anf nat d:R Bi u. uhr le Te |. An DREIER FE NUT ih I De N Yaslı pP u, en en) = ala i . j Anz ne j ln an “ .. Be) I er az TE u si u u Ink ' \ Betz her" . re De 5 Dnuz ü DT Be u i . Ve . Buız ie Pi) j 2 Ma Sn Gl . . g m FI Yard. 1 n . . u ur er ii ‘ . \ \ Dr: i u . . re u Dane, Zr . oe BE EI u rn et art Bu u . . Dr nn Pr Fort = 1 Ber Dr . Bu ” . Da Irre) (mE u IT m‘ . DE . . en m Ba Br hi . LT Pr Ber 5 Br i . . . | 5 ö . \ . . Über die Arıstotelische Metaphysik. (Erste Hälfte.) „ Von H- BRANDIS. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 29. Mai 1834.] | DEM den Aristotelischen Werken ist die sogenannte Metaphysik zugleich eins der wichtigsten und dunkelsten, dunkel nicht sowohl in der Sprache wie in einzelnen Begriffsbestimmungen, ihren Verknüpfungen und der Stru- ctur des Ganzen. Letztere haben wir hier vorzugsweise ins Auge zu fassen; wobei wir von vorn herein bekennen müssen nicht im Stande gewesen zu sein den Ursprung der Überschrift besimmter auszumitteln. Bei Aristoteles findet sie sich ebenso wenig in andern Büchern wie in dem Werke selber; und um so unbegreiflicher ist die Wahl derselben, da letzteres eine zwiefache gleich passende Bezeichnung, erste Philosophie und Theologie oder Theo- logik, ausdrücklich und wiederholt für sich anführt, unter denen jene das Verhältnifs dieser Untersuchung zu denen der Physik in umgekehrtem Ver- hältnifs angibt (s.E 1 p.1026a 13) wie das Wort Metaphysik (uer« r« purıza), wenn wir es nach üblicher Bedeutung (!) als das auf die Physik folgende fassen. Sollte etwa Theophrastus durch diese Benennung der Physik die Priorität haben zueignen und die Untersuchungen der Aristotelischen ersten Philosophie als solche bezeichnen wollen, deren Grund in der Naturlehre gelegt werden müsse? Wohl entspricht eine solche Annahme derjenigen Eigenthümlichkeit der Theophrastischen Lehre, wodurch sie sich vorzugs- \ \ \ \ , > \ ‚ IN «N \ TO Fr () za Mer ra& Burıza (eriygaperaı), ersıöy mgoTEgoV ÖLRAEYTEIS megt av Purızav ev FaUrN m ’ , \ m a, Gun! [1 / = ». \ ’ N TOR YARTELE Öterkyeran mege Fmv TErnV. te Frv raw oUv EARYE THV TEOTNYogav. Asclep. . A \ \ \ | ’ m B > , 7 \ e m prooem. ın l.A. rv za Mere ra Burma eriygacheı rw en ragsı [HET exeivyw Sivor MOOS MARS. Alex. prooem. in 1. B. 64 Branpvıs weise von der Aristotelischen unterschied; auch kommt unter gleicher Über- schrift ein in diesem Sinn abgefafstes und jenem Schüler des Aristoteles bei- gelegtes Bruchstück vor, das jedoch nur Nikolaus, ohne Zweifel der Damas- kener, nicht Andronikus oder Hermippus, angeführt hatte (s. d. Nachschrift in m. Ausg. S.323): aber wenn es auch für Theophrastisch gelten darf, wie ich sehr geneigt bin anzunehmen, folgt daraus schon dafs Theophrastus selber es so überschrieben? Nikolaus freilich scheint dieses wie das Aristotelische Werk bereits unter jenem Titel aufgeführt zu haben. Doch war für letzteres die Bezeichnung in der frühern Zeit keinesweges die ausschliefslich übliche; viel- mehr hatten es einige Kritiker ohngleich richtiger erste Philosophie (4 vgwrn Bırcropie), andere Theologie oder Theologik (4 Seeroyia oder Secroyıry), beide auf die Aristoteliche Stelle E 1 (vgl. K 7) sich beziehend, andere erste Weisheit, mit Berufung auf T3 (p.1005 2 1), noch andere Weisheit über- schrieben (repia), angeblich mit Bezug auf eine Stelle der Analytik (!) (s. Alexander in der Einleit. zu Buch B, ausführlicher Asclepius zu Buch A). Von den bekannten drei Verzeichnissen der Aristotelischen Bücher werden die metaphysischen als solche nur in einem, und noch dazu in der ungriechischen Form, angeführt (Merapurıza # Anon. Menag.), woraus je- doch nicht nur nicht Zweifel gegen ihre Ächtheit, sondern auch nicht einmal gegen das Alter der Überschrift hergenommen werden dürfen: denn dafs Diogenes von Laerte und der Ungenannte höchst fahrlässig ihre Verzeich- nisse zusammengetragen oder vielmehr die Büchertitel sehr nachlässig aus älteren, hoffentlich besseren Verzeichnissen ausgeschrieben, ist durchweg klar. Aufserdem geben sie hin und wieder die Überschriften einzelner Auf- sätze, die theils von Aristoteles selber theils von spätern Kritikern zu Wer- ken verbunden zu sein scheinen. Man hat daher wohl nicht ohne Grund vermuthet dafs mehre metaphysische Bücher unter besonderen Bezeichnun- gen sich in jenen Verzeichnissen wiederfinden (s. Sam. Petiti Miscell. IV 9, Buhle de libris Aristot. deperditis in Commentatt. Gottng. XV p.104 sqgq., vgl. Fülleborns Beiträge V S. 204 ff.); nur ist man in den aus dieser Annahme entwickelten Vermuthungen nicht eben glücklich gewesen und hat 1 Mn 2 5 ’ ER} 5 ws 3 ‚5 Veeler. 3 j 3 r (') ... Tere Yagıv eime vodiav. anercı vor zur Ev ah Amodsirizfh dnsw “us gionren jaoı Ev TORS BEP, ‚ 4 > ya\, \ > N} > Es ’ > ı Sl, megı nodias Aoyas” (?)" % yap avamodsızras agy,ais Ygwıszvy erisyam Focdia Esiv. Asclep- a. d. angef. St. über die dristotelische Metaphysik. 65 für Theile unserer Metaphysik auch solche Einzelbücher genommen, die nachweislich durchaus verschiedenen Inhalts waren, So sind namentlich die Bücher von der Philosophie oder vom Guten (Fegl dircrebias y Diog. L. 8’ Anon. et cod. Reg. Diog. L. — regt @yaS3 (1. ray.) y Diog. L. « Anon.) und von den Ideen (regt 775 ideas a, de ideis num existant necene? lıb. III. Ind. 4rab.) keinesweges die zunächst metaphysischen Bücher (IIH. VI. VII. XH. XII. XTII.), wie Buhle annimmt, sondern verlorene, und zwar historisch kriti- schen Inhalts (s. m. diatribe de libris Arist. deperditis Bonnae 1823), das Buch megi ray Evayrıwv D. L., de contrarüs Ind. Arab. nicht I der Metaphysik, son- dern die in ihr angeführte &xAcyn oder aipenis ray Evavriwv (s. unten); Titel wie megi Emısyuav (Diog. L. und Anon.) oder ür:g £rısnuns (Diog. L.) zu allgemein, um Petitus oder Buhles Vermuthung, sie seien im Buch T oder « und K der Metaphysik enthalten, zu rechtfertigen, zumal der Inhalt dieser Bücher jenem Titel wenig entspricht. Mit besserem Grunde läfst sich an- nehmen, die &vsareıs megi TÜV mOTay,&s Asyousvav (Anon.) seien im Buch A ent- halten: ob aber unter den &iwigereis oder daperizcv (Diog. L.) dasselbe Buch zu verstehen, läfst sich nicht entscheiden. Auch das Buch #egi 73 r.elv 7 re- rovSevaı (Diog. L.) ist, wenn auch nicht identisch mit den erhaltenen #egi Devesews zal BSegas, gewifs nicht mit Buhle auf das VII und VII der Meta- physik zu beziehen (vgl. Trendelenburg de Aristot. Categorüs p. 15.) Die hier berührte Untersuchung ist aufserdem von untergeordneter Wichtigkeit, die Hauptsache auszumitteln ob und wie weit die gegenwär- tige Metaphysik als Ein Werk vom Verfasser angelegt, wie weit von ihm selber durchgeführt, und ob der Verfasser denn mit Grund für Aristoteles zu halten? Die Ächtheit einzelner Bücher, wie grofs und klein Alpha, ward schon von alten Kritikern bezweifelt, und ersteres von einigen für ein Werk des Pasikles, eines Neffen des Eudemus, gehalten (!). Von weiter greifenden Zweifeln gibt Zeugnifs die Erzählung, Aristoteles habe die Metaphysik sei- nem Schüler Eudemus gesendet, dieser es nicht für angemessen gehalten \ BD] Dj 5 E} m ” \ ’ m m 4 93 7 (') To neeov "Arbe ... ou barıv sivaı auroü, aAAa IacızAcovs roU viod Boy>ov roü döerboV u, mc ed > m > E72 x > Q, . l . E ’ e war >‘ = \ Evornov TOoU ETCUZOU RUTOU’ 0VR Er de GAYTES. Asc ep- prooem. ın I: A. GAUVRTFEIATTEL YIARS EWETR > Er 12 ’ mw 5 x # c x n B C , . . 7 ev rw fsıgovi A in Teva yErdtcı oUV zu TaUTN ol To Bıßrtov voSsvovrss Syrian in l.B 2 p.997 1. ‚ R 5 K2l4s 1. e NER ine WER Bi ’ een 4. Fo eAcrrov @ ww Mera r. ®. &sı mer "Adısorehous, Ove a FA Acgeı zur rn Teugige TERM- o > x e Ms . ’ ” . . arTeı, cÜ nv örczangor. Alex. prooem. inl.«. Ahnliches bei Asclepius. Philos.- histor. Abhandl. 1834. I 5 66 Brasoıs sie, wie sie beschaffen gewesen, bekannt zu machen. Nach seinem Tode hätten dann Spätere (ei HEr@yevesepot), nicht wagend von dem Ihrigen hinzu- zufügen, das Fehlende aus andern Büchern des Aristoteles ergänzt (Ascle- pius in d. Einleit., vgl. m. Abhandl. im Rhein. Mus. IT S.242). Auch ist die letzte Hälfte des Buches K so augenscheinlich aus der Physik entlehnt, der dieses Stück als integrirender Theil angehört, dafs in Bezug darauf jene Annahme in so weit den höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit hat, dafs dem Aristoteles selber ohnmöglich zuzutrauen ist, er habe lange Stücke wörtlich aus einem Buch in ein anderes hinübergenommen. Aber allein auf dieses eine und ein zweites Beispiel (Buch M 4f., vgl. mit A 9) möchte sich denn auch jene Annahme stützen können; und erwägen wir das Buch K, worin sich jenes erstere findet, näher, so ergibt sichs eben als ein solches, das augenscheinlich von den meisten übrigen abgelöst ein für sich beste- hendes Ganzes ausmacht und dem Zweifel Raum läfst, ob es überhaupt dem Aristoteles selber gehören möchte. In ihm wird nämlich in kurzer Über- sicht vorgetragen, was die Bücher B I’ E ausführlich entwickeln. Doch kom- men nicht ganz unerhebliche Abweichungen von jenen ausführlichen Erör- terungen hin und wieder in ihm vor, so dafs es mehr einem vorläufigen Ent- wurfe oder einer Skizze als einem blofsen Auszuge gleicht; aber einem un- vollendeten Entwurfe, der dann auf unbegreifliche Weise, und schwerlich durch einen Schüler des Aristoteles, auf die vorher erwähnte Weise ergänzt oder vielmehr ausgedehnt ward. Betrachten wir nun zuerst den in diesem Buche {K) enthaltenen Grund- rifs eines Theils der Aristotelischen Metaphysik oder ersten Philosophie etwas näher. “Dafs die Weisheit eine Wissenschaft um die Prineipien, be- ginnt das Buch, ist offenbar aus den ersten (Reden, oder was man sonst hin- zuverstehen will), worin die Zweifel über das von andern über die Princi- pien Gesagte erörtert sind.” Der Verfasser knüpft also an die Untersuchun- gen des ersten Buches an: denn in ihm soll gezeigt werden dafs alle frü- here Philosophen den einen oder andern oder mehre der vier Aristotelischen Gründe näher zu bestimmen gesucht. Es folgen darauf die im Buch B wei- ter ausgeführten Zweifel, oder vielmehr antinomisch behandelten Fragen: ob die Weisheit eine einige Wissenschaft oder eine mehrfache; ob eine oder mehre die Prineipien der Beweisführung (@roderrızal dei) nachzuwei- sen; ob Eine Wissenschaft von allen Wesenheiten, ob allein von den We- über die Aristotelische Metaphysik. 67 senheiten oder zugleich von ihren Beziehungen, ob von sinnlich wahrnehm- baren Wesenheiten oder andern, wie die Ideen und das Mathematische, und welche Wissenschaft vom Stoffe des Mathematischen zu handeln habe? Ob die Principien der fraglichen Wissenschaft als Allgemeines oder als die ein- fachen Elemente zu setzen, und wenn ersteres, ob als höchste Gattungsbe- griffe, wie Sein und Eins, oder als Artbegriffe? wenn als das Einzelne, ob es Wesenheiten gebe aufser den sinnlich wahrnehmbaren, und wenn so, aufser welchen? wenn nicht, ob der Stoff oder die Form als das gesuchte Prineip zu betrachten? Gäbe es eine ewige abtrennbare Substanz, ob sie dann Princip aller Dinge, der ewigen wie der vergänglichen, oder eine be- sondere je der einen und anderen? Sollte man aber wiederum geneigt sein das Sein und das Eins dafür zu halten, wie diese als für sich bestehende abtrennbare Wesenheiten zu betrachten? möge man aus der Einheit und dem Stoffe die Zahlen als Principe ableiten, oder Linien und Flächen auch als Principe betrachten. Wie überhaupt das Princip als Wesenheit zu set- zen, da diese ein concretes (rede rı) nicht Allgemeines bezeichne, auf letz- teres aber eben wie auf das Besondere die Wissenschaft sich beziehe. Ob es nichts aufser dem Inbegriff von Stoff und Form (73 suverev) gebe, und wenn so, wie ein solches, d.h. die Form, für jegliches als ein abtrennba- res zu betrachten? Ob die Principien der Zahl oder der Art nach diesel- ben? (e.1.2.) In Buch B werden solche Aporien gleichfalls, und noch unmittelba- rer, an die Ergebnisse des ersten Buches angeknüpft (!), und zugleich über Zweck und Bedeutung der Aporien kurze Betrachtungen angestellt, dann die Zweifel selber vorläufig angegeben und vom zweiten Capitel an ausführ- lich entwickelt. Gleich für die erste Aporie wird B2 angeführt dafs die verschiedenen Gründe nicht auf jegliches Seiende Anwendung litten, was K 11.34 mit dem Zweifel an die Erkennbarkeit der Beziehungen sehr un- passend verknüpft ist; in Bezug auf die zweite gezweifelt ob es überhaupt eine Wissenschaft von den Principien der Beweisführung geben könne (p. 997 a2); zu der dritten (p.997a 15) bemerkt dafs, wenn Eine Wissenschaft alle Wesenheiten umfafste, dann auch alles an sich ihnen zukommende (svufe- (') Bi. Anf., vgl. p.995a 5: &v reis mehgammestrorS. c.2 p.9965 8: &x 1 oUv rau marc Swgerwevuw. ib. p.997 5 4: Zu reis mewros Aoyas. vgl. A 2.9. 10 68 Braxpvıs Anrora zuS’ are, vgl. Bi p.9952 20, ein Begriff, der im Buch K fehlt). Dagegen wird in Buch K ein Argument gegen die Annahme von Ideen und eines Mittlern bestimmter auseinander gesetzt als in Buch B (s. p. 10595 5, vgl. mit p.9972 24) und die Frage nach der Wissenschaft vom Stoff der ma- thematischen Dinge in Buch K hinzugefügt (p. 10595 14). Bei der Frage ob die Prineipien für das Allgemeine oder für die Bestandtheile zu halten, werden, abgesehen von der weiteren Ausführung im Einzelnen, in Buch B zugleich die Definitionen berücksichtigt (c.3 p.9985 4). Der Zweifel ob Wesenheiten aufser den sinnlich wahrnehmbaren vorauszusetzen, ist in un- serem Buche (K) weiter entwickelt (c.2 p. 1060a 13, vgl. B4p.999a 34), so wie in Buch B der Grund bestimmter angegeben, warum die Wissenschaft sich nicht auf Erkenntnifs des Einzelnen sinnlich wahrnehmbaren beschrän- ken könne (ec. 4 in.). Wogegen in jenem Buche der Übergang zu der Un- tersuchung, ob etwa der nicht abtrennbare ewige Stoff für das gesuchte Princip zu halten, bestimmter hervortritt (c.2 p.1060a 19, vgl. B4 p.9995 12). In Buch B aber sind die Gründe für und wider die Form sehr viel mehr entwickelt, und unmittelbar daran wird die Untersuchung geknüpft ob die Principien der Zahl oder Art nach Eins seien (s. a.a.O. 1.15 ff. 24 ff), darauf erst die andere, und zwar hier sehr viel bündiger historisch - kritisch ausgeführte Frage erörtert, ob ein und dieselben Prineipien für Vergängliches und Unvergängliches zu setzen (c.4 p.1000a 5, vgl. K2 p.1060a 27). Die Frage ob das Sein und das Eins als die allgemeinsten Begriffe für die wahre Wesenheit zu halten, ist in Buch B nicht nur sehr viel ausführlicher, son- dern auch ohngleich geordneter behandelt; in Buch K, wie man es von einem früheren Entwurfe erwartet (c.4 p.1001a 4, vgl. K2 p.1060a 36, vgl. ferner c.5 p.1002a 30 mit p. 1060218). Endlich in Buch B6 wird zum Schlusse gefragt warum man überhaupt aufser dem Sinnlich wahrnehmba- ren und dem Mathematischen noch anderes, wie die Ideen, als wirklich setze, und ob die Principien dem Vermögen nach (dvvancı), oder wie sonst vorhan- den seien? in Buch K (p. 10602 23) dagegen, wie die Wissenschaft zugleich sich auf das Allgemeine und die Wesenheit beziehe, und ob überhaupt ein Seiendes aufser dem Zusammen von Stoff und Form anzunehmen? so dafs letzteres Buch einen Begriff, den des Vermögens, gänzlich unberührt läfst, der in der ersten Philosophie des Aristoteles von gröfster Bedeutung ist, er- steres ihn freilich auch nur berührt. über die Aristotelische Metaphysik. 69 Auf diese antinomische Erörterung der Hauptprobleme der ersten Philosophie folgt in dem kurzen (K) wie in dem ausführlichen Entwurf (T und E) die positive Bestimmung des Begriffs einer Wissenschaft vom Sein als solchem; in jenem aber, wie es einem ersten oder vorläufigen Ent- wurfe angemessen, in allgemeinen Umrissen, die in dem andern nicht nur weiter entwickelt sondern auch häufig näher bestimmt werden. So begnügt sich jener (c.3) die gesuchte Wissenschaft als Wissenschaft vom Sein im All- gemeinen zu bezeichnen, wogegen der andere (c. 1) sie als Wissenschaft vom Seienden, sofern es ein Seiendes ist, und demnach was ihm an sich zukommt (Uragyovra zaS° aüro), beschreibt, und hinzufügt dafs keine der anderen Wis- senschaften das Sein als Solches zum Object habe. Ebenso verhält sichs mit der darauf folgenden Beweisführung, dafs das Sein, obgleich nicht ein eini- ges und einfaches, sich auf ein Gemeinsames beziehe. In Buch I (c. 2) wird nämlich die Beziehung des Seins auf ein einiges Prineip, in Rücksicht auf Substanzen, ihre Modificationen (r«S»), Werden und Vergehen, selbst auf das sogenannte Nichtseiende, nachgewiesen, und zugleich angedeutet dafs die Substanz allen Weisen des Seins zu Grunde liege, von ihr daher der Philo- soph zu handeln habe; zugleich festgestellt dafs Sein und Eins in dieser Be- ziehung zusammenfalle, und dadurch der Übergang auf Ableitung der Gegen- sätze (rdvrızeiueva) aus dem Begriff des Sein oder Eins und die Annahme vermittelt, dafs es wie verschiedene Wesenheiten, so auch verschiedene Theile der Philosophie gebe (c.2 p.100355); in unserem Buche (K) statt dessen weniger bestimmt und durchgreifend, mit Auslassung der Substanz, nur Modification (r«Sos), Beschaffenheit (2£15) oder Lage (di«Seris) oder Be- wegung oder etwas dergleichen (1 ruv aMuv rı rav raisruv) angeführt (c. 3 p-1061a 8), und dann erinnert dafs die Wissenschaft vom Sein auch die Ge- gensätze (evavrıy'reıs) nachzuweisen habe. Dafs ein und dieselbe Wissenschaft vom Sein als solchem und den gegensätzlichen Bestimmungen handeln könne, wird in Buch K (a. a. O.1.28) durch das Beispiel des Mathematikers, in Buch T (c.2 p.1004a 7) aufserdem kürzer und bündiger durch die arithmeti- sche Betrachtung der Zahl und ihrer Eigenschaften veranschaulicht, und da- bei erinnert (p.1005«a 11) dafs der Geometer die Begriffe des Entgegenge- setzten, Vollendeten, Sein und Eins, Einerleiheit und Verschiedenheit nur hypothetisch zu bestimmen habe; zugleich ist auch bestimmter ausgesprochen (p.1005a 13) als in Buch K, dafs auf die Weise der Zweifel gelöst sei, wie ein 70 Branpviıs und dieselbe Wissenschaft von dem Sein als solchem und was ihm an sich zukomme, oder von den Wesenheiten und ihren Bestimmungen (ray ürag- xevrwv) handeln könne. Der zweite Hauptzweifel, der sich auf die Principe der Beweisführung (ra &v reis uasyuarı zarzueva afıwuara oder ai ruroyısıral @gya T c.3) bezog, wird im kurzen Entwurf durch die Anführung erledigt dafs Mathematik und Physik, sich jener Principien bedienend, vom Sein nur in bestimmten Beziehungen handelten, in der ausführlichen Abhandlung da- gegen gezeigt dafs die Axiome sich auf alles Seiende beziehen, von ihnen daher die Wissenschaft vom Sein als Sein, nicht die Wissenschaft einer be- sonderen Art des Seins, wie Physik, zu handeln habe, da eine solche die Gültigkeit jener Principien immer schon voraussetzen müsse (T' 3, K4). Das nunmehr folgende erste Hauptstück der ersten Philosophie beginnt mit einer Deduction des Prineips vom Widerspruch, welches in dem kurzen Entwurf blofs als ein solches bezeichnet wird, in Bezug worauf keine Täuschung statt finde (K 5), in der ausführlichen Abhandlung zugleich als das erkennbarste (agree), auf keiner Voraussetzung beruhende Princip aller übrigen Axiome (dvuroSsros), dessen Kenntnifs an Anerkennung eben darum aller andern Erkenntnifs und aller Beweisführung zu Grunde liege (T 3 p. 1005 5 12), und für dessen Gültigkeit keine directe, aus höherem Princip ableitende, sondern nur widerlegende (&reyrızas) Beweisführung statt finden könne (T 4 p- 1006a 5). Letzteres findet sich zwar auch in jenem Entwurf angegeben, aber in weniger bestimmten Ausdrücken (K 5 p.1062a 2: ürrös utv x Erw dro- ösıkıs, mgös Tevde 0’ Ei) und ohne Berufung auf die Ohnmöglichkeit die Be- weise ins Unendliche hin zu verfolgen. Dagegen wird hier für den überfüh- renden Erweis die Anweisung gegeben, in ihm jenem Princip durch Umset- zung in andere Formen Anwendung zu verschaffen. Beide Bücher gehen dann davon aus, der Gegner müsse mindestens zugeben dafs die Worte als Mittel der Verständigung eine Bedeutung, oder (wie es T’4 p.1006 5 2 ge- nauer ausgedrückt ist) bestimmte, nicht blofs beziehungsweise (ib. d 15) wenn auch mehre Bedeutungen für den Redenden selber und für Andere haben müfsten und damit contradictorisch entgegengesetzte Aussagen nicht zugleich bestehen könnten. Darin liegt denn, wie in diesem Buche gleichfalls hin- zugefügt wird, zugleich die Anerkennung dafs es ein Wahres für uns ohne Beweisführung gebe, was man, directen Beweis für den Grundsatz vom Wi- derspruch fordernd, nicht hatte zugeben wollen. Der kürzere Entwurf sucht über die Aristotelische Metaphysik. 7a gleichfalls zu zeigen dafs in der Anerkennung bestimmter Bedeutungen der Worte die Anerkennung des fraglichen Princips schon liege, mischt aber mifslicher Weise den Begriff des Nothwendigen ein (a.a. ©. p.1062a 20), und geht dann sogleich zur Anwendung dieser Erörterung auf die Lehren des He- raklitus und Protagoras über, ohne, wie das dritte Buch, hervorzuheben dafs die die Gültigkeit jenes Princips läugnen, den Begrifl! der Wesenheit aufheben, alle Dinge in blofse Beziehungen (id. p. 1007 a 20) und in ein un- unterscheidbares Eins oder Nichtseiendes auflösen (16. 5 18), nicht aber in Wahrheit so dafür zu halten, durch ihre Handlungen zu erkennen geben (p-1008 2 12). Doch bemerkt der kürzere Entwurf in Bezug auf Herakliti- sche Lehre, was der andere allgemeiner fafst, dafs die Behauptung der Un- gültigkeit des Princips zugleich sich selber widerlege (K 5 p. 1062a 36, vgl. T 4 p.1008a 28). Die Nichtanerkennung des Princips, wie sie sich aus der An- nahme des Protagoras und Anderer entwickelt hatte, dafs alle Erscheinung wahr, diese aber von verschiedenen zu verschiedenen Zeiten aufgefafst Ent- gegengesetztes zeige, ist in beiden Büchern in ähnlicher Weise zurückgewie- sen, jedoch in Buch T ohngleich ausführlicher und eindringlicher, und dabei mehr die dialektisch sophistische Folgerung beleuchtet, Sein und Nichtsein müsse zugleich sein (T5, K6). Doch auch hier finden sich Abweichungen in dem kürzeren Entwurf von dem andern, die nicht vorkommen könnten, wäre er blofser Auszug (s. namentlich c. 6 p. 10622 27); zu geschweigen dafs der Auszug ein sehr dürftiger sein müfste, da bedeutende Momente der Ent- wickelung gänzlich unbeachtet geblieben sind. In beiden Entwürfen folgt eine Deduction des sogenannten Princips vom ausgeschlossenen Dritten, aber in dem ausführlichen von vorn herein ohngleich bestimmter gefafst (!). Im Eingange zum zweiten Abschnitt der ersten Philosophie wird diese Disciplin als Wissenschaft vom Sein als solchem in ihrem Unterschiede von der Physik und Mathematik näher bestimmt, die mit ihr zusammengenom- men als die nach den verschiedenen Objecten der Erkenninifs sich sondern- den theoretischen Wissenschaften von den practischen und poietischen Be- a Er} ‚ > ’ > nt s N) N ‚ A ’ A Gare N j &de nera£V dvrıpaseug Zvdeygrar ever &Iev AAN avayar 7% bavcan amohavaı ev 20T Evog S € E YyAarNY 1 ee - e ! 3 .o\ FR FE‘ ’ um! er m oa de N {! 2 2 orıev T7 zu Anf. OMOLWG ö EOE TV avec METOV ErTEV 010V TE HATT YogEısTaı AUT EVOS ARTE AUTE | 1Y° K 6 p. 1063 19. 72 BraAanoıs strebungen unterschieden werden. Auch hier enthält die ausführlichere Ab- handlung (Buch E), aufser weiteren Erörterungen, nähere Bestimmungen, die im Abrisse (K) noch fehlen. Namentlich wird dort die zuletzt berührte Dreitheilung auf das vermittelnde Denken (ötavcı«) als ihren Grund zurück- geführt, in dem kurzen Entwurf das Prineip der poietischen und practischen Thätigkeit allgemein Bewegung genannt (kivnsıs K 7 p-1064a 12), in der Aus- führung (E 1 p. 10252 22) das Princip der künstlerischen als Intelligenz oder Kunst oder Vermögen, das der practischen als Wahl (rge«igeris) bezeichnet. Die Untersuchungen über das Sein als solches werden durch synony- mische Bestimmungen eingeleitet und vier Arten des Seins unterschieden, das beziehungsweise Seiende (78 zera suußeßnxos), das der Verknüpfung oder dem vermittelnden Denken angehörige, das davon unabhängige, in den Ka- tegorien ausgedrückte, das dem Vermögen oder der Kraftthätigkeit nach be- trachtete. Das beziehungsweise Seiende wird, weil zufällig, daher nicht Gegenstand der Wissenschaft, von der folgenden Betrachtung ausgeschlos- sen, jedoch der Begriff des Bezüglichen oder Zufälligen gerechtfertigt, und zwar in Buch K (c. 8) ausführlich genug, aber ohne Andeutung des Prin- cips, worauf es zurückzuführen, welches dagegen in Buch E (2 p.1027a 13) vorläufig als Stoff und zugleich als solches bezeichnet wird, das dem Gebiet des Werdens und Vergehens angehöre ohne selber zu werden oder zu ver- gehen (c. 3), die letzte Entscheidung aber, ob der zureichende Grund in der That für den Stoff oder für die bewegende oder für die End-Ursache zu halten, der ferneren Untersuchung vorbehalten (ebenda z.E.). Mit der Erinnerung dafs auch das Sein, welches auf Wahrheit und Unwahrheit d. h. auf das Urtheil bezüglich dem vermittelnden Denken angehöre (&v suuricry 775 diavoias nal ma&Ics aüras), nicht Gegenstand der auf das abtrennbare, vom Denken oder unserer Auffassung unabhängige Sein gerichteten Wissenschaft sein könne, bricht der kurze Entwurf ab, und ist auf räthselhafte Weise von späterer Hand durch Erörterung über den Zu- fall, über Vermögen und Kraftthätigkeit, über das Unendliche, die Verän- derung und Bewegung aus der Physik ergänzt worden. Warum nicht lieber durch Auszüge aus den folgenden Büchern der Metaphysik, ist mir wenig- stens schlechthin unbegreiflich; so viel aber im höchsten Grade wahrschein- lich, wenn nicht mehr als wahrscheinlich, dafs dieser Entwurf, soweit er der Metaphysik angehört, nicht für einen Auszug aus den ausführlichern in über die Aristotelische Metaphysik. 13 den Büchern BT und E enthaltenen Untersuchungen, und ebenso wenig für das Werk eines andern Peripatetikers, sondern vielmehr für Aristoteles eigene erste Anlage jener Untersuchung zu halten. Dafs nicht für einen Aus- zug, ist durch die im Vorigen hervorgehobenen Hauptpunkte der Verglei- chung erwiesen; dafs nicht für die Arbeit eines andern Peripatetikers, er- gibt sich theils aus der grofsen Übereinstimmung beider Abhandlungen, in denen sich auch nicht eine einzige Verschiedenheit in Ausdruck und Begriffs- bestimmung findet, die berechtigte verschiedene Verfasser anzunehmen; theils daraus, dafs angenommen, Buch K gehörte einem späteren Verfasser, es unbegreiflich wäre wie das in den andern Büchern bestimmter und ent- schiedener Entwickelte unbestimmter und unentschiedener in der Nachbil- dung hätte gefafst werden können. So aber findet sich’s nicht selten, wie wir gesehen, und zwar immer in einer Weise, die einen ersten weitere Aus- führung vorbehaltenden Entwurf beurkundet, zugleich aber Zeugnifs gibt von der Sicherheit, mit der Aristoteles Meisterhand auch schon die ersten Umrisse in allen Hauptzügen zu ziehen wufste. Kaum möchte die Ausführlichkeit, mit der von diesem einen Buche der Metaphysik gehandelt ist, zu rechtfertigen sein, gewährte sie nicht Auf- schlüsse über Anlage und Construction des ganzen Werkes. Zuerst nämlich hat sich uns ergeben dafs beide Abhandlungen, die kürzere wie die län- gere, auf das erste Buch als Einleitung in die metaphysischen Untersuchun- gen sich beziehen, Aristoteles also sich vorgesetzt hatte, nach vorläufiger Entwickelung des Begriffs von Philosophie oder vielmehr Weisheit (A c. 1 u. 2), seine Viertheilung der Ursachen zu rechtfertigen, und historisch kritisch aus- zumitteln wie weit sie in früherer philosophischer Forschung berücksich- tigt und richtig gefafst, bevor er es unternahm von ihr — nicht vom Stand- punkte des Physikers, sofern sie sich auf die Veränderung oder die Natur, sondern sofern sie sich auf das Sein an sich beziehe — zu handeln. Erst dadurch konnte die Untersuchung der Physik zum Abschlusse gelangen und das Verhältnifs jener verschiedenen Gründe zu einander näher bestimmt wer- den. Diese historisch kritische Grundlegung der metaphysischen Untersu- chungen mufste in Bezug auf die Gegenstände mit der Einleitung in die Physik, im ersten Buche derselben, mannichfach übereinkommen; doch halte ich mich versichert dafs eine eindringliche Vergleichung, die hier als zu weit führend beseitigt werden mufs, den Aristoteles gegen den Verdacht Philos.- histor. Abhandl. 1834. K 74 Branpviıs sich zu wiederholen rechtfertigen und zeigen würde, wie Angabe und Prü- fung der früheren Philosopheme im ersten Buche der Metaphysik durch ih- ren Zweck entschieden bedingt wird. Ob aber dieses Buch als abgeschlos- sen oder vollendet zu betrachten? Der Schlufs wenigstens fehlt nicht, und verlangt man nicht künstlerisch vollendete Composition, so weifs ich nicht was man vermissen könnte. Wie es sich mit der Kritik der Platonischen Ideenlehre verhalten möge, die dem ersten mit dem vorletzten Buche ge- mein ist, lassen wir vor der Hand unerörtert. Enthält aber das erste Buch (A) die gleich bei der Anlage der Unter- suchungen der ersten Philosophie beabsichtigte Einleitung, wie auch der Ausleger Alexander dafür hielt (1), so kann nicht wohl das zweite («') in gleicher Absicht geschrieben sein. Wenigstens ist es weder als früherer noch als späterer Entwurf zu betrachten, enthält vielmehr drei Bruchstücke von Betrachtungen über Schwierigkeit und Leichtigkeit der Erkenntnifs der Wahrheit, über die Nothwendigkeit ein letztes Princip anzunehmen und 3. Diese soll nur in Be- 8 zug auf stofflose Objecte gefordert werden können, nicht in der Physik. über die Ansprüche an Strenge der Beweisführun “Daher, so schliefst das Büchelchen, mufs zuerst erwogen werden was die Natur sei: denn so wırd auch offenbar sein von welchen Gegenständen die Physik handele, und ob es einer oder mehreren Wissenschaften zukomme die Ursachen und Prineipien zu betrachten.” Das letzte Bruchstück also gibt sich als Einleitung nicht sowohl in metaphysische als in physische Un- tersuchung zu erkennen (?). Wie aber die beiden ersten Hauptstücke mit diesem und das zweite mit den beiden übrigen zusammenhange, ist nicht leicht einzusehen; und sei auch die Betrachtung ihrem Gehalt nach Aristo- telisch, die Sprache scheint mir einen etwas fremden Anstrich zu haben. Dazu kommen die durch die geflissentliche Vertheidigung des Alexander und Asklepius (s. oben) wenigstens angedeuteten Zweifel alter Kritiker, die in (!) ora Ev rag A sionren, mooAEyolsEvce av ein alrgs (vis moozeNEunS TeRyucrEICS) za eis rrv Moorarasrar FurrsAodvrae® dio Fırıv edo&e 776 Mera ra Buriza moryuareias roVro (ro B) eivanı 75 mewrov Alex. prooem. in 1. B. (?) Das gibt auch Alexander zu: örov dt warm Em ru reresı aüro) (roü «), ou dogs roüro er TaUrns eivaı 775 FUVrazewg, AIG TS buri2ns mowyareices mgootA0V Ti, obgleich er im Übrigen dieses Buch den metaphysischen einzureihen, mit unzureichenden Gründen, eifrig bemüht ist. über die Aristotelische Metaphysik. 75 Bezug auf dieses Buch ebenso erheblich wie gegen Buch A oder B gerichtet nichtig sein möchten. Für die Ächtheit des letzteren, die von alten Kriti- kern noch nicht in Anspruch genommen zu sein scheint, so wie für die Zu- sammengehörigkeit desselben mit den übrigen Hauptbüchern der Metaphy- sik, spricht augenscheinlich die Art und Weise des Aristoteles schwierige Untersuchungen durch ähnliche Aporien einzuleiten, spricht Form und In- halt und vor Allem durchgängige Rückweisung jener anderen metaphysischen Bücher darauf, nicht sowohl die ausdrückliche, die bei einer Überarbeitung hinzugefügt sein könnte, als die in der Führung der Untersuchung selber sich zeigende. Zwar gibt Aristoteleles nicht von Punkt zu Punkt der Unter- suchung an, welcher der Zweifel dadurch seine Erledigung erhalte, für welche der einander entgegengesetzten Annahmen sie sich entscheide; aber hin und wieder geschieht es ausdrücklich (z.B. T 2 p.1004a 32), und in an- dern Fällen läfst sich zeigen dafs die Untersuchungsweise durch Vorausset- zung jener Aporien bedingt wird. So erhält gleich der erste Zweifel, wie doch ein und dieselbe Wissenschaft von den vier Gründen handeln könne, da sie einander nicht entgegengesetzt seien, die Wissenschaft aber gegen- sätzlich aus ein und demselben Gattungsbegriffe abzuleiten habe, die vier Gründe aufserdem auf verschiedenen Gebieten ihre Anwendung fänden, seine Erledigung durch die Zurückführung der verschiedenen Gründe auf den Begriff der Wesenheit (T2, E1, 27 u. 8, H 1 zu Anf., A1u. 4 zu Anf.), der Gegensätze auf den Begriff des Seins (T'2, K 3). Die obersten Gegensätze aber werden zugleich als das was dem Sein an sich zukomme (ra üragy,evre) bezeichnet, und damit wird die Frage beantwortet ob ein und dieselbe Wis- senschaft die Wesenheit und was ihr an sich zukomme (r& suußeßyrora naS° «ura) zu erörtern habe (B 2 p.997a 20, T 2 zu Ende, vgl. E 1 zu Anf. r« »«9’ ara Ümagy,evra). Noch augenscheinlicher wird der auf Deduction der Axiome bezügliche Zweifel gelöst. Ebenso verhält sich’s mit allen die nähere Be- stimmung des Begriffs der Wesenheit betreffenden Schwierigkeiten, nur dafs ihre Lösung, der Natur der Sache nach, durch die ganze folgende Untersu- chung sich hindurchzieht. Daher denn auch alte Ausleger geneigt waren dieses für das erste Buch der eigentlichen Metaphysik, das oder die Bücher Alpha für einen blofsen Eingang zu halten (s. d. oben in einer Anmerkung aus Alexander entlehnte Anführung). K2 76 Bravpoıs So sollte also das Buch B eine zweite in die Untersuchung selber be- reits einführende Einleitung enthalten, und darauf zur Erledigung der er- sten darin entwickelten Schwierigkeiten der Begriff der ersten Philosophie, in ihrem Unterschiede von der Physik und Mathematik, näher bestimmt wer- den, und nachgewiesen dafs sie theils die Formalprineipien zu deduciren oder ihre Gültigkeit nachzuweisen, theils vom realen Sein als solchem, sofern es allem besondern Sein zu Grunde liege, zu handeln habe: so dafs die erste Philosophie selber in zwei Hauptstücke zerfallen mufste, die wir nach neue- rem Sprachgebrauch etwa als Abhandlung von den obersten Formal- und von den obersten Realprincipien bezeichnen könnten. Dafs Aristoteles die Aufgabe der ersten Abhandlung sehr bestimmt von der der Analytik son- derte, geht aus den hierher gehörigen Bestimmungen der Metaphysik ent- schieden hervor. In der That konnte auch, nach Aristotelischem Begriff, die Analytik ebenso wenig, wie jede andere besondere Wissenschaft, die Principien, auf denen sie beruht, zu deduciren unternehmen, mufste sich vielmehr begnügen die Formen ihrer Anwendung zunächst im Syllogismus aus ihnen selber abzuleiten oder vielmehr ihnen unterzuordnen. Leider aber besitzen wir von diesem ersten Theil der ersten Philosophie des Aristo- teles in beiden Entwürfen nur ein Bruchstück. Denn einer Äufserung der Aporien zufolge hätten die ursprünglichen und die abgeleiteten Principien der Beweisführung deducirt werden sollen (!): nun aber hält Aristoteles die beiden hier behandelten keinesweges für die ausschliefslichen, erwähnt viel- mehr sehr bestimmt das sogenannte Prinecip vom zureichenden Grunde, wenn nicht auch das der Identität (Anal. Pr.132 p.47a 8, Post. Il 17). Diese Lücke ist gewifs nicht der Nachlässigkeit der Abschreiber oder dem Zahn der Zeit beizumessen, sondern auf Aristoteles selber zurückzuführen: dafür bürgt, aufser dem völligen Mangel irgend hierher gehöriger Anführun- gen bei den Griechischen Auslegern oder andern alten Schriftstellern, die gänzliche Übereinstimmung beider Entwürfe in dieser Rücksicht. Die Lücke ist aber für uns um so empfindlicher, je mehr uns daran liegen müfste die Grundkeime der ganzen Aristotelischen Logik entfaltet zu sehen, da jetzt 3,088 .3 \ \ > 3% ’ ’ z e P4 N x (') B2p.997ad. si ös amodsızrızy megi aurwv Er, denzsi Tı yEvog Eiveen ÜMOHEiNMEVoV, 00 FE \ IQ \ 3% > ER ei 3 x Io \ > ) h. nv raSy va 0 aEwner” ara. Wozu Alexander: r& drodszrıza man as dvamodsizrevs BEER ; ER en zul GMETOUS Tgoraureis agwmere Asyeı. x über die Aristotelische Metaphysik. 77 nicht einmal völlig klar ist was er unter Affectionen (r«Sr) verstanden: ob die Modifieationen, die die Principien der Beweisführung in den besonderen Wissenschaften, wie in der Mathematik, bei der Anwendung erleiden? Schwerlich hielt er den Satz vom ausgeschlossenen Dritten für eine blofse Alfection des Grundsatzes vom Widerspruche. Einen ohngleich befriedigenderen Entwurf besitzen wir von dem zwei- ten Haupttheil der ersten Philosophie des Aristoteles, in den Büchern E bis © und A, aber doch auch nur einen bald mehr bald weniger ausgeführten Entwurf. Soweit die Grundlinien in Buch K reichen, haben wir ihn ver- folgt. Mit der Nachweisung dafs die vorliegende Wissenschaft nicht vom Sein der Wahrheit, d.h. vom Sein in der Verknüpfung und Trennung durchs Denken, zu handeln habe, und die Wahrheit nicht eine Bestimmung der Dinge an sich, das Wahre und Gute nicht identisch sei, schliefst das Buch E, verspricht aber am Schlusse auf die dem einfachen Sein zukommende Wahr- heit zurückzukommen (!), wie denn auch in Buch A geschieht. Das folgende Buch (Z) beginnt, ohne auf die beiden beseitigten Auflassungsweisen des Seins zurück oder auf das Sein des Vermögens und der Kraftthätigkeit vor- greifend einzugehen, den Begriff des Seins zu erörtern, sofern er in den Ka- tegorien ausgedrückt wird. Die Wesenheit ergibt sich leicht als die den übrigen zu Grunde liegende Seinsbestimmung: ob sie aber mit dem sinnlich wahrnehmbaren Objecte zusammenfalle und sich darauf beschränke, oder was sie davon sei, oder ob sie jenseits des sinnlich Wahrnehmbaren als Idee oder Mathematisches oder dergl. zu setzen, soll untersucht (c.2) und die Untersuchung durch Sonderung der verschiedenen Bedeutungen, in denen man sich des Worts Wesenheit zu bedienen pflege, eingeleitet werden, des Was (72 ri av eivaı) der Objecte, des Allgemeinen, des Geschlechts, des Trä- gers (rd Üroxeiuevov c.3), — augenscheinlich nur vorläufig hingestellte Gesichts- punkte, die durch Kritik der üblichen Annahmen über Wesenheit zu tieferer Untersuchung und schärferer Sonderung erst führen sollen, wie schon die Anfangsworte zeigen (?). Aristoteles wendet sich sogleich zu Erörterung derjenigen dieser Bedeutungen, die der geeignetste Leiter für eindringlichere Unterscheidung. \ ve 3 ERBE 305 > SR n \ ».,09! 4 N & Te EnrE zur ra ri sw 2Ö Ev ro Ötavolce (rd Veüdos zur 70 ar TE). Oree MEv Zu öst { \ { : 09 a E4 p.1027 8 27. =. RR, ger u Er n , n 8710, zı [an MAEOVRY US, AAN Ev FErTEOTE yE narısa. ZI zu Anf. Du En m o_ or ws o 78 Branpvıs Als Träger gefafst kann wiederum die Wesenheit für den Stoff oder die Form oder das Ineinander beider gehalten werden. Nach Beseitigung des Stoffs und eines solchen Ineinander, führt die Betrachtung der Form zu einer der andern Bedeutungen, dem Was (c.4 ff.), zurück, welches als die der Man- nichfaltigkeit der Eigenschaften und ihrem Wechsel zu Grunde liegende, mit dem wahren Begriff zusammenfallende, einfache und beharrliche concrete Wesenheit sich ergibt, und als solche von dem allgemeinen Begriff oder der Idee, der dritten und vierten der vorläufig gesonderten Bedeutungen, unter- schieden und gezeigt wird dafs jenes als Eigenschaft, die ins Unendliche hin wiederum allgemeinere Bestimmung voraussetze, und als jenseits der Objecte, nicht in ihm Seiendes, ohnmöglich für die inbaftende einfache Wesenheit selber gelten könne (c.6). Weder Stoff noch Form, wird zugegeben, könne schlechthin entstehen, und insoweit beides Ansprüche machen für die eigent- liche Wesenheit zu gelten; diese aber wird bei erneuerter Prüfung wiederum der Form zugeeignet, und letztere von der Idee auch darin unterschieden dafs sie das sich fortpflanzende und erzeugende sei, wogegen der Idee keine Zeu- gungskraft habe vindicirt werden können (ec. 8). Die dem ersten Blick nach den Zusammenhang der Untersuchung unterbrechende Frage, wie doch Eini- ges durch Kunst Erzeugte auch zufällig entstehen könne, anderes nicht (e. 9), ist wohl bestimmt den Unterschied der dem Stoffe als Kraft einwohnenden und in ihm wirkenden Form von der von aufsen wirkenden anzudeuten (vgl. ce. 7), würde jedoch schwerlich auf solche Weise eingefügt sein, wäre dieser Abhandlung vollendete Ausarbeitung zu Theil geworden. Wie ist aber die Form für den einfachen Träger zu halten, da in ihr sich wiederum ein Mannichfaltiges unterscheiden läfst? — mufste nothwendig gefragt werden. Bevor Aristoteles zu dieser Frage gelangt, wendet er sich zu der Definition als der Bezeichnung des Was (c. 10-12, vgl. c.5 u. 15), sondert von ihr die dem sinnlich wahrnehmbaren wie die dem intelligiblen Stoff angehörige Theil- vorstellung ab, und kommt so zu dem Begriff der reinen stofllosen Form als dem Objecte der Definition im strengsten Sinne des Worts, und damit zugleich zu der vorher angegebenen Frage (c.15 u. 17), durch einen Umweg, der im Aristotelischen Gedankengefüge tief begründet, aller Wahrschein- lichkeit nach auf fafslichere Weise von der Hauptuntersuchung abgelenkt und in sie wiederum eingelenkt haben würde, wäre es zu einer eigentlichen Ausarbeitung gekommen. Mangel an erleichternden Übergängen, keineswe- über die Aristotelische Metaphysik. 79 ges Mangel an innerer Stetigkeit der Gedankenentwickelung, verräth auch die Art wie Aristoteles hier zum dritten Male in diesem Buche auf Wider- legung der Ideenlehre zurückkommt (c. 13 folg.), hier um zu zeigen dafs die Idee, wie nicht für den wahren Träger, so auch nicht für den wahren Begriff der Dinge gelten könne. Ist aber das in der strengen Definition auszudrückende Was der Dinge ihre einfache unwandelbare Wesenheit, so auch sehr begreiflich der Versuch die Einheit oder den abstraeten Begriff als solchen zu hypostasiren; und hier dann die vierte Veranlassung sich zur Prüfung der Ideenlehre, wiederum von einem neuen Standpunkte aus, zu wenden (c.15u.16). Aristoteles mufs den einfachen Träger für ein von Innen heraus wirkendes Princip halten, dieses zwar gleich wie Plato jenseits der Welt des Sichtbaren in den Veränderungen suchen, nur aber als wirkende Ursache sie durchaus anders bestimmen, und sich den Weg zu dieser Bestim- mung durch endliche Verständigung über Stoff und Form bahnen. Daher beginnt Buch H, nach kurzer Wiedervergegenwärtigung des bis dahin zurück- gelegten Weges, mit der Erklärung von Stoff und Form, deren ersterer als das nur noch dem Vermögen nach wirkliche, letztere als das für sich beste- hende abtrennbare oder die Kraftthätigkeit bezeichnet, die Nothwendigkeit dieser Unterscheidung durch Berufung auf ältere Lehren, selbst der Atomi- ker (c.2), nachgewiesen und zugleich von neuem gezeigt wird dafs die einfache wesenhafte Form als ewige untrennbare Kraftthätigkeit, nicht als Zahlein- heit zu betrachten sei (c.3). Die Vereinigung der verschiedenen Merkmale oder Eigenschaften zur realen Einheit und die Verknüpfung von Form und Stoff wird dann auf den Übergang vom Vermögen zur Kraftthätigkeit zu- rückgeführt, als Bedingung dieses Übergangs angenommen dafs Form und Stoff, so lange sie noch nicht zur Kraftthätigkeit gelangt, als Ein und das- selbe zu setzen, und diese Annahme durch die Bemerkung veranschaulicht dafs ja auch für Leiden und Thätigsein ein und dasselbe Vermögen statt fin- den müsse (c.4-6). In weitere Erörterung der Begriffe Vermögen und Kraft- thätigkeit geht das folgende Buch (©) ein, und sucht zu zeigen dafs der Un- terschied ein realer sei, wenngleich zuzugeben, ein Vermögen könne nichts in sich begreifen was nicht kraftthätig sich äufsern würde (e. 1-4); dafs Bewegung für das vom Vermögen zur Kraftthätigkeit überleitende Prineip, und letztere für das Ewige und Nothwendige, dem Begriff und der Wesen- heit wie der Zeit nach frühere, in seiner Reinheit des Übels und Bösen un- 80 Braınpvıs theilhafte zu halten sei, ergriffen oder verfehlt, aber als schlechthin einfach nur beziehungsweise (zar« ruußeßnxes) in den Bereich des Irrthums gezogen werden könne, möge es im Allgemeinen als absolute Kraftthätigkeit oder im besondern als letzter Träger der Mannichfaltigkeit und Veränderlichkeit der Einzeldinge und -wesen gefafst werden (c. 6 ff.). Das letzte diesem Kreise der Untersuchungen angehörige Buch (A) nimmt sie nicht unmittelbar wieder auf wo das zuletzt betrachtete (©) sie abgebrochen, geht vielmehr zurück auf den Begriff der Wesenheit, ihrer Ursachen und Principien, unterscheidet eine veränderliche und eine unver- änderliche jedoch sinnlich wahrnehmbare bewegliche Wesenheit, und von beiden eine ewige unbewegliche (c. 1); in Bezug auf die sinnlich wahrnehm- bare veränderliche Wesenheit die Gegensätze, aus denen und innerhalb deren Veränderung sich entwickele, und den zu Grunde liegenden Stoff’; er- klärt wie jedem Werden ein Sein zu Grunde liegen müsse, ein Sein dem Ver- mögen nach, wie es aber aus dem Nichtsein, der Kraftthätigkeit nach, her- vorgehe; erinnert dafs weder der letzte Stoff noch die letzte Form als ge- worden zu betrachten, unterscheidet dann, wahrscheinlich um auf Erörte- rungen über das Verhältnifs der Form zum Stoffe zurückzukommen, den Stoff, die Natur und Einzeldinge und -wesen (c.3) als drei besondere Arten der Wesenheit, und hebt hervor dafs die bewegende Ursache dem Dinge vorauszusetzen, der Begriff oder die Form aber als zugleich seiend mit dem geformten Dinge zu betrachten, und darum keine Idee anzunehmen sei, wenngleich der Begriff oder die Form, wie der Geist des Menschen, auch nach Auflösung des Ineinander von Stoff und Form bestehe (c.4u.5). End- lich wird untersucht inwiefern andere Ursachen und Principe für Anderes, inwiefern dieselben für Alles anzunehmen (ce. 4), nicht ohne Berücksichtigung der Aporien des Buches B; und wie inhaftende Ursache (Evvragyovra airıe) oder Elemente und Principien zu unterscheiden. Diese höchst lose, hin und wieder ganz äufserlich (!) aneinander ge- reihten Betrachtungen scheinen zunächst die Bestimmung gehabt zu haben die in den voranstehenden Büchern hervorgetretenen Ergebnisse der ersten Philosophie mit denen der Physik zu verknüpfen, namentlich der Dreitheilung in letzterer (Form Beraubung und Stoff’) ihre Stelle in jenen anzuweisen; (') So z.B. c.3 wiederholt durch usr& saure sc. det detEer u. dgl. über die Aristotelische Metaphysik. s1 augenscheinlich aber sind nur die ersten Grundstriche vorhanden, zu deren Ausfüllung Aristoteles nicht gekommen zu sein scheint. Auch der demnächst folgende Beschlufs der eigentlich metaphysischen Untersuchung trägt, wie unschätzbar als höchst nothwendige Ergänzung unserer Kenntnifs der Aristo- telischen Speculation, die Spuren einer ersten Anlage sehr bestimmt an sich. Um den Begriff von der schlechthin reinen Kraftthätigkeit als dem letzten Grunde aller Wesenheiten und ihrer Veränderungen näher zu bestimmen, geht Aristoteles auf den in der Physik (VIII) geführten Beweis von der Ewig- keit der Zeit und Bewegung zurück (c. 6), und zeigt dafs ihr Prineip als schlechthinnige Kraftthätigkeit selber unbewegt zu denken, damit nicht wie- derum ein Grund für ihre Bewegung vorauszusetzen und so ins Unendliche fort. ‚Die Causalität des ewigen selber unbeweglichen Bewegens wird dann als die der Finalursache, seine Wesenheit als schlechthin gut, seine Thätig- keit als stetige, schlechthin einfache, schöpferische Selbsterkenntnifs be- schrieben (t); die fernere Erörterung des Begriffs einer göttlichen schlecht- hin kraftthätigen Intelligenz aber durch Bestimmung über die ewige Bewe- gung der verschiedenen einzelnen ewigen Umkreisungen am Himmel unter- brochen; zugleich jedoch die begriffliche wie numerische Einheit des ewigen unbeweglichen Bewegens, so wie des Himmels (d.h. des Weltalls) festge- stellt (c.8), und dann die endliche Verständigung über das Wesen der gött- lichen Intelligenz durch einige Aporien eingeleitet, die die Sonderung ihrer schlechthinnigen Kraftthätigkeit von den Merkmalen der Veränderung und Bewegung, so wie die Läuterung des Begriffs eines schlechthin einfachen, seine Objecte erzeugenden schöpferischen Denkens (vensıs) zum Zweck hat. Betrachtungen über das Verhältnifs des Guten zur Natur des Alls (r2 &?2) be- schliefsen das Buch (c. 9), nicht die Forschungen der ersten Philosophie: denn nur die verschiedenen abgerissenen Fäden der Untersuchung mitein- ander verknüpfend, kann man durch Ergänzung die Fragen sich lösen, wie die von der schlechthin kraftthätigen göttlichen Intelligenz stetig ent- wickelteu Gedanken zu Principien der Dinge und Wesen, zugleich allgemein und concret, zu werden, wie diese in unerschöpflicher Mannichfaltigkeit der Art und Gradverschiedenheiten sich darzustellen, wie zum Stoff, wie zu der 1 ER \ SL \ ’ ! n m \ \ 7 Q ’ \ n KORrE (!) aürev ds vor 6 vEs zura neramylıw FE vonrf® vonros yag yiyveraı Tıyyarav za vonn, wse rn Nr zavrov vis ze vorsis. c.7 p.1072 a 20. Philos.- histor. Abhandl. 1834. L 82 Bransopvs Welt der Veränderung zu gelangen vermögen, wie die Gottheit zugleich als letzte bewegende Formal- und Endursache zu setzen, und wie sie zu dem Stoff sich verhalte. Aber sollte nicht auch Aristoteles die Lösung dieser und ähnlicher Probleme in seiner ersten Philosophie beabsichtigt haben? Schon in den Aporien und in kritisch historischer Andeutung des letzten Buches der Metaphysik (N 2u. 4) liefse eine solche Absicht sich nachweisen, wenn sie auch nicht aus der Aufgabe dieser Disciplin selber sich. ergäbe. Nicht zu gewagt wird daher die Annahme erscheinen, dafs so wenig die Betrachtungen des Buches A je an sich für völlig ausgeführt, in sich abgeschlossen und ge- gliedert zu halten, ebenso wenig für den Schlufsstein eines Gebäudes, das auch in seinem Zustande der Nichtvollendung zu den Riesenbauten der Spe- eulation gehört. | Um die Erwägung seines Grundrisses nicht zu stören, haben wir vier Bücher (A IM und N) der Metaphysik bis jetzt absichtlich aufser Acht gelas- sen, von denen aber die beiden zuerst bezeichneten in den bisher betrachte- ten theils angezogen theils ihren Untersuchungen nach berücksichtigt wer- den. Buch A könnte man als den Entwurf zu einer philosophischen Syno- nymik bezeichnen, und als solcher wird er auch wiederholt angeführt, ohne jedoch als Theil der metaphysischen Untersuchung entschieden betrachtet zu werden (!). Zu ihnen steht er zwar, wie auch aus jenen Anführungen erhellet, in näherer Beziehung als zu denen anderer philosophischen Disci- plinen, aber doch keinesweges in ausschliefslicher, schliefst sich vielmehr gleich in den Bestimmungen über Prineip, Ursache, Grundstoff, Natur, Nothwendigkeit, Lage, Beschaffenheit, Affection, Beraubung nicht minder der Physik an; in der Synonymik der Begriffe, Gegensätze, Theil und Gan- zes, Geschlecht, Früheres und Späteres und der Kategorien, gehört er dem Örganon an. Auf metaphysische Erörterungen über Vermögen und Kraft- thätigkeit bezieht sich das Buch als noch bevorstehende (?), auf Untersu- chungen über Beziehungen an sich (ruußs@yxora oder Urdeyevra #aS” auro), 1 Er) m vo , 5 = ar (') Z1 zu Anf. 6 ov Asyeraı morrayBs, #aIchweg dısrAoneIae mooTegov Ev FOIG mepi TE MOoTu- 00. 11 zu Ant. v6 Aue us Acer worierwe. Eu. Tore rent TOD more Sinpnuevore Stange Was . 70 Ev Orı sv Asyeraı moAAay ns, Ev FOlS megt TOD morcey,ns Ömgnnevors Eioyr 7 mgoregov. 13 am Schluls: Sugar 8° Ev arrcıs moie To yevsı raUre y Erege (A 28°). vgl. ebenda 4 p.10555 6, c.6 p.10562 34. (?) A7 zu Ende or: de Öuvardv zur were Zr, Ev arras Ötogıszov. über die Aristotelische Metaphysik. 83 ohne zu bestimmen ob sie bereits angestellt (1). Von einer Verweisung auf frühere Erörterungen über Zahlen ist es nicht klar worauf sie gehen (?). Dafs dieses Buch eins der früheren, ergibt sich mit einiger Wahrscheinlich- keit aus der Vergleichung seiner Bestimmungen über die Kategorien und Ge- gensätze mit den in dem Buche der Kategorien darüber enthaltenen. Die hier sich findenden Unterschiede, wonach die Bestimmungen unseres Buches als minder vorgerückt erscheinen, lassen sich wohl nur sehr gezwungen aus seinem besonderen Zwecke erklären; so namentlich die Auslassung der Be- jahung und Verneinung in der Aufzählung der Gegensätze (ec. 10). Alte Kri- tiker zweifelten an der Vollständigkeit des Buches (°), und schwerlich möchte Alexanders Vertheidigung derselben genügen: denn gesetzt auch es gehörte ausschliefslich der ersten Philosophie eine solche Synonimik an, weil sie das dem Sein gemeinsam zukommende entwickele (auf diese Weise sucht der Aphrodisier ihm seine Stelle unter den metaphysischen Büchern zu sichern), so läfst sich doch weder nachweisen dafs es alle die Begriffe behandele die sämmtlichen Wissenschaften gemeinsam, noch dafs es nur solche behandele. Ist.es aber auch vollständig, so läfst sich doch gewifs die Anordnung nicht als eine wohl erwogene betrachten, und noch weniger mit Alexander be- haupten, es habe unmittelbar auch die Deduction der Formalprineipien (Buch T) folgen müssen. Für mehr als einen Entwurf zu einer philosophi- schen Synonymik kann es gewifs nicht gelten, der wohl als eine der ersten Philosophie verwandte Abhandlung mit ihr verbunden, schwerlich als inte- grirender Theil ihr eingefügt werden konnte. Buch I ist bestimmt zuerst das Eins (&v) als Grundmafs, danach, in seiner Anwendung auf Qualitäten wie auf Quantitäten, nach den hier statt- findenden Verschiedenheiten, näherer Bestimmungen bedürftig, nachzuweisen und so zu zeigen dafs es nicht als Wesenheit an sich zu setzen sei (c. 1 und 2). Demnächst soll ausgemittelt werden wie Einheit und Mannichfaltigkeit Id > ce» (') A30. Acyos de sera Ev Eregors. Br > PA re) R e (*) A15 p.1021a 19. ru de zur” agıSwov &2 eirw Evzgysia AAR 7 0v ToomoV ev Erzgors etoyra. Auch Alexander ist über diese Beziehung augenscheinlich in Zweifel. J \ via \ SI} FW} € 7 ’ ’ \ ’ N n ) Alex. ort de Mr, ATENES TO Bıßreov, WG OLOVTOL TIVEG, FERJACLGONLEVOL 2] Ar, TavTaV RUTOV TV De n ’ \ ’ n_Q Sr ET I ST: m 3 Eee »_Q =£. rn TOAKEY wo Asyorevu DT Örcugerw TOLELITTCEL, C 7Aov ER TE AN ATAWS Ev Urn TIOREITS a TETO TOLE, FRE ‚ ’ ® oe & e> eo ” ’ \ D m ’ 2 UIAG FTETWV MOovav OS WG ZOWOosS OL EWISYA TRTO KERIHEVORL Ta TEOREILEVG Urs dsizvugriv. L2 84 Branpviıs einander entgegengesetzt seien; wodurch Untersuchungen über die Natur des Gegensatzes veranlafst werden, die ohngleich ausführlicher sind als die ent- sprechenden in Buch A und in dem Buche der Kategorien, besonders in Bezug auf einzelne Fragen die zugleich der Physik und der Metaphysik angehören. Das Buch ist augenscheinlich von der in anderen Büchern der Meta- physik angeführten Auswahl oder Sonderung der Gegensätze verschieden (exAoyn oder Öuigeris rav Evayriuv T 2 p.1004a 1, ebenda 2 34, vgl. K3 p.1061 a 15. vielleicht gehört auch A 7 p.10722 2 hierher), da diese auch in ihm an- geführt wird (13 p. 1054430). In jener Schrift waren nach der angeführten Stelle die Bestimmungen der Einerleiheit Ähnlichkeit und Gleichheit auf die Einheit, die entgegengesetzten auf die Mannichfaltigkeit zurückgeführt; was in unserem Buche nicht geschieht, sondern vorausgesetzt wird. Alexan- der hat von der angeführten Schrift augenscheinlich nicht mehr als wir ge- wufst, bemerkt aber zu der zuerst angeführten Stelle dafs Aristoteles eine solche Auswahl der Gegensätze auch im zweiten Buche vom Guten behan- delt habe (!). Dafs Aristoteles die Ableitung der Gegensätze von der ersten Philosophie forderte, geht aus den zuerst angeführten drei Stellen hervor, die ihrerseits wiederum bestimmt sind die auf diese Frage bezügliche Aporie zu lösen. Welche Stelle er dieser Ableitung in der Gliederung der Disciplin an- gewiesen, ist schwieriger zu bestimmen, doch so viel klar dafs sie dem zwei- ten Theile, nicht der Deduction der Formalprincipien, angehören mufste: ob sie aber ihn einzuleiten oder die Beweisführung zu ergänzen bestimmt war, dafs die Einheit als solche, wie überhaupt das Allgemeine, nicht die gesuchte Wahrheit sein könne; ob der vorliegende Entwurf (denn mehr ent- hält Buch I gewifs nicht, und dazu einen sehr vorläufigen) der Metaphysik eingefügt werden sollte? Unter den Büchern derselben wird wenigstens die Synonymik (A: s. oben Anmerk.), die antinomische Behandlung der Aporien (12 zu Anf.) und die Untersuchung über die Wesenheit und das Seiende (Z) berücksichtigt (2); woraus mit einiger Wahrscheinlichkeit sich ergibt dafs ’ \ > >» \ ErBE} ’ RL (') Alexander zu T 2 p.1004a 1. avarsursı de yucs... eis ryv ErAoyyv rav 'Evavrınv, Ws Lö en R Be 57 5 an ’ 242 5 > 28 ‚ VEAyaSE: une N en Nee ie 7 gı TEITWL ga YART VOIWEVOS IE YRE 7 gr TG FTOLRUTNG ER o'yns AOL EU Fu c vregu mEgQt 7 Yan . 2 a’ > = 209 \ N on v7 r (*) 121.17. zaSameg Ev rois megı örins zu mwegı TE 0Vr0S eipyraı Aoyoıs. über die dristotelische Metaphysik. 35 das Buch in der That der Metaphysik und zwar zwischen Buch ® und A ein- gepafst werden sollte. Auch die beiden letzten Bücher der Metaphysik (M und N), die aufs engste verknüpft (s. N f zu Anf., vgl. N2 am Schlufs mit M 8) wiederum ein Ganzes für sich bilden, beziehen sich auf die Aporien (') und auf Unter- suchungen über die Kraftthätigkeit, halten diese aber noch nicht für abge- schlossen, da sie die Beantwortung der Frage ob es aufser den sinnlich wahrnehmbaren Wesenheiten noch eine unbewegliche und ewige gebe, durch Betrachtung des von Andren darüber Gelehrten vermitteln wollen, berufen sich in der angeführten Stelle auch nur auf die Physik (?) und nirgend ent- schieden auf andere Bücher der Metaphysik als das angegebene; denn die in einigen Stellen (N 1 p. 10882 1, c.2 zu Anf.) vorausgesetzte Zurückführung vom Stoff auf den Begriff des Vermögens findet sich auch in der Physik I 8 zu Ende II 1 u.s. w.; wobei freilich noch auszumitteln bleibt ob nicht einige der metaphysischen Bücher früher ausgearbeitet oder vielmehr ent- worfen waren als die physischen (s. besonders d. zuerst angef. Stelle I 8). Was vom Begriffe der Ewigkeit mit Berufung auf andere Reden (Asyaı) ge- sagt wird, in den Büchern vom Himmel (I 10 ff.), wie der Griechische Aus- leger richtig bemerkt (?). Eine Beziehung auf Buch I c.1 fehlt wo sie zu erwarten gewesen (*), und schwerlich wären die hier sich findenden Erörte- rungen über das Eins als Mafs so umständlich ausgefallen, hätte Berufung auf eine demselben Werke angehörige Abhandlung statt finden können. Da- gegen werden in diesen beiden Büchern Aporien des Buches B über das Ver- C) M2 zu Anf., ebenda p-1077 a 1 c.10 zu Anf. zur’ agy,as ev Toric Öerognnasıv Rey, On moorsgor. (?) Mi zu Anf. regt nv Zu rAs Fov air est, Ev I a] Bo A run ’ a n \ Y \a ’ UNE WE „ \ durizwv wege 7 Ins ur 2: vsEedov ds MED TTS ved ne TEL Ö n TREVIS eat morep ov ES a “R 4 mu \ > Le) x \ 9 2 > 3 x TES MTTYTRS Erias alunros zer ardıog Er es, zur &ı &sı His Est, mowWroV Ta — Tov AA Den Er x a ‚ \ y Hey SACHEN, vgl. M9p. 1086 a 21 megı O8 Tau eu Fur aoy@v zu Folv moWTWV eiriav vis Fot- [ a ER = m x > FEN Yu, Orc jasv Aeyourıv co mag nuns FR is Iurns olrias dtogıg. OVTES, Ta EV.Ev TOIS mept bUTEWE © s L Ey f f >} > [5 fr Kl Eionran, va Ö° 22 Erı TIS MESodE rys vür. C ) Metaphys. N2 p.10885 23. &x av rolvuv ein Aidıa, € eireg jan didıov ro Evdeygnevov Jan eiven, zu Fcreg Ev arraS Aoyars suve@r OR YIaRFEU Sfvar. Wozu der Griechische Ausleger EIrE un dedsızrar ev el weg Olgavod, ori oddeni« Ara ameıgov adv ov eivan Övvaraı, AAN rat eı mOr 3 IE \ \ a a Se » gig Evegn [1144773 TFRUTIV Yar2 Fyv TORYIAC ErCev NVIGRTO ia TE KRTATED. (*) N1p.1087a 33. ro iv dr Iergov Frjateivet, bavegor. 86 Branoıs hältnifs des Allgemeinen zum Concreten (M 10) und der Gegensätze zur Ein- heit gelöst, worüber in der übrigen Metaphysik überhaupt nicht oder wenig- stens nicht ausdrücklich entschieden wird. Auch die Sonderung der Begriffe des Schönen und Guten, mit der darauf bezüglichen Zurückweisung der die Mathematik verunglimpfenden Behauptung des Aristippus (M 3 p. 1078a 31, vgl. B 2), sucht man in den übrigen Büchern der Metaphysik vergebens, ob- gleich fernere Erörterungen über die Ursächlichkeit des Schönen in jener Stelle ausdrücklich versprochen werden (!). Zwar kommt der Verfasser später (N 4) auf die Begriffe des Schönen und Guten zurück, ohne aber jenes Versprechen zu erfüllen. So glaube ich denn mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen zu kön- nen, Aristoteles habe nach einem sehr umfassenden Plane, den wir in seinem ganzen Umfange schwerlich uns genau werden vergegenwärtigen können, zur Lösung der schwierigsten unter den Aporien und zur Grundlegung der den Schlufsstein seiner Metaphysik bildenden Untersuchungen diese historisch kritischen Bücher über Zahlen und Ideenlehre angelegt, und soweit wir sie besitzen ausgeführt, bevor noch weder der zwiefache Entwurf über die Principien der Beweisführung und über den Begriff der Wesenheit u. s. w., noch die eigentlich theologische Abhandlung (A), noch auch der ihr zur Ein- leitung bestimmte Aufsatz über Einheit und Mannichfaltigkeit (Buch I) über- haupt oder wenigstens vollständig ausgearbeitet war. Dafs sie aber weder dem Werke vom Guten noch dem von den Ideen angehörten, ergibt sich hinlänglich aus den bei Alexander sich findenden Anführungen aus beiden, die jener Ausleger zugleich mit diesen Büchern der Metaphysik selber und von ihnen gesondert vor sich hatte. Wie grundlos die gegenwärtige Anordnung der metaphysischen Bücher des Aristoteles, leuchtet, glaube ich, ein; aber ebenso sehr dafs sie durch eine bessere zu ersetzen mifslich sein würde, vorausgesetzt dafs wir in ihnen nicht integrirende Theile Eines Ganzen, sondern zerstreute und vereinzelte Glieder besitzen, die in verschiedenen Zeiten nach verschiedenen Plänen ausgearbeitet waren, deren wahrscheinlich keiner jemals vom Aristoteles völlig verwirklicht ward. Wenigstens müfste bei Versuchen besserer Anord- nung der täuschende Schein durchgängiger Zusammengehörigkeit sorgfältig 4 = \ a > (') M3 am Schluls: u&rrov d8 yuwaruus ev aAro0ıS megt aurav über die Aristotelische Metaphysik. 37 vermieden und was verschiedenen Entwürfen angehört, genau gesondert werden. Die erste Stelle käme dem ausführlichsten Entwurf zu, Buch A und B wäre als einleitend voranzustellen, und ihnen TE bis © und A anzuschlie- fsen. Sollte aber dem Buch I die ihm allerdings passendste Stellung zwischen © und A angewiesen werden, so wäre ausdrücklich zu bevorworten dafs es als ein episodisches Bruchstück zur Ausfüllung der Kluft zwischen © und A zu betrachten. Die beiden letzten Bücher als eine zweite Grundlegung der Un- tersuchungen des Buches A einzuschieben möchte ich widerrathen, weil sie sich nicht wie I auf die Untersuchungen über Wesenheit Kraftthätigkeit und Vermögen in den Büchern Z bis © beziehen; nicht minder aber sie unmit- telbar auf B, worauf sie allerdings zurückgehen, folgen zu lassen, weil sie von jenem Buche augenscheinlich durch weiten Abstand getrennt werden, die Bücher T und E dagegen sich gleich an der Lösung der ersten unter den dort vorgetragenen Zweifeln versuchen. So bliebe also wohl nur übrig sie als zweites Bruchstück einer ausführlichern ersten Philosophie auf die vorher bezeichnete Reihe folgen zu lassen. Als drittes den Grundlinien nach um- fassenderes und nicht Buch B sondern nur A voraussetzendes Fragment folgte dann K, wenn man es nicht vorzieht, eben weil es bei aller Kürze umfassen- der angelegt ist, ihm die zweite und den unmittelbar vorher bezeichneten Büchern M und N die dritte Stelle anzuweisen. Eine vierte gebührt den Grundlinien einer philosophischen Synonymik (A); doch möchte ich mit denen nicht rechten, die sie als Excurs unmittelbar dem ersten ausführlichern Entwurf anzureihen vorziehen würden. Buch « dürfte höchstens wie die zweifelhaft Platonischen Dialogen anhangsweise aufgenommen werden. Die- ses aber ist unter den vorhandenen metaphysischen Büchern das einzige des- sen Aristotelischer Ursprung, nicht blos seine metaphysische Dignität, sehr zweifelhaft; die Ächtheit aller übrigen will ich zwar keinesweges in positi- ver Beweisführung zu bewähren unternehmen, wohl aber gegen Angriffe zu vertreten. NO rap ae re j kn e ; al sv ls eng ori, hane anhnigu Tree int ne ai elle? alas it a a dal H 2 flossen, Benfolnia,ein rw RR ‚ich er a a gie ln na Pr en all Fin a Te +.513.0 ONE FEN I oliıtlered a Alurebyrdd sıhsrihesice sig ur wa) rind ar ae ALDA ash abc rl: aber Y n ü cr f DB ı5 ; } Ba Tre u Zur de Yun i + ß ; j ar his dat 1 - 2 a T Hille HR) DEITEIE 32, ’ D 5 nn EN ; \ Irre Tarr u t ur Dan 7 LT f en bt y ) 17% j * ' ‘ 1 ? 1 i 5 ff \ MEZ NIT ken | 4 fi D » HN b ‘ weh BE D 8. 5 ‘ Ih ser ! 3 u » ih As iv D ka . re N a File I rlarıa i je: t EIN FNIH BD r \ N u i i EN . y er in r’ i I N art ; tr» De 1434? ' 2 { nn ve I l r {F N } ' IV t N N j' "hi we) | | { Ks r R u} 4 w I ‚ BU HEN RNE u. t F3 PIPPTE | e ß DIR HEN N kr i INT, iur . Hhrg Über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. Von Hm EICHHORN. mumnnnnnnnnmin [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 6. Juni 1833 und am 31. Juli 1834.] D. spanische Sammlung der Concilienschlüsse und Decretalen, oder, wie sie gewöhnlich genannt wird, die ächte Isidorische Sammlung, gehört aner- kannt zu den wichtigsten Quellen des Kirchenrechts vor Gratian. Sie ist das einzige Werk, das man einen planmäfsig geordneten Codex einer abendlän- dischen Nationalkirche nennen kann; sie giebt über die Kirchendisciplin, die sich vom vierten bis zum achten Jahrhundert durch die Autonomie der Nationalkirchen entwickelte, den meisten Aufschlufs; ein grofser Theil ihres Inhalts ist in Gratians Decret übergegangen. Gleichwohl ist ihre Geschichte noch keineswegs so genau unter- sucht worden, als sie es in Beziehung eben auf diese Eigenthümlichkeiten verdient. Allerdings haben die Brüder Ballerini (!) die wichtigsten That- sachen derselben bereits festgestellt. Aber wie ihren Vorgängern, Baluze, Quesnel und Coustant (?), ist es ihnen dabei vornehmlich um eine Vorarbeit für die Geschichte der Pseudo-Isidorischen Sammlung zu thun. Sie berüh- ren den Plan nach welchem die ächte spanische Sammlung angelegt und nach welchem sie später ergänzt worden ist, kaum im Vorbeigehen;; sie neh- men noch weniger Rücksicht auf die Resultate die sich hieraus für die Ge- schichte der Kirchenverfassung ableiten lassen. Die neueren Geschicht- (') Fratr. Ballerinorum tract. de antiquis tum editis tum ineditis collectionibus canonum, ad Gratianum usque; in deren Ausgabe der Opp. Zeonis m. Tom. 3. p. I- CCCKX. (2) Man findet diese Abhandlungen gesammelt in: De vetustis canonum collectionibus Sylloge, collegit Andr. Gallandius Venet. 1778. f. und Mogunt. 1790. 2 Voll. 4. Auch das Werk der Ballerini ist hier wieder abgedruckt. Philos.- histor. Abhandl. 1834. M 90 Eıc#nsorn schreiber haben die Untersuchung überhaupt nicht viel weiter geführt als die Ballerini, und wenn man de la Serna ausnimmt, eben auch nicht erweitert. Und auch dieser hat weniger befriedigende Resultate gegeben, als die That- sachen angedeutet, auf deren genauere Untersuchung es ankommt. Die ächte spanische Sammlung ist als Ganzes erst in unseren Tagen zu Madrit gedruckt worden. Der erste Theil, welcher die Concilienschlüsse enthält, war schon im Jahr 1808 vollendet, ist aber erst mit dem zweiten, der die Decretalen in sich begreift, im Jahr 1821 öffentlich bekannt gemacht worden (!). Was dabei geleistet worden ist, befriedigt die Forderungen keines- wegs, die man an eine kritische Ausgabe der Sammlung zu machen berech- tigt ist. Zuerst sind dabei die ältesten Handschriften gar nicht benutzt; die Herausgeber haben blos spanische gebraucht, und gerade in Spanien hat sich keine erhalten die über das zehnte Jahrhundert hinaufreicht. Man mufs sich daher bei der Frage, was der Sammlung in ihrer früheren, was ihr in ihrer späteren Gestalt angehört, noch immer an die Beschreibungen jener älteren Handschriften bei den früheren Geschichtforschern halten, welche manches unbestimmt lassen. Die spanischen Handschriften selbst welche gebraucht worden sind, waren schon früher bekannt. Bei d’Aguirre in seiner Ausgabe der spanischen Concilien (?) und in anderen älteren spanischen Werken über Kirchenge- schichte und Kirchenrecht, waren einzelne Stücke, namentlich die eigentlich spanischen Concilien, eben aus jenen schon gedruckt, und sind daraus in die neueren Sammlungen der Concilienschlüsse übergegangen. Genau waren auch die meisten schon von de la Serna Santander, welcher schon früher eine Ausgabe der ächten Isidorischen Sammlung beabsichtigte, in einer Vor- rede beschrieben, welche er dieser vorsetzen wollte und einstweilen als eine selbständige historisch-kritische Abhandlung drucken liefs (%). Sie ist, nebst den Untersuchungen der Ballerini, das beste was wir über die Geschichte (') Collectiio canonum ecclesiae Hispanae. Matriti. 1808. fol. Epistolae decretales ac rescripta Romanorum pontificum. Matr. 1821. fol. (*) Concilia Hispaniae — ed. J.$S. de Aguirre. Rom. 1695. 4 Vol. fol. Matr. cura Sylv. Puego. 1781. (°) C.dela Serna Santander, pracfatio historico-crilica in veram et genuinam collectionem veterum canonum ecclesiae Hispanae. Bruxell. a. Reip. Gall. vu. 8° über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 91 der Sammlung haben. Die Vorrede der Madriter Ausgabe beschäftigt sich auch mit dieser, leistet aber in der That nicht mehr. Der Codex welchen sie zum Grunde legt, wurde schon früher für den besten gehalten. Er heifst schon bei de la Serna und seinen Vorgängern, der Codex Alveldensis, von dem Kloster dem er gehörte bevor er in die Bibliothek des Escurials kam, auch der Codex Fıgilanus, von dem Mönch der ihn im J. 976 schrieb. Er ist wo nicht die älteste, doch eine der ältesten in Spanien erhaltenen Hand- schriften. Überhaupt ruht im wesentlichen die Madriter Ausgabe auf frühe- ren Vorarbeiten. Schon der Jesuit P. Buriel hatte eine Ausgabe vorbereitet, bei welcher der Codex Figilanus zum Grunde lag, und mit den übrigen wichtigsten Handschriften verglichen war. Diese Arbeit war es welche de la Serna blos abdrucken lassen wollte; bei der Madriter Ausgabe ist sie wenig- stens benutzt; doch ist in der Vorrede auch von Vergleichungen die Rede, welche als Vorarbeit zu dieser vorgenommen worden. Auf historische und kritische Erläuterungen haben sich die Bearbeiter der neuen Madriter Aus- gabe jedoch nicht eingelassen; das Verdienst derselben besteht nur darin dafs sie den reinen Text der spanischen Handschriften vor Augen gelegt haben. Für die Geschichte der Entstehung der spanischen oder sogenann- ten Isidorischen Sammlung haben wir keine andere Quelle, als die That- sachen, die sich aus dem verschiedenartigen Inhalt der ältesten Hand- schriften welche sich aufserhalb Spanien erhalten haben, wenn man sie untereinander und mit den spanischen Handschriften vergleicht, abnehmen lassen. Jene ältesten Handschriften sind aus dem achten Jahrhundert. Die wichtigsten derselben sind ein Wiener Codex, der nach Lambecius im Jahr 736 geschrieben ist (!); ein Vaticanischer, welchen die Ballerini vorzugs- weise benutzt haben; und ein Strasburger, welchen Koch in den Schriften der französischen Akademie beschrieben hat (?). Alle drei stimmen in ihren einzelnen Bestandtheilen bis auf sehr geringe Abweichungen überein; die (') Vergl. Fratr. Ballerinor. tract, de ant. coll. can. p.CXCVI. (?) Notice d’un code de canons eerit par les ordres de l’evegue Rachion de Stras- bourg en 787. In den: Notices et extraits de la bibliotheque nationale. Tom. VI. 129% p-173 seq. M2 92 Eıcunorn Anordnung ist durchgängig genau dieselbe. Die Anordnung finden wir auch in den spanischen Handschriften des zehnten Jahrhunderts wieder; die letz- teren unterscheiden sich von jenen allein dadurch dafs sie etwas mehr ent- halten, jedoch durchaus nur Stücke welche schon im siebenten Jahrhundert oder doch vor dem Umsturz des westgothischen Reichs in die Sammlung gekommen sein müssen. Diese ist mithin späterhin in Spanien selbst innmer als ein geschlossenes Ganzes betrachtet und abgeschrieben worden. Man sieht daher, dafs jene ältesten Handschriften von welchen keine über das achte Jahrhundert hinaufreicht, auch nur darum unvollständiger sein können, weil ihnen Codices einer älteren Zeit zum Grunde liegen, welche jedoch insgesammt zwischen den Jahren 681 und 683 geschrieben waren. Denn in allen Handschriften welche aufserhalb Spanien aufbehalten worden sind, ist das neueste Stück die 13' toledanische Synode vom J. 683; auch Pseudo-Isidor kennt keine neuere. In allen aber findet sich auch we- nigstens die 12‘ toledanische Synode von 6S1. Man sieht ferner aus der Gleichförmigkeit der Anordnung und aus der vollkommenen Übereinstimmung der Handschriften in Hinsicht gewisser Bestandtheile, dafs sie eine planmäfsig geordnete Sammlung von Kirchen- gesetzen überliefern, welche von dem Zeitpunkt an wo sie entstanden war als Codex der spanischen Nationalkirche angesehen wurde. Es ergiebt sich, dafs sie seit dieser Zeit allerdings Zusätze erhalten hat, aber keine andere als solche die nach dem ursprünglichen Plan in einen Codex der west- gothischen Kirche gehörten. In diesem Festhalten an einer bestimmten an- erkannten Sammlung der Kirchengesetze, unterscheidet sich die spanische Kirche wesentlich von der fränkischen, die spanische Sammlung von den Sammlungen die in der fränkischen Kirche gebraucht wurden. Diese hat niemals eine ihr eigenthümliche bestimmte Sammlung von entschiedenem, viel weniger von ausschliefsend anerkanntem Ansehen besessen. Sie hat alle Arten von Quellensammlungen gebraucht, die ihr bekannt wurden; sie hat zwar auch in Frankreich selbst angelegte Sammlungen gehabt, aber diese sind ohne allen Plan; ihr Inhalt, selbst so weit er aus einheimischen Conci- lienschlüssen besteht, wird blofs durch den Zufall bestimmt, der gerade ge- wisse Stücke vereinigt hatte. Schon die Ballerini haben bemerkt, dafs sich bestimmen läfst, welche Stücke bei der ersten Anlage der spanischen Sammlung in diese aufgenom- über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 93 men worden waren, und welche Stücke späterhin erst hinzugefügt worden sind, wodurch sie dann die Gestalt erhielt, in welcher die ältesten Hand- schriften sie darstellen; sie haben aber die planmäfsige Anlage übersehen und daher auch nicht beachtet, dafs diese späteren Zusätze ebenfalls aus ei- ner planmäfsigen Ergänzung hervorgegangen sind. Alle Handschriften der Sammlung, die aufserhalb Spanien erhalten sind, unter diesen alle jene die bestimmt dem achten Jahrhundert angehören, setzen derselben ein Inhaltsverzeichnifs vor, das weniger angiebt als der Text wirklich enthält. In allen stimmt dieses Inhaltsverzeichnifs wörtlich überein und auch einige neuere spanische Handschriften haben es beibehalten. Das neueste Stück welches in diesem Verzeichnifs vorkommt sind die Schlüsse der vierten toledanischen Synode v. J. 633; in keinem Verzeichnifs stehen die der fünften v. J. 636, obwohl sie in allen erhaltenen Handschriften mit einer ganzen Reihe späterer westgothischer Reichssynoden in den Text selbst aufgenommen worden sind. Die Ballerini haben hieraus ohne Zweifel mit Recht gefolgert, dafs man in diesem Inhaltsverzeichnifs die Bestandtheile der ursprünglichen Redaction der Sammlung vor sich habe; man sieht leicht, dafs es zuerst unverändert blieb, weil alle Handschriften des Codex es ein- mal hatten und es nach den einzelnen Ergänzungen nicht mehr gut zu än- dern war, nachher aber die meisten Abschreiber sich begnügten, buchstäb- lich zu übertragen was die Handschrift enthielt, ohne sich die Mühe zu ge- ben auch das Inhaltsverzeichnifs neu zu ordnen. Von diesem Inhaltsverzeichnifs, nach welchem also die Sammlung zwischen 633 und 636 redigirt wurde, mufs die Untersuchung ihrer Ge- schichte hiernach ausgehen. Diese läfst sich am besten darstellen, wenn man zuerst überblickt was damals in die Sammlung aufgenommen wurde, und dann erst untersucht, was von dem Inhalt der Quellensammlungen bekannt ist, welche vor dieser Zeit in Spanien gebraucht wurden. Die Sammlung enthielt folgende Stücke in folgender Ordnung: Zuerst eine Vorrede, welche den Plan der Sammlung entwickelt. Sie bildet auch ein Capitel der Origines des Bischof Isidor von Sevilla, ein Um- stand auf welchen ich bei der Untersuchung zurückommen werde, ob es Gründe giebt, diesen selbst für den Verfasser der Sammlung zu halten. Diese Vorrede findet sich in allen Handschriften der ächten spanischen Sammlung wörtlich gleichlautend. In manchen Handschriften ist aufser der Vorrede, 94 Eıcnnuorn noch als ein besonderes Stück der Sammlung, eine nach den Decreten der vierten toledanischen Synode von 636 ausgearbeitete Vorschrift, wie ein Con- cilium eröffnet und bei den Verhandlungen verfahren werden soll — ordo celebrandi concilü — vorausgeschickt. Die Sammlung selbst besteht aus zwei Haupttheilen. Den ersten bil- den Concilienschlüsse; den zweiten Briefe römischer Bischöfe. Die Concilienschlüsse sind unter vier Abtheilungen gebracht: Conci- lia Graecorum; Concilia Africae; Concilia Galliae ; Concilia Hispaniae. Die erste dieser Abtheilungen bildet eine Übersetzung der in griechi- scher Sprache abgefafsten Schlüsse folgender sieben ältesten Concilien: zu Nicäa, Ancyra, Neucäsarea, Gangra, Antiochien, Laodicäa, Constantinopel; mithin dieselben Stücke, welche Dionysius aus einer griechischen Sammlung, die sie als ein Ganzes unter fortlaufenden Nummern enthielt, neu übersetzte, und ganz in derselben Ordnung. Zwischen der gangrensischen und antio- chischen Synode sind die sardicensischen Schlüsse eingereiht; ohne Zweifel, wie auch bei Dionysius, lateinisches Original. Wie in der Dionysischen Sammlung sind dann die chalcedonischen Schlüsse das lezte der Stücke, welche in einer Übersetzung gegeben sind. Eigenthümlich ist aber der spanischen Sammlung, dafs vor den chal- cedonischen Decreten, unter dem Namen Concilium Ephesinum, zwei Briefe des Cyrillus eingerückt sind, die sich bei Dionysius so wenig als in der so- genannten versio prisca finden; die wirklichen ephesinischen Schlüsse hat die spanische Sammlung aber eben so wenig als sie bei Dionysius und in der versio prisca stehen. Die Übersetzung der griechischen Canonen, welche sich in der spanischen Sammlung findet, heifst bekanntlich in unse- rer Terminologie eben von jener die Isidorische, ob sie gleich anderthalb- hundert Jahre früher schon bekannt war. Denn sie findet sich, und zwar ganz wie hier, in der sogenannten Quesnelschen Sammlung, welche, wie die Ballerini gezeigt haben, mit Dionysius ohngefähr gleichzeitig ist. Die Ab- weichungen von der Isidorischen Übersetzung, die man in der Quesnelschen Sammlung bei den nicäischen Schlüssen wahrnimmt, stehen dieser Annahme nicht entgegen; sie rühren, wie die Ballerini schon bemerkt haben, davon her, dafs in jener zugleich noch eine andere, wie es scheint ältere Über- setzung der nicäischen Decrete, und bei diesen allein, noch aufser der Isi- dorischen Übersetzung derselben benutzt ist. über die spanische Sammlung der Quellen des K irchenrechts. 95 Die zweite Abtheilung, Concilia Africae, begreift die Schlüsse von 7 karthagischen Synoden und einem Concilium zu Milevis. Unter der Rubrik der vierten karthagischen Synode wird das gegeben, was in gallischen Samm- lungen als Statuta ecclesiae antigqua vorkommt. Die dritte Abtheilung, Concilia Galliae, hat die Schlüsse von 10 Synoden, meistens aus dem vierten und fünften Jahrhundert; die neuesten sind aus dem Anfang des sechsten Jahrhunderts; nehmlich eine Synode zu Agde unter Alarich II v. J. 506, und die 1“ orleanssche von 511 unter Chlodwig. Die vierte Abtheilung, Concilia Hispaniae, umfafst die Schlüsse von 14 Synoden. Hinter der 2‘ Synode zu Braga v. J. 572 folgen die Capitel des Bischofs Martin von Braga, auf welche ich nachher zurückkommen werde; ganz am Ende, eine den Slatuta ecclesiae antigua ähnliche Sammlung kirchen- rechtlicher Regeln, die aber in manchen Handschriften vielmehr den Schlüs- sen der Synode zu Agde angehängt ist. Den zweiten Haupttheil bilden, nach der Zählung der Ballerini, 102 Schreiben römischer Bischöfe. Die Handschriften zählen indessen die nehm- lichen Stücke auch anders. Zu diesen gehören, auch schon nach dem älte- sten Inhaltsverzeichnifs, alle Decretalen ohne Ausnahme, die sich in der Sammlung des Dionysius in deren ursprünglicher Gestalt finden; es sind deren 38 oder 39, je nachdem man zählt. Man kann daher nicht zweifeln, dafs der Verfasser die Sammlung des Dionysius unmittelbar benutzt hat. Die Übereinstimmung ist zu vollständig, als dafs man annehmen könnte, die spa- nische Kirche habe schon alles besessen was Dionysius in Rom zusammen- brachte. Hingegen gehören 63 oder 64 Decretalen der spanischen Sammlung ausschliefsend an. Die neueste ist von Gregor dem Grofsen an König Rec- cared bald nach dem Jahr 589 erlassen. Schon das geordnete und die Reichhaltigkeit des Inhalts dieser Samm- lung, unterscheidet sie auf das vortheilhafteste von allen ähnlichen gleich- zeitigen und früheren Werken dieser Art. Der Dionysischen ist sie in der Haupteintheilung ähnlich, aber mehr auf das praktische Bedürfnifs berech- net; denn dieser fehlen einheimische Provincialeoncilien. Die übrigen ita- lienischen Sammlungen, wie die sogenannte Quesnelsche und andere, welche die Ballerini beschrieben haben, sind wie die eben bezeichneten fränkischen ohne allen Plan. Nur Johannes Antiochenus in seinem NVomocanon hat ne- 96 Eıcanuorn ben ihr für den Orient ohngefähr eben das geleistet, was hier für die spa- nische Kirche geschah, war aber wegen des Zustandes der kirchlichen Ge- setzgebung im griechischen Reich genöthigt, mit den Kirchengesetzen auch aufserdem noch die bürgerlichen Verordnungen zusammenzustellen, weil hier mehr auf diesen beruhte, was in Spanien durch die Autonomie der Kirche selbst bestimmt war. Vor dem Anfang des siebenten Jahrhunderts hatte die spanische Kirche eine solche geordnete Sammlung eben so wenig gehabt als die frän- kische. Zwar ist sowohl auf der Synode zu Agde von 406, als auf der 1" zu Braga, von vorgelesenen Canonen die Rede, und die Stelle der lezt- gedachten, wie sie gewöhnlich angeführt wird, hat man auf eine wenigstens nicht ganz planlose Sammlung gedeutet. Man führt die Worte an: ‚, Pre- lectis, ex codice, coram concilio tam generalium synodorum canonıbus quam localium.’ Allein in der Madriter Ausgabe lautet diese Stelle ganz anders: „Item placuit, ut quaecunque praecepta anlıquorum canonum, quae modo in concılio recilata sunt, nullus audeat praeterire.’ Hiernach beziehen sich diese Worte auf die Verordnungen der Synode selbst, welche unmittelbar vorher- gehen und Wiederholung der Bestimmungen älterer Kirchengesetze waren; von einem Codex canonum ist nicht die Rede, sondern dieser scheint eine Pseudo -Isidorische Interpolation zu sein. Wir haben aber überdies auch Nachrichten von dem Zustande der Handschriften die im sechsten Jahrhundert bei den spanischen Kirchen in Umlauf waren, durch welche der damalige ungeordnete Zustand der Samm- lungen deren man sich bediente aufser Zweifel gesetzt wird. Es hat sich eine Abbrevatio canonum in zwei Handschriften erhalten, welche die Ballerini beschrieben haben. Sie ist eine Compilation aus meh- reren für sich bestehenden Sammlungen der Quellen des Kirchenrechts, de- ren Inhalt der Verfasser abgekürzt und die Excerpte aneinander gereiht hat, ohne Rücksicht darauf dafs mehrere derselben die nehmlichen Stücke ent- hielten und er folglich dieselben Synodalschlüsse mehrmals excerpirte. Dafs deren Verfasser sie in Spanien aus spanischen Handschriften genommen hat, wissen wir daraus, dafs er bei mehreren Handschriften, deren Inhalt er auf- nimmt, die spanischen Kirchen angiebt, welchen sie gehörten. Die neuesten Stücke der Sammlung sind aus dem Ende des sechsten Jahrhunderts. Na- mentlich enthält sie die Schlüsse der 3'* toledanischen Synode von 589, über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 97 aber die der 4“* von 633, einer der wichtigsten der späteren Sammlung, nicht. Man kann daher mit Sicherheit annehmen, dafs die 4bbreviatio aus Handschriften genommen ist, welche in die lezten Jahre des sechsten oder in die ersten des siebenten Jahrhunderts gehörten. Die eine der beiden Handschriften der AZbbreviatio, welche sich zu Verona befindet, hat zwar auch ein Decret der römischen Synode von 721; allein in der zweiten, die der Kathedralkirche in Lucca gehört, fehlt dies. Es ist also neuerer Zusatz. Man kann in dieser Zbbreviatio fünf Handschriften unterscheiden, die excerpirt sind. Das erste Stück bilden die oben erwähnten Capitula Martini episcopi Bracarensis, welche in der Isidorischen Sammlung als Anhang der 2'* Synode zu Braga von 572 stehen. Sie sind eine Sammlung von Regeln der Kirchendisciplin, auf die Decrete der älteren morgenländischen Synoden gegründet, aber ohne den Inhalt dieser wörtlich, auch nur abgekürzt, wieder zu geben, also etwas ähnliches wie die vorhin erwähnten Statuta antigqua oder die Canones Basilii in der Sammlung des Joannes Antiochenus. Der Ver- fasser der Abbreviatio bemerkt ausdrücklich: dafs er sie aus einer Handschrift der Kirche zu Braga (ex libro Bracarensi) genommen habe. Hierauf folgt ein zweiter Abschnitt, als dessen Quelle ein fiber Com- plutensis angegeben wird. Das alte Complutum (unweit Alcala) gehörte zum Kirchensprengel von Toledo. Diese Handschrift enthielt eine Übersetzung der ältesten griechischen Sammlung von Concilienschlüssen, welche auf der chalcedonischen Synode gebraucht wurde, nur ohne die Decrete der Synode zu Constantinopel, welche in jener als ein neu beigefügtes Stück sich be- fanden. Es fehlten daher von den griechischen Synodalschlüssen die in den abendländischen Sammlungen sich finden, die chalcedonischen; aber auch die laodicäischen hat wenigstens die Abbreviatio nicht excerpirt. Unter den nicäischen standen vor den übrigen übersetzten Schlüssen auch die sardi- censischen. Welche Übersetzung der Sammler vor sich hatte, ob die Isidorische, oder die versio prisca, oder eine sonst unbekannte, bemerken die Ballerini nicht. Es scheint daher dafs es sich aus den blofsen Excerpten die der Ab- breviator giebt, nicht mit Sicherheit bestimmen läfst. Wenn es gegründet ist dafs die versio prisca die Schlüsse der laodicäischen Synode nicht ent- halten hat, so könnte man aus dem Umstande, dafs sie auch hier fehlten, auf Philos.- histor. Abhandl. 1834. N 08 Eıcnunorn diese schliefsen. Indessen ist jenes keineswegs so entschieden als die Balle- rini annehmen (!). Auf diese griechische Sammlung folgt nun in der Abbreviatio, wie man deutlich sieht, eine andere Quellensammlung, die ein selbstständiges Ganzes bildet. Sie enthält auch wieder die griechischen Concilienschlüsse, und zwar, wie die Ballerini auch aus den blofsen Excerpten mit Sicherheit schlie- fsen zu können glauben, in der Isidorischen Übersetzung; diese Handschrift hatte auch alles was diese Übersetzung in der neueren spanischen Samm- lung umfafst, namentlich die Briefe des Cyrillus unter der Benennung der ephesinischen Synode, welche ein charakteristischer Bestandtheil der Isido- rischen Sammlung sind. Die nicäischen Schlüsse hingegen standen darin so, wie sie auch in gallischen Handschriften gefunden werden, nach der abge- kürzten Übersetzung des Rufinus. Mit diesen übersetzten Concilienschlüssen waren in dieser Sammlung die Decrete africanischer Concilien, namentlich unter dem Namen einer carthagischen Synode, und aufserdem die Schlüsse gallischer und spanischer Synoden verbunden. Die Sammlung welche der Abbreviator vor sich hatte, war also dem ersten Theil der Isidorischen in ihren Grundbestandtheilen ganz gleich. Sie unterschied sich aber von dieser in zweierlei: 1) Sie war nicht planmäfsig geordnet. Auf die nicäischen Schlüsse folgen die der 1“ Synode zu Arles vom J. 314, dann die übrigen griechischen, aber ohne Ordnung; die antiochischen stehen z. B. erst hinter den chalcedonischen; hierauf einige gallische und spanische, dann die afri- canischen, dann wieder gallische und spanische, alles ohne Rücksicht auf die s sind die Decrete einer 3 Synode zu Valencia vom J. 546. 2) Ein zweiter Unterschied besteht darin: Zeitfolge. Das neueste Stück der ganzen Sammlun die Isidorische Sammlung hat zwar auch alles was sich in dieser findet, aber aufserdem noch mehr von africanischen Synoden, so wie auch eine gallische und einige spanische die hier nicht stehen. Ob diese ganze Sammlung ebenfalls in dem vorher als Quelle be- zeichneten complutensischen Codex stand, erhellt nicht. Eine spanische war sie nach ihrem Inhalt gewifs. Dann folgt ein vierter Abschnitt, mit der An- gabe, dafs er ex libro Agabrensi genommen sei. Der Bischof von Agabra, oder wie es häufiger geschrieben wird, Egabra, gehörte zum Metropolitan- (') Man sehe mein Kirchenrecht Bd. 1. S.90. Note 5. und S.108. 109. über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 99 sprengel von Sevilla, wie man aus dem 1“ und 2'= Concilium von Sevilla sieht. Es ist daher auffallend, dafs der Codex das erste dieser gedachten Concilien vom Jahr 592 nicht enthielt und doch erst nach diesem Jahr ge- schrieben war; denn er enthielt die Schlüsse einer Synode von Huesca v.J. 598, welches das neueste Stück ist. Da es indessen ganz am Ende steht, kann es ein einzelner neuerer Nachtag sein, der einem vor 592 geschrie- benen Codex beigefügt wurde. Den Inhalt dieses Codex bildeten blofs Schlüsse gallischer, spanischer und africanischer Synoden; unter diesen sind mehrere Stücke die in der vorhergehenden Sammlung fehlen und in der Isi- dorischen Sammlung stehen, aber auch mehrere, die zwar in der ältesten Redaction der Isidorischen Sammlung sich nicht finden, wohl aber in den späteren spanischen Handschriften nachgetragen sind. Der fünfte und lezte Abschnitt enthält endlich 31 Briefe römischer Bischöfe und einen Brief des Hieronymus an Bischof Patroclus von Arles. Der leztere findet sich bei Isidor in seinen Etymologien benutzt. Unter den ersteren ist der bekannte unächte Brief des Bischof Clemens von Rom, der schon im fünften Jahrhundert in Umlauf war und das erste Stück im Pseudo- Isidor ausmacht. Sonst ist nichts unächtes darunter. Die ächten Briefe die- ses Codex stehen insgesammt in der Isidorischen Sammlung und sind zum Theil auch solche, welche Dionysius hat, woraus man sieht, dafs nicht alles was der Isidorischen und Dionysischen Sammlung gemein ist, erst durch die leztere in Spanien bekannt geworden ist. Eben so sieht man, dafs die Quel- lensammlungen der spanischen Kirche schon vor der neuen Redaction der- selben im siebenten Jahrhundert Decretalen enthielten, wie es auch durch die Acten der vorhin erwähnten Synode zu Braga, wo sie als Quellen des Lehrsystems gebraucht werden und durch die gleich zu erwähnende 3" tole- danische Synode vom J. 559 bestätigt wird, in der sie überhaupt zu den Quellen des Kirchenrechts gezählt werden. Vergleicht man den Inhalt der spanischen Handschriften des sechsten Jahrhunderts welcher sich aus dieser dbbreviatio ergiebt, mit der Isidorischen Sammlung, so sieht man dafs der Verfasser der lezteren zwar schwerlich eine einzelne frühere Sammlung zum Grunde gelegt hat, deren Plan er dabei ver- folgt und nur vollständiger ausführt, sondern von einem selbstständig ent- worfenen Plan ausgeht, dafs er aber aufser Dionysius nichts als einheimische Materialien dabei benutzt hat. N2 ’ 100 Eıcuuorn Den Plan selbst entwickelt die Vorrede der Isidorischen Sammlung; er war aber in der That schon durch die Decrete der 3"* toledanischen Syn- ode vorgezeichnet. König Reccared hatte diese im Jahr 559 (627 der spani- schen Era) berufen, um feierlich zu erklären: dafs er mit der Gesammtheit der westgothischen Nation dem Arianismus entsage und zur katholischen Kirche übertrete. Erst von diesem Zeitpunkt an kam in die kirchlichen Einrichtungen des westgothischen Reichs mehr Ordnung. Eine allgemeine Kirchengesetzgebung auf Reichssynoden, unter dem Schutz und der Mitwir- kung des Königs, wurde jezt möglich. Bis dahin waren die katholischen Provineialen und ihre Bischöfe nur eine geduldete Parthei gewesen, welche zwar zuweilen mit Zustimmung des Königs Synoden halten durfte, aber in einzelnen Zeitpunkten gedrückt, selbst verfolgt, und in ihrer kirchlichen Wirksamkeit wenigstens immer vielfach gehemmt worden war. Gleich auf der ersten Synode mit welcher jener neue Zustand der Dinge eintrat, rich- tete sich daher die Aufmerksamkeit der Bischöfe auf die Maafsregeln die zu ergreifen wären, um nun im ganzen Umfang des Reichs Lehre und Diseciplin nach den Dogmen und Decreten herzustellen, deren Inhalt die katholische Parthei für canonisch anerkannte, weil sie von rechtgläubigen Vätern aufgesetzt worden waren. Gleich der erste Canon welchen diese Synode aufstellte, spricht den Grundsatz aus: fortan solle nun nichts mehr geduldet werden, was in den alten Canonen verboten sei und sowohl die Schlüsse aller Concilien als die epistolae synodicae der römischen Bischöfe sollten in allem genau befolgt werden. In welchem Sinn von den Schlüssen aller Concilien die Rede war, kann nicht zweifelhaft sein. Es war derselbe in welchem die chalcedonische Synode, deren Ausspruch die in Toledo versammelten Bischöfe wohl unmit- telbar vor Augen hatten, für angemessen erklärt hatte, alle von den heiligen Vätern verfafsten Decrete zu beobachten (!). Sie schlossen damit die Ca- nonen solcher Synoden aus, welchen der Ruf der Rechtgläubigkeit fehlte. Was die allgemeinen Synoden ausgesprochen hatten, galt schon darum für Canon, weil die Synode als eine allgemeine anerkannt war. Was andere Synoden, wenn sie nur für rechtgläubig gehalten wurden, nicht vermöge ih- rer Autonomie sanctionirt hatten, sondern weil sie es für eine auf apostoli- (') Siehe mein Kirchenrecht Bd.1. 8.45 u. f. über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 101° scher Tradition ruhende Regel, für Canon im ursprünglichen Sinn dieses Ausdrucks (!) hielten, galt ebenfalls dafür, wenigstens so lange eine allge- meine Synode nichts anderes festgesetzt hatte. Dasselbe Ansehen hatten die römischen Lehrschreiben, welche die Traditionen der römischen Kirche be- zeugten, die daher auch in der Vorrede der Sammlung unter diesen Gesichts- punkt gestellt werden. Was auf blofser Autonomie beruhte, war freilich nur ein bindendes Provincialgesetz, aber als Autorität befolgte man es auch an- derwärts, wenn man kein anderes Herkommen kannte, oder etwas anderes festzusetzen den Umständen angemessen fand. Diesen Grundsätzen folgt nun auch die Vorrede der Isidorischen Sammlung.’ Vor Constantin, so beginnt sie, gab es keine allgemeinen Con- cilien; überhaupt zählt sie deren nur vier auf: die nicäische, 1° constantino- politanische, 1° ephesinische, und chalcedonische; auf diesen, erklärt sie, beruht der katholische Glaube. Bei jener wird daher auch das Hauptdogma angegeben welches sie festgestellt hat und die Häresis welche sie verdammt hat. Dann heifst es weiter: sed et si quae sunt synodi, quas sancli patres spi- ritu Dei pleni sanxerunt, post istarum quatuor auctoritatem, omni manent stabilitae vigore, gquarum etiam gesta in hoc opere continentur. Der Verfasser der Sammlung erklärt mithin sehr bestimmt seine Sammlung für eine vollständige, die den gesammten Inbegriff der Dogmen und der Disciplinarregeln, welche auf Kirchengesetzen beruhen in sich fasse. Begreiflich nur in dem Sinn, dafs sie vereinige, theils was durch allgemeine oder doch rechtgläubige Synoden als Canon anerkannt worden, theils was besondere Disciplin der rechtgläubigen spanischen Kirche sei. Über die Anordnung bemerkt die Vorrede: man habe die nieäischen Schlüsse wegen des Ansehens der Synode vorangestellt, ob sie gleich nicht die ältesten seien; dann lasse man folgen: die gesta diversorum_ concılio- rum Graecorum ac Latinorum, sive quae antea sive quae postmodum facta sunt, sub ordine numerorum ac temporum capitulis suis distincta. Die Con- cılia Latinorum sind daher zwar nach den oben bezeichneten Ländern, die eines jeden Landes dann aber chronologisch, jedoch so geordnet, dafs immer die sämmtlichen in derselben Stadt gehaltenen Synoden nur unter sich chronologisch eingereiht beisammen stehen. Dieser genau und voll- (') Siehe ebendaselbst S. 34. 102 Eıcumorn ständig durchgeführte Plan ist auch bei den späteren Zusätzen immer bei- behalten. Dafs gerade die Schlüsse der griechischen Synoden welche aufge- nommen sind, als rechtgläubige galten, verdankten sie ohne Zweifel dem Umstand, dafs sie insgesammt schon längst in den ungeordneten Sammlun- gen der spanischen Kirche standen, gerade so wie die nehmlichen Synoden in der römischen Kirche allmählich Ansehen erhielten, weil sie Dionysius neu übersetzt hatte und seine Sammlung in der römischen Kirche von ihrer Entstehung an gebraucht wurde, ohngeachtet noch im fünften Jahrhundert die römische Kirche den antiochischen Schlüssen alles Ansehen abgesprochen hatte. Hingegen hat in der spanischen Kirche die Autorität des Dionysius nichts entschieden. Während man aus dem zweiten Theile der Isidorischen Sammlung sieht, dafs deren Verfasser jenen kannte und benutzte, liefert die Vergleichung ihres Inhalts mit dem Codex des Dionysius mehr als einen Be- weis, dafs der Spanier sich an keine fremde Autorität, sondern blos an den Gebrauch der spanischen Nationalkirche band. Er benutzt freilich die Schreiben der römischen Bischöfe die er bei Dionysius fand, da Ja die tole- danische Synode die Lehrschreiben der römischen Bischöfe überhaupt als Normen für die spanische Kirche anerkannt hatte, aber er nimmt aus Dio- nysius keine Concilienschlüsse auf, wenn sie auch dieser besser und voll- ständiger hatte, sondern nur die, welche die spanische Nationalkirche von jeher als Schlüsse rechtgläubiger Synoden betrachtet oder selbst verfafst hatte. Die Bedeutung der spanischen Sammlung, als autorisirter Codex der spanischen Kirche, tritt hier zuerst hervor, und es bewährt sich, wie sich weiter unten zeigen wird, dafs die spanische Kirche nie von diesem Grund- satz abgewichen ist. 1) Dionysius hatte 50 Canones Apostolorum; die Isidorische Samm- lung hat nichts davon aufgenommen, wie die Vorrede sagt, weil sie von ketzerischen Bischöfen aufgesetzt worden, wenn sie auch einiges Gute ent- hielten. Sie beruft sich darauf, dafs sie deshalb von der apostolischen römi- schen Kirche und den rechtgläubigen Vätern verworfen worden, beharrt also bei dem Ausspruch den die römische Kirche im fünften Jahrhundert gethan und die spanische von ihr aufgenommen hatte, dafs die Canones Apostolorum kein Ansehen hätten, während die römische Kirche, seitdem sie die Samm- lung des Dionysius brauchte, davon abgewichen war. über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 103 2) Dionysius hatte eine bessere Übersetzung derselben griechischen Schlüsse, welche der Verfasser der spanischen Sammlung als Graecorum con- cilia voranstellte, aber dieser nahm dennoch seinen Text blos aus den spani- schen Materialien. Schon die Ballerini haben hieraus geschlossen, dafs die Isidorische Übersetzung, die von Alters her in Spanien übliche gewesen sein und schon kirchliches Ansehen gehabt haben müsse, ohngeachtet man aus der Abbreviatio sieht, dafs auch andere Übersetzungen nicht unbekannt waren. 3) Dionysius hatte africanische Concilien, und eine Sammlung ähn- licher Art war auch in Spanien bisher zu den Rechtsquellen der katholischen spanischen Kirche gezählt worden. Der Verfasser der Isidorischen Sammlung hätte das was er in seinen einheimischen Materialien fand, aus Dionysius verbessern und ergänzen können; der Codex des Dionysius war zum Theil reichhaltiger, zum Theil aber auch mangelhafter; er enthielt die Statuta ec- clesiae antiqua nicht. Man findet aber, dafs die Isidorische Sammlung nichts enthält was nicht schon früher in der spanischen Kirche recipirt war. Auch hier also tritt das Princip wieder hervor, dafs die Sammlung ein Codex der spanischen Nationalkirche sein sollte. Er nahm nur das recipirte auf. Man sieht indessen, wie es sich nachher auch bei den gallischen und spanischen Conceilien zeigen wird, dafs bei der Redaction der Isidorischen Sammlung allerdings manches übergangen worden ist, was schon damals in Spanien kirchliche Autorität hatte, weil es sich in den Materialien nicht fand, die bei der ersten Redaction dem Verfasser zugänglich waren. Namentlich enthielt der Codex welchen die Abbreviatio den liber Agabrensis nennt, mehrere sol- cher Stücke. Von africanischen Concilien hatte er ein Concilium Teleptense, oder wie es in andern Handschriften heifst, Telense. Da es dem Prineip nach in die Sammlung gehört hätte, ist es in spätern Handschriften nachge- tragen. Auch in diesen ist hingegen nie der reichhaltigere Codex des Dio- nysius zur Ergänzung gebraucht worden. Die Aufnahme gallischer Concilien in die spanische Sammlung wollen die Ballerini und nach ihnen alle übrige Geschichtsforscher daraus erklären, dafs die gallicanischen Conceilien überhaupt in Spanien grofses Ansehen ge- nossen hätten, also aus den nehmlichen Gründen, aus welchen die Schlüsse der griechischen Synoden, die nicht zu den allgemeinen gehörten, und die africanischen aufgenommen worden waren. Allein eine genauere Unter- suchung setzt aufser Zweifel, dafs die gallischen Decrete als Provinzialgesetze 104 Eıcaınuorn betrachtet worden und nur solche in die Sammlung aufgenommen sind. Auf keiner grofsen spanischen Synode fehlen die Bischöfe der gallischen Gegen- den des westgothischen Reichs; auf den Reichssynoden heifsen daher die versammelten Bischöfe häufig ausdrücklich: episcopi Hispaniae Galliaeque. Nur die Concilien welche in dem westgothischen Gallien Provinzialgesetze waren, sind bei der ersten Redaction der Isidorischen Sammlung aufgenom- men und nur solche sind auch späterhin nachgetragen worden. Von den gallischen Concilien der ersten Redaction nehmlich ist das älteste Stück die Synode zu Arles vom J. 511. Die leztere nennt man ge- wöhnlich und mit Recht die 1“ fränkische Synode; denn es war die erste zu welcher Chlodwig Bischöfe aus allen Theilen seines Reichs und daher auch aus den seit dem J. 507 eroberten westgothischen Provinzen berief. Da indessen die Westgothen seit dem J. 511 sich wieder eines Theils der narbonensischen Provinz bemächtigten, und die katholischen Kirchen der- selben mit den übrigen nun fränkisch gewordenen, mit welchen sie früher in Verbindung gewesen waren, fernerhin und so lange die Westgothen Arianer waren, ohne Zweifel fortwährend in kirchlicher Verbindung blieben, bei diesen fränkischen Kirchen aber die orleansschen Decrete Disciplinargesetze waren, weil ihre Bischöfe an ihrer Abfassung Theil gehabt hatten, so schei- nen diese auch fortwährend bei jenen kirchlich verbundenen westgothischen Kirchen in Ansehen geblieben zu sein. Die Synode galt ihnen ungeachtet der politischen Trennung für eine ihrer Kirche angehörige. Aber eben darum ist auch in der spanischen Sammlung alles weggelassen, was sich auf die politischen Verhältnisse der versammelten Bischöfe bezieht. In den frän- kischen Handschriften geht ein Prolog voraus in welchem ausdrücklich er- wähnt wird, dafs die Bischöfe auf Chlodwigs Befehl versammelt worden und er ihnen selbst die Gegenstände ihrer Berathung vorgeschrieben habe. Die- ser Prolog steht in keiner Handschrift der spanischen Sammlung. Übrigens sieht man deutlich, dafs auch bei den gallischen Concilien der Verfasser der Isidorischen Sammlung einem bestimmten Codex folgte und nichts aufnahm, als was er in diesem fand. Dies war, wie der Inhalt ergiebt, ein Codex, der ursprünglich bei einer Kirche, die zur Kirchenprovinz von Arles gehörte, angelegt, und nachher in einer Kirche der narbonensischen Provinz mit Nachträgen vervollständigt war. Die acht ersten gallischen Concilien gehö- ren alle jenem arelatensischen Metropolitansprengel und dem vierten und über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 105 fünften Jahrhundert an. Dann aber ist die Synode zu Agde vom J. 506 und die Synode von Orleans beigefügt. Es gab aber, wie man aus den späteren spanischen Handschriften der Isidorischen Sammlung sieht, bei den Kirchen der narbonensischen Provinz auch Codices die mehr enthielten, aus welchen dann späterhin eben so die fehlenden Coneilia Galliae ergänzt wurden, wie zu den africanischen, wie ich oben bemerkt habe, das Concilium Teleptense hinzu kam. Der Codex welcher hierzu benutzt wurde, war wie der bei der ältesten Redaction gebrauchte, in der Zeit angelegt, wo die Kirchen des westgothischen Galliens mit dem fränkisch gewordenen Theil der narbonen- sischen Provinz noch in kirchlicher Verbindung standen. Es sind lauter Synoden dieser Gegenden und das neueste Stück eine Synode zu Auvergne vom J. 546. Mit dem Übertritt der Westgothen zur katholischen Religions- partei hörte alle Verbindung der westgothischen und fränkischen Bischöfe auf. Die kirchlichen Einrichtungen wurden mit den Staatseinrichtungen in Verbindung gesetzt. Auf den Reichssynoden erschien auch der König selbst mit den weltlichen Grofsen. Es entstand eine westgothische National- kirche aus einer Kirche, deren Provinzen sich früher nach der römischen Eintheilung und dem Katholieismus bestimmten. Daher ist späterhin, auch in den neuesten spanischen Handschriften, keine einzige fränkische Synode aus dieser späteren Zeit nachgetragen worden. Die spanische Kirche zeigt sich hierin wiederum viel selbstständiger als irgend eine andere abendlän- dische und namentlich als die fränkische selbst. Bei den spanischen Synoden läfst sich nicht verkennen, dafs der Ver- fasser der Isidorischen Sammlung aufnahm, was er in den ihm zugänglichen Handschriften von Synoden katholischer Bischöfe fand, die damals zum west- gothischen Reich gehörten. Auch die gallieischen Synoden zu Braga sind daher aufgenommen; denn wiewohl sie noch unter der Herrschaft suevischer Könige gehalten waren, gehörten doch diese Gegenden zu Anfang des sieben- ten Jahrhunderts längst zu den Besitzungen der Westgothen. Aber gerade in diesem Theil der Sammlung war diese am wenigsten vollständig. In der Wiener Handschrift, in der Vaticanischen und in dem Codex des Rachio, fehlen 6 Synoden, die insgesammt älter sind als die 4" toledanische vom J. 633, und erst später gleich den spanischen Concilien nachgetragen sind ('). (') Es sind die Schlüsse folgender Concilien: des 2! zu Saragossa Era 630; Conc. Bar- Philos.- histor. dbhandl, 1834. Ö 106 Eıcuuorn In dem zweiten Haupttheil der Sammlung, den Decretalen römischer Bischöfe, brachte der Verfasser desto vollständiger zusammen, was bei den spanischen Kirchen von jenen in Umlauf war. Bis auf 3 Stücke, die in den neueren spanischen Handschriften hinzugefügt sind, stimmen diese mit den ältesten genau überein. Jene 3 Stücke aber gehören auch noch in das sechste Jahrhundert. Der spanische Codex römischer Decretalen ist also ein ge- schlossenes Ganzes geblieben. Die Briefe Gregors des Grofsen, Zeitgenossen des Königs Reccared, welchem jener in einem derselben, der schon der äl- testen Redaction angehört, zu seinem Übertritt zur katholischen Parthei Glück wünscht, sind die letzten Actenstücke welche die Sammlung in ihrem zweiten Theil auch in den neuesten Handschriften enthält. Unächte Stücke sind nicht darunter, obgleich, wie oben bemerkt worden ist, der unächte Brief des Clemens, das erste Stück des Pseudo-Isidor, schon längst in Spa- nien bekannt war. Man könnte sich den Umstand, dafs die Decretalen- sammlung keine späteren Nachträge erhalten hat, aus dem seit dieser Zeit in Spanien gesunkenen Ansehen des römischen Stuhls erklären wollen, und fände in zwei sehr merkwürdigen Thatsachen Argumente dafür, wenn diese unter einen Gesichtspunkt gestellt werden dürften, unter welchem sie dafür gelten könnten. Die erste bietet die spätere Ergänzung der spanischen Sammlung selbst dar. Die 3" allgemeine Synode zu Constantinopel vom J. 681 gab Papst LeoII Veranlassung, das Glaubensbekenntnifs, welches jene aufgesetzt hatte, den spanischen Bischöfen zu übersenden und sie aufzufordern, ihm ihre feier- liche Zustimmung zu den hier anerkannten Dogmen einzusenden. Auf der 14“ toledanischen Synode vom J. 685 erklärten die westgothischen Bischöfe, sie fänden dieses Bekenntnifs nach angestellter Untersuchung und Verglei- chung desselben mit den Dogmen der früheren allgemeinen Synoden recht- gläubig, und beschlossen es in ihre Sammlung der Concilienschlüsse, die auch hier wieder als ein förmlich von der spanischen Kirche autorisirter Co- dex erscheint, als 5'* öcumenisches Concilium aufzunehmen. Man findet es daher in den neueren Handschriften, hinter der 1“ constantinopolitanischen Synode, unter dem Namen des 2: Conciliums zu Constantinopel. Beigefügt ceinocense I. um 593; Barcinocense II. von 600; die Synoden zu Narbonne von 590; Huesca von 598 und Cone. Egarense von 615. über die spanische Sammlung der Quellen des K irchenrechts. 107 sind vier Briefe Leo’s II und einer seines Nachfolgers Benedict’s II, welche sich auf die Annahme des Bekenntnisses beziehen, als zu diesem selbst ge- hörende Actenstücke. Die spanischen Bischöfe hatten aber zugleich gut ge- funden, indem sie Benediect II von ihrem Beitritt zu den dogmatischen Aus- sprüchen der nun auch von ihnen als öcumenisch anerkannten Synode Nach- richt gaben, ihm eine eigene dogmatische Erörterung über die festgesetzten Lehren in Form eines Glaubensbekenntnisses zu übersenden, an dessen Aus- drücken der Papst einiges zu tadeln fand. Julian, Erzbischof zu Toledo, brachte dies in der 15“ toledanischen Synode von 688 zur Sprache, und rechtfertigte das spanische Bekenntnifs in den stärksten Ausdrücken gegen jene Ausstellungen. Der Papst wird des Mangels an Einsicht beschuldigt, die Bischöfe erklären bei ihrem Bekenntnifs zu beharren, was auch von Un- wissenden dagegen eingewendet werden möchte. — Es läfst sich nicht läug- nen, dafs die Sprache der spanischen Bischöfe in diesen Verhandlungen keine Spur der tiefen Verehrung enthält, mit welcher sie ehemals die römischen Belehrungen aufgenommen hatten. Eine zweite Thatsache beruht auf den Nachrichten späterer Geschichts- schreiber. Unter König Witiza, im J. 701, hatten spanische Geistliche von dem Ausspruch ihres Erzbischofs Recurs nach Rom ergriffen. Witiza soll hierauf ausdrücklich alle Recurse nach Rom verboten haben. Beide Thatsachen dürfen indessen überhaupt schwerlich für ein Zei- chen gelten, dafs in der spanischen Kirche sich eine andere Ansicht über ihre Stellung gegen den römischen Stuhl entwickelt hatte, als sie früher ge- habt und in so vielen Actenstücken ausgesprochen hatte. Man kann immer- hin zugeben, dafs in jenen Verhandlungen der 15‘ toledanischen Synode keineswegs blos der Ausdruck einer augenblicklichen gereizten Stimmung gesucht werden dürfe, wie Einige wollen; man kann sie als ein Zeugnifs gel- ten lassen, dafs die spanischen Bischöfe dem Papst keineswegs das Recht ein- räumten, das Bekenntnifs einer ganzen Nationalkirche einer Censur zu unter- werfen, wenn sie durch nichts gerechtfertigt war als durch die Deutung, die er einzelnen Ausdrücken geben zu müssen glaubte. Es folgt hieraus aber weiter nichts, als dafs die spanische Kirche auch noch am Ende des siebenten Jahrhunderts die Bedeutung des römischen Primats eben so auffafste, wie sie überhaupt früherhin aufgefafst worden war. Dafs man das Ansehen, welches die römische Lehre genofs, nicht aus einem mit dem Primat verbundenen 02 108 Eıcunorn Entscheidungsrecht in Glaubenssachen ableitete, sondern aus der Reinheit der apostolischen Tradition, die man bei der römischen Kirche voraussetzte, gerade so wie das Ansehen der römischen Disciplin auf dem nehmlichen Grunde, keineswegs auf einem in dem Primat liegenden, von anderen Kirchen anerkannten Recht der Gesetzgebung beruhte. Noch weniger läfst sich aus der zweiten Thatsache folgern. Zuerst ist es ganz ungewifs, was eigentlich Witiza verordnet hat. Die Acten der 18'* toledanischen Synode vom J. 701, welche darüber Auskunft geben mülsten, haben zwar in älteren spanischen Handschriften gestanden, aber sich in kei- ner erhalten. Aufserdem ist es bekannt, dafs die Geschichte dieses Königs bei den späteren Geschichtschreibern gerade durch die Abneigung der Geist- lichkeit gegen ihn entstellt erscheint, und man müfste, wenn er wirklich das frühere Verhältnifs der spanischen Kirche gegen den römischen Stuhl ver- ändert hat, eben aus jenem Umstand schliefsen, dafs er dabei keineswegs im Sinn der Majorität der spanischen Kirche gehandelt habe. In der That erklärt sich auch aus andern Gründen sehr natürlich, warum man in der spanischen Sammlung keine neueren Decretalen antriflt, während sie aus der Zeit vor dem siebenten Jahrhundert eine gröfere Anzahl aufbewahrt, als sich sonst irgendwo findet und als Dionysius in Rom selbst zusammenzubringen vermochte. Der frühere häufige Verkehr zwischen Spa- nien und Rom ging wenigstens am meisten aus den Glaubensstreitigkeiten hervor, in welchen sich die katholische Kirche Spaniens, als treue Anhän- gerin der Dogmen, welche die 4 ersten allgemeinen Synoden aufgestellt hat- ten, an die römische anschlofs, welche ja als die Hauptstütze dieses katholi- schens Glaubens betrachtet wurde. Der Arianismus der westgothischen Kö- nige und ihrer westgothischen Bischöfe, gegen welche die katholischen Bi- schöfe der Provincialen bis zum Ende des sechsten Jahrhunderts ihre Lehre, ihren Cultus und ihre Diseiplin zu vertheidigen hatten, knüpfte das Band noch fester. Reichssynoden gab es in dieser Zeit nicht. Selbst die Provin- cialsynoden waren selten. Auch in Disciplinsachen war man daher genöthigt, sich enger an die römische Kirche anzuschliefsen; eine blofse Provincial- synode wagte nicht über wichtigere Fragen der Disciplin zu entscheiden. Ganz anders stellte sich das Verhältnifs, seitdem die Bekehrung der Westgothen zum katholischen Glauben gelungen war. Die westgothischen Reichssynoden wurden der Mittelpunkt, von welchem alle kirchliche Thätig- über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 109 keit ausging; sie ordneten seitdem die Disciplin selbstständig. Sie behan- delten selbst die Glaubenssachen als Gegenstand ihres selbstständigen Ur- theils. Die 4“ toledanische Synode (can. 31.) führte regelmäfsige Concilien ein. Eine Synode soll jährlich gehalten werden; wenn Glaubenssachen oder Disciplinarsachen von allgemeiner Wichtigkeit zu berathen sind, soll eine Reichssynode ‚,generalis totius Hispaniae et Galliae Synodus’’ berufen wer- den; für gewöhnlich sollen Provincialconcilien genügen. Die ganze Reihe der toledanischen Synoden, von der 3 bis zur 17‘, oder vom J. 559 bis zum J. 694, von welchen die meisten Reichssynoden waren, deren Acten in den neueren spanischen Handschriften vor uns liegen, bezeugen dafs man diese Regeln befolgt hat. Mit der Selbstständigkeit, welche die spa- nische Kirche, seit König Reccared, durch Einheit erlangte, fielen also die Veranlassungen weg in Rom Belehrungen zu suchen, ohne dafs man darum vorauszusetzen braucht, dafs jene zugleich eine andere Ansicht von dem rö- mischen Primat aufgefafst hatte. An die Untersuchung, nach welchem Plan die Isidorische Sammlung redigirt worden und in wiefern dieser bei ihren späteren Ergänzungen bei- behalten worden ist, wird nun zunächst die Erörterung der Frage ange- schlossen werden können: ob Bischof Isidor von Sevilla für den Verfasser dieser Sammlung gehalten werden könne, oder sie ihm wenigstens zuge- schrieben worden sei. Sie ist für das Verständnifs der Nachrichten sehr wichtig, die sich späterhin bei gleichzeitigen Schriftstellern über die erste Verbreitung der falschen Decrete unter dem Namen einer Isidorischen Samm- lung finden. Ich habe schon oben gezeigt, dafs nach dem ältesten Inhaltsverzeich- nifs die Redaction der spanischen Sammlung zwischen die Jahre 633 und 636, oder zwischen die 4“ und 5“ toledanische Synode fallen mufs. Es fin- den sich aber noch mehrere Merkmale, dafs ihre Abfassung in diese Zeit zu setzen ist. Die 4“ toledanische Synode war die zweite Reichssynode nach dem Übertritt der Westgothen zur katholischen Kirche. Sie setzte das von jener begonnene Werk der vollständigen Einrichtung der Verfassung und Diseiplin der spanischen Kirche fort. Eine Reihe von Decreten, die sich hierauf be- zogen, giengen von ihr aus. Eines der ersten, welche sie fafste, war das vor- hin erwähnte, dafs alle Jahre ein Concilium gehalten werden solle, und 110 Eıcumuorn zwar, wenn Sachen vorfielen, welche den Glauben und Disciplinarangelegen- heiten von allgemeinem Interesse beträfen, eine Reichssynode, sonst nur Provincialconcilien. Dieser Beschlufs bildet, wie oben bemerkt wurde, den 3" Canon der Synode, und veranlafste sie, im 4‘ auch eine Verordnung zu geben, mit welchen Feierlichkeiten ein Coneilium eröffnet werden solle, wer dabei gegenwärtig sein dürfe und in welcher Reihefolge die Geschäfte vor- genommen werden sollten. Diese Verordnung hat die weitere Veranlassung gegeben, dafs späterhin der Vorrede der Sammlung noch ein ordo celebrandi concilii vorgesetzt worden ist, welcher jene Bestimmungen zur Grundlage nimmt und das, was sie kurz andeuten, genauer ausführt. Der ersten Re- daction der Sammlung scheint er nicht anzugehören;, denn die Ballerini und Coustant erwähnen ihn bei mehreren alten Handschriften nicht. In Spanien ist er zwar sehr bekannt und scheint in allen Handschriften zu stehen, welche die Sammlung selbst enthalten, aber meistens als ein besonderer Aufsatz, der sich auf diese nur bezieht. Indessen ist er wenigstens sehr alt. In dem Co- dex des Rachio von 787 steht er noch vor der Vorrede; dieser ist eine Ab- schrift eines vor dem Jahr 681 in Spanien geschriebenen Codex, und um diese Zeit scheint auch der Aufsatz geschrieben zu sein, da er der 11‘ tole- danischen Synode erwähnt, wenn dies nicht ein späterer Zusatz ist. Man kann dies nicht beurtheilen, denn Koch, in der Beschreibung des Codex des Rachio, hat den Ordo leider so wenig abdrucken lassen als die Madriter Aus- gabe; man scheint daher seine Wichtigkeit für die Geschichte der Sammlung ganz übersehen zu haben. Glücklicherweise findet er sich aber in den Con- eiliensammlungen, zwar zunächst nach Pseudo -Isidor, aber nach spanischen Handschriften berichtigt, mithin in einer Gestalt, in welcher seine Ächtheit gewifs ist, die überdies, so wie er sich hier findet, auch durch seinen Inhalt aufser Zweifel gesetzt wird. Vergleicht man diesen Aufsatz mit dem 4" Canon der 4'* toledani- schen Synode, so scheint dies folgende Resultate zu geben: Dieser bestimmt zuerst mit welchen Feierlichkeiten jede Synode er- öffnet werden soll, deren Beschlufs ein Gebet macht. Der Aufsatz enthält mehrere Formulare eines solchen. Dann soll ein Diaconus auftreten und aus dem Codex canonum die Capitel vorlesen, welche von den Geschäften der Coneilien handeln. Die Worte nach der Madriter Ausgabe lauten: Diaconus — codicem canonum in medium proferens, capitula de concilüs über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 41141 agendis pronuntiet, finitisque titulis metropolitanus episcopus concılium allo- quatur, dieens: ecce sanctissimi sacerdotes recitatae sunt ex canonibus prisco- rum patrum sententiae de concılio celebrando; si qua igitur guempiam aclio commovet, coram suis fratrıbus proponat. Man könnte hieraus folgern wollen, dafs es schon im Jahr 633 einen bestimmten autorisirten Codex canonum gegeben habe, denn von einem sol- chen ist offenbar die Rede, und so werden auch in dem Aufsatz vom Ordo concilü die Worte verstanden; denn dieser bezeichnet dabei die einzelnen Stellen der spanischen Sammlung, die verlesen werden sollen, unter welchen dieser Canon selbst die zuerst genannte ist. Wahrscheinlicher aber ist wohl, dafs die Synode, nachdem sie regelmäfsige Synoden angeordnet und deren Form bestimmt hatte, in dieser Bezugnahme auf einen Codex canonum nur die Absicht ausgedrückt hat, einen bestimmten, autorisirten Codex der Kirchengesetze einzuführen, und damit hängt dann auf das natürlichste zusammen, dafs man bald darauf eine Sammlung findet, die nach ihrem Inhaltsverzeichnifs unmittelbar nach dem Jahr 633 und vor 636 angelegt ist. Wäre der Codex schon auf der Synode selbst gebraucht worden, so dürfte man eine bestimmtere Bezugnahme auf dessen Inhalt erwarten. Weifs man nun zugleich, dafs Bischof Isidor von Sevilla auf der 4 toledanischen Synode den Vorsitz geführt hat, unter deren Schlüssen er als der erste unterschreibende Bischof genannt ist; erwägt man, dafs unter allen anwesenden keiner mehr als er berufen sein konnte, dem Bedürfnifs einer für die spanische Kirche berechneten Sammlung abzuhelfen und von dieser damit beauftragt zu werden; findet man die Auseinandersetzung von der Autorität der allgemeinen Concilien und der Bedeutung anderer Synoden, welche die Vorrede der späteren spanischen Sammlung enthält, wörtlich in seinen Origines wieder; weils man endlich, dafs ihm Pseudo -Isidor die Re- daction der von ihm verfälschten spanischen Sammlung zuschrieb, so scheint es auf den ersten Anblick sehr wahrscheinlich, dafs Isidor selbst der Ver- fasser derselben gewesen sei und auch die ächte Sammlung mit Recht von ihm benannt werde. Besonders de la Serna dringt darauf, dafs man es nach diesen Gründen kaum bezweifeln könne. Gieichwohl halte ich dafür, dafs stärkere Gründe dagegen sprechen, und glaube als entschieden betrachten zu dürfen, dafs sie ihm vor Pseudo- Isidor niemand zugeschrieben habe, womit sich denn für die Geschichte der 112 Eıcmmorn verfälschten Sammlung das sichere Datum ergäbe, dafs wo zuerst von ei- ner Isidorischen Sammlung die Rede ist, die Verfälschung schon vorgegan- gen war. Wenig Werth zwar lege ich auf die Einwendung, welche schon von andern gegen jene Annahme gemacht worden ist, dafs die gedachte Vorrede der Sammlung eher auf eine ungeschickte Weise in die Origines des Isidor übertragen, als aus diesen von ihm selbst bei der Redaction in jene herüber- genommen sei. Jene Stelle der Vorrede schliefst nehmlich in den Origines eben so wie in der Sammlung selbst, mit den Worten: dafs die Gesta sämmt- licher Concilien in diesem Werke (in hoc opere) enthalten seien, was nur auf die Vorrede, aber nicht auf die Origines pafst. Dies ist nehmlich nicht ent- scheidend, da es bekannt ist, dafs Isidors Freund und Lebensbeschreiber, Bischof Braulio von Saragossa, die Origines revidirt und vieles hinzugefügt hat. Die Stelle könnte also, wenn sie auch früher in der Vorrede als in den Origines stand, für ein Zeugnifs gelten, dafs Braulio dieselbe, eben weil sie von Isidor den Concilienschlüssen vorgesetzt war, in die Origines als eine von dem Verfasser derselben anderwärts beigebrachte Erörterung noch eingerückt habe, weil er glaubte, dafs sie auch in diesen einen schicklichen Platz finde. In dem vorhergehenden Capitel war von den Canones evangelü die Rede; es schien angemessen auch von den Canones concıliorum bei die- ser Gelegenheit beizubringen, was der Verfasser der Origines an einem an- dern Orte über diese gesagt, in die Origines aber nicht aufgenommen hatte, da diese lange vor der Sammlung geschrieben waren. Denn Isidor ist 636 gestorben; die nach 633 verfafste Sammlung müfste daher sein leztes Werk sein. Aber was mir entscheidend scheint, ist, dafs Braulio, von welchem man ein Verzeichnifs der Schriften Isidors hat, die Sammlung der Concilien- schlüsse unter diesen nicht nennt; eben so übergeht sie ein anderer Freund und Schüler des Isidor, Bischof Ildefons von Toledo, bei der Aufzählung seiner Werke. In keiner der ächten spanischen Handschriften, auch der spä- teren Zeit, wird jemals Isidor als der Verfasser der Sammlung genannt. Frei- lich wäre damit nicht dargethan, dafs sie nicht demohngeachtet aufserhalb Spanien dem berühmten Bischof von Sevilla hätte zugeschrieben werden können. Aber auch dagegen zeugen die ächten Handschriften des Codex aufserhalb Spanien. Auch von diesen nennt keine in der Vorrede Isidor als über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 113 den Verfasser. Ja, aus dem Codex des Rachio scheint hervorzugehen, dafs man von dem Verfasser überhaupt nichts wufste, weil die Erklärung welche er dem Codex selbst vorausschickt, Isidors Namen unmöglich übergehen könnte, wenn man jenen irgend einem bestimmten Verfasser zuzuschreiben gewulst hätte. Z2go Rachio, so erklärt er sich, hoc libro, canonum continen- lem in se doctrinam recte viventium patrum, scribere iussi omnem plenitudinem conciliorum secundum constitutionem anticorum patrum qui fuerunt congregati ad concilium in Nizea eivitate u.s.w. Würde er den Namen Isidors zur Em- pfehlung dieser damals im fränkischen Reich noch wenig bekannten Samm- lung verschwiegen haben, wenn ihn die Sage damit in Verbindung gesetzt hätte? Endlich eben Pseudo-Isidors Vorrede scheint mir zu beweisen, dafs die ächte spanische Sammlung vor ihm nicht für eine Isidorische gehalten wurde. Es wird weiter unten gezeigt werden, dafs er die Absicht hatte der verfälschten Sammlung durch den berühmten Namen Isidors Ansehen zu ver- schaffen und mit dem Isidor dem er seine Vorrede in den Mund legte, wie man den ältesten Päpsten die erdichteten Decretalen zugeschrieben hatte, den Bischof von Sevilla bezeichnen wollte, nicht, wie man aus dem /sıdorus Mercator einiger Handschriften geschlossen hat, einen anderen Isidor. Es scheint mir aber eine ganz unrichtige Folgerung, dafs er diesen Vertreter seines Werks gewählt habe, weil die Sammlung die er verfälschte, schon unter dessen Namen im Umlauf gewesen sei. Gerade unter dieser Voraus- setzung wäre ja auf den ersten Blick in die Augen gefallen, dafs man eine andere Sammlung als die bisher unter dem Namen der Isidorischen bekannte vor sich habe, während dagegen, wenn über den Verfasser der ächten spa- nischen Sammlung nichts bekannt war, der berühmte Name des angeblichen Verfassers der verfälschten Sammlung recht gut darauf berechnet war, sie ungeachtet jener Verschiedenheit zu empfehlen und das, was man hier mehr und anders geordnet fand, als in einer schon bekannten Samm- lung, sich aus der allgemein bekannten Gelehrsamkeit und Rechtskunde des Bischofs von Sevilla zu erklären. Die späteren Schicksale der Sammlung, zu welchen ich mich jetzt wende, umfassen zwei Hauptmomente: 1) die Zusätze, welche sie durch eine in Spanien selbst mit ihr vorgenommenen Revision erhalten hat; 2) ihre Verbindung mit einer Sammlung erdichteter Decretalen, welche angeblich Philos.-histor. Abhandl. 1834. E 114 Eıcunuonrn von Bischof Isidor von Sevilla herrühren sollte, von welcher sie in dieser Gestalt die Pseudo -Isidorische heifst. Die spanische Sammlung war, wie bisher gezeigt worden ist, nach ihrem Plan kein geschlossener Codex; sie sollte jenem gemäfs allmählig er- gänzt werden. Zu jedem der Hauptbestandtheile welche sie enthielt, mufsten nach jenem die neueren Actenstücke hinzukommen, durch welche die Do- gmen und die Disciplin der rechtgläubigen Kirche überhaupt, oder der spa- nischen insbesondere befestigt, ergänzt, weiter fortgebildet würden. In diesem Sinn, und nur in diesem, ist sie auch in Spanien allmählig erweitert worden, bis das westgothische Reich zu Anfang des achten Jahr- hunderts durch die Araber und Mauern zertrümmert wurde. Die Zerrüt- tung aller politischen Verhältnisse, unterbrach dann alle kirchliche Verbin- dung, und damit auch die Kirchengesetzgebung. Als sich späterhin mit der allmähligen Erhebung des Volks auch die kirchliche Verbindung wieder her- stellte, war die Zeit verschwunden, in welcher eine so selbstständige Natio- nalkirche bestehen konnte, wie die spanische nach dem System war, das sich in ihrer Gesetzsammlung selbst darstellt. Eine andere Disciplin hatte sich über ganz Europa verbreitet, deren Ursprung mit der Verfälschung je- ner Sammlung selbst in genauer Verbindung steht. Nach dieser wurde auch die spanische Kirche durch den Papst und die spanischen Bischöfe regiert. Zwar betrachtete die spanische Kirche fortwährend ihre alte Gesetzsammlung als die Grundlage ihrer Dogmen und ihrer Diseiplin; aber diese blieb ein geschlossenes Ganzes, und auch als solches scheint sie nur so lange ge- braucht worden zu sein, bis Gratians Decret in Spanien bekannt wurde, in welchem das, was die älteren Quellensammlungen noch brauchbares enthiel- ten, mit den Grundsätzen der allmählig entwickelten neueren Disciplin ver- bunden war. Seitdem kam in Spanien, wie im ganzen übrigen Europa, das alte canonische Recht in Vergessenheit. Das Decret und die Decretalen- sammlungen, welche die Päpste jenem anschlossen, galten für den Inbegriff der für die Kirche bestehenden Regeln der Disciplin. Die Geschichte der Vermehrung der spanischen Sammlung bis zum Untergang des westgothischen Reichs, ergiebt sich durch Vergleichung älterer und neuerer Handschriften der Sammlung ganz klar und vollständig. Wenn man den Inhalt der neueren spanischen Handschriften, welche der Madriter Ausgabe zum Grunde liegen, mit den Bestandtheilen zusammen- über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 115 hält, welche die Sammlung nach den ältesten Handschriften hatte, so sieht man, dafs sie bis zum achten Jahrhundert folgende Zusätze erhalten hat. 1) In die erste Abtheilung der Concilienschlüsse, Graecorum concilia, ist nach der 1°" constantinopolitanischen Synode, die 2" v.J. 681 eingerückt. Die Zeit und Veranlassung dieser Vermehrung habe ich bereits erörtert. 2) Zu der zweiten Abtheilung, 4/ricae concilia, ist, wie auch schon bemerkt worden, ein Stück hinzugekommen, welches schon in den oben beschriebenen ungeordneten Sammlungen, die man in Spanien vor der Ab- fassung eines autorisirten Codex brauchte, unter dem Namen Coneilium Te- leptense oder Telense sich befand. 3) Zur dritten Abtheilung, Galliae coneilia, sind die Decrete von sechs gallischen Provincialconcilien hinzugekommen. (!) Diese insgesammt sind in Städten gehalten, welche ursprünglich westgothisch waren, zu der Zeit aber wo jene Schlüsse abgefafst wurden, unter burgundischer oder fränki- scher Herrschaft standen. Sie gehören insgesammt in die erste Hälfte des sechsten Jahrhunderts. Ich habe bereits ausgeführt, dafs die Städte, welche den Westgothen seit 507 noch auf der Nordseite der Pyrenäen geblieben waren, so lange die Westgothen noch Arianische Bischöfe hatten, die kirch- liche Verbindung mit den Provinzen beibehielten, die mit ihnen ein kirch- liches Ganzes ausgemacht hatten, bevor die Franken und Burgunder einen Theil desselben ihrer Herrschaft unterwarfen. Was in dieser Kirchenpro- vinz damals Gesetz wurde, galt daher auch als Kirchengesetz für die Kir- chen zu Narbonne, Carcasonne, Beziers und in anderen westgothischen Städ- ten. Bei Abfassung des autorisirten spanischen Codex, waren, wie ich oben gezeigt habe, bereits eine Reihe Synodaldecrete dieser Art aufgenommen worden. Dafs andere derselben Art nachgetragen werden mufsten, die man Anfangs übersehen hatte, lag in dem oben entwickelten Plan. Dieser for- derte die Aufnahme aller Synodaldecrete für die gallische, zum westgothi- schen Reich gehörende Kirchenprovinz, bis zu der Zeit, wo die Westgothen zur katholischen Parthei übertraten und nun alle ihrem Reich unterworfene Bischöfe die kirchliche Verbindung mit dem Auslande aufhoben und sich (') Es sind folgende: die 2 Synode zu Vaison (Fasense) 529; 2' zu Orleans 538; Synode zu Epaon 517. Synode zu Carpentras 527. 1°! Synode zu Auvergne 1-.14939; mit einem dazu gehörenden Schreiben an König Theodebert. 2° zu Auvergne 546. P2 116 Eıcunorn an die westgothische Nationalkirche anschlossen, welche sich 589 consti- tuirt hatte. 4) Zur vierten Abtheilung, Concilia Hispaniae, sind dreierlei neue Bestandtheile hinzugekommen. a) Die gesammten Reichssynoden seit der 4“ toledanischen v. J. 633, wo die Abfassung eines autorisirten Codex, wie ich oben gezeigt habe, be- schlossen wurde. Die letzte dieser Reichssynoden war die 18“ toledanische v.J. 701. Sie kommt in Verzeichnissen der späteren spanischen Handschrif- ten vor; ihre Decrete haben sich aber nicht erhalten. b) Die Decrete von drei seit Abfassung der autorisirten Sammlung ge- haltenen Provincialconeilien: zu Merida 666, Braga (III) von 675 und zu Saragossa (Caesaraugusta III) von 691. c) Die Decrete von sechs Provincialconcilien, welche älter sind als die Abfassung des autorisirten Codex. (!) 5) Endlich zur zweiten Hauptabtheilung, den Decretalen, sind drei Stücke hinzugekommen, die dem Alter nach gleich bei der ersten Abfassung des autorisirten Codex hätten aufgenommen werden können: 1) die Decrete einer römischen Synode unter Papst Gregor I.; 2) ein Lehrschreiben dessel- ben Papstes; 3) ein Lehrschreiben des Papstes Hormisdas über den Canon der heiligen Schriften. Überblickt man den Zusammenhang dieser neu aufgenommenen Be- standtheile mit dem ursprünglichen Plan der Sammlung, so scheint folgen- des keinem Zweifel unterworfen. 1) Alle Stücke welche neuer sind als die erste Redaction des autori- sirten Codex, konnten nach dem Plan desselben nachgetragen werden, ohne dafs es eines besonderen Beschlusses einer Synode bedurfte. Die Reichssy- noden wurden begreiflich überall sogleich eingetragen; hingegen von den Decreten der Provincialsynoden konnte ein Codex mehr, der andere weni- ger enthalten, je nachdem er in dieser oder jener Kirchenprovinz geschrie- ben war; daher erklärt sich, dafs sich von diesen neuern Bestandtheilen in den Handschriften bald mehr, bald weniger findet und dafs man nach der Anzahl der Reichssynoden welche sie enthalten, ihr Alter mit Sicherheit be- stimmen kann. So hat der strafsburger Codex des Rachio noch die Decrete (') Man sehe oben Seite 105. Note 1. über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 117 der 12‘ toledanischen Synode v.J. 681, aber die der 13'= v.J. 683 nicht mehr. Das Original, welches Rachio copiren liefs, mufs also zwischen 681 und 683 geschrieben gewesen sein. Demohngeachtet hat er zwar die Sy- node von Braga von 675, aber nicht die von Merida von 666. Die wiener Handschrift, welche noch etwas später geschrieben ist, da sie bis zur 13!" toledanischen Synode von 683 reicht, hat weder die eine noch die andere dieser Provincialsynoden. 2) Alle Stücke welche älter sind als die Abfassung des autorisirten Codex, müssen dagegen durch eine planmäfsige Revision der Sammlung hineingekommen sein; denn sie fehlen entweder insgesammt oder finden sich insgesammt in den Handschriften. Die Revision bestand nach den dabei auf- genommenen Decreten, in einer Sammlung alles dessen, was sich bei einzel- nen spanischen Kirchen noch von Actenstücken fand, die nach dem Plan in die Sammlung gehört hätten, bei der ersten Redaction aber übersehen war. Sie mufs nach dem Jahre 683 gemacht sein; denn weder der strafsburger noch der wiener Codex hat diese Stücke; auch in dem ältesten Pseudo - Isi- dorischen Codex fehlen sie, obwohl dieser wie der wiener Codex die 13" toledanische Synode und auch wie der strafsburger die 3“ Synode von Braga v.J. 675 hat. Ich möchte diese Revision mit dem Einrücken der Decrete der 2‘ constantinopolitanischen Synode von 681 in die Sammlung in Ver- bindung bringen. Dieses wurde, wie ich oben gezeigt habe, auf der 4 to- ledanischen Synode v.J. 685 beschlossen. Damit wäre dann auch eine neue Anordnung der ganzen Sammlung verbunden gewesen. Denn jene älteren Handschriften rücken die neueren toledanischen Synoden nicht, wie der Plan erforderte, unmittelbar hinter den vorhergehenden älteren ein, sondern hin- ter der 1 Synode von Braga, offenbar weil es Codices waren, die einmal nach der Anordnung der ersten Redaction geschrieben waren, wo also das neuere nicht am gehörigen Ort, sondern nur da eingetragen werden konnte, wo eben noch Platz war. In den späteren Handschriften hingegen, wo sich die 2“ constantinopolitanische Synode und die nachgetragenen älteren Stücke finden, ist alles dem ursprünglichen Plane gemäfs geordnet. Ich wende mich nun zu den Schicksalen der spanischen Sammlung aufserhalb ihres ursprünglichen Vaterlandes, insbesondere in Frankreich. Es scheint nicht dafs sie hier vor dem Ende des achten Jahrhunderts in eigentlichen Gebrauch gekommen ist, wenn sie gleich auch schon früher 118 Eıcnnorn nicht ganz unbekannt war. Geht man nehmlich den Inhalt der Handschrif- ten durch, welche als Quellensammlungen des Kirchenrechts für das frän- kische Reich angesprochen werden können, so findet man eine einzige zuerst von Coustant beschriebene, welche die autorisirte spanische Sammlung be- nutzt hat. Alle übrige haben zwar Bestandtheile der spanischen Sammlung, aber blofs solche, welche sie nicht aus dieser entlehnt zu haben brauchen. Man findet von diesen zuerst die Übersetzung der griechischen Concilien- schlüsse, die wir jetzt die Isidorische, freilich von der spanischen Sammlung nennen, die aber dieser zu keiner Zeit eigenthümlich, sondern schon im Anfang des sechsten Jahrhunderts, also lange vor der Entstehung jener, all- gemein bekannt war.(!) Man findet ferner Decrete von africanischen und gallischen Concilien, die auch in der spanischen Sammlung stehen; aber die ersteren sind begreiflich aus demselben Grunde in die gallischen Sammlun- gen gekommen, aus welchem Dionysius und die spanische Sammlung sie auf- nahmen, wegen ihres allgemein verbreiteten Ansehens im Abendlande; die gallischen Concilien konnten als einheimische in den fränkischen Samm- lungen nicht fehlen; bei diesen mufs man vielmehr umgekehrt fragen, wie sie in die spanische Sammlung kamen, was oben erklärt worden ist. End- lich die fränkischen Sammlungen enthalten auch Deeretalen, aber stets in solcher Gestalt, dafs man sieht, sie können aus der spanischen Sammlung nicht genommen sein. Sie stehen in jenen in ganz anderer Ordnung, un- vollständig, wo diese sie vollständig hat, mit solchen verbunden, die in die- ser fehlen. Jene einzige Handschrift in welcher die spanische Sammlung erweis- lich benutzt ist, gehört in die zweite Hälfte des siebenten Jahrhunderts; denn sie enthält die Decrete einer Synode zu Chalons (an der Saone, Cabilonense) v.J. 650. Die spanische Sammlung die dabei benutzt ist, hatte als das letzte Stück die 8“ toledanische Synode v.J. 653; die 4“ von 633 ist in dem In- haltsverzeichnifs das letzte Stück. Nur im Text selbst, also nach der Ver- gleichung mit jenem Inhaltsverzeichnifs, erst in einem späteren Nachtrag, finden sich noch neuere ioledanische Synoden, Nach diesen Merkmalen hat Coustant ohne Zweifel recht, wenn er ihre Abfassung noch vor dem Ende I) des siebenten Jahrhunderts annimmt. Sie mufs daher für einen Beweis gel- (') Man sehe oben S. 94. über die spanische Sammlung der Quellen des Kıirchenrechts. 119 ten, dafs damals die autorisirte spanische Sammlung in Frankreich nicht ganz unbekannt war. Aber auf eigentliche Verbreitung ihres Gebrauchs, als Sammlung deren man sich als Ganzes gewöhnlich oder doch häufig bediente, ist schon darum hieraus nicht zu schliefsen, weil aufser den spanischen Reichs- synoden und ein paar anderen von dem reichen Inhalt derselben nichts ein- getragen ist. Der Franke in dessen Hände sie gekommen war, hatte wie Coustant zeigt die (Quesnelsche Sammlung, die überhaupt in Frankreich viel gebraucht ist, eine oder mehrere ältere fränkische Sammlungen und die spa- nische vor sich; aus ihnen compilirte er seinen Text nach Gefallen. Man wird daher mit ziemlicher Sicherheit annehmen dürfen, dafs ohn- gefähr erst um die Zeit wo Bischof Rachio von Strafsburg seinen Codex ab- schreiben liefs, die Sammlung als Ganzes in Umlauf gekommen ist. Es ist auch aus inneren Gründen unwahrscheinlich, dafs sie früher allgemeiner bekannt geworden sein möchte. Die frühere Verbindung zwi- schen den spanischen und gallischen Kirchen hörte ganz auf, als die West- gothen katholisch warden, folglich weit früher als die autorisirte Sammlung entstand. Es war also auch gewifs sehr zufällig, dafs um die Mitte des sie- benten Jahrhunderts ein spanischer Codex in die Hände eines fränkischen Geistlichen kam. Die Eroberung des westgothischen Galliens durch die Mauren, seit 720, unterbrach sogar allen Verkehr zwischen Spanien und Frankreich überhaupt. Erst Pipin, nachdem er sich Aquitanien unterwor- fen und bald darauf Narbonne den Mauren entrissen hatte, bemächtigte sich des westgothischen Galliens. Bald darauf bildete sich unter Karl dem Gro- fsen allmählig die spanische Mark auf ehemaligem spanischen Boden. Der Verkehr zwischen der westgothischen und fränkischen Geistlichkeit wurde dadurch enger als er seit dem Ende des sechsten Jahrhunderts je gewesen war. Zu dieser Zeit liefs Rachio seinen Codex schreiben, der, wie sich weiter unten ergeben wird, wahrscheinlich aus einer Handschrift genommen wurde die erst damals aus Spanien gekommen war und auch in die Hände des Erzbischofs Riculfs von Mainz gelangte. Die übrigen bekannt geworde- nen in Frankreich verfafsten Abschriften der reinen oder doch nur sehr we- nig verfälschten spanischen Sammlung, welche Coustant beschreibt, sind auch erst nach dieser Zeit genommen, und es hat sich überhaupt, wie es scheint, aufser der wiener Handschrift, die in Spanien selbst geschrieben ist, kein einziger Codex erhalten, der über Rachio’s Zeit hinaufgienge. 120 Eıcnnorn Rachio’s Codex enthält die Sammlung wie sie im J. 683 war; er ist reine Abschrift, ohne irgend einen Zusatz. Ohngefähr 80 Jahre später erscheint dieselbe Sammlung mit einer Masse unächter Decretalen verbunden, die beinahe die Anzahl der ächten erreicht, welche sie enthielt. Schwieriger aber ist es die Zeit wo die Ver- bindung geschah genauer zu bestimmen. Der älteste auf unsere Zeit gekommene Codex in welchem die falschen Decretalen mit der spanischen Sammlung in Verbindung gesetzt sind, befin- det sich in der Vaticanischen Bibliothek und ist von den Ballerini genau be- schrieben. Er stammt aus Frankreich und ist, wahrscheinlich in der Diöces von Arras, um das Jahr 568 geschrieben. Denn er giebt auch ein Verzeich- nifs der Päpste, unter welchen Nicolaus I., der von 858 bis 568 regiert hat, g wie sie im Jahr 683 war; zu ihr sind aber folgende Stücke hinzugekommen. der letzte ist. Er enthält die vollständige spanische Sammlun 1) Über neunzig ganz erdichtete Decretalen und sonstige Actenstücke; 2) Einige aus der Dionysischen und Quesnelschen Sammlung, so wie aus dem Registrum Papst Gregor I. entlehnte Stücke. 3) Einige Interpolationen in den Bestandtheilen der ächten spanischen Sammlung. Vorgesetzt ist eine Vorrede, in welcher sich der welcher die Samm- lung angeordnet hat und sich den Bischof Isidor nennt, über die Einrichtung seiner Sammlung erklärt. Ohne Frage ist darunter der Bischof Isidor von Sevilla verstanden. Um dieselbe Zeit wo dieser Codex geschrieben ist, waren die falschen Decretalen schon längst allgemein bekannt. Dies geht aus einem Zeugnifs des Erzbischofs Hincmars von Rheims hervor, dessen nähere Umstände fol- gende sind. In einer Streitigkeit des Bischof Hincmar von Laon ('!), mit seinem Öheim und Metropolitan dem Erzbischof Hinemar von Rheims im J. 869, hatte jener sich geweigert sich dem Ausspruch der Provincialsynode zu un- terwerfen vor welcher er sich verantworten sollte, und an den Papst appel- lirt. Nach den Grundsätzen des ächten Kirchenrechts war diese Appellation (‘) Man sehe: Planck Geschichte der christl. kirchl. Gesellschaftverfassung. Th. IH. S.177. Concilia ed. Harduin T.V. p.1311. seq. über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 121 unzulässig, da gegen ihn noch nichts erkannt war; aber nach dem Grundsatz der falschen Decretalen, dafs ein Bischof überhaupt nicht ohne Mitwirkung des römischen Bischofs gerichtet werden könne, wenigstens wenn er seine Richter für verdächtig halte, konnte sie gerechtfertigt werden (1). Auf die- sen Grundsatz stützte sich Hincmar von Laon und er hatte ihn wie man aus der ausführlichen Schrift sieht, welche der ältere Hincmar gegen ihn ver- falste (°), vornehmlich durch ein Actenstück zu beweisen versucht, welches unter dem Namen Capitula Angiramni in Umlauf war und sich auch in meh- reren Handschriften erhalten hat (?). Angilram Erzbischof von Metz war Archicapellan Karls des Grofsen gewesen. Da er durch dieses Amt aus sei- ner Diöces entfernt wurde und ununterbrochen am Hofe lebte, hatten seine Provincialbischöfe ihm die Verletzung der Kirchengesetze vorgeworfen, welche die Bischöfe zur Residenz in ihrer Diöces verpflichteten. Karl der Großse verschaffte sich aber eine Erlaubnifs des Papstes Hadrian, dafs er ihn an sei- nem Hofe behalten dürfe. Dafs er diese gehabt habe, sagt Karl der Grofse ausdrücklich in den Acten der Synode zu Frankfurt v.J. 794. Aus der Über- schrift der sogenannten Capitula Angilramni wird es sehr wahrscheinlich, dafs Angilram selbst deshalb nach Rom reiste, selbst wenn man dieses Actenstück für ein untergeschobenes erklärt, wie viele wollen. Nach einigen Hand- schriften nehmlich waren diese Capitel eine Sammlung von Excerpten aus Kirchengesetzen die Angilram von Hadrian erhalten hatte, als er im J. 785 um seiner Angelegenheiten willen in Rom war; nach anderen Hand- schriften hatte Angilram diese Capitel gesammelt und in Rom dem Papst übergeben. Selbst wenn das Actenstück untergeschoben wäre, mufste also wenigstens die Reise des Angilram nach Rom und die aus anderen sicheren Quellen gewisse Veranlassung derselben eine allgemein bekannte Thatsache sein (*). Die Capitel selbst sind ihrer Form nach kurze Sentenzen, wie sie (') Man sehe mein Kirchenrecht B.1. S.164. (?) Hincmari archiep. Rhemensis opera ed. Jac. Sirmond. Par. 1645. 2 Tom. fol. im zweiten Bande. (°) Concilia ed. Harduin. 'Tom.3. p.2063. (*) Die Überschrift: Hadriani P. capitula, quae ex Graecis et Latinis canonibus et synodis Romanis atque decretis praesulum ac principum Romanorum sparsim collecta sunt et Angilramno Mediomatricae urbis episcopo Romae a. b. Hadriano papa tradita Philos. - histor. Abhandl. 1834. Q 122 Eıcunorn auch Hinemar von Rheims nennt; ihrem Inhalt nach sind sie aus den fal- schen Decretalen entlehnt, aber die einzelnen Decretalen nicht angegeben aus welchen sie genommen sind. Erzbischof Hincmar von Rheims kannte nicht nur dieses Actenstück, sondern auch die Quelle aus der es geflossen war. Er wirft dem jüngeren Hincmar vor, dafs er um sich rechtfertigen zu können, die Grundsätze der Decretalen auf welche er sich stütze, auseinandergerissen, verstümmelt und verdreht habe. Er habe wohl gedacht sich dieses erlauben zu dürfen, weil er geglaubt habe dafs er jene Sentenzen und die Briefe selbst aus denen sie genommen seien allein besitze, was ihn sehr wundere: cum de ipsis sententüs plena sit ista terra, sicut et de libro conlectarum epistolarum ab Isidoro, quem de Hispania adlatum Rieulfus Moguntinus episcopus, in huiusmodi sicut et in Capitulis regüs studiosus, obtinuit et istas regiones ex illo repleri fecit. Man sieht auf den ersten Blick, dafs die Ausdrücke deren sich Hinc- mar bedient, auf einen Codex der spanischen Sammlung, in welchem diese mit den falschen Decretalen verbunden war, auf keine Weise passen. Niemand kann diesen einen liber collectarum epistolarum nennen; die päpst- lichen Schreiben sind ja nur ein Theil desselben, und die erdichteten und ächten zusammengenommen, betragen auch an Masse weit nicht so viel als die Conceilienschlüsse. Man mufs also geneigt werden die Voraussetzung zu machen, dafs Hincmar freilich die ganze Sammlung der erdichteten Decre- talen gekannt habe, aber dafs er sie in einem Codex vor sich gehabt habe, in welchem weiter nichts stand als Decretalen. In dieser Voraussetzung wird man durch die Handschriften bestärkt. Eine sehr grofse Zahl von Hand- schriften des Pseudo-Isidor enihält zwar eben die Vorrede, welche man in jenem Vaticanischen Codex findet, mithin eine Vorrede in welcher der Con- cilienschlüsse in Verbindung mit Decretalen gedacht wird, aber demohnge- achtet im Text nichts als die Decretalen, und kein einziges Stück von dem ersten Haupttheil der spanischen Sammlung, den Concilienschlüssen. Cou- stant bemerkt, dafs er die letzteren in keiner Handschrift gefunden habe; sub d.13 Cal. Oct. indictione 9 quando pro sui negotii causa agebatur. Harduin conc. Tom. 3. p.2063. — war die, welche Hinemar kannte. Es ist daher um so weniger zu bezweifeln dafs sie die ursprüngliche Überschrift ist, da die gedachte zweite gar nicht palst. Man sehe weiter unten. über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts, 123 von den dreizehn Handschriften, welche die Brüder Ballerini gehabt haben, enthielten zwar acht auch die Concilienschlüsse, sie fanden aber auch fünf Handschriften in welchen blos die Decretalen standen. Man darf daher wohl annehmen dafs auch Hincmar einen solchen oder einen ähnlichen Co- dex vor sich hatte; der Ausdruck Ziber collectarum epistolarum palst auf einen solchen vollkommen. Aus diesem, behauptet er, seien die Decretalen ge- nommen, auf welche sich sein Neffe berufe und die jedermann kenne. Geht man von dieser Thatsache weiter zurück um frühere Spuren der falschen Decretalen aufzusuchen, so findet man sichere Beweise, dafs sowohl vollständige erdichtete Decretalen als Auszüge aus ihnen bekannt waren, in ununterbrochener Reihe bis auf den Anfang der Regierung Ludwigs des Frommen, also 50 Jahre über den Zeitpunkt hinaus, in welchem Hincmar von der Briefsammlung des Isidorus spricht. Ich stelle nur einige der wichtigsten zusammen: Bald nach dem Jahr 857 liefs eine Provincialsynode zu Sens bei Papst Nicolaus I. die Bitte vor- tragen, dafs ihr ein Brief des Papstes Melchiades vollständig mitgetheilt wer- den möge, in welchem enthalten sein solle, dafs kein Bischof ohne Mitwir- kung des römischen Stuhls abgesetzt werden dürfe. Der Berichterstatter be- merkt: Bischof Hermann von Nevers habe häufige Geistesabwesenheiten; aus jenem Actenstück hoffe die Synode zu ersehen, was sie in Hinsicht seiner thun müsse, ob sie sich nach dem zu verhalten habe, was Papst Gregor I. in Beziehung auf einen Bischof von Rimini verfügt habe, oder ob ein Bi- schof, der sich in jenem Zustande befinde, von seinem Amt entfernt werden müsse, wie Papst Gelasius lehre. (') Der vorgedachte Brief des Melchiades ist eine der erdichteten Decre- talen. Man könnte auf den ersten Blick glauben, die Synode möge ihn nicht vollständig gehabt, sondern nur aus einem Auszug gekannt haben, da in ih- rer Anzeige die Bitte um Mittheilung des vollständigen Actenstücks als die Hauptsache hervortritt. Allein in den Auszügen auf welche ich weiter un- ten kommen werde, ist niemals angegeben, woher die Stellen genommen sind. Die Synode mufs daher die Decretale selbst gekannt haben und die Bitte um Mittheilung derselben ist überhaupt, wie schon Baluze bemerkt hat, wohl nur eine Wendung deren sie sich bediente, um sich durch die Antwort (') S. Concilia ed. Harduin. T.\V. p.348. (2 124 EıcHhuorn zu versichern, dafs ihr Verfahren, wenn der Papst die Entfernung des Bi- schofs gebilligt habe, durch den Einspruch des Königs, den sie befürchtete, nicht werde umgestofsen werden. Hätte man noch ein Bedenken über die Beweiskraft dieser Thatsache, so würde sie durch ein Schreiben gehoben, welches eine Synode im J. 867 im Namen Karls des Kahlen erliefs. In die- sem werden drei erdichtete Decretalen mit dem Namen ihrer Verfasser an- geführt und deren Worte eingerückt. Auch in Rom waren die falschen Decretalen damals bekannt, aber man vermied es noch sie ausdrücklich anzuführen. Das letztere zeigt sich in der Antwort, welche Nicolaus I. auf jene Bitte um Mittheilung des Schreibens des Papstes Melchiades erliefs(!). Er lobt die anfragenden Bischöfe wegen ihrer schuldigen Ehrfurcht gegen den römischen Stuhl, läfst sich aber auf den Hauptpunkt, die Decretale die er mittheilen soll, gar nicht ein, sondern er- klärt sich blos über das Verhalten, welches die Synode in der Sache des Bi- schofs von Nevers bisher beobachtet habe und künftig eintreten lassen soll. Allerdings liefse sich dieses an sich auch dahin erklären: Nicolaus sei durch die Anfrage in Verlegenheit gesetzt worden, weil er von jenem angeblichen Briefe des Melchiades nichts gewufst habe; und die Curialisten deuten sein Ausweichen auch so, und benutzen es zu einem Beweis, dafs man in Rom die falschen Decrete noch nicht gekannt habe. Allein wenige Jahre spä- ter, verfährt Nicolaus in einem anderen Falle, ganz eben so ausweichend und vorsichtig in Hinsicht auf das bestimmte Berufen auf erdichtete Decreta- len, während aus seinem Verfahren hervorgeht, dafs er sie sehr wohl kannte und als Kirchengesetze betrachtet wissen wollte. Der Fall, welcher auch noch in einer anderen Beziehung für die Geschichte der falschen Decretalen sehr wichtig ist(?), war folgender. Erzbischof Hinemar von Rheims hatte im Jahr 861 den Bischof Ro- thad von Soissons auf einer Provincialsynode suspendirt. Dieser, in der Voraussicht dafs er auf der nächsten Synode abgesetzt werden würde, appel- lirte an den Papst. Die Appellation an sich war ohne Frage auch nach dem ächten Kirchenrecht zulässig 8 durch ein ganz illegales weiteres Verfahren, dem Papst die Macht in die und Hincmar mit seinen Bischöfen gab überdiefs (') A.a.0. S.349. (°) Man findet die hierauf Bezug habenden Actenstücke: Concilia ed. Harduin T.V. p.577 seq- über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechis. 125 Hände, sich des unterdrückten Bischofs von Soissons anzunehmen, ohne dafs Nicolaus irgend etwas zu verfügen brauchte was sich nicht durch die ächten Kirchengesetze vollkommen rechtfertigte. Hincmar mit seinen Bischöfen er- laubte sich nehmlich, unter dem Vorwand, dafs Rothad seine Appellation zu- rückgenommen und sie zu seinen Richtern gewählt habe, dennoch das Ent- setzungsurtheil gegen Rothad auszusprechen. Rothad läugnete dagegen dafs er jemals seiner Appellation entsagt habe, und dies allein genügte um Nico- laus I. zu berechtigen, die Sache an sich zu ziehen und sie so zu behandeln, wie er sie nach den Decreten des sardicensischen Conciliums behandeln durfte. Statt dessen aber sieht man in dem Verfahren welches er einleitete, das Bestreben, vielmehr bei dieser Gelegenheit andere Rechte geltend zu machen, welche ihm die falschen Decretalen beilegten. Der Grundsatz der sardicensischen Decrete ist folgender: ein Bischof, welcher durch das Urtheil einer Provincialsynode Unrecht erlitten zu haben glaubt, darf sich an den Papst wenden; wenn dieser neue Untersuchung nöthig findet, mag er Richter ernennen, iudices dare, sonst soll das ergangene Urtheil bestehen. Aus die- sem Grundsatz wird in den falschen Decretalen die Regel: ein Bischof kann ohne Mitwirkung des Papstes gar nicht abgesetzt werden. Diese ist aber nicht klar und unumwunden ausgedrückt, sondern ınan gelangt zur Abstra- etion derselben nur, wenn man sich die Beschränkungen wegdenkt, unter welchen die Mitwirkung des Papstes in sehr vielen Stellen behauptet wird. In manchen, und zwar in den ächten Decretalen immer, wird sie nur erfor- dert wenn appellirt ist; in anderen Stellen kann die Sache an den Papst vor und nach dem Ausspruch der Synode gebracht werden, wenn dem Ange- klagten seine Richter verdächtig scheinen; in anderen wird zwar schlecht- hin gesagt, es könne ohne den Papst nicht definitiv über einen Bischof geur- theilt werden; aber da gleich darauf folgt, dafs dieser an den Papst appelli- ren könne, so mufs man natürlich jenen ersten Satz, mit Rücksicht auf den zweiten und auf andere Stellen der Kirchengesetze erklären und darauf be- ziehen, wenn appellirt sei und es also darauf ankomme, ob der Papst neue Untersuchung für nöthig halte oder nicht. Andere Stellen hingegen enthal- ten nur die Regel: bei der Absetzung eines Bischofs mufs der Papst mitwir- ken, ohne Beschränkung; wie sie zu verstehen sind, hängt mithin davon ab, ob man ihren Inhalt allein als entscheidend betrachtet, oder nur so wie man sie nach ihrem Zusammenhang mit andern Stellen verstehen mufs. Das letz- 126 Eıcunmorn tere hielt Hincmar von Rheims für nothwendig. Daher, wie ich oben be- merkt habe, beschuldigte er eben deshalb den jüngern Hincmar, welcher Stellen angeführt haben mufs die zu der letztgedachten Art gehören, ohne auf ihren Zusammenhang mit anderen zu achten, dafs er die Kirchengesetze aus ihrem Zusammenhang gerissen, verstümmelt und verdreht habe. Ganz in dem Sinn der falschen Decretalen verfährt nun Nicolaus in Rothads Angelegenheit, aber ohne jemals eine Stelle derselben namentlich anzuführen. Er beruft sich nur im Allgemeinen auf den Satz, dafs Rothad, auch wenn er nicht appellirt hätte, doch nach den Grundsätzen die in so vielen Decretalen aufgestellt seien, nicht ohne seine Mitwirkung habe abge- setzt werden können. Ztsi, so lauten seine Worte (!), sedem apostolicam nullatenus appellasset, contra tot lamen et tanta vos decrelalia efferri statuta, et episcopum inconsultis nobis deponere nullo modo debuistis. Die Decretalen die hier gemeint sind, heifsen gleich darauf opuseula, quae dumtaxat et an- uquitus S. Romana ecclesia conservans, nobis quoque custodienda mandavit et penes se in suis archivis et vetustlis rite monumentis recondita veneratur. Sollten diese Documente den Satz beweisen, welchen er vorangestellt hat, so mufsten es die erdichteten Decretalen der Päpste der drei ersten Jahrhun- derte von Olemens bis Sylvester sein; denn in ächten Decretalen kommt er nicht vor und kann darin nicht vorkommen, weil er gegen den klaren Inhalt der sardicensischen Decrete war. Aber es folgt auch aus den Gründen, mit welchen die Anwendbarkeit dieser Decretalen gegen die Einwendungen der französischen Bischöfe von Nicolaus gerechtfertigt wird. Einige von diesen, fährt er weiter fort, hätten ihm geschrieben: jene Decretalen der alten Päpste fänden sich in dem Codex canonum nicht — ‚‚haud illa decretalia pris- corum pontificum in toto codicis canonum corpore contineri descripta”. Darauf komme nichts an. Sie würden darin doch die Decrete Innocenz I., Karls des Grofsen, des Gelasius und anderer über die verbindende Kraft der Decretalen überhaupt haben. Diese sei hiernach nicht auf die Decrete der neueren Päpste, oder die in den Codex canonum aufgenommenen beschränkt; sie beziehe sich auf alle jemals von Rom erlassene, auch der älteren Päpste, und es könnten gar nicht alle in einem Codex canonum vereinigt sein, weil deren zu viele seien. Die hier namentlich angeführten Decrete, deren Worte (') Harduin T.V. S.591. a. E. u. 592. über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 127, eingerückt werden, sind insgesammt ächt; die hingegen, welche eigentlich den Satz beweisen müfsten, bleiben in Dunkel gehüllt; keine Worte dar- aus werden angeführt, Nicolaus will damit noch jetzt nicht hervortreten, so wenig als .einige Jahre früher mit dem Brief des Melchiades. Er hatte es auch nicht nöthig, sich dadurch in die Lage zu versetzen, vielleicht die Ächt- heit einzelner Actenstücke vertheidigen zu müssen; er wufste, dafs die frän- kischen Bischöfe sie sehr wohl kannten, und nur läugneten, dafs sie reci- pirte Decretalen seien. Bei der vorhin angeführten Einwendung, sie fänden sich in ihrem Codex nicht, fügt er daher auch hinzu, sie beriefen sich ja doch selbst darauf wenn sie für ihre Ansichten pafslich seien. Höchst merkwürdig ist in dieser Verhandlung die Einwendung der französischen Bischöfe gegen einen Grundsatz der erdichteten Decretalen, dafs diese nicht in ihrem Codex canonum ständen. Leider ist das Schreiben, in welchem sie dies aussprechen, nicht erhalten; wir kennen jene nur aus der Antwort, welche Nicolaus darauf gab. Es bleibt daher dunkel, was sie unter ihrem Codex canonum verstanden und man kann jenen Ausdruck auf zweierlei Weise erklären. Nähme man an, dafs sie damit eine bestimmte, im fränkischen Reich recipirte Sammlung bezeichnen wollten, so würde daraus weder für noch gegen die Verbindung der falschen Decretalen mit der spa- nischen Sammlung zu dieser Zeit geschlossen werden können. Denn für eine solche hatte die spanische Sammlung nie gegolten. Allein diesen Sinn kann der Ausdruck schwerlich haben, denn eine solche hatte es im fränkischen Reich überhaupt nie gegeben. Die Sammlungen der Kirchengesetze die in den fränkischen Kirchen gebraucht wurden, waren von sehr verschiedener Art, und eine hatte nicht mehr Ansehen als die anderen. Einige glauben zwar, seit der Zeit Karls des Grofsen habe die Dionysische Sammlung die Eigen- schaft eines autorisirten Codex gehabt. Allein es steht nichts weiter fest, als dafs Karl der Grofse einen Dionysischen Codex mit den Vermehrungen, die er bis ins achte Jahrhundert erhalten hatte, von Papst Hadrian zum Geschenk erhielt, und man findet keine Spur dafs dieser seitdem mehr Ansehen gehabt hätte, als jede andere Sammlung. die man schon früher hatte. Am na- türlichsten ist es also wohl, die Ausdrücke der fränkische Bischöfe so zu deuten, wie es der Zustand der kirchenrechtlichen Sammlungen im fränki- schen Reiche mit sich bringt. Dann müfste er so verstanden werden: jene Decretalen fänden sich in keiner der Sammlungen die man von den Kirchen- 128 Eıcnnuorn gesetzen habe. Sie konnten diese auch gar wohl unter dem Collectivnamen des Codex canonum begreifen. Denn die eigentlichen allgemein recipirten Kirchengesetze, das ist, die Schlüsse der allgemeinen Concilien, der morgen- ländischen und abendländischen Particularsynoden, die für rechtgläubig und deren Decrete für ächten Ausdruck des Canons der Kirchendiseciplin galten, endlich die Decrete der Päpste des vierten und fünften Jahrhunderts, die man jenen Quellen gleichstellte und längst allenthalben im Abendland ge- sammelt hatte, fanden sich in allen gröfseren Sammlungen die überhaupt in Umlauf waren. Darf man diese Voraussetzuug machen, so beweist jene Ein- wendung der französischen Bischöfe, dafs damals die falschen Decretalen auch mit der spanischen Sammlung so wenig als mit einer der übrigen be- reits verbunden, sondern bis dahin nur getrennt als besondere Sammlung älterer päpstlicher Decretalen in Umlauf waren und erst um diese Zeit mit der spanischen Sammlung verbunden wurden. Ich glaube dafs diese An- nahme auch noch durch folgende Thatsachen unterstützt wird. Geht man von den Verhandlungen über die Angelegenheit des Bischof Rothad von Soissons weiter hinauf den Spuren der falschen Decretalen nach, so stöfst man zunächst auf die Capitulariensammlung des Mainzischen Dia- cons Benedict, von seinem Kirchenamt Benedietus Zevita genannt. Diese ist eine Fortsetzung der Sammlung welche Ansegisus in 4 Büchern im J. 827 bekannt gemacht hatte. Benedict schrieb im J. 845 die 3 Bücher seiner Fort- setzung, und nahm nicht blos Capitularien, sondern auch Stellen aus andern Rechtsquellen auf, welche nach seiner Ansicht jenen an die Seite gesetzt werden mufsten. In seinem 2'* und 3'= Buch liefert er eine sehr grofse An- zahl von Stellen, welche aus den falschen Decretalen genommen sind. Was er giebt, hat durchaus die Form von Sentenzen wie die Capitula Angiramni; nicht ein einzigesmal wird der Papst genannt, aus dessen Decreten sie ent- lehnt sind. In dieser Form hat er jene Sentenzen auch schon gefunden. Er erklärt in seiner Vorrede, er habe seine Materialien gröfstentheils aus Pa- pieren des Mainzischen Archivs entlehnt, welche Bischof Riculph, also zwi- schen 787 und S14, gesammelt habe. Er entschuldigt sich, dafs man viele Wiederholungen bei ihm finde. Dies komme daher, dafs er seine Materialien aus einzelnen Papieren gesammelt habe. Er habe dabei nicht sogleich über- sehen können, was etwa doppelt, oder gar dreimal vorkommen möge. Er habe Stellen gefunden, die sich zwar im Eingang ähnlich seien, aber weiter- über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 129 hin abwichen, andere seien, umgekehrt, zwar im Eingang verschieden, aber weiterhin gleichlautend; in anderen stehe über denselben Gegenstand in der einen mehr, in der anderen weniger. Deshalb habe er lieber alles so ge- lassen, wie er es gefunden habe, und überlasse dem Leser, wie er dies Ma- terial ordnen und brauchen wolle. Ohne Zweifel geht dies auch auf die Ca- pitularien; aber seine Erklärung pafst ganz wörtlich und namentlich auch auf das, was er aus den falschen Decretalen entnommen hat. Hiernach hat er daher mehrere Auszüge aus den falschen Decretalen vor sich gehabt. Auf einen derselben, welcher eine Überschrift hatte die den Verfasser angab, scheint bezogen werden zu müssen, was er über den Inhalt seines 3" Buchs sagt. Unter den Quellen desselben nennt er Auszüge aus den Kirchen- gesetzen, die Bischof Paulinus und andere auf Befehl Karls des Grofsen ver- fafst hätten. Unter jenem kann man sehr wohl den Bischof Paulinus von Aquileja verstehen, der auf der Kirchenversammlung die Karl der Grofse 794 zu Frankfurt hielt, als eines der thätigsten Mitglieder erscheint. Eine Schrift, welche den Titel Capitula Angiramni hatte, scheint sich unter sei- nen Materialien nicht befunden zu haben, da er sonst jenen wohl ebenfalls genannt haben würde; auch stimmt, was er giebt, mit jenen Capiteln selte- ner wörtlich als nur dem Inhalt nach überein. Aber im Inhalt waren die Capitula Angiramni und alle die verschiedenen Auszüge die Benedict vor sich hatte, einander durchaus ähnlich. Man mufs also, wenn Benedict glaubwürdig ist, annehmen, dafs schon zu Karls des Grofsen und Riculfs Zeit Auszüge verschiedener Art aus den falschen Decretalen in Umlauf waren; man hat dann gar keinen Grund an der Ächtheit der Capitula Angilramni zu zweifeln; es giebt sogar noch ähn- liche Excerpte aus den erdichteten Decretalen, die Capitel, welche, eben- falls zu Karls des Grofsen Zeit, Bischof Remedius von Chur für seine Diö- ces als Auszug aus den Kirchengesetzen publicirte, unter welchen sehr viele aus jenen genommen sind. Um diesen Beweis, dafs mithin die falschen Decretalen selbst wahr- scheinlich schon vor Karl dem Grofsen, gewifs wenigstens zu seiner Zeit ge- schrieben waren, zu beseitigen, hat man die Glaubwürdigkeit Benediets selbst zu verdächtigen gesucht. Seine Sammlung sei vielmehr die erste welche falsche Decretalen in Umlauf bringe; das Berufen auf alte Papiere solle nur den Betrug verbergen. Zu gleichem Zweck habe man die Capüula Angü- Philos.- histor. Abhandl. 1334. R 130 EICHHors ramni und des Remedius von Chur geschmiedet, für deren Alter Benediets Auszüge kein Zeugnils abgeben könnten. Benedict, als Theilnehmer des Betrugs, habe erst den Versuch gemacht, wie man die falsche Waare auf- nehmen werde. Da sich niemand dagegen erhoben habe, erschienen nun bald nachher die falschen Decretalen selbst nach den vorhin angegebenen Zeugnissen. Diese Argumentation ist aber unhaltbar. Sie stützt sich auf die Vor- aussetzung, dafs die falschen Decretalen selbst vor Benediet noch unbekannt gewesen, dafs der Betrüger der sie erdichtete, vorausgesetzt habe, dafs sie grofses Aufsehen machen würden, und daher erst das Publicum nach und nach darauf habe vorbereiten wollen. Es ist aber leicht zu zeigen, dafs die falschen Decretalen selbst auch schon lange vor Benedict bekannt waren, dafs die französischen Bischöfe sich selbst darauf beriefen wenn sie es ihrem Interesse gemäfs fanden, wie ihnen auch Nicolaus I bald darauf vorwarf, dafs sie weder bei ihrem ersten Erscheinen Aufsehen erregt hatten, noch bei den Streitigkeiten über ihre Anwendung verdächtigt wurden, dafs also die Feinheit, welche dem Beneh- men Benedicts untergelegt wird, nicht motivirt erscheint. Die falschen Decretalen sprechen in sehr vielen Beziehungen Grund- sätze aus, zu welchen sich die Geistlichkeit längst bekannte, die sie zum Kirchen- und Staatsrecht zu erheben seit Jahrliunderten sich bemüht hatte. Einer der wichtigsten dieser Art war die gänzliche Unabhängigkeit der Kirche vom Staat, die gänzliche Incompetenz aller weltlichen Gerichte, über Geist- liche in Strafsachen und Civilsachen zu urtheilen. Wenn päpstliche Schrei- ben, in welchen solche Grundsätze für uralte apostolische Lehre erklärt wur- den, in Umlauf kamen, so konnte die Geistlichkeit dabei nicht den mindesten Anstofs finden; sie lehrte das nehmliche, nur hatte ihre Lehre die Laien noch nicht sonderlich überzeugt. Jene neue Stütze für ihre Lehre, die Schreiben der ältesten Päpste, nahm sie mit Freuden auf und hielt sie den Laien vor. Dafs sie diese Schreiben studierte und sich die Grundsätze zu eigen machte, drückt sich in den Synodalacten der Zeit Karls des Grofsen und Ludwigs des Frommen dadurch aus, dafs man darin ganze Phrasen aus den falschen Decretalen aufgenommen findet und dafs Decrete derselben als Kirchengesetze angeführt werden. Es ist nur nicht immer genau nachzu- weisen, dafs solche Stellen nothwendig auf erdichtete Decretalen zurück- über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 131 geführt werden müssen, dafs sie nicht auch aus ächten genommen sein könn- ten. Denn die ächten und unächten Decretalen sind sich in Sprache und Wendungen ähnlich, jene sind das Vorbild der letzteren. Der Unterschied besteht nur darin, dafs in den erdichteten Decretalen die Grundsätze der ächten aufs höchste übertrieben werden, oder von ihnen eine Anwendung gemacht wird, welche die Verfasser der ächten sich zu erlauben noch nicht wagen durften. Hierin liegt daher der Grund, dafs die unächten Decretalen nur dann Widerspruch von den Bischöfen fanden, wenn es sich um die An- wendung eines Grundsatzes in einem Sinne handelte, der ihrem Interesse entgegen war, obwohl sie sonst unter gewissen Beschränkungen ihn gern gelten liefsen. So sehen wir selbst Hincmar von Rheims in seiner Schrift gegen den jüngeren Hincmar verfahren. Er verdächtigt die Deeretalensammlung eigent- lich nicht, aber er will die Anwendung nicht gelten lassen, weil sie nach den sardicensischen Decreten nicht statt finden kann, und er die Decretalen im Zusammenhang mit diesen erklärt wissen will, um seinen Metropolitan- rechten, auf die es zunächst ankam, nichts zu vergeben. Hiernach mufs es also allerdings oft zweifelhaft werden, ob ein Grundsatz der aufgestellt wird, aus den unächten oder ächten Decretalen genommen ist. Wenn man sich aber auch nur an solche Stellen hält, bei denen es unläugbar ist, dafs sie aus den unächten Decretalen genommen sind, so kommt man doch mit den Zeugnissen für ihr Dasein bis in die ersten Regierungsjahre Ludwigs des Frommen zurück. Eine Synode zu Aachen vom J. 836 erläfst eine Verordnung die sie folgendermafsen begründet: ‚,Sed omni devotione iuxta traditionem apostoli- cam ac statuta decretalium, in quo de eadem re praecipitur, peragetur.’’ Eine päpstliche Verordnung die sich auf apostolische Tradition berief, mufs also gemeint sein. Unter den ächten Decretalen kommt nichts dieser Art vor; aber eine erdichtete, die vollkommen hierher pafst, ist vorhanden. In den Acten einer Pariser Synode vom J. 829 wird eine Stelle aus einem erdichteten Brief Urbans I entlehnt und im Sinn der Synode ange- wendet. Im Jahr 833 kommt Papst Gregor auf Veranlassung der Streitigkeiten Ludwigs des Frommen und seiner Söhne nach Frankreich. Er will mit sei- ner Einmischung nicht so weit gehen als die französischen Bischöfe wün- R2 132 Eıcahuorn schen; da stellen ihm diese vor, dafs der Papst alle Menschen richten darf, er selbst aber von niemand gerichtet werden kann, und beweisen ihm dieses aus Schreiben seiner Vorgänger. Damit können nur erdichtete Decretalen gemeint sein, denn in den ächten hatten die älteren Päpste so etwas zu be- haupten nicht gewagt. Im Jahr 825 schreibt Bischof Agobard von Lyon, wahrscheinlich ei- ner jener Bischöfe welche jene Beweise zu führen wufsten, er könne doch den Grundsatz nicht billigen, nach welchem die Concilienschlüsse keine Kraft hätten, wenn nicht päpstliche Legaten gegenwärtig gewesen seien, und finde stärkere Gründe dagegen. Jener Grundsatz findet sich nirgends als in den erdichteten Decretalen. Die älteste ganz unläugbare Spur finde ich in einem Capitulare Karls des Grofsen von 806. Eine Stelle, die sich auch in den Capiteln des Angil- ramus findet, wird hier aus den erdichteten Synodalacten des Papstes Syl- vester angeführt. Allerdings kann sie an dieses Capitulare von einem Ab- schreiber blos angereiht sein, denn der übrige Inhalt des Capitulare besteht aus lauter kurzen Sätzen mit der Überschrift: Excerpta de canone, in wel- chen blos der Inhalt des Canons angeführt wird, auf dessen Bestimmungen verwiesen wird; jene Stelle ist die lezte, und allein der vollständig ange- gebene Inhalt eines Gesetzes. Indessen hat sie wenigstens Ansegisus aufge- nommen, sie mufs also schon vor 827 beigeschrieben gewesen sein. Darf man nach alleın diesen die Zweifel, die gegen die Glaubwürdigkeit des Bene- dict erhoben werden, als beseitigt ansehen, so erhält man folgende Reihe von Thatsachen: 1. Schon unter Karl dem Grofsen ist die vollständige Sammlung der falschen Decretalen bekannt gewesen; denn die verschiedenen Auszüge aus denselben können nur aus dieser, nicht etwa aus einzelnen erdichteten Siücken genommen sein, die schon älter als Karl der Grofse sind, wie z. B. der Brief des Clemens, das erste Stück der Sammlung, der schon im sechsten Jahr- hundert vorhanden und auch in Spanien bekannt war, aber wie ich oben bemerkt habe, in die autorisirte Sammlung nicht aufgenommen wurde. Jene Auszüge umfassen bereits die ganze Sammlung der erdichteten Decretalen der Päpste der drei ersten Jahrhunderte. 2. Unter der Regierung Ludwigs des Frommen und Karls des Kahlen werden diese falschen Decretalen oftmals angeführt und gebraucht, aber nir- über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 133 gends tritt der Name Isidors hervor; erst im Jahr 869 zeigt sich dafs es eine Sammlung derselben gab, nach deren Vorrede Bischof Isidor die erdichtete Sammlung der Decretalen mit den ächten Decretalen der spanischen Samm- lung und mit den Concilienschlüssen der lezteren in Verbindung gesetzt hatte, von der es aber schon damals Exemplare gab, in welchen keineswegs das stand, was die Vorrede verhiefs, sondern blos Decretalen. Von der Samm- lung in dieser Gestalt wollte Bischof Hincemar von Rheims wissen, dafs Ri- eulf, Erzbischof von Mainz, den aus Spanien gekommenen Text gehabt habe, und dafs er aus diesem die fraglichen Briefe verbreitet habe. Mir scheint, dafs nicht geläugnet werden kann, es müsse hierbei ein Mifsverständnifs zum Grunde liegen, und aus der Vorrede der verfälschten spanischen Sammlung, scheint mir, kann dieses Mifsverständnils auch vollständig aufgeklärt werden. Dafs ein Mifsverständnifs obwalte, glaube ich aus folgenden Gründen abnehmen zu müssen: 1) Eine verfälschte spanische Sammlung kann Riculf aus Spanien nicht erhalten haben, weil die falschen Decretalen hier ganz unbekannt waren und geblieben sind. Man müfste also annehmen, er habe nur vorgegeben diese Sammlung aus Spanien erhalten zu haben. Dann aber wäre es 2) unbegreiflich, dafs in einem Zeitraum von mehr als 70 Jahren diese Sammlung nicht ein einzigesmal angeführt würde, wenn von den falschen Decretalen die Rede ist, die sie enthielt, dafs die französischen Bischöfe, und unter ihnen Hincmar von Rheims selbst, sogar ausdrücklich in Abrede stell- ten, dafs jene in einem Codex canonum gefunden würden. Aber sehr leicht erklärt sich das Mifsverständnifs und der ganze Zu- sammenhang der Thatsachen, welche ich bisher erörtert habe, wenn man folgendes annimmt, was wenigstens eben jenem zufolge grofse Wahrschein- lichkeit für sich hat. 1. Zu Riculfs Zeit wurde die spanische Sammlung bekannt. Dies be- weist der Codex des Rachio von Strasburg, der Riculfs Zeitgenosse und sein Suffragan-Bischof war. Dafs die Verbreitung eines aus Spanien gekommenen Codex dem Riculf zugeschrieben wurde, bezeugt Hincmar. Nimmt man an, dafs dies aber eben darum nicht der verfälschte, sondern derselbe war, den Rachio hatte abschreiben lassen, so kann man darin um so weniger etwas auffallendes finden, als zugleich Riculf nach Hincmars Zeugnifs ein gelehrter Mann war, der sich viel mit den Sammlungen des Kirchenrechts und der 134 EıcnHuorsn Capitularien beschäftigte. Er mufste als solcher die spanische Sammlung, sobald er sie kennen lernte, vor allen anderen die ihm bekannt waren, schätzen; denn keine andere kann der spanischen in Beziehung auf Reichhal- tigkeit und Anordnung an die Seite gesetzt werden. Es wäre also sehr be- greiflich dafs er sie empfahl, und dafs durch seine Empfehlung ihre Verbrei- tung veranlafst wurde. 2. Zu derselben Zeit wurden die falschen Decretalen bekannt; Aus- züge derselben besafs Riculf bereits, wie die aus seinen Papieren genommene Sammlung des Benedict beweist, die Decretalen selbst aber wahrscheinlich noch nicht, weil kein sicheres Zeugnifs vorkommt, dafs sie in ihrer Voll- ständigkeit in Frankreich früher als unter Ludwig dem Frommen bekannt wurden. Nur in Italien müssen sie schon unter Karl dem Grofsen vollständig bekannt gewesen sein, und dort konnte man allerdings damals Ursache ha- ben zu handeln, wie Einige dem Benedict ohne Grund beigemessen haben, nehmlich erst mit Auszügen hervor zu treten, ehe man die vollständigen De- cretalen erscheinen liefs. Das Ansehen des römischen Stuhls in Frankreich war erst seit kurzem begründet. Bonifacius hatte erst seit 20 bis 30 Jahren die fränkischen Bischöfe an ein Verhältnifs gegen den römischen Stuhl ge- wöhnt, das von ihrem älteren wesentlich verschieden war. Die Capitula An- güramni kamen aus Rom; Angilramnus hatte sie von Papst Hadrian selbst erhalten. Denn sofern man, wie oben gezeigt worden ist, nichts erhebliches gegen ihre Ächtheit einwenden kann, mufs man auch die Überschrift gelten lassen, welche dies ausdrücklich sagt. Diese führt Hincmar von Rheims an; dafs sie im neunten Jahrhundert so lautete, ist also unwidersprechlich. Für die zweite Überschrift, die man auch findet, nach welcher sie Angilram dem Papst Hadrian übergeben haben sollte, spricht dagegen kein sicheres Zeug- nifs, vielmehr ist ihr Inhalt dagegen. Wenn Angilram dem Papst Auszüge aus Kirchengesetzen übergeben hätte, so müfste man an solche denken, welche das Gesuch aufserhalb seiner Diöces am Hof leben zu dürfen, das er persönlich zu betreiben nach Rom gekommen war, unterstützen konnten. Über diesen Gegenstand kommt aber in seinen Capiteln nicht ein Wort vor. Es vereinigen sich aber noch mehrere Umstände die es wahrscheinlich ma- chen, dafs Hadrian die in Italien bekannten Sammlungen der Kirchengesetze und unter diesen einen solchen Auszug aus den falschen Decretalen bei gün- stiger Gelegenheit im fränkischen Reich in Umlauf setzte. Er hatte Karl über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 135 dem Grofsen einen Dionysischen Codex canonum geschenkt; aufser diesem hat sich auch ein Auszug aus dem 1“ Theil der Dionysischen Sammlung er- halten welcher die Concilienschlüsse umfafst. Nun aber 3. vermifst man einen Auszug aus dem 2‘ Theile des Dionysius, den Decretalen. Diesen würde man in den Capiteln des Angilramnus haben, wenn sie von Hadrian herrührten, und da darin nicht angegeben ist, aus wel- chen Decretalen der Inhalt genommen ist, so war dies eine vortreflliche Ge- legenheit, die übertriebenen Grundsätze der falschen Decretalen, auf eine ganz unverdächtige Weise mit Excerpten aus ächten vermischt, die man im fränkischen Reich längst kannte, hier in Umlauf zu bringen. Auch ist es ge- wils dafs Hadrian die falschen Decretalen kannte und sich darauf berief. Er erwähnt eines der berüchtigtsten Stücke derselben, der sogenannten Schen- kung Constantins, und preist Karl den Grofsen in Beziehung auf jene als ei- nen neuen Constantin (!). 4. Als die unächten Decretalen zuerst vollständig bekannt wurden, müssen sie unter dem Namen Decreta priscorum pontificum oder einer ähn- lichen Benennung bekannt gewesen sein. Unter dieser Benennung spricht Nicolaus I von ihnen, wie ich oben gezeigt habe, und sie bezeichnet auch den wichtigsten Theil ihres Inhalts am besten; denn sie reichen in ununter- brochener Reihe von der ältesten Zeit bis in die Mitte des vierten Jahrhun- derts, oder mit anderen Worten bis in die Zeit, mit welcher die ächten De- cretalen anfangen, die sich in den Sammlungen erhalten hatten. Bis auf diese hin ist alles erdichtet; wo diese beginnen, sind in der Pseudo -Isidorischen Sammlung derselben unter die ältesten ächten einige unächte Stücke einge- schoben, weiterhin immer weniger; nur wird zum ächten hier und da ein unächtes Stück hinzugefügt, ohne Zweifel weil sonst das übertriebene in den ganz erdichteten Stücken zu sehr in die Augen gefallen wäre. Dabei ist nur (') Allerdings haben die Curialisten sich alle Mühe gegeben, diese actenmälsige That- sache zu beseitigen. Es soll nicht die berüchtigte Acte gemeint sein, durch welche Con- stantin dem Papst Sylvester unter anderem das ganze abendländische Reich schenkt, sondern von anderen Schenkungen die Rede sein, die in anderen gesammelten Documenten zur Ge- schichte des Papstes Sylvester, dessen sogenannten Gesten, vorkommen. Diese sind aber nicht weniger erdichtet als jene Acte. Der Schlufs, dafs nur dieses erdichtete Stück, und nichts anderes in Rom bekannt gewesen, setzt den Beweis voraus, dals man die im neunten Jahrhundert in Frankreich bekannte Sammlung der erdichteten Decretalen in Rom erst un- ter Nicolaus I kennen gelernt habe, an welchen es aber fehlt. 136 Eıcnmorx auffallend, dafs beinahe alles ächte auch in der spanischen Sammlung steht; einiges wenige ist aus der (uesnelschen Sammlung genommen, da ächte Stücke darunter vorkommen, welche nur diese hat. 5. Die Pseudo-Isidorischen Codices sind eigentlich noch gar nicht genau genug untersucht. So viel aber geht aus den Angaben bei Coustant und den Ballerini hervor, dafs die Handschriften, in welchen blos die De- cretalen ohne die Concilienschlüsse der spanischen Sammlung gefunden wer- den, zwar in Hinsicht gerade der ältesten erdichteten Decretalen bis auf Syl- vester ziemlich gleichlautend sein müssen, in Hinsicht der späteren aber nichts weniger als übereinstimmend sind. Vergleicht man nun den ältesten Pseudo -Isidorischen Codex welcher die spanische Sammlung wirklich ent- hält, und das, was in der ihm eigenthümlichen Vorrede von der Anordnung gesagt wird, so würde folgende Annahme alle bisher erörterten Thatsachen in Zusammenhang bringen. Derjenige welcher zuerst die spanische Sammlung mit den falschen Decretalen verband, hatte ohne allen Zweifel die sämmtlichen im fränki- schen Reich gangbaren Sammlungen der Quellen des Kirchenrechts vor sich, das heifst, aufser der spanischen Sammlung die Dionysische, Quesnel- sche und die Sammlung der erdichteten Decretalen. Denn aus allen diesen vier Quellen ist der Vaticanische Codex zusammengesetzt. Der Pseudo -Isi- dor deutet es auch in seiner Vorrede an (A. p.33.): Compellor a multis ca- nonum sententias colligere et in unum volumen redigere et de multis unum fa- cere, Das gesammte Material welches er hier vorfand, ordnete er chrono- logisch. Voran stehen die 50 Canones apostolorum aus Dionysius, als das älteste Stück unter allen. Dann folgen die erdichteten Decrete bis zu der Zeit wo die Concilienschlüsse anfangen. Es sind, wie er sagt: quorundam epistolarum decreta virorum apostolicorum Clementis, Anacleti, Evaristi et ce- terorum apostolicorum quas poluimus hactenus reperire usque ad Sylvestrum Papam. Auch dies lautet wie eine Versicherung dafs er gesammelt, d.i. mehrere Handschriften vor sich gehabt habe, unter denen aber freilich nur eine gerade diese ältesten Stücke in sich fassen konnte. Von hier hätte er nun, wenn er der chronologischen Ordnung streng folgen wollte, die ächten und falschen Decretalen zwischen die Concilienschlüsse einreihen müssen. Dieses war aber nicht thunlich, wenn er nicht die Grundlage der er von hier an folgte ganz auseinander reifsen wollte. Dies war nehmlich, und erst von über die spanische Sammlung der Quellen des Kırchenrechts. 137 hier an, die spanische Sammlung; denn von den Concilienschlüssen hat er kein Stück mehr und kein Stück weniger als diese. Die spanische Sammlung aber ordnet die Conceilienschlüsse nicht chronologisch, sondern zuerst nach Ländern, und nur die zu einem Lande gehörigen nach der Zeitfolge. Er schob also hier erst den ganzen ersten Theil der spanischen Sammlung als ein für sich bestehendes Stück ein, und liefs dann die übrigen Decretalen nach der Zeitordnung folgen, ächte und unächte untereinander, wobei er dann zwar hier die spanische Sammlung in dem was sie hatte auch zur Grundlage nahm, aber das, was er in der Sammlung erdichteter Decretalen und der (Juesnelschen Sammlung sonst noch fand, einreihte. Er erklärt sich hierüber so: ‚,Subücientes eliam reliqua decreta praesulum Romanorum usque ad S. Gregorium.’’ Es war auch sehr natürlich, dafs er auch hier wieder die spanische Sammlung zum Grunde legte. Sie vertrat jede Sammlung ächter Decretalen, mit welchen die erdichteten verbunden werden sollten, denn sie hatte alles was bei Dionysius stand und noch vieles andere, auch weit mehr als die Quesnelsche, aus der er nur noch einige Zusätze entlehnte. Auch sieht man, dafs die spanische Sammlung vom vierten Jahrhundert an, die Grundlage sein sollte, aus folgendem Umstand. Da, wo die Concilienschlüsse anfangen, wird auch die Vorrede des ersten Theils der spanischen Sammlung eingeschoben. Dann am Ende derselben folgt, wie in der ächten spanischen Sammlung, die ächte Vorrede welche dem zweiten Theil oder den Decretalen vorausgeht. Das Ganze als solches hatte nun aber weder Vorrede noch Inhalts- verzeichnis. Beide verfafste der Compilator, indem er ebenfalls die ächten Vorreden und das ächte Inhaltsverzeichnifs zum Grunde legte. Er weifs da- bei seinen Plan, die spanische Sammlung, aber mit den erdichteten Decre- talen vermehrt, für ein Werk des Isidorus auszugeben, ganz unverdächtig durchzuführen; doch begeht er auch einige Übereilungen: z. B. die Hand- schrift nach welcher er arbeitete, war ein Codex, der ursprünglich nichts weiter enthalten hatte, als was zur ersten Redaction der spanischen Samm- lung gehörte. Hinter dem lezten Stück des ersten Theils, der 2'” Synode von Sevilla, folgte daher im Inhaltsverzeichnifs die Rubrik des zweiten Theils: Decreta quorundam praesulum Romanorum. Nachher aber waren noch die 5‘ bis 13‘ toledanische Synode nachgetragen. Dies hat der Compilator ge- Phulos.- histor. Abhandl. 1334. S 138 Eıcuuorn dankenlos abgeschrieben, so dafs bei ihm jene Erwähnung der Decretalen als die Rubrik einer Sammlung von Synodalschlüssen steht. Übrigens ist seine Vorrede Amplification der beiden ächten Vorreden, mit Rücksicht auf die von ihm neuaufgenommenen Stücke. Dafs er sie dem Bischof Isidor von Sevilla in den Mund legt, kommt ohne Zweifel daher, dafs er diesen für den Verfasser der Sammlung hielt, welche er zum Grunde gelegt und erweitert hatte. Wie er auf diese Annahme kam, ist leicht zu er- klären; seit Riculfs Zeit führte jene Sammlung ohne Zweifel den Namen der aus Spanien gekommenen Sammlung. Die ächte Vorrede steht auch in den Etymologieen Isidors, einem damals allgemein bekannten Werke. Es war also sehr natürlich, den Verfasser dieses Werks, da er ein spanischer Bi- schof war, auch für den Verfasser der Sammlung zu nehmen. Um die Zeit zu bestimmen in welcher er schrieb, kommt es vorzüg- lich darauf an, das was Hincmar von Rheims von einer Isidorischen Samm- lung sagt, mit den übrigen bisher erörterten Thatsachen zusammenzuhalten. Erzbischof Hincmar von Rheims hatte, wie ich gezeigt habe, einen Codex, in welchem die Concilienschlüsse selbst nicht standen, wohl aber die Vorrede. Dafs diese Art von Handschriften gleich von Anfang an eine sehr gewöhnliche, ja die am meisten verbreitete gewesen sein mufs, läfst sich kaum bezweifeln. Die spanische Sammlung für sich hat schon ein bedeu- tendes Volumen; eine Abschrift eines Codex, in welchen sie auch noch mit den falschen Decretalen vermehrt war, wurde eine langwierige und be- schwerliche Arbeit. Und doch enthielt ein solcher Codex in den Concilien- schlüssen, durch welche er eben jenes bedeutende Volumen bekam, meistens Actenstücke die längst in unzähligen Abschriften in Umlauf waren. Die mei- sten, oder wenigstens die wichtigsten derselben, hatte jeder, der die Diony- sische oder Quesnelsche Sammlung besafs; dem, der schon die ächte spa- nische Sammlung hatte, fehlten aufser den erdichteten Decretalen nur un- bedeutende Zusätze. Es war also sehr begreiflich, dafs von Anfang an die meisten Kirchen nur die Vorrede mit den Decretalen abschreiben liefsen, als Ergänzung einer Sammlung von Kirchengesetzen die sie schon besafsen. Eben daher darf man auch nicht folgern, dafs die mit der spanischen voll- ständigen Sammlung verbundenen falschen Decretalen, in dieser Ver- bindung schon lange vorhanden sein mufsten, ehe solche Handschriften entstehen konnten. Man mufs eher umgekehrt schliefsen: die ächte Samm- ® über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 139 lung mufste schon sehr verbreitet sein, als die Pseudo -Isidorische zuerst be- kannt wurde, weil vorzugsweise gerade jene eine vollständige Abschrift der Pseudo-Isidorischen entbehrlich machte. Wenn jene erst durch Riculf ver- breitet wurde, so ist schon hiernach die Zeit, wo die Verbindung bekannt wurde, etwa um die Mitte des neunten Jahrhunderts anzunehmen. Von der Rücksicht auf die ächte spanische Sammlung, bei Abschriften der verfälschten, glaube ich auch sichere Spuren zu finden. Coustant er- wähnt mehrere Handschriften der ächten spanischen Sammlung, in welche weiter nichts aus der unächten aufgenommen ist, als einige Interpolationen, welche in der Pseudo -Isidorischen, zu ächten Decretalen, die jene enthielt, hinzugekommen sind. Man kann dies kaum anders als aus der Annahme er- erklären, dafs man zuerst die Stücke verglich, die schon in der spanischen Sammlung standen, und diesen beifügte, was die Pseudo-Isidorische mehr hatte, das übrige aber als eine besondere Decretalensammlung mit der Pseudo- Isidorischen Vorrede abschrieb. Damit steht dann in natürlichem Zusammen- hang, dafs wie ich früher bemerkt habe, die Handschriften dieser Art zwar in Hinsicht der vollständigen Reihe erdichteter Decretalen von Clemens bis Sylvester immer gleichlautend sind, in Hinsicht dessen aber, was aus ächten und unächten gemischt ist, von einander abweichen. Eine genaue Verglei- chung dieser Classe von Handschriften würde hierüber völlige Gewifsheit geben. Jetzt wird sich auch prüfen lassen, was eigentlich aus dem Zeugnifs Hincmars von Rheims abgeleitet werden kann; wie ich glaube, nur: dafs er aus seinem Codex gefolgert habe, die falschen Decretalen müfsten mit der spanischen von Riculf verbreiteten Sammlung von jeher in Verbindung ge- standen haben, weil sie nach der Vorrede seines Codex eigentlich zu dieser gehörten. Diese Folgerung steht zwar mit der Erklärung der französischen Bischöfe, die Decretalen der ältesten Päpste fänden sich in keinem Codex canonum, in directem Widerspruch; aber diese Erklärung ist auch vier Jahr älter als Hincmars Zeugnifs, uod obwohl er an jener ohne Zweifel selbst Theil genommen hatte, da er ja eben an der Spitze jener Bischöfe stand und vornehmlich sein Verfahren dadurch gerechtfertigt werden sollte, konnte er sie damals in gutem Glauben abgeben, sofern er nur damals noch nicht wufste, dafs die falschen Decretalen, welche die französischen Bischöfe längst kannten, auch mit dem spanischen Codex canonum verbunden vor- 52 140 Eıcnnuorn kämen; dies mufs man also nothwendig voraussetzen; hieraus folgt dann aber auch weiter, dafs die Verbindung im Jahr 869 etwas noch sehr neues sein mufste. Hincmar, als er erst nach 865 den Codex erhielt, aus welchem er jene Verbindung kennen lernte, glaubte einen unerwarteten Aufschlufs über den Ursprung der falschen Decretalen erhalten zu haben, während er bisher nur diese selbst, getrennt von Sammlungen der übrigen Kirchen- gesetze, als priscorum Pontificum decreta, wie sie die französischen Bischöfe nannten, gekannt hatte. Er sagt auch gar nicht, dafs der von Riculf verbreitete Codex selbst allgemein in Umlauf sei; seine Worte lauten: „cum de ipsis sententüs plena sit sta terra, sicut et de libro conlectarum epi- stolarum ab Isidoro guem — Riculfus — oblinuit et istas regiones ex illo re- pleri fecit'’ Er behauptet also blos, dafs die in Umlauf gebrachten falschen Decretalen, die jedermann in Händen habe, aus diesem Buch genommen seien. Ja, dafs er hinzufügt, sein Neffe habe wohl geglaubt die vollständigen Sammlungen allein zu besitzen, kann nur unter der Voraussetzung einen ) Sinn haben, dafs jene selbst als etwas eben erst bekannt gewordenes be- trachtet werden konnten, und er findet die Dreistigkeit seines Neffen nur darum auffallend, weil ja Jedermann die Actenstücke selbst längst besitze, wenn er auch nicht gewufst habe, aus welcher Sammlung sie ursprünglich genommen seien. Hiernach möchte ich glauben dafs die Verbindung der spanischen Sammlung und der falschen Decretalen, von welcher die französischen Bi- schöfe im Jahr 865 noch nichts wufsten, ohngefähr unter Nicolaus I. zwi- schen 858 und 868, gewifs wenigstens nicht viel früher, und da der Name Isidors erst jetzt, seitdem aber immer hervortritt, lange nachdem die fal- schen Decretalen selbst bekannt geworden waren, geschehen sein mufs. Stände nicht in dem ältesten Codex in der Vorrede ein offenharer Schreib- fehler, so könnte man die Frage aufwerfen, ob dieser nicht das Original des Pseudo-Isidor sei. Allein in der Vorrede heifst der Bischof, welcher sie ge- schrieben haben soll, /sidorus mercator, eine Bezeichnung, die kaum für et- was anderes als den Fehler des Abschreibers gehalten werden kann, welcher für peccator, mercator las. Peccator fügten seit dem siebenten Jahrhundert öfter die Bischöfe ihrem Namen in eben dem Sinn bei, in welchem sich der Papst, seit Gregor dem Grofsen, in christlicher Demuth servus servorum Dei nannte. über die spanische Sammlung der Quellen des Kirchenrechts. 141 Dafs in der Vorrede, die dem Bischof Isidor von Sevilla untergescho- ben wird, schon ein Betrug liegt, führt begreiflich auf die Frage, welche Motive man dem Pseudo-Isidor bei diesem zuschreiben könne. Bei einer Untersuchung hierüber entdeckt man sogleich, dafs die, welche der Zusam- menhang der Thatsachen ergiebt, auch die eben bezeichnete Annahme der Entstehungszeit der Pseudo -Isidorischen spanischen Sammlung bestätigen. Die Contestation zwischen Nicolaus I. und den französischen Bischöfen über die unbedingte Autorität der ältesten Decretalen, da sie doch in keinem Co- dex canonum ständen, konnte in einem Anhänger der erdichteten Decretalen sehr leicht den Gedanken wecken, sie mit der spanischen Sammlung in Ver- bindung zu setzen und durch das Vorgeben, schon der heilige Isidor habe sie anerkannt, ihnen eine neue Stütze zu verschaffen. Dann erklärt es sich vollkommen, dafs eine Isidorische Sammlung, von welcher früher nie mit einer Sylbe irgendwo die Rede ist, unmittelbar nach diesen Streitigkeiten bekannt wird. Auch tritt ein ähnliches Motiv in den Interpolationen hervor, welche mit ächten Decretalen der spanischen Sammlung vorgenommen sind und in der Erdichtung neuer, die ihr einverleibt sind. Es ist nehmlich kaum zu bezweifeln, dafs jene Interpolationen erst von dem Pseudo -Isidor her- rühren und dafs er ebenfalls mehrere Decretalen erdichtet und hinzugefügt hat. Die erdichteten Decretalen welche früher angeführt werden, gehören alle zu den Decretalen aus den ersten drei Jahrhunderten; priscorum Ponti- ‚Jteum decreta ist der Ausdruck, mit dem diese überhaupt bezeichnet werden. Wollte man diese mit einer Sammlung ächter Decretalen in Verbindung bringen, so fiel der Unterschied der ächten und unächten zu sehr in die Augen; was jene unter Beschränkungen und Voraussetzungen behaupteten, wurde in diesen unbedingt und mit ganz neuen Anwendungen aufgestellt. Dies war aber leicht zu verdecken, wenn in die ächten einzelne Grundsätze aus den erdichteten mit aufgenommen wurden. In diesem Sinne nun sind nicht nur alle Interpolationen, sondern auch meistens die neueren erdichte- ten Decretalen geschrieben, ja ein sehr grofser Theil der lezteren betrifft auch eben die Verhältnisse, welche unter Nicolaus zur Contestation gekom- men waren, nehmlich das ausschliefsende Entscheidungsrecht des Papstes in causis maioribus, namentlich in causis episcoporum, und dessen Recht, die Beschlüsse von Provincialsynoden und Nationalsynoden neuer Untersuchung zu unterwerfen, und sie zu bestätigen oder zu cassiren. 142 Eıcumorn über die spanische Sammlung u. s.w. Aus allen diesen Thatsachen ziehe ich den Schlufs: die erdichteten Decretalen sind zwar im fränkischen Reich mit der spanischen Sammlung in Verbindung gesetzt worden, aber ihr erster Ursprung gehört ins achte Jahr- hundert und nach Rom; im fränkischen Reich sind um die Mitte des neun- ten Jahrhunderts neue Verfälschungen, bei welchen die älteren schon vor- handenen zum Muster dienten, vorgenommen worden, und durch diese ent- stand die Pseudo-Isidorische Sammlung, für deren Anordner und für den Verfasser der neu hinzugekommenen Verfälschungen ohne Zweifel ein frän- kischer Geistlicher zu halten ist. —e INNE Über die Achtheit der sogenannten Obotritischen Runendenkmäler zu Neu-Strelitz. Von H”- LEVEZOW. nm [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 23. Januar und 24. Julius 1834.] Erster Abschnitt. Historisch-litterarische Einleitung. I. zwei Vorzimmern der grofsherzoglichen Bibliothek zu Neu -Strelitz be- findet sich eine bedeutende Anzahl von Alterthümern aufgestellt, deren grö- fserer Theil aus Mecklenburgischem Grund und Boden theils zufällig, theils durch absichtliche Ausgrabungen, zu Tage gefördert worden ist; der kleinere Theil aber sich aus dem benachbarten Vorpommern und der angränzenden Ukermark herschreibt. Diese also vereinigte Sammlung vaterländischer Denkmäler besteht aus thönernen Graburnen verschiedener Gröfse, Form und Technik, thönernem Geräthe und Spielzeuge mancherlei Art; aus Waf- fen, Schmuck, Werkzeugen und Gefälsen von Stein, Bronze und Eisen; ferner und vorzüglich aus unbehauenen Steinen mit Runenschrift und ro- hen Bildern in Umrissen bezeichnet, endlich in einer noch ungleich beträcht- licheren Zahl gröfserer und kleinerer Idole von gegofsener Bronze und aus ebenderselben Materie gegossener Schaalen, Tafeln, Reliefs und Geräthe, welche gleichfalls durch Runenschrift nicht sparsam ausgezeichnet er- scheinen. Wenn gleich die zahlreichen Urnen und anderen Geräthschaften dem aufmerksamen Beschauer eine Menge anziehender Beobachtungen darbieten; so ist es dennoch ganz vornehmlich der Anblick der mit Runenschrift be- zeichneten Steine und bronzenen Idole und Geräthschaften, welche seine ganze Aufmerksamkeit mit Recht in Anspruch nehmen und die verschieden- Philos.- histor. Abhandl. 1834. T 144 Levezow über die dechtheit der sogenannten artigsten Bemerkungen in ihm erwecken. Sowohl rohe, unbehauene, nicht grofse, gewöhnliche Feldsteine, mit zwar meist unzierlichen, aber nicht un- leserlichen, gröfstentheils bekannten Runenzügen und eben so roh darauf eingeritzten Figuren von Menschen und Thieren bezeichnet, von welchen jene Wörter eines altslavischen Dialekts zu erkennen geben, als auch wunderliche, aus Menschen- und Thier-Körpern plump und unverhältnifs- mälsig zusammengesetzte Götteridole mit gleicher Schrift, oft reichlich darauf eingeritzt, versehen, und mit Köpfen und mit auf die übrigen Körpertheile aufgedruckten, kleineren thierischen und menschlichen Figuren einer bes- seren Kunst wunderbarer Weise gepaart und den Schein eines äufserli- chen, alterthümlichen Gepräges an sich tragend, erregen diese Monumente hier im Norden Deutschlands, wo bisher nichts ähnliches der Art entdeckt g eben so sehr das unwillkührliche Er- 8 staunen des Beobachters, als sie auf der andern Seite bei längerer Betrach- worden ist, als einzige Erscheinun tung durch den auffallenden Zwiespalt ihres Kunstcharakters, oft selbst in einem und demselben Denkmale, unvermeidlich Zweifel an ihrer alterthüm- lichen Ächtheit erwecken müssen. Noch mehr, die Wahrnehmung einer auffallenden Verschiedenheit in der Form und Technik und dem äufsern An- sehn einer grofsen Zahl dieser bronzenen Figuren und Geräthe von der klei- neren Hälfte derer, welche von nicht ganz gelungener Fabrikazion zu sein scheinen, und daher auf ein anderes Zeitalter und andere Urheber schliefsen lassen, vermehren die Verwirrung um ein Grofses, worin sich der Beschauer bei dem Überblick dieser ganzen Klasse von so einzigen Alterthümern ihrer Art versetzt sieht. Und dies wird um desto mehr der Fall sein, wenn er zu- mal im Begriff steht, diese alterthümlichen Gebilde zu Grundlagen oder Be- weismitteln historischer Forschungen zu machen und aus ihnen Folgerungen zu ziehen für die Geschichte, die Mythologie, den Kultus, die Sitten und Gebräuche, die Sprache und die Schrift der Völker, welche ihnen ihre Ent- stehung gegeben zu haben scheinen. Er sieht sich, wenn er anders beson- nen zu Werke gehen und sich vor Fehlern der Übereilung hüten will, zu einer kritischen Untersuchung der Ächtheit dieser Monumente nach allen ihren Beziehungen genöthigt. Demnach wird seine erste Frage sein: Wann, — Wo, — von Wem, — und unter welchen Umständen sind diese Gegenstände gefunden wor- den? Ferner: In wessen Händen haben sie sich bis zur Vereinigung mit Obotritischen Runendenkmaäler zu Neu- Strelitz. 145 dem Grofsherzoglichen Museum befunden? Endlich: Wer hat überhaupt über die Geschichte des Fundes sichre, beglaubigte Auskunft gegeben? — Sehr bald wird das nächste Resultat seiner Erkundigungen sein, dafs der schon verstorbene Superintendent und Hofprediger A.G.Masch zu Neu-Strelitz ein Werk (nach der Vorrede im Jahre 1771) herausgab unter dem Titel: Die gottesdienstlichen Alterthümer der Obotriten aus dem Tempel zu Rhetra am Tollenzer-See. Berlin, in 4°, mit welchem die nach Original- zeichnungen, oder vielmehr Ölgemälden des ehemaligen Strelitzischen Hof- malers Woogen, in Kupfer gestochenen Abbildungen von 66 jener bronzenen Idole und Geräthschaften verbunden sind. Diese werden in jenem Werke von dem Herausgeber erläutert und für ehemalige Tempelbilder jenes auf dem Titel genannten slavischen Heiligthumes ausgegeben. Der Verfasser dieses Werkes berichtet nun im 4.8. der vorläufigen Abhandlung (S.3. und 4.) der Hauptsache nach Folgendes: dafs nämlich zwischen den Jahren 1687 bis 1697 diese Alterthümer in dem Pfarrgarten des Dorfes Prilwitz, zwischen Neu-Brandendurg und Neu-Strelitz gelegen, von dem damaligen Prediger (Samuel Friedrich) Sponholz, bei Gelegen- heit, dafs er einen Baum habe einpflanzen wollen, entdeckt worden seien; dafs zwei metallene, hohle Gefäfse oder Grapen, mit vielen Runen bezeich- net, sie in der Art in sich bewahrt hätten, dafs der eine, also der gröfsere über den kleineren, welcher die Alterthümer in sich fafste, gestülpt war, so, dafs diese dadurch vor dem Eindringen der Erde und Nässe, wie in ei- nem festen ehernen Gewölbe, völlig gesichert blieben. Neben den beiden Grapen wäre eine Menge altes Eisengeräth, nahe an zwei Zentner schwer, in der Erde gefunden. — Nach dem im Jahre 1697 erfolgten Tode des Ent- deckers habe die Wittwe desselben sämmtliche Alterthümer an den Gold- schmidt Pälke in Neu-Brandenburg verhandelt, welcher das Eisengeräth verbraucht, die Kessel oder Grapen aber zum Behuf eines Glockengusses in Neu-Brandenburg geschenkt, und ein und das andere Stück der Idole ein- geschmolzen, um Versuche anzustellen, ob sich in der Metallmasse vielleicht Gold oder Silber eingemischt befände. Nach dem Tode dieses Mannes sei die Sammlung in die Hände des Goldschmiedes Sponholz zu Neu-Bran- denburg durch Erbschaft gekommen, da dieser (ein Grofsvater-Bruder-Sohn des Predigers Sponholz in Prilwitz) ein Schwiegersohn des Goldschmiedes Pälke geworden war. Nach dessen Tode sei die Sammlung in den Händen 12 146 Lervzzow über die dechtheit der sogenannten seiner Wittwe (der geb. Pälke) und ihres Sohnes des Goldschmiedes Spon- holz in Neu-Brandenburg so lange verblieben, bis der Neu-Brandenburgi- sche Arzt Dr. Hempel sie im Hause der Wittwe Sponholz entdeckt und davon 46 Stücke durch Kauf zu erhalten gewufst habe; der Rest von 22 Stück wäre ihm, dem Superintendenten Masch in Neu-Strelitz überlassen worden, der sie dann alle in dem obengenannten Werke beschrieben und in Abbildungen herausgegeben habe. — So Masch am angeführten Orte. — Wenn gleich in diesem Berichte nichts enthalten ist, was geradezu den Charakter der Unwahrscheinlichkeit, oder gar einer absichtlichen Erdich- tung an sich trägt, vielmehr, wie weiterhin gezeigt werden soll, vieles von den Umständen, unter welchen der Fund gemacht worden sein soll, mit andern genau und sicher bekannt gewordenen bei ähnlichen Entdeckungen überein- stimmt; so ist dennoch die Frage ganz unvermeidlich: Aus welcher Quelle schöpfte Masch seinen Bericht, den er selbst (a.a.O.) eine Geschichte die- ser Alterthümer nennt? Zumal da Masch seinen Bericht erst einige siebenzig Jahre nach der Entdeckung verfafst hat, und, wie oben angedeutet, der ei- genthümliche Charakter der Gegenstände selbst nicht alle Regungen eines erlaubten Zweifels gegen ihre alterthümliche Ächtheit ausschliefst. Die Antwort lautet mit des Berichterstatters eigenen Worten in der Note c. zum 8.4. S.4. also: ‚Alle diese Nachrichten beruhen auf einer sorgfältigen Erkundigung bei jetzo (neml. 1770) noch lebenden Personen, als dem Herrn Sponholz und dessen Mutter. Die Frau Pastorin zu Badresch verwittwete Heroldten ist eine noch lebende Tochter der Wittwe, welche diese Alterthümer nach Neu-Brandenburg verkauft hat, und weifs es sich gleichfalls zu erinnern, dafs sie in der Jugend gehört, dafs man bei dem Einpflanzen eines Baumes allerlei Metallwerk in dem Pfarrgarten zu Prilwitz gefunden habe.’ — Also hatte der angebliche Entdecker von seiner eignen Hand eben so wenig eine sicher beglaubigte schriftliche Nachricht hinterlassen, als irgend einer seiner Zeitgenossen, dem die näheren Umstände von diesem merkwür- digen Funde bekannt geworden waren. Einige siebenzig Jahre nach dessen Ereignifs werden erst wenige oberflächliche Äufserungen von gröfstentheils weiblichen, bejahrten Personen, Nachkommen des Entdeckers, mündlich eingezogen und niedergeschrieben, wo sie nicht mehr mit dem Zeugnisse an- derer Zeitgenossen verglichen werden konnten. Obotritischen Runendenkmäler zu Neu-Strelitz. 147 Also beruht der ganze Bericht nur auf einer Tradizion aus dem Munde von Leuten, die insofern nicht einmal als ganz unparteiisch angese- hen werden können, da sie die Besitzer und Verkäufer der in Rede stehen- den Sammlung waren und folglich ein Interesse hatten zu bewirken, dafs sie für das angesehen wurde, was ihr allein nur Werth in den Augen eines Käu- fers geben konnte. Sehr möglich, dafs alle diese Personen, wie auch aus Zeugnissen derer erhellt, welche sie noch gekannt haben, aufrichtige und ehrliche Leute waren; aber als vollgültige Zeugen können sie allein nicht gelten für die vollkommene Wahrheit einer Behauptung, die ihnen selbst in frühester Jugend nur als Sage bekannt geworden, theils als fortgepflanzte Tradizion nur zu ihnen im dritten und vierten Gliede gekommen war. Also hatte ferner seit Entdeckung des Fundes, aufser den Besitzern, welche doch Werth darauf gelegt haben, bis zur Überlassung der Sammlung an den Doctor Hempel und Superintendenten Masch Niemand anders ei- nige Kunde und nähere Kenntnifs davon gehabt; folglich hatte man bis da- hin aus deren Besitz ein Geheimnifs gemacht, wovon der Grund, wenn die Alterthümer rechtmäfsiges Eigenthum der Familie waren, und man sich kei- nes Betruges bewufst war, nicht recht einzusehen ist. Es sei denn, dafs man in dem Wahne stand, wie auch geäufsert wird, dafs in der Masse, woraus diese Alterthümer bestehen, sehr viel edles Me- tall sich befinde, und deshalb befürchtete, diese heimlich entdeckten Ge- genstände leicht mit irgend einer Behörde, die darauf Anspruch machen könnte, zu theilen genöthigt zu werden, wenn die Sache zur näheren Kennt- nifs des Publikums käme. Endlich mufs es auch auffallend sein, dafs diese metallenen Denkmä- ler drei Generazionen hindurch sich in den Händen von lauter Goldschmie- den befanden, deren Kunst und Gewerbe grofse Geschicklichkeit im Schmel- zen, Giefsen und Bilden der Metalle erfordert, welches aber leicht zu An- fertigung solcher Alterthümer hätte verführen können, wie es seit Jahrhun- derten in Italien, Frankreich und Deutschland nur zu oft geschehen ist. Aus allen diesen Gründen und Bedenklichkeiten wird es daher wohl einem strengen und gewissenhaften Forscher nicht zu verdenken sein, wenn er auf jenen Bericht des Superintendenten Masch, der übrigens als ein ge- lehrter und umsichtiger, aber doch auch zugleich von seinem Gegenstande zu sehr befangener, und mehr wie billig argwohnloser Schriftsteller in sei- 148 Levezow über die dechtheit der sogenannten nem Werke erscheint, kein grofses Gewicht legt; ihn für eine blofse, durch andere hinlänglich gültige Zeugnisse unverbürgte Sage hält und sich nach andern Gründen, die in der Natur und Beschaffenheit der angeblichen Al- terthümer selbst liegen, und für ihre Authenticität, als Denkmäler des Al- terthums sprechen können, umsieht. Ehe wir uns indessen, was wir beabsichtigen, selbst auf die nähere Prüfung dieser Bildwerke in jener Beziehung einlassen, ist es, selbst des warnenden Beispiels wegen, nöthig in dem weiteren Verfolgen der Schicksale dieser Sammlung fortzufahren, da selten eine ähnliche so viel Aufmerksam- keit erregt, so viel gelehrte Federn in Bewegung gesetzt, so viele, oft ganz widersprechende Urtheile veranlafst hat, ja von vielen Schriftstellern nicht selten auch solchen, welche sie niemals mit eigenen Augen gesehen und un- mittelbar geprüft hatten, unbedenklich zu Grundlagen historischer Annah- men benutzt worden ist, welche die Gestalt des Kulturzustandes der slavi- schen Völker in dem nordöstlichen Deutschlande in sehr wichtigen Punkten wesentlich verändert und erweitert haben. — Noch früher als Masch in seinem oben angeführten Werke eine nä- here Erklärung dieser Denkmäler versuchte, hatte schon der Dr. Hempel, bald nachdem er in den Besitz jener von ihm zufällig entdeckten Gegenstände gekommen war, eine ausführliche Nachricht darüber durch den Präpositus Genzmer in meckl. Stargard, sowohl in den 4ltonaer Merkur (1768, Nr.34 und 44) als auch in die Rostockischen gemeinnützigen Aufsätze (1769. Nr.8- 12) einrücken lassen. Ohne an der Ächtheit dieser Denkmäler im mindesten zu zweifeln, hat er auch nicht für nöthig gehalten, über die Tradizion des Fundes nähere Forschungen anzustellen, oder die Ächtheit dieser Gegen- stände zu erhärten, deren blofser Anblick ihm dieselbe schon zu erproben schien und die er für Tempelbilder aus dem ehemaligen, aber zerstörten Heiligthume des Radegast im alten Rhetra erklärte, dessen Lage er zufolge dieser Denkmäler in der Gegend des Dorfes Prilwitz vermuthete, wo diese gefunden waren. Es scheint nicht, dafs irgend ein anderer Alterthumsken- ner zu der Zeit, wenigstens nicht öffentlich ('), seine Zweifel an der Ächt- heit der Idole habe laut werden lassen. Nur der Prediger Sense zu War- lim in Meckl. Strelitz trat dagegen in den nützlichen Beiträgen zu den Sire- (') M. vergl. die Vorrede des Malers Woogen zu Masch’s Beschreibung etc. 5.3. Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 149 litzischen Anzeigen (1768. Stück 21-23.) in so fern auf, dafs er, zwar die Möglichkeit der Ächtheit dieser Idole zugebend, sie dennoch wegen ihrer Kleinheit und Unansehnlichkeit nicht für die in Rhetra verehrten Tempel- götter ansehen wollte; sondern sie höchstens für flüchtig und unvollkommen gerathene Kopien derselben und anderer fremden Gottheiten erklärte, aus denen durchaus kein Licht für die wendische Religion und deren Kultus zu schöpfen sei. Diese an sich nicht ganz unwahrscheinliche Ansicht, voraus- gesetzt, dafs es mit der Ächtheit der Idole seine Richtigkeit hat, und welcher sich auch die Meinung eines später darüber urtheilenden Kunstgelehrten nä- hert, war leider sehr weitläufig und unbeholfen abgefafst und erfuhr eine doppelte Beantwortung einmal durch den Dr. H. F. Taddel in den gemein- nützigen dufsätzen (1769. Nr.16,17,21-23.) und dann nach einer neuen Erwiderung des Predigers Sense (ebendas. 1769, Nr. 42 und 43.) durch den Präpositus Genzmer (ebendas. 1770, Nr. 80.). Indem auf diese Weise die Sache immer mehr zur öffentlichen Kennt- nifs gekommen war, ward auch die Aufmerksamkeit des Superintendenten Masch in Neu-Strelitz in dem Grade darauf hingeleitet, dafs er nicht nur noch 20 bis dahin zurückgehaltene Stücke von den Gebrüdern Sponholz zu erhalten wufste; sondern sich auch in den Besitz sämmtlicher von Dr. Hem- pel schon erworbenen, also der ganzen Sammlung von 66 einzelnen Stücken setzte. In dieser Vereinigung machte er nun mit den nach den Gemälden des Hofmalers Woogen angefertigten Kupferstichen die ganze Sammlung be- kannt und suchte sie nach ihren artistischen, historischen und epigraphischen Beziehungen in dem schon angeführten Werke die Gottesdienstlichen Alter- thümer der Obotriten ete. zu erläutern. Der über ihre Auffindung ihm zu- gekommenen Sage vertrauend und daran die schon von Hempel zuerst auf- gestellte Hypothese knüpfend, dafs man ihre unvollkommene, lückenhafte Gestalt einem Brande, dem sie ausgesetzt gewesen, zuzuschreiben hätte, und aus welchem sie noch vor ihrer gänzlichen Zerstöhrung aus dem Feuer glücklich gerettet und im Schoofse der Erde verborgen worden, hält er sie, durch den auf ihnen oft zu lesenden Namen Rhetra in seiner Ansicht noch mehr bestärkt, für Tempelbilder aus dem ehemaligen berühmten Heiligthume des Rhadegast zu Rhetra, und wird dadurch veranlafst über die Lage Rhe- tras weitläuftige Untersuchungen anzustellen, die er nemlich in der Nähe des 150 Levezow über die dechtheit der sogenannten Dorfes Prilwitz, wo diese Idole gefunden sein sollten, entdeckt haben will. Die an den Bildern und Geräthen befindliche Runenschrift wird ihrem Inhalte nach aus den bekannten slavischen Dialekten, so gut es gehen will, erklärt, demzufolge die Idole selbst gedeutet, ihre Verehrung bei den ver- schiedenen slavischen Stämmen nachgewiesen und das Ganze als ein wichti- ges, neuentdecktes und an Aufschlüssen reiches Dokument für altslavische Mythologie, Kultur, Kunst und Schriftsprache vindicirt. Schon ein Jahr nach Herausgabe dieses Werks erschien darüber eine sehr ausführliche und scharfe Kritik in Joh. Thunmanns, Professors zu Halle, Untersuchungen über die alte Geschichte einiger nordischen Völker. Mit Yorrede von Dr. Büsching. Berl. 1772, in 8°, und zwar in der vierten Abhandlung: Über die gottesdienstlichen Alterthümer der Obotriten, S. 251 - 323. Aber diese ganze Kritik beschränkt sich nur auf die historischen und mythologischen Hypothesen und Angaben des Superintendenten Masch, ohne die Frage nach der ursprünglichen Achtheit der Denkmäler, an welche sich jene knüpfen, in nähere Erwägung zu ziehen. Eine ähnliche Prüfung derselben erfuhr das Werk von Masch in der Schrift: Rhetra und dessen Götzen. Schreiben eines Märkers an einen Meck- lenburger über die in Prilwitz gefundenen Wendischen Alterthümer. Bützow und Wismar 1773, in 4°, dessen Verfasser der mecklenburgische und bran- denburgische Geschichtschreiber Samuel Buchholz gewesen sein soll. Auch dieser Verfasser nimmt die Authenticität der Alterthümer als ausge- macht an und schränkt seine Prüfungen ebenfalls nur auf historische Punkte, besonders auf die Hypothese von Rhetra und dessen Lage ein. Gegen beide Kritiker vertheidigt sich Masch wiederum in den Bei- trägen zur Erläuterung der Obotritischen Alterthümer. Schwerin und Güstrow 1774, in 4°, denen im IV. Abschnitt noch ein, doch nicht erschöpfender, Aufsatz von den Grabmalen der Wenden, beigefügt ist. Weil aber alle diese Streitschriften, die auch noch späterhin in Bezug auf Rhetra und dessen Lage durch andere gröfsere und kleinere Aufsätze in mecklenburgischen Zeitschrif- ten vermehrt worden sind, (1) nichts zur Aufklärung der Hauptvorfrage nach (') Besonders in der Monatsschrift von und für Mecklenburg. Schwerin in 4°, als: a. Conjectur über eine Stelle des Helmold das Pantheon zu Rhetra betreffend, von ...e (d.i. Hane zu Woosten) S.735-53. Jahrgang II, 8. Stück. August 1789. und S.827 - 43. Fortsetz. 9. Stück 1789. — Beschlußs, S. 1031-1043. 11. Stück 1789. Obotritischen Runendenkmaäler zu Neu- Strelitz. 151 der ursprünglichen Ächtheit dieser Denkmäler beitragen ; so übergehe ich hier ihren Inhalt, um in der Übersicht der äufsern Schicksale jener Samm- lung fortzufahren. Nachdem der Superintendent Masch noch einige Jahre im Besitze dieser Sammlung geblieben war, verkaufte er sie, aus Besorgnifs, dafs sie einst in den Händen eines blofsen Privatmannes leicht der Zerstörung oder Zerstreuung ausgesetzt werden könnte, an die reiche Domkirche zu Ratze- burg, wo sie in der Bibliothek aufbewahrt wurde. Als darauf im Jahre 1794 der russische Staatsrath Graf Johann Po- tocki, in der Absicht die Slavischen Alterthümer auch in den deutschen Provinzen, welche diesem Volke ehemals zu Wohnsitzen gedient hatten, zu untersuchen, eine Reise nach Mecklenburg unternahm, kam er auch nach Neu-Brandenburg, um das Kabinet von Mecklenburgischen Alterthümern zu sehen, welches der vormalige Mitbesitzer jener damals schon in Ratze- burg vereinigten früheren Sammlung, Gideon Sponholz wiederum ange- legt hatte. Mit seltener, bis dahin fast unbekannter Gefälligkeit ward dem Grafen die Sammlung gezeigt. Aufser einer Menge von gewöhnlichen und seltneren Grabdenkmälern fand er noch eine Zahl von 118 Gegenständen aus Metall, theils Götteridole und andere Figuren, theils Schaalen und Ge- räthschaften, theils viele kleine Tafeln und Reliefs mit Bildwerk verziert, und fast alle mit einer Menge von Runen bezeichnet, welche diesen Gegen- ständen einen hohen Werth, ja bei ihrer gröfseren Zahl und Mannigfaltig- keit einen fast noch höheren Werth zu geben schienen, als jener früher von Masch herausgegebenen ersten Sammlung zugeschrieben war. Auch sie soll- ten mit jener ersten zu Prilwitz gefunden, aber aus besonderen Gründen zu- rückbehalten sein. Von ihrem Dasein hatte bis dahin Niemand etwas geah- b. Beitrag zur Geschichte der wendischen Stadt Rhetra von Masch, als Antwort auf das Vorige. Ebend. S.1103-1111. 12. Stück 1789. c. Hane Erinnerung gegen Hrn. Konsistorialraths Masch Beitrag zur Geschichte u.s. w. Ebend. S.481-899. Jahrg. IV. Stück 7. 1791. (Hane will, dafs Rhetra an dem Müritz- See gelegen habe.) d. Ein Beitrag zur ältern Geschichte Mecklenburgs und besonders über die Lage der Stadt Rıhetra und des Tempels des Radegast. Ebend. Jahrg. III. S.99.folgd. und S. 225. folgd. (Der Verf. hält Teterow für das chemalige Rhetra, weil dieser Ort einen grolsen See und darin eine Insel hat.) Philos. -histor. Abhandl. 1834. U 152 Lrvezow über die Adechtheit der sogenannten net; auch Maschen war die Sache völlig unbekannt geblieben. Der Graf Potocki erhielt nicht nur von dem Besitzer die Erlaubnifs, sie näher zu un- tersuchen, sondern auch sogar sie abzuzeichnen, mit welchem Geschäfte er zwei Tage zubrachte. Diese Zeichnungen konnten freilich bei der Eile und Kürze der Zeit nur sehr leichte, flüchtige Skizzen werden, welche den Ori- ginalen und deren Charakteristik nicht auf das genauste entsprachen. Po- tocki gab 1795 die Resultate seiner Reisebeobachtungen mit den radirten Umrissen jener flüchtigen Skizzen versehen in einem zu Hamburg, in 4° er- schienenen Werke heraus unter dem Titel: Yoyage dans quelques Parties de la Basse-Saxe pour la Recherche des Antiquites Slaves ou Vendes, fait en 1794 etc. Aber auch dieser Verfasser hegt kein Mifstrauen zu der Ächtheit der Gegenstände, die er mit kurzen Worten, jeden einzeln, beschreibt und deren Bedeutung, so viel ihm bei seiner genaueren Kenntnifs der slavischen Sprachen möglich war, aus den runischen Inschriften nicht nur anzugeben, sondern auch durch kurze Bemerkungen zu rechtfertigen sucht. Die Herausgabe dieses Werks, welches gleichsam eine neue Ent- deckung enthielt, zog wiederum die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf diese gesammten Denkmäler hin. Sie schienen bis dahin so gut wie vergessen zu sein, obgleich einige deutsche Gelehrte, besonders Schlözer (in der Allgem. Nordischen Geschichte, Halle 1771) die von Masch herausgegebenen Runen- denkmäler zur Bestätigung seiner eigenen Meinung und Egenolfs (in der Historie der deutschen Sprache, Th.IT. $S.14.), dafs auch die Wenden an der Ostsee Runen hatten, benutzt; ferner auch Gebhardi (in der Allgem. Geschichte der Wenden und Slaven, Fortsetzung der allg. Weltgeschichte, 51. Theil. Halle, 1789, Religion. 8.239 folgd.) und Anton in den Zrsten Linien eines Versuchs über die alten Slawen, (1. Thl. 8.7.u.8.) Leip2.1783.8. jene Denkmäler selbst zu Hülfsgrundlagen ihrer historischen Darstellungen der Religion der Wenden und ihres Kultus gemacht hatten. Auch veranlafste jenes Werk des Grafen Potocki wohl hauptsächlich den Entschlufs des Hochsel. Herzogs von Mecklenburg-Strelitz Karl, nicht nur die zu Ratzeburg aufbewahrte erste Sammlung im Anfange seiner Re- gierung an sich zu kaufen und sie im Lustschlosse Hobenzieritz aufstellen zu lassen; sondern auch späterhin in das Anerbieten des Gideon Spon- holz einzugehen, bei seinem herannahenden Alter und seiner zunehmenden Kränklichkeit die zweite, von Potocki beschriebene Sammlung mit allen Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 153 übrigen ihm zugehörigen vaterländischen Alterthümern dem Herzoglichen Hause für eine jährliche Leibrente zu überlassen. So ward die ganze ver- einigte Sammlung im Jahre 1804 nach dem herrschaftlichen Landhause zu Prilwitz gebracht, wo sie so lange verblieb, bis sie endlich ihren schicklich- sten und sichersten Aufbewahrungsort von dem jetzt regierenden Grofsher- zoge Georg in den Vorzimmern der Grofsherzoglichen Bibliothek zu Neu - Strelitz angewiesen erhielt. Während sich die Sammlung noch auf dem Schlosse zu Prilwitz be- fand, ward sie auf einer von Greifswald aus nach Mecklenburg im Jahre 1805 unternommenen Reise ein Gegenstand sorgfältiger Ansicht des sich mit Sla- vischer und Nordischer Geschichte eifrigst beschäftigenden verstorbenen Pro- fessors Rühs. Seine gemachten Beobachtungen brachte er in Briefform un- ter dem Titel: Über Mecklenburg- Strelitz, besonders über die Herzogliche Sammlung Slavischer Alterthümer zu Prilwitz, im 6. Stück des Neuen Teut- schen Merkurs, 1805, S.146.folgd. zur Kenntnifs des Publikums. — Rühs ist, so viel ich gefunden, der erste Gelehrte, welcher in diesen Briefen auf die so unumgänglich nöthige Vorfrage: Sind diese angeblichen Alter- thümer auch ächt? vor allen andern Untersuchungen und daraus abge- leiteten Folgerungen ausdrücklich ein Hauptgewicht legt; eine Frage, deren gründliche Beantwortung alle Vorhergehenden, welche über diese Angele- genheit geschrieben haben, entweder nur flüchtig berührt, oder gänzlich vernachläfsigt hatten, und mit deren genügender Beantwortung doch nur alles Übrige stehen kann, oder fallen mufs. Rühs gesteht, dafs er vor ih- rer näheren Ansicht und Prüfung wirklich geneigt gewesen, eine Art Täu- schung zu vermuthen. Er sagt: ‚‚Es ist wahr, der Kritiker kann eine Menge von Zweifeln und Gründen gegen ihre Authenticität anführen; mehr als ein Umstand rechtfertigt einen Verdacht wider die Entdeckung. Aber auf der andern Seite lassen sich an den Denkmälern selbst gar keine Spuren eines Betruges entdecken; um ihn zu einem hohen Grade zu treiben, wären sel- tene und ungemeine Kenntnisse erforderlich gewesen, und endlich läfst sich durchaus keine vernünftige Absicht dabei denken. Es ist indessen auffal- lend, dafs die Schriftsteller, von denen diese Sammlung bisher erwähnt ist, an der Ächtheit derselben gar nicht gezweifelt haben. Da aber dieser Punkt von der äufsersten Wichtigkeit ist, werde ich in meinen Untersuchungen über die Wohnplätze, die Geschichte, Sitten und Religion der Slavischen F’ ölker U2 154 Le£evezow über die dechtheit der sogenannten im nördlichen Deutschlande zur Erläuterung der Herzoglich Mecklenburgischen Sammlung Slavischer Alterthümer, ohne Parteilichkeit und irgend eine an- dere Rücksicht alles, was sich dafür und dawider sagen läfst, neben ein- ander stellen.”’ — Es wäre zu wünschen, dafs Rühs als Historiker, wenn gleich er kein Kunstkenner war, seinen Vorsatz ausgeführt hätte und nach den angenommenen Grundsätzen das Dafür und Dawider mit gleicher Un- parteilichkeit abgewogen hätte. Dafs aber dieser Entschlufs nicht zur Aus- führung kam, daran war wohl ein ihm späterhin zugekommenes Gerücht von einem hier obwaltenden Betruge und die nähere Erwägung der sehr schwach verbürgten Entdeckungsgeschichte hauptsächlich Schuld. Wenigstens be- merkt er in erner Note zu $.9. des zweiten Abschnitts seines Handbuches der Geschichte des Mittelalters Berl. 1816. 8°. S.794 u. 795.: ‚,Wir würden über die Religion der Wenden mit gröfserer Sicherheit sprechen können, wenn die sogenannten Obotritischen Alterthümer für ausgemacht ächt gehalten werden könnten. — — Allein die höchst verdächtige Entdeckungsgeschichte und mehrere innere Umstände lassen grofsen Zweifel an der Achtheit dieser sonst höchst merkwürdigen Alterthümer übrig.’’ — Aber noch mehr ist zu bedauern in Hinsicht der Prüfung des so wich- tigen epigraphischen Bestandtheils dieser Kunstproducte, dafs der gröfste, nun auch verstorbene Kenner älterer und neuerer slavischen Litteratur und Sprache Johann Dobrowsky nicht aus eigener Ansicht diese Denkmäler seiner schärfsten Kritik hat unterwerfen können; sondern sich blofs in der zweiten Lieferung seiner Slovanka, zur Kenntnifs der alten und neuen slavi- schen Litteratur, der Sprachkunde nach allen Mundarten, der Geschichte und Jlterthümer. Prag, 1815, 8°. S.174u.175., bei Gelegenheit einer Anzeige der Prilwitzer Alterthümer, nur zu äufsern hat begnügen müssen: „,Übri- gens kann ich nicht bergen, dafs man gleich bei der ersten Bekanntmachung der Alterthümer manche Zweifel gegen ihre Ächtheit äufserte. Auch mir kommt jetzt gar vieles bei diesem Schatze von Götzen und Geräthen sehr verdächtig vor; aber darüber abzusprechen darf ich mir nicht anmaafsen” — und dabei die Frage aufwirft: ‚‚Hat Masch die runische Schrift auch überall richtig gelesen?’” — (4) (') Man vergleiche damit Severinus in Pannonia Feterum Monumentis illustrata cum Dacia Tibissana. Lips. 1770. 8°. 8.167 und 68. not. a., wo mehrere Erklärungen dieser Gottheiten durch eine bestimmtere Übersetzung ihrer Namen verbessert werden. Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 155 Eben so zurückhaltend sprach Wilh. Karl Grimm in seinem Werke: über deutsche Runen. Mit 11 Kupfert. Göttingen 1821, 8°. S.158. seine Mei- nung aus: ‚‚Ausdrücklich ist noch anzumerken, schreibt er, dafs die Runen auf den bekannten, bei Prilwitz gefundenen, slavischen Götzenbildern (wo- mit es doch immer noch eine eigene Bewandnifs hat), den Markomannischen nicht näher verwandt sind.’ — Schon etwas dreister, wenn gleich in Einer Beziehung räthselhaft, drückt sich Jakob Grimm, bei Gelegenheit einer Recension in den Göttin- ger gelehrten Anzeigen (1815. Stück 52. S.513.) über Büschings deutsche Alterthumskunde, wo der Recensent des Bildes des Gottes Tyr und ähnli- cher Idole, welche Büsching in seinem Abrisse anführt, erwähnt, folgen- dermafsen aus und wohl nicht ohne versteckte Anspielung auf die Prilwitzer Idole. ,‚Zu welchem Gebrauche, wo und wann solche Idole gearbeitet worden sind, läfst sich kaum ermitteln. Warum sollte es aber nicht erst im 10 oder 11'" Jahrhunderte, oder noch später geschehen sein? Für neueren Betrug, wie er seit dem 16“ in Italien geübt, halten wir sie nicht. Aber aus glaubwürdigem Munde hat Recensent (und Rostocker Gelehrte sol- len mehr davon wissen), dafs im vorigen Jahrhunderte ein mecklenbur- gischer Goldschmidt kleine Götzenbilder erfunden und gearbeitet habe.” — Trotz diesen und ähnlichen Zweifeln, welche bedachtsamen Forschern der ungewöhnliche Charakter jener Entdeckung fast unwiderstehlich einflö- fsen mufste, hat sich dennoch F. J. Mone nicht abhalten lassen, in sei- ner Geschichte des Heidenthums im nördlichen Europa (1. Theil, Leipz. und Darmstadt 1322. 8°. S.172. in der Vorbemerkung) diese Alterthümer nicht nur für ächt und jeden Zweifel daran sogar für unnöthig zu erklären; son- dern sie auch hauptsächlich seiner ganzen, noch mit vielen längst widerleg- ten Irthümern verwebten Darstellung der Religion der slawischen Pommern und Wenden zum Grunde zu legen. Eben so waren sie schon früher von Fiorillo in seinen Aleinen Schriften artistischen Inhalts (2.Band. Abschn. II. über die slavischen Alterthümer. Göttingen, 1806. 8°.) und wurden auch späterhin von Friedrich von Rumohr im 1. Bande seiner Sammlungen für Kunst und Historie (1816. 1.Heft) zu unbezweifelten Grundlagen und Be- weisen für ihre Untersuchungen und Darstellungen der religiösen und artisti- schen Kultur der slavischen Stämme an der Ostsee unbedenklich benutzt, wobei noch zu bemerken, dafs diese beiden letzten Verfasser eben so wenig 156 Levezow über die dechtheit der sogenannten wie Mone, ja der gröfste Theil der Übrigen, welche sich entweder da- für, oder dagegen erklärt haben, die Originale selbst geschen hat- ten. Und doch läfst deren Beschaffenheit und Charakter sich nur ein- zig und allein an diesen selbst gründlich prüfen und beurtheilen, indem die davon gegebenen Abbildungen durchaus unzulänglich und nicht selten man- gelhaft und fehlerhaft sind. Diesen Mangel können die Beschreibungen des Super. Masch nicht ersetzen, da er, wie man sehr bald sieht, kein Kunst- kenner war und von ähnlichen authentischen Denkmälern des Alterthums, die hier zum Vergleich gezogen werden müssen, nicht viel und nicht mit rechtem Auge gesehen zu haben scheint. Endlich hat einen kleineren Theil davon Martin Friedrich Arndt, wie er sich selbst nannte, nordischer Alterthumsforscher aus Altona, unter dem Titel: Grofsherzoglich Strelitzisches Georgium Nord - Slavischer Gotthei- ten und ihres Dienstes zur Beförderung näherer Untersuchung. Minden 1820. 1 Bogen in 4°, kurz beschrieben und erklärt; aber theils zu kurz, theils zu willkührlich, ohne alle nähere Angabe der Beweisgründe für seine Erklä- rung und Runenübersetzung, die nicht selten sich zur unstatthaften Para- phrase ausdehnt, noch weniger aber mit Berücksichtigung ihrer ursprüngli- chen Ächtheit, als dafs durch diese wenigen rhapsodistischen Bemerkungen etwas mehr für Aufklärung der Sache gewonnen worden wäre, als ihr schon durch die von Masch und Potocki gegebenen und auch nicht völlig genü- genden und zureichenden Erklärungen zu Theil geworden war. — Soweit lagen die gedruckten Acten bis zum Jahre 1825 über das Für und Wider dieser antiquarischen Streitsache, welche die Aufmerksamkeit und Theilnahme der gelehrten Welt so lebhaft erregt hatte, mir vor Augen. Das durch seine eigene Natur und den Zwiespalt der Meinungen zu einem der verwickeltesten antiquarischen Räthsel gewordene Problem hatte für mich bei dem Studium der Geschichte und Alterthümer meines Vaterlandes Pommern schon sehr früh ein besonderes Interesse erregt. Aber auch in der Entfernung hatten sich mir, nach Maasgabe der herausgegebenen Abbil- dungen, verglichen mit allen andern mir bekannt gewordenen ähnlichen Kunstproducten eines höheren Alterthums nicht wenig Zweifel an der Ächt- heit der in Rede stehenden Prilwitzer Idole aufgedrungen. Aber ich fühlte nur zu sehr, dafs ohne sie mit eigenen Augen gesehen und geprüft zu haben, kaum gestattet sein könnte, für die eine oder die andere Meinung Partei zu r Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 157 nehmen. Ich entschlofs mich daher im Herbste des Jahres 1825 eine Reise nach Neu-Strelitz zu machen, und so ward es mir möglich durch die libe- ralste Bewilligung Abseiten Sr. Königl. Hoheit des Grofsherzogs und den hülfreichen Beistand des grofsherzoglichen Bibliothekars Hrn. Hofraths Rei- nike diese merkwürdigen Gegenstände mit der gröfsten Bequemlichkeit, bei- nahe vier Wochen hindurch, täglich der genauesten Untersuchung zu unter- werfen und sie Stück vor Stück mit den Abbildungen und Beschreibungen bei Masch und Potocki zu vergleichen. Setzte mich, trotz aller Kälte und Unbefangenheit, womit ich mich denselben genähret hatte, dennoch der erste Anblick bald in Erstaunen, bald in Verwirrung, so lösete sich doch allmählig, bei täglich wiederholter Be- trachtung, jeder einzelne dieser verwirrenden Eindrücke in bestimmtere Vor- stellungen und klarere Ansichten von dem Charakter des Einzelnen und des Ganzen auf. Da meine Absicht an Ort und Stelle bei der Kürze der Zeit keine andere sein konnte, als nur die äufsere Beschaffenheit und die äufseren Merkmale ihrer Ächtheit zu prüfen und mich von der Richtigkeit und Voll- ständigkeit der Abbildungen und Beschreibungen, welche Masch und Po- tocki gegeben hatten, zu überzeugen, das Weitere aber ferneren Studien zu überlassen; so war mein Hauptaugenmerk, mit Hintenansetzung aller my- thologischen und historischen Untersuchungen, einzig und allein auf jenen Zweck gerichtet. Das erste Resultat meiner Prüfung war, dafs ich es hier bei diesem angeblichen Gesammtfunde, wie er bei Masch und Potocki edirt ist, mit vier verschiedenen Gattungen von erzenen Kunstproducten zu thun hatte: erstlich mit solchen, welche durch Hohlgufs entstanden waren und sich in Technik und Styl wesentlich von andern unterschieden; zweitens mit solchen, welche voll gegossen waren; drittens mit mehrentheils kleineren Figuren und Tafeln, welche das An- sehen eines viel späteren Ursprungs, ja sogar eines neueren, an sich tragen; viertens mit Geräthschaften, Waffen und Schmucksachen, wie sie sich häufig in den alten germanischen und nordischen Gräbern den Todtenurnen beigelegt finden, von einem unbezweiflenden Alter- 158 Lrvezow über die dechtheit der sogenannten ihum, aber auch von einem sich von jenen der vorigen drei Gat- tungen völlig unterscheidenden Charakter. Die erste Gattung der Hohlgegossenen zeigte sich nur in der ersten Sammlung, d.i. in der von Masch edirten, nicht aber in der zweiten von Potocki bekannt gemachten. Sie trägt dem Kenner ganz augenscheinlich die Spuren eines unvollkommen gerathenen Gusses an sich, durch ausgeblie- bene ganze Glieder, Arme, Füfse, Attribute und gröfsere und kleinere Lü- cken in den Leibern und Gewändern, zuweilen auch in den Köpfen. Sie zeichnet sich durch eine viel gröfsere und häufigere Verbindung von Thier- köpfen mit menschlichen Leibern aus und durch ein grofses Mifsverhältnifs der Köpfe zu den Leibern. Aufser den Köpfen ist die Arbeit sehr roh und ungelenk. Das Kostum ist sehr einfach, bei den meisten der kurze slavische Rock, der bis an die Knie reicht, oder wenig darüber hinaus geht. Nur bei einigen ist sehr auffallend ein römisches Kostum sichtbar; aber bei mehreren finden sich hier und dort, wo sich gerade ein bequemer Raum ohne Wahl darbot, kleinere Köpfe, ganze Figuren von Menschen und Thieren, selbst gruppenweise, und einzelne Dinge, in flacher Reliefgestalt darauf abge- drückt, welche alle einen andern Kunststyl, zuweilen dem römischen oder griechischen ähnlich, zuweilen aber von ganz modernem Charakter, zu er- kennen geben. — Die Runen sind in der Regel, nur mit wenigen Ausnah- men, welche erhoben darauf gegossen sind, mit dem Grabstichel einge- schnitten. Die zweite Gattung der vollgegossenen Figuren enthält noch mehrere Geräthe der ersten Sammlung und füllt die ganze zweite aus. Jene Geräthe der ersten Sammlung, sogenannte Opferschaalen sind theils oval, theils rund. Die ovalen sind ebenfalls durch mifsrathenen Gufs durchlöchert, so dafs sie einem lückenhaften, netzförmigen Gitterwerke ähnlich sehen. Die runden sind mit darauf hervorstehenden Köpfen von Menschen und Thieren geziert. Auch die vermeinten Opfermesser sind dick und prismatisch gebildet, durch schlecht gerathenen Gufs von unvollkommener Gestalt. Unter den vollgegossenen Figuren der zweiten Sammlung zeigt sich die gröfste, fast 14, Fufs hohe Figur vor allen, nemlich die eines nackten Rade- gasts, in Begleitung einer grofsen Menge gröfserer und kleinerer Figuren von den mannigfaltigsten Formen, bald nackt, bald bekleidet. Die Bekleidung Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 159 ist oft mit Blumenwerk wie gestickt oder eingewirkt und durch andern zier- lichen Schmuck ausgezeichnet. Die Proporzionen der Köpfe zu den Lei- bern sind natürlicher, als die bei den hohlgegossenen der ersten Sammlung. Aber das reliefartig darauf gesetzte Bildwerk eines fremden Styls fehlt ih- nen ganz. Die Runen sind auf einigen sehr zahlreich angebracht, nicht selten in gröfseren Formen darin eingeschlagen, auf einigen auch erhoben mit eingegossen; nicht selten durchkreuzen sie sich auf einer und derselben Figur bis zur Verwirrung. Viele Figuren sind nicht ganz rund, sondern breit gegossen, auf der Hinterseite oft ganz platt und ähneln in dieser Hinsicht den flachen Bildern von zähem Pfefferkuchenteige nicht wenig. Die Über- bleibsel der Strahlen, welche die Häupter und mehrentheils auch den Leib der hohlen Figuren der ersten Gattung umgeben, zeigen sich hier nur noch an den Köpfen einiger Figuren zu langen Ohren und Hörnern benutzt. Bei aller ihrer Rohheit und Schroffheit ist doch eine andere, schon geübtere Technik unverkennbar, das Streben nach Einheit in der Bildung der Theile zum Ganzen; man mögte geneigt sein hinzuzusetzen, auch ein anderer, noch mannigfaltigerer Ideenkreis ist in ihnen dargestellt. Die dritte Gattung besteht aus vollgegossenen Figuren, Geräthschaf- ten und Täfelchen mit Reliefs, welche theils Originalen des griechischen und römischen Alterthums nachgebildet und nach davon genommenen Formen abgegossen sind; theils aus Originalfiguren selbst, die einer viel späteren Zeit, sogar schon dem sechszehnten Jahrhunderte angehören. Sie sind so- wohl der ersten als der zweiten Sammlung eigen; einige von ihnen ent- halten sogar einzelne griechische Wörter in ächt griechischer Schrift. In der ersten Sammlung bei Masch sind dahin zu rechnen, in so fern sie griechischer und römischer Kunst nachgebildet sind, Fig. 19, 20, 21, 22, 24, 26, 27, 29, 38, 40; in so fern einer späteren Kunst, etwa des sechszehn- ten oder siebzehnten Jahrhunderts, Fig. 26 und 63 und die beiden Kartou- chenreliefs Fig.65 und 66; von denen das letzte aber nicht mehr in der Sammlung vorhanden ist. In der zweiten Sammlung bei Potocki Taf. 2. Fig. 6 ganz offenbar der Figur eines jungen, die Schlangen erdrückenden Herkules nachgeahmt; Taf. 14. Fig.35, dem Kopfe eines Janus; Taf. 22. Fig. 77, ein jugendlicher, bartloser, nach einem guten Original abgeformter Christuskopf, dem die rohere Hand des Nachahmers einen breiten stumpfen Bart angesetzt hat. Philos.- histor, Abhandl. 1834. X 160 Levezow über die dechtheit der sogenannten Aber man vergleiche das Original selbst. Ferner Taf. 29. Fig. 106, 107, 108, 109, 110, 111 ganz offenbar nach klassisch antiken Mustern abgeformt und accommodirt. Fig.105 eine Frau im ächt niederländischen Kostum des sechs- zehnten Jahrhunderts. Auf zwei bei Potocki nicht abgebildeten Tafeln eine abgegossene Münze der älteren Faustina und ein Kopf des älteren Juba nach den bekannten silbernen Denaren. Andere unverkennbare Spuren gleicher Art auf mehreren kleinen Relieftafeln und andere Gegenstände übergehe ich. Zu der vierten Gattung derjenigen Gegenstände, welche sich nicht selten in den alten nordischen Gräbern gefunden haben und das unzubezwei- felnde Gepräge des Alterthums an sich tragen, rechne ich, mit Einschlufs der selteneren Erscheinungen von Fig. 35 und 37 der ersten Sammlung, — in der zweiten Sammlung Taf. 25. Fig. 85, 59, 92, 93, 94, Taf. 26. Fig. 96, 97, 98, 100, 101, 102, 115, 116, 117, 118; mit Ausnahme von Fig. 35 und 37 in der ersten Sammlung, sämmtlich ohne Runenschrift. Aus diesen Beobachtungen ergiebt sich, dafs die mannigfaltigste Mi- schung von Formen und Stylarten sich in der zweiten Sammlung befindet, von denen das Meiste sich wesentlich durch Technik und dargestellte Ideen von den Producten der ersten Sammlung unterscheidet. Diese Bemerkung aber, zumal an den Monumenten selbst angestellt, mufs nothwendig die Überzeugung bewirken, dafs beide Sammlungen ganz von einander verschiedene Urheber und Verfertiger gehabt haben und gleich- falls einen unvermeidlichen Zweifel erregen an der Behauptung, dafs beide Sammlungen zugleich an einem und demselben Orte gefunden sein sollen. Dieser Zweifel wird durch die Vermischung mit Gegenständen erhöht, die, in so fern sie in alten Gräbern wirklich gefunden werden, nie mit Idolen, Reliefs und andern Dingen der Art und zwar des besonderen Charakters, wie sie jene Bildnisse zeigen, vereint angetroffen worden sind; ja vollkommen gerechtfertigt durch Bilder und Abbildungen, die ganz unwidersprechlich dem sechszehnten und siebenzehnten Jahrhunderte angehören; von andern Merkmalen hier zu schweigen, welche von einem geübten Kenner leichter erkannt als beschrieben und demonstrirt werden können. Dazu gehört auch die Gattung des Rostes, den viele dieser Dinge an sich tragen und welche eher ein leichtes Product der Kunst durch Säuren und darauf getragene An- striche unvollkommen bewirkt, als durch eine lange Operazion der Natur im Schoofse der Erde erzeugt, erscheint. — Obotritischen Runendenkmaler zu Neu- Strelitz. 161 Aus diesen und mehreren andern ähnlichen Bemerkungen wurde mir in der Hauptsache sehr bald klar, dafs die zweite von Potocki be- schriebene Sammlung, in Betreff der Runen und Bildwerke, sich nicht nur von der ersten Sammlung wesentlich unter- scheide, sondern auch den Verdacht einer neueren Fabrikazion und einer absichtlich damit zu bewirkenden Täuschung in ho- hem Grade ganz besonders auf sich lade. Ehe ich indessen es wagen wollte, darüber meine Ansichten öffent- lich auszusprechen, schien es mir möglich zu werden, diesem höchst wahr- scheinlichen Betruge noch näher auf die Spur zu kommen, ja vielleicht die entscheidendsten Zeugnisse dafür auszumitteln, wenn man eine gerichtliche Vernehmung derjenigen noch lebenden Personen veranstalten könnte, welche als ehemalige Lehrlinge und Gesellen der Goldschmiede Sponholz noch leben und von deren Thun und Treiben die genaueste Kenntnifs besitzen mufsten. Ein schon bei meiner Anwesenheit in Neu-Strelitz durch den Hrn. Hofrath Reinike in meiner Gegenwart auf der Grofsherzoglichen Bi- bliothek angestellter, doch nicht offizieller Versuch einer Vernehmung mit dem noch in Neu-Strelitz lebenden Goldschmiede Buttermann, einem Zöglinge des Sponholz, hatte in dieser Hinsicht zu keinem aufklärenden Re- sultate geführt. Aber mein deshalb geäufserter Wunsch und Vorschlag er- hielt die Allerhöchste Zustimmung und bewirkte von Grofsherzoglicher Seite die Ernennung einer Kommission aus den Herren Hofräthen Reinike und Nauwerk bestehend, zu näherer Prüfung der Ächtheit der Obotritischen Alterthümer mittelst Vernehmung mehrerer noch lebender ehemaligen Ge- hülfen und Hausgenossen der Gebrüder Sponholz. Die von diesen beiden Kommissarien mit grofser Umsicht und mit ausgezeichnetem Scharfsinne, von Zeit zu Zeit, seit dem 26%” September 1827 bis zum 10‘ August 1829, angestellten und fortgesetzten Verhöre mit folgenden Personen: dem Goldschmiede Buttermann zu Neu-Strelitz, dem Goldschmiede Neumann zu Alt-Strelitz, dem Goldschmiede Völker zu Alt-Strelitz, dem Bürger Boie zu Wahren und dem Bürger und Gelb- giefser Wurm zu Wesenberg, ergab sich nach Inhalt sämmtlicher Original- Akten, die mir auf Befehl Sr. Königl. Hoheit des Grofsherzogs mitgetheilt worden sind, Folgendes: X2 162 1) 3) 4 u 5) 6 m 7) Levezow über die dechtheit der sogenannten dafs jene eben angeführten Personen, mit Ausnahme des Gelbgiefsers Wurm zu Wesenberg, mehrere Jahre lang Lehrlinge, Gehülfen des ältesten der drei Brüder Sponholz, nemlich des Goldschmiedes Jakob Sponholz, oder Diener des jüngsten Bruders Gideon Sponholz und Hausgenossen beider Brüder gewesen waren; dafs mehrere von ihnen, als Buttermann, Boie und Völker zum öftern an den von dem jüngsten Bruder Gideon häufig unternommenen Aus- grabungen alter Begräbnifsplätze in der Umgegend von Neu-Branden- burg Theil genommen und auch viele von den in der Grofsherzoglichen Sammlung befindlichen Gegenständen als solche wiedererkannten, wel- che sie hatten mit ausgraben helfen; dafs aber unter diesen Gegenständen keine mit Runen bezeichneten Stücke, bronzene Idole und andere Figuren befindlich gewesen; dafs aber alle diese Personen, mit einziger Ausnahme des Goldschmie- des Neumann, erst nach der Zeit des Verkaufs der ersten Sammlung in das Sponholzische Haus gekommen waren und folglich diese erste Samm- lung dort nicht mehr gesehen hatten, aber Vieles von der zweiten Samm- lung, als in den Händen des Gideon Sponholz befindlich, sich gese- her zu haben erinnerten; dafs der älteste Bruder Jakob Sponholz nach dem Verkauf der ersten Sammlung, welche das gemeinschaftliche Eigenthum sämmtlicher drei Brüder gewesen, nur allein einen Vorrath von silbernen Medaillen be- sessen und sich so wenig mit Ausgraben, als Sammeln der Alterthümer beschäftigt habe; der dritte Bruder Gideon hingegen, der gar kein reelles Geschäft be- trieben, nicht nur, wie schon bemerkt, fleifsig in Gesellschaft einiger Gcehülfen auf Alterthümergräberei ausgegangen, sondern auch davon und allerhand andern Gegenständen, als Naturalien und Kuriositäten, eine grofse Sammlung zusammengebracht, aber damit nie gehandelt, sondern sie aus blofser Liebhaberei besessen und zu vermehren gesucht habe; dafs, soviel die Referenten hätten bemerken können, dergleichen Al- terthümer so wenig von dem Goldschmiede Jakob Sponholz, als von dem Gideon verfertigt, oder durch Abgufs vervielfältigt worden wä- s) 9) Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 163 ren; indem beide Brüder, am wenigsten aber der unwissendste von Al- len, Gideon, dazu so wenig Geschick als Kenntnifs besessen; dafs die Alterthumskenntnifs des Letzten sich lediglich auf das, was da- von in dem Buche des Superint. Masch enthalten, eingeschränkt, und dafs auch weiter eben kein genauer Umgang zwischen ihm und andern Gelehrten Statt gefunden habe, aus welchem sich irgend eine Vermu- thung auf eine betrügliche Absicht jener Art könnte schöpfen lassen; Endlich, dafs sie die Sage von der Entdeckung der ersten Sammlung durch den Prediger Sponholz zu Prilwitz oft und immer gleichlautend aus dem Munde beider Brüder vernommen hätten. Anders lauteten indessen die Aussagen des 7Sjährigen Goldschmiedes Neumann aus Alt-Strelitz in den mit ihm zu fünf verschiedenen Malen an- gestellten Verhören. Der Hauptsache nach ergab sich daraus Folgendes: 1) 2) 3) 4) dafs er drei und zwanzig Jahre, sechs Jahre als Lehrling und siebenzehn Jahre als Geselle, bei dem ältesten Bruder dem Goldschmiede Jakob Sponholz in Arbeit gestanden und dessen Hausgenosse gewesen sei; dafs er im Jahre 1765 zu Sponholz gekommen, also kurz vor dem Ver- kauf der ersten Sammlung an den Doktor Hempel; dafs er niemals an den Ausgrabungen des Gideon Theil genommen; dafs er die Aussagen der übrigen Vernommenen in Betreff der Familien-, häuslichen und persönlichen Verhältnisse, so wie auch des Treibens und der Fähigkeiten der drei Gebrüder Sponholz nicht nur in der Haupt- sache bestätigte, sondern auch noch durch manche specielle Angaben näher erläuterte; dafs aber Gideon Sponholz viel Verkehr mit einem sehr geschickten Töpfer Namens Pohl in Neu-Brandenburg gehabt, der ihm zum öftern thönerne, ungebrannte Figuren gebracht, oder auch mit grofser Heim- lichkeit in seiner Wohnung angefertigt, die er (Neumann) dann in Ab- wesenheit des ältesten Bruders habe auf gewöhnliche Weise in Sand ab- formen müssen, worauf diese Formen mit Metall, wozu Gideon altes Messing und Kupfer herbeigeschafft, ausgegossen worden, und er (Neu- mann) mit einem sogenannten Schrootpunzen, nach dem Muster der in dem Buche des Superintendenten Masch enthaltenen Runen, derglei- chen Charaktere und Schrift habe einschlagen müssen; 164 Levezow über die dechtheit der sogenannten 6) dafs die thönernen Modelle darauf vernichtet worden; von keinem Mo- delle aber mehr wie Ein Gufs genommen worden; 7) dafs alsdann durch Säuren und Borax den gegossenen Figuren eine Art von grünem Roste gegeben worden; 8) dafs diese Fabrikazion durch Gideon Sponholz aber erst seit dem Verkauf der ersten Sammlung unternommen worden, deren Ver- lust ihn sehr geschmerzt und über deren Verkauf er dem ältesten Bruder oft sehr bittere Vorwürfe gemacht habe. Sei dieser Zeit sei auch Gi- deons Begier wieder eine neue Sammlung für sich zu Stande zu bringen, recht rege geworden, und er habe durch das Anfertigen neuer Idole und die Ausbeute seiner Ausgrabungen sich gleichsam selbst täuschend über den Verlust der ersten zu trösten versucht. 9) Er gestand, dafs auf diese Weise, etwa in den Jahren 1777 und 1778, nach und nach, so viel er sich noch bei schon geschwächter Erinne- rungskraft darauf besinnen könne, der gröfste Theil der in der zweiten (Potockischen) Sammlung enthaltenen, mit Runen bezeichneten Bilder und Geräthe mit seiner Beihülfe zu Stande gekommen. (1) Wenn nun gleich durch diese und auch noch in einigen darauf erfolg- ten Verhören aufs Neue bestätigte, näher erläuterte und endlich beschworne Aussage des Neumann ausgemittelt worden ist, dafs nur die von ihm na- mentlich angegebenen in der zweiten Sammlung befindlichen Stücke mit sei- ner Hülfe nach den Modellen des Töpfers Pohl, zu denen Gideon Sponholz selbst die Angaben gemacht, gegossen und mit Runenschrift bezeichnet wor- den sind; er ferner auch einräumt, dafs noch Vieles andere in dieser zwei- ten Sammlung, dessen er sich aber bei seinem hohen Alter und der langen verflossenen Zeit nicht einzeln und bestimmt mehr erinnere, von ihm ver- fertigt sein könne; so geht doch aus der grofsen Ähnlichkeit des noch übri- gen Theils der Bilder und Gefäfse in der von Potocki beschriebenen Abthei- lung ganz augenscheinlich hervor, dafs es auf gleiche Weise entweder von (') Bei der entscheidenden Wichtigkeit dieser Aussagen des Neumann wird es nicht überflüssig erscheinen, wenn wir am Schlusse der ganzen Untersuchung im Anhange dieses Abschnitts, aus den Vernehmungs-Protokollen Neu-Strelitz den 16. Juli 1828, Alt-Strelitz den 28. October 1828, und Neu-Strelitz den 10. August 1829, die darauf zunächst Bezug habenden Stellen wörtlich mittheilen. Obotritischen Runendenkmäler zu Neu-Strelitz. 165 dem Neumann, oder von andern Gehülfen nach ähnlichen Modellen des Töpfers Pohl gegossen sein müsse. Hierbei ist aber der Umstand nicht ganz erklärlich, dafs, in Betracht der übereinstimmenden Aussagen der übrigen Vernommenen über die Ignoranz des Gideon Sponholz und den gänzlichen Mangel an litterarischer Bildung und Beschäftigung, verglichen mit dem ei- genen Zugeständnisse des Neumann (ad quaest. 26.), nemlich, ‚‚dafs Gideon Sponholz die Namen der Figuren seiner Sammlung weder lesen noch erklä- ren können, und was er davon gewufst, ihm vom Superintendenten Masch mitgetheilt sei;’’” ferner (ad quaest. 25.) ‚‚aufser dem Werke von Masch, welches er (Neumann) bei Sponholz wohl gesehen, erinnere er sich nichts weiter von dem hier in Frage gestellten’, nemlich in Betreff solcher Abbil- dungen und Werke, deren sich Sponholz zu seiner Fabrikazion als Vorbil- der bedient haben könne; — endlich, dafs der Neumann die auf die Figu- ren gesetzten Runen nach Vorschriften des Gideon Sponholz und Vorbil- dern aus einem Buche (also wahrscheinlich nach der oben gemachten Be- merkung aus dem Werke des Masch) habe einschlagen müssen, dafs dennoch auf diesen Bildern Namen von Götzen zu lesen sind, welche sich in dem Mascheschen Werke nicht befinden, als die Namen Othin, Rugewit, Razivia, Zarnevit, Hela u. dergl. Diese müssen demnach als Namen slavischer Götzen von einem mit slavischer Mythologie und Kultus bekann- ten Litterator ausgewählt und in Runen- Charakteren vorgeschrieben sein. Deshalb steht zu vermuthen, dafs irgend ein selbst dem Neumann absichtlich verhehlter mecklenburgischer Gelehrter mit der Sache entweder in näherer oder entfernterer Verbindung gestanden und dem Sponholz für dessen Absicht behülflich gewesen sein mag. Wenn sich hierbei auf zwei in Neu-Brandenburg zu der Zeit lebende Personen, welche auch, wie aus den Akten und andern geschriebenen und gedruckten Dokumenten hervorgeht, mit Sponholz in näheren Beziehungen gestanden haben, ein nicht unwahr- scheinlicher Verdacht werfen liefse; so ist derselbe doch nicht so hinlänglich begründet, um auf sie namentlich hinweisen zu dürfen. Wie dem aber auch immer sei, so berechtigt doch jene Aussage des Neumann nunmehr vollkommen, den ganzen Theil der mit Runen bezeichneten Figuren, Tafeln, Geräthen und Werkzeugen der zweiten von Potocki beschriebenen Sammlung, (mit Ausnahme der runenlosen ächten damit verbundenen Grab- 166 Lervezow über die dechtheit der sogenannten denkmäler) für unächte, neuere Fabrikate zu erklären und sie daher ganz von der ersten Sammlung, als dem eigentli- chen, angeblichen Prilwitzer Funde, zu trennen und von al- ler anderen wissenschaftlichen Berücksichtigung völlig aus- zuschliefsen. Durch dieses wichtige Resultat ist demnach zum Vortheil der Unter- suchung dieses merkwürdigen Gegenstandes wenigstens gewonnen: erstlich, dafs die von Masch herausgegebene Sammlung jetzt allein wie- der und noch unvermischt von den späteren Fabrikaten des Gideon Sponholz dastehend anzusehen, und zweitens bei der wissenschaftlichen Prüfung des Prilwitzer Fundes nur allein auf sie Rücksicht zu nehmen sei, wodurch das Feld der Un- tersuchung enger und übersehbarer geworden und von allen Ver- wirrungen wieder befreit worden ist, welche die betrügliche Ein- mischung der zweiten Sammlung nothwendig erregen mufste. Indem es aber ein sehr übereilter Schlufs sein würde, auch diese erste Sammlung deshalb für falsch und untergeschoben zu erklären, weil die zweite dafür erkannt werden mufs; so bedarf es noch einer besonderen Prüfung jener in Beziehung auf ihre Achtheit mit allen noch jetzt zu Gebote stehen- den Mitteln, und diese Prüfung wird der Gegenstand der folgenden Ab- schnitte sein. Zweiter Abschnitt. Prüfung der Ächtheit der ersten, von Masch beschriebenen Sammlung sogenannter Obotritischer Alterthümer. Indem ich im Begriff stehe, diese Untersuchung der Ächtheit der er- sten von Masch beschriebenen Sammlung sogenannter Obotritischer Alter- thümer zu beginnen, mufs ich zum Voraus bemerken, dafs ich dieselbe, we- nigstens für jetzt, nur auf die Prüfung der äufseren Merkmale einschrän- ken werde. Alle Gründe für oder wider die Ächtheit dieser vorgeblichen Alterthümer, in so fern sie in dem Charakter der altslavischen Sprache be- gründet sind, welche sich in der jene begleitenden Runenschrift ausspricht, oder in der ihnen dadurch gegebenen mythischen Bedeutung und ihren histo- rischen Verhältnissen, mufs ich zu entwickeln entweder einer andern Zeit, Obotritischen Runendenkmaler zu Neu- Strelitz. 167 oder andern Forschern überlassen. Auf jeden Fall aber wird es das schwie- rige Geschäft um ein Grofses erleichtern helfen, wenn erstlich eine vorläufige Beleuchtung der Sage, welche die Entdeckung dieser Denkmäler zum Ge- genstande hat, ferner der artistischen Beschaffenheit und des bildlichen Cha- rakters derselben, endlich der eigenthümlichen Form der darauf vorkom- menden Runenschrift und ihres mehr oder weniger übereinstimmenden Ge- brauchs, den Sprachkenner und Mythologen in den Stand setzt, auf helle- rem und gebahnterem Pfade desto sicherer bis zum Ziel seiner Untersuchung vorzuschreiten. Ich werde daher zuerst meine Bemerkungen zu der von Masch am oben angeführten Orte und von mir der Hauptsache nach aus seinem Buche mitgetheilten Sage mit der Unparteilichkeit voraufschicken, welche mich bei dieser ganzen Prüfung leiten wird. Wenn gleich, wie schon früher bemerkt worden, die ganze von Masch über die Entdeckung der Prilwitzer Idole und Geräthe gegebene Nachricht sich nur auf eine Sage einschränkt, welche sich bis auf die Besitzer im drit- ten und vierten Grade mündlich fortgepflanzt hatte, durch keine schriftliche Nachricht, so wenig des angeblichen ersten Entdeckers, noch irgend eines Zeitgenossen bestätigt und bewährt ist, und folglich nicht den Charakter ei- ner völlig dokumentirten Geschichte an sich trägt; so ist dennoch, wie gleich- falls schon angedeutet, im Allgemeinen nichts in ihr enthalten, welches ei- nen innern Widerspruch zu erkennen gäbe; vielmehr erscheinen die meisten der angegebenen Thatsachen und Nebenumstände in einem Charakter, wie er sich schon oft in ähnlichen Fällen erwiesen hat und daher der ganzen Sage einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit im Allgemeinen verleihen. Denn 1) dafs der Mecklenburgische Boden reich an Denkmälern der frühern Vorzeit sei, beweisen nicht nur die daraus zu Tage geförderten zahlreichen Alterthümer mancherlei Art, welche sowohl die grofsherzogl. Strelitzische, als auch die grofsherzogl. Schwerinische noch viel reichere Sammlung in Lud- wigslust in sich schliefst; eine Menge anderer, in den Sammlungen von Pri- vatpersonen befindlicher ähnlicher Monumente nicht einmal zu gedenken. (') (‘) Zum Beispiel die des Hrn. Pastor primarius Rudolphi zu Friedland, welche äulserst seltene und höchst schätzbare Monumente enthält. — Auch soll ein verstorb. Kanzleirath und Philos.-histor. Abhandl. 1834. 2% 168 Levzzow über die dechtheit der sogenannten Aber auch die Menge von noch überall auf der Oberfläche Mecklenburgs zerstreuten Grabhügeln, durch ihre eigenthümliche Form und die Bekrän- zung und Bewährung Kenners ausgezeichnet, lassen vermuthen, wie viel Ähnliches noch unter ih- mit grofsen Steinmassen, als solche, für das Auge des rer nicht gelüfteten Decke verborgen liege. 2) Auch späterhin haben sich zufällig in und bei Prilwitz, nach den Aussagen von amtlich befragten Zeugen, Gegenstände des Alterthums zu er- kennen gegeben, die noch in der grofsh. Sammlung aufbewahrt werden. (') 3) Es ist also auch nicht unwahrscheinlich, dafs der Prediger Spon- holz bei Gelegenheit des Eingrabens eines Fruchtbaumes in seinem Pfarr- garten eine bedeutende Zahl von Alterthümern gefunden habe, die sich aus den Zeiten der heidnischen Bewohner Mecklenburgs herschreiben. 4) Aber der Angabe nach in zwei metallenen Grapen oder Kesseln, von denen der eine die Alterthümer in sich schlofs, der andere aber zum Schutz derselben darüber gestülpt war. — Auch dieser Umstand ist nichts aufserordentliches. Auf diese Weise findet man häufig in den alten Grab- mälern kleinere Urnen durch gröfsere darüber gestülpte geschützt. Auch liegt darin nichts Befremdendes, dafs diese Gefäfse von Metall waren und die Form von Grapen hatten. Denn dergleichen Gefäfse haben sich zum öftern in Mecklenburg und anderwärts gefunden. So befinden sich in der grofsherzogl. Sammlung zu Strelitz zwei solcher Grapen von gegosse- nem Metall, welche im Strelitzischen ausgegraben worden sind, auch ein- zelne Füfse und Bruchstücke von andern. — Von zertrümmerten haben sich hin und wieder auch in Pommern Scherben, oder einzelne Füfse gefunden. Das Aufserordentliche liegt nur in dem Umstande, dafs jene beiden Grapen mit vieler Runenschrift bezeichnet waren, die sich an anderen der Art nicht gefunden hat. Doch verdient bemerkt zu werden, dafs am Rande Meckl. Leibmedikus Hornhart eine sehr grofse Samml. Mecklenburgischer Alterthümer be- sessen haben. Ist diese noch vorhanden und wo? — conf. Beilagen zu den VPMWFöchentl. Ro- stockischen Nachrichten und Anzeigen. Beilage, 31. Stück 1818. p. 124.5. (') Z.E. von bekannt gewordenen Entdeckungen der Art eine grolse Urne von dem Gärtner Zöllner bei Gelegenheit der Einsetzung eines Weinstockes vor dem herrschaftlichen Gärtnerhause zu Prilwitz ausgegraben. Eben so mehrere Urnen und Alterthümer, welche namentlich von Gideon Sponholz und seinen Gehülfen auf der Feldmark von Prilwitz ans Licht gezogen und sich in dem genannten Museum befinden. Obotriüischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 169 des einen Grapens im Mus. zu Strelitz sich ein erhoben mit eingegossenes Runen ähnliches Zeichen befindet. Wird sich in der Folge das Dasein von ächter Runenschrift auf anderen Mecklenburgischen Denkmälern bewähren, so ist es auch nicht unwahrscheinlich, dafs sich auf diesen Grapen wirkliche Runenschrift habe befinden können. 5) Aber diese Grapen sind nicht mehr vorhanden und sollen von dem Goldschmidt Pälke, dem zweiten Besitzer der Alterthümer zum Behuf ei- nes Glockenumgusses für die Marienkirche in Neu-Brandenburg geschenkt worden sein. — Dieser Umstand kann indessen nicht mehr bewiesen werden, da den genausten Nachforschungen zufolge, so wenig an den Glocken der Marien- kirche selbst etwa durch eine Inschrift, als in dem Kirchenarchive sich die geringste Spur von einer Anzeige eines solchen Geschenkes findet. — Es müfste denn sein, dafs der Goldschmidt Pälke dem Glockengiefser die bei- den Grapen in der Stille zu jenem Behuf gegeben und nicht gewollt hätte, dafs davon ein besonderes Aufheben gemacht würde. Diese Vermuthung könnte einige Wahrscheinlichkeit dadurch gewinnen, dafs die Besitzer der gefundenen Alterthümer dieselben immer verheimlicht haben, in der Ver- muthung, dafs sich in der Metallmasse, woraus sie bestehen, viel Silber oder fe$) edles Metall befinde, aus ihnen daher vielleicht noch viel Vortheil zu ziehen sein mögte, dessen sie leicht verlustig gehen könnten, wenn etwa die Re- gierung, oder andere Berechtigte auf ihren Besitz Anspruch machen wür- den, wenn das Vorhandensein eines solchen Fundes öffentlich zur Sprache käme. Jene beiden Grapen konnten sich indessen spurlos von irgend einer Beimischung edleren Metalls erwiesen haben. — 6) Ebenfalls kann die Menge der gefundenen Gegenstände, nur allein aus Bronze bestehend, in so fern keinen Verdacht erregen, als erstlich andere Alterthümer aus derselben Metallmischung verfertigt, als Waffen, Schneidewerkzeuge, Urnen, Grapen, Schmucksachen und andere Geräthschaften in den alten Gräbern nicht selten gefunden werden und da- her auf einen in den früheren Zeiten sehr allgemeinen Gebrauch dieses Me- talls hindeuten, folglich auch vermuthen lassen, dafs Götterbilder und Kul- tusgeräthe ebenfalls daraus gebildet sein mögen. Zweitens lehren andere Beispiele von an andern Orten in Masse gefundenen bronzenen Gegenständen einer und derselben Art augenscheinlich, dafs die Veranlassungen, sie hau- ) Y2 170 Levezow über die dechtheit der sogenannten fenweise der Erde anzuvertrauen in jenen Zeiten des unstäten gesellschaft- lichen Lebens und des häufigen Wechsels von Krieg und Frieden nicht selten gewesen sein müssen, welche die Besitzer solcher Vorräthe nöthigen konn- ten, sie dem Schutze der Erde anzuvertrauen. Hier nur einige Beispiele. So wurde in Vorpommern im Jahre 1822 in der Nähe Demmins, bei Plestlin, indem man mehrere grofse Steine zum Behuf des Hafenbaues zu Swiene- münde ausgrub und abräumte, eine Zahl von 150 meisselartigen, zum Theil verschieden gestalteten, auch sogar hohl gegossenen, Instrumenten von Bronze, nebst zwei Überresten von zwei linsenförmig geschmolzenen rohen Kupferkuchen an 134 und 34 Pfund schwer, gefunden. Der gröfsere Theil dieser Instrumente nebst den beiden Massen sehr reinen Königskupfers wird jetzt in der zum Königl. Museum gehörenden Sammlung vaterländischer Al- terthümer zu Berlin aufbewahrt, einige andere Instrumente sind nach Stettin in die Sammlung der dortigen antiquarischen Gesellschaft und einzelne in die Hände von Privatpersonen gekommen. — Ferner befand sich in der Sammlung des verstorbenen Hofraths und Professors Huth zu Dorpat, frü- her in Frankfurth a.0., welche vor mehreren Jahren hier in Berlin zur öffentl. Versteigerung kam, eine sehr zahlreiche Masse von bronzenen, si- chelförmigen gröfseren und kleineren Instrumenten einer und derselben Technik, nebst vielen gröfseren und kleineren Ringen, die aus einer gleichen Metallmischung bestehen und an einem und demselben Orte früher in der Gegend von Frankfurth ausgegraben worden waren. Auch diese befinden sich gröfstentheils in der Königl. Sammlung zu Berlin. — Ähnliches hat sich anderwärts ergeben. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts wurden auf Born- holm mehrere kleine goldene Idole beisammen im Acker gefunden, die Ja- kob von Mellen beschrieb und bekannt machte. — Vor nicht gar langer Zeit fanden sich, öffentlichen Nachrichten zufolge, bei Bamberg in einer Grube; eben so wie in Pommern bei Demmin, dreifsig bis vierzig meissel- artige Instrumente aus Bronze. Endlich, im May 1802 wurde in Gambach, im Amte Hungen, unweit Butzbach, nahe beim Pfahlgraben, in einem Um- kreise von vier bis fünf Schritten, drei bis vier Fufs tief, eine grofse Menge Waffen und Geräthe, auf einem Haufen liegend, entdeckt; einige zwanzig Stück kleine Sicheln, desgleichen meisselförmige Werkzeuge aus Bronze, grofse Klumpen Metalls, die ihrer Form nach in gewölbten Tiegeln ge- schmolzen zu sein scheinen, eben so, wie die Metallkuchen bei Plestlin. — Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 171 Höchst wahrscheinlich waren alle diese Entdeckungen die in der Erde ver- borgenen Vorräthe von Verfertigern solcher Gegenstände im Alterthum, wie die dabei gefundenen Klumpen geschmolzenen Metalls ganz augenscheinlich beweisen. Es darf also an sich die Nachricht von einem bedeutenden Vorrathe von bronzenen Figuren und Geräthen, an einem und demselben Orte an den Ufern der Tollense entdeckt, keinesweges befremden, da es ganz den An- schein hat, als ob sie unter ähnlichen Umständen, um sie vor Raub oder Zerstörung in Sicherheit zu bringen, von dem ehemaligen Besitzer, oder Ver- fertiger, in der Erde verborgen worden wären. 7) Nur der Zusatz zu jener Nachricht, dafs neben diesen metallenen Grapen, worin sich die Figuren und Geräthe befanden, auch eine angeblich zwei Centner schwere Masse alten verrosteten Eisenwerks gefunden, welches späterhin von dem zweiten Besitzer dem Goldschmidt Pälke in Neu- Bran- denburg verbraucht worden sein soll, erregt einiges Bedenken. Angenommen, dafs jene Alterthümer spätestens im eilften Jahrhun- derte vergraben wurden, so haben die Eisengeräthe, welche nicht näher be- schrieben werden, sechs Jahrhunderte, bis zu ihrer Entdeckung in der blo- fsen Erde gelegen. Das ist überflüssig lange Zeit genug, mäfsig dicke Eisen- massen, in abwechselnd feuchter und trockener Erde, zumal am Fufse eines Berges, wohin sich Regen und Feuchtigkeit um so leichter sammeln, völlig zu zerstören; und dennoch sollen diese gerosteten Massen, in denen im be- sten Falle nur äufserst wenig regulinisches Eisen übrig geblieben sein kann, von dem zweiten Besitzer noch verbraucht worden sein! Wozu konnte dies wohl noch genutzt haben? 8) Dafs der erste Entdecker seinen Fund mehrere Jahre bis zu sei- nem Tode geheim gehalten, ist eben nicht unwahrscheinlich. Angestellte Versuche mit dem Gehalte des Metalls durch blofses Reiben und Poliren konnten ihn sowohl bei dem goldähnlichen Glanze, den die alten Bronze- mischungen nicht selten annehmen, als auch dem silberähnlichen Glanze in andern Mischungsarten desselben (und beide Arten von Mischungen finden sich in den Prilwitzer Idolen) zu glauben verführen, dafs darin viel Gold und Silber enthalten sei, welches sich vielleicht von einem Kunstverständi- gen noch daraus würde abscheiden lassen. Indem er ihnen deshalb (wie ge- wöhnlich von Unkundigen geschieht) einen höheren Werth beilegte, trug er 172 Levezow über die dechtheit der sogenannten Sorge, seine Entdeckung geheim zu halten, um sie nicht im entgegengesetz- ten Falle ganz oder halb zu verlieren, wenn etwa der damalige Grund- und Boden -Besitzer von Prilwitz, ein Herr von Gamm, von rechtswegen darauf Anspruch machen konnte. — 9) Bei dieser Gelegenheit darf es aber nicht unbemerkt bleiben, dafs ich in dem schriftlichen, in meinen Händen befindlichen Original- Aufsatze des Dr. Hempel vom Jahre 1768, welcher die erste Nachricht von dieser Entdeckung im Altonaer Merkur bekannt machen liefs, eine andere Lesart über den Umstand, wie der Prediger Sponholz zum Besitz jener Alterthü- mer gekommen sei, gefunden habe. Die eignen Worte des Dr. Hempel lauten also: ‚Die Wendischen Alterthümer, welche in folgenden Blättern vorläufig beschrieben worden, sind im vorigen Jahrhundert zu Prilwitz in Mecklenburg-Strelitz gefunden und von dem damaligen Besitzer die- ses Guts an den Prediger Sponholz geschenket, von demselben aber auf eine wohlhabende Familie gleiches Namens in Neu-Brandenburg vererbt, welche keinen weitern Gebrauch davon gemacht, als sie zum Andenken ei- nes alten Verwandten aufzuheben; dahero sie so wenig davon gesprochen haben, dafs unter Kennern gar nichts davon bekannt geworden, bis ich end- lich Gelegenheit gehabt, selbige neulich anzukaufen und solchergestalt an- jetzo das Vergnügen haben kann, diesen beträchtlichen Schatz aufs neue wiederum ans Licht zu bringen.’” — Eben so lautet eine andere Nachricht in einem gleichfalls vor mir lie- genden handschriftlichen Aufsatze von demselben Jahre 1768 vom Präposi- tus Genzmer verfafst, (*) und welchen ich hier nach der Handschrift un- verkürzt mittheilen zu müssen glaube. »‚$.2. Es hat nemlich eine wohlhabende Familie zu Neu-Branden- burg seit vielen Jahren allerhand Alterthümer besessen, die sie zwar jeder- zeit hiefür erkannt, (denn das konnten sie ihnen auf den ersten Anblick an- sehen) im übrigen aber keinen weitern Gebrauch davon zu machen gewulst, als es zum Andenken eines Vorfahren, der sie ehemalen gehabt, aufzuheben. Unter Leuten, die es besser hätten nutzen können, war nun hievon nichts bekannt geworden, bis endlich der Herr Dr. Hempel, Medicinae Practicus (') Vielleicht der erste Entwurf der Anzeige im Altonaer Merkur m.s. oben $.148, den ich selbst im Druck nicht habe habhaft werden können. Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. rl daselbst, neulich von ungefähr auf die Spur gekommen und viele Mühe und Kosten angewendet hat, selbige eigenthümlich zu bekommen und solcherge- stalt seine übrigen ansehnlichen Sammlungen von allerhand Art, nunmehr auch mit einer schätzbaren Anlage von Alterthümern zu vermehren. 8.3. In Ansehung der historischen Gewifsheit haben nun die vorigen Besitzer sowohl dem Herrn Doctori Hempel, als mir, die Versicherung gegeben, dafs alle diese Sachen im vorigen Jahrhundert, da ihr Grofsvater-Bruder Samuel Sponholz, Prediger zu Prilwitz ge- wesen, daselbst in einem Berge gefunden, und von dem dama- ligen Herrn des Guts demselben geschenkt worden, von welchem es auf ihre Linie gekommen. — Es wäre auch noch ein grofser metallener Topf mit Füfsen, den man hieselbst einen Grapen nennt, dabei zugleich ausgegraben, den aber ihr Vater ehemalen hieselbst zum Behuf ei- ner umgegossenen grofsen Glocke zum Marien-Thurm, verschenkt hätte. — Diese Tradizion halten sie in ihrer Familie für ganz unzweifelhaft, und sie tragen es jederzeit auf eine so unschuldige Art vor, dafs man um so weniger an deren Wahrheit zweifeln kann, je weniger sie jemalen Äufserung gemacht, es gern anbringen zu wollen; sondern es so viele Jahre hindurch in der Stille besessen haben, um es nur zu besitzen, bis sie endlich anjetzo, wie sie die Leidenschaft eines Mannes voller edlen Neugierde und von gutem Vermögen inne geworden, der Gelegenheit wahrgenommen und es meinem Freunde theuer genug verkauft haben. Bei diesen Umständen nun, dünkt mich, darf man sich keinen Zweifel machen, dafs nicht diese Sachen wirklich zu Pril- witz gefunden worden.’’ — Wenn demnach aus diesen dem Doctor Hempel und dem Präpositus Genzmer von der Familie Sponholz zuerst gemachten Mittheilungen unmit- telbar nicht hervorgeht, dafs der Prediger Sponholz selbst der Entdecker der Alterthümer gewesen, sondern diese nur zu seiner Zeit in Prilwitz ge- funden und ihm von dem Gutsbesitzer geschenkt worden; wie kommt denn der Sup. Masch dazu in seiner, aus derselben Quelle geschöpften Nachricht die Sache gerade umgekehrt vorzustellen und mit Nebenumständen zu be- gleiten, von denen in der ersten Mittheilung kein Wort verlautet hat, nem- lich, dafs der Prediger Sponholz selbst die Entdeckung, beim Einpflanzen eines Baumes in seinem Pfarrgarten gemacht, ohne dafs dabei eine Schen- kung abseiten des Gutsbesitzers im mindesten erwähnt wird? — Die dem 174 Lervezow über die dechtheit der sogenannten Super. Masch von denselben Leuten später gemachte Mittheilung weicht also in wesentlichen Punkten von der dem Dr. Hempel und Präp. Genzmer gegebenen ab und dient eben nicht dazu, die von dem Präp. Genzmer in sei- ner Nachricht $.3. gerühmte ‚‚unschuldige Art des Vortrages jener Tra- dizion’’ zu bestätigen. Oder soll man die Sache so ansehen, dafs der Pre- diger Sponholz den Fund wirklich selbst gemacht und der Besitz desselben ihm nur von dem Grundbesitzer als ein Geschenk, worauf er weiter keinen Anspruch mache, bestätigt sei? Oder soll man in diesen Abweichungen bei Masch nur eine berichtigende Erweiterung der dem Dr. Hempel gegebenen kürzeren Nachricht erkennen, zu der jene Leute vielleicht durch des Sup. Masch dringendere Fragen veranlafst wurden? Dann wären auch dahin zu rechnen die Anzeigen, dafs die Alterthümer in zwei Töpfen und zwar mit Runen bezeichnet und einer Beilage von zwei Centnern alten Eisens gefun- den worden seien, wovon die Hempelsche und Genzmersche Mittheilung kein Wort zu erkennen giebt, sondern nur eines dabei gefundenen Grapens erwähnt. Wer steht aber jetzt dafür, dafs diese Erweiterungen, die bei dem so auffallenden Mangel jener Grapen, von deren Schenkung das Archiv der Marien-Kirche zu Neu-Brandenburg nichts weifs, und des Eisengeräthes, welches verbraucht sein soll, nicht eben so gut von den Verkäufern erson- nen sein könne, als die ganze Entdeckungs-Sage von ihnen erdacht worden sein kann, nachdem sie, wie es oben lautete: ‚„„die Leidenschaft eines Mannes voller edlen Neugierde und von gutem Vermögen inne geworden’, um die zu verkaufenden Gegenstände, als im Lande wirklich gefundene Alterthümer zu rechtfertigen und von allem Verdachte frei zu sprechen? — 10) Wie viel oder wie wenig zur Aufklärung dieses wichtigen Punktes eine nähere Kenntnifs der Familie, welche drei Generazionen im Besitze die- ser Gegenstände gewesen ist, beitragen mag und wie schwer es ist, jetzt noch darüber genügende Nachrichten einzuziehen; so-ist es doch nicht unzweck- mäfsig, so weit als es gegenwärtig noch geschehen kann, diese Leute selbst etwas näher ins Auge zu fassen und daran Bemerkungen zu knüpfen, welche einiges Licht auf den Charakter ihres Besitzthums werfen können. Nach dem (im Jahre 1697) erfolgten Tode des Predigers Sponholz, fährt die Sage bei Masch (a.a.O.) fort, verkaufte noch während des Gna- denjahres die Wittwe sämmtliche Alterthümer an den Goldschmidt Pälke in Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 175 Neu-Brandenburg. Man kann fragen: warum an einen Goldschmidt? und darauf antworten: wahrscheinlich wegen des darin vermutheten beige- mischten Goldes und Silbers. Und so möchte sich vielleicht auf diesen die Äufserung in Masch’s Bericht wohl ohne Zweifel beziehen, (pag.4.) ‚dafs ein Stück, wo nicht mehrere, und vermuthlich der Pove (soll heifsen Prove) in vorigen Zeiten eingeschmolzen, damit man einen Versuch mache, ob etwas edles Erz heraus zu bringen wäre. Es ist aber der Versuch so ab- gelaufen, dafs man es für besser gehalten, die Alterthümer unverletzt zu er- halten.’’” — Leider ist über diesen zweiten Besitzer nichts mehr zu erfor- schen, was seinen Charakter, seine Beschäftigungen, seine Handlungsweise und seine frühere Verbindung mit dem Prediger Sponholz näher aufklären könnte. Masch bemerkt indessen aus den ihm mitgetheilten Familienver- hältnissen, dafs ein Grofsvaterbrudersohn des Pastors Sponholz zu Prilwitz die Tochter des Goldschmidts Pälke in Neu-Brandenburg geheirathet habe und dadurch mit der Erbschaft seines Schwiegervaters Pälke auch der Erbe dieser Alterthümer geworden sei. So kam die Sammlung also auf den drit- ten Besitzer. Allein auch über diesen Mann hat keiner der meisten noch lebenden und kommissarisch vernommenen späteren Lehrlinge und Gehül- fen seines ältesten Sohnes irgend eine Auskunft in den oben angegebenen moralischen Rücksichten ertheilen können, da sie erst nach dessen 1759 er- folgtem Tode in das Haus seiner Wittwe zu deren ältestem Sohne gekommen waren. Nur der Goldschmidt Neumann, der ein Pathe des alten Spon- holz ist, giebt demselben das Zeugnifs, dafs er allgemein als ein rechtschaf- fener und braver Mann bekannt gewesen und dessen Wittwe geb. Pälke, mit welcher er (Neumann) noch 8 Jahre bis zu ihrem Tode (1783) in ihrem Hause zusammen gelebt, das Zeugnifs einer braven, unbescholtenen Frau, bei der durchaus kein Verdacht obwalten könne, dafs sie absichtlich durch ihre Aussage eine etwa obwaltende und ihr bekannte Betrügerei in Hinsicht auf spätere Anfertigung der Idole, etwa durch ihren Vater, oder ihren Mann, habe unterstützen wollen. Näheres und bestimmteres ist indessen über ihre drei Söhne durch das einstimmige Zeugnifs der vernommenen Zeitgenossen derselben ermittelt worden, was ich hier aus den verschiedenen Vernehmungs-Protokollen zu- sammenfassen will. Philos.-histor. Abhandl. 1834. Z 170 Lrvezow über die dechtheit der sogenannten Es waren der Brüder drei. Der älteste hiefs Jakob Ernst, gewöhn- lich nur Jakob genannt, der zweite Jonathan Benjamin, der jüngste Gi- deon Nathanael, schlechtweg Gideon genannt. Der älteste Jakob war nur allein Goldschmidt als zünftiger Meister in Neu-Brandenburg. Er sollte nach dem Willen des Vaters studiren, wozu er aber keine Neigung hatte und dafür lieber bei ihm die Goldschmidtspro- fession erlernte, nachdem er eine Zeit lang die Stadtschule zu Neu-Branden- burg besucht. Hier hatte er wohl etwas mehr gelernt als seine beiden Brü- der, auch ein wenig Latein, indessen waren seine Kenntnisse im Ganzen sehr unbedeutend. Auch in seiner eigenen Profession scheint er es nicht sehr weit gebracht zu haben und mufste sich fast ganz dabei auf seine Ge- hülfen verlassen. Er besafs keine anderen Bücher, als die sich auf sein Ge- werbe bezogen. Er hatte keine besonderen Sammlungen, als einen Vorrath von goldenen und silbernen Münzen und Medaillen, die er zuweilen, wenn sich Gelegenheit dazu darbot, so hoch als möglich verkaufte. Als ältester Bruder war das allen Brüdern gemeinschaftliche Erbgut, die Prilwitzer Samm- lung, in seiner Verwahrung. Für sich sammelte er keine Alterthümer und beschäftigte sich blofs ‚mit seinem Gewerbe. Unter seinen zahlreichen Pa- tronen, wie sie die Goldschmiede nennen und zum Behuf ihrer Arbeit und zum Abformen gebrauchen, war, nach der Aussage seiner ehemaligen Lehr- linge und Gesellen, nichts, was mit den Figuren und dem Bildwerke auf den Prilwitzer Gegenständen Ähnlichkeit gehabt hätte. (!) Er ist nie verheira- thet gewesen und lebte im älterlichen Hause mit der Mutter bis diese starb, und mit seinen beiden Brüdern, so lange bis sich der zweite Bruder Jona- than davon trennte, um auf Reisen zu gehen und hernach eine eigene Wirth- schaft anzufangen. Dieser zweite Bruder Jonathan hatte ebenfalls die Goldschmidts- kunst bei dem Vater erlernt und es darin auf seinen weiteren Reisen zu einem höheren Grade von Geschicklichkeit gebracht, als sein Bruder Jakob. Nach seiner Rückkehr gab er aber diese Kunst auf, in welcher er niemals Meister (‘) Wahrscheinlich war er auch durch Erbschaft in den Besitz der Patronen seines Schwie- gervaters Pälke gekommen und hatte diese mit den seinigen vereinigt. Da sich nun nach jenen Zeugnissen in dem Sponholzischen Vorrathe nichts fand, was denen auf den Alterthü- mern ähnlich war, so könnte auch dadurch von dieser Seite Pälke von dem Verdacht, die Alterthümer verfertigt zu haben, indirekt gereinigt erscheinen. Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 177 geworden war; trennte sich vom väterlichen Hause und legte eine Brauerei und Gastwirthschaft in Neu-Brandenburg an. Er ist zweimal verheirathet gewesen. Dieser Mann, der von der Zeit allein sich mit seinen häuslichen Geschäften abgab, hätte so wenig irgend eine eigene Sammlung von Alter- thümern und ähnlichen Dingen, als er sich auch nicht viel um die Prilwitzer Sammlung bekümmert zu haben scheint, bei übrigens sehr geringem Verkehr mit seinen Brüdern. Sowohl ihm als seinem älteren Bruder Jakob trauen, nach Maasgabe ihrer beiderseitigen Kenntnisse, Geschicklichkeit, Beschäftigungen, Neigun- gen und Bekanntschaften, die darüber vernommenen Zeugen, welche beide Brüder persönlich gekannt haben, es durchaus nicht zu, sich irgend mit An- fertigung der Prilwitzer Idole, oder Verfertigung ähnlicher Dinge, jemals beschäftigt zu haben. Der jüngste Bruder Gideon Nathanael lebte mit seinem ältesten Bruder Jakob in dem väterlichen Hause. Er war von jeher ein verzogenes Mutterkind, hatte als solches so gut wir gar nichts gelernt, trieb gar keine reelle Beschäftigung und scheint, stets unverheirathet, nur von den Renten seines väterlichen Erbtheils gelebt zu haben. Statt eines ernsten Berufs ging er einer überwiegenden Sucht zu Sammeln nach und hatte eine lange Kam- mer im väterlichen Hause allmählig mit allerhand Naturalien, als Mineralien, Versteinerungen, ausgestopften Vögeln und Thieren, Skeletten und Todten- köpfen, ferner Kupferstichen und einigen Gemälden, allerhand andern Ku- riositäten und auch mit Alterthümern angefüllt. Die letztern bestanden aus Urnen von Metall und Thon, steinernen Schneidewerkzeugen, metallenen Waffen, einigen Götzenbildern und sogenannten Opferschaalen, Streitkeu- len, Pfeilspitzen u.s.w.; die beiden letztgenannten Gattungen von der Art, wie sie sich auf Mecklenburgischem und benachbartem Pommerschen und Märkischen Boden zu finden pflegen. Manches davon war ihm von andern zugebracht worden, theils aus Meckl. Strelitz und Schwerin, theils aus Pom- mern, aus der Gegend von Anklam und Treptow, theils aus der Uckermark von Prenzlow. Wenig hatte er gekauft, eben so wenig durch Tausch einge- handelt, das meiste durch eigene Ausgrabungen erworben. Bei diesen Aus- grabungen waren ihm aufser den oben genannten Lehrlingen und Gehülfen seines ältesten Bruders Jakob, auch einige Handwerksleute aus Neu -Bran- denburg, zuweilen einige ehemalige Schulkameraden, in entferntern Gegen- Z2 178 Levezow über die dechtheit der sogenannten den auch die Pächter und Landleute behülflich. Die Erlaubnifs zu solchen Nachgrabungen war ihm von dem hochsel. Herzoge Adolph Friedrich IV. ertheilt, der seine Sammlungen persönlich gesehen hatte. Er war dadurch bei seinen Mitbürgern in den Ruf eines Alterthümlers, auch wohl eines Schatzgräbers gekommen. Aufser seiner Sammlerneigung bei völligem Mü- fsiggange hatte ihn dazu theils eine eigne Pralerei damit gegen Gelehrte ge- leitet, theils dazu noch mehr die Aufforderung von Seiten mehrerer gelehr- ten Mecklenburger angefeuert, auf diese Weise den Alterthumsstudien von Mecklenburg Dienste zu leisten und förderlich zu sein. Seine beiden Brü- der hatten an diesen Sammlungen gar keinen Theil, und bekümmerten sich auch nicht darum. Übrigens machte er aus seinen Sammlungen kein Ge- heimnifs und liefs sie Liebhaber und Kenner sehen. Seit dem Verkauf der ersten, allen drei Brüdern gemeinschaftlichen Alterthümer - Sammlung an den Dr. Hempel, worüber Gideon oft noch seinem ältesten Bruder Ja- kob die bittersten Vorwürfe machte, stieg seine Sucht zu Sammeln noch höher und er bot von der Zeit an alles auf, sie aufs ansehnlichste zu ver- mehren. Zu besitzen und sich darauf etwas einbilden zu können, scheint sein einziger Zweck gewesen zu sein. Denn seine völlige Unwissenheit mit allen historischen und mythischen Beziehungen konnte ihn kein höheres, wissenschaftliches Interesse daran nehmen lassen. Sprachkenntnisse besafs er gar nicht. Alles was er über seine Alterthümer zu sagen wufste, schränkte sich auf Bemerkungen des Superintendenten Masch ein und das, was dieser darüber in seiner Schrift bekannt gemacht. Runenschrift konnte er so we- nig lesen, als deuten. Er unterschied ihre Zeichen nur von gewöhnlicher Schrift im allgemeinen. Aufser dem Buche von Masch über die erste Samm- lung, einer mecklenburgischen Geschichte und einer grofsen Bibel, worauf er vielen Werth legte, besafs er gar keine Bücher. Er hatte auch zum Lesen wenig Neigung. Er schrieb nur im höchsten Nothfalle, und einer und der andere der Gehülfen seines Bruders Jakob, der mit ihm mehrere Jahre in demselben Hause gelebt, erinnert sich nicht Eine schriftliche Zeile von sei- ner Hand gesehen zu haben. Einigen Verkehr hatte er zuweilen mit dem in Mecklenburgischer Geschichte sehr kenntnifsreichen Landsyndikus Pisto- rius, mit dem Baccalaureus Schüler an der dortigen Stadtschule, dem Conrector Bodinus, dem Präpositus Genzmer in Stargard, dem Doctor Hempel und dem Super. Masch, zu dem er zuweilen nach Neu -Strelitz Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 179 zu reisen pflegte. Alle diese Männer hatten wahrscheinlich als Kenner meck- lenburgischer Geschichte und Liebhaber vaterländischer Alterthümer, wohl ein natürliches Interesse an seiner sich immer mehr erweiternden Sammlung; aber ‚‚dafs diese Gelehrten dem Sponholz Vorstellungen und Formen zu ir- gend einem Machwerke, oder auch Runenschrift dazu sollten angegeben ha- ben’, äufsert sich der alte Goldschmidt Neumann, der 23 Jahre im Spon- holzischen Hause gelebt und alle Verhältnisse sehr gut kennen gelernt hatte, „‚wisse er zwar nicht, könne es aber auch gar nicht, wegen des anerkannten braven Charakters dieser Männer, glauben.’ — Mehr noch als mit jenen scheint Gideon mit einem Herrn von Hacke verkehrt zu haben, der in Neu-Brandenburg lebte, eine Geschichte von Neu-Brandenburg schrieb, welche Gideon Sponholz (wie das Titelblatt besagt) auf seine Kosten zu Neu-Brandenburg, 1783 in 4° drucken liefs. Dieser Herr von Hacke war ein eifriger Alterthumsforscher. Er selbst nennt sich Seite 12. seines Bu- ches, ‚einen Urnenjäger’’ — und meldet eben daselbst, dafs er auch mit Sponholz viele schöne Urnen und andere Kleinode in der Gegend von Neu-Brandenburg ausgegraben habe. — Wie schon oben bemerkt, benutzte Sponholz die Bekanntmachung und Abbildung seiner Sammlung durch den Grafen Potocki, bei seinem Al- ter und seiner zunehmenden Kränklichkeit, alle seine Alterthümer dem Lan- desherrn anzubieten, der sie auch gegen eine demselben bewilligte Leibrente erhielt, und sie nun mit der früheren Sammlung vereinigen liefs. — Wenn aufser dem Goldschmidt Neumann alle übrigen Vernommenen dem Gideon Sponholz durchaus keine Kenntnifs und Geschicklichkeit zu- trauen, dergleichen Alterthümer fabrizirt zu haben; so sind wir doch schon durch die Aussagen des Neumann (!) darüber belehrt, dafs er fähig und ver- schmitzt genug war, dazu die Idee zu fassen, die er mit Hülfe des geschick- ten Töpfers Pohl und desselben Neumanns, vielleicht noch späterhin auch mit einem andern unbekannt gebliebenen Gehülfen, in der Art zur Ausfüh- rung zu bringen, dafs er eine lange Zeit damit nicht nur Gelehrte täuschte, sondern ihr auch durch den ebenfalls getäuschten Grafen Potocki eine be- deutende Celebrität zu verschaffen wufste. — (') S. im ersten Abschnitte S.163 und 164. 180 Levezow über die dechtheit der sogenannten So viel geht aber aus allen bekannt gewordenen Umständen auch eben so deutlich hervor, dafs er auf die erste Sammlung keinen Einflufs ge- habt und auch diese nicht verfälscht haben könne, da er sie nicht unter Hän- den hatte. Sollte auch auf dieser irgend einiger Verdacht ruhen, so wäre eher zu vermuthen, dafs er entweder auf seinen Vater, oder auf den noch weniger bekannt gewordenen Goldschmidt Pälke fallen könne, von dem gar keine näheren Nachrichten mehr einzuziehen sind. Das Letzte gilt jetzt leider auch in Betreff der Lebensverhältnisse, Studien und Beschäftigungen des angeblichen ersten Entdeckers oder Be- sitzers, des Predigers Friedrich Samuel Sponholz zu Prilwitz; obgleich es nicht unbemerkt bleiben darf, dafs gerade in die Periode seines Lebens die Herausgabe der grofsen Runenwerke abseiten der nordischen Gelehrten Olaus Wormius und Olaf Verelius fällt. (') Indessen müfste eine Be- nutzung derselben für einen solchen Zweck, als wie er in der betrüglichen Erfindung solcher slavischen Götzenbilder und Geräthe sich in Bezug auf Mecklenburg zu erkennen geben würde, und bei der nothwendigen Voraus- setzung altslavischer Sprachkunde, wie schon von Rühs früher bemerkt worden, ungewöhnliche Kenntnisse des Mannes und durchaus eine nähere Verbindung mit einem Metallarbeiter erfordert haben, von denen sich aber keine Spur irgend wo zu erkennen giebt, wenn man nicht etwa den angeb- lichen Verkauf seiner Sammlung durch die Wittwe an einen Goldschmidt als einen Umstand ansehen will, der einigen Verdacht erregen kann. Aber es läfst sich nicht gut absehen, wie auch gleichfalls schon Rühs (s. 1. Absch.) bemerkt hat, zu welchem Zwecke dieser Mann den Betrug veranstaltet ha- ben könnte, da sich keine Spur ergiebt, dafs er je diese Produkte bekannt zu machen, oder irgend wo zum Kauf anzubieten Veranstaltung getroffen hätte, und doch von der ganzen Verfertigung nicht unbedeutende Kosten würde zu tragen gehabt haben. Nachdem also aus diesen näheren, theils genügenden, theils frucht- losen Nachforschungen über die persönlichen Verhältnisse und Beschäftigun- gen der angeblichen, vier verschiedenen Besitzer der ersten Sammlung, sich (‘) Innerhalb der Jahre 1636 und 1664 fällt die Herausgabe der hierher gehörigen Werke beider Schriftsteller und Magni Olavi des Bruders des ersten. Obotritischen Runendenkmäler zu Neu-Strelitz. 181 nichts ergiebt, welches mit Recht als ein Grund angesehen werden könnte, ihren Ursprung für eben so verdächtig und betrügerisch zu halten, wie es sich in Hinsicht auf die zweite Sammlung ihrem gröfsten Theile nach erge- ben hat und nur, wie es mündlichen Tradizionen zu gehen pflegt und auch kaum anders gehen kann, sich hin und wieder einige Abweichungen in den mitgetheilten Nachrichten über die Art und Weise der Entdeckung zu erken- nen geben, die sich jetzt nicht mehr völlig genügend ausgleichen lassen; so bleibt nichts weiter übrig, als sie nach unserer Absicht nunmehr zuerst in Hinsicht ihres artistischen und dann zweitens in Hinsicht ihres epigra- phischen Charakters in nähere Betrachtung zu ziehen. — Die hier nunmehr zur Prüfung ihres artistischen Charakters kom- menden Gegenstände bestehen, nach Masch’s Eintheilung und Benennung, 1) aus dreizehn Idolen sogenannter Tempelgötter verschiedener Gröfse, von 75 Zoll bis zu 41; Zoll Höhe herab; 2) aus kleineren Bruchstücken, meist Köpfen ähnlicher Idole, drei an der Zahl; 3) aus der Figur eines Lö- wen, dem angeblichen Symbol des Zernebogs; 4) aus zwölf kleineren, einzelnen Figuren sogenannter Untergötter, von denen sich drei auf und an metallenen Stäben befinden, von unvollkommener Form; 5) aus drei Figu- ren sogenannter Untergötter, theils in Thiergestalt, theils halb thierisch ge- bildet, von 24; Zoll Höhe bis 1 Zoll herab; 6) aus sogenannten heiligen Ge- räthen, von denen sieben an der Zahl von ganz verschiedener Gestalt und abweichendem Charakter sind, zehn sogenannte Opferteller und Opfer- schaalen bilden und neun sogenannte Opfermesser darstellen sollen; 7) sechs sogenannte Denkmale, theils in kleineren menschlichen Figuren bestehend, theils in einer Thierfigur, theils in einer kleinen Schaale, endlich in zwei kleinen Relieftäfelchen, mit Abbildungen menschlicher Figuren bezeichnet. Alle diese Gegenstände sind aus gemischtem Metall gegossen, in welcher Mischung bei den meisten das Kupfer als Basis mehr oder weniger vorherrschend ist, was sich durch die mehr röthliche oder gelbliche Farbe des Metalls auf der Oberfläche und dem Bruche zu erkennen giebt. Bei den übrigen schimmert die Masse mehr ins Weifse, durch ein Übergewicht von Zinn, Blei, Zink, oder Silber. Diese weilse Mischung erscheint an man- chen so ungleich, dafs theilweise das weichere Blei oder Zinn fast ganz un- vermischt auf der Oberfläche liegt. Was die Beimischung des Silbers be- trifft, so läfst sich nach Ansehen, Probe durch den Strich und Schwere der 182 Levezow über die dechtheit der sogenannten der ganzen Masse vermuthen, dafs sie wirklich in einigen Idolen Statt findet, als z.E. in denen des Swaixtix und Asri (Fig. 13. und 14. bei Masch). Chemische Untersuchungen würden freilich allein ein ganz sicheres Resultat geben, aber um sie anzustellen, müfste man ein und das andere Monument dieser Sammlung, oder doch bedeutende Stücke aus einzelnen dazu anwen- den, was ihr vermeinter antiquarischer Werth nicht erlaubt. Ähnliche Mi- schungen von rother, oder gelber, dem Messing ähnlicher Farbe finden sich in andern aus Gräbern gezogenen authentischen Bronzedenkmälern des hö- heren Alterthums in den nordischen Ländern. Ihr Gehalt ist durch chemi- sche Untersuchung mehrerer, sowohl früher durch Klaproth('), als vor kurzem durch Hünefeld und Picht(?), von diesen zunächst mit Anwen- dung einiger Rügischen Denkmäler, bekannt geworden. Die weifse Metall- mischung aber ist mir wenigstens, so weit es der äufsere Augenschein lehren konnte, in keinem andern wendischen bronzenen Monument bis jetzt in dem Grade des Übergewichts des weifsen Metalls über das Kupfer, vorge- kommen. Nur in den schweren, gegossenen Assen und ihren Unterabthei- lungen, welche ihren Ursprung in Etrurien und einigen Gegenden Mittel- italiens genommen haben, bin ich hin und wieder auf ähnliche Metallmi- schungen gestofsen. Aber daraus zu schliefsen, dafs sie die Wenden in un- sern Gegenden und zunächst in Mecklenburg nicht gekannt, und folglich die aus dieser Mischung bestehenden Idole falsch und in neuerer Zeit gemacht worden, würde ein sehr übereilter Schlufs sein. Dafs die Wenden vielmehr diese Mischung sehr wohl gekannt und von ihr zum öftern bei ihren Gufs- werken Gebrauch gemacht haben müssen, wird hinlänglich bewiesen durch ein mehrere Pfunde schweres Stück alten weilsen Metalls, welches 1820, also ganz unabhängig von dem Prilwitzer Funde, bei einer Aufgrabung in Meckl. Stargard gefunden ward und sich im Grofsherzoglichen Museo befin- det. Der Königl. preufs. General-Münzwardein, Hr. G. Loos in Berlin, dem in demselben Jahre dies Stück zur Prüfung übersandt wurde, hat aller- dings einen geringen Silbergehalt von einigen bis 8 Grän in der Mark gefun- den, der aber Stellenweise so verschieden ist, dafs sich für das Ganze kein (') in Scherers allg. Journal der Chemie. FT. B. 2 .. ” . ” . ” * . (?) Rügens metallische Denkmäler der Vorzeit vorzugsweise chemisch bearbeitet und als Beitrag zur vaterländischen Alterthumskunde herausgegeben etc. Leipz. 1827. 8°. Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 183 bestimmter Gehalt anders, als nach vorhergegangenem Schmelzen der gan- zen Masse angeben läfst, da hier nur die Schöpfprobe, nach des Wardeins Meinung, entscheiden kann. Und so wäre wenigstens die Alterthümlichkeit dieses weifsen, sogar silberhaltigen Metalls in den Idolen des Swaixtix ($. 143. folg. Fig. 13, des Asri 8.153. Fig. 14.) vollkommen gerechtfertigt. — Eine andere, 20 Pfund schwere Masse geschmolzenen und auf Kohlen gegossenen Weils-Erzes befindet sich ebenfalls in der Grofsherzogl. Sammlung. Der darauf befindliche, dem Ansehn nach ächt alte, schwarze und grüne Rost scheint sein hohes Alterthum zu verbürgen. Wahrscheinlich ist auch diese Masse in Mecklenburg gefunden; doch da über den Fundort nichts näheres aufgezeichnet ist, so wage ich nicht, es noch als ein Übergewicht zu jener entscheidenden, authentischen, silberhaltigen Masse in die Wagschaale zu le- gen. Es wäre aber für einen Chemiker der Mühe einer gründlichen Unter- suchung werth. Vielleicht ergäbe sich im Vergleich mit jener zuerst ange- führten Masse für die Mischung ein gleiches oder ähnliches Resultat. Kleinere Massen geschmolzenen, röthlichen und gelblichen Erzes, aus Gräbern und Urmen entnommen, finden sich nicht nur häufig in den Samm- lungen in allen ehemals von Wenden bewohnten Provinzen, sondern auch gröfsere und kleinere Beispiele davon in der Grofsherzogl. Strelitzischen Sammlung und könnten, bei der Ähnlichkeit und Gleichheit der Mischungen, zum Beweise der Ächtheit jener aus solcher Bronze gegossenen Idolen des Prilwitzer Fundes dienen, wenn es hierbei noch auf die Häufung solcher Thatsachen ankommen könnte. Von Seiten des Metalles also, aus welchem die Idole und Ge- räthschaften des Prilwitzer Fundes gegossen sind, mögte schwerlich, nach dem Augenschein, ein Beweis gegen ihre Ächtheit zu entnehmen sein, indem sich gleiche und ähnliche Metallmischungen nicht nur in ande- ren authentisch alten Bronzedenkmälern wendischen und germanischen Ur- sprungs, sondern auch in denen des klassischen Alterthums ergeben. Aber vielleicht von Seiten ihres Rostes, dieses bei den Kennern so entscheidenden Kennzeichens alter Monumente? Zwar erwähnt Masch in der Beschreibung der einzelnen Idole häufig der Aerugo nobilis, welche darauf sichtbar sein soll; aber es war wohl nur eine Folge seines Mangels an genauerer Kenntnifs ächt alter Bronzedenkmä- ler, welche ihn zu diesem Urtheil verführte. Von dem, was die Antiquare Philos.- histor. Abhandl. 1834. Aa 184 Levezow über die dechtheit der sogenannten auf den Bronzen des Alterthums, im höheren Sinne, edlen Rost nennen, ist auf diesen Runendenkmälern keine Spur. Die Antiquare verstehen darun- ter streng genommen, nur die glänzend glatte, emaille ähnliche, durch die Kohlensäure in Gesellschaft mit der feuchten Atmosphäre bewirkte Oxydazion der Oberfläche der bronzenen Denkmäler, wodurch sich das regulinische Me- tall in kohlensaures Kupferoxyd allmählig, durch einen langsamen, aber un- gestörten Prozefs der Natur verwandelt hat, doch so gleichmäfsig und in sich so fest zusammenhängend, dafs das ganze Monument wie aus einer solchen Masse verfertigt zu sein scheint. Dies kann aber nur der Fall bei solchen bronzenen Kunstwerken sein, welche eine sehr glatte Oberfläche durch Politur oder Prägen ursprünglich erhalten hatten, und deren Metallmischung sehr gleichmäfsig und innig bewirkt worden war. Bei rauher Oberfläche zu- mal auf ungleichen, schlechten Mischungen, entsteht dieser glatte, glänzende Rost nie, oder nur in sehr geringem Grade, oder höchstens an einzelnen ge- glätteten Stellen. Auch gehört dazu eine Lage in der Erde, die kein Was- ser, oder irgend eine andere stark auflösende Feuchtigkeit zu dem Monu- mente kommen liefs, auch keine Berührung mit andern schwer darauf lasten- den Körpern, oder Sand und Asche. Nicht die rein grüne Farbe allein ist diesem edlen Roste eigen; er findet sich mit allen gebrochenen Mischungen und Schattirungen des Grün, vom hellsten Gras- oder Lauchgrün, durch alle Abstufungen des gelblichen, oder gräulichen, bräunlichen, bis zum dun- kelschwarzen Grün hinab gepaart; zuweilen auch mit schönstem Himmelblau oder lebhaftem Roth, Braun und Gelb prangend. Oft ist die dunkle Far- bentinte von völligem Schwarz nicht zu unterscheiden. Diese Verschiedenheit der Farben ist allein eine Folge von den ver- schiedenen Mischungsverhältnissen des reinen Kupfers zu andern damit ver- bundenen Metallen, als Zink, Zinn, Blei u.s.w. Keine Gattung von Mo- numenten des Alterthums hat, aufser bronzenen ciselirten Statuen und klei- neren Figuren des griech. und röm. Alterthums, diese Mischungen in gröfserer Mannigfaltigkeit und Schönheit aufzuweisen, als die der bronzenen Münzen; daher sich auf ihnen auch alle Rostfarben, deren das darin mannigfaltig ge- mischte Kupfer anzunehmen fähig ist, zeigen. Aus ihnen vorzüglich kann man sich über Natur und Farbe des ächt antiken Rostes jeder Art belehren. Alle Versuche den edlen antiken Rost auf neueren Bronzen so zu erzeugen, dafs er vom alten ächten nicht zu unterscheiden sei und überall die Probe Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 185 halte, hat bis jetzt noch keinem gelingen wollen. Aus dem natürlichen Grunde, weil dazu die Länge der Zeit fehlt, deren Produkt er nur allein in dem Laufe von Jahrhunderten, ja selbst von Jahrtausenden, werden kann. Der betrügliche künstliche Rost kann nur sein die Wirkung einer schnell er- regten Oxydazion durch angewendete Säuren, oder eines Überzuges, der die Farbe des ächten Rostes heuchelt. Die erste trägt nie den Grad der Festig- keit und des Glanzes davon, der das eigenthümliche Kennzeichen des ächten ist. Die Verbindung des Metalloxyds ist locker und leicht zu trennen und der Glanz fehlt, weil die Heftigkeit der schnellen übereilten Operazion die glänzende Oberfläche des Metalls zerstört, aber nicht wie die Zeit durch leise, kaum merkbare Einflüsse verwandelt. Die zweite Art den antiken Rost zu erheucheln durch künstliche Überzüge ist noch leichter zu erkennen dadurch, dafs sie das Gepräge oder die Form des Kunstwerks mehr oder weniger abstumpft, indem die daraufgestrichene Farbe oder Materie die Ver- tiefungen ausfüllt und die Konture verundeutlicht; sodann, dafs sie leicht mit Hülfe eines Grabstichels mechanisch von der Oberfläche, mit welcher sie sich nicht chemisch genau verbunden hat, abzulösen, oder durch Wein- geist und Laugen leicht aufzulösen ist. Ist dies geschehen, so findet sich die durch den künstlichen, aufgestrichenen Firnifs gegen jede Oxydazion ge- schützte Oberfläche, ohne alle Auflösung und Zerstörung in demselben Zu- stande, worin sie aus den Händen des Verfertigers kam, was bei den Bron- zen ächt antiken Ursprungs mit ächtem Roste nie der Fall ist und auch nicht sein kann. Wer sein Auge und sein Urtheil durch vieljährigen Umgang mit ächt antiken Münzen, im Vergleich mit nachgemachten falschen, geübt und gestärkt hat, wird leicht jeden falschen Rost, wenn er auch noch so künst- lich zubereitet ist, zu erkennen, oder wo schärfere Prüfung nicht angewen- det werden darf, doch mit Sicherheit leicht zu ahnen vermögen. Von jenem kurz zuvor beschriebenen glänzenden, festen, edlen Roste des Alterthums ist nun auf den Idolen und Geräthschaften des Prilwitzer Fundes nichts zu entdecken, weil ihnen dazu eine Hauptbedingung fehlt, nemlich die ursprünglich geglättete Oberfläche. Diese Oberfläche ist bei allen rauh, als Folge ihres Ausgusses in der Sandform ohne nachher ange- wandte Politur. Der Rost konnte daher auch nur rauh und ungleich und in höherem Grade glanzlos sich darauf ausbilden. Ferner hat er sich nicht in bedeutender Masse darauf angesetzt: bei vielen erscheint er nur als ein leich- Aa2 186 Levezow über die Aechtheit der sogenannten ter Anflug, der sich an den hervorragenden Theilen der Figuren, wie es scheint, durch öfteres Betasten, vielleicht absichtliches Reiben, schon fast gänzlich verloren und nur in den tieferen Falten und Winkeln sichtbar er- halten hat. Die Farbe dieses nur mäfsig entwickelten Rostes ist indessen der Me- tallmischung, woraus das Monument besteht, angemessen, stärker grün bei der mehr röthlichen Mischung; gelblich und bräunlichgrün bei den gelben, zinkhaltigen Mischungen; hellgraugrün bei denen ein stärkerer Zusatz von Zinn und Blei obwaltet; schwärzlicher bei denen ein Zusatz von Silber zu vermuthen steht. Daraus ergiebt sich, dafs wenigstens keine künstliche Farbe gleicher Art auf alle ohne Unterschied aufgetragen sein kann; sondern dafs der jedesmalige Rost eine Wirkung einer vorgegangenen Oxydazion der eigenthümlichen Metallmischung geworden ist. Ob diese nun durch ab- sichtlich aufgetragene Säuren, oder andere künstliche Mittel bewirkt worden sei, oder durch die Länge der Jahrhunderte in der Erde, mögte mit völliger Gewifsheit schwer durch den blofsen äufseren Anblick zu entscheiden sein. Aber nach dem äufseren Ansehn vieler zu urtheilen, unterscheidet sich ge- genwärtig der Rost bei den meisten doch gar sehr von dem Roste, der sich auf den andern, authentisch aus Gräbern zu Tage geförderten, wendischen und germanischen Alterthümern zu erkennen giebt, bei denen die Zeit allein nur geschäftig gewesen ist, und von denen man vermuthen könnte, dafs sie mit den Prilwitzer Bronzen gleich lange in der Erde gelegen haben. Bei allen diesen ist offenbar eine viel stärkere Oxydazion sichtbar, die nicht selten an dünneren Theilen bis zur Zerstörung des Monuments gegangen ist. Freilich macht dabei die jedesmalige Länge der Zeit, welche hindurch das Monument in der Erde gelegen und auch die Beschaffenheit des Lagers einen bedeuten- den Unterschied, was beides hier nicht mit Sicherheit ausgemittelt werden kann. Indessen müfste, wenn die Tradizion wahr ist, dafs die Prilwitzer Idole in einem doppelten Kessel oder Grapen wohl verwahrt gegen äufseren heftigen Einflufs gefunden worden, jene regelmäfsigere Oxydazion um desto deutlicher an ihnen wahrgenommen werden können. Aufrichtig gestanden scheint mir der sehr dünne Rost, besonders auf sämmtlichen Opfertellern, Schaalen und Messern und mehrern der kleineren voll gegossenen Figuren am meisten verdächtig und schwerlich das Produkt der zwar langsam, aber doch kräftig einwirkenden Zeit zu sein; wenigstens ist selbst zwischen ihm Obotritischen Runendenkmäler zu Neu-Strelitz. 187 und dem auf den besonders hohl gegossenen Idolen befindlichen, ein sehr merklicher Unterschied; sie haben ganz das Ansehn von einer künstlich be- wirkten Oxydazion und eines aus Grünspan und Borax gemischten Über- zuges. Das Resultat aus diesen Beobachtungen möchte demnach sein: 1) der auf den Prilwitzer Monumenten sichtbare Rost ist keinesweges der sogenannte edle Rost des Alterthums; sondern nur eine schwächere, dünnere und ungleichartige Oxydazion ihrer Oberfläche. Doch der Farbe nach in den meisten, der eigenthümlichen Metallmischung, in ei- nem jeden derselben angemessen. 2) Seine Dünnheit unterscheidet ihn wesentlich von dem Roste der auf an- dern authentisch alten Grabdenkmälern sichtbar zu sein pflegt. 3) Kann irgend der Verdacht einer künstlichen Erzeugung dabei obwalten, so mögte er zunächst und vornehmlich den Rost auf mehreren der voll- gegossenen Figuren und den Opfertellern, Schaalen und Opfermessern treffen. 4) Wie dem aber auch sein mag, sein äufseres Ansehn auf allen, trägt nichts, oder nur sehr wenig bei, die Behauptung der alterthümlichen Ächtheit der Monumente zu unterstützen, oder gar über allen Zweifel zu bestättigen. — In Beziehung auf die Technik und den Styl dieser metallenen Kunst- produkte unterscheiden sie sich, was zuerst die Technik betrifft, dadurch, dafs ein kleinerer Theil von ihnen hohl gegossen ist, der gröfsere aber aus vollen Güssen besteht. Die hohl gegossenen sind folgende Idole und Figuren, die ich nach den Namen und Nummern auf den Abbildungen bei Masch näher bezeichne. 1) Radegast, Fig.3. — 2) Vodha, Fig.4. — 3) Podaga, Fig.5. — 4) Percunust, Fig.6. — 5) Nemisa, Fig.7. — 6) Zislbog, Fig.8. — 7) Ipabog, Fig.9. — 8) Zibog, Fig. 11. — 9) Schuaixtix, Fig. 13. — 10) Asri, Fig. 14. — 11) Sieba, Fig. 15. — 11) Ein Götze ohne Na- men, Fig.16. — 13) Zernebog, Fig.17. — 14) Siegsa, Fig. 31. — 15) Ein sogenannter Satyr, ohne Arme, Fig.32. — 16) Zirnitra, Fig. 34. — 17) Ein sogenannter Götterthron, Fig.35. Diese hohl gegossenen Figuren erscheinen aber im hohen Grade un- vollkommen gelungen und mehr oder weniger lückenhaft, so dafs bald 188 Levezow über die dechtheit der sogenannten manche Glieder fehlen, bald gröfsere, oder kleinere Löcher und Lücken sichtbar sind. Sie zeichnen sich dadurch vor den vollgegossenen, im allge- meinen besser gelungenen und vollständigeren sehr zu ihrem Nachtheile aus. Masch findet die Ursache dieser ihrer lückenhaften Beschaffenheit in der Wirkung des Feuers, dem sie bei dem Tempelbrande zu Rhetra ausge- setzt gewesen sind, da sie nach seiner Hypothese im Tempel gestanden ha- ben sollen, und hier noch vor ihrem gänzlichen Untergange, im eigentlichen Sinne wie ein Brand aus dem Feuer, gerettet worden. Aber diese Meinung ist sehr unwahrscheinlich aus folgenden Gründen: 1) Der Hitzegrad, welcher so wesentliche, starke Theile wegzuschmelzen vermochte, hätte, wo nicht die ganze Figur vernichten, doch wenigstens die ganze Oberfläche in dem Grade zum Schmelzflusse bringen müssen, dafs so gut, wie gar nichts mehr von der äufsern Form übrig geblieben wäre. Dies ist aber nicht der Fall gewesen. Neben den weggeschmol- zenen Theilen stehen andere auf vielen dieser Figuren noch ganz unver- letzt und so vollkommen da, als sie ursprünglich aus der Hand des Ver- fertigers gekommen, oder von ihm modellirt waren. Eben so hätten durch dieselbe Ursache die nur leicht auf der Oberfläche eingeritzten, oder eingeschnittenen Runen-Charaktere völlig weggeschmolzen oder verflossen sein müssen; was aber nicht der Fall ist. Wo sie, im selte- neren Falle, lückenhaft zu sein scheinen, da ist es wahrscheinlicher die Schuld dessen, der sie darauf setzte, oder die Folge der Oxydazion, als die eines Feuers,. welches darauf eingewirkt hätte. 2) Vielmehr beweist der Umstand, wo das eingeschnittene Wort zuweilen getrennt und über die daran gränzende Lücke gesetzt ist, dafs die Lücke eher da war, als die Inschrift, und diese erst auf das schon lückenhafte Bild gesetzt wurde, z.E. auf den Rücken des Radegast Fig.3. der Name Belbog, eben so auf dieselbe Figur am Hinterkopfe der Name Rade- gast oberhalb und unterhalb einer Lücke. Desgleichen sieht man deut- lich aus der verschiedenen Höhe der Buchstaben in der Nähe einer Lücke, wie der Schreiber dazu den ihm schon durch die Ränder der Lücke verengten Raum benutzt hat; z.E. auf der Rückseite Fig. 8., unten am Saume der Name Zislbog. Eben so auf der lückenhaftesten Figur von allen Fig. 16, auf der Rückseite, an der Lücke neben dem Bilde des Herzens, das Wort tbas. Auf dem Bilde des Satyrs Fig. 31.a. Obotritischen Runendenkmaler zu Neu- Strelitz. 189 die ganze krumme Stellung des Wortes: Veidelbot, womit ganz absicht- lich die äufserst unebene Fläche sammt ihren Lücken vom Schreiber so gut benutzt worden ist, als es ihm möglich war. Dieselbe Absicht giebt sich recht deutlich bei der Stellung der Inschriften auf den so lücken- vollen, sogenannten Opfertellern und Schaalen zu erkennen; sie sind auf ihnen immer da angebracht, wo sich dem Schreiber die noch am we- nigsten verletzte und geebneteste Stelle darbot. 3) Auch fehlen die schwarzen Brandspuren der theilweisen Verkohlung oder Schlacken ganz, die sich von alten Münzen und Geräthschaften, welche im Feuer gewesen sind, nie ganz vertilgen lassen. Wenn diese Bemerkungen zusammengenommen es wohl zu beweisen vermögen, dafs diese Lückenhaftigkeit der Bilder nicht von einem Brande herrühren könne, in welchem sie sich befunden, so ist der Grund davon wohl in nichts anderm zu suchen, als in einem unvollkommen gerathe- nen Gusse. Der Hohlgufs solcher Erzfiguren ist mit viel gröfseren Schwie- rigkeiten verknüpft, als der Vollgufs. Er erfordert die Manipulazion der Form, welche die Techniker das Stürzen derselben nennen, während das geschmolzene Metall hineingegossen ist. Dies Stürzen besteht in einem Um- kehren und Wenden der Form, damit das Metall nach allen Seiten hinfliefse und hier in den Vertiefungen der Form sie ausfüllend erstarre. Es ist nur beim Gufs kleinerer Figuren anwendbar, weil sich deren Formen nur also handhaben lassen; aber die Handhabung erfordert grofse durch viel Übung erlangte Geschicklichkeit und das gehörig zureichende Maafs von Metall. Beides aber scheint der Verfertiger dieser Bilder nicht gut verstanden, ge- kannt, oder getroffen zu haben; daher das Ausbleiben ganzer Theile, und die einzelnen Lücken aus Mangel des Metalls.. Auch scheinen die beiden Seiten der Form nicht vollkommen geschlossen zu haben, weshalb viel Me- tall herauslief und verloren ging. Das sehr mühsame Ausfüllen und Ergän- zen der Lücken und ausgebliebenen Theile durch ein geschicktes Anschmel- zen und Ciseliren scheint auch dem Verfertiger unbekannt gewesen zu sein, oder er war darin nicht erfahren genug, um den Versuch damit zu machen. Durch diese Bemerkung schwächt sich auch zugleich der Grund, den Masch von dieser durch vermeinten Brand verursachten Lückenhaftigkeit der Bilder hergenommen hat für seinen Beweis, dafs wir in diesen Bildern die geretteten Tempelbilder von Rhetra selbst vor uns sehen, welches Vor- 190 Levezow über die dechtheit der sogenannten urtheil überhaupt, bei seinem Mangel an technischer Kenntnifs, ihm die so nöthige Unbefangenheit geraubt, ihn bei seiner ganzen Untersuchung gleich von Anfang an irre geführt und ihn so vieles hat übersehen lassen, wo- durch der wahre Charakter der ganzen Angelegenheit erst in sein rechtes Licht gestellt wird. Die Technik dieser Bilder ist daher im hohen Grade unvollkommen und stümperhaft; von Ausarbeitung und Ciselirung keine Spur; wir haben sie vor uns, wie sie aus dem unvollkommenen Gusse in einer Thon- oder Sandform hervorgegangen waren. Etwas besser sieht es in dieser Hinsicht mit den übrigen Vollgegos- senen aus. Als Meisterstücke in ihrer Art, im Verhältnifs zu jenen lücken- haften, können gewissermafsen betrachtet werden: das gröfsere Bild des Radegast Fig. 1. und unter den kleineren Figuren so manche, die nach bes- sern Modellen abgeformt waren. Aber in den gröfseren Komposizionen die- ser Art, z.B. Fig. 18, 19, 23, 30, und mehreren Opfertellern ist wiederum viel verunglücktes und lückenhaftes. Aus allem dem geht in Hinsicht auf die Kunst des Formens und Gie- fsens und Ciselirens hervor, dafs der Verfertiger jener Bilder und Opferge- räthe ein ungeschickter und unerfahrner Arbeiter war. Vergleicht man nun vollends diese höchst rohen und mangelhaften Produkte der Giefskunst mit vielen andern Produkten derselben Kunst von hoher Zierlichkeit, Vollendung und Sauberkeit, wie sie nicht selten aus den alten Gräbern hervorgegangen sind, wenn auch gleich keine Götzenbilder, sondern nur Waffen, Schwerdter, Spiefse, Pfeilspitzen, Dolche; Schneide- werkzeuge, Sicheln, Messer; Meisselähnliche Instrumente, diese häufig mit hohlen Hülsen und daran gegossenen Ringen versehen, um hölzerne Stiele und Handhaben hineinzustecken und daran zu befestigen, und mit einigen vorzüglich gearbeiteten Streithämmern aus Metall; ferner mit so manchen äufserst zierlichen Schmucksachen, Arm- und Fingerringen, spiralförmigen sehr elastischen Gewinden, Kopfnadeln und Fibuln, mit den gröfseren ge- gossenen Grapen, Schaalen, den gegossenen und getriebenen Urnen und Gefäfsen u.s.w., nicht selten mit Spuren ehemaliger Vergoldung, oder darauf angebrachter, oft sehr zierlicher Gravirung durch den Grabstichel; so mufs man aufrichtig gestehen, dafs den Verfertigern dieser Alterthümer, die sich auf demselben Boden finden, auf welchem die Prilwitzer Idole ausgegraben Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 191 sein sollen, ein weit höherer Grad ausgebildeter Kunstgeschicklichkeit in der Metallarbeit eigen gewesen ist, als dem Verfertiger jener Bilder, die von al- len jenen Vorzügen der angedeuteten Monumente wenig oder gar nichts zur Schau tragen. Dieser bemerkte Mangel einer doch schon unter den Wenden vor- herrschenden Kunstfertigkeit, (wenn sie nicht etwa das Schönste von je- nen angeführten Gegenständen und Geräthen durch Tausch und Handel von anderen kunstgeübteren Nazionen des höheren Nordens oder des Südens erhalten haben), ist in der That sehr auffallend und wird hier um desto auf- fallender, da er sich an Gegenständen zeigt, an welche, ihrer höheren Bestim- mung zu Folge, doch alle Völker, auch unkultivirte, den gröfsten Fleifs und die gröfste Sorgfalt zu wenden pflegen. Denn dafs man jene mifsrathenen Güsse für völlig gut genug zu etwaniger religiöser Bestimmung gehalten, lehrt augenscheinlich die später darauf gesetzte Schrift, die als-der letzte darauf gedrückte Stempel anzusehen ist. Sind sie wirklich Gegenstände religiöser Verehrung gewesen, so waren sie wahrscheinlich nur für den Privatkultus bestimmt, wie ähnlich kleine Idole bei Griechen und Römern. Zu Tem- pelbildern eignete sich ihre Kleinheit nicht, wie auch schon oben ganz rich- tig Sense in seiner Gegenschrift bemerkt hat. Diese Billigung aber in den Augen eines Volkes, welches an gröfsere Vollkommenheit ähnlicher Arbeiten von viel untergeordneter Bestimmung gewöhnt war, ist mir, ich gestehe es, kaum glaublich. Dazu kommt, dafs diese angeblichen und durch die Inschriften, offen- bar nach des Verfertigers Absicht, als wirklich geweiht zu betrachtenden Opferteller und Opfermesser in ihrer lückenhaften, unvollkommenen Gestalt völlig unbrauchbar und zwecklos für ihre Bestimmung erscheinen. Was hat man denn auf diese unvollkommenen, gitterartigen Teller legen wollen und können? Und wie hat man mit diesen plumpen, dicken, prismatisch geform- ten, aller Schärfe von Anfang an entbehrenden sogenannten Messern schnei- den wollen? Wie ganz anders erscheinen zu diesem Behufe zweckmäfsiger jene sichelförmigen Messer gestaltet, die in ganzen Massen gefunden und jene ähnlichen, sehr verständig geformten Tischmesser von Bronze, die nicht sel- ten aus Gräbern gezogen worden sind? Woher diese völlige Unzweckmä- fsigkeit bei jenen angeblichen Schneidewerkzeugen zu heiligem Gebrauche? Philos.-histor. Abhandl. 1834. Bb 192 Levezow über die dechtheit der sogenannten Selbst nur als blofse Symbole gedacht, wären sie wirklich zu roh und ihrer Bestimmung zu unwürdig gewesen. — Ich wende mich jetzt zur näheren Betrachtung des Styls, in wel- chem diese Idole und Bildwerke dargestellt sind. Der Styl dieser Idole ist das auffallendste, verschiedenartigste Gemisch von Formen und Darstellungen, wie es die Kunstprodukte keiner andern Na- zion jemals verrathen haben. Abgesehen von der Verbindung menschlicher Körper mit den Köpfen einiger Thiere, oder vielmehr nur des Löwen allein, wie sie sich auch in den Götterbildern anderer Völker findet, stellt sich zu- erst der grofse Zwiespalt in dem Mifsverhältnifse der Köpfe zu den Körpern vor Augen. Es zeigen sich entweder grofse Thier- oder grofse Menschenköpfe auf unverhältnifsmäfsig kleinen Körpern, so dafs dadurch das Ganze den Cha- rakter der Monstruosität annimmt. Z.B. in den Figuren des Radegast Fig.3, des Vodha Fig.4, des Podaga Fig.5, des Perkunust Fig.5, des Nemisa Fig. 7, des Zislbog Fig.S, des Ipabog Fig. 9, des namenlosen Götzen Fig. 16, des Satyrs Fig. 32.; oder zweitens, zu kleine Köpfe im Verhältnifse zu den Körpern, z.B. der kleine Kopf auf der Rückseite des Vodha Fig. 4.2., der weibliche Löwen- kopf auf der Rückseite des Bruchstückes Fig. 11.2., der Sieba Fig. 15... Drittens, Doppelköpfe durch Gesichter auf der Vorder- und Hinter- seite, beim Vodha, dem Podaga, Perkunust (Menschen - und Löwenkopf), dem Bruchstücke Fig. 11. (Menschen- und Löwenkopf). Aber viertens, diese Köpfe und Gesichter, insofern der gelungene Ausgufs es zu beurtheilen erlaubt, oft mit einer Naturwahrheit, einem cha- rakteristischen Ausdrucke und einer Kunstgeschicklichkeit gebildet, von de- nen sich in den Verhältnissen und Formen der Körper und deren übrigen Theilen nicht das geringste Merkmal findet. Dies kann man indessen an den Originalen selbst viel besser beurtheilen, als an den nicht ganz vollkomme- nen Abbildungen bei Masch. Fünftens, diese besseren Köpfe und Gesichter sind aber nicht selten mit grob gearbeiteten Strahlen, oder mit einer andern wüsten Masse von un- gebildetem Metalle umgeben, gleichsam absichtlich darin eingesetzt, dafs da- durch das Gesicht fast als mit einer verwirrten Allongeperücke umgeben oder eingehüllt erscheint. Von diesen Umgebungen sind indessen frei einige Thier- Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 193 köpfe, z.B. des Radegast Fig.3, des Schuaixtix Fig. 13. Alle anderen sind mehr oder weniger damit verunstaltet, entweder durch eine absichtliche Zu- that des Verfertigers, oder was wohl sicherer anzunehmen, durch ein Auslau- fen des flüssigen Metalles durch die nicht fest zugeschlossenen Ränder der aus dem Vorder- und Hinterstücke zusammengesetzten Form. Denn, dafs die Form aus zwei Hälften bestand, sieht man offenbar an den sogenannten Nä- then, welche sich entweder noch an den Seiten der Figuren befinden, oder nur grob mit der Feile weggenommen sind. Auch können jene Strahlen durch die unabsichtliche Ausfüllung der Luftröhren entstanden sein, welche man den Formen zu geben pflegt, um dadurch der durch den Gufs aus den hohlen Stellen ausgetriebenen Luft einen für den Gufs und die Form selbst unschädlichen Ausgang zu bewirken. Aber das Übermaafs des Metalles füllte am Ende auch diese Röhren aus und erscheint nun hier als Strahlen, die man absichtlich stehen liefs, weil sie dem ganzen Bilde ein desto abentheuerliche- res oder bedeutungsvolleres Ansehn zu geben schienen. — Hat dies aber seine Richtigkeit, was soll man dann von der durch die ursprüngliche Idee des Idols nur allein zu bestimmenden Charakteristik in der Kunstdarstellung den- ken, die hier vom blofsen Zufalle und der Laune und Willkühr der Bildners abhängig erscheint? Sechstens, in der Regel sind die Vordertheile dieser Köpfe, die Gesichter und Haare viel kunstmäfsiger modellirt und im Gusse vollkomm- ner ausgedrückt, als die Hintertheile, die von einer andern roheren Hand, oft sehr ungeschickt gebildet waren. Siebentens, die Zeichnung der einzelnen Theile, besonders der Köpfe, ist nicht selten naturgemäls und proporzionirt. Die Löwenköpfe des Radegast, des Podaga, insofern sie gut ausgedrückt sind, verrathen das Studium der Natur des Löwen im ruhigen Zustande abseiten des Bild- ners. Den Zügen der Menschengesichter, sowohl männlichen als weibli- chen, fehlt eine höhere Idealität; den meisten ist mit dem Ausdrucke der Gutmüthigkeit, der Charakterzug einer gemeineren Natur eigen; wenigstens ist von griechischer oder römischer Bildung wenig oder nichts darin wahr- zunehmen. Achtens, die männlichen Gesichter sind alle gebärtet, mit Lippen- barte und lang herabhangendem Kinnbarte versehen. Einige mehr gelockt, wie bei Vodha und Perkunust, Nemisa; struppiger und steifer, wie bei Ipa- Bb2 194 Lrvezow über die dechtheit der sogenannten bog. Den weiblichen, wofür ich die ungebärteten erkenne, als dem Zisl- bog, mit dem fetten, vollen Gesichte, wahrscheinlich dem sein sollenden Symbol des vollen Mondes, in der Mitte der Mondessichel stehend, die statt der Arme aus den Schultern hervorragt und sich mit ihren Hörnern gegen den Scheitel des Kopfes krümmt; ferner der Sieba mit dem freundlichen Ovalgesichte, endlich dem Götzen ohne Namen Fig. 15, dessen Kopf mit ei- ner Art Haube umgeben scheint, welche mit dem Überreste zweier breiten Bänder sich an das Untertheil des Kinnes anschliefst (!), endlich dem einzel- nen Kopfe Fig. 11. mit der freundlich, etwas lächelnden Miene, den sorg- sam und lockenweis aus Stirn und Wangen zurückgestrichenen Haaren und der gefalteten Haube, oder breitem Diadem, fehlt durchaus nicht der Aus- druck des weiblichen Charakters im Gegensätze zu den rauheren Zügen der Männerköpfe; aber er ist wiederum so wenig mit irgend einer Art von grie- chischer oder römischer Idealität gepaart, dafs er in einigen, z.B. in Fig. 15. und 11. vielmehr ein sehr modernes Gepräge an sich trägt. Neuntens, die Körper, welche diese Köpfe tragen, stehen so wenig zu ihnen in einem natürlichen Verhältnisse, als die einzelnen Theile dersel- ben, Brust, Bauch, Arme, Hände und Füfse zu der Körpergröfse verhält- nifsmäfig gebildet sind. Aber auch diese einzelnen Theile sind mit einer Rohheit, Ungeschicklichkeit und Unnatur gearbeitet, dafs sie oft gar nicht für das zu erkennen sind, was sie darstellen sollen. Manche Hände sind sehr klein und sehen eher den Tatzen der Thiere, als menschlichen Gliedmaafsen ähnlich, z.B. am Radegast Fig.3, am Podaga Fig.5, Nemisa Fig.7. u.s. w. Am Ipabog Fig. 9. dagegen erscheint die rechte Hand aufserordentlich grofs und ziemlich natürlich gebildet. Bei manchen fehlen Arme und Hände ganz, oder doch die Hände, wahrscheinlich durch Schuld des unvollkommenen Gusses im letzten Falle, im ersten Falle durch die Verhüllung in ein grofses Gewand, welches den ganzen Leib umgiebt. So bei Vodha, Perkunust, Zislbog, wo statt der Arme die Hörner des Mondes hervorragen, Sieba, Götzen ohne Namen, Satyr Fig.32. — Zehntens, die Füfse, entweder roh und plump, fast den Füfsen des Elephanten ähnlich gerathen, sind durch das dazwischen gelaufene Me- tall zusammenhängend völlig verunstaltet, wie bei Radegast Fig.3, Vodha (') Die Zeichnung bei Masch ist hier sehr unvollkommen und fehlerhaft. Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz, 195 Fig.4, oder zwar getrennt, doch unnatürlich gestaltet, wie bei Ipabog Fig.9. und Sieba Fig. 15, oder durch einen langen Unterrock ganz verhüllt, wie bei Podaga Fig.5, Perkunust Fig.6, oder ganz fehlend durch verunglückten Gufs, wie bei Zislbog, Asri, Schuaixtix. Eilftens, in Hinsicht der Bekleidung verdient angemerkt zu wer- den, dafs sie allen hohl gegossenen Idolen nicht fehlt. Dahingegen die vollgegossenen Radegast-Figuren Fig. 1. und 2. und die ihnen ähnlichen zwei anderen nicht abgebildeten, nackt erscheinen. Bei den meisten besteht sie in dem kurzen, engen slavischen Rocke, der bis an die Knie reicht, und dessen Ärmel entweder bis an die Ellenbo- gen, oder bis zu den Knöcheln der Hand gehen; wie bei Radegast Fig. 3, Podaga Fig.5, Nemisa Fig.7, Sieba Fig. 15; oder in dem weiten nicht eng anschliefsenden, wie bei Vodha Fig.4. Der Mangel an Vollständigkeit und Bestimmtheit der Formen läfst es nicht erkennen, ob in den Figuren mit ge- trennten und durch die Metallausflüsse absichtlos verbundenen Füfsen, diese mit Beinkleidern angethan sind oder nicht. An einigen aber ragt offenbar unter dem kurzen Oberkleide ein langer, die Füfse ganz einhüllender, und bis zur Fufsspitze hinabgehender Unterrock hervor, z.B. bei Podaga, Zisl- bog, wahrscheinlich auch dem Götzen ohne Namen Fig. 16. Am Perkunust ist die ganze Figur in ein langes Gewand so eingehüllt, dafs dadurch auch Arme und Hände verdeckt wurden. Römische Bekleidung findet sich am Schuaixtix und Asri, auch am Nemisa. Der erste ist mit einem förmlichen Panzer bekleidet, welcher die Brust und den Bauch bedeckt; unter demselben fällt die Tunika bis etwa auf die Knie hinab; der kurze Ärmel derselben Tunika bedeckt die Schulter und Hälfte des linken nackten Oberarmes. Derselbe ganze Arm ist mit der Hand auf die linke Hüfte gestützt. In dem rechten, sehr unvoll- kommen gerathenen Arme hält die Figur aufrecht eine dicke brennende Fa- ckel. Die Brust und den Hintertheil des Körpers bedeckt ein in Falten sich schlagender, grofser Kriegsmantel (Paludament). Die Beine fehlen gänzlich. Bis auf den Kopf, der unstreitig der unvollkommen ausgegossene Kopf eines Löwen ist, sieht die ganze Figur einer sehr verstümmelten Statue eines rö- mischen Feldherrn ähnlich. Die Proporzionen des Ganzen, Kopf, Leib, Untertheil, Arme sind im allgemeinen die natürlichsten von allen gröfseren Figuren. 196 Levezow über die dechtheit der sogenannten Die Figur des Asri ist in der ganzen Haltung der des Schuaixtix ähn- lich, nur dafs der etwas verunstaltete Panzer bis auf den Bauch und beide Arme ganz von dem grofsen Mantel verhüllt sind. Die Stellung des linken Armes unter dem Mantel ist dieselbe wie bei Schuaixtix. Statt der Fackel bei diesem, hält die rechte Hand des Asri ein spitz zulaufendes eckiges Schild. Der Kopf ist gleichfalls der Kopf eines Löwen, mit sechs Strahlen an beiden Seiten umgeben. Die ganze Haltung der Figur, wie lückenhaft und unvollkommen das Ganze auch immer erscheint, hat etwas Stattliches und Imposantes an sich. Zwölftens, was die Attribute dieser gröfseren Figuren betrifft, so bestehen sie bei den gröfseren und kleineren vollgegossenen Radegast- Figuren aus der sitzenden Gans auf dem Kopfe, einem Stierkopfe, der von der linken Hand vor der Brust gehalten wird und einem langen Stabe in der vom Körper abwärts gehaltenen rechten Hand. Bei dem bekleideten hoh- len Radegast Fig.3. fehlt der Stab; aber der Vogel sitzt ebenfalls auf dem Scheitel des Bildes und die rechte Hand hält das Stierhaupt vor der Brust. Die Form des Vogels ist zwar bei allen ziemlich grob gebildet, doch nicht ohne Charakter; die Stierköpfe vor der Brust der nackten Figuren sind ohne genaue Zeichnung; aber der Kopf auf der Brust des hohlen Radegastes Fig.3. zeigt einen nach der Natur treu aufgefafsten Büffelkopf, der besonders im Profil angesehen, sehr charakteristisch erscheint. Das Bild der ganzen Fi- gur bei Masch ist weit unter dem Original geblieben. Vodha (Fig.4.) ist ohne alle Attribute, wenn man nicht einen bei- nahe flügelartigen Ansatz an der rechten Seite des Kopfes, der mir aber ein blofser Ausflufs des Metalls zu sein scheint und zwei lange schlangenförmig gekrümmte Haarlocken dafür nehmen will, die vom Kinn hinab bis an den Saum des kurzen, weiten Rockes reichen; eben so ein einzelner, schlangen- förmiger Zopf, der vom Nacken herabfällt und dessen Spitze sich, wie ein Pfeil, in zwei Widerhaken abtheilt. Am Kopfe des Podaga (Fig. 5.) finden sich wiederum Strahlen, eben so zwei ähnliche am Ende des kurzen Rockes, auf jeder Seite einer abwärts gerichtet. Mit der rechten Hand hält die Figur einen liegenden Hund vor sich an der Brust. Auf der Rückseite ist über dem Saum des Oberrockes ein rechts laufendes Schwein, von ziemlich guter Zeichnung in Relief ange- bracht. Obotritischen Runendenkmäler zu Neu- Strelitz. 197 Der Kopf des Perkunust (Fig.5.) von vorne ist mit acht Strahlen umgeben und scheint oben mit einer sich zuspitzenden Mütze bedeckt zu sein, die unten an der Stirn eine diademartige Einfassung hat, über welche sich das undeutliche Bild einer sitzenden oder liegenden Figur befindet. Vorn auf der Brust ragt eine dreieckige, schmale Erhöhung Spitze hervor. Der grofse, um den ganzen Leib geschlagene Mantel zeichnet ihn besonders aus. Die Attribute des Nemisa (Fig. 7.) sind vier Strahlen am Haupte, auf dem Scheitel ein in die Höhe gerichteter Flügel, in der rechten Hand ein mit der stumpfen Stab; vorn am Bauche ein Vogel mit ausgebreiteten Flügeln von vorne auf- gerichtet zu sehen, der fast einem Raubvogel ähnlich zu sein scheint. Die linke abwärts gehaltene Hand hielt ebenfalls einen Gegenstand, der aber im Gufse verunglückt ist. Auf der Schulter des rechten Arms ist das kleine, aber ganz deutlich sichtbare Bild von zwei sich schnäbelnden Tauben angebracht. Auf dem Rücken des Panzers ist das undeutliche Bild eines kleinen Panzers eingedrückt. Das Attribut des Zislbog ist, wie schon bemerkt, die Mondes- Si- chel, die ihre Hörner statt der Arme emporstreckt und queer über den Rü- cken in der Schultergegend liegt. Auch am Ipabog scheint sich der Überrest eines ähnlichen Monds- hornes an der linken Seite in der Gegend des Kinnes zu zeigen, das vielleicht nur durch den mangelhaften Gufs an der rechten Seite ausblieb. Auch sein Haupt scheint als mit den durch Zufall entstandenen Strahlen besetzt, ge- dacht werden zu müssen, von denen aber nur einer sich noch erhalten, oder vielmehr allein sich durch Ausflufs des Metalles gebildet hat. Dafür ist der Hinterkopf mit einer Jagdscene in flachem Relief geziert, welches einen lau- fenden Hirsch vorstellt, der von einem anspringenden Hunde verfolgt wird. Die Zeichnung in diesen Thierfiguren ist natürlich und leicht. Eine ähn- liche Scene zeigt sich auf einem eben so flachen Relief an der Stelle des Ge- säfses. Hier wird ein laufendes Schwein, welches hoch anzuspringen scheint, mit nach hinterwärts an der Seite gewendetem Kopfe von zwei Hunden ver- folgt, von denen der eine horizontal in der geraden Richtung auf der Erde läuft, der andere aber gleichfalls horizontal, doch mit herunterhangendem, umgekehrten Körper, gleichsam an der Decke, läuft; an der Seite hinter den Hunden steht die Figur eines nackten Jägers mit einem Jagdspielse in 198 Lervezow über die dechtheit der sogenannten der rechten Hand. Die wunderbare, gleichsam in der Rundung eines Ovals, an dem Umkreise desselben angeordnete Stellung der Figuren, ist im hohen Grade auffallend und schwer zu erklären bei dieser Kleinheit des Bildes. Der wie an der Decke schwebende Hund ist bei Masch nicht zu erkennen. Auch die Zeichnung dieser Figuren ist leicht und natürlich skizzirt. Der weibliche, schön behaarte und mit einer Haube gezierte Kopf eines Fragments Fig. 11. ist auf dem Scheitel mit dem Bilde eines gekrönten oder behaubten Vogels geziert, der ganz das Ansehn eines die Flügel lüften- den Preufsischen Adlers hat. Der Attribute des Schuaixtix, Panzer, Paludament und Fackel ist schon vorhin gedacht worden. Auf dem Bauche des Panzers ist noch das kleine Relief eines laufenden Hundes sichtbar und oberhalb desselben etwas Laubwerk, kranzartig angebracht; doch ist es zu unvollkommen ausgedrückt, um über dessen Styl richtig urtheilen zu können. Auch die Attribute des Asri, der grofse Mantel, der darunter befind- liche Panzer, der dreieckige Schild sind schon oben bei der Bekleidung er- wähnt. Die Rückseite des Mantels ist indessen noch mit einigem schwach aus- gedruckten Bildwerke geziert, das nicht übergangen werden darf. Das erste zeigt den Körper einer grofsen Ameise, unmittelbar über die Natur abge- formt; das zweite mit etwas erhöhetem Rande umgeben, das Bild, oder viel- mehr nur die schwachen Umrisse einer stehenden Figur, die etwas im linken Arme trägt; das dritte unterhalb desselben, in einem unten sich zuspitzenden viereckigen Felde, beinahe dem Wappenschilde der neueren Heraldik ähn- lich, eine sitzende Figur, welche den rechten Arm in die Höhe streckt. Alle diese Vorstellungen sind indessen äufserst unbestimmt und flach, doch dem Modelle besonders aufgedrückt. Eine sitzende Figur, welche das Haupt auf die linke Hand gestützt hat, ungewifs zu errathen, ob es eine männliche oder weibliche sein soll, auf dem Kopfe der Sieba, ist die einzige Auszeichnung dieses Idols, wenn man nicht die Umgebung des Kopfes, als eine eigenthümliche Art von Ver- hüllung, dafür gelten lassen will. Desto reicher ist mit Beiwerken dieser Art die sehr lückenhafte Figur des Idols ohne Namen Fig. 16. versehen. Aufser der Haube, welche das Gesicht umgiebt, scheinen auch Strahlen dasselbe geschmückt zu haben. Ob die Figur Arme gehabt, ist nicht mehr zu erkennen. Aber an der rech- Obotritischen Runendenkmäler zu Neu-Strelitz. 199 ten Seite des durchlöcherten Körpers ist noch deutlich ein umgekehrtes, mit der untern knopfartigen Spitze bis an den Kopf hinan ragendes Füllhorn sichtbar, aus dessen oberer, aber hier umgekehrter Mündung ein jugendli- cher Faunenkopf hervorsieht. Ahnliche mit Köpfen gekrönte Füllhörner sieht man z.B. auf den Münzen des jüngeren Drusus mit den beiden Köpfen. In der Gegend der Schaam ist eine Frucht angebracht, die einem Pinien- apfel ähnlich sieht, rechter Hand in derselben Gegend ein kleines, etwas undeutliches Brustbild; linker Hand die sitzende Figur eines ältlichen, bäu- rischen Mannes in kurzem Rocke mit einem grofsen Hut auf dem Kopfe. Unterhalb am rechten Fufse eine sitzende Gans oder Ente. — Auf der Rückseite. Oben am Hinterkopfe ein rundes Medaillon mit zwei neben ein- ander stehenden Personen, in guter Proporzion, doch nicht von ganz deut- lichen Formen. Unter demselben eine sitzende Figur, die mit einem Hunde, den sie auf dem Schoofse hält, zu spielen scheint. Unterhalb an der Stelle des Gesäfses die moderne Figur eines Herzens, ganz in der Gestalt des Coeur auf den Spielkarten, in der Mitte mit einem erhobenen Punkte; ich will es unentschieden lassen bei der Undeutlichkeit der Form, ob ein aus der obe- ren Einbiegung des Herzens hervorgehender Gegenstand die verunglückte Figur einer aus demselben hervorbrechenden Flamme sei und also durch das Ganze — ein brennendes Herz habe vorgestellt werden sollen. Rech- ter Hand von der Herzfigur ein kleiner nackter, geflügelter Amor im Profil, der mit dem Bogen einen Pfeil in die Höhe schiefst. Unten, auf den nach auswärts stehenden Plattfüfsen auf jeder Seite ein kleines horizontal liegen- des Brustbild. Das eine kleinere, rechter Hand, sieht dem kleinen auf der Vorderseite ganz ähnlich. Es dringt sich nun die Frage auf: soll man alle diese Beiwerke für willkührliche Verzierungen, oder für Attribute halten? Sie scheinen beides zu sein, wenigstens die aufgedrückten Bildwerke. Was zuerst die sein sollenden Strahlen betrifft, weiche die Köpfe und die Leiber mehrerer umgeben, so könnten sie theils als Symbole des göttlichen Wesens überhaupt angesehen werden, theils auch besonders als Darstellungen der Götter in astronomischer Beziehung. Mehrere derselben sind absichtlich mit schräg laufenden Strichen bezeichnet, welche offenbar auf die einzelnen kleineren Lichtstrahlen sich beziehen, aus denen der ganze gröfsere zusammengesetzt ist. Doch könnte der Verfertiger auch, wie schon Phios.-histor. Abhandl. 1834. Ce 200 Levezow über die dechtheit der sogenannten bemerkt, diese Zufälle des Gusses für eine betrügliche Absicht schlau be- nutzt haben. In jener Bedeutung möchte auch wohl die Fackel in den Hän- den des als Feldherr gekleideten Schuaixtix, nach dem Sinne des Verferti- gers, zu nehmen sein, und ohne Zweifel auch die Mondsgestalt an der Figur des Zislbog und Ipabog. Die Stäbe in den Händen des nackten Radegast und des gepanzerten Nemisa sind vielleicht Lanzen, oder Streitäxte, nur unvollkommen darge- stellt und würden sich, eben so wie der Schild in den Händen des Asri, auf kriegerischen Charakter der Gottheiten beziehen. Desgleichen mögte der Flügel auf dem Kopf des Nemisa und die sitzende Figur auf dem Haupte der Sieba, nach der Absicht des Verfertigers, nicht als müfsige Verzierungen, sondern als Attribute angesehen werden sollen. Wie in vielen andern Religionen den Göttern gewisse Thiere als Lieb- linge oder ihnen geweiht erscheinen, so darf es auch hier nicht befremdend sein, auf den Köpfen des Radegast die Gans, auf der Hand des Podaga ei- nen liegenden Hund, auf dem Bauche des Nemisa einen Habicht, oder einen andern Vogel, zu den Füfsen der Göttin ohne Namen ebenfalls die sitzende Gans, und auf der Brust des Radegast den Büffelkopf zu finden. Die Form des gekrönten Adlers auf dem Scheitel des weiblichen Kopfes Fig. 11. ist mir indessen doch zu auffallend, als dafs ich mich entschliefsen könnte, ihn zu derselben Klasse von Attributen zu rechnen. — Alle diese genannten Gegenstände erscheinen mit den Figuren selbst in eine solche Verbindung gesetzt, wie sie auch an den Götterbildern anderer Völker gefunden werden und haben von dieser Seite nichts auffallendes. Bei ihrer Anwendung auf die sogenannten Opferschaalen und Teller haben sie offenbar als Hauptsymbole der Gottheiten die Gottheiten selbst, nach der Ab- sicht des Verfertigers, vertreten sollen. Die Kunst, womit sie gebildet worden, ist bei den meisten so ziemlich im Einklange mit derselben, welche die Leiber bildete; bei einigen wenigen zeigt sie sich freilich von einer bessern Seite, als in dem Büffelkopfe auf dem bekleideten Radegast. — Aber nicht dasselbe ist der Fall mit dem aufgedrückten Bild- werke, welches sich an den Köpfen und Körpern dieser Figuren darstellt. Ohne alle genauere, künstlerische Verbindung ist es hie und da angebracht, wo es dem Verfertiger gerade gefiel und wo man es nicht immer, oder wohl Obotritischen Runendenkmaler zu Neu- Strelitz. 201 niemals auf den Kunstwerken anderer alten Völker, und zunächst auf ihren Idolen angebracht findet; nemlich am Hinterhaupte, auf dem Rücken, in der Gegend des Gesäfses, oder der Schaam, oft ohne alle Symmetrie; auf Kleidungsstücken, Mänteln, Gewändern, oft in solcher Mischung und ver- schiedener Bedeutung, dafs man auch nicht im entferntesten die dabei ge- habte Absicht, oder die Konsequenz ihrer Anwendung errathen kann. Bei einigen scheint Konsequenz obgewaltet zu haben, wie bei dem Ipabog, wo blofs zwei Jagdscenen vorgestellt sind. Aber wo findet sich Übereinstim- mung und Beziehung der drei Bilder auf der Rückseite des Mantels der Asri in der grofsen Ameise, dem stehenden Mann und dem liegenden? — Wo irgend eine denkbare consequente Beziehung unter den gehäuften Bildern des umgekehrten Füllhorns, des Pinienapfels, der kleinen Büste, des sitzen- den Bauern mit grofsem Hute, der beiden neben einander stehenden, männ- lichen und weiblichen, Figuren, der darunter sitzenden Figur, die mit ei- nem Hunde spielt, des schiefsenden Amor, des brennenden Herzens, der horizontal liegenden beiden Büsten an den Füfsen der Göttin ohne Namen? Wo hat man Beispiele bei irgend einem andern Volke, dafs ein Bildner von Götteridolen, dem solche Dinge zu Gebote standen, sie so willkührlich und bedeutungslos ihnen angefügt, oder sie gleichsam damit bespickt hätte? Endlich der artistische Charakter dieser Embleme oder Verzierun- gen, steht er nicht bald im völligen Widerspruche mit dem Kunststyl der ganzen Figur? Bald wiederum mit sich selber untereinander? a. Sie sind alle ursprünglich von viel bessern Bildnern gearbeitet worden, als die waren, welche die Körper verfertigten. Besonders sind die Thiere mit grofser Leichtigkeit und Freiheit gezeichnet und modellirt, z.E. Schweine, Hirsche, Hunde u.s. w. b. Manches ist offenbar in der Form und dem Styl der antiken Kunst, die kleinen Büsten, das kleine runde Medaillon, der schiefsende Amor, der Pinienapfel, der nackte Jäger u.sw. c. Aber manches auch wiederum so modern, z.E. die sich schnäbelnden Täubchen, der gekrönte preufsische Adler, der sitzende Bauer mit dem grofsen Hute, vor allen aber die ganz moderne Form des brennenden Herzens. d. Nimmt man dazu die ganz römische Bekleidung des Schuaixtix und des Asri und den römischen Panzer des Nemisa; so weils man wiederum Cc2 202 Levzzow über die dechtheit der sogenannten nicht, was man zu dieser Wahl eines wendischen Künstlers sagen soll, dem doch die nazionale Bewaffnungs-Art seiner Landsleute für seine Götter am nächsten, die römische hingegen so weit entfernt lag. So erscheint also der Styl dieser Bildwerke und die ganze bildliche Darstellungsweise dieser Gottheiten, als mit der nazionalen Kunst-Kultur der Wenden und mit allem, was bei andern Völkern, zumal in symbolisch religiöser Beziehung sprechend, konsequent und als fest stehender Typus heilig war, im grellsten Widerspruche, nicht zu gedenken, dafs das ganze technische Verfahren Beweise von Ungeschicklichkeit und Unerfahrenheit zu erkennen giebt, welche durch andere treffliche Bronzearbeiten, aus den Grä- bern der Wenden hervorgegangen, vollkommen widerlegt werden. Nimmt man dazu den Charakter der übrigen kleineren Bilder, welche aus vollgegossenem Erze eines mehr gelungenen Gusses bestehen, die klei- nen nackten Kinder mit Füllhorn und Krebsscheere, und Venusfiguren, die ganz rund gegossenen kleinen Büsten, die von den natürlichen Gegenstän- den, z.E. den Ameisen, Käfern und von den Ammonshörnern unmittelbar abgeformten Bilder auf den Schaalen; ferner die kleinen Thierreliefs eines weidenden Hirsches, Satyrköpfe u.s.w., oft wiederholt und in mancherlei willkührlichen Zusammenstellungen; endlich die beiden kleinen Reliefs un- ter Fig. 65. und 66. mit den Vorstellungen zweier, ganz moderner, tanzender Figuren und der eben so völlig modern gekleideten, männlichen Figur, von einer Cartouchen-Einfassung eingerahmt, wie sie sich nicht selten auf klei- nen Verzierungen des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts finden; so weifs man vollends nicht, was man zu dieser Mischung von den verschieden- artigsten Stylgattungen sagen soll, die aller Analogie in den Kunstprodukten halbkultivirter Völker völlig Hohn spricht. Die von Masch ($. 45.) versuchte und nicht ohne Selbstvertrauen ge- gebene Auflösung dieses artistischen Räthsels ist durchaus unzulänglich, wenn man einigermafsen mit dem praktischen Verfahren der Künstler bekannt ist. Er meint, der Heiligkeit der Bilder wegen, wären sie von ungeschickten Priestern verfertigt worden, die sich die schwierigeren Theile, die Gesich- ter, eine Hand, einen Käfer und andere kleine Figuren, von unter den Wen- den lebenden Griechen hätte zeichnen und bilden lassen, und sie dann so gut es hätte gehen wollen, mit ihren Idolen verbunden hätten. Obotritischen Runendenkmaler zu Neu- Strelitz. 203 Aber zunächst ist er von anders woher den Beweis für die unter den Wenden lebenden griechischen Künstler schuldig geblieben; zweitens glaube ich es hinlänglich genug angedeutet zu haben, dafs, mit Ausnahme der mit- telmäfsig gearbeiteten, kleinen, antiken Darstellungen in den vollgegossenen Figuren und Reliefs, das Bessere in den Gesichtern der Köpfe der gröfseren Figuren keinen antiken Charakter an sich trägt, das Meiste hingegen ganz nach moderner Empfindungs- und Darstellungsweise schmeckt. Endlich, so gut, wie die Priester von einem fremden Künstler die Gesichtsmaske ih- res Gottes bilden lassen konnten, ohne dadurch der Heiligkeit desselben et- was zu vergeben, konnten sie auch die ganze Figur von ihm bilden lassen, deren vollkommneres Ansehen der Würde ihrer Gottheit viel zuträglicher geworden wäre. Und diese besseren Vorbilder fremder Künstler, die unter ihnen gelebt, also auch unter ihnen gearbeitet haben sollen, hätten die eigene Geschicklichkeit und den Nachahmungstrieb der Wenden nicht höher heben und ihnen richtigere Begriffe von Proporzion und Formen des Einzelnen und des Ganzen geben sollen? Aber das auf dem, einem fragmentirten Caduceus ähnlichen, unter Fig. 30. abgebildeten Werkzeuge befindliche griechische Wort OMQPA, spricht es nicht offenbar für Einwirkung griechischer Kunst und griechischer Ideen? — Ein griechisches Wort auf ein so wunderliches, unerklärliches Werkzeug zu setzen, war eben so leicht, als eine solche Masse von Runen den übrigen Figuren einzuschneiden. Aber dies zierlich geschriebene Wort wird keinesweges durch griechische Form des Gegenstandes, noch durch griechische, klare Charakteristik der Bilder als authentisch griechischen Ur- sprunges mit sammt dem Gegenstande gerechtfertigt. Das Instrument, oder was es sein soll, ist eben so confus aus allerlei disparaten Dingen zusam- mengesetzt, als alles übrige, und trägt überdies einen so dünnen, bläulich grünen darüber gestrichenen Rost an sich, dafs es dadurch auf den ersten Blick als im höchsten Grade verdächtig erscheint. Schwerlich mögte dies einzige griechische Wort, zumal in dieser ganz ungriechischen, rohen Ver- bindung, dazu geeignet sein, die Einwirkung griechischer Künstler auf diese Menge von wunderlichen Bildwerken zu beweisen. Wäre ein griechischer Künstler hier überhaupt beschäftigt gewesen, wahrlich die Güsse würden vollkommner gerathen sein und die ganze Technik, wenn auch schon im 204 Lrverzow über die dechtheit der sogenannten Verfalle der griechischen Kunst geübt, würde sich in einem ganz anderen Lichte zu erkennen geben. Wer auch immer der Verfertiger dieser Bilder und Geräthe gewesen sein mag, ich kann mir nach allen vielfältigen Beobachtungen und Prüfun- gen von ihrer Entstehung und ihrem bildlichen Charakter keine andere Vor- stellung machen, als folgende. Der Verfertiger war ein Metallarbeiter von sehr geringer Geschicklichkeit, oder ein Dilettant ohne alle Erfahrung und Übung, etwa im siebzehnten Jahrhunderte, wenn die Sage von dem Zeit- punkte des gemachten Fundes richtig ist. In Hinsicht auf das Modelliren in Thon stand er unstreitig dem guten Töpfer Pohl in Neu-Brandenburg weit nach, dessen Modelle doch das Verdienst hatten, ganz von seiner Hand in einem Styl, und wie man zu sagen pflegt, in einem Gusse, gebildet zu sein. Anders verhielt es sich mit der Arbeit jenes Verfertigers. Da er selbst so wenig zeichnen, als modelliren konnte, fühlte er nur zu sehr, wie wenig es ihm gelingen würde, entweder nach seiner eigenen Idee, oder der Angabe eines Anderen, den schwierigsten Theil seiner Figuren, die Köpfe und die Gesichter derselben zu bilden. Er nahm daher seine Zuflucht zu einem ei- genen oder fremden Vorrathe von Modellen und Patronen, wie sie Gold-, Silber- und Bronzearbeiter zum Behufe von Beschlägen an Spinden, Schrän- ken, Kasten, oder zur Verzierung von allerhand Gefäfsen, Kannen, Wasch- becken, Pokalen, oder an Waffen, Jagd- und Reitzeug-Instrumenten zu brauchen pflegen, und sie auch nach französischem Geschmacke im sechs- zehnten, siebzehnten und noch dem gröfsten Theile des achtzehnten Jahr- hunderts, im sogenannten antik-modernen, oder im ganz modernen Styl, Mode waren, wovon die Beweise und Analogien noch häufig genug überall an alten Möbeln und Geräthen vor Augen liegen. Aus einem solchen Vor- rathe wählte er nun halbe Köpfe oder Gesichtsmasken, wie sie gerade zu Beschlägen sich am besten eignen, theils thierischer, theils menschlicher Natur und fügte sie seinen rohen, unproporzionirten Modellen an, so gut es gehen wollte; bildete den Hintertheil des Kopfes ungeschickt genug und im gröfsten Widerstreit mit dem Styl des Vordertheils hinzu, oder setzte auch wohl einen ähnlichen halben Kopf daran, um ein zweiköpfiges Ungeheuer zu Stande zu bringen, und seine eigene Ungeschicklichkeit damit zu verlar- ven. Die kleinen Relieftäfelchen fügte er, wo sich nur immer dazu Platz finden wollte, ein, theils den rohen Anblick seiner eigenen Produkte dadurch Obotritischen Runendenkmaler zu Neu- Strelitz. 205 einigermafsen zu mindern, theils damit wiederum seine eigene Schwäche zu zu verdecken, vielleicht auch ihnen damit einen gewissen Anstrich von einer Art Symbolik und eine gewisse Originalität zu geben, welche beim ober- flächlichen Anblicke den Beschauer über den Charakter des Ganzen in Ver- wunderung und Verwirrung setzen sollte. Da ihm der schwerere Hohlgufs so schlecht gelungen war, begnügte er sich dann mit dem Vollgusse der klei- neren Figuren, zu deren Modellen ihm einige vorräthige Kinder- und Venus- Figuren dienen mufsten, denen er durch An- und Zusätze von seiner Hand (z.E. einer natürlichen Krebsscheere, einer Wespe, oder des vorhandenen Modelles eines Füllhornes, eines Paares sich begattender Tauben, einen auf dem Rücken angebrachten, mit dem Bogen schiefsenden Amor u.dergl.) eine gewisse Mannigfaltigkeit zu geben bemüht war. Die unter Fig. 26. abgebil- dete Venus-Figur lehrt durch den muschelförmigen Ansatz an den Füfsen und den hinten am Rücken befindlichen Stift ganz augenscheinlich, wie das Original ursprünglich in die Verzierung irgend eines andern Geräthes verfloch- ten oder eingeschlagen war, aus deren Zusammenhang sie auf die eine oder andre Art gerissen und in die Modell-Sammlung des Mechanikers versetzt ward. Eben so lehrt das an dem Hintertheile der wunderlichen, einflüge- ligen, schlangenförmigen Zirnitra-Figur (Fig. 34.) angebrachte Bruststück eines Satyrs, welches aber in Masch’s Abbild. gar nicht zu erkennen ist, so- wohl durch den mit Blumenkränzen geschmückten Kopf, durch das um Hals und kreuzweise über die Brust geschlagene Laubgewinde und durch die ganz moderne Form der Gesichtszüge, dafs es seinen Ursprung nicht im klassischen Alterthum und von einem alten griechischen oder römischen Künstler genom- men hat, sondern ganz im karrikirten französischen Geschmacke des siebzehn- ten oder im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts gebildet ist. Die ganz mo- derne Herzform auf dem Hintertheile des namenlosen Götzen ist schon oben bemerkt worden und verstärkt die Menge von Beweisen für den modernen Ursprung so vieler dieser angebrachten Verzierungen und Bildwerke eben so augenscheinlich, als der kleine ganz moderne Säbel, unter Fig.39, dessen Form dem klassischen Alterthum eben so fremd ist, als allen Schwertfor- men, welche sich aus den alten Gräbern in den nördl. slavischen Ländern ergeben haben. Ich glaube, ohne weiteren Zusatz, es jedem Leser selbst überlassen zu können, das Resultat für oder wider die Ächtheit dieser Gegenstände aus 206 Levzezow über die Aechtheit u.s.w. allen diesen unbefangenen, unparteiischen Beobachtungen über den Styl derselben, und die Art und Weise seines Ursprunges, zu ziehen. Dies wird sich um so leichter ergeben, wenn man dabei den Charakter der, freilich nur in geringer Zahl, bis jetzt entdeckten, ächt slavischen, mehrentheils kleinen und einfachen Bilder in Thon, Stein und Metall erwägt, die sich hier und da in öffentlichen Museen und Privatsammlungen finden. An ihnen ist keine Spur von Runenschrift zu bemerken; sie sind sämmtlich voll gegossen, in so fern sie von Bronze sind; sie sind von roher, höchst unvollkommener Bil- dung, ohne Proporzionen des Einzelnen zum Ganzen, ohne korrekte Zeich- nung der einzelnen Theile; verrathen aber doch mehr Geschicklichkeit in Behandlung des Gusses, und der auf ihnen befindliche Rost unterscheidet sich wesentlich von dem der sogenannten Prilwitzer Idole. Die Vorstellun- gen jener weichen von denen dieser letzten durchaus ab. Mit Ausnahme einer einzigen Darstellung des Svantewit, in einem Granitrelief über einem Weihwasser-Gefäfse in der Vorhalle der Kirche zu Altenkirchen auf Rügen, scheinen sie keine Götzen vorzustellen, wenigstens, so viel noch an ihnen erhalten ist, nicht in den Formen und mit den Attributen der Prilwitzer Idole. Es würde zu weit führen, mich gelegentlich darüber hier näher und ins Einzelne gehend auszulassen, was an einem andern Orte ausführlicher ge- schehen wird. Vielmehr gehe ich nun zur Prüfung des Charakters der Ru- nen-Inschriften auf diesen Bildwerken in den nächsten Abschnitten über. dos 9 r | 3 { ; i ’ ‚ } [ri . ck i D 1 ö Ö ö ” ; 32 2 hu Ä “ei al h u R re kun JRR Are e RI VE He UT Hull /' value ur Nu N 5 Bo u RER: er i 1 ä 2; En | N RN, e TIER Tun: wi. Pesch N D eu >» u 299 ! fl Ur Fe | ERFR + $ . Er re Be 2 ned We a . De u ” ge In 1 Ir j 10 er re Wi ö