5 ii I N EL = Br Eee K 18; % EXT a ‘ u 5) i Arm v r “ Ir® a ERRHEE 7 Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1854. — > 5 2 Me nstlsıdoa sine Br .n 8 : FE - ER er E u a Ja 3 z Ps X D h 13 Fr & E ’ a ir Er \ ö ; Sure TE = Fe P #»shandlungen der F Königlichen Akademie der Weseihäfen zu Berlin. =——ananan—nannonnanonoenenen Aus dem Jahre 1854. n.nnnunannnnononnnnenoeoaenoe Berlin. Gedruckt in der Druckerei der Königlichen Akademie der Wissenschaften. 185). In Commission bei F. Dümmler’s Verlags - Buchhandlung. u y ‘ { ® k # vı Ü 1 1 { 1 . R Er > ; f r f Der & f “ s gi Lj A Ü Br. " T Oet} un .a-L.e nm Historische Einleitung... 4.0.0... nee ee rennen een Verzeichnils der Mitglieder und Correspondenten der Akademie...» +... vo Physikalische Abhandlungen. M ÜLLER über die Gattungen der Seeigellarven. (Siebente Abhandlung über die Metamorphose der Echinodermen) ...... 2 .e.rr.... ij eich über die Lagerung der Kreideformation im schlesischen Gebirge... . . - v YH. LichTENSTEIN und W+PETERS über neue merkwürdige Säugethiere des König- ‚ lichen zoologischen Museums ..... 2-22... 0rer.0. E Yan. PETERS über die an der Küste von Mossambique beobachteten Seeigel und insbesondere über die Gruppe der Diademen ..........- % KLoTzsch: Begoniaceen- Gattungen und Arten... ...- ver rrern0n. ; Mathematische Abhandlungen. VENcxe über den Cometen von Pons. (Siebente Abhandlung) .....-.......- v Y HAGEN über den Einflufs der Temperatur auf die Bewegung des Wassers in Röhren v JLESIEUNE"DIRICHLET: Vereinfachung der Theorie der binären quadratischen Formen von positiver Determinante ....-». se. er0c0ennn.. Y Philologische und historische Abhandlungen. v. p Hacken: Die romantische und Volks-Litteratur der Juden in Jüdisch-Deutscher Sprache: (Kirsten, Dheib)yentanehen. ebenen hateree ee eher VRıeDEL: Die Ahnherren des Preulsischen Königshauses bis gegen das Ende des Pose Taltchündertsce Ne snanan oe ehaetehshener sei en« “ HomEYER: Der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts . ....... +» - Y Currıus: Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen... .. --..». +.» PR GRIMM üher die namen des donners. 2. 2.20 ec oa eoedenenn. Seite Seite 1 17 1 155 211 305 “ RıTTER über einige verschiedenartige charakteristische Denkmale des nördlichen SYTIENSW. 12 2: 30 Berker e er Seite 333 ' RıEDEL über den Ursprung und die Natur der Burggrafschaft Nürnberg ....... - - 365 " RANKE: Zur Kritik fränkisch - deutscher Reichsannalisten ..... 2... 2222.20. - 415 Bopp über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen ..... . - 459 “ PANOFKA: Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 24... ...... 591 Die Abhandlung des Herrn Dove: Über die Darstellung der Wärmeerscheinungen durch fünftägige Mittel erscheint als ein besonderer Supplementband zum Jahrgang 1854. —— un nun Jahr 185H. ie 26. Januar beging die Akademie der Wissenschaften den Jahres- tag des Königs Friederichs des Zweiten in einer öffentlichen Sitzung. Herr Böckh hielt als vorsitzender Sekretar einen einlei- tenden Vortrag, von dessen Inhalt in den Monatsberichten der Aka- demie Nachricht gegeben ist, und schlols ihn den Statuten gemäls mit einem Überblick über die im abgelaufenen Jahre bei der Akademie erfolgten Personalveränderungen. Sodann las Herr Homeyer über das germanische Loosen. Am 3. Juli wurde die öffentliche Sitzung zur Feier des Leib- nizischen Jahrestages gehalten. In dem einleitenden Vortrag er- örterte der vorsitzende Sekretar Herr Encke besonders die wissen- schaftlichen Beziehungen zwischen der Königin Sophie Charlotte und Leibniz und ihre Wichtigkeit für die Stiftung der Akademie. Hier- auf hielten die seit dem Leibniztage des vorigen Jahres neu einge- tretenen Mitglieder ihre Antrittsreden und zwar zunächst aus der philosophisch -historischen Klasse Herr Haupt und Herr Kiepert, welche im Namen der Akademie Herr Böckh, sodann aus der phy- sikalisch-mathematischen Klasse Herr Beyrich und Herr Ewald, welche Herr Ehrenberg bewillkommnete. Diese Reden sind sämmt- lich in den Monatsberichten der Akademie erschienen. Herr Ehrenberg machte hierauf als Sekretar bekannt, dals die physikalisch -mathematische Klasse folgende Preisaufgabe, welche im Jahre 1851 für die Entscheidung des Preises in der heutigen Sitzung aufgegeben war, aber keine Beantwortung erhalten hatte, auf weitere drei Jahre bis zum Jahre 1857 verlängert habe: „Die Theorie des hydraulischen Mörtels ist bereits in vieler Hin- sicht aufgeklärt worden. Sie beruht offenbar auf einer Bildung u zeolithartiger Silicate.e. Noch kennt man aber das chemische Ver- halten der Verbindungen, die sich bei Anwendung der verschiede- nen Mörtel bilden, nicht genau genug, Die Akademie wünscht eine umfassende Arbeit über diesen Gegenstand, und besonders eine nach zweckmälsigen Methoden angestellte Untersuchung der Producte der Mörtelbildung.” Die ausschlielsende Frist für die Einsendung der Beantwortun- gen dieser Aufgabe, welche nach der Wahl der Bewerber in deut- scher, lateinischer oder französischer Sprache geschrieben sein können, ist der 1. März 1857. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Motto zu versehen und dieses auf dem Äufsern des versiegelten Zeitels, welcher den Namen des Verfassers enthält, zu wiederholen. Die Er- theilung des Preises von 100 Dukaten geschieht in der öffentlichen Sitzung am Leibnizischen Jahrestage im Monat Juli des gedachten Jahres. Herr Böckh verkündigte dann als Sekretar folgende neue Preisaufgabe der philosophisch-historischen Klasse: Über die Aussprache des Lateinischen im Alterthum selbst ist sowohl in früheren Zeiten als von den neueren Bearbeitern der latei- nischen Sprachlehre vielfach gehandelt; meistentheils hat sich jedoch die Betrachtung auf die phonetische Bedeutung der einzelnen Buch- staben beschränkt, worüber in mehreren Werken reicher Stoff nieder- gelegt ist. Dagegen sind die von der gewöhnlichen Schreibweise ab- weichenden Besonderheiten, welche theils nach anderen Spuren, theils nach dem Gebrauche der ältern römischen Poesie, vorzüglich der komischen, entweder überhaupt oder im gemeinen Leben in der Aussprache vieler Formen oder Wörter stattgefunden haben, noch nicht erschöpfend ermittelt, begründet und erklärt, und das Urtheil über manche Stellen in den altrömischen Gedichten und über die Gesetze des Versmalses derselben, welches von der Aussprache der Wörter theilweise abhängt, ist daher noch schwankend und streitig. Da sich die Philologie jetzt wieder der römischen Litteratur mit er- 1001 neutem Eifer zuwendet, hält es die philosophisch - historische Klasse der Akademie für angemessen, eine umfassende und zusammenhän- gende Erörterung dieses Gegenstandes zu veranlassen, und stellt daher folgende Preisaufgabe: „Nachdem über die antike Aussprache der Vocale und Consonanten und ihrer Verbindungen und über das Accentsystem der Römer je nach dem Ermessen des Verfassers kürzer oder ausführlicher gehandelt worden, soll untersucht werden, welche Besonderheiten der Aussprache, vorzüglich Zusammenziehungen und Abkürzungen in gewissen Wortformen und einzelnen Wörtern entweder allge- mein oder in der Sprache des gewöhnlichen Lebens, namentlich auch unter der geringern Volksklasse, stattgefunden haben. Hierbei sollen die Etymologie, die Zeugnisse der Alten selbst, die verschie- denen Schreibweisen in Inschriften und Handschriften, die Formen welche die lateinischen Wörter in der Übertragung ins Griechische erhalten haben, die altitalischen Dialekte, und die, aus dem Latei- nischen stammenden neueren Sprachen benutzt werden, endlich besonders die altrömischen Dichtungen, vorzüglich die Komödien. Dabei ist auch auf die Accentuation wie auf die Quantität Rück- sicht zu nehmen. Da das Urtheil über die Aussprache zum Theil von dem Gebrauche der Dichter abhängt, dieses aber sehr ver- schieden ausfallen kann, je nachdem man andere metrische Gesetze zu Grunde legt, und umgekehrt das Urtheil über die letzteren in manchen Fällen sich anders gestaltet, wenn eine andere Aussprache vorausgesetzt wird, so muls zugleich das der altrömischen Poesie zu Grunde liegende metrische System in die Untersuchung hinein- gezogen werden und namentlich zur Sprache und zur Entschei- dung kommen, ob oder in wie weit der Sprachaccent auf den alt- römischen Versbau Einfluls gehabt habe. Endlich sind die aus der ganzen Untersuchung sich ergebenden Folgerungen für die philo- logisch-kritische Behandlung der altrömischen Poesie darzulegen. b IV Man erwartet eine übersichtliche und möglichst systematische An- ordnung des gesammten Stoffes.” Die ausschlielsende Frist für die Einsendung der Beantwortun- gen dieser Aufgabe, welche nach der Wahl der Bewerber in deut- scher, lateinischer oder französischer Sprache abgefalst sein können, ist der erste März 1857. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Motto zu versehen, und dieses auf dem Äufsern des versiegelten Zettels, welcher den Namen des Verfassers enthält, zu wiederholen. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Preises von hun- dert Ducaten geschieht in der öffentlichen Sitzung am Leibnizischen Jahrestage im Monate Juli des Jahres 1857. Am Schlusse hielt Herr Ewald eine Gedächtnifsrede auf Leo- pold von Buch. Die öffentliche Sitzung zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Königs leitete der vorsitzende Sekretar Herr Ehrenberg mit einigen Festbetrachtungen ein, welche in den Monatsbericht der Aka- demie aufgenommen sind und erstattete demnächst den in den Sta- tuten geforderten Bericht über die Thätigkeit der Akademie im letz- ten Jahre. | Herr Ehrenberg erfüllte sodann die der Akademie übertra- gene erfreuliche Pflicht, die Ertheilung des durch das Allerhöchste Patent vom 18. Juni 1844 für ein Werk der deutschen Geschichte von fünf zu fünf Jahren gestifteten Preises zu verkünden. Für diese Angelegenheit hatte dem gedachten Allerhöchsten Patente gemäls Se. Excellenz der Herr Staatsminister von Raumer eine Commission von neun Mitgliedern aus ordentlichen Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften und ordentlichen Professoren der hiesigen Universität gebildet und dieser Ausschuls hatte unter Beobachtung der vorge- schriebenen Normen aus den von dem Jahre 1848 bis Ende 1852 über deutsche Geschichte erschienenen Arbeiten das des Preises wür- digste Werk ausgewählt und bezeichnet. Nach erfolgter Allerhöch- ster Bestätigung wurde nun verkündigt, dafs Se. Majestät der König Vv geruht haben, dem Werke des Königl. Generalmajors und Directors der Königl. allgemeinen Kriegsschule Eduard von Höpfner „Der Krieg von 1806 und 1807" den im Allerhöchsten Patente vom 18. Juni 1844 bestimmten Preis von Ein Tausend Thalern Gold nebst einer goldenen Denkmünze auf den Vertrag zu Verdun zu ertheilen. Herr Dove trug schlielslich seine von der Akademie aus den gehaltenen Vorträgen ausgewählte Abhandlung vor: über die Verthei- lung der Regen in der gemälsigten Zone. Zu wissenschaftlichen Zwecken hat die Akademie in diesem Jahre folgende Summen bewilligt: 200 Rthlr. an Herrn Dr. Caspary hierselbst zur Unterstützung der Herausgabe seiner Monographie über Fietoria regia. 100 „ an Herrn Dase Remuneration für Ausführung physi- kalischer Berechnungen. 20:2, an Herrn Oberlehrer Dellmann in Kreuznach Beitrag zu den Kosten der Errichtung seines Lokals für die Beobachtung des elektrischen Zustandes der Atmosphäre. 200 „ an Herrn Professor Henzen in Rom für seine Redak- tionsarbeiten und zur Bestreitung von Hülfsleistungen am Corpus inscriplionum latinarum im ersten Halb- jahr 1854. 200 ,„ an Herrn Kiepert zur Unterstützung seiner grolsen Karte der europäischen Türkei. 600 „ an Herrn Professor Ritschl in Bonn zur Unterstützung der Herausgabe seines Werkes Priscae latinitatis monu- menta epigraphica für das Corpus inscriptionum latı- narurn. 200 „ an Herrn Dr. Schacht hierselbst zur Bereisung des Thüringer Waldes behufs der Beendigung seiner Unter- suchungen über die einheimischen Waldbäume. b2 VI 60 Rihlr. an Herrn Dr. A. Weber hierselbst für 10 Exemplare 300 260 150 200 150 Herr Fr der 6. Lieferung seiner kritischen Ausgabe des White Yajurveda. an Herrn Dr. Woepcke in Bonn zur Unterstützung der Herausgabe der arabischen Übersetzung des Com- mentars zum 10. Buche des Euclides. zur Anfertigung der nöthigen Typen eines von Herrn Lepsius entworfenen allgemeinen linguistischen Alpha- bets. zur Herausgabe der akademischen Sternkarten. an Herrn Professor Goeppert in Breslau zur Unter- stützung der Herausgabe seiner Bernsteinflora. an Herrn Dr. Gerhardt hierselbst zur Unterstützung der Herausgabe des Pappus. Personal-Veränderungen im Jahre 1854. Erwählt wurden: iedrich Tiedemann in Frankfurt a. M. zum auswärtigen Mitgliede der physikalisch-mathematischen Klasse am 1. Juni und bestätigt durch die Königl. Kabinetsordre vom 15. Juli. Johannes Schulze zum Ehrenmitgliede der Akademie am 15. Juni und bestätigt durch die Königl. Kabinetsordre vom 22. Juli. Rudolf Freiherr von Stillfried-Rattonitz zum Ehrenmit- gliede der Akademie am 15. Juni und bestätigt durch die Königl. Kabinetsordre vom 22. Juli. Angelo Mai in Rom zum Ehrenmitgliede der Akademie am 15. Juni und bestätigt durch die Königl. Kabinetsordre vom 22. Juli. Herr Vo Theodor Bischoff in Gielsen zum correspondirenden Mit- gliede der physikalisch-mathematischen Klasse am 27. April. Ernst Brücke in Wien zum correspondirenden Mitgliede der physikalisch-mathematischen Klasse am 27. April. George Louis Duvernoy in Paris zum correspondirenden Mitgliede der physikalisch-mathematischen Klasse am 27. April. Theodor Schwann in Lüttich zum correspondirenden Mit- gliede der physikalisch-mathematischen Klasse am 27. April. Elias Fries in Upsala zum correspondirenden Mitgliede der physikalisch-mathematischen Klasse am 1. Juni. Joseph Hooker in Kew zum correspondirenden Mitgliede der physikalisch-mathematischen Klasse am 1. Juni. Emmanuel Vicomte de Rouge in Paris zum correspondirenden Mitgliede der philosophisch-historischen Klasse am 2. März. Konrad Gislason in Kopenhagen zum correspondirenden Mitgliede der philosophisch-historischen Klasse am 2. März. Georg Ludwig von Maurer in München zum correspondi- renden Mitgliede der philosophisch-historischen Klasse am 15. Juni. Alfred von Reumont in Florenz zum correspondirenden Mitgliede der philosophisch-historischen Klasse am 15. Juni. Gestorben sind: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling, ordentliches Mitglied der philosophisch-historischen Klasse, am 20. August. Friedrich Karl Eichhorn in Ammerhof bei Tübingen, aus- wärtiges Mitglied der philosophisch -historischen Klasse, am 4. Juli. Bernhard Freiherr von Lindenau in Altenburg, Ehrenmit- glied der Akademie, am 21. Mai. Heinrich Wilhelm Gebhard von Scharnhorst, Ehren- mitglied der Akademie, am 13. Juni. VIII Herr Angelo Mai in Rom, Ehrenmitglied der Akademie, am 9. Sept. ” Gustav Adolf Stentzel in Breslau, correspondirendes Mit- glied der philosophisch-historischen Klasse, am 2. Januar. Charles Gaudichaud in Paris, correspondirendes Mitglied der physikalisch-mathematischen Klasse, am 25. Januar. Benjamin Edmond Charles Guerard in Paris, correspon- direndes Mitglied der philosophisch-historischen Klasse, am 12. März. Robert Jameson in Edinburg, correspondirendes Mitglied der physikalisch-mathematischen Klasse, am 19. April. Nathanael Wallich in London, correspondirendes Mitglied der physikalisch-mathematischen Klasse, am 28. April. Friedrich Ernst Ludwig von Fischer in St. Petersburg, correspondirendes Mitglied der physikalisch -mathematischen Klasse, am 17. Juni. Desire Raoul-Rochette in Paris, correspondirendes Mitglied der philosophisch-historischen Klasse, am 5. Juli. Georg Simon Ohm in München, correspondirendes Mitglied der physikalisch-mathematischen Klasse, am 6. Juli. Macedonio Melloni in Neapel, correspondirendes Mitglied der physikalisch - mathematischen Klasse, am 11. August. der Mitglieder der Akademie der Wissenschaften der physikalisch- mathematischen der philosophisch - historischen Herr Grüson, Veteran . vw. Humboldt . am Schlusse des Jahres 1854. Verzeichnifs I. Beständige Secretare Herr Encke, Secr. der phys.-math. Klasse. - Böckh, Secr. der philos.-hist. Klasse. - Ehrenberg, Secr. der phys.-math. Klasse. - Trendelenburg, Secr. der philos.-hist. Klasse. IH. Ordentliche Mitglieder Klasse. Lichtenstein, Veteran . W: eiß, Veteran Mitscherlich Encke . Ehrenberg . Crelle, Veteran Blue: . Dirichlet . H. Rose Müller . G. Rose Klasse. Herr ®. Savigny, Veteran . Böckh, Veteran , Bekker, Veteran „ Ritter . Bopp Meineke . Ranke . Jacob Grimm . Datum d. Königl. Bestätigung. m 1798 Febr. 22. 1800 Aug. 4. 1811 April 29. 1814 Mai 14. 1814 Mai 14. 1815 Mai 3. 1815 Mai 3. 1822 Febr. 7. 1822 April 18. 1822 April 18. 1825 Juni 21. 1827 Juni 18. 1827 Aug. 23. 1830 Jan. 11. 1830 Juni 11. 1832 Febr. 13. 1832 Febr. 13. 1832 Febr. 13. 1832 Mai 7. 1534 Juli 16. 1834 Juli 16. IX der physikalisch - mathematischen der philosophisch historischen Datum d. Königl. Klasse. Klasse. Bestätigung. el RE Herr Steiner . » - ®v. Olfers - Dove - Poggendorff - Magnus - Hagen - Rieß - du Bois-Reymond - Peters - Braun . - Klotzsch . - Beyrich - Ewald. na DEE Be, Panofka....... won der Hagen . Wilh. Grimm . . ISCHOTERR Dirksen BErtzI EN Trendelenburg.. - Dieterici . Lepsuus Homeyer Petermann Pinder . Buschmann . Riedel’; Curtius . Haupt. . Kiepert . . 1834 Juli 16. 1835 März 12. 1836 April 5. 1837 Jan. 4. 1837 Jan. 4. 1839 Febr. 4. 1840 Jan. 27. 1841 März 9. 1841 März 9. 1841 März 9. 1841 März 9. 1842 Juni 28. 1842 Juni 28. 1843 Jan. 23. 1846 März 11. 1847 Jan. 20. 1850 Mai 18. 1850 Mai 18. 1850 Mai 18. 1851 März 5. 1851 März 5. 1851 Mai 24. 1851 Mai 24. 1851 Mai 24. 1851 Juli 16. 1851 Juli 16. 1852 Nov. 29. 1853 Juli 25. 1853 Juli 25. 1853 Aug. 15. 1853 Aug. 15. II. Auswärtige Mitglieder der physikalisch - mathematischen Klasse. der philosophisch -historischen Klasse. Se Herr Carl Friedrich Gaufs in GEOLHNSEHBE 2 22 ven ener see - Robert Brown in London. - Augustin Louis Cauchy in Paris Sir John Herschel in Hawkhurst in der Grafschaft Kent . Herr Michael Faraday in London . Sir David Brewster in St. Andrews . Herr Jean Baptiste Biot in Paris - Friedrich Tiedemann in Frankfurt a. M. Herr Heinrich Ritter in Göttingen Victor Cousin in Paris Christian August Lobeck in Känjgsberg nu. nötıch „um: Horace FPilson in Oxford Francois Guizot in Paris Friedrich Gottlieb Welcker in Bonn . . Friedrich Creuzer in Heidelberg Henry Rawlinson in Bagdad Karl Hase in Paris XI Datum d. Königl. Bestätigung. u —— 1810 Juli 18. 1832 Febr. 13. 1832 Mai 7. 1832 Mai 7. 1534 März 20. 1836 April 5. 1839 Febr. 4. 1839 April 21. 1840 Dec. 14. 1842 Juni 28. 1846 März 11. 1846 März 11. 1846 März 11. 1850 Febr. 27. 1850 Mai 18. 1850 Mai 18. 1854 Juni 1. Xu IV; Ehren-Mitglieder. Herr /mbert Delonnes in Paris William Hamilton in London . William Martin Leake in London Karl Josias Bunsen in Bonn £ Herzog Domenico di Serradifalco in Palerns Freiherr Anton von Prokesch-Osten in Frankfurt a. M. Herzog Honore de Luynes in Paris ... Carl Lucian Bonaparte, Prinz von Canino . Peter Merian in Basel . R Garabed Artin Davoud-Oghlou in N ayien Fürst di San Giorgio Domenico Spinelli in Neapel Prinz Maximilian zu Wied- Neuwied Peter von Tschichatschef . ER Johannes Schulze in Berlin . ö 5 Rudolph Freiherr von Stillfried- Etnde in 1 Berlin Datum d. Königl. Bestätigung. TT —u— 1801 Oct. 22. 1815 Juni 22. 1815 Juni 22. 1835 Jan. 7. 1836 Juli 29. 1839 März 14. 1840 Dec. 14. 1843 März 27. 1845 März 8. 1847 Juli 24. 1850 Mai 18. 1853 Aug. 15. 1853 Aug. 22. 1854 Juli 22. 1854 Juli 22. V. Correspondirende Mitglieder. Physikalisch-mathematische Klasse. Herr Louis Agassiz in Boston Sir George Airy in Greenwich Giovanni Battista Amici in Florenz Friedrich Wilhelm August Argelander in we Karl Ernst v. Baer in St. Petersburg Antoine Cesar Becquerel in Paris . Pierre Berthier in Paris . Theodor Bischoff in Gielsen . Johann Friedrich Brandt in St. Peförskhrg Adolphe Brongniart in Paris : Heinrich Georg Bronn in Heidelberg . Ernst Brücke in Wien Robert Wilhelm Bunsen in Heideibötg". Francisco Carlini in Mailand . Karl Gustav Carus in Dresden Michel Eugene Chevreul in Paris Ernst Heinrich Karl v. Dechen in Bonn Pierre Armand Dufrenoy in Paris. . . Jean Marie Constant Duhamel in Paris Jean Baptiste Dumas in Paris George Louis Duyernoy in Paris Jean Baptiste Elie de Beaumont in Paris Daniel Friedrich Eschricht in Kopenhagen . Gustav Theodor Fechner in Leipzig. Vincenzo Flauti in Neapel . Elias Fries in Upsala > Johann Nepomuk Fuchs in München i J. D. Gergonne in Montpellier Christian Gottlob Gmelin in Tübingen Heinrich Robert Göppert in Breslau Thomas Graham in London Wilhelm Haidinger in Wien . William Hamilton in Dublin Herr Peter Andreas Hansen in Gotha Christopher Hansteen in Christiania Datum der Wahl. me en 1834 März 24. 1834 Juni 5. 1836 Dec. 1. 1836 März 24. 1834 Febr. 13. 1835 Febr. 19. 1829 Dec. 10. 1854 April 27. 1839 Dec. 19. 1835 Mai 7. 1851 Febr. 6. 1854 April 27. 1846 März 19. 1826 Juni 22. 1827 Dec. 13. 1834 Juni 5. 1842 Febr. 3. 1835 Febr. 19. 1847 April 15. 1834 Juni 5. 1854 April 27. 1827 Dec. 13. 1842 April 7. 1841 März 25. 1829 Dec. 10. 1854 Juni l. 1834 Febr. 13. 1832 Jan. 19. 1834 Febr. 13. 1839 Juni 6. 1835 Febr. 19. 1842 April 7. 1839 Juni 6. 1832 Jan. 19. 1827 Dec. 13. c2 XII XIV Herr Johann Friedrich Ludwig Hausmann in Göttingen August Wilhelm Hofmann in London Sir William Hooker in Kew Herr Joseph Hooker in Kew Sir Ludwig Friedrich Kämtz in Dospat SR Ernst Eduard Kummer in Breslau . Gabriel Lame in Paris Emil Lenz in St. Petersburg . Urbain Joseph Le Verrier in Paris Graf Guiglielmo Libri in London . Justus ®. Liebig in München . John Lindley in London Joseph Liouyille in Paris Karl Friedrich Philipp w. iii in Münthen Henri Milne Edwards in Paris . August Ferdinand Möbius in Leipzig Hugo v. Mohl in Tübingen Arthur Jules Morin in Paris . Ludwig Moser in Königsberg J. G. Mulder in Utrecht Roderick Murchison in London Herr Karl Friedrich Naumann in Leipzig Franz Ernst Neumann in Königsberg Richard Owen in London . Francois Marie de Pambour in Paris Theophile Jules Pelouze in Paris Giovanni Plana in Turin Jean Victor Poncelet in Paris George de Pontecoulant in Paris Johann Evangelista Purkinje in Prag Lambert Adolphe Jacques Quetelet in Brüssel . Heinrich Rathke in Königsberg . Henri Victor Regnault in Paris Anders Adolph Retzius in Stockholm Friedrich Julius Richelot in Königsberg Auguste de la Rive in Genf Dietrich Franz Leonhard v. an in Halle Theodor Schwann in Lüttich . Marcel de Serres in Montpellier Datum der Wahl. m een, 1812 1853 Juli 28. 1834 Febr. 13. 1854 Juni 1. 1841 März 25. 1839 Juni 6. 1838 Dec. 20. 1853 Febr. 24. 1846 Dec. 17. 1832 Jan. 19. 1833 Juni 20. 1834 Febr. 13. 1839 Dec. 19. 1832 Jan. 19. 1847 April 15. 1829 Dec. 10. 1847 April 15. 1839 Juni 6. 1843 Febr. 16. 1845 Jan. 23. 1847 April 15. 1846 März 19. 1833 Juni 20. 1836 März 24. 1839 Juni 6. 1851 Febr. 6. 1832 Jan. 19. 1832 Jan. 19. 1832 Jan. 19. 1832 Jan. 19. 1832 Jan. 19. 1834 Febr. 13. 1847 April 15. 1842 Dec. 8. 1842 Dec. 8. 1835 Febr. 19. 1834 Febr. 13. 1854 April 27. 1826 April 13. Herr Karl Theodor Ernst v. Siebold in München. Friedrich Georg FWilhelm Struve in St. Petersburg Bernhard Studer in Bern Jacob Karl Franz Sturm in Paris . Michele Tenore in Neapel . Louis Jacques Thenard in Paris : Wilhelm Gottlieb Tilesius in Mühlhausen . LZudolf Christian Treyiranus in Bonn Auguste Valenciennes in Paris Rudolph FWagner in Göttingen . Ernst Heinrich Weber in Leipzig . Wilhelm Weber in Göttingen Wilhelm Wertheim in Paris . Charles FWheatstone in London Friedrich Wöhler in Göttingen . Philosophisch-historische Klasse. Herr Joseph Arneth in Wien . George Bancroft in New York . Christian Bartholmess in Strafsburg . Theodor Bergk in Freiburg Gottfried Bernhardy in Halle Ludwig Konrad Bethmann in Wolfenbüttel . Samuel Birch in London Johann Friedrich Böhmer in Erankfint, a. M. Graf Bartolomeo Borghesi in San Marino . Christian August Brandis in Bonn Emil Braun in Rom Luigi Canina in Rom . Celestino Cavedoni in Modena Joseph Chmel in Wien Charles Cooper in London . i Friedrich Christoph Dahlmann in Box) Friedrich Diez in Bonn . Wilhelm Dindorf in Leipzig . Adolphe Dureau de la Malle in Paris, Heinrich Lebrecht Fleischer in Leipzig . Georg Wilhelm F. reytag in Bonn Del Furia in Florenz Datum der Wahl. — 1841 März 25. 1832 Jan. 19. 1845 Jan. 23. 1835 Febr. 19. 1812 1812 1812 1834 Febr. 13. 1836 März 24. 1841 März 25. 1527 Dec. 13. 1834 Febr. 13. 1853 Febr. 24. 1551 Mai 8. 1833 Juni 20. 1853 Juni 16. 1845 Febr. 27. 1847 Juni 10. 1845 Febr. 27. 1846 März 19. 1852 Juni 17. 1851 April 10. 1845 Febr. 27. 1836 Juni 23. 1832 April 12. 1843 Aug. 3. 1852 Juni 17. 1845 Febr. 27. 1846 März 19. 1536 Febr. 18. 1845 Febr. 27. 1845 Febr. 27. 1846 Dec. 17. 1847 April 15. 1851 April 10, 1829 Dec. 10. 1819 Febr. 4. XV XVI Herr Jacob Geel in Leyden.. Si - r Georg Gottfried Gervinus in Hödelberg' Konrad Gislason in Kopenhagen Karl Wilhelm Göttling in Jena... . Freih. Joseph v. Hammer-Purgstall in Wien Wilhelm Henzen in Rom eh Karl Friedrich Hermann in Göttingen ANNE Brör Emil Hildebrand in Stockholm Otto Jahn in Bonn . iR HE Dre Edme Francois Jomard m Paris ...... ‘Stanislas Julien in Paris . : Theodor Georg v. Karajan in Wien. John Kemble in London J. E. Kopp in Luzern i Hans Gottfried Ludwig Kosegarini in Greiiwall Jean Baptiste Felix Lajard in Paris . Johann Martin Lappenberg in Hamburg Christian Lassen nBom ..... Konrad Leemanns in Leyden K. Lehrs in Königsberg . Charles Lenormant in Paris Johann FVilhelm Löbell in Bonn Elias Lönnrot in Helsingfors . x ‘ Joaquim Jose da Costa de Macedo in se Johann Nicolaus Madvig in Kopenhagen Graf Alberto della Marmora in Genua . Georg Ludwig v. Maurer in München Moritz Hermann Eduard Meier in Halle . Giulio Minervini in Neapel Julius Mohl in Paris Christian Molbech in Kopenharen Theodor Mommsen in Breslau. P. A. Munch in Christiania . . Andreas Mustoxides in Corfu Karl Friedrich Neumann in München Constantinus Oeconomus in Athen . Giovanni Girolamo Orti Manara in Verona. Franz Palacky in Prag . Francis Palgrave in London Datum der Wahl. m mn, 1836 Juni 23. 1845 Febr. 27. 1854 März 2. 1844 Mai 9. 1814 März 17. 1853 Juni 16. 1840 Nov. 5. 1845 Febr. 27. 1851 April 10. 1821 Aug. 16. 1842 April 14. 1853 Juni 16. 1845 Febr. 27. 1846 März 19. 1829 Dec. 10. 1846 Dec. 17. 1845 Febr. 27. 1846 Dec. 17. 1844 Mai 9. 1845 Febr. 27. 1845 Febr. 27. 1846 Dec. 17. 1850 April 25. 1838 Febr. 15. 1836 Juni 23. 1844 Mai 9. 1854 Juni 15. 1824 Juni 17. 1852 Juni 17. 1850 April 25. 1845 Febr. 27. 1853 Juni 16. 1847 Juni 10. 1815 Juni 22. 1829 Dec. 10. 1832 Dec. 13. 1842 Dec. 22. 1845 Febr. 27. 1836 Febr. 18. Herr Amadeo Peyron in Turin Sir Thomas Philipps in Middlehill . Herr Zugust Friedrich Pott in Halle . William H. Prescott in Boston . Etienne Quatremere in Paris . Karl Christian Rafn in Kopenhagen . Rizo Rangabe in Athen . Felix Ravaisson in Paris h Joseph Toussaint Reinaud in Paris Alfred v. Reumont in Florenz Friedrich Wilhelm Ritschl in Bonn . Eduard Robinson in New York . Ludwig Rofs in Halle . . Giovanni Battista de Rossi in Rom Emmanuel de Rouge in Paris . de Santarem in Paris . Paul Joseph Schaffarik in Brass Konstantin Schinas in München . G. J. Schömann in Greifswald . Pietro Giovanni Secchi in Rom . Jared Sparks in Cambridge bei Eden : Leonhard Spengel in München Christoph Friedrich Stälin in Stuttgart . Friedrich von Thiersch in München . Ludwig Uhland in Tübingen . Th. Hersart de la Villemarque in Paris Johannes Voigt in Königsberg Wilhelm Wackernagel in Basel . Georg Waitz in Göttingen . Jean Joseph Marie Antoine de Witte in A Wuk Stephanowitsch Karadschitsch in Wien en D rm Datum der Wahl. — — 1836 Febr. 18. 1845 Febr. 27. 1850 April 25. 1845 Febr. 27. 1812 1845 Febr. 27. 1851 April 10. 1847 Juni 10. 1850 April 25. 1854 Juni 15. 1845 Febr. 27. 1852 Juni 17. 1836 Febr. 18. 1853 Juni 16. 1854 März 2. 1847 Juni 10. 1840 Febr. 13. 1851 April 10. 1824 Juni 17. 1846 März 19. 1845 Febr. 27. 1842 Dec. 22. 1846 Dec. 17. 1825 Juni 9. 1845 Febr. 27. 1851 April 10. 1846 Dec. 17. 1851 April 10. 18412 April 14. 1845 Febr. 27. 1850 April 25. xVu M ar nt . kg DT x u ir ah i Lohn, A u) TERM De, A 2 ER 9701557 Fi BGE 2 ee re 2 P re * j Rn ORTE ye FR u ha ) dr ee . 1 en ei 4 h ; j > R k: j Be or are P' % em Y 1) a R; Er; 5 7,777 a Br, © u \ das Ki) BER Er Ar TTE Br: aan. vr Gere 2 A ik boten De war Bo) Ze : RuSertie tr Ä mi = | Kal 200 ne u 0 0:7) 00 | Knie? 070 2 N De . Ar ie. H Er Krug dl, A AT - er a; 2 ar > N, Se Br 171 Physikalische Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. aan onen .n.n———nan nn nennen nn nn Berlin. Gedruckt in der Druckerei der Königlichen Akademie der Wissenschaften. 1855. In Commission in F. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung. Ars ja roll \ Hu a W; r x Kein - eg x 13 IN 3 \ I x >« % r un D A ( Ar R wer Kr i$, “7 & ® a I ’ B « * 5 = j 5 « f ® i Al rg EAN ah Kr j NE Y u i Y WR a N voll De dl, ke Ka RD 5 Die F:nahra it. MÜLLER über die Gattungen der Seeigellarven. (Siebente Abhandlung über die Metamorphose der Echinodermen) ..... eo. .eor..0o..- BEYRICH über die Lagerung der Kreideformation im schlesischen Gebirge .. . . - H. LicHTENSTEIN und W. PETERS über neue merkwürdige Säugethiere des König- lichen zoologischen Museums .........-.- 2.200... W.PETers über die an der Küste von Mossambique beobachteten Seeigel und insbesondere über die Gruppe der Diademen ..........- KLoTzscH: Begoniaceen- Gattungen und Arten... ... 2.222 0eoren. Die Abhandlung des Herrn Dove: Über die Darstellung der Wärmeerscheinungen durch fünftägige Mittel erscheint als ein besonderer Supplementband zum Jahrgang 1854. nn nn nn nn Seite 1 = 57 Pau r = + ’ \ ie N % - [Me N e ö et B f f a “% 3% wohn ch Über die Gattungen der Seeigellarven. Siebente Abhandlung über die Metamorphose der Echinodermen. “Von H" MÜLLER. mnn anna [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 17. November 1853.] (') D. Beobachtungen über die Entwickelung und Metamorphose der Echi- nodermen sind schon so weit ausgeführt, dafs diese Vorgänge jetzt vollstän- dig bekannt sind. Wenn jene-Untersuchungen bei den Seeigeln bereits in das Stadium getreten sind, dafs es sich um die Eigenschaften der Larven in den verschiedenen Gattungen der Seeigel und um die Unterscheidung und Bestimmung der Arten und ihre Geschichte handelt, so ist dies vorzüglich dem wichtigen Antheil zu danken, welchen Krohn unausgesetzt an diesen Arbeiten genommen hat. Zur Bestimmung der Larven waren künstliche Be- fruchtungen der Seeigel nothwendig; da die Beobachtung indefs an den auf diesem Wege erzielten Larven nicht weit genug fortgeführt werden kann, so kam es darauf an, die späteren Alterzustände der verschiedenen Arten in der See aufzusuchen. Bei einem zweimonatlichen Aufenthalt in Messina bis zur Mitte des October 1853 in der Gesellschaft der Herren Professor Tro- schel, Dr. Max Müller und Studirenden J. Althaus hatte ich wieder eine reiche Gelegenheit, die Beobachtungen über die Echinodermen fortzu- setzen und namentlich diejenigen über die Seeigel in der letztgenannten Richtung zu erweitern. Die bei Messina gemeinen Arten der Seeigel sind Echinus lividus, E. brevispinosus, Echinocidaris aequiluberculala, Spatangus purpureus, Echino- cyamus larenlinus. Die Seeigellarven gehörten theils den eben erwähnten (‘) Einen Auszug dieser Abhandlung enthält das Archiv f. Anat. u. Physiol. 1853. p. 472. Phys. Kl. 1854. A 9 MÜLLER Arten von Echinus, theils Echinocidaris, theils Spatangoiden an. Von an- deren Larven erschienen wieder dıe beiden bekannten Holothurienlarven, Pluteus paradoxus, bimaculatus, die Larve der Ophiothrix fragilis, die Bi- pinnaria von Triest, Tornaria, und eine neue Art von Brachiolaria ('), de- ren 3 der Gattung eigene Arme auf der ventralen Seite in ganzer Länge von Papillen eingefafst sind (?). Aus der Gattung Echinus sind durch künstliche Befruchtung bis jetzt die Larven dreier Arten auf die Species bekannt und bestimmt worden. Die Befruchtung ist an Echinus lividus Lam. durch Krohn, auch durch Busch und mich selbst ausgeführt und steht nunmehr fest, dafs der von Derbes befruchtete Seeigel, welchen er esculentus nannte, wie ich vermuthet hatte, ebenfalls E. lividus Lam. war. Die Larve des E. brevispinosus Risso (escu- lentus Blainv.) ist von Krohn nach künstlicher Befruchtung beschrieben Arch. f. Anat. u. Physiol. 1853. p. 139 u. p. 361, bei E. pulchellus Ag. ist diese durch mich ausgeführt. Die Helgoländischen Seeigellarven mitWimper- epauletien sind schon auf die Gattung Eehinus bestimmt, die Arten noch unbestimmt. Bei Echinocidaris aequituberculata Des M. haben Busch und Krohn, bei Spatangus purpureus Krohn (a. a. Ö. p. 255) die Befruchtung ausgeführt. Hierdurch sind auch die Seeigellarven mit Scheitelfortsätzen von Helgoland, Nizza und Triest als Spatangoiden bestimmt worden. Alle Seeigellarven aus den verschiedenen Gattungen Echinus, Echino- cidaris, Spatangus haben einen ventralen Theil des Schirms, die Markise und einen dorsalen Theil desselben, welcher sich auf das Mundgestell ver- längert. Alle haben im ausgewachsenen Zustande mindestens 8 Arme, näm- lich 4 Schirmarme (2 ventrale und 2 dorsale) und 4 Arme des Mundgestells (die 2 primären und 2 secundären desselben). Im jüngern Zustande sind statt dieser 8 Arme nur 4 vorhanden, nämlich die ventralen Schirmarme oder Markisenarme und die primären Arme des Mundgestells, deren Kalkstäbe bogenförmig von den Kalkstäben der Markisenarme ausgehen. Die Kalk- (') Eine Beschreibung der Brachiolaria von Messina enthält der Monatsbericht der Akademie, 16. März 1854. (?) Eine weitere Beobachtungsreihe über Seeigellarven und Asteridlarven lieferte ein abermaliger Besuch der Insel Helgoland mit Max Müller im September 1854. Siehe die Nachträge zur gegenwärtigen Abhandlung. über die Gattungen der Seeigellarven. 3 stäbe der Markisenarme sind in die Kuppel verlängert, ebenso geht ein Ast aus dem Bogen für die ersten Arme des Mundgestells mehr oder weniger weit im Körper der Larve fort gegen die Kuppel hin oder selbst bis in die- selbe. Beide sind in der Kuppel zuweilen zu einem Rahmen verbunden, wie bei einigen Echinen und bei den Spatangoiden. Wenn die dorsalen Seiten- arme oder dorsalen Schirmarme entstehen, so wird ein Ast ihrer Wurzel allmählig mehr oder weniger weit an der Rückseite des Körpers nach der Kuppel verlängert, entsprechend den Leibesästen der ventralen Schirmarme. Sie verbinden sich selten mit dem primitiven Kalkgerüst, wie bei der sehr eigenthümlichen Seeigellarve von Helgoland, I. Abhandlung, Taf. IV. Fig. 1.2, laufen vielmehr meist frei aus bei den Echinen und bei den Spa- tangen. Dann ist wenigstens ein querer Ast aus der Wurzel dieser Stäbe am Rücken der Larve entwickelt, dem Querast der Markisenstäbe entspre- chend. In einigen Fällen verschwindet jetzt das frühere Kalkgerüst der Kup- pel, wie bei Echinus brevispinosus und den Spatangoiden. Die Kalkstäbe der Nebenarme des Mundgestelis entwickeln sich bei allen Seeigellarven aus einem eigenen Kalkbogen in der Rückenwand des Mundgestells. I. Über die Gattung Echinus und über Echinus breeispinosus R. Die verschiedenen Seeigelgattungen sind durch einige eigene Charak- tere ausgezeichnet; diese Charaktere sind aber an den jungen Larven, wie sie durch künstliche Befruchtung und Zucht erhalten werden, noch nicht ausgeprägt, so z. B. sind die Wimperepauletten der Gattung Echinus eigen- thümliche von der allgemeinen Wimperschnur unabhängige Bildungen, aber diese entstehen erst nach der Entwickelung aller Fortsätze, also an den Echi- nuslarven mit 8 Fortsätzen. In diesem Zustande trifft man die Larven meist nur im Meere an. Am vollständigsten sind die Beobachtungen an den Lar- ven des Echinus lividus, deren spätere Zustände indefs gänzlich mit den in Helgoland beobachteten Seeigellarven mit Wimperepauletten übereinstim- men. Die Arten der Gattung Echinus weichen theils in der Form der Kup- pel und ihrem Kalkgerüste, theils in den Kalkstäben der Schirmarme ab, welche meist einfach, zuweilen, wie nach Krohn’s Beobachtungen an der Larve des Echinus brevispinosus, auch gegittert sind. A2 4 MÜLLER Mehrere Arten der Gattung haben einen pyramidalen Scheitel, so Echinus lieidus, pulchellus und die Helgoländische Echinuslarve I. Abhand- lung, Taf. IV. Fig. 3, Taf. V. Fig. 9. Bei diesen sind allein die Kalkstäbe der Markisenarme bis in den Scheitel verlängert, bald keulenförmig (E. livi- dus), bald verästelt (E. pulchellus), bald krückenförmig, wie bei der eben- erwähnten Helgoländischen Larve. Andere Echinuslarven haben eine niedrige runde Kuppel, wie E. brevi- spinosus und die Helgoländische Larve, I. Abhandlung Taf. IV. Fig. 4.5. Taf. V. Fig. 1—8. Bei der Larve des Echinus brevispinosus sind die Körper- äste aus den Kalkstäben der ersten Mundarme am Rücken bis zur Kuppel ver- längert, symmetrisch mit den ventralen Kalkleisten aus den Markisenarmen und beide die ventralen und dorsalen Kalkleisten in der Kuppel zu einem vierseitigen Kalkrahmen verbunden. Bei diesen Larven vergeht der primi- tive oder provisorische Kalkrahmen, wie er der vierarmigen Larve eigen war, nach begonnener Entwickelung der dorsalen Schirmarme allmählig ganz, bis auf die freien Enden der Leibesstäbe aus den ventralen Schirmarmen, wel- chen analog der Ausläufer der nachentstandenen dorsalen Schirmarme bis in die Kuppel verlängert worden ist. So enden auch die Kalkstäbe in der Helgoländischen Larve; diese ist in ihrem jüngern vierarmigen Stadium noch nicht gesehen. Die Larven der mehrsten Arten von Echinus sind an den Seiten des Schirms sehr stark ausgeschnitten und geht die Wimperschnur ohne Verlän- gerung auf einen Fortsatz vom dorsalen zum ventralen Rande des Schirms, so dafs ihnen die Auricularfortsätze anderer Larven von Echinodermen feh- len. Aurikeln oder Auricularfortsätze nannte ich die Fortsätze am Übergang der Wimperschnur von der Rückseite zur Bauchseite am hintern Theil des Körpers oder Schirm, VI. Abhandlung. Die Larve des E. brevispinosus macht nun eine Ausnahme von den übrigen Echinen, dafs sie in ihrem spä- tern von Krohn beschriebenen Zustand kurze Auricularfortsätze an der Kuppel besitzt. Diese Larve weicht überhaupt von den Larven anderer Echinus mehr ab, als diese von einander abzuweichen pflegen, so dafs es sich verlohnt, die Phasen, welche sie durchläuft, vollständig kennen zu ler- nen. Das mehrste ist daran schon von Krohn gesehen und beschrieben und es ist mir nur übrig geblieben, die Gegenwart vollständiger Wimperepau- letten, welche dieser Larve zu fehlen schienen, festzustellen. Die Eigen- über die Gattungen der Seeigellarven. d thümlichkeiten dieser Larve geben aber auch den Schlüssel zum Verständ- nifs der Larven der Echinocidaris und Spatangen, und darum halte ich es für nöthig, in das ganze Detail ihrer successiven Veränderung einzugehen. Die von Krohn durch künstliche Befruchtung erzielten jüngeren Lar- ven von E. brevispinosus sind schon dadurch ausgezeichnet, dafs die Mar- kisenarme einen gegitterten Kalkstab enthalten. So wie diese Stäbe, so ge- ben auch die davon ausgehenden ersten Kalkstäbe des Mundgestells einen Ast in das bauchige Hinterende des Körpers oder die Kuppel, so dafs ein Gestell von 4 Kalkleisten, 2 ventral, 2 dorsal nach der Kuppel dringt und hier wieder durch Querleisten mehr oder weniger vollständig verbunden ist. Hierdurch wurde nunmehr eine von mir schon abgebildete Seeigellarve von Nizza, IV. Abh. Taf. VII. Fig.5—8. auf diese Species bestimmt. Als weitere Entwickelungsstufen liefsen sich nach Krohn mit glei- chem Recht zwei einander überaus ähnliche Larvenarten beanspruchen, die bis zur Vollzahl der Fortsätze häufig im Meer bei Messina vorkamen. Sie unterscheiden sich hauptsächlich nur durch die Beschaffenheit der Kalkstäbe in den dorsalen Seitenfortsätzen, während das Kalkgerüst sonst völlig über- einstimmt. Bei der einen Art A sind diese Stäbe einfach cylindrisch, bei der andern B gegittert, wie diejenigen der Markisenarme. Beiderlei Larven habe ich bei Messina wiederholt und bis zur vollendeten Entwickelung ge- sehen. Die Gitterstäbe der Seeigellarven sind überall, wo sie vorkommen, dreikantig. So ist es auch bei der Form B mit den Kalkstäben in beiden, den ventralen und dorsalen Schirmarmen; die Maschen des Gitters sind ziemlich gleichförmig vom obern bis untern Theil des Stabs. Bei der Form A sind die einfachen Kalkstäbe in den dorsalen Seitenarmen einfach rund, nicht dreikantig, die Gitterstäbe in den Markisenarmen von A sind dreikan- kantig, hören aber am letzten Drittel des ausgewachsenen Arms auf, gegit- tert und dreikantig zu sein und, sich plötzlich verdünnend, werden sie ein- fach walzig. Die Maschen des Gitters sind in diesen Stäben am innern an- gewachsenen Theil viel grölser als weiter ab, sie werden allmählig immer kürzer, so dafs auf eine Strecke, die oben 3 Maschen umfalst, weiter unten 5 Maschen kommen. Zuletzt werden die Löcherchen überhaupt sehr klein, bis am letzten Drittel alle Spur derselben verloren ıst. 6 / MürLrEr So grofs die Unterschiede in diesen Kalkstäben bei beiden Formen sind, so ist doch die gedrungene Gestalt der Larven mit sehr kurzen dicken Armen, die Form der Aurikeln, welche sie erhalten, und eine noch zu be- schreibende eigene Gestaltung des Schirms an den reiferen Larven so völlig übereinstimmend, dafs sie vielleicht nur Varietäten einer Species, nämlich des E. brevispinosus sind. Hiefür läfst sich anführen, dafs bei der Ophiuren- larve von Helgoland, Pluteus paradoxus, in seltenen Fällen die Stäbe der Auriculararme, statt einfach zu sein, ein Maschenwerk entwickeln, wie die Abbildung im Archiv 1846 Taf. VI. Fig. 3 zeigt, und dafs es unter den Spa- tangoidlarven grofse Verschiedenheiten in der Ausbildung des Gitters giebt, während aber die dreikantige Beschaffenheit der Stäbe in den Schirmarmen dieser Larven constant ist. Am kuppelförmigen Ende entwickeln sich bei beiden auf E. drevi- spinosus bezüglichen Larven in ihrem reifern Zustande die seitlichen Arka- den der Wimperschnur zu Aurikeln oder Auricularfortsätzen. Es sind die von Gegenbaur an einer Larve von Messina mit 8 Armen gesehenen hand- habenförmigen Fortsätze. v. Siebold und Kölliker Zeitschrift für wissen- schaftl. Zoologie 4. Bd. p. 329. Krohn hat sie als Aurikeln oder Auricular- fortsätze bezeichnet. Der letztgenannte Forscher hat auch schon bemerkt, dafs zu dieser Zeit der viereckige Kalkrahmen der Kuppel, den die jüngeren Larven be- safsen, in der reiferen Larve wieder verschwindet; dagegen sich in der Kup- pel ein starker querer Balken entwickelt, dessen beide Enden in zwei diver- girende Zacken auflaufen. Da der aufsteigende Zweig die Aurikel stützt, so kann man ihn als Kalkstab eines Auriculararms ansehen. Nachdem der frü- here Kalkrahmen in der Kuppel ganz verschwunden, endigt der longitudi- nale Ast der Markisenstäbe zu diesem Rahmen frei, der longitudinale dor- sale Ast eben dahin aus dem Kalkbogen für das Mundgestell ist ganz ver- schwunden. Statt dessen hat sich ein Ast aus der Wurzel des dorsalen Sei- tenarms bis in die Kuppel verlängert. Die Leibesstäbe aus den 4 Schirm- armen reichen also symmetrisch bis zur Kuppel; auch gleichen sich die von denselben Stellen ausgehenden queren Zweige. In diesem Stadium der Larve gehen einige Veränderungen an dem Schirm vor sich, mit welchen der Lauf der Wimperschnur am Rand des Schirms mehr Biegungen erhält. Die Markise ist durch Ein - und Ausbuch- über die Gattungen der Seeigellarven. 7 ten, verbunden mit Biegungen gleich einem Darmgekröse, in 3 Abtheilun- gen gebracht, wovon die seitlichen ausgebogen und aufgewendet epaulett- artig erscheinen, die mittlere aber tief niedergedrückt ist. Der mittlere Theil der Markise ist schnabelartig verlängert und hängt lang herab bis nahe zum Munde. Dies ist der Vorsprung des Schirms, welchen Krohn dem Steg einer Geige vergleicht. Bei der Bipinnaria asterigera verlängert sich der analoge Theil der Körperwand ebenfalls schnabelartig. Die Form dieses Schnabels ist bei der Larve des Echinus brevispinosus manchen Veränderun- gen unterworfen, meist ist er auf der äufsern Oberfläche etwas ausgehöhlt und gleicht dann einer hervorstehenden Hohlkehle. Auf diesem Schnabel und zwar an der Wurzel der Hohlkehle öffnet sich der After. An der Rück- seite des Körpers treten jederseits zwischen dem Schirmarm und dem Mund- gestell ganz ähnliche epaulettartige Ausbiegungen hervor, wie auf der ven- tralen Seite, wie dort, von der Wimperschnur besetzt. Dem Schnabel der Markise gleicht aber ein auf dem Rücken des Mundgestells hervortretender Vorsprung der Haut, gleichfalls von der Gestalt einer Hohlkehle. Die Sei- tenränder dieses Vorsprunges sind von der Wimperschnur besetzt, der vor- dere Rand ist frei davon. Auf diese Seitenränder des Vorsprungs geht die Wimperschnur von den epaulettenartigen Buchten über und setzt sich dann erst in nochmaliger Biegung zurück und wieder vorwärts auf die Arme des Mundgestells fort. Diese Vorsprünge finden sich in gleicher Weise an bei- derlei Formen der Larve mit einfachen und gegitterten dorsalen Seitenstä- ben, gleichwie auch die Auricularfortsätze. In diesem Zustande sind die Larven $&” großs. Die Larve erhält zur Zeit der Entwickelung der Seeigelanlage auch noch selbständige Wimperepauletten, welche in diesem Fall aufserordentlich breit sind, so dafs sie einander an der Mitte der Bauchseite und Rückseite sehr nahe kommen und beinahe aneinander stofsen. Bei allen bisher bekannt gewordenen Seeigellarven mit Wimperepau- letten sind diese selbständige Bildungen, d.h. unabhängig von der allgemei- nen Wimperschnur. Bei der in Rede stehenden Larve schien davon eine Ausnahme statt zu finden. Krohn bemerkte, dafs es zweifelhaft sei, ob die Wimperepauletten des E. brevispinosus sich so wie bei anderen Seeigellarven verhalten, denn sie schienen nicht neu hinzugekommene Theile, sondern blofs stärker entwickelte Parthien der bestehenden Wimperschnur zu sein. b) MÜLLER Dies war auch meine Vorstellung, als ich der ersten Larve dieser Art von der Form mit gegitterten Stäben der dorsalen Seitenarme ansichtig wurde, bei welcher der Umbo der Seeigelanlage schon die fünfblättrige Figur in seinem Innern erhalten hatte. Später sind mir öfter Exemplare der Form mit einfachen Stäben der dorsalen Seitenarme vorgekommen, bei denen die Seeigelanlage noch weiter entwickelt war. An diesen habe ich mich wiederholt auf das vollkommenste überzeu- gen können, dafs die Wimperepauletten hier ebenso selbständig als in den andern Arten von Echinus sind. Die wahren Wimperepauletten entwickeln sich über den epaulettartigen Ausbiegungen des Schirms und bedecken dann bei der Ansicht auf den Hintertheil der Larve leicht den Lauf der allgemei- nen Wimperschnur. In andern Lagen sieht man die Bogen der allgemeinen Wimperschnur, welche unter den selbständigen Wimperepauletten und ih- nen parallel laufen, übrigens durch einen deutlichen Zwischenraum davon davon getrennt sind ('). Es bleibt daher Gattungscharakter für die Larven der Echinusarten, dafs sie Wimperepauletten aufser der allgemeinen Wimperschnur erhalten, welche dagegen anderen Seeigellarven fehlen. Zur Zeit der Vergröfserung der Seeigelanlage stehen mehrere Pedi- cellarien auf der Kuppel der Larve; sie sind gestielt und entwickeln sich aus blasenförmigen Auswüchsen auf der Oberfläche des Körpers; eine steht gewöhnlich auf dem jetzt zwischen den Aurikeln versteckten Scheitel der Larve. Die Wimperschnur und die Haut des durchsichtigen Körpers der Larve sind hin und wieder mit rothen Punkten besetzt. Die Larven bewe- gen in diesem Stadium zuweilen die Hauptarme oder Schirmarme gegenein- ander, eine Bewegung, welche ich noch nicht an andern Echinuslarven, wohl aber an einer auf Echinocidaris aequituberculata bezüglichen Larve gesehen habe. Es scheinen daher in dem Körper der Seeigellarven auch Muskelbün- del angelegt zu sein, worauf vielleicht die an der ausgehöhlten Seite des Kör- pers sichtbaren und in der 4ten Abhandlung bezeichneten gebogenen Linien zu deuten sind. (') Hiervon hat sich Krohn neuerlich selbst überzeugt. Archiv für Anat. u. Physiol. 1854. p. 211. | über die Gattungen der Seeigellarven. 9 II. Über eine Larve mit Gitterstäben, Auricularfortsätzen und Wimpeln des Schirms. Ein einzigesmal kam in Messina die in einer Abbildung vorgelegte Seeigellarve mit Gitterstäben der 4 äufserst langen Schirmarme vor. Sie gleicht der reifen Larve des E. brevispinosus durch ihre breiten Auricular- fortsätze an dem Scheitel, welche, wie dort, durch einen Querstab verbun- den sind, der sich an den Enden in einen auf- und einen absteigenden Ast theilt. Die Aurikeln sind gröfser als bei jener. Der Schirm der Larve ist durch 4 grofse symmetrische Lappen oder Wimpel ausgezeichnet, welchen die Wimperschnur folgt. Von diesen Lappen gehören 2 der Markise und zwischen ihnen befindet sich eine mittlere schnabelförmige oder hohlkehlen- förmige Verlängerung der Markise von derselben Form, wie bei der Larve des E. brevispinosus. Die andern Lappen befinden sich zwischen den dorsa- len Seitenarmen und der Verlängerung des Schirms zum Mundgestell. Ei- gentliche Wimperepauletten waren nicht vorhanden. Auf der Rückseite des Mundgestells waren zwei fernere Lappen ent- wickelt, zwischen dem dorsalen Seitenfortsatz und dem ersten Arm des Mundgestells, und auf diese Lappen die Wimperschnur ausgezogen, welche von dem dorsalen Wimpel des Schirms auf den eben erwähnten Lappen und von diesem erst auf den ersten Arm des Mundgestells überging. Diese Bil- dung erinnert auch an den dorsalen Vorsprung an der Larve des Echinus brevispinosus ('). Die Stäbe der 4 Schirmarme sind bis ans Ende gegittert, die Maschen sind gegen das freie Ende der Stäbe länger als am mittlern und entgegengesetzten Theil und gegen das freie Ende hin doppelt so lang als am entgegengesetzten Theil. Die Länge der Schirmarme (1) ist auffällig grofs. Sie sind doppelt so lang als die ganze übrige Larve von den Aurikeln bis zum Ende der Mundgestellarme. In dem einzigen beobachteten Fall waren die 4 symmetrischen Schirmarme sehr divergirend und klafterten bis 2”. Diese Larve hat einige Ähnlichkeit mit der Larve des E. brevispinosus, sie unterscheidet sich davon durch die äufserst langen und viel dünneren (') Man kann diese Vorsprünge als erste Andeutungen des zweiten Paars der dorsalen Seitenarme ansehen, welches bei den Echinocidaris - und Spatangoidlarven auftritt und dort mit Kalkstäben versehen ist. Phys. Kl. 1854. B 10 MÜLLER Schirmarme und die grofse Ausbildung der Schirmlappen oder Wimpel. Es bleibt dermalen zweifelhaft, ob sie eine Varietät derselben oder die Larve eines andern Echinus oder gar einer andern Gattung ist. Die Entscheidung der letzten Frage wird davon abhängen, ob die Larve noch auf ihren 4 Schirmlappen Wimperepauletten erhält, oder ob diese ausbleiben und es bei den Schirmlappen sein Bewenden hat; es wird noch an Cidaris und Diadema zu denken sein, von deren Larvenform man vermuthen kann, dafs sie den Echinocidaris näher stehe als den Echinus. Da die Larve der Echi- nocidaris aequituberculata nach Krohn mit Gitterstäben versehen ist, so scheint es, dafs an sie zunächst gedacht werden müsse; ich glaube jedoch, dafs mit gröfserer Wahrscheinlichkeit die im folgenden Artikel beschriebe- nen Larven zu Echinocidaris gerechnet werden. II. Über eine der Gattung Echinocidaris verwandte Larve. Busch hat den Jugendzustand der Larve von Echinocidaris aequi- tuberculata nach künstlicher Befruchtung dieses Seeigels beschrieben und abgebildet. Sie gleicht in ihrer Gestalt ganz den jungen Echinuslarven und schien nur darin eigenthümlich zu sein, dafs die Kalkstäbe der Markisen- arme dreifach waren. Auch Krohn hat durch künstliche Befruchtung die Larve dieses Seeigels erhalten und bis zur Bildung der 4 ersten Arme er- zogen. Statt aber dreier einfacher Kalkstäbchen in jedem der Markisenarme sah Krohn in denselben einen ganz schön geformten Gitterstab. Die wider- sprechenden Beobachtungen von Busch und Krohn sind ohne Zweifel nicht an verschiedenen Arten von Seeigeln, sondern beide an derselben Art angestellt. Die von dem ersteren mitgebrachten Exemplare der benutzten Art sind in der That Echinocidaris aequituberculata Desm. Die Identität des Objects wird auch durch die Beschaffenheit der Gitterstäbe wahrschein- lich. Diese sind nämlich, wo sie bei Seeigellarven vorkommen, immer drei- kantig und zwischen den drei vorspringenden Leisten vertieft, so dafs in die Mitte zwischen den Leisten die Löcher des Gitterwerks fallen. Bei Messina war eine Larve in allen Stadien der Entwickelung häufig, welche ich als die Larve der Echinoeidaris aequituberculata deute, sowohl wegen des Verhaltens der Kalkstäbe in der Kuppel und wegen der Beschaf- fenheit ihrer Markisenarme, als wegen der Form der Stacheln des Seeigels, über die Gattungen der Seeigellarven. 11 in welchen sie sich verwandelt. Die Hauptkalkstäbe, welche sich in die Mar- kisenarme fortsetzen, breiten sich nämlich in der abgerundeten Kuppel zu einem Bausch von Ästen aus, welche quer denjenigen der andern Seite ent- gegenkommen, so dafs der Anschein entsteht, als ob sie sich von rechts und links verbinden, welches jedoch nicht der Fall ist. Dieses Verhalten erin- nert sogleich an die Abbildung von Busch. Unsere Larve von Messina hat hat ferner die Kalkstäbe in den Markisenarmen so gebildet, dafs darauf so- wohl die Angabe von Busch als die widersprechende von Krohn pafst. Der Kalkstab der Markisenarme ist nämlich dreikantig, mit tiefen Furchen zwischen den drei Leisten. An allen jüngeren Exemplaren waren diese Stäbe einfach dreikantig, ohne Durchbrechung der Mitte, d.h. ohne Gitterwerk;; nur an der Abgangsstelle des dreikantigen Stabs befindet sich darin ein Loch. Bei älteren Exemplaren, deren Markisenarme viel länger geworden, war je- doch das Endtheil dieser Stäbe von feinen Löcherchen durchbrochen, also gegittert. Dagegen enthalten die dorsalen Seitenarme, welche sich wie ge- wöhnlich viel später als die ersten Fortsätze entwickeln, immer einen in gan- zer Länge gegitterten Kalkstab. Da in allen jüngern Exemplaren dieser sehr häufigen Larve die Markisenarme noch ohne Gitter waren, so könnte es zweifelhaft scheinen, ob meine Larven dieselben, wie die von Krohn nach Befruchtung der Echinocidaris aequituberculata erhaltenen Larven seien. Ich halte aber den Übergang dieser Larve in Echinocidaris aequituberculata für wahrscheinlich und werde die Gründe dafür hernach anführen (!). Das Verhalten der Kalkleisten im Körper der Larve ist so wie bei den andern Seeigeln. An der ventralen Seite geht von den Hauptstäben ein Ast, welcher sich mit dem der andern Seite kreuzt. Der Balken des Mundgestells geht wie gewönlich von den Stäben ab, die sich in die Markisenarme fortsetzen. Aus diesem Bogen geht ein Ast zur Rückseite über dem Magen einem glei- chen der andern Seite entgegen. Diese Äste sind in ihrem Verlauf gebo- gen, so dafs die gegeneinander stofsenden Enden zuletzt nach vorn, d.h. (') Nach einer neueren Mittheilung von Krohn, welche sich auf einen wiederholten Befruchtungsversuch gründet, sind die Stäbe der Markisenarme der Echinocidarislarve nicht regelmälsig gegittert. Die Löcher waren in einem Theil der Larven vorhanden, fehlten da- gegen bei einer ebenso grofsen Anzahl anderer Larven völlig. Archiv f. Anat. u. Physiol. 1854. p. 211. Hierdurch wird es bestätigt, dafs die von mir bis zur Vollendung des See- igels beschriebenen Entwickelungsphasen auf Echinocidaris aequituberculata bezüglich sind. B2 12 MüuLLeERr von der Kuppel abgewendet sind, was für diesen Seeigel sehr charakteri. stisch. ist. Noch ehe die dorsalen Seitenarme hervorbrechen, erhält diese Larve auf der Kuppel Auriculararme, welche schnell zu einer aufserordentlichen Länge auswachsen und am Ende gleich den Schirmarmen mit einem dunkel- violetten Fleck versehen sind. Im Innern dieser Arme befindet sich ein ein- facher Kalkstab. Die Kalkstäbe der Auriculararme sind in der Kuppel durch einen queren Balken verbunden, welcher, in der Mitte sich erweiternd, hier durch eine Öffnung durchbrochen ist. Die Lage der Querleiste ist hinter den Enden der in die Kuppel tretenden Kalkstäbe. Der quere Balken theilt sich an den Aurikeln in einen kurzen absteigenden Ast und den Kalkstab des Auricularfortsatzes. Die Richtung der Auriculararme ist dieselbe schiefe, wie an den seitlichen Kuppelarmen der Spatangoidlarven. Diesen Armen entsprechen offenbar die Auriculararme der fraglichen Larve; auch ent- spricht die gemeinschaftliche Querleiste der Auricularkalkstäbe dieser Larve dem Kalkbogen der Spatangoidlarven, von welchem die Kalkstäbe der seit- lichen Kuppelarme ausgehen. Die Wimperschnur, welche vor der Erschei- nung der Auriculararme ganz einfach ihren Bogen an den Seiten des Schirms der Larve bildete, bekleidet jetzt die ganze Länge der Auriculararme auf beiden Seiten. Die Larven sind reichlich mit violetten Flecken besäet. Die dorsalen Seitenarme entwickeln sich bei dieser Larve später als die Auriculararme. Ihre Kalkstäbe sind immer gegittert. An ihrer Wurzel gehen von ihnen drei divergirende einfache Äste in den Körper der Larve, welche nicht mit den andern Kalkstäben verbunden sind. Die Nebenarme des Mundgestells entstehen und verhalten sich wie bei andern Seeigellarven, ihre Kalkstäbe sind wie gewöhnlich bogenförmig auf dem Rücken der Larve verbunden, aus welchem Bogen sich ein mittlerer gerader Ast erhebt. Die Larve hat jetzt 10 Arme; in diesem Zustand ist sie von Gegenbaur ge- sehen und als Seeigellarve mit 8 gewöhnlichen und: 2 überzähligen langen Scheitelarmen erwähnt. Sie erhält aber noch zwei Arme mehr, im reifen Zustande hat sie nämlich 12 Arme. Die 2 zuletzt entstehenden Arme mit Kalkstäben fehlen den Echinuslarven, dagegen sie bei den reifen Spatangoid- larven vorkommen. Sie befinden sich zwischen den dorsalen Seitenarmen und dem Mundgestell. Ihre Kalkstäbe sind Äste aus dem Kalkbogen, wel- über die Gattungen der Seeigellarven. 13 cher die Kalkstäbe der Nebenarme des Mundgestells verbindet, ganz wie bei den Spatangoidlarven., Diesen gleicht die fragliche nn auch darin, dafs sie keine Wimper- epauletten erhält. Von u verschieden sind 4 symmetrisch stehende Zi- pfel, die sich am Rande des Schirms entwickeln, und welche nach der Kup- pel hin aufgeschlagen sind; auf diese Zipfel ist die Wimperschnur mit aus- gezogen. Die beiden ventralen Zipfel befinden sich am ventralen Schirm, zwischen dem mittleren Theil der Markise und den Markisenarmen, die dor- salen zwischen den dorsalen Seitenarmen und dem zweiten Paar der dorsa- len Seitenarme. Durch den Besitz dieser Zipfel und den Mangel des mittleren Kup- pelarmes unterscheidet sich die fragliche Larve von der Larve der Spa- tangoiden ('). Ich habe diese Larve auch im Zustande der Entwickelung des See- igels gesehen, welcher auf der linken Seite des Magens gelagert war. Die Larve war auch schon mit gestielten Pedicellarien versehen. Bei den am weitesten entwickelten Larven ist die Kalkkrone der Hauptstäbe in der Kup- pel verschwunden und diese Stäbe enden jetzt einfach. Dagegen hat sich von ihnen an den Stellen, wo früher die einfachen Äste abgingen und wei- ter hinaus, eine netzförmige Kalkplatte entwickelt, und zwar sowohl nach der ventralen Seite hin als nach dem seitlichen Umfang der Larve. Auch die gegitterten Kalkstäbe der dorsalen Seitenarme, deren Wur- zel früher aus mehreren einfachen divergirenden Ästen bestand, haben jetzt an ihrer bis zur Kuppel verlängerten Wurzel und von ihren Rändern sich in durchlöcherte Kalkplatten ausgebreitet, sowohl nach der dorsalen als late- ralen Seite des TODD Junge Seeigel von #" Gröfse, welche von dieser Larve stammen und deren Abkunft einmal ech an den Resten der dreikantigen Kalkstäbe und des charakteristischen Auricularkalkgerüstes erkennbar war, wurden öfter gefischt. Sie waren rund und stark abgeplattet. Auf der ventralen Seite wa- ren 5 grofse Saugfülse von der Form wie bei Echinus entwickelt, mit ring- förmigen Kalkscheibchen am Ende wie bei den Echinen und Echinocidaris. (') Mit jenen Zipfeln lassen sich jedoch gewisse Falten am Schirm der Larve von Spa- tangus purpureus vergleichen. Siehe Krohn im Archiv f. Anat. u. Physiol. 1854. p- 209. 14 MÜLLER Auf der Rückseite waren dünne nadelförmige Stacheln aus feinen Kalk- netzen, am Rande aber dicke Stacheln mit plattem breiterem abgerunde- tem Ende, deren Kalknetz mit weiten Maschen versehen war. Auch standen auf dem Rücken gestielte Pedicellarien. Die platten Stacheln scheinen den platten ventralen Stacheln mit spatelförmigem Ende bei Echinocidaris aequi- Zuberculata zu entsprechen. Zu Diadema würden wohl die Saugfüfse, aber nicht die spatelförmigen Stacheln, zu Cidaris auch nicht die Form der Saug- füfse, zu Echinus nicht der Mangel der Wimperepauletten und die secun- dären dorsalen Seitenarme, zu Spatangoiden nicht Form und Bau der Sau- ger passen. Die Verwandtschaft der Echinocidaris und Spatangen ist bei den ausgebildeten Seeigeln in dem Verhalten der Saugfüfse zu erkennen, wel- che bei den Echinocidaris auf der Rückseite des Seeigels gefiedert und kiemenartig werden. Es läfst sich erwarten, dafs die den Echinocidaris in dieser Hinsicht nahestehenden Diadema und Cidaris in den Larven dem Ty- pus der Echinocidaris folgen werden. Eine von Kölliker bei Messina gesehene Seeigellarve hat zehn von Gitterstäben gestützte Arme, von denen die zwei überzähligen bedeutend langen und rechtwinklig zu einander gestellten vom Scheitel abgehen und hat ferner seitlich am obern Leibesende zwei handhabenförmige weiche Fort- sätze, über welchen die Wimperschnur hinläuft. Die Scheitelarme würden den Armen der letztbeschriebenen Larve gleichen, mit welcher die Beschaf- fenheit der Kalkstäbe und die Handhaben indefs nicht stimmen wollen; die letztere hat zur Zeit, wo die 4 Schirmlappen ganz entwickelt sind, 12 Arme. IV. Über die Larven der Spatangoiden. Obgleich die Larve eines Spatangoiden im vollkommen ausgebildeten reifsten Zustande schon in den Helgoländischen Beobachtungen von 1846 aufgetreten ist, so hat doch die Deutung dieser Larven lange auf sich warten lassen. Die Larven der Spatangoiden sind in der Regel mit dreikantigen Gitterstäben des Schirms versehen und am meisten durch ihren unpaaren Scheitelfortsatz mit gegittertem Kalkstab ausgezeichnet. In ihrem reiferen Zustande besitzen sie auch Seitenarme der Kuppel, aber zu keiner Zeit Wimperepauletten. über die Gattungen der Seeigellarven. 15 Die Bestimmung der Larven mit Gitterstäben war ohne die Hülfe der künstlichen Befruchtung nicht möglich und konnte ohne diese höchstens zu der Überzeugung führen, dafs es unter diesen Larven mehrere Arten geben müsse. Alle Seeigellarven mit Gitterstäben ohne Wimperepauletten schie- nen wenigstens zu derselben Gattung zu gehören. Als ich daher 1947 im Sunde einen jungen Seeigel mit Zähnen beobachtete, an dem noch Reste von Gitterstäben hafteten und der von einer Larve ohne Wimperepauletten abstammte, so schien es, dafs die Larven mit Gitterstäben und ohne Wim- perepauletten auf die zahnlosen Seeigel der Spatangoiden nicht bezogen wer- den können. In Nizza und Triest waren die Beobachtungen über die Seeigellarven mit Gitterstäben fortgesetzt worden und es sind die Beobachtungen und Ab- bildungen darüber in der IV. Abhandlung Taf. VIII und VI. Abhandlung ‚ Taf. VOI niedergelegt. Diese führten mich wohl zu der Unterscheidung mehrerer unter sich und von der Helgoländischen Art abweichenden For- men mit Gitterstäben; aber es wollte nicht gelingen, die Gattung derselben festzustellen. Der in Helsingör beobachtete junge Seeigel mit Gitterstäben war ein bezahnter gewesen und gleichwohl deutete der Mangel der Wimper- epauletten bei der Larve dieses und bei den andern von mir im reifen Zu- stande beobachteten Seeigellarven mit Gitterstäben auf eine von Echinus ver- schiedene Gattung hin. Erst durch die künstlichen Befruchtungen von Krohn wurde es möglich, verschiedene Gattungen unter den Seeigellarven mit Git- terstäben zu unterscheiden. Durch die Mittheilung desselben aus Messina, Archiv 1853. S. 137, sind Seeigellarven mit Gitterstäben ohne unpaaren Scheitelstab bestimmt worden in Folge der Befruchtung von Echinus brevi- spinosus und Echinocidaris aequituberculata. Nachdem nun abermals durch diesen Forscher vermöge der künstlichen Befruchtung eine der Formen mit Gitterstäben und einem Scheitelstab bei Spatangus purpureus beobachtet ist, Archiv 1853. p. 255, so halte ich es für höchst wahrscheinlich, dafs alle mit Gitterstäben und zugleich mit einem Scheitelstab versehenen Seeigellarven den Spatangoiden angehören. Das wichtigste Merkmal scheint für die Spa- tangoiden aufser dem Mangel der Wimperepauletten in der Gegenwart des unpaaren Arms auf der Kuppel, weniger in der gegitterten Beschaffenheit der Stäbe des Schirms zu bestehen. Es ist mir nämlich in Messina wieder- holt auch eine Form dieser Larven mit unpaarem Scheitelstab vorgekom- 16 MürLter men, bei welcher die Stäbe der Arme des Schirms zwar dreikantig, aber nicht gegittert sind ('). In Messina hatte ich die reichste Gelegenheit, die Beobachtungen über die Spatangoiden wieder aufzunehmen. Die Aufgabe, die ich mir gesetzt habe, war die Deutung ihrer verschiedenen Formen, wie weit sie auf Alters- unterschiede, wie weit auf Gattungsunterschiede der Spatangoiden zu be- ziehen. Die Unterschiede der von mir in Helgoland, Nizza und Triest be- obachteten Formen mit Scheitelstäben und der von Krohn beobachteten Entwickelung des Spatangus purpureus, welche bis zur Erscheinung der dorsalen Seitenarme und der Nebenarme des Mundgestells fortgeführt ist, mufsten hierbei ihre Erklärung finden. Am einfachsten ist die Gestalt der jüngeren Larve vor der Zeit der Entwickelung des Scheitelfortsatzes. Krohn Archiv f. Anat. u. Phys. 1853. Taf. VO. Fig. 1. Sie hat jetzt nur die Markisenarme oder Arme des ventra- len Schirms und den dorsalen Schirm. In der zweiten Abbildung Krohns ist der Scheitelfortsatz mit seinem Stab hervorgetreten und die Arme des Mundgestells angedeutet, die Figur also fünfarmig; in der dritten und vier- ten Abbildung sind die dorsalen Seitenarme und die Nebenarme des Mund- gestells hervorgetreten. Meine Abbildungen von Nizza, Abh. IV. Taf. VII. Fig. 10—13, und von Triest, Abh. VI. Taf. VII. Fig.7—9, enthalten ana- loge Formen, welche darin abweichen, dafs der Scheitelstab und die Gitter- stäbe des Körpers in ganzer Länge gegittert sind, während in Krohns Form der dem Ursprung nähere Theil in einer grofsen Strecke ungegittert ist.. Die Form von Triest ist auch in der dreischenkligen Basis des Scheitelstabs ab- weichend. Bis dahin besitzen diese Formen 9 Arme. Die am weitesten ent- wickelte Form ist dann die bei Helgoland bis zur Metamorphose beobach- tete mit 13 Armen; es sind nun hinzugetreten das zweite Paar der dorsalen Seitenarme und die Seitenarme der Kuppel, deren Stäbe sich aus einer bo- genförmigen Verlängerung des Scheitelstabes entwickelt haben. Erwägt man noch, dafs es eine Form von Spatangoidenlarven giebt, deren Scheitelstab zum Theil gegittert, und deren übrige Kalkstäbe völlig ungegittert sind, so fehlt es nicht an Verschiedenheiten der Formen unter den Spatangoid- (') Die Erörterungen über die in Helsingör beobachteten jungen Seeigel mit Zähnen und Resten von Gitterstäben sind auf den Nachtrag dieser Abhandlung verwiesen. über die Gattungen der Seeigellarven. 17 larven, welche auf die in den Europäischen Meeren vorkommenden Gat- tungen von Spatangoiden: Spatangus, Amphidetus, Brissus, Brissopsis, Schizaster, bezogen werden könnten. Ich habe indefs in der Beobach- tungsreihe von Messina durch Aufzeichnung aller Übergangsstufen die Überzeugung gewonnen, dafs die in Helgoland beobachtete vollendete Form das Ziel ist, welchem alle bis jetzt bekannten Spatangoidlarven mit we- niger als 13 Armen zugeführt werden, d.h. dafs alle Spatangoidlarven zuletzt Seitenarme des Scheitels und das zweite Paar der dorsalen Seiten- arme erhalten, und dafs das mehrste, was bisher von den Unterschieden der Spatangoidlarven beobachtet ist, auf Altersunterschiede zu beziehen ist. Aus der Zeit, wo der unpaare Scheitelarm noch nicht ausgebildet ist, das Hinterende der Larve vielmehr einfach spitz endigt, ist eine von mir ge- zeichnete Larve von +” Gröfse. Der Kalkstab des Markisenarms theilt sich im Körper der Larve wie gewöhnlich in 3 Äste, der eine geht quer hin und begegnet dem gleichnamigen der andern Seite, mit dem er sich bald kreuzet. Der zweite Ast geht bogenförmig nach der Rückseite in den Mundschirm und verlängert sich in den Arm des Mundgestells, der dritte Ast des Mar- kisenstabs setzt sich in die spitze Kuppel fort; diesem Ast analog ist an der Rückseite des Larvenkörpers jederseits eine Kalkleiste, welche sich aus dem Kalkbogen für das Mundgestell erhebt. Es gehen also an der ventralen Seite und in gleicher Weise an der dorsalen Seite zwei, im Ganzen 4 Kalkleisten in die Kuppel, die beiden seit- lichen sind hier durch eine Querleiste verbunden, so dafs auf jeder Seite des Larvenkörpers ein viereckiger Rahmen entsteht; die Längsleisten setzen sich noch etwas weiter fort, indem die entsprechenden beider Seiten bis zur Be- rührung convergiren, die ventralen Leisten dringen bis in die Spitze der Kuppel und legen sich dort an einander; die beiden anderen begegnen sich sogleich. Dieses Stadium ist etwas älter als das von Krohn von Spatangus pur- pureus abgebildete a. a. O. Taf. VII. Fig. 1. Während aber beim Spatangus purpureus die Kalkstäbe der Markisenarme, so weit sie bis jetzt entwickelt sind, noch nichts vom Gitter enthalten und der gegitterte Theil derselben sich erst später anzubilden hat, so sind die Kalkstäbe der Markisenarme in unserm Fall von der Abgangsstelle der Äste bis ans Ende gegittert. Phys. Kl. 1854. C 18 MüLrLıer Wenn der Scheitelfortsatz und sein Kalkstab sich ausgebildet hat, so läuft seine Basis in 3 fast horizontale Schenkel aus, wovon zwei divergirend nach aufsen, der dritte dorsal gerichtet ist. Die ventralen Kalkleisten der viereckigen Kalkrahmen begegnen sich dann vor dem Anfang des Scheitel- stabs, bald mehr, bald weniger hoch. Eine dreischenklige Basis des Scheitelstabs habe ich bei allen von mir in Triest und Messina beobachteten Spatangoidenlarven dieses Sta- diums wahrgenommen und sie mag in dieser Zeit wohl allgemein sein. So bleibt die Basis des Scheitelstabs aber nicht, vielmehr sind die beiden seitlichen Schenkel der Basis bestimmt sich in die Bogen zu verlängern, welche in den Helgoländischen Larven ausgebildet sind und von welchen erst wieder die Kalkstäbe der Seitenarme der Kuppel ausgehen sollen. Da die beiden Schenkel der Basis des Scheitelstabs divergiren, die Schenkel des Kalkbogens aber in einer gemeinschaftlichen Ebene liegen, so ist die Verlän- gerung in dieser Richtung erst dadurch möglich, dafs sich an den Enden der frühern Schenkel der Basis des Scheitelstabs ein Winkel oder Knie ausbil- det. Dafs aber die genannten Schenkel sich in die spätern Bogen verlän- gern, davon habe ich mich durch alle Übergangsstufen überzeugt. Wenn die Bogen sich ausgebildet haben, ist der dorsale der drei früheren Schen- kel der Basis unverändert geblieben, zuweilen findet sich diesem gegenüber jetzt noch ein ihm entgegengesetzter ventraler Dorn an der Basis des Scheitelstabs. Zur Zeit, wo sich der Bogen der Basis des Scheitelstabs über der Kuppel entwickelt, geht der frühere Rahmen von Kalkleisten in der Kuppel durch Resorption ganz verloren. Die quere Verbindung der ventralen und dorsalen Leiste in der Kuppel, wovon die erstere die Fortsetzung des Mar- kisenarmes, die letztere ein Ast des Kalkbogens für den ersten Arm des Mundgestells war, ist nicht mehr vorhanden, die Längsleisten sind nicht blofs verkürzt, sondern die dorsale Längsleiste verschwindet ganz, während der Stumpf der ventralen bleibt. Dieser entsprechend ist aber an der Rück- seite des Körpers und der Kuppel der Larve jederseits eine ähnliche Längs- leiste entstanden, welche die Verlängerung des Gitterstabs des später ent- standenen dorsalen Seitenarms ist, von welchem zugleich unter einem rech- ten Winkel ein querer Ast an der Rückseite des Körpers hingeht. Früher war der Körper durch 4 Längsleisten und ihre Verbindung in über die Gattungen der Seeigellarven. 19 der Kuppel gestützt, welche die Verlängerung der Gitterstäbe der Markisen- arme und der einfachen Stäbe des Mundgestells waren, jetzt ist der Körper gestützt durch die Verlängerung der gitterigen Markisenstäbe und die Ver- längerung der gitterigen Stäbe der dorsalen Seitenarme. Indem die früher völlig fehlenden dorsalen Seitenarme ihre Kalkleisten nach der Kuppel ver- längern und diese Arme selbst den Markisenarmen in Länge gleich gewor- den sind, so istnun erst die Symmetrie der 4 Arme des Schirms und ihrer Gitterstäbe hergestellt. Auch gleicht sich der Körper an der Ventral- und Dorsalseite durch die Querleisten, welche von den Kalkstäben der 4 Arme ausgehen, und wel- che an der ventralen und dorsalen Körperwand hingehend denen der andern Seite begegnen. Die Querleisten an der ventralen Wand sind noch vor dem Darm, nicht wie die Querleisten dieser Stäbe bei den Echinen, welche un- ter dem Darm hingehen. Ich habe indefs in einzelnen Fällen einen tiefen queren und einen oberflächlichen queren nach der Haut gerichteten Ast der Stäbe der Markisenarme wahrgenommen und Krohn hat bei der Larve des Spantangus purpureus auch 2 Querleisten abgebildet, wovon die eine sich nach der Aftergegend erstreckt. Die Entwickelung der Nebenarme des Mundgestells mit ihrem Kalkbogen hat nichts eignes und verhält sich wie bei allen Seeigellarven; sehr spät entwickelt !sich das zweite Paar der dorsalen Seitenarme mit einfachen Kalkstäben, welche Äste des mittlern Kalkbogens des Mundgestells, d. h. des Kalkbogens der beiden Nebenarme des Mund- gestells sind. Das successive Hervorwachsen der Seitenarme der Kuppel und ihrer Kalkstäbe aus dem Kalkbogen des Scheitelstabs habe ich in vielen Fällen gesehen. Wichtig war mir die neu gewonnene Belehrung, dafs die Seiten- arme der Kuppel wie bei Echinocidaris Auriculararme sind, was ich bei den fraglichen Larven von Helgoland nicht bemerkt hatte, an denen überhaupt . in diesem Stadium der Lauf der Wimperschnur so wenig deutlich war, dafs ich sie bei diesen Larven in der Zeichnung gar nicht anzugeben im Stande war. Es hat daher in der sechsten Abhandlung in der Erklärung der sche- matischen Abbildung Taf. II. Fig. III. 5 ein Irrthum stattgefunden, dafs die Seitenarme des Scheitels dieser Larve in gleicher Bedeutung wie der Mittel- arm des Scheitels genommen vom Lauf der Wimperschnur ausgeschlossen angesehen sind. Nachdem die Aurikeln des E. brevispinosus bekannt gewor- C2 20 MÜLLER den, war es mir sogleich gewifs, dafs die Deutung der fraglichen Arme bei den Larven mit Scheitelstäben einer Revision bedürfe, ob sie nämlich gleich- bedeutend mit dem unpaaren Scheitelstab sind oder sich bei dem Lauf der Wimperschnur betheiligen. Ich habe mich in Messina an geeigneten Exem- plaren von Spatangoidlarven überzeugen können, dafs die Wimperschnur auf die sich entwickelnden Seitenarme des Scheitels mit ausgezogen wird. An allen in Messina beobachteten Spatangoidenlarven dieses Stadiums habe ich ferner ein eigenthümliches Verhalten der Kalkstäbe in den Auricu- lararmen beobachtet, welches mir bis dahin unbekannt war. Diese Stäbe, Äste des Kalkbogens des Scheitelstabes sind nämlich zwar einfach ohne Git- ter und im gröfsten Theil ihrer Länge von cylindrischer Gestalt, ihr Anfang dicht am Ursprung aus dem Kalkbogen ist dagegen auf eine kurze Strecke spindelförmig erweitert und an dieser Stelle meist dreikantig. Die Kanten sind hohe dünne Leisten mit tiefen Furchen dazwischen. Der Scheitelarm, die Markisenarme und die dorsalen Seitenarme ent- halten bei allen Spatangoidlarven dreikantige Kalkstäbe mit hohen Kanten und tiefen einspringenden Winkeln, und immer ist der Anfang dieser Kanten nicht ganz gerade, sondern beschreibt vom Ursprung an eine leichte allmälige Wendung, z. B. entspringt am Scheitelstab eine der Kanten ventral seitlich über dem rechten Schenkel der Basis und steigt von da schief über die ven- trale Fläche des Scheitelstabs nach der linken Seite. Dieselbe Wendung be- merkt man am Ursprung der Kanten der Kalkstäbe der Schirmarme. Noch sind in den reiferen Larven die Ausbreitungen der Kalkbildung zu erwähnen, welche von den Kalkstäben ausgehen, so ein Kalknetz, welches sich von dem mittlern Kalkbogen des Mundgestells und seiner Mittelleiste aus entwickelt, ferner durchlöcherte Platten, welche sich aus den ventralen und dorsalen Leibesstäben nach der Seite des Körpers hin entwickeln. Zuletzt entsteht die Frage, ob man neben der Larve des Spatangus purpureus noch mehrere andere Arten oder Gattungen von Spatangoidlarven unterscheiden könne. Nachdem ich die Gewifsheit erlangt habe, dafs die dreischenkliche Basis des Scheitelstabs sich in den Bogen für die spätern Auriculararme entwickelt, so ist diese Unterscheidung sehr unsicher gewor- den und es bleiben als verlässigere Anhaltpunkte nur die Unterschiede in den Kalkstäben selbst übrig. Bei den von Krohn beobachteten Larven des Spatangus purpureus war der Anfang aller Gitterstäbe auf eine gute Strecke über die Gattungen der Seeigellarven. pA | von Gitter frei, die in seiner 3. Figur gegen“ der Länge der Stäbe beträgt, der übrige Theil der Länge der betreffenden Stäbe ist gegittert, und dies war, wie auch aus den Abbildungen der verschiedenen Alterszustände zu ersehen, ohne Zweifel Regel bei der ganzen Brut, welche Krohn aus einer künstlichen Befruchtung erzogen hatte. Wenn dieser Fall allgemeine Regel für Spatangus purpureus wäre, so würde ich weder in Messina noch an irgend einem andern Ort eine Larve dieses Spatangoiden beobachtet haben '); denn in den von mir beobachteten Spatangoidlarven waren die betreffenden Gitterstäbe ent- weder in ganzer Länge gegittert, oder doch nur ein äufserst kleiner Theil der Wurzel von der Gitterbildung ausgeschlossen. Dagegen habe ich unter vielen Spatangoidlarven von Messina vier gesehen, deren 4 lange Schirmarme zwar wie gewöhnlich dreikantige Stäbe aber ohne alles Gitterwerk ein- schlossen; denn dafs der Kalkstab bei seiner Theilung im Körper zwei Lö- cherchen enthielt, kann wohl nicht in Betracht kommen. Der Scheitelstab dieser Larven war im untersten Viertel ungegittert, im übrigen gegittert. Eine dieser Larven hat noch den frühern Kalkrahmen der Kuppel. Sie zeichnet sich durch die ungewöhnliche Stärke dieses Kalkgestells in der Kuppel aus, auf welchem die 3 Schenkel des Scheitelstabs ruhen. Dieselbige Larve mit ungegitterten dreikantigen Schirmstäben sah ich auch mit entwickelten Auricularfortsätzen und mit der ersten Anlage des Seeigels. Die Verwandlung beginnt, wenn die Larve alle 13 Fortsätze er- halten und die Auriculararme, deren Kalkstäbe wie bei der Spatangoidlarve mit gegitterten Kalkstäben der Schirmarme am Anfang erweitert sind, eben angefangen haben, hervorzutreten, mit der ersten Anlage des Seeigels als Umbo auf der linken Seite bei Magen und Schlund; die davon ausgehende Röhre öffnet sich auf dem Rücken, links zwischen Magen und Schlund mit einem deutlichen Porus. Der Scheitel der Larve wird hierbei nach hinten gerichtet gedacht. Die Länge der Auriculararme und ihrer Kalkstäbe nimmt mit der Aus- bildung der Larven zu; sie werden an den vorher beschriebenen Spatangoid- larven von Messina mit gegitterten Kalkstäben der 4 Schirmarme und des (') So ist es in der That. Siehe über die spätere Ausbildung der Larve des Spatan- gus purpureus Krohn im Archiv 1854 p. 208. Aufser andern Merkmalen sind die Auricu- larfortsätze dieser Larve darin ausgezeichnet, dals sie äulserst kurz, breit und abgerundet sind und keine Kalkstäbe enthalten. 92 MÜLLER Scheitelfortsatzes zuletzt sehr lang und zuweilen selbst länger als die andern Arme(!). Zuweilen ist der unpaare Scheitelfortsatz bei diesen Larven von aufserordentlicher Länge, so dafs er in einzelnen Fällen die Länge der ganzen übrigen Larve um das Doppelte übertrifft. Seine Länge ist übrigens grofsen Variationen unterworfen. Die Divergenz der Auriculararme variirt innerhalb einer gewissen Breite, in einzelnen seltneren Fällen sind sie beinahe horinzontal gestellt; auch der Kalkbogen an der Basis des Scheitelstabs für die Aurikeln variirt und giebt es Fälle, wo seine beiden Hälften statt gebogen zu sein, vielmehr einen Win- kel mit einander bilden. Die in der ersten Abhandlung beschriebenen Spatangoidlarven gehö- ren ohne Zweifel dem um Helgoland gemeinen Amphidetus cordalus Ag. an. Die bei Triest beobachtete Art dieser Larven ist dagegen wahrschein- lich auf den dort gemeinen Schizaster canaliferus Ag. zu beziehen. Nachtrag vom J. 185% zu den Seeigellarven der Nordsee und des Sundes. Im J. 1847 beobachtete ich in Helsingör einen äufserst jungen See- igel, der noch mit den Gitterstäben der Larve versehen war und bereits die Anlagen der 5 Schmelzzähne hatte. Erste Abhandlung. Taf. VII. Fig. 9. Dämals kannte man schon eine Seeigellarve mit Gitterstäben, nämlich die in Helgoland beobachtete, welche sich von verschiedenen andern Helgoländi- schen Seeigellarven dadurch auszeichnete, dafs sie niemals Wimperepauletten erhält und im reifen Zustande statt 8 vielmehr 13 Fortsätze, unter diesen aber einen unpaaren Scheitelfortsatz besitzt. Von dieser Larve stammte der (!) Bei einer von Professor Leuckart bei Nizza beobachteten Spatangoidlarve, wo- von ich durch ihn eine Skizze erhalten, sind die Auriculararme sogar doppelt so lang als die längsten andern Schirmarme. Diese hat auch 13 Arme, die 4 Schirmarme ent- halten gegitterte Kalkstäbe, der unpaare Scheitelarm ist von Gitter frei, doch war das Ende abgebrochen. über die Gattungen der Seeigellarven. 23 in Helsingör beobachtete junge Seeigel mit Zähnen nicht ab, sondern von einer Larve mit nur 8 Fortsätzen ohne Scheitelstab und ohne Wimperepau- letten. Diese Larve glich der vorhin erwähnten nur in dem Mangel der Wimperepauletten und in dem Besitz der gegitterten Stäbe des Schirms; ich stellte sie wegen des Mangels der Wimperepauletten und des Mangels des Scheitelfortsatzes und wegen des Besitzes von nur 8 Fortsätzen, so wie wegen der Übereinstimmung in der Gestalt mit einer in Helgoland selten be- obachteten Larve zusammen, die keine Gitterstäbe, sondern einfache Stäbe des Schirms hatte. Leider hatte ich, mich mit der Beziehung auf die Abbil- dungen der Helgoländischen Larven beruhigend, unterlassen die Larven von Helsingör zu zeichnen. Auf die Unterschiede der Larven in dem Besitz oder Mangel der Wimperepauletten mufste ich gleich anfangs den gröfsten Werth legen, und in der That stehen diese Unterschiede, wie wir jetzt sicher wis- sen, in erster Linie, weil sie sich nicht blofs auf die Unterscheidung der Ar- ten, sondern der Gattungen der Seeigellarven beziehen. Diese von mir in Helgoland und Helsingör beobachteten Seeigellarven mit und ohne Scheitelstab stimmten also darin überein, dafs sie keine Wim- perepauletten besafsen. Nachdem sich ergeben, dafs die Echinuslarven gerade mit diesen Wimperepauletten versehen sind, so schienen mir die Ar- ten von Seeigellarven mit Gitterstäben, welche ich in der sechsten Abhand- lung unterschied, einer eigenen von Echinus verschiedenen Gattung anzu- gehören. Als Krohn durch Befruchtung des Echinus brevispinosus eine Larve mit Gitterstäben ohne unpaaren Scheitelfortsatz erhalten hatte, war es gewils, dafs es auch Echinus mit Gitterstäben geben könne. Dies schien einiges Licht auf den räthselhaften Seeigel von Helsingör zu werfen, in welchem Zähne mit Gitterstäben zusammentreffen. Die Vermuthung Krohn’s, dieser könne von einem Echinus herstammen, dessen Larve gleich der des Echinus brevispinosus mit Gitterstäben versehen sei, war unter diesen Umständen so wahrscheinlich , dafs ich mich selbst von dieser Auflösung der Verwickelung angezogen fühlte. Aber zu dieser Erklärung pafste nicht, dafs jene Seeigel wie ich ausdrücklich bemerkt hatte, aus Larven ohne Wimperepauletten ver- folgt waren. Erste Abhandlung p. 295 (23). Dafs der muthmafsliche Echinus sich ohne Wimperepauletten entwickele, wäre mit allem, was über die Larven der Echinus festgestellt ist, unvereinbar. Es ist daher mit der Deutung des See- 24 MÜLLER igels von Helsingör auf einen Echinus stillschweigend entweder diese Annahme oder die Voraussetzung verbunden, dafs ich mich in der Ableitung.dieses Seeigels von einer Larve ohne Wimperepauletten geirrt haben könne. Es lag noch die Möglichkeit vor, dafs vielleicht die jungen Spatangen mit vergänglichen Zahnrudimenten versehen seien. Obgleich dıes nichts weniger als wahr- scheinlich ist, so schien es mir doch nöthig hierauf zu achten und ich em- pfahl dies der ferneren Beobachtung in dem Auszuge dieser Abhandlung, der im Archiv für Anatom. Physiolog. 1853 mitgetheilt ist. Seitdem ist es schon direct an den jüngsten Spatangen von Krohn beobachtet, dafs sie keine Rudimente von Zähnen besitzen. Archiv f. Anat. Physiol. 1854. p- 211. Die Lage dieses Gegenstandes war anziehend genug, die nordischen Seeigel abermals in Angriff zu nehmen. Bei meinem letzten Aufenthalt in Helgoland im September 1854 erhielt ich Gelegenheit, die Untersuchung über den räthselhaften Seeigel von Helsingör wieder aufzunehmen und zur Entscheidung zu bringen. Sie ist dahin ausgefallen, dafs die Charaktere dieses Seeigels und seiner Larve weder mit denen der Spatangen noch mit denen der Echinus zusammenfallen. In diesem Jahre kamen die Helgoländischen Spatangoidlarven mit Scheitelfortsätzen gar nicht vor. Die beiden Echinuslarven mit Wim- perepauletten , diejenige mit stumpfem und diejenige mit conischem Scheitel erschienen einigemale wieder(!). Die auf Taf. IV. Fig. 1. 2 der ersten Abhandlung abgebildete Seeigellarve ohne Wimperepauletten mit 8 Fortsätzen und charakteristischer Vertheilung der Kalkleisten in der Kuppel wurde nicht wiedergeschen. Dagegen erschien eine andere Larve ohne Wimperepauletten mit 8 Fortsätzen häufig, welche zwar eine ganz ähnliche Vertheilung der Kalkbalken in der Kuppel hatte, deren Kalkstäbe der Markisenarme und der dorsalen Seitenarme aber nicht einfach, sondern immer gegittert waren. Diese Larve war schon in Helsingör oft vorgekom- men, sie ist es, von der ich den Seeigel von Helsingör ableitete. Sie ist der vorhin erwähnten auf Taf. IV. Fig. 1. 2 der ersten Abhandlung abgebilde- (!) Die Helgoländische Echinuslarve mit conischem Scheitel erhält sehr frühe schon ihre Wimperepauletten. Ein Exemplar, bei dem die dorsalen Seitenarme noch nicht ent- standen, hatte bereits die Wimperepauletten. An dieser Larve wurden die queren Kalk- leisten unter dem Darm, wie sie bei Echinus lividus, pulchellus, breeispinosus u. a. VOr- kommen, vermilst. über die Gattungen der Seeigellarven. 95 ten Larve so ähnlich wie Varietäten einer und derselben Art. Ich hatte und habe noch keine Mittel ihre Abweichung in der Beschaffenheit der Schirm- stäbe (einfach oder gegittert) zu erklären. Es können verschiedene Arten, es können auch Varietäten derselben Art sein. Vielleicht auch, sage ich mir, war die wahre Beschaffenheit der Stäbe bei der Beobachtung von Helgoland vom Jahre 1846 übersehen, diese Annahme ist jedoch schon deswegen etwas bedenklich, weil ich 3 ausgeführte Zeichnungen in verschiedenen in: sichten von jenem Exemplar besitze ; es wäre auch, falls es sich um dieselbe Species handeln sollte, nicht nöthig, einen Irrthum anzunehmen, da es Bei- spiele ähnlicher Varietäten giebt, wie z. B. bei Echinus brevispinosus und beim Pluteus paradoxus. Im Mittelmeer bei Nizza lebt eine ganz ähnliche Larve ohne Wimper- epauletten mit 8 Fortsätzen, von denen diejenigen des Schirms mit gegitterten Kalkstäben versehen sind. Taf. VIII. Fig. 9 der vierten Abhandlung. Die Vertheilung der Kalkleisten in der Kuppel ist ganz ähnlich wie bei der nor- dischen Larve, die uns jetzt beschäftigt. Übrigens ist die‘ ähnliche Verthei- lung der Kalkleisten in der Kuppel dieser Larven jenen Formen nicht al- lein eigen, sie wiederholt sich vielmehr mit geringen Modificationen in den jüngern Larven des Echinus brevispinosus und in den jüngern Spatangoidlar- ven. In den Larven, um die es sich jetzt handelt, bleibt aber dieses Balken- werk der Kuppel bis zur Ausbildung des Seeigels unverändert, während es beim Echinus brevispinosus und bei den Spatangoidlarven später bis auf seine Stützen zu Grunde geht, zur Zeit, wo der Scheitel dieser Larven sich zu seiner spätern Form und ihren neuen Kalkgebilden entwickelt. Die Larve mit $ Armen ohne Wimperepauletten, mit Gitterstäben der Schirmarme ist in Helgoland diesmal in allen Stufen ihrer Entwickelung bis zum ausgebildeten Seeigel beobachtet; und dieses ist der Seeigel, bei welchem sowohl in Helsingör als diesmal in Helgoland die Zähne beob- achtet worden sind. Diese Seeigel zeichnen sich dadurch aus, dafs sie, obgleich mit Zäh- nen versehen, doch Tentakeln, d.h. Füfschen mit blasigen Enden ohne Kalk- ring besitzen, die Larve aber zeichnet sich dadurch aus, dafs sie wie die Echinuslarven 8 Fortsätze und keinen Scheitelfortsatz erhält; sie weicht dagegen von den Echinus ab, dafs sie niemals Wimperepauletten besitzt, worin sie den Echinocidaris und den Spatangoiden gleicht, von diesen weicht Phys. Kl.1854. D 26 Mürrer sie wieder ab durch ihre 8 Fortsätze und dafs ihr das zweite Paar der dor- salen Seitenfortsätze, auch die Aurikeln oder Auricularfortsätze abgehen. Aus allem diesem kann man schliefsen, dafs diese Larve und ihre Fortsetzung der Seeigel von den Eigenschaften der Echinus sowohl als Echinocidaris und den Spatangoiden sich gleich stark entfernt. Die Form der Tentakelenden an den bei Helgoland gefischten mit Zähnen und Resten von Gitterstäben versehenen. jungen Seeigeln von 4-” Gröfse sowohl, wie an den bis zum See- igel ausgebildeten Larven, dessen Tentakeln bereits spielten, erfordert noch eine bestimmtere Bezeichnung. An dem an der Larve ausgebildeten jungen Seeigel haben schon die blasig angeschwollenen Enden vorn eine kleine spitze Hervorragung, an dem jungen Seeigel hat sich der Tentakel so weit ausgebildet, dafs das blasige Endstück oft länglich ausgezogen und der Gipfel quer abgeschnitten ist, so dafs eine Art Hals am Ende des blasigen Theils hervorragt, über das quer abgeschnittene Ende der Blase erhebt sich wieder in der Mitte ein ganz kleines spitzes Wärzchen, entsprechend dem Ende des Wassergefässes. Taf. VII. Fig. 10. Kalkige Theilchen sind gar nicht vorhanden. Der quer abgeschnittene Gipfel ist der brei- ten Saugscheibe der Füfschen der Echinus zu vergleichen, das Wärz- chen in der Mitte des Endes gleicht aber dem Wärzchen in der Mitte der Saugscheibe der Echinen. Solche Füfschen habe ich weder bei Echinen noch Spatangoiden gesehen. Die Saugfüfse der Cidaris sind auch abwei- chend ; zwar sind die dorsalen Füfschen der Cidaris ohne Saugscheibe und ohne Kalkring, aber die Füfschen der allein hier in Betracht kommenden Ven- tralseite der Cidaris sind mit Saugnapf und Kalkskelet versehen. Übrigens bleiben die Cidaris schon wegen ihrer ganz abweichenden hohl-kehlenförmi- gen Zähne aufser Betracht. Ich erinnere mich aus der Beobachtung des le- benden Echinocyamus tarentinus (= Echinocyamus pusillus) in Messina, dafs die Echinocyamus gerade mit solchen des Kalkrings ermangelnden Füfs- chen, wie sie vorher beschrieben worden, versehen sind. An Weingeist- exemplaren dieses Seeigels finde ich den Knopf am Ende der Füfschen brei- ter als lang von der Form eines Ellipsoids, die Mitte von dem spitzen Ende des Wassergefässes überragt und ich vermisse wieder gänzlich den Kalkring der Echinen. Taf. VIH. Fig. 12. Bedenkt man ferner, dafs unsere reife Larve und der dazu gehörende junge Seeigel immer grün sind, so könnten sie wohl auf Echinocyamus pusillus bezogen werden, welcher in der Nordsee weit ver- über die Gattungen der Seeigellarven. 97 breitet ist. Zwar habe ich diesen Seeigel nicht selbst bei Helgoland gefischt, es ergiebt sich aber aus den Nachrichten der Fischer, dafs er in der Nähe der Insel vorkommen mufs, auch hat man den gemeinten kleinen platten länglichen Seeigel dort öfter im Magen der Schellfische gefunden. Dafs Echinocyamus pusillus im Sunde vorkömmt, weils ich aus den Nachrichten, die ich zur Zeit meines Aufenthalts am Sunde in Copenhagen erhalten. Auch führen v. Düben und Koren diesen Seeigel von Kullen an. Kongl. Vet. Acad. Handl. f. 1844. p.279. Der gesuchte Seeigel mufs jedenfalls bei Helgoland und Helsingör häufig sein. Echinus neglectus scheint nach den zuletzt an- geführten Beobachtern der einzige Echinus zu sein, der bis in den Sund hin- untergeht, dieser wird bei Helgoland nicht gesehen. Der bei Helgoland häu- fige Echinus sphaera soll bei Kullen aufhören und nicht im Sunde vor- kommen. Was die Zähne unseres Seeigels betrifft, so schienen sie bei früherer Vergleichung mit den hohen und stark zusammengedrückten Zähnen der See- igel aus der Familie der Clypeastriden nicht zu stimmen. Die Zähne des Echinocyamus pusillus laufen nach Forbes Beschreibung in comprimirte Spitzen aus, welche an den Rändern abgerundet und gerinnt sind. Ich finde die Zähne der Echinocyamus und Fibularia viel weniger hoch als die der Clypeaster, Mellita, Arachnoides, Echinarachnius, doch sind die Zähne des Echinocyamus pusillus immer noch eomprimirt und gegen 1.—15mal so hoch als breit, sie sind übrigens dreikantig, an den Seiten etwas ausgehöhlt oder gerinnt; von den Zähnen der Echinus, welche ohngefähr so hoch als breit sind, unterscheiden sie sich hauptsächlich durch ihre gröfsere Schmal- heit oder gröfsere Höhe. Mit dem auf Taf. VII. Fig. 9° und Fig. 10° der der ersten Abhandlung abgebildeten Zahnrudiment verglichen, würden die Zähne eines Echinus oder vielmehr dessen Zahnspitze sehr gut stimmen, die Zähne von Echinocyamus sind beim erwachsenen merklich höher, indessen werden die Zähne von Echinocyamus nicht ausgeschlossen. Wir müssen nämlich bedenken, dafs wir in den abgebildeten jungen Zähnen nur die Zahnspitzen, nicht den zu seiner vollkommenen Höhe ausgebildeten Zahn vor uns haben und dafs die Höhe des Kiels an der Spitze von vorn nach hinten zunimmt, beim Wachsthum wird sich dieser Kiel daher leicht bis zu derjenigen Stärke erhöhen, welche der Zahn des Echinocyamus pusillus besitzt. D2 28 MüLLERr Wenn die fraglichen Larven und Seeigel dem Echinocyamus pusillus also einem Clypeastriden angehören, so würde es sich erklären, warum ihre Charaktere so gänzlich von den Eigenschaften der Echinus und Spatangus abweichen oder vielmehr eine Fusion eines Theils der einen und andern sind. Übrigens ist der junge Seeigel dem Echinocyamus dermalen in der Gestalt wenig ähnlich, denn er ist nicht länglich platt, sondern rund und der von Stacheln freie Theil sogar stark erhaben. Die Stacheln würden ganz gut passen. Taf. VIH. Fig. 9. An dieser Stelle bleibt es zu erwägen, dafs alle solche Deutungen ohne die Controlle der künstlichen Befruchtung immer nicht völlig sicher sind und auch durch manche bei einzelnen Larven vorkommende Ab- weichungen gefährdet werden. Dahin gehört z. B. dafs es Ophiuren und Holothurien mit und ohne Metamorphose giebt, dafs Aurikeln beim Echinus brevispinosus erscheinen, dafs derselbe auch eine Andeutung des zweiten Paars der dorsalen Seitenarme der Echinoeidaris und Spatangen freilich ohne Kalkstäbe besitzt, dafs die Aurikeln der Larve des Spatangus purpureus nach Krohn keine Kalkstäbe enthalten, indem der Kalkbogen am Scheitel der Larve sich nicht bis in die Aurikeln fortsetzt. Mangel, Vorkommen und Ausbildung der Aurikeln beruhen indefs nur auf Variationen eines Theils, den alle Larven besitzen, während der Besitz oder Mangel der Wimper- epauletten etwas ganz Positives ist, welches auf die Entwickelung der Wim- perschnüre nicht redueirt werden kann. Der Mangel der Wimperepauletten bei den Larven von Echinocidaris kann hier nicht wohl in Betracht kommen, da die Gattungen Echinus und Echinocidaris in wichtigen Beziehungen gänzlich abweichen. Dann ist aber die Beschaffenheit der Sauger an unserm jungen Seeigel etwas, das sich mit einem Echinus nicht wohl verträgt. Lassen wir nun die Beschreibung der Larve in ihren verschiedenen Entwickelungszuständen folgen. Im jüngeren Zustande (2, Fortsätze, diejenigen der Markise und die ersten Fortsätze des Mundgestells, die Fortsätze der Markise enthalten einen gegitterten, die Fortsätze des ) hat unsere Larve wie gewöhnlich nur 4 Mundgestells einen einfachen Kalkstab, welcher mit dem erstern durch einen Bogen zusammenhängt, da wo das Gitter aufhört. Von da geht ein Ast lon- gitudinal im Körper der Larve gegen die Kuppel hin, ein zweiter longitudi- naler Ast geht von dem Kalkbogen des Mundgestells gleichfalls im Körper über die Gattungen der Seeigellarven. 29 der Larve fort zur Kuppel, beide hängen im obersten Theil der Kuppel durch eine quere Leiste zusammen, so dafs auf jeder Seite des Larvenkörpers ein Kalkrahmen entsteht, der auf den Stützen der Markise und des Mundgestells ruht, wie bei der jüngeren Spatangoidlarve und bei der jüngeren Larve des Echinus brevispinosus. Aus den obern Ecken des Rahmens in der Kuppel setzt sich wieder, wie bei diesen Larven, ein Ast fort, einer nach der ventra- len Seite, der andere nach der dorsalen Seite der Kuppel. Die entsprechen- den Zweige beider Seiten begegnen sich sowohl an dem ventralen als an dem dorsalen Theil der Kuppel, ohne sich zu verbinden. Es entsteht dadurch an unserer Larve eine ventrale und dorsale mittlere Ecke der Kuppel. Aus dieser Beschreibung ergiebt sich, dafs der oberste Theil der Kuppel einen Kranz von Kalkbalken enthält, der aus 2 symmetrischen Hälften besteht und mit zugleich zu den seitlichen Kalkrahmen des Körpers der Larve gehört. Dadurch dafs die entgegenstrebenden Aste von rechts und links nicht ver- bunden sind, ist eine Erweiterung der Kuppel unter Verlängerung dieser Äste möglich. Unter dem Darm gehen die gewöhnlichen queren Kalkleisten hin, vom obern Ende der Gitterstäbe entspringend. Bis dahin gleicht das Kalkgerüste der Kuppel einigermafsen dem der jüngern Spatangoidlarve. Bei dieser geht der Kalkbogen zum Mundgestell mehr quer ab und ist daher die untere Seite des seitlichen Kalkrahmens des Larvenkörpers der oberen mehr parallel, somit dieser Rahmen regelmäfsiger viereckig. Bei unserer Larve dagegen ist der Anfang jenes Bogens gegen die Fortsetzung des Markisen- stabs in den Körper der Larve geneigt. Am meisten ähnlich sind unsere Larven jetzt der in der sechsten Abhandlung Taf. VII. Fig. 3—6. abgebil- deten Triestiner Larve, welche Krohn auf Echinus brevispinosus bezo- gen hat. Wenn die dorsalen Seitenarme entstehen, nimmt auch der Körper der Larve an Umfang zu, die dorsalen Seitenarme sind gegittert. Die Maschen ihres Gitters sind kürzer als an dem Gitter der Markisenarme, die letztern haben am Anfang der Stäbe sehr grofse lange Maschen, entfernter vom Ur- sprung sind diese Maschen nur halb so lang als am Anfang. Die Gitterstäbe sind wie gewöhnlich bei Seeigellarven dreikantig, es fehlt ihnen die leichte Drehung der Kanten, die man am Anfang der Gitterstäbe bei Echinocidaris und verschiedenen Spatangoiden bemerkt. Zu dieser Zeit hat der longitudinale Balken zur Kuppel aus den Mar- 30 MÜürLter kisenarmen einen neuen Zweig aus seiner halben Länge entwickelt, dieser begiebt sich quer zur ventralen Seite des Larvenkörpers demjenigen der an- der andern Seite entgegen, ohne sich mit ihm zu verbinden, dieser Ast liegt oberflächlich noch über dem Darm, ähnlich wie bei Spatangen. Bei man- chen Exemplaren entsteht durch die starke Ausbildung der letztgenannten Kalkleisten eine buckelförmige Hervorragung der Körperwand auf der Ven- tralseite des Larvenkörpers über der Markise und über dem After. In allen ist der Körper von rechts nach links zusammengedrückt, dagegen breit von der Dorsalseite zur Ventralseite. Die dorsalen Gitterstäbe theilen sich am Ursprung in zwei Wurzeln, die eine derselben ist kurz, liegt in der Nähe des Kalkbogens für das Mund- gestel und breitet sich später in eine durchlöcherte Platte aus, die andere ist viel länger und theilt sich am Rücken des Larvenkörpers wieder in zwei Äste, wovon der eine nach dem Gipfel der Kuppel aufsteigt, der andere dem entsprechenden der andern Seite gekreuzt entgegengeht. Eine Ver- wachsung der Wurzel der dorsalen Gitterstäbe mit dem Kalkbogen für das Mundgestell tritt in der Regel nicht ein, doch habe ich unter mehreren einen Fall beobachtet, den ich mir nicht anders als durch eine Verbindung erklären konnte, welche übrigens schon einmal bei der ähnlichen Larve mit einfachen Schirmstäben gesehen ist. Die Entwickelung der Nebenarme und ihrer Kalkstäbe erfolgt wie gewöhnlich aus einem besondern gemeinsamen Kalkbogen der Rückseite, dessen Mitte wieder wie immer einen medianen Ast in die Rückenwand ausschickt. om g= m schon an der Seite innerhalb des Larvenkörpers mit den Anfängen der Reife Larven haben Zu dieser Zeit findet man den Seeigel Tentakeln und Stacheln angelegt und die Larve verändert sich nicht weı- ter, während der Seeigel seine Stacheln und Tentakeln ausbildet. Es kommt also weder zur Bildung von Wimperepauletten noch von Aurikel- fortsätzen und bildet die Wimperschnur nur einfach ihren Bogen an den Seiten des Körpers. Die reife Larve und der Seeigel sind grün und schwärzlich gespren- kelt, auch auf den Tentakeln sind langgezogene schmale schwärzliche Flecken. Beim Zerdrücken des freien Seeigels kommen noch einige Reste über die Gattungen der Seeigellarven. 31 von dem Balkenwerk der Kuppel zum Vorschein, gleich wie auch die Wurzeln der Stäbe der dorsalen Seitenarme mit den ersten Maschen des frühern Gitters. In einem Kreise standen 10 netzförmige Kalkstücke und bei ihnen lagen die Zähne mit den Spitzen nach der Mitte gerichtet, sonst weit auseinander. Die Stacheln haben die bei jungen Seeigeln ge- wöhnliche Form und sind sechskantig ganz wie ich sie von diesem See- igel schon früher abgebildet habe. Sie hatten in einem Fall auf die ganze Länge bis zu ihrer Basis erst 7 Maschen in einer Längsreihe von Maschen, weniger als in den zu Helsingör abgebildeten Fällen, auch waren die Zahn- spitzen noch verhältnifsmäfsig kürzer als in jenen, so dafs die in Helsin- gör abgebildeten Exemplare sich um ein ganz geringes im Alter unter- scheiden. Die Füfschen hatten dieselbe Form wie zur Zeit, als der See- igel noch mit der ganzen Larve verbunden war und enthielten keine Spur eines Kalkringes. Der schon an der Larve sichtbare Gipfel des blasigen Endes der Füfschen ist jetzt noch bestimmter ausgebildet und lassen sich daran die charakteristische quere Abstutzung des Gipfels und das auf der Abstutzung befindliche, winzige spitze Wärzchen erkennen; die blasigen Knöpfe der Fühler sind übrigens jetzt etwas länglicher geworden als sie zur Zeit waren, als der Seeigel noch mit der Larve verbunden war. Nachträge zu den Asteri.larven. 1. Ophiurenlarven. Rückenporus derselben. Bei Helgoland fanden sich diesmal 2 Ophiurenlarven, Pluteus para- doxus und die Larye der Ophiothrix fragilis; der erstere in einer erstaunli- chen Menge, so dafs an manchen Tagen viele Tausende durch das feine Netz zusammengebracht waren. Unter ihnen war die Varietät mit gegitterten Kalkstäben der Auriculararme nicht selten. Bei dieser Form war die Scheitel- spitze meist etwas schlanker und länger, die Seitenarme gerader und nicht 32 MÜLLER platt, sondern abgerundet, so dafs man sie leicht für eine eigene Art neh- men könnte. Aber die Gröfse ist dieselbe, der Magen ist wie bei der andern grün und auch bei «der gewöhnlichen Form verlieren die Arme später zur Zeit der Entwickelung der Ophiure ihre Abplattung und werden vielmehr walzenförmig; auch giebt es hinsichtlich der bald mehr geraden bald gebo- genen Form der Auriculararme Übergänge. Bei den Ophiurenlarven des adriatischen Meeres hatte ich mich über- zeugt, dafs die Verbindungsbogen der Kalkstäbe an dem Scheitel der Larve in der Mitte nicht geschlossen sind, vielmehr die Zweige von beiden Seiten nur auf einander stofsen. Auch beim Pluteus paradoxus ist der Schlufs der der Bogen nur scheinbar, bei starken Vergröfserungen erkennt man vielmehr die solutio continui zwischen den dicht aneinander stofsenden Enden. Das Kalkskelet besteht daher nur aus zwei symmetrischen ganz von einander ge- trennten Hälften, wodurch das Wachsthum der Larve gesichert ist. Bisher fehlte noch die Beobachtung des Rückenporus in den Ophiurenlarven. Zur Zeit der ersten Beobachtung des Pluteus paradoxus war mir der Rücken- porus der Echinodermenlarven überhaupt noch unbekannt; derselbe wurde erst im J. 1849 an den Larven der Holothurien und Asterien, d. h. bei den Auricularien und Tornarien und bald darauf bei den Bipinnarien, zuletzt an den Seeigellarven aufgefunden, dagegen wollte es nicht gelingen diesen Porus an den Ophiurenlarven sicher zu beobachten. Ich suchte ihn an den adriati- schen Ophiurenlarven an der Rückseite des Larvenkörpers über dem in 5 Blinddärmchen getheilten Säckchen, das seitwärts vom Schlunde liegt und die erste Anlage des Wassergefäfssystems ist. Ich glaubte auch beim Plu- teus bimaculatus zuweilen hier am Rücken, seitwärts von der Verbindung von Schlund und Magen einen kleinen Porus zu erkennen; aber bei der Schwierigkeit, diese verhältnifsmäfsig grofsen Larven in schiefer Stellung schwebend zu erhalten, konnte ich mich von der Verbindung des Säckchens mit einem Porus durch eine Röhre nicht überzeugen, und ich überging die- sen unsicher gebliebenen Punkt lieber ganz mit Stillschweigen. Den Plu- teus paradoxus fand ich zu diesen Beobachtungen viel mehr geeignet. Zur Zeit wo die erste Anlage des Wassergefälssystems in Form eines in 5 Blind- därmchen getheilten Säckchens zur Seite des Schlundes erschienen ist, be- merkt man auch immer einen kleinen Porus über dem Säckchen in der Rückenwand, seitwärts von der Mitte, in der Gegend zwischen Schlund und über die Gattungen der Sceigellarven. 33 Magen. Um den Hals des Säckchens zum Porus zu sehen, ist es nöthig, den & Larven eine schiefe Stellung im Wasser zu geben, welches bei diesen kleinen Larven mit wenig langen Armen ziemlich leicht gelingt. Hat man die An- sicht auf den Rücken der Larve so, dafs die Fortsätze nach vorwärts, der Scheitel nach rückwärts gerichtet ist, so liegt der Porus constant auf der lin- ken Seite des Rückens zwischen Schlund und Magen. Taf. IX. Fig. 1. Der Rückenporus des Wassergefäfssystems ist nunmehr in den Larven der Holothurien, Seeigel, Asterien und Ophiuren beobachtet. Kürzlich war ich so glücklich, den Porus des Wassergefäfssystems in der erwachsenen Ophiolepis ciliata M. T. aufzufinden(!). Schon im Jahre 1850 hatte ich den Steincanal der Ophiuren gefunden. Archiv f. Anat. Physiol. 1850 p.121. Uber den Bau der Echinodermen. Abh. d. Akad. a. d. J. 1853. p- 201 (81), Taf. VI. Fig. 10.11. Dieser Canal entspringt aus einer kleinen Aushöhlung auf der innern Seite eines der 5 grofsen Mundschilder. Es ist dasjenige Mundschild, welches sich bei Ophiolepis ciliata durch einen erha- benen Umbo, bei Ophioderma longicauda durch einen vertieften Umbo aus- zeichnet. Dieses Schild war im System der Asteriden von Müller und Tro- schel, Braunschweig 1842 p. 3, als Ersatz der Madreporenplatte erklärt wor- den, und schon enthält der Vorläufer unserer Arbeit im Monatsbericht der Akademie von 1840 p. 106 diese ganz richtige Auffassung, die damals schwer begreiflich war und auch nicht allgemein angenommen worden ist. Aber es war niemals gelungen, eine Mündung an diesem Schilde zu bemer- ken. Daher ich schon vermuthete, dafs die Offnungen des Steinsacks viel- leicht innerliche im Eingeweideraum wie bei den Holothurien sein werden oder auch von den Genitalspalten ihren Zugang haben. Über den Bau der Echinodermen p. 202 (82). Nachdem ich kürzlich den Rückenporus der ÖOphiurenlaryen erkannt hatte, habe ich die Aufgabe nochmals in Angriff ge- nommen, diesen Porus in der erwachsenen Ophiure wiederzufinden. Sie ist bei Ophiolepis ciliata gelöst worden. Der Porus liegt in dem fraglichen Mundschild auf dem linken Rande desselben, dicht bei dem vordern Ende der angrenzenden Genitalspalte, und läfst sich an jedem trocknen Exem- plar dieser Ophiure mit der Lupe sogleich erkennen; er führt ins Innere G ) Der Monatsbericht der Akademie 1854 2. November enthält unter den Nachträgen über Echinodermenlarven auch hieyvon eine Anzeige. Phys. Kl. 1854. E 34 MÜLLER des Schildes, nämlich in ein in der Substanz des Schildes versteckt liegendes Madreporenlabyrinth, welches sich in die auf der innern Seite des Schildes befindliche Aushöhlung oder den Anfang des Steincanals öffnet. Der äufsere Porus gehört dem Rande des Schildes selbst an, ist gänzlich äufserlich und setzt daher den Steincanal und das Tentakelsystem mit dem Seewasser in Verbindung. 2. Bipinnaria von Helsingör und Ostende. Wassergefäfs- system und Rückenporus. Von Asterienlarven fand sich diesmal bei Helgoland die Bipinnaria von Helsingör in verschiedenen Stadien ihrer Entwickelung von. 4 — a Bei Exemplaren von 5” waren die beiden Blinddärme mit innerer Strömung, welche zu den Seiten des Magens und Schlundes liegen, schon vor dem Munde zur Form eines V verbunden, wie es auf Taf. I. Fig. 7 meiner zwei- ten Abhandlung abgebildet ist. Diese Verbindung ist in gleicher Weise von Van Beneden bei derselbigen Larve in Ostende beobachtet, welcher die beiden Säcke an jüngern Larven jedoch ganz getrennt gesehen hat. Bull. de l’Acad. Roy. de Belgique T. XVII. n. 6. Bei der Bipinnaria von Triest ist immer nur ein einziger wimpernder Sack entwickelt, der mit dem Rücken- porus zusammenhängt, dagegen liegen anfangs zu den Seiten des Magens wie bei den Larven der Ophiuren, Holothurien und Seeigel 2 längliche Körper, welche man überall von dem Sack mit innerer Wimperbewegung unter- scheiden kann. Vierte Abhandlung Taf. II. Fig. 6. Bipinnaria. Taf. I. Fig. 1. 3. 9. Auricularia. Ich war geneigt, die Beobachtung von Van Beneden von ursprünglich zweien Säcken aus diesem Verhalten zu deuten. Daher hat es mich überrascht bei den Helgoländischen jungen Exemplaren der Bipinnaria von Helsingör und Östende von ” in der That 2 noch ganz getrennte Säcke, jeden mit innerer Strömung zu beobachten, und es schien, dafs sie auch am entgegengesetzten Ende ohne allen Zusammenhang waren. Sobald sie sich vor dem Munde vereinigt haben, so kann man die Strö- mung von Kügelchen aus dem einen in den andern Sack durch das Mittel- stück sehen und es ist daher die Scheidewand zwischen beiden verloren ge- gangen. Die innern Wände der Säcke sind mit Zellen belegt, in welchen auf Anwendung von Essigsäure die Kerne sichtbar werden. Der Rückenporus, welcher schon bei der Bipinnaria von Triest zur Be- über die Galtungen der Seeigellarven. 35 obachtung kam, wurde jetzt auch bei der Bipinnaria von Helsingör beobachtet, wo er viel schwieriger wahrzunehmen ist. So lange noch zwei Säcke sind, ist nur der eine derselben mit dem Porus durch einen Hals verbunden (!). Wenn die Larve auf der Bauchseite liegt, und man die Ansicht der Rück- seite hat, das Flossenende der Larve nach vorn gerichtet ist, so ist es immer der linke Sack, der diesen Hals und seine Ötfnung besitzt, und hier bleibt diese Verbindung auch wenn die Säcke sich später an dem andern Ende ver- einigt haben, jetzt für beide zugleich. Die Larven widerstreben der Lage auf der Bauchseite und selbst der schwebenden Stellung mit der Bauchseite nach unten sehr und suchen immer wieder vermöge der Wimperbewegung die Bauchseite nach oben zu kehren. Sobald sich die Säcke vereinigt haben, wächst das Mittelstück des Sackes immer weiter bis zu den beiden Endilossen hin. so dafs es diese zuweilen fast ganz ausfüllt. Die übrigen Wimpel der Bipinnaria nehmen da- gegen keine Verlängerungen des Wassergefälssystems auf. Vom Seestern ist bei Larven von # noch nichts entwickelt, doch er- kennt man jetzt über dem Magen schon einige wenige dreischenklige Kalk- figuren, welche auf die baldige Ausbildung des Perisoms des Seesterns hin- deuten. 3. Neue Art von Brachiolaria(?). In der zweiten Abhandlung über Echinodermenlarven beschrieb ıch unter dem Namen Brachiolaria eine 1847 in Helsingör beobachtete Aste- (!) Auf eine Mittheilung hievon an Hrn. Dr. Krohn hat mir derselbe unterm 17. Oc- tober d. J. erwiedert, dals sich die Bipinnaria asterigera gleichwie die Bipinnaria von Marseille in Betreff der Wassergefälssäcke und des Rückenporus ganz so wie die Bipinnaria von Helsin- zör verbalten und dals er bei sehr jungen Individuen der Bipinnaria von Marseille sich von der ursprünglichen Trennung der beiden Säcke gleichfalls überzeugt habe. Dies Verhalten ist um so eigenthümlicher, als andere Asterienlarven, wie die Bipinnaria von Triest und die Tornaria mit allen übrigen Echinodermenlarven in dem Besitz nur eines einzigen ursprünglichen Was- sergefälssackes übereinstimmen. Die Bipinnaria asterigera und die Bipinnaria von Triest wei- chen übrigens noch in einem andern wesentlichen Punkte ab. Bei ersterer ist die von der Larve abgewendete Seite des sich entwickelnden Seesterns die Bauchseite, bei letzterer nach Krohn's Beobachtungen (Archiv £. Anat. Physiol. 1853. p- 317) die Rückseite. 2) Monatsbericht der Akademie v. 16. März 185/. E2 36 MüLtER rienlarve, welche den Bipinnarien verwandt, sich von diesen dadurch unter- scheidet, dafs sie statt der Flossen an dem einen Ende 3 mit einem Stern von Papillen gekrönte Arme hat. Von dieser Larvenform sah ich in Messina eine zweite Art, welche in der Ausbildung des Seesterns begriffen war. Es waren 3 mit Papillen besetzte Arme an derselben Stelle vorhanden, und die Wim- pel waren ähnlich; aber die Anordnung der Papillen war gänzlich abwei- chend, und die Arme sind mehr abgeplattet, so dafs sie eine ventrale und dorsale Fläche besitzen. Hierdurch wird die Eigenthümlichkeit der Brachio- larien als Gattung von Asterienlarven noch augenscheinlicher, als sie es bis- her schon war. Der Brachiolaria von Helsingör fehlten die Endwimpel oder Flossen der Bipinnarien völlig. Die dorsale Wimperschnur machte ihren Bogen über die Basis des Mittelarms, während die ventrale Wimperschnur dem Mittel- arm bis nahe zum Ende folgte. Die Brachiolaria von Messina von Ei Gröfse, deren paarige Wimpel ebenso wie bei dem Thier vom Sunde stehen, besitzt einen dorsalen unpaaren Wimpel oder die dorsale Flosse einer Bipinnaria. Die ventrale Flosse der Bipinnarien fehlte und ihre Stelle war von den Ar- men der Brachiolaria eingenommen, welchen die ventrale Wimperschnur g, auf- Eh und absteigend. Die Papillen bildeten bei der Brachiolaria von Helsingör eine bis zum Ende folgte, indem sie von einem zum andern Arm übergin Krone auf den Enden der Arme, bei der Brachiolaria von Messina mit plat- tern Armen waren die Ränder der Arme auf der ventralen Seite in ganzer Länge und bis auf den Gipfel der Arme mit Papillen oder Zapfen besäumt, so zwar, dafs diese Papillen dicht neben der Wimperschnur auf der ventra- len Seite der Ränder standen und sich zuletzt auf der ventralen Seite der Armenden anhäuften. In der Abhandlung über den allgemeinen Plan in der Entwickelung der Echinodermen wurden die festsitzenden Echinaster- Larven und die schwär- menden Bipinnarien und Brachiolarien verglichen und es ergab sich, dafs die Wimpel der Bipinnarien und Brachiolarien den Armen der festsitzenden Lar- ven nicht homolog sind, dafs vielmehr das Analogon der Arme der letztern die 3 hohlen mit Papillen besetzten Arme der Brachiolaria sind, so dafs Bra- chiolaria sowohl die Wimpel der Bipinnarien als die Arme der Echinaster- larve besitzt. Bei der neuen Brachiolaria von Messina sind die 3 fraglichen Arme über die Gattungen der Seeigellarven. 32 ebenfalls hohl, die ihre Höhle auskleidende besondere Membran setzt sich in die Haut eines mittlern grofsen Raums der Larve fort, der sich bis zum See- stern und wahrscheinlich bis in sein Inneres erstreckt. Bei der Echinaster- larve setzt sich die innere Membran der hohlen Arme in die innere Haut der Körperwände des Seesterns fort. Im Innern des Pedunkels der Echinaster- larve von Amerika hat Agassiz eine Strömung beobachtet, diese Strömung ist auch schon in den hohlen Armen der Brachiolaria von Helsingör gesehen. Ein Rückenporus der Larve wurde nicht beobachtet und war der hintere Theil des Körpers wegen der vorgeschrittenen Entwickelung des Seesterns und seiner Kalkfiguren zu undurchsichtig, um so sowohl hierüber als über die erste Anlage der Tentakelkanäle etwas auszumitteln. Es entsteht die Frage, ob der mit innerer Strömung versehene Raum der Brachiolaria dem wimpernden Sack der Bipinnarien oder der Höhle der Arme und des Körpers der Echinasterlarve entspricht. Die neuere Beobach- tung über die Bipinnaria von Helsingör, bei welcher der wimpernde Sack seine Verlängerungen bis in die-beiden Endflossen treibt, ohne dafs die an- dern Wimpel davon gefüllt werden, macht es wahrscheinlich, dafs der die Arme der Brachiolaria ausfüllende Schlauch nichts anders als eine Verlänge- rung des Wassergefäfssackes wie bei den Bipinnarien ist. Die Bedeutung der wimpernden Höhle in den Pedunkeln der Echin- asterlarve, welche sich in die Körperhöhle derselben fortsetzt, hat noch nicht sicher festgestellt werden können. Gewils ist, dafs sich diese Höhle später in zwei Theile sondert, die Höhle der Pedunkel und die Bauchhöhle des Seesterns. Ein Zusammenhang der Höhle des Pedunkels mit dem Wasser- gefälssystem des Seesterns war schon vermuthet, hat aber bis jetzt nicht nach- gewiesen werden können. Die Echinasterlarve besitzt zwischen den 4 Armen eine räthselhafte napfartige Warze. Eine gleiche Warze besitzt nun auch die Brachiolaria zwischen den 3 Armen. Schon in der Brachiolaria von Helsingör wurde ein runder trüber Körper an der Ventralseite der Basis des Mittelarms beschrie- ben und abgebildet. In der Brachiolaria von Messina ist dieser Theil wieder- gesehen und weiter beobachtet. Er befindet sich auch hier an der ventralen Wand der Basis des Mittelarms zwischen den 3 Armen und es ist ausgemit- telt, dafs es eine flach über den Körper der Larve vorspringende napfartige Warze ohne Öffnung ist. Wenn gleich die Bedeutung dieser Warze weder 33 MürLrLer bei der festsitzenden Echinasterlarve noch bei der schwärmenden Brachiola- ria festgestellt werden konnte, so ist doch wenigstens die in ihrer Gegenwart liegende Bestätigung der Homologien der Echinasterlarve und Brachiolaria willkommen. Ob die Brachiolarien von ihren Armenden analog der Echinasterlarve auch zum Anhalten an fremden Körpern Gebrauch machen, ist dermalen noch ungewifs. Man mufs auch gespannt sein zu erfahren, ob die Wimpel und die Arme gleichzeitig entstehen oder ob den Wimpeln ein Zustand ver- gleichbar der Echinasterlarve vorausgeht. Der an dem hintern Theil des Körpers der Larve entwickelte Stern mit Kalknetz umschlofs die Verdauungsorgane mit Ausnahme des Schlun- des. Der Stern war am Umfang gezackt, aber noch nicht pentagonal und sein Umfang gegen die Larve zu noch weit offen, die Tentakel noch- nicht hervorgebrochen. Die fünfblätterige Figur auf der Ventralseite des gelappten Hintertheils der Brachiolaria von Helsingör war anfangs auf das Echinoderm gedeutet. Aus dem Studium der Auriecularia ergab sich dann, dafs der Stern von Blind- därmehen nur die Anlage des Tentakelsystems des Echinoderms ist. III. Ab- handlung p. 40 (8). Dieselbige Tentakelanlage wurde in der IV. Abhand- lung bei der Bipinnaria von Triest festgestellt. Aus den Beobachtungen über die Entwickelung des Seesterns in der Bipinnaria von Triest und in der Bra- chiolaria von Messina folgt auch, dafs der gelappte mit Kalknetz durchzo- gene Hintertheil der Brachiolaria von Helsingör nicht dem Körper der Larve allein angehören kann, vielmehr der künftige Seestern selbst ist. ——e —— Fig. 1. Fig. 2. Fig. » Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. —r . Fig. Fig. Fig. vo on Di « über die Gattungen der Seeigellarven. 39 Erklärung der Abbildungen. at. Larve des Echinus brevispinosus R. Die Varietät der Larve mit gegitterten Stäben der 4 Schirmarme, von der Bauchseite. Grölse Dieselbe von der Rückseite. Die Varietät mit Gitterstäben der Markisenarme und einfachen Stäben der dorsalen Seitenarme, nach Ausbildung der Wimperepauletten. Ansicht der Bauchseite. a Mund, o After. Ähnliche Ansicht bei mehr geneigtem Scheitel. Dieselbe Varietät. Rückseite. n Dorsale Lappen. Dieselbe Varietät. Seitenansicht. x Hohlkehlenförmiger Theil der Markise. « Mund. y Wimperepauletten, rn dorsale Lappen, z Mundgestell. Das obere Ende des Gitterstabs der Markise (von der ersten Varietät). Endtheil des Stabs der Markisenarme (von der zweiten Varietät). Der hohlkehlenförmige Vorsprung der Markise von der Seite und unten bei gesenkter Stellung des Scheitels der Larve. Taf. D. Larve der Echinocidaris aequituberculata Desm. Die gegenwärtigen Abbildungen sporadischer auf Echinocidaris bezogener Larven beginnen kurz nach dem Stadium bis zu welchem Busch seine durch künst- liche Befruchtung erzielten Larven erzogen hat. Busch Beobachtungen über Ana- tomie und Entwickelung einiger wirbellosen Seethiere. Berlin 1851. Taf. XII. Fig. 10. 11. Junge Larve von der Bauchseite. @ Schlund. 3 Magen. c Darm. Dieselbe von der Seite. Verticale Ansicht von den Kalkleisten im Scheitel. Eine weiter fortgeschrittene Larve mit 4 Armen von der Bauchseite. Dieselbe von der Seite, am er 10 groß. ‘ Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 1. [57 3-5. 10. 11. 12. 13. MÜürLteEr Die Larve aus der Zeit, wo die Aurikeln sich zu entwickeln beginnen, von der Bauchseite. Dieselbe, ganz seitlich. Verhalten der Kalkleisten und der Kanten der Markisenstäbe. Eine Larve aus diesem Stadium von der Rückseite. Kalkskelet einer Larve, bei der die Gitterstäbe der dorsalen Seitenarme sich ent- wickeln. Ansicht der Rückseite. . Detail des dreikantigen Markisenstabs. Dasselbe von dem Theil des Stabs, wo sich das Gitter entwickelt. . Detail von dem Gitterstab der dorsalen Seitenarme. Durchschnitt des dreikantigen Stabs der Markisenarme. Lat ılT, Larve der Echinocidaris aequituberculata. Von der Bauchseite. Es fehlen noch die Nebenarme des Mundgestells und das zweite Paar der dorsalen Arme. ie Eine weiter entwickelte Larve, wo diese Arme und die Wimpel des Schirms ausge- bildet sind, von der Bauchseite. Dieselbe von der Rückseite. Dieselbe halbseitlich. Reife Echinocidarislarve mit Pedicellarien und beginnender Entwickelung des Seeigels. ar aVe Larve der Echinocidaris aequituberculata. Lauf der Wimperschnur an der reifen Echinocidarislarve. Verticale Ansicht auf den Gipfel. aa ventrale, 55 dorsale WWimpel des Schirms, cc Markisenarme, dd dorsale Seitenarme, ee Auriculararme. Ausbreitung der Kalkstäbe des Schirms in Kalkplatten aus der reifen Echinoeidaris- larve, unter dem Deckplättchen. aa Markisenstäbe, 5 dorsaler Seitenstab. Junge Seeigel von 5 von der Echinocidarislarve, von verschiedenen Seiten. An einem derselben standen ein ungegitterter dreikantıger Stab Fig. 6 und zwei gegit- terte dreikanlige Stäbe Fig. 7 hervor. Fig. 8. (Querschnitt der dreikantigen Stäbe. Auch trat bei der Compression des Seeigels der Rest des Auriculargerüstes Fig. 9 hervor. Einer der dünneren Stacheln des Seeigels. Einer der dickern am Ende abgeplatteten Stacheln. Pedicellaria des jungen Seeigels. Eines der Fülschen des jungen Seeigels mit dem Kalkring. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8 Fig. 9. über die Gattungen der Seeigellarven. 44 Tabu V. Larve von Messina mit Gitterstäben der Schirmarme, mit Aurikeln und Wimpeln des Schirms p. 9. Seitenansicht. Die Beobachtung dieser Larve, welche wegen der gespreitzten Stellung der Schirm- arme vielleicht verletzt ist, hat nicht zu Ende geführt werden können, da sie durch einen unglücklichen Zufall zu Grunde gegangen ist. Ich habe keine Ansichten der Bauch- und Rückseite und auch keine Ansicht des Scheitels erhalten. Der Körper dieser Larve stärker vergrölsert. 4A Markisenarme. BB Dorsale Schirmarme. CC DD Arme des Mundgestells. EE Aurikeln. a Schnabel oder Hohlkehle der Markise. m Die 4 Wimpel des Schirms. n Dorsale Lappen. Ansicht der Larve auf die concave Seite des Schirms. Bezeichnung wie vorher. Gitterwerk der dreikantigen Stäbe der Schirmarme. Spatangoidlarve von Messina mit sehr langem Scheitelfortsatz. Es fehlen noch die Nebenarme des Mundgestells, wovon man nur die erste Spur sieht, die Auriculararme und das zweite Paar der dorsalen Arme. Bauchseite. Reife Spatangoidlarve von Messina, woran alle diese Arme entwickelt sind. Bauchseite. Beide Spatangoidlarven gehören der Form mit ganz gegitterten Stäben der 4 Schirm- arme und des Scheitelfortsatzes an. KattıNd. Spatangoidlarven von Messina. Ganz junge Spatangoidlarve noch ohne Scheitelstab, von der Seite. Desgl. halbseitliche Ansicht der Bauchseite. Gipfel der Larve von der Bauchseite. Kalkgerüst aus der Zeit, wo der Scheitelarm ausgebildet ist. a Markisenarm. d Primä- rer Arm des Mundgestells. Scheitelarm. Eine Spatangoidlarve aus der Zeit, wo der Körper 5 Arme hat, von der Seite. Von den Armen ist nur der Anfang abgebildet. a Schlund, 2 Magen, c Darm. Spantangoidlarve mit 11 Fortsätzen, die Auriculararme sind noch nicht entwickelt. o Alter, 1 Markisenarm, 2 dorsaler Seitenarm, 3 primärer, 4 secundärer Arm des Mundgestells, 5 zweiter dorsaler Seitenarm, 6 Scheitelarm. Die Mundgestellarme sind ganz, von den übrigen ist nur der Anfang abgebildet. : Kalkgerüst der Spantangoidlarve mit ungegitterten Schirmarmen, aus der Zeit, wo die Larve 5 Arme hat. Seitenansicht. Nur der Anfang der Arme ist abgebildet. a Markisenarm. 6 Primärer Arm des Mundgestells. Desgl. Ansicht von der Bauchseite. Phys. Kl. 1854. F 42 Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 1. Fig- 2. Fig. 3. Fig. 6-9. MÜLLER Desgl. Rückseite. Schiefer Lauf der Kanten am Scheitelstab. Dreikantiger ungegitterter Kalkstab des Markisenarms. Taf. Vi. Spatangoidlarven von Messina. Die Spatangoidlarve mit ungegitterten Stäben der 4 Schirmarme, von der Bauchseite. Die Spatangoidlarye mit gegitterten Kalkstäben der Schirmarme, von der Bauch- seite. Von den Fortsätzen ist nur der Anfangstheil gezeichnet. Auf der einen Seite ist der Kalkstab des Auricularfortsatzes, auf der andern die Fortsetzung der Wimper- schnur vom Arm der Markise auf den Auricularfortsatz abgebildet. Kalkgebilde aus der Larve mit gegitterten Kalkstäben der 4 Schirmarme unter dem Deckplättchen. a Kalkstab des Scheitelarms mit dem Bogen für die Aurikeln r. — db dd Kalkstäbe der Schirmarme. c Kalkstab des primären Mundarms. e Kalkbogen in der Rückenwand für die secundären Arme des Mundgestells f und das zweite Paar der dorsalen Seiten- arme g. Kalkbogen aus einer Larve mit gegitterten Kalkstäben der 4 Schirmarme mit den von dem Bogen abgehenden Kalkstäben der Aurikeln. Bruch des dreikantigen Theils des Kalkstabs der Aurikel. Entwickelung der Schenkel des Kalkbogens aus den Schenkeln der Basis des Scheitel- stabs. Ansichten von verschiedenen Seiten und von verschiedenen Exemplaren. Fig. 10-11. Ein Theil der Kalkgebilde aus geprelsten reiferen Spatangoidlarven. Fig. 12. a Scheitelstab und Kalkbogen für den Stab der Aurikel %, » Wurzel des Kalkstabs des Markisenarms. c Der davon abgehende Ast zu dem primären Mundarme. d Wurzel des dorsalen Schirmarms. Markisenstab und Ast zum Mundgestell aus einer reifen geprelsten Spatangoidlarve. Taf. VIH, Larve mit Gitterstäben ohne Epauletten zum Seeigel mit Zähnen von Hel- Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. singör und Helgoland. Larve aus dem jüngeren Stadium mit 4 Fortsätzen. a Mund, 5 Schlund, ce Magen, d Darm, e After. Dieselbe von der Seite. Eine weiter fortgeschrittene Larve dieser Art mit 8 Fortsätzen, von der Rückseite. Eine Larve dieses Stadiums, von der Seite. 5 Schlund, ce Magen, d Darm, e Alter. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 1. Fig. 1*. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. über die Gattungen der Seeigellarven. 43 Larve aus demselben Stadium bei mehr gesenkter Stellung der Kupdı wo die Längs- dimensionen des Kalkrahmens verkürzt erscheinen. Ähnliche Larve halbseitlich von der Bauchseite. a Kalkleiste unter dem Darm. 2 Kalkleiste über dem Darm zur ventralen Wand des Larvenkörpers. Die reife Larve von der Bauchseite. Man sieht die Anlage des Seeigels über dem Ma- gen und Darm auf der linken Seite. Die Larve während der Metamorphose in den Seeigel. Ein mit dem feinen Netz gefischter junger Seeigel von ER mit blasigen Enden der Füls- chen ohne Kalkscheibe. Eines der Füfschen stärker vergrölsert bei der Ausstreckung. Derselbige Seeigel unter dem Deckplättchen. Man sieht die Reste der Kalkstäbe mit Gitter und die 5 Zahnspitzen. Ende eines Fülschens von Echinocyamus tarentinus von einem in Weingeist aufbe- wahrten Exemplar. Breite des Knopfes 35 rat. “I Asteridlarven. Rückseite einer Ophiurenlarve, Pluteus paradoxus. a Schlund, # Magen, ec wurstförmige Körper, d Säckchen mit 5 Blinddärmchen, erste Erscheinung des Wassergefälssystems, e Porus desselben auf dem Rücken der Larve. Verbindung des Rückenporus mit dem Hals des Säckchens, sichtbar bei schiefer Stel- lung der Larve. Bezeichnung wie vorher. Äussere Oberfläche eines interradialen Feldes von Ophiolepis ciliata mit dem durch einen Umbo a ausgezeichneten Mundschilde. Die Anschwellung Umbo enthält das Madreporenlabyrinth versteckt, zu welchem der am linken äussern Rande des Schildes liegende Porus führt. & Schuppen der Bauchwand. — c Mundecke und Mund- papillen. Ein sehr junges Exemplar der Bipinnaria von Helsingör von En Grölse, von der Rück- seite. a Schlund, # Magen, c Darm, d, d die beiden Wassergefälssäcke, e Verbindung des linken Sacks mit dem Rückenporus. Älteres Exemplar der Bipinnaria von Helsingör von 2- " Grösse, von der Rückseite. Bezeichnung dieselbe. Die beiden Säcke des a, sind jetzt vor dem Mund verbunden. Halb seitliche Ansicht. Bezeichnung wie vorher. e Porus des Wassergefälssacks. Ein Exemplar der Larve, bei dem sich der Wassergefälssack bis in die Endflossen ver- längert hat; von der Rückseite, Brachiolaria von Messina, von der Bauchseite. a Schlund, 5 Magen, c Anlage des Seesterns, d dorsale Endflosse, e,e,e die 3 Arme statt der ventralen Endflosse, f vorderer ventraler Seitenwimpel, g hinterer ventraler F2 44 MÜLLER Seitenwimpel, f’ vorderer dorsaler, g hinterer dorsaler Seitenwimpel, % Auricular- wimpel, x die dunkle Warze zwischen den Armen. Fig. 8. Dieselbe bei abweichender Stellung der Wimpel. Fig. 9. Dieselbe von der Seite. a Mund. i Wassergefälssack bis in den Grund der Arme verlängert. Die übrige Be- zeichnung wie vorher. Fig. 10. Dieselbe von der Rückseite. d Endflosse, f‘ vorderer dorsaler, g’hinterer dorsaler Seitenwimpel, % Auricular- wimpel. Fig. 11. Vorderer Theil der Brachiolaria von der Seite. & Die Warze. i Wassergefälssack bis in den Grund der Arme verlängert. d Dorsale Endflosse. Fig. 12. Das Ende des unpaarigen Arms mit den Zapfen. über die Gattungen der Seeigellarven. 45 Alphabetische Nachweisung {e) zu den Abhandlungen über Echinodermenlarven. [Die römische Zahl bezieht sich auf die Folge der Abhandlungen, die Jahreszahl auf den Jahrgang der Ab- handlungen der Akademie, die Parenthese bezieht sich auf die Pagina der besonderen Abdrücke.] After der Holothurien III. 1s48 p. 42 (10). VI. 1852 p. 50 (26). After der Ophiurenlarven IV. 1850 p. 50 (14). V. 1851 pP. 36 (4). After der Seeigellarven I. 1846 p. 284. 307 (12. 35). IV. 1850 p. 50 (14). Altersunterschiede der Echinuslarven IV. 1850 p. 50 (14). Alltersunterschiede der Seeigellarven VII. 1854 p. 2. Altersunterschiede der Spatangoidlarven VII. 1854 p. 16. Arme der Echinodermenlarven. VI. 1852 p. 45 (21). Vergleichung derselben. Armglieder der Ophiuren, I. 1846 p. 281 (9). Bildung der neuen Glieder V. 1851 p. 46 (14). Asteracanthion Mülleri VI. 1852 p. 35 (11). Asterienlarven, verschiedene Formen II. 1s4s p.75 (3). III. 1849 p.55 (23). IV. 1850 p. 66 (30). Asterienlarve wurmförmige III. 1849 p.53 (26). Taf. VI. Fig. s—12. Taf. VII. Fig. 1—4. IV. 1850 p. 76 (40). VI. 1852 p. 60 (36). Taf. I, Fig. 15. 16. Asterien von Triest IV. 1850 p. 66 (30). Atlas Lesueur VI. 1852 p. 60 (36). Augenflecke der Tornaria II. 1s48. p. 102 (30). Auricularfortsätze VI. 1852 p. 46 (22). Auricularfortsätze einiger Seeigellarven VII. 1854. p. 6. 9. 19. Auricularia mit Kalk-Rädchen II. 1348 p. 93 (26). Taf. IV. III. 1849 p.38 (6). Taf. I. I. III. Fig. 1—7. IV. 1850 p. 43. (7). Taf. I. Fig. 1—4. 46 MürLser Auricularia mit Kugeln II. 1848 p. 100 (25). Taf. V. Fig. 1—3. III. 1849592508.(18) Da IV _V. IV. 1850 P.392.@) Ta I: VL 1852 p.47 (23). Taf. II—VI. Aurikeln der Echinodermenlarven Aurikeln einiger Seeigellarven Bewegung der Echinodermenlarven Bilaterale Wimperschnur VL 1852 p.46 (22). VII. 1854. p. 6. 9. 19. I. 1846 p. 278. 280. 284. (6. 8. 12) II. 1548 p. 78. 96. 103. (6. 24. 31.) . 1849 p. 37. 40. A1. 44. (5. 8. 9. 12.) . 1850 p. 68. 76. (32, 40.) « 1351 p. 37 (5). VII. 1854 p. 8. III. 18/9 p. 67 (35). VI. 1852 p.42 (18). Bipinnaria, Arten II. 1848 p- 75 (3). IV. 1850 p. 67 (31). VII. 1854 p. 34. I. IT. 18 III. ıs Bipinnaria asterigera 1846 p. 301 (29). 48 p. 81 (9). Taf. II, Fig. 1—3. 49 p. 61 (29). Taf. VII, Fig. 5—8. VII. 1854 p. 34. Bipinnaria, Eingeweide II. 1848 p. 78. 82 (6. 10). II Bipinnaria von Helsingör VL. Bipinnaria von Marseille II. VII. Bipinnaria von Triest IV. Bipinnaria, Wassergefälssack . 1848 p. 77 (5). Taf. I, Fig. 1—7. 1854 p. 34. Taf. IX. Fig. 3—6. 1848 p. 80 (8). Taf,I. Fig. 8. 9. 1554 p. 34. 1850 p. 67 (31). Taf. II. Fig.5—13. Taf.III. IV. V. Fig. 1—10. II. 1848 p. 80 (8). IV. 1850 p. 68 (32). VII. 1854 p. 34. Bläschen mit Doppelkörnern d II. II. 1848 1849 VI. 1852 VI. 1854 Brachiolaria von Helsingör Brachiolaria P Brachiolaria von Messina Cidaris, Fülse derselben I. VI. Chirodota violacea Pet. III. III. 18/9 p. VI. 1852 p. Comatulalarve P- P- P- III. 1849 p.42 (10), IV. 1850 p. 45 (9). 94 (22). Taf. II. Fig. 4. 5. Taf. IH. . 40. 57 (8. 25). 36, 44 (12.17). 35. Taf. IX. Fig. 7—12. II. 1848 p. 94 (22). Taf. II. Fig. 4. 5. Taf. II. III. 1849 p. 40. 57 (8. 25). er jungen Holothurien VII. 1854 p. 35. Taf. IX. Fig. 7—12. 1846 p. 298 (26). 1354 p. 26. 1849 p. 47 (15). Taf. II. Fig. 8. 66 (34). 54 (30). über die Gattungen der Seeigellarven. 47 Contractile Organe der jungen Holothurie IV. 1850 p. 46 (11). Derbes Seeigellarve III. 1549. p. 67 (35). IV. 1850 p. 49 (13). VI. 1854 p. 2. Doppelkörner in den Bläschen am Kalkring III. 1849 p. 42 (10). der jungen Holothurien IV. 1850 p. 45 (9). Echinasterlarve, adriatische IV. 1850 p. 66 (30). VI. .1852 'p. 30..32'(6. 8). Echinasterlarve von Nordamerika II. 1848 p. 9ı (19). Echinasterlarve von Sars I. 1846 p. 275. 292 (3. 20). lI. 1848 p. 93 (2ı). VI. 1852 p. 33 (9). Taf. I. Fig. 1—14. Echinaster oculatus M. T. VI. 1852 p. 33 (9). Echinaster sanguinolentus Sars VI. 1852 p. 33 (9). Echinaster Sarsii M. T. VI. 1852 p. 33 (9). Echinocidarislarve VII. 1854 p. 10. Taf. II—IV. Echinocyamus VI. 1554 p. 26. Echinus brevispinosus, Larve VII. 1354 p.3. Taf. I. Echinuslarve, Gattungs - Charaktere VI. 1354 p.3. Echinuslarven, Arten I. 1846 p. 282 (10). IV. 1850 p. 49. 60 (13. 24). VI. 1852 p. 53 (34). VII. 1854 p.3. Echinuslarven von Helgoland I. 1846 p. 282 (10). Taf. IV—VI. Taf. VII. Fig. 1—3. Echinuslarve von Triest mit Kalkkugeln VI. 1852 p.58 (34). Taf. VII. Fig. 1. 2. Echinus lividus, Larve desselben III. 1549 p. 67 (35). IV. 1850 p.49 (13). Taf. VI. Fig. 7—14. Taf. VII. Fig. 1-8. Echinus pseudomelo Bl. IV. 1850 p.4s (12). Echinus pulchellus Ag. IV. 1850. p. 48 (12). Echinus pulchellus, Larve desselben IV. 1850 p. 60 (24). Taf. VI. Fig. 1—6. Echinus von Helsingör I. 1846 p. 288. 304 (16. 32). VI. 1854 'p. 27. Eicanal der Holothurien IV. 1850 p. 77 (41). Taf. IX. Fig. s. 9. Eicanal der Ophiuren IV. 1850 p. 78 (12). Eier der Echinodermen IV. 1850 p.77 (A1). Taf. IX. Fig. 8. 9. Eier der Holothurien IV. 1850 p. 77 (41). Taf. IX. Fig. 8. 9. Eingeweide der Bipinnarien II. 1848 p. 78. 82 (6. 10). IV. 1850 p. 67 (31). V. 1851 p.54 (22). Eingeweide der Echinodermenlarven VI. 1852 p.38 (14). Eingeweide der Holothurienlarcven III. 1849 p. 37 (5). Eingeweide der Ophiurenlarven I. 1846 p. 277 (5). V. 1851 p.36 (14). 48 MÜLLER Eingeweide der Seeigellarcven I. 1346 p. 284 (12). IV. 1850 p. 50 (14). Festsitzende Echinodermenlarven VI. 1852 p. 29 (5). Fortsätze der Echinodermenlarven, Homologie derselben VI. 1852 p. 45. 61 (21. 37). Fortsätze der Seeigellarven nach derältern I. 1846 p. 310 (38). und spätern Bezeichnung IV. 1850 p.54 (18). VI. 1852 p. 40 (16). VII. 1854 p.2. Fülse der Asterien I. 1846 p. 299 (27). II. 1848 p. 85 (13). Füfse der Echinocyamus VII. 1854 p. 26. Taf. VIII. Fig. 12. Füflse der Holothurien VI. 1852 p. 51 (27). Füfse der Ophiuren I. 1846 p. 299 (27). Fülse der Seeigel I. 1846 p. 298 (26). VII 1854 p. 26. Flossen der Bipinnarien Il. 1845 p. 75. 80. 81 (3. 8.9). IV. 1850 p. 67 (31). Generationswechsel I. 1846 p.305 (33). II. 1848 p. 104 (32). V. 1851 p. 54 (22). Helgoland, Bipinnaria VII. 1854. p. 33. Helgoland, Ophiurenlarven I. 1846 p. 274 (2). VII. 1854 p. 31. Helgoland, Seeigellarven I. 1846 p. 282. 289 (10. 17). VII. 1854 p. 22. Helsingör, Bipinnaria II. 1848 p.77 (5). Helsingör, Brachiolaria II. 1348. p. 94 (22). Helsingör, Seeigellarven I. 1546 p. 288. 295. 312 (16. 23. 40). Taf. VII. VII 1854 p. 22. Taf. VIII. Heterologie der Larve und des Echinoderms I. 1846 p. 279. 285 (7. 13). V. 1851 p. 54 (22). Holothurie, junge von Triest VI. 1852 p. 52. 59 (28. 35). Taf. VII Fig. 1—4. Holothurien, After III. 18/49 p.42 (10). VI. 1852 p. 50 (26). Holothurien, Entwickelung der Füßse VI. 1852 p. 51 (27). Holothurienlarven IIL 1349 p. 35 (3). Taf. I-V. IV. 1850 p.39. 43 (3. 7). Taf. I. I. Fig. 1—4. Holothurienpuppen III. 1849 p. 44. 54 (12. 22). Taf. IV. Taf. V. Fig. 1—3. IV. 1850 p. 39 (3). VI. 1852 p. 47 (23). Taf. II—V. Holothurienpuppen, Aufbruch derselben II. 1849 p. 46 (14). VI. 1852 p. 49 (25). Holothurien, Ringcanal III. 1849 p. 42. 53 (10. 21). IV. 1850 p. 41 (5). über die Gattungen der Seeigellarven. Holothurien von Triest IV. 1850 p. 38 (2). Homologien der Echinodermen-Larven VI. 1852 p. 41. 61 (17. 37). Taf. II. Kalkrädchen von Holothurien II. 1849 p. 47 (15). Kalkring der Holothurien III. 1349 p. 42. 52 (10. 20). Kalksack der Holothurie II. 1849 p. 53 (21). IV. 1850 p. 40. 43 (4.7) Knötchen mit Ausläufern am Munde der Ophiurenlarven I. 1846 p.278 (6). V. 1851 p.35 (3). Kreisen und Rotation der Echinodermenlarven I. 1846 p. 278. 280. 284 (6. 8. 12). II. 1848 p. 78. 103 (6. 31). III. 1849 p 37. 40. At. 44 (5. 8.9. 12). Vau1s54 p231.(5). Kugeln der Auricularia IV. 1850 p. 39 (3). Larven mit Wimperkränzen III. 1849 p. 66 (34). VI. 1852 p. 46 (22). Lebendig gebärende Echinodermen VI. 1852 p. 29. 59. (5. 35). Madreporenplatte I. 1846 p. 300. 302. 307 (28. 30. 35). III. 1549 p. 62 (30). IV. 1350 p. 56. 68 (20. 32). VII. 1854 p. 33. Markise der Seeigellarven I. 1846. p. 283 (11). VII 1854. p. 2. Marseille, Asterien II. ıs4s p. 100 (28). Marseille, Beobachtungen daselbst über Auricularia II. 1848 p. 98 (26). Marseille, Bipinnaria II. 1848 p. s0 (8). Marseille, Ophiurenlarven V. 1851 p.47 (15). Marseille Seeigellarcven IV. 1850 p. 50. 62. 65. 84 (14. 26. 29. 48). Marseille, Tornaria II. 1848 p. 101 (29). Meduse, junge JII. 18/9 p. 64 (32). Mesotrocha sexoculata M. I. 1846 p. 274 (2). Messina, Beobachtungen daselbst VII. 1854 p. 1. 9. 10. 14. 35. Messina, Brachiolaria VII. 1854 p. 35. Messina, Seeigellarven VII. 1854. Metamorphose der Echinodermen, Natur derselben I. 1846 p. 305 (33). II. 18/8 p. 103 (31). III. 1849 p. 65 (33). V. 1851_p. 53 (21). VI. 1852 p. 55 (31). Methoden der Untersuchung VI. 1852 p. 26 (2). Mundgestellarme der Seeigellarven, primäre und I. 1846 p. 283. 310 (11. 38). secundäre oder Nebenarme IV. 1850 p. 52. 54 (16. 18). VIEL 1854 p. 2. 3. Phys. Kl. 1854. G 50 MürLteEr Mundgestell der Seeigellarven I. 1846 p. 283. 310 (11. 38). VIL 41854 p. 2. Mundöffnung der Larve und des Echinoderms verschieden I. 1846 p. 279 (7). II. 1848 p. 83 (11). V. 1851 p. 54 (22). Muskeln II. 1848 p.85 (13). VI. 1854 p. 8. Nebenarme des Mundgestells IV. 1350 p. 54 (18). der Seeigellarven VII. '1854 p. 3. Nerven, fragliche I. 1546 p. 278 (6). II. 1548 p. 101 (29). II. 1849 p. 51 (19). V.r1851 9,3508), Nizza, Beobachtungen über Asterienlarven III. 1849 p. 55 (23). Nizza, Auricularia und Holothurien III. 1849 p. 35 (3). Nizza, Ophiurenlarven V. 1851 p. 47. 52 (15. 20). Nizza, Seeigellarven IV. 1350 p. s4 (48). Ophiolepis squamata M. T., Entwickelung VI. 1852 p. 29 (5). Ophiolepis SundevalliM.T. V. 1851 p. 56 (24). VI. 1852 p. 38 (34). Ophiothrix fragilis, Larve V. 1851 p. 47 (15). Taf. VI. Fig. 6—t2. Taf. VII. VID. Ophiuren, Bau der Arme V. 1851 p. 33 (1). Ophiuren, Bildung der neuen Armglieder I. 1546 p. 2sı (9). V. 1851 p. 46 (14). Ophiurenlarven, Arten I. 18/6 p. 274. 251 (2. 9). V. 18510 p2 33/1): VI. 1852 p. 53 (34). Ophiurenlarve, braune V. 1851 p.52 (20). Taf. VI. Fig. 1—5. Ophiurenlarve, doppelt gefleckte V. 1851 p.34 (2). Taf. I—V. Ophiurenlarve, Eingeweide I. 1546 p. 277 (5). V. 1851 p. 36 (4). Ophiurenlarven von Helgoland I. 1346 p. 274. 281 (2.9). Taf. I. H. VIE. 1854 p. 31. Ophiurenlarven von Triest V. 1851 p.33 (1). Taf. I-VIH. VI. 1852 p. 53 (34). Taf. VII Fig. 5. 6. Hiezu IV. 1350 Taf. V. Fig. 11. 12. Ophiuren, Porus der Madreporenplatte VII. 1854 p. 33. Ophiuren von Triest V. 1851 p. 56 (24). VI. 1852 p. 58 (34). Pedicellarien der Seeigellarven I. 1546 p. 285 (13). IV. 1350 p. 57. 65 (21. 29). VI. 1854 p. 8. 13. 14. über die Gattungen der Seeigellarven. Pedunkel der festsitzenden Asterienlarven, Bau derselben I. 1546 p. 275 (3). II. 1548 p. 91. 93 (19. 21). VI 1852 p. 33 (9). Perisom der Ophiure, erste Anlage desselben in der Larve I. 1846 p. 278 (6). V. 1851 p. 37.39. 49 (5.7.17). Perisom des Seesterns, erste Anlage desselben in der Bipinnaria IV. 1850 p. 69 (33). Perisom des Seeigels, erste Anlage desselben in der Larve IV. 1550. p. 59 (23). Plan, allgemeiner der Echinodermenlarven VI. 1852 p. 25 (1). Pluteus bimaculatus VW. Pluteusförmige Larven I 1851 p. 34 (2). Taf. I-V. II. 1849 p. 65 (33). VL 1852 p.37 (13). Pluteus paradoxus I. 1546 p. 274 (2). Taf. I. Taf. IH. Fig. 1—6. V. 1851 p.51 (19). VII 1854 p.31. Pneumodermonlarve VI. Polische Blase III. 1549 1852 p. 43. 52. 60 (19. 28. 36). p- 43 (11). Poren des Kalksacks der Holothurien IV. 1850 p. 43 (7). Porus der Madreporenplatte der Ophiuren VII. 1554 p- 33. Puppen der Holothurien III. 1849 p. 44. 54 (12.22). Taf. IV. V. Fig. 1—3. IV. 1850 p. 39 (3). VI. 1852: p. 47 (23). Taf. II—V. Respiratorische Röhrchen der Asterien III. 1849 p. 60 (28). Ringkanal der Holothurien HI 1849 p. 42. 53 (10. 21). IV. 1850 p. 41 (5). Roccoco-Larve von Helsingör I. 1846 p. 305 (33). II. 1s4s p.77 (5). Rosetten, contractile, der jungen Holothurien IV. 1850 p. 46 (11). Rosette von Blinddärmchen, siehe Tentakelanlage. Rückenporus der Bipinnarien IV. 1850 p. 68 (32). Rückenporus der Ophiuren VII. 1854 p. 34. larven VII. 1854 p. 31° Taf. IX. Big. 1,2: Rückenporus der Seeigellarven IV. 1850 p. 56 (20). Rückenporus der Tornaria III. 13849 p. 56 (24). Sacconereis Schultzii M. und Larve VI. 1852 p. 31 (7). Scheitelfortsatz der Spatangoidlarven I. 18/6 p. 289 (17). IV. 1850 p. 63 (27). VII 1854 p. ıs. Schwärmende Larven VI. 1852 p. 37 (13). Seeigel, adriatische IV. Seeigel des Mittelmeers Seeigel des Sundes I. A Van Seeigellarven, Altersunters 1850 p.49 (13). IV. 1850 p. 47 (10). 846 p. 288. 295. 304. 312 (16. 23. 32. 40). 854 p. 27. chiede VII 1854 p. 2. G2 52 MüLısEr Seeigellarven, Eingeweide I. 1846 p. 234 (12). IV. 1840 p. 50 (14). Seeigellarven, Fortsätze derselben nach I. 1846 p. 310 (38). der ältern und spätern Bezeichnung IV. 1850 p. 54. 53 (18. 47). VI. 1852 p. 40 (16). VII. 1854 p. 2. Seeigellarven, Gattungen derselben VII. 1854 p. 1. Seeigellarven mit Gitterstäben I. 1846 p. 289 (17). Taf. IH. IV. 1850 p. 62 (26). Taf. VII. VI. 1852 p. 59 (35). Taf. VIII. Fig. 3—10. VII. 1854 p. 5.9. 10. 14. 22. Taf. I—-VII. Seeigellarven mit Wimperepauletten I. 1846 p. 282 (10). Taf. IV. Fig. 3—5. Taf. V. VI. IV. 1850 p. 50 (14). Taf. VI. VII. IX. Fig. 3. VI. 1852 p. 58 (34). Taf. VII. Fig. t. 2. VII. 1854 p. 10. 14. Taf. 1. Seeigellarven ohne Wimperepauletten I. 1846 p. 289. 295 (17. 23). Taf. III. IV. Fig. 1. 2. VII. 1854 p.9. 10. 14. 22. Taf. II—VII. Seeigellarve, Skelett I. 1346 p. 283. 289.306 (11. 17. 34). IV. 1850 p. 54. 61. 62 (18. 25. 26). VII. 1854 p. 2—31. Seeigellarven von Messina VIL 1854 p. 3—22. Taf. I-VII. Seeigellarve vom gezähnten Seeigel von Helsingör I. 1546 p. 295 (23). Taf. VII. Fig. 9—11. VII. 1854 p. 22. Taf. VII. Seeigellarve von Marseille IV. 1850 p. 65 (29). Taf. VII. Fig. 9. Seeigellarve von Messina, unbekannte VII. 1854 p.9 Taf. V. Fig. 1—4. Seeigelscheibe in der Larve I. 1346 p. 284 (12). Seeigelscheibe, ob dorsales oder ventrales Polarfeld des spätern Seeigels? I. 1846 p. 297 (25). IV. 1850 p. 59 (23). Seeigel von Helgoland VII. 1854 p. 22. 27. Seeigel von Messina VII. 1554 p. 1. Semitae der Spatangoiden VI. 1852 p. 57 (33). Taf. VII. Fig. 7—9. Skelet der Ophiurenlarven I. 1846 p. 275 (3). V. 1851 p. 35. 48. 52 (3. 16. 20). VII 1854 p.31. Skelet der Seeigellarven I. 1846 p. 283. 289. 306 (11. 17. 34). IV. 1850 p. 54. 61. 62 (18. 25. 26). VII. 1854 p. 2—31. Spatangoidlarven VII. 1854 p. 15. Spatangoidlarven von Helgoland 1. 1846 p. 289 (17). Taf. II. Spatangoidlarven von Messina VII. 1854 p. 15. Taf. V. Fig. 5. 6. Taf. VI. VII. Spatangoidlarve von Triest VI. 1852 p. 59 (35). Taf. VIIL Fig. 7—9. Spiracula IV. 1350 p. 47 (10). Stacheln der Seeigel, Entwickelung derselben I. 1846 p.286 (14). über die Gattungen der Seeigellarven. 53 Stacheln der Seeigel, Wimperbewegung VI. 1852 p. 57 (33). Staffelei I. 1846 p. 275 (3). Steincanal der Seeigel IV. 1850 p. 56.59 (20. 23). Taf. VII. Fig. 4—7. Taf. IX. Fig. 3. 4. Steincanal der Seesterne II. 18/8 p. 90 (18). III. 1849 p. 62 (30). IV. 1850 p. 68 (32). Strömung im Wassergefälssack der Bipinnarien IH. 1849 p. 80. 96 (8. 24). und in den Armen der Brachiolarien VII. 1854 p. 34. Synapta digitata VI. 1852 p. 59 (35). Synaptula vivipara Oersted VI. 1852 p. 29 (5). Tentakelanlage der Auricularia II. 1848 p. 99 (27). III. 1849 p. 40 (8). IV. 1850 p. 4 (5). Tentakelanlage der Bipinnarien IV. 1850 p. 69. 72 (33. 36). Tentakelanlage der Brachiolaria II. 15/8 p. 97 (25). III. 1849 p. 40 (8). VII. 1854 p. 38. Tentakelanlage der Ophiuren V. 1851 p. 37 (5). Tentakelanlage der Seeigelscheibe IV.-1350 p. 59 (23). Tentakeln siehe Fülse. Tentakelrosette, sıehe Tentakelanlage. Tentakelstern, siel:e Tentakelanlage. Tentakelsystem der jusgen Holothurien III. 1849 p. 41.52 (9. 20). IV. 1850 p. 42 (6). Tentakelsystem der Ophiuren, Entwickelung desselben V. 1851 p. 37 (5). Tentakelsystem der Seeigelscheibe IV. 1550 p.59 (23). Taf. IX. Fig. 3. 4. Terminologie der Echinodermenlarven VI. 1852 p. 39 (15). Tornaria II. 1548 p. 101 (29). Taf, V. Fig. 4—10. III. 1849 p. 55 (23). Taf. VI. Fig. 1—7. IV. 1850 p. 75 (39). Taf. IX. Fig. 5—7. VL 1852 p. 53 (29). Triest, Beobachtungen daselbst über Asterienlarven IV. 1850 p. 66 (30). Triest, Holothurien IV. 1850 p. 38.77 (2. 41). VI. 41852 p. 47.59 (23. 35). Triest, Ophiuren V. 1851 p. 56 (24). VI. 1852 p. 58. (34). Triest, Ophiurenlarven V. 1851 p. 33. VI. 1852 p. 58 (34). Triest, Seeigellarven IV. 1850 p. 49—65 (13—29). VI. 1852 p. 58 (34). Trizonius coecus Busch VI. 1852 p. 60 (36). Typus der Echinodermenlarven VI. 1552 p. 41 (17). Umbo der Seeigellarven IV. 1850 p. 54 (18). 54 Miürter Umbrella der Ophiurenlarven V. 1851 p.35 (3). VI. 1852 p. 44 (20). Vergleichung der Echinodermenlarven I. 1346 p. 278 (6). mit andern Larven VI. 1852 p. 39. 43. 52. 57.59 (15. 19. 28. 33. 35). Vexillaria labellum M. I. 1846 p. 274 (2). Warze der Brachiolarıa VII. 1854 p. 37. Warze der Echinasterlarve VI. 1852 p.34 (10). Wassergelälssack der Bipinnarien II. 1845 p. 80 (8). IV. 1850 p. 68. 74. (32. 38). VII. 1854 p. 34. Wassergefäfssack der Tornariıa III. 1849 p. 57 (25). IV. 1850 p.75 (39). Wassergefälssystem der Holothurien III. 1849 p. 43 (11). IV. 1850 p. 39. 45 (3. 9). Wassergefälssystem der Seeigel IV. 1850 p. 56. 59 (20. 23). Wimpel der Bipinnarien II. 1848 p. 79 (7). Wimpel einiger Seeigellarven VII. 1854 p. 9. 10. Wimperbewegung an den Stacheln der Seeigel VI. 1852 p. 57 (33). Wimperbewegung des Wassergefälssystems I. 1846 p. 238 (16). II. 1848 p. SO. 96 (8. 24). IV. 1850 p. 68 (32). VII. 1854 p. 34. Wimperbewegung in den Verdauungsorganen I. 1846 p. 277. 284 (5. 12). II. 1848 p. 79. 100. 103 (7. 28. 31) Wimperepauletten. I. 1846 p. 282 (10). Wimperkranz der Tornaria II. 1848 p. 102 (30). Wimperkränze der Holothurienpuppen III. 1849 p. 41 (9). IV. 1850 p. 45 (9). VI. 1852 p. 47 (23). Wimperkränze der Pneumodermonlarve VI. 1852 p. 52 (28). Wimperkränze von Pteropodenlarven VI. 1352 p. 52 (28). Wimperkränze von Wurmlarven VI. 1852 p. 42. 52. (18. 28). Wimperreifen der Holothurienpuppen, Entstehung ‚derselben aus der bilateralen Wimperschnur IV. 1850 p. 45 (9). VI. 1852 p. 47 (23), Wimperschnur, bilaterale III. 1849 p. 67 (35). VI. 1852 p. 42 (18). Wimperschnur, bilaterale. Umbildung derselben in die Wimperreifen der Holothurienpuppen IV. 1350 p.45 (9). VI. 1852 p. 47 (23). Wimperschnur der Auricularia II. 1848 p. 98 (26). Wimperschnur der Ophiurenlarven I. 1546 p. 277 (5). Wimperschnur der Seeigellarven I. 1846 p. 284 (12). ‚VII. 1854 p. 12. 20. über die Gattungen der Seeigellarven. 55 Wimperschnur, doppelte der Asterienlarven II. 1848 p. 78 (6). VI. 1852 p. As (21). Wurmförmige Asteridenlarve III. 1849 p. 58 (26). Taf. VI. Fig. s—12. Taf. VII. Fig. 1-4. IV. 1850 p. 76 (40). VL 1852. Taf. I. Fig. 15. 16. Wurmförmige Echinodermenlarven VI. 1852 p. 46 (22). Wurmlarven VI. 1852 p. 31. 42. 56.60 (7. 18. 32. 36). Wurstförmige Körper II. 1848 p.99 (27). Taf. IV. Taf. V. Fig. 1—3. der Auricularien III. 1849 Taf. I. Fig. 5—9. Taf. IV. Fig. 6. Wurstförmige Körper der Bipinnarien IV. 1850 p. 68 (32). Taf. II. Fig. 6e. Wurstförmige Körper der Ophiurenlarven I. 1846 p. 277 (7). Taf. I. Fig. 2c. V. 1851 Taf. I. Fig. 1c. Taf. VII. Fig. 1c. Wurstförmige Körper der Seeigellarven IV. 1550 p. 53 (17). Taf. VI. Fig. 11z. Zähne von Astropyga IV. 1850 p.64 (28). Zähne von Cidaris I. 1846 p. 307 (35). Zähne von Diadema I. is46 p. 307 (35). Zähne von Echinocyamus VI. 1854 p. 27. Zähne von jungen Seeigeln I. 1846 p. 296 (24). Taf. VII. Fig. 9—11. VII 1854 p. 27. Zeit der Reife der Echinodermen II. 1848 p.76 (A). III. 1849 p. 55 (23). IV. 1850 p. 38. 51.60 (2. 15. 24). Zellen der Echinodermenlarven III. 1849 p. 39. 42. 56 (7. 10. 24). IV. 1850 p. 44. 60. 69 (8. 24. 33). VI. 1852 p. 27 (3). VII. 1854 p. 34. Zweck der Larvenzustände und Metamorphose der Echinodermen VI. 1852 p. 55 (31). Corrigenda. In der ersten Abhandlung über Echinodermenlarven Abh. d. Akad. Jahrgang 1846. p- 282 (10) Z. 1. v. u. statt j. V. lies T. V.— p. 294. (22) Z. 19. statt 175 lies 275. — p.298. 299. (26. 27) statt Crossasterl. Solaster. — p. 301—305 (29— 33) statt Bipennarial. Bi- pinnaria, In der vierten Abhandlung. J. 1850. p. 48 (12) Z. 11 statt E.sardicus Lam. von Blainvy. lies: E.sardicus Lam. non Blainv. In der sechsten Abhandlung J. 1852 p. 39 (15) Z. 16. und p. 59 (35) Z. 4. v. u. statt Pylidium lies Pilidium. w ME . ' v7 } A M u h u ug, ii j% = ; a i z f H 5 fe "m in i } ) j h hi wer Ye | x ir 2 srraluganahe N: as 8 un) 8.28. ‚ad te. zaaı I ou Fe a a: ar am“ gl, bar Il: aa ” ed Br a. tet Br ; MR ,, a ala GRaN.. RE 2, „ENTER ai JE Ran iR SE saneagigill ab; . u 52 IE Ad i1e Bet * Y uayınlayı ng wb va 5 ao Mine. WAT “8 IMT, I E 3 f y „sl af, Av Ant oO ei, % ‚ud, " aorullagiona ob er og | SR 3 DR A dan Ne Me UHR ao. ; in. . } er sr) “a einchi) mar hi A fü) A ae Le Fe | ssnbetll nen s 18.4 baaı > » errooic “r A gi 7. ur 004 4 abet „ ‚ads HELL unguaf- ; ye Do 2? le r en Ber a taah HIV - v0 > x ‘ 2: z a u H 5 6) Mi ri Ki } or a a 'i u „anenzboniisd anb Bio (er ta,g ebar ET 20 art e AdEZ j *) ou; 18 A baut. VL, REN ü „the Pr Fr de ‚si $8- .q a ir j \ naıslaonrahanida i "(6E „#8 2 Wo 0. 6 Lu DER H w Bern Kal i . ,k6r NE ,g et BZ ee Fi % ” = hu Eh ne Irar av. ä er - % on se) 28 .q, üäul IT aan oniehagt aa Priiuhl kat) its En ; B ". f Er “ sch ; E ii, | R= | DAR A a a A ] 27 j - I $ 4 u bi ae > Iy.4 EN u. S f i N we abasgirtod m r bar, gusgulel,, ‚bed .bi.ddä: a zack ri aslers er I w \ det Erg — el ar: une ae VT ei ata nn -säh A niıwuna yuhtarn (Bi nr) Ye u autanlod. IRIETITTEN I Yv \ avr ‚märk susihres u tin 1,8 @) rh y- rar .& ‚gunlbasddAs narähe zer az „nein niit Wir u vw .b 8 faryaa ‚ty. ben hl SG r) hr ET ARE zeit sad‘ noteln A Eu ; > “ ’ 5 N erh) 1: | | — ta el 2 Abh.ü.d. attungen d.Seeigellarven. Jahrg 1854 Zn en CE. Weber gest. ET Mdkar, dl. CE Wehr Pest. enschteler SC. ar S MWagenschieber se. TR | ER. SE RER a Über die Lagerung der Kreideformation im schlesischen Gebirge. Von H" BEYRICH. nnnnnnnnnannn ann [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 30. März 1854.] D: Schichten der Kreideformation finden sich im Innern des schlesischen Gebirges an vielen Stellen, zum Theil in beträchtlichen Erstreckungen, an den Rändern der von ihnen eingenommenen Räume steil erhoben bis zur vertikalen und selbst übergestürzten Stellung, und es zeigen sich Formatio- nen, welche ursprünglich die Unterlage der aufgerichteten Kreideschichten bildeten, in gleich schroffer Schichtenstellung zwischengeschoben zwischen die letzteren und die viel älteren Gebirgsmassen, an deren Seite die einen wie die andern abgesetzt wurden. Diese Erscheinungen sind vollkommen analog den zuerst durch Herrn Weifs bekannt gewordenen, sehr merkwür- digen und von vielen Beobachtern später ausführlich wiedergeschilderten, aber sehr verschiedenartig gedeuteten Störungen in der Lagerung des sächsi- schen und böhmischen Kreidegebirges längs seines Ablagerungsrandes an den krystallinischen Gesteinen des Lausitzer und zum Theil noch des Erzgebirges. Eine besondere Zusammenstellung der betreffenden, grofsentheils bisher un- bekannt gebliebenen Verhältnisse im schlesischen Gebirge dürfte von allge- meinerem Interesse sein, weil sich daraus ergiebt, dafs das Gebirgssystem der Sudeten in seiner ganzen Ausdehnung gleich dem Lausitzer Gebirge noch nach dem Abschlufs der Periode des Kreidegebirges die heftigsten Erschütte- rungen erlitten hat. Auch wird man durch die Vergleichung mit den ähnlichen schlesischen Erscheinungen einen Anhalt für eine richtigere Beurtheilung der Bedingungen gewinnen, unter welchen die viel besprochenen Erscheinungen am Rande des Lausitzer Gebirges hervörgerufen wurden. Phys. Kl. 1854. H 58 BeEeyrIıcHh An der Nordseite des Riesengebirges nimmt der gröfsere Theil der vom Diluvium unbedeckt beobachtbaren Ablagerungen der Kreideformation nur den innern Theil derselben Räume des Gebirges ein, in welchen vorher schon die Formationen des Muschelkalks, bunten Sandsteins, Zechsteins und Rothliegenden abgesetzt waren. Die Formation der versteinerungsleeren oder primitiven Thonschiefer ist der Träger der Flözformationen, die überall, wo sie sich in ungestörter Lagerung befinden, gleichmäfsig auf einander ru- hen, dagegen mit scharfem Contrast der Lagerung an den primitiven Schie- fern absetzen. Es sind demnach hier sehr alte, vor der Formation des Roth- liegenden schon entstandene Reliefformen des Gebirges, welche im Grofsen unverändert bis zur Tertiärzeit hin die Anordnung der einander folgenden Formationen bestimmten. Gegen Norden läfst sich durch eine Reihe zerstreuter Flecke von an- stehenden Gesteinen der Thonschieferformation aus der Gegend von Gold- berg über Bunzlau hinaus bis nahe zum Queifs heran mit Sicherheit eine Grenzlinie construiren, welche von den südlich liegenden Flözbildungen nicht überschritten wird. Man sieht die Thonschiefer noch eine Gruppe erhabener Berge zwischen dem Katzbach-Thal bei Goldberg und der schnel- len Deichsel bei Ulbersdorf bilden, sie lassen sich weiter nach einer geringen Unterbrechung von Ulbersdorf bis Ober-Alzenau verfolgen, sie erscheinen wieder zwischen Ober-Alzenau und Mittlau, dann bei Ober-Thomaswal- dau, in Verbindung mit Grünsteinen im Schönfelder Wald nordöstlich von Bunzlau, im Boberthal gegenüber von Wiesau, und zuletzt noch in hervorragenden Bergen nahe Kromnitz und in nordwestlicher Richtung von diesem Dorf in der Klitschdorfer Heide mitten zwischen den Thälern des Bober und des Queils. Ohne Zweifel sind diese zerstreuten Thon- schieferpartieen Theile eines grölseren zusammenhängenden und mit den Thonschiefern der Nordseite des Riesengebirges verbundenen Urschiefer- bezirkes, dessen weitere uns unbekannte nördliche Fortsetzung unter be- deckenden Diluvial- und Tertiärgebilden versenkt liegt. Zwischen seinem Rande und den Thonschiefern am Nordabfall des Riesengebirges ruhen die Flözformationen , wie Herr v. Dechen (') klar entwickelt hat, wie in z == =; (') Das Flözgebirge am nördlichen Abfall des Riesengebirges. In Karsten und y. De- chen Archiy für Mineralogie etc. Bd. XI. 1838. S. 84 fg. über die Lagerung der Kreideformation im schlesischen Gebirge. 59 einer weiten Mulde, welche sich in südöstlicher Richtung mit drei schma- len einander ohngefähr parallelen Buchten vou verschiedener Länge und Breite in die Thonschiefer hinein verzweigt. Die Buchten sind alte Meeres- busen, deren ursprüngliche Form sie als relative Einsenkungen des Gebir- ges zum Theil noch gegenwärtig bewahren. Der südlichste der drei Bu- sen zweigt sich südlich von Löwenberg in der Gegend von Klein-Röhrs- dorf und Merzdorf von der Hauptmulde ab und erstreckt sich etwa 2 Meilen lang und höchstens 4 Meile breit südlich von Lähn vorbei in der Richtung gegen den Stangenberg hin bis an das obere Ende des Dorfes Flachenseifen,; ringsum umzingeln Thonschiefer die Flözeinlagerungen die- ses Busens, dessen Mitte östlich des Bobers die Thaleinsenkung bezeichnet, in welcher die langgedehnten Dörfer Flachenseifen und Langenau sich hinziehen. Der mittlere längste der drei Busen beginnt zwischen Schönau im Katzbach-Thal und Hohenliebenthal; er erstreckt sich, einer durchge- henden Spaltung des Thonschiefergebirges entsprechend, bis an den östli- chen Rand des Gebirges-nordostwärts von Bolkenhayn. Nur im Süden und Norden zeigen die mit scharfem Absatz der Form über die Niederung sich erhebenden Thonschieferberge unverändert die alten Ränder dieser schmalen Meeresbucht, deren Ende aufserhalb des spät erst entstandenen östlichen Gebirgsrandes unter dem Diluvium eingesenkt zu denken ist. Die dritte kürzeste und breiteste Bucht umfafst die Flözablagerungen, welche sich von dem Thal der schnellen Deichsel her südlich von Goldberg fort gegen Hasel und Konradswalde hin verbreiten. Die ungleichartige Ausfüllung der drei östlichen Ausbuchtungen der Hauptmulde des Flözgebirges bedingt eine Sonderung der Kreideablagerun- gen in zwei von einander vollständig getrennte Theile. In die mittlere lange bei Schönau beginnende Bucht ist nur die älteste der vorhandenen Formatio- nen, das Rothliegende, eingedrungen. Im Innern des südlichen Busens von Lähn wurden, mit Ausnahme des Muschelkalkes, alle Formationen bis zur Kreideformation hinauf, wie in der Hauptmulde, abgesetzt; aber die Forma- tion des Rothliegenden mit ihren Melaphyren zieht, in grofser Breite un- bedeckt von den jüngeren Formationen, am Eingange des Busens vorüber, dessen innere Ausfüllungen deshalb eine von der nördlichen Hauptmulde ganz getrennte Nebenmulde bilden. Nur die Ausfüllungen des Goldberger Busens hängen mit den jüngeren Ausfüllungen der Hauptmulde als deren öst- H2 60 Beysıca liches Ende zusammen. Hiernach sind an der Nordseite des schlesischen Ge- birges zwei von einander getrennte Ablagerungsräume der Kreideformation zu unterscheiden, der eine gröfsere der nördlichen Hauptmulde, welche öst- lich sich verschmälernd in den Goldberger Busen ausläuft, und die kleinere der Nebenmulde des Busens von Lähn. Wie überall in Sachsen, Böhmen und in allen übrigen Gegenden Schle- siens, wo die Kreideformation auftritt, sind auch hier nur solche Ablagerun- gen entwickelt, welche der oberen Abtheilung der Formation angehören, d. h. es sind nur Schichten vorhanden, welche jünger sind als der Gault. In der nördlichen Hauptmulde beginnen sie an den Rändern mit einem rauhen, grobkörnigen Quadersandstein, welcher in der Gegend von Löwenberg und anderwärts in zahlreichen Steinbrüchen vornehmlich zu Mühlsteinen verar- beitet wird. Exogyra Columba, Pecten asper, Pecten aequicostatus, Ammo- nites Rhotomagensis und zahlreiche andere Muscheln liefern den Beweis, dafs dies der gleiche Sandstein ist, welcher in Sachsen und Böhmen längst als das Äquivalent des englischen oberen Grünsandes oder als ein Glied der jetzt von d’Orbigny mit der bequemeren, von einer besondern Gesteinsbe- schaffenheit unabhängigen Benennung des Cenoman belegten Abtheilung der Formation ist. Der cenomane (Quadersandstein für sich allein füllt den öst- lichen Ausläufer der Hauptimulde im Goldberger Busen aus; er ist in glei- cher Weise fast das einzige Glied der Formation, welches den innern Raum der südlichen Nebenmulde des Lähner Busens einnimmt. Über dem Ceno- man-Sandstein zeigt sich nur in geringer Erstreckung an einigen Stellen zwi- schen dem Bober und dem Thal der schnellen Deichsel, östlich von Braunau und westlich von Pilgramsdorf gegen Hahnwald hin, eine Ablagerung von dünngeschichtetem, klüftigem, mergeligem Kalkstein, welcher seiner petrogra- phischen Beschaffenheit nach wie nach den wenigen darin gefundenen Ver- steinerungen dem Plänerkalkstein von Strehlen im Elbthal oder dem von Oppeln im Oderthal gleichgestellt werden mufs. Diese hier so wenig ent- wickelte Kalksteinbildung entspricht, wie Herr Ewald zuerst gezeigt hat, im Alter den Hippuritenkalken der Alpen und nimmt das Niveau des oberen Kreidegebirges ein, welchem dOrbigny den Namen Turon beilegt. Statt des turonen Plänerkalks liegt westlich des Bobers über dem Cenoman-Sand- stein unmittelbar ein sehr mächtiges und mannigfaltig gegliedertes System von Ablagerungen, welches in seiner Gesammtheit den Äquivalenten der weilsen über die Lagerung der Kreideformation im schlesischen Gebirge. 61 Kreide, dem Senon d’Orbigny’s zugestellt werden mufs. Es beginnt mit einem zur Ziegelfabrikation verwendbaren Thon, welchem thonige Sandsteine ein- gelagert sind. Darüber folgt ein vielfach als Haustein benutzter Quadersand- stein von feinem Korn, welcher bei Giersdorf reich ist an organischen Resten von auffallender Übereinstimmung mit solchen, die an der Nordseite des Harzes am Regenstein in einem gleichfalls über dem turonen Plänerkalk lie- genden jüngern Quadersandstein gefunden werden. Zu oberst endlich folgen mürbe Sandsteine mit Lagen von Töpferthon, oder lockere Anhäufungen von Sand und Kies mit klumpigen oder blockförmigen Ausscheidungen eines sehr harten kieseligen Sandsteins, welche sich durch eine glänzende, wie polirte Oberfläche auffallend auszeichnen und von Herrn v. Dechen mit den losen Blöcken oder sogenannten Knollensteinen aus der Braunkohlenformation der Saalgegenden und im Magdeburgischen verglichen worden sind. Dieser ober- sten Decke des Kreidegebirges gehören als untergeordnete Einlagerungen die Kohlenflöze von Ottendorf und Wenig-Rackwitz an, so wie die Eisensteine von Wehrau. Die angegebene Folge unterscheidet sich wesentlich von der Zusam- mensetzung der gleich alten Bildungen in Sachsen und im nördlichen Böh- men. Übereinstimmend beginnt zwar auch hier gewöhnlich die Reihe mit einem cenomanen ee der zuweilen vertreten wird durch die in Schlesien nicht gekannten Tourtiabildungen des Plauenschen Grundes und anderer sächsischer Orte; es fehlen aber in Sachsen gänzlich Ablagerun- gen, welche mit den obersten, kohlenführenden Senonbildungen Schlesiens verglichen werden könnten; ja es ist zweifelhaft, ob in Sachsen irgend etwas von dem, was oberer Quadersandstein genannt wurde, jünger sei als der tu- rone Plänerkalkstein. Für die Entwickelung des Senon bieten für die nord- schlesischen Verhältnisse im nördlichen Deutschland nur die Ablagerungen am Harzrande bei Quedlinburg Analogieen dar; hier wird aber unterscheidend, wie jetzt festgestellt ist, das Cenoman nicht durch Quadersandsteine vertreten. Augenscheinlich steht die verschiedene Zusammensetzung der nord- schlesischen und der sächsischböhmischen Kreidebildungen in Zusammen- hang mit der räumlichen Trennung der Meeresbecken, in welchen die einen und die andern Absätze stattfanden. Kaum sind wir im Stande über die Verbindungswege, welche gewifs zwischen den Gewässern der beiden Becken vorhanden waren, Vermuthungen auszusprechen. Die Kreideablagerungen 62 Berrıcn des Elbthals enden bei Meifsen und sind nur eine seitliche Verzweigung der ausgedehnteren böhmischen Kreidebildungen. Was nördlich des Lausitzer Gebirges von anstehenden Gesteinen aus dem Diluvium hervorragt, zeigt an, dafs zwischen dem Elb- und Neisse-Thal weit ab vom Gebirge keine Kreide- bildungen in der Tiefe zu erwarten sind. In der Einsenkung, welche von Görlitz und Lauban her gegen Zittau das Lausitzer vom Isergebirge schei- det, ist keine Spur von Kreidebildungen gekannt, obwohl braunkohlenfüh- rende Tertiärbildungen die Tiefen ausfüllen. Dies letztere Verhalten kann vielleicht zu der Annahme führen, dafs hier vor Ablagerung des Tertiärge- birges eine Senkung von früher erhabeneren Theilen des krystallinischen Ge- birges, welches die Unterlage der Braunkohlenformation zwischen Zittau und Görlitz bildet, erfolgt sei; es giebt dasselbe aber keine Stütze ab für die Vorstellung, dafs die Scheidung zwischen den Kreidebildungen bei Zittau und denen, die im Neifse-Thal erst abwärts von Görlitz sichtbar werden, durch ein nachher erst erfolgtes Emporschieben der trennenden, vorher als nicht vorhanden oder von den auseinander gebogenen Kreidebildungen bedeckt gedachten Gebirgsmassen hervorgerufen sei. Hat in der That in jener Ge- gend das Gebirge in seiner Form und relativen Erhebung die angedeutete Veränderung erlitten, so ist eine unmittelbare Beziehung derselben zu der Erscheinung aufgerichteter Schichten, welche wir verfolgen werden, nicht nachweisbar, und es wird immer zweifelhaft bleiben, ob beide Verhältnisse gleichzeitig oder nacheinander entstanden sind; unmöglich ist es, in dem einen die Ursache des andern zu suchen. Im Umfange unseres nordschlesischen Gebietes von Kreideablagerun- gen sind am Rande der nördlichen Hauptmulde schon durch Herrn v.Dechen zwei Stellen als merkwürdig ausgezeichnet worden, wo der Muschelkalk in aufgestürzter Stellung im Liegenden derselben Kreidebildungen zu Tage d tritt, welche nicht weit davon entfernt ohne auffallende Störung in der La- ö gerung bis nahe oder unmittelbar an die Schiefer des Muldenrandes heran- reichen. Diese Stellen, welche ich zuerst hervorhebe, sind bei Wehrau am Queifs und zu Hermsdorf bei Goldberg westlich des Katzbachthales. Bei Wehrau ist der Muschelkalk zu beiden Seiten des Queifs, auf der rechten Thalseite am Wege nach Klitschdorf in einem alten verlassenen Stein- bruch, auf der linken Thalseite weiter entfernt vom Flusse in einem noch gegenwärtig betriebenen grofsen Bruch aufgedeckt. In ersterem maafs ich über die Lagerung der Kreideformation im schlesischen Gebirge. 63 das Fallen der Schichten A. 3+ mit 70° gegen S. W., in letzterem beobach- tete es Herrn v. Dechen A. 4+ mit 50° nach derselben Richtung. Mit die- ser steilen Neigung hebt sich der Muschelkalk unter den Ablagerungen der Kreideformation hervor, welche sich von Süd her bis zur Berührung an den g nicht die Linie überschreiten, welche durch die Streichungsrichtung der erhobenen Muschel- kalkschichten angezeigt wird. Nördlich des Muschelkalkes ist im Queifs-Thal älteres anstehendes Gebirge zwar nicht mehr blosgelegt; doch läfst der bis nahe Muschelkalk heranziehen, aber auch in ihrer Verlängerun heran noch bestimmbare Verlauf der südlichen Grenzlinie des eingesenkten nördlichen Urschiefergebirges nicht zweifeln, dafs in nicht weiter Entfernung nördlich von dem Wehrauer Muschelkalk der Thonschiefer in der Tiefe vor- überziehen mufs, und dafs somit die Stellung des Wehrauer Muschelkalks eine ganz gleiche ist, wie die des Kalks von Hermsdorf, der am Fufs erhabe- ner Thonschieferberge hervortritt. Der Parallelismus der nordwest-südöstli- chen Streichungslinie des Wehrauer Muschelkalks mit dem Verlauf der Thon- schiefergrenze entspricht dem gleichen Verhalten überall, wo Aufrichtun- gen an der Grenze des Urgebirges beobachtet werden. Nicht die Struktur der Gebirgsmassen, an deren Rändern die Erhebung stattfand, sondern die lineäre Erstreckung ihrer äufseren Begrenzung bestimmte die Richtung der erhobenen Schichten. Die bei Wehrau mit dem Muschelkalk zusammenstofsenden Gesteine der Kreideformation gehören zu den Ablagerungen, welche als die obersten Senonbildungen in der Hauptmulde unterschieden wurden. In dem verlasse- nen Bruch auf der rechten Thalseite zwischen Wehrau und Klitschdorf war zu der Zeit als ich diese Gegend bereiste, durch Versuchsarbeiten auf einem dem Muschelkalk naheliegenden Kohlenflöz die Folge der an denselben an- stofsenden Ablagerungen der Beobachtung zugänglich gemacht, und es liefs sich damals die Thatsache feststellen, dafs mit dem Muschelkalk gleich- mäfsig auch das anstolsende Kreidegebirge erhoben wurde. Neben dem weg- gebrochenen Muschelkalk zeigte sich zuerst ein lockerer, zum Theil durch beigemengte Kohlentheile dunkel gefärbter Sand, dann folgte das Kohlentlöz, dessen steile dem Muschelkalk gleiche Stellung die in dem losen ungeschich- teten Sande nicht beobachtbare Aufrichtung erwies; darüber lag ein dem unteren gleicher Sand, worauf ein harter, nur durch Sprengen zu bewälti- gender Kieselsandstein getroffen wurde. 64 Berrıch Augenscheinlich sind diese neben dem Muschelkalk aufgerichteten Ab- lagerungen dieselben, worin bei dem nahen Teufelswehr zu Wehrau das Flufsbett eingeschnitten ist. Man sieht den Queils, welcher südwärts schon längst das Ansehen eines in lockerem Schuttlande ausgespülten, von sanften und niederen Gehängen begrenzten weiten Thalbettes angenommen hat, hier plötzlich von steilen Wänden eingeengt, zwischen welchen das Wasser schäu- mend über mächtige durcheinander geworfene Felsmassen von Kieselsand- stein fortbraust. Das Wasser entführte den lockeren Sand, welcher diese Felsblöcke als unregelmäfsige Klumpen einschlofs ; die Blöcke stürz- ten zusammen und verhinderten zugleich die Erweiterung des Thalbettes. Wenn die Beschaffenheit dieser von dem Queifs durchschnittenen Massen auch ein Urtheil, ob sie sich in ruhiger oder gestörter Lagerung befin- den, sehr erschwert, so läfst sich doch aus ihrem allgemeinen räumlichen Verhalten folgern, dafs die Aufrichtung der in dem Steinbruche zwischen Wehrau und Klitschdorf mit‘ dem Muschelkalk zusammenstofsenden Ab- lagerungen nicht mehr jene in so geringer Entfernung liegenden gleichen Bildungen am Teufelswehr betroffen hat; nur in einer sehr schmalen Zone folgte das anstofsende Kreidegebirge der den Schichten des Muschelkalkes ertheilten Bewegung. Nordwestlich von Wehrau, etwa + Meile von dem grofsen Kalkbruch, sind zur Seite des nach Tiefenfurth führenden Weges ein paar kleine Stein- brüche eröffnet, in welchen eine 10 bis 15 Fufs mächtige, zwischen lockerem weifsen Sande liegende Bank von Quadersandstein als Werkstein gebrochen wird; sie streicht wie der Muschelkalk bei Wehrau A. 9 und fällt unter 70° gegen S.W. Da die Stelle genau in die Verlängerung der Erhebungszone des Wehrauer Muschelkalks fällt, kann sie als ein Beweis dafür gelten, dafs die im Queifsthal beobachteten Aufrichtungen westwärts noch weiter unter den Diluvialüberschüttungen fortsetzen. Auf ein gleiches Fortsetzen süd- östlich von Wehrau deutet vielleicht das Verhalten hin, dafs hier die im Walde aus dem Boden in grofsen Felsen hervorragenden Blöcke von Kiesel- sandstein an mehreren Stellen in langen Reihen von N. W. gegen S. O. ge- ordnet sind; doch sind bestimmtere Beobachtungen über die Lagerung nicht möglich. Im Boberthal bei Bunzlau ist nichts mehr von auffallenden Auf- richtungen der Kreideformation zu bemerken, und so wenig wie hier sind an irgend einem anderen Punkte längs des nördlichen Randes der Haupt- über die Lagerung der Kreideformation im schlesischen Gebirge. 65 mulde bis zur schnellen Deichsel hin Erscheinungen gekannt, welche denen bei Wehrau am Queifs oder bei Hermsdorf vergleichbar wären. Der Kalkstein von Hermsdorf, den ich nach einigen darin gefundenen Versteinerungen sicher als Muschelkalk bestimmen konnte, liegt in Verbin- dung mit einer kleineren Masse von buntem Sandstein wie ein Keil zwischen- geschoben zwischen dem nördlich sich erhebenden Thonschiefer und dem südlich an letzterem ausgebreiteten cenomanen Quadersandstein. Nur am westlichen Ende des Muschelkalkes wird zwischen demselben und dem Schie- fer und nachher noch auf eine kurze Strecke allein zwischen dem Schiefer und Quadersandstein der bunte Sandstein sichtbar. Nach seinem Verschwin- den gegen Pilgramsdorf hin stofsen Quadersandstein und Schiefer unmittel- bar aneinander und ebenso ostwärts im Katzbachthal, in welches der Mu- schelkalk nicht herabreicht. Die ganze Länge des Keils von Muschelkalk und buntem Sandstein beträgt nicht mehr als + Meile. Die Muschelkalkschich- ten haben überall eine steile von der senkrechten wenig entfernte Stellung, bald von dem Schiefer ab ,- bald übergestürzt ihm zufallend ; letzteres wurde früher schon auch von Herrn v. Dechen beobachtet, der an dem einen Ende eines Steinbruchs das Fallen der Schichten in A. 2 mit 60 bis 70° ge- gen N. O., an dem andern Ende desselben Bruches in 4. 4 mit 70° gegen N. O. bestimmt hat. Die allgemeine Streichungslinie der Schichten ist von W.N. W. gegen O.S.O., d.i. parallel dem Verlauf der Thonschiefer- grenze zwischen der schnellen Deichsel und Katzbach. Bemerkenswerth schien mir, dafs die Schichten häufig gebogen und geknickt sind, eine unge- wöhnliche Erscheinung bei Flözschichten, die an ihren Ablagerungsrändern erhoben sind. Eine Lettenlage, welche an einer Stelle den Muschelkalk vom Thonschiefer trennte, konnte als ein Produkt der Reibung des emporgescho- benen Kalksteins gegen den Schiefer gedeutet werden. Der Quadersandstein, welcher in den Steinbrüchen bei Hermsdorf mit dem Muschelkalk in Berührung steht, hat nicht hinreichend deutliche Schichtenabtheilungen um erkennen zu können, ob er sich in gleicher Lage mit jenem befindet. Man sieht aber gegen Pilgramsdorf hin nach dem Ver- schwinden des bunten Sandsteins den Quadersandstein an der Grenze des Thonschiefers wie in einem Riff dammartig bervorstehen und kann die mit Schliffflächen bedeckten Felsen nur für die Köpfe aufgerichteter Schichten halten. Im Katzbachthal biegen sich die Quadersandsteinschichten nahe Phys. Kl. 1854. I 66 Beyrıch# der Thonschiefergrenze wie in einer Welle zu einem Sattel auf, zeigen aber an der Grenze selbst keine auffallende Erhebung. Hiernach überschreitet das Phänomen der Randaufrichtung, welche den Muschelkalk bei Hermsdorf zu Tage brachte, im Östen nicht das Thal der Katzbach, während es west- wärts bis zur schnellen Deichsel fortsetzt. In die Verlängerung der Hermsdorfer Erhebungszone fällt eine am Rande des Thonschiefers südlich von Ober-Praufsnitz beobachtete Aufstür- zung des Zechsteins an einer Stelle, welche zugleich das äufserste Ende des Nordrandes der Goldberger Mulde ist. In einem Steinbruch auf der linken Seite des Praufsnitz-Baches, welcher, obgleich in neuerer Zeit erst eröffnet, doch schnell eine grofse Längsausdehnung erhielt, ist der Zechstein, ganz wie der Muschelkalk bei Hermsdorf, senkrecht in der Richtung von N. W. gegen S. O. aufgerichtet und seine Schichten sind an mehreren Stellen in verworrener Weise so in einander gefaltet, dafs sie ein ansehnliches Stück des südlich anstofsenden bunten Sandsteins umschliefsen. In geringer Ent- fernung von dem Bruche nordwärts steht der Thonschiefer zu Tage; südlich breitet sich der bunte Sandstein aus, welcher hier schon den Quadersand- stein so weit vom Schiefer getrennt hält, dafs ihn die Aufrichtung, die auch hier nur auf einen sehr schmalen und zugleich sehr kurzen Saum am Mulden- rande beschränkt bleibt, nicht mehr treffen konnte. An der Ost- und Südseite des Goldberger Busens bleiben ringsum die Formationen des bunten Sandsteins und Zechsteins, welchen sich westlich von Konradswaldau noch das Rothliegende zugesellt, in ruhiger Lage zwischen dem in der Mitte des Busens liegenden Quadersandstein und dem Thonschie- fergebirge ausgebreitet. Weiter noch entfernt sich westwärts über Löwen- berg hinaus durch die immer gröfser werdende Erweiterung des Rothliegen- den die südliche Grenze der Kreideformation von den Rändern des Urgebirges, und nirgend können deshalb Erscheinungen vorkommen, denen von Wehrau, oder bestimmter noch denen von Hermsdorf gleich. Der cenomane Quader- sandstein ruht längs der Südgrenze der Mulde, vom Queifs bis zum Bober bei Löwenberg, ebenso wie am Südrande des Goldberger Busens, gleichför- mig auf dem unterliegenden bunten Sandstein und senkt sich gleich ihm mit geringer Neigung der Schichten gegen die Muldenmitte. Er erhebt sich zwar mit mehr oder minder steilen Wänden über dem thalartig vertieft liegenden bun- ten Sandstein; doch ist diese Erhebung nicht eine Folge von Aufrichtung, über die Lagerung der Kreideformation im schlesischen Gebirge. 67 sondern nur ein von der neuen Formation gebildeter Absatz der Auflage- rung, wie Ähnliches vielfach in andern Gebirgen und unter viel auffallende- ren Formverhältnissen anderwärts im schlesischen Gebirge selbst bei Qua- dersandsteinbildungen, welche ungestört älteren Formationen aufliegen, be- obachtet wird. Nur an einer einzigen Stelle, am Steinberge zwischen Plagwitz und dem Boberthal östlich von Löwenberg, kömmt eine Unterbrechung in dem ruhigen Verhalten der Auflagerung des Quadersandsteins auf dem bunten Sandstein vor. Am Gehänge des genannten Berges gegen den Bober hinab, wo grolse Steinbrüche im Quadersandstein betrieben werden, sind dessen Schichten fast horizontal gelagert (Herr v. Dechen beobachtete 5° Fallen gegen Norden, a. a. O. S. 137); dagegen zieht sich auf der Höhe des Berges ein Riff von zertrümmerten Sandsteinfelsen hin, in welchem sich die am Fufs des Berges fast horizontal liegenden Sandsteinschichten steil aufgestürzt her- vorheben unter Neigungen bis zu 80° bei westnordwestlichem Streichen. Unmittelbar daran stofsen gleich steil stehende Schichten des bunten Sand- steins, welche Formation den nördlichen gegen Plagwitz gekehrten Abfall des Berges zusammensetzt und von hier am Fufs des Weinberges vorüber bis in das Boberthal unterhalb Löwenberg vordringt, so dafs der Quadersandstein des Steinberges vollständig von dem bei Braunau am Bober beginnenden und zum Hirseberg fortlaufenden Sandsteinzuge getrennt ist. Augenscheinlich sind hier die beiden Formationen des Quadersandsteins und bunten Sand- steins mit einander wie eine Falte aufwärts gebogen, und ihre Aufrichtung be- weist, dafs die Erschütterung des Flözgebirges, welche die Erhebung der Schichten an den Ablagerungsrändern hervorrief, nicht auf die Ränder be- schränkt blieb, sondern gleichmäfsig auch weit davon entfernt die Massen in Bewegung versetzt hat. Unter leichter zu übersehenden Verhältnissen als in der nördlichen Hauptmulde, wo die beobachteten Stellen aufgestürzter Schichten durch weite Entfernungen von einander getrennt sind, kommen ähnliche noch auffallen- dere Erscheinungen in den Ausfüllungen der kleinen Nebenmulde des Läh- ner Busens vor. Nur am nordwestlichen Eingange desselben, von der Strafse zwischen Schmottseifen und Klein-Röhrsdorf ab bis nahe Husdorf hin, tritt Zechstein auf; der bunte Sandstein bedeckt ihn und erscheint noch ein- mal oberhalb Lähn auf der rechten Seite des Bobers; cenomaner Quader- 1 68 Beryrıch sandstein erfüllt der ganzen Länge nach den innern Raum der Mulde. Das Rothliegende, welches diese jüngeren Ausfüllungen der Nebenmulde von de- nen der Hauptmulde abschneidet, verbreitet sich als Unterlage der jüngeren Formationen durch die ganze Länge des Busens und tritt an dessen Rändern in schmalen bandförmigen Zonen zwischen dem Quadersandstein und Schiefer zu Tage. Solche Zonen von Rothliegendem sind vorhanden westlich des Bobers an beiden Rändern der Mulde, östlich am Südrande nur bis auf kurze Entfernung vom Bober, am Nordrande dagegen von dem Langenauer Thal bis gegen den Fufs des Stangenberges hin. Wo das Rothliegende am Rande nicht sichtbar ist, stöfst der Quadersandstein unmittelbar an den die Mulde umzingelnden Thonschiefer. Am Südrande sowohl wie an dem Nordrande , so weit Rothliegendes den Quadersandstein vom Schiefer getrennt hält, zeigen sich die Schichten des ersteren überall steil aufgerichtet, nahe vertikal oder übergestürzt; am Südrande sieht man sie senkrecht stehend westlich des Bobers an den Wegen von Carlsdorf nach Ullersdorf und Husdorf hin und eben so auf der rechten Seite des Bobers bei Waltersdorf; am Nordrande sind sie aufgestürzt (mit 70° h. 14 gg. N. fallend) am Wege von Lähn nach Vorhusdorf, senkrecht aufgerichtet bei Langenau. Die Schichten des Quadersandsteins, welche bei Waltersdorf dicht am Rothliegenden weggebrochen werden, stehen hier gleich diesem vertikal, und wenn man von diesem Punkte ausgehend in süd- östlicher Richtung die hoch am Rande der Thonschieferberge entlang lau- fende Grenze des Quadersandsteins verfolgt, so beobachtet man, dafs bis nach Grunau hin, in der Länge von einer Meile, nachdem das Rothliegende am Rande verschwunden ist, der Quadersandstein überall in senkrechten oder übergestürzt gegen den Thonschiefer einschiefsenden Schichten mit letzterem in Berührung tritt; am Rande des Lerchenberges fallen die in überhängenden Felsen emporstehenden Quadersandsteinschichten, vollsteckend von Exogyra Columba und Pecten asper, mit 54° südlich unter die Thonschiefer ein. Am Nordrande der Mulde ist bei Langenau deutlich der Quadersandstein mit dem Rothliegenden am Fufs der Thonschieferberge senkrecht aufgerichtet. Da- gegen ist westlich des Bobers am Nordrande bei Vorhusdorf zu sehen, dafs der Quadersandstein hier der Bewegung des Rothliegenden, dessen überge- stürzten Schichten er abweichend anliegt, nicht gefolgt ist. über die Lagerung der Kreideformation im schlesischen Gebirge. 69 Aus den vorliegenden Thatsachen ergiebt sich, dafs in dem Lähner Busen an beiden Rändern eine schmale Zone von aufgestürzten Schichten am Thonschiefer hinläuft, welche aus Rothliegendem allein, oder aus Roth- liegendem in Verbindung mit Quadersandstein, oder blofs aus den dem Thon- schiefer nächst anstofsenden Theilen des Quadersandsteinszusammengesetzt ist. Am Südrande des Busens beginnt die Erhebungszone schon bei Carlsthal und erstreckt sich ohne Unterbrechung bis nach Grunau hin; am Nordrande fehlt sie vom Boberthal bei Lähn bis nach Langenau. Das Rothliegende, wo es zwi- schen Quadersandstein und Thonschiefer in diesen Erhebungszonen zu Tage liegt, nimmt zwischen beiden dieselbe Stellung ein, wie der Muschelkalk zwischen dem Quadersandstein und Thonschiefer bei Hermsdorf, oder wie der Jurakalk zwischen dem Quadersandstein und Granit bei Hohnstein in Sachsen. Mit der Aufstürzung der Schichten an den Rändern wird man geneigt die im Innern des Lähner Busens vorhandenen auffallenden Zertrümmerun- gen des Quadersandsteins am Kiehnberge, am Gehänge des Lerchenberges gegen Langenau herab und ebenso an dem des Galgenberges nach Flachen- seifen hin in Zusammenhang zu bringen, ferner auch wohl die sonderbare Isolirung des Grunauer Spitzberges, der mehr das Ansehn eines Basaltberges als eines Quadersandsteinberges hat, und die mehrere hundert Fufs betra- gende höhere Lage der Quadersandsteingrenze am Südrande des östlichen Theils der Mulde verglichen mit der des Nordrandes; ja man könnte daran denken, den gewifs erst spät erfolgten Einsturz des Granites, welchem der sogenannte Hirschberger Kessel seine Entstehung verdankt, in die gleiche Zeit zu verlegen. Doch dies bleiben Hypothesen, welche für den Beobachter des Gebirges wohl eine gewisse Wahrscheinlichkeit erlangen können, zu de- ren festerer Begründung uns aber positive Beweise für den gleichzeitig er- folgten Eintritt der bezeichneten Veränderungen fehlen. Aufser den Räumen an der Nordseite des schlesischen Gebirges, wo die bisher angeführten Thatsachen beobachtet wurden, findet sich die Kreide- formation noch im Innern des Gebirges weit verbreitet. Man kann von Klo- ster-Grüfsau, eine Stunde von Landshut, ausgehend nach Reinerz, von hier 70 Bevyrıcnh nach Habelschwerdt und Mittelwalde im Neisse-Thal, und über die Wasser- scheiden zwischen Elb-, Oder- und Donau-Gebiet bei Grulich fort bis nach Schildberg in Mähren gelangen, ohne die Formation zu verlassen, sie be- deckt in dieser Erstreckung ohne Unterbrechung des Zusammenhanges einen in der Längsrichtung des gesammten Gebirges gedehnten Raum von 14 geo- graphischen Meilen Länge, dessen Breitenausdehnung an keinem Punkte so grofs wird, dafs man in der Querrichtung weiter als 1} Meilen über Kreide- ablagerungen fortgehen könnte ohne die Basis derselben entblöfst zu treffen, Nach den orographischen Formen und nach dem verschiedenen Ver- halten zu der Unterlage lassen sich in dieser zusammenhängenden langgedehn- ten Masse von Kreideablagerungen drei fast überall sehr natürlich begrenzte Theile unterscheiden. In dem nördlichen Theil, welcher die Felsgruppen von Adersbach und die Heuscheuer einschliefst, ruht das Kreidegebirge auf der Formation des Rothliegenden, welche den Zug des niederschlesischen Kohlengebirges in grolser Breite bedeckt; es entspricht hier in seiner Lage, wenigstens im Norden zwischen Schömberg und Friedland und auch noch zwischen Wernscorf und Braunau, vollkommen der inneren Ausfüllung einer weiten Mulde, wobei das Auftreten der neuen Formation charakteristisch durch ein schroffes Ansteigen der aufgelagerten Masse über ihrer Unterlage angezeigt wird. Die nördlichen und östlichen Ränder der Mulde, in welchen wie in den Flözmulden an der Nordseite des Gebirges die Kreideformation der letzte Absatz war, liegen in weiter Entfernung; erst in den krystallini- schen Schiefergesteinen, welche von Schatzlar bis Kupferberg den Granit des Riesengebirges umziehen, dann von Kupferberg gegen Freyburg hin in den nördlichen primitiven Thonschiefern und im Osten im Gneifs des Eulen- gebirges betritt man die Basis, auf welcher in gleichförmiger Lagerung zuerst die Grauwacken der Devon- und der Kulm-Formation, dann das Kchlen- gebirge, darauf das Rothliegende und zuletzt die Kreideformation übereinan- der abgesetzt wurden. Im Süden sind die Ränder der alten Mulde verschwun- den und die Art und Weise, wie die Kreideformation allein sich südlich des Heuscheuergebirges weiter verbreitet, liefert den Beweis, dafs hier in der Zwischenzeit zwischen der Ablagerung des Rothliegenden und der Kreide- formation, in einer wegen des Fehlens der zwischenliegenden Formationen nicht näher zu bestimmenden Zeit, grofse Veränderungen in den Formen des krystallinischen Gebirges eingetreten sein müssen. Man sieht nämlich die über die Lagerung der Kreideformation im schlesischen Gebirge. 74 Kreideformation von Neu-Tscherbeney nördlich von Cudowa bis über Neu- Biebersdorf östlich von Reinerz hinaus, ohne dafs Rothliegendes oder eine andere ältere Formation dazwischenliegend sichtbar wird, in unmittelbarer Berührung mit den von Graniten durchsetzten krystallinischen Schiefern, welche südlich die Höhen des glätzisch-böhmischen Grenzgebirges zusammen- setzen, und man findet die Formation dann weiter über die relativ niederen Theile dieses Gebirges ausgebreitet wie eine unregelmäfsig begrenzte Decke, die nur zwischen Neu-Biebersdorf und Pohldorf jenseits Nesselgrund mit der Hauptmasse der Kreideablagerungen zusammenhängt. Zugleich aber verbreitet sich ein dritter Theil der Kreideformation von Oberschwedeldorfund dem am Zusammenflufs der Biele mit der Neisse gelegenen Dorfe Piltsch anfangend in südlicher Richtung weiter als die untere Ausfüllung einer golfartigen, erst bei Schildberg in Mähren ihr Ende erreichenden Gebirgseinsenkung, deren Rän- der im Osten durch die im Glätzer Schneeberge ihre höchste Erhebung er- reichende Gebirgsgruppe und weiterhin durch die aus Gneifs bestehenden Höhen des Altvaterwaldes südlich von Grumberg, im Westen durch den östlichen Abfall des böhmisch-glätzischen Gebirges und weiterhin durch die zwischen Gabel und Schildberg sich erhebenden Gneifsberge gebildet wer- den. Die kaum über eine Meile breit werdende Niederung des Neisse-Thals bis nach Schreibendorf südlich von Mittelwalde, dann die ebene Platte der Wasserscheiden zwischen Bobischau, Schreibendorf und Herrnsdorf einer- seits, Grulich, Hohen -Erlitz und Ullersdorf andererseits, nachher die nur schmale, bei Schildberg wie in einem Circus geschlossene Thalniederung des Frisawa-Flusses sind der in stetem Zusammenhang von Kreideablagerungen erfüllte Boden des alten Golfes. Ähnlich dem Neisse-Frisawa-Golf ziehen sich, wie die von Herrn v. Hingenau bearbeitete vortreffliche geologische Übersichtskarte von Mähren und Österreichisch-Schlesien anschaulich darstellt, noch mehrere von Kreide- ablagerungen erfüllte schmale Buchten von Böhmen her in das mährische Gebirge hinein; nur der Schildberger Golf war übersehen. Es sind dies ein- ander parallele Gebirgseinstürzungen, welche die ihnen zukommende Längs- richtung von N. N. W. gegen O.S. ©. wesentlich wohl den in viel älterer Zeit entstandenen herrschenden Strukturrichtungen des eingestürzten Grund- gebirges verdanken; wenigstens ist dieser Zusammenhang für den allein mir 72 BeyrıcıH genauer bekannt gewordenen glätzisch - mährischen Golf mit Bestimmtheit nachzuweisen. In dem Gebiet der Kreideablagerungen,, worauf die gegenwärtige Be- trachtung beschränkt bleibt, hat schon vielfach das hohe Niveau, welches die Formation in dem nördlichen auf Rothliegendem ruhenden Theil in der Heu- scheuer erreicht, die Aufmerksamkeit der Geologen erregt. Indefs bleiben nur wenig unter der Höhe der Heuscheuer die hervortretenderen noch von der Kreideformation bedeckten Punkte in dem Gebirge zwischen Reinerz oder der Hohen Mense und Habelschwerdt zurück; sie dürften die Höhe von 2700 Fufs, d. i. etwa 100 Fufs weniger als die Höhe der Heuscheuer, errei- chen, wenn die Angaben genau sind, dafs das Quellgebiet der Erlitz in den Seefeldern etwa 2400 Fufs und die Quellen der Habelschwerdter Weistritz 2566 Fufs hoch liegen; beides sind mitten in der Decke des Kreidegebirges gelegene Punkte. Theils aus diesen Niveauverhältnissen, theils aus der Art, wie sich von böhmischer Seite her, aus der Gegend von Rokitnitz über Ha- sendorf bis nach Tschiak, d. i. nur + Meile vom Rande der Kreideablage- rungen des Neisse-Thals bei Mittelwalde entfernt, Abzweigungen des böhmi- schen Kreidegebirges über die von Gneifs gebildeten Höhen fortziehen, geht hervor, dafs in der Zeit des Absatzes der Kreideformation der lange Gebirgs- rücken der Hohen Mense und der böhmischen Kämme eine ringsum vom Meere umspülte Insel war, und dafs trotz der gegenwärtigen vollständigen Trennung dennoch die Kreideablagerungen im Innern des schlesischen Ge- birges mit den ausgedehnteren böhmischen in einem und demselben Meeres- becken abgesetzt wurden. Man wird deshalb auch erwarten, dafs sich in der Zusammensetzung der Formation in diesem Theile des schlesischen Gebirges gröfsere Analogieen mit der böhmischen oder selbst noch der sächsischen Kreideformation herausstellen werden, als mit der niederschlesischen, welche in einem weit getrennten Meeresbecken abgesetzt ihre selbstständige Glie- derung erhalten hat. Herr v. Carnall hat in seiner, den deutschen Geologen sehr be- kannten, mit dem verstorbenen Zobel herausgegebenen geognostischen Be- schreibung von einem Theile des niederschlesischen und Glätzischen Ge- birges (') eine ausgeführte und die Verhältnisse in der Natur genau wie- (') Karsten’s Archiv Band IV. S. 138 fg. über die Lagerung der Kreideformation im schlesischen Gebirge. 13 dergebende Darstellung von der petrographischen Beschaffenheit und dem 5 zu den Höhen des böhmisch - glätzischen Gebirges und bis in die Gegend gegenseitigen Lagerungsverhalten der aus der Gegend von Landshut bis se 5 5 g von Glatz hin die Formation zusammensetzenden Gesteine gegeben. Er unterschied mit Benennungen, welche früher schon, im Jahre 1819, durch Karl von Raumer auf diese Gegenden des schlesischen Gebirges über- tragen waren, als Quadersandstein, Plänersandstein und Plänerkalk, drei fast überall leicht zu trennende Gesteine, welche nicht in einer einfachen Folge des Absatzes übereinander, sondern in mehrfacher Wiederholung und häufig mit unregelmäfsigem Auslaufen des einen zwischen den andern, ein geologisch ungegliedertes Formationsganzes, das sogenannte Quadersand- steingebirge zusammensetzen. In der That wird, wie auch das paläon- tologische Verhalten bestätigt, durch die gesammte Masse von Kreide- ablagerungen des Heuscheuergebirges und der Bedeckung des böhmisch- glätzischen Gebirges nur eine einzige Stufe der Kreideperiode, das Ceno- man, vertreten. Während das gleiche Niveau des oberen Kreidegebirges im Norden nur einen wenige Hundert Fufs mächtig werdenden Quadersandstein einschlofs, finden wir hier eine bei der Heuscheuer zu der Mächtigkeit von 1500 Fufs anschwellende Cenomanablagerung, welche aus einem verschiedenen Wechsel von Quadersandstein mit thonigem oder thonigkieseligem Sandstein (Plänersandstein) und mit Lagern von thonreichem Kalkstein (Plänerkalk) zusammengesetzt ist. Den Namen Plänerkalk hat demnach hier ein cenoma- ner Kalkstein erhalten, welcher nichts mit dem turonen Plänerkalkstein ge- mein hat, und dem überall die charakteristischen Versteinerungen des letz- teren fremd bleiben. Ebenso bezeichnet der Name Plänersandstein im schle- sischen Gebirge, wenn man ihn beibehalten will, nur ein besonderes in gros- ser Verbreitung auftretendes Gestein, welches durch seine organischen Ein- schlüsse wie durch seine Lagerung dem cenomanen (uadersandstein als ein zugehöriges Glied verbunden ist. Nur im Grunde des langen glätzisch-mährischen Kreidegolfes erfolgte noch nach dem Genoman in ununterbrochenem Zusammenhang, von Ober- Schwedeldorf an der Weistritz westlich von Glatz bis nach Schildberg, der Absatz eines jüngeren, entweder turonen oder senonen Systems von Ablage- rungen, welches ich hier, ohne die genauere Bestimmung seines Alters einer weiteren Erörterung unterwerfen zu wollen, unter dem Namen des Kieslings- Phys. Kl. 1854. K 74 Berrıch walder Systems unterscheiden will. Ein Sandstein, im frischen Zustande des Gesteins von bläulichgrauer, im zersetzten von unreinen grünlichgrauen oder grünlichgelben Farben, mit reichem thonigem Bindemittel und voll von beige- mengten Glimmerschüppchen, übergehend in grobe Conglomerate, setzt als oberstes Glied des Systems östlich von Habelschwerdt zwischen Neu-Wal- tersdorf und Kieslingswalde eine Gruppe von Bergen zusammen, welche durch den Reichthum der bei letzterem Ort besonders in Menge zusammen- gehäuften Versteinerungen schon in alter Zeit berühmt waren. Der gleiche Sandstein erscheint noch einmal in der Mitte des Golfs südlich von Mittel- walde zwischen Schönthal, Schreibendorf und Bobischau verbreitet, bei Schreibendorf mit denselben Versteinerungen wie zu Kieslingswalde. Die Unterlage dieses Sandsteins bildet eine überwiegend thonige Ablagerung, bezeichnet durch Ausscheidungen von Thoneisensteinnieren und durch die Einlagerung von Sandsteinbänken, deren Gestein dem der aufliegenden Sandsteinbildung gleich ist. Eng durch Wechsellagerung und durch Übergang der Gesteine mit a aan bilden der untere Thon und der mäch- tigere obere Sandstein in gleicher Weise ein zusammengehörendes Ganze wie die verschiedenen Gesteine, welche zusammengefafst das ältere Cenoman- system ausmachen. In dem langen Zuge von Kreideablagerungen, von deren räumlicher Anordnung und Zusammensetzung in allgemeinen Umrissen eine Übersicht gegeben wurde, wiederholt sich in grofser Ausdehnung die Erscheinung der Schichtenaufstürzungen in denjenigen Gegenden, wo die Formation an her- vorragende Ränder des Grundgebirges anstöfst; sie fehlt ganz in dem nörd- lichen Zuge des Heuscheuergebirges, wo die Formation weit entfernt von den Rändern der Mulde über dem in der Tiefe ausgebreiteten Rothliegen- den aufsteigt, sie läfst sich dagegen in langen Strecken längs des östlichen Abfalls des böhmisch -glätzischen Gebirges und am Rande des östlich den glätzisch-mährischen Golf begrenzenden Urgebirges verfolgen, während in der Mitte dieses Golfes und auf der Höhe des böhmisch-glätzischen Gebirges die Lage der Schichten nur geringe Störungen erlitten hat. Am Eingange des Golfes, auf der linken Seite der Neisse eine Stunde von Glatz, der Mündung der Biele gegenüber, liegt der sogenannte Rothe Berg, der einzige Punkt, wo bisher das Vorkommen senkrecht stehender Schichten der Kreideformation in diesen Gegenden durch die genaue, von über die Lagerung der Kreideformation im schlesischen Gebirge. 75 Herrn v. Carnall gegebene Beschreibung des von der Neisse entblöfsten Profils bekannt geworden ist. Die nördliche Hälfte des Berges besteht aus krystallinischen, von Eruptivgesteinen durchsetzten Schiefern, welche an diesem Punkte noch durch die südlich nicht weiter vorhandene Formation des Roth- liegenden von der Kreideformation getrennt sind. In übergestürzter Stel'ung, mit 50 bis 73° gegen dasselbe einschiefsend, stofsen mit dem Urgebirge die Schichten des Rothliegenden zusammen; darauf folgen, nach und nach von der übergestürzten zur senkrechten Stellung übergehend, zuerst ein wenig mächtiger, conglomeratisch werdender Sandstein, dann Kalkstein, darauf Quadersandstein mit Exogyra Columba, dann wieder dem unteren gleicher Kalkstein, und noch ein dritter Sandstein, welche Folge zusammengefafst das aufgestürzte Cenomansystem ausmacht. Zu oberst werden noch in gleich steiler Stellung, durch Sphärosideritnieren und dünne eingelagerte Sand- steinschichten kenntlich, die unteren Thone des Kieslingswalder Systems sichtbar, welche sich vom Rothen Berge westlich in der ebenen Platte zu bei- den Seiten des Thales von Alt-Wilmsdorf in ruhiger Lage ausbreiten. Die Stellung des Rothliegenden zwischen dem Urgebirge und- der Kreideforma- tion ist hier ganz dieselbe, wie nördlich in dem Busen von Lähn bei Wal- tersdorf. Durch eine niedere, von Alluvionen bedeckte Fläche ist man verhin- dert, vom Rothen Berge fort auf der rechten Seite der Neisse zu verfolgen, ob die an jenem Berge beobachtete Aufrichtung des Flözgebirges sich an der Grenze des Urgebirges ohne Unterbrechung fortsetzt bis zu der Stelle hin, wo zwischen Rengersdorf und Grafenort der zwischen Eisersdorf und Melling liegende Glimmerschieferzug im Neisse-Thal sein Ende erreicht. An diesem Punkte beginnt eine Erhebung des Kreidegebirges am Rande der Urgebirgs- höhen, welche sich in stetem Zusammenhange über mehr als 3 Meilen Länge fort bis in die Gegend von Lauterbach nordöstlich von Mittelwalde verfolgen läfst. Die Veränderung in der lineären Richtung der Urgebirgsgrenze, welche bei Neu-Waltersdorf mit einem stumpfen Winkel aus der südöstlichen in eine vollkommen südliche umbiegt, übt nicht den geringsten Einflufs aus auf das Verhalten der aufgestürzten Schichten des Kreidegebirges, welche in gleicher Weise vor wie nach der Umbiegung der Grenzlinie wie ein schmaler erho- bener Saum am Fufs des hoch aufsteigenden Urgebirges hinziehen. Eine schmale Zone von Gesteinen des Cenoman - Systems welche in ihrer anzen y ’ K Ad 76 Bersıch Breite dem Saume der erhobenen Schichten angehören, sieht man von der Neisse westlich von Melling an bis über Neudorf fort, mit geringen Unterbrechun- gen bei Neu-Waltersdorf und von Steingrund zu dem oberen Ende von Kies- lingswalde hin, zwischengeschoben zwischen das Urgebirge und die Ablage- rungen des Kieslingswalder Systems, die sich mit aufrichten, so weit sie in den Erhebungssaum hineinragen, der untere bedeckt gewesene Theil der Formation ist hier nur in Folge der Erhebung am Ablagerungsrande an die Tagesoberfläche hervorgeschoben worden, und er steht zu dem oberen in dem- selben Verhalten wie an anderen Orten die älteren Formationen zu den jün- geren. Die Cenomanzone besteht wie am Rothen Berge aus einer Verbindung von Quadersandsteinlagern mit Lagern von plänerartigem Kalkstein, von welchen Gesteinen bald das eine bald das andere zunächst am Glimmerschie- fer oder Gneifs sichtbar wird; bei Melling schliefsen z. B. zwei Lager von Quadersandstein ein Kalksteinlager ein, während man zwischen Kieslingswalde und dem Wölfelsbach bei Marienau am Gneifs zuerst Kalkstein, dann Qua- dersandstein, darauf wieder Kalkstein trifft. Die Schichten fallen entweder unter steilen Winkeln vom Urgebirge ab, oder sie stehen vertikal, oder sie sind übergestürzt; von letzterem liefert das Profil nördlich der Kirche von Neudorf an der rechten Thalseite des von Uhrnisberg herabkommenden Wassers ein schönes Beispiel, wo man an der Grenze zuerst ein Kalkstein-, dann ein Sandsteinlager unter Winkeln von 70 bis 80° unter den Gneifs ein- schiefsen sieht. Die Mitaufrichtung des Kieslingswalder Systems ist vor allem bei Kieslingswalde selbst am Auffallendsten zu beobachten, indem hier die aufgestürzten conglomeratischen Bänke des Kieslingswalder Sandsteins selbst, — nicht, wie irrig behauptet worden ist, Schichten eines aufgelagerten jün- geren Quadersandsteins —, als ein zertrümmertes Felsriff emporstehen am Rande einer schmalen nach Steingrund führenden Thalrinne, deren Boden von den unteren Thonlagern des Kieslingswalder Systems gebildet ist. Aus der Gegend östlich von Mittelwalde gegen Süden hört am östlichen Rande des Kreidegolfes die Aufrichtung der Schichten vollständig auf; die Cenomangesteine, auf welchen Grulich steht, haben nur geringe Neigung. Nur ganz am Ende des Golfes, wo östlich von Schildberg und Friesehof das Cenomansystem noch einmal als die Unterlage des den Thalgrund bis Schild- berg ausfüllenden Kieslingswalder Thones zu Tage ausgebreitet liegt, zeigen sich an der Grenze des Urgebirges die untersten Schichten des Systems senk- über die Lagerung der Kreideformation im schlesischen Gebirge. 77 recht erhoben; aus den aufgerichteten Schichten eines glaukonitischen Sand- steins mit kalkigem Bindemittel besteht die mauerartig gestaltete Gruppe von Klippen, die man schon weither, von Hoflenz oder Bukowitz kommend, als eine auffallende Felsform am Rande des Gebirges wahrnimmt, über wel- ches die Strafse nach Hohenstadt fortführt. Am westlichen Rande des Golfes stöfst der Kieslingswalder Thon von Schildberg ab bis nach Bobischau im Süden von Mittelwalde an den Gneifs, ohne sich zu erheben und ohne durch Cenomangesteine von ihm getrennt zu sein. Erst bei Bobischau am Fufs des Grenzberges beginnt eine Cenoman- zone hervorzutreten, mit welcher im Süden zugleich das Phänomen der Schichtenaufrichtung seinen Anfang nimmt. Zuerst tritt zwischen den Gmeifs und den Kieslingswalder Thon ein plänerartiger Kalkstein, dessen Schichten in einem Steinbruch bei Bobischau mit 65° Neigung von dem darunter ent- blöfsten Gmeifs abfallen. Bald hebt sich unter dem Kalkstein noch ein Sand- stein (Plänersandstein) hervor, und diese beiden Lager, ein unterer Sandstein mit darauf liegendem Kalkstein, ziehen nun als ein schmaler Cenoman-Saum am Rande des Urgebirges etwa eine Meile weit bis nach Rosenthal fort, über- all mit steiler Stellung der Schichten; sie sind übergestürzt, zugleich mit den untersten Lagen des Kieslingswalder Thones, in einem Profil, das man in westsüdwestlicher Richtung von Mittelwalde aufnimmt. Zwischen Rosenthal und Ober-Langenau tritt in dem lineären Verlauf des Urgebirgsrandes eine Unterbrechung ein, welche mit der Anordnung der Schichten der Kreideformation in enger Verbindung steht und zugleich eine Unterbrechung der Randerhebungen bedingt. Man sieht nämlich bei Rosen- thal das bis hierher nur als einen schmalen Saum hervorgeschobene Geno- man sich erweitern, indem der Kalkstein bis nach Ober - Langenau an der Neisse sich ausbreitet und einen (Juadersandstein einschliefst, der weiter süd- lich nicht vorhanden war. Hierdurch entwickelt sich die Folge von Gestei- nen, — zu unterst Plänersandstein, dann Kalkstein, darauf ein sehr mächtig werdender Quadersandstein, der wieder von Kalkstein bedeckt wird —, wel- che die Regel bleibt für die gesammten Cenomanlager am östlichen Rande und auf der Höhe des glätzisch - böhmischen Gebirges bis nach Reinerz hin. Von Rosenthal und Ober - Langenau her ziehen sich die breit gewordenen Cenomankalke ganz allmälig gegen Lichtenwalde und Verloren-Wasser hin- auf und am Fufs des Heidelberges vorbei bis zum Alten Brandt hin, wo sie 78 Bervrıch schon der oberen Decke des Urgebirges angehören; erst bei Langenau be- ginnt wieder das westliche Gebirge mit einem bestimmten Absatze aus der Niederung des Neisse-Thals sich zu erheben, und zugleich beginnt auch als- bald wieder die Aufrichtung der Kreideschichten am Rande. Schon bei Nieder-Langenau, nördlich des bei dem Bade entblöfsten Glimmerschiefers, fallen im Bette der Neisse steil stehende Schichten auf, welche noch zu dem Kieslingswalder Thon gehören. Dann läuft ein Rücken von gehobenem Quadersandstein von den Gemeindebergen bei Nieder-Langenau aus am öst- lichen Gehänge des unbedeckt gebliebenen Glimmerschiefergebirges hin, welches durch das tief eingerissene Thal der Habelschwerdter Weistritz zwi- schen Hammer und Alt-Weistritz und durch dessen Seitenthäler zerschnitten wird. Am östlichen Fufs dieses Randrückens ruht in ungestörter Lage der cenomane Kalkstein, welcher denselben Sandstein an der Neisse bei Habel- schwerdt bedeckt, und zwischen dem erhobenen Quadersandstein und dem Glimmerschiefer zeigen sich in schmalen Zonen die älteren Cenoman- schichten, der untere Kalkstein und der Plänersandstein. So weit der Glim- merschiefer gegen Nesselgrund hin am Gehänge blofsliegt, so weit erstreckt sich auch die steile Erhebung des östlich anstofsenden Kreidegebirges ; noch bei Sauergrund kann man an der Grenze des Glimmerschiefers in vertikaler Stellung die ganze Schichtenfolge des Cenoman beobachten. Die Stelle, wo nicht weit von Nesselgrund am Rande des Habel- schwerdter Gebirges der Glimmerschiefer verschwindet, liegt dem Rothen Berge, wo am östlichen Eingange des Golfes die Erhebung der Schichten am Urgebirgsrande ihren Anfang nahm, genau gegenüber und ist im Westen das Ende der bis nach Schildberg verfolgten Erscheinungen, die sich in der Ge- gend von Reinerz und Cudowa nicht wiederholen. Zwar legt sich das Kreide- gebirge auch hier keinesweges in ungestörter Lage dem Urgebirge an seiner Umgrenzung an, vielmehr fällt es nach allen Seiten unter starken Neigungen von ihm ab; aber die Winkel der geneigten Schichten werden nicht leicht höher als 40 bis 50° und die stärkeren Neigungen verlaufen allmälig in schwä- chere, so dafs sich keine Erhebungssäume ausbilden, in welchen durch plötz- liches Auftreten einer der senkrechten nahekommenden Schichtenstellung ein grofser Contrast gegen die in Ruhe verbliebenen Theile der Formation entsteht. Über die Lagerung der Kreideformation in der Nähe des Kohlenge- über die Lagerung der Kreideformation im schlesischen Gebirge. 79 birges zwischen Nachod und Schatzlar kann ich nicht nach eigenen Beob- achtungen urtheilen; die steilen dort vorkommenden Aufrichtungen, über welche v. Warnsdorff(!) berichtet hat, dürften der Erhebung des Qua- dersandsteins und bunten Sandsteins im Steinberge bei Löwenberg vergleich- bar sein, insofern sie ganz im Gebiete des Flözgebirges von den Rändern des Urgebirges entfernt liegen. Auch kann ich nur hinweisen auf die Beob- achtungen von Reufs(?) im Königgrätzer Kreise in Böhmen, aus welchen deutlich hervorgeht, dafs die Erhebung der Kreideschichten, wo sie mit äl- teren Gebirgsmassen zusammenstofsen, auch im Innern von Böhmen sich fortsetzt. Es genügt auf einer Karte den Umfang der geschilderten Störungen in der Lagerung der Kreideformation innerhalb des schlesischen Gebirges zu überblicken und zugleich den allgemeinen geologischen Bau dieses Gebirges im Auge zu behalten, um zü der Überzeugung zu gelangen, dafs die Ursache jener Störungen nicht lokal nur einzelne Theile des Gebirges berührende oder in besonderen Richtungen wirkende Kräfte gewesen sein können. Als zuerst in Sachsen bei Weinböhla der Pläner vom Syenit und bei Hohnstein der über dem Quadersandstein liegende Jurakalk vom Granit bedeckt gese- hen wurde, schien es natürlich, die Ursache in der Entstehung oder in einer besonderen Erhebung des Eruptivgesteins zu suchen. Auch wird nie zu be- zweifeln sein, dafs nur durch eine Bewegung oder Verschiebung der Massen des Granites und Syenites ihre jetzige Begrenzung gegen das von ihnen be- deckte Flözgebirge an jenen Stellen entstehen konnte; aber die Verschie- bung hatte nichts mit der eruptiven Natur jener Gesteine zu thun, sondern war die Folge einer Erschütterung, welche die gesammte Masse des Grundgebir- ges unabhängig von seiner Zusammensetzung, so weit die Erscheinung aufge- stürzter Schichten an seinen Rändern reicht, gleichmäfsig mufs in Bewegung gebracht haben. Man darf annehmen, dafs die Stärke der Bewegung in ver- schiedenen Gegenden des erschütterten Gebietes eine sehr ungleiche gewesen ist, und dafs die verschiedene Beschaffenheit der das Grundgebirge zusam- (') Leonh. u. Bronn N. Jahrb. 1841 S 432 fg. (?) Leonh. u. Bronn N. Jahrb. 1844 S.1 fg. 80 Beyrıcn über die Lagerung der Kreideformationim schles. Gebirge. mensetzenden Gesteine einen wesentlichen Einflufs auf den Grad der erfolg- ten Verschiebungen ausgeübt hat, gleich wie bei dem Erdbeben, nach Herrn v. Humboldts Ausdruck, die Fortpflanzung der Bewegung nicht durch die chemische Natur der Bestandtheile, sondern die mechanische Struktur der Gebirgsarten modifieirt wird. Aber nicht das Grundgebirge allein, sondern auch das bedeckende Flözgebirge wurde in Bewegung gesetzt, und die Erhe- bung der Schichten des letzteren kann nur als eine Folge der ihm mehr von unten als von den Seiten her mitgetheilten Bewegung des ersteren betrach- tet werden. Die Richtungen, nach welchen die Schichten erhoben sind, wurden allein mechanisch bedingt durch vorher schon vorhanden gewesene äussere Formen des Gebirges; und wenn es vorzugsweise die Ränder her- vorragender Theile des Grundgebirges sind, an welchen die Schichten der in Bewegung gesetzten Massen des Flözgebirges sich aufrichteten, so läfst sich daraus nur folgern, dafs der Widerstand, der einer Fortpflanzung der Bewe- gung des schwankenden Flözgebirges von dem selbst erschütterten Ablage- rungsrande in den Weg gestellt wurde, die naheliegende Ursache der Schich- tenaufstürzung gewesen ist. Erscheinungen wie das Auftreten des Jurakalks bei Hohnstein, oder allgemein das Hervortreten älterer bedeckt gewese- ner Theile des Flözgebirges in aufgerichteten Randzonen, bleiben ein Räth- sel, wenn man sie durch das Emporstofsen des Grundgebirges über einer Spalte, oder durch eine einseitige Bewegung der festen Erdmasse an der Grenze der erhobenen Schichten entstehen läfst; sie erklären sich, wenn man als die Grundbedingung der Bewegung des Flözgebirges die Verschiebbarkeit des- selben gegen seine erschütterte Unterlage und die gleichzeitige Verschiebbar- keit einzelner Lagen des Flözgebirges gegeneinander annimmt. Anmerkung. Die beigefügte Karte hat nur den Zweck, übersichtlich die erörterten Verhältnisse in der Lagerung der Kreideformation des schlesischen Gebirges zu veranschaulichen. Die Eruptivgesteine sind nicht angegeben, weil ihr Auftreten und ihre Verbreitung aulser allem Zusammenhang mit den erläuterten Erscheinungen steht. Ebenso schien es zweckmälsig an der Nordseite des Riesengebirges das bedeckende Diluvium als nicht vorhanden zu betrachten und das Bild des Zusammenhanges der Massen so zu entwerfen, wie man es unter der Diluvialdecke anzunelımen hat. Für den vorliegenden Zweck war es überflüssig, das Vorkommen der im Gebiet der Karte gekannten tertiären Ablagerungen anzuzeigen. — ED — Au Hrn. Beyrichsdbh: ud ‚Lagerung der Rreideformation im. schlesischen bebirge. Jahrg: 1854. Aonen steil aufgerichteter Schichten. RR N NEAR REDE. EZ Iersteinerungsleeres Grundgebirge. BEE Graumackengebirge (Silur, Devon, hadm ) EEE köhlengebirge, Rothliegendes, hechstein. EEE Buncersand stein u. Muschelkalk. | N Snon | hm ‚hreidegebirge. a ”.y ii Aa Ni re nA PR ts Ahern fie u - ART nn int RR y Alu es Kupts en ER Da ei rd 1 ER - N rer Ds i u NEO Hr LEI 77 Ze Über neue merkwürdige Saugethiere des Königlichen zoologischen Museums. MA Von H”- H. LICHTENSTEIN und W./PETERS. mmumnmnmnnnnmwen [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 22. Juni 1854.] I. Über die Gattung Centurio Gray und eine neue Art derselben aus Cuba. Be Gray hat im Jahre 1842 (T’he annals and magazine of natural hi- story. X. p. 259) unter dem Namen Centurio eine neue Gattung von Fleder- thieren aufgestellt und später (T’he zoology of H. M. S. Sulphur. Mammalia. 1844. p. 27. Taf. 7) die dahin gehörige Art, Centurio senex, abbilden lassen. Er stellte dieselbe zu den Noctilionen in die Nähe von Chilonycteris und Mormops, fügte aber hinzu, sie erscheine ihm so eigenthümlich, dafs ihre richtige Stellung obne andere noch neu zu entdeckende Zwischengattungen nicht sicher zu bestimmen sei. Sie habe durch die Zahl der vier knöcher- nen Glieder des Mittelfingers einige Verwandtschaft mit der Gattung PAyllo- stoma, aber keine Spur eines besonderen Nasenblattes. Da Hr. Gray leider unterlassen hatte, die Form des Gebisses und Schädels zu untersuchen, so blieb es nicht allein ein Räthsel, wohin seine Gattung zu stellen sei, sondern auch zweifelhaft, ob die Kennzeichen der von ihm beschriebenen Art überhaupt zur Aufstellung einer solchen berech- tigen. Sie wurde daher in späteren synoptischen Werken entweder ganz über- gangen oder blofs als besondere Art der Gattung Noctilio (z. B. Schinz, Synopsis mammalium I. Nachträge. p. 20) angeführt. Phys. Kl. 1854. L [0 0) [8>) LicHTEnsTEin und PETERS über neue Säugethiere In einer Sendung von Naturalien aus Cuba durch Herrn Otto, welche das Museum im Jahre 1840 erhalten, befand sich aufser andern sel- tenen und merkwürdigen, vortrefflich in Weingeist erhaltenen Arten von Flederthieren (Mormops, Glossophaga, Phyllostoma u. a.) eine Form, welche im Äusseren eine so grofse Ähnlichkeit mit der Grayschen Abbildung von ö Centurio senex zeigt, dafs sie, wenn auch nicht zu derselben Art, so doch ohne Zweifel zu derselben Gattung gehört. So wurde uns die erwünschte Gelegenheit zu Theil, eine der sonderbarsten Formen des Thierreichs ge- nauer untersuchen zu können. Wir erlauben uns daher, die Resultate dieser Untersuchung der Aka- demie vorzulegen, da es hiernach nicht mehr nöthig erscheint, die Entdeckung neuer Zwischengattungen zu erwarten, um die naturgemäfse Stellung der in Rede stehenden Gattung im System zu bestimmen. Des Zusammenhangs wegen ist es nöthig, die Betrachtung der äufseren Theile vorauszuschicken, obgleich diese bereits sehr gut aus der Gray’schen Beschreibung und Abbildung zu erkennen sind. Der Kopf ist von kugelförmiger Gestalt, so lang wie breit und hoch, in- dem der Gesichtstheil mehr verkürzt erscheint als bei irgend einem andern Säu- gethiere und die Schnauze, anstatt vor dem Schädeltheil hervorzutreten, mit diesem in einer Ebene liegt. Das Gesicht ist von scheufslichem, mifsgestalteten Ansehen, von nackten Hautwülsten und Vorsprüngen ganz bedeckt, welche auf den ersten Anblick das Product einer krankhaften Entartung zu sein und nichts mit den bekannten Hautbildungen andererFlederthiere gemein zu haben schei- nen. Bei genauerer Betrachtung jedoch löst sich Alles in regelmäfsige symme- trische Formen auf. Eine längliche viereckige Platte in Form eines umge- kehrten Wappenschildes, welche zunächst über der Mitte der Oberlippe und in diese ohne Absatz übergehend sich bemerklich macht, tritt zwischen zwei seitlichen Gruben hervor, in deren Tiefe jederseits das Nasenloch mündet. Die Homologie dieser Platte mit dem aufrechtstehenden Nasenblatte (Lan- zette) anderer Flederthiere läfst sich nicht verkennen. Neben dem Nasen- blatte steigt jederseits vom Rande der Oberlippe eine hervorragende Leiste empor, welche sich in der Gegend des Nasenloches an einen etwas diekerem, durch drei Drüsenwarzen ausgezeichnetem Wulst anlegt, welcher in einem mit seiner Convexität nach aufsen gerichteten Bogen bis über die obere Ecke des Nasenblattes hinaufsteigt. Ein ganz ähnlicher mit drüsigen Warzen des Königlichen zoologischen Museums. 83 versehener bogenförmiger Wulst krümmt sich um das Hufeisen der Phyllo- stomen, z. B. bei PAyllostoma perspicillatum Geoffr., herum. Was aber die Deutung der zu diesen Wülsten von der Lippe aufsteigenden Leisten anbelangt, so scheinen sie seitliche Rudimente des nıcht zur Entwicke- lung gekommenen s. g. Hufeisenblattes zu sein. Von dem inneren Augen- winkel und von der Gegend über den Augen gehen ferner zwei dicke Wülste aus, welche vereinigt nach innen über das Nasenblatt jedoch nicht ganz bis zur Mitte hingehen, indem sie von den entsprechenden Theilen der andern Seite durch eine tiefe Längsfurche getrennt werden, in deren unteres Ende die mittlere Spitze des Nasenblattes hineinragt. Nach oben hin erweitert sich diese Furche plötzlich, indem die Wülste unter einem rechten Winkel aus- einander weichen, um sich dann zu einem mittleren aufrechtstehenden klee- blatt förmigen Querblatte zu vereinigen. Auch diese eben genannten Wülste findet man, zwar in weit geringerem Grade entwickelt, bei PAyllostoma per- spicillatum wieder. Über und hinter dem kleeblattförmigen Querblatt er- hebt sich nun noch ein breites hufeisenförmiges Querblatt, welches jederseits mit einem von dem Ohre herkommenden Hautwulst zusammenhängt und selbst wieder von einem dieken nackten Wulst der Kopfhaut überragt wird. ganzen Verlaufe 8 nach, ganz wie bei Phyllostoma perspicillatum, tief ausgekerbt, und ebenso Die sehr dünnen Lippenränder des breiten Maules sind ihrem stehen vor der Mitte der Unterlippe drei vorspringende Wärzchen. Das an und für sich schon dicke Kinn wird noch durch einige dicke Falten des Unterkinns verstärkt, in deren Mitte sich eine enge vertiefte Grube befindet. Die Augen sind ziemlich grofs und von wulstigen Rändern umgeben. Sehr eigenthüm- lich sind die Ohren. Sie sind nämlich vorn so tief ausgeschnitten, dafs man sie sehr wohl zweilappig nennen kann. Der vordere kleinere Lappen entspricht wahrscheinlich allein der Helix, der grofse hintere Lappen der Anthelix und Concha, indem auch der Antitragus unter dem Tragus vor dem Ohreingange eine besondere freistehende Klappe bildet. Die Flughäute sind breit, umhül- len von dem Daumen nur das Mittelhandglied und gehen bis auf den Mittel- fufs herab. Die erste Phalanx des Daumens ist gestreckt und ragt frei aus der Flughaut hervor. Der Zeigefinger trägt am Ende seines Mittelhandkno- chens ein kurzes knöchernes Fingerglied. Der Mittelfinger hat drei und die übrigen Finger haben je zwei knöcherne Phalangen nebst einem knorpeligen Endgliede. Die Füfse sind von gewöhnlichem Bau, indem die erste Zehe L2 84 Lichtenstein und PETERS über neue Säugethiere aus zwei, die übrigen aus drei Gliedern zusammengesetzt sind. Die Spornen sind kurz und mit der Schenkelflughaut, welche zwischen denselben flach aus- gerandet ist, verwachsen. Von einem Schwanze ist keine Spur vorhanden. Zwischen dem vierten und fünften Finger erscheint die Flughaut auf eine merkwürdige, zierliche Weise verdünnt. Die verdünnten pigmentlosen Stel- len nehmen den gröfsten Raum zwischen diesen beiden Fingern ein, indem sie zahlreiche, regelmäfsig dicht neben einander verlaufende parallele Quer- binden darstellen, welche selbst wieder durch verdickte kurze Längsstreifen fensterartig abgetheilt erscheinen. Neben der innern Seite der Mittelhand des fünften Fingers und undeutlicher zwischen den Phalangen des vierten und dritten Fingers ist eine ähnliche Structur zu bemerken. Die Körperbe- haarung ist bei den bis jetzt beobachteten Arten sehr weich und vor jeder Schulter zeichnet sich ein heller gefärbter Haarbüschel aus. Was nun das Gebifs anbelangt, so ist die Untersuchung desselben bei dieser Gattung auch ohne Verletzung der Weichtheile sehr leicht, indem die Zähne in einem so flachen Bogen gestellt sind, dafs sie alle von vorn zugleich gesehen werden können. Dieses ist aber auch das Einzige, was hierbei be- sonders bemerkenswerth ist, indem die einzelnen Zähne in ihrer Gestalt zum Verwechseln mit denen von Phyllostoma perspicillatum Geoffr. (vgl.Subgen. Madataeus, Leach, Transactions of the Linnean society. XIII. p.81. — Steno- derma perspicillatum. Blainville, Osteographie des Mammiferes. Cheiro- ptera. Taf. XIII.) übereinstimmen. Die vier oberen Vorderzähne stehen unter sich und von den Eckzähnen durch Zwischenräume getrennt in einer Querreihe und sind zweilappig; die beiden mittleren sind beträchtlich gröfser als die beiden äufseren. Die vier unteren Schneidezähne stehen in einer Querreihe gedrängt neben einander, sind von gleicher Grölse und genau be- trachtet ebenfalls zweilappig. Die oberen Eckzähne sind gekrümmt, an der vorderen Fläche unter der Basis ausgehöhlt, an der Wurzel schmal und ohne deutliche Hakenabsätze an der Basis. Die unteren Eckzähne sind etwas kürzer und schmäler als die oberen, am Grunde mit einem äufseren deutlichen und einem hinteren weniger starken Absatze versehen. Der erste obere Backenzahn ist klein, aufsen mit einer mittleren schneidenden Spitze und einem hinteren kleinen Absatze, vorn und inwendig mit einem stum- pfen Höcker versehen; der zweite ist von ähnlicher Gestalt, aber in allen Dimensionen doppelt so grofs; der dritte grölste ist um die Hälfte breiter als des Königlichen zoologischen Museums. 85 lang, mit zwei äufseren, einer vorderen höheren und einer hinteren niedrigeren, schneidenden Spitzen und mit zwei Höckern bewafinet, von welchen einer vor der Mitte des vorderen Randes dieses Zahns, der andere an dem schma- len innern Ende desselben liegt; der hinterste vierte obere Backzahn ist sehr kurz, doppelt so breit wie lang, im Querdarchschnitt von schmal rhomboidaler Gestalt und mit vier Höckern versehen. Was die unteren Backzähne anbe- langt, so sind die beiden vordersten von ähnlicher Gestalt wie die ihnen ent- sprechenden oberen, jedoch ist der Gröfsenunterschied zwischen ihnen nicht so beträchtlich wie bei diesen ; sie haben eine äufsere schneidende Spitze, einen hinteren spitzen Absatz und einen inneren Höcker. Der dritte untere grofse Backzahn ist länger als breit und vorn schmäler; man kann an ihm drei äufsere spitzige und drei innere stumpfere Höcker unterscheiden, von denen der vorderste nur sehr klein ist. Der vierte und letzte untere Backzahn ist im horizontalen Querdurchschnitt unregelmäfsig dreieckig, hinten verschmä- lert und mit fünf Höckern, zwei äufseren, zwei inneren und einem hinteren, bewaffnet. Der fünfte untere Backzahn, welcher den Phyllostomen zukommt, fehlt hier gänzlich, so dafs im Ganzen nur 28 Zähne vorhanden sind und die Formel des Gebisses sich in folgender Weise 4 4 11-11 2 — herausstellt. Was das Skelet anbelangt, so stimmt es bis auf den Schädel am meisten mit dem der eigentlichen Phyllostomen überein. Der Schädel dagegen ist von ganz eigenthümlicher Gestalt, indem sein Gesichtstheil so sehr verkürzt erscheint wie bei keiner andern Gattung, so dafs die Gehörölfnung in der Mitte zwischen dem hinteren und vorderen Ende des Schädels zu liegen kommt, die Kiefer so verkürzt sind, dafs die Zähne in einem Kreisabschnitte gestellt sind und der Schädeltheil des Schädels doppelt so lang erscheint wie der Gesichts- theil. Die Jochbogen erscheinen wie geknickt und springen seitlich aufser- ordentlich weit hervor. Der Unterkiefer ist bogenförmig, mit schwachen Fortsätzen versehen, sein Processus angularıs nach aufsen gerichtet. Das Zun- genbein wird zusammengesetzt aus einem fast Mförmigen platten Mittelstück, an dessen vorderen Ecken sich die aus drei Gliedern bestehenden oberen Hör- ner befestigen, während die unteren Hörner nur als kurze Anhänge der lan- gen Fortsätze des Zungenbeinkörpers erscheinen. Das erste Glied der oberen Hörner ist platt und sichelförmig gebogen, die beiden folgenden Glieder da- gegen sind gerade und griffelförmig. Der Zungenbeinkörper hat eine Breite von 4”, in der Mitte eine Höhe von nur 1", 56 Lichtenstein und Peters über neue Säugethiere In dem Bau der Weichtheile, z. B. in der Form der Leberlappen und der männlichen Organe findet sich die gröfste Ähnlichkeit mit PAyllostoma (Madataeus Leach). Zu bemerken ist nur, das die Zunge sehr kurz, platt und dreieckig und dafs die Luftröhre in ihrem ersten Drittheile spindelartig erweitert ist. Über die Stellung der Gattung Centurio in der Familie der Fleder- thiere kann nach dem Obigen nun wohl keine Frage mehr sein. Sie kann weder in die Nähe der Vespertitionen noch zu Normops und Chilonycteris un- ter die Noctilionen gestellt werden, denn alle diese so wie die Rhinolophen, Megadermen, Rhinopomen u. a. haben, abgesehen von der Form und Zahl der übrigen Zähne, Backzähne mit wförmigen Schmelzfalten. Bei einer naturge- mäfseren Qlassification derFlederthiere werden daher auch alle genannten Gat- tungen von den Phyllostomen, mit denen man sie wegen ihres Nasenbesatzes zusammengestellt hat, zu entfernen sein. In allen wesentlichen Theilen, im Ge- bifs, in der Form des Schädeltheils des Schädels, im Bau der Lippen, der Gliedmafsen (obgleich die Zusammensetzung des Mittelfingers mit Einschlufs seines Metacarpus aus vier knöchernen Gliedern kein ausschliefslicher Cha- rakter der Phyllostomen ist, wie Herr Gray meint, indem man dieses selbst bei unseren gemeinsten einheimischen Fledermäusen z. B. bei Fespertilio noctula Daub. beobachten kann) und der Eingeweide schliefst sich daher die Gattung Centurio eng an die schwanzlosen Phyllostoma (Artibeus und Madataeus Leach) an und mit diesen mufs sie, ungeachtet der geringen Entwickelung des Nasenblattes, zusammengestellt werden. Der Mangel eines deutlichen Hufeisens, die geringere Zahl der Backzähne, die aufser- ordentliche Verkürzung des Gesichtstheils, die doppellappige Form der Ohren und der sonderbare Bau der Flughäute sind die Hauptmerkmale, welche diese Gattung von den schwanzlosen Phyllostomen trennen. Das Exemplar, welches uns zur vorstehenden Untersuchung gedient hat und das in dem Gebirge Taburete, District Callajabas auf Cuba ge- fangen war, läfst sich nach Grays Beschreibung und Abbildung zu urthei- len nicht mit Centurio senex vereinigen, sondern repräsentirt eine zweite Art, von der wir hier die Beschreibung folgen lassen. des Königlichen zoologischen Museums. 87 Centurio flavogularis L.P. Mafell. C. supra umbrinus, pilis apice et basi fuscis, medio flavido-albis, subtus um- brinogriseus; alis saturate umbrinis, fascüs Iransversis pellucidis, fasci- culo piloso ante humeros fasciaque gulari flavido-albis. Longit. tota maris adulti 0,075; antibrachü 0,042; volatus 0,300. Habitatio: Insula Cuba. Die Ohren sind nackt, lang, abgerundet, in der Mitte des hinteren Randes flach ausgeschnitten; der durch den vordern tiefen Einschnitt ab- gesonderte kleinere Lappen hat eine längliche fast beilförmige Gestalt; der Tragus ist am unteren Ende gezackt, der Antitragus von blattförmiger an der Basis verschmälerter Form. Die Körperbehaarung ist weich, auf der Rückseite länger als am Bauche und dehnt sich neben den Körperseiten weit über die Flughaut und’ über den Vorderarm, jedoch nicht so weit und weniger dicht auf der Bauchseite wie auf der Rückseite aus. Das Län- genverhältnifs der Finger und ihrer einzelnen Glieder ist aus den unten beigefügten Mafsen zu ersehen. Die Flughäute gehen bis zur Mitte des Mittelfulses. Die Schenkelflughaut ist zwischen den kurzen Spornen aus- gerandet, namentlich nach dem Rande zu und auf der Dorsalseite, so wie die Unterschenkel, stark behaart. Farbe. Oben gelbbraun, die Rückenhaare am Grunde und an der Spitze gelbbraun, in der Mitte gelblichweifs; die Bauchseite bestaubt bräun- lich, indem die einzelnen Haare hier eine ganz kurze gelbliche Spitze haben, im Übrigen aber wie die dunklere Basis der Rückenhaare gefärbt sind. Über dem Ansatz der Halsflughaut vor der Schulter befindet sich ein gelblichweifser Haarbüschel. Die kurzen Haare zwischen den Falten des Unterkinnes und eine Binde hinter denselben sind weifslich gelb. Die Flughäute sind dunkel umberbraun; die durchscheinenden Felder derselben gelblich. Die Nägel sind von brauner Farbe. Die Gestalt des Schädels ist am besten aus der Abbildung zu erse- hen. Was das übrige Skelet anbelangt, so besteht die Wirbelsäule aus 38 Wirbelkörpern, nämlich: 7 Halswirbeln, 13 Rückenwirbeln, 6 Lenden- wirbeln und 12 Kreuz- und Schwanzwirbeln. Der siebente Halswirbel ist tofo) Lichtenstein und Prrers über neue Säugethiere mit den beiden ersten Rückenwirbeln und ebenso sind die vier ersten Len- denwirbel mit dem letzten Rückenwirbel, so wie die Kreuz- und Schwanz- beinwirbel mit einander verwachsen. Die Schlüsselbeine sind ganz gerade, am Humeralende breiter. Das Manubium sterni ist sehr breit. Es sind dreizehn Paar Rippen vorhanden, von denen sieben sich mit dem Brustbein verbinden. Die Zunge ist dreieckig, platt, auf ihrer vorderen Hälfte mit gleich- förmigen kleinen gedrängten platten rundlichen Papillen bedeckt; ihre Grund- hälfte dagegen ist mit gröfseren, mehr getrennt stehenden breiteren, zwei warzenförmigen und mehreren Längsreihen verlängerter zottiger Papillen ver- sehen. Der Oesophagus führt in einen Magen von 15” Länge und 10” Breite, welcher im Innern durch zahlreiche Falten ausgezeichnet ist und an der linken Seite durch eine sehr hervorragende Falte in zwei Abtheilungen zerfällt. Die Milz ist 74” lang und überall nur 1" breit. Die Leber zer- fällt in zwei sehr grofse seitliche und einen mittleren kleinen Lappen; zwi- schen letzterem und dem rechten Hauptlappen bettet sich eine gestreckte birnförmige Gallenblase ein. Die Nieren sind bohnenförmig, ungelappt, 7"" lang, 5"" breit. Die Harnblase ist sehr diekwandig. Die Ruthe ist weich und hat eine gespaltene platte abgerundete Eichel. Die Luftröhre zeigt & und enthält bis 8 zur Theilungsstelle 22 bis 23 Halbringe. Die linke Lunge ist durch einen in ihrem ersten Drittheil eine spindelförmige Erweiterun seitlichen Einschnitt in einen oberen kleineren und einen unteren gröfseren 3 Q . un mm. Lappen getheilt, die rechte Lunge dagegen ist ungelappt. Das Herz ist 11 lang, 6" breit, eilörmig. Mafse einesalten Männchens in Millimetern. Länge von Hinterhaupt bis zum Rande der Schenkelflughaut 75 Hange "des Kopfes U RUE NR BENIEEE ERRRRER IH NIERERZO) Länge ‘der Schenkelflughut I. . nm N 15 Hl WEETETN. at UNS SERDENERSNIERN. IRTNAIRR. DRENBEN DEREN RUHE Elle 300 fine tdes "0 res TU PR MCRRNIER RUN RRR. KERKTERSE INTERNE AO, KITI, UN CHAR 15 Tänzer] es‘Oberarımes em BANNER U INSERIEREN 29 Länge ’des\Viorderarmes LIE WE, Länge des Daumens (Mittelh. 4; 1.61.64; 2 Gl. 37) "Ron eb Länge des 2ten Fing. (Mittelh.30; 1.GL45) . » » 2... 314 Länge des 3ten Fing. (Mittelh. 36; 1.Gl.17; 2.G1.22;3.G1.84;4.G1.3) 86 des Königlichen zoologischen Museums. s9 Länge des 4ten Fingers (Mittelh. 33; 1. Gl. 13; 2. Gl. 11; 3.Gl.14) 59 Länge des 5ten Fingers (Mittelh. 345; 2. Gl. 134; 3.G1.104; 4.Gl. 14.) 60 Tänegeides;Oberschenkelsgiun sine cette Havana 2‘ Dänaesdes/Üntersehenkeluäh wann. mins reed EinssdesKußese nr ren nee Tanserdeu Sporen er eine sur ehe bi) Das Vaterland dieser Art ist Cuba, wo sie in dem Gebirge Tabu- rete, Distriet Callajabas, von Herrn Otto gesammelt worden ist. Centurio senex (angeblich aus Amboyna) unterscheidet sich von un- serer Art dadurch, dafs seine Rückenhaare, anstatt in der Mitte weifs zu sein, weifse Spitzen haben, dafs er kein gelbes Kehlband hat, dafs (nach der Ab- bildung zu urtheilen) die letzten Glieder des dritten bis fünften Fingers viel länger als bei unserer Art und dafs die oberen Schneidezähne nicht zwei- spitzig, sondern von conischer Gestalt sind. II. Über Hyonycteris, eine neue Gattung von Flederthieren aus Puerto Cabello. In einer Sammlung, welche das Königliche zoologische Museum im vorigen Jahre von Appun in Puerto Cabello erkaufte, befanden sich drei Exemplare einer kleinen Fledermausart, welche bei näherer Betrachtung in keine der bisher aufgestellten Gattungen unterzubringen ist, die vielmehr mehrere ausgezeichnete Merkmale zur Begründung einer neuen Gattung ver- einigt. Hyonycteris('), Lichtenstein et Peters. Dentes primores supra qualuor geminati, lacuna intermedia sejuncli, apice bifidi, infra sex contiguitrifidi. Canini distincti longiores conici, cuspidibus cinguli binis. Molares supra infraque utrinsecus seni, cuspidati, superiori- bus anterioribus discretis,ternis posterioribus tritoribus, coronide W formi. Lingua medioeris. Rostrum in proboscidem brevem cum disco apicali (') vs, Schwein, vuxrepis Fledermaus. Phys. Kl. 1854. M 90 Lic#Tensteis und PETERS über neue Säugethiere supra marginato productum, naribus inferis ensiformibus. Labia tu- mida, marginibus late reflexis. Auriculae disjunctae, latae, trago et anlilrago. instructae. -Patagia membranacea lata; lumbaria pedibus usque :ad-ungues adnata.. Patagium anale inlegrum. Cauda patagio anali innala, articulo ultimo e margine ejus proöminenle. Pollex liber, unguiculalus, disco adhaesivo lato instructus. Metacarpus digiti se- cundi brevissimus, quartam melacarpi tertii partem vix aequans. Digitus terlius praeter melacarpum e ph alangibus tribus osseis composilus. Digitus quarlus et quinlus biarliculati. Pedes pentadactyli, disco adhaesivo plan- Lari instructi: digiti pedis omnes e binis tantum phalangibus composili, pa- lama connexi, tertio et quarto ‚fere coadunati. Calcaria longa lobata. Diese Gattung ist durch die Form des Schädels und des Gebisses am nächsten mit Vespertilio Keyserling et Blasius und Furia Fr. Cuvier verwandt. In der Gestalt und Stellung der Zähne scheint sie mehr mit Furia (mit fünf oberen Backzähnen) übereinzustimmen, in der Zahl derselben stimmt sie dagegen mit Fespertilio K. Bl. überein. Mit Fesperugo und Nycticejus erscheint sie verwandt durch die Ausdehnung der Flughäute, die langen am hinteren Rande gelappten Spornen, während die Form der Schnauze an Emballonura erinnert. Die vorn abgestumpfte Schweinsschnauze, die zumal an den Daumen grofsen Haftscheiben, die aufserordentliche Kürze des zweiten Mittelhandgliedes, die Zusammensetzung des Mittelfingers aus drei knöchernen Phalangen und die bisher nur bei Phyllorrhina (s. W. Pe- ters, Reise nach Mossambique. Säugethiere. p. 31) beobachtete Bildung sämmtlicher Zehen aus nur zwei Phalangen sind zusammen hinreichende und wichtige Merkmale, um diese Gattung der Vespertilionen von allen an- deren zu unterscheiden. Hyonycteris discifera, Lichtenstein et Peters. Tafel I. H. supra cinnamomea, sublus dilutior ; alis umbrinis. Longitudo ab apice rostri ad caudae basin 0,040; caudae 0,030; antibrachü 0,033; volatus 0,220. Habitatio: Puerto Cabello (America Centralis). An Gröfse erreicht diese Art kaum unsere europäische Zwergfleder- maus. Der Gesichtstheil des Kopfes ist scharf von dem Schädeltheil abge- des Königlichen zoologischen Museums. 91 setzt und in eine etwas abgeplattete sich allmählig conisch verschmälernde Schnauze verlängert, welche mit ihrem Ende die Unterlippe überragt. Das Ende ist grade abgestutzt, nackt, wie eine Schweinsschnauze und am oberen Rande durch einen schmalen Hautsaum verbreitert. Die Lippenränder er- scheinen wulstig nach aufsen umgeklappt und die Oberlippe ist inwendig durch eine zusammengedrückte halbkreisförmige Längswulst ausgezeichnet. Am Gaumen sind bis zwölf wulstige, aus zwei seitlichen in der Mitte V förmig vereinigten Bogen bestehende (Querfalten zu erkennen. Die kleinen Augen von einem Millimeter Durchmesser liegen um anderthalb Millimeter weiter nach vorn als die Winkel des tief gespaltenen Mauls. Die äufseren Oh- ren sind grofs, dünnhäutig und ganz von einander getrennt. Der vordere Ohrrand befestigt sich über dem Auge, der hintere geht fast bis zum Mund- winkel hin. Weder ein Längskiel noch Querfalten sind an ihnen zu erkennen. Ihre Gestalt ist unregelmälsig viereckig und sie zeigen, genau genommen, drei Auschnitte, einen über dem Grunde des vorderen Ohrrandes, einen hin- ter der oberen Spitze und’ einen hinteren unteren, welcher den gewöhnlich „Antitragus” genannten Lappen absondert. Richtiger möchte vielleicht mit diesem Namen ein kleines Läppchen zu bezeichnen sein, welches (Taf. H. Fig. d. a) unter dem zugespitzten dreizipfligen Tragus erscheint und zu der Verengerung der Offnung des äufseren Gehörgangs beiträgt. Nur an der äufseren Seite und zwar an dem vorderen Viertheil und an der Basis sind die Ohren von zartem Haar bedeckt, der übrige Theil derselben ist nackt. Der ganze Körper ist mit langen feinen Haaren dicht bekleidet, welche letztere jedoch an der Bauchseite ein wenig kürzer erscheinen als an der Rückenseite. Obgleich sämmtliche Exemplare männlichen Geschlechts sind, läfst sich doch erkennen, dafs eine Saugwarze jederseits an der Brust unten vor der Achsel- grube liegt. Die vorderen Gliedmafsen erscheinen sehr gestreckt. Der Vorder- arm an die Körperseite angelegt überragt beträchtlich das Ende der Schnauze. Der Daumen ist frei und verhältnilsmäfsig sehr kurz, das Mittelhandglied des- selben an der Basis ganz von der Schulterflughaut umfafst. An die Stelle, wo sich die erste Phalanx desselben mit dem Mittelhandgliede vereinigt und an den Grundtheil dieser Phalanx selbst ist die schmale Basis der grofsen, etwas ovalen, im grölsten Durchmesser 34- Millimeter langen Hafıscheibe befestigt. Von den Fingergliedern des zweiten Fingers ist keine Spur vorhanden und selbst das Mittelhandglied desselben ist verhältnifsmäfsig viel kürzer als bei irgend M2 93 LicHTeEnsTein und PETERS über neue Säugethiere einer anderen Gattung, indem seine Länge nicht einmal ein Viertel von der des dritten Mittelhandgliedes beträgt. Das vierte Mittelhandglied ist ein wenig kürzer als das dritte, dagegen merklich länger als das des fünften Fingers. Die erste Phalanx des dritten Fingers ist so lang wie die beiden folgenden zusam- mengenommen, an welche sich noch ein einfaches knorpeliges viertes Glied an- schliefst. An dem vierten Finger ist das erste Glied länger, das zweite ebenso lang wie die entsprechenden Glieder des fünften Fingers. Die knorpeligen dritten Endglieder dieser beiden Finger sind gabelig getheilt, wie sich dies auch z.B. bei einigen Arten der Gattung Phyllorrhina zeigt. Unter- und Oberschenkel sind fast von gleicher Länge und zugleich ebenso lang wie die erste Phalanx des Mittelfingers der Hand. Die Füfse sind klein, etwa an Länge gleich zwei Fünftel des Unterschenkels, die Sohlen vor der Befestigung der Fin- ger mit einer kleinen, aber deutlichen breitaufsitzenden Haftscheibe ver- sehen. Der Rand der ersten Zehe ist bis an den Nagel von den Flughäuten eingefafst. Die Zehen sind durch Zwischenhäute mit einander verbunden, von denen namentlich die zwischen der dritten und vierten Zehe so schmal ist, dafs diese Zehen fast mit einander verwachsen erscheinen. Schon äufser- lich erkennt man, dafs sämmtliche Zehen nur aus zwei Gliedern, wie bei den Phyllorrhinen, zusammengesetzt sind. Die Spornen sind reichlich halb so lang wie die Unterschenkel und am hinteren Rande gelappt. Der Schwanz ragt mit seinem letzten knöchernen und dem knorpeligen Endgliede aus dem hinteren Rande der Schenkelflughaut hervor; seine letzten fünf knöchernen Glieder nehmen progressiv an Länge ab, während das ihnen vorhergehende kürzer als das fünfte ist. Die Flughäute sind sehr dünn und, ausgenommen an den Körperseiten, wo sich die Körperbehaarung auf dieselben ausdehnt, nur mit zerstreuten Haaren besetzt. Die Farbe der Körperbehaarung erscheint an den in Weingeist er- haltenen und später getrockneten Exemplaren auf der Rückseite zimmt- braun, auf der Bauchseite heller. Die Stellen der Flügel, welche die Farbe noch bewahrt haben, haben dagegen eine dunklere, umberbraune Farbe. Der Schädel hat grofse Ähnlichkeit mit dem von Vespertilio und beson- ders (nach der Cuvierschen Abbildung zu urtheilen) mit dem von Furia. Der Gesichtstheil setzt sich sehr plötzlich von dem Schädeltheil ab und erscheint im Verhältnifs zu diesem letzteren sowohl viel schmäler als abgeplatteter. Die des Königlichen zoologischen Museums. 93 Unterkieferhälften verlaufen zum gröfsten Theil parallel neben einander. Die obere Zahnreihe wird jederseits von neun, die untere von zehn Zähnen gebil- det, so dafs sich die Gesammtzahl derselben auf acht und dreifsig beläuft. Die vier oberen Vorderzähne stehen jederseits paarweise, durch einen ziemlich breiten flachen Ausschnitt der Zwischenkiefer von einander entfernt. Der erste Schneidezahn ist nach vorn und zugleich etwas nach innen gerichtet; seine Krone, welche aus einem schmalen Halse hervorgeht, ist zweispitzig mit vorderer längerer und hinterer kürzerer Spitze. Der zweite Schneidezahn hat ganz dieselbe Gestalt , ist aber so viel kleiner als der erste, dafs seine vordere längere Spitze die hintere kürzere Spitze des er- sten Schneidezahns nicht überragt. Der obere Eckzahn geht in eine lange inwendig gefurchte Spitze aus; sein Cingulum ist deutlich abgesetzt und in- wendig mit einem vorderen und einem hinteren Zacken versehen; er steht fast doppelt so weit von dem letzten Schneidezahn als von dem ersten fal- schen Backzahn entfernt. Dieser so wie der folgende etwas gröfsere Zahn haben, wenn man von ihrer viel kürzeren und mehr zusammengedrückten Spitze absieht, noch ganz die Form des Eckzahns und sind sowohl unter ein- ander als von dem dritten Backzahn durch eine ziemlich grofse Lücke ent- fernt. Der dritte falsche Backzahn erscheint im Querdurchschnitt unregel- mäfsig viereckig, so breit wie lang und zeigt fünf Zacken; aufsen einen gro- fsen mittleren, einen kleinen sehr spitzen vorderen und einen hinteren un- deutlichen, inwendig am Grunde aus dem entwickelten Cingulum hervorge- hend einen vorderen sehr kräftigen und einen hinteren viel weniger deutlichen. Was die folgenden drei wahren Backenzähne anbelangt, so haben sie dieselbe Gestalt wie bei Fespertilio. Die beiden ersten zeigen auf ihrer wförmigen Schmelzfalte fünf Spitzen, drei äufsere und zwei innere, das grofse Cingu- lum entwickelt an der inneren Seite jedes Zahnes einen grofsen vorderen und einen mehr oder weniger deutlichen hinteren Höcker. Der letzte obere Backzahn dagegen ist sehr viel kürzer, doppelt so breit wie lang; der wför- migen Schmelzfalte mangelt das letzte Viertel und es sind daher an ihm nur fünf Höcker wahrzunehmen, von denen einer aus dem inneren Theile des Cingulums, vier aus der Schmelzfalte der Krone hervorgehen. Die sechs un- teren Schneidezähne stehen dichtgedrängt, mit ihrer dreilappigen Krone der Richtung des Kieferrandes parallel; sie nehmen jederseits von dem ersten bis zum letzten an Gröfse zu. Der untere Eckzahn, welcher vor dem oberen ein- 94 LicHhTEnsTEein und PETERS über neue Säugethiere greift, ist beträchtlich kürzer als dieser, am Cingulum vorn und hinten mit einem spitzen Höcker versehen. Die drei falschen unteren Backzähne nehmen vom ersten bis dritten an Gröfse zu und stimmen bis auf die geringere Kürze ihrer Hauptspitze in der Form ziemlich mit dem Eckzahn überein. Von den letzten drei Backzähnen ist der mittelste der gröfste; ihre Schmelzfalten sind wförmig, umgekehrt wie bei den oberen Zähnen mit der offenen Seite des w nach innen gerichtet; sie erscheinen wegen des Mangels des inwendigen Vor- sprunges des Cingulums viel schmäler und zeigen nur fünf Zacken, zwei äus- sere lange und drei innere kurze. — Was das übrige Skelet anbetrifft, so wird die Wirbelsäule aus fünf und dreifsig Wirbelkörpern zusammengesetzt, von denen sieben Halswirbel, zwölf Rückenwirbel, fünf Lendenwirbel, fünf Kreuzbeinwirbel und sechs Schwanzwirbel sind. An den letzten Schwanz- wirbel heftet sich ein knorpeliges Endglied an. Die Rippen, von denen sechs Paare sich mit dem Brustbein verbinden, die übrigen sechs Paare falsche sind, zeichnen sich durch ihre Breite aus. Das Brustbein ist gekielt, und nicht allein wie bei anderen Gattungen der Handgriff, sondern auch der Kör- per desselben ungewöhnlich breit. Die Schambeine stofsen vorn aneinander; die Fibula ist rudimentär, wie bei Pieropus, und reicht kaum über die Mitte der Tibia hinauf. Sämmtliche Zehen bestehen aufser den Mittelfufsgliedern nur aus zwei Phalangen wie bei Phyllorrhina. Die vordere Extremität zeigt aufser den bereits oben angeführten keine bemerkenswerthen Eigenthümlich- keiten. Die Zunge ist den Kiefern entsprechend ziemlich lang (10”"), am Ende abgerundet und abgeplattet, nicht wie bei Fespertilio mit deutlich schuppigen, sondern mit feinen körnigen Papillen bedeckt, zwischen denen kleine linsenförmige zerstreut liegen; am Grunde der Zunge steht zu jeder Seite eine Papilla circumvallata. Das Zungenbein erscheint sehr abgeplattet; sein Körper schickt nach vorn hin in die Zunge einen spitzen Fortsatz, und an seine verschmälerten Enden befestigen sich jederseits vorn das mehrglie- drige vordere oder obere, hinten das eingliedrige hintere oder untere Horn. Die Luftröhre hat nichts Ausgezeichnetes. Die Lungen bestehen jederseits aus einem einfachen unregelmäfsig würfelförmigen Lappen. Das Herz ist oval, an der Spitze stumpf abgerundet, 6} "" lang, 4--"" breit. Der Magen bildet einen breitbohnenförmigen Blindsack, aus welchem rechts nahe neben der Cardia der anfangs erweiterte, einfache, nur 55”" lange Darm hervor- geht. Die Leber zerfällt in einen gröfseren linken und einen kleineren rech- des Königlichen zoologischen Museums. 95 ten Lappen; unter und zwischen ihnen liegt die ziemlich grofse rundlich birnförmige Gallenblase. Die Milz ist gestreckt, dreiseitig, 7”" lang. Die Nieren sind ungelappt, bohnenförmig und haben eine Länge von 5”". Die Ruthe des Männchens erscheint hängend, etwa 8” lang, ganz weich ohne inneren Stützknochen und die platten Testikel haben ihre Lage aufserhalb der Bauchhöhle vorn in der Inguinalgegend. Mafse in Millimetern. Ganze Länge von der Schnauzenspitze bis zur Schwanzspitze Flugweite EEE RT A Nie are ie see NO EEE PN et: Elbibesiesstrles Se 0 on 1 enisteBreiiedes Uhren nn 0 ee 4‘ Länge des Tragus 3 nice 3 Obenauasan va ee, )a ee em Banee des Vorderasms ee 0 0 een. 8 Länge des Daumens (Mittelh. 2. 1.Gl. 24.2.GL. 14) . .. > Länge des2. Mittelbgl.(Mittelh. 5) . . . . + Länge des 3ten Fing. (Mittelh. 31. 1.Gl. 15. 2.Gl.104.3.G1.5.4.G1.3) 64 Länge des 4ten Fing. (Mittelh. 30. 1.G1.10%.2.G.7) . . . . 47 Länge des Sten Fing. (Mittel. 28. 1.Gl. 84.2.G.7) . . . . 43 Banaedes Obenschenkeu nn... 0. nn... 416 Wanzerdes Unterkebenkele 2 she en. 2 0... 40 Hänce des Eulses mit.den Krallen». . . 2» 2. 2... 6 emessder Spomenu\ anyetas ware benun an. mann a Hahn BMencesdes Schwänzennun. Wraluasına an tayıat sand en Über die Lebensweise dieser, wie erwähnt, von Appun in Puerto Cabello gefundenen Art ist uns nichts bekannt geworden. 96 LichTEnsTEin und PETERS über neue Säugelhiere IH. Über Antilope leucotis Licht. Pet., eine neue Art aus dem nordöstlichen Afrika. Unter den von Werne gesammelten und durch Herrn Lepsius wäh- rend seiner ägyptischen Expedition für das Königliche zoologische Museum erworbenen Naturalien befindet sich eine neue, sehr ausgezeichnete und schöne Antilope, von der wir bereits im vorigen Jahre der Akademie eine kurze Notiz mitzutheilen die Ehre gehabt haben. Sie schliefst sich zunächst denjenigen Formen an, welche Gray (Pro- ceedings of Ihe zoological sociely of London. 1550. XVII. p. 129) zu dem Subgenus Adenota vereinigt hat und in welcher er Erxlebens Antilope Kob aus Westafrika und eine neue Art Antilope Leche aus Südafrika aufführt. Die Kennzeichen für Adenota gibt Gray (l. c.) in folgender Weise an: „Aluffle cordate, moderate, cervine; nose hairy between the back of the „moslrils; horns sublyrate, ringed, when young rather recurved; place of „tear-bag covered with a Zuft of hair; hair of Ihe bacı: whorled, of dorsal „line and back of head reversed; tail elongate, hairy. „Ihis genus is very like Eleotragus, but has a smaller, more cer- „eine muzzle and lyrate horns; it differs rom Cobus in the form of the tail „and wanting Ihe mane, and from both in having a tuft of hair in Ihe front „of ihe orbit” Antilope leucotis. Licht. Pet. Tafel II. A.magnitudinepygargae; badia, versus dorsum fuscescens; rostri apice, re- gione ophthalmica, temporali, auriculari, auriculis, digitis, latere artuum interno, uropygio gastraeoque albis. Sinus lacrymales null. Rhinarium angusium nudum, nares approximatae nudae. Cornua a basi inde diver- gentia, Iyrata, annulala, apicibus procurvis. Ungulae duplo longiores quam alliores; ungulae spuriae majusculae. Longitudo ab apice rostri ad caudae basin 1,520; altitudo 0,870. Habitatio: Africa orienlalis, Sennär (Sobah). Antilope leucotis. LicHT. PET. Bericht der K. Pr. Akad. der Wissensch. zu Berlin. 1853. p. 164. Von der Gröfse der Antilope pygarga. Der Kopf aber von wohlpro- portionirter Länge und Gestalt. Das Gesichtsprofil ist gerade, die nackte des Königlichen zoologischen Museums. 97 Nasenkuppe tief ausgeschnitten, herzförmig, vorn durch eine breite nackte Furche mit der Oberlippe vereinigt und hinten nicht bis zum Ende des in- neren Randes der bis dahin nackten Nasenlöcher reichend. Vor den Augen sind keine Thränengruben, sondern statt deren an jeder Seite zwischen Auge und Nasenrücken ein Haarwirbel bemerkbar. Ein zweiter mittlerer Haar- wirbel zeigt sich unmittelbar hinter den Hörnern, welche zwischen und et- was hinter den Augen hervorgehen und von leierförmiger Gestalt sind. Indem sie nämlich gleich von Anfang an auseinanderweichen, krümmen sie sich zu- erst bogenförmig nach oben, aufsen und hinten, verlaufen dann eine kurze Strecke parallel und krümmen sich darauf allmählig wieder nach oben und mit ihren glatten Endspitzen nach vorn und zugleich ein wenig nach innen. Sie sind mit etwa sechsundzwanzig, vorn mehr hervorragenden, unregelmäfsigen Ringen geziert und zwischen denselben tief gerieft. Der Durchmesser der Hörnerbasen, welche nur um die Hälfte ihrer Dicke von einander abste- hen, ist etwas gröfser von vorn nach hinten als von innen nach aufsen. Die Ohren sind von halber Kopflänge, am Ende abgerundet, dicht be- haart. Hinter und zwischen ihnen befindet sich ein Haarwirbel, von dem aus die Haare des Hinterkopfes nach vorn gerichtet stehen. Die Körper- form ist proportionirt, nach vorn ein wenig abschüssig. Der Hals ist un- gemähnt, mit dicht anliegenden Haaren bekleidet. Auf dem Rücken fin- den sich zwei Haarwirbel, einer zwischen den Schultern und ein anderer über dem Kreuz, zwischen denen die Haare nach vorn gewandt sind, in derselben Weise wie man diefs bei Antilope leucoryx Pallas findet. Zu jeder Seite der Weichen bemerkt man noch einen deutlichen Haarwirbel und die Haare in der Mittellinie des Bauches sind wie die des Rückgrah- tes nach vorn gerichtet. Es sind deutliche Leistengruben vorhanden und es lassen sich an dem einzigen Exemplare, obgleich es ein Männchen ist, vier Saugwarzen unterscheiden. Die Klauen und Afterklauen sind grofs, erstere doppelt so lang wie hoch und an den Vorderfülsen kaum merklich gröfser als an den Hinterfüfsen. Die Schwanzwurzel ist an der unteren Seite nackt; nach dem Bau und der zunehmenden Verlängerung der Haare dieses Organs zu urtheilen, war es, wie bei den verwandten Arten mit einer Endquaste versehen, welche jedoch an unserem Exemplar, wie es die afrikanischen Jäger zu thun pflegen, abgeschnitten ist. Phys. Kl. 1854. N 98 Lichtenstein und PETERS über neue Säugethiere Die Farbe ist kastanienbraun, nach dem Rücken zu etwas dunkler werdend. Die Schnauzenspitze, die Lippen, die ganze Unterseite des Kopfes, die Ohren, die Gegend um die Ohren und um die Augen bis zur Basis der Hörner, ein breiter hiermit vereinigter Längsstreif zur Seite der Nase, die Kehle, der untere Theil der Gurgel nebst der ganzen übrigen Bauch- seite und der Steifsgegend sind weils. Die Gliedmafsen sind an der Aufsenseite braun, mit Ausnahme der Fingerglieder, welche nebst einem Theile der Mittelhand und des Mittelfufses weils wie die ganze Innenseite sind. Der Schwanz ist oben braun, unten an der Basis nackt, im Übri- gen so wie an den Seiten (nebst der Schwanzquaste?) weils. Die Hörner sind schwärzlich, an den Ringen schmutzig weils, an den Spitzen schwarz. Die Klauen endlich sind sämmtlich von schwarzer Farbe. Mafse eines ausgewachsenen Männchens in Millimetern. Länge von dem Schnauzenende bis zur Schwanzbasis . . 1520 Länge des Kopfes in gerader Linie a Länge der Hörner in gerader Linie (linke Seite 405, rechte S. 500) 500 Durchmesser der Hörnerbasis von vorn nach hinten . . 47 Durchmesser der Hörnerbasis von innen nach ausfen . . 42 Abstand der Horner an den Bass ur me en 22 Gröfster Abstand der Hörner in der zweiten Krümmung . 325 Abstand .der Hornerspitzene u Länge des Ohres (an der äulseren Seite gemessen) . . . . .» 160 Schulierhöhe:. ., . u. Zum tea Fee 2 N a Ba Länge der ganzen vorderen Extremität . . 2 2... ..:.8085 Ibänge (des Vorderfulsesge ge u 2 re Er 0238 Länge der Klauen BE ET NER 79 Höhe:der: Klauen, ,.: Mo ee 34 Länge der ganzen Hinterextremität We 20 Bänsgen;des Hinterfufses Par zee 24. 5, usnne lKänseuder:Klauen: . re 172 HohesderzKlauen : .: 0% Men ae 32 Die Entdeckung dieser schönen Antilope verdanken wir Herrn Werne, bekannt durch seine Reiseskizzen aus Agypten, nach dessen Mit- theilung sie aus Sobah im Sennär herstammt. des Königlichen zoologischen Museums. 99 Erklärung der Abbildungen. TafelI. Centurio flavogularis Licht. Pet. Altes Männchen in natürlicher Grölse. A. Kopf doppelt vergrölsert. 1. manzum:. Schädel von oben betrachtet. Derselbe von der Seite gesehen. Derselbe von unten gesehen. Unterkiefer von unten gesehen. Schädel von vorn gesehen, doppelt vergröfsert. Liuke Seite der oberen Zahnreihe, Linke Seite der unteren Zahnreihe, viermal vergröfsert. Tafel II. Hyonycteris discifera Licht. Pet. — Männchen in natürlicher Gröfse. Tafel II. = oa 0 a Kopf von vorn, 5 derselbe von oben, c derselbe von der Seite betrachtet; d Ohr der linken Seite, doppelt vergrölsert, £ Tragus, a Antitragus. Schädel von der Seite. Derselbe von oben angesehen. Gebils von vorn gesehen, doppelt vergröfsert. Obere Zähne der linken Seite von aulsen, 4° dieselben von der Kaufläche aus gesehen, sechs Mal vergröfsert. Untere Zähne der linken Seite von aulsen, 5° dieselben von der Kaufläche aus gesehen, sechs Mal vergröfsert. Antilope leucotis Licht. Pet. — Ausgewachsenes Männchen; ein Siebentheil natür- licher Gröfse. N2 linsh’alt: Seite 1) Über die Gattung Centurio Gray und eine neue Art derselben aus Cuba . 81 2) Über Hyonycteris, eine neue Gattung von Flederthieren aus Puerto Cabello 89 3) Über Antilope leucotis Licht. Pet., eine neue Art aus dem nordöstlichen Africa ee En 2.2. 0. 0A ERBE Ned Le) SEN CHUR PER EEE EI — I, Tom af] elhiere 185 1u0 ber neue S TS u Abhv. Ilen Lichtenstein u Im. Pete BE 24 FE ES nano “IHRE m“ Genturio flavosulaı Id NP BIOJLOSIP SLIOALOAI] Te] | 7cg] 2.191 93URS anal dagn Sualog ua n urs]sua]yorfuaäıgy “gar smoana] arlopımuy HET: I AMAV Über die an der Küste von Mossambique beobachteten Seeigel und insbesondere über die Gruppe der Diademen. Von . um W. PETERS. nnnnannnnanan [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 11. August 1853.] Bin die Beobachtungen der neuesten Zeit(') haben uns mit den so merk- würdigen Entwiekelungszuständen der Echinodermen bekannt gemacht. Sie haben gezeigt, dafs aus den Eiern der meisten Arten sich Larven entwickeln, welche nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem mütterlichen Thiere haben und welche nicht wie dieses sich auf dem Meeresboden aufhalten, sondern frei im Meere umherschwimmen. Winde und Strömungen entführen diese Larven an die entferntesten Küsten, ehe die jungen Echinodermen sich ent- wickelt und von ihnen losgelöst haben. Aus diesen Vorgängen erklärt sich mit Leichtigkeit die aufserordent- lich weite geographische Verbreitung vieler Arten einer Klasse von Thieren, welche im entwickelten Zustande selbst nur einer langsamen Bewegung am Meeresboden fähig sind. Man kann sich daher auch nicht mehr darüber wundern, dafs die erst neuerdings untersuchten Küsten viel weniger neue Formen von Echinoder- men liefern, als man sonst erwarten durfte. Nach den früheren Mittheilungen, welche ich der Akademie vorzule- gen die Ehre hatte, sind an der Küste von Mossambique nur vier Ophiuren und zwei Asterien von mir gefunden worden, welche bisher noch nicht an anderen Orten beobachtet sind (s. Bericht über die zur Bekanntmachung ge- eigneten Verhandlungen der K. Preufs. Akademie zu Berlin. 1851. S. 463 und 1852. S. 177). (') Vgl. Hr. J. Müllers Abhandlungen über die Echinodermen in den Schriften dieser Akademie. 102 Perens über die an der Küste von Mossambique beobachteten Was die Seeigel anbelangt, so sind aufser bereits bekannten Arten der Gattungen Cidaris, Diadema, Salmacis, Tripneustes, Echinometra, Clypeaster, Lobophora, Echinoneus und Brissus mir nur zwei noch unbeschriebene For- men vorgekommen. Diese bieten aber ein um so gröfseres Interesse dar, als die eine der bisher noch nicht genau bekannten Gattung Astropyga, die andere einer neuen Gattung angehört, welche bald mit Diadema bald mit Astropyga zusammengeworfen worden ist. Die Seeigelgattungen Diadema und Astropyga sind zuerst, aber in nicht genügender Weise, von Gray aufgestellt worden. In seinem „Attempt, to divide the Echinidae, or Sea Eggs into Natural Families” (Annals of phi- losophy. New series. X. p. 426) vom Jahre 1825 vertheilt er die Seeigel in zwei Hauptgruppen, von welchen die hier nur in Betracht kommende erste, der Kleinschen Gattung Cidaris entsprechend, die regelmäfsigen symme- trischen Formen enthält, an welchen Mund und After einander gegenüber liegend die beiden Pole bilden. Diese Gruppe zerfällte er nach der Form der Stacheln und der Tuberkeln in zwei Familien : 1) Echinidae, mit gleichförmigen Stacheln und mit undurchbohrten Tuberkeln, wohin er die beiden Gattungen Echinus und Echinometra Linne et van Phelsum rechnete, und 2) Cidaridae, mit an der Spitze durchbohrten Tuberkeln und mit zweierlei Arten von Stacheln, von denen die grölseren keulenförmig oder sehr lang sind. In dieser führte er nun die drei Gattungen Cidaris, Diadema und Astropyga auf, welche er in folgender Weise unterschied: 1) Cidaris Klein, Lamarck. Turbans. Body depressed, spheroideal; ambulacra waved: small spines compressed, two edged, two rowed, covering the ambulacra, and surrounding Ihe base of the larger spines. This genus may be divided according to the form of the larger spines; the extraambulacral beds have only two rows of spines. C. imperialis Lam. Klein. tab. VII. Fig. A. 2. Diadema. Diadems. Body orbicular, ralher depressed; ambulacra strait, spines often fistulous. *D. setosa Leske, Klein Taf. 37. Fig. 1 u. 2. Echinus Diadema Linne£. " D. calamaria, Pallas Spicil. zool. Taf. II. Fig. 4—S8. Seeigel und insbesondere über die Gruppe der Diademen. 103 3) Astropyga. Body orbicular, very depressed, ambulacra strait: ovarian scales very long, lanceolate ; beds wilh several series of spines. A. radiata, Leske, Taf. 44. Fig. 1. Die dürftige Charakteristik, welche Gray von diesen letzten beiden Gattungen gegeben hat, ist nebst der ungenügenden Kenntnifs der von ihm eitirten Arten allein Schuld daran, dafs die naturgemäfse Absonderung der- selben von den eigentlichen Cidaris nicht sogleich mit der Anerkennung auf- genommen wurde, welche sie bei genauerer Betrachtung in der That verdient. In der neuesten systematischen Zusammenstellung der Seeigel, welche wir Agassiz und Desor (Catalogue raisonne des familles, des genres et des especes de la classe des echinodermes. Annales des sciences naturelles gigme serie. Zoologie. VI. Paris. 1846. p. 305 fgg.) verdanken, sind zuerst Grays Diadema und Astropyga genauer untersucht und die Nothwendig- keit ihrer Trennung von Cidaris richtig gewürdigt worden. Leider aber enthält diese Darstellung mehrere Unrichtigkeiten, die A gassiz früher (Me- moires de la socidle des sciences naturelles de Neuchätel. 1835 p- 189.) ver- mieden hatte, wodurch neue Verwirrungen entstanden sind. Agassiz ist es zwar nicht entgangen, dafs die beiden von Gray für seine Gattung Diadema citirten Arten Cidaris setosa Leske (Klein, Nat. disp. Echinodermatum Taf. 37. Fig.1. u. 2.; Rumph, Amboinsche Rariteit- kammer Taf. 13. Fig. 5) und Echinus calamaris Pallas (Spicilegia zoologica Fasc. I. Tafel II. Fig. 4—8) zwei so verschiedenen Formen angehören, dafs sie nicht in derselben Gattung zusammenbleiben können. Er hat aber den Mifsgriff begangen, die zweite dieser Arten (E. calamaris) mit Cidaris ra- diata Leske (l. c. Tafel 44. Fig. 1.— Encyclopedie merhodique. Zoophytes. Pl. 140. fig.6 bis 8 — beides Copien nach Seba tom. III. Taf. 14. Fig. 1. u. 2.), der typischen Form von Grays Gattung Astropyga, zusammenzubringen, während sie in der That derselben ebenso fremd ist, wie der Gattung Dia- dema, wenn man die Kennzeichen dieser letzteren nach der von Gray zuerst eitirten Cidaris setosa Leske (Tafel 37. Fig. 1 und 2) festzustellen hat. Ohne Zweifel würde dieser Irrthum nicht entstanden sein, wenn man früher die Bestachelung der sehr seltenen eigentlichen Astropyga gekannt hätte. Von dieser Gattung scheinen aber bisher in keinem Museum vollstän- dige Thiere vorhanden gewesen zu sein, so dafs das von mir in Mossambique 104 Prrens über die an der Küste von Mossambique beobachteten gefundene Exemplar wahrscheinlich das einzige mit Stacheln versehene ist, wel- ches sich in den europäischen Museen befindet. Leider ist bei der Versendung ein grolser Theil dieses schönen Thiereszerstört, so dafsnurnoch.die obere Hälfte und die Laterne mit der daran hängenden Mundhaut vorhanden ist. Indessen bin ich durch die gütige Verwendung des Hrn. Heckelin Wien in den Stand gesetzt worden, ein anderes schönes Exemplar des dortigen Museums zu vergleichen und so meine Untersuchungen über diese Gattung zu vervollständigen. Denn dafs die beiden vor mir liegenden Arten wirklich mit der typischen Form von Astropyga generisch zusammengehören, darüber läfst die Vergleichung der Sebaschen, von Leske und Lamarck copirten, Abbildungen keinen Zweifel. Die wahren Asitropyga tragen auf den Ambulacralplatten Stacheln von derselben Form wie auf den Interambulacralplatten und unterscheiden sich in dieser Beziehung von Diadema nur dadurch, dafs diese Stacheln nicht sehr lang und hohl, sondern von mäfsiger Länge und solide sind. Echinus cala- maris Pallas dagegen und die ihm verwandten Arten, welche Gray noch zu Diadema, Agassiz dagegen zu Astropyga gezogen hat, und welche sich sogleich durch die eigenthümlichen feinen borstenförmigen Stacheln auf den Ambulacralplatten auszeichnen, so wie auch dadurch, dafs der von den Ova- rialplatten herabsteigende glatte Theil der Interambulacvalplatten sich nicht gabelförmig theilt, müssen eine dritte Gattung bilden, für welche ich den Namen Echinothrix vorschlagen möchte. Diese Gattungen lassen sich weder mit Cidaris, wie Gray es gethan hat, noch mit Echinus oder mit Echinoeidaris, wie es von Agassiz gesche- hen ist, in eine Familie oder Gruppe zusammenbringen, sondern bilden eine wohlbegrenzte Abtheilung für sich, in welcher man sie als Diadematidae zu- sammenfassen könnte. Eine vergleichende Zusammenstellung wird dieses am besten erläu- tern. Die beiden Gruppen, welche hier nur in Betracht kommen, sind, indem hier auf die erwähnte bis jetzt vollständigste Olassification der Seeigel von Agassiz und Desor Bezug genommen wird, die der Cidaridae und Echini- dae, in welche alle lebenden Formen der regulären kreisförmigen Seeigel vertheilt sind. I. Cidaridae. Die Cidaris sind leicht zu erkennen an ihrer dicken Schale, an ihren dicken Stacheln und an den weniger zahlreichen aber grofsen an der Spitze Seeigel und insbesondere über die Gruppe der Diademen. 105 durchbohrten Tuberkeln der Interambulacralplatten. Die Cidaris (und Go- niocidaris) zeichnen sich ferner, wie Herr Müller in seinen neuesten Ab- handlungen (s. Archiv für Anatomie und Physiologie. 1853. Heft II. S. 175 bis 240) gezeigt hat, dadurch aus, dafs die Füfse ihrer Rückseite conisch zugespitzt, ohne Saugscheibe (wie bei Echinus u.a.) und ohne Einschnitte (wie bei Echinocidaris und Diadema) sind, dafs sie keine äufseren Kiemen am vorderen Rande der Corona haben, ihnen daher allein die Einschnitte am Mundrande der Schale wirklich fehlen, welche Herr Agassiz auch den Diademen abspricht, dafs sie Fortsätze am vorderen Theil der Ambu- lacra besitzen, welche den Wirbelfortsätzen der Ambulacralplatten der Asterien analog sind, dafs die Auricularfortsätze für die Muskeln der Kiefer bei ihnen nicht von den Ambulacralplatten, sondern von den Interambula- cralplatten ausgehen und dafs ihre Mundfüfschen ganze Reihen bilden, auf den beweglichen buccalen Platten, welche hier die Corona gleichsam wie- derholen und in ambulacrale mit Doppelporen und interambulacrale buccale Platten zerfallen, von welchen erstere bis zum Munde doppelt bleiben, die letzteren am äufsersten Ende einfach werden. Ein Kenn- zeichen, welches die Cidariden von den Echiniden vorzüglich auszeichnet, ist der Mangel des Längskiels an der inneren Seite der Zähne. Aber hierin sind sie nicht von den Diademen verschieden, wie bereits Herr Müller (Abhandlungen der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin aus dem Jahre 1850, p. 64), die Angaben von Agassiz und Desor berichtigend, bemerkt hat. Auch kommt es nicht, wie Agassiz angibt, ausschliefslich den Cidariden zu, dafs die Kiefer an ihrem Grunde keine geschlossenen Bo- gen bilden, sondern dies ist auch bei sämmtlichen Diademen und bei Echino- cidaris der Fall. Dafs aber die beiden Pfeiler der Aurikeln sich nicht zu einem Bogen vereinigen, ist eine Eigenthümlichkeit, welche blofs den Ci- dariden und keinesweges, wie Agassiz angegeben, auch den Diademen zukommt. Jedoch ist dies von viel geringerer Wichtigkeit, als dafs die Aurikeln, wie Herr Müller bemerkt, anstatt aus den Ambulacralplatten aus den Interambulacralplatten hervorgehen. Hierher gehören von lebenden Gattungen nur: 1. Cidaris Lamarck. Agassiz. 2. Goniocidaris Desor. © Phys. Kl. 1854. 106 Perers über die an der Küste von Mossambique beobachteten II. Echinidae. Wenn man diese Familie so lassen wollte, wie Agassiz sie aufgestellt hat, so würden die meisten der für sie aufgeführten Merkmale verloren gehen, welche nun nach Abzug der Diadematiden beibehalten werden können. Sie haben alle eine dünne Schale, kurze und dünne Stacheln, und sind sogleich an der Form der Tuberkeln, welche nicht an der Spitze durch- bohrt sind und an den an der inneren Fläche mit einem Längskiel versehenen Zähnen zu erkennen. Die Aurikel entspringen von den Ambulacralplatten und sind bogenförmig vereinigt. Wenn man die einzige Gattung Echinoci- daris von ihnen entfernte (ohne sie jedoch nach Agassiz Vorschlag mit den Diadematiden zu vereinigen), so würden die überall gleichgeformten auch an der Rückseite der Thiere mit einer Saugscheibe versehenen Füfschen und die Bogen, welche die Kiefer an ihrem Grunde schliefsen, ebenfalls Kenn- zeichen sein, wodurch sie von den Cidariden und den Diadematiden zu un- terscheiden wären. Die hierher gehörenden lebenden Gattungen sind: 1. Echinocidaris Desmoulins. 6. Amblypneustes Agassiz. 2. Mespilia Desor. 7. Boletia Desor. 3. Microcyphus Agassiz. 8. Tripneustes Agassiz. 4. Salmacis Agassiz. 9. Holopneustes Agassiz. 5. Temnopleurus Agassiz. 10. Echinus Linne. Lamarck. Agassiz. III. Diadematidae. Die Schale der Diademiden ist dünn wie bei den Echiniden und leicht zerbrechlich, mehr oder minder abgeplattet und fünfseitig. Bei den meisten sind besonders an der Rückseite die Interambulacralgegenden vertieft, die schmalen Ambulacralgegenden dagegen mehr oder weniger wulstig hervor- ragend. Die Tuberkeln sind zahlreich, am Rande gekerbt und an der Spitze durchbohrt; sie tragen mehr oder weniger lange dünne Stacheln, welche fein und schuppig beringt erscheinen. Porenreihen schmal. Die Mundöffnung der Schale ist grofs und wie bei den Echiniden mit Einschnitten versehen, unter welchen die büschelförmigen häutigen Kiemen liegen. Die Mundfüfse bestehen aus fünf rings um den Mund gestellten Paaren. Die Füfschen an der Rückenseite der Schale sind bei einer Gattung (Diadema) zugespitzt; ob die- Seeigel und insbesondere über die Gruppe der Diademen. 107 ses aber auch bei den anderen Gattungen der Fall ist, habe ich nicht ent- scheiden können. Die Pfeiler der Aurikeln entspringen wie bei den Echiniden von den Ambulacralplatten und sind nicht, wie Agassiz angibt (l. c. p. 345 u. 346) getrennt, sondern bogenförmig vereinigt. Die Kiefer und ihre Epi- physen senden dünne nach innen gebogene Fortsätze aus, welche sich aber nicht zu geschlossenen Bogen vereinigen. Die Zähne sind von rinnenförmi- ger Gestalt und haben, mit denen der Cidaris übereinstimmend, keinen Längskiel auf ihrer inneren Seite. 1) Gattung Diadema Gray (ex parte). Agassiz (ex parte). Die Gestalt der Schale ist abgerundet fünfseitig, fast kreisförmig, ab- geplattet, meistens doppelt so breit wie hoch. Sie ist ziemlich dünn, jedoch dicker als bei den anderen Gattungen. Die Ambulacralfelder ragen, zumal an der Rückenseite des Thiers, wulstig hervor, während die Interambula- cralfelder hier in der Mitte eingedrückt erscheinen. Der glatte Theil jedes Interambulacralfeldes, welcher von der Genitalplatte ausgeht, theilt sich ga- belförmig und setzt sich so in zwei sich verschmälernde Ausläufer fort, wel- che neben den äufseren grofsen Tuberkelreihen über den Rand der Schale herabsteigen, aber ohne besondere grubenartige Vertiefungen zu zeigen. Die grolsen Tuberkeln der Interambulacralplatten bilden mehrere Reihen, die etwa um die Hälfte kleineren der Ambulacralplatten bilden zwei Hauptrei- hen. Die Ambulacralplatten stehen paarweise in treppenförmigen schmalen (nur am dorsalen Ende weniger deutlichen) Reihen, indem je drei Paare einen schmalen hohen Absatz bilden. An der unteren Fläche der Schale dagegen erscheinen die Porenreihen breiter, indem die zusammengehörigen Paare eine mehr quere Richtung annehmen. Die Tuberkeln sind alle von derselben Gestalt, am Grunde glatt, am erhabenen Rande gekerbt und an der Spitze durchbohrt. Die grölseren Stacheln sind sowohl auf den Interambu- lacralplatten wie auf den Ambulacralplatten ausnehmend lang, oft über drei- mal länger als der Querdurchmesser der Schale. Alle Stacheln sind von gleichem Baue und hohl. Der bedeckte Theil derselben sitzt mit einem run- den, unten durchbohrten und am äufseren Rande gekerbten Köpfchen auf den Tuberkeln auf und wird durch einen verschmälerten Hals von der zu 02 108 Perers über die an der Küste von Mossambique beobachteten einer Krause erweiterten Basis des freien Stacheltheils abgesetzt. Dieser ganze freie Theil erscheint rauh, indem er von zahlreichen (etwa 24 bis 30) flachen Längsfurchen durchzogen wird, zwischen denen schuppenförmige, mit ihrem freien Ende nach der Spitze des Stachels gerichtete Vorsprünge hervortreten, welche durch zahlreiche Ringfurchen geordnet erscheinen. Die Genitalplatten sind grofs, spitz- oder stumpfwinklich dreieckig mit mehr oder weniger abgestumpften Grundecken. Die Genitalöffnung liegt nahe der äufseren Spitze und hängt durch eine flache Furche mit einer mittleren tie- feren Grube dieser Platte zusammen. Diese Gruben sind von derselben Art, wie diejenigen, welche bei Asiropyga sich auf den Platten der nackten Inter- ambulacralfelder vorfinden. Die Ocellenplatten sind regelmäfsig zwischen die Genitalplatten eingefügt, beträchtlich kleiner und viel unregelmäfsiger in ihrer Gestalt als diese. Die Afteröffnung ist dem der grofsen Madrepo- renplatte gegenüberliegenden Ambulacralfelde am meisten genähert, von einer breiten nackten Haut umgeben, welche nur durch einen äufserst schma- len Rand von besonderen Analplatten gestützt wird. Die Mundöffnung der Schale ist grofs mit zehn tiefen Einschnitten versehen, an welchen der Rand be- sonders wulstig entwickelt erscheint und sich in einen äufseren horizontal ver- laufenden spitz endigenden Fortsatz verlängert. Die Mundhaut erscheint nackt, wird aber durch kleine reihenweise geordnete Kalkplättchen gestützt, welche so dünn sind, dafs sie leicht übersehen werden können. Unter jedem Einschnitte liegt eine büschelförmige häutige Kieme und um die Mundöffnung herum stehen zehn grofse paarweise geordnete keulenförmige (zweilappige?) Mund- füfse. Die Füfschen am untern und dem seitlichen Theile der Schale sind mit Saugnäpfchen versehen, deren Ring am Rande sägeförmig gezähnt ist, an der Rückseite der Schale dagegen sind sie deutlich zugespitzt wie bei Echino- cidaris. Die Aurikeln sind stark und bogenförmig mit einander vereinigt; der mittlere Theil des Bogens ist so hoch und breit wie die von ihnen einge- schlossene Öffnung. Die Kiefer und ihre Epiphysen sind oben nicht bogen- förmig vereinigt, sondern einfach zugespitzt und nach innen gebogen. Die Zähne sind auf ihrer inneren Seite tief ausgehöhlt, ohne Spur eines Kiels, dagegen an der äufseren Seite sehr convex, genau betrachtet in der Mitte doppelt gekielt und längs den Seiten vertieft. Diesem entsprechend ist auch die Zahnfurche der Kiefer viel mehr vertieft als bei Echinus. Seeigel und insbesondere über die Gruppe der Diademen. 109 Diese Gattung stimmt mit Astropyga in der gabligen Theilung der nackten Interambulacralfelder überein, unterscheidet sich aber vorzüglich von ihr durch den Mangel eigenthümlicher Vertiefungen auf diesen Feldern, durch die mehr abgerundete und unten weniger abgeplattete Form der Schale, durch die Länge und hohle Beschaffenheit der Stacheln, durch die geringe Entwickelung der Analplatten und die Form der Zähne. Mit Echino- thrix ist Diadema schon wegen der gabligen Interambulacralfelder und der gleichen Form der Ambulacral- und Interambulacralstacheln nicht zu ver- wechseln. Von den zu Diadema gezählten lebenden Arten sind auszuschliefsen Diadema turcarum Ag. (= Echinometra turcarum Rumph. 1. c. Taf. 14. Fig. B.), Diadema ( Astropyga) spinosissimum Ag., Diadema Desjardensü Michelin (= Astropyga subularis Ag.), welche alle wie D. calamarium Gray zu der Gattung Echinothrix gehören. Diadema europaeum Ag. (= Cidaris longispina Philippi, MWiegmann’s Archiv für Naturgeschichte 1845. I. 354) ist mir nicht hinreichend bekannt, wird aber wahrscheinlich so wie die fossilen ähnlich geformten Arten eine andere Gattung bilden müssen (*). Es bleiben somit nur drei Arten übrig, von denen es noch zweifel- haft ist, ob sie wirklich verschieden seien, indem vielleicht die erste eine un- genaue Abbildung, die dritte der Jugendzustand von D. Savignyi sein könnte. 1. Diadema setosa Gray. Echinometra setosa Rumph, Amboinsche Rariteitkammer Tafel XII. Fig. 5. (*) D.Zongispina Phil., von welchem unser Museum neuerdings ein sehr schönes Exem- plar erlangt hat, ist nicht mit Diaderna zu vereinigen, sondern bildet eine besondere Gat- tung, für welche ich den Namen Centrostephanus vorschlage. Die Schale ist abgeplattet, aber nicht an der Rückseite zwischen den Ambulacralfeldern vertieft. Sonst stimmt sie durch die Form der Tuberkeln, durch die Einschnitte der Mundöffnung, die rinnenförmigen Zähne, die gebogenen aber nicht vereinigten Fortsätze der Kiefer und die schmalen Porenreihen mit den Diademen überein. Die langen und hohlen Stacheln haben mehr Ähnlichkeit mit denen von Echinothrix als mit denen von Diadema. Eigenthümlich sind die kurzen keulenförmigen Stacheln auf den oberen Ambulacralplatten, die Breite der Ambulacralfelder (halb so breit wie die Interambulacralfelder), die granulirte Bekleidung der Analhaut und zehn grölsere Platten, welche, zunächst den Ambulacralplatten liegend, die Mundhaut stützen. (Spä- terer Zusatz.) 410 Prrens über die an der Küste von Mossambique beobachteten Cidaris setosa Leske-Klein, Naturalis dispositio Echinoderma- tum. Tafel 37. Fig. 1. 2. Cidaris selosa Lamarck. Encyclopedie methodique. Tafel 33. Fig. 10. Ist wegen der gabeligen Theilung der glatten Interambulacralfelder und der beiden Tuberkelreihen auf den Ambulacralfeldern nicht mit E. turcarum Rumph, welche zur Gattung Echinothrix gehört, zu verwecheln. 2. Diadema Savignyi, Michelin. Savigny Description de l’Egypte. Echinod. Taf. 6. 3. Diadema Lamarckü, Rousseau. Agassiz et Desor, Annales des sciences nat. 3. serie. Vl. 1846. pag. 349. 2. Gattung Astropyga Gray. Agassiz (ex parte). Die Gestalt der Schale ist im Umfange deutlich fünfseitig, an der un- tern Seite flach, sehr abgeplattet, zwei und ein halb bis dreimal so breit wie hoch. Sie ist sehr dünn und leicht zerbrechlich. Die Ambulacral- und Inter- ambulacralfelder verhalten sich wie bei der vorhergehenden Gattung, nur sind die letzteren verhältnifsmäfsig sehr viel breiter. Der glatte von den Ge- nitalplatten ausgehende Theil der Interambulacralfelder theilt sich gabelför- mig. Alle Platten, über welche sich diese glatten Interambulacralfelder er- strecken, sind durch eine flache aber deutliche, im Leben durch eigenthüm- liche Färbung ausgezeichnete, grubenartige Vertiefung ausgezeichnet. Die grofsen Tuberkeln der Interambulacralfelder stehen in zahlreichen Längsrei- hen, die um die Hälfte kleineren der Ambulacralfelder bilden, abgesehen von den kleinen dazwischen unregelmäfsig vertheilten, zwei Hauptreihen. Alle Tuberkeln, grofse wie kleine, sind von derselben Gestalt, an der Basis glatt, an dem das Köpfchen umgebenden Rande crenulirt und an der Spitze des Köpfchens durchbohrt. Die Stacheln sind sehr dünn und von mäfsiger Länge, indem die längsten etwa den halben Querdurchmesser der Schale er- reichen. Alle sind von demselben Bau und im Inneren zwar von lockerer schwammiger Structur aber ohne Höhlung. Nur der bedeckte Theil, das Köpfchen, ist an seiner Spitze durchbohrt und enthält die Fortsetzung des aus der Spitze der Tuberkeln hervorgehenden häutigen (und musculösen ?) Verbindungsgewebes. Am äufseren Rande ist das Köpfchen gekerbt. Der Seeigel und insbesondere über die Gruppe der Diademen 111 freie Theil des Stachels setzt sich von dem Halse durch einen tief gekerbten breiten Kragen ab und wird von zahlreichen tiefen Längsfurchen durchsetzt. Die Stacheln sind sämmlich sehr rauh, indem sie mit feinen, anliegenden ringförmig geordneten nach dem freien Ende hin gewandten zugespitzten Kielen bewaffnet sind. Die Reihen der Ambulacralporen sind viel breiter als bei Diadema, fast so breit wie die Ambulacralfelder. Die Poren bilden vier unregelmäfsige Längsreihen, in denen je drei Paare einen gröfseren schie- fen Absatz bilden, welcher selbst wieder aus drei kleineren durch die einzel- nen Porenpaare gebildeten Stufen zusammengesetzt wird. An der unteren Fläche der Schale nehmen die Porenreihen allmählich eine immer gröfsere Breite ein, indem die zusammengehörigen Paare sich aus der schiefen in eine mehr quere Richtung zusammendrängen. Die Genitalplatten sind sehr ent- wickelt, mehr oder weniger lanzettförmig, viel länger als breit. Die Augen- platten sind unregelmäfsig vierseitig, doppelt so breit wie lang und füllen so die grofsen Zwischenräume zwischen den Basen der Genitalplatten aus. Der After öffnet sich ziemlich in der Mitte einer nackten Haut, welche am Rande durch mehrere Reihen sehr entwickelter Analplatten verstärkt ist. Diese Analplatten tragen Tuberkeln und Stacheln von derselben Beschaffen- heit wie die übrige Schale, bilden aber offenbar an dem Rande, welcher der Madreporenplatte gegenüberliegt, einen schmäleren Saum als an dem ihr genäherten Rande. Die grofse Mundöffnung der Schale ist mit zehn ziemlich tiefen Einschnitten,, wie bei Diadema, versehen. Die sich nach aufsen an diesen Einschnitten umschlagenden Fortsätze sind in besonders lange dornförmige platte Spitzen ausgezogen. Die Mundhaut erscheint von aufsen nackt, wird aber durch zahlreiche platte ziemlich regelmäfsig angeord- nete Kalklättchen gestützt, welche letztere viel stärker als bei Diadema ent- wickelt erscheinen. Die paarig stehenden zehn grofsen Mundfüfse sind noch wohl erhalten, über die Form der äufseren häutigen Kiemen, welche sich un- ter den Einschnitten befanden, ist jedoch nichts mehr festzustellen. Die Au- rikeln, welche von den Ambulacralplatten entspringen, sind bogenförmig vereinigt. Die Kiefer und ihre Epiphysen dagegen bilden keine oberen Bö- gen, sondern getrennte nach innen gekrümmte feine Fortsätze. Die Zähne sind zwar im Allgemeinen denen von Diadema durch den Mangel eines inne- ren Kiels und durch die convexe Beschaffenheit der äufseren Fläche ähnlich, unterscheiden sich jedoch merklich von ihnen durch die plötzliche starke 412 Prrens über die an der Küste von Mossambique beobachteten Verengung und Verflachung des unteren Theils ihrer inneren Längs- rinne. Diese Gattung unterscheidet sich von Diadema vorzüglich durch die gröfsere Abplattung der Schale, durch die grubenartigen Vertiefungen auf den glatten Interambulacralplatten, durch die Länge der Genitalplatten, durch die grofse Entwickelung der Analplatten, durch die Breite der Porenfelder, durch die Kürze und solide Beschaffenheit der Stacheln und durch die am unteren Ende weniger ausgehöhlten Zähne. Mit Echinothrix ist sie schon wegen der gabligen Theilung der glatten Interambulacralfelder nicht zu verwechseln. Bis jetzt sind nur wenig Arten dieser Gattung bekannt, indem alle von Agassiz und Desor hierher gezogenen, welche anders geformte Sta- cheln auf den Ambulacralfeldern als auf den Interambulacralfeldern tragen, nicht hieher, sondern zu der Gattung Echinothrix gehören (*). 1. Astropyga radiata Gray. Echionanthus major. Seba, Thesaurus. II. Taf. XIV. Fig. 1. und 2. Cidaris radiata. Leske-Klein, Nat. disp. echinod. Taf. 44. Fig. 1. — — Encyclopedie methodique. Zoophytes. Tafel 140. Fig. 5 u. 6. Nur nach der Seba’schen Abbildung und Beschreibung bekannt. Hat einen Querdurchmesser von 150"”, äufserst lange Genitalplatten (Breite zur Länge ungefähr wie 1 : 21-), welche nur durch zwei bis drei glatte Platten von der mit Tuberkeln versehenen mittleren Gegend der Interambulacralfel- der geschieden sind. Farbe hellroth; der Stern amethystblau. 2. Astropyga Mossambica Pet. Fig. 1. Diese äufserst schöne Art wurde nur ein Mal am 18. Januar 1844 an der Küste von Mossambique, im 15° südlichen Breite, gefunden. Sie zeichnet sich unter allen dort vorkommenden Seeigeln durch ihre Färbung aus. Die Farbe der Schale, welche sich nach dem Tode und am ausgetrock- (#) Cidaris puloinata Lamarck (= Astropyga pulinata Ag.) mit schmalen, zweireihi- gen Poren ist wahrscheinlich ein Diaderna, jedoch zu wenig gekannt, um dieses entschei- den zu können. Seeigel und insbesondere über die Gruppe der Diademen. 113 neten Exemplar allerdings sehr verliert, ist im Leben weifsgrün und roth- braun gemengt. Die Analgegend, die Genitalplatten und die glatten Felder der Interambulacralplatten sind rothbraun mit einer Reihe himmelblauer Flecken, welche den grubenförmigen Vertiefungen dieser Theile zwar ent- sprechen, aber noch über die Grenzen derselben sich ausbreiten. Auf der Mitte jeder Genitalplatte, mit Ausnahme derjenigen, welche durch die Madre- porenplatte verdeckt wird, befindet sich ein ebenso gefärbter Fleck und auf der Mundhaut, an welcher namentlich die gelbgrüne und rothbraune Mengung der Grundfarbe deutlicher hervortritt, sind dergleichen Flecke in grofser Anzahl vorhanden. Die Stacheln sind zierlich rothbraun und grünlichweifs beringt. Die Höhe der Schale verhält sich zur Breite derselben wie 1:23. Die Genitalplatten sind sehr spitz, lanzettförmig, um die Hälfte länger als breit; ihr spitzesEnde ist um mehr als ihren ganzen Längendurchmesser von dem mittlern tuberkeltragenden Theile der Interambulacralfelder entfernt, indem vier bis fünf Paare glatter Interambulacralplatten dazwischen liegen. Die Augenplatten sind doppelt so breit wie lang und füllen den Zwischen- raum zwischen den Basen der Genitalplatten aus. Der After wird von einer mehrfachen Reihe von Platten umgeben, welche nach dem Centrum zu immer mehr an Gröfse abnehmen. Diese Platten sind mit Stacheln bewaffnet, von denen die längsten noch 15”" lang sind. Die Ambulacralplatte ist fast über die ganze in Betracht kommende Genitalplatte ausgedehnt. Die mittleren tuberkulösen von den gabeligen glatten Feldern umfafsten Theile der Inter- ambulacralfelder sind mit wenigstens acht Längsreihen grofser Tuberkeln besetzt ıınd (am Rande der Schale) breiter als die zwischen ihnen liegenden übrigen Theile der Schale. Der äufsere (zwischen den Ambulacralplatten und dem glatten Felde liegende) tuberkulöse Theil eines Interambulacral- feldes ist kaum breiter als die Hälfte eines Ambulacralfeldes. Sowohl die Ambulacralfelder als der tuberkulöse Theil der Interambulacralfelder zeich- nen sich dadurch aus, dafs die Zwischenräume zwischen den grofsen Tuber- keln allenthalben mit kleinen Tuberkeln dicht gedrängt besetzt sind. Die Stacheln sind sehr fein, solide und höchstens 50"" lang; die platten schup- penförmigen Spitzchen, welche ihre Rauhigkeit bedingen, sind in Ringen geordnet, von denen etwa drei einen Millimeter lang sind. Die gröfste Breite der Schale beträgt 105””, ihre Höhe 70"”. Der einheimische Name der Seeigel in der Macüa-Sprache ist ororumbue. Phys. Kl. 1854. 1% 114 Psrters über die an der Küste von Mossambique beobachteten 3. Astropyga dubia Pet. Fig. 2. Im getrockneten Zustande zeigt diese Art eine grünliche gelbe Fär- bung, wobei an der untern Fläche der Schale und an dem tuberkeltragenden mittlern Theile der Ambulacralfelder das Gelbe, an den übrigen sternförmig zusammenhängenden Theilen das Grüne mehr vorherrschend ist. Sie ist von der vorhergehenden aufserdem leicht dadurch zu unterscheiden, dafs 1) die mittleren tuberkeltragenden Theile der Interambulacralfelder (am Rande der Schale) viel schmäler sind als die zwischen ihnen liegenden Theile der Schale; 2) diese Theile nicht über sechs Längsreihen grofser Tuberkeln zeigen; 3) der tuberkeltragende äufsere Theil eines Interambulacralfeldes fast so breit ist wie ein ganzes Ambulacralfeld (mit den Porenreihen); 4) die zwischen den grofsen Tuberkeln befindlichen kleinen viel mehr zerstreut und verhältnifsmäfsig viel weniger zahlreich sind. Das in dem Wiener Museum befindliche Exemplar hat eine Breite von 147"" und eine Höhe von 43””. Bemerkenswerth ist die unregelmäfsige Anordnung der dem Mund- rande zunächst liegenden Interambulacralplatten, welche anzudeuten scheint, dafs das Thier noch nicht seine gröfste Entwickelung erreicht hat. 3) Gattung Echinothrix *) Diadema, Gray (ex parte); Astropyga, Agassix (ex parte). In der allgemeinen Gestalt der Schale nähert sich diese Gattung mehr den Diademen als den Astropygen. Sie ist etwa doppelt so breit wie hoch und steht bezüglich ihrer Dicke in der Mitte zwischen jenen beiden Gattun- gen. An der Dorsalseite ragen wie bei ihnen die Ambulacralfelder über die in der Mitte vertieften Interambulacralfelder hervor. Aber der glatte von den Genitalplatten abgehende Theil der Interambulacralfelder theilt sich nicht gabelförmig, sondern steigt gerade in der Mitte derselben bis zum Rande der Schale oder noch über denselben herab, wodurch allein schon auf den ersten Blick die Arten dieser Gattung zu erkennen sind. Die breiten (*) Exivos, Seeigel, Sgi5, Haar, Borste. Seeigel und insbesondere über die Gruppe der Diademen. 415 Interambulacralfelder zeigen wenigstens sechs Längsreihen grofser Tu- berkeln. Die Ambulacralplatten sind nur mit kleinen Tuberkeln versehen, welche an der Rückseite der Schale mehrere, an der Bauchseite nur zwei Reihen bilden. Alle Tuberkeln, obgleich von sehr verschiedener Gröfse, sind von derselben Gestalt, an der Spitze durchbohrt und am Rande gekerbt. Die Stacheln erreichen eine mäfsige Länge, indem die längsten dem Quer- durchmesser der Schale gleichkommen. Sie sind hohl, im Allgemeinen von demselben Bau wie bei den Diademen, jedoch nicht allenthalben von derselben Gestalt. Die grölseren, welche sich auf der Bauchseite der Interambulacral- felder befinden, sind sehr kurz, nach dem Ende hin etwas abgeplattet und im letzten Drittheile nicht mit wirtelförmig gestellten Schuppen bewaffnet. Die feinen Stacheln der Ambulacralfelder erscheinen seidenglänzend, nur der Länge nach gefurcht und zeigen keine oder sehr schwache Spuren wir- telförmig gestellter Schüppchen, welche selbst an den kleinsten Stacheln der Interambulacralfelder noch immer sehr deutlich sind. Nur an der Bauchseite der Ambulacralfelder finden sich etwas dickere, verlängert keulenförmige Stacheln, welche aufser den Längsfurchen an der Endhälfte deutliche feine Spitzen zeigen. In der geringen Gröfse und in der Anordnung der Poren, von denen je drei Poren einen schiefen Absatz bilden, stimmt diese Gattung mit Asiropyga überein. Die Genitalplatten sind von ähnlicher spitzdreieckiger Form wie bei Diadema, aber ohne jene mittlere grubenförmige Vertiefung, welche bei Diadema und Astropyga beobachtet wird. Die Analplatten, welche bei Diadema eine so geringe Entwickelung zeigen, sind nicht allein hier eben so stark entwickelt wie bei Asiropyga, sondern auch der übrige centrale Theil der Analhaut ist mit platten Granu- lationen bedeckt. Die Mundöffnung der Schale zeigt hinsichtlich der Form der Ausschnitte und des Randes die gröfste Uebereinstimmung mit den beiden vorhergehenden Gattungen. Die feinen Plättchen der übrigens nackten Mundhaut sind sehr deutlich. Unter jedem Ausschnitte des Mundrandes befindet sich eine büschelförmige häutige Rinne und um den Mund herum stehen fünf Paare grofser am Ende deutlich zweilappiger Mundfüfse. Die Fülschen, wenigstens diejenigen, welche sich an der Bauchseite und dem Rande des Thieres befinden, sind mit einer Saugscheibe versehen, deren Skeletring sägeförmig gezähnelt ist. Die Aurikeln nehmen ihren Ursprung von den Ambulacralplatten und sind an der Stelle, wo sich ihre Pfeiler mit P2 116 Perens über die an der Küste von Mossambique beobachteten einander bogenförmig vereinigen, zu einer Platte entwickelt, welche viel kleiner ist als die von ihnen umschlossene Öffnung. Die oberen zarten Kieferfortsätze sind ebensownig wie bei den vorigen Gattungen zu geschlos- senen Bogen vereinigt, sondern nach innen gekrümmt und die Zähne sind längs der innern Seite rinnenförmig ausgehöhlt. Der Mangel einer gabelförmigen Theilung der glatten Interambulacral- felder, die eigenthümliche Beschaffenheit der Tuberkeln und Stacheln der Ambulacralfelder genügen, um die Gattung Echinothrix von den verwandten zu unterscheiden. Von Diadema entfernt sie sich aufserdem noch besonders durch den Bau und die Anordnung der Poren und durch die Entwickelung der Analplatten. Zu dieser Gattung scheinen die meisten von Agassiz und Desor als Astropyga aufgeführten Arten zu gehören. 1. Echinothrix calamaris. Echinus calamaris, Pallas. Spicilegia zoologica. 1. Fasc. X. pag. 31. Taf. II. Fig. 4—8. Diadema calamaria, Gray. Astropyga calamaria, Agassiz. Nach den Exemplaren, welche wir durch das Leydener Museum aus dem indischen Ocean erhalten haben, sind die Stacheln dieser Art nicht allein durch grofse Breite ihrer Farbenringe (abwechselnd grün und weils, wie es auch Pallas angibt) sondern auch durch ihre grofse Dicke ausge- zeichnet. Bei einem 77” breiten und 35" hohen Exemplare sind die langen Stacheln 18”” dick. Der Durchmesser der Mundöffnung beträgt 30"" Die kleinen Tuberkeln der Ambulacralfelder sind an der Rückseite des Thieres in vier, an der Bauchseite, wie bei allen Arten, in zwei Längsreihen ge- ordnet. Am breitesten Theile an der Rückseite sind diese Ambulacralfelder um die Hälfte breiter als die beiden Porenfelder zusammen. Die grofsen Tuberkeln der Interambulacralfelder stehen am seitlichen und am unteren Theile der Schale in sechs bis acht Reihen. 2. Echinothrix turcarum. Echinometra turcarum, Rumph. Amboinsche Rariteitkammer. Taf. 14. Fig. B. Eine von den Autoren mit E.(Diadema) setosa Rumph confundirte und ohne Zweifel zu der vorstehenden Gattung gehörige Art. Seeigel und insbesondere über die Gruppe der Diademen. 117 3. ? Echinothrix Desorü. Astropyga Desorü, Agassiz. l.c. p. 345. Nach A gassiz kurzer Beschreibung ausgezeichnet durch sehr hervor- ragende Ambulacra, die unregelmäfsige Stellung ihrer zahlreichen Granula und sehr breite Porenzonen. Aus dem rothen Meere. 4. ? Echinothrix spinosissima. Diadema spinosissimum, Agassiz. Michelin, Guerin’s Magasin de Zoologie. 1845. p. 13. Astropyga spinosissima, Agassiz. le; p- 349. Mit der vorigen verwandt. Die Ambulacra sind leicht aufgetrieben, die Tuberkeln (nach Michelin 680 an der Zahl, in 10 Reihen auf den Inter- ambulacralfeldern angeordnet) sehr gedrängt, die Porenzonen weniger breit. Von Zanzibar und der Insel Mauritius. Agassiz. 5. Echinothrix subularis. Diadema Desjardinsü, Michelin. Guerin, Magasin de Zoologie. 1845. pag. 14. Taf. 7. Asiropyga subularis, Agassiz. Ive: p- 349. Nach der Beschreibung von Michelin und Agassiz ausgezeichnet durch die Gröfse der Tuberkeln, welche von der Mitte an auf jedem Inter- ambulacralfelde in acht Reihen stehen, durch die verhältnifsmäfsig sehr breiten Ambulacra mit fünf Reihen kleiner Tuberkeln und durch die Form der Aurikeln. *) — Rothes Meer, Seychellen und Zanzibar. 6. Echinothrix annellata nova spec. Die Schale und die feinen Stacheln der Ambulacralfelder sind von schwarzvioletter Farbe, die langen Stacheln mit sehr schmalen, abwechselnd schwarzvioletten und helleren Ringen geziert. Diese Art unterscheidet sich sogleich von allen anderen durch die ge- ringe Breite ihrer Ambulacralfelder, welche eben so sehr hervorragen aber viel schmäler sind als bei einem viel kleineren Exemplare von E. calamaris. Sie sind kaum so breit wie die beiden Porenfelder zusammen und zeigen an der obern oder Rückseite der Schale nur drei Reihen kleiner Tuberkeln. Auch die langen Stacheln erscheinen viel feiner als bei E. calamaris. Die (*) Die Taf. 7. Fig. c abgebildeten Aurikeln stimmen in ihrer Form fast ganz mit denen von Diadema Savignyi überein. 418 Perers über die an der Küste von Mossambique beobachteten grofsen Tuberkeln sind kleiner, aber zahlreicher als bei dieser letztern Art und bilden von dem Rande der Schale an acht Längsreihen in jedem Inter- ambulacralfelde. Die Pfeiler der Aurikeln und ihr oberer Bogentheil sind von derselben Gestalt und schwachen Beschaffenheit bei wie E. calamaris. Die Breite der Schale ist 92”"-, die Höhe derselben 42"; Der Durch- messer der Mundöffnung von dem Rande eines Ambulacralfeldes bis zu dem gegenüberliegenden Interambulacralfelde 33". Die Ambulacralfelder haben an der breitesten Stelle zwischen den Porenfelde«n eine Breite von 4”". Die längsten Stacheln sind etwas über 1"" dick. Das gegenwärtig im hiesigen zoologischen Museum befindliche Exemplar fand ich mit Diadema Sarignyi bei den Querimba-Inseln, im 120 Südl. Br. Übersicht der beobachteten Arten. Cıvarıs, Klein, Agassiz. (Cidarites, Lamarck). 1. Cidaris metularia, Lamarck. Encyclopaedie meth. Taf. 134. Fig. 8. . Cidaris pistillaris, Lamarck. l.c. Taf. 138. 3. Cidaris verlicillata, Lamarck. l.c. Taf. 136. Fig. 2 und 3. [So] Dispema, Gray, Peters. 4. Diadema Savignyi, Michelin. Savigny, Description de ’Egypte. Taf. 6. Fundort: Querimba-Inseln, 12° Südl. Br. Asrtroryca, Gray. 5. Astropyga Mossambica, Pet. Fig. 1. Fundort: Küste von Mossambique, 15° Südl. Br. Ecnıornrix, P. 6. Echinothrix annellata, P. Fundort: Querimba- Inseln. Sırmacıs, Agassiz. 7. Salmacis sulcatus, Agassiz. Catalogue etc. Ann. d. sc. not. VI. 1846. Taf.15. Fig. 4. Fundort: Küste von Mossambique, 15° Südl. Br. Trırseustes, Agassiz. 8. Tripneustes sardicus et pentagonus, Ag. Encyclop. meth. Taf. 133. Fig. TR Fundort: Mossambique und Querimba-Inseln, 12° — 15° Südl. Br. Ecnınomerra, van Phelsum. 9. Echinometra lucunter, Lamarck. Klein Taf. IV. E. F. Fundort: Küste von Mossambique, 11°— 15° Südl. Br. Fig. 1. Astropyga Mossambica, Pet., in natürlicher Grölse von oben. Seeigel und insbesondere über die Gruppe der Diademen. Crypraster, Lamarck. 10. Clypeaster scutiformis, Lamar ck. Fundort: Ibo, 12° Südl. Br. Losornora, Agassiz. 11. Lobophora bifora, Agassiz. Echinodermes Taf. 12. Fundort: Querimba-Inseln. 12. Lobophora bifissa, Aga ssiz. l.c. Taf. 13. Fig. 2. Fundort: Querimba - Inseln. Echınoxevs, van Phelsum. 119 13. Echinoneus cyclostomus, Leske. (E. conformis Desor, Galerites Taf. 44. Fig. 1.) Fundort: Querimba- Inseln (Ibo). Berıssus, Klein, Agassiz. 14. Brissus dimidiatus, Agassiz. Fundort: Querimba - Inseln. Erklärung der Kupfertafel. Stachels; 1b Durchschnitt desselben vergröfsert. —e FD Den — 4a Grundtheil eines Fig. 2. Astropyga dubia, Pet., von oben; 2a von unten; 2b von einer Seite angesehen. we“ er ra a len: i | En u Pi ee r EBEN 2. © 2 Wa ZT Ab warn vo „oil RAR: x Talatgr #; a a ABER Be sa? Fllen. er 2 “ & Mi ee | > ai Aa Her & = Rergnpy 5 mg worqumssoy voAdonsy Begoniaceen - Gattungen und Arten. Von B2r RE 072 SCH. mn [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 2. März 1854.] D.: Gattung Begonia, unser Schiefblatt, wurde von Plumier dem An- denken des französischen Intendanten Michel Begon gewidmet und von Tournefort(!) zuerst beschrieben. Die vonPlumier aufgeführten sechs Arten, welche fragmentarisch und in unkenntlicher Weise von demselben (?) abgebildet und mit nur wenigen, höchst unzureichenden Worten definirt sind, waren keinesweges geeignet, ein deutliches Bild, weder auf die Gattungen, noch auf die Arten zu werfen. Man mufs es daher Linne (°) nachsehen, wenn er, der nie ein getrocknetes, geschweige denn ein lebendes Exemplar der Begonia zu untersuchen Gelegenheit hatte, nicht nur die Plumierschen Arten unter dem Namen von Begonia obligua vereinigte, sondern auch noch eine von Sloane(*) aus Jamaica und eine andere von Rumph(°) aus Ostindien abgebildete Art, dieser als Synonyme beigesellte. Zwar versuchten bald darauf Lamarck (°) und Jacquin(’) den von Linne& begangenen Fehler wieder gut zu machen, indem sie den ur- sprünglich aufgestellten Arten wiederum Geltung verschafften. Da jedoch keiner von ihnen mehr als eine Art wirklich gesehen hatte und beide zur Unterscheidung der übrigen Arten auf die höchst dürftigen Andeutungen, (‘) Pitton Tournefort, Institutiones Rei Herbariae, 660. (*) Plumier, Plantarum Americanarum, fasc. I, p. 33, t. 45. (°) Linne, Species plantarum, no. 7205. (*) Sloane, Catalogus plantarum I, p. 199, t. 127, fig. 1 und 2. (°) Rumph, Herbarium Amboinense V, p. 457, t. 169, fig. 2. (°) Lamarck, Encyclopedie methodique I, p. 393. (”) Jacquin, Collectanea austriaca I, p. 128. Phys. Kl. 1854. Q 122 Kıorzscn: welche die Literatur bot, beschränkt waren, so ist es nicht zu verwundern, wenn dieser Versuch als ein mangelhafter bezeichnet werden mufs. Dryander war der erste, der über die Begoniaceen einiges Licht verbreitete. Er las am 3. November 1789 in der Linnean Society eine Ab- handlung betitelt „Beobachtungen über die Gattung Begonia” (!), in welcher er 21 Arten diagnosirte, von denen 11 Arten Süd- America (nämlich 6 aus Westindien, 2 aus Guiana, 2 ausNeu-Granada und 1 aus Brasilien), 7 Arten Östindien und 3 Arten den ost-afrikanischen Inseln angehören. Drei west- indische Arten hatte er Gelegenheit lebend zu beobachten, denn Bego- nia nilida, seit dem Jahre 1777, B. humilis Dryander im Jahre 1788 und B. acuminata Dryander im Jahre 1790 in Kew eingeführt, setzten ihn in den Stand, den Gattungscharakter und die Definition der Arten besser festzustellen, als es seinen Vorgängern gelungen war. Insbesondere mufs es ihm als Verdienst angerechnet werden, auf zwei Unterschiede der Laubblatt- Basen bei den Begoniaceen aufmerksam gemacht zu haben. Seit jener Zeit ist, theils durch Publication der lebend nach Europa eingeführten Arten, theils durch Publication der Pflanzenschätze, welche in Süd-America, Ostindien und auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung gesammelt wurden, die Zahl der Begoniaceen auf 210 Arten herangewach- sen, ohne dafs es den Bemühungen einzelner, welche eine systematische Uebersicht derselben versuchten, gelungen wäre, Kennzeichen herauszufin- den, die zur Begründung von Gattungen oder Untergattungen hätten dienen können. Nur die Aufstellung von drei Gattungen, Eupetalum Lind- ley (?) (Begonia petalodes), Mezierea Gaudichaud (*) und Diplocli- nium (*) R. Wight nec Lindley (Diploclinium cordifolium R. Wight), die sich als solche, obgleich sie bisher von den meisten Systematikern keine Anerkennung fanden, sehr wohl bestätigen, machen hiervon eine Ausnahme. Aufgemuntert durch das reiche Material, welches das Königliche Herbarium in den Sammlungen von Ruiz aus Peru, Alexander von Hum- boldt’s aus Süd-America, von Moritz aus Venezuela, des Herrn von Warsceziez aus Nicaragua, Costa Rica und Neu-Granada und den des Sello (') Transactions of the Linnean Society I], p. 155. (*) Botanical Register, t. 1757. (°) Gaudichaud, Voyage de la Bonite Botanique, t. 32 (absque descriptione). (*) Robert Wight, Icones plantarum Indiae orientalis, vol. V, p. 9, t. 1816. Begoniaceen-Gattungen und Arten. 123 aus Brasilien, dem Hauptstapelplatze der Begoniaceen bietet und unterstützt durch den Herrn Professor Alexander Braun, der mir die Erlaubnifs ertheilte die im botanischen Garten zu Schöneberg kultivirten Begoniaceen, nahe an 100 Arten, nicht nur untersuchen zu dürfen, sondern mir auch gestattete, dass ich mich beim Zeichnen der Analysen des daselbst angestellten akade- mischen Künstlers, Herrn Schmidt, eines aufserordentlich geschickten und genauen Zeichners, bedienen durfte, verfehle ich nicht die seit zwei Jahren gewonnenen Resultate der Königlichen Akademie vorzulegen. Zwei Schwierigkeiten, die beseitigt werden mufsten, wenn ich auf einen Erfolg meiner Bemühungen rechnen wollte, und die jedenfalls Ursache sind, dafs vor mir nicht schon ein anderer sich dieser Arbeit unterzogen hat, überwand ich sehr bald. Die eine geringere bestand darin, dafs die gewöhnliche Methode, nach welcher die Blüthentheile getrockneter Pflanzen mittelst Dampf für die Untersuchung erweicht werden, ihrer aufserordent- lichen Zartheit wegen nicht anwendbar war. Sie wurde durch Benutzung eines 20 procentigen Weingeistes ersetzt. Die Hebung der zweiten Schwierigkeit erheischte die Lösung der Frage: „auf welche Weise sind die in unseren Gewächshäusern zufällig oder ge- flissentlich durch Kreuzung bewirkten Bastarde von den legitimen Arten der Begonien zu unterscheiden ?” Seit Ende des vorigen Jahrhunderts ist es nämlich nicht selten vor- gekommen, dass Gärtner, namentlich bei Ziergewächsen, zu denen die Begonien gehören, zuweilen sogar in der Absicht zu täuschen, durch Kreuzung des Pollens Bastarde zogen, die sie als neue Arten in den Handel brachten. Leichter als bei denjenigen Pflanzen, welche Zwitterblüthen tragen und bei der Erzielung von Bastarden vor dem Oeffnen ihrer Staubbeutel, derselben beraubt werden müssen, geschieht die Bildung von Hybriden bei den Begonien. Begünstigt durch ihre Blüthen, welche stets getrenn- ten Geschlechtes sind, kömmt noch hinzu, dafs die männlichen Blu- men abgeblüht zu haben pflegen, bevor die weiblichen zur Entwickelung gelangen. Es ist daher häufig nicht einmal die Vorkehrung nöthig den eigenen Pollen, der immer mit mehr Neigung, als der fremde, von der zur Kreuzung bestimmten weiblichen Blüthe abfgenommen wird, abzu- halten. Q2 124 Krorzscn: Die durch Pollen-Kreuzung entstandenen Begonien - Bastarde zeichnen sich vor ihren Stammeltern durch einen kräftigeren Wuchs aus. Sie blühen in der Regel reichlicher als jene und ihre weiblichen Blüthen sind von län- gerer Dauer. Dagegen fallen die männlichen Blüthen dieser Bastarde häufig ab, ohne sich vollständig zu entfalten, die Zahl ihrer Blumenblätter ist unbeständig, die Staubgefässe sind häufig verkümmert und haben eine Neigung zum Uebergange in Blumenblätter; namentlich zeigt der Pollen, der ohne Ausnahme der Eigenschaft entbehrt Pollenschläuche zu treiben, mithin zur Befruchtung der eigenen Narben untauglich ist, merkwürdige Abweichungen von der normalen Beschaffenheit des Pollens legitimer Arten. Während letzterer nämlich gleichförmig und in ovaler Form auftritt, zeigt der Bastard- Pollen ganz kleine, unentwickelte, längliche Körner ohne jeden Inhalt, neben verhältnifsmäfsig grofsen, linsenförmigen, die mit mineralischen Säuren und Jodlösung behandelt, zwar einen Inhalt verrathen, der aber beinahe durchsichtig und im allgemeinen weniger cohobirt als in dem Pollen wirklicher Arten erscheint. Diese Abweichungen der Staubgefäfse und des Pollens von Bastard-Begonien sind um so auffälliger, je entfernter die zur Kreuzung benutzten Arten im Systeme stehen. Daesnichtin meiner Absicht lag, eine monographische Arbeit aller bis jetzt bekannten Begonien zu liefern, die überdies, wie ich höre, von dem Herrn Prof. Meissner in Basel für deCandolle’s Prodromus beabsichtigt wird, mein Vorha- ben sich vielmehr darauf beschränkt das wesentliche der Begonienblüthe in dem mir zugänglichen Materiale Behufs einer naturgemäfsen systematischen Anordnung, ohne welche das Auffinden der Arten in letzterer Zeit unmöglich wurde, einer genauen Untersuchung zu unterwerfen, so begnügte ich mich bei den kultivirten Begonien durch Prüfung des Pollens zu ermitteln, ob ich es mit einer wirklichen Art oder mit einem Bastarde zu thun hatte. Auch eine beträchtliche Anzahl von Begonien- Arten aus dem Vater- lande im getrockneten Zustande, habe ich auf den Entwickelungszustand des Pollens untersucht, ohne jedoch einem Bastarde zu begegnen. Es wäre nicht uninteressant gewesen die Abkunft der in Kultur befindlichen Bastarde anzugeben und ich würde dies bestimmt gethan haben, da es mir in den meisten Fällen gelang, dieselbe zu errathen, allein die Angaben der Gärtner über die Abstammung der Bastarde waren so widersprechend und auf der anderen Seite die genaue Bestimmung der elterlichen Pollen- und Pistillpflanze Begoniaceen - Gattungen und Arten. 125 so nothwendig, wenn der Nachweis überhaupt von einem wissenschaft- lichen Nutzen sein sollte, dafs ich es vorzog, auf dieses Vorhaben zu ver- zichten. Die vorsichtige Prüfung des Pollens in Bezug auf seine Entwickelung bot mir den Vortheil, meine Zeit nicht unnütz mit Zweifeln über die Be- ständigkeit der Charaktere hinzubringen und liefs mich bald constante Merk- male erkennen, die sich zur Begründung von Unterordnungen, Sippen und Gattungen eignen und ganz dazu geschaffen erscheinen das Auffinden der Arten zu erleichtern. In erster Instanz verdient die Dauer des Griffelapparates hervorgehoben zu werden, der entweder bleibend ist und sich selbst von der reifen Frucht nicht trennt oder hinfällig erscheint, so, dafs er sich vor der Reife der Frucht davon löst. In zweiter Reihe ist es die Beschaffenheit der Griffeläste und die Ver- theilung und Anordnung der Papillen oder Schleimhärchen. Die Griffel- äste sind entweder aufrecht- und bilden einen spitzen Winkel oder sie sind gespreitzt und bilden einen äusserst stumpfen Winkel. Die Schleimhärchen oder Papillen sind entweder über den ganzen Griffelapparat gleichmäfsig vertheilt oder sie bilden ein Band, das die Griffelzweige spiralförmig um- kleidet und entweder vor der Vereinigung der Zweige unterbrochen wird oder mit dem Bande des nächsten Zweiges continuirt. In dritter Reihe ist es die Zahl der Fruchtfächer, welche ohne Aus- nahme constante Charaktere bietet. Es kommen nämlich zwei- und drei- fächerige Früchte bei den Begoniaceen vor. Einfächerige Früchte habe ich nie angetroffen. In vierter Reihe ist die Consistenz und das Aufspringen der Früchte von Wichtigkeit. Die Consistenz ist entweder häutig und das Aufspringen findet innerhalb eines geflügelten oder leistenartigen Bandes statt, oder die Kanten der Ecken öffnen sich, ohne von diesen leisten- oder flügelartigen Fortsätzen bedeckt zu werden. In fünfter Reihe ist es die Zahl der Blumenblätter beider Geschlechter. Eine Angabe, die man nur zu oft aus Vorurtheil in den Diagnosen, wie in den Beschreibungen der Begonien schmerzlich vermifst, weil man sich der durchaus irrigen Ansicht hingiebt, die Zahl derselben sei unbeständig und deshalb unwesentlich. 126 Krorzsch: In sechster Reihe ist es die Form der Placenten, welche ihre Structur im Querdurchschnitte am anschaulichsten zeigen und entweder getheilt oder ungetheilt sind. Die lamellenartigen Placenten sind von verschiedener Dicke, zuweilen sind sie bis zu ihrem Anheftungspunkte getrennt, häufig vereinigen sie sich in einem gemeinschaftlichen Stiele. Gewöhnlich sind sie auf beiden Flächen mit Eichen bekleidet; bei der Gattung Gaerdtia fehlen dieselben zwischen dem Spalte. In den ungetheilten Placenten ist die Form eben so mannigfaltig, wie beständig. Auch hier kommen vorzugsweise die Eichen sitzend vor, während bei zwei Gattungen Aeichenheimia und Trachelanthus die Eichen mit langen Nabelsträngen versehen sind. In siebenter Reihe ist es die Beschaffenheit der Staubfäden, in wel- chem Längenverhältnisse sie zu den Antheren stehen, ob sie frei oder ver- wachsen und in welcher Weise sie mit einander verbunden sind; ferner die Form und das Verhältnifs des Spaltes zu dem Connectiv und die Art des Aufspringens. In achter Reihe ist es die Lage der Blumenblätter in der Knospe, welche bei gleicher Anzahl constante Kennzeichen für die Gattungen liefert. Leider bin ich zu spät hierauf aufmerksam geworden, so, dafs ich diesen Charakter nicht durchgreifend nachtragen konnte und ihn deshalb in meinen Gattungsdiagnosen wegzulassen vorzog. Parallel mit diesen wesentlichen Kennzeichen der Gattungen zeigt sich der Blüthenstand und die Vertheilung der Geschlechter, die Zahl und Stel- lung der Bracteen zunächst der weiblichen Blüthe, so wie die Form, Consistenz, Dauer und Eigenthümlichkeit der Afterblätter. Ich habe mit Ausnahme der Begonia discolor, welche in China einheimisch sein soll und zur mexicanischen Gattung Änesebeckia gehört, kein Beispiel gefunden, das Zeugnifs für die Repraesentation einer amerikanischen Bego- niaceengattung in Africa, Ostindien oder auf den ost-africanischen Inseln gäbe. Begonia hernandiae/olia Hooker, die zu der ostindischen Gat- tung Nitscherlichia gehört, sollte zwar nach Angabe Sir William Hooker’s in England aus Samen gezogen sein, der von Berthold Seemann in Central- Amerika gesammelt und eingesandt sein sollte; die Vergleichung authen- tischer Exemplare mit der auf Java gesammelten Begonia coriacea lielsen jedoch keinen Zweifel über die Identität beider vermeintlicher Arten auf- kommen. Begoniaceen-Gattungen und Arten. 427 Eben so verhielt es sich mit der von dem Herrn Professor Lehmann in Hamburg aufgestellten Begonia Hamiltoniana, welche aus Östindien stam- men sollte und sich als die bekannte, westindische Begonia acuminala erwies. Es kommt jedoch vor, dafs innerhalb einer Gattung strauchartige und krautartige Pflanzen nebeneinander auftreten; desgleichen, welche mit einem niederliegenden, kriechenden oder aufrechten Stamme; kletternde neben schlingenden, einziehende — knollentragende neben strauchartigen Gewächsen durch die wesentlichen Gattungskennzeichen zusammen gehalten werden. Was die Stellung der Begoniaceen im natürlichen Systeme betrifft, so ist diese von jeher zweifelhaft gewesen, und in der That ist es viel leichter den Nachweis zu liefern, dafs alle diejenigen, welche sich mit der Unter- bringung dieser Gruppe beschäftigten, sich getäuscht haben, als die ihnen zukommende eigentliche Stellung unter Nennung ihrer wirklichen Ver- wandten nachzuweisen. Laurenz von Jussieu bringt sie zu den Zweifelhaften, Sir James Smith, deCandolle und Bartling zwischen Chenopodeae und Polygo- neae; Link vergleicht sie mit den Umbelliferen, von Martius mit den Scaevoleen und Campanulaceen, Meissner mit den Euphorbiaceen, Ro- bert Brown wegen der allerdings nicht zu läugnenden Aehnlichkeit ihrer Samen mit den Hydrangeen. Lindley glaubt sie in die Nachbarschaft der Cucurbitaceen versetzen zu müssen, worin ihm Endlicher und Adolphe Brongniart folgen und Robert Wight behauptet, man dürfe ihre Ver- wandten nicht in der Jetzt- sondern in der Vorwelt suchen, Nach den vielen mifsglückten Versuchen die eigentliche Lücke im natürlichen Systeme herauszufinden, welche geeignet erscheint durch die Begoniaceen ausgefüllt zu werden und nach den ebenfalls erfolglosen eigenen Bemühungen dies zu erreichen, mufs ich mich der Ansicht Robert Wights insofern anschliefsen, als ich einzugestehen gezwungen bin, dafs die Bego- niaceen durch ihre habituellen Eigenthümlichkeiten sowohl, wie durch ihre wesentlichen Unterscheidungsmerkmale des Blüthen- und Fruchtapparates von sämmtlichen, gegenwärtig bekannten dicotyledonischen Klassen - Typen abweichen. Ich sehe mich aber zugleich veranlalst zu erklären, dafs es den Bestrebungen der Paläontologen weder bis jetzt gelungen ist, noch später je gelingen wird wirkliche Verwandtschaften der Begoniaceen in den Pflanzen- abdrücken der Vorwelt nachzuweisen. 1238 Krorzsch: Will man sich in dieser Beziehung auf Hypothesen einlassen, so liegt es viel näher anzunehmen, dafs die Verwandtschaften der Begoniaceen viel wahrscheinlicher in einer künftigen Schöpfung aufzufinden gehofft werden dürfen, als es in der Gegenwart und Vergangenheit denkbar ist. Es sprechen wenigstens für diese Annahme die polychlamyden, epi- gynen, dialypetalen und dielinen Blüthen der Begoniaceen, verbunden mit den habituellen Unterscheidungskennzeichen eines ringförmigen Stengels mit seinen geschlossenen Knoten und die bedeutende Entwickelung der scheiden- artigen Afterblätter. Während nämlich bei den dichlamyden Dicotyledonen Kelch und Blumenkrone deutlich geschieden sind, schwindet dieser Unterschied bei den in der Jetztwelt sehr gering —, in der Flora der Vorwelt nicht vertrete- nen polychlamyden Dicotyledonen; und die Begoniaceen erhalten vermöge ihrer zweihäusigen, oberständigen, gesonderten, blumenblattartigen Blüthen- hüllen eine durchaus isolirte Stellung. Ueber die Entwickelungsgeschichte des Embryo’s von Begonia cueul- lata Willd. hat Herr Dr. Karl Müller inHalle (!) eine sehr lobenswerthe Arbeit geliefert. Nur zwei Dinge finde ich in derselben zu berichtigen respective zu ergänzen. Der auf Tafel VII, Fig. 38 unter d bezeichnete kleinzellige Körper, welcher durch einen zufälligen Druck aus dem Kanal der micropyle hervorgetreten ist und dessen Deutung von dem Herrn Ver- fasser nicht gewagt wird, ist das Perisperm, das während der Bildung des Embryo’s resorbirt wird, so, dafs am reifen Samen der ganze Rest desselben sich auf ein Minimum reducirt, welches den Keimhüllenmund und dessen Hals mit einer gelb-braunen, homogenen Masse erfüllt. Eben so ist der unter Fig. 45 dem Micropylarende zugewendete ap- pendiculaire Theil des Embryo’s nicht radicula, sondern eben diese rudimen- taire Masse des Perisperms. Dafs die Angabe Gärtner’s, welche durch Bartling, Meissner, Endlicher und Robert Wight eine weitere Verbreitung fand: der reife Embryo sei von einem fleischigen Eiweifskörper umgeben, eine unrichtige war, ist bereits durch Lindley und Gaudichaud berichtigt worden. (‘) von Mohl und von Schlechtendal, Botanische Zeitung fünfter Jahrgang 1847, p- 758. Begoniaceen-Gattungen und Arten. 129 In Betreff der geographischen Verbreitung der Begoniaceen will ich nur bemerken, dafs sie in Mexico, Mittel- und Süd- Amerika am meisten angetroffen werden. In Östindien sind sie entweder sparsamer vertreten oder weniger zahlreich gesammelt; und nur einige Repräsentanten dieser sehr in- teressanten Pflanzengruppe sind auf den ost-afrikanischen Inseln und von dem süd-östlichen Küstenstriche Afrika’s bis jetzt bekannt. Ihre specielle Ausbreitung ist nach Herrn Professor Liebmann in Copenhagen (!) eine sehr beschränkte. Als Grund dafür giebt er an, dafs sie gröfstentheils an schattigen, feuchten Orten in den Urwäldern und zwischen Felsklüften vorkommen, welche vom Winde, der am meisten bei der Verbreitung der Pflanzen thätig ist, nicht bestrichen werden. Selbst Rachia peltata (Begonia peltata Otto und Dietrich), die Herr Liebmann ausnahmsweise auf trockenen, sonnigten Trachytfelsen antraf, zeigte dennoch eine sehr geringe Verbrei- tung. Die Natur ersetzt dies durch die grofse Anzahl von Samen, den die Begoniaceenfrüchte enthalten; zuweilen auch durch eine andere merkwür- dige Eigenschaft, die sich namentlich bei der Gattung Änesebeckia zeigt und wohin Begonia Balmisiana Ruiz (B. villosa der Gärten), B. monopteris Lk. und Otto, B. bulbifera Lk. und B. Martiana Lk. gehören, indem in den Blattwinkeln eine Menge kleiner Zwiebelchen hervorbrechen, die in einer etwas feuchten Erde, bei einer erhöhten Temperatur Wurzeln schla- gen und so zur vollständigen Entwickelung gelangen, indem sie das Indivi- duum in ungeschlechtlicher Weise vermehren. Zu dieser Vermehrung im kultivirten Zustande gesellt sich noch eine andere. Herr von Martius zeigte im Jahre 1852 in einer Versammlung der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu München eine Begonia vor, die derselbe B. phyllomaniaca nennt. Sie zeichnete sich durch unzählige kleine Blättchen aus, welche den Stamm, die Zweige und Blattstiele bedeckten und die Eigenschaft besalsen, sich unter günstigen Umständen zu selbstständigen Pflanzen zu entwickeln. Wahrscheinlich gehört dieses Gewächs einem Bastarde an, der durch zufäl- lige Kreuzung zweier Bulbillen-tragender Knesebeckien hervorgegangen ist. Da sich nur Bastarde nicht befruchten können, mithin auf geschlechtlichem (') Liebmann, Mexico’s og Central- America's Begonier (der Gesellschaft der Natur- forscher zu Copenhagen mitgetheilt am 14. April 1852). Phys. Kl. 1854. R 130 Krıorzsca: Wege nicht fortpflanzbar sind, so sorgt die Natur in anderer ungeschlecht- licher Weise, wie ich häufig selbst beobachtet habe, dafür. Uebrigens lassen sich die Begonien fast durchgängig durch Blätter, welche flach auf den Erdboden gelegt werden, leicht vermehren. Die Wurzeln der Begoniaceen sind adstringirend und meist von bitte- rem Geschmack. In Peru finden die Wurzeln zweier Begoniaceen Anwen- dung gegen Blutflüsse. In Mexico wurden die Knollen der Änesebeckia Balmisiana (Begonia Balmisiana Ruiz) gegen Lustseuche angewendet und der Ruf ihrer Wirkung war so grofs, dafs sich der Erzbischof von Mexico, der Zeuge der gelungenen Erfolge dieses Mittels zu sein glaubte, veranlafst fühlte den Dr. Balmis mit 30 Arroben (750 Pfund) an den König von Spanien zu senden, dem er empfahl, weitere Versuche damit anstellen zu lassen. Auf der anderen Seite versichert William Jack, dafs der Saft einer Begoniacee in Östindien von den Malayen benutzt werde um die Dolche von den Rostflecken zu reinigen, und Berthold Seemann führt in seiner Reise an, dafs der Wurzelstock einer Begoniacee in Central- Amerika als Brechmittel benutzt werde. BEGONIACEAE Robert Brown. in Tuckey Congo p. 464. Flores polychlamydii, colorati, unisexuales, monoieci, interdum dioici. Masculi: Petala 2 — 8 patentissima colorata, exteriora saepissime plana, ante apertionem marginibus sibi mutuo incumbentia, interiora praesertim minora et concava. Stamina crebra, in centro floris congesta petalis breviora. Fi- lamenta libera aut varie inter se connata in connectivum continuo desinentia. Antherae extrorsae biloculares, loculi lineares connectivi marginibus adnali, paralleli, discreti, apice sese haud contingentes, longitudinaliter dehiscentes. Pollinis granula oblonga laevissima, sulco longitudinali notata. Ovarii ru- dimentum nullum. Flores feminei: Petala 2—8 supera, patentia, praesertim inaequalia, tubo trigono plerumque triptero cum oyario connato. Prae- floratio imbricativa. Staminum rudimenta nulla. Ovarium inferum bi- trialatum v. tricornutum v. trigibbum, basi 1—2—3 bracteatum, septis cum angulis tubi perigonialis alternantibus. Ovula in placentis e loculorum Begoniaceen - Gattungen und Arten. 131 angulo centrali prominulis integris aut longitudinaliter fissis anatropa, cre- berrima, minutissima. Stylus brevis, persistens aut deciduus, trifidus aut tri- partitus. Stigmata tria, integra, bicornia aut multifida, undique papillosa aut fascia dense papillosa aut interrupta aut continua spiraliter torta cingentia. Capsula membranacea, coriacea, cartilaginea aut suberosa, trialata, aptera, trigibbosa aut tricornuta, bi- trilocularis, ad alarum originem per rimam arcuatam rumpens aut ad angulos dehiscens appendicibus in duas verticaliter divisis partes. Semina ereberrima minutissima oblonga vel elliptica, ad ex- tremitatem inferiorem ubi affıxa tuberculo notata, reticulata. Integumentum duplex; exterius crustaceum, interius ad extremitatem basilarem puncto fuscescente notatum (perispermii rudimentum). Endospermium nullum. Embryo oblongo - teretiusculus, ad extremitatem a tuberculo aversam brevi-bilobus. Frutices, suffrutices aut herbae, saepe subsucculentae, succo aqueo, caule ramisque alternis teretibus nodoso--articulatis. Folia alterna, rarissime opposita, inaequilatera nervosa carnosa integra, rarius digitata, lobata aut subpinnatifido-laciniata, basi saepissime cordata, dentata vel serrata, serra- turis saepe mucronalis, rarissime integerrima, vernatione marginibus involuta. Stipulae petiolares geminae membranaceae liberae deciduae, basi lata sub- intrapetiolares. Pedunculi in apice ramorum axillares plerumque dichotomi et multiflori, rarius uni-bi-vel pauciflori. Flores pedicellati, masculi cen- trales nudi, feminei in ambitu; bracteis sub inflorescentiae ramificationibus atque germinibus membranaceis plus minus deciduis. Conspectus. I. STEPHANOCARPEAE. Stylus persistens. A. BEGONIACEAE. Stylorum rami subglabri, fascia papillosa spiraliter torta instructi. & InTErkUPTARE. Stylorum rami fascia papillosa interrupta instructi. Flores maseuli 8—, feminei hexa-petali. Antherae obovatae breves numerosissimae toro pulvinato insertae. Filamenta libera. Stig- R2 132 Krorzsch: mata inaequaliter- ramosa. Placentae bilamellatae in stipitem brevem conjunctae, lamellis undique ovuliferis. 1. Huszia Kl. Flores masculi 4 — , feminei 5, 6— 8 petali. Antherae oblongae breves, utrinque obtusae longe-filamentosae. Filamenta ad basin umbellatim connata. Stigmata ter trifida. Fascia papillosa quater spiraliter torta. Placentae bilamellatae in stipitem brevem con- junctae, lamellis profunde bifidis, undique ovuliferis. 2. Eupetalum Lindl. Flores masculi 4—, feminei penta-petali. Antherae breves el- lipticae. Filamenta in columnam elongatam racemosim - monadel- pha. Stylorum rami simplices elongati. Fascia papillosa quinquies spiraliter torta. Placentae bilamellatae in stipitem brevem con- junctae, lamellis undique ovuliferis. 3. Barya Kl. 8 ConTinVAr. Stylorum rami fascia papillosa continua instructi. ‘Fr Flores masculi 4— , feminei 5 — petali. * Placentae longitudinaliter fissae. Antherae oblongae brevi-filamentosae, apice in connectivum obtusum productae. Filamenta libera. Stigmata profunde bifida. Fascia bis-ter spiraliter torta. Placentae bilamellatae in stipitem conjunctae, lamellis (stipite excepto) undique ovuliferis. 4. Begonia Plumier. Antherae oblongae brevi-filamentosae, apice in connectivum obtusum productae. Filamenta libera. Fascia papillosa se- mel-bis spiraliter torta. Placentae sectio transversa loculorum angulo centrali geminae conniventim-falcatae pedicellatae, pe- dicellis exovuliferis. 5. Saueria Kl. Antherae obovatae, apice truncato -tumidae oblique rimosae. Filamenta umbellatim-monadelpha. Stigmata bipartita, antice ad basim dilatata. Placentae bilamellosae, lamellis distinctis, non in pedicellum conjunctis. 6. Knesebeckia Kl. Antherae oblongae, apice cucullatim -tumidae inaequilongae. Filamenta brevia libera, exteriora brevissima. Stigmata bi- partita. Placentae bifidae pedicellatae, inter fissuram ex- ovulatae. 7. Gaerdtia Kl. Begoniaceen-Galtungen und Arten. 133 ** Placentae integrae pedicellatae. Antherae oblongae. Filamenta antherarum longitudine, libera. Stigmata bipartita, lobis semel-bis spiraliter tortis. Placentae eylin- dricae, sectio transversa orbieularis. Capsula alis destituta. s. Trendelenburgia Kl. Antherae oblongae. Filamenta libera. Stigmata bipartita, lobis bis spiraliter tortis. Placentae sectio transversa ovata. 9. Ewaldia Kl. Antherae oblongae, apice rotundatae, basi attenuatae. Filamenta antherarum longitudine, libera. Stigmata dilatata bieruria, cruribus divaricatis brevibus. Placentae sectio transversa hastata, apice an- gustata. Ovula funiculis longis instructa. 10. Reichenheimia Kl, Antherae oblongae. Filamenta antherarum longitudine, libera. Stigmata bipartita. Fascia papillosa bis spiraliter torta. Placentae sectio transversa brevi-ovata, basi cordata. 11. Gurltia Kl. Antherae brevissimae, utrinque obtusae aut emarginatae. Filamenta longa, libera. Stigmata bipartita. Fascia papillosa ter spiraliter torta, Placentae sectio transversa brevi-ovata. 12. Scheidweileria Kl. Antherae breves, utrinque subattenuatae. Filamenta racemosim- monadelpha. Stigmata bipartita. Fascia papillosa ter spiraliter torta. Placentae sectio transversa ovato-lanceolata. Capsula in- aequaliter trialata. 13. Lepsia Rl. Antherae breves, utrinque rotundatae. Filamenta racemosim - mo- nadelpha. Stigmata bipartita. Fascia papillosa bis spiraliter torta. Placentae sectio transversa cordato-ovata, acuta. Capsula aequa- liter trialata, apice attenuata. 14. Doratometra Kl. Antherae breves obovatae, apice truncatae. Filamenta inferne in columnam crassam connata. Stigmata bipartita. Fascia papillosa ter spiraliter torta. Placentae sectio transversa ovato-triangularis. Capsula aequaliter trialata, apice truncata. 15. Steineria Kl. Antherae breyissimae ovales. Filamenta longa, basi umbellatim- monadelpha. Stigmata bipartita. Fascia papillosa bis spiraliter torta. Placentae sectio transversa hastata, oyulis sessilibus. Capsula inaequaliter trialata. 16. Pilderia Kl. 7 Flores masculi 4—, feminei 4 — petali. Antherae oyato-oblongae. Filamentalibera. Stigmatabipartita. Fascia papillosa bis spiraliter torta. Capsula ovato-oblonga aptera. 17. Mezierea Gaud. 134 Krorzsc#: °“- Flores masculi 4—, feminei 3 petali. * Placentae longitudinaliter fissae. Antherae oblongae rimis longitudinalibus apice obliquis in- structae. Filamenta libera. Stigmata bieruria, basi dilatata. Capsula subaequaliter trialata, apice truncata. 18. Rachia Kl. Antherae oblongae rimis lateralibus strictis instructae. Filamenta basi brevi-monadelpha. Stigmata lunato -bicruria. 19. Diploclinium R.W ight. ** Placentae integrae pedicellatae. Antherae obovato-oblongae. Filamenta umbellatim - mona- delpha. Stigmata bipartita. Fascia papillosa bis spiraliter torta. Placentae sectio transversa ovato-subtriangularis. Capsula aequaliter trialata. 20. Mitscherlichia Kl. *+ Flores masculi 2—, feminei 5— petali. * Placentae longitudinaliter fissae. Antherae breves obovatae rimis apice oblique -conniventibus instructae. Filamenta racemosim-monadelpha. Stigmata lunato- dilatata. Capsula inaequaliter trialata. 21. Petermannia Kl. Antherae oblongae, apice productae. Filamenta libera. Stig- mata bieruria. Fascia papillosa bis spiraliter torta. Capsula inaequaliter trialata. 22. Moschkowitzia Kl. Antherae elongatae nec apice productae, connecticulo fusces- cente. Filamenta libera. Stigmata bipartita. Fascia papillosa ter spiraliter torta. 23. Donaldia Kl. ** Placentae integrae pedicellatae. Antherae parvae ellipticae in conum obtusum productae. Fi- lamenta longa libera toro pulvinato inserta. Stigmata bipar- tita. Fascia papillosa bis spiraliter torta. Placentae sectio transversa ovato - oblonga. Capsula subaequaliter tri- alata. 24. Jugustia Kl. °+ Flores masculi 2—, feminei 3— petali. Antherae brevissimae, obovatae. Filamenta umbellatim-monadel- pha. Stigmata bipartita. Fascia papillosa bis spiraliter torta. Ovula funiculis longis instructa. Capsula trialata, apice in collum longissi- mum cylindricum attenuata. 25. Trachelanthus Kl. Begoniaceen- Gattungen und Arten. 185 ‘+ Flores masculi et feminei 2? — petali. * Placentae longitudinaliter fissae. Antherae elongatae. Filamenta libera. Stigmata lunato - dilatata. Placentae aequaliter bilamellatae. Bracteae floris feminei caducae. Ala maxima capsulae semiorbicularis rectangula. 26. Gireoudia Kl. Antherae ellipticae. Filamenta libera. Stigmata bipartita. Fa- scia papillosa ter spiraliter torta. Placentae aequaliter bilamel- latae. Bracteae floris feminei magnae persistentes. Capsula in- aequaliter trialata. Ala maxima elongata adscendens. 27. Rossmannia Kl. Antherae elongatae. Filamenta brevi - monadelpha. Stigmata bieruria. Fascia papillosa bis spiraliter torta. Placentae aequa- liter trialata. Ala maxima apice incurvo-obtusa. Pedunculi ad basim dichotomiarum bractea magna cyathiformi eincti. 28. Cyathocnemis Kl. Antherae longae, utrinque truncatae. Filamenta brevissima li- bera. Stigmata bipartita. Fascia papillosa bis spiraliter torta. Placentae gyroso - vel labyrinthiformi-bilamellatae. 29. Magnusia Kl. ** Placentae integrae pedicellatae. Antherae oblongo-obovatae, apice cucullatim-tumidae. Fi- lamenta libera. Stigmata lunato-dilatata. Placentae sectio trans- versa ovato-lanceolata. Capsula subaequaliter trialata. 30. Haagea Kl. B. PRITZELIEAE. Stylorum rami undique papillosi. “ Flores masculi 4— , feminei 5 — petali. * Placentae longitudinaliter fissae. Antherae oblongae obtusae, basi subemarginatae. Filamenta libera toro valde elevato inserta. Stigmata bipartita lobis vix tortis. Placentae bipartitae, eruribus crassis falcatim - conniventibus. Capsula inaequaliter trialata. 31. Titelbachia Kl. ** Placentae integrae pedicellatae. Antherae oblongae obtusae, basisubemarginatae. Filamenta libera toro pulvinato inserta. Stigmata bipartita, lobis semel-bis spiraliter tortis. Placentae sectio transversa ovato -triangularis. 32. Pritzelia Kl. Antherae oboyato-oblongae. Filamenta libera toro pulvinato inserta. Stigmata bipartita, lobis divaricatis bis spiraliter tortis. Placentae sectio transversa cordato-ovata. Capsulae alae 2 an- gustae. 33. Wageneria Kl. 136 Kıorzsc#: II. GYMNOCARPEAE. Stylus deciduus. A. PLATYCENTREAE. Stylorum rami subglabri,, fascia papillosa spiraliter torta instructi. Capsula inflexa inaequaliter trialata bilocularis. Flores masculi 4 — , feminei 3— petali. Antherae oblongae obtusae filamentis liberis longiores. Stigmata bipartita, lobis fascia papillosa bis spiraliter torta, antice infra lobos continua instructis. Ala maxima | in capsulae parte inferiore dissepimento opposita. 3/4. WVeilbachiaKl.etOerst. Flores masculi et feminei 4 petali minuti. Antherae oblongae paucae filamentis monadelphis majores. Stigmata bicornuta fascia papillosa spiraliter torta, antice infra cornua continua instructa. Ala maxima in capsulae parte inferiore dissepimento opposita. 35. Lauchea Kl. | Flores masculi 4—, feminei 5— petali. Antherae oblongae obtusae | filamentis aequilongae. Filamenta brevi umbellatim - monadelpha. | Stigmata bipartita, basi dilatata, lobis fascia papillosa bis spiraliter | torta, antice infra lobos transversim continua instructis. Capsula sube- | roso-spongiosa inaequaliter trialata, alae anteriores angustissimae loculis oppositae, postica maxima rectangula dissepimento opposita. 36. Platycentrum Kl. B. ISOPTERIDEAE. Stylus usque ad basim tripartitus. Rami simpliei multifidi aut multi- partiti teretiusculi aut compressi, numquam tortuosi, undique - rarissime apice tantum papillosi. Fructus erectus trilocularis triangularis, nec membranaceus, anguli cornuti aut compresso- gibbosi. Flores masculi 4 — , feminei 6 — petali. Antherae oblongae obtusae. Filamenta brevissima libera. Fructus triangularis trieornutus carti- lagineo - suberosus, apice in rostrum strietum attenuatus, cornua ad- scendentia mueronata. Stylorum rami bis tripartiti. Placentae bila- mellatae in stipitem brevem conjunctae. 37. Gasparya Rl. Petala floris masculi 4-, 2interiora breviora praemorsa, feminei 6 aequi- longa. Stamina numerosa libera. Antherae elongatae, connectivo in aristam subulatam rectam producto. Filamenta brevia. Stylorum Begoniaceen - Gattungen und Arten. 137 rami bipartito-multifidi undique papillosi, lobis teretibus elongatis. Fructus carnoso -coriaceus trilocularis, superne compresso -trigibbus, apice non productus. 38. Stiradotheca Kl. Petala florum masculorum 4 integerrima glabra. Antherae obovatae, apice leviter emarginatae in filamenta brevia attenuatae. Stylorum rami integerrimi, apice truncato- dilatati papillosi. Fructus suberoso- cartilagineus triangularis tricornutus, cornua complanata adscendentia. 39. Putzeysia Kl. Petala florum masculorum 4 apice dentato-ciliata. Antherae ovales breves. Filamenta longissima libera. Stylorum rami bipartito - mul- tifidi undique papillosi, lobis teretiusculis tenuibus. Fructus cartila- gineo-papyraceus turbinatus, superne tricornutus, basi attenuatus, apice breviter productus, cornua brevia cuspidata erecta incurva. 40. Isopteris Kl. Petala florum masculorum 4— , femineorum 5 parva. Antherae ob- longae obtusae elongatae. Filamenta basi brevi-monadelpha. Sty- lorum rami compressi bipartiti brevi-multifidi. Fructus triangularis tricornutus suberoso-cartilagineus, apice in rostrum longum strietum attenuatus, cornua patenti-adscendentia, apice attenuato-incurva. 41. Sassea Kl. I. STEPHANOCARPEAE. Stylus persistens. A. BEGONIACEAE. Stylorum rami subglabri, fascia papillosa spiraliter torta cincti. «@ INTERRUPTAE. Stylorum rami fascia papillosa spiraliter torta, inferne interrupta instructi. ” J. Huszia(') Kl. Baf. 1. .Ar, Flores monoici. Masc. Petala 6— 8 subaequalia obovata albida aut roseo-rubescentia, basi attenuata, praefloratione imbricata. Stamina nume- rosissima; antherae breves obovatae, loculis infra apicem connectivi dilatati (') Dem Andenken eines Naturforschers und Freundes von Göthe, des Custos der wis- senschaftlichen Sammlungen zu Brüx in Böhmen, Carl Husz, der in den dreilsiger Jahren dieses Jahrhunderts verstarb, gewidmet. Phys. Kl. 1854. S 138 Kıorzsca: obtusi lateralibus; filamenta longa filiformia toro magis pulvinato inserta. Flores feminei: Petala 6 supera subaequalia obovata ut in mare. Ovarium breve triangulare monopterum triloculare. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali bilamellatis plurima anatropa. Stylus persistens sexpartitus, lobis inaequaliter multifidis, fascia papillosa spiraliter torta, basi interrupta einclis. Capsula turbinato - trigquetra membranacea trilocularis, angulis duobus brevissime alatis, tertia ala maxima elongata ad alarum originem per rimam arcuatam dehiscens. Semina ereberrima minutissima oblonga reticu- lata exalbuminosa. Herbae acaules tuberosae in montibus Peruviae crescentes; foliis pe- tiolatis oblique cordatis sinuato-lobatis, lobis serratis; scapis dichotomo- cymosis, ad inflorescentiae ramificationes deciduo - bracteatis; floribus magnis aut viridi- aut rubescenti-albicantibus. 1) Huszia octopetala Kl. Tuberosa, acaulis; foliis longe-petiolatis, cordatis lobatis puberulis, lobis obtusis serratis; scapo elongato ex albido- virescente paucifloro ; floribus maximis candidis, extus virescentibus, masculis longe - pedicellatis octopetalis, femineis hexapetalis brevi- pedicellatis; cap- sulae ala maxima oblonga elongata patenti-adscendente, apice oblique iruncata dentata. Begonia octopetala L’Heritier, Stirps I, p. 101. Hooker, Bota- nical Magazine, t. 3559. Knowels and Westcott, Floral Cabinet I, p. »1, t. 20. Blattstiele grün, oberwärts geröthet, stielrund, von der Dicke eines Gänsekiels, fein pubescirend und 14, Fufs lang. Blätter von hellgrüner Farbe, auf der Unterfläche an den Rippen pubeseirend, flach-trichterförmig, fast kreisrund, stumpf-lappig, an der Basis schief herzförmig, Lappen säge- zähnig. Der wenigblüthige Blüthenschaft von der Länge der Blattstiele. Dieses interessante Gewächs wurde schon im Jahre 1780 von Dom- bey auf Bergen bei Lima, der Haupstadt von Peru, entdeckt und durch ihn lebend in den Pariser Pflanzen - Garten eingeführt, blühete aber daselbst nicht, weil es wahrscheinlich nicht warm genug gehalten wurde. Knollen hiervon, welche von dem Engländer John Mac Lean nach dem botanischen Garten zu Glasgow gesandt wurden, blüheten im Jahre 1836 zum ersten Male wie es scheint in Europa. Es ist noch immer eine seltene Pflanze in unseren Warmhäusern. Die weiblichen Blüthen, welche ich zur Analyse Begoniaceen - Gattungen und Arten. 139 verwandte, verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Garteninspektors Regel in Zürich. 2) Huszia rubricaulis Kl. Tuberosa, acaulis, pubescenti-pilosa; fo- lüs brevi-petiolatis saturate-viridibus oblique cordatis sinuato-lobatis serratis rugosis, basi profunde bilobis, lobis rotundatis imbricatis; petiolis e viridi- purpureis; scapo robusto pubescente rubro foliis pluries longiore, superne dichotomo-cymoso multifloro; bracteis obovatis rubris, margine dentatis deciduis; floribus speciosis, hexapetalis, extus ex albido -rubescentibus, in- tus alutaceis; capsulae rubrae ala maxima oblonga elongata patentim-ad- scendente attenuatim - obtusa. Begonia rubricaulis Hooker, Bot. Magazine, t. 4131. Blattstiele grün, etwas geröthet, stielrund, 3 Zoll lang und von der Dicke eines schwachen Gänsekieles. Blätter dunkelgrün, gerunzelt, zart- pubescirend, schief ei-herzförmig, kurz-zugespitzt, undeutlich wellig- ge- lappt, gewimpert-sägezähnig, die herzförmigen Lappen lang und breit, schindelförmig sich deckend, im Ganzen bis 6 Zoll lang und 4 Zoll breit mit hin und wieder gerötheten Rippen. Schaft fufslang, von der Dicke eines Schwanenkiels, oberwärts fein pubescirend und an der Spitze in eine ziem- lich lange, gabelförmig-getheilte Cyma getheilt, vielblumig. Blüthen um die Hälfte kleiner als in der vorigen Art und die weiblichen, welche ebenfalls kürzer gestielt sind als die männlichen, auch kleiner als diese. Früchte fein pubescirend. Jedenfalls stammt auch diese Art ausPeru. Sie wurde dem Glasgower botanischen Garten, woselbst dieselbe im Jahre 1837 zum ersten Male blü- hete, von Birmingham aus durch Mr. Cammeron ohne jede Bezeichnung mitgetheilt. Diese Art habe ich lebend nicht gesehen. II. Eupetalum Lindley. Introduction no. 11. Gaudichaud, Voyage de laBonite (Botanique) t. 50. absque descriptione. Bafak;iuB. Flores monoici. Masc. Petala 4 per paria opposita aequalia lato-ob- ovata, exteriora subduplo majora ex albido-rubescentia. Stamina numerosa, antherae oblongae utrinque subtruncatae, loculis lateralibus connectivi lati longitudine, filamenta filiformia longa antheris duplo longiora, basi truncato- 52 140 Krorzsch: monadelpha. Flores feminei: Petala 5 supera lato-obovata. Ovarium breve triangulare longe - angusteque alatum triloculare. Placentae centrales bis bifidae, undique (stipite excepto) ovuliferae. Ovula creberrima anatropa. Stylus persistens sexpartitus, lobis trifidis erectis strietis fascia papillosa ter spiraliter torta basi interrupta einctis. Capsula membranacea brevis anguste atque longe trialata, alis inaequalibus ad alarum originem per rimam arcuatam dehiscens. Semina ereberrima minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. Suffrutices tuberosi caulescentes in Peruvia crescentes; foliis petiolatis subaequilateris orbiculatis lobatis inciso-serratis, inferioribus op- positis longe-petiolatis; cymis pedunculatis terminalibus paueifloris ad inflorescentiae ramificationes persistenti-bracteatis; floribus rubescenti-al- bicantibus. 1) Eupetalum petalodes Lindley. Suffruticosum, magnum, cau- lescens, tuberosum, pedale; foliis aequilateris orbieulatis profunde-cordatis infundibuliformi-explanatis acute-5—9 lobis incisis serratis glabris, supra sa- turate-viridibus, subtus purpurascentibus viridi-nervosis, inferioribus oppositis longe-petiolatis; stipulis ovatis serratis; cymis bi-trifloris axillaribus longe- pedunculatis bibracteatis; alis capsulae longis angustissimis inaequilongis patentibus. Eupetalum petalodes Lindley, Introduction edit. II, no. 11. Eupe- talum Lindleyanum Gaudichaud, Voyage de la Bonite (Botanique), t. 50. Begonia petalodes Lindl. in Botanical Register, t. 1757. Begonia Gaudi- chaudi Walpers, Repertorium V, p. 769. Knollen flachgedrückt, 31, Zoll im Durchmesser. Blattstiele aufrecht, gerade, 1,— 3 Zoll lang, die unteren, gegenständigen, stets von ungleicher Länge, auf der Oberfläche gerinnelt. Blätter trichterförmig - ausgebreitet, fast kreisrund, tief gelappt an der Basis mit sich deckenden Rändern, 9-ge- lappt mit eingeschnitten-sägezähnigen Lappen; dunkelgrün auf der Ober- fläche, auf der unteren Seite mit Ausnahme der grünen Rippen, rothgefärbt, 1,— 2%, Zoll im Durchmesser. Trugdoldenstiele achselständig, aufrecht, 2—3blumig, 2—3 Zoll lang. Blüthenstiele zolllang. Die an der Basis der Blüthenstiele befindlichen 2 oder 3 Bracteen länglich, sägezähnig, grün, bleibend. Die Blüthen 8— 10 Linien im Durchmesser. Blumen- blätter weils und mehr oder weniger geröthet, abgerundet, nach innen con- cav, nach aufsen gewölbt. Begoniaceen- Gattungen und Arten. 141 Dieses Knollengewächs stammt aus Peru, woselbst es von Gaudi- chaud aufgefunden wurde, nachdem es bereits im Jahre 1833 in England zur Blüthe gelangt war. 2) Eupetalum Kunthianum Kl.n.sp. Suffruticosum, tuberosum, semipedale; foliis minoribus reniformi-dilatatis explanatis aut subinfundibuli- formibus 4— 5 lobatis, lobis argute-serratis, supra viridibus, subtus purpu- rascentibus; stipulis magnis semiorbiculatis serratis persistentibus; cymis terminalibus pedunculatis 1 — 2 floris; capsulae alis attenuato - acutis gquarum 2 angustioribus. Eupetalum Lindleyanum Herb. Kunthii. Knollen breit, zusammengedrückt, !, Zoll im Durchmesser. Die ganze Pflanze im blühenden Zustande 6 Zoll hoch, gerade, aufrecht, dünn, wenig verzweigt. Blätter kurz-gestielt 4—5lappig, an der Basis nierenförmig-aus- gebogen, Lappen spitz, scharf-sägezähnig, 1 Zoll breit, 4 Zoll lang. Trug- doldenstiele 2—2!, Zoll lang, 1—2blumig. Blüthenstiele 7—9 Linien lang, an der Basis von umfassenden, grofsen, eiförmigen Bracteen gestützt. Die Blüthen geröthet, 7—8 Linien im Durchmesser. Blumenblätter wie bei der vorhergehenden Art. Wächst bei S. Lorenzo und Lima in Peru, wie die Angabe der Ex- emplare im Kunthschen Herbarium besagt. Lebend ist diese Pflanze in Europa noch nicht eingeführt. 3) Eupetalum geraniifoliumKl. Suffruticosum, caulescens, tubero- sum, magnum; foliis longe-petiolatis flabellato-suborbicularibus acute-lobatis, basi aequaliter cordatis, lobis inciso-serratis subplicatis nitidissimis laete - vi- ridibus fusco-rubro-marginatis, subtus concoloribus; petalis forum mascu- lorum 4, 2 exterioribus rotundatis extus saturate-roseis, interioribus obovatis undulatis albis. Begonia geraniifolia Hooker, Botanical Magazine, t. 3387. Stamm 1 Fufs hoch, aufrecht, robust, stumpf-eckig, saftig, von sehr blafsgrüner Farbe, fast durchsichtig, nach oben gabelförmig - verzweigt. Blätter fast kreisrund, scharf spitzig-gelappt, am Rande roth-braun gesägt, 3— 3}; Zoll im Durchmesser. Afterblätter bleibend, grofs und stumpf. Blü- thenstengel 6—8 Zoll lang, von derDicke eines Rabenkiels, grün, 1-2-3 blü- thig. Blüthen !, Zoll lang-gestielt, an der Basis des Stielchens von blei- benden, lanzettförmigen Bracteen gestützt und einen Zoll im Durchmesser. 1423 Krorzsch: Von dem Herrn Mac Lean bei Lima entdeckt und im Jahre 1833 in Glasgow lebend eingeführt. 4) Eupetalum tuberosumK]. Suffruticosum,tuberosum, caulescens, magnum; foliis longe - petiolatis reniformibus brevi-lobatis, lobis grosse- dentatis viridibus, subtus pallidioribus; pedunculis terminalibus gracilibus unifloris; pedicellis pollicaribus; petalis orbiculato-oblongis; capsulae alis subaequalibus patenti-elongatis, apice attenuatis. Begonia tuberosa Herb. Ruizii. Ein fufshohes, sparriges, saftig - fleischiges Gewächs. Blattstiele 11,—2 Zoll lang. Blätter 2—3 Zoll breit und 1,—2 Zoll lang. Blumen- stengel gipfelständig schlank, 3 Zoll lagg. Blüthenstiel 4 Zoll lang, an der Basis von 2—3 länglichen, bleibenden Bracteen gestützt. Blüthen $ Linien im Durchmesser. Die Flügel der häutigen Kapsel fast gleich lang (4 Linien) und (11, Linie) breit. Von Ruiz und Pavon bei Lima und Sn. Juan in Peru gesammelt. Harrt noch der Einführung. II. Barya('‘) Kl. Taf. B. Flores monoici dichotomo-cymosi. Masc. Petala 4 lanceolata acu- minata, per paria opposita aequalia, exteriora latiora, extus sparsim pu- bescentia. Stamina longissima racemoso-monadelpha; antherae parvae ovatae biloculares, loculis infra apicem connectivi prominentis obtusi latera- libus per rimas longitudinales dehiscentibus; filamenta in columnam elonga- tam angustam ab apice usque ad basin racemosim - connata. Flores feminei. Forma et numerus petalorum delapsorum mihi ignota, forsan 5. Ovarium trigonum triloculare monopterum. Ala longissima patenti-adscendens. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali bilamellatis creberrima anatropa. Stylus persistens tripartitus longus, lobis tenuibus profunde bifidis, fascia papillosa quinquies spiraliter torta, basi interrupta cinctis. Capsula membranacea turbinato - triquetra monoptera trilocularis, alis (') Dem Andenken eines jungen, vielversprechenden Botanikers, des Privatdocenten für Naturwissenschaften Herrn Dr. med. Anton de Bary in Tübingen, Verfasser einiger kleinen, botanischen Abhandlungen, die von einer guten Auffassungsgabe zeigen, ge- widmet. Begoniaceen - Gattungen und Arten. 143 2 angustissimis sive obsoletis, ad alarum originem per rimam arcuatam de- hiscens. Semina creberrima minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. Herba perennis elata in montis Peruviae prope Munam obvia. Caule herbaceo 2—3 pedali erecto pubescenti-villoso; foliis longe - petiolatis reni- formi-lobatis, lobo medio majore acuminato; cymis axillaribus peilincnlatie repetito - dichotomis. 1) Barya monadelpha Kl. Caule gracili erecto petiolis pedunculis- que villosulis; foliis reniformi-obliquis quinquelobatis serratis, basi latissimis, lobis brevibus acutis medio productiori acuminato, supra saturate - viridibus sparsim pubescentibus, subtus pallidioribus pubescenti-nervosis; cymis re- petito-dichotomis pedunculatis elongatis densis artieulato-tumidis; petalis longissimis angustis acuminatis, exterioribus sparsim pilosulis. Begonia monadelpha Ruiz. Schlank, wenig verästelt, 2— 3 Fufs hoch, aufrecht. Blätter ent- fernt mit einem aufrechten, 2 Zoll langen Stiele versehen, 3 Zoll lang und 2%, Zoll breit. Allgemeiner Blumenstiel 4—5 Zoll lang, von der Dicke eines Hühnerkiels. Trugdolden 5— 7 mal gegabelt, zusammengedrängt, 5 Zoll lang. Der Kapselflügel aufsteigend lanzettförmig, die obere Seite eine ge- rade Linie bildend, die untere etwas gewölbt, 10 Linien lang und an der Basis 4 Linien breit. Von Ruiz und Pavon bei Muna in Peru entdeckt und eingesammelt. Ist noch nicht in Cultur. 8 CoxTtinvAr. Stylorum rami fascia papillosa continua instructi. IV. Begonia Plumier, Linne. Genera plantarum n. 1156 partim. Daf»lL.iG; Flores monoici. Masc. Petala 4 biserialia inaequalia, exteriora op- posita majora subrotunda, interiora minora obovata. Stamina plurima; fila- menta brevia libera, nunqguam connata; antherae oblongo-lineares, utrinque obtusae, extrorsae, biloculares, loculi lineares discreti connectivi continui obtusi margini adnati longitudinaliter dehiscentes. Fem. Petala 5 supera 144 Krorzscn: subaequalia pluriseriatim imbricata. Ovarium inferum triloculare trigonum, inaequaliter trialatum. Ovyula in placentis e loculorum angulo centrali bila- mellatis creberrima anatropa, lamellis arcuatim-conjunctis in stipitem ex- ovuliferum conjunctis. Stylus persistens glaber, subinde puberulus trifidus, lobis bicornutis plerumque tortuosis, fascia papillosa bis ter spiraliter torta, basi continua, interdum (in B. acuminata Dryander) abbreviata subreni- formi etortuosa cinctis. Capsula turbinato-triquetra membranacea_ tri- locularis inaequaliter trialata ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innummerabilia minutissima oblonga reticulata exal- buminosa. Herbae aut suffrutices succulenti ramosi etuberosi in America tro- pica indigeni; foliis alternis petiolatis, basi oblique - cordatis inaequilateris crenatis dentatis vel mucronato-serratis; stipulis lateralibus membranaceis deeiduis; cymis repetito- aut simplieiter-dichotomis axillaribus peduncula- tis; floribus albis roseis v. rubicundis. a) Stigmata profunde obcordata etortuosa; placentarum lamellis crassis. 1) Begonia acuminata Dryander. Suffruticosa; caule erecto gla- bro subcarnoso ramoso; foliis dimidiato - cordatis longe-acutatis, duplicato acute-serratis undulatis, serraturis setoso-ciliatis,supra sparsim-subtus in nervis petiolisqne dense hirtis; stipulis oblongis acutis scariosis; eymis peduncula- tis paniculatis rubescentibus paucifloris; floribus magnis albidis extus amoene- rubescentibus; bracteis ovatis albidis ciliato-fimbriatis; germinis alis ex al- bido-virescentibus, ala majore adscendente. B. acuminata Dryander, Linnean Society Transactions I, p. 166, t. 14, fig. 5. 6. Ker. in Botanical Register, t. 364. Willd. Spec. plant. IV, p- 417. Hort. Kew. ed. II, p. 284. Bot. Mag. t. 4025. Sprengel, Syst. veget. II, p. 525. B. Hamiltoniana Lehmann in Ed. Otto Neue allgem. deutsche Gartenzeitung VI, p. 456. B. roseo flore, folis acutioribus, auritis et latecrenatis Plumier, Cat. Plant. Am. 20, t.45, fig.3. Tournef. Inst. 660. B. obligua Linne, Spec. pl. 1498. Die Pflanze erreicht eine Höhe von 3—4 Fufs, ist ziemlich verästelt, fleischig-saftig und hin und wieder geröthet. Die Blätter sind schief herz- förmig, lang gespitzt, 2—J3 Zoll lang. Afterblätter hinfällig. Trugdolden Begoniaceen - Gattungen und Arten. 145 3—5blüthig mit einem rothen, achselständigen Stengel versehen, der länger als die Blätter ist. Pflanzt man diese Art während der Sommer-Monate in’s freie Land, was sie in einer geschützten Lage wohl verträgt, so nimmt die Aufsenseite der Blumenblätter eine scharlachrothe Farbe an. Sie wurde schon im Jahre 1790 von Sir Joseph Banks von Jamaica aus in England eingeführt, ist jetzt allgemein verbreitet und blüht vom Mai bis December. 2) Begonia acutifolia Jacquin. Elata, glabra, dichotome-ramosa; foliis remotis dimidiato-cordatis oblique ovatis elongatis attenuato-acutis grosse dentatis, undique petiolisque glabris, supra saturate -subtus pallide- viridibus, in nervis adpresse-pubescendibus, dentibus setoso - serratis; stipulis lanceolatis acuminatis integris glabris, basi dilatatis; eymis pedunculatis axillaribus multifloris; floribus ex albido-rubescentibus; bracteis oblongis cuspidatis incarnatis; germinis alis inaequalibus patentibus. B. acutifolia Jaequin. c. Ein 3—4 Fufs hohes Gewächs mit schlankem, wenig verästeltem, kah- lem, aufrechtem Stengel. Blätter in zolllangen -, unterwärts in 3 Zoll langen Entfernungen, schief-eiförmig, länglich mit verdünnter Spitze und an der Basis herzförmig-ausgebogen, am Rande grob gezähnt und Buchten und Zähne kurzborstig-sägezähnig, 3—4 Zoll lang und 14,—2 Zoll breit. Trugdolden gestielt, achselständig, wiederholt gabelförmig-getheilt, länger als die Blätter. Blüthen kleiner als in der vorhergehenden Art. Wächst an Bächen auf der Insel Portorico. Balbis. Sie wurde durch Jacquin in Wien lebend eingeführt, scheint aber wiederum verloren ge- gangen zu sein. b) Stigmata bieruria, cruribus bis-ter spiraliter tortis, placentarum lamellis tenuibus. * Cyma repetito-dichotoma dilatata, bracteis integerrimis. 3) Begonia nitida Dryander. Fruticosa, alata; foliis oblique ovatis acutis, obsolete crenatis nitidis; stipulis oblongis cuspidatis carinatis; cymis divaricatis repetito - dichotomis pedunculatis in apice ramorum axillaribus; floribus magnis amoene-roseis cernuis; capsulae ala maxima late ovata. Degonia nitida Dryander in Linnean Society Transactions, v. I, p- 159. Salisbury, Parad. Lond. t. 72. Begonia obligua L’Herit Stirp. Nov. p. 9. Phys. Kl. 1854. T 146 Kıorzsch: Stamm 4—5 Fufs hoch, unterwärts verholzt, oberwärts fleischig- saf- tig, ungemein glatt und wie die Unterseite der Blätter glänzend. Blätter schief-herzförmig, saftig, 4—5 Zoll lang und 2,—3 Zoll breit. Blattstiel 1 Zoll lang, stielrund. Afterblätter grofs, hinfällig, häutig, länglich, weich- stachelspitzig und auf dem Rücken gekielt. Der Stiel, der wiederholt-ge- gabelten Cyma achselständig, geröthet. Bracteen halbumfassend, eiförmig, aufrecht, von rother Farbe, unterhalb der Gabelverzweigungen und Blüthen gegenständig. Blumen grofs, geröthet. Diese Begonia stammt aus Jamaica und wird schon seit dem Jahre 1777 in Kew bei London gezogen. 4) begonia suaeeolens Haw. Caule fruticoso, erecto ; foliis oblique semicordatis transverse - acutis aut acuminatis nitidis hirtis scabriusculis; ey- mis dichotomis dilatatis longe pedunculatis axillaribus; floribus candidis; alis capsularum subaequalibus. B. suaveolens Haworth in Loddiges Botanical Cabinet, t.69. Paxton, Magazine of Botany IV, 123. B. humilis Bot. Reg. t. 284. B.disticha Hort. Berol. nec Link. Ein 4—5 Fufs hoher, wenig verästelter, fleischig-krautartiger Strauch. Blätter denen der vorigen Art ähnlich, ebenfalls glänzend, aber hin und wider, namentlich gegen den Rand hin zerstreut -steifharig. Afterblätter häutig, grofs, länglich, abgerundet, weichstachelspitzig und auf dem Rücken gekielt. Afterdolden wiederholt langgegabelt, aufrecht, lang und schlank - gestielt, achselständig. Bracteen weils. Fruchtflügel abgerundet, fast gleich breit. Wächst auf den westindischen Inseln. 5) begonia stipulacea W illd. Fruticosa, erecta; ramis subangulatis ; foliis oblique semicordatis acutis erenulatis glabris, subtus in nervis petiolis- que strigoso-hirtis; cymis longe-pedunculatis axillaribus distichis; stipulis ovatis integerrimis rotundatis breve- mucronatis; eapsulae alis inaequalibus, apice truncatis. B. stipulacea Willd., Spec. plant. IV, p.414. Willd. Herb. n. 17566. B. angularis Raddi Mss. ex Sprengel, Syst. veg. II, p. 625. B. disticha Link, Enum, plant. Hort. Berol. II, p. 396. Ein 4—5 Fufs hoher, verästelter, fleischig-krautartiger Strauch. Blät- ter denen der beiden vorhergehenden Arten in Form und Gröfse sehr ähnlich, - Begoniaceen-Gattungen und Arten. 147 jedoch deutlicher erenulirt und an den Nerven der Unterfläche und des Blatt- stiels mit Striegelharen bekleidet. Afterblättchen grofs, länglich, abgerundet und kurz stachelspitzig. Trugdolden wiederholt-gegabelt, dürftig, lang- gestreckt. Blumenstengel lang, dünn, gerade, aufrecht, achselständig, kahl. Blüthen mittelmäfsig-grofs, weils. Kapselflügel ungleich, an der Spitze abgestuzt. Wild in Brasilien, in unseren Gewächshäusern ziemlich verbreitet. 6) Begonia odorata Willd. Fruticosa, sublignosa, erecta; folüis obliquis semicordatis, transverse-ovalis acuminatis angulato- dentatis gla- berrimis, supra laete-viridibus, subtus pallidis prominente-nervosis; stipulis magnis oyalibus acuminatis deeiduis; pedunculis axillaribus erectis strictis; cymis repetito-dichotomis expansis paucifloris; petalis angustis; capsularum alis inaequalibus, apice truncatis. B. odorata Willd., Enum. plant. Suppl., p. 64. Herb. Willd. n. 17573. Stamm schlank, verholzt, 3—4 Fufs hoch, wenig verästelt, ober- wärts grün und krautartig, kahl. Blätter abstehend, schief, ungleich herz- förmig, quer-eiförmig, feingespitzt, am Rande eckig, gezahnt, unterhalb weifslich- grün mit stark hervortretenden Nerven, 3—4 Zoll lang und 14,—2 Zoll breit. Trugdolden sparrig-gegabelt, sparsamblüthig, achselständig mit einem aufrechten, geraden, 3—4 Zoll langen Stengel. Blumen etwas ge- röthet, später weils, verhältnifsmäfsig klein. Wild auf den westindischen Inseln. ** Cyma simpliciter dichotoma aut racemus pauciflorus ; bracteis ciliato - fimbriatis. 7) Begonia cucullata Willd. Caule suffruticoso rubescente-carnoso glabro; foliis oblique ovatis obtusis ciliolato-erenulatis glabris; stipulis maxi- mis spatulatis; peduneulis axillaribus simpliciter dichotomis paucifloris eiliato- bracteatis; capsulae alis duabus angustioribus rotundatis, tertia majore acutangula. B. cuceullata Willd., Spec. pl. IV, p. 624. B. spatulata Haw., Plant. succ. Suppl. 100. Lodd., Bot. Cabinet, t. 107. B. nervosa Desf. Mss. Stamm fleischig- saftig, wenig verästelt, 3—4 Fufs hoch, kahl, glatt. Blätter schief-eiförmig, abgerundet, am Rande borstig-anliegend-sägezähnig, 2, Zoll lang und 1%, Zoll breit. Afterblättchen breit spathelförmig, gewimpert, iD. 148 Krorzsch: grün, von ziemlicher Dauer. Die einfach gegabelten, armblüthigen Trug- dolden achselständig, 1—2 Zoll lang gestielt. Bracteen weils, verkehrt- eiförmig, gewimpert. Blumen weils, selten etwas fleischfarben - geröthet. Der grofse Kapselflügel aufsteigend - gespitzt. Wächst in Brasilien wild und wurde durch den verstorbenen Sieber eingeführt. 3) Begonia semperflorens Link et Otto. Caule suffruticoso vire- scente carnoso glabro; foliis oblique leviter cordatis ovatis acutiusculis erenatis, inter crenas apiculatis glaberrimis; stipulis ovatis acutiusculis ciliolatis, inferio- ribus scariosis; pedunculis axillaribus simplieiter dichotomis pauecifloris; bracteis pallide-incarnatis amplexicaulibus ovatis ciliatis; petalis forum masculorum duplo majoribus quam in floribus Begoniae eucullatae;, capsulae alis duabus angustioribus rotundatis, tertia majore adscendente-acutangula. B..semperflorens Link et Otto, Icones plant. rar., v.I, p.9, t.5. Lodd., Bot. Cabinet, t. 1439. Reichenbach, Hort. bot., t. 23. Der Stamm ist 1,—2 Fufs hoch, aufrecht, ästig. Blätter eiförmig, stumpflicht, an der Basis schief- herzförmig, 3 Zoll lang und 2% Zoll breit mit einem schmalen knorpligen Rande und kleinen weichen Spitzen in den Kerben. Die Afterblättchen sind 8 Linien lang und 6 Linien breit, nur die obersten grün, die anderen alle vertrocknet, am Rande gewimpert. Die männlichen Blüthen noch einmal so grofs als die der B. cucullata. Sie wurde zuerst in dem Berliner botanischen Garten aus Erde gezo- gen in der der verstorbene Sello aus Puerto Alegretto im südlichen Brasilien Pflanzen geschickt hatte. 9. Begonia Sellowü Kl. Caule herbaceo elato gracile rubescente glaberrimo;; foliis oblique ovatis acutis vix cordatis planis apiculatis, minute serratis subeiliatis; petiolis e viridi rubescentibus; stipulis ovatis acutis ci- liolatis; peduneulis terminalibus axillaribusque simplieiter dichotomis pauci- floris; floribus magnis ex albido incarnatis; capsulae alis valde inaequalibus, maxima adscendente obtusa. B. Sellowü et B. setaria Hort. Anglic. B. semperflorens Bot. Mag. t. 2920. Stamm aufrecht, fleischig, unverästelt, glatt, kahl, roth-grün, sehr hoch. Blätter kreisrund - eiförmig, kurz und fein gespitzt, an der Basis un- deutlich herzförmig ausgerandet, sehr fein sägezähnig-gewimpert, 2—3 Zoll Begoniaceen-Gattungen und Arten. 149 lang und breit. Blattstiele lang, geröthet. Afterblättchen eiförmig-länglich, gewimpert; Blumenstengel end- oder achselständig. Blumen weifslich ins Fleischfarbene übergehend. Kapselflügel ungleich, grün, am Rande geröthet, der gröfste aufsteigend - stumpf. Wild in Brasilien, durch Herrn Chamberlayne im Jahre 1828 im Liverpooler botanischen Garten eingeführt. 10) begonia ciliata Humb., Bonpl., Kth. Pilosiuscula; caule herbaceo adscendente ramoso; foliis longe petiolatis inaequaliter - ovatis acutis semicordatis grosse duplicato-serratis reticulato-nervosis ciliatis, pe- dunculis axillaribus folio brevioribus paucifloris; floribus albidis parvis; alis capsularum inaequalibus rotundatis. B. ciliata Humb. B. Kth., Nova genera et species VII, p. 178. Ein krautartiges, aufrechtes, 9 Zoll hohes, verästeltes, sparsam - be- haartes Gewächs, das sich namentlich durch eine zartere Textur, zugespitz- tere Blätter eine geringere Anzahl von Staubgefäfsen, schmalere Blumenblätter von der nächstfolgenden Art unterscheidet. Der verstorbene Kunth be- schreibt an dem oben citirten Orte die männliche Blüthe als zweiblättrig, authentische Exemplare im Willdenow’schen Herbar zeigen jedoch aufser den zwei äufsern breiteren auch noch die zwei inneren schmaleren Blumenblätter. Wächst bei Santanna in Neu-Granada. Ist nicht in Kultur. 11) Begonia eillosaLindl. Erecta, succulenta, subtilissime villosa; caule vix ramoso patentim-piloso crassiusculo; foliis semicordatis obsolete duplicato - dentatis subobtusis sparsim pilosis; petiolis erectis villosis, apice rubiceundis; stipulis adpressis parvis oblique ovatis subacutis; pedunculis paueifloris axillaribus pilosis; floribus parvis albidis; capsulae ala majore adscendente - rotundato. B. villosa Lindl., Bot. Reg., t. 1253. Stamm aufrecht, dick und saftig, 2 Fufs hoch, unterwärts kahl, sehr selten verästelt. Afterblättchen trocken-häutig, klein. Blätter ungleich herzförmig, 2,—3 Zoll lang und 1—2 Zoll breit. Blumenstengel sparsam zottig, 1 Zoll lang, stielrund. Kapseln gelbgrün, ungleich geflügelt, der gröfsere Flügel aufsteigend - gerundet. Wiächst in Brasilien und wird in England kultivirt. 12) Begonia hirtella Link. Annua, erecta, ramosa; caule villoso; petiolis villosissimis erectis; stipulis denticulato-ciliatis; folis ovato - sub- 150 Krorzsca: rotundis oblique cordatis subangulatis obsolete-crenatis; capsularum alis ob- tusiusculis, unica multo majore, apice adscendente-truncata. B. hirtella Link, Enum. pl. Hort. Berol. IH, p. 396. Ein 3 Fufs hohes jähriges Gewächs. Blattstiele 1—2 Zoll lang, ober- wärts stark-zottig. Blätter 1,—2% Zoll lang und 1,—2 Zoll breit. Blu- menstiele achselständig, 1 Zoll lang. Der grofse Flügel der reifen Frucht 8 Linien lang und 5 Linien breit. Wächst in der Umgebung von Rio de Janeiro in Brasilien. Wird kultivirt, ist aber nicht schön. 13) Begonia patula Haw. Caule subcarnoso elato erecto glabro aut sparsim piloso; foliis oblique cordatis brevi-acutis subangulatis grosse- dentatis serratis sparsim pubescentibus; stipulis lanceolatis cilato-pilosis; cymis longe pedunculatis simplieiter dichotomis paueifloris; floribus ma- joribus subroseis; capsulae alis duabus angustis rotundatis, tertia maxima acutangula. B. patula Haworth, Plant. succ. Suppl., p. 100. B. pauciflora Lindl., Bot. Reg., t. 471. Ein schlankes, verästeltes, aufrechtes, 3 Fufs hohes, krautartiges Ge- wächs. Blattstiele oberwärts 4, Zoll lang, unterwärts 2 Zoll lang, sparsam be- haart. Blätter 2—2!, Zoll lang, 1—1%; Zoll breit. Blüthenstengel 2 Zoll lang, sparsam behaart. Blüthen grofs, schwach rosafarben. Wächst in Brasilien, von woher ich Exemplare, von Sello gesam- melt, untersucht habe. Es ist hiernach Westindien, das von Haworth und Lindley als Vaterland dieser Art genannt wird, zu rectifieiren. Ist in Kultur. 14) Begonia populifolia Humb., Bonpl., Kth. Caule erecto brevi-ramoso hirtello; foliis inaequilatero-reniformibus obsolete - lobatis serratis 9 nerviis, subtus ferrugineo-nervosis, hirtellis, supra sparsim hirtis; pedunculis axillaribus simpliciter dichotomis paucifloris; bracteis obovatis acutis pectinato-ciliatis; floribus parvis albidis; capsulae basi attenuatae ala maxima adscendente attenuata. B. populifolia Humb., Bonpl., Kth., Noya gen. et spec. pl. VI, p- 165, t. 643. Liebmann, 1. c., p. 16, n. 20. Ein schlankes 2—3 Fufs hohes, krautartiges Gewächs. Afterblättchen trocken, häutig, ei-lanzettförmig, gewimpert, ungleich, 2—3 Linien lang. Begoniaceen - Gatlungen und Arten. 151 Blattstiele $—-15 Linien lang, braun, pubescirend, Blätter 1 Zoll lang und 2 Zoll breit. Trugdoldenstiele 1—1', Zoll lang. Blumen klein, weils. Wächst in Mexico. Nicht in Kultur. 15) begonia Tovarensıs Kl. Erecta; caule carnoso leviter sulcato sparsim hirto; foliis oblique renifornibus reflexo -verticalibus grosse dentato- angulatis crenato- mucronatis undique sparsim hirsutis longe-petiolatis; pe- tiolis rubris, supra suleatis evanescente villosis; stipulis lanceolatis acuminatis pectinato-ciliatis; eymis axillaribus pedunculatis simplieiter dichotomis hirtis pedicellisque dilute -rubris; floribus subcarneo - albidis congestis ciliato- bracteatis; germinibus alisque albidis deinde viridibus, capsulae ala maxima erecta obtusa. Ein 3—4 Fufs hoher Halbstrauch von der Dicke eines kleinen Fingers im Stamme. Blattstiele 1,—3 Zoll lang. Blätter 2—3 Zoll lang und 11,—2 Zoll breit. Trugdoldenstiele 1‘, Zoll lang. Die äufseren Blumenblätter der männlichen Blüthe !, Zoll lang und 5 Linien breit. Wächst in Venezuela und wurde zuerst von Moschkowitz und Siegling in Erfurt aus Samen gezogen, den Wagener eingeschickt hatte. 16) Degonia Moritziana Kl. Herbacea, erecta, ramosa, articu- lato-hirta ; foliis longe et villoso-petiolatis oblique cordato-reniformibus in- aequilateris leviter erenatis 5—b nerviis, supra hirtellis saturate viridibus, subtus pallidis fusco - nervoso -pubescentibus; stipulis aridis oblongis subacu- tis longe ciliatis; cymis simplieiter dichotomis villosis paucifloris; floribus roseis parvis; bracteis late- ovatis longe ciliatis; ala maxima patente, apice obtuso adscendente. B. Tovarensis Moritz in lit. Ein 2—4 Fuls hohes, krautartiges Gewächs. Blattstiele ,— 1%, Zoll lang, zottig-behaart. Blätter —1 Zoll lang und 1—13, Zoll breit. Trug- doldenstiele achselständig, 1—1!, Zoll lang. Bracteen klein, aber von langer Dauer. Herr Moritz entdeckte diese Art auf der deutschen Colonie Tovar bei Caracas an Waldrändern. 17) Begonia setosa Kl. Herbacea, erecta, ramosa; caule sul- cato rubescente ramisque patentim - setosis; foliis oblique reniformibus brevi-acutis, basi leviter semicordatis dentato-setosis, laete- viridibus, supra sparsim hirtis, subtus hirsuto -nervosis; petiolis longis hirto - setosis; 152 Krorzsca.: stipulis aridis obtusis longe-ciliatis; pedunculis axillaribus hirto - villosis apice simplieiter dichotomis paucifloris; floribus subcarneis; ala maxima adscendente-truncata. Ein 2—3 Fufs hohes, wenig verzweigtes, krautartiges, dicht mit weichen, abstehenden, gegliederten Borsten bekleidetes Gewächs. Blatt- stiele 4,—11, Zoll lang, abstehend, weichborstig. Afterblättchen trocken- häutig, 14, Linien lang. Blätter 3—1 Zoll lang, 1—2 Zoll breit. Trug- doldenstiele zotiig, 1 Zoll bis 15 Linien lang. Blüthen 9 Linien im Durch- messer. Gröfster Fruchtflügel 6 Linien lang, aufsteigend, stumpf und 3 Linien breit. Von Sello in Brasilien entdeckt. Nicht in Kultur. 18) Begonia subeillosa Kl. Herbacea, erecta, villosa; caule car- noso -succulento subcrasso, inferne evanescente-superne dense villoso; foliis obliquis subrenifornibus subacutis grosse crenato - dentatis, dentibus ciliato- serratis, supra laete viridibus sparsim hirtellis, subtus pallidis sparsim pu- bescente - villosis; petiolis villosis; stipulis late - ovalibus; ceymis longe- pedunculatis; pedunculis evanescente hirtellis; floribus subcarneis; ala maxima acutangula. Ein 2—3 Fufs hohes, wenig’verzweigtes, zottig-behaartes Gewächs. Blattstiele diek, 1—2 Zoll lang. Blätter 15 Linien bis 2, Zoll lang und 21 — 3} Zoll breit. Trugdoldenstiele 3 Zoll lang, fast kahl. Gröfster Fruchtflügel 7 Linien hoch und 6 Linien breit. Von Sello in Brasilien entdeckt. Nicht in Kultur. 19) Begonia vellerea Kl. Herbacea, erecta, ramosa; caule ramis- que versus apicem dense villosis; foliis semicordatis transverse ovatis obtusis concavis crenato - dentatis, dentibus apiculatis, supra saturate - viridibus sparsim pubescentibus, subtus albido-viridibus hirtello-nervosis; petiolis longis villosis; stipulis oblongis obtusis longe ciliatis, dorso pilosis; cymis axillaribus paucifloris tenui - pedunculatis pedicellisque hirtis; floribus car- neis; bracteis oblongis attenuatis inciso- ciliatis; ala maxima angusta adscen- dente obtusa. Ein schlankes, verästeltes, krautartiges Gewächs von 1,—2Fufs Höhe. Blätter 1—1!, Zoll lang und 1,—2!; Zoll breit. Blattstiele zottig-behaart, 1,— 2, Zoll lang. Afterblättchen 3 Linien lang und 1, Linie breit. Trug- doldenstiele 1,— 2 Zoll lang. Blüthen- und Fruchtstiele — 1 Zoll lang. z Begoniaceen - Gattungen und Arten. 153 Männliche Blüthen 1 Zoll-, weibliche Blüthen 1, Zoll im Durchmesser. Gröfster Fruchtflügel 4 Linien lang und !, Zoll breit. Auf der Serra de Estrella in Brasilien von Sello entdeckt. Nicht in Kultur. 20) Begonia Pohliana Kl. Suffruticosa, elata, ramosa; caule erecto inferne lignoso ramisque leviter striato evanescente puberulo; folis oblique semicordatis transverse-ovatis acutis, margine late-dentato -ciliatis sparsim grosse dentato-angulatis concavis, supra brevi-hirtellis saturate viri- dibus, subtus pallidis fusco-nervoso-pubescentibus; petiolis brevibus hirtis; stipulis ovato-acuminatis eiliatis; cymis axillaribus simplieiter dichotomis paucifloris evanescente- puberulo-pedunculatis; floribus saturate roseis, ala maxima apice adscendente attenuata acuta. Herb. Musei Palat. Vindeb. no. 1832. Ein 3—4 Fufs hoher, verzweigter, unterhalb verholzter Halbstrauch. Blätter 1 Zoll lang und 2 Zoll breit. Blattstiele 8 Linien lang. Trugdolden- stiele 16— 17 Linien lang. DBlumenblätter 5 Linien lang und 4 Linien breit. Gröfster Fruchtflügel 6 Linien hoch und an der Spitze 5 Li- nien breit. In Brasilien von Pohl und Sello entdeckt. Nicht in Kultur. 21) Begonia malvacea Kl. Herbacea, erecta, gracilis; caule simplice villosulo; foliis subrotundis profunde-cordatis leviter grosse cre- nato-serratis, serraturis apiculatis, supra saturate viridibus sparsim breve hirtellis, subtus pallidioribus glabris; petiolis brevibus hirtis; stipulis ovato- lanceolaüs; cymis simplieiter dichotomis pedunculatis paucifloris; pedun- eulis axillaribus pedicellisque evanescente hirtellis; floribus parvis roseis; ala maxima apice adscendente primum acuta deinde obtusiuscula. Ein 2 Fufs hohes, schlankes, krautartiges Gewächs. Blätter 1 Zoll lang und 1", Zoll breit. Blattstiel 4 —1 Zoll lang. Afterblättchen 3 — 4 Linien lang und 21, Linien breit. Trugdoldenstiele 1— 11, Zoll lang. Gröfster Fruchtflügel breit, stumpflig und nach oben geneigt. In Brasilien von Sello entdeckt. Nicht in Kultur. 22) Begonia pareıfolia Kl. Suffruticosa, erecta; caule brevi ra- moso glabro, apice puberulo-hirtello; foliis subobliquis semicordatis brevi- acutis reniformibus, margine inaequaliter apiculato-dentatis, supra saturate- viridibus sparsim hirtellis, subtus pallidis hirsuto-nervosis; petiolis pubescen- Phys. Kl. 1854. U 154 Kıorzsch: tibus; eymis simplieiter ac breviter diehotomis paucifloris pubescente pedun- culatis axillaribus; floribus roseis; bracteis ovatis acutis ciliatis; ala maxima inferne attenuata, apice adscendente et oblique-truncata. Ein 1!, Fufs hoher, kurzverzweigter, schwindend - pubescirender Halbstrauch mit 15,—2 Zoll langen, abstehenden Zweigen. Blätter I— 14 Linien lang und 9—15 Linien breit. Blattstiele 3—7 Linien lang. After- blättchen 2 Linien lang und 1, Linie breit. Trugdoldenstiele %, Zoll lang. Gröfster Fruchtflügel S Linien hoch und oberwärts 6 Linien breit. In Brasilien von Sello entdeckt. Nicht in Kultur. 23) Begonia Brasiliensis Kl. Herbacea, gracilis, erecta; caule ramoso hirtello, apice hirto; foliis oblique et profunde -cordatis transverse- ovatis acutis apiculato - dentatis leviter angulato-lobatis, supra saturate - viri- dibus sparsim hirtellis, subtus hirtello-nervosis; petiolis longissimis erectis sparsim villosis; stipulis oblongis obtusis ciliatis; eymis simplieiter dicho- tomis pubescente-pedunculatis paucifloris; floribus roseis; ala maxima in- ferne attenuata erecta, superne longe producta. Eine krautartige, schlanke, einfach-verästelte, 2 Fufs hohe Pflanze. Blätter vom Blattstiele in einer geraden Linie gemessen 15 Linien, queer ge- messen 2—3 Zoll. Blattstiele —3 Zoll lang. Trugdoldenstiele 1 Zoll lang. Blumen klein. Gröfster Fruchtflügel schmal, 7 Linien breit. Von Sello am Rio dos Pedras in Brasilien entdeckt. Nicht in Kultur. 24) Begonia macroptera Kl. Herbacea, erecta, tenuis, evanescente hirta; caule tenui hirtello brevissime ramoso; foliis oblique semicordatis aurito-ovatis acutis obsolete angulato-lobatis irregulariter apiculato-dentatis, supra saturate viridibus hirtellis, subtus pallidis albido-punctulatis pubescente- nervosis; petiolis hirtis; stipulis ovato-lanceolatis acuminatis longe ciliatis; cymis in apice ramorum axillaribus pedunculatis simpliciter dichotomis; pe- dunculis hirtellis; bracteis parvis ovatis acuminatis longe ciliatis; floribus roseis; capsulis basi attenuatis; ala maxima adscendente late sigmoidea acutiuscula. Ein schlankes, kurz verästeltes, 1,—1 Fufs hohes Gewächs mit sehr dünnem, rabenkieldickem, gerieftem, schwindend- pubescirendem, kraut- artigem Stengel. Blätter schief, geöhrt, bis 16 Linien lang und 14 Linien breit. Blattstiele 3—12 Linien lang. Afterblättchen 2%, Linien lang und 1, Linie breit. Trugdoldenstiele 1—1', Zoll lang. Blumen klein. Gröfster Begoniaceen- Gattungen und Arten. 155 Fruchtflügel von der Basis bis zur Spitze gemessen 15 Linien und vom oberen Fruchtrande bis zur Spitze gemessen ', Zoll. Von Gaudichaud in der Umgebung von Rio de Janeiro in Brasilien entdeckt und unter no. 1068 mitgetheilt. Nicht in Kultur. 25) Begonia elata Kl. Herbacea, erecta; caule tereti vix ramoso, evanescente sparsim piloso; foliis profunde-cordatis transverse ovatis acutis obsolete angulato-lobatis apiculato-dentato-serratis, supra glaberrimis, subtus purpurascentibus albido -punctulatis sparsim piloso-nervosis; petiolis longis hirtellis; stipulis ovato-oblongis acutis longe ciliatis; cymis simplieiter dichotomis in apice ramorum axillaribus brevi pedunculatis; pedunculis evanescente pilosis; floribus roseis; ala maxima sigmoidea obtusata. Stamm krautartig, schlank, aufrecht, 2— 3 Fufs hoch, schwindend- behaart, mit kriechendem, sehr dünnem Wurzelstock. Blätter 9—14 Linien lang und 1 — 2% Zoll breit. Blattstiele ,— 1% Zoll lang. Afterblättchen 5 Linien lang und 1!, Linie breit. Trugdoldenstiele bis 1 Zoll lang. Blumen klein. Gröfster Fruchtflügel von der Basis bis zur Spitze gemessen 15 Linien und vom oberen Fruchtrande bis zur Spitze gemessen 7 Linien lang. Von Sello in Brasilien entdeckt. Nicht in Kultur. 26) Begonia uliginosa Schott. Herbacea, erecta; caule tereti brevi-ramoso striato evanescente-pubescente; foliis profunde-cordatis trans- verse ovatis acutis grosse dentatis, dentibus apiculato-serratis, supra saturate viridibus glaberrimis, subtus pallidis sparsim piloso-nervosis; petiolis eva- nescente pubescentidus; stipulis parvis oblongis acutis longe-ciliatis; cymis simplieiter diehotomis axillaribus terminalibusque pedunculatis; pedunculis pubescentibus; floribus albidis; bracteis brevibus ovatis obtusis ciliatis; ala maxima lata, apice truncata. Ein kurz verästeltes, krautartiges, 2—3 Fufs hohes Gewächs. Blätter 10— 22 Linien lang und 1—3 Zoll breit. Blattstiele „—2 Zoll lang. After- blätter 3 Linien lang und 1 Linie breit. Trugdoldenstiele 1—1', Zoll lang. Gröfster Fruchtflügel von der gerundeten Basis bis zur Spitze gemessen 1 Zoll und vom oberen Fruchtrande bis zur Spitze 5 Linien. In Brasilien vom Gartendirector Schott in Schönbrunn entdeckt. Nicht in Kultur. 27) Begonia Ermani Kl. Herbacea, erecta, ramosa; caule sul- cato eyanescente villosulo; foliis parvis oblique reniformibus concayis acutis U2 156 Kıorzsch: inaequaliter grosse-minuteque dentatis, supra saturate-viridibus hirtellis, sub- tus pallidis albido-punctatis rufescente hirtis quinque-nervosis; petiolis bre- vibus ferrugineo-pubescentibus; stipulis ovato-lanceolatis acutis ciliatis; cymis simplieiter dichotomis paueifloris axillaribus terminalibusque eva- nescente villoso-pedunculatis; floribus parvis ex albido-roseis; bracteis brevibus oblongis obtusis eiliatis; ala maxima obtusangula, inferne ro- tundata. Ein krautartiges, fufshohes, verästeltes Gewächs mit gerieftem, schwindend zottig- behaartem Stengel. Blätter Zoll lang und 1 Zoll breit. Blattstiele 3—4 Linien lang. Afterblättchen 2 Linien lang und 11, Linie breit. Trugdoldenstiele 1—1%, Zoll lang. Gröfster Fruchtflügel von der gerundeten Basis bis zur Spitze gemessen 9 Linien und vom oberen Fruchtrande bis zur Spitze 5 Linien. In der Umgebung von Rio de Janeiro durch Professor Erman ent- deckt. Nicht in Kultur. 28) Begonia Porteriana Fischer, Meyer et Lallem. Annua, erecta; caule glabro semipellucido-suceulento; foliis semicordatis oblique ovatis acutis aut subacuminatis subangulatis duplicato- et muricato-dentatis, supra laete-viridibus roseo-setosis, subtus pallidis glabris; petiolis rubro- hirtellis; stipulis ovato-acuminatis parce ciliatis; eymis simplieiter di-tricho- tomis axillaribus pedunculatis multifloris; pedunculis erectis glaberrimis; bracteis parvis ovatis, apice ciliatis; floribus parvis albidis; alis capsularum viridibus rotundatis unica majore apice latiore rotundata. B. Porteriana Fischer, Meyer et Lallemand, Index hort. bot. Petropol. VII, p. 51. Stamm jährig, wenig verästelt, durchscheinend-saftig, 1—2Fufs hoch. Blätter 4 — 1 Zoll lang, 2—3 Zoll breit. Blattstiele ,—2 Zoll lang mit rothen getheilten Haaren bekleidet. Afterblättchen 2!, Linie lang und 1 Li- nie breit. Trugdoldenstiele dünn, 15—2 Zoll lang. Gröfster Fruchtflügel von der ausgerundeten Basis bis zur abgerundeten Spitze gemessen 5 Linien und vom oberen Fruchtrande bis zur abgerundeten Spitze 2 Linien. Von dem Petersburger botanischen Garten aus Samen gezogen, den derselbe aus Para in Brasilien empfing. Jetzt ziemlich verbreitet. 29) Begonia Franconis Liebm. Annua, pubescens; caule erecto flexuoso; internodis foliis suis brevioribus; foliis longe petiolatis semicor- Begoniaceen-Gatlungen und Arten. 157 datis acutis irregulariter crenatis ciliatis, basi oblique truncatis septemner- viis, utrinque pubescentibus laete viridibus, petiolo laminam subaequante v. superante; stipulis scariosis pallidis ovatis puberulis ciliatis; cymis pauei- floris axillaribus pedunculatis; peduneulis pubescentibus; floribus parvis albidis, masculis extus puberulis; ovario pilosulo mox glabrescente; cap- sula utrinque rotundata nitida, alis duabus majoribus rotundatis, tertia angustiore. B. Franconis Liebmann, Mexicos og Central- Americas Begonier, p- 26, no. 42. Blätter 1,—2 Zoll breit und 1—1!, Zoll lang. Blattstiele 1—1?, Zoll lang. Trugdoldenstiele 5 Zoll lang. Kapseln 5 Zoll lang und 5— 6 Li- nien breit. Professor Liebmann in Copenhagen entdeckte diese Art in Mexico im Departement Oajaca. Sie blühet im Juli und August, ist jedoch nicht in Kultur. 30) Begonia modesta Liebm. Annua, gracilis; caule succulento hyalino erecto puberulo, internodiis foliis suis brevioribus; foliis longe pe- tiolatis semicordatis acutis, basi rotundatis irregulariter crenatis, crenaturis latis apiculatis ciliolatis 7 —9 nerviis, utrinque laete-viridibus pellucidis, supra nitidis pilis flaceidis raris adpressis, subtus glabris nitidis; petiolo la- mina breviore v. cam subaequante puberulo; stipulis minimis pallidis lan- ceolatis acutis; cymis peduneulatis axillaribus paucifloris; peduneulis pedicellisque puberulis; floribus parvis albis; capsula utrinque rotundata, alis hyalinis tenue-membranaceis rotundatis, una majori, duabus aequalibus parum angustioribus. B. modesta Liebmann, Mexicos og Central- Americas Begonier, p- 20, n. 41. Die ganze Pflanze ist 4,—1 Fufs hoch. Die Blätter 1—1!, Zoll hoch und 1—2 Zoll breit. Die Blattstiele 1—1?, Zoll lang. Die Trugdolden- stiele 7—12 Linien lang. Die Blüthenstielchen fadenförmig, 2—3 Linien lang. Die Kapsel 5 Linien lang und 4 Linien breit. Vom Professor Liebmann im Departement Vera Cruz in Mexico ent- deckt. Blüht im März. Nicht in Kultur. 31) Begonia humilis Dryander. Annua; caule pubescente; foliis semicorda'is oblique oblongo-ovatis ad marginem superiorem grosse-dentatis, [ 158 Kıorzsch: dentibus duplicato-serratis ciliatis laete viridibus, supra sparsim hirtellis, subtus glabris; petiolis remote-hirtellis; stipulis scariosis oblongis acutis eiliatis; cymis simplieiter dichotomis axillaribus paucifloris; pedunculis pe- dicellisque erectis glaberrimis; bracteis minutis ovatis ciliatis; floribus parvis albidis; capsulis viridibus trialatis; alis rotundatis, tertia majori. B. humilis Dryander, Linnean Society Transactions I, p. 166, t. 15. Bonpland, Jard. de Malmais, t. 62. net, t. 69. Loddiges, Bot. Cabi- Ein 3—8 Zoll hohes, jähriges Pflänzchen. Blätter 5—15 Linien lang und 1—3Zoll breit. Blattstiele ,—11, Zoll lang. Afterblättchen 3Linien lang und 4 Linie breit. Trugdoldenstiele 15—20 Linien lang. Kapseln 3 Linien hoch und 4 Linien breit. Ist auf der westindischen Insel Trinidad zu Hause und gehört zu den frühesten Einführungen der Begonien in der Kultur. Species exclusae. B. aculeata Walpers = Gaerdtia argentea Kl. B. albo-coccinea Hook. = Mitscherlichia albo- coccinea Kl. B. argentea van Houtte = Gaerdtia argentea Kl. B. argyrostigma Fisch. = Gaerdtia maculata Ki, B. asarifolia Liebm. = Gireoudia hydrocotyli- Jolia Kl. B. aucubaefolia Hort. = Knesebeckia aucubae- folia Kl. B.auriformisHort.Berol.=Rachia auriformis Kl. B. BalmisianaRuiz=Knesebeckia Balmisianaßkl. B.Barkeri Knowels et Weste = GireoudiaBarkeri Kl. B. bulbifera Lk. = Knesebeckia bulbifera Kl. B. caffra Meissn. = Augustia caffra Rl. B . cardiocarpa Liebm. = Gireoudia cardiocar- pa Kl. B. caroliniaefolia Regel=Gireoudia caroliniae- Jolia Kl. B.carpinifolia Liebm.=Gireoudia carpinifoliakl. B. Cathcardii H.F. et T. = Platycentrum Cath- cardii Kl. . coccinea Herb. Ruizii = Casparya coccineaKl. . coccinea Hook. = Pritzelia coccinea Kl. . columnaris Benth. = Sassea columnaris Kl. . columnaris Herb. Ruizii = Casparya colum- naris Kl. N wu wu by B.conchaefolia Dietr.—= Gireoudia conchaefolia Kl. B. coriacea Haskıl.=Mitscherlichia coriaceakl. B.crassicaulis Lindl.= Gireoudia cerassicaulisKl. B. cyathophora Pöpp. et Endl. = Cyathocnemis Poeppigiana Kl. B. dealbata Liebm. = Änesebeckia dealbata Kl. B. dichotoma Jacg. = Wageneria dichotoma Kl. B. digitata Raddi = Scheidweileria digitata Kl. B.dipetala Grah. = Haagea dipetala Kl. B. discolor R. Br. = Knesebeckia discolor Kl. B. diversifolia Grah.= Knesebeckia Martianakl. B.Dregei Oito et Dietr. = Augustia Dregei Kl. B. echinata Royle= Reichenheimia echinata Kl. B. elegans H. B. Kth. = Casparya elegans Kl. B. Evansiana Andr. = Knesebeckia discolor Kl. B. fagifolia Fischer = Wageneria fagifolia Kl. B. faleiloba Liebm. = Knesebeckia falciloba Kl. B. fasciculata W. Jack. = Petermannia fasci- culata Kl. B. ferruginea Dryand.=Stiradotheca ferruginea Kl. B. fimbriata Liebm. = Gireoudia fimbriata Kl. B. Fischeri Otto et Dietr. = Pritzelia FischeriKl. B. foliosa Humb. B. Kth. = Lepsia foliosa Kl. B. fuchsioides Hook. = Titelbachia fuchsioides Kl. Begoniaceen - Gattungen und Arten. B. fusca Liebmann = Magnusia fusca Kl. B. Galeottii Hort. = Ewaldia lobata Kl. B. Gaudichaudii Walpers = Eupetalum petalo- des Lindl, B.gemmipara H.F. et T. = Putzeysia gemmi- para Kl. B. geniculata W. Jack. = Petermannia genicu- lata Kl. B. geraniifolia Hooker = Bupetalum geranü- folium Kl. B. glabra Herb. Ruizii = Sassea glabra Kl. B.glauca Herb. Ruizii = Pritzelia glauca Kl. B. Grahamiana R. Wight= Mitscherlichia Gra- hamiana Kl. B. Haskarlii Zollinger= Mitscherlichia coriacea Kl. B. heracleifolia Cham. et Schlecht. = Gireoudia heracleifolia Kl. B. hernandiaefolia Hort. Berol.= Gireoudia ne- lumbiifolia Kl. B. hernandiaefolia Hooker = Müscherlichia co- riacea Kl. B. heterophylla Hort. Schoenbr. = Knesebeckia Martiana Kl. B. hirsuta Herb. Ruizii = Pilderia hirsuta Kl. B. hydrocotylifolia Grah. = Gireoudia hydroco- tylifolia Kl. B.incarnataLk.etOtlto= Knesebeckia incarnala Kl. B. insignis Grah. = Knesebeckia incarnata Kl. B.involucrata Liebm. = Gireoudia involucratakl. B.jatrophaefoliaHort Berol.= Gireoudia jatro- phaefolia Kl. B. Kunthiana Walpers = Gaerdtia Kunthianakl. B. lepidota Liebm. = Gireoudia manicata var.Kl. B. Lindleyana Walpers= Gireoudia Lindleyana Kl. B. lobata Schott. = Ewaldia lobata Kl. B. longirostris Benth.= 1sopteris longirostris Kl. B.lucidaKth. etBouche= Gaerdtia Kunthianakl. B. lucida Otto et Dietr=Wageneria lucida Kl. B.luxurians Scheidw.=Scheidweileria luxurians Kl. B. macrophylla Dryand. = Gireoudia macro- phylla Kl. B. maculata Raddi = Gaerdtia maculata Kl, B.magnificaLinden=Stiradolheca magnificakl. B. magnifica Warsz.='Stiradotheca magnificakl. B. manicata Cels. = Gireoudia manicata Kl. 159 B. Martiana Lk. et Otto= Knesebeckia Marliana Kl. . maxima Hort. Berol. = Magnusia fusca Kl. . Meyeri Hook. = Rachia Meyeri Kl. . Meyeri Otto et Dietr. = Gurltia Meyeri Kl. . microphylla Hb. Willd = Lepsia foliosa Kl. . miniata Planchon = Titelbachia miniata Kl. .monadelpha Herb. Ruizii = Barya monadel- pha Kl. . moroptera Lk. et Otto = Knesebeckia mo- noptera Kl. . Moritziana Kth. et Bouche = Wageneria lu- cida Kl. . multinervia Liebm. = Gireoudia multinervia Kl. B. muricata Scheidw.=Scheidweileria muricata Kl. B. Natalensis Hooker = Augustia Natalensis Kl, B.nelumbiifolia Ch. etSchl. = Gireoudia nelum- biifolia Kl. B. octopetala L’Herit = Huszia octopetala Kl. B. Oregana Hort. = Pritzelia ramentacea Kl. B. papillosa Grah.= Knesebeckia papillosa Kl. B. parviflora Poepp. et Endl. = Scheidweileria parviflora Rl. B.parvifolia Grah. = Augustia Dregei Kl. B.parvifolia E. Meyer = Augustia Dregei Kl. B. pedata Liebm. = Knesebeckia pedata Kl. B. peltata Haskıl = Mitscherlichia coriacea Kl. B. peltata Otto et Dietr. = Rachia peltata Kl. B. petalodes Lindl.= Eupetalum petalodesLindl. B. physalifolia Liebm. = Gireoudia physalifolia Kl. B. plebega Liebm. = Gireoudia plebeja Kl. gs u u bug B. princeps Hort. = Pritzelia princeps Kl. B.pulchella Raddi = Steineria pulchella Kl. B. pustulata Liebm, = Weilbachia pustulata Kl. B.racemosa W. Jack. = Pelermannia racemosa Kl. . ramentacea Paxt. = Pritzelia ramentacea Kl. reniformis Dryander = Wageneria renifor- mis Kl. reniformis Hort. Berol. = dugustia Dregei Kl. repens Herb. Ruizii = Rossmannia repens Kl. reptans Benth. = Weilbachia reptans Kl. .rhizocarpa Fischer = Trachelanthus rhizo- carpus Kl. rigida Hort. Turic. = Gurltia rigida Kl. ‚rubricaulis Hooker = Huszia rubricaulis Kl. u 160 B.rubro - nervia Hort. Berol. = Platycentrum rubro-venium Kl. B.rubro-venia Hook. = Platycentrum rubro- venium RK]. B. rugosaHort.Schoenbr. = ageneria rugosa Kl. B.sanguinea Raddı = Pritzelia sanguinea Kl. B. sarchopyllaLiebm.= Gireoudia sarchophylla Kl. B.scandens Hort. Schönbr. = Wageneria Schot- tiana Kl. B. schizolepis Liebm. = Gireoudia manicata Kl. B. scutellata Liebm. = Gireoudia conchaefolia Kl. B. sericoneura Liebm. = Gireoudia sericoneura Kl. B. sinuata Grah. = Augustia caffra Kl. B. squarrosa Lieb. = Gireoudia squarrosa Rl. B. stigmosa Lindl. = Gireoudia stigmosa Rl. B.strigillosa Dietr. = Gireoudia strigillosa Kl. B. subpeltata R. Wight = Mitscherlichia subpel- tata Kl. B. suffruticosa Meissn. = Augustia suffrulicosa Kl. B. sulcata Scheidw. = Saueria sulcata Kl. B. Thwaitesü Hook. = Reichenheimia Thwai- tesiüi Kl. B.tomentosa Hort. = Wageneria tomentosa Rl. Krorzscn: B.tomentosa Schott. = Gurltia tomentosa Kl. B. trachyptera Benth.—=Stiradolheca trachypte- ra Kl. B.tuberosa Herb. Ruizii = Eupetalum tubero- sum Kl. B. ulmifolia H.B. Kth. = Donaldia ulmifolia Kl. Ä B. umbellata H. B. Kth. = Isopteris umbellata Kl. B. uncinata Hort. Berol. = Augustia caffra Kl. B. undulata Schott. = Gaerdtia undulata Kl. B. Urticae L. F. = Sassea Urticae Kl. B. urticaefolia Hort. Berol. = Pilderia urticae- Jolia Kl. B. urticaefolia Smith = Sassea Urticae Kl. B. velutina Hort. Berol. = Knesebeckia Balmi- stana Kl. B. velutina Hort. Vind. = Ewaldia lobata Kl. B. vernicosa Hort. Berol. = Ewaldia ferruginea Kl. B. verticillata Hook. = Lauchea verticillata Kl. B. vitifolia Lindl. = Gireoudia Lindleyana Rl. B. vitifolia Schoit.— Wageneria vilifolia Kl. B.W allichiana Steud.=Doratometra W allichia- na Kl. B. xanthina Hook. = Platycenirum zanthinum Kl. B. zebrina Hort. = Pritzelia zebrina Kl. V. Saueria (') Kl. Taf. Il. Ar Flores monoici. Masc. Petala 4 biserialia inaequalia, exteriora op- posita majora suborbicularia, interiora minora, basi attenuata. Stamina plurima; filamenta libera antheris breviora; antherae oblongo-lineares ob- tusae, basi subemarginatae, extrorsae, biloculares, loculi lineares discreti connectivi continui obtusi margini adnati, longitudinaliter dehiscentes. Fem. [e) Petala 5 supera inaequalia pluriseriatim imbricata. Ovarium inferum trigo- num triloculare monopterum. Ovyula in placentis e loculorum angulo cen- trali geminis crassis conniventim-falcalis utrinque ovuliferis distinete-pedi- (') Dem Andenken des hiesigen Universitätsgärtners, Herrn F. W. H. Sauer, eines auf- merksamen, fleilsigen und sorgfältigen Pflanzen-Cultivateurs, welcher diese meine Arbeit bereitwillig unterstützte, gewidmet. Begoniaceen - Gattungen und Arten. 161 cellatis ereberrima, anatropa. Stylus persistens perbrevis glaber trifidus, lobis teretibus bicornutis tortuosis, fascia papillosa bis spiraliter torta, antice ad basin continua cinctis. Capsula membranacea turbinato - triquetra tri- locularis monoptera ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Se- mina innumerabilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. Frutex caracasanus; folis oblique cordatis lobato-dentatis bistipula- tis; cymis longe pedunculatis repetito - dichotomis bracteatis axillaribus ; floribus albis. 1) Saueria sulcata Kl. Fruticosa, glabra; caule sulcato brunneo tandem purpureo tubereulato, tubereulis viridibus; foliis oblique - cordatis transverse ovatis acutis obsolete-lobatis duplicato - dentato -serratis, supra laete-viridibus, subtus pallidis petiolis glabris e viridi- purpurascendibus; stipulis magnis oblongis subobtusis; cymis repetito- dichotomis pedunculatis axillaribus; pedunculis longis pedicellisque rubris; floribus parvis albis; capsulis monopteris; alis semieircularibus. Begonia sulcata Scheidweiler in Otto et Dietrich, Allgemeine Gartenzeitung, vol. 16, p. 131. Stamm dick, einfach verästelt, 3—5 Fufs hoch. Blätter 1— 2 Zoll lang und 2— 3 Zoll breit. Blattstiele 2— 3 Zoll lang. Afterblätter 1 Zoll lang und 3— 4 Linien breit. Trugdoldenstengel dünn und 4—5 Zoll lang. Männliche Blüthenstiele 4-, weibliche 3 Linien lang. Diese über drei Monate hindurch blühende Art ging zufällig auf einer aus Columbien stammenden Orchidee bei De Jonghe in Brüssel im Jahre 1846 auf. VI. Knesebeckia (') Kl. Rafsıl, ©: Flores monoici. Masc. Petala 4 biserialia inaequalia, exteriora op- posita majora suborbicularia, interiora minora, basi attenuata. Stamina plurima (28 — 60), filamenta in columnam eylindricam plus minus longam umbellatim connata, superne libera; antherae obovatae breves, apice or- biculato-tumidae extrorsae biloculares, loculi obliqui, apice subconniventes (') Dem Andenken meines verehrten Freundes, des Freiherrn H. B. v. d. Knesebeck auf Faulenbenz bei Stargard in Pommern, eines um die Landwirthschaft sehr verdienten Man- nes, gewidmet. Phys. Kl. 1854. X 162 Krorzsch: connectivi continui obtusi margini adnati longitudinaliter dehiscentes. Fem. Petala 5 supera inaequalia pluriseriatim imbricata. Ovarium inferum trigo- num triloculare trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali geminis conniventim-lamellatis, utrinque ovuliferis distincte pedicellatis ere- berrima, anatropa. Stylus persistens glaber trifidus, lobis bieruribus tere- tibus strietis divaricatis nec tortuosis, antice ad basin productis fascia papil- pillosa semel-bis spiraliter torta continua cinctis. Capsula membranacea turbinato-triquetra trilocularis trialata, rarissime monoptera, alis inaequali- bus, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumera- bilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. Frutices aut suffrutices mexicanae et Guatemalenses. (Suffruticosi tuberosi saepe in foliorum axillis bulbiferi); foliis alternis petiolatis, basi oblique cordatis inaequilateris erenatis dentatis vel serratis subinde lobatis, nunquam peltatis; stipulis lateralibus scariosis deciduis; floribus eymosis pedunculatis axillaribus roseis; petalis interdum serratis aut dentatis. * Succulento - fruticosi. 1) Knesebeckia aucubaefolia Kl. Glabra; caule usque ad basin diviso olivaceo glaberrimo nodoso ramoso; foliis petiolatis dimidiato-cordatis transverse oblongo-ovatis acuminatis argute serrato-dentatis, ad marginem superiorem plus minus profunde angulato- ineisis, supra laete viridibus albo- punctulatis nitidis, subtus pallide- viridibus, utrinque glaberrimis; petiolis teretibus; stipulis pellueidis oblique ovatis obtusis infra apicem longe api- culatis; cymis ter diehotomis subterminalibus pedunculatis glabris pendulis; floribus laxis roseis; filamentis brevi monadelphis; antheris apice brevi contractis; capsula trialata, alis 2 angustis, apice angulato -truncatis; ala maxima late ovata obtusa. B. aucubaefolia Hort. Ein 4— 5 Fufs hoher Strauch, bis zur Basis mehrfach in schwanen- kieldicke, aufrechte Aeste getheilt, von welchen wiederum dünne Zweige ausgehen. Blätter 1%, Zoll lang und 4—5 Zoll breit. Blattstiele 1— 2}, Zoll lang. Afterblättchen !; Zoll lang und 2 Linien breit. Trugdoldenstiele 1%, Zoll lang. Gröfster Flügel von der Basis bis zur Spitze gemessen 8 Linien, vom Griffel bis zur Spitze gemessen 6 Linien. Der nächstfolgenden Art Begoniaceen- Gatiungen und Arten. 163 nahe verwandt, von welcher sie sich wesentlich durch die an der Spitze etwas zusammengezogenen Staubbeutel unterscheidet. Das Vaterland unbekannt, seit einigen Jahren in Kultur. 2) Knesebeckia incarnata Kl. Caule erecto ramoso glabro; foliis petiolatis dimidiato -ineisis duplicato-ciliato-serratis glabris v. supra sparse strigosis; stipulis lanceolatis; pedunculis ter-dichotomis laxe cymosis sub- terminalibus nutantibus; floribus roseis; antheris apice truncato-pulvina- tis; capsulae ala maxima lata adscendente obtusa ad marginem superiorem truncata. Begonia incarnata Lk. et Otto. Icones plant. select. I, p. 37, t. 19. Floral Cabin. III, p. 5, t. 48. Maunt, Botanist, t. 103. B. insignis Graham, New Phil. Journal no. 11. Bot. Register, t. 1996. Bot. Mag. t. 2900. Stengel 3—4 Fufs hoch. Blätter 1—1'; Zoll lang und 4— 5 Zoll breit. Blattstiele 1 —1!, Zoll lang. Afterblättchen 3 Linien lang, 1 Linie breit. Trugdoldenstiele 2 Zoll lang. Männliche Blüthen 1 Zoll -, weibliche Blüthen 9 Linien im Durchmesser. Gröfster Flügel von der Basis bis zur stumpfen Spitze gemessen 10 Linien, am oberen Rande 7 Linien breit. In Mexico einheimisch. Die englischen Angaben, welche Brasilien als Vaterland anführen, beruhen auf einem Irrthum. Häufig in Kultur. 3) Knesebeckia papillosa Kl. Caule erecto tereti; foliis petiolatis semicordatis transverse ovato-oblongis acuminatis argute ciliato-serratis, supra saturate viridibus subinde albo-maculatis sparsim papilloso -hirtellis, subtus margineque roseis pubescente-nervosis; petiolis carneis sparsim pi- losis; stipulis ovatis acuminatis integerrimis; cymis brevi pedunculatis rubescentibus axillaribus nutantibus; capsulae pilosae roseae alis subaequa- libus obtusangulis. Begonia papillosa Graham in Bot. Mag. t. 2846. Lindl., Botan. Reg. New Series XIV. pl. mise. n. 74. Stamm geröthet oder gebräunt, 11,—2 Fufs hoch, wenig verästelt. Blätter 1} Zoll lang, 4—5 Zoll breit. Blattstiele 11—1} Zoll lang. Trug- doldenstiele +—1', Zoll lang. Männliche Blüthen 14, Zoll -, weibliche 1 Zoll im Durchmesser. Kapselflügel von fast gleicher Gröfse und Gestalt, oben ge- rade abgestutzt, 4—5 Linien breit und 8—9 Linien hoch. Vaterland unbekannt. Seit 1822 in England in Kultur. xX2 164 Krorzscen: ** Suffruticoso-tuberosi. 4) Knesebeckia discolor Kl. Suffruticosa, tuberosa; caule her- baceo succulento glabro e viridi-rubescente; foliis magnis inaequaliter cor- datis acuminatis subangulato -serrulatis reticulato- venosis, nervis subtus pe- tiolisque aut sanguineis aut viridibus; stipulis cadueis; pedunculis axillaribus bis bifidis; floribus magnis saturate-roseis; filamentis in columnam longam connatis; capsulae alis obtusangulis inaequalibus. Begonia discolor R. Brown in Aiton Hort. Kew (2 edit.) V, p. 184. B. Evansiana Andrews, Bot. Repos., t. 607. Bot. Mag., t. 1743. Pflanze krautartig, fast kahl, 1—2!, Fufs hoch. Blattstiele 1—5 Zoll lang. Blätter 2—5 Zoll lang und 11,—5 Zoll breit. Trugdoldenstiele 3—4 Zoll lang. Bracteen gefärbt, grofs, hinfällig. Blüthen 1,—2 Zoll im Durch- messer. Fruchtflügel herablaufend, oben abgestutzt, zwei schmäler. Sie soll aus China stammen, welche Beläge dafür existiren, weifs ich nicht. In der Kultur gehört sie zu den verbreitetsten. 5) Knesebeckia pedata Kl. Rhizomate obliquo crasso carnoso- squamoso caules erectos teretes indivisos glabros nodosos remote foliosos emittente; foliis internodio suo multo brevioribus petiolatis pedatinerviis angulato - reniformibus 3—5 lobis, lobis angulatis acutiusculis minute denti- culatis, basi breviter cuneatis, marginibus basilaribus curvatis, supra laete- viridibus glabris, subtus albidis nervisque rufis squamulosis prominentibus reticulato - venulosis, petiolo lamina breviore sursum rufo - villosulo de- mum glabrescente, nervis primariis quinque, quorum 2 laterales deorsum denudati; cyma terminali pauciflora; bracteis scariosis deciduis obtusis; flo- ribus brevipedicellatis roseis; ovariis dense rufo-villosis; capsula nutante pilis incarnatis submuricata, ala maxima late-falcata acutangula, margine ci- liata, duabus minoribus rotundatis. Begonia pedata Liebmann, Mexicos Begonier, p. 10, n. 18. Stämmchen 4 Fufs und darüber hoch. Blattfläche 1!, Zoll lang nnd 2 Zoll breit. Blattstiele 6— 8 Linien lang. Fruchtstielehen 8—9 Linien lang. Kapsel 9 Linien lang und 12—14 Linien im Durchmesser. Auf der östlichen Cordillere bei S. Jago Amatlan im Departement Oajacas in Mexico vom Professor Liebmann entdeckt. Sie blüht im Juli, reift ihre Früchte im November und ist nicht in Kultur. Begoniaceen- Gattungen und Arten. 165 6) Änesebeckia erenatiflora Kl. et Putzeys. Rhizomate crasso subterraneo carnoso caules graciles erectos simplice ramosos subglabros versus apicem ferrugineo-pubescentes remote foliosos emittente; foliis mem- branaceis tri-quadrilobatis, basi oblique cordatis nervis seminudis attenuatis, undique albido-hirtellis, subtus in nervis ferrugineo puberulis, lobis ovatis acutis duplicato-serratis, dentibus setoso-apiculatis; petiolis ferrugineo - pu- bescentibus tenuibus supra sulco longitudinali instructis; racemis terminalibus axillaribusque pedunculatis ferrugineo - pubescentibus; petalis pallide - roseis serrulatis, extus sparsim villosulis; capsulae pubescentis ala maxima (ex illustr. ill. Putzeysii) rotundata. Stämme wenig. verästelt, unterwärts kahl, oberwärts pubescirend, gerade, aufrecht, 1—1°, Fufs hoch. Internodien unterwärts 4 -, oberwärts 2 Zoll lang. Blätter 2 Zoll lang und 3 Zoll breit. Blattstiele 1 —1!, Zoll lang. Traubenstiele 1,—2 Zoll lang. Bracteen oval, kurz-zugespitzt, äufser- lich fein pubescirend, kurz-gespitzt, am Rande sägezähnig-gewimpert, 2 Li- nien lang und breit. Männliche Blüthen 1 Zoll-, weibliche Blüthen 9 Linien im Durchmesser. Kapselfrucht 4 Linien im Durchmesser. In Mexico von Galeotti entdeckt und in dessen Herbarium unter n. 183 enthalten. Sie blüht im Mai und ist noch nicht in Kultur. 7) Knesebeckia biserrala Kl. Rhizomate subterraneo brevi sub- tuberoso; caule erecto laxiusculo rubescente sparsim albido-villoso; foliis sublonge petiolatis oblique late palmato-lobatis subcordatis, lobis 4 — 5 in- aequalibus inciso-serratis ciliatis; cymis dichotomis rubris pedunculatis axil- laribus terminalibusque hirtellis; bracteis ovato - lanceolatis hirtellis cadueis; floribus roseis magnis nutantibus; petalis exterioribus majoribus inciso - ser- ratis ciliatis, extus molliter puberulis; fructu 3 alato pilis albis echinato, alis brevibus obtusis grosse ciliatis unica vix duplo majore. Begonia biserrata Lindley, Journ. of the Hort. Society v.II, p. 313. Hooker, Bot. Mag., t. 4746. Stamm krautartig, 2—3 Fufs hoch, behaart, wie alle übrigen Theile dieses Gewächses mit Ausnahme der inneren Fläche der Blumenblät- ter. Die unteren Blätter verhältnifsmäfsig lang-gestielt, ziemlich eine Spanne breit, die oberen verringern sich dagegen nach und nach bis zu 2 Zoll. Trugdolden gabelförmig-getheilt, gestielt, end- oder achselständig, dieBlätter überragend. Bracteen klein, ei-lanzettförmig. Männliche Blüthen 166 Kıorzscn: 1%, Zoll-, weibliche 1!, Zoll im Durchmesser. Gröfster Flügel am oberen Rande stumpf-abgestutzt. Von Skinner in Guatemala entdeckt und in England lebend eingeführt. 9) Knesebeckia ignea Kl. Rhizomate subterraneo brevi subtube- roso, caules erectos teretes nodosos robustos piloso-hispidos glanduliferos remote foliosos emittente; foliis magnis inaequaliter-cordatis distincte-lobatis irregulariter-serratis transverse ovatis acutis, utrinque glanduloso-hirtis; pe- tiolis robustis rufescentibus glanduloso-hirtis; stipulis oblique suborbicula- ribus foliaceis dentato-serratis glanduloso-hirtis; eymis paucifloris simplieiter dichotomis pedunculatis axillaribus; pedunculis pedicellisque glanduloso- hirtis; floribus magnis roseis petalis florum masculorum exterioribus femi- neisque omnibus versus apicem argute ciliato-serratis; germine sparsim glanduloso-hirto inaequaliter trialato; placentarum lamellis crassiusculis un- dulatis; capsulae ala maxima obtusangula. Begonia ignea de Warszewicz in lit. Stengel 2—3 Fufs hoch, wenig verästelt, kräftig, krautartig. Blätter 2— 3 Zoll lang und 3— 6 Zoll breit, Lappen 4, — 1%, Zoll lang und 11, — 2 Zoll an der Basis breit. Blattstiele 15—3 Zoll lang. Afterblättchen 4 Linien lang und breit, selten kurz gespitzt. Trugdoldenstiele 1 — 41, Zoll lang. Männliche Blüthen 14, Zoll, weibliche Blüthen 1 Zoll im Durchmesser. Gröfster Fruchtflügel wenig breiter und stumpfwinkliger als der zweitgröfste abgerundete Flügel. Durch Herrn v. Warszewicz in Guatemala entdeckt und in Deutsch- land lebend eingeführt. 10) Knesebeckia falciloba Kl. Rhizomate subterraneo brevi; caule erecto subpedali leviter flexuoso glabro succulento pellucido folioso, in- ternodiis foliis suis brevioribus; foliis petiolatis tenuibus oblique angulato- cordatis 3—5 lobis acuminatis duplicato-dentatis setigeris, supra laete viri- dibus pilis subulatis albis adspersis, subtus pallidioribus glabris ad insertionem petioli vesiculiferis et pilis reflexis albis instructis, nervis 5—7, petiolis laminam subaequantibus glabris; stipulis deciduis scariosis ovatis; cymis axillaribus foliis suis brevioribus dichotomis paucifloris; bracteis tenuissimis decoloribus ovatis denticulatis; floribus albis vel pallide roseis, petalis Begoniaceen- Gattungen und Arten. 167 denticulatis; capsulae glabrae ala maxima membranacea lato -falcata obtusa, 2 minoribus rotundatis. Begonia faleilobaLiebmann, Mexicos og Central- Americas Begonier, p- 15, n. 29. Die untersten Blätter 6 Zoll lang und 2 Zoll breit, deren Blattstiele 4 Zoll lang. Die oberen Blätter 3—5Zoll lang und 1}, Zoll breit und deren Blattstiele 2— 21, Zoll lang. Die männlichen Blüthenstiele 3—4 Linien lang, die weiblichen ; — 1 Zoll lang. Die Kapsel 6 Linien lang und 9 Li- nien breit. Im Departement Oajacas einer subtropischen Gegend Mexicos vom Professor Liebmann entdeckt. Blühend und mit Früchten versehen ange- troffen im Monat October. Nicht in Kultur. 4 11) Knesebeckia bulbifera Kl. Rhizomate tuberoso; caule sim- pliei in foliorum axillis bulbillifero; foliis oblique cordatis acuminatis sub- angulato-crenatis parum ciliatis primordialibus subrotundo - cordatis, in axillis foliorum bulbilliferis; floribus axillaribus solitariis pedicellatis magnis roseis; petalis exterioribus dentieulatis; filamentis in cylindrum longiusculum umbellatim- monadelphis; antheris compressiusculis brevibus obovatis; stig- matibus magis dilatatis vix tortuosis; placentarum lamellis crassiusculis la- cunoso-undulatis; capsulae alis angustis subdenticulatis. Begonia bulbifera Link et Otto, Icon. plant. select. hort. Berol., p- 89, t. 45. Vam verstorbenen Dr. Schiede in Mexico entdeckt und lebend im Berliner botanischen Garten eingeführt. 12) Knesebeckia Martiana Kl. Rhizomate tuberoso; caule her- baceo glaberrimo; foliis radicalibus reniformibus late crenatis, caulinis transverse oblongis acuminatis grosse dentato - serratis, superioribus inaequa- liter cordatis subinde lobatis in axillis foliorum bulbilliferis; pedunculis axillaribus paucifloris; floribus magnis roseis; petalis exterioribus versus apicem crenato-dentatis; filamentis in cylindrum crassum umbellatim - mo- nadelphis; antheris brevibus compressiusculis oboyatis; placentarum lamel- lis aequalibus laevibus; stigmatis cornubus stricetis nec tortuosis; capsulae ala maxima acutangula patente. 168 Krorzsch: Begonia Martiana Lk. et Otto l.c. p. 49, t. 25. B. diversifolia Graham in Edin. Philos. Journal (1829) p. 183. Bot. Mag. t. 2966. Floral Cab. I, p. 27, t.-14. Von dem früheren Reisenden jetzigen Kunst- und Handelsgärtner Deppe zu Witzleben bei Charlottenburg zuerst, später von Capitain Velch, dem verstorbenen Dr. Schiede und von dem Professor Liebmann in verschiedenen Gegenden von Mexico entdeckt und lebend in Europa eingeführt. 13) Knesebeckia monoptera Kl. Rhizomate tuberoso; caule erecto simpliei rubescente subtilissime papilloso -pubescente; foliis oblique- cuneiformibus sublobato -crenatis, subtus insigniter papillosis sanguineis, radicalibus longissime petiolatis reniformibus vix obliquis, in axillis foliorum bulbilliferis; racemo composito terminali, inferne folioso rubescente; flo- ribus candidis; germinis rubris ala unica adscendente anguste lanceolata basim versus angustissime attenuata. Begonia monoptera Lk. et Otto, Ice. plant. select. hort. bot. Berol , p- 27, t. 14. Bot. Mag., t. 3564. Knollen etwas zusammengedrückt. Stengel aufrecht, 2—24; Fufs hoch. Stengelblätter etwas gelappt, 2—2', Zoll lang, 1—1%, Zoll breit, kurz-ge- stielt. Wurzelblätter 3 Zoll lang, 4, Zoll breit und 4—5 Zoll lang- ge- stielt. Afterblättchen dreieckig zugespitzt und wenig gewimpert. Traube endständig, wie sämmtliche Stieltheile der ganzen Pflanze roth, unterwärts beblättert, 9— 11 Zoll lang. Blüthenstielchen einzeln oder paarweise, 11, Zoll lang, auf dem sehr kurzen allgemeinen Stiele vereinigt. Blumen 14, Zoll im Durchmesser. Fruchtknoten einflügelig. Flügel schmal, lanzett- förmig, zugespitzt. 14) Rnesebeckia Balmisiana Kl. Rhizomate tuberoso; caule gracili ramoso herbaceo rubescente dense pubescente; foliis suborbiculato- ovatis obtusis longe petiolatis obsolete grosse crenatis supra hirtellis viri- dibus, subtus rubescentibus dense papillosis, in axillis foliorum bractearum- que aggregatim-bulbiferis; racemo terminali elongato; petalis ex albido-ro- seis; germinibus inaequaliter trialatis; ala maxima rotundata. Begonia Balmisiana Ruiz, Herb. F. X. Balmis, Demonstracion de las eficaces, virtudes nuevamente descubiertas en las Raices de dos plantas de Nueva-Espana espicies de Begonia. (Madrid 1794. 8vo), p. 338, t. 2. Begoniaceen - Gattungen und Arten. 169 Knollen rundlich, zusammengedrückt. Stengel 1—11, Fufs hoch. Aeste dünn und biegsam, geröthet, stark pubescirend. Blätter 1—3 Zoll lang und 14—4 Zoll breit, an der Basis breit abgestutzt. Wurzelblätter 2Zoll -, Stengelblätter 1, Zoll lang-gestielt. Blüthentrauben am Hauptstamme wie an den Zweigen endständig, unterwärts beblättert. Gröfster Flügel abgerundet. FI. Gaerdtia(') Kl. TITAN: Flores monoici albi, masculi et feminei in cymas dichotomas pedun- culatas axillares sexu subdistineti. Masculi: Petala 4, exteriora plana applanata suborbiculata, interiora obovata, extus convexa, dorso carinata, basi attenuata. Stamina 20 — 30 toro pulvinato inserta inaequilonga, ex- teriora breviora; antheris extrorsis subspathulatis, apice truncato-tumidis cucullatim-incurvis, loculis approximatis, lateraliter dehiscentibus; filamentis liberis, exterioribus brevissimis. Flores feminei: Petala 5, inaequalia ob- tusa, exteriora majora. Germen triloculare trialatum, alis subaequalibus, basi attenuatis, apice truncatis, placentis tribus centralibus bifidis oblongis obtusiusculis, inter fissuram exovuliferis. Stylus tripartitus glaber. Stig- mata bicruria divaricata stricta, nec tortuosa, fascia papillosa bis spiraliter torta antice continua cincta. Capsula membranacea albida triquetra trilo- eularis subaequaliter-trialata, ad alarum originem per rimas arcuatas de- hiscens. Semina innumerabilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. Frutices ramosi Brasilienses; caulibus ramisque glabris teretibus ni- tidis artieulatis; gemmulis axillaribus, ante expansionem spinescentibus; foliis elongatis obliquis semicordatis cartilagineo-marginatis repandis; petiolis teretibus; stipulis deciduis lanceolatis magnis nitidis; cymis repetito - dicho- tomis in apice ramulorum axillaribus pedunculatis. 1) Gaerdtia maculata Kl. Fruticosa, erecta, ramosa, glaberrima; foliis alternis brevipetiolatis transverse elongatis semicordatis obtusis, margine cartilagineis undulatis crenato-repandis, basi in lobum obliquum obtusum productis, supra viridibus saepe maculis albidis instructis, subtus plus minus (') Dem Andenken des Herrn H. Gaerdt, Obergärtner des Fabrikbesitzer Herrn Bor- sig zu Alt-Moabit bei Berlin, der sich um die Pflanzen-Kultur wohl verdient gemacht hat, gewidmet. Phys. Kl. 1854. Y 170 Krorzscn: purpurascentibus; cymis pedunculatis nutantibus; petalis florum masculorum exterioribus suborbicularibus reniformibus, latioribus quam longis. Begonia maculata Raddi Mss. ex Sprengel Syst. veg. II, p. 626. Begonia argyrostigma Fischer in Link et Otto, Icones plant. select. I, p- 23, t.10. Stengel grün, von der Dicke eines Fingers und 2—3 Fufs hoch. Blät- ter 2— 2%, Zoll lang und 5—6 Zoll breit. Blattstiele 4,—1 Zoll lang. Die äufseren Blumenblätter der männlichen Blüthe 4— 5 Linien lang und 6 Li- nien breit. In Brasilien von Riedel entdeckt und lebend im Petersburger bota- nischen Garten eingeführt, von woaus sie eine grosse Verbreitung erfahren hat. Blüht vom Juni bis September. 2) Gaerdtia argentea Kl. Fruticosa, erecta, glaberrima; foliis alternis brevi petiolatis transverse elongatis oblique cordatis acutis, margine cartilagineis subintegerrimis planis in lobum posticum adscendentem angulatum productis, supra viridibus subimmaculatis, subtus rubrinerviis, deinde toto rubescentibus; cymis pedunculatis suberectis; floribus albis subinde roseo tinctis; petalis florum masculorum exterioribus ovatis brevi-acutis, longiori- bus quam latis. Begonia argentea van Houtte, Catalogus anno 1842. Begonia acu- leata W alpers in plantis Meyenianis. Nova acta acad. Caes. Leop. Carol. XIX. Suppl. I, p. 409. Stengel grün, robust, wenig verästelt, 4—5 Fufs hoch. Blätter 2 Zoll lang und 9—10 Zoll breit. Blattstiele 1—1!, Zoll lang. Trugdoldenstiele 2— 2, Zoll lang. Aeufsere Blumenblätter der männlichen Blüthe 10 Linien lang und 8 Linien breit. Stammt aus Brasilien, woselbst sie der verstorbene Meyen bei Rio de Janeiro sammelte, nachdem dieselbe bereits in den belgischen Gärten kultivirt wurde. Blühet während der Sommermonate. 3) Gaerdtia undulata Kl. Fruticosa, erecta, glabra; caule tereti ramoso viridi, punctis oblongis albidis consperso; foliis brevissime petiolatis inaequaliter oblongis et cordatis brevi acutis, margine undulato-repandis glaberrimis nitidis, supra saturate viridibus, subtus pallidis rubescenti ner- vosis; stipulis elongato - oblongis, apice attenuatis; cymis pedunculatis Begoniaceen-Gattungen und Arten. 171 axillaribus repetito-dichotomis; floribus parvis albidis; capsulae albidae alis subaequalibus, inferne attenuatis. Begonia undulata Schott Mss. in Sprengel Syst. veg. cur. post. p- 408. Graham, New Edinb. Phil. Journ. II, p. 184. Bot. Mag. t. 2723. Gaerdtia stenobotrys Kl. olim. Stamm strauchartig, unterwärts verholzt, 3—4 Fufs hoch, gleich den Zweigen stielrund. Blätter 3— 4 Zoll lang und 14,— 1%, Zoll breit. Blatt- stiele 1,—3 Linien lang. Trugdoldenstiele weifs, 1—1!, Zoll lang. Männ- liche Blüthen 1 Zoll -, weibliche Blüthen 10 Linien im Durchmesser. Kapseln weifs, 8 Linien lang und 6 Linien im Durchmesser. Durch den verdienstvollen Schott in Schönbrunn auf seiner Reise in Brasilien entdeckt und lebend bei uns eingeführt. 4) Gaerdtia KunthianaKl. Fruticosa, erecta, glabra; caule suc- eulento ; foliis breviter petiolatis inaequilatero-lanceolatis oblongis acuminatis grosse dentatis, basi dimidiato -rotundatis levissime cordatis, supra saturate viridibus nitidis, subtus purpurascentibus; pedunculis axillaribus 2 — 3 flo- ris; floribus magnis candidis; petalis florum masculorum exterioribus subrotundo- ovatis acutiusculis, interioribus multo-minoribus obovato -spa- thulatis, apice rotundatis; petalis florum femineorum 5 minoribus in- aequalibus obovatis; ovarii trialati albidi alis rotundatis, una paulo latiore. Begonia Kunthiana Walpers, Annales Bot. Syst. II, p. 650. B. Iu- cida Kunth et Bouche (nec Otto et Dietr.), Index semin. in horto Berol. 1847 coll., p. 16, n. 30. Siamm strauchartig, 3—4 Fufs hoch, aufrecht-ästig. Blätter 31, Zoll lang und 1 Zoll breit. Blattstiele 24 Linien lang. Afterblättchen schief, ei-lanzettförmig, 1 Zoll lang. Blumenstiele 3blumig, 3—1 Zoll lang. Aeufsere Blumenblätter der männlichen Blüthe 9— 10 Linien breit, innere nur 6 Linien lang. Durch Moritz, der diese Art auf der Colonie Tovar bei Caracas ent- deckte lebend im Berliner botanischen Garten eingeführt. Y2 172 Krorzsch: ** Placentae integrae pedicellatae. VIII. Trendelenburgia(') Kl. Taf. IH. B. Flores monoici minuti, masculi et feminei in cymas dichotomas pe- dunculatas axillares sexu distinctas. Masculi: Petala 4 parva obovata pa- tentia, interiora angustiora. Stamina 12—15 toro subplano inserta aequi- longa; antherae oblongo-ellipticae extrorsae, in apicem brevem et obtusum productae, loculis approximatis, lateraliter dehiscentibus in filamenta libera antheris breviora attenuatae. Flores feminei: Petala 5 angustissima minuta deinde patentissima subaequalia. Germen oblongum tubulosum exalatum triloeulare. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali integerrimis pe- dicellatis (sectio transversa orbicularis) ubique ovuliferis creberrima, ana- tropa. Stylus persistens glaber tripartitus. Stigmata bieruria tortuosa erecta, fascia minutissime papillosa bis spiraliter torta antice continua eineta. Capsula membranacea tubulosa aptera. Semina... Frutex ramosus in truneis emortuis arborum Brasiliensium scandente- radicans; caulibus lignosis tenuibus tumido - artieulatis; foliis oblongis ser- rato-dentatis acutis brevi petiolatis stipulatis vix obliquis; eymis repetito- dichotomis in apice ramulorum axillaribus pedunculatis sexu distinctis; floribus masculis in alabastro obovatis, femineis pedicellatis in medio pedi- celli bibracteatis. 1) Trendelenburgia fruticosa Kl. Ramosa, radicans, subscan- dens; caulibus ramisque cinereis nodosis; foliis subaequalibus oblongis acu- minatis remote dentato -serratis inferne cuneato-integerrimis, supra saturate- viridibus, utrinque opacis, subtus pallidis hirtello-nervosis; petiolis bevibus evanescente-hirtellis; stipulis scariosis lanceolatis acuminatis; eymis pedun- eulatis axillaribus hirtellis repetito-dichotomis; floribus minutissimis; bracteis marcescentibus lanceolatis acute-acuminatis patentibus; germinibus cylindrieis exalatis, basi attenuatis. Ein kletternder, vielfach - verästelter, 4— 6b Fufs hoher Srauch mit rabenkieldicken, unterwärts dicht-knotigen, undeutlich - gerieften Zweigen. (') Dem Andenken des Philosophen, Herrn Professor F. A. Trendelenburg, bestän- digen Secretairs der Akademie der Wissenschaften, eines als Gelehrten wie als Mensch gleich ausgezeichneten Mannes gewidmet. Begoniaeeen- Gattungen und Arten. 173 Die Blätter sind’ 2— 3 Zoll lang und an der breitesten Stelle — 1 Zoll breit. Die Blattstiele 1,—2 Linien lang. Afterblättchen 3—4 Linien lang und 1!, Linie breit. Trugdoldenstiele 6—9 Linien lang. Männliche Blüthen 5 Linien -, weibliche Blüthen 4 Linien im Durchmesser. Fruchtknoten 1 Linie lang und !; Linie im Durchmesser. Auf der Serre d’Estrella in Brasilien von dem verstorbenen Sello ent- deckt. Nicht in Kultur. IX. Ewaldia(') Kl. a: Flores monoiei albi pubescenti-villosi masculi et feminei cymosi; cymis dichotomis pedunculatis in apice ramorum axillaribus. Masculi: Pe- tala 4, exteriora plana suborbicularia, interiora minora obovata, extus con- vexa, dorso carinata, basi attenuata. Stamina 25—30 toro subplano inserta aequilonga; antheris oblongis utrinque obtusis, apice breviter productis extrorsis remote bilocularibus; filamentis liberis antheris sublongioribus. Flores feminei: Petala 5 subaequalia obovata patentia, extus puberula. Ovarium inferum trigonum triloculare inaequaliter trialatum. Ovula in pla- centis e loculorum angulo centrali integerrimis pedicellatis (sectio transversa ovata vel oblonge et obtuse-triangularis) creberrima utrinque truncata ana- tropa. Stylus persistens glaber tripartitus. Stigmata bieruria tortuosa erecta, fascia papillosa bis spiraliter torta antice continua eincta. Capsula triquetra trilocularis monoptera alis 2 minimis, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscers. Semina innumerabilia minutissima oblonga reticulata exalbumi- nosa, utrinque truncata. Frutices villosi Brasilienses ; foliis inaequaliter reniformi-cordatis den- ticulatis lobatis; stipulis scariosis magnis deciduis; floribus eymosis longe- pedunculatis axillaribus albis; capsulae villosae alis binis angustis, tertia maxima. i 1) Ewaldia Ferruginea Kl. Fruticosa, ferrugineo-hirsuta; caule elato, apice ramoso; foliis oblique cordatis duplicato - dentatis, transverse oblongis acutis, postice auriculatis, margine superiore lobo magno instructis, supra sparsim-subtus dense hispidis; petiolis ferrugineo-hirsutis; cymis (#) Dem Andenken des Geognosten, Herrn Dr. J. W. Ewald, meines hochgeschätzten Collegen in der Berliner Akademie der Wissenschaften gewidmet. 474 Kıorzscn: divaricatis in apice ramoruuw axillaribus pedunculatis hirsutis; floribus brac- teisque pilosis albidis, ala maxima patente obtusa. Begonia vernicosa Hort. Berol. Stamm 2—3 Fuls hoch, an der Spitze verästelt. Blätter 3 Zoll lang und 5 Zoll breit, die Ausbuchtung der Lappen an der Insertion des Blatt- stiels eng. Trugdoldenstiele 5 Zoll lang. Trugdolden wiederholt-gegabelt, auseinandergespreitzt. Gröfster Fruchtflügel länglich, abstehend, abgerun- det, 9 Linien breit und 5 Linien hoch. Im mittägigen Brasilien von Sello entdeckt. In den Gärten als Be- gonia vernicosa verbreitet. 2) Ewaldia lobata Kl. Fruticosa, villoso-tomentosa; foliis in- aequaliter reniformibus obtuse lobatis denticulatis acutis transverse oblon- gis, postice auriculatis, supra sparsim-subtus dense hirsutis; petiolis villoso- tomentosis; stipulis ovato-oblongis acutis, extus pilosis; fructuum ala maxima elliptica horizontali. Begonia lobata Schott in Sprengel Syst. veg. cur. post., p. 408. Begonia velutina Hort. Vind. B. Galeottü Hort. Berol. Stamm 3—4 Fufs hoch. Blätter 2—4 Zoll lang und 5—7 Zoll breit. Blattstiele 1 — 4% Zoll lang. Trugdoldenstiele 2—7 Zoll lang. Gröfster Fruchtflügel elliptisch, abstehend, 6 Linien lang und 4—5 Linien breit. Von Schott und Sello in Brasilien entdeckt. Befindet sich unter den oben erwähnten Namen in Gärten kultivirt. X. Reichenheimia (') Kl. Taf. IV. A. Flores monoiei albicantes roseo tincti corymbosi. Corymbi radicales. Masculi: Petala 4, exteriora concaviuscula oblongo-orbicularia, extus pu- berula, interiora subspathulata, extus convexiuscula. Stamina numerosa toro convexo inserta aequilonga; antheris clavatis obtusis in filamenta atte- nuatis per rimas laterales, inferne angustas dehiscentibus; filamentis liberis minutissime muricatis filiformibus antherarum longitudine. Flores feminei: (') Dem Andenken und den Verdiensten der Herren Fabrikbesitzer Gebrüder Leonor und Moritz Reichenheim in Berlin, welche durch die Kultur einer Auswahl seltener, schöner und zum Theil sehr kostbarer Pflanzen anderen Pflanzenliebhabern mit einem guten Beispiele vorausgehen und dadurch der Kunst und Wissenschaft indireet nützen, gewidmet. Begoniaceen - Gattungen und Arten. 175 Petala 5 patentia obovata. Ovarium inferum trigonum triloculare inaequa- liter trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali integerrimis pedicellatis, (sectio transversa hastata, apice angustata) cereberrima utrinque truncata anatropa funiculis longis instructa. Stylus brevis persistens glaber trifidus. Stigmata flabellatim - dilatata brevissime bicruria fascia papillosa semel spiraliter torta antice continua cincta. Capsula triquetra trilocularis subaequaliter trialata, alis subangustis basi attenuatis, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiseens. Semina innumerabilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa, utrinque attenuata. Herbae subacaules tuberosae Indiae orientalis; foliis magnis sub- aequilateris longe petiolatis cordatis, margine dentatis; scapis radicalibus ramoso -subumbellatis; floribus albidis roseo tinctis. 1) Rteichenheimia Thwaitesii Kl. Acaulis, rubro-pilosa; foliis vix inaequilateris longiusceule petiolatis cordatis acutis vel acuminatis ob- scure lobatis erenato-serratis intense viridi-purpureis albo-maculatis, utrin- que pilis copiosis purpureis velutinis, margine nudis; stipulis ovatis acumi- natis; scapis plurimis petiolis brevioribus; floribus subumbellatis ex albido-roseis; capsulae alis tribus angustis rotundatis subaequalibus dupli- cato - ciliatis. Begonia T'hwaitesii Hooker, Bot. Mag., t. 4692. Wurzelstock knollenartig. Stamm fehlend. Blätter knollenständig, lang-gestielt, breit-herzförmig, zugespitzt, fast gleichseitig; die Ausbuchtung tief, die Lappen abgerundet, am Rande gezähnt, von grünlicher Kupfer- farbe, weifsgefleckt, unterhalb fast purpurroth, auf beiden Flächen roth- haarig. Die gestielten, schirmartigen Blüthenschafte behaart, kürzer als die Blattstiele. Bracteen eiförmig, gelblich-grün. Kapseln sparsam behaart. In Bezug auf Farbe und Lüster der Blätter eine der schönsten aller Begoniaceen, durch Herrn Thwaites, Vorsteher des botanischen Gartens zu Peradenia auf Ceylon, im Jahre 1851 in England eingeführt. 2) Reichenheimia subpeltata Kl. Acaulis, pilosa; foliis cordato- orbieularibus subangulatis dentatis, utrinque pilosis subpeltatis longe petiolatis radicalibus; petiolis pilosis; racemis paucifloris pedunculatis radicalibus plu- rimis glabris petiolis sublongioribus; floribus albidis; capsulae alis tribus subaequalibus, basi attenuatis, apice truncatis. Begonia subpeltata Robert Wigbht, Icones plant. Ind. or.,t:4812. 176 Kıorzsce: Knollen von der Gröfse einer Herzkirsche. Blätter 41, Zoll im Durch- messer, Yrippig, behaart, von zarter Textur, scharf gezähnt mit einer Ausbuchtung an der Basis, welche einen spitzen Winkel bildet. Blattstiel knollenständig, gedreht, behaart, auf der Vorderseite der Länge nach ge- rinnelt, 6 Zoll lang. Traubenstengel kahl, schlank, 4—5blumig, 7—9 Zoll lang. Auf Malabar zu Hause. Nicht in Kultur. Diese Gattung scheint in Ostindien zahlreich vertreten zu sein. Die Unvollständigkeit des mir zu Gebote stehenden Materials gestattet jedoch nur Vermuthungen, keine bestimmten Nachweise. Mit Bestimmtheit vermag ich nur anzugeben, dafs die von Royle in den Illustrations of Himalayan plants auf Tafel 80, Fig. 1 abgebildete Begonia echinata Wall. zur Gattung Reichenheimia gehört. XI Gurltia(') Kl. Taf. IV. B. Flores monoiei eymosi. Cymae multiflorae pedunculatae axillares. Masculi: Petala 4 candida, exteriora majora orbicularia concaviuscula, extus pilosa, interiora reflexa anguste-oblonga obtusa, basi attenuata. Stamina numerosa toro subplano inserta aequilonga; antheris clavatis obtusis in fila- menta attenuatis per rimas laterales angustas dehiscentibus; filamentis liberis filiformibus, antherarum longitudine. Flores feminei: Petala 5 patentia obovata inaequalia, extus pilosa. Ovarium inferum trigonum triloculare subaequaliter trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali in- tegerrimis pedicellatis, (sectio transversa cordato-ovata subacuta) creberrima oblonga anatropa. Stylus brevissimus persistens glaber trifidus. Stigmata bieruria strieta fascia papillosa bis spiraliter torta inferne continua cincta. Capsula triquetra trilocularis pilosa trialata, alis apice truncatis inaequalibus, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumerabilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. (') Dem Andenken des Geheimen Medicinal-Rath, Professor Gurlt, Director der Thier- arzneischule in Berlin, eines ausgezeichneten Thier- Anatomen und Physiologen, der in der Botanik wohl bewandert und dafür literarisch, wenn auch nur anonym, wirksam gewesen ist, gewidmet. Begoniaceen-Gattungen und Arten. 477 Frutices erecti ramosi Brasilienses; foliis mag transverse-ovatis acutis subangulato -dentatis villoso - pubescentibus; cymis nis oblique cordatis pedunculatis axillaribus dichotomis divaricatis. 1) Gurltia tomentosa Kl. Fruticosa, villoso-hirtella; foliis in- aequaliter reniformi-cordatis, transverse ovato-oblongis acutis repando-sub- undulatis crenato - dentatis eiliato setosis, supra hirtellis, subtus ferrugineo- villosis; petiolis villosis; eymis bis dichotomis longissime pedunculatis; pedunculis ferrugineo-villosis; floribus albidis bracteisque extus pilosis; fructuum alis binis angustis, tertia maxima acutangula. Begonia tomenlosa Schott, Curae posteriores in System. vegetab. eurante Curt. Spreng. Append., p. 408, n. 48. Stengel aufrecht, verästelt, 2—3 Fufs hoch, von der Dicke eines kleinen Fingers, wie die Unterseite der Blätter und Blattstiele rost- farben, zottig-filzig. Blätter 21, Zoll lang und 5—7 Zoll breit. Blattstiele 2—3 Zell lang. Afterblättchen breit-lanzettförmig, zugespitzt, äufserlich zottig, 7 Li- nien lang und an der Basis 3— 4 Linien breit. Trugdolde wechselständig, doppelt-gegabelt, 7— 9 Zoll lang gestielt. Bracteen und Blüthen äufser- lich behaart. In Brasilien von Schott in Schönbrunn entdeckt. Nicht in Kultur. 2) Gurltia rigida Kl. Fruticosa, pilosa; foliis inaequaliter cor- datis transverse-ovatis acutis crenato-dentatis setoso-ciliatis, supra sparse hirtellis, subtus in nervis villosis; petiolis articulato-pilosis; cymis axillari- bus bis dichotomis longe pedunculatis; pedunculis pubescentibus; flo- ribus albidis bracteisque extus pilosis vix ciliatis; pedicellis pubescenti- tomentosis. Begonia rigida Hortus Turicensis. Stengel aufrecht, 2—3Fufs hoch. Blätter 3%, Zoll lang, 51, Zoll breit. die herzförmigen Lappen der Ausbuchtung sich deckend. Blattstiel 3 Zoll lang. Trugdoldenstiel 6 Zoll lang. In Brasilien einheimisch. Im Züricher botanischen Garten in Kultur, von woher mir durch den Herrn Garteninspector Regel ein Blüthenexemplar mitgetheilt wurde. 3) Gurltia Meyeri Kl. Fruticosa, erecta, ramosa, incano -villosa; foliis magnis oblique cordatis, transverse ovatis acutis leviter angulatis den- tatis, subtus incano-villosis, in nervis petiolisque subferrugineo-tomentosis; Phys. Kl. 1854. Z 178 Krorzscn: stipulis semiorbiculatis apieulatis, extus albido-villosis; eymis dichotomis longe pedunculatis pubescentibus; floribus albis congestis villosis; bracteis magnis albidis ovato-orbieularibus acutis, extus villosis, margine fimbriatis; capsulae pubescentis alis inaequalibus apice truncatis, inferne attenuatis. Begonia Meyeri Otto et Dietrich, Allgemeine Gartenzeitung IV, p- 349 nec Hooker, nec Walpers. Stamm aufrecht, 3—4 Fufs hoch, fingerdick, verästelt. Blätter 3Zoll lang, 7 Zoll breit. Blattstiele 3—4 Zoll lang, auf der oberen Seite mit einer seichten Furche versehen. Afterblättchen 9 Linien lang und 1 Linie breit; im späteren Zustande der Entwickelung mit zurückgeschlagenen seit- lichen Rändern. Gröfster Fruchtflügel an dem abgestutzten oberen Ende !, Zoll breit, an der Basis 1 Linie breit und 9 Linien lang. Ist in Brasilien zu Hause, durch Riedel im botanischen Garten zu Petersburg lebend eingeführt und von dort her weiter verbreitet worden. XII. Scheidweileria (') Kl. Ma IV...G: Flores monoici albi minuti ramosissime cymosi; cymis masculis et fe- mineis distinctis repetito-dichotomis pedunculatis in apice ramorum axillari- bus. Masculi: Petala 4 oblongo-orbicularia subaequalia parva albida, dein reflexa. Stamina numerosa inaequilonga toro subplano inserta; antheris brevissimis utrinque emarginatis extrorsis remote bilocularibus; filamentis filiformibus liberis antheris multo longioribus. Flores feminei: Petala 5 sub- aequalia parva erecta ovato-orbicularia glabra. Ovarium inferum trigonum triloculare aequaliter trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali integerrimis pedicellatis (sectio transversa breviter ovata obtusa) cre- berrima oblonga anatropa. Stylus tripartitus glaber persistens; stigmata bieruria tortuosa erecta, fascia papillosa ter spiraliter torta antice continua eincta. Capsula triquetra trilocularis aequaliter obtuse trialata, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumerabilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. (') Dem Andenken des Herrn Professor Scheidweiler zu Ledeberg bei Gent in Bel- gien, einem eifrigen Botaniker, der die ersten in Europa lebend eingeführten beiden Arten dieser Gattung als Begonia muricata und B. /uxurians beschrieben hat, gewidmet. Begoniaceen-Gaitungen und Arten. 179 Frutices erecti robusti subsimplices in fruticetis aridis Brasiliae et Andium Peruviae orientalis erescentes; foliis subaequalibus palmatim quin- que-septemlobatis aut plerumque in speciebus brasiliensibus digitatis, lobis foliisque argute-serratis; cymis dichotomo-ramosissimis divaricatis longe pe- dunculatis sexu distinctis. * Folia simplieia palmatim -lobata. 1) Scheidweileria pareiflora Kl. Fruticosa, robusta, erecta; fo- lüis longe petiolatis cordatis subaequilateris quinque aut septemlobatis, lobis acutis incisis duplicato-serrulatis ciliatis, supra glabriusculis, subtus in nervis venisque ferrugineo-tomentosis; cymis longe pedunculatis divaricatis repe- tito-dichotomis; capsulae alis angustis aequalibus. Begonia parviflora Poeppig et Endlicher, Nova Genera ac Spec. pl... p- 7, n.2, t.12. Stamm einfach, aufrecht, 6—12 Fufs hoch und ,—1 Fufs im Durch- messer, zuweilen an seiner Spitze sparsam verästelt, dessen Holz weich und zerbrechlich und von einer glatten, weifslichen Rinde bekleidet. Blät- ter 9 Zoll bis 2 Fufs lang und breit. Blattstiele 2 Fufs lang und von der Dicke einer Schwanenfeder. Trugdoldenstiele 1—2 Fufs lang, nahe des Stammgipfels oder seiner Verzweigungen achselständig, leicht mit einem rost- farbenen Filze bedeckt. Auf den östlichen Abhängen der Anden von Peru von Pöppig ent- deckt. Nicht in Kultur. ** Folia digitata. 2) Scheidweileria muricata Kl. Caule simplici erecto nodoso muricato; foliis alternis digitatis quinatis septenisve novenatis, foliolis lan- ceolatis acuminatis inaequaliter argute serratis, utrinque lucidis glanduloso- muricatis; petiolis teretibus; stipulis parvis caducis; cymis repetito - dicho- tomis hispidulis plerumque sexu distinctis longe pedunculatis; bracteis parvis ovatis ciliatis deciduis; germinibus pubescentibus. Begonia muricata Scheidweiler in Otto et Dietrich, Garten- zeitung IX, p. 166 nec Blume. B. pentaphylla Walpers, Repertor II, p: 209, n. 39. Der 3— 6 Fufs hohe Stengel ist einfach, knotig-gegliedert, unten nackt und holzig, von einem Zoll Durchmesser, oben, wo er noch kraut- artig ist, mit Weichstacheln bekleidet. Blätter gefingert, 5—7- oder 9zäh- Z2 180 Krorzsc: lig, mit 6 Zoll langen, weichstachlich-behaarten Blattstielen versehen. Blätt- chen 6—9 Zoll lang und 1,—2 Zoll breit. Blattstielchen eben so, wie die allgemeinen Blattstiele behaart, 5—10 Linien lang. Trugdoldenstiele 1—2 Fufs lang, bis zur Dicke eines Schwanenkiels, gleich den 6fach wiederholt gabelförmigen Verästelungen kraus-pubeseirend. Blüthen und Kapseln sehr klein, letztere auf den Klappen pubescirend. In Brasilien einheimisch. Seit dem Jahre 1837 in Belgien eingeführt und von dort aus verbreitet. 3) Scheidweileria luxurians Kl. Caule nodoso cylindraceo tu- berculato hispido, infra nodos hirsutissimo ; foliis magnis digitatis, foliolis 11—17 lanceolatis, subplicatis acutis, basi in petiolulum compressum atte- nuatis, margine argute serratis, utrinque sparsim hispidis, supra saturate viridibus, subtus pallide rubescentibus; petiolis teretibus elongatis setoso- hispidis rufescentibus; floribus masculis parvis roseis. Begonia luxurians Scheidweiler in Otto et Dietrich, Garien- zeitung XVI, p. 131. Aus der perennirenden Wurzel treten mehrere 3— 4 Fufs hohe, ge- röthete Stengel hervor. Die gefingerten Blätter haben über einen Fufs im Durchmesser. Die Blättchen sind 6—7 Zoll lang und 1 Zoll breit. Blatt- stiel geröthet, stielrund, 5—6 Zoll lang. Blumenblätter rosenroth. Auf dem Orgelgebirge in Brasilien an den Rändern der Wälder in feuchten Örtlichkeiten zwischen Steinen wild vorkommend. Herr De Jonghe in Brüssel erhielt diese Art im Jahre 1848 lebend. 4) Scheidweileria dıgitata Baddi. Caule subsimpliei cylindrico hispidulo; foliis digitatis subundenis, foliolis lanceolatis inaequaliter serratis acuminatis, basi longe attenuatis subsessilibus, utrinque sparsim scabris, supra saturate-subtus pallide viridibus; capsulae alis rotundatis aequalibus. Begonia digitata Raddi Mss. ex Sprengel Syst. veg. II, p. 626. B. verticillata Vellozo, Flora Fluminensis X, t. 45. Stamm cylindrisch, oberwärts einfach verästelt. Blätter gefingert. Blättchen 6—8 Zoll lang und 1—11, Zoll breit. Stiel und Verzweigungen der Trugdolde schwindend filzig- pubescirend, im trocknen Zustande rostfarben. In Brasilien wie es scheint ziemlich verbreitet. Nicht in Kultur. Begoniaceen =(@ atlungen und Arten. 181 5) Scheidwerleria inciso-serrata Kl. Caule robusto cylindrico, apice subramoso; foliis digitatis quinatis-novenatis; petiolis dense pubescente- hirsutis; foliolis distincte petiolulatis oblongis inaequilateris acuminatis irre- gulariter argute serratis, basi obtusis, supra medium dilatatis lobato - incisis, supra saturate viridibus sparsim scabris, subtus pallidis hirtello-nervosis; stipulis maximis oblongis glabris integerrimis mucronatis cadueis; cymis longe pedunculatis dichotomo -ramosissimis dilatatis ferrugineo - hirsutis; flo- ribus femineis in alabastro pubescentibus. Stamm walzenförmig, einfach, an der Spitze verästelt, knotig-ge- gliedert und schwindend borstig-zottig. Blattstiele rauh, von der Dicke eines Rabenkiels und 6—15 Zoll lang. Blättchen I—12 Zoll lang, breit und sichelförmig gebogen, gewöhnlich nur am Rande der breiteren ungleich- Hälfte lappenförmig eingeschnitten, 2, — 4 Zoll breit. Blättchenstiele ebenfalls rauh und ,—1 Zoll lang. Trugdoldenstiele fufslang. Männ- liche Blüthen sehr klein, kahl. Weibliche Blüthen in der Knospe sparsam pubeseirend. : In Brasilien von Sello entdeckt. Nicht in Kultur, XIII. Lepsia (‘) Kl. TatsıV 2A: Flores parvi monoici cymosi axillares sexu distineti. Masculi: Pe- tala 4 biserialia inaequalia, exteriora majora brevi obovata, interiora anguste oblonga. Stamina inaequilonga brevia; filamenta racemosim monadelpha; antherae breves utrinque subacutae, loculis lateralibus ovalibus brevibus. Femineis: Petala 5 subaequalia supera pluriseriatim imbricata. Ovarium inferum trigonum triloculare trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali integris pedicellatis (sectio transversa ovato-lanceolata,) utrin- que oyuliferis creberrima, anatropa. Stylus persistens glaber trifidus. Stigmata arcuatim bieruria, fascia papillosa ter spiraliter torta basi continua eincta. Capsula membranacea turbinato-triquetra trilocularis inaequaliter trialata bracteis 2 lanceolato -linearibus acuminatis persistentibus suffulta, ad (') Dem Andenken des berühmten Alterthumforschers, Herrn Professor Lepsius in Berlin, der auch auf seiner an Resultaten überaus reichen Reise nach Ägypten der Botanik eingedenk war, gewidmet. 182 Krorzsca: alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumerabilia minu- tissima oblonga reticulata exalbuminosa. Fruticuli lignosi scandentes ramosissimi in sylvis montanis humidis umbrosis Americae tropicae erescentes; foliis subsessilibus minutis semicor- datis ovalibus obtusis argute serratis, subtus albido -papillosis; stipulis sca- riosis longissime acuminatis persistentibus ; pedunculis paueifloris axillaribus. 1) Lepsia Joliosa Kl. Fruticosa, ramosissima, scandens, glabra; foliis oblongis acutis sessilibus glaberrimis, basi inaequaliter subcordatis, margine ciliato-serratis supra saturate viridibus, subtus pallidis albido- punctato - pustulatis; stipulis ovatis mucronatis unicostatis persistentibus in- aequilateris pellucidis; eymis femineis bifloris filiformi-pedunculatis glabris; bracteis duabus ad basim germinis magnis ellipticis mucronatis; capsulae ala maxima obtusangula, inferne attenuata. Begonia foliosa Humb., Bonpl., Kth., Nov. gen. ex spec. pl. VII, p- 140, t. 642. B. microphylla Herb. Willd., n. 17572. Stamm kahl, dünn, sehr verästelt, braun, längsgefurcht, 1— 11, Fufs lang. Blätter 6— 8 Linien lang und 3— 3%; Linien breit. Afterblättchen 2%, Linien lang und 1'; Linie breit. Trugdoldenstiele $—9 Linien lang. Die den Fruchtknoten stützenden beiden Bracteen 3 Linien lang und 2 Linien breit. Gröfster Fruchtflügel 6 Linien lang und oberwärts 4 Linien breit. Schon von Humboldt und dessen Begleiter Bonpland entdeckt. Nicht in Kultur. 3) Lepsia microphylla Kl. Fruticosa, ramosissima, scandens; caule sulcato robusto ramisque fuseis pulverulento-floccosis; foliis brevi pe- tiolatis oblique obovatis ciliato-serratis, basi inaequaliter attenuato - emargi- natis, supra saturate viridibus, subtus pallidis albido - punctato- pustulatis; stipulis lanceolatis longe mucronatis unicostatis persistentibus inaequilateris pellueidis; eymis filiformi-pedunculatis, masculis 5 floris, femineis bifloris; bracteis duabus ad basin germinis lanceolatis longe mucronatis; capsulae ala maxima rectangula orbiculato-obtusa, inferne nec attenuata. Lepsia folıosa Tab. nostra V. A. Stamm braun, gerieft, von der Dicke eines Schwanenkiels, 3—4 Fufs lang, pulverig-flockig-pubeseirend. Blätter 4—6 Linien lang und 1, — 2%, Li- nien breit. Afterblättchen 2—3 Linien lang und 1 Linien breit. Trugdol- denstiele 2—3 Linien lang. Blume fleischfarben. Die den Fruchtknoten Begoniaceen - Gattungen und Arten. 183 stützenden beiden Bracteen 2 Linien lang und 3, Linie breit. Gröfster Frucht- flügel 2 Linien breit und 21, Linien hoch. In schattigen, feuchten Waldungen bei Merida in Venezuela von Herrn C. Moritz entdeckt und getrocknet unter no. 1263 eingesandt. Nicht in Kultur. 3) Lepsia Poeppigiana Kl. Fruticosa, scandens, glabra, ramosa; caule ramisque tenuibus leviter striatis ; foliis obovatis acutis brevi petiolatis tenue membranaceis basi oblique emarginatis, utrinque laete viridibus ciliato- serratis, subtus albido-punctato-papillosis; stipulis late lanceolatis persisten- tibus longe mucronatis; cymis femineis filiformi-pedunculatis unifloris; bracteis duabus ad basin germinis minutissimis; capsulae ala maxima superne latiore obtusa, inferne attenuata. Begonia foliosa Poeppig Herb., nec. Humb., Bonpl., Kth. Stamm schlank, 1—1!, Fufs lang, kahl, von der Dicke eines Raben- kiels, leicht gerieft. Blätter 4—6 Linien lang und 2—3Linien breit. After- blättchen 2 Linien lang und 1 Linie breit. Trugdoldenstiele 4— 5 Linien lang. Blüthen- und Fruchtstiele 5 Linien lang. Die den Fruchtknoten stützenden beiden Bracteen °, Linie lang. Gröfster Fruchtflügel 3 Linien breit und 4 Linien hoch. Von dem Professor Pöppig in Leipzig in Waldungen von Peru ent- deckt. Nicht in Kultur. XIV. Doratometra(') Kl. Lat: VesrBs Flores monoici albi racemosi. Masc. Petala 4 biserialia inaequalia, exteriora majora orbicularia, intus convexa, interiora anguste obovata, apice incurva. Stamina 20—25 inaequilonga racemosim-connata; filamenta ab apice usque ad basim racemoso-monadelpha; antherae parvae breves, utrin- que obtusae, loculis lateralibus abbreviatis. Fem. Petala 5 inaequalia obovata parva. Stylus persistens glaber tripartitus. Stigmata bicruria, fascia papillosa bis spiraliter torta, antice ad basim continua eincta. Ovarium in- ferum trigonum triloculare trialatum, alis aequalibus pedicellato-glandulosis. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali integris pedicellatis, (sectio (') Aus den griechischen Wörtern do3u und Kyrg« zusammengesetzt. 184 Kırorzscn: transversa cordato - sagittata) utrinque ovuliferis creberrima anatropa. Cap- sula membranacea ovato-triquetra trilocularis, aequaliter trialata, apice attenuata, basi ebracteata, ad alarum originem per rimas arcuatas de- hiscens. Semina innumerabilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. Suffrutex Indiae orientalis; caule erecto puberulo gracili succulento; foliis semicordatis dentatis acutis; petiolis longis; stipulis parvis inaequilon- gis pilosis deciduis; racemis filiformi - pedunculatis 2—4 floris. 1) Doratometra VVallichiana Kl. Caule gracili sueculento sub- ramoso puberulo semipellucido; foliis longe petiolatis semicordatis, trans- verse ovatis acutis sublobato-grosse dentatis, margine pilosis, supra sparsim setosis laete viridibus, subtus glabris; stipulis parvis inaequilongis ovatis acutis pilosis caducis; racemis longe pedunculatis 2 — 4 floris; germinibus ovatis, apice attenuatis undique pedicellato - glandulosis. Begonia Wallichiana Steudel. Ein schlanker, 2—3 Fufs hoher, wenig verästelter, saftiger Halb- strauch. Blätter 1,—2 Zoll lang und 2,—3!; Zoll breit. Blattstiele 1—3 Zoll lang. Afterblättchen 1—1%, Linie lang. Traubenstiele 1 Zoll-, Blü- thenstiele 4—°, Zoll lang. Kapseln 7 Linien lang und unterwärts 5 Linien im Durchmesser. Fruchtflügel 1%, Linie breit. In Östindien einheimisch. Wird nur in botanischen Gärten kultivirt. XV. Steineria(') Kl. TakrVorG Flores parvi cymosi monoici. Masc. Petala 4 biserialia inaequalia, exteriora majora obovato-orbicularia, interiora obovata. Stamina numero- sissima; antherae breves obovatae, apice truncatae, loculis lateralibus; fila- menta in columnam crassam oblongam racemosim-monadelpha. Fem. Pe- tala 5 pluriserialia inaequalia parva obovata. Ovarium inferum trigonum triloculare subaequaliter trialatum puberulum. Ovula in placentis e locu- lorum angulo centrali integris pedicellatis (sectio transversa ovato-triangularis) utrinque ovuliferis creberrima anatropa. Stylus persistens glaber brevissimus (‘) Dem Andenken meines verehrten Collegen in der Akademie der Wissenschaften, des Mathematiker Herrn Professor Steiner in Berlin, gewidmet. Die früher für dieselbe Gat- tung von mir vorgeschlagene Benennung Ziessia bin ich gezwungen zurückzuziehen, weil sie inzwischen von dem Herrn Fresenius für ein Pilz- Genus vergeben worden ist. Begoniaceen-Gattungen und Arten. 185 tripartitus. Stigmata arcuatim bieruria, fascia papillosa ter spiraliter torta basi continua cincta. Capsula membranacea turbinato -triquetra trilocularis anguste trialata, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumerabilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. Frutices magni elati Brasilienses; foliis magnis incurvo-obovatis den- tatis acutis incurvis, basi semicordatis, supra glabris opacis, subtus dense et minutissime lepidotis; stipulis caducis; cymis pedunculatis axillaribus di- varicato - dichotomo-ramosis; floribus parvis; capsulae alis subaequalibus rotundatis. 1) Sterneria ferruginea Kl. Ramis petiolis cymis nervisque atque ad paginam inferiorem foliorum pulverulento-tomentellis ferrugineis; foliis magnis incurvo-obovatis acutis semicordatis inaequilateris, versus apicem dentatis, supra saturate viridibus glabris, subtus dense et minutissime lepi- dotis, pallide ferrugineis; stipulis cadueis ovato-elongatis obtusis extus lepi- dotis, intus glabris; germinibus petalisque extus lepidotis; capsulae alis rotundatis, basi in pedicellum subattenuatis. Ein hoher, ausgebreiteter, verästelter Strauch. Blätter 1—1%, Fufs lang und 5—7 Zoll breit. Afterblättchen 3—4 Linien lang und 1,—2 Li- nien breit. Blattstiele zolllang. Trugdolden einen Fufs im Durchmesser. Trugdoldenstiele 6 Zoll lang. Blüthen und Kapseln 4 Linien im Durch- messer. Fruchtflügel 14 Linie breit und 3 Linien hoch. In Brasilien von Sello entdeckt. Nicht in Kultur. 2) Steineria pulchella Kl. Caule erecto ramoso glabro; foliis subminoribus incurvato-obovatis acutis semicordatis inaequilateris, versus apicem dentatis, supra saturate viridibus glabris, subtus nervis fuscescentibus exceptis, aeneis, minutissime et densissime lepidotis; petiolis brevibus costisque subtus evanescente hirtellis; cymis pedunculatis evanescente pubescentibus ; capsulae alis angustis rotundatis subaequalibus, basi in petiolum subattenuatis. Begonia pulchella Raddi mss. ex Sprengel Syst. veg. II, p. 626. Ein schlanker, verästelter, kahler Strauch. Blätter 5—7 Zoll lang und 2—3 Zoll breit. Blattstiele 3—4 Linien lang. Trugdolden 4 Zoll im Durchmesser, deren Stengel 2—3 Zoll lang. Früchte sammt den Flügeln 2 Linien im Durchmesser. Von Raddi, Sello, Meyen und Gaudichaud bei Rio de Janeiro in Brasilien gesammelt. Nicht in Kultur. Phys. Kl. 1854. Aa 186 Krorzsch: AYI. Pilderia(') Kl. Taf. VII A. Flores monoiei paniculati penduli. Masculi: Petala 4 subviridia, exteriora majora ovato-oblonga obtusa extus convexiuscula hirtella, interiora anguste oblonga breviora, utrinque glabra. Stamina 30 —40; antherae brevissimae obovatae, apice pulvinatim productae; filamenta longa filiformia, basi umbellatim monadelpha. Flores feminei: Petala 5 inaequalia late ob- longa obtusa in alabastro pluriseriatim imbricata. Germen trigonum hispi- dum triloculare inaequaliter trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali integerrimis pedicellatis (sectio transversa hastata oblonga obtusa) ereberrima, anatropa, sessilia. Stylus brevis tripartitus glaber per- sistens. Stigmata bicruria, fascia papillosa bis spiraliter torta, inferne con- tinua eincta. Capsula triquetra trilocularis hispidula inaequaliter trialata, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumerabilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. Frutex caracasanus erectus ramosus ferrugineo-villosus; caule ramis- que erectis exsuceis; foliis oblongis acutis basi semicordatis membranaceis rugoso-bullatis argute duplicato-serratis, supra hispidis, subtus nervoso-vil- losis; stipulis ovatis acuminatis aridis fuscescentibus, dorso villoso - costatis ; panicula ferrugineo-villosa terminali; floribus pendulis membranaceis laxis pallide virescentibus bracteis persistentibus suffultis. 1) Pilderia urticaefolia Kl. Caule exsucco tereti, ramis panicula petiolisque ferrugineo -villosis; foliis membranaceis oblongis inaequilateris rugoso-bullatis acutis subineisis duplicato - serratis, basi semicordatis deinde recurvatis, supra hispidis glabro-nervosis, subtus glabris minutissime albido- punetulatis ferrugineo-hirsuto-nervosis; panicula pyramidata multiflora; bracteis scariosis persistentibus obtusis ciliatis. Begonia urticaefolia Hort. Berol. Ein 2—3 Fufs hoher, aufrechter, verästelter, schlanker Strauch. Blätter anfangs gerade-abstehend, so, dafs die Blattfläche mit der Richtung (') Dem Andenken eines vorzüglichen Pflanzen-Cultivateurs, unter dessen sorgsamer Pflege die Palmen des hiesigen botanischen Gartens sich lange einer normalen Gesundheit erfreuten, des Herrn Obergärtner Pilder bei der Frau Bankier Friebe in Wilmersdorf bei Berlin, als ein Zeichen der Anerkennung gewidmet. Begoniaceen - Gallungen und Arten. 187 des Blattstiels eine gerade Linie bildet, später zurückgekrümmt, so, dafs die Richtung des Blattstiels zu der der Platte einen rechten Winkel zeigt und die frühere Länge des Blattes zur Breite wird, 3—4 Zoll lang und 11,—2 Zoll breit. Die Rispe 3—4 Zoll lang, ,—1 Zoll langgestielt; die Seitenzweige derselben zolllang, dünn, einfach, vielblumig und während der Blüthe hangend. In Venezuela von Karsten, Moritz und Wagener gesammelt und lebend in Deutschland eingeführt. °+ Flores masculi et feminei 4 petali. XYTI. Mezierea Gaudich. Flores monoiei, masculi et feminei in cymas repetite dichotomas pedun- culatas axillares dispositi. Masculi: Petala 4, exteriora maxima orbicu- laria, margine ceucullato-involuta, interiora angusta oblongo-lanceolata intus excavata. Stamina numerosa toro plano inserta;, antheris oblongis, apice sub- attenuatim-obtusis, basi emarginatis; filamentis liberis erectis anthera sub- brevioribus, basi dilatatis. Flores feminei: Petala 4, exteriora maxima et interiora angusta, forma ut in mare. Germen inferum teretiusculum oblon- gum, leviter tricostatum exalatum triloculare. Ovula creberrima, anatropa. Stylus usque ad basin tripartitus persistens glaber. Stigmata bieruria basi expansa, cruribus tortuosis, apice attenuatis, fascia papillosa bis spiraliter torta, inferne continua cinctis. Capsula oblonga exalata.. Semina innume- rabilia ovalia reticulata exalbuminosa. Frutex; foliis ovatis acuminatis, margine repando-crenatis inaequi- lateris, basi semicordatis; stipulis longissimis lanceolato - acuminatis, dorso costatis; cymis repetite dichotomis pedunculatis axillaribus folio suo bre- vioribus; bracteis longis angustis. 1) Mezierea Salaciensis Gaudichaud, Voyage de la Bonit (Bo- tanique), t. 32 absque descriptione. Stengel stielrund. Blätter 3—5 Zoll lang und 14, — 2, Zoll breit. Blattstiele und Afterblättchen +—1 Zoll lang. Trugdoldenstiele 1—2 Zoll lang. Blüthen % Zoll im Durchmesser. Früchte 6 Linien lang und 3 Linien im Durchmesser. Aa 188 Kıorzscn: Der Ursprung der Pflanze, wie der, der Namenbezeichnung ist völlig unbekannt. Sicher gehört sie einem Länderstriche an, aus welchem mir keine Begoniacee zu Gesicht gekommen ist und ich vermuthe daher, dafs sie den ost-afrikanischen Inseln angehören möge. Der Queerdurchschnitt einer Frucht in der Zeichnung zeigt Wandplacenten, dies ist jedenfalls unrichtig, weil es der Entwickelung dieses Organs bei den bis jetzt bekannten Formen dieser Familie durchaus widerspricht. °r Flores masculi 5 petali — feminei 3 petali. * Placentae bilamellatae. XVII. Rachia (') Kl. Tat: VE: \B. Flores monoieci magni albidi in cymas dichotomas parvas contractas longe pedunculatas axillares dispositi. Masculi: Petala 4 biserialia, exteriora oblongo-orbicularia magna, extus sparsim villosula, interiora angusta oblon- go-obovata glabra. Stamina numerosa aequilonga toro plano inserta; an- theris oblongis, utrinque obtusis, rimis longitudinalibus apice oblique con- niventibus instructis; filamentis liberis antheris subbrevioribus. Flores feminei: Petala 3 inaequalia biserialia, exteriora majora oblongo-orbicularia, intus glabra convexa, extus longe pilosa, interius parvum obovatum. Germen inferum pilosum trigonum triloculare subinaequaliter trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali geminis conniventim bilamellatis, utrinque oyuliferis creberrima, anatropa. Stylus brevis glaber persistens tripartitus; stigmatibus bieruribus, basi subdilatatis, fascia papillosa bis spiraliter torta cinctis. Capsula membranacea pilosa turbinato-triquetra trilocularis subaequaliter trialata, ad alarum originem per rimas arcua- tas dehiscens. Semina innumerabilia minutissima oblonga reticulata exal- buminosa. Frutices simplices erecti tomentosi mexicani; foliis peltatis carnoso- subcoriaceis incano-tomentosis; stipulis latis deciduis acuminatis; cymis contractis longe pedunculatis; floribus submagnis albidis. (') Dem Andenken eines sehr vielseitig gebildeten Mannes und ausgezeichneten Pflanzen- Cultivateurs, des Kunstgärtner Herrn Louis Rach in Berlin, der eine grofse Pflanzenkenntnils besitzt und eben eine interessante Arbeit über die Ericeen des Thunberg’schen Herbars beendet hat, gewidmet. Begoniaceen- Gattungen und Arten. 189 1) Rachia peltata Kl. Caule erecto crasso simplici tomentoso; foliis carnoso-coriaceis peltatis orbiculari-ovatis acutis repando-crenatis, supra subtusque incano tomentosis; stipulis latis acuminatis septemnerviis, extus tomentoso-vellereis; petiolis longis teretibus incano-tomentosis; cymis con- tractis longissime pedunculatis pubescenti-tomentosis; floribus magnis albi- dis; petalis exterioribus pilosis. Begonia peltata Otto und Dietrich, Allgemeine Gartenzeitung IX, p. 58. Stamm dick, einfach, 1,—2 Fufs hoch. Blätter 5—7 Zoll lang und 4—51, Zoll breit. Blattstiele —6 Zoll lang. Trugdoldenstiele 8—15 Zoll lang. Blüthen 1 Zoll -, Kapseln 9 Linien im Durchmesser. Fruchtflügel 6 Linien lang und 3 Linien breit, oben abgestutzt. Kömmt auf trockenen, sonnigten Trachytfelsen in einer Höhe von 2,500 Fufs in Mexico vor, (Liebmann). Durch Schiede und Deppe lebend eingeführt und vom Berliner botanischen Garten aus verbreitet. 2) Rachia incana Kl. Caule erecto crasso simplici incano-tomen- toso; foliis peltatis minoribus ovatis acutis remote dentatis subangulatis, subtus albido-tomentosis, supra pallide viridibus subglabris; peduneulis longiusculis ramificationibusque cymae rubescentibus albido-villosulis; petalis albidis roseo tinctis utrinque glaberrimis. Begonia incana Lindley, Miscellaneous matters to the Botanic. Reg. 1841. n. 73. B. auriformis van Houtte, Hort. Berol. Der vorigen Art im Habitus sehr verwandt, nur in allen Theilen kleiner und schwächer und durch vorstehende Diagnose wohl unterschieden. Nach Liebmann kömmt sie in Mexico mit der vorhergehenden Art gemeinschaftlich vor. 3) Rachia Meyeri Kl. Caule elato erecto fruticoso; foliis car- nosis amplis peltatis oblongis, basi oblique auriculatis, margine leviter sinu- atis, undique molliter cano-tomentosis; cymis axillaribus longissime pedun- culatis rubescentibus villosulis; floribus magnis dense congestis longe pedicellatis; petalis exterioribus magnis, extus labmie! capsulis pallide-viri- dibus tenuissime membranaceis magnis aequaliter trialatis, apice truncatis. Begonia Meyeri Hooker, Bot. Mag., t. 4100 nec Otto et Dietrich. Diese Art scheint die gröfste der bis jetzt bekannten Rachien zu sein. Sie ist aus Versehen von Sir W. Hooker für eine Pflanze gehalten worden, 190 Krorzsch: die er aus dem Berliner botanischen Garten erhalten zu haben glaubte, vom Petersburger Garten ausgegangen sein sollte, in Brasilien zu Hause ist und zur Gattung Gurltia gehört. In der von Sir W. Hooker entworfenen Diagnose werden der weiblichen Blüthe 2 Blumenblätter zugeschrieben, während in der dazu gehörigen, von Fitch gefertigten Abbildung deutlich 3 Blumenblätter zu sehen sind. Sie stammt jedenfalls aus Mexico. Ob sie sich noch in Kultur befin- det, ist mir nicht bekannt. AIX. Diplochinium (') R. Wight, (Icones ete., excl. t. 1814.) Flores monoici eymosi. Masculi: Petala 4, exteriora majora orbi- cularia, interiora angusta, basi attenuata. Stamina numerosa inaequilonga, inferne monadelpha; antheris obovatis, apice rotundatis aut emarginatis in filamenta brevia attenuatis. Flores feminei: Petala 3, exterioribus duabus oppositis majoribus, tertia angustiore, basi attenuata. Germen trigonum glabrum triloculare aequaliter trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali bilamellatis ereberrima, anatropa. Stylus persistens, tri- partitus. Stigmata bieruria fascia papillosa inferne continua eincta. Capsula papyracea triquetra trilocularis aequaliter trialata ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumerabilia minutissima oblonga reti- culata exalbuminosa. Suffrutices herbacei Indiae orientalis acaules tuberosi aut caulescentes etuberosi subglabri; foliis in speciebus acaulibus aequaliter cordatis, in spe- ciebus caulescentibus semicordatis; eymis repetite dichotomis pedunculatis radicalibus aut axillaribus. « Acaules. 1) Diploclinium Arnottianum R. Wight. Acaule, nanum, tu- berosum; foliis orbicularibus acutis crenato - serratis aequaliter cordatis, (') Dieser von dem Herrn Lindley ursprünglich aufgestellte Name, welcher sämmtliche Begoniaceen mit gespaltenen Placenten, von mir in 24 deutlich unterscheidbare Gattungen getheilt, zu einer Gattung vereinigen sollte, konnte unmöglich adoptirt werden. Ich habe es demnach vorgezogen denselben nach Wight’s Definition für diejenigen ostindischen Arten in Anwendung zu bringen, deren weibliche Blüthen neben den gespaltenen Placenten mit 3 Blumenblättern versehen sind. Begoniaceen - Gattungen und Arten. 191 supra sparsim pubescentibus, subtus piloso-nervosis; cymis pluribus radi- dicalibus paucifloris foliis vix longioribus; capsulis obovatis, basi sub- attenuatis. D. Arnottianum R. Wight, Ic. plant. Ind. or. vol. V, t. 1815. Knollen von der Gröfse einer Kirsche. Gewächs krautartig, 5 Zoll hoch. Blätter 2—3 Zoll im Durchmesser. Blattstiele 1,— 21, Zoll lang. Trugdoldenstiele 3 Zoll lang. In dichten Wäldern Östindiens (Courtallum). Blühbt im Juli und August nach R. Wight. Nicht in Kultur. (') 2) Diploclinium cordifolium R. Wight. Rhizomate crasso; fo- lüs orbieularibus rotundatis cordatis dentatis, supra sparsim pubescentibus; petiolis longis radicalibus glabris; scapis solitariis glabris petiolis longioribus; cymis laxis expansis multifloris; floribus parvis; capsulis turbinatis, apice latis truncatis, basi attenuatis. D. cordifolium R. Wight, Ic. plant. vol. V, t. 1816. Das ganze Gewächs 9—12 Zoll hoch. Blätter 3—44, Zoll im Durch- messer. Blattstiele 5—6 Zoll lang. Trugdoldenstiel 6 Zoll lang. Trug- dolde 4 Zoll im Durchmesser. In Waldungen auf Malabar. Blüht im Juni (R. Wight). Nicht in Kultur. ß Caulescentes. 3) Diploclinium Lindleyanum R. Wight. Caulescens, herba- ceum, eramosum; caule gracili flexuoso glabro; foliis semicordatis trans- verse oblongis acuminatis repando- dentatis, dentibus argutis submucronatis, utrinque glabris; cymis repetite dichotomis dilatatis laxis brevi pedunculatis axillaribus multifloris; floribus parvis; capsulis aequaliter trialatis, apice truncatis, inferne attenuatis. Diploclinium Lindleyanum R. Wight, Icones plant. Ind. or. vol. V, 1,4817: Begonia malabarica Dryander, eine auf Tafel 86 im 9. Bande des Hort. Malab. abgebildete Begonia, deren weibliche Blüthen ebenfalls mit (') Diploelinium biloculare R. Wight t. 1814 hat einen hinfälligen Griffelapparat und gehört zu den Platycentreen. 192 Krorzscn: 3 Blumeublättern versehen sind und welche nach Robert Wight von der B. malabarica Roxbg als Species abweicht, ferner die folgende unter no. 4 diagnosirte Art aus Java gehören nicht allein zur Gattung Diploclinium, sondern scheinen auch mit D. Lindleyanum nahe verwandt zu sein, so nahe, dafs ich fürchte eine oder die andere der Arten werde bei genauerer Prüfung in die letztgenannte aufgehen. Unsere Pflanze ist schlank, unverästelt und 14,—2 Fufs hoch, Die Blätter 6 Zoll lang und 2 Zoll breit. Die Blattstiele 1—1%, Zoll lang. Die Trugdoldenstiele 1 Zoll lang. Die Trugdolden sparrig-auseinander gespreitzt, 6 Zoll im Durchmesser, aber kaum 3 Zoll lang. Männliche Blüthen 10 Li- nien -, weibliche Blüthen 8 Linien im Durchmesser. Auf Malabar und Courtallum einheimisch. Nicht in Kultur. 4) Diploclinium repandum Kl. Caule herbaceo strieto glabro simpliei; foliis semicordatis oblongis acuminatis repandis denticulatis laevi- bus, supra nitidis, subtus pallidis; capsulae alis aequalibus rotundatis. Begonia repanda Blume, Enum. plant. Jav. I, p. 97. Stengel 1—2 Fufs hoch, gerade, aufrecht, von der Dicke eines Gänsekiels. Blätter 4—5 Zoll lang und 1, —2 Zoll breit. Blattstiele 1—1!, Zoll lang. Trugdoldenstiele 1 Zoll lang. Bracteen oval, weich- stachelspitzig und parallel-Snervig. Trugdolden 3 Zoll im Durchmesser. Auf der Insel Java einheimisch. Nicht in Kultur. 5) Diploclinium bombycinum. Caule elato ramoso glabro; fo- liis semicordatis ovato-oblongis acuminatis denticulatis laevibus, supra ni- tentibus, subtus pallidis et in venis plerumque purpurascentibus; cymis axillaribus pedunculatis subcontractis; capsulae utrinque emarginatae alis aequalibus obtusis. Begonia bombycina Blume l.c.I, p. 9. Stengel kahl, verästelt, 3 Fufs hoch. Blätter 5— 6 Zoll lang und 24,—3 Zoll breit. Blattstiele ,—3 Zoll lang. Kapseln 10 Linien lang und 5 Linien im Durchmesser. Begoniaceen- Gattungen und Arten. 193 ** Placentae integrae pedicellatae. AX. Mitscherlichia (‘) Kl. nec Kunth. Tal VI. A. Flores monoiei cymosi. Masculi: Petala 4 biserialia, exteriora ma- jora suborbicularia, interiora angustiora obovata, basi attenuata. Stamina 30—60; antheris obovatis tumidis, basi in filamenta subattenuatis brevibus per rimas laterales dehiscentibus; filamentis in cylindrum plus minus longum monadelphis. Flores feminei: Petala 4 biserialia, exterioribus majoribus brevi-ovatis obtusis, interiore paryo. Germen inferum trigonum triloculare glabrum aequaliter trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo cen- trali integerrimis pedicellatis (sectio transversa oblongo-triangularis seu obtuse ovato-lanceolata) ereberrima, anatropa, sessilia. Stylus brevis trifidus glaber persistens. Stigmata bieruria, fascia papillosa bis spiraliter torta, inferne continua cincta. Capsula triquetra trilocularis glabra aequaliter trialata, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumerabilia minu- tissima oblonga reticulata exalbuminosa. Suffrutices acaules subtuberosi in sylvis Indiae orientalis crescentes; rhizomate perbrevi subtuberoso stipulis magnis instructo; foliis carnoso-sub- coriaceis orbieularibus peltatis longe petiolatis; cymis repetito - dichotomis pedunculatis; floribus speciosissimis roseis albis vel coccineis; bracteis parvis; capsulae alis aequalibus obtusis coloratis. 1) Mitscherlichia albo-coccinea Kl. Acaulis; foliis transverse ovatis obtusissimis suborbicularibus laterali- peltatis coriaceo - carnosis obtuse sinuatis, supra glaberrimis, subtus pallide punctatis nervoso - pubescentibus; petiolis longis appresso -hirtis; stipulis magnis ovatis acuminatis; cymis pe- dunculisque puberulis; petalis forum masculorum et femineorum exteriori- bus extus coceineis, intus pallide roseis, interioribus niveis; capsulae val- vibus viridibus, alis aequalibus rubro -marginatis. Begonia albo-coccinea Hooker, Bot. Mag., t. 4172. Lindley, Bot. Reg. New Series, 1.39. B. Grahamiana R. Wight, Icones plant. Ind.'or. v Wr. 18917° (') Dem Andenken der Herren Gebrüder Mitscherlich, des Chemikers, Geheimen Medizinal-Rath, und des Directors der pharmakologischen Sammlung, Professor an der hiesigen Universität, gewidmet. Die von Kunth aufgestellte Gattung Mitscherlichia ist von. Neea Ruiz und Pav. nicht verschieden. Phys. Kl. 1854. Bb 194 Krorzsen: Wurzelstock sehr kurz, fast knollenartig. Blattstiele 2—6 Zoll lang. Blätter 2—6 Zoll im Durchmesser. Afterblättchen schlaff, häutig, eiförmig, lang-zugespitzt, 1%, Zoll lang und an der Basis 4, Zoll breit. Trugdolden- stiele 1— 1%, Fufs a sammt den eneieungeg und Blüthenstielen schar- lachroth. Fruchtflügel an beiden Enden verdünnt. In dichten Waldungen (Courtallum) Östindiens. (R. Wight). Eine der schönsten Zierden unserer Warmhäuser. 2) Mitscherlichia coriacea Kl. Acaulis; foliis aggregatis longe petiolatis excentrice peltatis subcoriaceis brevi-ovatis acutis glanduloso-serra- tis, supra saturate viridibus concavis, subtus petiolisque purpureis; stipulis membranaceis roseis ovato-acuminatis; scapis folio longioribus, apice dicho- tomo-cymosis pedicellisque saturate roseis; petalis coccineo-subroseis; fructibus coccineis; capsulae alis subaequalibus, basi emarginatis. Begonia coriacea Hasskrl, Pl. Jav. rar., p. 209. B.peltata Hasskrl, Tijdschrift X, p. 133. B. Hasskarlü Zollinger msc. Herb. n. 1613. B. hernandiaefolia Hooker, Bot. Mag., t. 4676. Wurzelstock kurz. Afterblättchen häutig-rosenroth, eiförmig, lang- zugespitzt, 4 Zoll lang und % Zoll breit. Blattstiele 2, — 9 Zoll lang. Blätter 2—4 Zoll lang und 1}, =, Zoll breit. Trugdoldenstiele 6—12 Zoll lang. Zwei Fruchtflügel ee als der dritte. Von Herrn Hasskarl zuerst, später von dem Herrn Zollinger auf Java entdeckt. Nicht wie irrthümlich im Botanical Magazine angegeben, aus Central- America stammend. Wird mit Erfolg in unseren Warmhäusern kultivirt. “r Flores masculi 2-, feminei 5 petali. * Placentae longitudinaliter fissae. XXI Petermannia (') Kl. EENNE®: Flores monoici parvi cymosi. Masculi: Petala 2 aequalia cordato- orbicularia. Stamina numerosa inaequilonga connata, antherae breves bares apice truncatae u me lateraliter rimosae, rimis longitu- (') Dem Andenken des im Elke 1854 zu Leise ersten Botanikers, Professor und Custos des dortigen Universitäts-Herbariums Dr. Wilhelm Ludwig Petermann gewidmet. Begoniaceen-Gattungen und Arten. 195 dinalibus, apice subeonniventibus; filamenta racemoso-monadelpha. Feminei: Petala 5 pluriserialia inaequalia elliptica. Ovarium inferum trigonum trilo- culare subaequaliter trialatum glabrum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali geminis conniventim-lamellatis, utrinque ovuliferis creberrima, anatropa. Stylus persistens glaber tripartitus; stigmata lunato-dilatata, mar- gine sublobata brevi bieruria, eruribus divaricatis, fascia papillosa bis spira- liter torta antice continua einctis. Capsula triquetra trilocularis subaequaliter obtuse trialata, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumerabilia minutissima oblonga retieulata exalbuminosa. Frutices erecti graciles ramosi subglabri nodosi in insulis philippinis et Sumatra erescentes; foliis obliquis subincurvis dentatis serratis aut incisis brevi petiolatis; stipulis scariosis membranaceis; cymis repetito- dichotomis peduneulatis axillaribus. 1) Petermannia Cumingiana Kl. Gracilis, sparsim ramosa, gla- bra; caule erecto subgeniculato; foliis brevissime petiolatis oblongis incurvis acuminatis inaequilateris, basi oblique emarginatis, margine inciso - serratis, supra saturate viridibus, subtus pallidis fusco -nervosis; stipulis ovato - ob- longis rotundatis mucronatis scariosis; cymis parvis divaricatis brevi pedun- culatis; floribus parvis albidis; pedicellis florum femineorum sparsim setosis; capsulae alis subaequalibus obtusangulis, basi subattenuatis. Ein schlanker, kahler, 2 Fufs hoher, wenig verästelter Strauch. Blätter 3— 4 Zoll lang und 10 — 18 Linien breit. Blattstiele 1 — 1}, Linie lang. Afterblättchen 4 Linien lang und 11, Linie breit. Trugdolden 2 Zoll im Durchmesser, 4—1 Zoll lang gestielt. Blüthen 5 Linien im Durchmesser. Von dem Herrn Cuming auf den Philippinen entdeckt und in dessen Sammlungen unter no. 856 enthalten. Nicht in Kultur. 2) Petermannia Jasciculata Kl. Caule gracili rufescente piloso; foliis oblongo-ovatis acuminatis, basi semicordatis duplicato-serratis inaequi- lateris, supra rufescente setosis, subtus pubescentibus, inferioribus alternis, superioribus suboppositis; petiolis dense pilosis; stipulis linearibus acumi- natis pilosis; cymis brevissime peduneulatis in apice ramorum alternatim axillaribus; bracteis purpureis acutis pilosis; floribus albidis; capsulae alis subaequalibus obtusangulis. Bb 2 196 Krorzscn: Begonia fasciculata William Jack, Descriptions of Malayan plants in Calcutta Journal of nat. hist. v. IV. 1844. p. 345. Endeckt von W. Jack zu Tappanuly, an der Westküste von Sumatra. Nicht in Kultur. 3) Petermannia racemosa Kl. Suberecta, glabra; foliis obo- vato-oblongis acuminatis basi attenuatis semicordatis irregulariter dentatis brevi petiolatis; stipulis magnis oblongis; cymis florum masculorum pedun- culatis axillaribus flore femineo unico intermixtis; petalis erassis carnosis; capsulae alis aequalibus rotundatis. Begonia racemosa W. Jack l.c. p. 346. Layang-layang Simpac Mal. Wächst im Inneren von Beucoolen (Sumatra). Nicht in Kultur. 4) Petermannia geniculata Kl. Caule sulcato compressiusculo glabro; foliis petiolatis ovato -oblongis semicordatis acuminatis denticulatis glabris; cymis repetito-dichotomis divaricatis; petalis albidis; capsulae alis aequalibus obtusangulis. Begonia geniculata W. Jack l.c. p.347. Rumput Udang Udang. Mal. Wächst in Sumatra. Die Eingebornen benutzen die Blätter dieser Pflanze zum Reinigen ihrer Dolche von Rostflecken (W. Jack). XXI. Moschkowizia(') Kl. ats VIII SA: Flores monoici albi parvi geniculato-cymosi. Masculi: Petala 2 op- posita oblongo-orbicularia, intus concava. Stamina numerosa toro plano inserta; antheris oblongis utrinque obtusis, apice in connectivum sterile productis, loculis lateralibus infra apicem rima longitudinali strieta de- hiscentibus ; filamentis anthera subbrevioribus liberis glabris. Flores feminei: Petala 5 biserialia, 3 exteriora aequalia subrotundato-elliptica concava ob- tusa, 2 interiora oblonga acutiuscula. Ovarium inferum trigonum triloculare inaequaliter trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali bi- lamellatis creberrima, anatropa, lamellis arcuatim conniventibus in stipitem exovuliferum conjunctis. Stylus trifidus glaber persistens, lobis bicornutis (') Dem Andenken des Herrn Kunst- und Handelsgärtner Moschkowitz in Erfurt, der sich durch die Einführung und Verbreitung mehrerer Begoniaceen verdient gemacht 5 5 g 8 hat, gewidmet. Begoniaceen - Gattungen und Arten. 197 subtortuosis, fascia papillosa bis spiraliter torta, inferne continua cinctis. Capsula turbinato-triquetra membranacea trilocularis inaequaliter trialata, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumerabilia mi- nutissima oblonga reticulata exalbuminosa. Fruticuli graciles flexuosi glabri ramosi caracasani; foliis petiolatis oblongis semicordatis minutissime spinuloso -dentatis; stipulis parvis ca- ducis; ceymis geniculato-dichotomis divaricatis pedunculatis glabris axilla- ribus; bracteis minutis ciliatis; floribus parvis albis; capsulae alis albidis obtusangulis. 1) Moschkowitzia fagopyroides Kl. Gracilis, glaberrima, fle- xuosa; caule purpurascente; foliis membranaceis deflexis petiolatis trans- verse ovatis acuminatis spinuloso - denticulatis semicordatis, supra laete viridibus nitidis, subtus pallidis impresso -nervosis minutissime papuloso- punctulatis; stipulis amplexicaulibus caducis oblongis membranaceis obtusis mueronulatis multinerviis glabris; cymis axillaribus brevi pedunculatis geni- culato-ramosissimis divaricatis glabris; ramificationibus tenuissimis; bracteis minutis lanceolatis versus apicem ciliatis; floribus parvis candidis; capsulae ala maxima rectangula rotundata, Begonia fagopyroides Kunth et Bouche, Index plant. hort. bot. Berol. 1848. Das ganze Gewächs 3—4 Fufs hoch, schlank, biegsam, verästelt, mit einer Neigung zum Klimmen. Blätter 1—1', Zoll lang und 2,—3 Zoll breit. Blattstiele ,— 1%; Zoll lang. Afterblättchen 7 Linien lang und 4 Linien breit. Trugdolden 3—5 Zoll im Durchmesser, deren Stengel 1—1!, Zoll lang. Von dem Herrn C. Moritz auf der Colonie Tovar bei Caracas in Ve- nezuela entdeckt und durch ihn in Deutschland eingeführt. 2) Moschkowitzia VVageneriana Kl. Suberecta, gracilis, gla- berrima; caule viridi; foliis membranaceis erectis petiolatis transverse ellip- ticis acutis leviter sinuato-angulatis spinuloso-denticulatis semicordatis, supra saturate viridibus, subtus pallidis rubescenti-nervosis minutissime papuloso- punctatis; petiolis erectis; stipulis obovatis mucronulatis glabris; eymis axil- laribus pedunculatis minus ramosis contractis; bracteis minutis oblongo- spathulatis ciliatis; staminibus creberrimis; floribus parvis candidis; capsulae ala maxima rectangula rotundata. 198 Krorzscn: Eine 2—3 Fufs hohe, schlanke, aufrechte, kahle, verästelte Pflanze mit einer Neigung zum Klimmen. Blätter 1—2 Zoll lang und 2— 3 Zoll breit. Blattstiele ,—1% Zoll lang. Afterblättchen 6 Linien lang und 3 Li- nien breit. 'Trugdolden 1—2 Zoll im Durchmesser, deren Stengel gerade, aufrecht, 1—% Zoll lang. Von dem Herrn Obergärtner Lauche, einem vorzüglichen Culti- vateur in dem überaus pflanzenreichen Etablissement des Herrn Ober- landesgerichtsrath Augustin auf dem Wildpark bei Potsdam aus Samen gezogen, den Herr Wagener aus Venezuela eingesandt hatte. XAII. Donaldia(') Kl. ar avi, DB. Flores monoiei carnei cymosi. Masculi: Petala 2 opposita ovato-or- bicularia, intus concava. Stamina numerosa toro plano inserta; antheris oblongis utrinque obtusis, connectieulo fuscescente; filamentis liberis fili- formibus anthera subbrevioribus glabris. Flores feminei: Petala 5 triserialia inaequalia ovata obtusa. Ovarium inferum trigonum triloculare inaequaliter trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali bilamellatis cre- berrima, anatropa, lamellis arcuatim conniventibus in stipitem exoyuliferum conjunctis. Stylus tripartitus glaber persistens, lobis bicornutis tortuosis, fascia papillosa ter spiraliter torta, inferne continua einctis. Capsula turbi- nato-triquetra membranacea trilocularis valde inaequaliter trialata, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumerabilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. Fruticuli erecti sparsim ramosi caracasani; foliis inaequilateris oblongis acutis argute duplicato-serratis rectis membranaceis semicordatis brevi pe- tiolatis; stipulis scariosis subpersistentibus; cymis divaricatis ter dichotomo- ramosis pedunculatis axillaribus; floribus subcarneis; bracteis scariosis per- sistentibus; capsulis bractea oblonga suffultis. 1) Donaldia ulmrfolia Kl. caule erecto subramoso piloso; folüs oblongis acutis argute duplicato-serratis inaequilateris, basi semicordatis; petiolis brevibus hirtis; stipulis subpersistentibus scariosis oblongo-lanceolatis (') Dem Andenken des Herrn Donald, Verfasser eines sehr beachtenswerthen Aufsatzes über die Kultur und Behandlung der Begoniaceen im ersten Bande des Journals der Londoner Gartenbau - Gesellschaft, gewidmet. Begoniaceen - G allungen und Arien. 199 acutis, extus sparsim hirtellis; cymis pedunculatis axillaribus hirtis; bracteis lanceolato-linearibus mucronatis integerrimis persistentibus glabris; capsulae sparsim hirsutae alis 2 angustis, tertia maxima ovato- deltoidea. Begonia ulmifolia Humb. Bonpl. Kunth, Noy. gen. et spec. plant. VII, p. 173. Herb. Willd. n. 17571. Link et Otto, Icones select. plant. rar. I, p. 83, t.38. Loddiges, Bot. Cab., t. 638. Donaldia ulmifolia Kl. Regel, Gartenflora 1854. t. 77. Stengel aufrecht, wenig verästelt, 2—4 Fufs hoch, saftig. Blätter 2—5 Zoll lang und 1—2 Zoll breit. Blattstiele 3—4 Linien lang. After- blättchen 6 Linien lang und 2 Linien breit. Trugdolden in der Blüthe 2 Zoll -, in Frucht 4 Zoll im Durchmesser. Trugdoldenstiele 2,—3 Zoll lang. Bracteen 3—5 Linien lang und 1—2 Linien breit. Gröfster Kapsel- flügel 5 Linien lang und 6 Linien breit. Ist in Venezuela zu Hause. In Deutschland ziemlich verbreitet. 2) Donaldia Oltonis Kl. caule erecto subramoso crassiusculo gla- bro; foliis brevissime petiolatis elliptico -lanceolatis acutis spinuloso - dupli- cato-serratis inaequilateris, basi obliquis, utrinque glaberrimis, supra satu- rate viridibus, subtus glaucescentibus; stipulis persistentibus scariosis ovatis mucronatis glabris; eymis pedunculatis contractis glabris axillaribus; bracteis late ovatis glabris persistentibus; capsulae glabrae alis 2 angustis, tertia maxima deltoidea acuta. Begonia Oltonis Walpers, Repert. bot. system. II, p. 212, n. 82. Stamm 2—4 Fufs hoch, robust. Blätter 2,—3 Zoll lang und S— 10 Linien breit. Blattstiele 1—2 Linien lang. Afterblättchen 4—5 Linien lang und 25—3 Linien breit. Trugdoldenstiele 1,—2 Zoll lang. Trugdolden 45—2 Zoll im Durchmesser. Bracteen 4 Linien lang und 3 Linien breit. Gröfster Fruchtflügel an der Basis herablaufend, an der Spitze breit ab- gestutzt, in einem stumpflichen Winkel endigend, 9 Linien hoch und 6 Li- nien breit. In Venezuela einheimisch. Vom Herrn Garteninspektor Eduard Otto lebend -, von dem Herrn C. Moritz in getrockneten Exemplaren unter no. 124 eingeführt. 200 Kıorzscn: ** Placentae integrae pedicellatae. AXIV. Augustia(‘) Kl. SzaaV ll... B. Flores monoici albi cymosi. Masculi: Petala 2 suborbicularia paullulum latiora quam longa. Stamina 50— 60 toro pulvinato compressiusculo inserta; antheris parvis ovato-oblongis, utrinque obtusis, apice in conum obtusum productis, loculis infraapicalibus lateralibus tumidis; filamentis filiformibus liberis antheris subduplo longioribus. Flores feminei; Petala 5 patentia pluriserialia inaequalia obovata, interiora minora. Ovarium inferum trilo- culare trigonum subaequaliter trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali solitariis integris pedicellatis (sectio transversa ovato-oblonga) creberrima, anatropa. Stylus trifidus glaber persistens; stigmatibus bicor- nutis, fascia papillosa bis spiraliter torta, inferne continua ceinctis. Capsula turbinato -triquetra membranacea trilocularis subaequaliter trialata, apice truncata, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innu- merabilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. Frutieuli ramosi succulenti tumido-articulati tuberosi capenses; foliis reniformi-cordatis grosse dentatis, incisis aut palmatim lobatis acutis petiola- tis; stipulis subpersistentibus; cymis pedunculatis axillaribus paucifloris; floribus submagnis candidis aut dilute roseis bracteis candidis caducis sufful- tis; capsulae alis subaequalibus, apice truncatis. 1) Augustia Dregei Kl. Caule carnoso-nodoso; foliis petiolatis inaequilateris reniformi - cordatis grosse angulato-serratis glaberrimis nitidis; stipulis ovatis obtusis submucronatis; eymis axillaribus pedunculatis paucifloris; floribus candidis; capsulae alis subaequalibus acutangulis, apice truncatis. Begonia Dregei Otto et Dietr., Gartenzeitung IV, p. 357. n. 27. B. parvifolia Graham, Bot. Mag., t. 3720. E. Meyer Mss. nec Schott. B. reniformis Hort. Berol. nec Dryander. Var. « purpurascens; caule ramis petiolisque rubescentibus; foliis mino- ribus, subtus purpurascentibus. Var. & rubro-nervis; caule sordide purpureo-virescente; foliis majoribus, subtus pallide viridibus rubro -nerviis. (') Dem Andenken unseres wackeren Physikers, des Herrn Professor Dr. August, Di- rector des Cöllnischen Real- Gymnasiums, gewidmet. Begoniaceen-Gattungen und Arten. 201 Stengel 2—3 Fufs hoch, unterwärts von der Dicke eines Daumens, in einen unterirdischen, flachen Knollen verlaufend. Blätter schief, 8 Linien bis 1!, Zoll lang und 1—21, Zoll breit. Blattstiele 1—2 Zoll lang. After- blättchen 4 Linien lang und 2 Linien breit. Trugdolden wenigblüthig, deren Stengel achselständig, länger als die Blattstiele. Bracteen weifslich-grün, kreis-verkehrteiförmig. Kapselflügel 9 Linien lang und 1—3 Linien breit. Auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung einheimisch. Wird allge- mein kultivirt. 2) Augustia caffra Kl. Caule carnoso-nodoso ramoso; foliis obliquis inaequilateris reniformi-cordatis angulato-lobatis obtuse serratis acutis aut acuminatis petiolatis; stipulis lanceolatis acuminatis; cymis dicho- tomis pedunculatis axillaribus quadrifloris; floribus albidis submagnis; bracteis orbiculari-ovatis; capsulae alis subaequalibus acutangulis, apice truncatis. Begonia caffra Meissner in Linnaea XIV, p. 501. Begonia sinuata E. Meyer Mss. Otto et Dietrich, Allgem. Gartenzeitung IV, p. 357. Graham in Edinb. Journ. of Sc. 1837. Bot. Mag. t. 3731. nec Wallich. B. sinuata Hort. Berol. Stamm fleischig, knotig-gegliedert, 2—3 Fufs hoch, grün, etwas ge- röthet, unterhalb der Erdfläche knollig-verdickt. Afterblättchen aus breiter, oft lappiger Basis lanzettförmig, langzugespitzt, 7 Linien lang und an der Basis 3— 4 Linien breit. Blattstiefe 2— 3 Zoll lang. Blätter 2— 21, Zoll lang und 3—4 Zoll breit, auf der Unterfläche rothnervig. Trugdoldenstiele 2 Zoll lang. Bracteen breit eiförmig, stumpf. Fruchtflügel oberwärts 3 Li- nien breit. Auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung einheimisch. In Kultur. 3) Augustia Natalensis Kl. Tuberosa, glabra; caule succulento, inferne crasso nodoso-articulato ramoso ; foliis inaequaliter semicordatis acu- minatis lobatis hinc grosse auriculatis serratis acutis, supra albo-maculatis; eymis pedunculatis axillaribus 4— 6 floris; floribus pallide roseis; petalis flor. “masc. rhombeo-orbieularibus, fem. rhombeo- ovatis; fructu trialato alis 2 majoribus subacute angulatis unica breviore obtusangula. Begonia Natalensis Hooker, Bot. Mag., t. 4841. Von einem kaum bis zur Hälfte von Erde bedeckten, flachgedrückten Knollen von grau-brauner Farbe, entspringt der 1— 1, Fufs hohe, gelblich- Phys. Kl. 1854. Ce 2023 Krorzscna: grüne, kupferroth-gefleckte, verästelte, fleischige, knotig-gegliederte, ober- wärts allmählig verdünnte Stengel. Blätter 1,—2 Zoll lang und 3—4 Zoll breit mit einer rosenrothenBlattrippe. Blattstiele —1%, Zoll lang, geröthet. Trugdoldenstiele blafsroth 1—1!, Zoll lang. Beide gröfsere Fruchtflügel 1 Zoll lang und 2—3 Linien breit. Durch Capitain Garden in Port Natal entdeckt und lebend in Eng- land eingeführt. 4) Augustia suffruticosa Kl. Tuberosa, gracilis, glaberrima; caule flexuoso-erecto, basi lignoso; stipulis ovato-oblongis acutis integris; foliis obliquis palmatim 3—4 lobatis, lobis inaequalibus lanceolatis pinnato- ineisis dentatis vel integris; petiolis nunc brevibus nunc longis gracillimis; cymis axillaribus pedunculatis paucifloris; capsulis ovato-triangularibus ve- noso reticulatis, apice truncatis, e basi rotundata obsolete attenuatis; capsulae alis aequalibus, apice in angulum obtusum vix productis. Begonia suffruticosa Meissner in Linnaea XIV, p. 502. Afterblättchen 2 Linien lang. Blattstiele 2 Linien bis 11, Zoll lang, fadenförmig. Blätter 1—1%, Zoll lang und 8 Linien bis 1 Zoll breit. Trug- doldenstiele 1 Zoll lang. Fruchtflügel 8 Linien lang und 3 Linien breit. Von Drege auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung entdeckt. Nicht in Kultur. ° Flores masculi 2 -, feminei 3 petali. AXAXY. Trachelanthus (') Kl. Taf. VII. C. Flores monoici. Masculi pedunculati umbellatim racemosi dipetali. Petala 2 orbiculari-oblonga albida. Stamina numerosa longe mona- delpha; antheris parvis brevibus late obovatis, lateraliter brevi biforaminosis, basi apiceque obtusis; filamentis in cylindrum longum connatis, apice brevi liberis. Flores feminei solitarü sessiles tripetali. Petala alba ovata acuta aequalia uniserialia. ÖOvarium longissime et tenuissime rostratum inferum triloculare trigonum subaequaliter trialatum, alis supra loculos attenuatim adscendentibus, apice inaequaliter acutangulis spinuloso - serratis. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali solitariis integris pedicellatis (sectio (') Aus den griechischen Wörtern rg&yrros und «vos zusammengesetzt. Begoniaceen- Gattungen und Arten. 203 transversa oblonga acuta) ereberrima, longe funiculata, anatropa. Stylus glaber persistens trifidus; stigmatibus bicornutis, fascia papillosa bis spira- liter torta, inferne continua einetis. Capsula sessilis brevi valvata longissime rostrata, supra loculos in alas tres acutangulas spinoso-dentatas producta, trilocularis, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innu- merabilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa funiculo longo fili- formi instructa. Suffrutices acaules Brasilienses rhizomate repente instructis; foliis oblongis aequalibus acuminatis serratis longe petiolatis; stipulis subpersisten- tibus bracteisque pectinato-ciliatis; floribus masculis dipetalis pedunculatis corymbosis, femineis sessilibus solitaris tripetalis. 1) Trachelanthus rhizocarpus Kl. Rhizomate repente glabro subterraneo; foliis erectis aequilateris ovato oblongis acuminatis serratis, basi obtusis, supra laete viridibus albo-maculatis, subtus pallidis rubrove- niis; petiolo longo strieto folio sublongiore, sulco longitudinali supra in- structo; stipulis bracteisque ovatis acutis pectinato-ciliatis; pedunculis folio brevioribus. Begonia rhizocarpa Fischer Mss. Walpers Repertor. Bot. Syst. 13 Al ra Wurzelstock von der Dicke eines Rabenkiels, von Erde bedeckt, kriechend. Blätter 3—4 Zoll lang und 12— 15 Linien breit. Blattstiele 3—5 Zoll lang. Männliche Blumenstiele 4— 5 Zoll lang. Männliche Blü- then 4, Zoll im Durchmesser. Bracteen 3 Linien lang und 2 Linien breit. Weibliche Blüthen auf dem Wurzelstocke sitzend, deren Blüthen 8 Linien im Durchmesser. Die Kapselfrucht, welche in einem langen, walzenförmi- gen Hals endigt, milst von der Basis der Fächer bis zur Spitze derselben 2 Linien, von der Basis bis zum Aufhören der Flügel 7 Linien und von der Basis bis zu Ende des langen Halses oder bis zur Insertion der Blumenblät- ter 16 Linien, unten im Durchmesser 4 Linien. Durch den Petersburger botanischen Garten verbreitet, der diese Art aus brasilianischem Samen zog. 2) Trachelanthus attenuatus Kl. Rhizomate repente rugoso sub- terraneo; foliis oblongis acuminatis sinuato-dentatis spinuloso-serrulatis, basi attenuatis longe petiolatis utrinque glabris immaculatis; stipulis ovatis acutis Cc2 204 Krorzscn: pectinato-ciliatis; bracteis obovato -orbicularibus pectinato - eiliatis; pedun- culis petiolo brevioribus. Wurzelstock von der Dicke eines Gänsekiels und 1,—2 Zoll lang. Blätter 4—5 Zoll lang und 1—1% Zoll breit. Blattstiele 1—4 Zoll lang. Männliche Blumenstiele 2—3 Zoll lang. Bracteen 2 Linien lang und breit. Männliche Blüthen !, Zoll im Durchmesser. Vom verstorbenen Sello in Brasilien (Mandioca) entdeckt. Nicht in Kultur. ‘+ Flores masculi - et feminei 2 petali. * Placentae longitudinaliter fissae. AXAXTVI. Gireoudia (') Kl. Tat. VIT.,G. Flores monoici albi v. rosei. Masculi: Petala 2 oboyata v. obovato- orbicularia. Stamina numerosa subaequilonga; antheris oblongis, utrinque obtusis per rimas laterales dehiscentibus, apice breviter productis; filamentis filiformibus strictis anthera brevioribus liberis. Flores feminei dipetali. Pe- tala oblonga obovata. Ovarium inferum triloculare trigonum inaequaliter trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali geminis conniven- tim-lamellatis, utrinque ovuliferis creberrima, anatropa. Stylus persistens trifidus glaber; stigmatibus dilatato -lunatis, margine fascia papillosa cinctis. Capsula turbinato-triquetra membranacea trilocularis inaequaliter trialata, ad alarım originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumerabilia minu- I) tissima oblonga reticulata exalbuminosa. Suffrutices carnoso-suberosi erecti aut repentes in America centrali et in regno mexicano crescentes; foliis integris lobatis rarissime digitatis aut peltatis; petiolis longis teretibus; stipulis magnis; cymis pedunculatis axilla- ribus repetite dichotomis; floribus femineis bibracteatis; capsulae alis in- aequalibus semiorbicularibus rectangulis. « Truncus erectus. 1) Gireoudia involuerata Kl. Pubescens; caule erecto suffruti- coso angulato nodoso villo detergibili rufo obsito, internodiis varia longi- (') Dem Andenken eines vorzüglich gewandten, umsichtigen, mit gründlichen Kenntnissen ausgestatteten Cultivateurs, des Herrn Obergärtner Gireoud, welcher der Gärtnerei des Herrn Fabrikbesitzer Nauen in Berlin vorsteht, gewidmet. Begoniaceen- Gattungen und Arten. 205 tudine foliis suis multoties brevioribus; foliis longe petiolatis oblique cordatis latissimis 9 — 12 nerviis acuminatis irregulariter lobatis, lobis acuminatis duplicato-eroso-dentatis ciliatis, sinu basilari angusto, utrinque fusco-strigu- losis, supra laete viridibus, subtus pallidioribus ad nervos densius pubescen- tibus; petiolis laminam subaequantibus vel ea brevioribus dense fulvo-villosis; stipulis deciduis scariosis lanceolatis acuminatis glabris fuseis; scapis axillari- bus folia superantibus villo detergibili rufo dense obsitis, cyma repetite dichotoma, ramis cymae junioribus bracteis numerosis maximis vaginantibus involucratis capitulis ovatis similibus deeiduis lato -ovatis scariosis glabris; floribus 3—9 in apieibus dichotomiarum faseiculatis longe pedicellatis albis; petalis rotundatis; capsula glabra; ala maxima lato-falcata angulo rotundata, alis duabus angustissimis rotundatis. Begonia involucrata Liebmann Mexicos og Central- Americas Be- gonier n. 27. Stamm 1—1!, Fufs hoch und von der Dicke eines kleinen Fingers. Blätter 6—8 Zoll lang und 4—6 Zoll breit. Blattstiele 4 Zoll lang. After- blättchen 1 Zoll lang. Fruchtstielchen 14, Zoll lang. Die reife Kapsel 5 Li- nien lang und 7 Linien breit. Von dem Herrn Dr. Oersted aus Kopenhagen in Central - Amerika in einer Höhe von 6000 Fufs entdeckt. Nicht in Kultur. 3) Gireoudia laciniata Kl. Suffruticosa, erecta subramosa; ramis pedunculisque teretibus glabris, pulvillis elongatis albidis sparsim asperatis; foliis inaequaliter serratis oblique cordato-ovatis, versus apicem bi-trilobatis, lobis acuminatis, supra subtusque nervoso-scabris; petiolis longis subtilissime rufescenti-pubescentibus; pedunculis in apice ramorum congestis folio lon- gioribus sparsim pilosis; cymis repetite dichotomis coarctatis; floribus ger- minibus pedicellisque candidis; petalis ovato-orbicularibus; capsulae ala maxima oblique ovata obtusa patentissima, duabus angustis. Der Stamm theilt sich bis zur Basis in 2 Fufs lange, aufrechte, schwa- nenkieldicke Zweige. Die Blätter sind 4—6 Zoll lang und breit. Blattstiele 6— 3 Zoll lang. Trugdoldenstiele 8-9 Zoll lang. Blumenblätter 4 Linien lang und 5 Linien breit. Gröfster Fruchtflügel 3—4 Linien lang und 4—5 Linien breit. Die Zweige der Trugdoldenknospe von scheidenartigen Bracteen eingehüllt, länglich in eine stumpfe Spitze endigend. 206 Krorzscn: Von dem Kunst- und Handelsgärtner Herrn Louis Mathieu aus Samen gezogen, den er durch den Herrn von Warscewicz aus Central- America erhalten hatte. 3) Gireoudia fibrillosa Kl. Caule strieto robusto evanescente fusco-hirsuto; foliis oblique cordatis carnoso-membranaceis grosse dentato- lobatis, lobis acutis, supra laete viridibus rufescenti pilosis, subtus pallidis in nervis gilvo-villosis; petiolis teretibus foliorum lamina longioribus eva- nescente villosis; stipulis magnis membranaceis scariosis ovatis cuspidato- acuminatis nervoso-hirsutis; pedunculis folio longioribus ferrugineo-villosis; cyma repetite dichotoma multiflora; bracteis membranaceis aridis obovatis pallide fuseis hirtis, duabus ad basim florum femineorum germine triplo brevioribus; floribus candidis; germinibus pallide viridibus; capsulis triala- tis, alis inaequalibus, maxima versus apicem dilatata. Stamm ungetheilt 1— 1!, Fufs hoch, 15 Linien dick. Blätter 4— 6 Zoll lang und 5—8 Zoll breit. Blattstiele robust, 4—7 Zoll lang. Trug- doldenstengel 8 Zoll lang, aufrecht. Blumenblätter 5—6 Linien lang und breit. Gröfster Fruchtflügel 8 Linien lang und 3 Linien breit. Auf dem Chiriqui- Gebirge in Central- America von dem Herrn von Warscewicz entdeckt und eingeführt und von dem Herrn L. Mathieu in Berlin aus Samen gezogen. 4) Gireoudia pilifera Kl. Caule robusto subsimplici sparsim fusco-piloso; foliis oblique cordatis suborbicularibus carnoso-membranaceis grosse dentato-lobatis, lobis acutis, supra saturate viridibus evanescente rufo-pilosis, subtus pallidis longe nervoso-villosis; petiolis teretibus foliorum lamina duplo longioribus vellereis; stipulis magnis membranaceis aridis ovatis acuminatis nervoso-hirsutis; pedunculis folio longioribus sparsim pi- losis; bracteis membranaceis obovyatis ex albido-virescentibus, antice ciliatis, duabus ad basin florum femineorum germine subbrevioribus; eyma repetite dichotoma divaricata multiflora; pedunculo longo strieto villoso; floribus candidis; capsulae pallide viridis ala maxima adscendente acuta. Stamm aufrecht 9—12 Zoll lang und 1 Zoll im Durchmesser. Blätter 4—6 Zoll lang und 5—7 Zoll breit. Blattstiele 7—10 Zoll lang. Trug- doldenstengel 9 Zoll lang. Blumenblätter 6— 7 Linien lang und breit. Gröfster Fruchtflügel 1 Zoll lang und oberwärts , Zoll breit. Begoniaceen - Gattungen und Arten. 207 Auf dem Chiriqui- Gebirge in Central- America von dem Herrn von Warscewicz entdeckt und unter n. 1708 eingeführt. Von dem Herrn L. Mathieu aus Samen gezogen. 5) Gireoudia crassicaulis Kl. Caule brevi crasso; foliis palmatim profunde partitis, laciniis acuminatis subpinnatifidis inciso-dentatis, subtus petioloque ferrugineo-pilosis; cymis densis multifloris ferrugineo -pubes- centibus pedunculatis; bracteis ovatis obtusis convexis; petalis albis rotun- datis glabris; ovarii alis inaequalibus, angulo superiore suborbiculare. Begonia crassicaulis Lindl., Miscellaneous matter of the Bot. Reg. 1842, p. 22, n. 21. Bot. Reg. New Ser. t. 44. Von Hartweg in Guatemala entdeckt und lebend eingeführt. Durch die Londoner Gartenbau - Gesellschaft verbreitet. 6) Gireoudia ertifolia Kl. Caule carnoso ferrugineo - pubescente; foliis longe petiolatis concavis oblique ovatis grosse inciso-dentatis, supra glabris, subtus subpubescentibus; eymis axillaribus ferrugineo-tomentosis ; bracteis subrotundo - oyatis convexis floribusque glabris; ovarii alis semiecir- eularibus aequalıbus. Begonia vitifolia Lindl. l.c. p. 21, n. 20. nec Schott. B. Zind- leyana Walpers Repert. II, p. 209, n. 42. Die Blätter dieser Art erinnern an die unseres Weines, denen sie in Form und Farbe gleichen. Die Blattstiele sind 6 Zoll lang. Die Trug- dolden sind von der Länge der Blätter, selten kürzer. Die Blüthen grofs und weils. Von Hartweg in Guatemala entdeckt und lebend in England eingeführt. 7) Gireoudia pruinata Kl. Glabra; caule crasso subsimpliei stricto ; stipulis amplis semiamplexicaulibus integerrimis obtusis dorso cari- nato-fimbriatis, infra apicem in setam longam excurrentibus; foliis peltatis carnosis oblique ovatis angulato-lobatis minutissime denticulatis, supra laete viridibus levissime pruinatis, subtus petiolisque albido -glaucescentibus, ju- rioribus acuminato-lobatis, margine fibrillosis subtusque venoso - setulosis; pedunculis folio longioribus glabris virescenti-albicantibus, apice repetite dichotomis; bracteis majoribus orbiculari-obovatis candidis; floribus can- didis; germinibus pallide viridibus trialatis; alis subaequalibus rotundatis. 208 Kıorzsch: Stengel 4—1 Fufs hoch und 1—1!, Zoll dick. Blattstiele 4—5 Zoll lang und von der Dicke eines Gänsekiels. Blätter 3—4 Zoll lang und 44, — 6 Zoll breit. Trugdolde mit dem Stiele 9 Zoll lang. Die verkehrt eiförmigen Blumenblätter !, Zoll lang und 5Linien breit. Kapselflügel 1', — 3 Linien breit. Von dem Herrn Kunst- und Handelsgärtner L. Mathieu aus Samen erzogen, den derselbe von dem Herrn von Warscewicz aus Costarica in Central- America, woselbst sie einheimisch ist, erhalten hatte. 8) Gireoudia lobulata Kl. Fruticosa, erecta, ramosa; ramis pe- tiolis pedunculis et foliorum pagina inferiore tenuissime ferrugineo vellereis; foliis oblique cordatis transverse ovatis acutis coriaceis obtuse sinuato-lobatis obsolete serratis, margine pilis erispatis eiliatis, supra glabris saturate viri- dibus ad basin purpureo-maeculatis, subtus viridi albicantibus; cymis pedun- culatis repetite dichotomis dilatatis pendulis; petalis orbiculari-obovatis candidis; capsulae ala maxima rotundata albida, reliquis angustis. Ein 3 Fufs hoher, verästelter, krautartiger Strauch von !; Zoll Dicke. Blätter 4—5 Zoll lang und 5—7 Zoll breit, an der Basis 1 Zoll tief einge- schnitten und die Lappen genähert. Blattstiele 5— 6 Zoll lang, von der Stärke eines Rabenkiels. Afterblätter zusammengelegt, lanzettförmig, ge- kielt, an der Spitze kapuzenförmig-zusammengezogen, auf dem Rücken be- haart, 14, Zoll lang. Trugdoldenstiele 5 Zoll lang. Blumenblätter 5 Linien lang und 4 Linien breit. Gröfster Fruchtflügel 3 Linien breit. Vaterland unbekannt. Wird im Berliner botanischen Garten kultivırt und blüht im Frühjahr. 9) Gireoudia sarchophylla Kl. Frutescens; caule pedali et in- super digitum minimum crasso, superne rufo-villoso; internodiis semipolli- caribus; foliis longe petiolatis crassis oblique cordatis v. reniformi - cordatis angulatis sublobatis irregulariter denticulatis, sinu basilari obtuso, 7 nerviis, supra saturate viridibus glabrescentibus, junioribus villo rufo detergibili ob- sitis, subtus pallidioribus imprimis ad nervos rufo-villosis; petiolis Jaminam subaequantibus v. superantibus rufo -villosis; stipulis membranaceis lanceo- latis acutis, dorso pilosis; cyma dichotoma; bracteis oblongis obtusis roseis ; floribus roseis. Begonia sarchophylla Liebmann Mexicos og Central- America Be- gonier, p. 12, n. 22. Begoniaceen-Gattungen und Arten. 209 Blätter 3—5 Zoll lang und 2— 3 Zoll breit. Blattstiele 2—5 Zoll lang. Afterblätter 1 Zoll lang. Vom Professor Liebmann im Departement Oajaca in Mexico ent- deckt. Nicht in Kultur. 10) Gireoudia cardiocarpa Kl. Fusco-pilosa; caule erecto, basi cerasso nodoso; stipulis scariosis fusco-hyalinis lato-lanceolatis acuminatis ; foliis longe petiolatis crassis oblique cordatis subpeltatis acutiusculis angulatis leviter lobatis, lobis inaequalibus latis acutis obtusisve irregulariter denticu- latis ciliatis, 7 nerviis, sinu basilari duplicatura loborum basilarium incon- spicuo, supra glabris, subtus lepitodo- punctulatis ad nervos et imprimis ad insertionem petioli fusco-villosis, petiolo laminam subaequante fusco-piloso ; pedunculo tereti crasso sulcato adsperse piloso; cyma dichotoma; bracteis deciduis elongatis obtusis pilosis; floribus carneis; petalis rotundatis; capsula glabra elongato-obcordata; alis membranaceis subaequalibus, basi cuneatis decurrentibus, apice rotundatis. Begonia cardiocarpa Liebmann].c. p. 13, n, 24. Blätter 3 Zoll lang und 2 Zoll breit. Blattstiele 1, — 2 Zoll lang. Trugdoldenstiele 7— 10 Zoll lang. Fruchtstielchen %, Zoll lang. Kapsel 5 Linien lang und 3 Linien breit. In der Provinz Segovia (Nicaragua) vom Dr. Oersted entdeckt. Nicht in Kultur. 11) Gireoudia sericoneura Kl. Caule erecto carnoso digitum crasso dense stipulaceo; stipulis membranaceis dense rufo-nervosis lanceo- latis longe acuminatis ad costam imprimis longe fulvo-barbatis; foliis longe petiolatis oblique cordatis acutiusculis irregulariter grosse sinuato-dentatis, sinu basilari profunde rotundato, lobis basilaribus productis rotundatis, 9— 11 nerviis, supra saturate viridibus pilis longis fuscis adspersis, subtus densius pilosis imprimis ad nervos adpresse fulvo-sericeis; petiolis Jaminam superante lana fulva detergibili dense obsitis; pedunculis axillaribus folia vix superantibus cum pedicellis fulvo-lanatis, cyma dichotoma; bracteis deciduis membranaceis obtusis; floribus roseis. Begonia sericoneura Liebmann ]. c. p. 13. n. 23. Blätter 5 — 6 Zoll lang und 3 — 4}, Zoll breit. Blattstiele 6 — 9 Zoll lang. 'Trugdoldenstiele 9I— 14 Zoll lang. Phys. Kl. 1854. Dd 210 Krorzsch: Vom Dr. Oersted aus Kopenhagen in der Provinz Segonia auf dem Pantasmo-Gebirge in einer Höhe von 4,500 Fufs (Nicaragua) entdeckt. Nicht in Kultur. 12) Gireoudia fimbriata Kl. Trunco brevi erecto digitum mini- mum crasso stipulaceo; stipulis scariosis lanceolatis acuminatis; foliis longe petiolatis oblique cordatis acuminatis denticulatis ciliatis, sinu basilari angusto, lobis basilaribus rotundatis, 7—8 nerviis, utrinque rufo-setosis, subtus pallidioribus lepidoto-punetulatis; petiolis Jaminam aequante setis reflexis erispatulis rufis obsitis; peduneulis folia superantibus sparse setulosis, demum glabrescentibus; cyma dichotoma; bracteis majusculis orbieulatis fimbriato-ciliatis setosis; floribus rubris, externe setosis, masculis majoribus; petalis reniformi-cordatis, femineorum lato-cordatis; ovario pilosulo sensim glabrescente; capsula glabra carnosa nutante, apice truncata; alis angustis rigidis rotundatis, maxima apicem capsulae non attingente. Begonia fimbriata Liebmann ].c. p. 18. n. 35. Blätter 3 Zoll lang und 11, —2 Zoll breit. Blattstiele 3 Zoll lang. Trugdoldenstiele 8—9 Zoll lang. Fruchtstielchen 6—7 Linien lang. Blu- menblätter der männlichen Blüthe 4 Linien lang und 6 Linien breit. Kapsel 5 Linien lang und breit. Vom Professor Liebmann im Distriete Chinantla des Departements Oajaca in Mexico entdeckt. Nicht in Kultur. 13) Gireoudia squarrosa Kl. Trunco brevi obliquo stipulaceo; stipulis scariosis fuscis lanceolatis acuminatis; foliis longe petiolatis tenuibus oblique cordatis acuminatis irregulariter dentieulatis ciliatis variegatis, supra laete viridibus sanguineo-zonatis glabris, subtus lepidoto -albo-punctulatis, nervis 5— 7 rufescentibus pilis raris adspersis; petiolo laminam superante dense squamuloso, squamis ferrugineis reflexis fibrilloso - laciniatis; pedun- culo folia superante tereti subglabro; cyma repetite dichotoma; bracteis deciduis scariosis ovatis obtusis; floribus incarnatis, petalis masculis lato- cordatis, femineorum obovyatis obtusis; capsulae ala maxima membranacea faleato-triangula obtusa, alis 2 minoribus rotundatis. Begonia squarrosa Liebmann.c. p.7. n.9. Blätter 3 Zoll lang und 2— 21, Zoll breit. Blattstiele 4 Zoll lang. Trugdoldenstiel 6—8 Zoll lang. Blüthenstielehen 3—4 Linien lang. Kapsel 3 Linien lang und 6 Linien breit. Begoniaceen- Gattungen und Arten. AM: Auf einer Höhe von 6000 — 7000 Fufs der Cuesta de S. Pedro im Departement Oajaca (Mexico) vom Professor Liebmann entdeckt. Nicht in Kultur. 14) Gireoudia setulosa Kl. Caulescens; foliis oblique cordatis acuminatis subangulatis inaequaliter argute denticulatis ciliatis, nervis ramis- que utrinque setulosis; eymis pedunculatis paucifloris, basi incarnatis. Begonia setulosa Bertero, Flora Guatim. p. 37. Diese zweifelhafte Art soll in Central- America zu Hause sein. 15) Gireoudia rotata Kl. Rufo-villosa; trunco erecto crasso car- noso stipulaceo; foliis longe petiolatis peltato-digitatis, foliolis 5—7 longe petiolulatis, oblique elliptieis acuminatis, basi cuneatis irregulariter denti- culatis, supra atro-viridibus pilis rufis adspersis, subtus pallidioribus sub- tilissime lepidoto-granulatis imprimis ad nervos rufo-pilosis; pedunculo folia duplo superante; cyma dichotoma; bracteis numerosis lato-ovatis denticulatis longe rufo-pilosis; floribus parvis. Begonia rotata Liebmann ].c. p. 11. n. 19. Blattstiele 4—5 Zoll lang. Blättehen 3—4 Zoll lang und 1 Zoll breit. Stiele der Blättchen 1 Zoll lang. Trugdoldenstengel 1 Fufs lang. Bracteen " Zoll lang. Im Departement Oajaca von Mexico durch den Professor Liebmann entdeckt. Nicht in Kultur. 16) Gireoudia caroliniaefolia Kl. F errugineo - villosa; trunco erecto crasso carnoso simplice stipulaceo; stipulis ovatis acuminatis scariosis, extus ferrugineo-villosis; foliis longe petiolatis peltato-digitatis, foliolis 6— 3 longe petiolulatis incuryo-inaequilateris oblongis acuminatis sinuato- serratis, basi obtusis aut cuneatis, supra atro-viridibus glabris, subtus palli- dioribus nervoso - villosissimis; petiolulis dense ferrugineo-villosis squamis angustis longissimis concoloribus interspersis; pedunculo rufo-piloso folia duplo superante; cyma repetite dichotoma; floribus roseis; petalis orbicu- laribus; capsulis inaequaliter trialatis glabris; ala maxima oblique ovata, reliquis angustis. Begonia caroliniaefolia Regel, Gartenflora I, p. 259. t. 25. Stamm aufrecht, ungetheilt, 1—2Fufs hoch und 1— 1%, Zoll im Durchmesser. Blatt und Blättchenstiele dicht und langzottig- rostfarben- Dd2 212 Kırorzscn: behaart. Erstere 5—7 Zoll lang, letztere ,—1 Zoll lang. Trugdolden aus- gebreitet, vielfach gabelförmig-verästelt, dünn zottig-langhaarig, sammt dem Stengel 2 Fufs lang. Gröfster Fruchtflügel 4 Linien lang und 3LLi- nien breit. Standort und Einführung unbekannt. Im botanischen Garten zu Schöneberg bei Berlin wird ein Bastard kultivirt, der dem Samen von G. caroliniaefolia entsprossen, von väterlicher Seite aber unbekannt ist und mit Begonia caroliniaefolia var. folüs indivisis bezeichnet wird. Das Exemplar ist kahl, die Blätter fast kreisrund, acht- lappig, an der Basis tief herzförmig ausgerandet und die Lappen der Aus- buchtung sich deckend. Die Lappen in der Peripherie des Blattes kurz und breit, entfernt sägezähnig, fein zugespitzt. Vom Herrn Inspector Regel aus Zürich erhielt ich einen zweiten Bastard unter dem Namen Begonia Verschaffelti der durch Kreuzung von Gireoudia manicata auf G. caro- liniaefolia entstanden ist. Er ist als Gireoudia manicato-caroliniaefolia zu bezeichnen. & Rhizoma repens aut nullum. 17) Gireoudia urophylla Kl. Acaulis; foliis amplis lato-cordatis inciso - dentatis, apice caudato-acuminatis, venis flabellatis subtus setulosis; petiolis longis teretibus robustis setosis, setis mollibus deflexis; pedunculis radicalibus glabris; cymis amplis repetite di-trichotomis; petalis florum masculorum obovatis planis albidis versus basin roseo tinctis, femineorum suborbicularibus concavis; capsulae inaequaliter trialatae alis duabus angustis tertia duplo majore rotundato - quadrangulari. Begonia urophylla W. Hooker, Bot. Mag. t. 4855. Stammlos. Blattstiele kräftig, stielrund. Blätter 8—9 Zoll lang und 6—7 Zoll breit; die Adern sind strahlenförmig verlaufend und beginnen an einer die Insertion des Blattstiels bezeichnenden Scheibe von 4 Zoll Durch- messer. Trugdolde stark verästelt. Ist durch die belgischen Gärten verbreitet worden. Standort unbekannt. 18) Gireoudia setosa Kl. Repens; foliis oblique cordatis laete viridibus nitidis suborbieularibus crispato-dentatis, antice tri- quadrilobatis, lobis brevibus acuminatis, supra sparsim setoso-scabris, subtus pallidiori- bus costato-setosis; petiolis longis teretibus strictis rufescentibus deorsum Begoniaceen - Gattungen und Arten. 2313 incrassatis, retrorsum incano-setosis; pedunculis folio langioribus plus minus patente pilosis; cyma ampla repetite dichotoma multiflora; floribus germi- nibus pedicellisque candidis subinde dilutissime roseo tinctis; petalis sub- orbieularibus; capsulis trialatis, ala maxima ovata obtusa, apice truncata. Blätter 4—7 Zoll lang und breit. Blattstiel 6—9 Zoll lang, an der Basis von der Dicke eines Schwanenkiels. Trugdoldenstiel 15 Zoll lang. Blumenblätter 5 Linien lang und 5 Zoll breit. Gröfster Fruchtflügel 4 Li- nien lang und 3 Linien breit. Von dem Herrn von Warscewicz auf dem Chiriqui-Gebirge in Central-America entdeckt und unter n. 1756 als Samen eingeführt, den Herr L. Mathieu in Berlin zum Keimen und die daraus gewonnenen Pflanzen zur Verbreitung brachte. 19) Gireoudia strigillosa Kl. Rhizomate brevi repente; foliis oblique cordatis transverse ovatis acutis angulato- dentatis rubro - marginatis, dentibus crispato-setosis, supra subtusque laete viridibus sparsim venoso- rubro-setosis; petiolis brevibus pedunculisque longis remote fasciculato - se- tosis; stipulis ovatis magnis acutis aristatis, margine pellucidis piliferis; cymis dichotomis; bracteis ovatis acutis roseo - costatis deciduis glabris; pe- talis cordato -orbicularibus subacutis, intus albidis, extus virescenti-albidis roseo-marginatis; germine inaequaliter trialato, alis duabus obtusangulis tertia parum latiore acutangula. Begonia strigillosa Dietrich partim, Allgemeine Gartenzeitung vol. XIX, p. 330. Blätter 3%, Zoll lang und 5 Zoll breit; die beiden Lappen an der Basis abgerundet, sich deckend, 1—1} Zoll lang. Blattstiele 3—4 Zoll lang. Afterblättchen 10 Linien lang. Trugdoldenstengel 4 Zoll lang. In der Bergemann’schen Kunstgärtnerei aus Samen gezogen, den Herr von Warscewicz aus Central- America geschickt hatte. 20) Gireoudia stigmosa Kl. Rhizomate brevissimo repente; foliis oblique cordatis indivisis brevi acutis inaequaliter dentato-setosis, supra sa- turate viridibus subglabris inter furcationes venarum atro-purpureo-maculatis, subtus pallidioribus sparse nervoso-setosis; petiolis ramentaceis seu laciniato- squamosis, apice barbato-squamatis; cymis divaricato - dichotomis glabris longe pedunculatis; pedunculis inferne sparsissime setosis; bracteis parvis oblongis acutis; petalis albido- virescentibus oboyatis flor. femin. obovato- 914 Krorzsch: orbieularibus duplo minoribus; capsulae alis obtusis rotundatis altera elon- gata subadscendente obtusata. Begonia stigmosa Lindl., Miscellaneous matters to the Bot. Reg. 4845. n. 40. Wurzelstock kurz, vielästig. Blätter 3—5 Zoll lang und 4—7 Zoll breit. Blattstiele 4—8 Zoll lang, gänsekieldick. Schuppen an der Spitze vielfach eingeschnitten, zurückgekrümmt, 15—2 Linien lang und 3, Linie breit. Trugdoldenstengel von der Länge der Blattstiele, fast kahl, nur unterwärts sparsam borstig-behaart. Bracteen 3 Linien lang und 1%, Linie breit. Männliche Blumenblätter 5 Linien lang und 4 Linien breit; weibliche Blumenblätter 3 Linien lang und breit. Gröfster Fruchtflügel 3 Linien hoch und 6 Linien breit. Eine weniger schöne aber doch beliebte Kulturpflanze, welche aus Central- America stammt. 21) Gireoudia manicataK]. Caule carnoso decumbente subbrevi; foliis longe petiolatis oblique cordatis repando - dentatis breviter acuminatis ciliatis, supra laete viridibus glabris, subtus ad nervos squamis sparsissimis purpureis apice filamentosis adspersis, ad insertionem petioli squamis majo- ribus reflexis palmatifidis purpurascentibus verticillatis obsitis; petiolo lami- nam subaequante v. superante imprimis apicem versus squamis purpureis subverticillatis reflexis fimbriatis obsito; stipulis lanceolatis fimbriatis; pe- dunculo folia superante glabro; cyma repetite dichotoma; bracteis deciduis hyalinis ovatis obtusis; petalis roseis flor. masc. ovalibus flor. fem. obovatis minoribus; antheris brevissime apiculatis; capsula obovata glabra; alis sub- aequalibus pallide virescentibus, basi cuneatis, apice rotundatis. Begonia manicata Cels. mss. ex Visiani L’Orto bot. di Padoya nell’ anno 1842, p. 135. B. schizolepis Liebmannl.c. p. 17. n. 33. Blätter 3— 9 Zoll lang und 2— 6 Zoll breit. Blattstiele 2— 5 Zoll lang. Afterblättchen 4, Zoll lang. Trugdoldenstiel 6— 12 Zoll lang. Fruchtstielchen 4— 5 Linien lang. Kapsel 6 Linien lang und 1 Linie im Durchmesser. In Mexico einheimisch (Liebmann). Ein in der Kultur sehr ver- breitetes Gewächs. 22) Gireoudia heracleifolla Kl. Rhizomate repente crasso sca- bro-setoso ; stipulis latissimis triangularibus in setam longam terminantibus, Begoniaceen - Gattungen und Arten. 215 hyalinis, margine revolutis, dorso subalato-carinatis, carina setoso-ciliata; petiolis longis teretibus sursum attenuatis purpureo-punctatis patente albido- setosis, apice annulato-barbatis; foliis cordatis ambitu suborbicularibus, plus minus profunde septem-lobatis, lobis ovato-lanceolatis dentatis ciliatis, sub- inde sinuatis, utrinque raro sparsim pilosis, supra saturate viridibus mi- cantibus, subtus pallidioribus nervoso-prominentibus; cymis trichotomis pedunceulatis foliis longioribus; peduneulis rubro-punctulatis patente pilosis; bracteis e viridi-roseis oblongo-orbicularibus obtusis dentato-serratis; petalis obovato-orbicularibus roseis; capsulae viridis inaequaliter trialatae alis roseis, apice truncatis. Begonia heracleifolia Cham. et Schlechtd. Linnaea V, p. 608. Otto et Dietrich, Allgemeine Gartenzeitung IV, p. 348. Var. « viridis Kl. petiolis laevibus; foliis pure viridibus hirtellis subtus pallidis; petalis alisque inpunctatis. Begonia heracleifolia Hooker, Bot. Mag. t. 3444. Lindley, Bot. Reg. t. 1668. B. heracleifolia et B. jatrophaefolia Hort. Berol. Var. punctata Kl. petiolis tuberculis elongatis praesertim in partem superiorem obsitis; foliis ad paginam inferiorem versus marginem plus minus rubescentibus, supra nigrescenti-micantibus; petalis alisque coccineo - punctatis. Begonia punctata Link, Kl. et Otto, Ic. plant. rar. I, p. 17. t. 7. B. punctata et B. nigricans Hort. Berol. Wurzelstock kurz und dick, 3—6 Zoll lang und bis 14, Zoll dick. Afterblättchen $—9 Linien lang und an der Basis eben so breit, der geflü- gelte Kiel auf dem Rücken derselben 1 Linie breit. Blattstiele 5—12 Zoll und an der Basis schwanenkieldick. Blätter 5-8 Zoll breit und 3—6 Zoll lang. Trugdoldenstiele 8-12 Zoll lang und raben - bis gänsekieldick. Blu- menblätter 7 Linien lang und 5—6 Linien breit. Gröfster Fruchtflügel 4— 7 Linien breit. In Mexico einheimisch von Schiede und Deppe entdeckt, durch letzteren im Berliner botanischen Garten lebend eingeführt und vom Professor Liebmann wiederum aufgefunden. Die von dem Herrn Dr. A. Dietrich im Jahre 1847 in der allge- meinen Gartenzeitung v. XV, p. 282 beschriebene Begonia ricinifolia, ist ein 216 Krorzsch: durch Kreuzung des Pollens entstandener Bastard zwischen Gireoudia hera- cleifolia und der Gireoudia macrophylla var. peponifolia. 23) Gireoudia macrophylla Kl. Rhizomate brevi crasso tuber- culato squamoso;, stipulis maximis basi latissimis triangularibus hyalinis se- toso- cuspidatis, dorso carinatis piloso-setosis, carina convexa, superne in laminam angustata; petiolis crassis robustis erectis teretibus squamis angustis laciniatis recurvis hyalinis obsitis; foliis maximis profunde cordatis ambitu suborbicularibus dentato-serratis et sinuato - dentatis ciliatis, subtus nervoso- hispidis, junioribus convolutis plicato-angulatis; cymis amplis divaricatis repetite dichotomis longe pedunculatis; pedunculis robustis strietis striatis sparsim setulosis; floribus parvis albis; petalis brevi-obovatis; antheris bre- vissime apiculatis; capsulae alis obtusangulis una maxima. Begonia macrophylla Dryander, Trans. of the Linnean Soc. I, p. 164. Willd. Spec. plant. IV, p. 416. Var. @ concolor Kl. Petiolis sparsim laciniato-squamosis; foliis supra nitidis subtus pallide viridibus. Begonia macrophylla Hort. Berol. Var. 8 discolor Kl. Petiolis dense laciniato-squamosis, foliis supra opacis, subtus inter nervos plus minus rufescentibus. Begonia peponifolia Hort. Berol. Wurzelstock 3 Zoll lang und 2 Zoll dick. Afterblätter 1%, Zoll lang und breit. Blattstiele 8—10 Zoll lang und an der Basis ,—1 Zoll im Durch- messer, oberwärts allmählig verdünnt. Blätter 1 Fufs und darüber im Durchmesser, deren Lappen an der Basis sich deckend, 6 Zoll lang. Trugdoldenstiel 16—18 Zoll lang und unterwärts von der Dicke eines klei- nen Fingers. Blumenblätter 3—4 Linien lang und breit. Gröfster Frucht- flügel 5 Linien hoch und 6 Linien breit. Wächst auf Gebirgen der Insel Jamaica. In Kultur. 24) Gireoudia Barkeri Kl. Acaulis; foliis basi inaequaliter cor- datis obsolete lobatis acutis, supra glabris nitidis, subtus hirsutis; pedunculo longissimo piloso; eyma dichotoma divaricata ramosissima; petalis obovatis, extus pilosis. Begonia Barkeri Knowl. et Weste. III, 179, t. 135. In Mexico einheimisch. Selten in Kultur. Begoniaceen-Gattungen und Arten. 347 25) Gireoudia plebeja Kl. Rhizomate obliquo brevi carnoso digi- tum crasso subterraneo; stipulis scariosis glabris lanceolatis carinatis longe acuminatis; foliis tenuibus longe petiolatis oblique cordatis subangulatis acutis irregulariter dentato-dentieulatis ciliatis, sinu basilari acuto, 7—9 ner- viis, supra laete-viridibus glaberrimis, subtus pallidioribus albo - punctulatis adsperse pilosulis, petiolo laminam superante vel subaequante; pedunculo folia superante tereti sulcato primum dense rufo-piloso demum glabrescente; cyına repetite dichotoma; bracteis deciduis scariosis ovatis obtusis denticu- lato-ciliatis pilosis; petalis albis rotundis; capsulae alis hyalinis membrana- ceis, maxima triangula margine superiori truncato, dorsali leviter curvato, ala altera minori obtusangula, tertia minima rotundata; pedicellis ad- sperse pilosis. Liebmann.c. p. 8, n. 11. Blätter 3— 6 Zoll lang und 2—4 Zoll breit. Blattstiele 3—7 Zoll lang. Trugdoldenstiel 6--9 Zoll lang. Fruchtstielchen 3—7 Linien lang. Kapsel 6 Linien lang und 6—7 Linien im Durchmesser. Von Oersted auf dem Vulcan El Viego in Nicaragua, in einer Höhe von 3000 Fufs und auf dem Aguacate in Costa rica 2000 Fufs hoch entdeckt. Nicht in Kultur. 26) Gireoudia conchaefolia Kl. Tota rufo-villosa; rhizomate brevi obliquo digitum crasso; stipulis scariosis lanceolatis acuminatis; foliüs longe petiolatis peltatis oblique lato-ovatis subintegerrimis breviter et obtuse acuminatis crassis 7 nerviis, supra pilis longis flaccidis fuseis obsitis, subtus dense rufo-villosis; peduneulis plurimis fusco-villosis folia superantibus ceymoso-corymbosis; bracteis deciduis lato-ovatis apiculatis dense rufo-vil- losis; petalis obovato- orbicularibus parvis ex albido - virescentibus; capsulae alis tenuissime membranaceis rotundatis, basi obtusis, apice truncatis aut emarginatis, duabus parum majoribus. Begonia conchaefolia Dietrich, Allgemeine Gartenzeitung 1851, v. XIX, p. 258. Var. « scutellata Kl. Petiolis laete viridibus. Begonia scutellata Liebmann ].c. p. 9, n. 13. Var. Warscewieziana Kl. Petiolis sanguineis. Gireoudia Warscewieziana Kl. mss. in horto bot. Berol. olim. Phys. Kl. 1854. » Be 218 K vio TiZ SCH: Blätter 2—5 Zoll lang und 1,—4 Zoll breit. Blattstiele 2,—4 Zoll lang und rabenkiel- bis gänsekieldick. Trugdoldenstiele 5— 9 Zoll lang. Fruchtsielchen 6— 8 Linien lang. Blumenblätter 4 Linien lang und breit. Kapsel 4 Linien lang und breit. Von den Herren Oersted und von Warscewicez in Costa rica 5000 bis 6000 Fufs über dem Meeresspiegel entdeckt und von dem Letzteren le- bend in Deutschland eingeführt. 37) Gireoudia nelumbüfolia Kl. Acaulis; foliis peltatis oblique orbiculari-ovatis brevi acuminatis denticulatis ciliatis, umbone depresso ex- centrico duabus circiter diametri majoris tertiis parlibus ab apice remoto, utrinque glabris, subtus pallidioribus veniculiferis novemnerviis, nervis sub- tus prominentibus fuscescentibus retrorsum hirtellis; petiolo erecto longo retrorsum hirtello; cyma quinquies dichotoma ampla longe pedunculata ; peduneulo foliis longiore strieto sparsim retrorsum piloso; bracteis subpel- lueidis complicato-concavis acutis; floribus albis parvis; petalis orbieularibus; capsulae glabrae virescentis alis duabus angustis, tertia majore ovata obtusa, apice truncata, basi subemarginata. Begonia nelumbifolia Cham. etSchlechtd. Linnaea vol. V, p. 604, n. 730. B. hernandiaefolia Hort. Berol. nee Hooker. Wurzelstock kurz, unterirdisch. Blätter 7—11 Zoll breit und 10— 13 Zoll lang. Blattstiele 7—11 Zoll lang. Die gestielte, ausgewachsene Trugdolde 12— 20 Zoll lang. Blumenblätter 3 Linien im Durchmesser. Gröfster Fruchtflügel 5 Linien lang und 4 Linien breit. Von Schiede bei Misantla in der östlichen tropischen Region von Mexico entdeckt, von Liebmann wiederum aufgefunden. In Kultur. 28) Gireoudia hydrocolylifolla Kl. Rhizomate brevi crasso car- noso horizontali; stipulis lato-ovatis acutis carinatis seta terminatis; foliis carnosulis petiolatis reniformi-cordatis rotundatis integerrimis eiliatis 5 — 7 nerviis, (in speciminibus excultis majoribus,) supra obscure viridibus glabris, sinu basilari angusto acuto; petiolo laminam superante rufo-villosulo, demum glabrescente; peduneulo tenui furcato-dichotomo subcontracto-cymoso foliis pluries longiore-glabro; pedicellis tenuibus; floribus roseis; petalis orbieu- laribus; capsulae membranaceae alis subaequalibus angustis rotundatis, utrin- sinatis. que subemarg Begoniaceen - Gattungen und Arten. 219 Begonia hydrocotylifoliaHooker, Bot. Mag. t. 3968. B. asarifolia Liebmann ].c.p. 8, n. 19. Wurzelstock 14,—2 Zoll lang und fingerdick. Blätter 14,—2!, Zoll lang und 2—3!, Zoll breit. Blattstiele dünn, 15,—7 Zoll lang. Trugdolden- stiele 3—9 Zoll lang. Fruchtstiele 4 Zoll lang. Kapseln 6—7 Linien lang und breit. Fruchtflügel 1}, Linie breit. In Mexico in einer Höhe von 2500 Fufs vorkommend. In Kultur. XXVI. Rossmannia(') Kl. Mär, RI Al Flores monoiei subeorymbosi terminales. Masculi: Petala 2 subor- bicularia. Stamina plurima inaequilonga, exteriora breviora; antheris bre- vibus ovalibus, utrinque obtusis, apice brevi productis, loculis lateralibus tumidis; filamentis filiformibus brevissime monadelphis. Flores feminei: Petala 2 suberecta ovato-erbicularia. Ovarium inferum triloculare depresso- trigonum valde inaequaliter trialatum. Ovula in placentis e loculorum an- gulo centrali bilamellatis creberrima, anatropa, lamellis arcuatim subconni- ventibus in stipitem brevem exoyuliferum conjunetis. Stylus tripartitus glaber persistens, lobis arcuatim bicornulis erectis tortuosis, fascia papillosa ter spiraliter torta, inferne continua einctis. Capsula turbinato -triquetra trilo- eularis valde inaequaliter trialata, ala maxima oblonga adscendente suberecta obtusa, ad alarım originem per rimas arcuatas dehiscens, bracteis tribus or- bieulatis magnis persistentibus obducta. Semina innumerabilia minutissima oblonga reliculata exalbuminosa. Herba scandens radicans peruviana; foliis subaequalibus oblongis acu- minatis membranaceis argute serratis glabris brevi petiolatis; stipulis caducis; corymbis laxis terminalıbus; floribus roseis; capsulae ala maxima longissima erecta obtusa. 1) Aossmannia repens Kl. Herbacea, scandens, glabra; caulibus longis ramosis radicantibus; foliis aequalibus membranaceis utrinque glabris oblongis acuminatis argute serratis, basi subattenuato-obtusis brevi petiolatis, supra laete viridibus, subtus pallidioribus fuscescente - nervosis; stipulis (') Dem Andenken des Herrn Dr. Julius Rossmann, Privat-Docenten der Botanik an der Universität Giessen, Verfasser der Beiträge zur Kenntnifs der Wasserhahnenfülsse. Giessen 1854, gewidmet. Ee2 220 KrLorzscn: membranaceis oblongo-spathulatis caducis brevi apiculatis; corymbi ramis alternis subremotis; petalis saturate roseis suborbicularibus; ala maxima elongato-oblonga obtusa capsula quater longiore. Begonia repens Herb. Ruizii. Stengel krautartig, verästelt, klimmend, wurzelnd, mehrere Fufs lang und von der Dicke eines Rabenkiels. Blätter 2!, — 3!, Zoll lang und 8—12 Linien breit. Blattstiele 2—4 Linien lang. Nebenblätter 4 Linien lang und 141, Linie breit. Blumenblätter 4 Linien im Durchmesser. Die bleibenden Bracteen, welche die Kapselfrucht einschliefsen, rauschend, fast kreisrund, 5 Linien lang und breit. Afterdolde 4% Zoll lang. Kapsel 5 Linien lang und breit. Gröfster Fruchtflügel 21 Linien hoch und 5 Li- nien breit. Von Ruiz und Pavon in Pueblo nuevo (Peru) entdeckt und von Tafalla gezeichnet. Die Zeichnung ist im brittischen Museum in London unter no. 61 d. aufbewahrt. Nicht in Kultur. AXAXVYII. Cyathocnemis(‘) Kl. Flores monoici dichotomo-cymosi ebracteolati, ad basin dichotomiarum bractea magna ceyathiformi, apice sinuato-lobata muniti. Masculi: Petala 2 opposita suborbicularia plana. Stamina numerosa inaequilonga; antheris linearibus luteis filamenta aequantibus, utrinque rima longitudinali ab apice ad basim dehiscentibus; filamentis filiformibus albis, basi breviter monadel- phis, extimis brevioribus, interioribus sensim longioribus. Flores feminei: Petala 2 obovato-orbicularia. Ovarium inferum trigonum triloculare in- aequaliter trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali bila- mellatis creberrima, anatropa, lamellis arcuatim conniventibus in stipitem exoyuliferum conjunctis. Stylus tripartitus glaber persistens, lobis bicor- nutis tortuosis, fascia papillosa ter spiraliter torta, inferne continua cinctis. Capsula membranacea utrinque acuta triquetra trilocularis inaequaliter tria- lata, alis duabus marginem membranaceum angustum constituentibus, tertia in lobum obtusum, apice subtruncatum, totius capsulae inter alas parallele striatae diametrum superantem venosumque producta, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina numerosissima subeylindrica fusces- centia reticulata exalbuminosa. (') Aus den griechischen Wörtern zU@Sos und zvruis zusammengesetzt. Begoniaceen- G altungen und Arten. 221 Herba subtuberosa succulenta erecta glabra peruviana; caule tripedali strieto tereti; foliis petiolatis oblique cordatis; transverse ovatis aculis si- nuato -angulatis crenatis roseo-marginatis, utrinque glabris; stipulis magnis subpersistentibus flabellatis; pedunculo axillari longissimo repetite dicho- tomo; bracteis ad basin dichotomiarum magnis viridibus in cyathum obverse conicum connatis, deinde basi eircumseissis deciduis, ore truncato eroso- lobato ; florum pedicellis longis filiformibus ebracteolatis. 1) Cyathocnemis obligua Kl. Tuberosa; caule subsimplici glabro strieto; stipulis obovato-flabellatis magnis subpersistentibus; foliis oblique cordatis, transverse ovatis acutis sinuato - angulatis crenatis; pedunculis axil- laribus terminalibusque longissimis glabris; floribus candidis ebracteolatis; capsulae alis inaequalibus. Begonia obliqua Herb. Ruizii. B. cyathophora Poeppig et End- licher, Genera et spec. plant. I, p. 7. n. 1. t. 11. Wurzelstock knollenartig. Das ganze Gewächs fleischig- saftig, glän- zend. Stengel 3 Fufs hoch, stielrund, kaum verästelt, Afterblätter 1 Zoll lang und breit. Blattstiele stielrund, gerade, aufrecht, 5—6 Zoll lang. _ Blätter 3—4 Zoll lang und 6—7 Zoll breit. Trugdoldenstiele 2 Fufs lang. Die becherförmigen Bracteen, welche die Verzweigungen der Trugdolden einhüllen 1 Zoll lang und an der Mündung 1 Zoll weit. Die Blüthenstiel- chen fadenförmig, 8—10 Linien lang. Blumenblätter 4—5 Linien lang und breit. Gröfster Fruchtflügel 5 Linien hoch und 6 Linien breit. Im östlichen Peru in bewaldeten, felsigen Lokalitäten der Anden bei Cuchero. Ruiz und Pavon, Poeppig. Nicht in Kultur. Die von dem Professor Poeppig gemachte Angabe, nach welcher die weiblichen Blüthen 5blättrig sein sollen, beruht, wie ein Exemplar von Ruiz beweist, das im Berliner Herbar aufbewahrt wird, auf einem Irrthume. AXXIX. Magnusia (‘) Kl. BatpIX WB, Flores monoiei albi cymosi. Masculi: Petala 2 latissima semiorbicu- laria, extus sparsim pubescentia rigida. Stamina 50 — 60 toro pulvinato (') Dem Andenken des Physikers, Herrn Professor Dr. Magnus, ordentlichen Mitgliede der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin, gewidmet. 3232 KrLorzsen: inserta,; antheris elongatis, utrinque truncatis, apice subemarginatis per rimas laterales usque ad apicem dehiscentibus; filamentis brevibus liberis tenuibus planiuseulis. Flores feminei: Petala 2 latissima semiorbicularia carnosa subeonvoluta nec expansa, extus hirta. Ovarium inferum triloculare trigonum inaequaliter trialatum, extus hirsutum. Ovula in placentis e locu- lorum angulo centrali gyroso-bilamellatis creberrima, anatropa. Stylus tri- fidus glaber persistens; stigmatibus bicornutis, fascia papillosa bis spiraliter torta, inferne continua cinctis. Capsula turbinato-triquetra trilocularis valde inaequaliter trialata utrinque emarginata, ad alarum originem per rimas ar- cuatas dehiscens. Semina innumerabilia minutissima oblonga reticulata ex- albuminosa. Suffrutex in montibus regni mexicani obvius. Rhizomate crasso car- noso cicatrisato setoso; foliis suborbieularibus angulatis dentatis oblique cordatis longissime petiolatis; pedunculis longis longissime repetito - dicho- tomis; floribus albis; petalis florum femineorum carnosulis margine inflexis subclausis; capsulae brevi setosae ala maxima ovata obtusa, versus apicem dentato - ciliata. 1) Magnusia fusca Kl. Rhizomate crasso carnoso obliquo cica- trisato stipulato; foliis longe petiolatis oblique cordatis acute angulato-loba- tis acuminatis, lobo basilari maximo rotundato, sinu profundo angusto, 7—9 nerviis, utrinque ferrugineo-setosis, supra saturate viridibus, subtus fuscescentibus imprimis ad nervos pilosis; petiolo longo fusco-piloso; pe- dunculo longo crasso tereli parce puberulo, demum glabrescente; cyma elongata repetite dichotoma; bracteis deciduis concavis ovatis obtusis ciliatis, externe rulo-setosis; floribus albidis, extus brevi setosis; petalis carnosis setoso-denticulatis, margine tenuioribus; capsulae brevi setosae alis ciliatis, 2 angustioribus rotundatis, maxima chartacea lato-falcata obtusangula denticulata. Begonia fusca Liebmann].c.p.8, n. 10. Wurzelstock 2— 3 Zoll lang und 1!, Zoll diek. Blätter 6 — 11 Zoll lang und 3— 9 Zoll breit. Blattstiele 1 —1', Fufs lang, walzenförmig, an der Basis von der Dicke eines kleinen Fingers, oberwärts allmählig verdünnt. Trugdoldenstiele 1 — 1!, Fuls lang. Trugdolde 1 Fufs lang. Fruchtstiele —1 Zoll lang. Frucht 6—7 Linien lang und 12 Linien breit. m Begoniacceen - Gatlungen und Arten. 223 Im Departement Oajaca auf Gebirgen in einer Höhe von 3000— 5000 Fufs. Liebmann. Nicht in Kultur. 9) Magnusia maxima Kl. Rhbizomate repente crasso setoso cica- trisato, radieulis roseis instructo; stipulis magnis late ovatis subacuminatis serrato- setosis evanescente pilosis albido-tuberculatis; petiolis strictis tere- tibus retrorsum pubescentibus sursum attenuatis sesquipedalibus; foliis magnis transverse orbiculato-ovatis oblique acuminatis novemnerviis pro- funde cordatis, margine leviter sinuatis fusco -serratis setosis, utrinque viri- dibus albido-pubescentibus, nervis subtus magis prominentibus; pedunculo longissimo stricto glabrescente; cyma elongata repetite dichotoma; bracteis deeiduis magnis obovatis albido-virescentibus puberulis; floribus magnis candidis, externe sparsim pilosis; capsulae pubescentis alis serrato-ciliatis duabus angustioribus rotundatis, tertia maxima adscendente ovata. Magnusia fusca Taf. IX. C. fig. a—m. Begonia maxima Hort. Berol. Wurzelstock 6—8 Zoll lang und 14, Zoll dick, zwischen den zoll- breiten Blattnarben mit weilsen Punkten bezeichnet, welche von den abge- fallenen, grünen 7 Linien langen und linienbreiten, entfernt gewimperten, borstenartigen Schuppen herrühren, die noch an den aktiven Vegetations- partien sichtbar sind. Afterblätter 1!, Zoll lang und zollbreit. Blatistiele stielrund, 14, Fuls lang und an der Basis daumendick. Blätter 12 Zoll lang und 15 Zoll breit, die herzförmigen Lappen der Basis abgerundet, sich deckend und 3—4 Zoll lang. Trugdolde 3 Fuls lang, deren Stiel 1—1} Fufs lang. Blumenblätter $ Linien lang und zollbreit. Kapsel an beiden Enden ausgerandet, 7, Zoll hoch und 15 Linien breit. Gröfster Fruchtflügel 10 Linien breit und 8 Linien hoch. Wird im Berliner botanischen Garten kultivirt und ist wahrscheinlich ebenfalls in Mexico einheimisch. "* Placentae integrae pedicellatae. AAX. Haagea('‘) Kl. Dat IX: -C. Flores monoiei rosei eymosi. Masculi: Petala 2 late obovata glabra. Stamina crebra inaequilonga, centralia longiora toro subplano inserta, antheris (') Dem Andenken eines der renommirlesten deutschen Handelsgärtner, des Kunstgärtner Herrn F. Adolph Haage jun. in Erfurt, als ein Zeichen besonderer Achtung gewidmet. 71 Krorzscen: obovatis, apice truncato-tumidis, basi attenuato-obtusis filamentis liberis subbrevioribus. Flores feminei: Petala 2 orbiculato-oboyata. ÖOvarium in- ferum triloculare trigonum aequaliter trialatum roseum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali integerrimis pedicellatis (sectio transversa ovato- lanceolata) sessilia, creberrima, anatropa. Stylus tripartitus glaber per- sistens. Stigmata latissime expansa subplana divaricato-biloba, lobis brevis- simis subtortuosis, fascia papillosa semel spiraliter torta antice continua einetis. Capsula tenuissime membranacea triquetra trilocularis obovata aequaliter trialata, ad alarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumerabilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. Frutices erecti parce romosi indici; foliis semieordatis transverse ovatis attenuato-acutis duplicato-serratis discoloribus petiolatis; stipulis oblongis se- micordatis; eymis paucifloris pendulis axillaribus rubro-pedunceulatis; floribus longissime pedicellatis magnis germinibusque roseis; capsulis aequaliter trialatis. 1) Haagea dipetala Kl. Fruticosa, erecta, subglabra; caule erecto parce ramoso cinereo-fusco roseo-punctato; foliis semicordatis transverse ovatis acutis duplicato - serratis inaequilateris rubro petiolatis, supra laete viridibus albido-maculatis setis sparsis brevibus obsitis, subtus purpurascen- tibus; stipulis ovato-oblongis semicordatis; cymis paucifloris pedunculatis pendulis axillaribus; floribus germinibusque saturate roseis; capsulae alis subaequalibus rotundatis, basi plus minus attenuatis. Begonia dipetala Graham in Bot. Magaz. t. 2849. R. Wight, Ic. plant. Ind. or. v. V, t. 1813! Ein 2— 3 Fufs hoher, kaum- oder wenig verästelter Strauch mit grau-braunem, sparsam roth-punktirtem Stengel und Zweigen. Afterblätt- chen abgerundet, stachelspitzig, 8 Linien lang. Blattstiele 1,—3 Zoll lang. Trugdoldenstiele 1—2 Zoll lang. Trugdolden 3 Zoll lang. Blumenblätter der männlichen Blüthe 9 Linien lang und breit, die der weiblichen Blüthe 9 Linien lang und 12 Linien breit. Kapsel 10 Linien lang und 6 Linien im Durchmesser. Flügel 2 Linien breit. Durch den Dr. Johnstone aus Bombay im Jahre 1826 zuerst in Eng- land eingeführt. Gegenwärtig sehr allgemein verbreitet. Aus einer Bemerkung des Dr. R. Wight in dem oben citirten Werke ist ersichtlich, dafs die Gattung Haagea nicht auf die eine hier diagnosirte Art beschränkt ist. Er sagt, er habe sie nicht allein in den Neilgherri-Gebirgen, Begoniaceen - Gattungen und Arten. 2935 sondern auch an vielen anderen Orten und in so abweichenden Formen an- getroffen, dafs er annehmen müsse, die durch zweiblättrige Blumen charak- terisirte indische Art zerfalle in mehrere. B. PRITZELIEAE. Stylorum stigmatumque rami undique papillosi. + Flores masculi 4 -, feminei 5 petali. * Placentae crasso-bilamellatae. AXXI Tittelbachia (') Kl. Taf A: Flores monoici pedunculato-cymosi penduli e miniato coccinei. Mas- culi: Petala 4 biserialia eruciatim opposita, 2 exteriora ovata obtusa majora crassa carnosa, 2 interiora tenuiora oblonga minora. Stamina dense aggre- gata toro pulvinato inserta; antheris oblongis, utrinque rotundato-obtusis filamenta aequantibus; filamentis brevibus filiformibus liberis. Feminei: Petala 5 pluriserialia inaequalia carnosula. Uvarium inferum trigonum tri- loculare inaequaliter trialatum, apice truncatum. ÖOvula in placentis e lo- culorum angulo centrali geminis crassis conniventim falcatis creberrima, anatropa. Stylus persistens perbrevis trifidus; stigmatibus bicornutis erectis sursum attenuatis, ramis versus apicem divaricatis nec tortuosis undique minutissime papillosis. Capsula carnoso-membranacea turbinato -triquetra trilocularis inaequaliter trialata, ad alarum originem per rimas arcuatas de- hiscens. Semina innumerabilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. Frutices glabri ramosi Novogranatenses; foliis parvis obliquis distiche recurvis subcoriaceis semiovatis acutis ciliato-serratis viridibus, subtus pallidis nitidis brevi petiolatis; stipulis oblongis setoso-apiculatis marcescentibus; eymis parvis in apice ramulorum axillaribus pedunculatis pendulis; floribus longe pedicellatis globoso -conniventibus; capsulis carnoso - membranaceis coloratis; alis inaequalibus crassiusculis obtusangulis. (') Es ist ein Act schuldiger Dankbarkeit, die mich veranlalst diese Gattung dem An- denken des Herrn Kunstgärtner Tittelbach, jetzt in Kew bei London, früher im botanischen Garten bei Berlin mit der Kultur der Begoniaceen betraut, zu widmen. Derselbe hat meine Arbeit in einer Weise unterstützt, die öffentlich gerühmt zu werden verdient und dabei ein wissenschaftliches Interesse an den Tag gelegt, wie es mir nur selten begegnet ist. Phys. Kl. 1854. Ff 226 Kıorzsch: 1) Tittelbachia fuchsioides Kl. Fruticosa, ramosissima, glabra; caule erecto tereti griseo-fuligineo sparsim flavido-punctato; ramis pendulis e viridi-rubicundis; stipulis lato lanceolatis unicostatis setoso-cuspidatis, basi oblique cordatis semipellueidis, deinde marcescentibus; foliis parvis oblongis acutis rubrocuspidato-serratis distiche deflexis, basi oblique emarginatis, supra laete viridibus opacis, subtus pallide viridibus albido - punctulatis niti- dis; petiolis brevibus pallide rubris, supra sulcatis; eymis in apice ramu- lorum axillaribus pedunculatis paucifloris pendulis; bracteis roseis ovato- lanceolatis cuspidatis subintegerrimis subinde bieuspidatis; petalis exterioribus ovatis obtusis carnosis, extus convexis coccineis, intus concavis pallidio- ribus; pedicellis longis roseis; capsulae alis inaequalibus subcoccineis, apice truncatis. Begonia fuchsioides Hooker, Bot. Mag. t. 4281. Strauch verzweigt, 3—4 Fufs hoch und schwanenkieldick. Aste 1— 1!, Fufs lang und gänsekieldick. Afterblättchen 5 Linien lang und 1%, Linie breit. Blattstiele 2 Linien lang. Blätter 12—21 Linien lang und 5—9 Li- nien breit. Trugdoldenstiele dünn, 2 Zoll lang. Blüthenstiele 8— 12 Linien lang. Bracteen 2— 3 Linien lang. Äufsere Blumenblätter der männ- lichen Blüthe 6 Linien lang und 4 Linien breit, etwas kürzer und schmäler an denen der weiblichen Blüthe. Durch Herrn Purdie auf dem Bergrücken von Ocana in Neu-Gra- nada entdeckt und in Kew bei London lebend eingeführt. Gegenwärtig in der Kultur sehr verbreitet. 2) Tittelbachia miniata Kl. Fruticosa, ramosa, glabra; caule erecto tereti viridi-cinereo leviter striato-angulato; ramis adscendentibus e viridi rubescentibus; stipulis sessilibus lanceolatis unicostatis setoso-cuspida- tis marcescentibus, nec basi cordatis; foliis parvis oblongis acutis roseo- cuspidato-serratis distiche reflexis, basi oblique emarginatis, supra laete viridibus pellueido-nervosis, utrinque nitidis, subtus pallide viridibus albido- punetulatis; petiolis brevibus pallide viridibus, supra sulecatis; eymis in apice ramulorum axillaribus pedunculatis paucifloris pendulis; bracteis ovato- lanceolatis cuspidatis hine inde sparsim serratis; petalis exterioribus ova- tis obtusis carnosis, extus convexis miniatis, intus concavis pallidioribus; pedicellis longis saturate roseis; capsulae alis inaequalibus coccineis, apice truncatis. Begoniaceen - Gattungen und Arten. 297 Begonia miniata Planchon et Linden, Flore des Serres vol. VII, p- 105 cum icone piecta. s Strauch verzweigt, 3—4 Fufs hoch und schwanenkieldick. Aste auf- steigend, nur an der Spitze niedergebogen, fufslang und rabenkieldick. Af- terblättchen 6 Linien lang und 1%, Linie breit. Blattstiele 1—2 Linien lang. Blätter 12—20 Linien lang und 7—10 Linien breit. Trugdoldenstiele 1%, — 2 Zoll lang, oberwärts geröthet. Blüthenstiele 3—6 Linien lang. Bracteen 4—6 Linien lang. Äufsere Blätter der männlichen Blüthe 5 Linien lang und 3 Linien breit. Durch Herrn Linden in Brüssel aus Columbien eingeführt. In der Kultur sehr verbreitet. ** Placentae integrae pedicellatae. XXXNH. Pritzelia(‘) Kl. Taf. B: Flores monoici albi rösei aut coccinei. Masculi: Petala 4 biserialia eruciatim opposita, 2 exteriora suborbicularia paullulum latiora quam longa, intus concava, 2 interiora oblonga angustiora, basi attenuata. Stamina 17 — 40 toro pulvinato inserta,; antheris elongatis oblongis obtusis compressius- culis, basi subemarginatis, filamentis brevissimis liberis teretibus. Flores feminei: Petala 5 triserialia subaequalia vel interiora minora ovato-oblonga obtusa. Germen inferum triloculare trialatum coloratum. Ovula in pla- centis e loculorum angulo centrali integerrimis pedicellatis, (sectio transversa ovato-triaugularis) creberrima, anatropa. Stylus brevis persistens puberulus trifidus aut tripartitus. Stigmata tria bicornuta, cornubus plus minus tor- tuosis undique puberulo-papillosis. Capsula triquetra trilocularis glabra colorata, alis aequalibas aut inaequalibus, apice truncatis, ad alarum origi- nem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumerabilia minutissima ovalia reticulata exalbuminosa. (') Dem Andenken des Archivars der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Herrn Dr. Georg Pritzel gewidmet, der sich durch die Publication seiner „„Anemonen”, durch seinen „Thesaurus literaturae botanicae omnium gentium”, sowie durch seinen „Index iconum botanicarum” aufserordentliche Verdienste um die Botanik erworben und deshalb das grölste Anrecht hat seinen Namen in der botanischen Nomenclatur, als ein Denkmal der Anerkennung vertreten zu sehen. Ich thue dies mit um so grölserem Beruf, als zwei frühere derartige Versuche von Walpers und Schauer milsglückten. Ff2 228 Krorzsch: Suffrutices Brasilienses; caulibus ramosis erectis aut flexuoso -adscen- dentibus, tenuibus aut crassis; stipulis deciduis; foliis oblique cordatis inaequilateris brevi- aut longe -petiolatis subcoloratis, supra nitidis; cymis repetite dichotomis amplis longe pedunculatis axillaribus; floribus ex albido roseis aut coccineis; capsularum alis variaeformibus. * Caule erecto ramoso; lobis stigmatum semel arcuato-tortuosis ; capsulae alis subaequalibus, inferne subattenuatis, apice truncatis. 1) Pritzelia Fischeri Kl. Tenuis, erecta, ramosa; caule erecto rubescente semipellucido tumido-articulato; foliis semicordatis subparvis tenuibus transverse ovato-oblongis acuminatis angulato-dentato-serratis, supra micantibus, subtus rubescentibus; stipulis ovatis integerrimis; cymis parvis pedunculatis subterminalibus; petalis flor. masc. exterioribus rotundatis con- cavis, marginibus plano-revolutis; petalis flor. fem. ovato-lanceolatis; cap- sulae alis duabus majoribus. Begonia Fischeri Otto und Dietr., Allgemeine Gartenzeitung v. IV, p- 354. Graham, New Edinb. philos. Journal v. XXI, p. 154 et in Bot. Mag. t. 3532. Stämme schlank, verästelt, 1,—2 Fufs hoch. Blattstiele —1%, Zoll lang. Blätter dünn, 11—17 Linien lang und 2—3%, Zoll breit. Afterblätt- chen 5 Linien lang und 2 Linien breit. Trugdoldenstiele 11, Zoll lang. Trugdolden zolllang und 14 Zoll im Durchmesser. Äufsere Blumenblätter 4 Linien lang, weifslich, etwas geröthet. Kapsel 5 Linien lang und 4 Li- nien breit. In Brasilien einheimisch. Durch den botanischen Garten in Peters- burg verbreitet. 2) Priützelia coccinea Kl. Evrecta, glabra; caule sanguineo arti- eulato-tumido; foliis obliquis semicordatis carnosis transverse oblongo-ovatis acutis sinuato-dentatis rubro -marginatis majoribus, supra concaviusculis; stipulis amplis obovatis concavis coloratis deeiduis; pedunculis erectis, ceymis ramificationibus floribusque coccineis pendulis; petalis obovatis; capsulae pyriformis alis subaequalibus. Begonia coccinea Hooker, Bot. Mag. t. 3990. Paxton, Mag. of Bot. v.X, p. 73 cum icone picta. Stamm robust, wenig verästelt, 11—2 Fufs hoch. Blattstiele 4 —1 Zoll lang. Blätter 1,— 2%, Zoll lang und 4—6 Zoll breit. Afterblättchen Begoniaceen- Gallungen und Arten. 229 1 Zoll lang und 4, Zoll breit. Trugdoldenstiele aufrecht, 2 Zoll lang. Trug- dolden hangend, 2—3 Zoll lang und 4—5 Zoll im Durchmesser. Blüthen- stiele der männlichen Blüthe % Zoll, die der weiblichen Blüthe 1 Zoll lang. Kapseln 1 Zoll lang und an der Spitze 7—S Linien im Durchmesser. Auf dem Orgelgebirge in Brasilien entdeckt und im Jahre 1841 lebend in England eingeführt. Durch die Handelsgärtnerei von Veitch in London verbreitet. 3) Pritzelia sanguinea Kl. Caule erecto subramoso, inferne ci- nereo, superne ramisque sanguineis; stipulis magnis convexis ovatis acutis, extus roseis, intus magis concavis; petiolis teretibus sanguineis folio bre- vioribus; foliis oblique cordatis transverse ovatis brevi acuminalis carnosis magnis, margine revolutis crenatis, supra saturate viridibus nitidis, subtus sanguineis; pedunculis eymis pedicellisque erectis axillaribus sanguineis; floribus candidis; germinibus capsulisque flavido - viridibus; alis sub- aequalibus. Begonia sanguinea Raddi in Sprengel, Syst. veget. v. II, p. 625. Link et Otto, Icones plant. rar. horti Reg. bot. Berol. p. 25. t. 13. Hooker, Bot. Mag. t. 3520. Stamm 2—3 Fufs hoch, unterwärts grau und verholzt, oberwärts wie seine Zweige blutroth, krautartig, angeschwollen - gegliedert. Afterblätt- chen 1!, Zoll lang und zollbreit. Blattstiele 1—4 Zoll lang. Blätter 3—4 Zoll lang und 5—7 Zoll breit. Trugdoldenstengel 6—8 Zoll lang. Trug- dolden 6 Zoll lang und 8 Zoll im Durchmesser. Die äufseren Blumen- blätter der männlichen Blüthe 4 Linien lang und 5 Linien breit, die beiden inneren 4 Linien lang und 2 Linien breit. Die äufseren Blumenblätter der weiblichen Blüthe 4 Linien lang und breit und die inneren um die Hälfte schmaler. Die Kapseln besitzen eine Länge von 8 Linien und an der Spitze einen Durchmesser von 6 Linien. Im Jahre 1823 durch Sello im botanischen Garten zu Berlin lebend aus Brasilien eingeführt. 4) Pritzelia glauca Kl. Caule erecto subgracili, inferne sub- lignoso cinerascente, superne herbaceo rubescente, stipulis ovatis brevi apiculatis; petiolis teretibus erectis rubicundis folio brevioribus; foliis car- nosulis semicordatis transverse ovatis incurvo-acuminatis serrato - dentatis ereclis; cymis congestis; ramificationibus inaequaliter evolutis; petalis 230 Krorzscen: exterioribus reniformi-semiorbicularibus, interioribus angustis; petalis exte- terioribus flor. femin. obovato-rotundatis; capsulae alis inaequalibus ro- tundatis. Begonia glauca Herb. Ruizii. Stengel aufrecht, 2 Fufs hoch, einfach, unterwärts verholzt, stiel- rund, an den Gliederungen verdickt. Blätter 1,—2 Zoll lang und 3—4 Zoll breit. Blattstiele ,—1 Zoll lang. Afterblättchen 1 Zoll lang und 1, Zoll breit. Trugdoldenstiele 2—2!, Zoll lang. Trugdolden 2 Zoll lang und breit. Äufsere Blumenblätter 3 Linien lang und 4 Linien breit. Früchte 5 Linien lang und 6 Linien breit. Von Ruiz in Muna (Peru) im Jahre 1784 entdeckt. Nicht in Kultur. 5) Prizelia zebrina Kl. Caulibus usque ad basin divisis erectis acute sexangularibus parce ramosis; stipulis magnis ovatis brevi apiculatis carinatis marcescentibus; petiolis brevibus erectis teretibus; foliis subcoria- ceis semicordatis transverse elongato-ovatis acutis, margine subundulatis in- aequaliter crenato-serratis, supra micantibus albido-venosis, subtus viridibus aut sanguineis; eymis pedunculatis axillaribus viridibus aut saturate roseis; floribus albidis vel roseo tinctis parvis; petalis flor. masc. exterioribus or- bieularibus, intus excavatis, interioribus obovatis; petalis flor. femin. ova- tis subacutis; capsulae alis inaequalibus rotundatis, apice truncatis, basi obtusis. Begonia zebrina Hort. Angl. Var. « concolor Kl. Caule ramis petiolis foliis cymisque undique viri- dibus floribus albidis. Var. ® discolor Kl. Foliorum pagina inferiore sanguineo; cymis flori- busque roseis. Stengel 2—3 Fufs hoch, bis zur Basis getheilt, schwanenkieldick, 4—beckig. Afterblättchen 1 Zoll lang und 10 Linien breit. Blätter 2—3 Zoll lang und 5—7 Zoll breit. Blattstiele 4 —2 Zoll lang. Trugdolden- stengel 2%, Zoll lang. Trugdolde 4 Zoll lang und 5 Zoll im Durchmesser. Äufsere Blumenblätter der männlichen Blüthe 3 Linien lang und 34 Linien breit, die der weiblichen Blüthen 3 Linien lang und 1 bis 2 Linien breit. Früchte 5 Linien lang und breit. Stammt aus Brasilien und wurde im Jahre 1845 lebend in England eingeführt. Im Berliner botanischen Garten befinden sich beide Varietäten. Begoniaceen- Gatlungen und Arten. 231 ** Caule brevi flexuoso ramoso; internodiis brevissimis; stipulis dorso connatis; petiolis longis; stigmatum lobis crassis strictis; capsulae alis valde inaequalibus. 6) Pritzelia ramentacea Kl. Caule sanguineo erecto flexuoso ramoso squamis albis recurvis laciniatis asperato dense folioso; stipulis con- duplicatis connatis, versus marginem exteriorem squamoso-villosis, deinde apice bifidis; petiolis extus intusque coccineis teretibus sursum attenuatis squamis candidis piloso-laciniatis aridis recurvatis dense annulatim ortis vesti- tis folio subduplo longioribus; foliis oblique cordatis transverse ovatis brevi acuminatis, margine deflexis remote angulato-dentatis inter dentes suberenatis, supra saturate viridibus nitidis in centro umbilicato planiusculis flavido-veno- sis, subtus sanguineis dense coceineo-setosis, (setis complanatis patentibus anguste laciniatis); cymis repetite dichotomis axillaribus longe pedunculatis; pedunculis rubescentibus sulcato - striatis sparse squamoso -hirtis; floribus roseis; petalis flor. masc. exterioribus oblongo-rotundatis, interioribus obo- vatis, basi attenuatis; petalis flor. femin. elliptieis aut lato obovatis; capsulae glabrae alis inaequalibus, maxima adscendente ovata subacuta. Begonia ramentacea Paxton, Mag. of Bot. vol. X, p. 73 cum icone picta. Stamm verästelt, —1 Fufs lang, von der Dicke eines kleinen Fin- gers. Afterblätter an den seitlichen Rändern geröthet 10 Linien lang und breit und hinten der Länge nach verwachsen. Blattstiele bis zur Dicke eines Schwanenkiels, 5— 10 Zoll lang. Blätter 2,— 41, Zoll lang und 4—6 Zoll breit. Trugdoldenstengel von der Dicke eines Rabenkiels und 4—1 Fufs lang. Trugdolde 3 Zoll lang und 4 Zoll breit. Äufsere Blumenblätter der männlichen Blüthe 9 Linien lang und 7 Linien breit, innere 5 Linien breit. Kapseln 6 Linien lang und 8 Linien breit. Auf dem Örgelgebirge in Brasilien entdeckt. In Kultur. 7) Pritzelia princeps Kl. Caule flexuoso densissime folioso se- toso-fibrilloso; stipulis magnis conduplicatis carinatis setuloso-villosis, apice truncatis; petiolis robustis teretibus longis viridibus, basi rubescentibus re- mote annulatim inciso-squamatis, squamis brevissimis latis albidis deflexis; foliis oblique cordatis transverse Jato-ovatis acutis, margine recurvatis obso- lete dentatis, supra saturate viridibus lucidis flavido - venosis, subtus sangui- neis viridi venosis sparsim scabris; cymis majoribus repetite dichotomis longo 232 Krorzscn: pedunculatis axillaribus subglabris laete rubris; floribus candidis; petalis exterioribus flor. masc. obovato orbiecularibus, interioribus minoribus, inter- dum filiformibus, hine inde nullis; eapsulae glabrae alis valde inaequalibus, maxima adscendente rotundata. Begonia princeps et Begonia libonica Hort. Berolinensis. Stamm verästelt, fufslang und daumendick. Afterblätter 11, Zoll lang und breit. Blattstiele 6—10 Zoll lang und an der Basis von der Dicke eines kleinen Fingers. Blätter 4—6 Zoll lang und 7—10 Zoll breit. Trugdolden- stengel 1—1!, Fufs lang und fast kahl. Trugdolde 5 Zoll lang und 7 Zoll breit. Äufsere Blumenblätter der männlichen Blüthe 6 Linien lang und 9 Linien breit. Kapsel 6 Linien lang und 7 Linien breit. Vaterland unbekannt. Nach Angabe der Gärtner soll sie aus ea stammen. Es ist jedoch nicht unmöglich, dafs sie in den Gewächshäusern durch Kreuzung entstanden ist. XXAIH. Wageneria(‘) Kl. HalX, G. Flores albi monoiei genieulatim dichotomo-cymosi. Inflorescentia sexibus mixta aut sejuncta. Masc. Petala 4 cruciatim opposita, exteriora majora elliptica, interiora angustiora oblonga, inferne attenuata, intus con- cava. Stamina crebra, filamentis subbrevibus basi brevissime connatis; an- theris elongato-oboyatis bilocularibus longitudinaliter dehiscentibus filamentis sublongioribus. Flores feminei: Petala 5 patentia subinaequalia oblonga pluriserialia, exteriora minora. Ovarium inferum triloculare trigonum valde inaequaliter trialatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali soli- tariis pedicellatis (sectio transversa ovata obtusa, basi truncata aut subcor- data,) creberrima, anatropa. Stylus tripartitus brevis persistens puberulus; stigmatibus arcuato-bicornutis, cornubus bis-ter spiraliter tortis, undique puberulo-papillosis. Capsula turbinato-triquetra trilocularis inaequaliter trialata, alis duabus angustissimis, tertia maxima patentissima, ad alarum ori- ginem per rimas arcuatas dehiscens. Semina innumerabilia minutissima ob- longa reticulata exalbuminosa. (’) Dem Andenken des wackeren Reisenden und Sammlers in Venezuela, Herrn H. Wa- gener aus Halle a.S., gegenwärtig in Caracas, dem wir eine grolse Menge neuer und interessanter Einführungen an Orchideen, Begoniaceen, Palmen und baumartiger Farrn dan- ken, gewidmet. Begoniaceen-Gatlungen und Arten. 9233 Suffrutices ramosi erecti v. flexuoso-subscandentes radicantes in Ame- rica tropica indigeni; foliis aequalibus aut obliquis integris aut lobatis petio- latis bistipulatis; stipulis marcescentibus; petiolis supra sulco instructis; cymis geniculato-dichotomis peduneulatis axillaribus; floribus albis; bracteis parvis; capsulae glabrae ala maxima patentissima. a Caule ramisque flexuoso-subsandentibus radicantibus. 1) Wageneria deflexa Kl. Flexuoso-radicans, glabra; foliis sub- aequalibus ovatis acuminatis, margine undulatis obsolete crenato - serratis hinc inde grosse dentatis, supra nitidis saturate-, subtus pallide viridibus, basi subemarginato-rotundatis, arcuatim deflexis nervoso - plicatis; stipulis lato- lanceolatis carinatis apieulatis; cymis geniculato -dichotömis pedunculatis axillaribus; floribus alisque candidis; capsulae ala maxima rectangula latis- sima angusta obtusa, duabus obsoletis. Begonia scandens Hort. Berol. et Schoenbr. Stamm von der Dicke eines Gänsekiels, grün, kahl, 2—3 Fufs hoch, von der Basis bis zur Spitze verästelt. Äste aufsteigend. Afterblättchen breit-lanzettförmig, kurz zugespitzt, durchsichtig, auf dem Rücken gekielt, 10 Linien lang und 3 Linien breit, welkend. Blattstiele aufrecht, 1—2 Zoll lang, grün, halbrund, auf der Oberseite flach gefurcht, an der äufsersten Spitze geröthet. Blätter wellig-gefaltet, 21,—3!, Zoll lang und 1,— 21, Zoll breit. Trugdoldenstiele 4 Zoll lang. Trugdolden 3 Zoll lang und 6 Zoll breit. Äufsere Blumenblätter der männlichen Blüthe 3 Linien lang und 1%, Linie breit, innere 2 Linien lang und 1 Linie breit. Blumenblätter der weiblichen Blüthe 4 Linien lang und 2 Linien breit, die des äufsersten Kreises ein wenig kleiner. Gröfster Fruchtflügel 5 Linien breit und 3 Linien hoch. Von dem Herrn H. Wagener aus Venezuela unter no. 2543 lebend im Berliner botanischen Garten eingeführt. Von dem Herrn Director Schott in Schönbrun, dem ich für die Zusendung seiner sämmtlichen Begoniaceen meinen wärmsten Dank schulde, empfing ich diese Art mit der Bezeichnung des Vaterlands Central-America. Es kommt jedoch meines Wissens in Cen- tral- America keine Mageneria vor. 2) /Fageneria fagifolia Kl. Flexuosa, radicans, pilosa, ramosa; foliis deflexis subaequalibus ovatis acutis subangulato -serratis plicatis, basi emarginato-rotundatis, supra saturate viridibus nitidis, subtus pallidis, utrin- Phys. Kl. 1854. Gg 234 Krorzsch: que pilosis; petiolis erecto-patentibus rubescentibus pilosis semiteretibus, supra planis; stipulis lato-ovato-oblongis piloso-carinatis recurvo-apieulatis marcescentibus semicordatis inaequilateris; pedunculis pilosis patentibus axillaribus; eymis divaricato-genieulatis pilosis; floribus fructibusque candi- dis; capsulae ala maxima acutangula, apice truncata, margine laterali obliqua. Begonia fagifolia Fischer Mss. ex Otto und Dietrich, Allgem. Gartenzeitung v. IV, p. 356. Stamm schwanenkieldick, geröthet, 3 Fufs hoch, von der Basis bis zur Spitze verästelt. Afterblättchen 9 Linien lang und an der Basis 5 Linien breit. Blattstiele 9—15 Linien lang. Blätter 2—3 Zoll lang und 14,—13, Zoll breit. Trugdoldenstiele 2 Zoll lang. Trugdolden 5 Zoll lang und 8 Zoll breit. Die Gröfse der Blumenblätter beider Geschlechter wie bei der vorigen Art. Gröfster Fruchtflügel 3 Linien breit und 5 Linien hoch. Durch den Petersburger botanischen Garten verbreitet, der sie aus Brasilien erhielt, woselbst sie nach einem Exemplare von Gaudichaud mit no. 1060 bezeichnet, bei Rio de Janeiro vorkommt. 3) Wageneria lucida Kl. Fruticosa, scandens, ramosa, glabra, radicans; foliis subrotundo-ovatis abbreviato-acuminatis deflexis planis irre- gulariter crenato-denticulatis subaequilateris, basi emarginato -rotundatis, supra laete viridibus impresso-punctatis nitidis, subtus pallidioribus; petiolis erectis semiteretibus rubescentibus, supra lato-sulcatis; stipulis elongatis carinatis truncatis, basi oblique cordatis marcescentibus; eymis divaricato- geniculatis pedunculatis axillaribus; floribus parvis albidis; petalis flor. masc. exterioribus ovatis, interioribus angustioribus; petalis flor. fem. subaequa- libus oblongis obtusis; capsulae parvae alis duabus obsoletis, tertia maxima adscendente oblonga obtusa. Begonia lucida Otto und Dietrich, Allgem. Gartenzeitung v. XV], p- 162. B. Moritziana Kunth et Bouch&, Ind. sem. in horto Berol. 1848. p- 16. n. 28. Fin 4 Fufs hoher, verästelter, schwanenkieldicker Stamm. After- blättichen zolllang und an der Basis 5 Linien breit. Blattstiele 1—1, Zoll lang. Blätter 4 Zoll lang und 3, Zoll breit. Trugdoldenstiele 2—3 Zoll lang. Trugdolden 3 Zoll lang und 6 Zoll breit. Männliche Blüthen 4 Li- nien -, weibliche Blüthen 8 Linien im Durchmesser. Frucht 3 Linien lang. Gröfster Fruchtflügel 4 Linien hoch. Begoniaceen - Gattungen und Arten. 235 Durch Herrn C. Moritz aus Caracas lebend eingeführt und durch den Berliner botanischen Garten im Jahre 1548 verbreitet. 4) VVageneria montana Kl. Scandens, radicans, glabra; folis subaequalibus ovatis acuminatis inaequaliter angulato-serratis subeiliatis, basi subemarginato-rotundatis, supra saturate-, subtus pallide viridibus, utrinque glabris; petiolis semiteretibus erectis, supra lato-sulcatis; stipulis mar- cescentibus ovato-oblongis acuminatis carinatis glabris, basi semicordatis; cymis repetite dichotomis divaricatis glabris pedunculatis in apice caulis axil- laribus; floribus albidis parvis, femineis minimis; bracteis minutis lanceolato- subulatis; germinis alis duabus obsoletis, tertia maxima oblique ovata obtusa subadsendente. Stengel kletternd, gänsekieldick, wurzelnd. Blätter 2—5 Zoll lang und 1—2!, Zoll lang. Blattstiele 6—10 Linien lang. Afterblättchen 10 Li- nien lang und 4 Linien breit. Trugdoldenstiele 25— 3} Zoll lang. Trug- dolden 31, Zoll lang und 7 Zoll breit. Männliche Blüthen 4 Linien im Durchmesser. Blumenblätter der weiblichen Blüthe 1 Linie lang, die beiden des äufseren Kreises fein gespitzt. Gröfster Flügel des Fruchtknotens 1 Linie hoch und 14, Linie breit. Auf Bergen, an Wegen bei Muna in Peru von Ruiz und Pavon ent- deckt. Nicht in Kultur. 5) Wageneria glabra Kl. Scandens, nodoso-radicans, glabra; foliis ovatis acutis subangulato-dentatis, basi emarginato-rotundatis, utrinque glabris; petiolis sublongis; stipulis (ex icone) ovato-oblongis dentatis; eymis divaricato - geniculatis repetite dichotomis pedunculatis axillaribus; floribus parvis albidis; bracteis minutis persistentibus; ala maxima adscendente fal- cata obtusa, duabus obsoletis. Begonia glabra Aublet, Hist. des pl. de la Guiane franc. p. 916, t. 349. Lamarck, Encyc. v.I], p. 394, n. 4. Diese Art, welche ich nicht zu sehen Gelegenheit hatte, kenne ich nur aus der Aublet’schen Abbildung, die, wenn sie correct ist, eine wohl unterscheidbare Art begründet und jedenfalls zur Gattung MWageneria ge- hört. Diöcisch ist sie nicht, wie Aublet angiebt. Er hat sich getäuscht, indem er nicht wufste, dafs die männlichen Blüthen früher als die weiblichen an den jungen Blüthenständen erscheinen, von den älteren Trugdolden aber abgefallen sind. Gg2 236 Kıorzsca: Mit Unrecht zieht sie Dryander zu Begonia scandens Swartz, einer auf Jamaica vorkommenden Art, über deren eigentliche Stellung ich zweifelhaft bin. Die Aublet’sche Pflanze rankt an lebenden Baumstämmen in Wal- dungen der Cajenne. 6) VVageneria coneoloulacea Kl. Scandens, radicans, glabra; foliis magnis latissimis, apice abruptis acute sinuato-lobatis inaequaliter den- tatis, basi evanescente cordatis longe petiolatis; stipulis magnis ovatis acumi- natis carinatis marcescentibus; cymis repetite diechotomis divaricato - genicu- latis longe pedunculatis axillaribus; floribus albidis; pedicellis minutissime scabriusculis; petalis oblongo-obovatis glanduloso- punctatis, exterioribus flor. fem. acutis minoribus; bracteis minutis linearibus acuminatis; capsulae ala maxima obliqua acutangula, superne truncata, duabus angustis sub- obsoletis. Begonia rugosa et B. scandens Hort. Schoenbrunnensis. Ein robustes, kletterndes Gewächs, das nicht allein an den knotig- verdickten Gliederungen, sondern der ganzen Länge des Stengels nach, der sich wenig verzweigt, Wurzeln treibt. Afterblättehen 9 Linien lang und 3—4 Linien breit. Blattstiele 3—6 Zoll lang. Blätter 21,—6 Zoll lang und 3,—8Zoll breit. Trugdoldenstiele 10 Zoll lang und 4 Linien dick. Äufsere Blumenblätter der männlichen Blüthe 4 Linien lang und 2 Linien breit, innere 3 Linien lang und 1 Linie breit, die der weiblichen Blüthe 3 Linien lang und 1—2 Linien breit. Bracteen 1 Linie lang. Fruchtkapsel 4 Linien lang. Gröfster Fruchtflügel an dem abgestutzten oberen Ende 2—3Li- nien breit. Sello fand sie in Brasilien (Mandioca, Guidawald, Paraiba). In Kul- tur in Schönbrunn. ß Caule erecto strieto non radicante. 7) VVageneria vilifolia Kl. Erecta, puberula; caule elato stricto striato evanescente puberulo; foliis magnis transverse ovatis oblique acutis angulato-sublobatis dentato -serratis, basi inaequaliter reniformi- cordatis, utrinque puberulis, supra laete -, subtus pallide viridibus; petiolis longis erectis teretibus, supra sulcatis, apice rubescentibus; stipulis magnis ovatis carinatis glabris, apice conduplicatis acutis; cymis patenti- divaricatis pube- rulis axillaribus pedunculatis; floribus albis glabris; petalis flor. masc. ex- Begoniaceen - Gattungen und Arten. 9337 terioribus cordato-ovatis, flor. femin. exterioribus acutissimis; capsulae albidae glabrae alis duabus obsoletis, ala maxima adscendente ovata glandu- loso - punctata. Begonia vitifolia Schott in Sprengel, Syst. veg. cur. post. p. 407. B. grandis Fr. Otto. B.reniformis Hooker, Bot. Mag. t. 3225? Stamm gerade, aufrecht, unverzweigt, 4—6 Fufs hoch und zolldick. Blattstiele 5 Zoll lang und gänsekieldick. Afterblättchen 15 Linien lang und 6Linien breit. Blätter 6 Zoll lang und 10 Zoll breit. Trugdoldenstiele 10 Zoll lang. Trugdolden 4 Zoll lang und fufsbreit. Äufsere Blumenblätter der männlichen Blüthe 5 Linien lang und 3 Linien breit. Weibliche Blu- menblätter 3 Linien lang und 1', Linie breit. Fruchtkapsel 6 Linien lang und 4 Linien breit. Gröfster Fruchtflügel von der Basis bis zur abgerunde- ten Spitze gemessen 9 Linien. Von Pohl, Schott und Sello in Brasilien entdeckt. In Kultur. 8) Wageneria dicholoma Kl. Fruticosa, erecta, sparsim ra- mosa; caule tereli crasso punctis elevatis obsito;; stipulis magnis ovatis ca- rinatis, apice conduplicatis obtusis setoso-apiculatis; petiolis longis teretibus, apice annulato-setosis, supra sparsim hispidis versus basim planiuseulis; foliis oblique cordatis transverse ovatis acutis subangulatis denticulatis, supra glabris impresso -nervosis laete viridibus, subtus pallidioribus ad venas sca- bridis; pedunculis erectis striatis glabris; cymis patentissimo - dichotomis; capsulae ala maxima acutangula, reliquis parallelis acutangulis. Begonia dichotoma Jacquin, Ic. plant. rar. v.IH, t.619. Willd. Spec. pl. v.IV, p. 412. Stamm 11,—2 Fufs hoch und daumendick. Afterblätter 1%, Zoll lang und zollbreit. Blattstiele 3—7 Zoll lang und gänsekieldick. Blätter 6 Zoll lang und 9 Zoll breit. Trugdoldenstiele 8 Zoll lang und rabenkieldick. Trugdolden 2—21, Zoll lang und 8 Zoll breit. Äufsere Blumenblätter der männlichen Blüthe 3 Linien lang und 2 Linien breit. Gröfster Fruchtflügel von der Basis bis zur Spitze gemessen 6 Linien lang, die beiden kleineren respective 1 und 2 Linien breit. In feuchten Waldungen bei Caracas von dem älteren Jacquin ent- deckt. In Kultur. 9) WWageneria longipes Kl. Caule elato robusto leviter striato sparsim tuberculato versus apicem puberulo; petiolis longissimis supra sul- 338 Kıorzsch: catis deorsum incrassatis minutissime puberulis; stipulis ovatis acutis carinatis, apice contracto-conduplicatis; foliis amplis oblique cordatis transverse ovatis acuminatis angulatis denticulatis, supra saturate viridibus nitidis, subtus pal- lidioribus evanescente puberulis; pedunculis axillaribus longissimis; cymis dichotomo-corymbosis; floribus albidis femineis minoribus; bracteis sub- persistenlibus minutissimis subulatis; petalis flor. masc. exterioribus ovato- rotundatis, interioribus oblongis; capsulae ala maxima adscendente oyata obtusa, reliquis sensim angustioribus subacutis. Begonia longipes Hooker, Bot. Mag. t. 3001. B. vitifolia, glabra Hort. Berol. Stamm 4Fufs hoch und an der Basis 1%, Zoll im Durchmesser. After- blättchen 14, Zoll lang und 7 Linien breit. Blattstiele 5—8 Zoll lang und an der Basis schwanenkieldick. Blätter 7 Zoll lang und 11 Zoll breit. Trug- doldenstiele 15 Zoll lang. Trugdolden 4%, Zoll lang und 8 Zoll breit. Äufsere Blumenblätter der männlichen Blüthe 5 Linien lang und 3%, Linien breit. Blumenblätter der weiblichen Blüthe 3 Linien lang und 2 Linien breit. Gröfster Fruchtflügel 6 Linien hoch und 3 Linien breit. Vaterland unbekannt. Die Hooker’sche Angabe, welche Mexico nennt, bezweifle ich. In Kultur. 10) FF ageneria reniformis Kl. Caule erecto robusto striato eva- nescente puberulo; stipulis oblongis carinatis magnis, apice conduplicato- attenuatis; petiolis longis semiteretibus evanescente pubescentibus, supra canaliculatis; foliis magnis latissimis oblique cordato-reniformibus angulato- lobatis crenato - dentatis adscendente acuminatis, supra saturate viridibus, subtus pallidis evanescente pubescentibus; cymis geniculato - dichotomis striato- pedunculatis glabris axillaribus; floribus albis; bracteis longis su- bulatis subpersistentibus; capsulae longae ala maxima rectangula, apice lato- truncata inferne attenuata, reliquis obsoletis. Begonia reniformis Dryander, Linnean Trans. v.I, p. 161, n.3, it. 14, fig. 1u.2. Willd., Spec. plant. v. IV, p. 413. Vellozo, Flora Flumin. v.X, t. 40. Stamm mehrere Fufs hoch, aufrecht, 4 Zoll dick. Afterblättchen zolllang und 4 Linien breit. Blattstiele 3—5 Zoll lang. Blätter 2,—4 Zoll lang und 5—6 Zoll breit. 'Trugdoldenstiele 5—8 Zoll lang und raben- bis gänsekieldick. Trugdolden 4 Zoll lang und 8 Zoll breit. Äufsere Blumen- Begoniacceen- Gattungen und Arten. 239 blätter der männlichen Blüthe 3 Linien lang und 2 Linien breit. Die Blu- menblätter der weiblichen Blüthe 2 Linien lang und 1! Linie breit. Gröfster Fruchtflügel von der Basis bis zur abgerundeten Spitze gemessen 6 Li- nien lang. In schattigen Felsklüften bei Rio de Janeiro von Sir J. Banks entdeckt und von Sello und Gaudichaud wiederum gesammelt. Nicht in Kultur. 11) /Wageneria BrasiliensisK]. Caule elato glabro leviter striato; foliis oblique ovatis acuminatis subsessilibus remote subangulato - dentatis, supra saturate-, subtus pallide viridibus, utrinque glaberrimis; stipulis lato- ovatis acuminatis; pedunculis axillaribus glaberrimis; ceymis amplis diva- ricato-geniculatis; floribus albis, maseulis triplo minoribus; petalis flor. fem. obovatis subaequalibus; capsulae albidae ala maxima lato-ovata obtusa, re- liquis sensim minoribus acutangulis. Stamm schlank, gänsekieldick, kaum verästelt, 2—3 Fufs lang. Blätter fast sitzend, 35—4 Fufs lang und 1 Zoll bis 16 Linien breit. After- blättchen 9 Linien lang und an der Basis 5 Linien breit. Trugdolden 9 Zoll lang und fufsbreit. Äufsere Blumenblätter der männlichen Blüthe 2 Linien lang und 1! Linie breit. Weibliche Blumenblätter 3%, Linien lang und 2Li- nien breit. Gröfster Fruchtflügel 3 Linien hoch und 4 Linien breit. In Brasilien von Sello entdeckt. Nicht in Kultur. ll. GYMNOCARPEAE. Stylus deciduus. A. PLATYCENTREAE. Stylorum rami subglabri, fascia papillosa plus minus spiraliter torta instructi. Capsula inflexa inaequaliter trialata bilocularis, ad alarum angusta- rum originem per rimas arcuatas dehiscens. “7 Flos masculi 4-, feminei 3 petali. AAAXY. Weilbachia(') Kl. et Oersted. Flores monoiei cymosi rosei aut albidi. Masculi: Petala 4 biserialia, exteriora majora lato-elliptica aut rotundato-subcordata, interiora oblonga (') Dem Andenken des botanischen Gärtners zu Kopenhagen Herrn Weilbach, eines umsichtigen und erfahrenen Cultivateurs, der sich um den dortigen Garten, dem er seine ganze Kraft widmet, nicht geringe Verdienste erworben hat, gewidmet. 240 Krorzsch: anguste obovata. Stamina crebra subaequilonga; antheris oblongis latiuscu- lis, utrinque rotundatis filamentis liberis longioribus. Flores feminei: Petala 3 biserialia, exteriora majora rotundato-ovata, interius obovatum angustum. Germen inferum trigonum valde inaequaliter trialatum biloculare. Ovula in placentis e loeulorum angulo centrali bilamellatis creberrima, anatropa, ses- silia, lamellis arcuato-conniventibus hine inde incisis. Stylus brevissimus bifidus. Stigmata brevi bieruria, lobis fascia papillosa bis spiraliter torta, antice infra lobos continua instructis. Capsula triquetra bilocularis glabra inaequaliter trialata ad alarum angustarum originem per rimas arcuatas de- hiscens. Ala maxima rotundato-falcata rigida, apicem capsulae non attingens, dissepimento opposita. Semina innumerabilia minutissima oblonga reticulata exalbuminosa. Suffrutices mexicani caulescentes; rhizomate brevi; caulibus reptan- tibus abbreviatis; foliis profunde cordatis subobliquis polymorphis longissime petiolatis; stipulis subdeeiduis; ceymis dichotomis paueifloris longe peduncu- latis axillaribus;, floribus albidis aut roseis; bracteis parvis caducis; capsulae alis valde inaequalibus acutangulis. 1) WWeilbachia reptans Kl. et Oersted. Rhizomate brevi obli- quo crasso; caulibus gracilibus pilosis reptantibus; stipulis lanceolatis acutis deciduis; foliis longe petiolatis polymorpbis oblique cordatis elongatis acu- minatis irregulariter denticulatis, denticulis setiferis, angulato-lobatis v. 3— 4 lobis, lobis tribus superioribus lanceolatis longe acuminatis arrectis v. pa- tulis sinubus rotundatis, lobo quarto infimo obtuse angulato, supra opacis viridibus glabris v. pilis minutis paueis adspersis, subtus pallidioribus fusco- furfuraceo-granulatis, nervis 7 parce fusco-pilosis; petiolo laminam superante erecto pilis rufis adsperso, deinde glabrescente; pedunculo petiolum sub- aequante, cyma dichotoma paueiflora; bracteis deciduis scariosis lanceolatis; floribus albis; petalis flor. masc. exterioribus majoribus lato-elliptieis ob- tusis, interioribus oblongo -obovatis; petalis flor. fem. duobus exterioribus majoribus lato-ovatis obtusis, tertia interiore minore obovato-oblongo; cap- sula pilosula mox glabrescente carnosula nutante, ala maxima rigida falcato- dimidiata acutangula, duabus minoribus angustis subparallelis, apice brevi-, basi longe attenuatis. Begonia reptans Bentham, Plantae Hartwegianae p.61. Liebmann, Mexicos Begon. p. 5, n. 10. Begoniaceen- Gattungen und Arten. 241 Wurzelstock schwanenkieldick, zolllang. Stengel rabenkieldick, 5— 6 Zoll lang. Blätter 3,—6 Zoll lang und 2—4!, Zoll breit. Blattstiele 3—7 Zoll lang. Fruchtstielchen 6—7 Linien lang. Kapselfrucht 4 Linien lang und 2, Linie breit. In Mexico einheimisch. (Hartweg. Liebmann). Nicht in Kultur. 2) WWeilbachia pustulata Kl. Tota planta pilis longis rufis obsita; rhizomate brevi crasso obliquo; caule geniculato radicante rufo-setoso; foliis longe petiolatis oblique cordatis rotundato-ovatis subincurvo-acuminatis den- ticulatis ciliatis, supra dense pustulatis, pustulis seta subulata terminatis, subtus pallidioribus foveolatis ferrugineo-pilosis, nervis 10 prominentibus ; petiolo laminam subaequante dense rufo-setoso, setis longis flexuosis paten- tibus; pedunculo folia aequante v. superante; cyma bis ter dichotoma; bracteis deciduis lanceolatis acuminatis pilosis; floribus roseis; petalis flor. masc. externe rufo-pilosis, exterioribus 2 majoribus cordato-rotundatis, in- terioribus 2 minoribus ovato-lanceolatis; petalis flor. fem. exterioribus 2 majoribus cordato-rotundatis, tertio parvo ovato; capsula nutante pilosula glabrescente; ala maxima rotundato-falcata apicem capsulae non attingente rigida, alis 2 angustis rotundatis. Begonia pustulata Liebmann.c. p.6, n. 8. Wurzelstock knollenartig verdickt, % Zoll lang. Stengel von der Dicke eines Rabenkiels 6—8 Zoll lang. Blätter 5—6 Zoll lang und 3—4 Zoll breit. Blattstiele 4—6 Zoll lang. Trugdoldenstiel 6—8 Zoll lang. Fruchtstiele 6—8 Linien lang. Im Departement Oajaca in Mexico vom Professor Liebmann aus Kopenhagen entdeckt. Nicht in Kultur. *r Flores masculi et feminei 4 petali. AXXAXVY. Lauchea (') Kl. Flores monoici minuti in cymas paniculatas gracillimas pedunculatas plurimas dispersi. Masculi: Petala 4 biserialia, intus concava, exteriora majora obovato-orbicularia; interiora angustiora oblonga obtusa, inferne (') Dem Andenken des Herrn Lauche, Obergärtner des überaus reichen und zweck- mälsig eingerichteten Augustin’schen Etablissements auf der Wildpark-Station bei Potsdam, der zu den vorzüglichsten Pflanzenzüchtern zählt, sich durch Umsicht und Gewandtheit aus- zeichnet, und eine Regsamkeit entwickelt, welche grolse Erfolge erwarten lälst, gewidmet. Phys. Kl. 1854. Hh 242 Krorzsca: sensim attenuata. Stamina octo inaequilonga majuscula monadelpha; anthe- ris oblongis; filamentis brevibus connatis. Flores feminei: Petala 4 bise- rialia, intus magis concava, exteriora majora rotundato-obovata, interiora angusta oblonge obtusa. Germen inferum triquetrum oblongum valde in- aequaliter trialatum biloculare, angulis anterioribus angustissime alatis loculis oppositis conniventibus, angulo dorsali dissepimento opposito ala maxima adscendente ovata instructo. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali bilamellatis ereberrima, anatropa, sessilia. Stylus bipartitus glaber deciduus. Stigmata bicruria, fascia papillosa bis spiraliter torta, inferne continua eincta. Capsula matura et semina ignota. Herba annua Indiae orientalis; radice fibrosa; caule erecto strieto nudo 2—5 pollicari; foliis ovatis acuminatis leviter cordatis subaequalibus grosse inciso-dentatis longissime petiolatis in comam terminalem aggregatis; stipulis lineari-subulatis; peduneulis 3—4 gracillimis eymoso - paniculatis subterminalibus erectis foliis longioribus; bracteis obovato-rotundatis glan- duloso-ciliatis; floribus minutis albidis; capsulae ala maxima oblique ovata. 1) Lauchea verticillata Kl. Annua, parva, erecta, subglabra; caule simplici glabro, apice folioso; foliis longe petiolatis patentibus aggre- gatim verticillatis cordato-ovatis acuminatis subaequilateris pilosulis grosse ineiso - serratis; stipulis minutis lanceolato-subulatis; pedunculis plurimis subterminalibus gracillimis folio longioribus; eymis dichotomo - panieulatis; bracteis rotundato-obovatis glanduloso-eiliatis; floribus minutis albidis; cap- sulis alato-triquetris, ala maxima elongata oblique ovata. Begonia verticillata Hooker, Ieones plantarum, t. 811. Stamm nackt, 2—5 Zoll lang und rabenkieldick, etwas geröthet. Blätter in einem Wirtel von 4—12 auf dem Gipfel des Stammes zusammen- gedrängt, 1,—2 Zoll lang und 9 Linien breit. Blattstiele 8 — 16 Linien lang. Afterblättchen 1—1}, Linie lang. Die Stiele der rispenartigen Trug- dolden 2—4, aufrecht, 2—2!, Zoll lang. Trugdolden 1}, Zoll lang und eben so breit. Blüthen 2 Linien im Durchmesser. Unreife Frucht 2 Linien lang und 1 Linie dick. Gröfster Fruchtflügel 2', Linien breit. Von dem Herrn Thomas Lobb in Moulmein entdeckt. Nicht in Kultur. [82) rn = Begoniaceen - Gattungen und Arten. *r Flores masculi 4 -, feminei 5 petali. AXAXV]I. Platycentrum (') Kl. Flores monoiei eymosi. Masculi: Petala 4 subaequalia biserialia, ex- teriora paullulum majora carnosula bicoloria, interiora membranacea uni- coloria. Stamina numerosa subaequilonga; antheris oblongis, apice basique obtusis, inferne subattenuatis; filamentis anthera subbrevioribus brevi um- bellatim monadelphis. Flores feminei: Petala 5 subaequalia triserialia, exterioribus tribus carnosulis, religuis membranaceis. Germen inferum trigonum biloculare valde inaequaliter trialatum. Ovula in placentis e lo- culorum angulo centrali bilamellatis ereberrima, anatropa, lamellis hine inde divisis. Stylus brevissimus bifidus glaber robustus deeiduus. Stigmata brevi bieruria, eruribus dilatato-marginatis tortuosis, fascia papillosa bis spiraliter torta, inferne continua einctis. Capsula triquetra bilocularis su- beroso-spongiosa valde inaequaliter trialata ad alarum angustarum loculis oppositarum originem per rimas arcuatas dehiscens. Ala maxima latissima rectangula crassa subspongiosa dissepimento opposita. Semina innumerabilia minuta oblonga, utrinque truncata reticulata exalbuminosa. Suffrutices acaules v. caulescentes Indiae orientalis; rhizomate brevi obliquo crasso radicante; caulibus adscendentibus aut erectis; foliis longe petiolatis oblique cordatis ovatis acuminatis magnis; petiolis supra sulcatis; stipulis ovatis acuminatis carinatis plus minus coloratis deciduis; pedunculis longis axillaribus; cymis dichotomis divaricatis brevibus paucifloris rarissime unifloris; floribus bicoloribus e rubro-albidis aut rubro-flavidis subinde maximis bracteis caducis suffultis; capsula matura incurvo -nutante. 1) Platycentrum xzanthinum Kl. Subacaulis; rhizomate brevi erasso, subtus radicante; stipulis erinitis magnis ovatis carinatis seta termi- natis; foliis amplis oblique cordato-ovatis brevi acuminatis sinuato-dentatis, supra rugulosis glabris atro- viridibus micantibus, subtus sanguineis promi- nente nervosis, nervoso-hispidis; petiolis erectis aggregatis longis rubris piloso-hispidis folium subaequantibus; pedunculis petiolo duplo longioribus rubris sparse pilosis teretibus deorsum incrassatis; floribus nutantibus cymosis flavidis, masculis subduplo - majoribus, exterioribus carnosulis (') Aus den griechischen Wörtern mA«rVs und z2vrgov zusammengesetzt. Hh 2 244 Krorzsch: extus convexis rubescentibus; capsulae glabrae ala maxima latissima rectan- gula, apice rotundata. Begonia xanthina Hooker, Bot. Mag. t. 4683. Ein fleischiger, fingerdicker, kriechender Wurzelstock. Blätter 6— 9 Zoll lang und 3—4!, Zoll breit. Blattstiele 9 Zoll lang. Afterblättchen geröthet, zolllang und 4 Linien breit. Trugdoldenstengel 12—18 Zoll lang, oberwärts kahl. Trugdolden 4 Zoll breit. Blumenblätter der männlichen Blüthe 10 Linien lang und 6 Linien breit, die der weiblichen Blüthe 4 Linien lang und 3 Linien breit. Frucht 3, Linie lang. Gröfster Fruchtflügel 3 Li- nien hoch und 6 Linien breit. Durch Herrn Booth im Jahre 1850 aus Boutan in Ostindien lebend in England eingeführt und durch dessen Oheim, dem Herrn Nuttall auf Rainhill bei Preston (Lincolnshire) verbreitet. Eine sehr seltene Pflanze, für welche ein Bastard fast allgemein kultivirt wird, der durch Kreuzung zwischen Platycentrum xanthinum und P. rubro-venium erzeugt ist und der sich durch deutliche Stengelgebilde auszeichnet. 2) Platycentrum rubro-venium Kl. Glaberrima; rhizomate car- noso ramoso digitum crasso rubescente; caulibus petiolis pedunculisque san- guineis; stipulis rubescentibus ovato-lanceolatis cucullato-acuminatis carinatis glabris deciduis; petiolis erectis sanguineis folium superantibus supra sulcatis; foliis oblique ovatis acuminatis inaequaliter dentato-serratis laete viridibus albido-striato-maculatis, subtus prominente nervosis plus minus purpuras- centibus; pedunculis axillaribus internodium caulinum superantibus laete pur- pureis; cymis divaricato-dichotomis abbreviatis; petalis flor. masc. exterio- ribus parallele rubro-venosis, interiorıbus candidis; petalis flor. femin. minoribus, exterioribus reticulato -rubro- venosis; capsulae rubescentis alis duabus angustis rotundatis, tertia maxima horizontaliter elongata ellip- tica obtusa. Begonia rubro-venia Hooker, Bot. Mag. t. 4659. Wurzelstock kriechend. Stengel walzenförmig, 6—10 Zoll lang und gänsekieldick. Afterblättchen 1 Zoll lang und an der Basis 5 Linien breit. Blattstiele 3—6 Zoll lang und rabenkieldick. Blätter 5,— 61, Zoll lang und 2,—3 Zoll breit. Trugdoldenstengel länger als die Blattstiele aus deren Winkel sie hervortreten. Trugdolden 3 Zoll breit, 8— 10blüthig. Blu- menblätter der männlichen Blüthe 6 Linien lang und 4—5 Linien breit, die Begoniaceen-Gatiungen und Arien. 245 der weiblichen Blüthe 4 Linien lang und 3 Linien breit. Fruchtkapsel 3— 4 Linien lang. Gröfster Fruchtflügel grün, 3 Linien hoch und 7 Linien breit, netzartig roth-geadert. Diese Art ändert in zwei Formen ab, die aber hin und wieder in ein- ander übergehen und deshalb nicht zu Varietäten erhoben werden können. Die Unterfläche des Blattes ist entweder mehr oder weniger geröthet oder sie ist grün und roth-geadert. Standort, Einführung und Verbreitung wie bei der vorigen Art. In der Kultur fast allgemein bekannt. 4) Platycentrum Zollingerianum Kl. Radice fibroso; caule ad- scendente subglabro, inferne repente; foliis oblique cordatis lato-ovatis subacuminatis angulato-sinuatis, supra saturate viridibus glaberrimis, subtus pallidioribus petiolisque sparsim hirtello-venosis; pedunculis glabris axilla- ribus folium superantibus; cymis elongatis contracto-paniculatis; capsulae nutantis alis acutangulis, maxima patentissima ovata acuta. Plant. javanic. a cl. Zollingero lect. n. 2630. Stengel 9—10 Zoll lang. Blattstiele 1—5 Zoll lang. Blätter an der Basis 3— 3%, Zoll breit und 4%, —5!, Zoll lang. Kapsel 4 Linien lang. Gröfs- ter Fruchtflügel 4 Linien breit, kleinster 1 Linie breit. Von dem Herrn Seminar-Director Zollinger auf Java entdeckt. Nicht in Kultur. 4) Platycentrum Cathcartü Kl. Robustum, erectum, retrorso- squamosum; caule elato stricto tereti squamis aculeiformibus reflexis obsito; foliis magnis carnoso-coriaceis inaequilateris profunde obliquo-cordatis ovatis brevi- acuminatis inciso-serratis, supra glabris, subtus nervoso-squamatis; petiolis erectis robustis folio brevioribus; stipulis ovatis acutis glabris den- tatis; pedunculis erectis retrorsum squamosis petiolo duplo longioribus uni- floris; floribus maximis nutantibus bractea magna oyata acuta dentata supra medium peduneuli suffultis; petalis ovatis acutis denticulatis, exterioribus extus brevi aculeatis; capsulae dense aculeatae alis inaequalibus crassis ro- tundatis sparsim aculeatis. Begonia Cathcartü Hook. fil. et Thomson, Flora indica t. 13. Die in einer lithographirten Abbildung mir freundlich durch Herrn Hooker mitgetheilte fufslange Figur, aus der ich meine Kenntnifs dieser höchst merkwürdigen und interessanten Art schöpfe, welche den oberen 246 Krorzscn: Theil des Gewächses darstellt, zeigt einen Durchmesser des Stammes von 4 Linien. Die Afterblättchen sind 8 Linien lang und 5 Linien breit. Die Blattstiele 2—3 Zoll lang und gänsekieldick. Die Blätter 6—81, Zoll lang und 3—4 Zoll breit. Die Blumenstiele 4—6 Zoll lang. Die Bractee von der Gröfse der Afterblättchen. Die äufseren Blumenblätter der männlichen Blüthe 14, Zoll lang und 1 Zoll breit, die der weiblichen Blüthe 15 Linien lang und 9 Linien breit. Die unreife Frucht 5 Linien lang und 11 Linien im Durchmesser. Gröfster Flügel 4 Linien breit, die beiden andern um die Hälfte schmäler. Von den Herren J. Hooker und Thomson in Östindien entdeckt. Nicht in Kultur. B. ISOPTERYGEAE. Stylus usque ad basin tripartitus. Rami simplices multifidi aut multi- partiti teretiusculi aut compressi, numquam tortuosi undique-rarissime apice tantum papillosi. Fructus erectus trilocularis triangularis, nec membrana- ceus; anguli cornuti aut compresso-gibbosi dehiscentes, iidem in duas par- tes divisi. ‘-" Flores masculi 4 -, feminei 6 petali. XAXXVI. Casparya(') Kl. Ta. XL. .G, Flores monoici coceinei cymoso-corymbosi. Masculi: Petala 4 bise- rialia subaequalia patentia brevi-oblonga aut lato-ovata. Stamina creberrima aequilonga toro plano inserta; antheris linearibus elongatis, utrinque obtu- sis compressiusculis, lateraliter dehiscentibus; filamentis brevissimis liberis anthera sextuplo brevioribus. Flores feminei: Petala 6 triserialia subaequalia ovata obtusa explanato-subcampanulata. Germen inferum trigonum trilo- culare aequaliter trieornutum, apice in rostrum strietum productum, cor- nubus falcato-erectis apiculatis. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali geminis conniventim lamellatis, utrinque ovuliferis creberrima, ana- tropa. Stylus deeiduus profunde tripartitus, lobis teretibus elongatis erectis (') Dem Andenken des Herrn Doctor Robert Caspary, Privat-Docenten der Botanik an der Berliner Universität, der sich durch mehrere beachtenswerthe Arbeiten im Felde der Anatomie, der Entwickelungsgeschichte und der Systematik hervorgethan hat, gewidmet, Begoniaceen-Gattungen und Arten. 247 undique papilloso-puberulis bis trifidis. Capsula cartilagineo -suberosa tri- locularis aequaliter tricornuta, apice in rostrum longum prodacta, basi turbinata, cornubus falcato-ereetis cuspidatis loculis oppositis, in parte in- feriore angulorum secundum longitudinem dehiscens. Semina innumerabilia minuta ovata reticulata exalbuminosa. Frutieuli ramosissimi scandentes in Peruvia ad Munam crescentes; fo- liis dimidiato-cordatis oblique ovatis acutis serratis hirtellis subglabrescenti- bus petiolatis, supra saturate viridibus, subtus pallidioribus hirtello-nervosis; stipulis membranaceis deciduis; cymis corymbosis pedunculatis axillaribus erectis; floribus coccineis longe pedicellatis; petalis integerrimis; capsulae longe rostratae cornubus erecto - falcatis cuspidatis. 1) Casparya hirta Kl. Caule tereti tumido-articulato evanescente ferrugineo-hirto ramosissimo; foliis petiolatis dimidiato-cordatis oblique ovatis acutis inaequaliter dentatis ciliato-serratis, supra saturate viridibus sparsim strigoso-hirtis, subtus pallidioribus subgriseis albido - punctulatis deinde ferrugineis fusco-nervoso-hirtis; petiolis hirtis; stipulis deeiduis ova- tis emarginato-cuspidatis glaberrimis; pedunculis erectis glabris eymoso - co- rymbosis; floribus coceineis; bracteis magnis obovatis obtusis deciduis colo- ratis; germinibus glabris. Begonia coceinea Ruiz et Pavon, Herb. Mss. Stamm 2 Fufs lang und gänsekieldick, unterwärts wurzelnd. Zweige aufrecht, rabenkieldick und 3—4 Zoll lang. Blätter 2,—3!, Zoll lang und 1—1%, Zoll breit. Blattstiele 5—7 Linien lang. Afterblättchen 8 Linien lang und 4 Linien breit. Trugdoldenstiele kahl, aufrecht, 1!, Zoll lang. Bracteen 5 Linien lang und 2 Linien breit. Blumenblätter der männlichen Blüthe 6 Linien lang und 3 Linien breit, die der weiblichen Blüthe 3 Linien lang und 11, Linie breit. Im Jahre 1784 von Ruiz und Pavon in Peru (Muna) entdeckt. Nicht in Kultur. 2) Casparya columnaris Kl. Caule ramosissimo erecto glabro rubescente; ramis erectis elongatis; foliis semicordatis oblique ovatis acu- minatis argute sinuato-dentatis denticulato-ciliatis, supra saturate viridibus sparsim brevi hirtellis, subtus cinerascentibus albido-punctulatis ferrugineo- nervosis in venis sparsim pubescentibus; petiolis elongatis sparso-hirtellis; stipulis oblongis membranaceis obtusis mucronatis deciduis, superne subeciliatis; 248 Krorzsch: peduneulis cymoso-corymbosis erectis glabris; bracteis maximis obovatis reticulato - venosis vaginato -conduplicatis deeiduis coloratis, apice truncatis; petalis flor. masc. ovatis, apice attenuato-obtusis; petalis flor. fem. elongatis angustioribus; germinibus glabris. Begonia columnaris Ruiz et Pavon, Herb. Mss. Stamm 2 Fufs lang und gänsekieldick. Internodien 2—31, Zoll lang. Zweige aufrecht, 5—10 Zoll lang. Blätter 2—3% Zoll lang und 1—1° Zoll breit. Blattstiele 3—1', Zoll lang. Afterblättchen 5 Linien lang und 3 Li- nien breit. Trugdoldenstiele 2—4 Zoll lang. Trugdolden 3 Zoll lang und 3 Zoll breit. Bracteen 7 Linien lang und oberwärts 4 Linien breit. Blu- menblätter der männlichen Blüthe 5 Linien lang und 3 Linien breit,. die der weiblichen Blüthe 5 Linien lang und 13, Linie breit. Früchte 1 Zoll lang und eben so breit. Von Ruiz und Pavon in Peru (Muna) entdeckt. Nicht in Kultur. 3) Casparya coccinea Kl. Caule lignoso tereti glaberrimo geni- culato-ramoso tumido-articulato; foliis oblique ovatis parvis subsemicordatis duplicato-serrato-ciliatis, utrinque glaberrimis acutis, supra saturate viridi- bus, subtus pallide viridibus dense albido-punctulatis; petiolis brevibus glabris; stipulis membranaceis obovatis obtusis; pedunculis cymoso-corym- bosis axillaribus glabris; fructibus immaturis longissime rostratis gla- berrimis. Begonia coceinea Ruiz etPavon, Herb. Mss. Stamm hahnenkieldick, holzig, gekniet-ästig, 2 Fufs lang. Blätter 43, Zoll lang und 3% Zoll breit. Blattstiele 3 Linien lang. Afterblättchen 4 Linien lang und 2 Linien breit. Trugdoldenstiele 1—1!, Zoll lang. Fruchtstiele 3 Linien lang. Früchte 1 Zoll lang und unterhalb des Rüssels $ Zoll breit. Von Ruiz und Pavon in Peru (Muna) entdeckt. Nicht in Kultur. XXXVIIH. Stibadotheca('!) Kl. TataRKIT HA: Flores monoici magni coceinei. Masculi: Petala 4 extus pubescentia, cruciatim opposita biserialia, exteriora elliptica obtusa longiora, interiora (‘) Aus den griechischen Wörtern orı@«&s und Syn zusammengesetzt. Begoniaceen- Gattungen und Arten. 249 breviora obovata brevissime biloba. Stamina 16 — 20 toro plano inserta; antheris elongatis connectivo in appendicem subulatam rectam attenuatis; filamentis brevibus liberis. Feminei: Petala 6 triserialia subaequalia, extus sparsim pubescentia oblonga subobtusa. Ovarium inferum turbinatum vil- loso - scabrum triquetrum recurvalim obtuso-tricornutum triloculare, apice obtusum non rostratum, basi subattenuatum. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali geminis conniventim lamellatis utrinque ovuliferis creberrima, anatropa. Stylorum rami profunde tripartito-multifidi undique puberulo- papillosi, lobis teretibus elongatis. Capsula triquetra villosa, basi turbi- nata et breviter stipitata, apice obtusa, fructum Trapae natantis referens, trilocularis tricornuta, cornubus compressiusculis aequalibus obtusis parum deflexis loculis oppositis in parte inferiore angulorum secundum longitudinem dehiscens. Semina innumerabilia parva ovata reticulata exalbuminosa. Suffrutices in regno Novogranatensi erescentes; caule dichotomo - ra- moso pubescente; foliis brevi petiolatis carnoso - subcoriaceis oblique reni- formi-cordatis transverse ovatis acutis leviter sinuatis inaequaliter serrato- erenulatis discoloribus; stipulis inaequalibus foliaceis cordatis persistenti- bus; pedunculis cymosis subterminalibus; floribus magnis coccineis, femineis bibracteatis; fructibus ferrugineo - villosulis. 1) Stibadotheca magnifica Kl. Suffruticosa, robusta; caule fle- xuoso hirsuto rufescente ramoso; ramis petiolis et pedunculis purpureis; foliis oblique reniformi-cordatis transverse ovatis acutis leviter sinuatis in- aequaliter serrato-crenulatis, supra laete viridibus scabris, subtus pallidiori- bus densissime albido-bullatis asperis coceineo-venosis; petiolis brevibus rubris hirto-villosis; stipulis foliaceis inaequalibus oblique ovatis cordatis obtusis, margine sparsim dentatis; pedunculis atro-sanguineis sparsim hirtis, apice repetite dichotomis; floribus maseulis 16—20 andris; petalis flor. fem. tribus exterioribus extus pubescentibus; capsulis turbinatis triquetris ferru- gineo-villosis. Begonia magnifica de Warscewicz in lit. 1852. Linden in Ca- talogus 1855. Ein 2 Fufs hoher, oberwärts gabelförmig-verästelter Halbstrauch, dessen Stengel gänsekieldick geröthet und pubescirend ist. Die Blätter 14, — 24 Zoll lang und 2%, —4 Zoll breit. Blattstiele 4,— 11, Zoll lang. After- blättchen ungleich-grofs, fast bleibend, blattartig, an der Basis ohrförmig- Phys. Kl. 1854. Ii 250 Krorzsc verlängert, halbkreisförmig, undeutlich kerbzähnig, das eine gröfsere 1 Zoll lang und 5 Linien breit, das andere 7 Linien lang und 3 Linien breit. Trug- doldenstengel rabenkieldick und 3 Zoll lang. Aufsere Blumenblätter der männlichen Blüthe 17 Linien lang und !, Zoll breit, innere 1 Zoll lang und 4—5 Linien breit, die der weiblichen Blüthe 16 Linien lang und 5 Linien breit. Der vielfach gabelförmig-vertheilte Griffel %, Zoll lang. Bracteen sägeartig - gezähnelt. In der Tunja-Cordillera von Neu-Granada durch Herrn von War- scewicz entdeckt und gesammelt, durch Herrn Linden in Brüssel lebend in Belgien eingeführt. Unstreitig die schönste aller Begoniaceen. 2) Stibadotheca ferruginea Kl. Caule erecto ramoso ferrugineo- hirsuto; foliis oblique reniformi-cordatis transverse ovatis subacuminatis inaequaliter ciliato -serratis undique asperatis, supra atro-viridibus, subtus pallidioribus albido-bullatis hirsuto-nervosis; petiolis brevibus ferrugineo- pubescentibus; stipulis inaequalibus foliaceis semilunatis magnis ciliatis sub- scabris; pedunculis pubescentibus eymosis axillaribus terminalibusque sul- cato-striatis; bracteis elongatis membranaceis truncatis serrato-ciliatis, inferne subattenuatis, apice truncatis; petalis flor. masc. exterioribus oblongis, extus hirtellis, interioribus apice emarginato -bidentatis; staminibus 13 — 14; pe- talis flor. fem. exterioribus oblongo-lanceolatis, apice dentato-ciliatis, externe hirtellis, interioribus sensim minoribus tenuioribus et glabris; capsulae vil- losulae nutantis cornubus divergenti - deflexis. Begonia ferruginea Linne fil., Suppl. p. 419. Smith, Icones II, t. 44, p.44. Dryander, Öbserv. on the Genus of Begonia in Trans. of the Linnean Soc. I, p. 163. Willd. v.IV, p. 415. Humb., Bonpl., Kth., Nova gen. et spec. v. VII, p. 144, n. 13. Stamm robust, verästelt, hin- und her-gebogen, 2 Fufs hoch. Blät- ter 1,— 2 Zoll lang und 3— 41, Zoll breit. Blattstiele 6 — 8 Linien lang. Afterblättchen 8—15 Linien lang und 3—6 Linien breit. 'Trugdoldenstiele 11,—5 Zoll lang. Bracteen 4—5 Linien lang. Blüthenstiele der männlichen Blüthe zolllang. Äufsere Blumenblätter der männlichen Blüthe 44 Linien lang. Weibliche Blüthenstiele 6—7 Linien lang. Früchte 9— 10 Li- nien lang. Von Mutis in Neu-Granada entdeckt und später von Humboldt und Bonpland wiederum aufgefunden. Nicht in Kultur. Begoniaceen- Gattungen und Arten. 351 3) Stibadotheca trachyptera Kl. Suffruticosa, scabro-hirtella; stipulis membranaceis oblique oblongis; foliis semicordatis oblique ovato- oblongis serratis hispidulis; floribus in umbella masculis paueis 4 petalis, foemineo unico 6 petalo, petalis exterioribus omnium extus hirsutis; capsula scabro-hirta obtuso -tricornuta. Begonia trachyptera Bentham, Plantae Hartwegiana, p. 184, n. 1023. Von Hartweg in einer Höhe von 10,500 Fufs in der Provinz Popayan bei Pitaya entdeckt. Nicht in Kultur. IXL. Isopteryx () Kl. Taf. XIL B. Flores monoici sexu distincti, masculi superiores umbellatim eymosi, feminei inferiores solitarii. Masculi: Petala 4 aequalia biseriata cruciatim opposita, apice pectinato-ciliata, exteriora ovata; extus hirta, interiora el- liptica glabra. Stamina creberrima toro plano inserta; antheris brevibus ovalibus; filamentis filiformibus longissimis liberis. Feminei: Petala 6 tri- serialia oblonga concava, apice fimbriata, tria exteriora paulo majora, extus hirtella. Ovarium triquetrum trialatum triloculare, apice brevi rostratum, alis sparsim pubescentibus adscendentibus erecto-cornutis, basi attenuatis aequalibus. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali geminis conni- ventim lamellatis utrinque ovuliferis creberrima, anatropa. Stylus profunde tripartitus, lobis teretibus multifidis subulatis undique papilloso - puberulis. Capsula cartilagineo-papyracea turbinata trialata trilocularis loculicide tri- valvis, ad verticem desinens in rostrum brevem truncatum, alis aequalibus deorsum attenuatis, apice incuryo-cuspidatis, sub maturitate secundum lon- gitudinem in lamellas duas scissis. Epicarpium membranaceum in fructu maturo ab endocarpio chartaceo faciliter solubile. Semina innumerabilia parva oblonga fusca reticulata exalbuminosa. Frutex Novo-Granatensis subvolubilis ramosus; ramis laevibus glabris, junioribus atro-rubris et albo-punctatis pendulis; foliis obsolete oblique cordatis ovatis brevi-acuminatis longe petiolatis ciliato-serratis; stipulis mem- branaceis deciduis; eymis axillaribus florum masculorum umbellatis, superio- (') Aus den griechischen Wörtern isos und rr:2vE abgeleitet. li 2 2523 Krorzsch: ribus longe pedunculatis, cymis flor. fem. unifloris inferioribus; bracteis membranaceis, apice dentato-ciliatis; capsulis cartilagineis trialatis, apice brevi rostratis, alis aequalibus, apice latioribus truncatis, ob alas in cuspi- dem adscendentem desinentes tricornigeris, basi angusto - attenuatis. 1) Isopteryx umbellataK]. Fruticosa; ramis glabris ; foliis oblique cordatis ovatis brevi acuminatis duplicato-serrato-ciliatis, supra saturate viri- dibus sparsim et evanescente hirtellis, subtus pallidioribus albido-punctulatis nervoso-hirsutis longe petiolatis; floribus roseis, masculis cymoso -umbel- latis superioribus longe pedicellatis, femineis brevi pedicellatis inferioribus solitariis; petalis exterioribus extus hirtellis; alis fructuum evanescente hirtis. Begonia umbellata Humb., Bonpl., Kth., Nov. gen. et spec. v. VII, p. 143, n. 12. Blätter 2—3 Zoll lang und 14,—1°, Zoll breit. Blattstiele 9—18 Li- nien lang. Afterblästchen !, Zoll lang und 3 Linien breit. Männliche Trug- doldenstiele 1,—4 Zoll lang, weibliche 2 Zoll lang. Äufsere Blumenblätter der männlichen Blüthe 8 Linien lang und 2 Linien breit, innere 7 Linien lang und 3 Linien breit. Fruchtkapsel 15 Linien lang und 10 Linien im Durchmesser. Von Humboldt und Bonpland auf den westlichen Ahängen des Quindiu-Gebirges entdeckt, von dem Herrn Linden ebenfalls in Neu- Granada (Antiocha) aufgefunden. Nicht in Kultur. *”r Flores masculi 4 -, feminei 5 petali. XL. Sassea (') Kl. Taf. XI iG: Flores monoici coccinei cymosi. Masculi: Petala 4 biserialia sub- aequalia patentia subrotundato-ovata. Stamina 10 — 15 subaequilonga toro plano inserta; antheris linearibus filamenta superantibus bilocularibus late- raliter dehiscentibus, utrinque obtusis; filamentis brevibus monadelphis. (') Dem Andenken des Kabinets-Sekretair S.M. des Königs und I.M. der Königin, Herrn Legationsrath Sasse zu Berlin, der sich um die Kultur tropischer Gewächse während des Sommers im freien Lande sehr verdient gemacht hat und dem namentlich zuerst die Versuche glückten die Begoniaceen im offenen Grunde zu einem hohen Grade vollkommener Entwicke- lung zu bringen, gewidmet. Begoniaceen-Gatlungen und Arten. 9353 Flores feminei: Petala triserialia subaequalia ovalia rotundata patentia. Germen inferum trigonum triloculare, aequaliter tricornutum, apice in rostrum longum strietum triangulatum attenuatum, bractea basi suffultum, cornubus adscendente -apiculatis compressis subfalcatis. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali geminis conniventim lamellatis, utrinque ovuli- feris creberrima, anatropa. Stylus profunde tripartitus deciduus, lobis compressis multifidis undique papilloso-puberulis. Capsula suberosa tri- quetra trilocularis aequaliter compresso-tricornuta, apice in rostrum longum triangulatum producta, basi turbinata, cornubus erecto-patentibus apicu- lato-incurvis loculis oppositis, in parte inferiore angulorum secundum lon- gitudinem dehiscens.. Semina innumerabilia minuta oyata reticulata exal- buminosa. Fruticuli ramosi scandentes in andibus Peruviae et Novo - Granatae crescentes; caule adscendente evidenter nodoso, inferne radicante teretius- culo; foliis petiolatis oblongis acutis inciso-ciliato-serratis, basi inaequalibus; stipulis membranaceis geminis deeiduis; ceymis pedunculatis axillaribus pauei- floris; bracteis deciduis ciliato-dentatis coloratis; floribus parvis coccineis; capsulae longe rostratae cornubus erecto-falcatis incurvo-cuspidatis. 1) Sassea Urticae Kl. Caule decumbente ramosissimo, basi re- pente; ramis erectis hispidulis; foliis brevi petiolatis oblongis acutis inaequi- lateris duplicato-ciliato-serratis, basi oblique attenuatis, supra evanescente hispidis saturate viridibus, subtus pallidioribus albido-punctulatis ferrugineo- hirsuto-nervosis; petiolis fusco-hirsutis; stipulis oblongo -ovatis obtusis seta terminatis; pedunculis filiformibus erectis folio longioribus scabris; bracteis deciduis ciliato-dentatis; capsulae brevi setosae cornubus longe at- tenuato - cuspidatis. Begonia Urticae Linn&, f. Suppl. p. 420. Sprengel, Syst. veg. v.II, p. 626, n.30. B.urticaefolia Dryander in Linnean Soc. Trans. v.1, p. 160. Stengel fufslang und darüber, verästelt. Blätter 1,—2 Zoll lang und 6—9 Linien breit. Blattstiele 2—3 Linien lang. Afterblättchen 3—4 Linien lang und 2— 2%, Linien breit. Trugdoldenstiele 1—2 Zoll lang. Frucht- rüssel 5 Zoll lang. Die ganze Frucht 1 Zoll lang und breit. In Neu-Granada von Mutis entdeckt, von Bonpland wiederum aufgefunden. Nicht in Kultur. 254 Krorzsch: 3) Sassea columnaris Kl. Subherbacea, ramosa; caule ferru- gineo-puberulo demum glabrato; stipulis membranaceis oblique acuminatis integerrimis; foliis ovatis oblongis semicordatis serratis hispidulis, supra de- mum glabratis; pedunculis folio subaequilongis axillaribus; floribus parvis; petalis obovato - oblongis exterioribus hirtis; pedicellis flor. femin. hirsutis; bracteis masc. integerrimis, fem. apice laceris; filamentis usque ad medium monadelphis; germinibus hirsutis; capsulae longe rostratae alis supra incras- satis acutissimis incurvis subglabris. Begonia columnaris Bentham, Plantae Hartweg. p. 131. n. 740. Stengel fufslang, rabenkieldick. Blätter 1%, Zoll lang und 6—9 Linien breit. Afterblättehen 2— 3 Linien lang. Männliche Blüthenstiele 4, Zoll lang. Blumenblätter 3 Linien lang. Weibliche Blüthenstiele kurz, striegel- haarig. Fruchtrüssel 7 —8 Linien lang. In den Gebirgen von Loxa in Peru. Hartweg. Nicht in Kultur. 3) Sassea glabra Kl. Subherbacea, glaberrima; caule adscen- dente ramoso, inferne repente articulato-nodoso; foliis ovatis subacuminatis argute ciliato-serratis subineisis, basi inaequalibus, supra saturate viridibus, versus marginem sparse hirtellis, subtus pallidioribus glaberrimis; stipulis elongato-oblongis obtusis; pedunculis paucifloris rubescentibus folio sub- brevioribus; bracteis integerrimis coloratis; pedicellis flor. masc. longis; germinibus glaberrimis; cornubus brevi acutis. Begonia cucullata Herb. Ruizii Mss. Stengel 1 — 1!, Fufs lang und rabenkieldick. Blätter 1 —2 Zoll lang und 4—1 Zoll breit. Blattstiele 2—4 Linien lang. Afterblättchen 3—4 Li- nien lang und 2—3 Linien breit. Blumenstengel 14, Zoll lang. Halbreife Früchte 1 Zoll lang und 8 Linien breit. Fruchtrüssel 4, Zoll lang. In schattigen Gegenden der Anden von Muna (Peru). Nicht in Kultur. XLI. Putzeysia(‘) Kl. Flores monoiei gemini terni axillares. ‚Masculi: Petala 4 biserialia subaequalia oblongo-orbicularia rotundata cruciatim opposita, exteriora (') Dem Andenken des Herrn Jul. Putzeys, Königlich Belgischen Director im Justiz- Ministerium zu Brüssel, der im Besitze einer der grölsten Sammlungen von Begoniaceen, dieselben nicht allein sehr gut zu kultiviren versteht, sondern sie auch vortrefflich kennt und mich bei meiner Arbeit wacker unterstützt hat, gewidmet. Begoniaceen - Gattungen und Arten. 255 paulo majora intus magis concava. Stamina creberrima inaequilonga brevia toro plano inserta; antheris obovatis, apice subemarginatis, basi attenuatis; filamentis brevibus monadelphis. Flores feminei: Petala triserialia erecto- patentia subaequalia orbiculari-ovata rotundata. Germen inferum triloculare globoso-trigonum aequaliter compresso-tricornutum, basi rotundatum, apice vix attenuatum nec productum, cornubus erecto-falcatis compressis brevibus non apiculatis. Ovula in placentis e loculorum angulo centrali geminis con- niventim lamellatis, utrinque ovuliferis creberrima, anatropa. Stylus deci- duus profunde tripartitus, lobis spathulato -truncatis, apice transversim tumidis papilloso - puberulis. Suffrutex subtuberosus indicus; caule robusto erecto simplici; foliis petiolatis pedatinerviis oblique cordatis 4—5 lobatis, lobis inciso - serratis; floribus binis ternisque axillaribus pedicellatis; ramulis abbreviatis extra- axillaribus turbinatis, extus imbricato -squamatis, apice cupulas pluriseriatim ordinatas bulbillis ovalibus, basi bibracteatis brevi stipitatis repletas gerenti- bus; capsulis depresso - globosis aequaliter tricornutis. 1) Pulzeysia gemmipara Kl. Suffruticosa, glabra, erecta; caule tereti erecto simpliei basi parvo-tuberoso; foliis pedatinerviis 4—5 lobatis, basi oblique cordatis, lobis ovato-lanceolatis acutis grosse serratis, lobo me- dio elongato subinde pinnatifido grosse serrato; floribus axillaribus geminis ternisque ramulos aequali altitudine insertos, apice bulbilliferos superantibus. Begonia gemmipara Hooker fil. et Thomson, Flora indica t. XIV. Stengel 1‘, Fufs lang und schwanenkieldick. Blattstiele 1—1!, Zoll lang. Blätter 5—6 Zoll lang und 3—4 Zoll breit. Blumen 8—9 Linien im Durchmesser, 11, Zoll langgestielt. In Östindien von Hooker und Thomson entdeckt. Nicht in Kultur. — EI — safe ae TE Ro PUDIC HER an Mu DE drr war: Fat [77 on en aa HE aha PERF a Hulliinse ii 4 Kf erh Yan SH 2 u gi akEe are} gr“ „ach i an 33 Irie BETEN ah ira „4 i { Il Ka ArUtT 2 ara sh, PR do, ru he Hot ih Br ainNten ee r - Be r 2 F ig? süsl R up and # Abus Ah % ia Alacet we Re ! na {« KR rd. - . Pe 4 nie kan ne Y in Fr Ri; a ar in sane Fat aler 1ER 1% Riss 2 Baal 2 it ee i [IRRE SCENE Er: ch. EUER LH, sat ’ “sh ’ « “ “ u EETE LET ee VER RT TELE IT ELLELGER iyman Kalıh Kin) i {4 f DERITESA LITE DEREN REISTE AIES ERRERA ER NE BARETEGN 4 En 3 r y \ 6: ER. aaa - nt ern ,enenon ed ‚Dur aA w RER a na = re Te Hulk FA 4% fügen Ita r h 47, dire 19 ° MER N BRNE # a un.‘ wg FAN 5 an a er a In Hoi Des HEN zirt ER Fan at TR ORTEN | j Pi y . af E a Nr are a FRE EI RT, 0 5 dao + 27 ; N r - rr0o2 7, % Ger. u.litn.o Cl Schmidt: 4 A. uszıa pelopelala B. Eupetalum Kunthianum. €.Besonia eueullata Willd. Ger. u lith.o CF Schmedt A Saueria suleata. B. Barya monadelpha. C.Knesebeckia Martiana, rl Zt Du 4:0 k | In HrmRlotzschs AbhüberBeson Physik Abh von 1854. | Taf il. A. N | Ger u.lih,.». CF Schmidt A.Gaerdtia maculata.B. Trendelenhursia frutieosa.(. Ewaldia lohata. S Pe: Zulfm.Klotzsch’s Abh.über Beson. Physik. Abh.von 1854. 3 Br Ger. .lbr.0. Cl Schnidt A.Reichenheimia Thwaitelii B.Gurltia Meveri C. Scheidweileria disitata. Ger. u. lith.o CF Sohmudt. A.Lepsia foliosa B.Doratometra Wallichlana C.Riessia ferruginea. er . , rm. Rlotzsch's Abh über Beson Physik Ahlıvon 1854. ru NE Gex.n bio C Piohudt. A.Mitscherliehia albo-coceinea. B.Rachia peltata.C. Petermannia Cumindiana. TafIH. A Pilderia urticaefolia B.Donaldia ulmifolia Ü.Gtreondia lobulata. v Zu Hm. Klotzschi Abh. über Beson. Physik. Abh.u. 1854. By N A. Moschkowitzia Fasopyroides B. Ausustia Dresei C.Trachelanthus rhizecarpıs. I A - n ER be ci \ 2 ® /ullen.Klotzschs Abh.über Beson.Physik Abhiv 1854. Taf IN. I 1} N KT m « ex . de RZ = A.Rossmannia repens B. Masnusia fusca.C. Haasea dipelala. er y h - I 5 RP 5 pr j Ba BR ae re ER er, TE. DIEROSIAT) NER: y ; 3 3 Du - y . r j u b FE RE ' DE Ye er A var « ae N, we: Hrn.Klotzsch's Abhüber Begon.Phvsik.Abhv. 185%. bex,. ww. Guhv.v. CF Sohmandt Allitelbachia fuchsioides B.Pritzelia Fischeri (Waseneria fasifolia. . Ya; rise AIrE 53 Be Zu Hm.Klotzsch's AbhüberBegonPhysik.Ablv. 354. ‚ANeilbachia replans B.Platveentrum rubro-venium ( ‚Casparva hirta. # > a u gu Zulfrn.Klotzsch& Abh.überBeson.Physik.Ablıx. 185%. x N NL Br “R / N Er fi } x A \ N. « \ 1 „A { SE ! ei j 2) u Y N \ Vf f d R / 4 73 j; BARS) Dry, AStiradotheca masnilica B.Jsopteris umbellata Ü.Sassea slahra. . | Er N Mi - M v ft # ne | J BAHT EUR 1132727 f Mathematische Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. aan una. Aus dem Jahre 1854. nn. anne. Berlin. Gedruckt in der Druckerei der Königlichen Akademie der Wissenschaften. 1855. In Commission in F. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung | Er. Me asdstigaon AM A wi | | iM ash oisrobn u i f E A; m E en E < ee er rd tab wir. e * = f E +9} Re ae . v 2) = = es en en OR fi Age Ar, R x u nr »7 fi) | Ve ‚aäkest! PERE b En kertmith anti ab ent lamba) . E auıladananer ar ao j | a a 15 n . j "7 z eher vohmmädl 26 ai a u j Pnh,al te ENcKE über den Cometen von Pons. (Siebente Abhandlung.) .............. Seite 1 HAGEN über den Einfluls der Temperatur auf die Bewegung des Wassers in Röhren. - 17 LEJEUNE DIRICHLET: Vereinfachung der Theorie der binären quadratischen Formen NOLEDOSIUVELNDIETETTUNAN TEE ee ehe ee ee ler ehe tete 93 — nn mn Über den Cometen von Pons. f ln H” ENCKE. Siebente Abhandlung. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 1. Juni 1854.] Ss meiner letzten am 31. Juli 1851 gelesenen sechsten Abhandlung über diesen Cometen ist derselbe im Jahr 1852 wieder zum Perihel zurückge- kehrt, und wird 1855 im Juli von Neuem wieder erscheinen. Ich werde zur Fortsetzung der früheren Untersuchungen jetzt über seine Erscheinung im Jahre 1852 berichten, und dann die kommende Erscheinung ihrem Ver- laufe nach angeben. Die immer wachsende Masse von Rechnungen, die fast in demselben Verhältnisse sich vermehrt, als die Neigung sich mit solchen weitläuftigen Arbeiten zu beschäftigen abnimmt, hat es mir nicht möglich gemacht die Störungen während der Perioden von 1848— 1852 und 1852— 1855 mit der Vollständigkeit zu berechnen, wie es von 1819— 1845 in diesen 9 Umläufen geschehen ist. In der That aber wird auch, je längere Zeit hindurch ein Körper beobachtet wird, die Arbeit immer lästiger und lästiger und wenn man bedenkt dafs, wenn auch von 1819— 1848 die Störungen angenommen werden können, als seien sie wenigstens genähert vollständig, doch ein noch längerer früherer Zeitraum von 1756—1819 ganz unbearbeitet da liegt, so sieht man wie sehr weit man noch von der Lösung der Hauptaufgabe der Astronomie entfernt ist, alle Beobachtungen eines und desselben Himmels- körpers durch das Newton’sche Gesetz der Anziehung vereinigen zu können. Indessen haben auch unvollkommen durchgeführte Störungen, wenn sie nur die hauptsächlichsten Werthe umfassen, doch den Nutzen, einmal die Auf- suchung des Cometen und seine Beobachtung möglich zu machen, und da sie den jedesmaligen Lauf wenigstens mit grofser Annäherung darstellen, die Math. Kl. 1854. A D Encke Fehler der einzelnen Tage in so engen Grenzen zu halten, und so gesetz- mäfsig ihren Gang von einem Tage zum andern anzugeben, dafs man meh- rere Tage mit einander zur genaueren Ermittelung der wirklichen Ab- weichungen verbinden kann, und so den später zum Grunde zu legen- den Beobachtungen, oder eigentlich den daraus hergeleiteten der Wahr- heit nahe kommenden Gröfsen, eine gröfsere Sicherheit verschaffen. Darauf wird auch für die Zukunft mein hauptsächlichstes Augenmerk gerichtet sein, und auf diese Weise werden wenigstens die Data vorbereitet werden, welche in der Folge der Zeiten, wenn die Ermittelung der Störungen zu einer grö- fseren Vollkommenheit gediehen ist, die Grundlage bilden müssen. In der sechsten Abhandlung habe ich drei verschiedene Combinatio- nen der Örter gebildet, welche von 1819 —1848 beobachtet sind, und bei welchen die Störungen der Planeten %$, 2, d, d, %, tı so wie der Ein- flufs der Widerstandskraft vollständig in Betracht gezogen sind. Aus jeder wurde das ihr zukommende Elementensystem, die Mercurmasse und die Wi- derstandskraft hergeleitet. Zusammengestellt bezieht sich das Elementensy- stem (A) auf alle Normalörter aus den 10 Erscheinungen, ohne Rücksicht darauf ob die Beobachtungen vor oder nach dem Perihele angestellt sind. Es gründet sich dasselbe auf 70 Bedingungsgleichungen, welche nach den übrigbleibenden Unterschieden, einen mittleren Fehler von 247,5 für das ein- zelne Datum ergeben, aber den Nachtheil haben, dafs gerade die am sicher- sten beobachtete Reihe im Jahre 1828, am wenigsten gut dargestellt wird. Das zweite Elementensystem (B) bezieht sich nur auf die 7 Erscheinungen 1829 —1848, mit Ausschlufs der drei früheren. 1819—1825, weil für die Periode von 19819 — 1528 die Störungen mit weniger genauen Elementen be- rechnet waren, und sonach einem kleinen Zweifel unterliegen konnten. Bei 46 Daten lassen sie einen mittleren Fehler von 14,6 übrig, und die besseren Beobachtungen werden weit befriedigender dargestellt. Endlich das dritte Elementensystem (C) schliefst von den bei (B) berücksichtigten Daten noch die 4 Data aus, die aus Beobachtungen nach dem Perihele auf der südlichen Halbkugel angestellt hergeleitet sind, weil bei der sehr willkürlichen An- nahme über das Widerstandsgesetz vor und nach dem Perihele eine merk- liche Verschiedenheit möglicherweise stattfinden könnte. Es ist natürlich, dafs die bei (B) und (€) ausgeschlossenen Data eine gröfsere Abweichung bei der Vergleichung mit den ohne sie hergeleiteten Elementensystemen über den Cometen von Pons. 3 zeigen. Doch fällt diese hauptsächlich nur auf die Erscheinung 1819, wo sie bis 3 und 5; bei zwei Daten steigt. Der Unterschied bei 1822 ist weniger erheblich, bei 1925 ist er fast verschwindend. Diese drei Elementensysteme sind die folgenden, wenn man sie auf einerlei Epoche reducirt. Epoche 1829 Jan. 9,72 M. Paris. Zt. Elemente A B & M | 359°39’ 21793 359°59’ 24783 | 359°59’ 25722 W 1069,851933 | 1069,851827 | 1069,851672 $ 57°38' 8,67) 57°38° 150| 57°38' 0345 7 157 18 25,75 | 157 18 10,31 | 157 18 655 2 1334 29 50,98 | 334 28 40,75 | 334 29 49,70 D 13 20 40,91 | 13 20 30,51 | 13 20 39,36 1 U re 742 10252900 8234192 A ER IE 1 894.892 329,0167 835,459 Vergleicht man diese auf verschiedene Combinationen gegründeten Elementensysteme mit einander, so zeigt sich das befriedigende Resultat, dafs die Elemente unter sich so nahe übereinstimmen, dafs eine sehr grofse Annäherung an die Wahrheit daraus hervorgeht. Der gröfste Unterschied bei der mittleren Anomalie steigt auf 373, bei der mittleren Bewegung auf den 3800sten Theil einer Secunde, bei der Excentricität auf 82, bei der Länge des Perihels auf 19/2, bei der Länge des Knotens auf 1072, bei der Nei- gung auf 1074. Die angenommenen Massen und Störungswerthe von Mer- kur und der Widerstandskraft ergänzen sich dabei wechselseitig, so dafs, wenn die eine zunimmt, die andere abnimmt. Eine um das dreifache ver- minderte Merkurmasse wird aufgehoben oder ersetzt durch eine um den funfzehnten Theil vergröfserte Widerstandskraft. Es hängt dieses natürlich damit zusammen, dafs der Betrag der Störungen des Merkurs in der mittle- ren Anomalie während dieser 20 Jahre 1828— 1848 bei den Elementen 4 war 5 250,103 U 2152,900 BeBe Pal | 7U800 2323,968 je nach den veränderten Massen. Die Summe beider Gröfsen war bei Elem. 4 2103,003 » B 2%403,777 so dafs sie am Schlusse der ganzen Reihe sich fast völlig ausgleichen. Über- haupt um die gegenseitige Abhängigkeit der angenommenen Merkursmasse A2 4 Encexs und der Widerstandskraft zu übersehen werde ich hier den Betrag der Stö- rungen des Merkurs und der Widerstandskraft für jedes Perihel zusammen- stellen und dann die Summen beider nach den verschiedenen aber zusam- mengehörigen Annahmen vergleichen. Es betrugen von 1829 an gerechnet bis zu dem jedesmaligen Perihele die Störungen durch Merkur und durch U in der mittleren Anomalie: Elem. A Elem. 3 Summe 5 | U 3 U Elem. 4 Elem. 3 1819 | + 17.052 | + 533217 | + 5441 | + 575,588 | + 550,269 | + 581,029 1822 | + 4285 |-+ 237593 | + 1445 | + 256,472 | -+ 241,878 | + 257,917 1825| + 6034 |+ 59268 | + 1,925 | -+ 63,978 | + 65,302 | + 65,903 ıs32 | + 3873 |+ 59362 | + 1236 |+ 6409| + 63235 | -+ 65,315 1835 | + 1,648 | + 238110 | + 0526 | + 257,354 | + 240,058 | -+ 257,880 1838 | + 70,989 | + 537,031 | +22,653 | + 579,705 | + 608,020 | -+ 602,358 1842 | +128,557 | + 955244 | +41,023 | +1031,150 | +1083,801 | +1072,173 1845 | +189,216 | +1494,666 | -+60,379 | +1613,436 | + 1683,882 | +1673,815 1848 | -+250,103 | +2152,900 | +79,309 | +2323,968 | +2403,003 | +2403,777 Der gröfste Unterschied beider Annahmen geht auf 307,8 bei 1819, eine Erscheinung, die bei den Elementen B ausgeschlossen war. Bei den wirklich benutzten ist sie 1835 am gröfsten, wo sie bis 17,8 steigt. Diese Bemerkungen zeigen hinlänglich, dafs im Ganzen genommen die Bahn des Cometen auf eine zwanzigjährige Reihe von Erscheinungen ge- gründet sicher bestimmt ist und dafs man hoffen darf, wenn auch die voll- ständige Berechnung der Störungen für die Folgezeit nicht mehr möglich sein sollte, indem man immer von der nächsten Erscheinung ausgeht, die nächst- folgende hinlänglich vorbereiten zu können. Im Jahre 1851 hatte ich deshalb die Elemente (B) zuerst mit den voll- ständigen Störungen bis auf 1848 fortgeführt, wodurch für diese letzte Er- scheinung die folgenden Elemente hervorgingen : Epoche 1848 Nvb. 26 3: M. Par. Zeit. 0° 0’ 38/36 1076/43281 57°58' 42/9 157 47 23,7 x 334 21 2081 M. Aq. 1848 Nvb. 26 13 8 32,0 -.D 345° R nuumnN Hierauf hatte ich die Jupiterstörungen von 50 zu 50 Tagen berechnet, welche ergaben über den Cometen von Pons. AM Au Ad Ar AR Ai nam + — 13’ 603 — 05730116 = 14290 0 53,7 — 45,0 — 39,0 Qu Verbindet man sie mit dem obigen Systeme und bringt die Praeces- sion und die Correction wegen der veränderten Lage der Ekliptik an, so er- hält man für 1852 Epoche 1852 März 10 0b M. Berl. Zt. 358° 33° 24/98 1076,13165 SOIETR INN 57°57' 3379 157 51 2,4 334 23 20,8 13 754,5 Vermittelst dieser Elemente war damals eine Ephemeride, und zwar für das scheinbare Äquinoetium für den jedesmaligen Tag der Beobachtung berechnet und in den astronomischen Nachrichten zur Vorbereitung für die Beobachtung publieirt worden, die .ich hier der Vollständigkeit wegen so weit aufnehme als sie nachher in Anwendung kommt. Lauf des Cometen von Pons 1852. Scheinbares Äquinoctium. 12h lg. Dist. le. Dist. M. Berl. Zt. | AR. £ | Dec. £ | a ES 1852 Jan. 1 | 343 34 41 | + 317 195 | 0,193856 | 0,165730 2 | 343 47 24,2 3 20 37,0 | 0,193647 3/34 1 783 324 6,1 | 0,193380 4 | 344 15 13,3 3 27 46,6 | 0,193052 5 | 344 29 42,2 3 31 38,5 | 0,192662 | 0,149116 6 | 344 44 34,0 3 35 41,7 | 0,192208 7 | 344 59 485 3 39 56,0 | 0,191690 8|35 15 355 3 44 21,3 | 0,191105 9 | 345 31 249 3 48 57,5 | 0,190453 | 0,131416 10 | 345 47 463 3 53 44,4 | 0,189731 11 | 346 4 29,8 3 58 42,1 | 0,188939 12 | 346 21 35,5 4 350,4 | 0,188074 13 | 346 39 34 4 9 93 | 0,187136 | 0,112492 14 | 346 56 53,4 4 14 38,8 | 0,186124 15 1347 15 54 4 20 18,6 | 0,185035 16 | 347 33 39,3 426 8,7 | 0,183868 17 | 347 52 35,0 4 32 8,8 | 0,182620 | 0,092194 6 EnckE 12h lg. Dist. lg. Dist. M. Berl. Zt. | AR. | Dec. F = 9 | v. (6) 1852 Jan. 18 | 348.11 52,4 | -F 4 38 18,9 | 0,181290 19 | 348 31 31,6 4 44 38,9 | 0,179876 20 | 348 51 32,4 451 8,4 | 0,178376 21 | 349 11 54,9 4 57 47,5 | 0,176786 | 0,070336 22 | 349 32 39,0 5 436,1 | 0,175104 23 | 349 53 44,7 5 11 33,8 | 0,173329 24 | 350 15 11,8 5 18 40,3 | 0,171457 25 | 350 37 0,2 5 25 55,6 | 0,169487 | 0,046690 26 | 359 59 10,0 5 33 19,5 | 0,167416 27 | 351 21 41,0 5 40 51,6 | 0,165240 28 | 351 44 33,1 5 48 31,3 | 0,162957 29 | 352 7 46,2 5 56 18,5 | 0,160563 | 0,020990 30 | 352 31 20,2 6 412,8 | 0,158055 31 | 352 55 15,1 6 12 13,9 | 0,155430 Febr. 1 | 353 19 30,7 6 20 21,3 | 0,152683 2|353 4 70 6 28 34,6 | 0,149811 | 9,992901 3|354 9 42 6 36 53,3 | 0,146810 4 | 354 34 21,8 6 45 16,8 | 0,143674 5 | 354 59 59,4 6 53 44,4 | 0,140399 6 | 355 25 56,8 7 2 15,4 | 0,136981 | 9,962024 7 | 355 52 14,0 7 10 48,8 | 0,133412 ; 8 | 356 18 50,6 7 19 23,8 | 0,129687 9 | 356 45 46,1 7 27 59,6 |.0,125801 10 | 357 12 59,9 7 36 35,0 | 0,121746 | 9,927860 11 | 357 40 31,4 745 88 | 0.117517 12 | 358 8 19,7 7 53 39,5 | 0,113104 13 | 358 36 23,9 8 2 5,5 | 0,108497 14 359 442,7 8 10 24,9 | 0,103687 | 9,889814 15 | 359 33 14,7 8 18 35,6 | 0,098666 16| 0 1581 8 26 35,4 | 0,093422 17 | 0 30 50,7 8 34 21,5 | 0,087946 18 059499 8 41 50,7 | 0,082225 | 9,347169 19 | 128 53,5 8 48 59,3 | 0,076244 20 | 157549 8 55 43,2 | 0,069990 21 | 2 26 5235 9 157,5 | 0,063446 22 | 255 40,3 9 7 36,8 | 0,056599 | 9,799154 23| 324 13,0 9 12 34,9 | 0,049432 2141| 352199 9 16 44,3 | 0,041926 2535| 419549 9 19 56,2 | 0,034063 26 | 446 46,4 9 22 0,6 | 0,025823 | 9,745140 27 | 512414 9 22 45,6 | 0,017189 28 | 5 37 24,9 9 21 57,6 | 0,008141 39| 6 0387 9 19 20,6 | 9,998663 Mrz. 1| 622 12 9 14 36,4 | 9,988737 | 9,695250 2! 64 70 9 723,7 | 9,978353 s| 657266 8 57 17,7 | 9,967506 | 1 über den Cometen von Pons. 12h j le. Dist. le. Dist. M. Berl. Zt. | AR. FE | Dei. £ | S Sl... .u@ 1852 Mrz.4| 710250 | + 843 505 | 9.956203 5| 719222 8 26 29,7 | 9,944454 | 9,622112 6| 723 345 8 441,0 | 9,932302 | 7221 7 37 45,9 | 9,919805 8| 714209 7 5 72 | 9,907055 | - 9| 659 97 626 22 | 9,894181 | 9,564532 0| 635 42 5.40 0,1 | 9,881357 1 | 6 3377 4 46 37,2 | 9,868811 121 522 sı 3 45 44,4 | 9,856799 13 | 431 18,4 | 2 37 36,7 | 9.345621 | 9,530686 14 | 331 31,0| 122 43,0 | 9,935574 >| 223315| 0 2136 | 9,326959 | 9,528846 Der Comet konnte in Europa unter günstigen Umständen in den Abendstunden beobachtet werden und ist auch an mehreren Orten beobach- tet worden. Es liegt aber wiederum in der immer mehr fast überwältigen- den Masse der Rechnungen, dafs ich für jetzt wenigstens mir den Genufls versagen mufs ähnlich wie früher sämmtliche Beobachtungen zu sammeln und zu vergleichen. Dagegen habe ich völlig hinreichend für die nöthige Grund- , lage zur Erhaltung der Data für die Zukunft die zwei vollständigsten Reihen, nämlich die hiesige und die von Herrn Prof. Argelander in Bonn angestellte strenge verglichen. Die letztere beruht auf einer handschriftlichen Mitthei- lung des Herrn Prof. Argelander, welcher die verglichenen Sterne an sei- nem Meridiankreise neu bestimmt hat, so dafs, da die meisten derselben auch hier benutzt sind, auch die hiesigen Beobachtungen dadurch verbessert werden konnten. Die Beobachtungen gehen vom 15. Januar bis zum 8. März, wo der Comet und zwar nur sechs Tage vor seinem Perihele in Bonn und hier gesehen worden ist. In der folgenden Tabelle sind die Arge- landerschen Beobachtungen mit A, die Berliner mit B bezeichnet. Sie sind von Aberration und Parallaxe so befreit, dafs sie unmittelbar mit der Ephe- meride verglichen werden können. Berliner (B) und Bonner (A) Beobachtungen des Cometen von Pons 1552 und Vergleichung mit der vorausberechneten Ephemeride. 2 M. Berl. AR. Decl. Rechn. — Beob. Bun Zt. | Beob. | Berechn. | Beob. | Berechn. AR. | Decl. DH h N 2 Jan. 15 ı7 aa Hayes 10 0 al sl ra | — 10% 8 16 |7 161347 29 59,11347 29 48,6 4 25 239| 4 2456,1| —10,5 | — 27,8 s| A bo} Encke . Berl. R. ; ._ B 1852 i 5 | Beob. ’ Berechn. Beob. m Berechn. a. | Da [or Jan. 20 [6 31/44.6 | 348° 46 32/6 348° 46 56.9 |+ 4 49 55.0 RENORRI 243 |— 162| B „|718385| . 473011 47361 50 43 451,6|+ 60 |— 13,7| 4 2ı |7 5242,7|349 8 18,2|349 8234| 456557] 456383|+ 52 |— 174| 4 22 |6 45 51,0|349 28 2,91349 28 60| 5 3148| 5 3 63 |+ 3ıl— 8514 „Ir a 34| 28205) 2826,1 3175 s129|+ 56 |— 46| 4 „|7302833| 28364] 28445 329,6 3189|+ 81 |— 10,7| 4 „|sı6395| 292791 29243 3 45,6 3320|- 36 — 136|B 24 [6 42 0,9|350 10 13,7|350 1029| 5 17136] 517 55|+ 122 |—- sılB „7441751 . alas) Kalaı7 17 40,1 17240|+ 63 |— 161) B Febr. 10 [6 27 17,01357 628,8|357 6409| 7341442) 734360+ ı21ı |- 82! 3 „|7 94483 721,8 729,1 34 57,2 sa515|+ 73 |— 5,7|B 14 |7 21 31,7\358 5853,3 [358 59 135] s 842,7) 8 sa90l+ 202 | 63) 4 15 |6 51 10,7|359 2651,1 [359 27 6,6| 8165521 sı6512|+ 155 |— 4014 ı9 |7 7231| ı22249| 1 22585| s47183| 8 47333|+ 336 |+ 15,0| 4 „|raaıs7| 22394| 2388| 847192 47 38,2 |+ 39,4 |+ 19,0| 4 20 651541] 151 55| 151423] 853549| 854190|-+ 368 + 24,1| B „|r22561| 51344 52200 54 64 54 26,6 + 45,6 |+ 20,2| 4 23|7 7409| 317267| 3 18 28,7 9 1059,1| 9 11 38,0 |-+ 62,0 + 38,9| B „Ir25468| 17523] 189478 11 90 11 39,9 |+ 55,5 |+ 30,9| 4 „|rsa 82| 18 29| 18578 10 57,1 11 41,6 + 549 |+ 44,5| 4 21 |7 2416| 345260] 346342| 915107| 915552|+ 682 |+ 445| 4 „|716 02| ..45486| 46494 15 12,4 15 59,4|+ 60,8 |+ 47,0| B „|72501| #41 4 ıı 15 12,4 15 58,9 |-+ 730 |+ 465 | 4 »5|7 2 07| 413 91) 414156| 9182384] 91929,6)+ 665 |+ 61,2| B „|rı242| 13196] 14279 18 26,0 19 20,5 + 683 + 54,5 | 4 Mz. 2|740379| 635 95 | 637522| 9 6394| 9 8538 |-+162,7 Fısaa B 3|7 44310) 651389 | 654464| 85641,2| 859 19,0/+187,5 1+157,8| 4 4|7 7200| 7 4255| 7 8 48) 843529| 846522|+219,3 |+179,3| B 5/7 14184| 713486 | 717569| 826521) 8 3016,4|+248,3 |+204,3| 4 „rısızs|l 13430| 17576 26 47,8 30 15,1/+254,6 [+207,3| B „|724504| ı13525| ı8 02 26 41,8 s0 8.2|+247,7 |-+206,4| 4 6 7ı1199| 7ı8s3s46| 723 92| 8 5308| 8 926,7|-+274,6 |+235,9| 4 „732 63| 1891| 23114 5145 9 6,4|+277,3 |+231,9| 4 7|7 9247| Tı7204| 722575| 7389172] 743383 |+337,1 |+261,1| 4 „733 29| ııso| 22542 38 43,7 43 10,1'4336,2 |+-266,4| 4 8|7 11174 710121 | 716287! 7 6586| 712 88|+3766 +5102| B „785120 106el 1630 6 35,6 11 49,3 43768 [+313,6| 4 „7 44475 9493| 16147 6 76 1r213|+385,4 |+313,7| 4 Man sieht, dafs während des Januars die Fehler fast verschwindend waren, im Februar stiegen sie am Ende bis auf etwas mehr als eine Minute, in den sechs Tagen vom 2. März bis $. März vergröfserten sie sich indessen fast von Tage zu Tage so stark, dafs sie am 8. März 6 Minuten in AR. und 5 in Declination erreichten. über den Cometen von Pons. 9 Obgleich nach der Lage der Bahn und der Nähe des Perihels gröfsere Fehler am Ende der Beobachtungen erwartet werden konnten, so deutete diese allzurasche Zunahme doch auf einen gröfseren Fehler der Elemente hin als ich auch bei den unvollständigen Störungen vermuthet hatte und län- gere Zeit brachte ich damit zu, die Quelle dieses Fehlers aufzufinden, bis er sich zuletzt in einem Umstande entdeckte, den ich sogleich hätte erkennen können, und den ich, wenn nicht in diesen letzten Jahren die vielen kleinen Planeten meine Aufmerksamkeit zu sehr in Anspruch genommen hätten, nicht begangen haben würde. Bei einem Himmelskörper nämlich, dessen Berechnung den hauptsächlichen Reiz hatte, dafs eine neue Kraft zu seiner Darstellung nöthig gewesen war, hätte mir es am wenigsten geschehen dür- fen, dafs ich die Anbringung dieser Kraft bei der Bestimmung der neuen Elemente hätte vergessen können und doch zeigen die oben angeführten Zah- len, dafs es geschehen war und nur allein die Jupiterstörungen angebracht. Hiervon überzeugten mich meine eigenen Herleitungen der neuen Elemente sogleich, als ich darauf aufmerksam geworden war und ich ward darauf geleitet durch die Untersuchung, um wie viel wohl die Zeit des Perihels hätte verschoben werden müssen, wenn die starken Fehler wegfallen sollten. Um bei einem Irrthum, der mir am schmerzhaftesten sein mufste, da er die frühere Bestimmung nicht so sicher erscheinen liefs, nicht den Anschein eines 5 absichtlichen Anschlusses zu gewinnen, habe ich die Verbesserung der Ephe- meride nicht ganz genau den Zahlen gemäfs vorgenommen, wie sie zufolge der Widerstandskraft hätte sein müssen, sondern da diese doch nicht den ganzen Fehler aufgehoben haben würde, die folgenden Verbesserungen angewandt: AM= +1 1815 Au = -+ 010070 Ad = — 36 die Widerstandskraft, welche zufolge der Elemente (B) stattgefunden haben sollte, würde ergeben haben AM = + !T 456 Au = + 0/10742 Ad= — 3/8 oder da die Verbesserungen durch die Änderungen von # und & von gerin- gem Einflusse sind, würde die Widerstandskraft allein, wenn sie schon für 1552, wie es hätte geschehen müssen, angewandt worden wäre, Verbesserun- gen gegeben haben, welche etwa um # kleiner ausgefallen sein würden, als Math. Kl. 1854. B 10 EncexeE die jetzt hier aufzuführenden. Die Elemente nach den eben angeführten Correktionen werden also Epoche 1852 März 10 O+ M. Berl. Zt. M = 358° 34 43/13 w = 1076,23235 & = 57°57 30/3 ” = 15751 24 Q = 334 23 20,8 i= 13 7545 Berechnet man mit diesen die Ephemeride von Neuem mit Beibehal- tung aller übrigen Werthe, so erhält man die neuen und also jetzt der wah- ren Bestimmung genäherten Örter, wenn man zu der obigen Ephemeride die folgenden Correktionen algebraisch hinzulegt | AAR. |a Dec. | | A AR. | A Decl. Jan. 135 | — 20.1 | + 64 | Febr. 115 | — 300 | — 90 145 | — 20,1 | + 62 1250 Tod 155 | - 202 | -+ 59 135|—- 3235| — 120 165| -202| +57 14sf|ı-43a.1) 4 188 1751 —202 | + 55 158.2 4364. — 159 35 | - 011454 165| — ss33| — 183 1951-198 | + 52 175| — 1208| — 20,9 205| —- 196 | + 50 1385| — 4837| — 238 215| —193| + 47 195 | — 469 | — 270 25| 198 | +44 205 | — 505 | — 30,6 235|—-203|+ 41 2115| — 546| — 34,6 215 | —- 208 | + 38 225| — 5992| — 391 2355| —213 | + 34 235 eo iR 26,5 | — 21,4 | + 3,0 2,5| — ”07| — 501 275 | — 21,6 | + 2,6 Ba 778, | — 56,7 2835| — 218 | + 22 SE Sl — 64 3935| —-21l|l+17 2775| —- 5838| — 730 3055| —24| +13 285 | — 1070 | — 83,0 31,5 | — 227 |-+ 08 2935| — 1200| — 944 Febr. 15 | —230| + 03| März ı15| —ı352| — 1075 2535| -233| — 03 25| — 1530 | — 122,7 35|—-28| —- 09 35 | — 1738 | — 140,2 451 243 N 45 | — 197,9 | — 160,4 55 949 | 24 55 | — 2256 | — 183,2 65|—-236|— 33 65 | — 257,1 | — 2089 15 —268 | = 43 751 —- 2925| — 237,4 1 N s5 | — 332.0 | — 268,8 951 —-280| — 65 95 | — 375,7 | — 303,2 1005| — 289 | — 7,7 10,5 | — 423,7 | — 340,2 über den Cometen von Pons 41 Vergleicht man nun die so verbesserte Ephemeride mit den Beobach- tungen von Bonn und Berlin, so wird eine sehr befriedigende Darstellung erhalten, bei welcher auch jetzt der Übelstand wegfällt, dafs die Fehler der Rechnung so stark sprungweise von einem Tage zum andern variiren und zugleich eine so nahe Übereinstimmung beider Reihen von Beobachtungen stattfindet, dafs man völlig überzeugt seiu kann, es sei bei der Bestimmung des Ortes kein constanter einem einzelnen Beobachter eigenthümlicher Feh- ler vorgekommen. Die gröfsten Fehler am letzten Tage vermindern sich dadurch bis auf eine Minute. Sie würden mit der reinen Anwendung der Widerstandskraft, um 56” gröfser ausgefallen fein und folglich bei einer richtig angegebenen Ephemeride etwa 2 Minuten betragen haben Man kann deshalb mit grofser Sicherheit folgende Normalörter an- nehmen, wie sie aus dem Mittel der Fehler von mehreren Beobachtungen folgern Jan. Febr. März 20,5 12,5 85 — 18,0 + 55,8 Zar, 10.5 2138 + 50,2 &J [88] Rechn. — Beob. Rechn. — Beob. | AR. Decl. | | | AR. Decl. | Jan. 5 | +124| — 47 |B| Feb.23| — 79| —ı22 | 4 16 | — 30,7 |-— 22,11 4A ” — 8585| + 14/14 20/|-+ 47| —ı12|B 241 — 12| — 4314 „I —-136| — 7714 »1 = 836|— 18|B 21| — 14,1| — 1237| 4 „I#+ 3656| — 233|4 22/ — 166 | — 4014 23/— 98|+59|5 „i—-14,1| — 0114 „| 8380| — 0814 »i-11,6| — 6214 März 2| -+132 | + 46|B T — 2333| — 91, B 3|+1,7, +210| 4 214|— 85|— a2|B 41|+-%365|+231|B „I —-144| —122|B 5/ +35 +359|14 Febr. 10 | — 166 | — 157 | B „|+348| + 2839| B „| —214| —132|B „I +279| +280|4 14 | — 136 | — 7114 +25 | +324|4 15 | — 202 | — 195 | 4 »1+2368| +284|14 19| — 26 | — 11314 71 +520 | +296 | 4 „| 68| — 73|1A „I +51l1| +349|4 20 ı —130| — 5,7, B 8 +528| +479|B „I 421 — 96|14 „| +530| +513|4 2331| — 14| — 42| EB „I +616| +514|4 12 Encxke und erhält damit für das scheinbare Äquinoctium Jan. 20,5 348°51°29,5 + 4° 51° 239 Febr. 125 358 8 66 +7 53 430 März 85 7 72531 --6 59 482 als Normalörter, oder auf das mittlere Äquinoctium von März 15 dem Tage der Sonnennähe reducirt, als das sehr schätzbare Resultat dieser Erscheinung Normalörter von 1852 (Mitt. Äquin. März 15) 12% M.Ber.ZL ARE Dec. £ 1852 Jan. 20 348°51’40,9 -+ 4° 51'322 Febr. 12 358 8241 -- 7 53 50,7 März 8 7885 +6 59551 Bei der nahen Übereinstimmung der verbesserten Ephemeride für 1852, so wie sie aus den Elementen II folgt, habe ich diese Elemente einfach zum Grunde gelegt, um für 1855 die Erscheinung vorauszubestimmen und auch hier wieder mich begnügt, die Jupiterstörungen von 50 zu 50 Tagen berechnet, damit zu verbinden, so wie die Werthe der Widerstandskraft, welche bei den Elementen II angenommen wurden, beizubehalten. Es kann dann allerdings nicht eine genaue Übereinstimmung erwartet werden, aber es kann mit Grund gehofft werden, dafs der vorausberechnete Ort hinreichen wird, den Cometen zu rechter Zeit aufzufinden und seinen Lauf verfolgen zu können. Es setzen sich hiernach die Elemente für 1855 zusammen aus den Elementen II für 1852, die ich der Vollständigkeit nach einmal hersetzen will. Epoche 1852 März 10 0b Berl. Zg. M = 358° 34 43/13 p = 1076,23235 $ = 57 57 30,3 ” = 157 51 24 ee Q= 331 23 208 } M. Aegq. 1852 März 10 i= 13 7545 Ferner aus den Jupiterstörungen von 1852 März 10 — 1855 Jun. 23. AM= -+ 11'55'80 Au= + 024262 Ad= + 5197 Ar= — 35,1 ADQ= + 17,7 As=ncr, 182 Drittens aus den Störungen der Widerstandskraft über den Cometen von Pons. 13 AM= + 6053 Au = + 0,10070 Ad= — 3,6 und endlich aus den Gröfsen, die wegen der Präcession und der Änderung der Lage der Ekiptik hinzugelegt werden müssen, um Alles auf das mittlere Aequinoctium von 1855 Jun. 23. zu bringen Ar=4ARB= +70 Ai= + 1,5 Vereinigt man diese verschiedenen Zahlen mit einander, so dafs das neue M für 1855 Jun. 23 wird = 358° 34 43/13 + 1200 (1076,23235) + 11'55/80 + 60/53 und bei den übrigen Elementen einfach die algebraischen Summen genom- men werden, so erhält man für 1855 das Elementensystem Epoche 1855 Juni 23 0" M. Berl. Zt. M = 357° 3% 18/26 = 1076”57567 d= 57°5818/4 9 ar a = Er \ M. Aeq. 1855 Jun. 23. i= 13 8 923 Es geht aus ihnen hervor, dafs der Comet sehr nahe am 1. Juli 6% sei- nen Durchgang durch das Perihel erreichen wird. Seine mittlere Anomalie ist dann 20,0, und da bei den früheren Ephemeriden immer der Tag des Durchgangs als der angenommen ist, auf dessen mittleres Aequinoctium sich die zuletzt ermittelten Örter beziehen, so habe ich auch jetzt für die Ephe- meride das mittlere Aequinoctium von 1855 Jul. 1. gewählt. Der Comet wird nur auf der südlichen Halbkugel sichtbar sein. Denn für die Zeiten vor dem Durchgange finden sich die Örter: Mai 2 AR. £ = 30°365 Dec.= + 18° 585 14 40 11,4 22 20,2 26 52 15,0 25 41 Jun. 7 67 59,2 27 17,3 19 88 48,4 DL 73 Jul. 1 114 43 21 29,8 Der Comet ist während dieser Zeit seiner jedesmaligen Conjunction mit der Sonne so nahe, dafs er nicht gesehen werden kann. Von dem 1. Juli an, wo er den niedersteigenden Knoten schon passirt hat, kann er wegen 44 Encke seiner südlich werdenden Declination auf der nördlichen Halbkugel nicht gesehen werden, Auf der südlichen wird man ihn aber recht gut und anhal- tend beobachten können. Denn nach der folgenden Ephemeride wird für das Vorgebirge der guten Hoffnung sein Untergang und der der. Sonne Untergg. E erfolgen. Jul. 1 5b 58° M. Zt. 13 725 25 83 Aug.6 105 1871 23 30 12 12 Spt. 11 12 22 23 12 28 Dabei ist seine Entfernung von der Sonne günstig, da Jul. 1 der Tag des Durchgangs ist und die Entfernung am 1. September erst so grofs ist wie 1552 Jan. 15., wo er in Berlin beobachtet ward. Der Erde wird er aber dann noch beträchtlich näher im Jahre 1855 sein, als er im Jahre 1852 war. Erst am 25. Septbr. 1855 wird er so weit von der Erde entfernt sein, als er 1852 Jan. 15 war. U 4 5 a ag ntergg. [0] h56 M. Zt. 2 10 18 26 35 43 51 Lauf des Cometen von Pons 185. Mittl. Äquinoct. vom Juli 1 ob le. De 1 = M. Berl. Zt. | AR. £ | Dec. £ 8 #3 : 1855 Jul. ı | 11a 415.6 |+ 21.29 a7ı | 0,090669 | 9,527836 2\116 9576| 2043 13,2 | 0,082151 3|118 13471 | 1954 21,4 | 0,073323 4|120 15 311 | 19 3 27,4 | 0,064230 512215 43| 1810 44,8 | 0,054921 | 9,546910 6|ı124 12 274 | 17 26 35,3 | 0,045445 7|ı26 7482| 16 20 38,7 | 0,035853 8|128 1153| 15 23 33,1 | 0.026197 9|12953 35 | 14 2% 14,6 | 0,016526 | 9,597952 10 | 131 43 292 | 13 25 47,9 | 0,006889 ı1ı 133 32 488 | 12 25 15,3 | 9,997329 ı2 | 135 2ı ı9,1 | 11 23 38,7 | 9,987884 ı3 | 137 9 177 | 10 20 58,2 | 9,978591 | 9,660588 14 | 138 57 23,6 9 17 13,3 | 9,969483 140 44 45,3 8 12 25,6 | 9,960595 über den Cometen von Pons. 15 ob le. Dist. le. Dist. M. Berl. Zt. | AR. F | De. £ & fe) wu 1855 Jul. 16 | 142°32'404 | + 7 6 35.8 | 9,951958 17 | 144 21 09 5 59 43,8 | 9,943600 | 9,722374 18 | 146 9 58,0 4 51 51,1 | 9,935551 19 | 147 59 41,2 343 0,3 | 9,927840 20 | 149 50 18,3 2 33 15,0 | 9,920496 21 | 151 41 56,6 1 22 38,8 | 9,913544 | 9,778824 22 | 153 34 41,7 | + 011 16,2 | 9,907010 23 | 155 28 37,7 | — 1 0 45,7 | 9,900921 24 | 157 23 47,2 2 13 18,8 | 9,895302 25 | 159 20 11,7 3 26 14,9 | 9,890177 | 9,829152 26 | 164 17 51,4 4 39 25,3 | 9,885566 27 | 163 16 48,1 5 52 37,1 | 9,881487 28 | 165 16 50,4 7 5 40,2 | 9,877956 29 | 167 18 3,9 8 18 22,3 | 9,874988 | 9,873812 30 | 169 20 21,3 9 30 30,6 | 9,872592 31 | 171 23 36,1 10 41 52,8 | 9,370775 Aug. 1| 173 27 41,0 11 52 14,6 | 9,869538 2 | 175 32 27,9 13 122,8 | 9,868881 | 9,913576 3 | 177 37 48,1 14 9 4,7 | 9,868803 4 | 179 43 31,9 15 15 8,8 | 9,869292 5 | 181 49 29,1 16 19 24,5 | 9,870336 6 | 183 55 29,2 17 21 41,9 | 9,871919 | 9,949182 7|186 121,5 18 21 51,1 | 9,874024 8 |ı88 6545 19 19 45,0 | 9,376629 9 | 190 11 56,4 20 15 17,6 | 9,879710 10 | 192 16 15,5 21 823,1 | 9,883243 | 9,981286 11 | 194 19 40,2 21 58 57,1 | 9,887201 12 | 196 22 0,9 22 46 58,2 | 9.891556 13 | 198 23 8,4 23 32 26,6 | 9,896280 14 | 200 22 53,4 24 15 22,3 | 9,901343 | 0,010404 15 | 202 21 7,5 24 55 47,2 | 9,906717 16 | 204 17 43,1 25 33 43,4 | 9,912374 17 | 206 12 33,2 26 9 14,1 | 9,918289 18 | 208 5 31,6 26 42 23,1 | 9,924435 | 0,036994 19 | 209 56 32,8 27 13 14,6 | 9,930786 20 | 211 45 32,5 27 41 53,9 | 9,937319 21 | 213 32 27,2 28 8 26,6 | 9,944013 22 | 215 17 13,8 28 32 58,2 | 9,950845 | 0,061406 23 | 216 59 51,0 28 55 34,2 | 9,957796 24 | 218 40 16,7 29 16 20,6 | 9,964847 25 | 220 18 30,6 29 35 23,2 | 9,971982 26 | 221 54 33,1 29 52 48,0 | 9,979185 | 0,083930 27 1.223 28 25,7 30 8 40,9 | 9,986442 23|2235 0 92 30 23 7,2 | 9,993739 29 | 226 29 44,7 30 36 12,2 | 0,001065 30 | 227 57 14,3 30 48 1,2 | 0,008409 | 0,104812 16 Encze über den Cometen von Pons. 0,015760 0,023111 0,030453 0,037778 0,045081 0,052355 0,059594 0,066794 0,073953 0,081065 0,088127 0,095136 0,102089 0,108985 0,115821 0,122597 0,129311 0,135962 0,142549 0,149072 0,155530 0,161923 0,168250 0,174512 0,180708 0,186839 42 37,7 |, 0,192904 125 1 u M. Berl. Zt. | AR. FE | Dec. £ IE E 1855 Aug. 31 | 229°22’40,1 | — 30 58 39,1 Sept. 1 | 230 46 4,6 31 8 10,6 2|232 7305| 31 16 40,1 3|23327 07| 3124 121 4 | 234 44 38,4 | 31 30 50,6 5|236 0266| 31 36 39,3 6|237 14283 | 3141 41,8 7238 26468 | 3146 1,3 s|239 37 2353| 3149 41,0 9 | 240 46 27,1 | 3152 43,7 10 | 241 53 55,6 | 3155 11,9 ı1 |242 59544 | 3157 7,8 ı2 |244 4267| 3158 33,6 ı3|245 7354| 3159 31,8 11 [216 9230| 32044 ı5 |217 9522| 32 0134 ı6 |218 9 56| 32007 ı7 |249 7 60| 3159 97,7 ıs |250 3563| 3158 35,8 ı9 | 250 59 393 | 31 57 26,2 20 |251 54 174| 3156 02 21 | 252 47532 | 3154 18,8 22 | 253 40 29,0 | 3152 23,3 23 254 32 61| 3150145 24 | 255 22 454 | 3147 535 25 256 12 30,1| 3145 21,0 26 257 1283) 3l 27 | 257 31 39 45,1 49 25,5 —b—— 0,198905 lg. Dist. v. © 0,124250 0,142410 0,159432 0,175440 0,190530 0,204798 | 0,218312 Über den Einflufs der Temperatur auf die Bewegung des Wassers ın Röhren. y Von H”- HAGEN. mnnnnnnannnaN [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 10. November 1853 und am 6. März 1854.] D:: die Beweglichkeit des Wassers von der Temperatur abhängt, ist schon mehrfach bemerkt worden. Bereits Dubuat sagt im Anfange seiner Prin- cipes d’hydraulique, das Wasser sei mehr und weniger flüssig, jenachdem es mehr oder weniger Wärme enthalte: am lebendigsten und beweglichsten sei es, wenn es bis gegen den Siedepunkt erhitzt werde, und in der Nähe des Gefrierpunktes scheine es zu erschlaffen. Zur Begründung dieser Angabe theilt Dubuat auch einige wenige Beobachtungen mit (II. $. 337), welche sich auf verschiedene Temperaturen beziehn, bei den sehr zahlreichen hy- draulischen Messungen, die er sonst anstellte, wird jedoch niemals der Wärmegrad angegeben. Der ältere Gerstner untersuchte später den Einflufs der Temperatur auf die Ergiebigkeit der Röhrenleitungen, und wenn seine Beobachtungen auch nicht weit genug ausgedehnt waren, um die eigenthümlichen Erscheinun- gen, die dabei eintreten, sicher erkennen zu lassen und dieselben weiter zu verfolgen; so zeigen sie doch, dafs die ausfliefsende Wassermenge in hohem Grade durch die Wärme bedingt ist, und in vielen Fällen sich verdoppelt, sobald die Temperatur um 20 bis 30 Grade zunimmt (Gilbert’s Annalen Band V. 1800. Seite 160 ff.). Obwohl diese Erfahrungen bereits gemacht waren, so wurden dennoch ebenso wohl durch Prony, als durch Eytelwein im Anfange dieses Jahr- hunderts Theorien über die Bewegung des Wassers in Röhren aufgestellt, welche die Temperatur ganz unberücksichtigt liefsen. Die darauf gegründe- Math. Kl. 1854. C 18 Hasen über den Einflufs der Temperatur ten Formeln haben seitdem allgemeinen Eingang gefunden. Ein Versuch, den ich vor längerer Zeit machte, diese Formeln zu verändern und den Ein- flufs der Temperatur darin auszudrücken, kann nur als eine rohe Annähe- rung angesehn werden, weil die zum Grunde gelegten Beobachtungen sich nur auf mäfsige Wärmegrade beschränkten, und die Erscheinung nicht hin- reichend aufklärten (Poggendorff’s Annalen Band 46. Seite 423 ff.). Wenn man die Ergiebigkeit von Röhren und andern Leitungen, be- sonders bei kleinen Dimensionen, mit einiger Sorgfalt mifst; so überzeugt man sich leicht, dafs ein geringer Wechsel der Temperatur die Resultate schon wesentlich verändert. Bei der Erwärmung des Wassers um einen, und selbst um einen halben Grad, ändert sich die Wassermenge gewöhnlich schon so stark, dafs die Abweichung nicht mehr als Beobachtungsfehler angesehn werden kann. Am meisten wird man aber dadurch überrascht, dafs zuweilen die ausfliefsende Wassermenge bei zunehmender Temperatur sich nicht ver- gröfsert, sondern vermindert. Hiernach scheint es, dafs man in der Hydraulik, so weit diese Wissenschaft auf Beobachtungen gegründet ist, keinen wesentli- chen Fortschritt erwarten darf, so lange die sehr bedeutende und räthselhafte Einwirkung der Wärme auf die Beweglichkeit des Wassers unbekannt bleibt. Eine grofse Anzahl von Beobachtungen, die ich an verschiedenen Röh- ren uud mit verschiedenen Druckhöhen anstellte, und die sich von dem Gefrierpunkte bis nahe an den Siedepunkt erstreckten, gaben in ih- rer Zusammenstellung die Erscheinung sehr deutlich zu erkennen. Un- ter übrigens gleichen Umständen nimmt nämlich die Geschwindigkeit bei wachsender Temperatur stark zu, doch wird sie bei einem ge- wissen Wärmegrade ein Maximum, und fast ebenso schnell wie sie frü- her gewachsen war, vermindert sie sich nunmehr bei stärkerer Erwär- mung des Wassers. Doch auch diese Erscheinung hört bald auf, denn etwa 10 bis 20 Grade von dem Maximum entfernt, liegt ein zweiter Wendepunkt, in welchem die Geschwindigkeit ein Minimum wird, und wenn die Tem- peratur noch höher steigt, so vergröfsert sich wieder die Geschwindigkeit, jedoch geschieht dieses in geringerem Maafse als anfangs. Diese Veränderun- gen der Geschwindigkeiten, oder vielmehr der ausfliefsenden Wassermengen, sind so augenfällig, dafs sie selbst bei rohen Messungen nicht unbemerkt blei- ben können. Sie entziehen sich nur häufig der Beobachtung dadurch, dafs die beiden Wendepunkte der Geschwindigkeits-Scale aufserhalb derjenigen auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 49 Temperaturen liegen, welche die Grenzen des tropfbar flüssigen Zustandes des Wassers bezeichnen. Bei weiten Röhren und gröfsern Geschwindigkeiten fallen beide Wendepunkte unter den Gefrierpunkt, bei sehr engen Röhren und sehr kleinen Druckhöhen dagegen über den Siedepunkt. Die beigefügte Zeichnung Fig. 4., welche meine Beobachtungen graphisch darstellt, zeigt wie die Lage dieser Punkte durch die Druckhöhe und die Weite der Röhre bedingt wird. Genau dasselbe Resultat ergiebt sich auch schon aus Gerst- ner’s Beobachtungen, und namentlich aus der zweiten von ihm mitgetheil- ten Tabelle, welche die Geschwindigkeiten in einer 1,6 Linien weiten Röhre zwischen 1 und 40 Graden enthält. Das Eintreten der Maxima giebt sich daselbst in jeder Reihe zu erkennen; bei den stärksten Druckhöhen bemerkt man aber auch, dafs in der Nähe von 30 Graden die Geschwindigkeiten wieder zu wachsen anfangen, sie also hier Minima sind. Ich werde zunächst den von mir benutzten Apparat und die Methode der Beobachtung beschreiben, alsdann die Beobachtungen mittheilen und aus denselben die Gesetze herleiten, welchen die Erscheinung folgt. Hierbei wird sich eine gröfsere Übereinstimmung zu erkennen geben, als bisher in ähnlichen Untersuchungen der Hydraulik erreicht ist. Ferner werde ich ver- suchen, diese Gesetze zu erklären und zu begründen. Wenn hierbei auch manche Zweifel bleiben, deren Lösung mir nicht gelungen ist, so ergeben sich doch einzelne wichtige Aufschlüsse über die Bewegung des Wassers. Schliefslich werde ich noch die gefundenen Resultate mit den Beobachtun- gen vergleichen, die an gröfsern Röhrenleitungen gemacht sind. Ve Beschreibung des Apparates und der Beobachtungs-Art. Der Apparat, dessen ich mich zuerst bediente, war sehr genau der- selbe, den. Gerstner angewendet hatte. Die Gefäfse, welche die Röhren ren speisten, erhielten keinen Zuflufs, der Wasserspiegel senkte sich da- her während der Beobachtung, und der Druck nahm fortwährend ab, und die Messung bestand darin, dafs die Zeit beobachtet wurde, in welcher der Wasserstand bis zu gewissen Tiefen herabsank. Zu diesem Zwecke diente ein leichtes Blechgefäfs, welches auf dem Wasser schwamm, und einen Maafsstab trug, der selbst beim niedrigsten Stande noch einige Zolle weit über den Rand des Gefäfses vorragte. Um diesen Maafsstab in der senkrech- C2 20 Hıcen über den Einflufs der Temperatur ten Stellung zu erhalten, wurde er am obern Ende durch einen feinen sei- denen Faden unterstützt, der über ein sorgfältig ausgedrehtes und möglichst leichtes Rad von Messing geschlungen und durch ein passendes Gegengewicht gespannt wurde. Die Anderung, welche sowohl das Gewicht des Schwim- mers, als das Gegengewicht erfuhr, indem der Faden bald auf der einen und bald auf der andern Seite des Rades hing, also theils das Gegengewicht und theils auch die Belastung des Schwimmers vermehrte, durfte ganz unbeach- tet bleiben, da hierdurch die Eintauchung noch nicht um den hundertsten Theil eines Zolles vergröfsert oder vermindert wurde. Der Maafsstab war über dem Rande des Gefäfses durch eine Öffnung geführt, die etwas gröfser als sein Querschnitt war, wodurch er also am Drehen verhindert wurde. Nahe darüber befand sich neben der Eintheilung eine horizontale Stahlspitze, die als Zeiger diente, und gegen welche das Maafs mittelst einer am Apparate befestigten Loupe abgelesen wurde. Die Messung bestand darin, dafs in gleicher Art wie beim Gebrauch eines Mit- tagsfernrohrs, der Vorübergang der vorher bestimmten und besonders be- zeichneten Theilstriche auf dem Maafsstabe, vor der Nadelspitze nach dem Schlage der Secunden-Uhr beobachtet wurde. Diese Theilstriche waren so ausgewählt, dafs die Zwischenzeiten durchschnittlich 1 Minute, wenigstens aber 20 Secunden betrugen, also zum Aufschreiben der Secunden und selbst zum Ablesen des Thermometers noch genügten. Diese Beobachtungsart ge- währte den grofsen Vortheil, dafs man, nachdem der Cylinder mit dem Was- ser von der bestimmten Temperatur gefüllt, und die Röhre geöffnet war, ohne neues Wasser hinzugiefsen zu dürfen, den Vorübergang aller Theilstri- che vor dem Zeiger nach einander beobachten konnte, und sonach jedesmal eine vollständige Beobachtungsreihe erhielt. Um aus dieser Messung die in den einzelnen Zwischenzeiten ausflie- fsenden Wassermengen herzuleiten, mufste der Querschnitt des Gefäfses be- kannt sein. Das Gefäfs war ein Cylinder aus Messingblech, etwas über 4 Zoll weit und 15 Zoll hoch, der nach dem Lothe und zwar so aufgestellt wurde, dafs der Maafsstab, wenn er von der Rolle frei herabhing, genau in der Axe schwebte. Zur Messung des Querschnittes des Oylinders und zwar in seinen verschiedenen Höhen bediente ich mich des bekannten Verfahrens, dafs ich eine gläserne Flasche, die mit einem gut geschliffenen Stöpsel ge- schlossen werden konnte, wiederholentlich unter Wasser füllte, und ihren auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 21 Inhalt in den Cylinder gofs, worauf jedesmal der Schwimmer herabgelassen und sein Stand abgelesen wurde. Der Inhalt der Flasche wurde im Beginne und am Schlusse der Messung durch Abwiegen ermittelt, und so war es leicht, die Querschnitte des Cylinders in den verschiedenen Höhen zu be- rechnen. Diese wichen nur wenig von einander ab, und sonach konnte mit grofser Sicherheit auch die Wassermenge gefunden werden, welche beim Sinken des Niveaus von einem Theilstriche des Maafsstabes bis zum folgen- den ausge flossen war. Die beschriebene Methode hat für die Beobachtung unverkennbare Vorzüge vor derjenigen, wobei man ein constantes Niveau bildet. Der Ein- flufs, den die verschiedene Erwärmung auf den Apparat ausübt, ist auch nicht erheblich und man kann davon leicht Rechnung tragen. Ein grofser Vortheil liegt endlich noch darin, dafs man in der bezeichneten Weise unmittelbar schon das Volum des ausfliefsenden Wassers findet, man also die Ausdehnung desselben nicht zu kennen braucht, was erforderlich wird, wenn man die Wassermenge aus dem Gewichte bestimmt. Eine we- sentliche Schwierigkeit stellt sich aber bei der spätern Berechnung und Ver- gleichung der Resultate ein, denn die bei bestimmten Druckhöhen ausfliefsen- den Wassermengen ergeben sich nicht unmittelbar aus diesen Messungen, und wenn die Geschwindigkeit nicht in einfacher Form durch die Druckhöhen ausgedrückt werden kann, so ist sie nur durch sehr zeitraubende Rechnun- gen zu finden, die um so unangenehmer sind, als sie in grofser Anzahl sich wiederholen. Wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, ist die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit jedesmal ziemlich complicirt, woher diese Reduction der einzelnen Beobachtungen höchst mühsam und sogar sehr unsicher wird, so lange die zu wählende Form des Ausdrucks noch nicht bekannt ist. Nichts desto weniger ergaben die Beobachtungen, wenn ich für jede Messung zwischen je zwei Theilstrichen eine mittlere constante Druck- höhe voraussetzte, mit voller Sicherheit die oben bezeichnete eigenthümliche Erscheinung, dafs nämlich bei zunehmender Temperatur die Geschwindig- keit zuerst sich vergröfsert, alsdann abnimmt und endlich wieder gröfser wird. Zur Darstellung eines constanten Niveaus hatte ich schon bei anderer Gelegenheit einen Apparat eingerichtet, der darauf beruhte, dafs in einem besondern Speisebassin ein Blechkasten schwamm, der einen Heber trug. Letzterer reichte über den Rand des Gefäfses hinüber, DD 22 Hasen über den Einfluss der Temperatur ohne denselben zu berühren, und gofs sonach, ganz unabhängig von dem Wasserstande, in gleichen Zeiten gleiche Wassermassen aus. Der Schwim- mer wurde aber durch eine besondere Führung an seiner Stelle gehalten, so dafs er ohne an der Beweglichkeit in verticaler Richtung gehindert zu wer- den, sich weder drehen noch fortschwimmen konnte. Um die zufliefsende Wassermenge jedesmal mit der bei einer bestimm- ten Druckhöhe abfliefsenden in Übereinstimmung zu bringen, war der He- ber mit einem Hahn versehn. Im Gebrauche desselben stellte sich die grofse Schwierigkeit ein, dafs man ihn vielfach verstellen mufste, bevor in der beabsichtigten Höhe, oder doch in der Nähe derselben, ein constantes Niveau wirklich sich bildete. Eine geraume Zeit war jedesmal nöthig, um an dem Maafse sicher wahrzunehen, ob der Wasserstand sich noch veränderte und sobald letzteres stattfand, mufste der Zuflufs verstärkt oder geschwächt, und hierauf der schwimmende Maafsstab wieder aufs Neue beobachtet wer- den. Aus diesen Gründen war es unmöglich in wenigen Minuten auch nur annähernd ein constantes Niveau zu bilden, vielmehr waren hierzu minde- stens 15 bis 20 Minuten erforderlich, und da während dieser Zeit der Abflufs nicht aufhören durfte, so war eine sehr starke Wasser-Consumtion dabei un- vermeidlich, während im vorliegenden Falle die eigentliche Beobachtung sich auf die Dauer von einigen Minuten beschränken durfte und eine geringe Quantität Wasser dazu genügte. Bei den grofsen Schwierigkeiten, welche die Beobachtung mit heifsem Wasser an sich schon bietet, konnte aus den erwähnten Gründen der schwim- mende Heber zur Darstellung eines constanten Niveaus nicht benutzt wer- den: ich habe denselben indessen hier beschrieben, weil er in andern Fällen, wenn nämlich die einzelne Beobachtung einen längern Zeitraum umfasst, ein sehr brauchbarer Apparat ist. Man kann in der That mittelst desselben den constanten Wasserspiegel beliebig lange erhalten, weil bei sorgfältiger Nach- füllung des Speisebassins die Wirksamkeit des Hebers gar nicht unterbro- chen und selbst vorübergehend nicht merklich geändert wird. Der Apparat, den ich in den vorliegenden Versuchen zur Bildung bs constanten Wasserspiegels benutzte, und sehr brauchbar befunden habe, stimmt wesentlich mit einer bekannten Vorrrichtung überein, die zu demsel- ben Zwecke in der Technik oft angewendet wird. Namentlich wird mittelst derselben häufig der Zuflufs des Öles in unsern Lampen regulirt. Ein Ge- auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 23 Gefäfs, das mit Wasser gefüllt und dessen Öffnung nach unten gekehrt ist, speist das Reservoir immer von Neuem, so oft das Wasser unter die Öffnung herabsinkt, und durch letztere die Luft in das erste Gefäfs treten kann. Diese einfache Vorrichtung erfüllt jedoch den Zweck nur sehr unvollstän- dig, weil die Quantität der bei jedem Stosse eintretenden Luft, und sonach auch die des austretenden Wassers, so bedeutend ist, dafs der Wasserspiegel abwechselnd um mehrere Linien sich hebt und senkt, also die beabsich- tigte constante Druckhöhe dadurch noch nicht dargestellt wird. Das Wasser, welches jedesmal ausfliefst, reifst das umgebende Wasser mit sich fort, und giebt dadurch Veranlassung, dafs das Niveau neben der Öff- nung sich noch mehr senkt, und folglich der Zutritt der Luft längere Zeit hindurch anhält. Durch Anbringung eines Zwischengefäfses, welches das ausfliefsende Wasser zunächst aufnimmt, kann man diesen Übelstand leicht aufheben, oder wenigstens so weit mäfsigen, dafs nur noch geringe Schwan- kungen bemerkbar bleiben. Die Öffnung, welche das Zwischengefäfs mit dem Reservoir verbindet, darf nicht gröfser sein, als dafs sie denjenigen Wasserzuflufs dauernd darstellt, den man zur Beobachtung gerade braucht. Sobald daher die Luft in das Speisebassin tritt, kann das ausfliefsende Was- ser, das mit Heftigkeit herabstürzt, nicht schnell genug entweichen, es füllt also zunächst nur das Zwischengefäfs und sperrt dadurch augenblicklich die Öffnung, so dafs der Zuflufs der Luft und sonach auch der Ausflufs des Speisewassers jedesmal sogleich wieder unterbrochen wird. Das Wasser tritt also auch bei dieser Änderung keineswegs in continuirlichem Strahle, sondern nur stofsweise aus dem Speisegefälse. Der Vortheil besteht aber darin, dafs die Wirkung jedes Stofses sehr vermindert wird, und die Stöfse sich sehr schnell folgen. In manchen Fällen und namentlich bei starkem Abflusse er- folgten in jeder Secunde zwei und sogar drei Stöfse, und alsdann zeigte der Wasserspiegel im Reservoir allerdings noch eine schwache Wellenbewegung, aber abgesehn von dieser war ein abwechselndes Steigen und Fallen nicht mehr zu bemerken. Die beschriebene Einrichtung des Speisegefäfses ist Fig. 1 in der per- spectivischen Ansicht und Fig. 2 im Durchschnitte dargestellt. Dieses Gefäfs ist unten mit einem cylindrischen Halse versehen. Dicht über dem untern Rande desselben sind mehrere Löcher in gleicher Höhe angebracht, durch welche, sobald der Wasserspiegel herabsinkt, die Luft eintritt. Der Hals ist 24 Hasen über den Einflufs der Temperatur. zwar ganz geöffnet, wird jedoch von dem Zwischengefäfse umgeben, und zwar so, dafs nur ein schmaler ringförmiger Raum, der etwa 1 Linie weit ist, zwischen beiden frei bleibt. Der Rand des Halses darf den Boden des Zwi- schengefäfses nicht berühren, vielmehr mufs das herabstürzende Wasser un- gehindert in den erwähnten ringförmigen Raum treten können. Zu diesem Zwecke ist die cylindrische Wand des Zwischengefäfses einige Linien höher als der Hals, so dafs ersteres gegen den Boden des Speisegefäfses gelehnt, und daran befestigt werden kann. Um den Zutritt der Luft an das Zwischen- gefäfs nicht zu hindern, sind nahe an dem obern Rande desselben vier grofse Öffnungen angebracht. Im Boden des Zwischengefäfses befindet sich eine Öffnung, welche das Speisewasser dem Reservoir zuführt. Diese Öffnung mufs aber der Was- sermenge genau entsprechen, die bei jedem Versuche dauernd abfliefst. Ist sie zu grofs, so stürzt beim Zutreten der Luft das Wasser unmittelbar in das Reservoir, und die Luft-Öffnungen werden nicht schnell genug geschlossen, woher der Wasserspiegel sich stark verändert. Ist sie dagegen zu klein, so kann der Verbrauch des Wassers sich nicht ersetzen, und der Wasserspiegel im Reservoir sinkt unter den Boden des Zwischengefäfses herab, stellt also nicht die beabsichtigte Druckhöhe dar. Im vorliegenden Falle, wo der Raum überaus beschränkt war, mufste ich mich begnügen einen Schieber vor der Öffnung anzubringen, der vor dem Beginne jedes Versuches in die ange- messenste Stellung gebracht und darin festgeschroben wurde. Bei einem gröfseren Apparate dieser Art, der einen halben Cubikfufs Wasser enthielt, und den ich zur Speisung weiterer Reservoire benutzte, setzte ich dagegen, wie Fig. 1 zeigt, den Schieber mit einer gezahnten Stange in Verbindung, die ich, während das Wasser ausflofs, mittelst eines Getriebes vor- und zu- rückschieben konnte. Diese Einrichtung war besonders bequem und gab sehr sichere Resultate, indem ich durch Beobachtung des Wasserspiegels die- jenige Gröfse der Öffnung leicht darstellen konnte, welche die geringsten Schwankungen veranlafste. Das Speisegefäfs ist oben mit einer conischen Öffnung versehn, in welche ein Ventil von gleicher Form eingeschliffen ist. Während der Wirk- samkeit des Apparates bleibt dieses geschlossen, sobald das Gefäfs aber aufs Neue gefüllt werden soll, braucht man nur die Öffnung frei zu machen und das Speisegefäfs in das vorher angefüllte Reservoir zu tauchen; dadurch füllt auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 25 sich auch jenes, indem die Luft entweicht. Hiebei mufs indessen, wenn man die höhern Wasserstände darstellen will, noch Wasser nachgegossen werden, damit beide sich vollständig füllen, und dieses Nachgiefsen mufs auch wäh- rend des Aufhebens des Speisegefäfses (nachdem das Ventil geschlossen ist) noch fortgesetzt werden, weil sonst ein Theil des Speisewassers schon wäh- rend der Vorbereitung des Versuches ausfliefsen würde. Das Speisegefäfs hängt, wie die Figur zeigt, an einer starken Stange, die mit einer Reihe von Löchern versehn ist. Jenachdem man in das eine oder andere dieser Löcher den Bolzen einsetzt, der auf einem Gestelle ruht, und das Gefäfs trägt, so wird letzteres höher oder tiefer herabhängen, und man kann sonach die gewünschte Druckhöhe im Reservoir leicht darstellen. Hiebei bietet sich sehr einfach noch ein anderer Vortheil dar. Wenn näm- lich diese Löcher mit Vorsicht so eingebohrt sind, dafs ihre Abstände ganze oder halbe Zolle betragen, so kann man leicht auch die verschiedenen Druck- höhen bilden, die um dieselben Maafse von einander abweichen. Auf diese Art beschränkt sich die etwas schwierige Ermittelung der Niveau - Differenz zwischen dem Wasserspiegel im Reservoir und der Ausflufs- Öffnung der Röhre auf eine einzige Messung, und zwar bestimmte ich immer die Höhe der Ausflufs-Öffnung gegen den obern gehörig geebneten Rand des Reser- voirs. Zu diesem Zwecke hob ich das Speisegefäfs zunächst so hoch, dafs der constante Wasserspiegel in das Niveau dieses Randes fiel. Das Gestelle, welches den Bolzen mit der durchlochten Stange trug, konnte mittelst Schrauben verstellt werden, und während der Austlufs stattfand, hob ich es soweit, dafs der Wasserspiegel genau diesen Stand einnahm, was sich sehr sicher beurtheilen liefs. Steckte ich später den Bolzen in ein anderes Loch der Stange, und senkte dadurch das Speisegefäfs um eine gewisse Anzahl von Zollen; so stellte sich, nachdem das darüber stehende Wasser abgeflossen war, der constante Wasserspiegel in der entsprechenden Tiefe unter dem ersten ein. Dieser constante Wasserspiegel fand augenscheinlich nur so lange statt, als das Speisegefäfs iu Wirksamkeit war, und in vielen Fällen konnte ich mich hiervon leicht überzeugen, indem die eintretenden Luftblasen ein sehr bemerkbares Geräusch verursachten. Dieses wurde jedoch oft von dem ausströmenden Wasser übertönt, so dafs ich das Ohr dicht an das Gefäfs halten mufste, um wahrzunehmen, ob der Wasserspiegel bereits tief genug Math. Kl. 1854. 26 Hasen über den Einflufs der Temperatur herabgesunken sei, oder ob andrerseits das Speisegefäfs sich schon entleert habe. Um hierüber in weiterer Entfernung ein sicheres Urtheil zu gewinnen, verband ich das Speisegefäfs mit einem Schwimmer. Derselbe konnte im vorliegenden Falle wegen des beschränkten Raumes nur neben dem untern Halse oder dem Zwischengefäfse angebracht werden. Er bestand aus einem ganz verschlossenen Prisma aus dünnem Bleche, dessen Querschnitt eine sichelförmige Gestalt hatte, und das mittelst eines feinen Drahtes zur Seite des Speisegefäfses so geführt wurde, dafs es sich nur lothrecht auf und ab bewegen konnte. Eine Marke aus Papier am obern Ende des Drahtes liefs, indem sie eine ähnliche feste Marke beinahe berührte, den Stand des Schwimmers und sonach auch den des Wassers im Reservoir sehr sicher beurtheilen. So lange der Wasserspiegel höher war, lehnte sich der Schwim- mer gegen den Boden des Speisebassins, und die bewegliche Marke befand sich in gröfserer Höhe, als die feste: während der Wasserspiegel seinen un- veränderten Stand behielt, stimmten beide mit einander überein, und in dieser ganzen Zeit gaben sich die Schwankungen beim stofsweisen Zufliefsen des Wassers auch in den Vibrationen der Marke deutlich zu erkennen. Die letzte Erscheinung hörte aber auf, und die bewegliche Marke fing an zu sin- ken, sobald das Speisebassin sich entleert hatte. Bei andern Beobachtungen, die mit Benutzung eines geräumigeren Reservoirs angestellt wurden, konnten solche Schwimmer gebraucht werden, wie sie oben beschrieben wurden. Indem an denselben das Maafs mittelst der Loupe abgelesen wurde, so gaben sie nicht nur den Wasserstand sehr genau an, sondern liefsen auch die Gröfse der Schwankungen sicher beur- theilen. Demnächst entstand die Frage, ob die Röhren, mit welchen experi- mentirt wurde, den Strahl frei ausgiefsen, oder ob sie unter Wasser münden sollten, indem ihre äufsern Ausflufsmündungen durch die Wand eines niedrigen Gefäfses gezogen wären, welches stets mit Wasser gefüllt blieb. Die letzte Anordnung hatte ich früher gewählt, und dieselbe empfahl sich vorzugsweise dadurch, dafs sie ein leichtes Mittel zur genauen Bestim- mung der Druckhöhen zu bieten schien. Man durfte zu diesem Zwecke nur das Reservoir sich soweit entleeren lassen, dafs die Strömung in der Röhre ganz aufhörte, worauf der Wasserstand, welchen das Maafs am Schwimmer ergab, den Nullpunkt der Druckhöhe bezeichnete. In dem kleinen Gefäfse, auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 97 worin das Wasser aufgefangen wurde, blieb jedoch das Niveau keineswegs constant, vielmehr sank es augenscheinlich immer um so tiefer, je stärker der Zuflufs war. Diese kleinen Differenzen liefsen sich indessen mittelst einer feinen Drahtspitze, die jedesmal bis zur Berührung der Oberfläche herabgeschroben wurde, sehr scharf messen. Demnächst gewährt diese Me- thode auch noch den Vorzug, dafs die ganze Erscheinung sich etwas verein- facht, wie aus dem Folgenden sich ergeben wird. Dagegen ist die Sicherheit dieser Beobachtungsart insofern höchst zweifelhaft, als in dem kleinen Gefäfse, welches das ausfliefsende Wasser aufnimmt, keineswegs ein ebener und horizontaler Wasserspiegel sich bildet. Der austretende Strahl reifst nämlich die umgebende Masse mit sich fort, und sonach entsteht vor der Röhrenmündung eine merklich vertiefte Furche in der Oberfläche, während neben der gegenüber befindlichen Wand, die vom Stofse getroffen wird, eine Stauung nicht zu verkennen ist. An beiden Seiten bilden sich dagegen Wirbel, über welchen gleichfalls die Oberfläche nicht eben und horizontal ist. Die Höhe des Wasserstandes, oder der Ge- gendruck ergiebt sich daher ganz verschieden (und zwar betragen die Unter- schiede oft 0,1 Zoll und mehr) jenachdem man eine oder die andere Stelle mit dem Mefsapparate untersucht. Diese Unterschiede vermindern sich allerdings, wenn das Gefäfs recht grofs und recht tief ist, aber im vorliegenden Falle wird hierdurch wieder die genaue Messung der Temperatur verhindert. Es kommt nämlich darauf an, den Wärmegrad des Wassers zu kennen, während dasselbe die Röhre durchfliefst, und zu diesem Zwecke mufs es’ ganz unvermischt aufgefangen werden, was bei dieser Anordnung nicht möglich ist. Die Bestimmung der Temperatur aus dem Wärmegrade des eingegossenen Wassers ist aber ganz un- zulässig, da theils schon während der Füllung des Reservoirs und des Speise- gefäfses, theils aber auch während mehrere Beobachtungen hinter einander gemacht werden, die Temperatur sich derjenigen nähert, welche die umge- bende Luft hat. Aus diesen Gründen ist in den hier mitgeiheilten Beob- achtungen der Strahl jedesmal frei ausgetreten und nicht unter Wasser auf- gefangen. Die Vorrichtung zur Aufstellung des Thermo meters zeigt Fig. 3 im Durchschnitte. Ein kieines Gefäfs von sehr dünnem Bleche, das nur we- nig gröfser ist, als die Thermometer-Kugel, nimmt den ausfliefsenden Strahl D2 28 Hasen über den Einfluss der Temperatur zunächst auf, indem die hintere Wand sich als ein Schirm erhebt, der ihn vollständig auffängt und seinen Inhalt in dieses Gefäfs hineinleitet, wenn er auch mit Heftigkeit aus der Röhre herausspritzt. Durch angemessene Krüm- mung des Schirmes läfst sich aber selbst der Verlust einzelner Tropfen leicht vermeiden. Andrerseits mufs in das erwähnte Gefäfs auch das Wasser noch geleitet werden, wenn es nicht mehr einen zusammenhängenden Strahl bildet, sondern sich tropfenweise von der Röhre löst. Zu diesem Zwecke bildet der Stiel, der das Gefäfs trägt, eine flache Rinne, die alle Tropfen auffängt. Dieser Stiel ist aber, um das Hinziehen der Tropfen längs der Röhre zu verhindern, mit einem durchbohrten Korke verbunden, der auf die Röhre gesteckt wird. Bei dieser Anordnung gelang es mir, nicht nur unter allen Umständen alles Wasser aufzufangen, sondern auch dasselbe auf das Ther- mometer zu leiten. Das erwähnte kleine Gefäfs, worin die Thermometer - Kugel ruht, ist am Boden mit einer Öffnung versehn, damit die aufgefangene Wassermenge sich stets erneut, und das Thermometer jederzeit die Temperatur des zuletzt aus der Röhre ausgeflossenen Wassers angiebt. Um diesen Zweck vollstän- dig zu erreichen war es noch nöthig, die Öffnung nach Maafsgabe der Er- giebigkeit des Strahles theilweise zu schliefsen, und am passendsten wäre es gewesen, sie mit einem Schieber zu versehn, wodurch jedesmal der Abflufs in der Art hätte regulirt werden können, dafs er dem Zuflusse vollständig entsprach, sobald der Wasserstand eben die Thermometer - Kugel über- deckte. Diese Anordnung verbot sich theils dadurch, dafs dieser Apparat nicht viel Masse erhalten durfte, weil er sonst nicht schnell genug die Tem- peratur des Wassers angenommen haben würde, theils aber waren manche Beobachtungen auch von so kurzer Dauer und nahmen so sehr die volle Auf- merksamkeit in Anspruch, dafs diese Regulirung des Wasserstandes doch nicht auszuführen gewesen wäre. Ich bemühte mich demnach, der Öffnung nung eine solche Gröfse zu geben, dafs nur ein mäfsiger Strahl hindurch trat, der jedoch noch kräftig genug war, den Inhalt des Gefäfses in wenig Secun- den abzuführen. Bei schwachem Zuflusse würde indessen der Wasserstand sich so tief gesenkt haben, dafs die Thermometer-Kugel grofsentheils mit der Luft in Berührung gekommen wäre und nicht mehr die Wärme des Wassers angenommen hätte. Um dieses zu verhindern, wurde in solchem Falle eine dünne Blechschleibe auf den Boden gelegt, dienur noch das Austreten ein- auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 39 zelner Tropfen gestattete. Wenn sich dagegen ein starker Strahl aus der Röhre ergofs; so füllte derselbe ohnerachtet des kräftigen Abflusses das Ge- fäfs nicht nur vollständig an, sondern trat auch über den Rand desselben hinüber. Um in diesem Falle keinen Theil des Wassers beim Auffangen zu verlieren, umigab ich das erwähnte Gefäfs noch mit einem zweiten gröfsern von conischer Form, in welchem sich unter allen Umständen die ganze Was- sermasse wieder sammelte, und durch die Öffnung in der abwärts gekehrten Spitze des Kegels abgeführt wurde. Die Beobachtungen bestanden darin, dafs die aus der letzterwähnten Öffnung abfliefsende Wassermenge während einer gewissen Anzahl von Secunden in einem darunter gestellten Gefäfse aufgefangen und alsdann mit diesem Gefäfse gewogen wurde. Die Dauer der Beobachtungszeit mufste bei starkem Drucke und bei Anwendung der weitesten Röhre auf eine halbe Minute und zuweilen sogar auf 20 Secunden beschränkt werden. Es entstand daher die Frage, ob die Resultate alsdann noch genügende Sicherheit behielten, oder wie grofs ihr wahrscheinlicher Fehler sei. Ich be- stimmte den letztern durch directe Messung, nachdem das Wasser lange Zeit hindurch im Zimmer gestanden hatte, und eine Änderung der Temperatur während dieser Versuche nicht mehr eintreten konnte. Es ist jedoch nöthig vorher einiger Vorsichtsmaafsregeln zu erwähnen, deren Berücksichtigung von wesentlichem Einflusse ist. Zunächst darf man das Gefäfs nicht frei in der Hand halten, während es vorgeschoben und zurückgezogen wird, weil es in der Zwischenzeit leicht unwillkürlich gehoben und gesenkt werden könnte. Geschähe dieses aber, und würde das Gefäfs etwa um einen Zoll gehoben; so würde man nicht nur die Wassermasse auffangen, die während der Beobachtungszeit ausge- flossen ist, sondern diese würde noch vermehrt durch den Inhalt des Strahls von 1 Zoll Länge. Wie geringfügig letzterer auch erscheinen mag, so giebt er bei der Genauigkeit der Messung sich dennoch schon sehr merklich zu er- kennen. Es ist daher nothwendig, das Gefäfs auf eine horizontale Platte zu stellen, und es auf dieser nur zu verschieben. Man erreicht dadurch noch den Vortheil, dafs man in der Zwischenzeit mit Bequemlichkeit das Thermo- meter ablesen kann. Um ein starkes Spritzen des Wassers zu vermeiden, wodurch die Ge- nauigkeit der Messung offenbar leiden würde, mufs diese Platte sich in sol- 30 Hasen über den Einflufs der Temperatur cher Höhe befinden, dafs das Gefäfs möglichst nahe unter der Ausflufs-Öff- nung steht, und nur so eben, ohne sie zu berühren, unter ihr hindurch ge- schoben werden kann. Das Vor- und Zurückschieben des Gefäfses erfolgt nach dem Pendel- schlage einer daneben stehenden Uhr. Um dem Schlage genau zu folgen, fing ich schon 5 Secunden vorher zu zählen an, und mit der fünften Secunde schob ich das Gefäfs, das ich bereits gefafst hatte, vor oder zurück. Bei bei- den Bewegungen mufste aber die möglichste Übereinstimmung stattfinden, und um diese zu erreichen, durfte der Weg, den der Rand des Gefäfses machte, bis er den Strahl erreichte, nicht verschiedene Länge haben. Ich stellte daher, ehe jede dieser Bewegungen erfolgte, das Gefäfs so, dafs der Abstand des Randes vom Strahle ungefähr einen halben Zoll betrug, in die- ser Entfernung fiel also vor dem Beginne der Beobachtung der Strahl aus- wärts, und vor dem Schlusse derselben binnenwärts nieder, und in beiden Fällen durfte man annehmen, dafs der Rand, sobald ich das Gefäfs verschob, in gleicher Zeit diesen kleinen Weg zurücklegte und den Strahl durchschnitt. Dafs das Gefäfs vor jeder Beobachtung von innen, und ehe es mit seinem Inhalte gewogen wurde, auch von aufsen trocken abgewischt werden mulfste, bedarf kaum der Erwähnung. | Die versuchsweise angestellten Beobachtungen zur Bestimmung des wahrscheinlichen Fehlers dieser Messung sind folgende: Beim Wasserstande von 4 Zoll unter dem obern Rande des Reservoirs flossen in fünf Versuchen und zwar jedesmal während 20 Secunden ab 37,56 — 38,53 — 38,44 — 38,60 und 38,63 also durchschnittlich 38,35 Loth. Hieraus ergiebt sich der wahrscheinliche Fehler der einzelnen Messung gleich 0,303 Loth, der einem Fehler in der Zeit von 0,158 Secunden entspricht. Bei dem Wasserstande von 8 Zoll unter dem Rande des Reservoirs flossen in 30 Secunden aus 39,30 — 39,11 — 39,31 — 39,61 und 39,39 Loth, also im Mittel 39,344 und der wahrscheinliche Fehler ist 0,122 Loth oder 0,093 Secunden. Bei dem Wasserstande von 10 Zoll flossen in 40 Secunden aus: 30,69 — 30,89 — 30,85 — 30,90 und 30,95 auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 31 also im Mittel 30,896 Loth. Daher der wahrscheinliche Fehler 0,024 Loth oder 0,031 Secunden. Endlich bei einem Wasserstande von 11 Zoll unter dem obern Rande flossen in 60 Secunden aus: 21,36 — 2,24 — 21,19 — 21,38 und 21,23 also im Mittel 21,26 Loth. Der wahrscheinliche Fehler der einzelnen Mes- sung beträgt 0,0407 Loth oder 0,115 Secunden. Der wahrscheinliche Fehler in der Dauer jeder Beobachtungszeit ist daher nach diesen directen Messungen durchschnittlich gleich 0,099 oder er beträgt nahe ein Zehntel Secunde. Er setzt sich aber zusammen aus den bei- den Fehlern beim Vorschieben und Zurückziehn des Gefäfses und die wahr- scheinliche Gröfse jedes derselben beträgt nur 0,070 oder den vierzehnten Theil einer Secunde. Wenn demnach die Beobachtungszeit auch, wie im ersten dieser Ver- suche, auf 20 Secunden beschränkt wird; so darf man doch voraussetzen, dafs das Resultat noch bis auf ein halbes Procent richtig ist. Dieses schien mir vollständig zu genügen, und ich nahm daher keinen Anstand, in einzel- nen Fällen die Messung auf solche kurze Zeit zu beschränken, während sie durchschnittlich 1 Minute und bei schwachem Zuflusse sogar 2 Minuten betrug. Beim Auffangen des heifsen Wassers tritt der Übelstand ein, dafs dieses stark verdampft, und die Masse desselben sich daher beim Abwie- gen etwas geringer herausstellt, als sie beim Durchgange durch die Röhre war. Wenn ich ein Gefäfs mit heifsem Wasser wog, und das Abwiegen nach einigen Minuten wiederholte, so war jedesmal eine Differenz von einigen Hunderttheilen und selbst von Zehntheilen des Lothes bemerkbar. Zum Theil kann man die hieraus hervorgehende Unrichtigkeit der Messung nicht umgehn, weil während der Dauer der eigentlichen Beobachtung das Verdam- pfen nicht verhindert werden kann. Sobald aber das Gefäfs zurückgezogen war, schlofs ich es sogleich mit einem Deckel, und stellte es in kaltes Was- ser. Der Deckel wurde aber erst nach dem Abwiegen gelöst und sonach wurde auch der Dampf, der sich daran niedergeschlagen hatte, bei der Be- stimmung des Gewichts vollkommen berücksichtigt. Die Wassermenge, welche bei Anwendung dieser Vorsicht noch entweicht, ist selbst bei höhern Temperaturen gewifs sehr unbedeutend, während die Messungen in der Nähe 32 Hasen über den Einflufs der Temperatur des Siedepunktes schon aus andern Gründen sehr unsicher werden. Es er- giebt sich indessen, dafs dieser unvermeidliche Fehler die ausströmende Was- sermenge jedesmal geringer erscheinen läfst, als sie wirklich ist, und sonach bei hohen Temperaturen die Geschwindigkeiten wirklich noch mehr wach- sen, als die folgenden Resultate ergeben. Es gelang mir nicht, die Gröfse des Fehlers auch nur annähernd zu schätzen, doch mufs ich erwähnen, dafs die Dampfmassen, die ich während der kurzen Beobachtungszeiten auf star- ken Metallplatten auffing, so unbedeutend waren, dafs der ganze Verlust kei- nen wesentlichen Einflufs auf die gefundenen Resultate zu haben scheint. Bei Anwendung der beschriebenen Beobachtungsart wird nicht un- mittelbar das Volum des ausfliefsenden Wassers gemessen, vielmehr kann dasselbe mit hinreichender Schärfe nur aus dem Gewichte bestimmt werden, und um diese Reduction vorzunehmen, mufs man die Ausdehnung oder die Veränderung des specifischen Gewichtes des Wassers bei den ver- schiedenen Temperaturen kennen. Dieser Gegenstand ist häufig nä- her untersucht worden, jedoch vorzugsweise nur in Bezug auf destillirtes Wasser, das ich zu den vorliegenden Messungen nicht füglich benutzen konnte. Ich war gezwungen, bei allen Beobachtungen Brunnenwasser, und zwar aus einem nahestehenden Brunnen, zu verwenden, daher entstand die Frage, in welcher Weise sich dieses Wasser bei verschiedenen Temperaturen ausdehnt. Demnächst scheinen auch die Abwiegungen des destillirten Was- sers bisher noch zu keinem befriedigenden Resultate geführt zu haben. Am zuverlässigsten sind die Beobachtungen von Hällström, die in der That für mäfsige Temperaturen sehr befriedigend unter sich übereinstimmen, aber die Formeln, die Hällström in der letzten Untersuchung über diesen Ge- genstand (Poggendorffs Annalen Band 110 oder Band 34 der neuen Folge, Seite 220 ff.) mittheilt, erregen in sofern Verdacht, als bei der Temperatur von 30 Graden Celsius das Gesetz sich ändern soll. Indem die Ursache einer solchen plötzlichen Änderung ganz unbekannt ist, so begründet sich die Ver- muthung, dafs die gewählte Form des Ausdrucks nicht die richtige ist, und daher nur innerhalb gewisser nahe liegender Grenzen unter Beibehaltung derselben Constanten die Beobachtungen genau genug daran angeschlossen werden können. Ich stellte mir demnach die Aufgabe, für dasjenige Brunnenwasser, welches ich bei meinen Beobachtungen benutzte, die specifischen Gewichte auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 33 bei den verschiedenen Wärmegraden möglichst genau zu bestimmen, so dafs ich in allen Fällen mit hinreichender Sicherheit den Rauminhalt aus dem Gewichte leicht berechnen könnte. Zunächst versuchte ich die Abwiegung mittelst eines Aräometers, das etwa 5,8 Rheinländ. Cubikzolle Wasser verdrängte: die Messungen befrie- digten indessen nicht, da es unmöglich war, die Eintauchung des Glasstieles mit hinreichender Genauigkeit zu beobachten. Ich stellte daher einen andern Apparat zusammen, der mit demjenigen, den Hällström benutzt hatte, sehr genau übereinstimmte. Das zu untersuchende Wasser befand sich in einem Gefäfse aus dün- nem Bleche, von elliptischem Querschnitte. Zu beiden Seiten der darin schwebenden Glaskugel befanden sich Thermometer, deren Kugeln in der- selben Höhe gehalten wurden, in welcher der Mittelpunkt der ersten Kugel sich befand. Dieses Gefäfs wurde im Abstande von nahe einem Zolle von einem zweiten Gefäfse umschlossen, das aus demselben Material bestand und dieselbe Form hatte. Der Zwischenraum zwischen beiden war mit Wasser gefüllt, und dieses wurde entweder durch eine darunter stehende Lampe erwärmt, oder durch die umgebende Luft, auch wohl durch zugeleitetes kal- tes Wasser und selbst durch eingeschüttetes gestofsenes Eis abgekühlt. Die Glaskugel, die etwa 24- Zoll im Durchmesser hielt, hing an einem feinen Stahldrahte, von dem 3 Fufs nur 0,166 Gramme wogen. Der Durch- messer des Drahtes mafs daher nicht mehr, als 0,0775 oder nahe den drei- zehnten Theil einer Linie. Hieraus ergiebt sich, dafs wenn der Wasserstand im Gefäfse sich auch um eine volle Linie verändert hätte (was jedoch nie der Fall war) oder wenn der Draht um diese Länge mehr oder weniger tief ein- getaucht wäre, der Fehler in der Bestimmung des Gewichts nur 0,0004 Gramme betragen würde. Die Wage, deren ich mich bediente, gab bei der Belastung während dieser Messung 5 daher durften die geringen Änderungen des Wasserstandes von einer hal- en nur die ganzen Milligramme mit Sicherheit an, ben Linie, die in der That nicht zu vermeiden waren, ganz unbeachtet blei- ben. Damit jedoch die Änderungen in der Eintauchung des Drahtes nicht gar zu grofs würden, befestigte ich an demselben in einiger Höhe über dem Wasserspiegel ein kleines Stückchen Messingdraht und war stets darauf aufmerksam, dafs dieses, sobald die Wage einspielte, nahe in derselben Höhe über dem Wasser schwebte. Math. Kl. 1854. E 34 Hagen über den Einflufs der Temperatur Der erwähnte Stahldraht war an den Bügel des Wagebalkens befe- stigt, worin gewöhnlich die eine Schale hing, die ich jedoch bei diesen Ver- suchen ausgehoben hatte, um die Wage möglichst wenig zu belasten. Die Wage, deren Balken 11 Zoll lang war, gab, wie schon erwähnt, nur die gan- zen Milligramme mit Sicherheit an, während ein halbes Milligramm den Stand der Zunge so wenig veränderte, dafs die Abweichung sich nur zuwei- len noch erkennen liefs. Um den Einflufs der Wärme des darunter stehen- den Wassers auf den Wagbalken möglichst zu beseitigen, stellte ich die Wage 44- Fufs höher, oder diese Länge erhielt der Draht, woran die Kugel hing. Der Tisch, auf dem die Wage stand, war durchbohrt und die Tischplatte verhinderte die Verbreitung der Wärme. In der Nähe des Gefrierpunktes, wo das specifische Gewicht des Was- sers sich nur wenig verändert, mufste durch versuchsweises Auflegen und Abheben von Gewichten das Gleichgewicht dargestellt werden. Bei höhern Temperaturen war die Beobachtung aber viel bequemer und sicherer, wenn ich das Gegengewicht so weit vergröfserte oder verminderte, dafs die Zunge stark überwich, und ich das Wasser langsam abkühlte oder erwärmte, bis die Zunge wieder einspielte, und alsdann die Thermometer ablas. Die Messun- gen wurden zuerst bei steigenden und hierauf bei fallenden Temperaturen angestellt. Indem ich beidemale dieselben Gegengewichte benutzte, so ge- langte ich in vielen Fällen zu genau übereinstimmenden Resultaten, während die Differenzen gewöhnlich 1 bis 2 Zehntheile eines Reaumurschen Grades betrugen. Aus diesen zusammengehörigen Beobachtungen, die bei den Tem- peraturen von mehr als 12 Graden gemacht wurden, habe ich für die fol- gende Rechnung sogleich die mittleren Werthe dargestellt, während bei den niedrigern Temperaturen zwei und drei und einmal selbst vier Beobachtun- gen, die sich nahe auf denselben Wärmegrad bezogen, zusammengefafst und dafür die mittleren Werthe gewählt wurden. Bei diesen Versuchen konnte ich die Erwärmung des Wassers nicht weiter, als bis auf 73 Grad Reaumur treiben, weil später das Ansetzen der Luftbläschen auf der Kugel zu schnell erfolgte, und keine sichere Messung mehr möglich war. Derselbe Umstand verursachte auch schon früher grofse Schwierigkeit, und namentlich bei höhern Temperaturen mufsten viele Be- obachtungen, die sehr abweichende Resultate und zwar jedesmal zu kleine Gewichte ergaben, deshalb verworfen und durch andere ersetzt werden. Ich auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 35 glaubte mich aber berechtigt in diesem Falle von der allgemeinen und sehr begründeten Regel, dafs man keine Beobachtung ausschliefsen müsse, abwei- chen zu dürfen, weil die Ursache des Fehlers ganz augenscheinlich war. Die Luftbläschen liefsen sich sehr leicht beseitigen, indem die Kugel nur so eben aus dem Wasser ausgehoben werden durfte. Nachdem sie unmittelbar dar- auf wieder versenkt wurde, war sie etwas schwerer geworden. Liefs ich sie aber etwa 10 Minuten lang in dem warmen Wasser hängen, so konnte ich die Blasen, die sich auf ihr angesetzt hatten, schon sehr deutlich sehen und ihr Gewicht hatte sich stark vermindert. Ich mufs erwähnen, dafs ich die- ses Absetzen der Blasen in gleichem Maafse wie früher, auch noch bemerkte, nachdem das Wasser längere Zeit hindurch im Kochen erhalten war. Bei Vergleichung der in dieser Weise gefundenen Resultate konnte die Einführung einer Hypothese über die Ausdehnung des Glases nicht um- gangen werden. Hällström hat aus Beobachtungen gefunden, dafs diese Ausdehnung nicht gleichmäfsig ist, vielmehr bei höheren Temperaturen die Verlängerung, welche derselben Wärme-Zunahme entspricht, grölser ist, als bei niedrigen Temperaturen. Andere Physiker haben die Richtigkeit dieses Resultates in Zweifel gezogen. Indem ich die Untersuchung auf diesen Ge- genstand nicht ausdehnen mochte, so entschlofs ich mich die einfachere Vor- aussetzung einzuführen, dafs das Glas bei zunehmender Erwärmung sich gleichmäfsig ausdehnt. Sollte diese Annahme unrichtig sein; so können die gefundenen Resultate nur soweit einer Berichtigung bedürfen, als sie sich auf die niedrigen Temperaturen beziehn. Schon bei 20° R. vergröfsert sich das Volum des Wassers bei zunehmender Erwärmung zehnmal stärker, als das des Glases, und man kann daher die Ausdehnung des ersteren viel ge- nauer bestimmen, als die des letztern bekannt ist. Ich nahm an, dafs das Glas bei der Erwärmung vom Gefrierpunkte bis zum Siedepunkte sich lineär um 0,00089 oder dem Volumen nach um 0,00267 ausdehne. Das Preufsische Pfund soll nach der Maafs- und Gewicht-Ordnung von 1516 mit dem Gewichte des sechs und sechszigsten Theiles eines Cubik- fufses destillirten Wassers übereinstimmen, und zwar wenn dieser bei der Temperatur von 15° Reaum. im luftleeren Raume gewogen wird. Das specifische Gewicht der atmosphärischen Luft ist nach der gewöhnlichen Annahme bei der Temperatur des Gefrierpunktes gleich -1;, bis zum Siedepunkte dehnt sich E2 36 Hasen über den Einflufs der Temperatur aber die Luft um 0,37 des Raumes aus, den sie bei 0 Graden einnahm. Hier- nach wiegt der Cubikfufs Luft bei 15 Graden 0,07968 Pfund, oder der Cubikfufs destillirten Wassers bei dieser Temperatur in der Luft nur 65,92032 Pfund. Indem jedoch auch die Gewichte, die aus Messing bestehen, in der Luft leichter sind, als im luftleeren Raume, so wiegt der Cubikfufs Wasser an der Luft 65,93028 Pfund, oder der Cubikzoll 1,22093 Loth. Die Glaskugel nebst einem Stückchen des erwähnten Drahtes, das ebenso lang war, als der eingetauchte Theil des später daran befestigten Drah- tes, wog bei 15° an der Luft 13,5530 Loth in destillirtem Wasser 4,5488 Loth. Ihr Gewichts - Verlust beim Eintauchen in dieses Wasser beträgt daher 9,0042 Loth, oder ihr Volum ist bei der Temperatur von 15 Graden gleich 7,3748 Cubikzoll. Unter Einführung der obigen Hypothese über die Ausdehnung des Glases, wobei das hiervon verschiedene Verhalten der sehr kleinen Stahl- masse nicht weiter berücksichtigt ist, findet man das Volum des eintauchen- den Theiles des Apparates bei der Temperatur von r Graden Reaum. gleich 7,37111 (1 -+ 0,0000333. 7) Indem auf diese Weise das Volum des verdrängten Wassers für jede beliebige Temperatur gefunden werden konnte, und die Beobachtungen das Gewicht desselben bei den verschiedenen Wärmegraden unmittelbar ergaben, so war es leicht, die Dichtigkeit des untersuchten Brunnenwassers, oder worauf es bei allen ferneren Messungen vorzugsweise ankam, den Raumin- halt eines Lothes dieses Wassers bei den verschiedenen Temperaturen zu ermitteln. Diesen Rauminhalt nenne ich G, und ich berechnete denselben aus den einzelnen Beobachtungen. Von letzteren zog ich jedoch, wie bereits erwähnt, diejenigen zusammen, die sich nahe auf dieselbe Temperatur bezo- gen. Diese Resultate sind in der zweiten und dritten Spalte der Tabelle zu- sammengestellt. Die erste Spalte giebt die Anzahl der einzelnen Beobach- tungen an, woraus die angegebenen Werthe von r und G als Mittelwerthe - auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 37 hergeleitet sind. Die beiden letzten Spalten beziehn sich auf die Verglei- chung mit einer Rechnung, von der im Folgenden die Rede sein wird. Zusammenstellung der Beobachtungen über das Gewicht des Brunnenwassers bei verschiedenen Temperaturen. Anzahl der Temperatur. 4 Loth hält berechnete Differenz. Beobachtungen Grade R. Cubikzolle Fa EEE Grade 2 0,3 | 0,81714 2 1,0 0,81714 3 1,93 0,81712 1 3,0 0,8171 1 a RR 5,3 os | 504 | — 086 4 9,45 0,81752 9,32 sa | 92 | 018 — 0,13 3 11,7 0,81788 11,87 + 0,17 2 er 12,75 0,81806 | 12,96 | + 0,21 1 15,0 0,81846 15,11 + 0,11 2 Jaabauı\ ahssag,aeb ıleyo; 17,4 0,81884 | 16,91 siosa | 1691 | Zoom — 0,49 3 19 38 ur es 10110,81935 19,08 — 0,42 1 21,0 0,81981 a | a | Zum 20,87 — 0,13 2 22,6 0,82032 22,70 + 0,10 2 24,2 0,82083 | 2441 + 0,21 3 ER RT 26,7 | 0,82153 153 | 2061 | 000 26,61 | — 0,09 2 28,5 0,82220 | 28,57 + 0,07 2 29,9 0,82271 30,00 + 0,10 3 31,4 :|2]|2 0,82343 31,92 ale [Ei + 0,52 2 34,4 0,82441 34,39 — 0,01 2 36,35 | 0,82525 36,39 25 | 360 | +00 + 0,04 1 38,6 0,82626 38,69 + 0,09 3 41,6 0,82761 41,60 0 2 44,05 0,82895 44,33 + 0,28 1 45,4 0,82962 45,65 + 0,25 2 | 47,4 | 0,83064 00 | ar, 47,61 | + 021 2 49,8 ' 0,83198 198 | 50, 50,06 + 0,26 3 54,2 0,83436 54,21 + 0,01 2 | 56,35 | 0,83571 | 56,47 + 012 2 58,3 | 0,83674 58,14 — 0,16 2 | 05 | 0,83810 cs | — 02 2 62,65 0,8946 | 62,38 336 | 2 | — 0,27 1} 65,0 0,84116 64,90 — 0,10 2 | 66,95 0,84253 66,90 — 0,05 2 68,9 0,84390 68,84 — 0,06 2 | _ 5 | os | 705 | 090 1 | 72,8 0,81666 | 72,63 Dia: Sn 38 Hasen über den Einflufs der Temperatur Indem ich in gehörig grofser Zeichnung die Temperatur -Grade als Abscissen, die zugehörigen Volumina eines Lothes Wasser aber als Ordina- ten auftrug, so bildete sich eine sehr regelmäfsige Curve, die einer halben Parabel ziemlich ähnlich zu sein schien, deren Axe in diejenige Temperatur fallen mulste, welche der stärksten Verdichtung des Wassers entsprach. Ein plötzlicher Übergang aus einer Curve in eine andere, wie Hällström bei 30° C. oder 24° R. angenommen hat, war nirgend zu bemerken, nur stellten die geringen Unterschiede der Ordinaten in der Nähe des Gefrierpunktes sich nicht regelmäfsig dar, und überhaupt waren die Beobachtungen hier auch am wenigsten sicher gewesen. Der Versuch, die Form der gewöhnlichen Parabel einzuführen, mifs- glückte, als ich dagegen den Exponent der Abscisse als unbekannte Gröfse einführte, und denselben aus sechs gleichmäfsig vertheilten Beobachtun- gen nach der Methode der kleinsten Quadrate berechnete, so fand ich den- selben = 1,743. Da diese Beobachtungen den ganzen Zug der Curve um- fafsten, so schien es mir angemessen, den Exponent nur so weit zu verän- dern, dafs er in einfachem Verhältnisse zur Einheit stand, ich setzte ihn also gleich 1,75 oder 7. Die beiden Coordinaten des Scheitelpunktes bestimmte ich alsdann aus allen Beobachtungen, die entschieden zu Temperaturen ge- hörten, die gröfser waren, als die der stärksten Verdichtung. Die vier ersten Beobachtungen der vorstehenden Tabelle blieben daher unberücksichtigt, alle übrigen wurden dagegen gleichmäfsig benutzt, um die wahrscheinlichsten Werthe der beiden Coordinate des Scheitelpunktes zu finden. Bezeichne ich diese mit x und y, nämlich x die Temperatur der gröfsten Verdichtung und y das zugehörige Volum eines Lothes Wasser, so war die Form des Ausdrucks, wenn r und @ die obige Bedeutung behalten, und n eine Con- stante ist, (7 _ a (G —y) Durch Einführung der Zahlenwerthe, welche die Rechnung ergab, verändert sich dieser Ausdruck in B (T — 3,030) ° = 56691 (G — 0,81708) Aus dem durch die Beobachtungen gegebenen Werthe von G berech- nete ich nach dieser Formel die zugehörigen Temperaturen r. Diese sind in der vorstehenden Tabelle in der vierten Spalte angegeben, und die fünfte auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 39 Spalte enthält die Unterschiede derselben von den beobachteten Temperatu- ren. Die Summen der Quadrate der Abweichungen ist 1,423, daher bei den dreifsig Beobachtungen der wahrscheinliche Fehler 0,1469 oder nahe 4 Grad. Die stärksten Differenzen, die jedoch nur zweimal vorkommen, betragen einen halben Grad. Diese Übereinstimmung schien mir voliständig der ge- wählten Beobachtungsart zu entsprechen, da die Zehntheile der Thermome- ter-Grade nur geschätzt wurden. Vergleicht man diesen Ausdruck mit dem von Hällström angegebe- nen, so ist er der Form nach bedeutend einfacher, und obwohl beide die- selbe Anzahl von Constanten enthalten, so führt er dennoch zu einer leich- teren Rechnung. Der wesentlichste Vorzug besteht aber darin, dafs er das Gesetz der Ausdehnung des Wassers bis nahe an den Siedepunkt, nämlich so weit die Beobachtungen reichen, umfafst, ohne dafs die Constanten ver- ändert werden dürfen. Für diejenigen Temperaturen, welche kleiner, als 3,03 Grade sind, stellen sich freilich unmögliche Werthe für G dar, aber gerade hier fallen nach allen Beobachtungen die Resultate so unregelmäfsig aus, dafs wohl keine Formel dieselben genügend darstellen möchte. Die stärkste Verdichtung fällt in 3,03 R. oder 3,79 C. während man gemeinhin dafür 4,0 C. oder 3,2 R. anzunehmen pflegt. Da der wahrschein- liche Fehler in der Bestimmung des ersten Werthes nur 0,0535 Grade be- trägt, so darf man nicht füglich voraussetzen, dafs der letzte Werth auch im vorliegenden Falle der richtige sei, vielmehr dürfte sich die Annahme recht- fertigen, dafs das Brunnenwasser, welches ich untersuchte, bei einer niedri- geren Temperatur, als das destillirte Wasser, sich am stärksten verdichtet. Aus dem vorstehenden Ausdrucke findet man das Volum eines Lothes Wasser, oder T — 3,030)% Dee Um diese Berechnung, welche in den spätern Untersuchungen sich mehr als tausendmal wiederholte, nicht immer von Neuem anstellen zu dürfen, so bearbeitete ich gleich eine vollständige Tabelle, die für jeden einzelnen Grad von 3° bis 80 Grad die Werthe von G@ und deren Logarithmen angab. Ich setzte dieselbe unter Annahme eines einfachen Gesetzes für die vier ersten Beobachtungen auch bis zum Gefrierpunkte fort, da mehrere Messungen bei sehr niedrigen Temperaturen gemacht wurden. Eine Mittheilung dieser + 0,51708 40 Hasen über den Einflufs der Temperatur Tabelle dürfte jedoch ohne Interesse sein, da sie nur für dasjenige Wasser gilt, welches ich benutzte. Ein sehr wichtiger Theil des Apparates sind die Röhren, in welchen die Bewegung des Wassers beobachtet wurde. Es kam theils darauf an, sie möglichst regelmäfsig in cylindrischer Form darzustellen, theils auch ihren Querschnitt sehr genau zu ermitteln. Eine grofse Offnung durften sie nicht haben, weil sonst zu bedeutende (Quantitäten Wasser von den hohen Tem- peraturen erforderlich gewesen wären, als dafs ich dieselben leicht hätte be- schaffen können. Aufserdem vermuthete ich auch, wie sich später wirklich bestätigte, dafs gerade an den engen Röhren die Eigenthümlichkeiten der Bewegung sich am auffallendsten darstellen. Die Weiten betrugen aus die- sem Grunde nur 11 bis 2} Linien. Es wurden drei Röhren benutzt, die aus zusammengelöthetem Messingbleche über Stahldrähten gezogen waren. Ich hatte dieselbe schon früher benutzt, da ich jedoch zweifelhaft war, ob ihre Öffnungen wirklich gehörig eylindrisch seien, so liefs ich sie noch sorgfältig ausschleifen. Hierdurch stellte sich für jede eine so gleichmäfsige Weite dar, dafs ein Messingkolben von angemessener Stärke beim Durchziehn an allen Stellen einen gleichen Widerstand erkennen liefs. An einem Ende war jede Röhre in eine Platte gelöthet, die mit Schraubengewinden versehen war. Mit Hülfe einer schwachen Liederung liefsen sie sich daher leicht und was- serdicht an das Reservoir befestigen. Der Versuch, die Röhren abwechselnd auch senkrecht anzubringen, mifsglückte, weil alsdann zu grofse Wassermen- gen abgeführt, oder die Beobachtung auf zu kurze Zeit beschränkt wurde. Die Röhren erhielten daher in allen Beobachtungen, die den folgenden Rech- nungen zum Grunde gelegt sind, eine nahe horizontale Lage, und es wurde grofse Sorgfalt darauf verwendet, die Röhren fest zu unterstützen und die Niveau-Differenz zwischen ihrer Ausflufs-Offnung und dem Rande des Re- servoirs genau zu messen. Das Reservoir selbst war auf eine starke Messing- platte gelöthet, die von drei Fufsschrauben getragen wurde. Letztere ruhten aber in entsprechenden Vertiefungen einer schweren Bleischeibe. Hierdurch erhielt der Apparat eine so feste Aufstellung, dafs er selbst bei zufälligen Erschütterungen während des Anfüllens nicht verändert wurde. Vor der Ausmündung der Röhre befand sich endlich die bereits beschriebene Vor- richtung zum Auffangen des ausströmenden Wassers. Um während der Fül- lung den Abflufs zu unterbrechen, wurde die Mündung der Röhre nach auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 4 jedem Versuche mit einem Korkstöpsel geschlossen, der vor dem Beginne des neuen Versuches geöffnet wurde. Es mufs bemerkt werden, dafs nach- dem Letzteres geschehn, jedesmal wenigstens eine halbe Minute verstrich, ehe das Gefäls zum Auffangen des Wassers untergeschoben wurde, und so- nach die Röhre, sobald dieses geschah, schon die Temperatur des Wassers angenommen hatte, wie sich durch das Gefühl erkennen liefs. Die erwähnten Kolben boten schon ein Mittel, die Weiten der Röh- ren wenigstens aunähernd zu bestimmen. Ich theile die Resultate dieser er- sten, mit einem mikrometrischen Apparate angestellten Messungen mit, in- dem ich die Röhren der Kürze wegen mit den Buchstaben A, B und (’ be- zeichne. Radius der Röhre A... 0,0539 Zolle Be: re OTIIHN- Eine gröfsere Genauigkeit erreichte ich dadurch, dafs ich die Röhren abwechselnd mit Wasser anfüllte und rein austrocknete, und sie jedesmal an einer empfindlichen Wage wog. Die Füllung geschah durch Ansaugen, da- mit die Luft vollständig entfernt würde, und da hierauf die untere Öffnung unter Wasser durch einen Kork geschlossen wurde, so mufste jedesmal noch durch eine besondere Messung bestimmt werden, wie weit der Kork in der Röhre. steckte. Überhaupt machte diese Messung verschiedene Vorsichts- maafsregeln nöthig, die jedoch endlich zu einer grofsen Übereinstimmung führten. Nach dreimaliger Wiederholung fand ich die folgenden Mittelwer- the und zwar bei der Temperatur von 15 Graden. Radius der Röhre A... 0,053844 Zolle B.... 05077394 ©- ee Diese Bestimmungen sind allen folgenden Rechnungen zum Grunde gelegt. Die Längen der Röhren bei derselben Temperatur waren A... 18,092 Zolle B... 41,650 - E93 %808 - Für die Ausdehnung des Messings wurde angenommen, dafs das- selbe sich von dem Gefrierpunkte bis zum Siedepunkte um 0,00189 und zwar gleichmässig verlängert. Unter dieser Voraussetzung berechnete ich wieder Math. Kl. 1854. F 42 Hasen über den Einflufs der Temperatur eine Tabelle, die von 5 zu 5 Graden die Logarithmen der Radien, der Quer- schnitte und der Längen angab. Im Allgemeinen stellten sich die Unter- schiede so geringfügig heraus, dafs sie ohne wesentlichen Nachtheil auch hät- ten vernachlässigt werden können, nichts desto weniger schien es angemessen, jede Correetion einzuführen, welche zur gröfsern Sicherheit der Resultate beitragen konnte. 2. Zusammenstellung der Beobachtungen. Jede einzelne Beobachtung ergab das Gewicht des Wassers, das unter einem bestimmten Drucke und bei einer bestimmten Temperatur in einer ge- wissen Zeit durch die Röhre abflofs. Aus der erwähnten Tabelle, welche den cubischen Inhalt eines Lothes Wasser für jede Temperatur angab, konnte leicht die in einer Secunde ausfliefsende Masse, und zwar inCubikzollen ausgedrückt, gefunden werden. Wenn ich diese Masse durch den Querschnitt der Röhre bei derselben Temperatur dividirte, so erhielt ich die mittlere Geschwindig- keit. In dieser Art wurden zunächst die Beobachtungen redueirt. Die An- zahl derselben betrug im Ganzen über 2000, wovon jedoch etwa der dritte Theil nicht mit Anwendung des Speisegefäfses, sondern bei variabelm Niveau angestellt war, für welchen daher die Reduction in anderer Weise vorgenommen werden musste. Der gröfste Theil der Messungen mit con- stantem Niveau hatte indessen nicht diejenige Schärfe, welche bei dem Ap- parate und dem Verfahren, das sich nach und nach verbesserte, erreichbar war. Die Mängel, welche zunächst in beider Beziehung stattfanden, gaben sich erst bei der fortgesetzten Anwendung zu erkennen, und auf die vorste- hend erwähnten verschiedenen Vorsichtsmaafsregeln konnte ich nur nach und nach aufmerksam werden. Ich entschlofs mich daher, mit möglichster Vorsicht noch einmal alle Beobachtungsreihen zu wiederholen: dadurch ge- langte ich unbedingt zu richtigeren Resultaten, und diese theile ich nachste- hend allein mit. In den folgenden Rechnungen sind sie auch ausschliefslich benutzt, nur habe ich die Maxima und Minima der Geschwindigkeiten zum Theil durch die frühern viel vollständigern Messungen ergänzt. auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 43 A. Beobachtungen mit der engen Röhre. 1. Druckhöhe 11,08 Zoll. 2. Druckhöhe 8,08 Zoll. Temp. Geschw. Temp. Geschw. 33 Grade 2s,29 Zolle 3,4 Grade 21,79 Zolle 6,7 30,60 6,7 23.59 8.4 31,34 8,3 21,19 10,3 32,37 10,3 21,87 15,8 35,13 15,7 27,47 19,6 35,61 19,8 28.60 22,5 34,47 22,2 29,59 25,5 33,40 25,3 29,86 31,0 31,84 31,0 28.00 37,5 32,05 36,5 27,01 39,0 32,14 39,0 27,18 47,0 32,73 46,0 27,47 65,0 33,60 64,5 27,97 3. Druckhöhe 6,08 Zoll. 4. Druckhöhe 4,8 Zoll. Temp. Geschw. Temp. Geschw. 3,3 Grade 16,93 Zolle 3,4 Grade 11,86 Zolle 6,7 18,20 6,8 13,14 8,4 18,97 8,4 13,80 10,2 19,85 10,1 14,47 15,5 21,79 15,2 15,70 19,3 23,12 19,0 16,80 21,9 23,73 21,6 17,94 25,0 24,63 24,9 18.37 30,8 25,44 30,2 19.33 36,2 24,15 39,1 20,35 40,0 23,63 39,0 20,37 45,5 23,19 45,0 19,95 64,0 23,95 64,0 19,08 5. Druckhöhe 3,08 Zoll. 6. Druckhöhe 2,08 Zoll. Temp. Geschw. Temp. Geschw. 35 Grade 9,03 Zolle 3,7 Grade 5,95 Zolle 6,8 10,14 6,8 6,61 85 10,69 84 7,13 10,1 11,09 10,1 7,56 15,0 12,57 15,1 8,59 18,8 13,61 19,3 9,19 21,5 14,23 21,4 10,18 245 15,03 24,1 10,68 30,0 15,50 29,5 11,16 35,2 16,38 33,5 11,79 335 17,00 39,0 12,67 44,5 17,25 43,8 13.45 62,0 16,40 67,0 13,60 Hasen über den Einflufs der Temperatur 7. Druck höhe 1,58 Zoll. 8. Druckhöhe 1,08 Zoll. Temp. Geschw. Temp. Geschw. 3,8 Grade 4,57 Zolle 4,0 Grade 3,31 Zolle 6,85 4,94 6,7 3,55 84 5,21 85 3,26 10,1 5,15 10,0 3,43 15,0 6,51 14,5 4,03 19,0 7,28 18,6 4,46 21,2 7,60 21,0 4,98 23,8 8,20 23,5 5,53 29,0 8,76 29,0 5,91 33,0 9.32 33,0 6,36 38,0 9,94 37,0 7,00 43,8 10,54 43,0 7,53 64,0 12,26 62,0 9,81 B. Beobachtungen mit der mittleren Röhre. 1. Druckhöhe 11,48 Zoll. 2. Druckhöhe 8,48 Zoll. Temp. Geschw. Temp. Geschw. 3,2 Grade 26,75 Zolle 3,3 Grade 20,85 Zolle 4,3 27,09 4,4 21,53 7,0 29,60 7,9 23,30 7,9 29,79 11,3 25,12 11,2 28,81 13,5 25,17 13,9 27,53 14,0 25,15 14,1 27,44 18,2 23,83 18,6 26,54 23.4 22,64 23,6 26,61 29,2 22,82 30,0 26,99 38,2 23,25 39,0 27,47 48,6 23,75 49,5 28,28 51,2 23,72 53,8 27,97 3. Druckhöhe 648 Zoll. 4. Druckhöhe 4,48 Zoll. Temp. Geschw. Temp. Geschw. 3,3 Grade 16,65 Zolle 3,4 Grade 12,00 Zolle 4,4 17,25 4,5 12,45 7,0 18,48 7,0 13,51 7,9 18,77 7,9 13,76 11,2 20,28 11,2 14,99 13,4 20,91 13,3 15,54 14,0 21,34 13,8 15,78 18,2 21,32 18,0 16,88 23,2 20,10 23,0 17,88 29,0 19,78 28,5 17,08 37,7 20,01 37,2 16,41 47,3 20,32 46,3 16,55 63,0 20,85 49,6 16,54 auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 5. Druckhöhe 3,48 Zoll. 6. Druckhöhe 2,48 Zoll. Temp Geschw. Temp. Geschw. 3,4 Grade 9,61 Zolle 35 Grade 6,94 Zolle 4,6 10,01 4,6 7,23 7,0 10,75 7,0 7,86 7,8 11,02 7,8 8,03 11,1 12,03 11,1 8,87 13,2 12,42 13,1 9,33 13,7 12,81 13,7 9,51 17,8 13,63 18,0 10,27 22,8 15,11 22,9 11,49 28,3 15,70 28,8 12,63 36,5 14,70 37,0 13,12 45,8 14,42 45,0 12,34 49,4 14,31 58,9 12,04 7. Druckhöhe 1,48 Zoll. 8. Druckhöhe 0,9 Zoll. Temp. Geschw. Temp. Geschw. 3,6 Grade 4,08 Zolle 3,8 Grade 2,61 Zolle 4,6 4,21 4,6 2,44 7,0 4,88 7,0 3,39 7,8 4,69 7,8 2,97 10,8 5,23 13,1 3,57 13,1 5,61 17,5 4,07 13,4 5,71 21,8 4,69 17,8 6,49 27,3 5,59 22,5 7,24 35,2 6,35 28,1 821 36,0 9,30 43,5 8,82 56,5 9,56 C. Beobachtungen mit der weiten Röhre. 1. Druckhöhe 821 Zoll. 2. Druckhöhe 6,21 Zoll. Temp. Geschw. Temp. Geschw. 25 Grade 26,18 Zolle 2,6 Grade 23,85 Zoll. 2,6 26,45 4,0 23,47 4,0 26,36 6,3 22,88 6,2 26,60 11,0 23,07 11,1 26,86 12,1 22,85 12,2 27,27 15,7 23,17 16,0 27,39 18,9 23,45 19,1 27,31 21,2 23,69 21,5 27,62 21,3 23,77 21,8 27,94 25,8 24,02 22,2 27,78 27,6 23,99 26,2 28,14 32,0 24,32 28,2 28,28 42,0 25,03 32,5 28,57 67,0 26,01 52,5 29,46 67,0 30,72 DS 46 Hasen über den Einflufs der Temperatur 3. Druckhöhe 421 Zoll. 4. Druckhöhe 221 Zoll. Temp. Geschw. Temp. Geschw. 2,6 Grade 15,57 Zolle 27 Grade 11,40 Zolle 4,0 19,44 4,1 11,76 6,2 19,42 6,1 12,04 11,0 19,29 10,7 13,44 12,0 18,96 11,4 13,62 15,6 18,78 15,3 14,08 18,7 19,02 18,1 14,30 2ı,l 19,09 20,8 14.01 21,6 19,24 22,7 13,56 25,5 19,45 24,1 13,79 27,3 19,39 28,6 13,67 32,3 19,69 32,8 13,67 44,0 20,19 46,0 14,12 59,0 14,47 5. Druckhöhe 121 Zoll. 6. Druckhöhe 0,71 Zoll. Temp. Geschw. Temp. Geschw. 2,7 Grade 6,64 Zolle 2,8 Grade 3,92 Zolle 4,1 6,98 4,2 4,16 6,0 7,27 6,0 4,48 11,0 8,91 10,8 5,05 11,5 8,39 11,4 5,09 15,4 9,00 15,3 5,68 18,2 9,48 18,1 5,98 21,0 9,54 21,0 6,17 22,7 10,09 22,2 651 24,1 10,26 24,0 6,74 29,1 10,49 29,4 7,17 33,0 10,37 33,1 7,59 42,0 10,00 43,5 7,81 59,0 10,22 55,0 7,59 Aus der Vergleichung dieser Beobachtungen ergiebt sich augenschein- lich der grofse Einflufs der Temperatur auf die Beweglichkeit des Wassers und man bemerkt schon in diesen Zahlen die eigenthümliche Erscheinung, die ich oben andeutete. Letztere trilt indessen viel deutlicher hervor, wenn die Resultate der Beobachtungen graphisch dargestellt werden. Ich trug die Wärme-Grade als Abscissen und die zugehörigen Geschwindigkeiten als Or- dinaten auf, und verband die obern Endpunkte der letztern durch Curven, welche sich diesen Punkten möglichst anschlossen, ohne jedoch die kleinern Unregelmäfsigkeiten zu verfolgen, die offenbar nur von Beobachtungsfehlern herrührten. Fig. 4 zeigt diese Curven in kleinerem Maafsstabe, und zur Er- auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 47 klärung derselben mufs ich hinzufügen, dafs die Abweichungen der einzel- nen Geschwindigkeiten von den dargestellten Linien durchschnittlich nur ein Zehntel Zoll betragen, und der gröfste Fehler, der jedoch nur viermal sich wiederholt, ein halber Zoll ist. Augenscheinlich folgen diese sämtlichen Curven einem bestimmten Gesetze, das nicht nur die verschiedenen Temperaturen und Druckhöhen, sondern auch die Weiten der Röhren berücksichtigt, und darnach die Nei- gungen der beiden ziemlich geradlinigen Schenkel und die Lage der beiden Wendepunkte, oder der Maxima und Minima bestimmt. Die Aufsuchung dieses Gesetzes in seiner Allgemeinheit schien mir indessen so schwierig, dafs ich hiervon ganz abgestanden habe, und mich nur bemühte, die Bezie- hungen zu ermitteln, welche zwischen den gleichartigen Theilen der ver- schiedenen Curven und zwischen den einzelnen Punkten derselben Curve innerhalb dieser Grenzen stattfinden. Ich habe hiernach zunächst die ersten Schenkel untersucht, welche zu Temperaturen gehören, die niedriger sind, als diejenigen, wobei sich die Maxima der Geschwindigkeiten einstellen. So- dann habe ich diese Maxima und zugleich auch die Minima verglichen, und die Temperaturen zu ermitteln mich bemüht, bei welchen sie unter den ver- schiedenen Druckhöhen und in den verschiedenen Röhren eintreten. End- lich habe ich auch die hintern Schenkel der Curven, die jenseits der beiden Wendepunkte liegen und wieder geradlinigt zu sein scheinen, untersucht. Dieser letzte Theil der Curven ist insofern von besonderer Wichtigkeit, als die Geschwindigkeiten in allen gröfsern Röhrenleitungen in ihn fallen. Um zu ermitteln, in welcher Weise die Geschwindigkeit des Wassers von der Druckhöhe, von der Weite und Länge der Röhre, so wie von der Temperatur abhängt, habe ich diese verschiedenen Umstände zunächst von einander zu trennen gesucht. Ich machte daher den Anfang damit, dafs ich für einen bestimmten Wärmegrad und für dieselbe Röhre die Beziehung zwischen der Druckhöhe und der Geschwindigkeit aufzufinden mich be- mühte. Dasselbe Verfahren wurde sodann für die zweite und zuletzt für die dritte Röhre wiederholt. Die Vergleichung dieser drei Resultate ergab den Einflufs, welchen die Weite und Länge der Röhre auf jede der gefundenen Constanten ausübt, oder in welcher Potenz sie als Factoren (vielleicht auch auf andere Weise) eingeführt werden müssen. Dieser Theil der Untersu- chung bezieht sich nur auf den einen, beliebig gewählten Wärmegrad, der 48 Hagen über den Einflufs der Temperatur Einflufs der Temperatur giebt sich also daraus noch nicht zu erkennen, und um letztern zu ermitteln, mufs dieselbe Rechnung für andere Wärmegrade angestellt werden. Bei diesen Zusammenstellungen durften aber nicht ungleichartige Theile der Geschwin digkeits-Scalen mit einander verglichen werden, vielmehr waren nur immer diejenigen Beobachtungsreihen zu benutzen, bei welchen die gewählte Temperatur in denselben Schenkel der Curve fiel. Die Anzahl der gesuchten Constanten war meist viel geringer, als die der Beobachtun- gen oder Gleichungen, woher die Rechnungen nach den bekannten Metho- den der Wahrscheinlichkeits- Rechnung geführt sind. Ich hatte dabei den Vortheil, dafs die Übereinstimmung der berechneten Resultate mit den be- obachteten ein Urtheil über die Sicherheit der gefundenen Resultate begrün- dete. Ich werde ım Folgenden, so weit es von Interesse ist, die wahrschein- lichen Fehler der gefundenen Constanten mittheilen. Am schwierigsten war es, die Form zu finden, in welcher die Varia- beln am passendsten eingeführt werden sollten, und zuweilen sah ich mich sogar gezwungen, verschiedene Gleichungen zu versuchen und deren Wahl von der Summe der Quadrate der übrig bleibenden Fehler abhängig zu ma- chen. Nachdem hierüber jedoch nur für einen Wärmegrad entschieden war, so konnte kein Zweifel sein, dafs in allen ähnlichen Fällen dieselbe Form wieder gewählt werden dürfe. Aufserdem vereinfachte sich die Rechnung oft sehr bedeutend dadurch, dafs man aus andern Betrachtungen und Erfah- rungen die Form der Glieder errathen und selbst die Bestätigung dafür fin- den konnte, dafs der aus einzelnen Rechnungen ermittelte Werth der Con- stanten der richtige und allgemein gültige sei. Die Beobachtungen sind, wie sich aus der tabellarischen Zusammen- stellung ergiebt, nicht bei gleichen Temperaturen gemacht, vielmehr war der Wärmegrad durch äussere Umstände bedingt, und fiel in einer Reihe ganz anders, als in der andern aus. Hiernach konnte die zu einer gewissen Tem- peratur gehörige mittlere Geschwindigkeit nicht unmittelbar aus den Beob- achtungen entnommen werden, vielmehr war dazu die Anwendung eines ge- wissen Interpolations-Verfahrens nothwendig. Dieses gewährte den Vortheil, dafs nicht nur keine einzelne Beobachtung zum Grunde gelegt werden durfte, sondern auch die zunächst liegenden mitberücksichtigt werden konnten, also der Einflufs zufälliger grofser Beobachtungsfehler zum Theil vermieden auf die Bewegung des Wassers in Röhren. _ 49 wurde. Da jedoch das Gesetz, nach welchem die Geschwindigkeit mit der Temperatur zunimmt, noch unbekannt war, so war es schwer, die passende Rechnungsart dafür zu wählen, auch blieb es ungewils, wie viele Beobachtun- gen man bei diesem Interpoliren benutzen solle. Ich entschlofs mich daher statt durch Rechnung, die gesuchte Geschwindigkeit durch Zeichnung zu fin- den. In so grofsem Maafsstabe, dafs die zweite Decimale sich noch merkbar darstellte, trug ich die Beobachtungen durch Abeissen und Ördinaten auf, und bemühte mich alsdann eine gerade Linie oder, wenn es nöthig war, eine einfache Curve, zwischen den gegebenen Punkten so hindurchzuziehn, dafs sie sämmtlich möglichst nahe getroffen wurden, besonders aber dafs keiner derselben sehr weit von der Linie entfernt blieb. Dabei bin ich noch von der Ansicht ausgegangen, dafs es nach der befolgten Methode der Beobach- tung immer etwas wahrscheinlicher war, für die Geschwindigkeiten zu kleine, als zu grolse Werthe zu finden: namentlich aber schienen mir einzelne Be- obachtungen , welche vergleichungsweise zu den nächst liegenden, sehr ge- ringe Geschwindigkeiten ergaben, weniger Berücksichtigung zu verdienen, weil es sehr wahrscheinlich war, dafs bei denselben etwa Luftbläschen in der Röhre oder andere Umstände die volle Ergiebigkeit der Leitung verhindert hätten. Aus diesem Grunde sind die erwähnten Linien so gezogen, dafs bei auffallender Abweichung der einzelnen Beobachtungen mehr die gröfsern Werthe, als die kleineren beachtet sind. Das ganze Verfahren ist augen- scheinlich etwas willkürlich, bei der Unsicherheit der vorliegenden Messun- gen schien es indessen nicht nur zulässig, sondern sogar sicherer, als wenn ich in bekannter Art die gesuchten Werthe durch Interpolation ermittelt hätte. BE Untersuchung des ersten Schenkels der Geschwindigkeits- Scale. Zunächst wurden für den ersten Schenkel der Curve die Geschwin- digkeiten untersucht, die bei der Temperatur von 5 Graden sich dar- stellen. Das so eben beschriebene Verfahren ergab aus den einzelnen Beob- achtungsreihen die nachstehenden Geschwindigkeiten für diesen Wärmegrad, soweit derselbe in diesen Schenkel fällt. Die erste Spalte bezeichnet die Nummer der Beobachtungsreihe, die zweite die Druckhöhe oder A und die dritte die mittlere Geschwindigkeit, oder c. Math Kl. 1854. G 50 Hagen über den Einflufs der Temperatur Für die Röhre A. ı. A= 1108 c = 2945 2 8,08 22,70 3 6,08 17,54 4 4,08 12,47 5 3,08 9,56 6 2,08 6,25 7 1,58 4,70 8 1,08 3.15 Für die Röhre 2. 1 11,48 27,88 3 8,48 21,79 3. 6,48 17,47 4 4,48 12,64 5 3,48 10,12 6 2,48 733 7 1,18 4,30 8 0,98 2,62 Für die Röhre C. 3. 4,21 19,55 4. 221 11,99 5. 1,21 7,12 - 6. 0,71 4,27 Man bemerkt leicht, dafs für jede einzelne Röhre die Werthe von c annähernd denen von A proportional sind. Hiernach schien es angemessen, in dem Ausdrucke von 4 ein Glied anzunehmen, welches c in der ersten Po- tenz enthält. Aufserdem mufste ein zweites Glied die zweite Potenz der Ge- schwindigkeit enthalten, weil augenscheinlich der Druck oder die Druckhöhe nicht allein die Widerstände in der Röhre überwinden, sondern auch die Geschwindigkeit darstellen mufs, womit das Wasser die Röhre durchfliefst. Der hierauf verwendete Theil von A, den man die Geschwindigkeits- Höhe nennt, ist nach den allgemeinen mechanischen Gesetzen dem Qua- drate der Geschwindigkeit proportional. Aus der weiteren Betrachtung die- ses Gliedes wird sich aber ergeben, ob dasselbe wirklich nur die Geschwin- digkeitshöhe ausdrückt, oder ob vielleicht auch noch ein Theil der Wider- standshöhe darin liegt, das heifst, ob ein Theil des Widerstandes gleich- falls der zweiten Potenz der Geschwindigkeit proportional ist, wie Prony angenommen hat. Ich versuchte hiernach für jede einzelne Röhre den Ausdruck h —= sc tc” einzuführen, worin s und # constante Factoren sind. Diese Annahme befrie- digte indessen nicht, weil bei Berechnung der Werthe von A unter Zugrunde- auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 51 legung der wahrscheinlichsten Werthe der Constanten sehr merkliche Ab- weichungen von den gemessenen Druckhöhen sich zeigten und diese Abwei- chungen namentlich bei der engen Röhre, so wie in etwas minderem Grade auch bei der mittleren, sehr regelmäfsig ausfielen. Es ergab sich also, dafs die gewählte Form des Ausdrucks nicht die richtige sei. Viel vollständiger und sogar ganz zufriedenstellend schlossen sich dagegen die Beobachtungen an den Ausdruck khz=zr+sc—+ tc” an, wobei ein constantes, also von der Geschwindigkeit ganz unabhängiges Glied eingeführt wurde. Ich erhielt hiernach für die Röhre 4... r = 09,212 + 0,27257.c ++ 0,0033274. c” B...h = 0,171 + 0,28386. c -# 0,0043338. c” C...h = 0,079 + 0,13133.c ++ 0,0038730. c” Wenn ich aus diesen Formeln für die gegebenen Geschwindigkeiten die Druckhöhen berechnete, so fielen die Differenzen ganz unregelmäfsig und waren so geringe, dafs ich sie unbedingt als Beobachtungsfehler ansehn konnte. Die wahrscheinlichen Fehler von A waren nämlich nach dieser Probe bei der Röhre A... 0,0347 Zoll B ... 0,0360 - C .0,0013%b- Die geringe Gröfse des Fehlers für die weite Röhre ist offenbar nur ein zu- fälliges Resultat, da die Druckhöhen nicht so genau gemessen waren. Ich gehe nunmehr zur nähern Betrachtung und Vergleichung dieser Constanten über, die bei dem gewählten Wärmegrade am sichersten bestimmt werden konnten, insofern eines Theils die Anzahl der zum Grunde gelegten Beobachtungen gröfser ist, als bei jeder höhern Temperatur, aufserdem auch die einzelnen Beobachtungen jeder Reihe bei den niedrigen Temperaturen am besten unter einander übereinstimmen. Die erste Constante, deren wahrscheinliche Fehler für die drei Röhren gleich 0,039... 0,029 und 0,002 sind, läfst eine sehr einfache Beziehung zur Weite der Röhre erkennen, wäh- rend sie ganz unabhängig von deren Länge ist. Die Bedeutung dieses constanten Gliedes ist leicht zu errathen. Es zeigt, dafs bei gewissen geringen, aber doch noch sehr wahrnehmbaren, G2 32 Hasen über den Einflufs der Temperatur Druckhöhen die Bewegung aufhört, oder dafs der Wasserspiegel im Reser- voir nicht bis zum Niveau der Ausflufs-Offnung herabsinkt, vielmehr bei engen Röhren in einiger Höhe darüber stehn bleibt. Die Beobachtuug be- stätigt dieses wirklich, und die Erklärung der Erscheinung ist sehr einfach, indem bei geringem Drucke die Spannung der convexen Oberfläche des Wassers an der Ausfluls-Öffnung den Gegendruck bildet und die fer- nere Bewegung verhindert. Das erste Glied stellt sonach nichts andres, als den Einflufs der sogenannten Capillar-Erscheinungen dar. Diese Annahme bestätigt sich auch dadurch , dafs ich bei meinen früheren Beobachtungen, wobei die Röhren nicht an der Luft, sondern unter Wasser ausmündeten, keine Veranlassung zur Einführung eines solchen constanten Gliedes gefun- den hatte (Poggendorff’s Annalen Band 46). In den vorliegenden Beobachtungen bildete sich der Gegendruck aber nicht in einer sphärischen Oberfläche, vielmehr (die geringsten Geschwin- digkeiten ausgenommen) in dem cylindrischen Mantel des Strahles. Die Spannung im letztern wirkt in zwiefacher Richtung, nämlich theils parallel zur Axe und theils transversal. Parallel zur Axe drückt die Spannung aber nicht auf die eingeschlossene Flüssigkeit, weil der gespannte Faden nicht gekrümmt ist, auch mit dem Ende der Röhre in keiner Verbindung steht. Ist nämlich die Stirnfläche der Röhre zufällig benetzt, und schliefst sich die Fläche des Strahles an ein hier haftendes Tröpfchen an, so wird dasselbe, so lange der Strahl noch frei ausspritzt, sehr schnell von diesem abgezogen und fortgerissen, und der Strahl steht mit keiner Wasserfläche in Verbin- dung, welche ihn zurückhalten sollte. Aus diesen Gründen rechtfertigt sich die Annahme, dafs die Spannung in der Richtung des Strahles den Abflufs des Wassers nicht verhindert. Ganz anders verhält es sich mit der Trans- versal-Spannung, diese schnürt an allen Stellen den Strahl zusammen, und bildet dadurch einen Gegendruck, der zum Theil den Druck des Wassers im Reservoir aufhebt. Dieser Gegendruck und seine Beziehung zum Halbmesser des Strah- les sind leicht zu ermitteln. Die Spannung eines 1 Zoll breiten Streifen Wasser-Oberfläche sei gleich » Loth und zwar in ihrer Längenrichtung ge- messen. Wenn dieser Streifen um einen Cylinder vom Halbmesser g ge- schlungen wird, so ist der dadurch verursachte Normaldruck nach einem bekannten Satze der Statik gleich 24r. Die Fläche dieses 1 Zoll breiten auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 58 Mantels ist aber 29, und sonach ist der Druck, der gleichmässig auf die 9 > 8 5 ganze Oberfläche ausgeübt wird, eben so grofs, als wenn eine Wassersäule von der Höhe — darauf drückte. Dabei bedeutet y das Gewicht von 1 Cu- er bikzoll Wasser, oder y—= +. Wenn demnach die erste Constante in dem Ausdrucke für A wieder mit r bezeichnet wird, so ist 7 =5 oder vn =[r. 9 5% die obigen Werthe von r ergeben hiernach für die Temperatur von 5 Graden aus A ... a = 0,0140 aus" Bi». .u@= 0,0162 ause Or OO Indem der Gegendruck, den diese Spannung ausübt, um so stärker wird, sich also um so sicherer zu erkennen giebt, je kleiner der Halbmesser des Cylinders ist, so gebe ich dem aus den Beobachtungen mit der Röhre A hergeleiteten Resultate das dreifache und dem zweiten Resultate das doppelte Gewicht des mit der Röhre € gefundenen Werthes. Daraus folgt u = 0,01423 und hieraus ergeben sich die Constanten r 0,2316: #1. 0, 150. 90,102 während sie früher gefunden waren 0,42 2...0,171.... 20,079] Dafs man den vorstehend berechneten Werth der Spannung in der ganz frischen Oberfläche des Wassers als den richtigen ansehn darf, ergiebt sich auch aus den direeten Beobachtungen der Capillar-Erscheinungen. Ich habe aus diesen gefunden (Abhandlungen der Academie der Wissenschaften 1545. S. 79), dafs die Spannung eines Streifen von der Breite einer Pariser Linie in möglichst frischer Oberfläche 0,27 Gran beträgt. Auf die Breite von 4 Rheinländischem Zolle ist daher die Spannung gleich 0,01304 Loth also nahe übereinstimmend mit dem obigen Werthe, und selbst die geringe Differenz zwischen beiden erklärt sich genügend dadurch, dafs die Oberfläche in dem Strahle bei ihrer fortwährenden Erneuung viel frischer ist, daher gröfsere Spannung besitzt, als während der Beobachtung der gewöhnlichen Capillar-Erscheinungen. Qu en Haczn über den Einflufs der Temperatur Um von diesem ersten Gliede, das in allen folgenden Untersuchun- gen wieder vorkommt, den Werth vollständig zu ermitteln, mufs man noch den Einflufs kennen, den die Temperatur darauf ausübt. Dafs ein solcher Einflufs und zwar in bedeutender Gröfse wirklich statt findet, hat bereits die Untersuchung der Oapillar-Erscheinungen aufser Zweifel gestellt. Letztere bieten jedoch nur sehr unvollständig die Gelegenheit, bei höheren Tempera- turen directe Messungen anzustellen, da das schnelle Trocknen der Wände die gleichmäfsige Spannung der Oberflächen verhindert, und die bald ein- tretende Dampfbildung die genaue Beobachtung der Erscheinung ganz un- möglich macht. Ich wählte demnach eine andre Methode zur Ermittelung der Capillar-Attraction bei verschiedenen, und selbst bei höheren Temperaturen. Dieselbe bestand darin, dafs ich die Gröfse der abfal- lenden Tropfen mafs. In der erwähnten Abhandlung habe ich die Abhän- gigkeit dieser Gröfse von der Festigkeit der Oberfläche der Flüssigkeiten be- reits nachgewiesen, und wenn die Beziehung zwischen beiden auch nicht so vollständig aufgeklärt ist, dafs man den absoluten Werth der Capillar - At- traction aus der Gröfse der Tropfen unmittelbar berechnen könnte, so bie- tet die Beobachtung doch ein ziemlich sicheres Mittel, die Änderungen in ihrem Werthe nachzuweisen. Unter der Voraussetzung, dafs das Gewicht der von derselben Scheibe und in gleichen Zeitintervallen abfallenden Tropfen der Spannung der Oberfläche proportional sei, ist es leicht die letztere für sehr verschiedene Temperaturen zu ermitteln. Der Apparat bestand in einem Blechgefälse, worin ich das Wasser beliebig abkühlen und erwärmen konnte. Im Boden befand sich eine Aus- gufsröhre, die in einer kleinen Scheibe von 0,104 Zoll Durchmesser endigte. An dieser bildeten sich die Tropfen, und damit die Scheibe nicht trocken, auch während der Tropfenbildung die Verdampfung möglichst verhindert würde, so umgab eine Hülse den äufsern Theil der Röhre, und nur unter der letzten befand sich eine hinreichend grofse Öffnung, durch welche die Tropfen frei abfallen konnten. Der obere Theil der Röhre war konisch ge- formt, und in denselben reichte ein Kegel-Ventil hinab, das mittelst einer Schraube jederzeit so weit geöffnet wurde, dafs die Tropfen in Intervallen von einer Secunde sich lösten. Je dreifsig Tropfen wurden in einer leichten Blechschale aufgefangen, und dieselbe stand auf gestofsenem Eise, damit die auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 95 heifse und noch dampfende Wassermasse, sobald sie die Schale berührte, möglichst schnell erkaltete, und die Verdampfung unterbrochen wurde. Das Resultat dieser Beobachtungen war, dafs 30 Tropfen bei der Temperatur von 3 Graden 0,0955 Loth wogen. Bei höherer Temperatur nahm ihr Gewicht ab, und zwar, und zwar, wie die graphische Darstellung ergab, geschah dieses sehr gleichmässig, so dafs ich annehmen konnte, eine Gleichung des ersten Grades drücke die Beziehung zwischen beiden aus. Bei 73 Graden war das Gewicht der Tropfen 0,0780 Loth. Das Gewicht drückt sich daher durch die Formel aus: G = 0,09656 — 0,0002543. r wo r wieder den Grad der Reaumurschen Scale bedeutet. Indem nun bei 5 Graden die Spannung eines 1 Zoll breiten Streifen der Oberfläche gleich 0,01423 gefunden wurde; so ist die Spannung desselben Streifen bei r Graden u =: 0,01442 — 0,0000380. + Unter Zugrundelegung dieses Werthes sind im Folgenden jedesmal die Con- stanten berechnet, welche das erste Glied des obigen Ausdrucks bilden und den Gegendruck der Capillar-Attraction bezeichnen. Für die Temperatur von 5 Graden ergeben sich dieselben, wıe oben, gleich 0,216... 0,150 und 0,102. Werden diese Gröfsen von den Druck- höhen abgezogen, so ist der Rest 4 — r = A’ durch die beiden letzten Glie- der darzustellen, welche die erste und zweite Potenz der Geschwindigkeit als Factoren enthalten, also "ms.c-#1L..c? Berechne ich nach dieser etwas veränderten Gröfse von A’ die wahrschein- lichsten Werthe der Constanten s und 7; so finde ich aus, 1... 0,27102. e+.0,0033104: 2? und den wahrscheinlichen Fehler für s gleich 0,00230 denselben für 2 .... 0,000096 aus B... A = 0,28779. ce + 0,0042636. c? den wahrscheinlichen Fehler für s gleich 0,00100 für 2... 0,000040 aus C... % = 0,123599. c + 0,0040871. c? den wahrscheinlichen Fehler für s gleich 0,00086 für 2 .... 0,000050 56 Hasen über den Einflufs der Temperatur Indem ich zur nähern Betrachtung der zweiten Constante oder des Coefficienten in demjenigen Gliede übergehe, welches die erste Potenz der Geschwindigkeit enthält, so stellt sich sogleich heraus, dafs diese Werthe nahe den Längen der Röhren dividirt durch deren Querschnitte proportio- nal sind, also oh wo ß eine neue Constante, Z die Länge der Röhre und 9 ihren Halbmesser bezeichnet. Die zuletzt gefundenen Werthe von s, nämlich 0,27102 .° ...0,28779 und 0,12599 ergeben hiernach ß = 0,000043431 —= 0,000041386 — 0,000041014 also im Mittel ® — 0,000041944 Berechnet man ungekehrt hieraus wieder s, so findet man dafür 0,26175 ..... 0,29167 und 0,12884 Diese Zahlen weichen von den früheren sehr bedeutend ab, nämlich für die Röhren A und B um das Vierfache des wahrscheinlichen Fehlers und für die Röhre C noch stärker. Man darf aber um so weniger mit dieser Form für s sich begnügen, als die Abweichungen auch sehr regelmäfsig fallen, wie sich aus den Zahlenwerthen von ® ergiebt, und sonach mufs man voraus- setzen, dals sie nicht zufällig sind, vielmehr davon herrühren, dafs der für s gewählte Ausdruck nicht der richtige ist. Die Art, wie die Länge der Röhre oder / eingeführt ist, erscheint ganz angemessen, da dieses Glied augenscheinlich den Widerstand bezeichnet, den das Wasser in der Röhre erfährt, und die Voraussetzung, dafs dieser der Länge der Röhre proportional sei, kann kein Bedenken erregen. Anders verhält es sich mit dem Nenner. Die Einführung der zweiten Potenz des Radius in denselben wiederspricht theils den gewöhnlichen An- nahmen, theils aber läfst sie sich auch nicht rechtfertigen, wenn man die Wassermasse als einen cylindrischen Körper denkt, der ohne gegenseitige Bewegung seiner einzelnen Theile durch die Röhre geschoben wird. Diese Betrachtung führt dazu, dafs man den Widerstand dem Umfange, ‘oder der ersten Potenz des Radius umgekehrt proportional setzen müfste. Dieser An- nahme widersprechen aber vollständig die hier mitgetheilten, so wie auch auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 37 meine frühern Beobachtungen. Man mufs nach diesen entweder mehrere Glieder einführen, oder eine Potenz für g wählen, welche sehr wenig von der zweiten abweicht. Beides hielt ich nicht für wahrscheinlich, dagegen liefs sich noch auf anderm Wege eine durchaus genügende Übereinstimmung erreichen. Nach allen sonstigen Erfahrungen darf man nämlich annehmen, dafs jedesmal die bewegten Wassertheilchen die daneben befindlichen mit sich ziehen, oder von diesen zurückgehalten werden, so dafs nirgend ein scharfer Ubergang stattfindet, vielmehr überall der bewegte Wasserfaden von einem andern begrenzt wird, der etwas langsamer in gleicher Richtung fortrückt. Diese Voraussetzung schliefst sich, wie später gezeigt werden soll, an die aus der Beobachtung gefundenen Resultate sehr gut an, und erklärt dieselben. Hiermit steht aber wieder die Vorstellung in Verbindung, dafs eine sehr dünne Wasserschicht neben der Röhrenwand an der Bewegunggar keinen Theil nimmt, also der Halbmesser der Röhre, soweit das Wasser darin sich bewegt, nicht ge, sondern eg — «ist. Hierdurch lassen sich leicht die bemerkten Abweichungen in den Werthen von @ be- seitigen. Man darf indessen in dieser Untersuchung nicht unbeachtet lassen, dafs die aus den Beobachtungen gefundenen Werthe der mittleren Ge- schwindigkeiten in demselben Verhältnisse sich vergröfsern, wie die Quer- schnitte kleiner werden, während die in einer Secunde hindurch fliefsende Wassermenge m dieselbe bleibt. Durch die Verminderung des Halbmessers um « wird die mittlere Geschwindigkeit zn ve —— (e—«) ?r während zn o°r war. Die mittlere Geschwindigkeit ist daher 2 —— ea)? c und wenn das zweite Glied 1 sv= — =)? sein soll, so ist es unter Beibehaltung der aus den einzelnen Beobachtungen berechneten Werthe von c Math. Kl. 1854. H 58 Hasen über den Einflufs der Temperatur oder Vergleiche ich mit diesem Ausdrucke die aus den Beobachtungen mit den drei Röhren hergeleiteten Zahlenwerthe von s, so finde ich als die wahrscheinlichsten Werthe der beiden Constanten ß = 0,000039093 a —= 0,0012625 und hieraus folgt s gleich 0,26823 .... 0,29032 und 0,12554 Diese Werthe weichen von den obigen um das Einfache, das Doppelte und die Hälfte des wahrscheinlichen Fehlers ab, im ersten und letzten Falle sind die Abweichungen aber negativ, während sie bei der mittleren Röhre posi- tiv sind. Die Abweichungen sind daher nicht nur bedeutend kleiner gewor- den, sondern sie fallen auch so unregelmäfsig, dafs man sie unbedingt als die Resultate der Beobachtungsfehler ansehn kann. Obwohl die Voraussetzung einer sehr dünnen ruhenden Wasserschicht neben der festen Röhrenwand an sich nicht unwahrscheinlich ist; so bedarf sie dennoch der Bestätigung durch andre Beobachtungen oder sonstige Rechnungs - Resultate, ehe sie unbedingt als richtig angesehn werden kann. Es wird daher im Folgenden hierauf zurückgekommen werden. Das dritte Glied des Ausdrucks für die ganze Druckhöhe enthält augenscheinlich die bereits oben erwähnte Geschwindigkeitshöhe, oder den- jenigen Theil der Druckhöhe, der zur Darstellung der Geschwindigkeit ver- wendet wird, womit das Wasser die Röhre durchfliefst. Die sehr auffallende Verschiedenheit der gefundenen Werthe von /, nämlich Ü 0,0033104 ... 0,0042636 und 0,0040871 zeigt aber offenbar, dafs diese Coefficienten noch durch andre Umstände be- dingt sind, und zwar stellt sich deren Beziehung zur Länge der Röhren als sehr wahrscheinlich heraus. Wähle ich demnach die Form i—=d > @ı wobei «’ und @ zwei neue Constanten sind; so finde ich die wahrscheinlich- sten Werthe für auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 59 « — 0,0026119 ® = 0,000038452 und daraus ergiebt sich 7 gleich 0,0033076 ..... 0,0042131 und 0,0041444 Die Abweichungen gegen die obigen Werthe sind — 0,0000028 ... — 0,0000505 und + 0,0000573 Obwohl in diesen Unterschieden sich keine Regelmäfsigkeit erkennen läfst, so schien es doch nöthig zu versuchen, welche Gröfse der ruhenden Schicht die drei gefundenen Werthe von i ergeben, falls man, wie bei der Bestim- mung von s geschehn, annimmt, dafs die Bewegung sich nicht über den gan- zen (Querschnitt ausdehnt. Unter Beibehaltung der obigen Bezeichnung würde in diesem Falle das dritte Glied im Ausdrucke für die Druck- höhe sein ic = (+ je) u? m 4 =- 8 z (+) ec? (e-«) also e* an (e-a)* SR = oder RN! ? gzel) =«+P1 und indem « sehr klein gegen p ist t—At e = «+1 2 Es sind also drei Unbekannte «, « und £ aus den drei Werthen von zZ und p herzuleiten, und man findet « = 0,001320 « = 0,0022280 £& = 0,000041892 Also « sehr nahe übereinstimmend mit dem aus dem zweiten Gliede gefundenen Werthe. Für die Temperatur von 10 Graden ergeben sich aus den obigen Beobachtungs-Reihen die nachstehenden mittleren Geschwindigkeiten c: H2 60 Hacenw über den Einflufs der Temperatur Röhre 4.... 1. kA= 11,08 c = 32,20 2. = 8,08 —= 24,82 3. = 6,8 —= 19,68 4. = 4,08 — 14,42 5. = 3,08 —= 11,08 6. = 2,08 = 750 7. = 158 = 5,50 8. = 1,08 = 348 Röhre B...." a. = 848c — 24,34 3. = 6,48 — 19,74 4. = 4,48 —= 1454 5. = 3,48 = 11,65 6. = 2,48 = 860 72 = 1,43 = 512 8. = 098 = 320 Röhre C.... 4 A= 22l c = 13,27 5. = 121 = 805 6. = 0,71 = 4,93 Indem ich wieder den frühern Ausdruck h=r+s.c+te? wähle, jedoch für r sogleich den Zahlenwerth nach der Formel Neun ey berechne, indem für #, g und y die der Temperatur von 10 Graden ent- sprechenden Werthe eingeführt werden, so ergeben sich für die drei Röhren die ersten Glieder oder r 0,2132... 0,1484 und 0,1008 Wenn diese Gröfsen von den Druckhöhen abgezogen werden, so verwandelt sich der Ausdruck in R =sc+ ic? Man findet alsdann die wahrscheinlichsten Werthe der beiden Constanten für die drei Röhren: für A... 4 = 0,22313.c + 0,0036005. c? der wahrscheinliche Fehler von s = 0,00362 desgl. von 2 = 0,000140 für B...ı = 0,23361. c + 0,0044395. c’ wahrscheinliche Fehler von s = 0,00123 desgl. von 2 = 0,0000619 auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 61 für C ... 7% = 0,10292. ce + 0,0042089. c? wahrscheinliche Fehler von s = 0,00097 desgl. von 2 = 0,0000834 Behandle ich diese Werthe von s und ? in derselben Art, wie oben angegeben, indem die Halbmesser und Längen der Röhren nach den früher mitgetheilten Voraussetzungen über die Ausdehnung des Messings nach Maafsgabe der Temperatur corrigirt worden, so ergiebt zunächst die Ver- gleichung der Factoren von e mit der Formel nn Ig? Berl (e—«)* die wahrscheinlichsten Werthe von ß = 0,00003176 « —= 0,00136 Dagegen finde ich aus den letzten Constanten ?, oder den Factoren von c’, indem wieder ht nr = «+1 gesetzt wird, a = 0,00197 « = 0,002385 &' = 0,00003879 Was die Gröfse « oder die Dicke der ruhenden Wasserschicht zu- nächst der Röhrenwand betrifft; so stellt sich dieselbe nach den vorste- henden Ermittelungen nicht gerade sehr verschieden heraus, obwohl ihr letz- ter Werth allerdings von den früheren merklich abweicht. Eine einfache Untersuchung läfst erkennen, dafs eine grofse Genauigkeit hierbei überhaupt nicht erreichbar ist. Der wahrscheinliche Fehler dieser Bestimmung aus den Factoren s ist nach den Beobachtungen bei 5 Graden 0,0003 desgl. bei 10 Graden 0,0005 für 20 Grade fand ich ihn sogar 0,0012 Die Messungen bei höheren Temperaturen sind sonach zu dieser Untersu- chung ganz unbrauchbar. Für die Herleitung von « aus den Factoren £ ist dagegen der wahr- scheinliche Fehler gar nicht anzugeben, da die Anzahl der Unbekannten eben so grofs, als die der Gleichungen ist. Man überzeugt sich indessen 62 Hacezn über den Einflufs der Temperatur leicht, dafs sehr geringe Änderungen in den Werthen von Z schon wesentli- chen Einflufs auf « ausüben. Ich habe deshalb ın allen folgenden Unter- suchungen « = 0,0013 angenommen, und zwar vorausgesetzt, dafs die Temperatur keinen Einflufs darauf hat. Ob diese Voraussetzung richtig ist, mufs freilich dahingestellt bleiben, doch bot sich kein Mittel dar, mir hierüber ein bestimmes Urtheil zu bilden, und jedenfalls verschwindet der Einflufs von « bei höheren Tem- peraturen wegen der zunehmenden Unsicherheit der Beobachtungen so sehr, dafs ein geringer Fehler in seiner Gröfse wenig Bedeutung behält. Ich er- wähne noch, dafs die angenommene Dicke der ruhenden Wasserschicht nur dem 770ten Theile eines Zolles, oder dem 64ten Theile einer Linie gleich kommt, daher nicht stärker ist, als das allerfeinste Brief-Papier. Unter Zugrundelegung dieses Werthes von a finde ich, indem ich den Beobachtungen mit der engen Röhre etwas gröfseres Gewicht beilege, als denen mit der weiten Röhre für die Temperatur von 5 Graden ß = 0,0000391 « = 0,002248 und @ = 0,00004161 mit den wahrscheinlichen Fehlern für ® . . . 0,00000024 für @ ... 0,0000055 für @ . . . 0,00000016 dagegen für die Temperatur von 10 Graden ß = 0,0000320 « = 0,002605 ® — 0,00003632 mit den wahrscheinlichen Fehlern für ß » . . 0,00000035 für d ... 0,000057 für ®’ .. . 0,00000163 Bei der Temperatur von 20 Graden ergeben die früher mitge- theilten Beobachtungsreihen, soweit sie den ersten Schenkel der Curve noch treffen, folgende mittlere Geschwindigkeiten: auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 63 Röhre 4... 1. h=808 c= 2388 2 = 6,08 —= 23,2 3. —= 4,08 —= 17,2 4. = 3,08 = 138 5. = 2.08 = 98 6. = 1,58 = 7 —= 1,08 = 49 Röhre 3... 5. h=383 c= 144 6. = 2483 = 10,8 7: —= 1,48 = 68 8. —= 098 = 45 Röhrtere Sr NRZETRINMEIZEFINT 6. — ll = 62 Die ersten Glieder im Ausdruck für die ganze Druckhöhe oder sind, wenn für u, g und y die der Temperatur von 20 Graden entsprechen- den Werthe eingeführt werden, für die drei Röhren 0,2079... . 0,1447 und 0.0983 Indem diese Gröfsen von den Druckhöhen abgezogen werden, findet man in gleicher Weise wie früher als wahrscheinlichste Werthe der Constanten s und für die Röhre 4... A = 0,15143. c + 0,0042633. c? der wahrscheinliche Fehler von s = 0,00197 desgl. von 2 = 0,0000943 für die Röhre B... A = 0,16497. c + 0,0046617. c? der wahrscheinliche Fehler von s = 0,00016 desgl. von 2 = 0,0000128 für die Röhre C... %# = 0,06945. c + 0,004617. c? Bei der letzten Bestimmung kann man die wahrscheinlichen Fehler nicht an- geben, weil nur zwei Beobachtungen zum Grunde liegen. Behandelt man die Constanten s, oder die Coeflicienten von e in glei- cher Weise, wie früher; so ergiebt sich als wahrscheinlichster Werth a = 0,00196 wenn man dagegen die Beobachtungen mit der weiten Röhre, die am wenig- sten sicher sind, unbeachtet läfst; so findet man a = 0,00099 64 Haczn über den Einflufs der Temperatur Es rechtfertigt sich daher, den früher gefundenen Werth « = 0,0013 hier wieder einzuführen. Alsdann ergiebt sich aus A... B = 0,000022008 B ... ß= 0,000022171 C ... ß = 0,000021597 daher im Mittel, wenn man der letzten Bestimmung nur halbes Gewicht beilegt, ß = 0,000021991 Die Factoren des zweiten Gliedes ergeben dagegen, wenn man « als bekannt voraussetzt, und wieder den Beobachtungen C ein geringeres Ge- wicht beigelegt, « = 0,0034898 = 0,000020797 Nachdem nunmehr für drei verschiedene Temperaturen, nämlich für 5, 10 und 20 Grade die Constanten berechnet sind, ist zu untersuchen, welche unter diesen von der Temperatur abhängen, und welche davon unabhängig sind. Für « ist bereits angenommen und nachgewiesen (soweit die Beobachtungen ein sicheres Urtheil gestatteten), dafs die Temperatur kei- nen Einflufs darauf habe. Für 8 wurden für diese drei Wärmegrade die folgenden Werthe ge- funden : 0,000039 . . . 0,0000320 und 0,0000220 die Abhängigkeit von der Temperatur ist daher augenscheinlich. Die entsprechenden Werthe von «’ waren 0,002248 ... . 0,002605 und 0,003490 es ist sonach auch hierbei eine Beziehung zur Wärme sehr wahrscheinlich, die jedoch in einer andern Untersuchung, zu der sogleich übergegangen wer- den wird, ihre Bestätigung nicht findet. Die Werthe von £ sind endlich 0,00004161 ... 0,00003632 und 0,00002080 die Abhängigkeit von dem Wärmegrade leidet daher keinen Zweifel. Die Constante «’ enthält jedenfalls diejenige Zahl k, die mit dem Quadrate der Geschwindigkeit multiplieirt, die Geschwindigkeitshöhe dar- stellt. Wenn demnach die Röhre so kurz wäre, dafs nur so eben die Con- auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 65 traction des Strahles verhindert würde, die.bei Öffnungen in dünner Wand eintritt, so mülste h=kc? sein, und der Einflufs der Temperatur würde sich alsdann noch vollständig zu erkennen geben. Directe Beobachtungen mit sogenannten Ansatzröh- ren (deren Länge nur etwa das anderthalbfache der Weite beträgt) bestä- tigten dieses aber durchaus nicht. Ich habe diese Beobachtungen von 4 Gra- den bis 72 Graden ausgedehnt, und für alle Temperaturen sehr nahe den- selben Coefficient gefunden, sobald dieselben Ansatzröhren und dieselben Druckhöhen angewendet wurden. Dagegen bestätigten diese Messungen wieder die Erfahrung, die man auch sonst gemacht hat, dafs nämlich dieser Coefficient zum Theil von der Weite der Röhre und zum Theil von der Druckhöhe abhängig ist, und zwar vergrölsert er sich sehr bedeutend, wenn die Druckhöhe abnimmt. Hierin liegt ohne Zweifel der Grund der obiger. Verschiedenheit der Werthe für «'. Bei den höheren Temperaturen mufsten nämlich diejenigen Beobachtungen ausfallen, welche mit den stärksten Druckhöhen angestellt waren, und sonach verminderten sich der Tempera- tur entsprechend auch die Druckhöhen. Dazu kommt, dafs die Bestimmung von «' für 20 Grad schon ziemlich unsicher ist, woher kein Grund vorliegt, eine Abhängigkeit von der Temperatur vorauszusetzen. Man pflegt diesen Coefficient in der Hydraulik gemeinhin in etwas an- derer Form einzuführen. Die Druckhöhe 4 erzeugt in einem Strahle, der durch eine Öffnung in dünner Wand tritt, die Geschwindigkeit ce = 2Vgeh also die Wassertheilchen strömen eben so aus, als wenn sie von der Höhe h frei herabgefallen wären. Beim Durchflufs durch eine kurze Ansatzröhre ist ihre Geschwindigkeit aber merklich geringer : setzt man dieselbe ce = 2k\/gh so findet man k bei weiten Öffnungen und starken Druckhöhen ziemlich übereinstimmend gleich 0,82. Bei geringen Druckhöhen vermindert der Werth sich aber bis gegen 0,7. Indem nun die Geschwindigkeitshöhe gleich «'c”, oder f Aktg ’ ist, so ergeben sich für die so eben bezeichneten Grenzen von k, und unter Math Kl. 1854. I 66 Hıczn über den Einflufs der Temperatur Zugrundelegung des Rheinländischen Zollmaafses (wonach für Berlin g = 187,59) die äufsersten Werthe von «’ gleich 0,0019852 und 0,002720 Die für die Temperaturen von 5 und 10 Graden gefundenen Werthe fallen in der That zwischen diese Grenzen, dagegen ist das Resultat der bei 20 Gra- den angestellten Beobachtungen ansehnlich gröfser, und man darf wohl an- nehmen, dafs der Unterschied von Beobachtsfehlern herrührt. Indem die Erscheinungen beim Durchflusse des Wassers durch Ansatz- röhren noch keineswegs aufgeklärt sind, so mufs man dafür ein möglichst einfaches Gesetz annehmen, und ich bin daher dem üblichen Verfahren ge- folgt, und habe einen constanten Factor gewählt, dem ich aber diejenige Gröfse gab, welche durchschnittlich den Weiten der Röhren und den Druck- höhen zu entsprecheu schien. Ich setze k = 0,76 oder « = 0,0023073 Für die beiden Constanten «@ und «' sind demnach die Werthe ermit- telt, und wenn man diese in die obige Gleichung einführt, so müssen wegen der Abweichungen von den gefundenen Werthen dieser Gröfsen auch Q und £ sich etwas verändern. Es schien mir indessen angemessen, nachdem nun- mehr die Form des Ausdruckes feststand, bei Berechnung von £ und £’ al- len einzelnen Beobachtungen gleichen Werth zu geben, während nach der bisherigen Rechnungsweise die für die drei Röhren gefundenen Constanten in gleicher Weise eingeführt wurden, also die wenigen Beobachtungen mit der weiten Röhre überwiegenden Werth erhalten hatten. Die Gleichung für die Druckhöhe hat nunmehr folgende Form er- halten: 7 U) 22 r o* h= — 2 NE — (5 EI... „ee ( A (e—«)* oder % a'o'c? lo®c lo*c? . h— — — — = — rege) By 3 (0 Bj e)" (e—«)* Indem alle einzelnen, oben mitgetheilten Beobachtungen nach dieser Formel berechnet wurden, ergaben sich für die drei Wärmegrade nach der Methode der kleinsten Quadrate die folgenden Wcrthe für 5°... ß = 0,000038874 und @ = 0,000040602 die wahrscheinlichen Fehler 0,000000114 und 0,00000062 auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 67 für 10°... 2 — 0,000032417 und & = 0,000039045 die wahrscheinlichen Fehler 0,000000309 und 0,00000245 für 20°... 8 = 0,000023852 und 8 = 0,000035539 die wahrscheinlichen Fehler 0,000000722 und 0,00000788 Für die Temperatur von 35 Graden ergeben sich aus den Beob- achtungen, soweit dieselben in den ersten Schenkel der Curve fallen, die folgenden Geschwindigkeiten: Röhre 4..... Ah=40%8 c= 2,3 5; = 3,08 —I6A 6. = 2.08 ==aR2ar 7: —5638 —agie 8. = 1,08 N Ef} Röhren 2 Tan: h=11 c= 92 8. —= 0,98 —= 64 Röhre C....6 hkh=s0rn1 c= 76 Wenn diese Beobachtungen in der so eben bezeichneten Weise be- rechnet werden, so findet man, indem die Werthe von r 0,2003 . . . 0,1394 und 0,0947 sind, bei 35°... @ = 0,000016525 und %’' = 0,000031292 die wahrscheinlichen Fehler sind aber 0,000000966 und 0,00001289 Die Vergleichung dieser Werthe zeigt sehr deutlich, dafs dieselben bei höheren Temperaturen immer unsicherer werden, was ohne Zweifel da- von herrührt, dafs die Anzahl der zum Grunde liegenden Beobachtungen sich vermindert, auch letztere weniger genau ausfallen. Für noch höhere Wärmegrade konnte keine Beobachtungsreihe benutzt werden, und es bot sich nur noch eine einzelne Messung bei 60 Graden zum Vergleiche dar, die mit der Röhre A angestellt war. Eine grofse Sicherheit war bei dieser nicht vorauszusetzen, indem ein sehr geringer Irrthum in der Druckhöhe darauf entschiedenen Einflufs haben mufste. Die Vergleichung mit den Beobach- tungen bei geringeren Temperaturen zeigte in der That eine starke Abwei- chung , woher ich sie nicht zur Bestimmung der Werthe von Rund @ benutzen, vielmehr sie später nur vergleichungsweise mittheilen will. 12 68 Hasen über den Einflufs der Temperatur Indem ich die Werthe von ®’ graphisch auftrug, fielen dieselben sehr nahe in eine gerade Linie, und ich durfte sonach den Ausdruck wählen B=x—y.r Durch Einführung der wahrscheinlichsten Werthe für x und y erhält man & = 0,00004208 — 0,0000003121. r wobei r wieder den Thermometer-Grad bezeichnet. Der wahrscheinliche Beobachtungsfehler dabei ist gleich 0,00000017. Die wahrscheinlichen Feh- ler in der Bestimmung von x und y sind aber 0,00000003047 und 0,00000000728 Schwieriger war es, die Beziehung zwischen ® und r aufzufinden. Die Einführung verschiedener Glieder, welche ganze Potenzen von r zu Fac- toren hatten, gab kein genügendes Resultat, dagegen schlossen die obigen Zahlenwerthe sich recht befriedigend an die Formel B=&-y.)r oder ß = 0,00006338 — 0,000014413. V an, wobei der wahrscheinliche Fehler von x gleich 0,000000524 und der von y gleich 0,000000207 ist. Für die Temperatur von 80 Graden wird ß = 0,00000128, also es beträgt alsdann nur noch den funfzigsten Theil von der Gröfse, die es im Gefrierpunkte hatte, und ohne die Grenze der wahrscheinlichen Fehler zu überschreiten, kann man auch annehmen, dafs für den Siedepunkt @=0 wird. Durch Verbindung dieses Werthes von ß mit den aus den Beobachtungen gefundenen ergiebt sich der sehr einfache Ausdruck 8 = 0,000015 80V) Derselbe schliefst sich ziemlich nahe an die obigen Werthe an. Er giebt nämlich fürr = 5°....= 0,00003898 = 10°.... = 0,00003232 — 20°. 7..2.:.=,0,00002392 er = .0,.00001557 Der Unterschied erreicht nur bei der Temperatur von 35° den wahrschein- lichen Fehler des Werthes von A. Endlich hatte ich mit der Röhre A noch eine einzelne und zwar wenig auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 69 sichere Beobachtung für die Temperatur von 60 Graden. Nämlich für A = 1,08 ergab sich ce = 9,6. Unter Zugrundelegung der obigen Werthe für « und «', und des Ausdruckes für &', der &' = 0,00002335 ergab, fand ich ß = 0,00000930, während nach der vorstehenden Formel 8 — 0,00000696 sein sollte. Der Unterschied erklärt sich leicht, wenn in der Beobachtung von c ein geringer Fehler angenommen wird. Nachdem im Vorstehenden die Gesetze der Bewegung, und zwar für den ersten Schenkel der Geschwindigkeits - Scale, aus den Beobachtungen hergeleitet worden, kommt es darauf an, die Bedeutung dieser Resul- tate zu erklären, und deren Zusammenhang mit den eigenthümlichen Er- scheinungen nachzuweisen, die bei höheren Temperaturen eintreten. Über das erste Glied in dem Ausdrucke für die Druckhöhe, welches von der Geschwindigkeit ganz unabhängig ist, war bereits oben ausführlich die Rede, und es wurde nachgewiesen, dafs dasselbe nichts anders, als den Gegendruck bezeichnet, den der Strahl, sobald er frei in die Luft tritt, durch die Spannung der Oberfläche oder die sogenannte Capillar-Attraction erleidet. Das zweite Glied, welches augenscheinlich denjenigen Theil der Druckhöhe darstellt, der zur Überwindung der Widerstände verwendet wird, enthält die erste Potenz der mittleren Geschwindigkeit als Factor. Die gewöhnliche Annahme, dafs diese Widerstandshöhe der zwei- ten Potenz der Geschwindigkeit proportional sei, wird sonach durch diese Beobachtungen vollständig widerlegt. Sie ist indessen auch an sich wenig wahrscheinlich, und der Grund, den Eytelwein dafür angiebt, spricht so- gar mehr für die erste, als für die zweite Potenz. Eytelwein sagt nämlich (Handbuch der Mechanik und Hydraulik. Dritte Ausgabe 1842. Seite 167), dafs bei einer doppelten Geschwindigkeit noch einmal soviel Wassertheile, und jedes in halb soviel Zeit, als bei einfacher Geschwindigkeit sich losreis- sen mülsen, und hierauf fährt er fort: daher werden sich unter übrigens gleichen Umständen die Widerstandshöhen, wie die Quadrate der Geschwin- digkeiten verhalten. In dieser Schlufsfolge sind augenscheinlich die Begriffe : Widerstand und Widerstandshöhe, mit einander verwechselt. Das angeführte Räsonnement, wie wenig es auch ein wirklicher Beweis ist, macht es aller- dings plausibel, dafs die Widerstände, oder die zur Überwindung derselben erforderlichen lebendigen Kräfte den zweiten Potenzen der Geschwindigkei- 70 Hagen über den Einflufs der Temperatur ten proportional sind. Diese Kraft ist aber jedesmal das Product aus der Wassermasse in das Quadrat der Geschwindigkeit oder in die Fallhöhe, und insofern die Wassermasse bei gleichem (Juerschnitte der Röhre wieder der Geschwindigkeit proportional ist; so folgt, dafs die Fallhöhe, also hier die Widerstandshöhe, nur durch die erste Potenz der Geschwindigkeit ausge- drückt werden kann, wie die Beobachtungen auch ergeben. Die Weite oder der Halbmesser der Röhre tritt gleichfalls in ganz an- derer Weise in dieses zweite Glied des Ausdruckes ein, als man gewöhnlich annimmt. Nach Eytelwein ist nämlich die Widerstandshöhe umgekehrt dem Halbmesser proportional, nach den vorliegenden Beobachtungen stellt sich dagegen heraus, dafs die Widerstandshöhen sich umgekehrt wie die Quadrate der Halbmesser verhalten. Dieses Resultat ist augen- scheinlich mit der gewöhnlichen Vorstellungsart ganz unvereinbar, dafs näm- lich ein Wasser-Cylinder sich ohne alle innere Bewegungen durch die Röhre schiebt, und sonach keinen andern Widerstand, als an seinem Umfange, er- fährt. Bei der grofsen Beweglichkeit des Wassers ist ein solches ganz gleich- mäfsiges Vorschreiten gröfserer Massen durchaus undenkbar und man kann sich in jedem Falle auch leicht überzeugen, dafs dieses nie vorkommt. Wenn dagegen bei niedrigen Temperaturen die Beweglichkeit des Wassers noch beschränkt ist und die geringe Röhrenweite derselben gleichfalls eine nahe Grenze setzt, so kann es allerdings geschehn, dafs die ganze Wassermenge unter so starker Spannung die Röhre durchfliefst, dafs keine innere Bewe- gungen eintreten, und jedes Wassertheilchen nur parallel zur Axe sich fort- bewegt. Man darf dabei indessen nicht annehmen, dafs ein Wassereylinder von melsbarem Querschnitte sich gleichmäfsig bewegt, weil in diesem Falle die Wassertheilchen relativ in Ruhe sich befinden, und dadurch veranlafst würden, sogleich in innere Bewegungen überzugehn. Die erwähnte Span- nung, welche allein die regelmäfsige Bewegung erhalten kann, stellt sich vielmehr nur ein, wenn jede einzelne dünne Wasserschicht von zwei andern begrenzt wird, von denen die eine etwas schneller, und die andere etwas langsamer, als sie selbst, vorrückt. Diese Vorstellungsart, von der ich schon früher und zwar bei ver- schiedenen Gelegenheiten Gebrauch gemacht habe, empfiehlt sich dadurch, dafs sie mit den vielfach bemerkten Adhäsions-Erscheinungen der Flüssigkei- 5 ten vollständig in Einklang steht. Unmittelbar neben ruhendem Wasser kann auf die Bewegung des Wassers in Röhren. na niemals eine merkliche Strömung stattfinden; die Bewegung des letzten theilt sich dem ersten mit und jedesmal bildet sich ein allmähliger Ubergang zwi- schen beiden. Eine nähere Betrachtung der hierdurch veranlafsten Verhält- nisse erklärt nicht nur die Zusammensetzung des in Rede stehenden zweiten Gliedes, sondern, was besonders wichtig ist, sie zeigt auch, dafs diese regel- mälsige Bewegung nach den allgemeinen mechanischen Gesetzen nur bis zu einer gewissen Grenze möglich bleibt, und dafs alsdann die Spannung auf- hört und die innern Bewegungen eintreten, welche einen grofsen Theil der lebendigen Kraft consumiren. Ich setzte hiernach voraus, dafs bei dieser regelmäfsigen Bewegung des Wassers in Röhren, worauf die vorstehenden Untersuchungen sich allein bezogen, nicht gröfsere Massen gleichmäfsig vorrücken, vielmehr eine un- endlich grofse Anzahl dünner Wasserröhren sich in einander fortschieben. Der mittlere Wasserfaden, der in die Axe der Röhre trifft, hat sonach die gröfste Geschwindigkeit, die nächste dünne Wasserschicht bewegt sich etwas langsamer und sofort, bis unmittelbar oder nahe an der festen Röhrenwand die Bewegung ganz aufhört. Es findet sonach nirgend ein plötzlicher Über- gang der Geschwindigkeit statt, vielmehr wird dieselbe in steter Zunahme und zwar dem Abstande von der Wand entsprechend immer gröfser , bıs sie in der Axe ihr Maximum erreicht. Ob man hierbei eine ruhende Wasser- schicht neben der Röhrenwand voraussetzt, also den Halbmesser um eine bestimmte Quantität vermindert oder nicht, ist für die fernere Untersu- chung ganz gleichgültig, weil durch die erste Annahme nur eine etwas engere Röhre eingeführt wird. Daher mag im Folgenden g nicht den Halb- messer der messingenen Röhre, sondern den Halbmesser des bewegten Wasserkörpers bedeuten. Denkt man den aus der Röhre ausgetretenen Strahl plötzlich be- seitigt, und nimmt man an, dafs die ferner austretende Wassermasse in derselben Art, wie sie nach vorstehender Auseinandersetzung innerhalb der Röhre sich bewegt, diese Bewegung auch aufserhalb fortsetzt, und am Ende der ersten Secunde in unveränderter Form fixirt werden könnte, so würde an der Röhre nicht ein Wasser-Cylinder, sondern ein Wasser- kegel haften, dessen Grundfläche den Radius der Röhre oder e zum Halb- messer haben würde, und dessen Höhe der Geschwindigkeit des mittleren Fadens gleich wäre. Nenne ich letztere v, so ist v—=3c, wenn c die mitt- 72 Hagen über den Einflufs der Temperatur lere Geschwindigkeit, oder die Wassermasse dividirt durch den Querschnitt, bezeichnet. Für einen beliebigen Abstand r von der Axe des Kegels würde aber die zugehörige Geschwindigkeit o—r sein. ; tor e Als Maafs des Widerstandes oder der zu dessen Überwindung erfor- UV derlichen lebendigen Kraft nehme ich diejenige Kraft an, welche nöthig ist, um die Form eines Wasserwürfels von 1 Zoll Seite in einer Secunde so zu verändern, dafs die eine Seitenfläche um 1 Zoll verschoben wird. Diese Kraft sei gleich n. Um in einem andern Wasserprima von der Grundfläche f und der Höhe 5 die eine Grundfläche wieder in einer Secunde um den Abstand p zu verschieben, wird alsdann eine Kraft / erforderlich sein, die sıch in folgen- der Art ausdrückt. Zunächst ist diese Kraft der Grundfläche oder dem Querschnitte, also / proportional; ferner auch der Höhe d, weil & mal mehr oder weniger Schichten im letzten Falle sıch über einander schieben. p be- zeichnet die Geschwindigkeit im Abstande 5 von der ruhenden Grundfläche, und um die Vergleichung mit jenem Würfel darzustellen, mufs man den Weg der bewegten Grundfläche auf den Abstand von 1 Zoll reduciren. Dadurch wird die Geschwindigkeit gleich n. In welcher Potenz diese Geschwindig- keit einzuführen sei, ist noch unbekannt, wenn man jenes eben mitgetheilte Räsonnement nicht gelten lassen will. Ich führe daher einen unbekannten Exponenten x ein, der durch die Vergleichung mit den Beobachtungen ge- funden werden soll. Hiernach ergiebt sich N=fb (2) 7 und wenn diese Bewegung ? Secunden hindurch anhält, so ist die darauf Ihe (2) er Hiernach ist es leicht, die lebendige Kraft zu bestimmen, welchen der verwendete lebendige Kraft in einer Secunde ausgetretene Wasserkegel beim Durchgange durch die ganze Röhre zur Überwindung der Widerstände consumirt hat. Ich nenne diesen ganzen Widerstand w und betrachte eine dünne Röhre vom Halbmes- ser r, deren Dicke gleich dr ist. Es kann aber augenscheinlich keinen Un- terschied machen, ob krumme Flächen oder Ebenen sich über einander fort- auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 13 schieben, wenn nur die Richtung der Bewegung geradlinig und für alle Theile dieselbe ist. Man hat in diesem Falle K==2T7T. U B==ıdr p= du 1 und = -— u letzteres begründet sich dadurch, dafs jeder Theil in dieser dünnen Röhre N sich mit der Geschwindigkeit u bewegt, also — Secunden braucht, um den Weg / oder die Länge der Röhre zu durchlaufen. Hiernach ist AND dw = 2nI!r 5) rdr dr d aber == = 2. , also dr 2 dw» = 2n!r = rdr g und das Integrale vonr=o bis = R v E22 o= nImo” E) g Diesen Widerstand hat die in einer Secunde austretende Wassermenge bei ihrem Durchgange durch die ganze Röhre erfahren, und darauf die lebendige Kraft verwendet, die sie beim Herabsinken von der Widerstandshöhe A er- hielt. Da beide Gröfsen einander gleich sein müssen, so ist i e 2 v > 30 rvyh= nImg @) Ind uN\N” 0) vuy & oder wenn man statt der gröfsten Geschwindigkeit v, die mittlere ce einführt ni 3c a) Aus den Beobachtungen hatte ich für die Widerstandshöhe den Ausdruck h= 2 L hy) gefunden, und beide Ausdrücke stimmen in Bezug auf /, c und mit einan- der genau überein, sobald man x — 2 setzt. Man erhält alsdann oder Math. Kl. 1854. K also 9n B=— m oder n=+. yß Der Widerstand, den der Wasserwürfel bei der Temperatur von 0 Graden der oben bezeichneten Verschiebung seiner Theile entgegensetzt, und zwar wenn diese mit der angegebenen Geschwindigkeit erfolgt, ist demnach so ge- ringe, dafs er schon durch die lebendige Kraft eines Gewichts überwunden wird, welches dem 116000‘ Theile eines Lothes gleich ist, und 1 Zoll tief herabfällt. Bei der Temperatur von 80 Graden hört der Widerstand aber ganz auf. Dabei mufs jedoch daran erinnert werden, dafs die bezeichnete Kraft allein auf die Überwindung des Widerstandes oder der Reibung sich bezieht, und keineswegs der Impuls, der die Masse in Bewegung setzt, hierin mit inbegriffen ist. Ein andrer Theil der Druckhöhe, nämlich die sogenannte Geschwin- digkeits-Höhe, theilt dem in die Röhre tretenden Wasser die Geschwin- digkeit mit, womit es diese durchfliefst. In dem obigen Ausdrucke für die Druckhöhe wird dieser Theil durch dasjenige Glied bezeichnet, welches die zweite Potenz der mittleren Geschwindigkeit als Factor enthält. Auch in Bezug auf dieses Glied gewährt die Untersuchung der mechanischen Ver- hältnisse unter Voraussetzung der angenommenen Bewegung, den grofsen Vortheil, dafs der eine Zahlen-Coefhieient seine volle Begründung findet. Indem wieder die obige Bezeichnung eingeführt wird; so ist die Masse einer sehr dünnen Röhre, deren Halbmesser 9 ist, gleich 2?ryurdr, daher die lebendige Kraft derselben dL=2r yu’rdr N) = Ir yv’ ar dr oder L=01. myv?o? Die Geschwindigkeit in der Axe ist das Dreifache der mittleren Geschwin- digkeit, daher L=327. myc?o* Diese lebendige Kraft erhält die Wassermenge beim Herabsinken von der Geschwindigkeits-Höhe 7’, daher auch L=4gryh'co’ auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 75 und wenn man beide Ausdrücke einander gleich setzt 2,7 ig c® = oder e= VW) = 0,7662 .2/(g h’) Der letzte Faetor ist nichts anders als der sogenannte Geschwindigkeits- Coefficient bei kurzen Ansatzröhren, dessen Werth sich aus den oben mit- getheilten Versuchen durchschnittlich gleich 0,76 ergab. Dagegen ist — = 0,0035982 allerdings grölser, als die oben aus den Beobachtungen mit den Röhrenleitungen gefundene Werthe. Der Überschußs vertritt indessen noch den zweiten Theil dieses Gliedes, der die Länge der Röhre als Factor enthält. Welche Bewandnifs es mit diesem zweiten Theile haben mag 5) ich nicht bestimmt anzugeben. Die oben mitgetheilten Resultate der Rech- weils nung wiesen so entschieden auf die Trennung hin, dafs ich sie nicht unter- lassen durfte, und die mechanischen Verhältnisse sind so eigenthümlich, dafs eine Verstärkung des Druckes nach Maafsgabe der Länge der Röhre sich zu begründen scheint. Die eintretende Wassermasse bewegt sich nämlich mit constanter Geschwindigkeit durch die ganze Röhre, weil der Querschnitt überall derselbe ist und keine andre Bewegung als in der Richtung der Axe stattfindet. Die Wassertheilchen behalten also ihre volle lebendige Kraft bei, während sie nichts desto weniger die Widerstände, denen sie begegnen, überwinden müssen. Man mufs annehmen, dafs durch die bewegte Wasser- masse hindurch, und zwar in der Richtung ihrer Bewegung, der Druck sich überträgt, wodurch vielleicht dieser Zusatz zu erklären ist. Der Werth von £’ ist bei 0 Graden gleich 0,00004208 und bei 80 Graden gleich 0,00001712. Wenn daher «' = 0,002307, so mufs bei 0 Gra- den für je 55 Zoll und bei 80 Graden für je 137 Zoll dieses «' oder der ur- sprüngliche Werth der Geschwindigkeitshöhe zugesetzt werden. Bei der un- regelmäfsigen Bewegung, die in engen Röhren bei höheren Temperaturen und in weiteren Röhren beständig stattfindet, treten ähnliche Verhältnisse nicht mehr ein, weil eben diese Bewegungen, die sich nach und nach ver- mindern, die erforderliche Kraft zur Überwindung der Widerstände darstel- stellen. K2 76 Hasen über den Einflufs der Temperatur 4. Untersuchung der Maxima und Minima der Geschwindig- keits-Scale. Indem ich die Geschwindigkeits-Scalen wieder in gröfserem Maafs- stabe zeichnete, und in einzelnen Fällen, wo die Beobachtungen gar zu weit auseinander lagen, auch die zahlreichen früheren Messungen benutzte, so er- gaben sich die nachstehenden Geschwindigkeiten c als Maxima und Minima, und zwar traten dieselben in den mit r bezeichneten Temperaturen ein: A. Für die enge Röhre: Maxima. Minima. 1. hA= 11,8 c=3,)0 T=18 | ce =318 = 325 2 8,08 29,9 24,5 27,0 35,5 3. 6,08 25,5 30 23,5 44 4. 4,08 20,4 37,5 19,1 60 5. 3,08 17,3 44 6. 2,08 | 14,0 54 B. Für die mittlere Röhre: 1. A= 11,48 c=2398 = 8 =%%5 = 2 2. 8,48 25,3 12,5 22,6 24,5 3. 6,48 21,7 16 19,7 26 4. 4,48 17,9 23 16,4 35 5. 348.1 15,7 27 6. 2,48 13,2 35 C. Für die weite Röhre: 2a hi=1621 e=N83 r= 9 3. 4,21 CHI BEE 18,8 14 4. 2,21 14,3 17,5 13,6 26 5 1,21 10,6 27 10,0 40 6 0,71 8,0 40 Eine gewisse Regelmäfsigkeit giebt sich schon aus dieser Tabelle zu er- kennen, zeigt sich aber viel auffallender, wenn man die Geschwindigkeiten als Ordinaten, und die Druckhöhen oder die Thermometergrade als Abseis- sen aufträgt. Man bemerkt alsdann, dafs die Curven für die drei Röhren ein- ander ähnlich sind, und dafs die Curven der Maxima denen der Minima ent- sprechen. Für alle diese Curven scheinen daher dieselben Gesetze zu gelten, während nur die constanten Coefficienten verschieden sind. Nichts desto auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 77 weniger sind die angegebenen Werthe der Geschwindigkeiten keineswegs als besonders genau anzusehn, und noch weniger ist dieses mit den Temperaturen der Fall, da die Lage der beiden Scheitelpunkte nicht direct gemessen war, sondern nur aus dem Zuge der Linien zu beiden Seiten hergeleitet werden konnte. Die folgende Untersuchung zeigt auch, dafs dabei nicht entfernt die- selbe Genauigkeit, wie für den ersten Schenkel der Curve, erreicht werden konnte. Die Werthe A in der vorstehenden Tabelle bezeichnen die ganzen Druckhöhen. Es leidet keinen Zweifel, dafs der früher gefundene Gegen- druck, den die Spannung der Oberfläche in dem ausfliefsenden Strahle aus- übt, wieder abgezogen werden mufs. Die alsdann noch bleibende Druck- höhe ist die Summe der Widerstandshöhe und Geschwindigkeitshöhe. Zunächst bemühte ich mich, die Beziehung zwischen dieser Druckhöhe und der Geschwindigkeit darzustellen, indem ich die Form W"=rec no sc” wählte. Dabei ergab sich aber, dafs sowol für die Maxima, als auch für die Minima der Coffieient r bei den Röhren A und B positiv, bei der Röhre C dagegen negativ wurde. Die Einführung eines dritten, von der Geschwindig- keit unabhängigen Gliedes änderte dabei nichts, und trug überhaupt nur we- nig zur Verminderung der übrig bleibenden Fehler bei. Auch die Form h—=n.c" gab kein befriedigendes Resultat, indem der Exponent x bald etwas gröfser und bald etwas kleiner, als zwei, sich darstellte. Unter diesen Umständen schien es mir am angemessensten, den einfachsten Ausdruck, nämlich 2 ‚ een, zu wählen. Die Werthe von m und deren wahrscheinliche Fehler ergaben sich alsdann für die Maxima bei der Röhre A... m = 109,8 wahrsch. Fehler — 1,0 BD, a, = 175 CR - w I Ne) so [> } I [97 er 78 Hasen über den Einflufs der Temperatur für die Minima bei der Röhre A...m= 9,3 wahrsch. Fehler = 0,5 Iyocnoı = 0,3 een A 1,4 II Diese Werthe beziehn sich sowol auf die Widerstands-Höhen, als auf die Geschwindigkeits- Höhen : trenne ich dieselben, indem ich wieder den Ge- schwindigkeits-Coefficienten für kurze Ansatzröhren gleich 0,76 annehme, so findet sich der Coefficient der Widerstandshöhe M= 1 — 0,0023073 zn daher Maxima Minima bei der Röhre A... M = 0,00680 M — 0,00840 ö = 0,01098 == 0,0139 CET EHE 0,0070% — 0,00919 Man bemerkt leicht, dafs die Factoren M bei den verschiedenen Röhren den Quotienten = ungefähr proportional sind, und es ergiebt sich daher allge- mein die Widerstandshöhe 4 für die Maxima H = 0,00002095 für die Minima H = 0,00002573 Die Beziehung zwischen der Temperatur und der Ge- schwindigkeit ergab sich sehr einfach, indem für die einzelnen Röhren und zwar sowohl in den Maximis, als in den Minimis, die oben eingeführten Gröfsen £, die allein von der Temperatur abhängen, sehr nahe den Ge- schwindigkeiten proportional sind. Mit Ausschlufs der einen Beobachtung bei der Temperatur von 60°, wobei in der That die sehr flache Curve die Lage des Scheitelpunktes am wenigsten mit Sicherheit erkennen läfst, erge- ben sich folgende Mittelwerthe für die Maxima bei der Röhre A... BB 0,0000007055 B © — 0,0000012090 C — 0,0000017993 ST de) auf die Bewegung des Wassers in Röhren. für die Minima bei der Röhre A... B,se 0,0000005253 B “ = 0,0000009298 & — 0,0000014394 Diese Werthe sind augenscheinlich nur von den Weiten der Röhren, aber nicht von deren Längen abhängig, und man findet für die Maxima 2 = - 0,000000263 + 0,00001836. p c und für die Minima 2 = — 0,000000263 + 0,00001509. 9 Substituirt man den oben gefundenen Werth ß = 0,00006338 — 0,000014413. Vr so folgt für die Maxima Vr = 4,397 + 0,0182. c — 1,274. ge und für die Minima 3 Vr = 4,397 + 0,01825. c — 1,047. gc Indem ich in diese Ausdrücke die oben angegebenen Werthe von c einführe, und die Thermometer-Grade r berechne, so finde ich den wahrscheinlichen Fehler in der Bestimmung der letztern für die Maxima gleich 1,30 Grade und für die Minima gleich 1,84 Grade. Wichtig ist noch die Untersuchung, in welchem Falle die Maxima und Minima in oder unter den Gefrierpunkt fallen. Indem man z gleich Null setzt, erhält man für die Maxima m 4,397 1,274. g — 0,01825 oder mit Vernachlässigung des zweiten Gliedes im Nenner 3,452 c=—— eg und für die Minima u e= — 1,047. — 0,01825 alla [I oder 4,200 s0 Hasen über den Einflufs der Temperatur Bei einer Röhre von 4 Zoll Weite wird demnach die Geschwindigkeit schon im Gefrierpunkte ein Maximum, wenn sie alsdann 1,7 Zoll beträgt. Hierdurch erklärt es sich, dafs in den gröfseren Röhrenleitungen, worin theils stärkere Geschwindigkeiten stattfinden, theils auch die lichten Weiten, oder die Werthe von o bedeutender sind, die Maxima und Minima gar nicht be- obachtet werden können. Im Vorstehenden sind die Beziehungen zwischen den Widerstandshö- hen, Temperaturen und Geschwindigkeiten aus den beohachteten Maximis und Minimis der letztern hergeleitet, ohne die Frage zu berühren, aus wel- chem Grunde bei gewissen Temperaturen unter übrigens gleichen Um- ständen die Geschwindigkeiten Maxima und Minima werden. Die Beob- achtungen gaben zur Erklärung dieser auffallenden Erscheinung schon eine sehr wichtige Andeutung. Indem ich nämlich den ausfliefsenden Strahl stets vor Augen hatte, so bemerkte ich, dafs sein Verhalten beim Ausspritzen aus der Röhre nicht immer dasselbe blieb. Bei geringen Temperaturen stand er ganz unbeweglich, als wenn er ein fester Glasstab wäre. Sobald das Wasser dagegen stärker erwärmt war, stellten sich sehr auffallende Schwankun- gen in kurzen Perioden ein, die bei weiterer Erwärmung des Wassers sich zwar mälsigten, aber doch bis zu den höchsten Temperaturen nicht ganz verschwanden. Indem ich anfangs vermuthete, dafs diese Bewegungen von irgend welchen äufseren Störungen herrühren möchten, und die betreffen- den Beobachtungen daher weniger sicher wären, als die andern, so bezeich- nete ich sie als zweifelhaft. Bei jeder Wiederholung des Versuchs, wieder- holte sich indessen dieselbe Erscheinung, und als ich endlich die graphische Zusammenstellung machte, fand ich, dafs die stärksten Schwankungen sich jedesmal in dem Theile der Curve gezeigt hatten, wo die Geschwindigkeit bei zunehmender Temperatur abnahm. Hieraus ergiebt sich, dafs die innern Bewegungen sich bilden, oder wenigstens sehr stark zunehmen, sobald die Geschwindigkeit das Maxi- mum erreicht, und die Vermuthung liegt sehr nahe, dafs diese innern Bewe- gungen die Ursache sind, weshalb die mittlere Geschwindigkeit bei weiterer Erwärmung des Wassers sich nicht vergröfsern kann, sondern sich sogar ver- kleinert. Die bisher mit c bezeichnete Geschwindigkeit ist nämlich aus der ausfliefsenden Wassermenge hergeleitet; sie ist daher nur in der Richtung der Röhrenaxe gemessen und bezieht sich nicht auf die innern Bewegungen auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 51 und Wirbel. Sie stellt daher keineswegs die ganze Bewegung des Wassers dar, vielmehr nur denjenigen Theil derselben, der das Fortschreiten der ganzen Masse bezeichnet. Besondere Beobachtungen, die ich mit Glasröhren anstellte, zeigten beide Arten der Bewegungen sehr deutlich. Indem ich durch dieselbe Röhre zugleich mit dem Wasser auch Sägespähne hindurch treiben liefs; so bemerkte ich, dafs dieselben bei geringem Drucke nur in der Richtung der Röhre fortschritten, bei starkem Drucke dagegen, von der einen Seite zur andern geschleudert wurden, und oft in wirbelnde Bewegung geriethen. Man darf hiernach wohl annehmen, dafs die Temperatur-Zunahme ganz allgemein die Beweglichkeit des Wassers und sonach auch die absolute Geschwindigkeit desselben in der Röhre vergröfsert. Diese Vergröfserung giebt sich sehr deutlich in der Ergiebigkeit der Röhrenleitung zu erkennen, so lange die Bewegung nur der Röhre parallel ist. Sobald aber die Wider- stände sich soweit vermindert haben, dafs die Spannung aufhört und das Wasser, indem es dem Impulse frei folgt, dem Drucke ganz entzogen wird, so hindert nichts das Entstehen der innern Bewegungen, welche durch jede kleinste Unregelmäfsigkeit der Röhrenwand, oder vielleicht auch schon durch das Eintreten in die Röhre veranlafst werden. Diese Bewegungen nehmen einen Theil der einwirkenden lebendigen Kraft auf, und schwächen dadurch die fortschreitende Bewegung, die allein gemessen werden kann. Letztere wird daher bei einer gewissen Temperatur ein Maximum. Indem die Ausdehnung der innern Bewegungen aber ihre Grenze hat, so verstärkt sich bei höheren Temperaturen aufs Neue die ausflielsende Wassermenge, oder jene beobachtete Geschwindigkeit hat nicht nur ein Maximum, sondern auch ein Minimum. Die obige Untersuchung über die regelmäfsige Bewegung des Wassers bei geringeren Temperaturen läfst schon den Umstand errathen, der bei zu- nehmender Beweglichkeit das Aufhören der Spannung veranlassen mufs. Die Geschwindigkeit nimmt nämlich mit dem Abstande von der Röhrenwand zu, und am grölsten ist siein der Axe der Röhre. Sie milst daselbst das drei- fache der mittleren Geschwindigkeit, und wenngleich letztere immer unter derjenigen bleibt, welche die Druckhöhe erzeugen würde, falls gar keine Widerstände vorhanden wären, so kann doch die Geschwindigkeit des mitt- Math. Kl. 1854. L 82 Hacrn über den Einflufs der Temperatur leren Fadens diese Grenze erreichen, und sobald dieses geschieht, hört die Spannung darin auf, und die innern Bewegungen beginnen. Wenn man das erste Glied, welches den Gegendruck der Capillar- Attraction darstellt, von der ganzen Druckhöhe abzieht, so ist nach der obi- gen Entwickelung die Druckhöhe, die im vorliegenden Falle in Betracht kommt, 2 Be a, ’ AT ER: (ea)? ° 00 (a) Der Einfachheit wegen und insofern eine grofse Genauigkeit in dieser Unter- m h= &) suchung doch nicht erreicht werden kann, führe ich einen mittleren Zahlen- werth für « + £'lein, und setze aufserdem, wie schon früher geschehn 2 g Ei (ea)? Zr Alsdann ist — Er v + 0,0036 v? a v ist die mittlere Geschwindigkeit in demjenigen Theile der Röhren- öffnung, worin überhaupt Bewegung stattfindet, und die Geschwindigkeit des mittleren Fadens ist gleich 3v. Wenn diese letzte Geschwindigkeit der Druckhöhe A, als der zugehörigen Fallhöhe, entsprechen soll, so ist 9.0” —4gh Hiernach kann man v durch A ausdrücken, und man erhält eine Gleichung, welche die Beziehung zwischen A und @ angiebt, nämlich ß 1 'h = 13,117 ——— It (ee)? Führe ich statt @ den oben gefundenen Werth =) 2 = 0,00006333 — 0,000014413. Vr ein, so erhalte ich (ea)? 1 3 Vr = 4,3975 — 5318,0 Vh Die Dimensionen der Röhren 9 und / sind eigentlich auch von der Tempera- tur abhängig, doch darf man wieder diese geringen Verschiedenheiten ver- nachlässigen, wenn man eine mittlere Temperatur voraussetzt. Ich habe demnach die Werthe von / und p für r = 25° zum Grunde gelegt. Hiernach finde ich diejenigen Temperaturen, in welchen die Spannung des mittleren Fadens für die beobachteten Druckhöhen aufhört: auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 83 Bei der Röhre A. fürk= 1088...r= 5,08 = 788 = 950 = 588 = 14,32 = 3,588 = 21,91 —= 2,388 = 27,53 = 188 = 34,60 Bei der Röhre B. fürk = 1131... .7r= 69 = 831 —= 11,56 = 631 —= 16,29 = 434 = 23,30 = 334 = 25,25 = 2,34 —= 314,33 BeiderRöhreC. fürrh= 41l5...r = 0,89 = 2115 = 75 —_ NE — 1 We) = 0,615 —= 28,93 Vergleicht man diese Temperaturgrade mit den oben angegebenen, welche dem Maximum der Geschwindigkeit entsprechen, so stimmen sie bei der Röhre B so genau überein, wie man irgend erwarten kann, indem der wahr- scheinliche Fehler nur etwa einen halben Grad beträgt. Bei beiden andern Röhren zeigen sich dagegen sehr bedeutende, jedoch nahe constante Diffe- renzen. Bei der Röhre 4 sind nämlich die Temperaturen, wobei das Maxi- mum der Geschwindigkeit eintritt, durchschnittlich um 14 Grade, und bei der Röhre C um 10 Grade grölser, als die letztere Formel angiebt. Hier- nach ist eine gewisse Beziehung zwischen beiden Temperaturen unverkenn- bar, und der Umstand, dafs die Abweichungen um so gröfser werden, je kürzer die Röhre vergleichungsweise zu ihrer Weite ist, läfst vermuthen, dafs die Länge ein gewisses Vielfaches der Röhrenweite sein mufs, damit beim Aufhören der Spannung im mittleren Faden sogleich das Maximum der Geschwindigkeit eintritt, dafs aber bei kürzeren Röhren die innern Bewegun- gen weniger Einflufs haben, und die ausfliefsende Wassermenge bei der zu- nehmenden Beweglichheit sich noch vermehrt, wenn auch bereits im Kerne des Wassereylinders ein Theil der lebendigen Kraft vernichtet wird. L2 84 Haczn über den Einflufs der Temperatur 5. Untersuchung des zweiten Schenkels der Geschwindigkeits- Scale. Es ist bereits bemerklich gemacht, dafs in weiteren Röhren die Maxima und selbst die Minima der Geschwindigkeiten gemeinhin gar nicht vorkom- men, weil sie zu Temperaturen gehören, die unter dem Gefrierpunkte liegen. Die Bewegung des Wassers in den gewöhnlichen Röhrenleitungen erfolgt da- her nach denjenigen Gesetzen, welche die zweiten Schenkel der Geschwin- digkeits-Scalen darstellen. Die Anzahl der hieher gehörigen, oben mitge- theilten Beobachtungen ist weniger zahlreich, weil ihre Ausführung grofse Schwierigkeiten bot: nichts desto weniger scheinen sie doch zur Herleitung der Gesetze sich zu eignen, und vor allen sonstigen Beobachtungen nicht nur den Vorzug zn haben, dafs die Temperaturen dabei angegeben sind, sondern dafs sie auch in der Genauigkeit der ganzen Messung jene übertreffen. Für die Temperatur von 50 Graden liefsen sich die Geschwindig- keiten bei den verschiedenen Druckhöhen und zwar in allen drei Röhren mit mehr Sicherheit, als bei andern Wärmegraden, ermitteln. Ich legte da- her diese Temperatur zum Grunde, um die Gesetze der Bewegung herzu- leiten. Diese Geschwindigkeiten sind: Röhre 4....ı. A= 11,08 c = 32,85 2. = 8,08 = 277,52 3. = 6,08 = 23,60 Röhre Z....ı. A=1148 c = 28,43 2. = 848 = 23,75 3. = 6,8 = 20,40 4. = 4,48 = 16,58 Röhre C....ı. hA= 821 c = 29,48 2. = 621 = 25,22 3. = 421 = 20,75 4. =. 221 = 14,21 5. = 121 = 10,10 Zunächst versuchte ich dieselbe Form des Ausdruckes für die Ge- schwindigkeit, die bei der Untersuchung des ersten Schenkels sich als pas- send dargestellt hatte, nämlich Ri rl-4=is}ic Eee Diese Annahme erwies sich aber als ganz unstatthaft, denn die wahr- auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 85 scheinlichsten Werthe der Constanten liefsen keine einfachen Beziehungen zu den Längen und Weiten der drei Röhren erkennen: am auffallendsten war es aber, dafs die Constante r für die Röhre A negativ wurde, während sie für B und C positiv war. Um zu ermitteln, ob eine höhere, oder vielleicht eine gebrochene Po- tenz von c eingeführt werden müsse, um die Widerstandshöhe darzustellen, verminderte ich zunächst die Druckhöhe um dasjenige Glied, welches den Gegendruck der gespannten Oberfläche im ausfliessenden Strahle bezeichnet, und sodann auch um die Geschwindigkeitshöhe, indem ich für letztere den Geschwindigkeits- Coefficient k = 0,76 einführte, oder diese Geschwindig- keitshöhe gleich 0,0023073. c? setzte. Hierdurch erhielt ich die folgenden Widerstandshöhen HZ für die Röhre A... 8,397 ... 6,139 und 4,602 für die Röhre B... 9,480 ... 7,045 ... 9,386 und 3,712 für die Röhre C ... 6,114... 4,651 ... 3,126... 1,653 und 0,884 Indem ich nunmehr H=nc oder lg =logn-+x logc setzte, fand ich die nachstehenden Werthe von x und deren wahrscheinliche Fehler für A... x = 1,7949, wahrsch. Fehler = 0,0690 für B....... — 1,4393 —= 0,0181 Die € 34.4.1 1,7987 — 0,0168 Hiernach durfte ich keinen Anstand nehmen, x = 1,75 zu setzen, also dem Exponenten von c wieder denselben Werth zu geben, den Wolt- man dafür schon im vorigen Jahrhunderte vorgeschlagen hatte. , (Beiträge zur hydraulischen Architectur. Band I. 1791. Seite 165 ff.) Unter dieser Voraussetzung sind die wahrscheinlichsten Werthe der Coefficienten n für die Röhre A... n = 0,01845 Bi 2. (ı=.0,02735 C.... = 0,01593 Ss6 Hasen über den Einflufs der Temperatur Um zu ermitteln, welche Beziehung zwischen n und 9 stattfindet, setzte ich n = Imp? und fand, indem ich für Z und p die zur Temperatur von 50 Graden gehö- rigen Werthe einführte y= — 1,2470 mit d. wahrsch. Fehler = 0,0108. Der Exponent von 9 durfte sonach = — 1,25 gesetzt werden, und der Aus- druck nahm die Form an H—nlos oe Unter gleichmäfsiger Berücksichtigung aller einzelnen Beobachtungen fand ich H = 0,00002657. 1. ch“ und der wahrscheinliche Fehler von m war — 0,000000355 Die Angemessenheit dieser Herleitung bedurfte indessen noch in zwei- facher Beziehung einer nähern Begründung. Zunächst entstand nämlich die Frage, ob nicht vielleicht in gleicher Weise, wie bei Betrachtung des ersten Schenkels, so auch hier eine bessere Übereinstimmung herbeizuführen sei, wenn man wieder eine ruhende Schicht zunächst der Röhrenwand annimmt, oder die Halbmesser g um eine gewisse constante Gröfse « vermindert. Ich setzte demnach die drei gefundenen Werthe der ersten Constante Im Mm — G-0° und berechnete daraus die drei Unbekannten m, « und y. Der Exponent y fand sich etwas gröfser, als früher‘, nämlich nahe 1,4. Dagegen wurde «—= — 0,0112, oder man mufste den Radius um diese sehr bedeutende Quantität vergröfsern, wenn man die Werthe von n in volle Übereinstim- mung bringen wollte. Eine solche Vergröfserung ist indessen ganz unmög- lich, daher bleibt die wahrscheinlichste Voraussetzung, dafs « = ist. Es ist auch denkbar, dafs die unregelmäfsigen innern Bewegungen sich über den ganzen Querschnitt der Röhre ausdehnen, und dafs selbst die neben der Röhrenwand befindlichen Wasserschichten daran Theil nehmen. Sodann fragte es sich, ob die Geschwindigkeitshöhe, die ich gleich 0,0023073. c’ gesetzt hatte, die richtige sei. In diesem Ausdrucke ist näm- lich nur diejenige Geschwindigkeit berücksichtigt, welche sich in der aus- auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 87 fliefsenden Wassermenge zu erkennen giebt, oder deren Richtung der Röh- renaxe parallel ist. Die Geschwindigkeit ist aber wirklich viel gröfser, und sonach wäre es nicht unwahrscheinlich, dafs bei Untersuchung dieser Art der Bewegung der Coefficieut desjenigen Gliedes vergröfsert werden mülste, welches die zweite Potenz der aus der Wassermenge hergeleiteten mittleren Geschwindigkeit als Factor enthält. Ich habe in dieser Beziehung die vor stehende Untersuchung vollständig wiederholt, indem ich zuerst die Druck- höhen, nachdem ich den Gegendruck der Spannung abgezogen hatte, für die einzelnen Röhren Re Eee setzte. Die Werthe von i fielen dabei ziemlich unregelmäfsig aus, doch wa- ren sie durchschnittlich etwa um die Hälfte gröfser, als sie früher gefunden sind. Der Exponent ., gleichfalls mit grofsem wahrscheinlichen Fehler be- haftet, stimmte ziemlich nahe mit dem früher gefundenen überein. Wählte ich sodann wieder zur Vergleichung der für die drei Röhren gefundenen Re- sultate die Form so stellte sich auch für y wieder nahe der frühere Werth heraus, wogegen sehr bedeutende Differenzen zwischen dem zum Grunde gelegten und den berechneten Werthen von n blieben. Unter diesen Umständen durfte ich die Exponenten x und y als be- kannt ansehn, und sie gleich 1,75 und 1,25 setzen, so dafs nur die beiden Factoren / und m zu bestimmen waren. Ich führte daher alle einzelnen Be- obachtungen in die Formel R—ıe ml" cn. ein, und fand als wahrscheinlichsten Werth —= 0,0023547 also sehr nahe übereinstimmend mit der zuerst gemachten Voraussetzung. Der Unterschied erreichte aber noch nicht den wahrscheinlichen Fehler, und sonach war kein Grund vorhanden, die frühere Annahme 2 = 0,0023073 zu verändern. Man mufs hiernach annehmen, dafs diejenige Geschwindigkeit, welche normal gegen die Axe gekehrt ist, und welche die innern Bewegungen er- 88 Hasen über den Einflufs der Temperatur zeugt, ausschliefslich in dem zweiten Gliede des obigen Ausdruckes oder in der Widerstandshöhe ihre Berücksichtigung findet. Diese innern Bewegun- gen mäfsigen sich aber wahrscheinlich, während das Wasser die Röhre durch- fliefst, und indem dadurch die lebendige Kraft sich nach und nach vermin- dert, so stellt sich in der ganzen Länge der Röhre die nöthige Kraft dar, um die Widerstände zu überwinden, ohne dafs der Druck unmittelbar übertra- gen werden darf. Nach diesen Untersuchungen schien sowol die oben angenommene Gröfse der Geschwindigkeitshöhe, als auch die gefundenen Exponenten von o und c begründet, und ich habe demnach bei der Untersuchung anderer Temperaturen für die Widerstandshöhe die Form mie Ne zum Grunde gelegt. Da aber in allen Fällen die Beobachtungen sich in be- friedigender Art hieran anschlossen, auch die übrigbleibenden Fehler keine Regelmäfsigkeit zeigten, und sonach als Beobachtungsfehler angesehn werden konnten; so lag hierin eine neue Bestätigung für die Richtigkeit dieser An- nahme. Für die Temperatur von 65 Graden waren die Geschwindigkei- ten folgende: für die Röhre A... Ah MMNosWe ce — 133160 — 3,08 — 28,00 — 6,08 — 23,98 — 1,08 = 19,08 für die Röhre B...Ah= 648...c= 20,9 für die Röhre C...h= 3,1...c= 30,50 — — 25,94 = 223 — 11,61 he = 10,30 Hieraus ergeben sich die Widerstandshöhen für A... H= 8,290... 6,085... 4,568 und 3,054 für B... H = 5,342 für C...4=5,96.. . 4,570... 4,629 und 0,878 und m = 0.00002521 mit dem wahrscheinlichen Fehler 0,000000 179. Für die Temperatur von 35 Graden fand ich die Geschwindig- keiten und Widerstandshöhen auf die Bewegung des Wassers in Röhren. Röhre A... A=1,8...c=319.. Röhre B...A=1,j8...c= 273 —=18,48 3, — = 19,93 Röhre C...2R= 321...C= 3286 0121 = — u = 198 = 221 — 443,75 Die Rechnung ergab m —= 0,00002374 mit dem wahrscheinlichen Fehler 0,000000212 Für die Temperatur von 25 Graden RöhreB...h=1,18...c=%17.. =: 8,18 = 22,6 Röhre C...h= s21...0c=23,0..: — —; FEAT — 21 19535 = 2321 — 13,5 Hieraus ergiebt sich m = 0,00003030 mit dem wahrscheinlichen Fehler 0,000000292 Für die Temperatur von 15 Graden Röhre,C u... A821... c=21724.. 6,21 4,21 — 23,2 — 813 Der Werth der Constante ist m — 0,00003270 mit dem wahrscheinlichen Fehler 0,000000401. H .H = 3,532 .H = 9621 == 7,110 — 5,425 —16,227 = 4,129 = 3,210 1,679 .H = 9,693 = 7,158 «H = 6,304 = 4,198 = 3,249 == 1,693 . H= 6,399 4,869 3,300 I 89 Endlich hatte ich für die Temperatur von 6 Graden noch eine einzelne Messung kön BZ Maar; 6,475 woraus folgte m — 0,00003450 Die Werthe von m sind demnach bei den verschiedenen Tempera- turen : r= 6°... m = 0,00003450 Math. Kl. 1854. M 90 Hagen über den Einflufs der Temperatur = .15°...m = 0,00003270 — 25° — 0,00003030 — 35° — 0,00002874 — 50° — 0,00002657 — 65° — 0,00003521 Indem ich die Beziehung zwischen r und m zunächst in derselben Art, wie für den ersten Schenkel gefunden, durch die Form m=r—s Vr auszudrücken versuchte, so fand ich nach der Methode der kleinsten Qua- drate: m = 0,000042939 — 0,0000043778. Vr Die Vergleichung der hiernach berechneten Werthe mit den obigen zeigte indessen Unterschiede, die sehr regelmäfsig zunahmen, woher eine andere Form des Ausdruckes gesucht werden mufste. Die Übereinstimmung wurde ganz befriedigend, sobald ich statt der dritten Wurzel des Thermometer- Grades, die zweite einführte. Hierdurch ergab sich m —= 0,000038941 — 0,0000017185. Vr Die wahrscheinlichen Fehler sind für die erste Constante 0,0000000397 für die zweite - 0,0000002268 Die Summe der Quadrate der übrig bleibenden Fehler ist bei der letzten Annahme noch nicht halb so grofs, als sie bei der Einführung der dritten Wurzel von 7 war. Dieser letzte Ausdruck m = 0,0000017185 (22,62 — Vr) ergiebt, dafs bei 0°... m = 0,00003894 bei 80°... = 0,00002357 ist, oder dafs m bei der Erwärmung des Wassers vom Gefrierpunkte bis zum Siedepunkte sich nahe um vier Zehntel seines Werthes vermindert. Es leidet wohl keinen Zweifel, dafs dieser Factor m zum Theil von der Reibung abhängt, welche die bewegten Wassertheilchen erfahren, woher er zu dem oben untersuchten Widerstands - Coefficient 8 in gewisser Be- ziehung stehn mufs. Beide vermindern sich bei zunehmender Temperatur, wenn indessen für siedendes Wasser % gleich Null wird, m dagegen noch auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 91 einen bedeutenden Werth behält; so erklärt sich dies durch die innern Be- wegungen, deren Darstellung einen grofsen Theil der lebendigen Kraft con- sumirt, und die bei der zunehmenden Beweglichkeit des Wassers keineswegs aufhören, sondern sich wahrscheinlich sogar verstärken. Hiernach steht die- ses Resultat nicht in Widerspruch zu dem früher gefundenen. Eine nähere Begründung dieser zuletzt gefundenen Resultate und eine Erklärung der Potenzen, in welchen die mittleren Geschwindigkeiten und die Halbmesser der Röhren vorkommen, vermag ich nicht zu geben. 6. Vergleichung der gefundenen Resultate mitden an gröfse- ren Leitungen angestellten Beobachtungen. Die Anzahl dieser Beobachtungen, soweit solche bekannt geworden, ist überaus geringe, und noch mehr mufs es befremden, dafs sie ohnerach- tet ihrer grolsen practischen Wichtigkeit, dennoch meist höchst unzuverläs- sigssind. Der Grund, weshalb man sie durch keine sichern Messungen in neuerer Zeit vervollständigt hat, liegt zum Theil in der Schwierigkeit, womit deren Anstellung verbunden ist, vorzugsweise scheint hierzu indessen der Glaube Veranlassung gegeben zu haben, dafs der Gegenstand durch die oben erwähnten Untersuchungen von Prony und Eytelwein bereits erschöpft sei. Die Beobachtungen, welche Dubuat, Woltman, Prony und Ey- telwein ihren Untersuchungen zum Grunde legten, sind vorzugsweise die- jenigen, die Couplet schon im Jahre 1732 der Pariser Academie vorlegte, und die sich auf verschiedene ausgedehnte Röhrenleitungen bei Versailles beziehn, so wie auch die von Bossut angestellten Messungen. (Dieselben sind im traite d’hydrodynamique Bd. II. ausführlich mitgetheilt.) Aufser diesen sind noch einige Beobachtungen benutzt, welche Dubuat machte. Die Beobachtungen von Couplet, deren Zahl im Ganzen fünfzehn beträgt, beziehn sich auf Leitungen von 4 bis 18 Zoll Weite und von 1700 von 11400 Fuls Länge. Wie wichtig sie indessen wegen der sehr bedeuten- den Dimensionen auch erscheinen, so sind sie doch in anderer Beziehung wenig geeignet, einer Theorie zum Grunde gelegt zu werden. Unter allen Röhrenleitungen, die benutzt wurden, befand sich keine einzige, die ganz gerade war: mehrere hatten sogar sehr scharfe Krümmungen, und in andere trat das Wasser ein, oder aus, durch besondere senkrechte Zweigröhren. M2 92 Hagen über den Einflufs der Temperatur Über die sorgfältige Ausführung und genaue Zusammensetzung der Röhren, und ob sie von erdigen Niederschlägen und Luftansammlungen ganz frei wa- ren, wird nichts mitgetheilt. Die Resultate dieser Beobachtungen schliefsen sich an keine Theorie vollständig an, daher hat schon Dubuat und ebenso auch Prony und Eytelwein einen grofsen Theil dieser Messungen ganz unbeachtet gelassen. Weit zuverlässiger sind die Beobachtungen von Bossut, die ich ‚voll- ständig berechnet habe. Endlich hat der englische Ingenieur Provis noch in neuerer Zeit eine grofse Anzahl Messungen mit 14 zölligen Röhren ange- stellt (Transactions of the Institution of eivil Engineers. Bd. II.), die jedoch unter sich sehr wenig übereinstimmen. Die Beobachtungen von Bossut beziehn sich auf drei Röhren- leitungen von 1, 14 und 2,01 Pariser Zoll Weite. Die erste Röhre war nur 30 Fufs lang, die beiden andern wurden dagegen in Längen von 30, 60, 90, 120, 150 und 180 Pariser Fufs dargestellt. Für jede dieser Röhren betrug die Druckhöhe, oder die Niveau - Differenz zwischen dem Wasserspiegel im Speisebassin und der Mitte der Ausflufsmündung (oder dem Wasserspiegel in dem Bassın, in welches die Röhre eintrat) einmal 12 Zoll und einmal 24 Zoll. Je zwei an derselben Röhre gemachte Messungen ergeben sonach schon die Beziehung der Druckhöhe zur Geschwindigkeit. Um die Wider- standshöhe zu finden, mufs man indessen von der Druckhöhe die Geschwin- digkeitshöhe abziehn, und letztere ist unter Zugrundelegung des Pariser Zoll- maalses —= 0,002229.c? Die Berücksichtigung des Gegendruckes, der aus der Spannung der Ober- fläche in den frei austretenden Strahlen entspringt, durfte unterbleiben, da derselbe bei der Weite der Röhren ganz unmerklich wird. Wenn ich die Widerstandshöhe wieder einer unbekannten Potenz der mittleren Geschwindigkeit proportional setzte, so ergab sich dieser Exponent x für die Röhre von 1 Zoll Weite und 360 Zoll Länge... x = 1,81 von 14 „ u „ 360 Zoll Länge... x = 1,77 BL HER h az20 Zoll. “, = 1,75 BR, anti, r „1080 Zoll ,, — 1,74 ea; ri 014407011305, = 4,73 x mo), a „ 1800 Zoll „ — ll zfıl „2160 Zoll „ — 1,69 auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 93 von 2,04 Zoll Weiteund 360 Zoll Länge ... == 1,77 5 aus „ 0,000720,Zollin,, — ars n „ınmy „elsd080 Zoll X, 1,68 ” el FRE EAN Zolla", —e 7,1 » che + 39.4800:Z010V, 1,68 5 AT, sh 2160 Zollo.,, = 1,65 Der mittlere Werth des Exponenten ist also 1,725 und der wahrscheinliche Fehler dieser Bestimmung 0,0305. Man kann daher, ohne die Grenze des wahrscheinlichen Fehlers zu überschreiten, x = 1,75 setzen. Wenn ferner angenommen wird, dafs die Widerstandshöhe der Länge der Röhre proportional ist, also H = ulc"" so ergiebt sich für die drei Röhren die Constante » und deren wahrscheinli- cher Fehler W fürg=0,5 8 = 0,00007742 2... W = 0,00000142 für g = 0,6667... . u = 0,00006054 . . . W = 0,00000141 für g = 1,005... = 0,00003751 .. . W = 0,00000075 Um die Beziehung zwischen dieser Gonstante » und dem Halbmesser der Röhre zu finden, setze ich n=m.g”’ Die vorstehenden drei Werthe von u ergeben nach der Methode der klein- sten Quadrate y = 1,0461 also nahe Wins. Bei der Einführung dieses Exponenten zeigen sich jedoch sehr starke Abweichungen und namentlich ist dieses in dem zweiten Werthe von «der Fall. Offenbar haben auch die drei Werthe ganz ungleiches Ge- wicht, weil der erste nur auf zwei, die beiden letzteren aber auf je zwölf Beobachtungen beruhn. Vergleiche ich nur die Resultate, die aus den Be- obachtungen mit der mittleren und der weiten Röhre hergeleitet sind, so fin- det sich y— 1,166 also schon sehr genähert dem obigen Werth. In der Voraussetzung, dafs der Exponent — 1,25 auch hier gilt, findet man durch Einführung desselben in die 26 einzelnen Beobachtungen m — 0,00003676 mit dem wahrscheinlichen Fehler 0,00000125 94 Hacew über den Einflufs der Temperatur Redueirt man diese Constante auf Rheinländisches Zollmaafs, so wırd m —= 0,00003613 oder die Beobachtungen von Bossut ergeben in letzterem Maafse als wahr- scheinlichsten Werth 3 =:0,00005132 Le.” Nach Obigem ist die Constante von der Temperatur abhängig, man kann daher aus ihr die Temperatur ableiten, welche das Wasser bei der Be- obachtung hatte. Diese ergiebt sich nach der früher aufgestellten Formel m=r—sVr 7 = 2,3 Grade Wenn man dagegen m um die Gröfse des wahrscheinlichen Fehlers verän- dert; so ergiebt sich schon 7 = 5,9 Grade Es ist jedoch anzunehmen, dafs die Röhren, die Bossut benutzte, weder so vollständig eylindisch, noch auch so sorgfältig zusammengesetzt waren und stets so vorsichtig gereinigt wurden, wie mein Apparat, woher der Wider- stand etwas gröfser, als in regelmäfsigen Röhren sich herausstellen mufste. Jedenfalls ist die Übereinstimmung dieses letzten Resultats so vollständig, dafs sie nicht nur den Zweifel in Betreff der Potenz des Radius beseitigt, sondern auch eine sehr befriedigende Bestätigung des aus meinen Messungen hergeleiteten Gesetzes giebt‘ Noch mufs erwähnt werden, dafs bei den Röhrenweiten und Geschwin- digkeiten, welche in diesen sämmtlichen Beobachtungen vorkommen, die Maxima und Minima der Geschwindigkeiten unter den Gefrierpunkt treffen. Ganz dasselbe ist auch bei den von Couplet angestellten Beobach- tungen der Fall, die ich noch kurz mit der obigen Formel vergleichen will, indem ich die Temperatur von 9 Graden voraussetze. Dabei sind die Wider- standshöhen in Rheinländischen Zollen, alle übrigen Gröfsen aber im alten Pariser Maafse ausgedrückt. In einer vierzölligen Röhre von 1781 Fufs Länge bildeten sich bei dem Drucke von 9... 21 und 31 Zoll die Geschwindigkeiten von 2,07. . 3,39 und 4,60 Zoll. Die Widerstaudshöhen waren sonach in Rheinländi- schem Maafse 9,31... 21,73 und 32,08 Zoll, während sie nach meiner Formel bei regelmäfsigen cylindrischen Röhren nur 1,15... . 2,73 und 4,66 auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 95 Zoll betragen durften. Das Verhältnifs dieser berechneten Widerstandshö- hen zu den wirklich vorhandenen stellt sich in allen drei Beobachtungen ziemlich nahe auf 1 zu 8. Diese Beobachtungen schliefsen sich auch an keine der sonst aufgestellten Theorien an, und sind daher immer unbeachtet ge- blieben. Die wichtigste Beobachtungsreihe, die bei allen spätern Untersuchun- gen auch vorzugsweise benutzt ist, bezieht sich auf eine fünfzöllige Röhre von 7021,6 Fufs Länge. Couplet sagt, dafs dieselbe mehrere Biegungen mache: er gab ihr nach einander den Druck von 5 Zoll 7 Linien, 11 Zoll 4 Linien, 16 Zoll 9 Linien, 21 Zoll 1 Linie, 24 Zoll und 25 Zoll. Dabei ergaben sich die Geschwindigkeiten von 2,01 ...3,15...4,13... 4,81... 5,21 und 5,32 Zoll. Die Widerstandshöhen waren wirklich 5,78 2... 141,73. ..17,34 .... 21,83... 24,84 und 25,87 Rheinländische Zolle, während sie nach der obigen Formel 3,24...7,13...11,43... 14,92 ... 17,21 und 17,84 Zoll desselben Maafses sein sollten. Die Verhältnisse der Zahlen in beiden Reihen sind nicht constant, verändern sich vielmehr ziemlich regelmäfsig, indem sie von 1 : 1,8 bis 1 : 1,45 übergehn. Bei einem Versuche, aus diesen fünf Beobachtungen den Exponent der Geschwindigkeit zu ermitteln, fand ich denselben nach der Methode der kleinsten Quadrate gleich 1,52. Die Beobachtungen schliefsen sich daher viel besser an die Form H=nc"' an, als an die gewöhnliche Annahme Hı=ınct Im ersten Falle beträgt die Summe der Quadrate der übrig bleibenden Feh- ler nur 3,93, während dieselbe im letzten Falle 12,29 ist. Sodann wurde eine sechszöllige Röhre von 1712,8 Fufs Länge unter dem Drucke von 3 und 5+ Zoll geprüft, und es stellten sich dabei die Ge- schwindigkeiten von 2,75 und 3,96 Zoll ein. Die Widerstandshöhen waren wirklich 3,10 und 5,43 Rheinländische Zolle, während sie nach der Rech- nung nur 1,11 und 2,09 Zoll, also etwa den dritten Theil der ersten Gröfsen sein sollten. In einer achtzölligen Röhre von 11400 Fufs Länge stellte sich unter dem Drucke von 30 Zollen die Geschwindigkeit von 4,77 Zoll ein. Die Wi- 96 Hasen über den Einflufs der Temperatur derstandshöhe war wirklich 31,05 Zoll, während sie nur 13,26 sein durfte. Sie war also in dem Verhältnisse von 2 : 5 zu grofs. Bei einer zwölfzölligen Röhre von 3600 Fufs Länge war die zur Ge- schwindigkeit von 23,50 gehörige Widerstandshöhe wirklich 150,20 Zoll, während sie nach obiger Formel sich nur auf 42,21 stellt. Das Verhältnifs zwischen beiden Zahlen ist nahe wie 2:7. Endlich wurden noch zwei achtzehnzöllige Röhren, deren Längen 3600 und 4740 Fufs mafsen, unter dem Drucke von 145 und 55 Zollen ge- prüft. Die berechnete Widerstandshöhe verhält sich zu der beobachteten für die erste Röhre wie 2: 5 für die letzte dagegen, wie 1 : 4. Die grolse Verschiedenheit dieser Zahlen-Verhältnisse zeigt deutlich, dafs die Abweichungen der Beobachtnngen von Couplet gegen die meini- gen weder mit der Weite, noch der Länge der Röhre, noch auch mit der Geschwindigkeit zunehmen, daher von äuflsern Umständen , also ohne Zwei- fel allein von der Unregelmäfsigkeit der Röhren abhängen. Wichtig ist es aber, dafs die Widerstandshöhen jedesmal gröfser ausfallen, als sie nach der Rechnung sein sollten. Die Rechnung stellt also auch nach diesen Messun- gen ein gewisses Minimum der Widerstandshöhe dar, das bei unvollkomme- nen Röhrenleitungen zur Erzeugung der beobachteten Geschwindigkeiten nicht genügt. Dubuat theilt zunächst eine Anzahl von Beobachtungen mit, die er an Röhren von 1 bis 3 Linien Weite anstellte. Ich übergehe dieselben, weil sie theils wegen der fehlenden Angabe‘ der Temperatur, theils auch wohl in andern Beziehungen nicht die Sicherheit meiner Messungen haben, die mit ähnlichen Röhren gemacht wurden. Sodann hat Dubuat auch Röhren von 1 und 2 Zoll Weite angewendet. Am ausgedehntesien ist die Reihe von Beobachtungen, welche sich auf eine einzöllige Röhre von 737 Zoll Länge bezieht. Sie besteht aus 11 einzelnen Messungen und die Druckhöhen wechseln darin zwischen 2 Linien und 24 Zoll. Wenn ich die Widerstandshöhe einer unbekannten Potenz der mittleren Geschwindigkeit proportional setzte, so ergab sich der wahrscheinlichste Werth dieses Expo- nenten gleich 1,80. Mit einer andern einzölligen Röhre von 138-4 Zoll Länge, wurden nur drei Beobachtungen gemacht, und dasselbe war auch mit einer gleich weiten Röhre von 117 Zoll Länge der Fall. Für jene ist der Exponent von auf die Bewegung des Wassers in Röhren. 97 c gleich 1,69 und für diese 1,83. Endlich benutzte Dubuat auch noch zwei andere Röhren von derselben Weite und 24 und 4 Zoll Länge, wobei er indessen so grofse Unregelmäfsigkeiten bemerkte, dafs er selbst die Be- rechnung der Beobachtungen unterliefs. Die drei ersten Beobachtungsreihen führen demnach wieder zu dem Ausdrucke H=ne:'' Die zweizöllige Röhre von 255-- Zoll Länge wurde nur zweimal, nämlich unter dem Drucke von 16,33 und 36,35 Zoll versucht. Die Ver- gleichung dieser beiden Beobachtungen ergiebt den Werth jenes Exponenten sehr abweichend, nämlich x = 2,05. Es ergiebt sich hieraus, dafs eine Vergleichung der Coefhicienten n, wie sich dieselben für die einzölligen und die zweizöllige Röhre ergeben, sehr unsicher ist. Wenn man indessen den Exponent von c gleich 1,75 annimmt, und darnach unter Berücksichtigung der Längen die Werthe von n aus jeder Beobachtungsreihe berechnet, so findet man für den Ausdruck mi e” a rl also einigermafsen annähernd an den oben gefundenen Werth. Unter allen Beobachtungsreihen ist die erste, aus 11 Messungen be- stehende, die sicherste, und zwar theils wegen ihrer gröfsern Ausdehnung, theils aber auch, weil die Resultate der Beobachtungen unter sich am besten übereinstimmen, wie dieses namentlich bei einer graphischen Zusammenstel- lung sich ergiebt. Berechne ich diese Beobachtungen nach der Formel H=zmla..e“. so folgt m — 0,00003464 oder nach der Reduction auf Rheinländisches Zollmaafs m = 0,00003405 Dieses Resultat stimmt mit den oben entwickelten Formeln genau überein, wenn man voraussetzt, dafs die Temperatur des Wassers 7,9 Grade betragen habe, was allerdings möglich ist. Es ist auch denkbar, dafs Dubuat mit kaltem Wasser zu experimentiren anfıng, und dafs nach Verkürzung der Math. Kl. 1854. N 95 Hıcen über den Einflufs der Temperatur u. s. w. Röhre die Temperatur auf 13,1 Grad gestiegen war. Unter dieser Voraus- setzung stimmt auch das aus der zweiten Beobachtungsreihe gefundene Re- sultat noch genau mit meinen Untersuchungen überein. Für die dritte ein- zöllige Röhre müfste man aber die Temperatur von 28 Graden, und für die zweizöllige sogar von 30 Graden voraussetzen, was nicht zulässig ist. Ein- zelne Beobachtungen dieser beiden Reihen schliefsen sich aber wieder an viel geringere Wärmegrade an. "le an a j tg Er IDEE en uber A PDenegun 7 du are in IH ee = Br wie nd ut Fr a DE wu VrTE EEE EN _—r LER ssen sind, die Warmel6rade nac en sind\ die Ceschmwein, ig keite en weiten JECHT he Ina a ” HR Vereinfachung der Theorie der binären quadra- tischen Formen von positiver Determinante. Von f H®- LEJEUNE DIRICHLET. mmnanNNNNNneNaN [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 13. Juli 1854.] J. gröfser der Umfang ist, welchen die höhere Arithmetik durch das Epoche machende Werk von Gaufs und andere spätere Arbeiten gewonnen hat, um so wünschenswerther erscheint es, dafs der Zugang zu diesem schönen Zweige der Analysis durch Vereinfachung des elementaren Theiles desselben so viel als möglich erleichtert werde. In solcher Absicht habe ich schon in meh- reren früheren Abhandlungen meinen Untersuchungen die dazu erforderli- chen bekannten Sätze mit neuer Begründung vorausgeschickt: eine ähnliche Vereinfachung bezweckt der gegenwärtige Aufsatz, welcher der Theorie der quadratischen Formen von positiver Determinante gewidmet ist. Bekanntlich erfordert diese Lehre in ihrer bisherigen Gestalt sehr ins Einzelne gehende Betrachtungen, die sich, wie die folgende Darstellung zeigen wird, daraus entfernen lassen. Ich beginne mit einigen Bemerkungen über Kettenbrüche, die, obgleich ihrem wesentlichen Inhalte nach nicht neu, in der für die hier davon zu machende Anwendung geeigneten Form vorauszuschicken sind. S1. Ein endlicher oder unendlicher Kettenbruch wie f @—+ ge 4 => y-tetc. soll im Folgenden durch («, ß, Sy. or) bezeichnet werden und wir bemerken sogleich, dafs wir nur Kettenbrüche zu betrachten haben, deren sämmtliche Glieder ganze Zahlen sind, natürlich N2 100 DixıcuLer: Vereinfachung der Theorie mit Ausnahme des letzten für den Fall wo die Entwicklung nicht zu Ende geführt ist und wo dieses Glied alsein sogenannter vollständiger Quotient jeden andern Werth haben kann. Von besonderer Wichtigkeit für arithmetische Untersuchungen sind diejenigen Kettenbrüche, deren Glieder bis auf das erste, für welches auch der Werth Null zulässig ist, positiv sind; durch einen solchen Kettenbruch läfst sich eine positive Irrationalgröfse w nur auf eine Weise ausdrücken, und wir wollen die Darstellung von w in dieser Form, oder wenn w negativ ist, die Darstellung ihres absoluten Werthes mit vor- gesetztem negativen Zeichen die normale Kettenbruch-Entwicklung von w nennen. Wir haben nun zunächst die Aufgabe zu behandeln, aus einem Ket- tenbruche wie BEN ur Uere.) in welchem die Glieder erst von p incl. ab sämmtlich positiv sind, die nor- male Entwicklung der Irrationalgröfse w abzuleiten. Es wird sich leicht zei- gen lassen, dafs dies durch eine Reihe von Umformungen bewerkstelligt wer- den kann, bei welchen die Glieder, die auf ein hinlänglich entferntes z fol- gen, unberührt bleiben, und dafs die Anzahl der neuen Glieder, welche schliefslich an die Stelle von «,£, ..... u getreten sind, von der Anzahl der letzteren um eine gerade oder ungerade Zahl verschieden sein wird, je nach- dem w positiv oder negativ ist. Um sich hiervon zu überzeugen, betrachte man zunächst den Fall wo v nicht das erste Glied ist. Unter dieser Voraussetzung kann man u, v und einige der unmittelbar folgenden Glieder, während alle übrigen ungeändert bleiben, durch neue Glieder ersetzen, deren Anzahl von der Anzahl jener um eine gerade Zahl verschieden ist, und welche mit Ausnahme des ersten, welches Null oder negativ sein kann, sämmtlich positiv sind, so dafs die Un- regelmäfsigkeit in der gegebenen Entwicklung wenigstens um eine Stelle zu- rücktritt. Bei dieser partiellen Umformung hat man zu unterscheiden ob v Null ist, oder einen negativen Werth —n hat. Im ersteren Falle sind die drei Glieder u, 0, p, durch das einzige Glied 4 + p zu ersetzen, wogegen der andere Fall in die drei Unterabtheilungen zerfällt na n=1p>1; n=h,p=1; der binären quadratischen Formen von positiver Determinante. 101 denen entsprechend eine der folgenden Gleichungen, welche sich leicht ve- rificiren lassen, in Anwendung zu bringen ist: NE 1 1 RR )=kR—- 44,2 —3,1,P—-490...)(') (u — 1 Page ese.e 0 )=#—31,P—239...) (—,,,1,85..)=M—-9—34,r7r—1,8,...) Wie man sieht, beträgt die durch eine solche partielle Umformung hervorgebrachte Anderung in der Gliederzahl resp. 2, o, — 2 Einheiten, und es bedarf kaum der Erwähnung, dafs wenn eine der Differenzen n— 2, p—1, P— 3% r— 1, die nach unseren Voraussetzungen nicht negativ werden können, sich auf Null reducirt, für die Null und die beiden benachbarten positiven Glieder ein einziges der Summe der letzteren gleiches Glied zu setzen ist. Durch wiederholte Anwendung desselben Verfahrens läfst es sich bewirken, dafs alle Glieder, vom zweiten incl. ab, positiv werden. Ist dann zugleich das erste nicht negativ, so ist die Operation geschlossen und das Resultat dem oben Gesagten gemäfs, indem alle nach und nach in der Glie- derzahl eingetretenen Änderungen durch gerade Zahlen ausgedrückt sind. Hat hingegen das erste Glied einen negativen Werth — a, und folglich der Kettenbruch die Form v=(—a,b,c,d,...), so hat man für denselben, je nachdem 5 > ı oder = 1 ist, v=—(a—1,,5—1,c,...)oderw= —(a—1,c+1,d,...) zu setzen, so dafs das Resultat wieder mit dem früher Behaupteten über- einstimmt. Gr I. Finden zwischen zwei Gröfsen w, Q und den ganzen Zahlen «, ß, y, d, deren erste nicht Null ist, die Relationen 82 w—_?*+ —werayerpe ad— By, (') Dafs sich die negativen Glieder aus einem Kettenbruche entfernen lassen, hat schon Lagrange bemerkt (Me&m. de l’Acad. de Berlin, annee 1768, pag. 152); aber die von ihm zu diesem Zwecke gegebene Gleichung, welche mit der ersten der obigen zusammenfällt, reicht nicht aus, da sie für den Fall n=1, ein neues negatives Glied einführt. Will man dieses durch abermalige Anwendung derselben Gleichung beseitigen, so wird man zu dem ursprünglichen Kettenbruche zurückgeführt. 102 Dirıcntrr: Vereinfachung der Theorie Statt, so läfst sich immer eine Gleichung der Form IN IRIETNTE) bilden, in welcher von den ganzen Zahlen A, m,...r, o nur die erste und letzte Null oder negativ sein können, die Zwischenglieder aber, wenn sie nicht ganz fehlen, positiv und in gerader Anzahl sind. Da man nach der Form der vorausgesetzten Gleichungen die Zeichen von «,ß, %, d gleichzeitig ändern kann, so darf « positiv angenommen werden. Ist nun «= !, so hat man sogleich _YyHeyHNR yet ED 1 BR INH ER 2). Ist hingegen @ > ı, so verwandle man auf die gewöhnliche Weise in einen Kettenbruch, indem man alle Divisionsreste positiv wählt. Man er- hält so den Kettenbruch Y „=A&m,...,T) in welchem nur A Null oder negativ sein kann, und die Anzahl der Glieder m,...r gerade vorausgesetzt werden kann, da sich das Glied 7, für welches man zunächst einen Werth > ı erhält, nöthigen Falles in (# — 1, ı) auflösen läfst. Da die zu diesem Kettenbruche gehörigen Näherungsbrüche A Am 1 & y 2 77 NE irreductibel sind und positive Nenner haben, so wird der letzte derselben, wie im Werthe, so auch in der Form mit X zusammenfallen. Da ferner nach einem bekannten Satze «a® — yf = 1, so ergiebt die Vergleichung mit der zwischen a, £, y. d Statt findenden Relation, B=ar+f, d=eyo+B wo r eine ganze Zahl ist. Der Bruch läßt sich also vermittelst des neuen Gliedes r der Reihe der Näherungsbrüche anschliefsen, und man hat AT rar, iR): II. Für das Folgende ist noch der besondere Fall näher zu betrach- ten, wo .«, 0, y, d sämmtlich positiv sind und zugleich die Bedingungen yS «, ö>y erfüllen. Wie leicht zu sehen, sind alsdann A und r positiv. Ist der binären quadratischen Formen von positiver Determinante. 103 @ = i, so liegt dies schon in unserer Voraussetzung, da für diesen FallA = y, e—ß. Ist dagegen @> 1, so ist wenigstens sogleich klar, dafs A, welches nach Obigem der unmittelbar unter D liegenden ganzen Zahl gleich ist, po- sitiv sein wird. Dafs aber auch r positiv ist, erhellt wie folgt. Da A positiv ist, so sind auch die Zähler der oben gebildeten Näherungsbrüche positiv und bilden vom ersten incl. ab eine wachsende Reihe, so dafs also y>&. Danun ö=YTr-+-d, so wäre, wenn r—=0 angenommen würde, d—=y, und wenn man co negativ voraussetzte, ö ebenfalls negativ gegen unsere Annahme. Bezeichnen wir zu gröfserer Gleichförmigkeit die positiven Zahlen ?, vr mit /, s, so ist also in unserem besonderen Falle ö 2 = (I,m,...,r) za u ars). ll 70.5.7830), wo die Glieder Z, m, ....,r, s sämmtlich positiv und in gerader Anzahl sind. $. 3. Indem wir jetzt zu dem eigentlichen Gegenstande dieser Abhandlung übergehen, bemerken wir dafs alle quadratischen Formen ax?+2bay+cy?’=(a,b,c) die hier zu betrachten sind, dieselbe positive Determinante D=b5B?— ac haben, welche daher nicht weiter zu erwähnen sein wird. Die positive ganze Zahl D ist beliebig bis auf die Beschränkung, dafs sie keinem Quadrate gleich sein darf. Da hiernach die äufseren Coefficienten a, c immer von Null ver- schieden sind, so erhellt dafs, sobald aufser D noch der mittlere und einer der äufseren Coeffieienten gegeben sind, auch der andere, und folglich die Form selbst völlig bestimmt sein wird. Jeder Form (a, b, c) lassen wir eine aus denselben Coefficienten ge- bildete Gleichung arzbu+rcw=o entsprechen, deren Wurzeln —bz VD c immer auf dieselbe Weise wie es hier geschieht, nämlich so dargestellt wer- den sollen, dafs der unveränderte dritte Coefficient c den Nenner bildet. Unter dieser Voraussetzung können die beiden Werthe von w, dem oberen 104 Dirıcater: Vereinfachung der Theorie und unteren Zeichen entsprechend, als die erste und zweite der zur Form (a, b, c) gehörigen Wurzeln unterschieden werden. Wie leicht zu sehen, ist eine Form durch ihre Determinante und eine der zu ihr gehörigen Wur- zeln völlig bestimmt. Gehört nämlich derselbe Werth zu beiden Formen (a,b, c), (A,B,C) als erste Wurzel oder zu beiden als zweite, so hat man die Gleichung in welcher entweder die oberen oder die unteren Zeichen gelten, und aus der wegen der Irrationalität von VD sogleich B=5, C=c, d. h. die Iden- tität der beiden Formen folgt. Wenn im Folgenden zwei Formen (1) ax®+2dbxy+cy’, AX?+:BXY+CY äquivalent genannt werden, so ist darunter immer die eigentliche Äquivalenz zu verstehen, so dafs also dieser Ausdruck die Existenz einer Substitution air kat ,£ (2) z=aX+ßY, y=yX+SY, N) einschliefst, deren Coeffhieienten die Bedingung (3) ad—ß DR erfüllen und durch welche die erste Form in die zweite übergeht. Aus jeder solchen Substitution folgt dann durch Auflösung der Gleichung (2) nach X und Y, eine ähnliche, welche die zweite Form in die erste verwandelt. In gewissen singulären Fällen giebt es bekanntlich aufser den eben be- sprochenen Substitutionen andere, durch welche äquivalente Formen in ein- ander übergehen und die statt der Bedingung (3) die entgegengesetzte ad — By — — ı erfüllen. Wir bemerken hier ausdrücklich, dafs Substitutionen die- ser letzteren Art im Folgenden überall auszuschliefsen sind. Nach diesen vorläufigen Feststellungen ist es nun leicht die folgenden Sätze zu beweisen. I. ‚Zwischen den gleichnamigen zu den äquivalenten Formen (1) ge- hörigen Wurzeln w und 2, und den Coefficienten der Substitution (2) besteht immer die Gleichung: .y+82 " (4) " Tarße der binären quadralischen Formen von positiver Determinante. 105 2 b R e 9 f Y— du Bringt man die zu beweisende Gleichung in die Form _... . setzt für » seinen Werth und befreit den Nenner von der Irrationalität, so wird die zweite Seite mit Berücksichtigung der Gleichungen «8 — By = ı, D=b’-—-.ac, — M#+VD N wo M=aaß+b(ad+ßBy)+ceyd, N=aß?+25ß3+ cd? geselzt ist. Da nun die Ausdrücke M] und N mit denjenigen zusammenfallen, welche man für Bund C erhält, wenn man die Substitution (2) auf die erste der Formen (1) anwendet, so ist die Behauptung bewiesen. II. ‚‚Findet die Gleichung (4) für ein Paar gleichnamiger zu den Formen (1) gehöriger Wurzeln » und 0 Statt und erfüllen zugleich die gan- zen Zahlen «,ß, y, 6 die Bedingung (3), so sind die Formen äquivalent und die erste geht durch die Substitution (2) in die zweite über”. In Folge der Voraussetzung hat man ohne neue Rechnung — BE VD — MEVD. c N wo entweder die oberen oder .die unteren Zeichen gelten. Es ist folglich B=M,C=N,d.h. die Form, in welche (a, 5b, c) durch die Substitution (2) übergeht, fällt mit der Form (A, B, €) zusammen. Es versteht sich übrigens von selbst, dafs die Gleichung (4), sobald sie für ein Wurzelpaar gültig ist, auch für das andere Statt findet. III. Es werden später häufig sogenannte benachbarte Formen, d.h. Formen zu betrachten sein, die sich wie (a,b, a‘), (a', b', a") so an einander schliefsen, dafs der letzte Coefficient der ersten mit dem ersten der zweiten zusammenfällt und deren mittlere Coefficienten 5, d’ zugleich die Bedingung 6 + d’= 0, (mod.a') erfüllen. Solche Formen sind immer äquiva- lent. Wendet man nämlich auf die erste die Substitution WE » s) an, welche die Bedingung (3) erfüllt, ohne dafs ö bestimmt wird, so erhält man eine neue Form, deren erster Coefficient = a’ ist, während der zweite =—5b—.«'d u e setzt. Für unsere Formen wird die Gleichung (4) zwischen den gleichnamigen zu denselben Math. Kl. 1854. 10) dem gegebenen 5’ gleich wird, wenn man d = — 106 Dirıcnter: Vereinfachung der Theorie gehörigen Wurzeln », w, 1 1 vm—-d6—-—, oder = — „use w WI 5.4. Wenn von den beiden zur Form (a, 5, c) gehörigen Wurzeln za D,.. BD) c ? C die erste ihrem absoluten Werthe nach über, die zweite unter der Einheit liegt, und diese Wurzeln überdies entgegengesetzte Zeichen haben, so heilst die Form eine reducirte. In Folge der ersten Bedingung ist 4 > 0, in Folge der zweiten d < VD. Das Produkt —ac—= D- b: ist demnach positiv, d.h. die äufseren Coefficienten a, ce haben entgegengesetzte Zeichen, und es leuchtet zugleich ein, dafs das Zeichen der ersten Wurzel mit dem von a übereinstimmt und dem Zeichen von c entgegengesetzt ist. Ist die Form (a, b, c) eine reducirte, so ist es auch die Form (c, 5, a), wie dies daraus folgt, dafs offenbar jede zu der einen gehörige Wurzel dem reciproken Werthe der zur andern gehörigen ungleichnamigen Wurzel gleich ist. Für jede Determinante D giebt es nur eine endliche Anzahl von re- ducirten Formen, die man sämmtlich erhält, wenn man für jedes positive b a, wo das obere oder das untere Zeichen gilt, je nachdem a’ positiv oder negativ ist. Durch diese Bedingung mit der Congruenz d’ = — b, (mod. a’) verbunden, wird Ö’ leicht und ohne Zweideutigkeit erhalten. Auf dieselbe Weise oder noch einfacher, indem man vermittelst der oben gemachten Bemerkung die Frage auf die eben behandelte zurückführt, 02 108 Dirıcnzer: Vereinfachung der Theorie überzeugt man sich, dafs es eine und nur eine reducirte Form (’a, 'b, a) gibt, welche der gegebenen nach links benachbart ist. S. 5. Bildet man aus einer reducirten Form &, die ihr nach rechts benach- barte $,, aus dieser auf dieselbe Weise die Form $,, u.s. w., und verfährt ähnlich nach der entgegengesetzten Seite, so dafs die reducirte Form &_, der gegebenen nach der linken Seite benachbart ist, u. s. w., so erhält man die nach beiden Seiten unendliche Reihe äquivalenter Formen 3 P_2> P_1> Pos Pı> Pay ++» von welcher wegen der Endlichkeit der Anzahl der zu einer gegebenen De- terminante gehörigen redueirten Formen zunächst klar ist, dafs die in ihr enthaltenen Formen nicht alle von einander verschieden sind, so wie auch dafs zwei dieser Formen, deren erste Coefficienten abwechselnd positiv und negativ sind, nur dann identisch sein können, wenn die Differenz ıhrer In- dices gerade ist. Andrerseits folgt aus der Bildungsweise unserer Reihe, nach welcher jedes Glied das vorhergehende und folgende völlig bestimmt, dafs wenn zwei Formen identisch sind, je zwei andere, welche von diesen nach derselben Seite gleich weit abstehen, d.h. je zwei andere, deren Indices den- selben Unterschied wie die Indices jener haben, ebenfalls identisch sein wer- den. Da sich hiernach jede Form nach beiden Seiten wiederholt, so sei un- ter den auf ®, folgenden Formen &,, die erste mit dieser identische. Als- dann sind die Formen Dos 5 [U IPELErER Pnyr- Pan-ı alle von einander verschieden. Dafs die erste mit keiner der übrigen iden- tisch sein kann, liegt schon in unserer Voraussetzung und wären von den letzteren zwei, deren Indices um 2% verschieden seien, identisch, so wäre nach der vorhin gemachten Bemerkung auch &, mit &,, identisch, was of- fenbar unserer Voraussetzung widerstreitet, da 2A<2n ist. Die eben be- trachteten 2 Formen bilden eine Periode, die sich nach beiden Seiten ins Unendliche wiederholt, so dafs also zwei Formen &,, $, identisch oder nicht identisch sind, je nachdem ihre Indices der Congruenz u = v, (mod ?n) ge- nügen oder nicht genügen. Übrigens versteht sich von selbst, dafs man die Periode bei irgend einem ihrer Glieder beginnen kann und dafs unsere Reihe der binären quadratischen Formen von positiver Determinante. 109 auch durch Wiederholung der aus denselben Formen gebildeten Periode Dn> Dazı 2 ade Paa-ı) Do» ®> u Dn-ı erzeugt werden kann. Da nach $. 3 eine Form $, und die zu ihr gehörigen Wurzeln w, sich gegenseitig bestimmen, so ist auch für die Gleichheit von zwei gleichnamigen {e) e in der Con- Wurzeln »,, w, die erforderliche und ausreichende Bedingung gruenz u=v, (mod. 2n) gegeben. Bezeichnet ferner d, die in dem absoluten Werthe der ersten Wurzel w, enthaltene gröfste ganze Zahl, mit dem Zeichen von w, genommen, so findet nach $. 4 zwischen den gleichnamigen Wurzeln »,, »,,, die Gleichung 1 ee v v Wyrı Statt. Da d, durch die erste Wurzel w, völlig bestimmt wird, so hat die Congruenz u =v, (mod. 2n) die Gleichung 3, = Ö, zur Folge, aber natürlich nicht umgekehrt. Da es gleichgültig ist, welchem Gliede der Reihe wir den Index Null beilegen, so soll zur Vermeidung unnützer Unterscheidungen angenommen werden, dafs die ersten Coefficienten der Formen mit geradem Index positiv sind. Unter dieser Voraussetzung stimmt also das Zeichen jeder ersten Wur- zel w, und des entsprechenden Werthes d, mit dem von (— ı)"überein, wo- gegen die zweite Wurzel w, das entgegengesetzte Zeichen hat. Wir bezeichnen endlich noch den absoluten Werth von d, mit k,, so dafs also d, = (— 1)’k, und wieder k, —=k, sein wird, wenn x und v nach dem v Modul 2n congruent sind. 1 1 Multiplieirt man obige Gleichung w, =, — — (—- ı)k’ — Wyrı Wyrı und alle ähnlichen folgenden, je nachdem v gerade oder ungerade ist, ab- wechselnd mit # ı, $ 1, so erhält man 1 a > a SA) a — k,+ a EL — 0 IE Sn etc Versteht man nun unter den gleichnamigen Wurzeln w,, w,,,, %,4., - . erste Wurzeln, so snd&w,, Fu ... positive unechte Brüche. Man hat also v+1) die normale rein periodische Kettenbruchentwicklung Eee Rule} us) Ikader 110 Dirıcnter: Vereinfachung der Theorie W, = (— 1)" (k,;, Ran as dayn zualı; k,, kun > .) Auf dieselbe Weise erhält man aus der Gleichung vw, , = &,_, — ; der man die Form - — ee — geben kann, und den ähnlichen dieser v wi vorhergehenden, für den reciproken Werth der zweiten Wurzel 1 = Er =(—1) ; (ey ’ lu, are RE Be ’ Rh, A .) und man sieht, dafs die hier vorkommende Periode, deren Glieder sich auch k .. k,,., k,,; durch Umkehrung der in der Entwicklung der ersten Wurzel enthaltenen Periode entsteht. Es ist noch zu bemerken, dafs für die Zahlenreihe, deren allgemeines Glied k, ist, eine 2ngliedrige Periode die kürzeste Periode von gerader Gliederzahl ist, durch deren Wiederholung sie erzeugt werden kann. Gäbe es nämlich eine kürzere mit der Gliederzahl 2m, so würden nach der oben wie folgt schreiben lassen %k Za-+-v—1) 2rn +v—2) für die erste Wurzel w, gefundenen Entwicklung, », und w,,, und folglich auch #, und $,, zusammenfallen, gegen unsere Voraussetzung, dafs 2 der kleinste Index ist, für den $,, mit ®, identisch wird. Endlich werde noch erwähnt, dafs man die Gesammtheit der zu einer gegebenen Determinante gehörigen reducirten Formen immer in Perioden vertheilen kann, wie wir sie in diesem $ betrachtet haben. Nachdem man aus einer reducirten Form die Periode der sie angehört, gebildet hat, ver- fährt man, falls nicht schon alle reducirten Formen in dieser ersten Periode enthalten sind, auf dieselbe Weise mit einer der noch übrigen Formen. Die so gebildete zweite Periode besteht aus Formen, die wie sie von einander, so auch offenbar von denen der ersten verschieden sind. Auf diese Weise fährt man fort neue Perioden zu bilden, bis alle reducirten Formen erschöpft sind. S. 6. Wir kommen nun zu der Frage, welche die Entscheidung betrifft, ob zwei gegebene Formen äquivalent sind oder nicht. Da man aus jeder Form leicht eine mit ihr äquivalente reducirte ableiten kann, andrerseits aber For- men, welche derselben Periode angehören, immer äquivalent sind, so bleibt nur zu untersuchen, ob Formen aus verschiedenen Perioden äquivalent sein können. Da offenbar bei dieser Untersuchung jede der beiden mit einander der binären quadratischen Formen von positiver Determinante. 441 zu vergleichenden Formen beliebig in ihrer Periode gewählt werden kann, so wollen wir die ersten Coefficienten beider Formen 9, = lad co) elAd,B, lc) positiv voraussetzen, jeder in ihrer Periode den Index o beilegen, für die Periode der ersten alle in $. 5 gebrauchten Zeichen beibehalten und uns für die der zweiten der entsprechenden grofsen Buchstaben bedienen, so dafs also die zu unseren Formen gehörigen ersten Wurzeln durch die normalen Kettenbrüche NE EN); RE) dargestellt werden. Werden nun die Formen äquivalent vorausgesetzt und geht die erste in die zweite durch die Substitution ( E über, so ist nach 8.3, I ad By=ı,w= ar ° Wie leicht zu sehen, kann « nicht Null sein. Alsdann wäre nämlich y=+1, und folglich 4=c, was der hinsichtlich der Zeichen der Coefficienten ge- machten Voraussetzung widerspricht. Wir haben also nach $. 2, I eine Glei- chung der Form nz rm Te a) wo die Glieder A, ın,.. r, r in gerader Anzahl >g sind. Wird nun der Ket- tenbruch nach $. 1 in einen normalen umgeformt, so wird, da w, positiv ist, die Anzahl der Glieder bis zu einem hinlänglich entfernten, unberührt blei- benden Gliede X, gezählt, sich um eine gerade Zahl 2% ändern, wo A posi- tiv oder negativ sein soll, je nachdem die Anzahl wächst oder abnimmt, und h= 0 auch den Fall in sich begreift, wo der ursprüngliche Kettenbruch schon ein normaler ist. Nach der Umformung mufs der Kettenbruch mit dem oben für w, angenommenen zusammenfallen. Es ist daher, wenn der Index v eine gewisse Grenze überschreitet, 15 Schreibt man 2Vi-+v stattv, wo 2/i ein hinlänglich grofses Multiplum 28 +2h+97* von 2/V bedeutet, so kann das neue v jeden positiven Werth mit Einschlufs der Null annehmen, und man erhält, wenn man 2 Vi im Index von Ä weg- läfst und im Index von%k, 2g+24+2Ni auf seinen nach dem Modul 2n genommenen Rest 2m reducirt, 112 Diricuuer: Vereinfachung der Theorie Kıık a Es ist mithin ©, = w,, und folglich ®$, = #,, d.h. die zweite Form ist in der zur ersten gehörigen Periode enthalten und entspricht in dieser dem In- dex 2m. Formen aus verschiedenen Perioden können demnach nicht äqui- valent sein. ST: Nachdem wir den schwierigsten Satz der Theorie der quadratischen Formen von positiver Determinante auf eine einfache Weise bewiesen haben, bleibt uns noch mit wenigen Worten anzudeuten, wie die übrige Lehre in denjenigen Punkten, die nicht sowohl auf diesem Satze als viel- mehr auf der Begründung desselben beruhen, unserem Beweise gemäfs zu modifieiren ist. Da die Operationen, durch welche man die Äquivalenz zweier For- men erkennt, immer eine erste Substitution ergeben, durch welche die eine Form in die andere übergeht, so bleibt hinsichtlich der Äquivalenz nur noch die Aufgabe aus einer gegebenen Transformation einer Form in eine andere alle übrigen abzuleiten. Diese Aufgabe wird leicht auf die einfachere zurück- geführt, alle Transformationen einer Form in sich selbst darzustellen, und man kann dabei voraussetzen, dafs die Coefficienten der Form ohne gemein- schaftlichen Theiler sind, da jede Substitution, durch welche eine Form in sich selbst übergeht, bei der durch Entfernung des gemeinschaftlichen Thei- lers entstandenen neuen Form denselben Erfolg hervorbringt und umge- kehrt. Ist nun (a, 5, c) eine Form, deren Coefficienten a, d, c keinen ge- meinschaftlichen Theiler haben, so wird der gröfste gemeinschaftliche Theiler von a, 25, c, den wir, positiv genommen, co nennen wollen, ı oder 2 sein, von welchen beiden Fällen der letztere übrigens nur Statt finden kann, wenn die Determinante D= 5b? — ac die Form 4A + ı hat. Dies vorausgesetzt, beweist man (!), dafs alle Substitutionen Si 2); welche die Form in sich selbst verwandeln, durch die Gleichungen t— bu eu au t+ bu ’ B=—--, MW Zi = oa o oa (v2 04. == (') Disq. arith. pag. 181 oder Crelle’s Journal. Band 24, S. 328. Der am letzteren Orte gegebene Beweis gilt für complexe Zahlen, bleibt aber wörtlich für reelle anwendbar, wenn man unter dem dort gebrauchten Zeichen w dasselbe versteht, was hier mit bezeichnet ist. der binären quadratischen Formen von positiver Determinante. 1443 erhalten werden, wenn man in diese alle ganzen Zahlen z, u einsetzt, welche der Gleichung ti Du — 0: genügen, und zeigt zugleich, dafs die vollständige Auflösung dieser unbe- stimmten Gleichung leicht aus der in den kleinsten positiven Zahlen ausge- drückten Auflösung abzuleiten ist. Man kann nun den Zusammenhang zwischen beiden Problemen zur Auflösung der unbestimmten Gleichung benutzen, da sich das Transforma- tionsproblem für den Fall einer reducirten Form direct lösen läfst. Wir können hierbei @ in der reducirten Form positiv voraussetzen und uns auf die Betrachtung derjenigen Substitutionen beschränken, deren Coeffieienten a, ß, y, d sämmtlich positiv sind. Ist ER ER BE Re FE der normale periodische Kettenbruch, welcher die erste der zur Form £ : 9 ö E : (a, 5, c) gehörigen Wurzeln darstellt, und bezeichnen = ,‚ „ zwei aufeinan- der folgende Näherungswerthe desselben, deren zweiter dem Endgliede %,,_, irgend einer Periode entspricht, so hat man ad— Ay=ı, re aus welchen Gleichungen nach $. 3, II, wenn man die dort vorkommenden Formen identisch voraussetzt, folgt, dafs unsere Form durch die aus vier positiven Coefficienten gebildete Substitution «, ®, y, d in sich selbst übergeht. Umgekehrt ist leicht zu zeigen, dafs man alle Substitutionen der bezeichneten Art auf diese Weise erhält. Sind nämlich «, £, y, d die Coeffieienten einer solchen, so schliefst man aus $. 3, I, dafs obige zwei Gleichungen Statt finden. Gibt man nun der zweiten, welche für beide Wurzeln w gilt, die Form Bw? + («a — 2) v—y=0, und bemerkt, dafs von diesen Wurzeln die erste zwischen ı und x, die zweite zwischen — ı und o liegt, so folgt, dafs die erste Seite für » = ı ne- gativ, für » = — ı positiv sein mufs. Man erhält so die beiden Ungleich- heiten Math. Kl. 1854. ; B 114 DiricHLert: F ereinfachung der Theorie y-a>ß-8, o—-y>a—ß, aus welchen leicht diese neuen ey ze abgeleitet werden. Die Richtigkeit der ersten ergibt sich, indem man von der entgegengesetzten Annahme ö ßy, @a>% oder a—ß>o, und dann nach der zweiten der obigen Ungleich- heiten, d>y folgt. Setzt man zweitens <>, so kann nicht zugleich d&> ß sein, da dann «d um wenigstens 3 Einheiten gröfser als ®y sein würde. Aus ß—6 5 o folgt aber nach der ersten der obigen Ungleichheiten y>a. Da so die Annahme @>y auf einen Widerspruch führt, so ist nothwendig > y2a. Es finden hiernach alle $. 2, II gemachten Voraussetzungen Statt und man hat — — ur r- ==/(L, m... 7,8), Wellm,. 37,50): Setzt man für die erste Wurzel w obige Entwicklung ein, so erhält man zwei gleiche und folglich identische normale Kettenbrüche, so dafs die Reihe /, m, .. r, s nothwendig aus einer oder mehreren Perioden k,, k,, .. k,,_, besteht und z ; . ‚ wie vorhin behauptet wurde, zwei aufeinander- folgende dem Ende einer Periode entsprechende Näherungswerthe sind. Da nun a, @, y, d offenbar wachsen, wenn man von einer Periode zur folgen- den übergeht, so werden die kleinsten positiven Substitutionscoefficienten dem Ende der ersten Periode entsprechen und man überzeugt sich auch leicht, dafs sie in den oben angeführten Gleichungen aus den kleinsten po- sitiven Werthen von Z und u erhalten werden. Nach der ersten und vierten jener Gleichungen ist nämlich ne. e— b2u: Mr An ei acu? ni acu? a? a? r Da nun — ac positiv ist, so haben « und Ö immer dasselbe Zeichen, welches 21 : : > wegen @ + = — das Zeichen von Zt ist. Eben so sieht man aus den Aus- drücken für @ und y, dafs auch diese, wenn sie nicht beide Null sind, was u = 0 voraussetzt, im Zeichen mit w übereinstimmen. Die oben unter- der binären quadratischen Formen von positiver Determinante. 115 suchten positiven Substitutionen «, ß, y, d werden also aus positiven z, u erhalten und da ß, y mit u wachsen, so entspricht die in den kleinsten Zah- len ausgedrückte Substitution den kleinsten positiven Werthen von Z,u, die folglich, sobald jene aus dem Kettenbruche bestimmt ist, durch die Gleichungen = — (+ a), u=-, (da) sefunden werden. Le) —HETD—— a AB er u LE Düne u 3 ‘ t a lies, L) r Fr { i 2 N 8 { | ar y NN I Seite 103, Zeile ’ L. I% b [5 \ j h ji I un D Y nz " “ u | \ en a ri AT da haar a j r, Ki: 1 1 Bi N F ch A L - i k RAN 1 a wu: er EE Pe Ey Ei 5 ' . Le, f = Es 5 E ln a Ir N Pe He I en ig rer A, u: Ru at; er I ER Ta are 7 "a 7 Philologische du historische Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. anne Aus dem Jahre E80A. a T Berlin. Gedruckt in der Druckerei der Königlichen Akademie der Wissenschaften. 1855. In Commission in F. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung. ve’ har, FR K kKah'a!'t: v.D. HAGEN: Die romantische und Volks-Litteratur der Juden in Jüdisch-Deutscher Sprächesg(Eirsters Het) n 2 Sa Nee ee ae Seite 1 RIEDEL: Die Ahnherren des Preulsischen Königshauses bis gegen das Ende des 43 Jahrhundertst 22 ren ee ee ee ee ee u HoMEYER: Der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts ...........- - 155 Currıus: Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen... .....2..... - 211 Ir GRimmuber dievnamen desdonners.r... 0 2 RER EEE -#303 RıTTER über einige verschiedenartige charakteristische Denkmale des nördlichen SEETBLS 0 56 Do Die v0 Ban due a a oe ER - 333 RıEDEL über den Ursprung und die Natur der Burggrafschaft Nürnberg ... . - - - 369 RANKE: Zur Kritik fränkisch-deutscher Reichsannalisten .... 2... 22.2.2000. - 415 Bopp über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen... . . - - 459 PANOFKA: Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 24... ...... - 551 ——m—— um u, Die romantische und Volks-Litteratur der Juden in Judisch - Deutscher Sprache. Von ,# r H=: yo. HAGEN. Erster Theil. mann [Gelesen in der Akademie der Wilsenschaften am 18. August 1853.] Wan Goethe, aus Anlafs seiner früheren alttestamentlichen Arbeiten, von den Juden sagt, dafs sie von jeher nicht viel getaugt haben, so gilt dafselbe von dem Menschen überhaupt, dessen Urgeschichte zugleich ihre Stamm- geschichte ist; und wie, laut derselben, der Mensch sogleich mit Hochmut, Wollust, Blutschande und Brudermord glänzend auf die Weltbühne trat, so taugten auch seine nächsten Abkömmlinge, durch ihre im selben Gleise fortgehende Geschichte, zum Beispil und Vorbild in der Weltgeschichte, als Weltspiegel, welcher Anfang und Ende der Dinge umschliefst. Es war und ist das Schicksal der Juden, bei der stärksten innern Ein- heit und dem festesten Zusammenhang und Halt, bei der schärfsten Abson- derung, in alle Welt, unter alle Völker zerstreut zu werden und zu bleiben bis ans Ende der Tage, eben wie der ewige Jude. Und so sind es zwei entgegengesetzte Richtungen, welche von jeher das Jüdische Volk zur Führung und Erziehung des Menschengeschlechts eig- neten und bestimmten: nämlich daszähe Festhalten der unvertilgbaren, leibli- chen, wie geistigen Grundzüge ursprünglicher Eigentümlichkeit; und dabei die leichte Beweglichkeit und Gewandtheit, sich auch die entfernteste Volks- tümlichkeit anzueignen. In beidem zeigt sich zugleich eine gewisse Än- lichkeit mit dem Deutschen Volke. Dise letzte Gefügigkeit, welche bei den Juden sich, im Streite mit jener Halsstarrigkeit, schon in der Aegyptischen Dienstbarkeit offenbarte, dann in dem unaufhörlichen Bulen mit fremden Göttern, sowie in der Babylonischen Gefangenschaft, und endlich seit der völligen Vertreibung aus dem gelobten Lande bis zur Zerstreuung in alle Welt unter alle Völker, hatte zur Folge, dafs die Juden nicht nur an der Philos. - histor. Kl. 1854. A 2 v.D. Hacken: die romantische und V olks-Litieratur Litteratur, Gelahrtheit und Dichtkunst diser Völker Theil nahmen, sondern auch die Sprachen derselben mehr oder minder sich aneigneten. Dabei gaben sie zwar ihre Ursprache, welche Gott selber im Paradise, auf dem Sinai und fürder mit seinem Volke redete, die Sprache ihres Gesetzes und der auch uns Heiligen Schrift, keinesweges auf, und lernen sie immerdar noch, wenn auch nur fast als eine todte, kaum noch gesprochene, jedenfalls im Gebrauche manigfaltig veränderte Sprache. In dieser bildete sich auch in den ver- schiedensten Ländern eine Art gemeinsamer Litteratur der Juden, als Fort- setzung der Althebräischen, fürder aus, und diente noch als Vereinigung der Zerstreuten, für welche es zu verschiedenen Zeiten verschiedene, oft weit entlegene Orte der Nachblüte gab, z. B. in Portugal und Polen. Diser Teil des Jüdischen Schriftwesens hat bisher noch die meiste litterargeschicht- liche Berücksichtigung auch für die übrige gelehrte Welt gefunden. Erst in späteren Zeiten hat man auch den Teil desselben mer beachtet, der sich an die Litteratur der neueren Völker, unter welchen die Juden lebten, be- stimmter anlehnt, und der schon im Mittelalter als ein Zweig der romanti- schen Litteratur anzusehen ist. Als solcher tritt sie sowol in der eignen Hebräischen Sprache, als in den neueren Landessprachen hervor, und hier zwar, wie es mir scheint, am reichhaltigsten, manigfaltigsten, und überhaupt merkwürdigsten, in Deutscher Sprache. Und darum gebürt disem Ge- genstande wol eine nähere Betrachtung; wobei ich hier besonders die der Dichtkunst zugewandte Seite hervorhebe, als die lebhafteste und bedeutendste für die gesammte übrige Bildung. Die Juden sind freilich kein eigentliches Volk der Kunst, in welcher die alten heidnischen Völker sie weit übertrafen: ihre Dichtkunst jedoch, auf dem Urgrunde der Wahrheit beruhend, überragt alle diese Völker ebenso durch Erhabenheit, Heiligkeit und Sittlichkeit, wie sie weniger in manigfalti- gen Kunstformen ausgebildet ist. Auch nach dem Abschlufse des alttesta- mentlichen Kanons (nach der Heimkehr aus Babylon), und selbst nach der Zerstörung Jerusalems, hat es den Juden nicht an Dichtern gefehlt, wie einige Gebete des Amoräers Samuel (st. 250 n. Ch.) im Talmud, und der Rab- biner Nechonja und Elieser, im Gebetbuche für alle Wochentage, be- zeugen. Dise Gedichte befleifsigen sich, dem Inhalte gemäfs, auch der altertümlichen Sprachreinheit; obschon einige (namentlich Elieser) sich der Sprache des Talmud anschliefsen; dessen beide grofse Sammlungen in Jeru- der Juden in Jüdisch-Deutscher Sprache. 3 salem und Babylon, in den ersten Jahrhunderten n. Ch., alle Kräfte auf- boten zu einem nochmaligen Babylonischen Bau. Die ängstliche Sorge für die Sprachreinigung zeigten die Juden selbst darin, dafs sie andere weltliche, ergetzliche und fremdartige Gegenstände auch meist nur in fremden Sprachen dichteten. In solchem guten Sinne begannen sie damals schon ihre seitdem so häufig, auch im anderen Sinne widerholten Arbeiten diser Art. Aus der vorchristlichen Zeit sind noch einige Überbleibsel in der damals seit Alexan- der d. G. weit durch das Morgenland herrschenden Griechischen Sprache: Bruchstücke einer Tragödie, der Auszug der Kinder Israels aus Äg gypten, von einem Juden Ezechiel; (!) und zwei heroische Gedichte, von einem Philo, der älter ist als der Alexandrinische Philo, und von Theodotos. Eines Jüdischen Dichters Theodorus in Lateinischer Sprache gedenkt Martial (Epigr. XI, 54. 94), als seines Zeitgenofsen. Nicht minder'erfuhren die Juden die Einwirkungen der Araber, als dise Söhne der Wüste seit und durch Muhamed die Griechisch - Römische Weltherrschaft ergriffen, auch deren Bildung zum Teil sich aneigneten, und zumal unter den Abassidischen Chalifen, in Wifsenschaften und Künsten wetteiferten, und dadurch zugleich die Höhe ihrer Macht bezeichneten, welche sich auch weit ins Abendland über die zerstreuten Juden erstreckte. Arabische Gedichte von Juden sind zwar eben nicht bekannt: aber durch die ursprüngliche Stammes- und Sprachverwandtschaft standen die Juden in eigentümlich günstigen Verhältnissen zu den Arabern. Wie der Kirchen- vater Origines die aus Aegypten von den Kindern Israels mitgenommenen kostbaren Gefäfse, schön und auch wahr, durch die in Aegypten angenom- mene Bildung deutet, welche sie durch einen würdigen heiligen Inhalt wei- chen sollten, — zu goldenen Früchten in silbernen Schalen — : so entlehn- ten die Juden auch die kunstreich ausgebildeten Formen der Arabischen Dichtkunst. Die derselben eigentümliche Verbindung einer wirklichen Vers-Mefsung mit Sylbenzählung und Reim bildeten die Juden sich um so leichter an, als der Reim nicht allein schon in den genannten Hebräi- schen Gebeten ganz entschieden auftritt (als durchgehender Reim des ganzen Gedichts, und als abwechselnder), sondern auch schon in den ältesten Mosai- schen Urkunden (Gen. 4 und Num. 22) lautbar wird, und im Sprachbau (den Flexionen des Nomens und besonders i in den Suffixen) begründet, sich &) PFarton rt of English aa ed. Dre 1777333 A2 4 v.d. Hasen: die romantische und V olks- Litteratur den, noch des Mafses und der Zal ermangelnden Hebräischen Versen desto stärker empfahl, sowie durch den herrschenden Parallelismus der Sätze der einfachste, gepaarte Reim fast gefordert ward. Mit den Arabischen kunst- gemäfsen Versen, deren Länge die Hebräer zwischen 3 bis 13 Sylben fest- stellten, verbanden sie nun ihre schon beschribene Reimweise, und fügten dazu die übrigen Arabischen Reimgebäude, der überschlagenden, dreimal widerholten und weiter verschlungenen Reime, zu manigfaltigen Strophen ('). Ihre Kunstausdrücke für Strophe, Stanze und deren Glieder sind ebenfalls die Arabischen, schon aus der Wüste her, nämlich: Hütte oder Zelt, Bal- kon, Pflock oder Zeltpfahl: welche bildlichen Ausdrücke, überall sehr nahe ligend, wie noch Versbau bezeugt, auch bei unseren Meistersängern wider- kehren, in ihren Stollen (Pfosten) und Gegenstollen (Strophe und Anti- strophe) ; sowie unsere älteren Sangesmeistern ihr Dichten kunstgerechter und sinnvoller Stanzen als das Errichten und Decken eines Hauses oder Zim- mers vorstellen. In solchen Formen dichtete nun seit der Arabischen Herrschaft eine grofse Menge Jüdischer Reimer, wie sie heifsen, und zum Theil hoch ge- rühmt werden, vornämlich lyrische Gedichte, darunter auch Festlieder, und die schon von Jeremias angestimmten Klagelieder; deren ernster und from- mer Inhalt sie als würdige Fortsetzung der frühern Hebräischen Dichtkunst anreihte (?). Daneben versuchten sich die Juden, nach Vorgang der Araber, auch in anderen zum Theil noch verwandten Gattungen, vornämlich in Sitten- und Lehrgedichten, Sprüchen, Fabeln, Rätseln, Sinngedichten. Das erste seiner Art ist das sittliche Lehrgedicht des Hai Gaon im 10 — 11. Jar- hundert; dann das Schachspil des Rabbi Abra Esra im 12. Jarhun- dert, welcher, nächst Maimonides, „unstreitig der gelehrteste, geistreichste und vorurtheilsfreiste Jude diser und der folgenden Zeiten” genannt wird. Ihm gleichzeitig ist das ärztliche Lehrgedicht des Rabbi Jehuda, (') Darunter auch die dreimalige Widerholung desselben Reims in Bindung mit einer vierten Zeile, welche durch das ganze Gedicht reimt. (2) Eine sinnige Auswahl solcher Gedichte in Deutscher gereimter Uebersetzung bietet „die religiöse Poesie der Juden in Spanien. Von Dr. M. Sachs”, mit Beilagen in der Ur- sprache und geschichtlicher Darstellung (Berlin 1845). — Zum Folgenden verdanke ich freundliche Mittheilungen und Nachweisungen dem Prof. Petermann. der Juden in Jüdisch-Deutscher Sprache. 5 genannt Charizi, d. h. der Dichter, der auch den Hariri übersetzte und änliche Makamen, lehrreiche Erzälungen, verfafste. Im 13. Jarh. dichtete Rabbi Isaak lehrhafte Fabeln, Rabbi Ephraim das Märtyrtum des Rabbi Ammon, und Rabbi Joseph brachte die ganze Gemara in Verse. Rabbi Hyssopäus im 15. Jahrh. verfafste ein schönes Hochzeitgedicht: aber Abraham Ben Jabal und Imanuel Ben Salomo, welche zu den besten Dichtern dieser Zeit gehörten, wurden gleichwol von den Juden verachtet, weil sie die heilige Sprache so sehr entweihten, dafs sie erotische Gedichte nach Catullischer Weise darin sangen. Der neuste Geschicht- schreiber der Jüdischen Poesie, Fr. Delitzsch (1836) stellt das Verhältnis diser letzten Dichter zu den ihnen überwigend entgegenstehenden und dem Judenvolke gemäfseren Dichtern näher dar: er falst beide Richtungen als Jüdische mittelalterliche Romantik zusammen, nennt die eine aber „die synagogische, oder katholische, welche, auf die Legende gegrün- det, die rein spiritualistische Idee des Judentums nach Auflösung des Jüdi- schen Staats, als Einheitsband der Juden, in mysteriöser Sprache und Hie- roglyphen der Mythe darstellt, wie das Pijuth aus der Hagada thut. In der profanen Richtung dagegen hat, aus Einwirkung der Dichtkunst des Islams und der Limosinischen und Italienischen Minnesängerei, der unjüdische Sen- sualiamus fast Überhand genommen, namentlich in den beiden Jüdischen Divanen (Gedicht-Sammlungen), weniger in dem des Spaniers Al-Cha- rizi, fast ganz in dem des Imanuel. Die Macberot Imanuels, des Rö- mers, sind in der Jüdischen Romantik Seitenstück zu Tristan und Isolde: die spiritualistische Idee unterliegt in beiden dem Sensualismus der Minne.” Der hier bemerkte Einflufs des Romantischen tritt noch stärker und manigfaltiger hervor in den Gedichten der Juden, welche nun auch in den Romanischen Sprachen verfafst sind. Solcher Jüdischen Dichter, die in Spanischer, Portugiesischer und Italienischer Zunge sangen, gibt es eine namhafte Anzahl. Besonders von solchen Spanischen Dichtern gibt Daniel Levi de Barrios, selber im 17. Jarh. als Dichter berühmt, ein langes Verzeichnis, (!) unter welchem im 14. Jarh. hervortritt: Rabbi Salomo Usque durch ein Trauerspiel und als Übersetzer des Petrarca; im 17.Jarh. Manasse als Übersetzer des Thucydides, und Jakob Ben Usiel (') ARelacion de los poetas Iudaycos. — Die Jüdischen Provenzaldichter 1190-1492 verzeichnet alphabetisch Zunz „Zur Geschichte und Litteratur” Bd. 1 (Berlin 1845). 6 v.d. Hasen: die romantische und Volks- Litteratur durch sein Heldengedicht David. Unter den Potugiesen verdient vor allen genannt zu werden Salomoncino, der, ein Freund des Camoöns, diesem bei seiner Lusiade thätigen Beistand leistete. Von den Italienern erwähne ich nur den Rabbi Jehuda benannt Arjeh di Modena, oder, wie er gewön- lich genannt wird, Leo Mutinensis, welcher im 17. Jarh. lebte, und unter andern in dem Alter von 18 Jahren ein poetisches Kunststück lieferte, wie es wol nur in dem Gehirn eines durch den Talmud geschulten Juden ent- springen konnte, aber auch den Witz und Scharfsinn eines solchen sattsam bekundet. Es ist difs ein Gedicht auf den Tod seines Lehrers Moses Ba- sula, welches zugleich Hebräisch und Italienisch lautend einen Trauergesang bildet, in der achtreimigen Stanze: (!) Ya TER DEI ma iR Sad mp Chi nafce muor, Oime, che pals’ äcerho. joy ON Pr ur ol Day ah 53 Colto. vien l’huom, cosi ordin’ il Cielo. 2 927 > mia a mon Mofe mori Mole gia car de verbo. Ho mr Nm Tea Dr jr mon Di Santo fia ogn’ huom, con puro zelo. Na mn ar Tu mar Dun mn Ch’ alla en gia mai l[enza rilerbo. "> MB RI PR 99 na DIR Sm Aria huom, ma vedran in cangiar pelo, Bas may 2 "bp D3 maEO Se fin habiam, ch’ al Cielo vero ameno, Sad iwı au naar Din Val’ huomo vä le viva aflaiı, [e meno. Wie bei den Romanischen Völkern, wegen ihrer nähern Beziehung auf das Morgenland, überhaupt die Juden wenig oder gar nicht von ihnen zu unterscheiden sind, in Gestalt und Tracht, in Aussprache, eigentümlicher Betonung und einer gewissen Sangweise der fremden Sprache: so haben sie auch bei der Teilname an deren Dichtkunst und Schriftentum überhaupt, keine leicht erkennbare Eigenheit kund gegeben. Dafselbe Verhältnis hin- sichtlich des Sprachgebrauchs zeigt sich zwar auch noch bei unseren Mittel- (') Sota. lib. Mischnicus de uxore adulterii suspecta, cum excerplis Gemarae, Hebr., C. vers. Lat. et comm. ed. I. Ch. Wagenseil. Altdorf. 1674. 4. (88 und 1234 S.) p. 50. der Juden in Jüdisch-Deutscher Sprache. 7 deutschen Liederdichtern (Minnesingern), unter welchen Süfskind der Jude von Trimberg (!) sich nur durch den gezierten Namen kund gibt, dergleichen damals schon mehre vorkommen(?); sowie die Juden bei dem Staatsgebot, anstatt der Stammesnamen bestimmt unterscheidende Familien- namen anzunehmen, in diser Richtung vil weiter gegangen sind, und neben der Benennung von Ländern und Orten (Schlesinger, Breslauer), besonders gerne poetische Namen sich beigelegt haben (Rosenhain, Rosenbaum, Rosen- kranz, Rosenberg etc.): zum Teil aus Anklang alter Hebräischer Namen (Löwe, Löbel aus Levi), überhaupt aus Nachwirkung dem allgemein im Mor- genlande, mit den weniger veränderten Sprachen, sichtlichen Bestreben be- deutsamer Namengebung. Dann aber zeigt sich bei den Deutschen Juden eine eigne Erscheinung, und zwar erst seit der Zeit, dafs die Deutsche Dicht- kunst, völlig in die Städte gezogen, meist nur noch durch die Meistersänger betriben ward, und als neben dem durch Luther geschaffenen volksmäfsigen Kirchenliede, und der ungebundenen Rede, das neue Volkslied, zumal das geschichtliche, in Stadt und Land aufkam. Difs alles, zumal das Letzte, geschah mit einer unläugbaren Misbildung und Verwilderung der früher so manigfaltig gebildeten Sprache und Dichtkunst; welche Bildung noch durch die pedantische Einmischung der gelehrten (Lateinischen) Sprache, und weiter durch die mit anderen fremden Einflüfsen über Deutschland ge- kommenen Italienische, Spanische und endlich, am stärksten, durch die Französische Sprache barbarisirt ward: sodafs die Herstellung und Wider- geburt unserer Sprache seitdem ein warhaft geistiges Wunder, ein Zeugnis unverwüstlicher Lebens- und Auferstehungskraft, eine Verheifsung unaufhör- lich fortschreitender Bildung der Deutschen ist. Jene Rohheit und Verwil- derung aber vermehrten die daran teilnemenden Juden nun noch durch die Einmischung ihrer eigenen, unter den Fremdvölkern schon längst todten und verdorbenen Hebräischen Zunge. Und so entstand ein Mischmasch und Jar- gon, welcher teils an die Zigeunerisch- Jüdische Spitzbubensprache, teils an die jetzt eben wildwachsende anglisirte Sprache der Deutschen in Nordame- (') Minnesinger 119. (?) In einer den Sülskind betreffenden Würzburger Urkunde 1218 die Juden - Zeugen Liebermann, Schönemann u. a. Ein Mainzer Jude Seidenfaden 1340. Minnesinger IV, 536. s v.D. Hasen: die romantische und Volks - Litteratur rika erinnert, aber alle noch überbietet im Kunterbunt der Bestandteile und im Hohnsprechen aller unserer noch so bedeutsamen und freilich dem Frem- den schwierigen Sprachgesetze. Das Letzte geschah und geschiht zum Teil aus Jüdisch übertribener Folgerichtigkeit, z. B. die so eigentümlich im Deut- schen ablautenden Zeitwörter nach den früher auch von Deutschen Sprach- lehrern sogenannten regelmäfsigen Endung zu machen: gebe! er nehmt; reitete, gereitet. Einem solchen Rotwälsch gemäfs, sind auch den Gedichten darin Vers und Reim angepafst: der Reim, weit entfernt von Reinheit, ist häufig blofser Anklang; die Verse sind von ungemefsener Länge, bald sehr kurz, bald atemlos lang, nach Art der Jean Paul’schen Streckverse. Solche in den weit vorherrschenden Reimparen verbundene Reimzeilen scheinen so noch eine Nachwirkung des schon erwähnten Parallelismus der beiden Glie- der von ungleicher Länge, in der Hebräischen Rede überhaupt, vornämlich in Gedichten (Psalmen) und Sprüchen. Selten sind daher auch die Jüdisch- Deutschen Gedichte mit überschlagenden Reimen, überhaupt in mehrrei- migen Stanzen, aufser einigen geschichtlichen Liedern, meist nach solchen Deutschen Volksweisen, wie das Vinzenzlied im Tone der Pavia- schlacht. Und wird ja einmal ein Anlauf zu einer künstlichen Stanzen- bildung genommen (wie bei der achtreimigen Italienischen Stanze im Baba- Buehe), so hält es doch nicht lange an und verläuft sich alles bald in unregel- mäfsige, acht-, sechs- und vierreimige Sätze, meist auch mit Streckversen. So stellt sich die Jüdisch-Deutsche Rede und Dichtung dar in ihren eigentümlichen Erzeugnissen, Erzälungen, längeren Gedichten, Liedern und Schauspilen; welche zum Teil zwar übertragen sind aus anderen Sprachen, und auch aus dem reinen Deutsch selber (z. B. Ritter Wieduwilt aus Wigalois), aber auf ebenso absonderliche Weise verarbeitet wurden. Daneben bestehen allerdings auch mehr oder minder rein Deutsche Übersetzungen der Juden, sowol von ihrer ganzen Bibel, als von einzelnen Büchern derselben, auch wol in Reimen; ebenso Übersetzungen aus ande- ren Sprachen; und selbst gut Deutsche Werke, zumal ältere und Gedichte, werden so erneut, oder nur umgeschriben für Jüdische Leser. Denn, was dise gesammte Jüdisch-Deutsche Litteratur ferner inner- halb der Deutschen Gesamtlitteratur eigentümlich auszeichnet und abson- dert, das ist ihre Abfafsung und Vervielfältigung in einer eignen, aus der alt- der Juden in Jüdisch- Deutscher Sprache. 9 hebräischen Quadrat-Schrift verkürzten und dem Deutschen angepafsten Jüdisch-Deutschen Schreibe- und Druckschrift. Von jenen, der Absicht nach im gebildeten Schriftdeutsch verfafsten Werken der Juden, wenn sie auch in Jüdisch-Deutsche Buchstaben umgeschri- ben sind, sehen wir hier ganz ab, weil sie, wie solche Bücher anderer Undeut- scher Schriftsteller, der allgemeinen Deutschen Litteratur angehören, und auch meist in Deutscher oder Lateinischer Schrift gedruckt sind. Ebenso sehen wir hier ab von den älteren und neueren Deutschen volksmäfsigen und schriftgelehrten Werken, welche fast unverändert nur in Jüdisch - Deutscher Schrift gedruckt sind, und denen allerdings sonst auch in der Deutschen Litteraturgeschichte ihre bisher vernachläfsigte Aufname gebürt, zumal, wenn sich ergibt, dafs solche volksmäfsige Bücher in der Deutschen Ur- schrift nicht mehr zu finden sind (!). Dagegen die eigentliche Jüdisch-Deutsche Litteratur in folgen- der Übersicht, ist hienach nicht wegen ihrer Ausbildung und Schönheit an- ziehend, sondern merkwürdig, als eigentümliches Gewächs, wie andere Volksmundarten und deren eigene Erzeugnisse. Dabei hat sie noch die be- sondere Bedeutung, dafs sie völlig dem ursprünglichen Wesen und den fort- wärenden Zuständen dises zum allgemeinen Beispil bestimmten Volkes am Eingange der Menschengeschichte, entspricht. Alle dise Jüdisch-Deutschen Hervorbringungen zeugen weniger von Erfindung, als von eigentümlicher Auffafsung und Verarbeitung des Über- lieferten. Freilich gehört ein Teil des Letzten ursprünglich ihnen selber an, nämlich die wundersamen, fabelhaften, abenteuerlichen, ungeheuerlichen und unglaublichen, dabei ächt Jüdischen Umdichtungen, welche sie von und neben den Büchern ihrer Bibel haben, nicht nur von denen, wo eine solche Um- und Ausdichtung nahe lag, wie bei Judith, Ruth, Tobias, Esther, Daniel, überhaupt in den Apokryphen, sondern auch von den übrigen, wie Moses, Richter, Könige ete. Welche märchen- und sagenhaften Erzeugnisse, Midraschim genannt, in der Auffafsung und eignen Aus- und Fortbildung der Muselmänner, vornämlich der Araber (?), sich der 1001 Nacht anreihen. (') S. die Beilagen. (*) „Biblische Legenden der Muselmänner. Aus Arabischen Quellen zusammengetragen und mit Jüdischen Sagen verglichen von Dr. G. Weil.” Frankfurt a. M. 1845. Philos.- histor. Kl. 1354. B 10 v.d. Hagen: die romantische und Volks- Litteratur Demnächst haben die Juden in der weitschichtigen Fortsetzung ihrer biblischen Litteratur in den beiden Talmuden, von Jerusalem und Babylon, eine bedeutende Reihe änlicher, zwar minder ausschweifender, kurzer Er- zälungen, Parabeln u. dgl., welche, Aggadoth genannt, auch bei ihnen ge- sammelt, sowie durch Neudeutsche Auswal und poetische Darstellung be- kannt sind ('). Beiderlei Erfindungen gehören jedoch einer frühern Zeit an, und sind für das Jüdisch-Deutsche Schriftentum auch nur noch Überlieferung; nicht minder wie die aus anderen, Romanischen und Germanischen Spra- chen entlehnten Gegenstände. In diser letzten Hinsicht ist nun die Jüdisch- Deutsche Litteratur für uns besonders merkwürdig durch ihre Teilname än der Romanischen Ritter- und Volksdichtung, sowol unmittelbar, wie das Baba-Buch aus dem Italienischen, als vermittelst Deutscher Übertragung, wie Ritter Wieduwilt aus dem Altdeutschen Wigalois. Mit beiden genannten Büchern zeigt sich schon ihre Teilname an den beiden grofsen Romanischen Sagenkreisen von König Artus mit der Tafelrunde und von Karl dem Grofsen mit seinen Paladinen, auf än- liche Weise, wie in der Altdeutschen Ritterdichtung; wobei nicht unwichtig ist, dafs eben in dem genannten Baba-Buch ein bedeutendes Rittergedicht und Volksbuch nicht Altdeutsch, sondern nur Jüdisch-Deuitsch vor- handen ist, und zwar in Stanzen-Nachbildung. Aufser mehren anderen, nicht den beiden Sagenkreisen angehörigen romantischen Dichtungen, z.B. Magelona, sowie dem übrigen grofsen Mor- gen- und Abendländischen Gemeingute kürzerer Erzälungen (Mäseh), Mären und Märchen der kleinen und grofsen Kinder, Wundergeschichten und Schwänke(?), — fehlt es dem Jüdisch-Deutschen Schriftwesen auch nicht an (') Durch Engel und Andere. Dann „Sagen der Hebräer aus den Schriften der alten hebräischen Weisen. Nebst einer Abhandlnng über den Ursprung, den Geist und Werth des Talmuds. Aus dem Englischen des Heiman Hurwitz von *r.” Leipzig 1826. N. A. 1828. — „Das Buch der Sagen und Legenden Jüdischer Vorzeit. Nach den Quellen be- arbeitet nebst Anmerkungen und Erläuterungen von Abraham M. Tendlau. Zweite ver- mehrte Auflage. Stuttgart 1845. Meist in manigfaltigen Reimstanzen. — Jüdische Sagen und Dichtungen von Dr. C. Krafft. Ansbach 1839. (?) „Gesammtabenteuer. Hundert Altdeutsche Erzählungen: — meist zum erstenmal gedruckt und herausgegeben von F. H. v. d. Hagen.” 3 Bde. Stuttgart 1850. mit Geschichte derselben. der Juden in Jüdisch-Deutscher Sprache. 11 nächster Aufname und Verarbeitung ursprünglich Deutscher Dichtung, wenn auch nicht aus dem grofsen Sagenkreise des Heldenbuchs und der Nibelungen, doch aus den sich daran reihenden späteren Heldensagen , z. B. das Gedicht und Volksbuch vom Herzog Ernst, und andere nidrigere Deutsche Volksbücher, wie die Schildbürger und Eulenspiegel. Es ergibt sich also, dafs die Jüdisch-Deutsche Litteratur wirklich eine alte volksmäfsige innerhalb und mit der Altdeutschen ritterlichen, Hel- den- und Volkslitteratur ist, welche dabei noch so manches davon allein bewahrt, neben vilem Eigentümlichen. Sie gehört wesentlich zur vollständigen Geschichte aller diser Dich- tungen. Allerdings ist sie dafür weit überwigend stofflicher Art, bei ihrer dargelegten ungebildeten Darstellung und verwilderten Sprache. Aber selbst noch dise Sprache ist nicht unbeachtet zu lafsen, indem sie, dem Altdeutschen der Volksbücher und Lieder zunächst verwandt, daran festhält, sodafs sie noch- manche alte Wörter und Formen gebraucht, die schon aus unserm Schriftdeutsch verschwunden und kaum noch in den neuen Widerholungen der Volksbücher vorkommen: Recke; han, stahn, lan. Ja es finden sich da noch sonst unerhörte Wörter und Bildungen. Das eigentümlich und wirklich Volksmäfsige diser Jüdisch-Deutschen Litteratur zeigt sich endlich noch darin, dafs ein Teil derselben innig mit den Festen, Spilen, Sitten und Gebräuchen der Deutschen Juden verbunden war, und wol noch ist, wie einige Festlieder, die freudige Östererzälung (Haggada), die Schauspile Joseph und seine Brüder, Esther und Haman u. a. — Es ist eine im allgemeinen richtige Bemerkung, welche sich hier manig- fach bestätigt, dafs die Juden, wenn sie den ihnen ursprünglich angewisenen Kreis der Dichtung und Darstellung verlafsen, meist nachläfsig ins Formlose und Geschmacklose geraten. Dabei sind sie aber auch in der Litteratur, so- wol durch ihre Zerstreuung, als durch den ihnen inwonenden Geist des Ver- kehrs und Betriebs, zu der weitesten Vermittelung des Morgenlandes und Abendlandes geeignet: wie sich hier vor allen an zwei der ältesten Volks- bücher, welche die folgende Übersicht diser Litteratur eröffnen (Sendabar und Sindbad), bewährt. LEI I ich #n EL vs K ji Zub Fir N nd 2 FR j yalh Hank Faıa Er takt; ante An ug ÖL In era 1 Be. 2 | a ; vi: A #7 FEN MA rg U) u SUR d ve a q- RA px: 2 a #8 ee arte! it “ Kat hr | he A Bi War! rt; NE E f 1 f ei BEL, . Ber Hi ER ih Be ff ar ir A Joh ü “rg FAN uf M ok RRY ig EN RL Be 2) ; ar WAR a ER" a meh ae ' Mi ahnen Im {K Kine Ba WERK A Aa E * Ken Aal ah a Audig FR et BE En a BER TERRA Kb MIEL anbot pri Vol ar ‚ Bi vH KR % PEL TR eat Ale it: ar Mi Ben a ee BIN She RR TE m u ne Fr of a ein Pet DR 0 0777 a den Ks na Frl h Kur FR DE a NR a; aa Eu Hi 1 a hl 2. kin u Die Ahnherren des Preufsischen Königshauses bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. "Von H" RIEDEL. ” unnnwmnnn [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 16. Februar 1854.] Einleitung. E; dürfte an der Zeit sein, die alte Streitfrage über den Ursprung des Preufsischen Königshauses einmal wieder aufzunehmen, um zu versuchen, sie jetzt endlich zur Entscheidung zu bringen. Denn während eine endgültige, auf gründliche Beweisführung gestützte Entscheidung früher in der That nicht möglich war, haben die in der neuesten Zeit aufgefundenen Geschichts- quellen dahin geführt, dafs sich gegenwärtig nicht nur die Abkunft des Burg- grafen Friedrich I. von Nürnberg (1192-1201) aus Zollernschem Stamme von seinem Urgrofsvater her, sondern auch das Hervorgehen aller spätern Burggrafen von Nürnberg aus seiner Nachkommenschaft zuverlässig nachwei- sen läfst; wodurch die Zollernsche Abstammung des Preufsischen Königs- hauses allem Zweifel überhoben wird. Die Geschichte des Zollernschen Stammes auf diesen Punkt gebracht zu haben, ist vorzüglich das Verdienst des Freiherrn von Stillfried. Theils allein von ihm, theils von ihm in Verbindung mit dem gelehrten könig- lichen Haus-Archivar Dr. Traugott Märcker, sind die auf die gräflich- Zollernsche und auf die burggräflich-Nürnbergische Geschichte bezüglichen ältern Urkunden sorgfältig gesammelt und herausgegeben und ist zugleich der erste Versuch gemacht, dieselben mit Hülfe dessen, was Siegel, Wappen und andere Denkmale des Alterthums darbieten, gründlich zu durchforschen. Dazu kam, dafs auch Stälin’s treffliche Geschichte Wirtembergs im zweiten Bande (Stuttg. u. Tüb. 1847) die älteste Geschichte der Zollernschen Grafen 14 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses und der Burggrafen von Nürnberg durch umfassende Zusammenstellung des dieselben betreffenden urkundlichen Materials neu zu begründen half. Es liegt zwar in der Natur einer blofs auf Urkunden, Denkmalen und dergleichen beruhenden Forschung, dafs ihre Resultate leicht fragmentarisch bleiben, wie auch im vorliegenden Falle der genealogische Zusammenhang der in den Urkunden einzeln vorkommenden Grafen von Zollern der ältesten Zeit durch diese Untersuchungen noch nicht vollständig festgestellt werden konnte. Glücklicher Weise hatjedoch diesem Mangel jetzt ein Überrest alter Geschichts- schreibung, den wir hier zum ersten Mal an das Licht treten lassen, in ge- wissem Grade abgeholfen. In dem Handschriftenschatze der Universitäts- bibliothek zu Giefsen, über den der gelehrte Professor Dr. Otto Kunde verbreitete, hat sich eine alte Handschrift auffinden lassen, die einen voll- kommen glaubhaften Bericht über die Herkunft des Burggrafen Friedrich I. von Nürnberg aus Zollernschem Stamme enthält. Erasmus Sayn von Freisingen, der aus verschiedenen historischen Quellenschriften eine Sammlung der ihm bemerkenswerth erschienenen historischen Thatsachen aus dem Zeitraume von 1100 bis 1316 compilirte, hat dieses werthvolle Frag- ment einer wahrscheinlich längst untergegangenen Chronik, die der reichen Büchersammlung Freisingens angehören mogte, unserer Zeit als köstliche Reliquie aufbewahrt. Wir theilen sie in der Anmerkung 8 des folgenden I. Abschnittes dieses Vortrages mit. Erasmus Sayn lebte und schrieb zwar erst im 15. Jahrhundert und be- handelte die von ihm benutzten Quellen auch nur äufserst mangelhaft. Doch kündigt sich seine Genealogie schon durch die auffallende Übereinstimmung ihrer Überlieferung mit urkundlichen Angaben, die erst in der neuesten Zeit an das Licht getreten sind, als eine Arbeit an, die nicht im 15. Jahrhundert entstanden sein kann, sondern einer ältern Aufzeichnung, — wahrscheinlich einer Aufzeichnung des dreizehnten Jahrhunderts, worüber ihr Inhalt nicht hinausreicht, — entnommen sein mufßs. Besonders in Verbindung mit den Urkundensammlungen des Freiherrn von Stillfried ist unserer Giefsener oder Freisinger genealogischen Mitthei- lung grofser Werth beizumessen. Denn ihr Inhalt wird durch den Inhalt jener gleichzeitigen diplomatischen Beläge in keinem Punkte verdächtigt oder enikräftet, vielmehr durch alles Bezügliche auffallend bestätigt und also gleichsam beglaubigt. Geordnet stellt sie den genealogischen Zusammenhang bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 15 zwischen den einzelnen Familiengliedern dar, die in den ältesten Zollern- schen Urkunden, meistens nur als Zeugen, ohne alle nähere Angabe ihrer Familienverbindung unter einander vorkommen. Andererseits gewährt uns der gesammelte Schatz von gleichzeitigen Urkunden einen Blick in die poli- tischen Beziehungen, die Besitzverhältnisse und die Thätigkeit der einzelnen Glieder des alten Zollernschen Stammes, welchen die Genealogie, die selbige nur nach der Reihenfolge ihrer Abkunft gruppirt, ohne ihre Lebensverhältnisse weiter zu erörtern, vermissen läfst. In dieser Weise ergänzen sich gegen- seitig die Angaben der Genealogie und die gleichzeitigen Urkunden und wird es dadurch einer jetzt unternommenen Bearbeitung dieses Stoffes möglich, manche Dunkelheit, die auf dem ältesten Theile des Zollernschen Stamm- baumes bis jetzt noch ruhte, zu erhellen und manche blofse Vermuthung, worauf man die Ahnentafel des Königlichen Hauses gründen mufste, zu be- 5 richtigen oder in historische Gewifsheit zu verwandeln. I. Die Grafen von Zollern. Die Herkunft des edlen gräflichen Geschlechtes, das von der Burg Zollern seinen Namen trug, hat man bald von Hego aus dem Römischen Hause Colonna (144 n. Christo), bald von Pharamund dem Frankenkönige (417 n. Chr.), bald von Isenbard, einem Heerführer Karls des Grofsen, und von Thassilo dessen Sohn oder auch wohl von Helden des Trojanischen Krieges abgeleitet. Bemerkenswerth ist rücksichtlich dieses Sageskreises, der sich um den Ursprung der Zollern bewegt, das hohe Alter der Tradition, nach welcher ihr Geschlecht aus Römischem Patriciate hervorgegangen sein soll. Denn keineswegs ist diese Annahme eine erst auf die Ähnlichkeit der Säule in dem Wappen des Hauses Colonna und des Reichszepters im Kurfürstlich Bran- denburgischen Wappen gestützte Conjectur (!). Vielmehr wird schon zur Zeit des ersten Zollernschen Markgrafen von Brandenburg, der das Reichs- (') „— eine Verwandschaft des Brandenburgischen Hauses mit der Familie Colonna — für die kein anderer Grund angegeben wird, als die zufällige Ähnlichkeit des Kurfürstlichen Scepters in dem Brandenburgischen Wappen mit der Säule in dem Colonnaischen.” C. W. v. Lancizolle Gesch. der Bildung des Preuls. Staats I, 98. 16 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses zepter noch nicht im Wappen führte, diese Annahme in Beziehung auf die Zollernschen Burggrafen von Nürnberg als eine damals schon alte Tradition erwähnt. Der Papst Martin V., welcher aus dem Hause Colonna stammte, bemerkt in einem Schreiben vom Jahre 1421 oder 1422, dafs nach alten Schriften und Überlieferungen über das Römische Haus Colonna dieses und das Haus der Burggrafen von Nürnberg, welches letztere ebenfalls für ein Römisches gehalten werde, aus einer Wurzel entsprofsen sei (?). Echten Glanz kann die Geschichte eines Geschlechtes jedoch nur der Wahrheit entlehnen und nicht dem täuschenden Schimmer genealogischer Mythen, mögen diese immerhin auch ihr eigenthümliches Interesse haben. Einer historisch begründeten Zurückführung der Deutschen Adelsgeschlech- ter setzt aber das elfte oder zwölfte Jahrhundert eine bestimmte, selten über- steigliche Grenze; da es um diese Zeit überhaupt erst üblich wurde, sich nach Wohnsitzen zu benennen und dadurch Geschlechter zu unterscheiden möglich wird. Die ersten (?) in zuverläfsiger Weise erwähnten Männer, die sich von der Zollerburg nannten, finden wir in „Burchard und Wezil von Zolorin” () — Ex hoc matrimonio declarasti benignitates tue uoluntatis erga Alemannum sanguinem, apud quem tam carum et dulce pignus tuum collocare uoluisti. Nos quoque cum prosapia nostra de Columna, ex qua carnaliter nati sumus, obstrinxisti uinculo affıni- tatis. Nam sicut ab antiquo accepimus, qui pristinam originem nostram per manus tradi- tam ab antiquioribus retulerunt, nostra de Columna Romana et presentium Borg- grafiorum Nevrenburgensium domus, que etiam Romana fuisse dieitur, ab eodem stipite derivate sunt etc. (Ludewig’s Religu manuseript. T. V, 409.) — Worte eines Schrei- bens, welches der Papst Martin V. an den König Wladislav von Polen richtet und worin er diesem Glück wünscht zu der Verlobung seiner Tochter mit einem Sohne des Kurfürsten Friedrich I. von Brandenburg. (°) Nach einer in von Lancizolle’s Geschichte der Bildung des Preufs. Staats (I, 100) erneueten älteren Notiz käme der erste geschichtlich bekannte Graf von Zollern im J. 1003 mit dem Namen Friedrich vor, indem eine Urkunde von diesem Jahre den comitatus Fride- rici, qui iudicat in Hachingen erwähnt, Hechingen aber uralter Stammbesitz und der Name Friedrich durchaus herrschender Name im Zollerschen Hause ist. Indessen ist hiergegen schon von Andern mit gutem Grunde bemerkt, dals unter dem hier erwähnten Orte nicht Hechingen in der Nähe des Zollerberges, sondern Hächingen in dem alten Sondergau, im späteren Hofkastenamte München gemeint sei. G. W. von Raumer in L. v. Ledebur’s Archiv B. XVI, S. 338. — Es kommt dann ein Graf Rudolph von Zollern in einem Documente vom Jahre 1031 als Zeuge des Kaiser Conrad II. zu Augsburg in der Form „Rudolf comes de Zolrn” vor. Es ist dies die schon oft besprochene Zollrolle der Lechbrücke zu Augsburg. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 17 welche im Jahre 1061 in einer nicht näher bezeichneten Art, wahrscheinlich im Kriege, getödtet wurden (*). Diese Nachricht gewährt uns ein vollkom- men trauwürdiger Schwäbischer Geschichtsschreiber, der zwischen den Jahren 1073 und 1075 seine Berichterstattungen verfafste und mit den gedachten Edlen, derselben Diöcese, dem Stiftssprengel von Constanz angehörte, ihnen daher nach der Zeit und nach der Örtlichkeit nahe stand. Die Erwähnung des Unglücksfalles bekundet zugleich, dafs der Tod jener Zollernschen Män- ner von den Zeitgenossen als ein geschichtlich denkwürdiges Ereignifs be- trachtet wurde. 1. Die Haigerlocher Nebenlinie. Beide Edle, Burchard und Wezil von Zollern, die nach spätern Nach- richten Brüder waren, — hinterliefsen vermuthlich Nachkommen. Doch gewähren uns die Urkunden der Zeit darüber keine Auskunft. Die Reihe der Urkunden, welche Glieder des Zollernschen Hauses namhaft machen, beginnt erst gegen das Ende des 11. Jahrhunderts und zwar mit der Erwäh- nung eines Adelbert von Zollern. Dieser stiftete um das Jahr 1095, an- scheinend schon hochbejahrt, in Gemeinschaft mit zwei andern Edlen, auf seinem Erbgute Alpirsbach, im wildesten Theile des Schwarzwaldes ein Klo- ster. In dieses geistliche Stift zog er sich später selbst aus dem Weltleben zurück, um sein Dasein darin zu beschliefsen (°). Allein in der Abfassung, worin wir diese Zollrolle nur besitzen und worin auch Stillfried’s Monumenta (I, 1.) dieses Document nur mittheilen, ist sie keineswegs der Zeit angehörig, welcher sie zugeschrieben wird. Worte und Form weisen auf eine Abfassung oder wenig- stens durchgängig veränderte Redaction in einer viel späteren Zeit hin. Wir können daher auch dem nur hier erwähnten Grafen Rudolph von Zollern nicht den ersten Platz unter den durch unverdächtige Zeugnisse nachgewiesenen Ahnen des Zollernschen Hauses zugestehen. (*) Burchardus et Wezil de Zolorin occiduntur. Bertholdi Annales ad a. 1061. bei Pertz Seript. V, 272. bei Pistor Script. I, 229. und mit denselben Worten in Hermanni Con- tracli chronicon ed. Urstisii p. 338. Nach Bucellin waren es Brüder. Naugart Episc. Const. 371. (°) Adalbert von Zollern soll 1085 als Zeuge vorkommen. Sattler Topographische Gesch. des Herzogth. Würtemberg S. 499. Die Stiftungsurkunden des Klosters Alpirsbach findet man in Stillfrieds Mon. Zoll. I, 6-13. Stillfried und Märckers Mon. Zoll. I No. 1 und 12. dem neuen Wirtembergischen Urkundenbuche Thl. I. Neugart Cod. dipl. Alemann. I, 843. und Besold. Doc. rediv. 251. Die Nachricht dals er selbst im Kl. Alpirsbach als Conventual Philos.-histor. Kl. 1854. C 18 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Gleich zu Anfang des folgenden Jahrhunderts finden wir indessen wieder einen Wezil von Zollern, der im Jahre 1115 als Sohn einer Gräfin von Eberstein, in den Jahren 1125 und 1139 als Graf von Hai- gerloch bezeichnet wird und zum letzten Male im Jahre 1141 in Gemein- schaft mit einem wieder Adelbert genannten Sohne vorkommt (°). Die Sitte Söhnen in der Taufe den Namen der Grofsväter, des Vaters oder sonstiger älterer Familienglieder beizulegen, war im Mittelalter so herrschend und wurde im Zollernschen Hause so strenge beobachtet, dafs man später einmal drei Brüder denselben Namen Friedrich führen und diese, da jeder im Mittelalter nur einen Taufnamen besafs, hiermit alle sonst durch Namen beabsichtigte Unterschiedenheit aufgeben sieht. Fast immer begegnen wir daher in den Taufnamen einer Familie, wenn nicht besondere Umstände Ab- weichungen veranlafsten, einer wechselnden Wiederholung derselben Tauf- namen. Gewifs ist darnach auch im vorliegenden Falle die Vermuthung zu rechtfertigen, dafs der im Jahre 1061 gefallene Wezil von Zollern, so wie Adelbert von Zollern, der Stifter von Alpirsbach mit dem Wezil von Zol- lern, Grafen von Haigerloch des 12. Jahrhunderts und dessen Sohne Adel- bert einem und demselben Familienzweige angehörte und dafs diese Per- sonen die sogenannte Haigerlochsche Nebenlinie des Hauses Zollern aus- machten. Indessen diese Nebenlinie führt uns nicht zu der Ahnenreihe hin, in welcher die spätern Grafen und Fürsten von Hohenzollern, die Burggrafen von Nürnberg, die Kurfürsten von Brandenburg und die Könige von Preu- fsen ihre Stammväter zu erblicken haben. Von dem Dasein der Haigerloch- schen Linie gebricht es nach der Mitte des 12. Jahrhunderts an jeder sichern gelebt und gestorben sei, ist zwar nur aus der spätern Zimmernschen Hauskronik entnommen, wird aber durch die zwischen 1125 bis 1127 ausgefertigte erneuete Stiftungs-Urkunde be- stätigt, welche erzählt, dals Adelbertus de Zolro seculi actibus renunciaturus praeter illa predia, que antea dederat, iterum Deo sanctoque Benedicto prorsus in proprietatem tra- didit quiequid in his villis hereditario iure possessum habuit Uzin, Geroltisdorf, Sulzo. Adal- bert begab sich also nicht gleich nach der Stiftung des Klosters in dasselbe, aber später falste er den Entschluls dem Weltleben zu entsagen und machte nun von Neuem dem Kloster eine Schenkung mit Erbgütern. (°) Stillfried und Märcker Mon. Zoll. I No. 8. 11. 18. 20 Ders. Hohenzoll. Forschun- gen $. 88. 89. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 19 Spur. Sie mufs um diese Zeit erloschen sein, da wir Haigerloch bald her- nach im Besitz der Hauptlinie des Zollernschen Hauses wahrnehmen (7). 2. Die Zollernsche Hauptlinie. Der älteste, nach der Freisinger Genealogie jetzt erweisliche Stamm- vater dieser Hauptlinie war Graf Burchard von Zollern, der Urgrofsvater des ersten Zollernschen Burggrafen, des Burggrafen Friedrich I. von Nürn- berg(°). Wir können diesen Burchard nicht für dieselbe Person mit dem im Jahre 1061 getödteten Burchard von Zollern halten, sondern müssen in ihm einen zweiten Burchard erblicken, dessen Lebenszeit der letzten Hälfte des 11. Jahrhunderts angehörte. Doch dürfen wir diesen Burchard I. mit grofser Wahrscheinlichkeit als einen Descendenten des im Jahre 1061 ge- tödteten Burchard I. betrachten, da der im Hauptzweige des Zollernschen Stammes damals vorherrschende Name Burchard noch eine Reihe von Gene- rationen hindurch vom Vater auf den ältesten Sohn überging. Burchard H. Graf von Zollern, über dessen Lebensverhältnisse wir sonst nicht unterrichtet sind, hinterliefs vier Söhne und zwei Töchter (?). Von () Johann von Würzburg, der im Anfang des 14. Jahrhunderts dichtete, kennt beide Grafen (Burchard und Friedrich) von Zollern-Hohenberg, die den Kreuzzug des Kaisers Friedrich I. mitgemacht haben sollen. Den einen nennt er „von Hohenberg”, den andern „von Rotenburg grav Czoller, — sein geschlecht man nennet von Hohenberg, von Heyger- loch”. Stillfrieds Burggrafen von Nürnberg I, 50. 51. Auch Graf Albrecht von Hohen- berg, — der Schwager und Zeitgenosse Rudolphs von Habsburg, — wird von Haigerloch genannt und hatte diese Besitzung also gewils inne: „für Hohenberg ist Hayerloch komen” sagt Johann von Würzburg. Haupt Zeitschrift I 221. (°) Burchardus comes de Zolr genuit quatuor filios et duas filias, Burchardum, Egenonem, Friderieum et Gottfridum et matrem palentini de Tuwig et alteram, quam duxit Wernherus comes. Burchardus duxit quandam de stahla et genuit ex ea Burchardum et Fridericum co- mites de Hohenburch. Gotfridus sine herede decessit. Fridericus genuit Fridericum et Perchtholdum. Berchtoldus genuit filiam, que nupsit comiti de sancto monte. Fridericus ge- nuit Friderieum puregrauium de Nurnberch. Egeno genuit Egenonem. Supra dictorum soror, que nupsit comiti de tuwig, genuit per eum Hugonem palatinum et heinricum de ruke et Itam, que nupsit comiti Eberhardo de Nelenburch. Hugo palatinus genuit Rudolphum Palatinum. Altera soror supra dietorum, que nupsit Werzihero comiti, genuit per eum Wer- nherum eomitem et Itam, que Ita nupsit Dyethalmo de Tokkenburch. Dyetalmus genuit Dye- talmum. Mortuo Dyetalmo de Tokkenburch Ita nupsit Gotfrido de Mar. Handschrift des Erasmus Sayn de Frisinga. (°) Vgl. die Note 8 citirte Freisinger Handschrift. — Gleich aus diesen Nachrichten über die Tochter des Grafen Burchard I. tritt die Alterthümlichkeit und Glaubwürdigkeit C2 20 Rızrver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses den Töchtern wurde die eine einem Grafen Wernher vermählt und dadurch die Mutter eines gleichnamigen Grafen und einer an Diethalm von der Tog- genburg, später an Gottfried von Mar vermählten Tochter Ida. Die andere Tochter des Grafen Burchard II., namens Gemma, wurde die Gemahlin des Grafen Hugo von Tübingen (; c. 1150), die Mutter der Pfalzgrafen Heinrich des Autors der Freisinger Genealogie sehr entschieden hervor. Nur dem 12. oder dem An- fange des 13. Jahrhunderts entsprach es, den Gemahl der einen Tochter Burchards blofs als Grafen Werner ohne Anzeige seines Wohnsitzes oder seines Familiennamens zu nennen. Der in zwei Generationen sich wiederholende Name Werner weist uns auf die Familie der Grafen von Habsburg zunächst hin. Die beiden Diethalme von der Toggenburg finden wir am Ende des 11. und im Anfange des 12. Jahrhunderts oft in Urkunden erwähnt. Noch augenfälliger sind die urkundlichen Bestätigungen, welche die Freisinger Genealo- gie in den Mittheilungen, die sie über die andere nach Tübingen vermählte Tochter giebt, beglaubigen. Pfalzgraf Rudolph von Tübingen nennt im Jahre 1188 den Grafen Burchard von Hohenberg seinen consanguineum, indem er eine Urkunde für das Kloster Bebenhausen ausfertigt — in presencia consanguineorum nostrorum — comitis B. de Hohenberg (Stälin’s Wirt. Gesch. U, 402). Es wird dadurch eine Familienverbindung angezeigt, nach deren Ursprunge man bis jetzt vorgeblich geforscht hat. Aus der Freisinger Genealogie erhellt nun, dafs Rudolphs Grolsmutter und Burchards Vater Geschwister waren, wonach die Con- sanguinität beider als nachgewiesen erscheint. Pfalzgraf Rudolph war der Sohn des im Jahre 1182 verstorbenen Pfalzgrafen Hugo, der sich nach dem tödlichen Abgange seines bis 1162 in den Urkunden vorkommenden Bruders Friedrich und seines im Jahre 1167 verstorbenen Bruders Heinrich, den die Freisinger Genealogie sehr characteristisch nach einer der erweis- lich ältesten Stammbesitzungen des Hauses Tübingen, dem Schlosse Ruck bei Blaubeuren, wornach sich Glieder des Tübinger Hauses im 11. und 12. Jahrhundert bisweilen nannten, von Rucke nennt, im Alleinbesitz der Pfalzgrafschaft und der Stammgüter seines Hauses be- fand. Sein Vater der in Urkunden aus dem Anfange bis um die Mitte des 12. Jahrhunderts vorkommt, hiefs ebenfalls Hugo. Es ist bemerkenswerth richtig, dals der Genealog ihn im Gegensatz zu seinem Sohne und Enkel, die er Pfalzgrafen nennt, nur als Grafen bezeichnet. Auch die Urkunden nennen diesen Hugo, der die Pfalzgrafschaft erwarb, bis gegen sein Lebensende nur Grafen von Tübingen. Stälin’s Wirt. Geschichte II, 438. Dieser Hugo muls der Gemahl der Zollernschen Gräfin gewesen sein — vielleicht in zweiter Ehe, so dals Hugos erstgeborner Sohn nicht ihr Sohn war. Den Namen der Gräfin, welchen der Frei- singer Chronist verschweigt, erfahren wir aus der Überlieferung des Klosters Hirschau: Gemma comitissa de Tuwingen cum filiis suis Heinrico et Hugone pro iarito suo Hugone ad Eickenwiler dedit vnam salicam terram et tres hubas. Codex Hirsaugiensis in der Biblio- thek des Lit. Vereins in Stuttgart B. I S. 34. — Im Zwifaltner Necrolog findet sich unter dem X Kal. Febr. erwähnt „Hemma comitissa”, wozu der Herausgeber (Hels Mon. Guelf. 238) bemerkt hat: Videtur illa Comitissa de Tubingen esse, cujus ceu Benefactricis mona- sterii Hersaugensis mentionem faeit Tritthem. in Chron. ad a. 1118. Maritus erat Hugo, filii Hugo und Heinricus eodem teste. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. DA (+ 1167) und Hugo (+ 1182) von Tübingen und einer an den Grafen Eber- hard von Nellenburg vermählten Tochter, die gleichfalls Ida hiefs. Nach der gleichen Benennung beider Enkeltöchter läfst sich vermuthen, dafs Ida auch der Name der Gattin Burchards II. war. Die vier Söhne des Grafen Burchard II. waren Burchard (IIl.), Egeno, Friedrich und Gottfried, von denen wir den jüngsten und die beiden ältern Brüder Friedrichs I. wohl noch in den Grafen Burchard, Egino und Gott- fried von Zollern zu erkennen haben, welche urkundlich um das Jahr 1134 oder etwas später einer Bestätigung des Klosters Salem beiwohnten ('°). Sie erscheinen hier in der gedachten Reihfolge neben einander, zugleich mit einem nach Gottfried genannten, daher wohl schon einer jüngern Generation angehörigen Grafen Friedrich von Zollern und mit dem Gemahl ihrer Schwe- stertochter Grafen Eberhard von Nellenburg. Von den vier Brüdern starb jedoch der jüngste, Gottfried, kinderlos. Von dem zweiten der Brüder, Egeno, wissen wir nur, dafs er einen wieder Egeno genannten Sohn hatte. Eine weitere Nachkommenschaft ist auch von ihm nicht bekannt. Nur Burchard III, der älteste, und Friedrich I. der dritte unter den Brüdern, wurden durch ihre Nachkommen erweislich die Stifter von zwei neuen Linien, worin sich das Haus Zollern durch sie spaltete, und von denen der ältere Zweig später den Namen der Grafen von Hohenberg annahm, der jüngere Zweig aber den Zollernschen Grafentitel beibehielt. a. Der ältere Zweig, die Grafen von Hohenberg. Graf Burchard III. von Zollern, war mit einer von Stahla vermählt, die ihm die Söhne Burchard (IV.) und Friedrich gebar (?). Am 8. Januar 1125 zeigt er sich im Gefolge des Königs Heinrich V. in Strafsburg, wo er mit dem stammverwandten Grafen Wetzel von Haigerloch, mit seinem Schwa- ger Hugo von Tübingen und dem Gemahl seiner Schwestertochter Diethalm von Toggenburg einer Bestätigung des Stifts St. Blasien beiwohnte ('!°). Nach ('°%) Wecelo comes de Hegerlo, Hugo comes de Tuingen, Burchardus comes de Zolre — Thiethelmus de Tochenburch, Zeugen in einer Urk. vom 8. Jan. 1125. Dümge Reg. Bad. 34. — Eberhardus comes de Nellinburc, Burcardus, Egino, Gotfridus, Fridericus comites de Zolr — Hugo comes palatinus de Tuwingen — Heinricus comes et Conradus frater suus advocatus de Sancto monte — Z. einer nach dem J. 1134 ausgefertigten Urkunde in Mone’s Quellensamlung I, 179. Vgl. Stälin am a. O. S. 508. Stillfried n. Märcker Mon. No. 11 und 16. 22 Rırveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses einer nochmaligen etwa in das Jahr 1134 fallenden Erwähnung ist dieses Burchards dann nicht weiter gedacht. Die ältere Linie der Zollern hielt so lange, als Lothar von Sachsen den Königsthron einnahm, sich diesem fern. Sobald indefs nach König Lothars Tode der Schwabenherzog Conrad zum Reichsoberhaupte erwählt war, erblicken wir unter den zahlreichen jüngern Gliedern Schwäbischer Herrengeschlechter, die an seinen Hof eilten, auch erst Friedrich, dann Burchard IV., Grafen von Zollern, die Söhne Bur- chards III. Schon 1139 erscheint Graf Friedrich neben seinem Oheim Hugo von Tübingen in der Umgebung des Königs und zwar am 28. Mai zu Strafs- burg, wo die Grolsen des Reiches dem Könige die Heeresfolge gegen die wider ihn aufgestandenen Sachsen gelobten, so wie am 14. October zu Grö- ningen in der Ausführung dieses Feldzuges. In der Folge wird neben Friedrich auch sein Bruder Burchard mehrere Mal am königlichen Hoflager genannt (!'). Mit dem Tode König Conrads hörte diese nahe Beziehung der Grafen Burchard IV. und Friedrich zum Reichsoberhaupte und ihre Erwähnung in gleichzeitigen Urkunden für längere Zeit auf. Dagegen waren sie vermuth- ('') Zu Stralsburg am 28. Mai 1139 — wo jubente rege principes, qui aderant, contra Saxones regnum commoventes juraverunt (Schöpflin Zar. Bad. IV, 81) wird unter den Zeugen einer für das im Schwarzwalde gelegene Kloster Zell ausgestellten Urkunde Graf Friedrich ohne weitere Bezeichnung gedacht. Dals darunter Friedrich von Zollern zu ver- stehen sei, scheint nicht zweifelhaft, da wir ihn gleich darnach auf dem beschlossenen Feld- zuge nach einer für das Kloster Denkendorf ausgestellten Urkunde vom 14. Oct. 1139 finden, wo er als Comes Fridericus de Zolro bezeichnet ist und neben dem Grafen Hugo von Tübingen genannt ist. Besold. Prodrom. vind. Wirt. 1636. v. Raumer Reg. Br. 168. Stälin IL, 500. Stillfried u. Märcker Mon. No. 17. Graf Burchard IV. tritt dann im Jahre 1140 bei einer Bestätigung des Klosters Gengenbach mit Gottfried von Zimmern als Zeuge auf (Comes Burchardus de Zolra, dominus Gotefridus de Zimbern. Stälin’s Wirt. Gesch. II, 509 Stillfr. und Märcker Mon. Zoll. I, No. 19.) und im Jahre 1142 bei einer feierlichen Bestätigung, welche König Konrad IH. am 19. März dem Kloster Salem über eine ihm ge- machte Schenkung zu Constanz ertheilte, werden beide Brüder neben einander genannt und als Brüder bezeichnet, wiewohl also, dals Friedrichs Name, als des wohl am königlichen Hofe schon bekanntern Grafen, gegen die Ordnung des Alters dem Namen Burchards vorgesetzt ist (Fridericus comes de Zolren eiusque frater Burchardus — Wernherus comes de habeches- burc. Hergott Gen. II, 168 ohne Datum, mit demselben in Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 21.) Am 24. Sept. 1150 ist Burckardus comes de Zollern zu Langenau anwesend bei dem Abschluls eines Tausches zwischen zwei geistl. Stiftern. Stllfried u. Märcker a. a. O. No. 23. Stälin a. a. O. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 23 lich die Zollernschen Grafen, welche nach dem Berichte älterer Geschichts- schreiber über die Herzöge Welf und Berthold von Zäringen den Pfalzgrafen Hugo von Tübingen und den Herzog Friedrich von Schwaben bei Tübingen einen glänzenden Sieg erfechten halfen ('*). Im Jahre 1170 tritt Graf Bur- chard von Zollern am Hofe Kaiser Friedrichs I. einmal wieder auf, und zwar zugleich mit dem HerzogBerthold von Zäringen und mit dem Pfalzgrafen Hugo von Tübingen ('?). Doch bald hernach, im Jahre 1175 standen Zollernsche Grafen, wobei wohl zunächst nur an die Grafen Burchard IV. und Friedrich zu denken ist, mit dem Herzog Berthold von Zäringen wieder in offener Fehde (!*). Dagegen war es wohl nur ein ungegründeter Argwohn, wornach man die Grafen von Zollern beschuldigt hat, mit dem Herzoge Heinrich dem Löwen um das Jahr 1180 gegen den Kaiser Friedrich I. Parthei genommen zu haben ('’). Um diese Zeit scheinen die Grafen vielmehr dem kaiser- lichen Hofe fest verbunden gewesen zu sein. Schon seit dem Jahre 1179 bis zu Kaiser Friedrichs Tode begegnen sie uns oft wieder am Hofe und im (') Stälin a. a. O. S. 98 Guelfo Tubingam obsidens ope Friderici ducis Rotenburgensis et cujusdam Zollerensis comitis a Tubigensi palatino profligatus fuit. Crusius Annal. II, l. 8 c. 6. Die Hohenzoll. Forschungen, welche diese Stelle hervorheben, halten den Grafen Berthold von Zollern für den Gehülfen des Pfalzgrafen. Berthold erscheint aber niemals mit diesem in irgend einer Verbindung. Nach dem Anonymus Weingartensis bei Hess Mon. Guelf. p. 41 leisteten dem Pfalzgrafen Zolrenses omnes cum magno paratu ihren Beistand. Die Summula le Guelfis das. S. 130 berichtet: Hugoni palatino auxilio fuerunt Fridericus de Hochunstauffen dux Sueuie et Comites de Zolren. Die Annal. Monast. Bebenhausen das. S. 253 sagen: In auxilio Hugonis palatini fuerunt Fridericus Conradi regis filius, Zoll- renses et alii quam plurimi. (‘°) Stillfried u. Märcker Mon. Zoll. I. 27. () A. 1075. Bertholdus dux apud castellum Gillum multos militum suorum per ruinam praecipites amisit. Bellum inter ducem Bertoldum et Zolrenses. Dux occupauit Fursten- berc. Exec. chron. monast. S. Georg. bei Ussermann Prodrom. II, 445. ('’) Dals Grafen von Zollern die Parthei Heinrichs, des Herzogs von Sachsen und Bayern gehalten haben, da Kaiser Friedrich um das Jahr 1180 mit ihm zerfiel, berichtet namentlich das Chronicon abbatis Urspergensis mit den Worten Fridericus ducem crimine laesae maje- statis impetivit. Dum siquidem ipsum preveniens in Suevia fecerat conspirationem contra imperatorem et precipue cum Zolrensibus et Veringensibus et quibusdam aliis comitibus (ed. de 1609 p. 226. 227.) Vgl. Böttigers Gesch. Heinrichs des Löwen $. 343. Pfisters Gesch. v. Schwaben II, 111. 24 Rızver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Rathe des Kaisers und in den Urkunden seiner Anhänger ('%). Auf dem Kreuzzuge Kaiser Friedrichs I. soll der eine von ihnen die Fahne der Fran- ken, der andere die Reichsfahne getragen haben; Zollernsche Grafen von Hohenberg, von Rotenburg und von Haigerloch werden sie bei dieser Ver- anlassung genannt (7). Nach der Rückkehr umgaben sie den König Hein- rich VI. als erfahrne Räthe bis Graf Burchard im Jahre 1193 und Graf Frie- drich im Jahre 1195 zum letzten Mal unter den Lebenden erwähnt wird. Bei diesem Wiederauftreten der Brüder am Hofe des Reichsoberhaup- tes in ihrem spätern Lebensalter werden dieselben regelmäfsig nicht mehr als Grafen von Zollern, sondern als Grafen von Hohenberg bezeichnet: nur eine einzige, dem Jahre 1192 angehörige Urkunde legt dem Grafen Burchard noch den alten Titel von Zollern bei (!°). Zwar erscheinen auch Burchards IV. Söhne, Burchard V. und Albert zu Anfange des 13. Jahunderts einmal wieder mit dem Prädicate Grafen von Zollern in einer Urkunde König Philipps vom Jahre 1207. Doch aufser- dem wird auch dieser Graf Burchard stets Graf von Hohenberg genannt, ein Prädicat, das seitdem neben dem schon von dem Grafen Albert in den Jahren 1225, 1226 und 1232 geführten Titel eines Grafen oder Herrn von Roten- burg mit gänzlichem Ausschlufs des Zollernschen Grafentitels der Familie verblieb (!7). Es ist das Verdienst neuerer Geschichtsforschung eine Urkunde „Alberts Herrn zu Rotenburg” vom Jahre 1225 an das Licht gezogen zu haben, worin er sich einen Sohn des „Grafen Burchard (IV.) von Zollern” nennt und sich des Siegels seines verstorbenen Bruders des „Grafen Burchard (V.) von Ho- henberg” bedient (!7). Das berühmte Haus der Grafen von Hohenberg, aus dem im 13. Jahrhunderte der Graf Albrecht H. Burchards VI. Sohn hervor- ging, der Minnesänger und vertrauete Rath König Rudolphs von Habsburg, mit dem Albrechts Schwester Anna den Königsthron bestieg (1°), konnte schon nach diesem Documente mit Recht als ein Zweig des Zollernschen ('%) Stälin Wirt. Gesch. I, 510. 511 und 402. Stillfrieds und Märckers Mon. Zoll. I, No. 30. 31. 34. 35. 36. 42. 44. 45. 46. 47. 50. 55. (') Urk. von 1225 Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 112. Abbildung in Stillfrieds Alter- thümern. — Vgl. Stillfr. u. Märcker No. 75. 85. 91. 114. 148. (*%) Über Albrecht II. lieferte eine treffliche Abhandlung Dr. Berduscheck in dem Jahres- berichte der Luisenstädtischen Realschule in Berlin für 1853. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 25 Stammes betrachtet werden (!?). Die Art der Abzweigung und dafs die Hohenberger Grafen darnach die ältere Linie des Zollernschen Hauses ausmachten, hat erst die Auffindung der Freisinger Genealogie erkennen lassen (°). Leider ward die Eintracht zwischen den beiden so nah verwandten Geschlechtern, die aus Burchards II. Nachkommenschaft hervorgingen, bald getrübt. Schon im Jahre 1267 standen sich bei Haigerloch Graf Albert von Hohenberg und Graf Friedrich von Zollern in offener Schlacht gegenüber (°P). Auch die umfangreichen Besitzungen der Grafen von Hohenberg, wovon ein beträchtlicher Theil schon 1381 an Österreich veräufsert wurde, fielen daher dem Zollernschen Hause, von dem sie hergenommen waren, nicht wieder zu, als die Familie der Grafen von Hohenberg im Jahre 1486 im Manns- stamme erlosch. b. Jüngerer Zweig der Grafen von Zollern. Nachdem auch die Grafen von Hohenberg, wie früher die Grafen von Haigerloch ausgestorben, bestand von Burchards II. Nachkommenschaft allein noch die Linie fort, welche aus der Descendenz seines dritten Soh- nes, des Grafen Friedrich I. von Zollern hervorgegangen war. Diese jün- gere Linie erschien auch vor der ältern dadurch begünstigt, dafs die Stamm- burg Zollern oder Hohenzollern in ihren Händen verblieb und ihr die Bei- behaltung des alten davon hergenommenen Familiennamens sicherte. Den Stifter dieser Linie, Grafen Friedrich I. vermuthet man in dem Friedrich genannten Schirmvogte des Klosters Alpirsbach, von dem eine spä- tere Urkunde berichtet, dafs vor ihm zu Zeiten Kaiser Heinrichs IV. (+ 1106) ('?) Stälin Wirt. Gesch. II, S. 400 „Höchst wahrscheinlich waren die Grafen von Ho- henberg blos ein Zweig der Grafen von Zollern.” Bestimmt ist die Stammverwandschaft der Grafen von Hohenberg schon nachgewiesen in des Freih. v. Stillfried „Die Burggrafen von Nürnberg im XIM. Jahrhundert” S. 49 und in desselb. und Dr. Märckers Hohenzoll. Forschungen I, 93 f. (°) Anno 1267 gravis pugna fuit apud Haigerloch in festo omnium sanctorum inter comites de Zolre et Hohenberg, ubi comes de Zolre potenter triumphavit. Hermann. Gygas ed. Meuschen p. 128. Dagegen Exec. chron. monast. S. Georgi bei Ussermann Prodr. II, 447 zu demselben Jahre: facta est pugna inter comitem Fridericum de Zolre et comitem Albertum de Hohenberg (statt Hohinlo) et comes Albertus multos captivando triumphavit. Philos. - histor. Kl. 1854. D 26 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses einem ungerechtfertigten Anspruche auf Besitzungen des Stifts entsagt und dafs die Schirmvogtei von diesem Friedrich dem ältern auf seinen Sohn Frie- drich übergegangen sei (*!). Denn die Schirmvogtei über Klöster verblieb in der Regel, wenigstens in den ersten Generationen dem Geschlechte des Stifter, wozu bei Alpirsbach wenigstens ein Zoller gehörte. Bestimmter wird der Graf Friedrich von Zollern bei einigen andern Handlungen genannt, die in die Zeit von 1085 bis 1115 fallen (*°). Während der Regierungs- zeit des Königs Heinrich V. trifft man ihn in den Jahren 1111 und 1114 als Rath am Hofe dieses Reichsoberhauptes. In dieser Eigenschaft wohnte er namentlich am 14. August zu Speier der Stiftung von Vigilien und Seel- messen bei, wodurch König Heinrich V. die Manen seines in Kummer über treulose Söhne verstorbenen Vaters zu versöhnen suchte. Es war grade der Tag, an welchem erst die Gebeine des bis dahin mit dem Kirchenbann be- hafteten alten Kaisers von geweihter Erde aufgenommen werden durften. Den Grafen Friedrich von Zollern bezeichnet die Urkunde des Königs als einen von den Fürsten und Edlen, deren Rath und Bitte ihn bewog, diesen Act kindlicher Pietät zu vollziehen, welchen der König, zum öffentlichen Zeugnifs seines reuigen Gemüthes, auf der Vorderseite des Domes zu Speier mit goldenen Buchstaben eingraben liefs (°). Auf diese einzelnen Notizen sind unsere Nachrichten von Friedrichs I. Leben beschränkt. Seine Gattin ist nicht bekannt. Als seine Söhne werden uns die Grafen Friedrich und Berthold von Zollern glaubhaft genannt (?). Bestätigt sich indefs die Vermuthung, dafs Friedrich der erste Graf von Zol- lern dieses Namens und Friedrich der erste Schirmvogt von Alpirsbach die- selbe Person waren; so mufs zu des Grafen Söhnen auch noch ein Egino ge- (*') Stillfrieds u. Märckers Mon. Zoll. I. No. 12. S. 9. (°) Graf Friedrich von Zollern machte am Ende des 11. oder zu Anfang des 12. Jahr- hunderts, wenigstens nach 1085, den Versuch dem Kloster Reichenau ein Gut zu entziehen. Ein darüber entstandener Streit, deswegen der Pfalzgraf Gottfried den Grafen Friedrich um das Jahr 1115 vor sein Gericht zu Ofterdingen lud, wurde zu Gunsten des Klosters ent- schieden. Zwischen den Jahren 1103 und 1109 wurde auch ein Gütertausch mit dem Klo- ster Hirschau vor einem Grafen Friedrich gemacht, worin wir unsern Grafen Friedrich von Zollern vermuthen dürfen. Nach den von Stälin (Wirt. Geschichte I, 508) zusammenge- stellten Urkunden und Nachrichten. Vgl. Cod. ir. Reichenb. in den Württ. Jahrb. 1852 I, 109. 124. () Stälin a. a. O. Stillfr. u. Märck. Mon. Zoll. I. No. 4-7. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 37 hört haben, der seinen Vater aber wohl nicht lange überlebte (**). Vielleicht gehörte zu Friedrichs I. Söhnen auch der Abt zu Reichenau, Ulrich von Zollern, von dem wir beim Jahre 1135 in den Zeitbüchern bemerkt finden, er sei der Bruder eines Grafen Friedrich von Zollern gewesen, in den Verdacht gerathen, dafs die Ermordung seines Vorgängers, des Abtes Ludwig, auf sein Anstiften geschehen und noch in dem Jahre, worin seine Erhebung erfolgt, durch Gift umgekommen (?). Dieser Abt Ulrich konnte indefs auch der Hohenbergischen Linie, worin es um diese Zeit ebenfalls einen Grafen Frie- drich gab, angehören. Fortpflanzer der Familie war unter Friedrichs I. Söhnen nur der Graf Friedrich II., von dem uns die Geschichtsquellen längere Zeit ohne alle Nachricht lassen. Zwischen den Jahren 1125 und 1127 berichtet indessen das Kloster Alpirsbach von seinem Schirmvogte, „des ältern Friedrichs gleich- namiger Sohn habe zu den Zeiten des Königs Lothar” gewisse bedrohte Rechte des Stiftes sorgfältig untersucht und solche in Gegenwart seines Bruders Egino, seiner Ministeriale und Lehnsleute dem Stifte von Neuem bestätigt (°*). In Kö- nig Lothars Gefolge erscheint Graf Friedrich im Jahre 1133 zu Basel (?°), da Lothar mit der Kaiserkrone geschmückt, aus Italien heimkehrte und sich zur Unterwerfung des Hohenstaufenschen Brüderpaares, der Herzöge Friedrich und Conrad von Schwaben anschickte. Auch findet man ihn bald darauf bei einem das Kloster Salem betreffenden gerichtlichen Acte, der vor dem zu Anfang des Jahres 1135 mit dem Kaiser wieder ausgesöhnten Herzoge Friedrich von Schwaben vorgenommen wurde, neben den Grafen Burchard, Egino und Gottfried von Zollern und dem Pfalzgrafen Hugo von Tübingen, seinen Oheimen, als Zeugen erwähnt (!°). Der Tod dieses Grafen Friedrich, dem spätere Überlieferungen des Klosters Zwifalten den Beinamen „Maute” beilegen, mufs schon vor 1138 erfolgt sein, da bereits vor 1138 seine beiden (°°) Stillfr. u. Märck. Mon. Zoll. I. No. 12. () Ludowicus Augiensis abbas oceisus est in ecclesia a ministerialibus suis per insidias, sicut fama fuit, Othelriei, fratris Friderici comitis de Zolre, qui ei successit; sed ipse eodem anno vitam veneno finivit. Ann. Saxo b. J. 1135 bei Pertz Mon. VII, 769. Die Fort- setzung des Königshofen in Mone’s Quellensammlung S. 308 hat zwischen dem Abte Ludo- vicus — iste in ecclesia de Tutelingen a majoribus monasterü hominibus interfectus — als Successor Ulricus de Zolren, ohne jenes Gerüchts zu gedenken. (@) Stillfr. u. Märckers Mon. Zoll. I, No. 14. D2 28 Rıever: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses ältesten Söhne selbsständig handelnd auftreten, während von dem Vater nichts weiter verlautet, als dafs die Überlieferungen des Klosters Hirschau ihm nach- rühmen, Graf Friedrich von Zollern habe ein goldenes Kreuz und einen sil- bernen Kelch, zehn Mark schwer, vergoldet und von bewundernswerther Schönheit der Arbeit, ferner die Kirche in Genkingen und seine sonstigen Besitzungen an diesem Orte, die jährlich 4 Pfd. eintrügen, dem Kloster ge- schenkt. Von den Geldeinkünften werde jährlich die Hälfte zum Begängnifs seines Jahrestages verwandt (?). Der Necrolog des Klosters Zwifalten enthält zwei Grafen Friedrich von Zollern, deren Gedächtnifs in diesem Stifte gefeiert wurde und von denen der eine am 19. März der andere am 14. August gestorben ist. Diese Angaben bezogen sich wohl unzweifelhaft auf die beiden erwähnten Grafen Friedrich I. und Friedrich I. Die Zutheilung dieser Angaben an je einen bestimmten von ihnen ist jedoch bei der Dürftigkeit der über die Lebens- verhältnisse und die Lebenszeit derselben erhalten gebliebenen Nachrichten unmöglich. Neben dem Grafen Friedrich II. von Zollern wird uns zugleich seine Gemahlin Udilhild genannt (°). Sie gehörte dem altberühmten gräflichen () Fridericus comes de Zolra dedit nobis crucem auream et ciphum argenteum deaura- tum X marcas appendentem admirandi decoris et operis. Dedit quoque ecclesiam et quie- quid habuit in Genckingen, unde dantur singulis annis IV talenta, quorum duo ad anniuer- sarium ejus impenduntur, duo pro caseis (soll wohl casulis heilsen) dantur. Codex Hirsaug. in der Bibliothek des Lit. Vereins zu Stuttgart Band. I, S. 67. (°®) Dals eine gewisse Udilhild im Zollernschen Hause vermählt war, und namentlich Mutter Egino’s von Zollern und Gottfrieds von Zimmern war, erfährt man glaubhaft aus Beriholds Berichte der im J. 1138 schrieb: Egino de Zolro, filius Udilhilde, dedit nobis (d. i. dem Kloster Zwiefalten) uillam Burron (Beuren bei Hechingen) nuncupatam juxta Seclata sitam. Hujus frater Gotifridus de Cimbrin apud Strichin (Streichen) villam dedit qua- tuor mansus. Bertold. Zwif. lib. I. c. 15. (Manuseript der K. Bibliothek zu Stuttgart) nach Stälin Wirt. Gesch. II, 509. Dafs diese Udilhild eine geborne von Urach war, ergiebt der Zwifalter Necrolog, worin unter dem II. Non. Sept. Cunigunt comitissa de Vrah aufgeführt ist (Hefs Mon. Guelf. 247), in Verbindung mit dem Berichte Bertholds lib. I, cap. 12: Ca- pella S. Nicolai ad occasum in fine Monasterii adposita ab Udilhilde Comitissa de Zolro est constructa, ad quam eciam calicem, casulam, stolam cum vniuersis vtensilibus necessariis con- tulit, Insuper vnam hubam ad Steton, vnam ad Ingislatt, vnam ad Harde, vnam ad Striche, duas ad Danhaim eidem ecclesiae dedit, in qua etiam ıipsa in una parte, quae non est con- secrata, cum Matre Cunegunda Comitissa de Vraha iacet sepulta: Albirat eciam soror eius Abbatissa de Lindaugia ibi iacet condita. Eadem Comitissa Vdilhild in majori Monaste- bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 29 Hause Urach an, das in den Fürsten und Grafen von Fürstenberg heute noch fortbesteht, und war eine Tochter Egino’s II. Grafen von Urach und seiner rio duo vela linea depicta ad Altare S. crucis suspendit, tertium ex sericis contextum, quod erat Henrici Regis, majus altare S. Mariae circumdedit (Hefs Mon. Guelf. 210). Auch er- fährt man durch Vergleichung, dafs die Udilhild Egino’s des Grafen von Urach Tochter war, den neuere Geschichtsschreiber den II. dieses Namens nennen. Denn bei Ortlieb Zwif. bei Hels Mon. 194 heilst Quaedam Alberat nomine, comitis Eginonis filia, sed Gebehardi Strazburgensis Pontificis germana, quae quondam fuit apud Lindaugiam abbatissa; hanc Udel- hilt, comitissa de Zolre, ipsius abbatissae germana, in quantum potuit imitari studuit. Ort- lieb erzählt von dieser Udilhild auch eine ihr gemachte Schenkung des Abtes Volkmar in Hirschau: Folmarus Hirsaugensis abbas (1120-1157) dedit cruciculam argenteam domne Oudilhilde comitisse de Zolre et illa sorori sue Alberade quondam Abbatisse nostre autem nunc monache donauit. (Hels Mon. Guelf. 201.) Die Zeit der Stiftung der St. Nicolai- Kirche erfährt man ebenfalls von Ortlieb. De ecclesia S. Nicholai Episcopi. Millesimo XXX‘. II dem. inc. anno Indiet. XI, IH Idus Sept. dedicata est ecclesia que respieit ad aquilonem a venerabili Vdalrico Constantiensi praesule — in honore S. et vict. crucis — precipue autem in honore S. Nicholai episcopi et confessoris etc. Hels Mon. Guelf. p. 198. Als Gemahlin eines Grafen Friedrich von Zollern wird Udilhild in Sulgers Zwifaltner Anna- len bezeichnet. Vgl. Note 29. Eine spätere Bestätigung erhält diese Familienverbindung zwischen den Häusern Zollern und Urach durch eine päpstliche Dispensation vom Jahre 1248, wornach der Ehe einer Grä- fin Sophia von Zollern mit dem Grafen Conrad von Freiburg-Urach das Hindernils einer Verwandschaft und Verschwägerung im vierten Grade entgegen stand. Dieser Umstand be- weist zugleich dals die Gräfin Udilhild nur dem Grafen Friedrich II, nicht aber dem Grafen Friedrich I. als Gemahlin zugeschrieben werden darf. Die Urkunde lautet: Innocentius episcopus servus servorum Dei, venerabili fratri . . . episcopo Argentinensi salutem et aposto- licam benedietionem. Etsi conjunctio copulae conjugalis in quarto consanguinitatis vel affıni- tatis gradu saeris sit canonibus interdieta, provide tamen super iis interdum Romana dispen- sat ecclesia, maxime cum urgens necessitas vel evidens utilitas id exposcit. Cum igitur sicut ex parte nobilis viri Conradi comitis de Friburch accepimus ad sedandas graves discor- dias et graves inimicitias sopiendas, inter progenitores ejus et nobilem virum Fridericum comitem de Zolre diutius, non sine multa strage hominum, agitatas, nobilem mulierem Sophiam natam ipsius Friderici, quarta eum consanguinitatis et affınitatis linea contingen- tem, duxerit in uxorem ac prolem susceperit ex eadem, nec possit hujusmodi matrimonium dirimi absque gravi et grandi periculo plurimorum, dietusque comes de Friburch in eccle- sie devotione persistat; Nos tibi, qui super iis poteris habere notititiam pleniorem, dispensandi cum eodem comite, ut in huiusmodi matrimonio, impedimento non obstante praedicto, rema- nere licite valeant, nec susceptae proli ex matrimonio sie contracto, quominus reputetur legi- tima, prejudicium generetur, plenam tibi concedimus facultatem. Datum Lugduni, decimo quinto kalendas Juni, pontificatus nostri anno quinto. Schöpflin Alsatia diplom. I, 398. Es fragt sich, zum richtigen Verständnils dieser Urkunde, zunächst, wessen Tochter war die darin als die Gemahlin des Grafen Conrad von Urach-Freiburg erwähnte Sophia? Ihren 30 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Gemahlin Kunigunde. Ihr Andenken ist uns vorzüglich durch die Aufzeich- nungen des Klosters Zwifalten aufbewahrt, einer Stiftung ihrer väterlichen Vater den Grafen Friedrich von Zollern findet man in einer Weise hier erwähnt, dafs an- genommen werden mufs, er habe 1248 noch gelebt. Verstorbene pflegte man bekanntlich durch den Zusatz quondam (quondam comes), piae memoriae, felicis recordationis und der- gleichen kenntlich zu machen. Dafs Sophia nicht, wie jüngst angenommen worden ist, die Tochter eines im J. 1201 oder im J. 1218 verstorbenen Burggrafen Friedrich von Nürnberg war, ist leicht zu erweisen. Denn sie wäre in diesem Falle wenigstens resp. 48 und 30 Jahre alt gewesen und konnte auf dieser Altersstufe keine passende Gemahlin für den erst 22jäh- rigen Grafen Conrad sein. Auch haben nach der Urkunde schon Conrads Eltern die Verlo- bung verabredet. Graf Conrad wurde aber erst 1226 geboren: denn nach einer Urkunde vom Jahre 1238 war er damals grade 12 Jahr alt (Schreibers Urk. der Stadt Freiburg I, 50). In ungezwungener Weise kann Sophia, die Gemahlin Conrads, nur für eine Tochter des Gra- fen Friedrich IV. von Zollern gehalten werden, der von 1205 an in Urkunden erscheint und um die Mitte des Jahrhunderts aus der Geschichte verschwindet. Dieser war, wie sich später sicherer ergeben wird, ein zweiter Sohn des gleichnamigen Grafen von Zollern, der die Burggrafschaft Nürnberg für sein Haus erwarb, und der Sophia von Raabs, der Erb- tochter des letzten Burggrafen aus dem Hause Raabs. Nach dieser ihrer Grolsmutter wurde der Gemahlin Conrads von Urach vielleicht auch der im Zollernschen Hause früher nicht vorkommende Name Sophia zu Theil. War diese Sophia nun, wie die päpstliche Urkunde erklärt, mit dem Grafen von Frei- burg-Urach im vierten Grade verwandt und verschwägert; so mulste sie die Urenkeltochter Udilhilds und diese mithin die Gemahlin Friedrichs I. Grafen von Zollern sein, wie folgende Tabelle zeigt: Egino I. Graf von Urach Gemahlin Kunigunde Tu — \ Egino II. Gr. v. Urach 41. Udilhild v. Urach 1140. 1158 Gemahl Graf Friedrich II. v. Zollern. ET nn m — nV — Egino IV. + 1230 2. Friedrich III. erster Burggr. v. Nürnberg + 1201 Gem. Agnes v. Zäringen Gem. Sophia v. Raabs nn mu nn Egino V. + 1236 3. Friedrich IV. Gr. v. Zollern + c. 1251 Gem. Adelheid v. Neiffen Gem. Elisabeth v. Habsburg Du Conrad Graf v. Freiburg- 4. Sophia von Zollern Urach Wegen des Hauses Urach kann Münchs Geschichte des Hauses der Fürsten von Fürstenberg Thl. I. und muls Stälin’s Wirt. Gesch. Thl. II, S. 452 verglichen werden. In dem Wunsche, die Gräfin Udilhild nicht als Mutter, sondern als Grofsmutter des ersten Zollernschen Burggrafen von Nürnberg und als Ururgrolsmutter Sophia’s vermählten Gräfin Freiburg- Urach auftreten zu lassen, hat man die Ausflucht ergriffen, der päpstlichen bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 31 Familie, der die fromme Frau besondere Gunst erwies. So weit die eheli- chen Verhältnisse ihr gestatteten,, soll sie in diesem Stifte wie eine Nonne in klösterlicher Zucht und Demuth gelebt haben. Sie gründete bei dem Klo- ster eine eigene Kirche oder Kapelle, die im Jahre 1133 dem heiligen Nico- laus geweiht und von ihr sowohl mit der erforderlichen innern Ausrüstung versehen, als auch mit stehenden Hebungen ausgestattet wurde. Zu ihren sonstigen Weihgeschenken an das Kloster gehörte ein kostbarer seidner Teppich, den früher König Heinrich V. besessen, so wie ein silbernes Cru- cifix, das ihr der Abt Volkmar zu Hirschau (1120-1157) verehrt hatte. In dem von der Gräfin erbaueten, dem heiligen Nicolaus geweihetem Gotteshause wurden später auch ihre sterblichen Überreste zur Ruhe gelegt, neben den Gräbern ihrer Mutter Kunigunde und ihrer wie eine Heilige verehrten Schwe- ster Alberadis, die früher Äbtissin des Frauenklosters Lindau gewesen war und nachher als Nonne in Zwifalten lebte. Wenn der Zwifaltner Necrolog, wie zwei Grafen Friedrich von Zol- lern, auch noch eine zweite Udilhild Gräfin von Zollern nennt, indem er als Todestag der einen den 14. April, der andern den 4. November anzeigt; so dürfen wir in der zweiten Udilhild wohl mit weniger Wahrscheinlichkeit eine andere Gemahlin eines Zollernschen Grafen, als eine nach der Mutter oder Grofsmutter benannte Tochter oder Enkeltochter der Urachschen Udilhild vermuthen. Bulle eine falsche Computation der Verwandtsgrade unterzulegen. Sie soll die Verwand- schaftsgrade vermuthlich nach der Abstammung Sophia’s von der Udilhild oder aber Urach- scher Seits nach der Abstammung Conrads von Udilhilds Bruder Egino III. gerechnet haben. Man soll also annehmen, dafs Conrad und Sophia sich irrthümlich für Verwandte, deren Ehe einer Dispensation bedürfe, angesehen hätten und dafs die päpstliche Curie diesen Irrthum theilte. Indessen die päpstliche Curie nahm es um diese Zeit mit den Verwandschaftsgraden und ihrer Berechnungsart bekanntlich so genau, dals keine täuschende Hypothese die Urachsche Stammmutter einem früheren Grafen von Zollern, als dem Grafen Friedrich II. zueignen drrf. Wäre Udilhild Friedrichs I. Gattin gewesen, so waren Graf Conrad von Freiburg und Gräfin Sophia von Zollern nur im fünften Grade verwandt und dann bedurfte es nach den bekannten, auf Concilienbeschlüssen beruhenden Anordnungen des Papstes Innocenz II. überall keiner Dispensation, auch wenn diese entfernte Verwandschaft nur auf der einen Seite vorhanden gewesen wäre. War indessen Udilhild, wie wir demnach annehmen müssen, des Grafen Friedrich II. Gemahlin, des Grafen Friedrichs IH., als Burggrafen Friedrichs I. Mutter, Sophiens Urgroflsmutter; dann konnte das Verwandschafts- und Schwägerschafts- verhältnils, worin Sophia zu Conrad von Freiburg und dieser zu seiner Gemahlin stand, nicht schärfer bezeichnet ausgedrückt werden, als in der päpstlichen Bulle von 1248 geschehen ist. 32 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Als Friedrichs II. und Udilhildens Söhne kennen wir aus zuverlässigen Überlieferungen Egino, Gottfried (®) und Friedrich (3). Egino mit dem Prädicate von Zollern und Gottfried mit dem Prädicate von Zimbern werden schon vor 1138, als Wohlthäter des Klosters Zwifalten genannt. Egino, den spätere Überlieferungen auch zunächst als Erben der väterlichen Grafschaft bezeichnen (*?), ist indessen hiernach überall nicht weiter erwähnt. Auch Gottfried scheint frühe und ohne männliche Nachkommen gestorben zu sein. Er wird zuletzt in den Jahren 1155 und 1156 in der Umgebung des Kaisers Friedrich I. erblickt und hier abwechselnd Graf von Zimbern und Graf von Zollern genannt (°°). Damit enden auch von seinem Dasein alle Spuren. Am Hofe Kaiser Friedrichs I. sehen wir hiernach an Gottfrieds Stelle seinen Oheim den Grafen Berthold von Zollern, einen jüngern Bruder Frie- drichs II. wieder auftauchen. Er erscheint hier namentlich im J. 1160 in der Begleitung seines Grofsneffen des Pfalzgrafen Hugo von Tübingen und () Hoc eodem tempore (1133) sacellum nostrum D. Nicolai consecratur — Fuit hec Ecclesiola ad finem sive introitum Monasterii — sita — eamque construxit et dotavit pro Sanetimonialibus nostris Udelhildis, comitissa de Urach, Friderici, comitis de Zollern, vulgo Maute dieti uxor, quae et Mater Cunonis et Adelberti Monachorum nostrorum fuit ac postea in parte ejusdem sacelli non consecrata una cum sorore sua Albe- rada et Matre Cunigunda tumulata. Contulit autem huie ipsi aediculae a se extructae calicem cum Casula et omnibus necessariis paramentis sacroque ornatu, hubam insuper ad Stetten, Hubam ad Hard, aliam ad Striche, duas ad Danheim. Fuere supra memorati Monachi nostri, Albertus et Cuno, fili Friderici Senioris comitis de Zollern. Junior autem etsi ad vitae periodum familiaribus nostris adseriptus fuerit, vegetiore tamen aetate haud valde amicum se Zwifaltensibus exhibuit, eorum inimieis non dissimulanter addic- tus. Ceterum genuerat jam ante Udelhilda piissima matrona et quantum per matrimonii leges licuerat monasticam vitam agens, praeter geminam hanc prolem (Albertum scilicet et Cunonem) alios duos filios Eginonem, paterni comitatus heredem, et Gotefridum de Cimbren utrumque Zwifaltensi familiae perbenignum: prior enim Deo mancipauit villam prope Schlatt, Beuren dietam, posterior apud Strichen mansus quatuor. Sulger’s Annales Zwifalt. I, 82. 83. Vgl. S. 89 daselbst den Catalogus personarum illustrium sacri Gyna- caei Zwifaltensis: — Alberada Abbatissa quondam Lindaviensis, Soror Gebhardi Episcopi Argentinensis, nata CGomitissa de Urach, sanctitatis opinione clara. — Udelhild, eius soror, Friderici comitis de Zollern quondam uxor. (°°) Stillfried u. Märckers Mon. Zoll. I, No. 19. 24. 25. Stälin Wirt. Gesch. IL 509 wo der Verf. auch den in einer Urk. Herzog Welfs v. Jan. 1153 genannten Gotefridus comes de Cimbr. oder Cimbria (Schöpflin Als. dipl. I, 338. Würdtwein Nov. subs. dipl. VI, 166) hierher zieht. ‚bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 33 seines Schwiegersohnes des Grafen von Heiligenberg, sowie im Jahre 1176 zu Constanz bei einer den letztern betreffenden Verhandlung in der Umge- bung des Kaisers. Im Rathe desselben und seines Sohnes, des Herzogs Frie- drich von Schwaben, wird der Graf noch bis in das Jahr 1188 oft genannt. Hiernach aber erinnert nur der nach der Sitte der Zeit dem mütterlichen Grofsvater entlehnte Name des Grafen „Berthold von Heiligenberg” noch an den ohne männliche Nachkommen verstorbenen Grafen Berthold von Zol- lern (°!). Unter dieses Bertholds, seines Oheims, Vormundschaft wuchs Frie- drichs II. dritter Sohn Friedrich, der nachmalige Burggraf von Nürnberg, allem Anscheine nach heran, da er seiner Eltern schon im Kindesalter beraubt war. Auch im späteren Lebensalter, von 1174 an, da Friedrich IH. über- haupt erst bei öffentlichen Staatsverhandlungen im Rathe der Fürsten ge- nannt wird, bis an Bertholds Tod, — zeigt er sich fast beständig im Zusam- mensein mit diesem seinem Oheim. Nach dem Tode Bertholds und dem vorangegangenen Hinscheiden seiner ältern Brüder war Graf Friedrich III. von Zollern zugleich alleiniger Besitzer der Grafschaft und des Stammgutes seiner Linie. Zwifaltner Klo- sternachrichten eignen der Gräfin Udilhild zwar das Verdienst zu, dem Gra- fen Friedrich II. noch zwei dem Klosterleben gewidmete Söhne Albert und Cuno geboren zu haben, die also Friedrichs III. Brüder waren. Doch diese konnten schon als Mönche an weltlichem Familienbesitz nicht theilnehmen und mögen ebenfalls früh verstorben sein. Wenigstens findet man keine Nachricht von ferneren Beziehungen Friedrichs III. zu dem Kloster Zwi- falten und so wenig die Spur von irgend einer Wohlthat, welche dieser Graf dem von seiner Mutter hoch begünstigten Stifte erwiesen hätte, als die Anmerkung seines Jahrestages in dem Todtenkalender des Stiftes. Die Über- lieferungen des Klosters widmen dem Grafen Friedrich, den sie als jün- gern dem Gemahl der Udilhild als älterem gegenüberstellen, nur die Be- merkung, er sei zwar in Jjüngern Jahren den Freunden des Stifts zugeschrie- ben, habe diesem jedoch in späterem Alter nicht eben sehr als Freund sich erwiesen, vielmehr zu den Widersachern des Stifts sich gehalten (*°). (‘) Stillfrieds u. Märckers Mon. Zoll. I, No. 26. 28. 29. 30. 34. 36. 39. Stälin a. a. O. S. 509. 510. Philos.-histor. Kl. 1854. E 34 Rırveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Graf Friedrichs III. Bestrebungen mogten von Anfang an auf ein hö- heres Ziel gerichtet sein, als den Beifall der Mönche zu erwerben, für die seine Vorfahren auf der mütterlichen Seite eine ihrem Stammgut so verderb- liche Vorliebe empfanden. Seitdem wir ihn an Bertholds Seite in Reichs- verhandlungen auftreten sehen, scheint er dem Hohenstaufischen Herrscher- hause, in dessen Rathe sein nachmaliger Schwiegervater, der Burggraf Conrad von Nürnberg, eine hervorragende Stellung einnahm, mit besonderer Hinge- bung angeschlossen und den Reichsgeschäften seine ganze Kraft gewidmet zu haben. Mogte er daher auch im Jahre 1171 dem Herzoge Heinrich dem Löwen als Zeuge der Bestätigung einer Schenkung für das Kloster Salem dienen; so erscheint er doch bald hernach fortdauernd unter den vertraute- sten Räthen Kaiser Friedrichs I. sowie seines Sohnes Friedrich von Schwa- ben (3) und niemals als Anhänger einer dem Hohenstaufischen Erbkönig- thume feindlichen Parthei. Nachdem der alte ruhmgekrönte Kaiser und mit ihm der tapfere Her- zog Friedrich von Schwaben auf dem Kreuzzuge jenseit des Meeres seinen Tod gefunden hatte, gehörte der Graf Friedrich III. zu der beständigen Um- gebung Königs Heinrich VI. Fast ununterbrochen begleitete er diesen Für- sten, der in jugendlichem Alter unter den schwierigsten Verhältnissen zur Oberherrschaft gelangt war, auf seinen Umzügen durch die Deutschen Lande und unterstützte er ihn in Staatsverhandlungen mit seinem erfahrnen Rathe. Doch gehört diese Thätigkeit Friedrichs in den Reichsgeschäften Heinrichs VI. gröfstentheils schon dem Zeitraume an, worin wir ihn nicht mehr als blofsen Grafen von Zollern, sondern zugleich als Burggrafen von Nürnberg zu be- trachten haben. Bevor wir jedoch dem Grafen Friedrieh III. von Zollern in den neuen Herrschaftsbereich folgen, werfen wir noch einen Blick auf die Besitzverhält- nisse und die sonstigen Grundlagen der Macht und Gröfse des Geschlechtes zurück, aus welchem demnächst der Fränkische Zweig des in Schwäbischer Erde wurzelnden Zollernschen Stammes hervorwuchs. 3. Hausbesitz und Grafschaften der Zollern. Die hervorragende Stellung, worin man das Haus Zollern gleich bei seinem ersten geschichtlichen Hervortreten wahrnimmt, beruhte theils in den €) Sillfrieds u. Märckers Mon. Zoll. I, No. 28. 30. 32. 34. 36. 37. 38. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 35 Grafenämtern, welche sich in seinem Besitz vereinigten und ihm Rechtspflege, Heerbann und eine Art von Polizeigewalt über umfangreiche Bezirke ein- räumten, theils und besonders aber wohl in dem höchst bedeutenden Grund- besitz, wodurch das Haus Zollern den meisten Schwäbischen Herrengeschlech- tern, namentlich auch den Grafen von Wirtemberg, Anfangs weit über- legen war. Schon im 11. Jahrhunderte, da man Glieder des Zollernschen Hauses mehrfach noch ohne das Grafenprädicat erwähnt findet (°?), erscheinen sie als mächtige Grundherren, welche mit ihrem Eigenthume Kirchen und Klö- ster ausstatten konnten und über eine bedeutende Dienstmannschaft geboten. Noch viel bestimmter tritt dieser umfangsreiche Grundbesitz des alten Dyna- stenstammes in den beiden folgenden Jahrhunderten hervor. Die Besitzun- gen der Hohenberger Linie erfüllten fast die Bezirke, welche die Wirtem- bergischen Oberämter Rotenburg, Horb, Spaichingen und Oberndorf heute begreifen, die Besitzungen der jüngern Linie den Umfang des Fürstenthumes Hechingen und des Wirtembergischen Oberamts Balingen. Jene Hohenber- gischen Besitzungen kommen auch schon im J. 1258 als ein zusammen han- gendes Territorium bezeichnet vor (**) und darneben gab es eine grofse Zahl von zerstreueten Gütercomplexen im Besitze beider Linien. Reichthum an Grund und Boden war aber zu allen Zeiten eine vorzügliche Quelle der Macht für seine Besitzer und der Abhängigkeit für Andere. (©) Weder Burchard und Wezel von Zollern werden um das Jahr 1061, noch Adalbert von Zollern um die Jahre 1095 und 1098 als Grafen aufgeführt. Über die im Schwäbi- schen Gebirge belegenen Besitzungen, mit welchen Adalbert von Zollern das Kloster Alpirs- bach ausstattete, hatte damals Graf Alwic von Sulz das Grafenamt inne, wie die Stiftungs- Urkunde des Kloster Alpirsbach besagt. In dieser Urkunde wird unter den Zeugen zwar zugleich ein Comes Fridericus angeführt ohne weitern Beinamen, welchen man für einen Gra- fen Friedrich von Zollern und Bruder des Stifters von Alpirsbach hält. Indessen ist dies eine weiter nicht zu begründende Annahme. Dagegen wird Graf Burchard II. von dem Freisinger Chronisten allerdings Graf genannt, vgl. Note 8. und in der Folge werden auch die getrennten Linien die Hohenbergische und die Zollernsche, worin sich das Zol- lernsche Geschlecht zweiete, jede als gräfliche Familie aufgeführt, worin wir wohl keine blofse Titulatur vermuthen dürfen Auch schreibt Albert von Stralsburg dem Hohenberger Zweige allein duos comitatus antiquos valde zu. (‘) Albertus comes de Hohenberg bekundet im J. 1358 am 2. Sept., dafs Heinrich Ritter von Nagold sein Hofgut in nostro territorio an das Kloster Kirchberg übergeben habe. Stälin Wirt. Gesch. II, 403. E2 36 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Zu dem Umfange dieses Grundbesitzes kamen mächtige Burgen, da- _ mals die Hauptträger politischer Bedeutung und Überlegenheit. Wie die felsenfeste, fast uneinnehmbare Stammburg im Fürstenthume Hechingen, fin- den wir im Besitz der jüngern Linie aufserdem noch die feste Schalz- oder Schalksburg im Oberamt Balingen, die Burg Hohenstein im Amte Münsin- gen, die Burg Mühlheim im Oberamte Tüttlingen und andere mehr. Den Grafen von Hohenberg aber gehorchten die Festen Hohenberg, Rotenburg, Haigerloch und andere starke Plätze. Bei einem so befestigten Besitz konnte der päpstliche Legat Albert von Böhmen, um die Mitte des 13. Jahrhunderts bei seiner Berechnung des Widerstandes, den die Herrengeschlechter Schwa- bens gegen den von der Kirche ausgestofsenen Kaiser zu leisten vermögten, wohl mit Recht, „das Haus der Edlen von Zollern und Hohenberg” mit der Bemerkung hervorheben, „mit seinen Burgen und Festen könne es gegen die Reichsgewalt so lange es ihm beliebe Widerstand leisten” (°). Neben diesem umfangsreichen wohlbefestigten Hausbesitz verwaltete die Familie Grafschaften , denn die Grafenwürde, womit schon Burchard HI. bekleidet auftritt, bildete in jener Zeit noch keinen blofsen Titel, sondern weist auf das im Besitz der Familie befindliche Grafenamt hin. Der Linie Hohenberg wird der Besitz von zwei Grafschaften zugeschrieben (°?). Ein besonderes Grafenamt gehörte gewifs auch der jüngern im Besitz der Stamm- burg verbliebenen Linie an. Jedenfalls erhöhte die ursprünglich ausgedehnte, wenn auch mit der Zeit unbedeutender werdendegräfliche Amtsgewalt das An- sehen der mächtigen Grundherren und erweiterte es den Bereich ihrer Macht. Über die Lage und den Umfang der Grafschaft, welche mit dem Be- sitz der Stammburg verbunden blieb, mangelt es zwar an aller Nachricht. Denn keineswegs darf man den Gerichtsbezirk in welchem eine Familie das Amt der Grafschaft ursprünglich zu Lehn trug, immer mit Sicherheit in der Umgebung ihres Wohnsitzes oder in dem Bereiche ihrer Stammbesitzungen zu finden hoffen (°°). Doch bleibt es wahrscheinlich, dafs das spätere Hohen- () Domus nobilium de Zolr et de Hohenberch in castris et munitionibus contra impe- rium et eius insultus habent resistere quantum placet. Stillfrieds Burggr. v. Nürnberg des XII. Jahrh. S. 52. (°) Vgl. Wohlbrücks treffliche Abhandlung über die Grafen von Valkenstein in Wolt- mann’s Monatsschrift für Geschichte und Politik II, 260. — Es lag darnach z. B. die Grafschaft der Grafen von Wernigerode nicht auf dem Harze, wo die heutige Grafschaft bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 337 zollernsche Territorium, wie das Hohenbergische, aus der Verbindung von grundherrlichen und ursprünglich gräflichen Rechten erwuchs. Nach dem frühzeitigen Verfall der alterthümlichen Grafschaften, die ursprünglich nur nach dem Taufnamen ihres jedesmaligen Besitzers benannt wurden, kam es fast allgemein in Gebrauch, bedeutende Complexe einer gräflichen Familie als deren Grafschaft zu bezeichnen und solche nun nach dem Famliennamen oder der Hauptburg zu benennen. Auch konnte dies um so eher geschehen, als bei der Zerstückelung der ursprünglichen gräf- lichen Gerichtsbezirke durch beständige Vermehrung geistlicher und welt- licher Immunitaten, den mit dem Grafenamte beliehenen gröfsern Grund- herrn im Umfange ihrer Stammgüter die gräflichen Rechte beizubehalten und wo sie diese früher nicht besessen hatten, zu erwerben, fast allgemein gelang. Zugleich bemühte man sich durch Veräufserung entlegener und An- kauf näherer Besitzungen und obrigkeitlicher Rechte eine mehrere Abrun- dung des Besitzes zu einer geschlossenen Landschaft herbeizuführen und darin alle Rechte sich allmälig zuzueignen, deren Inbegriff die später hervor- tretende Landeshoheit ausmachten. In dieser Weise hat ohne Zweifel auch die später unter dieser Bezeichnung auftretende Grafschaft Hohenzollern aus eigenthümlichen Besitzungen der jüngern Linie des Zollernschen Hauses und aus gräflichen Rechten in diesen und in den angrenzenden Besitzungen klei- nerer Grundeigenthümer sich gebildet und so erwachsen durfte sie als eine „mit allen ihren Regalien und Pertinentiis gantz freye, eigenthümliche, un- mittelbare Reichsgraffschaft”, wie sie in kaiserlichen Urkunden genannt wird (7), betrachtet werden, während Grafschaften im eigentlichen Wort- Wernigerode liegt, sondern in der Gegend von Braunschweig, wie eine Urkunde in Scheidts Werke vom hohen und niedern Adel S. 452 nachweist. Ebenso verwalteten die Grafen von Valkenstein, von denen Hoyer einen bekannten Antheil an der Abfassung des Sachsen- spiegels hatte, nicht in der Umgegend der ebenfalls dem Harze angehörigen Stammburg Valkenstein die Grafschaft, sondern in der Gegend von Wollmirstädt und Magdeburg, wo auch Eike von Reppichau (der Verfasser des Saehsenspiegels) urkundlich als Gerichtsschöppe auftritt. Riedels Beschr. der Mark Brand. I, 195. II, 134 und L. v. Ledebur’s treffliche Schrift, welche die Ansichten Wohlbrücks gegen Schaumanns Widersprüche rechtfertigt „Die Grafen von Valkenstein am Harze und ihre Stammgenossen” (Berlin 1847) S. 31 £. ©”) Noch in dem sogenannten Fürstenstand-Privilegio des Hohenzollerschen Hauses vom 28. März 1623 heilst es daher „So haben wir demnach — zu gnadigster Erkanntnüls seines furtrefflichen uralten Fürst- und Grafflichen Geschlechts der Graffen zu Hohenzollern — 38 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses verstande, ihrer Natur nach zu Lehn getragen werden mufsten und so weit Deutsche Gerichtsverfassung galt, ein nichtlehnbares Eigenthum ihrer Besitzer nicht bilden konnten. Die Grafenwürde der Zollern war aber in Ansehung des Lehnsver- hältnisses vor den meisten, namentlich in Norddeutschland aus dem Mittel- alter hergebrachten gräflichen Prädicaten dadurch ausgezeichnet, dafs sie, wie bei den Grafenämtern in Schwaben fast allgemein der Fall war (°°), un- mittelbar vom Reiche zu Lehn ging. In andern Gegenden Deutschlands wurden die Grafschaften vom Reichsoberhaupte gröfstentheils an Herzöge, Pfalz- und Markgrafen oder geistliche Fürsten zu Lehn gereicht, die das Richteramt auszuüben Anderen überliefsen, nur das Fahnlehn der Grafschaft sich vorbehielten und dadurch dem zahlreichen Stande der Vicegrafen den Ursprung gaben, die in Frankreich, England und anderswo auf Grund ähn- licher Verhältnisse durch Bezeichnungen wie Vicomte, Viscount, Visconde unterschieden, in Deutschland aber so gut wie die unmittelbaren Reichsgrafen mit dem Grafentitel bezeichnet wurden (°?). Von dem zahlreichen Sächsi- obgenannten Graff Johann Georgen zu Hohenzollern, diese besonderliche Kaiserliche Gnad gethan und nicht allein die uralte mit allen ihren Regalien und Pertinentiis gantz freye, eigenthümbliche unmittelbare und unlehnbare Reichs-Graffschafft Zollern — zu einer Fürstlichen Graffschaft erhöhet, sondern auch obgenannten Graff Johann Georg zu Hohenzollern ete. — in den Stand, Ehr und Würde Unserer und des Heil. Reichs Fürsten wiederumb von neuen gnädiglich erhebt etc. Fidel Baur Gesch. der Hohenzoll. Staaten V, 24. 25. (°°) Stälin’s Wirt. Gesch. B. I. S. 533. C°) Auch hierüber ist Wohlbrück in Woltmanns Monatschrift a. a. O. II, 259. zu ver- gleichen. — Dals man sich auch in Deutschland, ungeachtet der im Titel nicht üblichen Unterscheidung, des Unterschiedes zwischen beiden Klassen von Grafen früher wohl bewulst war, zeigen manche Urkunden. Namentlich erkennen wir es aus dem Gebrauche in den alten kaiserlichen Patenten, erlassene Anordnungen aulser den Herzogen, Markgrafen und Grafen namentlich immer auch den Vicegrafen (vicecomitibus) zur Beobachtung ein zu schär- fen. Auch zeigen manche Urkunden, wie die Fürsten, bei solcher Anstellung von Grafen, die nur Vicegrafen wurden, dieselben nur als ihre Statthalter in der Gerichts- Verwaltung betrachteten. So sagt z. B. eine Urkunde des Markgrafen Otto II. von Brandenburg vom J. 1196 von dem Grafen Heinrich von Danneberg cuius idem comitatus erat er habe das Amt vice nostra judicio presidendi Urk. in Gercken’s Cod. dipl. Brand. III, 64. Walthers Singul. Magd. II, 42. — In neuerer Zeit ist dieser historisch so wichtige Unterschied, der innerhalb des Deutschen Grafenstandes stattfand, theils ganz übersehen, theils absichtlich verdunkelt. Dafs es jedoch einzelnen blolsen Vicegrafen gelungen ist, sich zu regierenden Fürsten in Deutsch- bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 39 schen Grafenstande waren es z. B. im dreizehnten Jahrhunderte die Grafen von Anhalt allein, welche das Fahnlehn ihrer Grafschaft Aschersleben selbst besafsen, diese daher vom Reichsoberhaupte unmittelbar mit allen einem solchen Reichslehne angehörigen Rechten zu Lehn trugen, während es sonst in Sachsen aufser den Markgrafen, Landgrafen und Pfalzgrafen wohl nur Vicegrafen gab (*). Dagegen wurden in Schwaben die Grafschaften den mächtigern Herrengeschlechtern, welche dieselben inne hatten, meistens als Fahnlehen — mit Übergabe einer Lanze, woran ein Fähnlein hing, — un- mittelbar vom Reichsoberhaupte verliehen und diese unmittelbare Verleihung sicherte den Grafen von Zollern sowohl in ihrem Verhältnisse zu dem Kaiser und zu dem Reiche, als in Beziehung auf Lehnrecht, Heerbann und Macht- befugnisse in ihren Territorien, eine Stellung, worin sie den Fürsten wenig nachstanden. Lebhaft blieb auch dem Zweige der Nachkommen Friedrichs III., der in Schwaben unter dem altväterlichen Namen fortbestand, von dieser seit alter Zeit im Reiche behaupteten Stellung die Erinnerung, wie selbige sich in würdiger Weise noch 1582 in einem Titularstreite zwischen dem Grafen Eitelfritz von Zollern und dem im Jahre 1494 zur herzoglichen Würde er- hobenen Hause Wirtemberg und endlich noch im Jahre 1623 darin aussprach, dafs die Grafen von Hohenzollern das Fürstenstandsprivilegium, wodurch Kaiser Ferdinand ihren Verdiensten huldigte, nur in der Form einer Wieder- erneuerung alter fürstlicher Hoheit entgegen nahmen (°7). land zu erheben, während manche ehemals reichsunmitttelbare Grafenfamilie zu blolser Titu- largrafschaft herabgesunken ist, darf nicht dazu verleiten, den bezeichneten Unterschied auch in Bezug auf historische Verhältnisse für unerheblich zu halten. (°) Seuen vanlen sint ock inme lande to sassen, dat hertogdom to sassen unde die pa- lentze, die marke to brandenburg, die lantgrafscap to doringen, die marke to mysene, die marke to lusitz, die grafscap aschersleue. Sachsenspiegel B. III, Art. 62 $. 2 40 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Il. Die ersten Burggrafen von Nürnberg, aus dem gräflichen Hause Raabs. Während des elften Jahrhunderts werden noch keine Burggrafen von Nürnberg erwähnt. Die zu Nürnberg bestehende Burg erscheint vielmehr als eine unmittelbare Besitzung der Fränkischen Kaiser, welche bei dem Man- gel einer bestimmten Residenz, in ihrem Umherziehen von einem Orte zu dem andern, abwechselnd hier ihren Hof hielten. Das Fränkische Herrscher- haus hatte in Franken und Schwaben viele Stammgüter, zu denen Nürnberg wohl mit gehörte. Kaiser Heinrich II., der in den Jahren 1050 und 1051 zu Nürnberg verweilte, verlieh dem Orte, der sich am Fufse der Burg gebildet hatte, Markt-, Zoll- und Münzrecht (!) und wurde dadurch der eigentliche Stifter der Stadt. Aufser dieser Begünstigung städtischen Gewerbsbetriebs, führten die Wunder, welche der heilige Sebaldus hier wirkte, lebhaften Verkehr und zahlreiche Bevölkerung dem Orte zu (?). Die Gebeine dieses Heiligen, an- geblich eines Dänischen Königssohnes, der im achten Jahrhunderte in den Wäldern um Nürnberg als Einsiedler lebte und den Franken das Christen- thum verkündigte, wurden in der ihm gewidmeten Pfarrkirche des Ortes auf- bewahrt (°). (') Wir erfahren diese Verleihung Heinrichs III. aus einer Urkunde Heinrichs IV. v. J. 1062, worin der letztere die durch jene Verleihung der Stadt Fürth zugefügte Verletzung wieder gut machte. Fabers Staats-Cantzeley XXXI, 135. Singular. Norimb. p. 322. (°) Lang’s Bayerns alte Grafschaften S. 241. Pertz Mon. German. II, 128. Clara et celebris valde his temporibus per Gallias erat memoria Saneti Sebaldi in Nurinberg et sancti Heimeradi in Hasengun et magno populorum concursu cottidie frequentabantur propter opi- tulationes, que divinitus illie languentibus saepenumero conferebantur. Lamberti Annales ad a. 1072 bei Pertz I. c. V, 191. — Im Mai 1074 empfing der Kaiser eine päpstliche Gesandschaft zu Nürnberg. Lamb. Annal. daselbst S. 215 und Bertholdi Annal. daselbst S. 277. Von einem Aufenthalte Kaiser Heinrichs IV. zu Nürnberg um das Jahr 1097 wird berichtet: Heinricus vero cum paucis Ratısponam in pentecosten deuenit et ibidem totam aestatem et circa castrum Nurinbere satis private moratus tandem Nemetrem migrauit. Ber- tholdi Chron. ad a. 1097 bei Pertz Mon. VI, 465. (°) Sebald wollte nach der Legende dort begraben sein, wohin zwei (oder vier) Ochsen, sich selbst überlassen, seinen Leichnam auf einem Wagen bringen würden. Sie blieben an bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 41 Die Errichtung der Burggrafschaft veranlafste wahrscheinlich erst der Empörungskrieg, welchen König Heinrich V. gegen seinen Vater, den Kaiser Heinrich IV. unternahm (*) und worin er diesem namentlich auch die Burg Nürnberg zu entreifsen suchte (1105). Bei dieser Gelegenheit wird uns we- nigstens die erste Nachricht von der Bestellung einer Burghut zu Nürnberg: denn aus einer alten, im Kloster Castell befindlich gewesenen Aufzeichnung ist die Notiz erhalten, Kaiser Heinrich IV. habe die Burg dem Burggrafen Gottfried und dem Conrad von Razaza zum Schutz befohlen (°). In dem Zunamen „von Razaza” erkennt man ohne Schwierigkeit eine Österreichische edle Familie, deren Glieder während des zwölften Jahrhun- derts oft in Urkunden erwähnt werden. Die Familie trug diesen Namen, welcher in den Schriften jener Zeit bald Razaza, Razaha, Razach oder Rachs, bald Rakecz oder Rakz, am häufigsten aber Ragitz, Ragoz, Ragez oder Rägoz und in ähnlieher Weise lautet, von dem in Österreich am Zusammenflusse der Deutschen und der Böhmischen Thaya gelegenen Orte Raabs (°). Hier besafs die Familie eine feste Burg, die noch jetzt wohl erhalten ist und wegen ihres alterthümlichen Baues und wegen der beträchtlichen Höhe und Aus- dehnung, womit sie sich auf dem steilen Vorsprunge eines Felsenberges er- dem Berge stehen, wo jetzt die Sebalds-Kirche zu Nürnberg steht. Otte, kirchl. Archäolo- gie $. 139. (*) Stenzel’s Gesch. Deutschlands unter den Fränkischen Kaisern I, 585 f. Schmidt, Ge- schichte der Deutschen Thl. II, S. 356. (°) Hainricus vero senior tutelam castri, iuxta quod in Castello monasterio seriptum reperitur, commisit praefecto Gotefrido et Cunrado de Razaza. Mei- sterlini Historia rer. Norimb. $. VI cap. XIV. bei Ludewig Rel. Man. VII, 45. Diese und viele andere für die Geschichte der Burggrafschaft Nürnberg sehr wichtige Nachrichten ver- danken wir nur dem Meisterlin, einem Schriftsteller des 15. Jahrhunderts. Indessen ist es nicht zu billigen, wenn im Hinblick auf das spätere Zeitalter des Überlieferers diese Nach- richten von neuern Forschern unbeachtet geblieben und nicht nach Verdienst gewürdigt sind. Es ist eine Thatsache, welche auch die oben hervorgehobene Stelle ausdrücklich be- stätigt, dals Meisterlin alte längst verloren gegangene Kroniken Fränkischer Klöster benutzte, die treffliche Nachrichten enthalten haben. Daher werden Meisterlins Nachrichten durch Urkunden gröfstentheils entschieden bestätigt — wie namentlich auch der hier vorliegende Bericht dadurch, dals bald hernach ein Gottfried und ein Conrad mit der Bezeichnung von Nürnberg in Urkunden vorkommen. Meisterlin hat zwar die von ihm benutzten ältern Nach- richten, die er excerpirte, mit fabelhaften Zusätzen versehen und zum Theil nicht einmal ver- standen, daher sehr verunstaltet. Doch wenn dies auch zu vorsichtiger Benutzung des Wer- Philos.- histor. Kl. 1854. F 42 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses hebt, eine der schönsten mittelaltrigen Burgen Österreichs bildet. Zu der Burg gehörte ein Landgebiet, das den Titel einer Grafschaft führte (°). Aufser- dem hatte die Familie zahlreiche kleinere Besitzungen, welche im Gebiete der Österreichischen Herzöge zerstreuet lagen. Als denHerrn der Burg Raabs zeigt uns den von ihr benannten Edlen Gottfried auch die älteste von diesem erhaltene Nachricht. Es hatte gegen das Ende des elften Jahrhunderts der Herzog Bretzislaus von Böhmen die Söhne des im Jahre 1093 verstorbenen Fürsten von Znaym aus ihrer väterlichen Herrschaft in Mähren vertrieben und diese seinem Bruder Borziwoi übergeben. Die Mährischen Fürstensöhne, Udalrich und Luitold, begaben sich in den Schutz ihres mächtigen Nachbaren Gottfried, der den Vertriebenen in der Burg eine Zufluchtsstätte gewährte. In der Folge stellte aber Herzog Bre- tzislaus an Gottfried die Forderung, auszuliefern oder wenigstens aus der Burg zu verweisen, da dieser Luitold, seinen Schützling Luitold den Böhmen von Raabs aus, die Besitzungen des Borziwoi fortdauernd beunruhigte. Luitold erhielt indessen Kunde von diesem an Gottfried gestellten Verlangen und begegnete der Erfüllung desselben durch das kühne Unternehmen, die Burgmannen Gottfrieds zu vertreiben und sich selbst zum Herren des Ortes zu machen. Ein förmlicher Krieg mufste nun gegen den undankbaren Schütz- ling unternommen werden. Im Vereine mit dem Böhmenherzoge belagerte Gottfried seine Burg, die erst nach sechs Wochen und nachdem Luitold daraus bei Nacht entkommen war, ihrem rechtmäfsigen Besitzer wieder über- geben wurde (’). kes uns auffordert; so darf es doch nicht zur Geringschätzung der von ihm aufbewahrten Notizen verleiten, zumal da in seinem schlecht zusammengesetzten Werke dasjenige, was er excerpirte, und was sein eigenes Machwerk ist, sich häufig sehr deutlich in Sprache und Form der Darstellung unterscheidet. (°) Man hat früher unter dem Namen „Ragz” Retz oder Rötz, eine Stadt an der Böhmisch- Mährischen Grenze, verstanden geglaubt. Pfarrer Johann Grubel hat jedoch neuerdings in den „Österreichischen Blättern für Literatur, Kunst, Geschichte, Geographie etc. Jahrgang IV (1847) No. 168 gründlich dargethan, dafs Raabs an der Theya gemeint sei. (’) Cosmas Pragensis, der im März 1092 Bischof von Prag wurde, also Zeitgenosse war, gedenkt obiger Ereignisse beim Jahre 1100 in den Script. rer. Bohemicarum e bibliotheca Eccles. metrop. Pragensis I, 212 und in Menckens Script. rer. German. I, 2081. 1082. Demnächst viele spätere Böhmische Geschichtsscheiber z. B. Chron. Bohemiae bei Ludewig Reliqu. Mspt. XI, pag. 238 cap. 51. Chron. Mellicense. Pessin de Czecherod Mars Morav. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 43 Derselbe Gottfried von Raabs, welcher um das Jahr 1100 diesen Kampf um seine Burg zu bestehen hatte, war es ohne Zweifel, den wir einige Jahre später mit dem Markgrafen Leopold IV. von Österreich und dessen Schwager, dem Herzoge Borziwoi von Böhmen, im Kriegsdienste des Kaisers Heinrich IV. thätig auftreten und von diesem mit der Burggrafschaft über Nürnberg betrauet sehen. Nachdem König Heinrich, beruhigt durch die ihm von der Kirche feierlich zugesicherte Verzeihung vor dem Weltgerichte, das Schwert gegen den eigenen Vater erhoben hatte, bildeten die eben ge- nannten Fürsten von Österreich und Böhmen die Hauptstützen des bedrängten Kaisers (?). Der Parthei dieser Fürsten gehörten Gottfried und Conrad von Raabs aber unmittelbar an. Sie waren nicht nur Landeseingesessene sondern auch Verwandte (cognati) des Markgrafen (°). Leicht erklärt es sich daher, dafs Kaiser Heinrich IV. diese mächtigen, kriegserfahrnen und hoch- gestellten Edlen, die ihm zum Beistande zugezogen waren, Gottfried und Conrad von Raabs, zu Befehlshabern der wichtigen Burg Nürnberg einsetzte. Über die Art, wie die neuen Burggrafen ihre nächste Aufgabe lösten, Nürnberg gegen Heinrich V. zu vertheidigen, herrscht keine Übereinstim- lib. III, c. 3. p- 276. Pez Script. rer. Austriacarum T. II, p. 7. Oetters Erster Vers. S. 286. (*) Henricus junior omnes vires patris in duce Boemie Beroe ac marchione Leopoldo, euius sororem praefatus dux habuit, fore considerans, ipsos multis modis, promissa sorore sua, quae tune nuper a Friderico Suevorum duce viduata erat, in uxorem marchioni, inductos, ambobus ut patrem relinquerent persuasit. Ottonis Frising. Chron. lib. VII. eap. 9. Viti Arenpeckii Chron. Austriac. bei Pez Script. I, 1187. Vgl. Pfister Gesch. v. Schwaben II, 167, Stillfried’s Burggr. S. 9. Schmidts Geschichte der Deutschen I, 357. (°) Cosmas Pragensis bezeichnet den Gottfried überall nicht näher. Die übrigen Kro- nisten bezeichnen ihn jedoch übereinstimmend als einen Mann von hoher Geburt. Spä- tere Berichterstatter nennen ihn einen Fürsten oder geradezu einen Markgrafen von Österreich, z. B. das Chron. Bohem. bei Mencken Script. rer. Germ. III, 1638 „Gott- fridi Marchionis Austriae”. Auch wird behauptet er sei ein Vetter des im Jahre 1096 ver- storbenen Markgrafen Leopold gewesen. Für die Art seiner Verwandschaft mit dem alten Babenberger Fürstenstamme gebricht es jedoch an allen Nachrichten. Nur wird die von den ältern Geschichtschreibern behauptete Blutsverwandschaft der Grafen von Raabs mit den Markgrafen von Österreich durch Urkunden so weit bestätigt und allem Zweifel überhoben, dafs Markgraf Leopold IV. nicht nur in mehreren Urkunden den spätern Conrad von Raabs, den Sohn des Gottfried, seinen „Cognaten” nennt, sondern auch dem Kloster Garsten mit diesem gemeinschaftlich ein Weihgeschenk zum Seelenheil seiner Vorfahren macht. Die F2 44 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses mung unter den Berichterstattungen ('%). Nach Einigen nahm König Hein- rich V. die Burg dennoch ein, nach Andern brachte er nur die Stadt in sei- nen Besitz, während die Burg von den Burggrafen behauptet wurde (!) und dem Könige erst ihre Thore öffnete, da der alte Kaiser, durch List und Ge- walt seines Sohnes auf das Äufserste gebracht, am 7. August 1106 in Kummer und Schmach gestorben war. Gewils ist dagegen, dafs Gottfried und Conrad von Raabs auch nach diesem Ereignisse im Besitze der Burggrafschaft Nürnberg verblieben ('?). Denn es läfst sich von dieser Zeit ab bis in das letztere Urkunde lautet — ego Liupoldus dei grat. dux Austriae et cognatus meus comes Cunradus de Ragiz aduocatiam super duas villas in Ragiz — dimittentes eidem ecclesie pro salute nostra et parentum nostrorum etc. Kurz Beitr. II, 512. Ludewig’s Rel. manuser. IV, 200 Nr. XVII. Vgl. in Stillfried’s Burggr. S. 33 eine Urkunde vom J. 1192, worin Leo- poldus dux Austrie et Styrie dem Kloster Garsten vereignet omne jus advocati in duabus villis, quarum unam — Conradus Gomes de Ragaiz Cognatus noster dedit mo- nasterio prelibato. ('%) Die Geschichte der Belagerung von Nürnberg wird nicht übereinstimmend erzählt. Die Kronisten trennen vielleicht nicht richtig die Stadt und die Burg. Die Annales Hildes- heimenses sagen bei dem Jahre 1104 kurzweg von Heinrich V. Mox, ut apostolicae conso- lationis verba percepit et banni solutionem a praedicto episcopo, castellum quod vocatur Nuo- remberc obsedit et suae ditioni subegit. Ausführlicher und genauer meldet der Biograph Heinrichs IV. bei Urstisius den Vorfall his verbis: Mox castellum Norinberch minax obsedit, ubi quanta virtute pugnatum sit, clades utriusque partis argumento fuit. Sed obsessis quanto minus spei, tanto plus animi inerat: et nisi imperator, sceleri parcens, castellum tradere prae- cepisset, adhuc ibi cassa obsidione laboraret ete. Igitur opidani oblata qualem vellent pactione oppidum tradiderunt. (Urstisii German. Historic. I, 387.) Bei Meisterlin (Historia rer. No- rimbergensium in J. P. v. Ludewig Reliqu. manuscript. VIH, 45 heilst es dagegen: Heinricus electus Newronbergam uix obtinuit, sed castro potiri non potuit. Cepit tamen civitatem ex perfidia seu ignauia Judaeorum, quorum multitudo magna erat, spem in juniore ponebant forsitan. ('') Nec tamen Hainricus iunior intentioni suae satisfacere potuit, quia eo vivente castrum per praefectos ei nunquam traditum fuit, sed potius in sua uoluntate et potestate detinuerunt. Meisterlini Historia Rer. Norimb. bei Ludewig Reliqu. VII, 45 $ 7. — Die Stelle ist zwar wörtlich genommen ziemlich sinnlos oder würde so verstanden werden müssen, dals die Prä- feeten (Burggrafen) während Heinrichs V. Regierung ihre Unabhängigkeit behaupteten. Der- gleichen kommt bei Meisterlin öfter vor, da derselbe die von ihm benutzte alte Kronik des Klosters Castell auszog und zusammenzog, ohne selbige richtig zu verstehen. Doch ist das eo vivente ohne Zweifel auf Henricus senior zu deuten, von welchem vorher die Rede ist. Meisterlin deutete es dagegen auf Heinrich V. weil er zugleich die Nachricht vorfand, dals die Familie von Raabs auch unter Heinrichs V. Regierung im Besitz der Burg blieb. 12) Depopulata misere civitate — remansit locus sub tutela et potestate Praefectorum pop pP bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 45 Jahr 1190 eine fortlaufende Reihe von Nürnberger Burggrafen aus dem Hause Raabs in den Urkunden verfolgen. Die verbreitete Annahme, dafs schon innerhalb dieser Periode Glieder des Zollernschen Hauses Burggrafen von Nürnberg gewesen, ist ebenso un- begründet, als die Behauptung, dafs Grafen von Hohenlohe das Burggrafthum inne gehabt hätten (!3). Bei den Grundsätzen, welche man schon im 12. Jahr- Gotefridi et Cunradi de Razaza — durauit tamen uastitas ultra uicesimum annum —. Hainricus enim ille in superbiam elatus rursus beneficia ecclesiastica vendebat etc. Meisterlin. Hist. Rer. Norimb. bei Ludewig Reliqu. man. VIH, 46. 47. ('?) Die Annahme, dals Zollern im 12. Jahrhunderte schon im Besitz der Burggrafschaft Nürnberg gewesen, hat in der ganzen Darlegung des vorigen Abschnittes ihre bündigste Wider- legung gefunden. Denn darnach zeigt sich kein Glied der gräflichen Familie Zollern vor 4192 in irgend einer Beziehung zu Nürnberg. Jene Annahme steht auch ohne jede ver- suchte Beweisführung da. Anders ist es mit der Behauptung, dals Grafen von Hohenlohe Burggrafen zu Nürnberg gewesen seien. Denn Oetter (Erst. Vers. 5. 244 f.) der dies be- hauptet „hat aus einer sichern Urkunde einen Beweis herfürbracht”, dafs sein Vorgeben be- gründet. Die Urkunde worin König Konrad im J. 1138 der „Bertha Abbatissa sancte dei ecclesie Kizingensis consanguinea nostra de Holloch” des Klosters Rechte bestätigt, nennt unter den Zeugen einen „Gottfridum prefectum de Nurimberch Abbatisse patrem” und „Gottfridum Vlricum Albertum et Cunradum de Holloch Abbatisse fratres.” Allein diese Urkunde ist entweder ganz eine betrüglich nachgeahmte oder wenigstens sind die hervor- gehobenen Stellen verfälscht. Dies ist bereits zur Genüge nachgewiesen von Wiebel, Hohenloh. Kirchengeschichte I, 19. von Zapf, Vers. und Bemerkungen zur Erläut. der etc. Hohenloh. Geschichte Stück 1. und von Stillfried Burggr. v. Nürnberg S. 17. 19. Es existirtten um jene Zeit überhaupt noch keine Grafen von Hohenlohe. Hohenlohe besalsen noch im Jahre 1146 die Grafen von Toggenburg-Stülingen, es kam im J. 1182 in die Hände der Grafen von Wenkersheim, die Äbtissin Bertha war urkundlich aus der Familie von Ebenhausen, der König Conrad befand sich am 31. März 1138 nicht zu Nürnberg, von welchem Tage und Orte die Urkunde datirt ist, sondern zwischen Achen und Cöln etc. Glücklicher Weise ist die Nachahmung von alten Urkunden ein so schwer zu verübendes Verbrechen, dals es dem Frevler fast nie gelingt unentdeckt zu bleiben! — Grade hundert Jahre später ist eine andere Urkunde datirt, welche ächt ist und dem Kaiser Friedrich II. angehört. Sie ist gegeben zu Wien im Monat Januar des Jahres 1236 (abgedruckt bei Stillfried. Mon. I, 36 mit dem wohl unrichtigen Datum „6. Jan. 1230.”) Das Zeugenverzeichnils dieses Do- cumentes sehlielst hier in folgender Art: E. Comes de Play. Gotfridus de Hohenloch. Bur- crauius de Nuorremberch. et alii complures. Da die Interpunction in alten Urkunden nichts zu bedeuten hat, so ist diese Urkunde in der That ein neues treffliches Argument für Die- jenigen, welche die Ahnherrn des hochfürstl. Hauses Hohenlohe unter den Burggrafen von Nürnberg suchen. Doch dem mit Urkunden vertraueten Leser kann es nicht unbekannt sein, dals Zeugen öfter in Urkunden ohne Nennung ihres Vornamens vorkommen, wenn man sie ohne diesen genügend bezeichnen konnte. Dies war in Ansehung des Burggrafen von 46 Rırven: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses hunderte für die Lehnssuccession beobachtet sieht, ist es von vorn herein den Verhältnissen unangemessen, die vier Burggrafen, welche in diesem Jahr- hunderte abwechselnd unter demselben Taufnamen einander folgten, näm- lich Gottfried I. Conrad I. Gottfried II. und Conrad IH. ohne besondere dazu vorliegende Veranlassung in einem andern Hause, als in dem der Er- werber vom Jahre 1105 zu suchen. Auch mangelt es nicht an urkundlichen Zeugnissen für die Raabssche Abkunft dieser vier Burggrafen (!*), während Nürnberg hier der Fall. Dagegen kommt derselbe Gottfried von Hohenloch in einer Ur- kunde des folgenden Jahres neben dem Burggrafen Conrad von Nürnberg am Hofe des- selben Kaisers Friedrich vor. Stillfried’s Monum. Zoll. I. S. 43. ('*) Im Anfange wie am Ende der vier Burggrafen (Gottfried I. Conrad I. Gottfried II. und Conrad II.) steht ein völlig glaubhaftes Zeugnis, dafs sie aus dem Hause Raabs waren. Denn von dem Anfange ihres Besitzes sagt dies die oben Note 5 mitgetheilte Nachricht aus einer alten Aufzeichnung des Klosters Castell. Am Ende ihres Bestehens steht dagegen eine Urkunde — die leizte die des Burggrafen Conrads II. unter den Lebenden gedenkt — aus- gestellt von dem Herzoge Leopold von Österreich fur das Kloster Aldersbach zu Wien am 25. August 1190, bei deren Ausstellung Burggraf Conrad als Zeuge anwesend war. Die Urkunde ist, wie häufig bei Documenten jener Zeit, in zwei Exemplaren vorhanden, die völlig mit einander übereinstimmen: nur dals in dem Verzeichnisse der anwesenden Zeugen unser Conrad in dem einen Exemplare Cunradus prefectus de Nurenberc, in dem andern Exemplare Cunradus prefectus de Rakece heilst. Das erstere Exemplar dieser Urkunde ist in den Monumentis Boicis V, 360, das andere in Stillfrieds und Märckers Hohenzollerschen For- schungen I, 107 abgedruckt. Die letztern haben das Verdienst das interessante Duplicat hier zuerst an das Licht gezogen zu haben. Nach diesen schlagenden Beweisen für die Annahme des Raabsschen Ursprungs bedarf es wohl einer weiteren Deduction dafür nicht; zumal da dieselbe durch so viel Wahrscheinlichkeitsgründe auch anderweitig unterstützt wird, dafs schon vor der Auffindung der gedachten Documente Stelzer (Hist. dipl. Magazin I) die- selbe einleuchtend ausgeführt hat. In ähnlicher Weise kommt jener Conrad auch schon 1170 vor in einer Urkunde des Bischofs Herold von Würzburg, nach welchem dieser Con- radum vice comitem de Nurenbere de villa Cozzeshusen etc. investirte, in dem Verzeichnisse der Anwesenden aber Conrad nicht als vicecomes de Nurenbere sondern als Cunradus comes de Raegoz bezeichnet wird (Lang’s Reg. Boica I, 271). Hiernach ist es keinem Zweifel mehr unterworfen, dals wir auch in der Sophya nobilis comitissa de Ragze, filia comitis Chunradi, uxor purcravii de Nurnbereh — comitis Friderici, keines anderen als des Burg- grafen Conrad II. Tochter zu verstehen haben (Stillfried und Märckers Mon. Zoll. I. No. 72) und dals überhaupt der Comes Cunradus, der in Österreich mehre Mal nach seinem Stamm- namen erwähnt wird — nämlich 1192 in einer Urkunde des Herzogs Leopold von Österreich für das Kloster Garsten als Cunradus comes de Ragaiz, in einer wohl einige Jahre früher ausgestellten Urkunde desselben Herzogs in Bezug auf das nämliche Stift als comes Conradus de Ragiz (vgl. oben Note 9) und in einer Urkunde des Klosters Admont (1147-1177) als Chunradus de Rakez (Pez Thesaur. II, 779) — dieselbe Person ist mit dem Conrad von Rag- bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 47 es überall nichts giebt, was eine entgegen gesetzte Ansicht begründen könnte. Der genealogische Zusammenhang, in welchem jene vier Burggrafen standen, ist ebenfalls nicht schwierig zu ermitteln. Denn es steht urkund- lich fest, dafs von den ersten Erwerbern Gottfried einen Sohn Gottfried hatte, der wieder Burggraf wurde ('°), und dafs Conrad von Raabs nicht minder einen gleichnamigen Sohn hinterliefs (1%). Es bleibt daher nur unentschie- den, ob die als erste Erwerber zusammen genannten beiden Edlen Gott- thes, der am 28. Jan. 1158 mit dem Burggrafen Gottfried von Nürnberg am Hoflager Kaiser Friedrichs I. zu Nürnberg, und mit dem nobilis vir, den eine wieder das Kloster Garsten betreffende Urkunde ohne Datum, welche in diese Zeit gehört, als Cunradus, filius Cunradi de Rattgiz und dessen Gattin sie mit dem Namen Hiltigardis bezeichnet (Stillfrieds Geneal. Gesch. S. 36. Österreichische Blätter, 1847. S. 709); so wie dafs diese Person identisch mit dem nachmaligen Burggrafen Conrad U. von Nürnberg ist, von dem auch, zur Bestätigung dieser Identität, urkundlich feststeht, dals eine seinem Zeitalter angehörige Burggräfin von Nürnberg, die wahrscheinlich seine Gemahlin war, den eben nicht häufig vorkommenden Na- men Hildegard führte (vgl. Note 15 und 16). ('?) Dals Burggraf Gottfried I. einen Sohn Gottfried hatte, der ebenfalls Burggraf wurde, erfährt man urkundlich aus einer zahlreiche Schenkungen der Burggrafen des Raabsschen Hauses an das Schottenkloster zu Nürnberg enthaltenden Urkunde des Königs Heinrich vom 2. Juli 1225, worin diesem Stifte als von altersher besessene Güter in einem langen Ver- zeichnisse (— welches am besten in den Monum. Boic. XXXVI, I, 519 f. sonst auch in der Historia dipl. Nor. 50 No. 6 und in Schütz Corp. hist. Br. IV, 63. Falkenstein Cod. dipl. antiqg. Nordg. IV, 45 Ussermann Episc. Bamb. Cod. dipl. 147. Nr. 165 und in Sodens Beschr. der Cap. zu Altenfurt 38 abgedruckt ist) namentlich bestätigt werden Vazendorff cum aduocatia sua ex testamento regis Gunradi, Huesenbuhil ex dono alberti de Reyz cum aduocatia — Mecklenloch quinque mansos ex dono Gotfridi Burggrauii, Stwphaim ex dono filii ejus — Rorendorff vnum mansum ex dono Eberhardi de Rietfeld — Hel- boltzeim, Umgerheim et Kircheim sex mansos ex dono Hiltigardis prefectisse — Melgach vnum mansum ex dono Conradi prefecti de Nuremberge, villam Huel nouem mansos ex dono Burggrauii gotfridi, Newsaz quatuor mansos ex dono gotfridi filii ejus, Kempnat quatuor mansos ex dono menradi de Kempnat etc. ('%) Conrad II. erscheint als Sohn Conrads I. namentlich nach folgenden Urkunden: Nouerit — qualiter dominus Cunradus de Ratgoz de possessionibus regia auctoritate paren- tibus — tradidit magnam partem silve ad altare sancte Marie cenobio Garstensi. Que tra- ditio cum manu uxoris sue et filii sui Cunradi patrata est —: und aus späterer Zeit: Notificamus — qualiter quidam nobilis uir nomine Cunradus, filius Cunradi de Rattgiz, cum manu uxoris sue Hiltigardis quandamı siluam super altare sancte Marie potenti manu tradidit. Kurz Beiträge S. 510. 511. Stillfrieds gen. Gesch. S. 36. Österreich. Blätter, Jahrg. 1847 S. 709. % 18 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses fried I. und Conrad I. Brüder waren oder ob Conrad I. ein Sohn Gott- frieds I. war, welches Letztere wahrscheinlicher sein dürfte (17). Von dem ersten Gottfried wissen wir nur noch, dafs er dem Schotten- kloster St. Aegidii zu Nürnberg einige in Franken gelegene Besitzungen zum Geschenk machte ('°), wodurch er vermuthlich beim Herannahen seines To- des den Mönchen dieses Stiftes sein Seelenheil empfahl. Länger wird Con- rad I. in Urkunden genannt. Dieser kommt noch 1123 und 1425 mit der Bezeichnung „Conrad von Nürnberg” am Hoflager des Königs Heinrich zu Speier und zu Düesburg vor, das letzte Mal in Verbindung mit einem jün- gern Gottfried von Nürnberg. In der Folge aber tritt nur dieser Gottfried II. als Burggraf von Nürnberg auf und der noch öfter neben ihm vorkommende Conrad, welcher der Vater von Gottfrieds II. Nachfolger in der Burggraf- schaft war, wird nur als Graf oder Herr von Raabs in Urkunden bezeich- net ('%). Der Sitte der Zeit gemäfs mufs nach Gottfrieds I. Abgange eine (7) Bei gleichzeitiger Erwähnung Conrads mit Gottfried I. wird Conrad dem Gottfried nachgestellt (Note 5. und 12); auch bezeichnet die älteste Notiz über die Verleihung der Nürnberger Burghut den Gottfried allein als Burggrafen und den Conrad nur als Conrad von Raabs (oben Note 5). Allem Anscheine nach war Conrad daher ein Sohn oder ein Neffe Gottfrieds I. Auch die von Meisterlin benutzten alten Nachrichten scheinen Conrad 1. für einen Bruder Gottfrieds II. erklärt zu haben (vgl. Note 20). Conrad nahm aber vom Anfange an Theil an der Belehnung mit der Burggrafschaft. Die ursprüngliche Übertragung wurde mit auf ihn erstreckt: und es werden daher auch beide, Gottfried I. und Conrad, mit dem Prädicate praefectorum von Nürnberg bezeichnet (Note 12). Dem gemäls erscheint auch Conradus de Nurnberg allein im Jahre 1123 als Zeuge einer Urkunde des Kaiser Hein- rich V. (Monum. Boica XXIX, 245) und nochmals ebenso, kurz vor dem Tode des Kaisers, am 7. Mai 1125 zu Duisburg in Verbindung mit dem jüngern Gottfried (Conradus et Gote- fridus de Norinberg. Hontheim hist. Trevir. I, 512. Martene coll. ampl. I, 686.) Der zuletzt genannte Gottfried, der sich dadurch entschieden als einen jüngern characterisirt, dals er bei gleichzeitiger Erwähnung mit Conrad von Raabs diesem immer nachgestellt wird, war ver- muthlich erst um diese Zeit in ein Alter getreten, worin ihm die Befehlshaberschaft über die wichtige Burg überlassen werden konnte. ('*) Chunradus comes de Ragitze kommt in den Jahren 1146 und 1147 in mehreren Urkunden des Bischofes von Passau, welche das Kloster Waldhausen betreffen, als Zeuge vor Kurz Beiträge IV, 424. 434. 435. V, 438 (in einer derselben Chunradus comes de Ra- gitze und aulser ihm ein Chunradus de Ragetz der sein Sohn sein mogte) ferner mit seiner ungenannten Gemahlin und seinem Sohne Conrad in einer Urkunde ohne Jahr, wornach er das Kloster Garsten beschenkt (Note 16) Demnächst findet man ihn als Cunradus de Ragoz unmittelbar vor Gotefridus de Nurenberg in einer Urkunde des Königs Conrad zu Würz- bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 49 Theilung seiner Österreichischen und seiner Fränkischen Besitzungen statt- gefunden haben, wodurch vermuthlich dem Conrad I. die Österreichischen, dem Gottfried II. die Fränkischen Besitzungen zufielen. Eine solche Auseinandersetzung der Österreichischen und der Fränki- schen Besitzungen des Hauses Raabs wurde zugleich durch die Zeitumstände geboten. Denn nach dem am 23. Mai 1125 erfolgten Tode König Heinrichs V. brachen über das nachgelassene Allodialvermögen der Fränkischen Kaiser hef- tige Streitigkeiten aus. Die Frage, was Staats- was Privatvermögen eines er- loschenen Herrscherhauses sei, ist in allen Fällen, in welchen sie zur Erör- terung kam, immer schwer zu beantworten gewesen, da dies in der Natur des Verhältnisses liegt. Die Entscheidung wurde in dem vorliegenden Falle aber noch dadurch erschwert, dafs der Streit nicht mit Rechtsgründen, son- dern mit den Waffen geführt wurde. Die Partheien waren König Lothar, als Nachfolger Heinrichs im Reiche, und andrerseits die Herzöge von Franken und Schwaben, Friedrich und Conrad aus dem Hause Staufen, als Schwester- söhne Heinrichs V. Nürnberg gehörte insonderheit zu den streitigen Gegen- ständen des Nachlasses. So lange nun die Österreichischen und Fränkischen Besitzungen sich ungetheilt in Conrads und Gottfrieds Besitze befanden, sahen beide sich an die Parthei der Staufenschen Herzöge gefesselt, da diese durch die Wiedervermählung ihrer Mutter, der Herzogin Agnes von Hohenstaufen, mit dem Markgrafen Leopold IV. von Österreich die Stiefsöhne des letztern geworden waren. Nürnberg wurde daher auch gleich nach des Königs burg als Zeugen (Monum. Boiea XXIX, 304. vom J. 1151). In dieser Erwähnung glauben wir noch Conrad I. deshalb erkennen zu müssen, weil sein Name ebenso, wie in einer frü- hern Urkunde von 1225 (Note 17), vor dem Namen Gottfrieds steht. Dagegen müssen wir vermuthen den jüngern Conrad vor uns zu haben, wenn in einer Urkunde vom 29. Januar 1158, welche Kaiser Friedrich zu Nürnberg ausstellen liels (Ussermann Episc. Wirceb. Urk. S. 41. 42), Conrad von Raabs unmittelbar nach dem Burggrafen Gottfried von Nürnberg erwähnt wird. In einer Urkunde vom Jahre 1170 wird zwar noch im Context Conradus Vicecomes de Nurenbere mit Gütern und Hebungen von dem Bischofe von Bamberg inve- stirt und unter den bei der Ausfertigung der Urkunde Anwesenden Cunradus Comes de Raegoz genannt (Lang’s Reg. Boica I, 271), welches so gedeutet werden könnte, dals letz- terer der Vater und ersterer der Sohn gewesen sei. Doch bleibt wohl wahrscheinlicher, dafs in dieser Urkunde, ebenso wie in einem Documente von 1190, der Graf und Burggraf Con- rad II. abwechselnd unter verschiedenen Titeln, unter seinem Fränkischen Amtstitel und unter seinem Österreichschen Familientitel, aufgeführt ist. Philos. - histor. Kl. 1854. G 50 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Heinrich V. Tode von den Herzögen in Besitz genommen, mit starker Be- mannung versehen und von Lothar im Jahre 1127 vergeblich belagert ('?). Keineswegs lag es jedoch im Interesse der Burggrafschaft, aus einem unmittelbaren Reichsamte in ein Lehn der Staufenschen Herzöge verwandelt zu werden. Als daher die Osterreichschen Besitzungen des Hauses Raabs von den Fränkischen abgesondert worden waren und König Lothar im Jahre 1131 aufs Neue vor Nürnberg zog; so nahm der Burggraf Gottfried II. kei- nen Anstand, sich von der Österreichischen Parthei zu trennen, dem Römi- schen Könige die Thore zu öffnen und dadurch die Burg wieder an das Reich zu bringen (2°). Grofse Gunst erwarb der Burggraf sich hierdurch bei dem Könige, dem sich bald hernach auch die Staufenschen Herzöge unterwerfen mufsten. Lothar erfreute sich jedoch nicht lange dieses Sieges. Nachdem er auf dem Rückzuge aus Italien am 3. Dez. 1137 in einer Alpenhütte sein Le- ('?°) Castrum Noricum ubi ipsi (duces) praesidia posuerant et tamquam jure haereditario possidebant, adjuneto sibi Boemorum duce Ulrico et Bojoariorum Henrico obsidione clausit. Otto Frising. De Gest. Frider. I, XVI. edit. Urstisii p. 415 f. Rex Norinberch urbem munitissimam obsidione premit, sed nil relatu dignum actum est ibi, sed sine effectu cum dampno suorum inde rediit. Annal. Hildesheim. ad a. 1127. Anno 1127 Lotharius rex castrum Nurenberch cum exereitu obsidet, habens secum — Ducem Bohemorum cum grandi exercitu Bohemorum. Devastata itaque circumposita regione per tres menses Dux predictus cum suis ad propria revertitus moxque rex a Conrado fratre ducis Friderici fugatur. Cont. Chron. Pegav. bei Mencken Script. II, 131. Chron. Sampetrinum Erfordense das. S. 210. Dage- gen wird das Ereignils auch entgegen gesetzt berichtet z. B. Nourinberch capitur ad a. 1127. Mariani Scoti Cont. I. bei Pertz Script. VI, 562. — (Lotharius) predecessoris sui progeniem graviter persequi est exorsus, specialiter Chunradum et Hainricum, qui in Norenberg et Spi- ram sua praesidia locauerunt. Rex vero Norenberg obsidens a predictis fratribus ciuibus suceurrentibus est abactus. Anonymi Leobiensis Chron. bei Pez Script. rer. Austr. I, 779. () Mascov de Lothar. II. $ 3-14. p. 5-23. Pfister Ges. v. Schwaben I, 181. — Anno 1131 Gotefridus supra nominatus, Regi nostro reconciliatus, oppidum illud Newrobergae egregium, a regno (minus) iuste subtractum, iuste restituit et sponte inclinatus gratiam per hoc ejus promeruit. Ex antiquo codice in Meisterlini Hist. rer. Norimb. bei Ludewig Rel. manuscript. VIII, 48 N 4. Wenn es bald hiernach heilst: Cunradus denique iste (dem Zu- sammenhange nach König Conrad) fratrem habebat, sibi hostem, cui Gotefridus adhaeserat etc. so liegt wohl eine Verwechslung der Personen zu Tage und muls es wahrscheinlich heilsen, Gottfried habe einen Bruder Conrad gehabt, der dem Könige feind gewesen sei etc. Denn Conrad war Österreichischer Besitzer und daher speciell unter den Einfluls seiner nunmeh- rigen Lehnsherrin, der Mutter der Herzöge Friedrich und Conrad gestellt. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 51 ben beschlossen hatte, wählten die zu Mainz versammelten Fürsten denselben Herzog Conrad zu seinem Nachfolger, der Nürnberg gegen seinen Vorfahr vergeblich zu behaupten versucht hatte. Kaum war daher Conrad auf den Thron erhoben (1. März 1138); so traf er auch sogleich Veranstaltung, Nürn- berg wieder in seinen unmittelbaren Besitz zu bringen. Der Burggraf Gott- fried wurde an das Hoflager entboten und mufste hier die Burg und Stadt dem neuen Könige aufgeben, der auch schon im Mai desselben Jahres per- sönlich davon wieder Besitz nahm (*'). Die nähern Bedingungen dieser für die spätere Gestaltung der Burggrafschaft überaus bemerkenswerthen Ab- tretung setzte ein von den Fürsten vermittelter Vergleich fest. Es wurde der Burggrafschaft durch diese Veränderung, unbeschadet ihres Fortbestan- des, grade Dasjenige entzogen und in die Hände des Reichsoberhauptes wie- der zurückgeliefert, was ursprünglich den eigentlichen Kern derselben bilden mufste und den Grund zu ihrer Errichtung abgegeben hatte, — der Befehl über die kaiserliche Burg. Gewifs aber ist der Burggraf Gottfried für das Aufgegebene ander- weitig genügend entschädigt. Denn Conrad war so weit davon entfernt, der früheren Ereignisse in Ungnade zu gedenken, dafs er dem Burggrafen viel- mehr nach diesem Vergleiche besonderes Vertrauen erwies. Vom Anfange bis zu Ende der Regierung Conrads wird der Burg- graf Gottfried fast alljährlich unter den Zeugen der königlichen Urkun- () Conradus — ımox ut adeptus est imperium, statuit recuperare Castrum hic et instau- rare civitatem Newronbergam: unde per edietum uocauit Gotefridum praefectum ad curiam, Qui ueritus potestatem Cesaris, mediantibus aliis prineipibus, castrum cum semistructa ciui- tate Gunrado tradidit. Meisterlini Hist. rer. Nor. bei Ludewig Reliqu. manuscript. VII, 48. Die Richtigkeit der obigen Berichterstattung findet auch insofern ihre urkundliche Bestätigung, als König Conrad, nachdem er am 1. März 1138 gekrönt war, schon am 28. Mai persönlich zu Nürnberg erscheint (Böhmer’s Reg. Nr. 2186. Monum. Boica XXI, 169.), wo er auch noch am 19. Juli dieses Jahres (Ughellii Italia sacra IH, 391) und später wieder im Jahre 1140 (Orig. Guelf. IL, 555), im Jahre 1142 (Ludewig Relig. Mspt. IV, 242), im Mai des Jahres 1146 (Orig. Guelf. V, 26), so wie am 14. März 1150 (Ughellü Ital. I, 453) verweilte. Vgl. Böhmer’s Reg. S. 116-120. — Nach der Historia Imperatorum bei Mencken Seript. rer. Germ. III. 106 nahm Conrad Nürnberg mit Gewalt ein, (Conradus de Sweuia imperium obtinuit — castrum Nurenberch, ubi Dux Henricus imperialia clauserat, vallauit et obtinuit ac inde insignia imperii absque sponte Ducis abstraxit) weil Herzog Heinrich hier die Reichsinsignien geborgen hatte. G2 52 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses den namhaft gemacht (??). In den bei der Ausfertigung der Urkunden als anwesend angeführten Zeugen haben wir aber in der Regel diejenigen geist- — (@) Es lälst sich fast für jedes Jahr der Regierung Conrads die Anwesenheit des Burg- grafen Gottfried II. am königlichen Hoflager — selbst an entfernt von Nürnberg gelegenen Orten — urkundlich nachweisen. Ein so häufiges Erscheinen am Hofe setzt wohl ein be- sonderes Dienstverhältnifs voraus. Im Jahre 1138 nennt ihn unter den Zeugen eine zu Nürnberg selbst am 28. Mai für das Kloster St. Afra in Augsburg ausgestellte Urkunde des Königs (Gotefridus Castellanus de Nurenberch. Monum. Boica XXI, 169. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 16.); am 19. Juli 1138 eine zu Nürnberg ausgestellte Urkunde für den Bischof Balduin von Pisa (die auch dem Jahre 1139 zugeschrieben wird — Gothefridus castellanus de Rumberch®(Nurnberch) Ughellii Italia sacra III. 392); im Dezember 1138 eine noch un- gedruckte Urkunde für Genua, ebenfalls zu Nürnberg (Gotefridus castellanus de Nurinberch. Stälin Wirt. Gesch. II, 529) ausgestellt; am 28. Mai 1139 zu Strasburg eine Urkunde Con- rads für das Kloster Einsiedel (Gotefridus burggravius de Nurenberg. Hergott Geneal. II, 163. Hartm. annal. Heremi deipari 195); am 14. October 1139 zu Gröningen eine Urkunde desselben für das Schwäbische Kloster Denkendorf (Gotfridus advocatus de Nornberc. Besoldi Doc rediv. I, 277); um Ostern 1140 zu Würzburg eine Urkunde Conrads für Este (Gotto- fredus castellanus de Horembergh. Ughellii Italia sacra TV, 362. 'Tolner Cod. pal. 43.); am 1. Mai 1140 zu Frankfurt am Main eine Urkunde desselben für das Bisthum Gurk (Go- defridus de Norenberch. Hormayr Oestr. Archiv. 1821. S. 237); im September 1140 zu Nürnberg eine Urkunde Conrads für das Kloster Priflingen (Gotefridus castellanus de Nu- rinberch Mon. Boica XXXI, I, 397); im Dezember 1140 zu Weinsberg eine Urkunde der- selben für das Kloster Walkenried (Godefridus de Nurinberch. Orig. Guelf. II, 557); im Jahre 1141 zu Würzburg eine Urkunde Conrads für Astı (Stälin’s Wirt. Gesch. II, S. 529) im J. 1142 eine Urkunde des Bischofs von Würzburg (Gothefried de Nurenberc. Langs Reg. Boica I, 167); im Jahre 1142 zu Nürnberg eine Urk. Conrads für Markgraf Theobald (Godefridus Castellanus de Nurnberg. Ludewig Rel. Mspt. IV, S. 242); im Jahre 1144 zu Bamberg eine Urkunde Conrads für Freisingen (Gotfridus praefeetus de Norinberg. Lang’s Reg Boica I, 209. Mon. Boica XIX, 500. Meichelbeck I, 2, 547); in demselben Jahre zu Bamberg eine Urk. Conrads für das Bisthum Olmütz (Godefridus castellanus de Nurinberch. Boczek Cod. Morav. I, 230); in demselben Jahre zu Regensburg eine Urkunde Gonrads für das Kloster Nonantula in Italien (Comes Gotfridus de Norinberg. Leibnit. Script. rer. Brunsv. I, 706. Martene et Dur. Coll. ampl. I, 600); im Jahre 1145 eine Urk. Conrads ohne Tag, welche zu Magdeburg ausgestellt ist (Gothofredus castellanus de Norembergh. Tolner Hist. palatin. 43); am 18. Oct. 1145 bei Utrecht eine Urkunde Conrads für das Bisthum Utrecht (Gotefridus praefectus Norenbergensis. Bondam Gelderland I, 193. Hedan Hist. Episc. Ultraject. 166); am 14. Mai 1146 zu Nürnberg eine königl. Urk. für das Klo- ster Fredelsloh (Gotefridus Castellanus de Nurnberg. Orig. Guelf. V, 26); im Jahr 1147 am 4. Febr. zu Bamberg eine Urk. des Bischofs von Bamberg (Gotefridus de Nuremberg — patruus Conradi de Rietfeld. Lang’s Reg. Boica I, 185. Circuli Rezat. 48 vgl. Grafschaften desselben Verf. S. 240. 301.); im Jahre 1147 zu Regensburg eine Urkunde für Pisa (Gote- fridus comes de Nuremberc. Muratori Antiqu. Ital. I, 87) und eine Urkunde ohne Datum bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 53 lichen und weltlichen Räthe des Königs zu erkennen, mit denen er die Bürde der Reichsregierung theilte und mit deren Beirathe diejenigen Beschlüsse ge- fafst wurden, welche die Urkunden enthalten. Im Jahre 1139 begleitete der Burggraf den König auch auf dem Feldzuge, womit dieser die Sachsen unter ihrem übermüthigem Herzoge Heinrich heimsuchte: und endlich blieb er des Königs Gefährte noch auf der frommen Fahrt, welche Conrad im Jahre 1147 zum Grabe des Erlösers unternahm. Wenigstens trifft man den Burg- grafen in diesem Jahre auf der Reichsversammlung zu Regensburg und sonst während des Kreuzzuges in Deutschland nicht an. Im Regensburg war es aber, wo Conrad die begeisternden Briefe Bernhards von Clairvaux verkün- den liefs und den Glaubensmuth der zahlreich versammelten Fürsten, Bi- schöfe, Edlen und Ritter dadurch so entflammte, dafs fast alle das Kreuz nahmen. Endlich erscheint der Burggraf auch noch nach der Rückkehr von dem Kreuzzuge, kurz vor des Königs am 15. Februar 1152 erfolgtem Tode, an seinem Hoflager. k Nicht so häufig als in Conrads Umgebung trifft man unsern Burggrafen im Gefolge seines Nachfolgers Friedrich I. an (2°). Doch begleitete er die- und Ort der Ausstellung für das Kloster Heilbronn (Gotefridus de Nurenberg. Supplementa zu Hockers Hailsbr. Antigq.-Schatz S. 112. Lang’s Reg. Boica I, 187 Schütz Corp. hist. IV, 43. Die Urkunde ist wahrscheinlich zu Nürnberg selbst ausgestellt: denn nach Otto’s von Freisingen Vita Friderici I cap. 44 hatte Conrad hier im Jahre 1147 sein Hoflager und trat von hier (a castro Norico) den Kreuzzug an). Im J. 1151 kommt er zu Würzburg in einer Urkunde Conrads für das Kloster Ebera vor (Cunradus de Ragoz. Gotefridus de Nurenberg. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 17). Die Lücke in den Erwähnungen Gottfrieds in dem Jahre 1147 u. f. scheint von dem Kreuzzuge herzurühren, welchen König Conrad im J. 1147 antrat, und von welchem er erst im Frühling des Jahres 1149 nach Deutschland zurückkehrte. (°) Es wird in Urkunden des Kaisers Friedrich erwähnt: Godefridus burchgravius de Nuremberg am 11. Apr. 1154 in einer zu Quedlinburg für das Kloster Sittichenbach im Mansfeldschen ausgestellten Urkunde (Ludewig Reliqu. Mspt. X, 145. 147). — Gottfried Burggrav zw Nurnberck in einer nur in Deutschem Transsumt vorhandenen zu Nürnberg am 28. Jan. 1158 für das Kloster Münchaurach ausgestellten Urkunde, worin unmittelbar nach Gottfried aufgeführt wird, ohne den Grafentitel aber vor den Grafen, Conrad von Ragthes (Lehnes Gesch. von Münchaurach Beil. 1. Ussermann Episc. Wire. Urk. S. 41. 42) — Gottefredus burgravius de Nuremberghe am 16. April 1160 zu Lodi in einer Urkunde für den Erzbischof von Ravenna. (Fantuzzi Monum. Ravennati V, 288. Ughellii Italia sacra II, 371). — Aufserdem wird Gotefridus comes urbis de Nurenberc noch unter den Fuldaischen Lehnsträgern des 12. Jahrhunderts erwähnt. Tradit. Fuldens. ed. Dronke 141 ed. Schannat. 54 Rırveı: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses sen Kaiser namentlich auch auf dessen Zuge nach Italien (1158-1160). Am 16. April 1160 wird er noch zu Lodi erwähnt, wo der Kaiser vor der Zer- störung Mailands den Winter zubrachte. Wahrscheinlich kehrte der Burg- graf aber von diesem Zuge nicht heim, sondern fand er in den blutgetränkten Gräbern, die er vor den Mauern der Italienischen Städte bereiten half, auch sein eigenes Grab. Sein Seelenheil hatte er bei dem Schottenkloster zu Nürnberg bestellt ('%). Dafs dieser Burggraf vermählt gewesen, wird nicht berichtet und auch von hinterlassener Nachkommenschaft findet man keine Spur. Als Nachfolger in der Burggrafschaft tritt sogleich ein zweiter Conrad auf, Conrads I. Sohn ('°), der abwechselnd auch nach seinem Familiennamen Conrad von Raabs genannt wird, ohne dafs die Identität des Burggrafen Conrad und des Conrad von Raabs in Zweifel gezogen werden könnte ('*). Schon bei dem Antritte des Italienischen Zuges (1158) wird er als Conrad von Raabs in Be- gleitung des alten Burggrafen Gottfried II, am kaiserlichen Hoflager namhaft gemacht und der Auszeichnung gewürdigt, mit diesem an des Kaisers Raths- versammlung Theil zu nehmen. Im Gefolge des eben erst sieggekrönt aus Italien nach Deutschland zurückkehrenden Kaisers treffen wir ihn, schon als Burggrafen von Nürnberg bezeichnet, am 15. Februar 1163 zu Würzburg an. Indem dieser Conrad II. seinem Vater auch in die Grafschaft Raabs folgte, wurden in seinem Besitz die Fränkischen und Österreichischen Lehne seiner Familie wieder verbunden. Das Gewicht, welches diesem Burggrafen seine umfangsreichen Be- sitzungen gaben, wurde noch durch das Ansehn gehoben, welches er am Hofe Kaiser Friedrichs I. genofs. Denn der Burggraf erscheint überaus häufig in der Umgebung des Kaisers (°°). Er begleitete denselben, nebst dem Grafen 217. und nach einer in Ussermann Episc. Wirc. S. 39 mitgetheilten Urkunde resignirte Godefridus castellanus de Nuremberg im Jahre 1156 parochiam Enspenkirchen Gebehardo Wirceburgensi episcopo und erhielt in restaurationem resignati benehicii predium in Gerbodendorf. (@*) Die namentlichen Erwähnungen Conrad’s II. als Burggrafen von Nürnberg in gleich- zeitigen Urkunden, welche für seine Geschichte die zu erreichenden Anhaltspunkte darbieten, sind folgende. Er erscheint im Jahre 1163 den 15. Febr. zu Würzburg in Gegenwart des Kaisers Friedrich in einer Urkunde des Bischofes Eberhard von Bamberg für die Kirche daselbst (Conradus prefectus Nurenbergensis. (Sprenger’s) Geschichte von Banz S. 333, Haas Geschichte des Slawenlandes. Beil. No. 8.); am 6. März desselben Jahres in einer ungedruck- ten Urkunde des Kaisers Friedrich I, welche zu Nürnberg ausgestellt ist (Cunradus burgra- bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 55 Friedrich III. von Zollern, auch auf dem Feldzuge gegen Herzog Heinrich den Löwen und zeigt sich in diesen Zwistigkeiten namentlich im J. 1180 auf vius de Nurenberc. Stälin’s Wirt. Gesch. IT. 531); im Jahre 1164 in einer Urkunde des Bamberger Bischofes für das Kloster Aspach (Conradus burggravius de Nuerenberg. Hund Metrop. II, 112. Mon. Boica V, 160); im Jahre 1165 am 23. Mai zu Würzburg in einer Urkunde des Kaiser Friedrich für Staffelstein (Chunradus prefectus. Schultes hist. Schriften II, 356. Mon. Boica V, 160. Langs Reg. I, 257); den 18. August desselben Jahres im Ge- folge des Kaisers zu Bischofsheim an der Tauber in einigen Urkunden für Kitzingen (Cun- radus burcgrevius de Nurnberg. Langs Reg. I, 253. Stillfried’s Monum. I, 20); im Jahre 1166 zwischen dem 9. und 11. April zu Regensburg, Urtheilsspruch des Kaisers Friedrich I. zu Gunsten des Bischofs Eberhard von Bamberg, qui praedium quoddam in Karinthiae ducatu a burcgrauio de Nurenberg sibi comparauit et per judicium curiae imperialis exemtionem ipsius praedii a jurisdietione ducali obtinuit (Mon. Boica XXIX, 382 Wiener Jahrbücher B. XXIV, Anz. Bl.); im Jahre 1167 am 27. Jan. zu Parma in einer Urkunde Friedrichs I. für Arnold von Dorstat (Conradus Castellanus de Nurnberg. Stälin’s Wirt. Gesch. I, 531); am 10. Febr. 1167 Apud burgum Banigal im Bolognesischen in einer Urkunde des Kaisers für Bi- schof Albert von Trient (Gonradus buregravius de Nuremberg. Ugbhellii Italia sacra V, 599); am 23. April 1167 zu Rimini in einer Urk. desselben für den Markgrafen Heinrich (Cuon- radus castellanus de Nuremberc. Muratori Antiqu. Ital. I. 317.) und in einer Urk. des Kai- sers v. J. 1167 zu Pisa für das Kl. St. Maria de Serena (Conradus castellanus de Norem- berc. Soldani Hist. monast. S. Michaelis de Passiniano S. 160 mit der Jahreszahl 1168); am 40. Juli 1168 zu Würzburg in einer Urkunde Friedrichs für den Bischof von Würzburg (Counradus burkgravius de Novremberg. Mon. Boica XXIX, 388. 393. Jungs Miscellanea I, 219); den 26. Jan. 1170 zu Würzburg in einer Urkunde des Kaisers für Heidingsfeld (Cunradus burggrauius de Nurenberg. Mon. Boica XXIX, 397. Langs Reg. Boica I, 269). In diese Zeit fällt auch wahrscheinlich die, nach Lang in das Jahr 1170 zu setzende, ohne Angabe des Tages und Ortes ausgefertigte Erklärung des Bischofes Herold von Würzburg, welche Conrad Vieecomitem de Nürnberg und Comitem de Ragoz (Langs Reg. Boic. I, 271) nennt. Im Frühling 1170 zog er mit dem Kaiser aus den Fränkischen Landen hinweg, in dessen Gefolge er sich am 19. März 1170 zu Leibnitz in Steiermark zeigt in einer Urkunde des Kaisers für das Kl. St. Paul in Kärnthen (Hormayr Archiv 1820 S. 660. Böhmer Nr. 2540). Im Jahre 1171 befindet er sich wieder bei dem Kaiser zu Nimwegen, nach einer Urkunde für das Erzbisthum Trier (Conradus burgravius de Nurenberg. Brower Antiq. Trev. 75). Hiernächst tritt eine Lücke in den Erwähnungen des Burggrafen im Gefolge des Kaisers ein, welche sich wohl durch Aufenthalt in Österreich erklärt. Erst am 13. Juli 1174 findet man ibn wieder und zwar zu Donauwörth am Hoflager des Kaisers, der hier dem Bischofe Hermann von Bamberg eine Urkunde ausstellte (Mon. Boica XXIX, 420. Langs Reg. Boica I, 286). Erwähnt ist er dann auch in einer dem Jahre 1178 angehörigen Ur- kunde des Bischofes Regenhard von Würzburg, qui ecclesiae Cellensi tradit decimam de pre- diis in Albstatt et Haselbrunnen, quam filius Berengeri de Gamburg a Gonrado burgravio de Nurenberg in beneficium tenuit, cui pro redenitione beneficia in Ricozeshusen et Helzen- berg obtulit (Langs Reg. Boica I, 301). Am 1. Juli 1179 ist Conradus purggrauius de Nuo- 56 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses dem Reichstage zu Regensburg, wohin der Herzog vergeblich zur Verant- wortung geladen war, so wie auf dem Tage zu Erfurt, wo der Herzog end- renbere zu Magdeburg bei dem Könige als Zeuge der Grenzberichtigung zwischen Böhmen und Österreich, welche die Raabsschen Besitzungen vielleicht mit berührte (Bozek Cod. dipl. Mor. I, 301). Im Jahre 1180 den 13. Juli ist Conradus Burggravius in solenni curia zu Regensburg (Hund Metrop. Salisb. I, 115. Orig. Guelf. II, 345 Oefele Script. I, 198); am 17. Sept. 1180 zu Erfurt Zeuge einer Urkunde Friedrichs für den Bischof v. Freisingen (Conradus borgrauius de Nurenberge. Pratje Bremen und Verden VI, 86); am 16. Nov. 1180 zu Erfurt Zeuge einer Urk. Friedrichs für das Erzstift Bremen (Conradus burchgravius de Nurenberge. Lappenberg’s Hamb. Urk. Buch I, 225). Im Jahre 1181 ist im Anfang März Conradus castellanus de Nurimberce bei dem Kaiser in castro Nurimbere und zu Donauwörth Zeuge einer kaiserlichen Bestätigung des Tausches, welchen Herzog Otto v. Bayern mit dem Kloster Prüfening schlofs (Lang’s Reg. I, 314. Mon. Boica XII, 188. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 23). Im Frühlinge des Jahres 1183 wird er in audiencia domini imperatoris sub fre- quentia principum in Nürnberg, wo sich damals auch Herzog Leopold von Österreich befand, in mehreren Urkunden genannt (Chuonradus (Conradus) prefectus de Nurenberch. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 24. 25. Hund Metrop. II, 65) und ebendaselbst um dieselbe Zeit des folgen- den Jahres in einer Urkunde des Kaiser Friedrich für den Papst über Alessandria (Cäsarea) vom 14. März 1184 (Conradus castellanus de Nurenberg. Moriondi Monumenta Aquensia I, 81. Pertz Mon. IV, 182); ferner im kaiserlichen Gefolge auf dem Zuge nach Italien am 27. October 1184 bei Verona in villa Zenonis (Conradus burggravius Norimpergus in einer Urk. für die Abtei St. Zeno bei Verona. Biancolini Notizie delle chiese di Verona V, 107), am 16. Nov. 1184 (Conradus de Norimbere nach einer Urk. für die Abtei St. Oyan. Gla- fey Anecd. 145) und Conradus burggravius Norinbergensis nach einer Urk. für Aqui- leja (Hormayr’s Beitr. zur Gesch. v. Tirol II, 151) so wie am 9. Jan. 1185 zu Verona nach einer Urk. für das Kloster in Brescia (Conradus Burcravius de Noremberc. Margarini Bullar. Cassinense II, 206. 207) und am 11. Febr. 1185 zu Reggio, Conradus castellanus de Nurimberch, nach einer Urk. Friedrichs für Mailand (Puricelli Monum. Ambros. bei Graev. Thes. IV, 450). Ein längerer Mangel an Erwähnung an dem königlichen und kaiserlichen Hoflager zeigt jetzt wieder Conrads Aufenthalt im Österreichischen an. In der That treffen wir ihn inzwischen auch hier in mehreren Urkunden am Hoflager Herzogs Leopold, nament- lich am 22. und 31. Mai 1188 (Conradus purgravius de Nuorenberch. Stillfried’s Monum. S. 21 Burgg. S. 37. 38 Kurz Beitr. II, 397. 399). Am 29. Sept. desselben Jahres zeigt er sich wieder auf dem Schlosse Altenburg im Vogtlande am Hoflager des Kaiser Friedrich (Conradus burggravius de Norimberg. Buders Sammlung ungedr. Schriften 449) ferner in der Umgebung Kaiser Friedrichs, da dieser sich am 18. Mai 1189 zu Wien befand, als Zeu- gen einer hier für das Bisthum Freisingen ausgestellten Urkunde (Chunradus burchravius de Nuerenberch. Mon. Boica XXXI, I, 438. Ludewig Reliq. X, 158. Meichelbeck Hist. Frising. I, 379 Glafey Anecd. 97). Endlich soll — Burggravius de Nurenberch Conradus noch in Östreichers handschriftl. Sammlung ad a. 1190 bei dem Könige Heinrich sup. Egra erwähnt werden (Stillfrieds Burggr. S. 26. Note 50). Doch können wir über die Zuverlässigkeit dieser Erwähnung nicht urtheilen. Keine der erhaltenen Urkunden Heinrichs VI. weist den- bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. oM lich um Gnade bat, im Rathe des Kaisers. In den Jahren 1184 und 1185 stand er dem Kaiser, welchen er schon 1167 nach Italien begleitet hatte, in dessen Italienischen Händeln und bei seiner Zusammenkunft mit dem Papste Lucius III. zu Verona zur Seite. Hiernächst begab sich der Burggraf wohl auf einige Zeit nach Österreich, um die Angelegenheiten seiner dortigen Be- sitzungen zu ordnen. Noch im Jahre 1158 kehrte er aber an den kaiser- lichen Hof zurück, wo damals die Zurüstungen zu dem vom Kaiser gelobten Kreuzzuge mit grolsem Eifer betrieben wurden. In der Ausführung des Zuges begleitete er den seinem Untergange entgegen ziehenden alten Kaiser im Jahre 1189 nach Wien, ohne ihm jedoch, wie es scheint, weiter zu folgen. Denn am 25. August 1190 wird er hier am Hofe Herzogs Leopold V. von Österreich unter den anwesenden Zeugen einer Regierungshandlung namhaft gemacht. In einer andern Urkunde desselben Herzogs vom Jahre 1192 wird seiner als Wohlthäters des Klosters Garsten noch gedacht (?). Doch ist es zweifelhaft, ob er zur Zeit der Ausstellung dieser Urkunde nicht schon ver- storben war: wenigstens tritt am 8. Juli 1192 sein Nachfolger in der Burg- grafschaft Nürnberg bereits in dieser Eigenschaft hervor. Für sein Seelenheil hatte Burggraf Conrad II. sowohl dem Kloster Garsten in Oesterreich (*), als auch dem St. Aegidien oder Schottenkloster in Nürnberg grofse Schenkungen gemacht (!%). Der Convent des zuletzt gedachten Klosters war auch den Vorgängern Conrads H. durch Gaben from- mer Freigebigkeit zum Gebete für ihr Seelenheil verpflichtet. Das Kloster scheint gewissermafsen ein Familienstift für das Raabssche Haus in Franken gebildet zu haben. Für die Freigebigkeit, die Burggraf Conrad II. geistlichen Stiften er- erwies, gab es zugleich noch einen besondern Grund: — er war der letzte selben während des Jahres 1190 zu Eger oder in der Gegend nach. Die letzte Erwähnung des Burggrafen Conrad II. enthält eine Urkunde des Herzogs Leopold V. von Österreich für das Kloster Aldersbach, data — in wienna — a. i. d. MCXC.VIH Kal. Sept. (den 25. August 1190). Durch falsche Verbindung des VIII vor Kal. mit der Jahrszahl ist dieselbe vom Herrn von Lang und A. (Reg. Boica I, 374) dem Jahre 1198 zugeschrieben, was die zu 1190 stimmende Angabe der Indietio VOII widerlegt. Diese Urkunde liegt übrigens in zwei sonst ganz gleichlautenden Ausfertigungen vor, deren eine (in den Mon. Boicis V, 360 abgedruckt) den Chunradus als prefectus de Nurnberg, die andere (in Stillfrieds u. Märckers Hohenzollersch. Forschungen I, 107 abgedruckt) den Conradus als prefectus de rakece erwähnt. Philos.- histor. Kl. 1854. H 58 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses seines Geschlechtes, und mit ihm erlosch das Haus Raabs. Seine Gemahlin Hildegard hatte ihm, so weit wir wissen, nur eine Tochter geboren, die Gräfin Sophia, die ihn überlebte, als Erbin der Grafschaft Raabs, so wie der sonsti- gen väterlichen und mütterlichen Stammgüter. Welchem Hause die Burggräfin Hildegard angehört habe, wird uns nicht berichtet. Dafs sie jedoch, wie sie that (1°), dem Schottenkloster zu Nürnberg in Helboltzheim, Umgerheim und Kirchheim belegene Besitzungen schenken konnte, läfst in ihr die Tochter eines in der Nähe begüterten Ge- schlechtes, und dafs sie ihre einzige Tochter Sophia nannte, läfst, nach der Sitte der Zeit, diesen Namen auch bei ihrer Mutter vermuthen. Aller Wahr- scheinlichkeit nach war sie die Erbtochter des mit einer Sophia vermählten Grafen Conrad von Abenberg, der im Jahre 1163 mit seinem Vater Rapoto bei dem Burggrafen zu Nürnberg erscheint, nach 1165 aber ohne männliche Erben starb, wodurch sich die eine Hälfte der Abenbergischen Stammgüter, wie nach dem am Ende des 12. Jahrhunderte erfolgten unbeerbten Abgange seines Brudersohnes Friedrich II. Grafen von Abenberg die andere Hälfte, der Burggräfin Hildegard und ihrer Tochter Sophia als Erbinnen erledigen mogte (*°). Wenigstens darf der Anfall der gräflich Abenbergischen Be- (@) Das Schlofs Abenberg liegt in Franken zwischen Spalt und Schwabach und hatte ausgedehnte Zubehörungen. Von ibm trug ein Grafengeschlecht seinen Namen, das schon im 11. Jahrhunderte erwähnt wird, im 12. Jahrhunderte als reich und angesehen erscheint, mit dem Ende dieses Jahrhunderts aber aus den Urkunden verschwindet. Graf Rapoto von Abenberg nahm an der im Jahre 1132 von dem Bischofe von Bamberg geschehenen Stif- tung des Klosters Heilsbronn durch Ausstattung desselben Theil, auch wird er Burgvogt zu Bamberg und Bambergscher Vicegraf im Rangau genannt. Vermählt war er mit Mechtildis einer Tochter des Grafen Dedo von Wettin und durch diese Gemahlin erhielt er vermuth- lich die Erbgüter im Pleilsnerlande, welche er vor 1157, da Kaiser Friedrich I. dieselben in Reichsgüter verwandelte, an diesen verkaufte. Nach ihm kommen seine Söhne Conrad und Friedrich vor, welche auch noch als Mitstifter des Klosters Heilsbronn erwähnt werden, da sie dies Stift bereicherten, und nach diesem ältern Friedrich noch ein jüngerer Friedrich Graf von Abenberg, der nach einer andern Besitzung auch Graf von Frensdorf genannt wird. Conrad, dessen Gemahlin Sophia wir aus den Heilsbronner Denkmalen und dem Heilsbronner Todtenkalender (Jung’s Miscell. II, 34) kennen, wird mit seinem Vater Rapoto neben dem Burggrafen Conrad von Nürnberg 1163 zu Nürnberg und im Jahre 1165 neben sei- nem Bruder Friedrich, dann aber nicht weiter genannt und von männlichen Nachkommen verlautet nichts. Graf Friedrich I. von Abenberg, der noch im Jahre 1182 in Urkunden genannt wird, verunglückte im J. 1183 durch den Einsturz eines Saales in Erfurt. Im Jahre 1189 erscheint urkundlich ein zweiter Graf Friedrich von Abenberg, der seine Bam- bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 59 sitzungen an das burggräfliche Haus nach urkundlichen Zeugnissen nicht wohl in spätere Zeit gesetzt und kann diese Erwerbung, der alten Tradition ent- bergsche Advocatie verkaufte. Er wird hiernächst in mehreren Urkunden als Zeuge genannt, bis ins Jahr 1199, da er und mit ihm seine Familie spurlos verschwindet. In Urkunden von 1192 und 1194 erscheint er unmittelbar neben dem Burggrafen Friedrich I. von Nürn- berg, diesem nachstehend (Stillfried und Märcker Mon. Zoll. I, No. 43 u. 52). Vermuthlich starb er am Ende des 12. Jahrhunderts ohne Nachkommen und ist er der junge Held von Abenberg, den die Minnesänger feiern. Die Nachrichten über dies Geschlecht sind von dem Freih. von Stillfried in seiner Geschichte der Burggrafen S. 77-82, in seinen Alterthümern Lief. V und von P. T. Marck (Märcker) in H. Haas’s Abenbergische Phanta- sien $. 20-23 vollständig zusammen gestellt. Gleich nach dem Verschwinden der Abenberger Grafen sieht man nun die Zollernsche Burggrafenfamilie in dasselbe Verhältnils zu dem Kloster Heilsbronn gestellt, worin die aus- gestorbenen Grafen zu ihm gestanden hatten. Wie die Abenberger Grafen hier ihre Fa- miliengruft besalsen, während für die frühern Burggrafen von Nürnberg das Schottenkloster zu Nürnberg das Stift war, bei welchem sie ihr Seelenheil bestellten; so erscheint gleich des im ersten Jahre des 13. Jahrhunderts gestorbenen Burggrafen Friedrichs I. von Nürn- berg Zollernscher Todtenschild unter den Grabdenkmalen seiner Nachkommen im Kloster Heilsbronn und sein Todestag im Necrolog dieses Stiftes. Schon darnach muls man ver- muthen, dafs sich das Patronatsverhältnils der Abenberger über das Kloster Heilsbronn auf die Zollernschen Burggrafen von Nürnberg vererbt habe. Bald aber lassen die Urkunden auch die Stammgüter des ausgestorbenen Geschlechtes, namentlich Abenberg selbst, im Be- sitz der Söhne und Enkel des Zollernschen Burggrafen Friedrich I. von Nürnberg und sei- ner Gemahlin Sophia hervortreten. Ihr Enkel, Burggr. Friedrich III, führt im Jahre 1246 ein Siegel, dessen Umschrift ihn von Abenberg nennt (S. Bvrggravii Friderici de Nurinperg et de Abinberg nach Oetter Zw. Vers. S. 241. 593 S. Bvregravii Friderici de Nurinberce et de Abinberec nach dem Freih. von Stillfried in dessen Mon. Zoll. I, 218). Aus derselben Zeit muls un- gefähr die Münze herrühren, welche Oetter (Erst. Vers. S. 138, 343) abbildet und beschreibt und welche die Legende hatte, auf der einen Seite: Frid. D. G. Bvr. Nvrn. Com. (oder Dom.) Abin. und auf der andern Seite Monet. Nova Argent. Crevs. mit dem Zollernschen Wappen und dem Pfauenschmuck auf dem Helm. Es fertigte ferner Friedrichs IH. Vater, Burggraf Conrad II. im Jahre 1260 die Urkunden, wodurch er sein Seelenheil bei dem Kloster Heilsbronn bestellte, zu Abenberg aus (Acta A. D. M.CC. Lx. Ind. IH. in castro Abenberg. Oetter Erst. Vers. 309). Endlich überliels dieses Conrads IH. jüngerer Sohn Conrad IV., der Enkel des ersten Zollernschen Burggrafen und der Sophia von Raabs, im Jahre 1296 — interveniente assensu Agnetis uxoris, castrum nostrum Abenberg — dem Bis- thume Eichstedt, und zwar cum omni jurisdieiione et honore, quo nos et progenito- res nostri ea possedimus ab antiquo (Oetters Erst. Vers. 401. Histor. Nor. dipl. 196. Falk Cod. dipl. Eichst. 102). Der Ausdruck progenitores ab. ant. kann ungezwungen nicht allein auf die Eltern Conrads IV., sondern muls unsers Erachtens wenigstens auf die Grols- eltern zurück bezogen werden und also wäre darnach anzunehmen, dafs schon der Gräfin Sophia aus dem Hause Raabs und ihrem Gemahl Burggrafen Friedrich L. Abenbergs Besitz zugefallen sei. H2 60 Rırveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses sprechend, wornach die Abenbergischen Stammgüter durch eine Erbtochter dem burggräflichen Hause zugeführt worden, in keiner andern Weise erklärt werden, als durch die Annahme, dafs die Burggräfin Hildegard eine geborne Gräfin von Abenberg war. Die Tochter Hildegards und des Burggrafen Conrad IH. von Nürnberg, Grafen zu Raabs, war nun die Gemahlin des Grafen Friedrich, den wir in der Reihe der ältesten Grafen von Zollern in der jüngern Linie als den drit- ten dieses Namens kennen gelernt haben (°°). Indem Graf Friedrich dem Vater seiner Gattin zugleich in der Burggrafschaft Nürnberg folgte, wurde er der Stammvater der Zollernschen Burggrafen. Bedeutsam tritt mit ihm zuerst der Name Friedrich im Zollernschen Hause hervor. Wie später ein Friedrich der erste Kurfürst, ein Friedrich der erste König und ein Friedrich es war, der das Königreich der Zollern unter die Grofsmächte Europa’s erhob, so war auch ein Friedrich der erste Zollernsche Burggraf von Nürnberg. Wie nun die burggräfliche Familie in den Besitz der Abenbergschen Güter gelangt sei, haben einige Schriftsteller durch die Annahme einer ursprünglichen Stammverwandschaft zwi- schen den Grafen von Abenberg und dem Hause Zollern zu erklären versucht. Dafür ge- bricht es aber an allen Beweisen. Der Umstand, dals des ersten Zollernschen Burggrafen Söhne Conrad und Friedrich hielsen, und auch des Grafen Rapoto’s von Abenberg Söhne die Namen Conrad und Friedrich trugen, läfst um so weniger sich als Beweıs dafür gebrau- chen, als die Grolsväter der Zollernschen Burggrafen Conrad und Friedrich, Burggr. Con- radII. von Nürnberg und Graf Friedrich II. von Zollern waren, von diesen daher, alter Sitte entsprechend, die Namen der Enkel entlehnt sein konnten und ohne Zweifel entlehnt waren. () Ut cognoscat omne posteritatis evum significamus vniversitati fidelium, quod domina Sophya, nobilis comitissa in Ragze, filia comitis Chonradi, uxor purcrauii in Nürn- berch, longe post obitum mariti sui, comitis Friderici, vineam quandam in Levtacher pro XXX quatuor marcas argenti comparauit et duos mansos in villa, que dieitur Raedel, que ad opus miserieordie et ad faciendas elemosinas exceperat, quando filios suos patrimonii sui successores et heredes constituerat, deo et beate Marie ad usus fratrum in Zwetel deo seruientium libere et manu potestatiua contradidit, reseruans usuarios fructus. Actum anno domini M°. CC°. II°. Urkunde in Ludewigs Reliqu. Mspt. IV, 109. Oetters Versuch über die Burggr. v. Nürnberg I, 277. Spiels Aufklärungen 73. Stillfrieds Geneal. Gesch. der Burggr. S. 39. Stillfried und Märcker’s Mon. Zoll. I. No. 72. Die Identität des Gra- fen Conrad von Raabs und des Burggrafen Conrad von Nürnberg ergiebt Note 14. Absch. I. Dals unter dem in der Urkunde erwähnten Comes Fridericus, dessen Gattin uxor purcrauii in Nurnberch war, nur der Graf Friedrich IH. von Zollern verstanden sein konnte, ergiebt die Freisinger Genealogie. Vgl. Anm. 8 des ersten Abschnittes. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 61 Il. Die spätern Burggrafen von Nürnberg. aus dem gräflichen Hause Zollern. 1. Burggraf Friedrich 1. Die Zollernsche Abstammung. Dafs die spätern Burggrafen von Nürnberg und die aus ihnen in der Folge hervorgegangenen Kurfürsten von Brandenburg aus Zollernschem Stamme entsprungen seien, ist eine uralte Tradition, die in Brandenburg und Franken, wie in Schwaben bestand. „In gnädigster Consideration, dafs Wir aus dem uralten Hause der gefürsteten Grafen von Hohenzollern stam- men”, sagt der Grofse Kurfürst in einem Erlasse vom 11. Juni 1685, habe ihm der Kaiser die Wiederannahme des Prädicates eines Grafen zu Hohen- zollern gestattet. (1) In Anerkennung der Thatsache, dafs die Kurfürsten von Brandenburg und die Burggrafen von Nürnberg einestheils und die Grafen von Zollern in Schwaben anderntheils „Eines Geblütes und Herkommens seien”, wurde im Jahre 1623 dem letztern Hause die Fürstenwürde erneuet (?). (‘) Von Gottes Gnaden Friedrich Wilhelm Marggraff zu Brandenburg, des heiligen Röm. Reichs Ertz Cämmerer und Churfürst, in Preulsen, zu Magdeburg, Jülich, Cleve, Berge, Stettin, Pommern etc. Hertzog etc. Unsern gnädigen gruls zuvor. Vester, hochgelahrte Räthe, liebe getreue. Demnach Ihr. Kaiserl. Majestät in gnädigster Consideration, dafs Wir aus dem Uhralten Hause der gefürsteten Graffen von Hohen Zollern herstammen und entsprossen, Uns das praedicat, Graff von Hohen Zollern, zugeleget, Alls befehlen Wir Euch hiemit gnädigst, Euch hiernach zu achten und bey Unserer Lehns Cantzley die Verfügung zu thun, dals hinführo in Unserm Titul immediate nach Halberstadt, Minden und Camin, das praedicat: Graff zu Hohen Zollern, der Mark und Ravensberg geschrieben werden solle. Seind Euch mit gnaden gewogen. Gegeben zu Potstam, den 11. Juni 1685. gez. Friedrich Wilhelm. Eine generelle Publication erfolgte nicht, daher in Aufschriften auf Briefen, wo der ganze Titel üblich war, von dem Zollernschen Grafenprädicate noch lange kein Gebrauch gemacht wurde. (*) Wann Wir nun gnädiglich angesehen, wahrgenommen und betrachtet, das uralt- Fürst- und Gräffliche auls Königlichen Stammen entsprungene Herkommen und Wesen der Grafen zu Hohenzollern, etc. ete. und dafs allbereit vor dreihundert und mehr Jahren wei- land unser Vorfahr am Reich, Kayser Rudolph der Erste dis Namens, welcher mit seiner Maj. und Lbd. Eheleiblichen Schwester vermahlet gewesen, zum Fürstenstand erhaben, und ihn mit dem Burggraffthum Nürnberg gnädiglich begabt, von welchem die noch heut lebende 62 Rırvern: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Schon 1582 in dem Titularstreite mit Würtemberg hatte Graf Eitelfritz von Hohenzollern, unter andern Vertheidigungsmitteln gegen die Anmafsungen des Herzogs, auch seine Abstammung mit den Kurfürsten von Brandenburg aus einer Wurzel angezogen (*). Der Annahme stimmten auch Geschichts- schreiber des 15. Jahrhunderts bei (*) und Kurfürst Albrecht Achill liefs sein Geschlecht zwar aus Troja hernach Rom gekommen, doch von Rom nach Schwaben gewandert sein, um die Zollerburg zu gründen (°). Nicht min- Chur- und Fürsten, Marggraffen zu Brandenburg, und Burggraffen zu Nürnberg, neben den Graffen zu Hohenzollern, zugleich recta linea absteigen, und also beede Churfürst- und Gräffliche Geschlechter, Brandenburg und Zollern eines Geblüts und Herkommens seynd: darneben Wir auch in glaubwürdige gründliche Erfahrung gebracht, welchermalsen nach Ab- sterben obgemeldtes, in den Fürsten-Stand erhebten Graff Eytel Fridrichs des Ersten, und der zwischen beeden seinen hinterlassenen Söhnen vorgegangener Theilung, der Graffschafft Hohenzollern, und des Burggraffthumbs Nürnberg, gleichwol die allweg regierende Inhaber berührter Graffschafft, laut derer in den alten Archivis sich befindenden, und Uns durch glaubwürdige Transumt fürgewiesener Originalien und anderer genugsamen Documenten sich dels Fürstl. Tituls, Hochgeborn, gebrauchet, und von Gottes Gnaden geschrieben, auch jeder- weilen mit den vornehmbsten Chur- und Fürstl. Geschlechtern in dem Röm. Reich sich verheyrathet und befreundet haben etc. Baur Gesch. der Hohenz. Staaten V, 22. (°) Baur Gesch. der Hohenz. Staaten V, 6. (°) Anno 1275 Rex Rudolfus Comitem Zolrensem filium sororis suae Prineipem creauit et eidem Burckgrauionatum Nurenbergensem tune vacantem concessit et eum misit ad Otho- carum Legatum etc. Viti Arenpeckii Chronicon Austriacum bei Pez Script. I, 1224. Veit Arenpeck lebte um die Mitte des 15. Jahrhunderts, wie aus der Darlegung unsers Hieronymus Pez S. 1167 am a. 0. erhellt. Circa illa tempora floruere primi Burggravii Norimbergenses Frideriecus et Cunradus, Friderici comitis a Zolern ex Elisabeta fila Ottonis Ducis Meraniae. Chren. Monasterii Mellicensis ad a. 1245 bei Pez Script. rer. Austr. I, 239 — eine Kronik deren diese Zeit betreffender Theil spätestens in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts verfalst ist, wie eine Notiz bei dem Jahre 1392 S. 250 zeigt. Zu den Schriftstellern der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, welche die Burggrafen unzweifelhaft für Zollern erklären, gehört namentlich auch der Bayerische Geschichtsschreiber Lorenz Hochwart. In seinem Werke über die Regensburger Bischöfe sagt er namentlich von dem Bischofe Friedrich, einem gebornen Burggrafen von Nürnberg (bei Oefele Script. I, 212): cujus Episcopi avus fuit Fridericus Comes de Zollern Burckgravius Norinbergensis Primus, cujus posteri deinceps, Marchionatum Brandenburgensem nacti, Electores imperii facti sunt und daselbst S. 224: anno Domini MCCCCXCH ipso die ascensionis Fridericus Marchio Brandenburgensis Comesque de Zollern Ratisponam venerunt et urbem Ratisponensem Imperatoris Friderici nomine re- ceperunt. (°) Urkunde des Kurf. Albrecht v. J. 1466 citirt in „H. Haas Abenbergische Phanta- sieen bel. von P. T. Marck” S. 49 Note 75. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 63 der war die Abstammung aus dem Zollernschen Grafenhause von dem Kur- fürsten Friedrich I. anerkannt (°) und auch der gelehrte Papst Martin V. ge- denkt 1420 des Schwäbischen Blutes, das in den Adern der Burggrafen von Nürnberg fliefse (7). Bei dieser Verbreitung wurde die Sage vom Zol- lernschen Ursprunge der Burggrafen von Nürnberg lange Zeit ohne histori- schen Beweis für wahr angenommen. Als jedoch in neuerer Zeit die erwachende historische Kritik auch für diese uralte Überlieferung eine Beweisführung forderte, fiel diese, bei dem der Geschichtsforschung nur gebotenen ärmlichen Material, anfangs sehr un- genügend aus. Es konnte fast nur auf den im gräflich-Zollernschen und im burggräflich- Nürnbergschen Hause gleich häufig vorkommenden Namen Friedrich und auf den beiden Häusern gemeinsam gewesenen Gebrauch des quadrirten Wappenschildes hingewiesen werden; was aber dem Einwande Raum gab, dafs eben diese, vielleicht zufälligen Umstände erst zur Annahme des Zollernschen Ursprunges_der Burggrafen von Nürnberg Veranlassung ge- geben haben mögten. Also wurde dadurch dem Zweifel an der Zollernschen Abstammung der Burggrafen nur mehr Nahrung und Verbreitung zu Theil. Selbst in unsern Tagen ist daher noch von mehreren Seiten die völlig unbe- gründete Behauptung vorgebracht: wenn auch Zollern im Besitze der Burg- grafschaft Nürnberg vorkämen, so seien diejenigen Burggrafen, von denen die Könige von Preufsen herstammen, doch keine Zollern, vielmehr Grafen von Abenberg gewesen (°). Inzwischen liefern die jetzt bekannt gewordenen Urkunden des 13. Jahrhunderts die bestimmtesten Beweise, die wir bei den einzelnen Ge- nerationen erörtern (?), dafs die Burggrafen dieses Jahrhunderts dem Zollern- schen Hause angehört haben. Von den beiden im 13. Jahrhunderte vor- nämlich hervortretenden Generationen zeigt sich die erstere urkund- (°) Eine Urkunde des Kurf. Friedrich oder Markgrafen Johann v. J. 1436 verleiht dem Mandolus von Padua das Wappenschild „unserer Grafschaft Czoller”. Ungedr. Urk. (’) Vgl. oben Abschn. I, Note 2. (°) Zuerst mit Sicherheit ausgesprochen in dem Archiv für Geschichte und Alterthums- kunde von Oberfranken, herausgegeb. v. v. Hagen I, II, 33. Dann von Haas in einem eignen Werke durchgeführt, ein Werk, in dessen kritischer Beurtheilung wir uns unnütz zu bemühen glauben würden. Vgl. Note 5. (°) Vgl. den Eingang zum folgenden Abschnitt. 64 Rırven: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses lich als die Descendenz eines vor 1204 verstorbenen Friedrich ('°), der zu- gleich Graf und Burggraf zu Nürnberg war, und der mit ihm vermählten Gräfin Sophia von Raabs. Schon hierdurch wird der Geschichtsforscher zu der Vermuthung veranlafst, dafs der in den Urkunden der letzten Hälfte des 12. Jahr- hunderts oft vorkommende Graf Friedrich von Zollern identisch sei mit dem Friedrich, der seit 1192 — nach dem Tode des letzten Raabsschen Burggrafen von Nürnberg — abwechselnd auch unter der Bezeichnung eines Burggrafen von Nürnberg vorkommt und bis ins Jahr 1200 unter den Lebenden erscheint. Die Bezeichnung einer und derselben Person in den Zeugenverzeich- nissen der Urkunden, abwechselnd mit verschiedenen Prädicaten, darf für jene Zeit überhaupt nicht befremden. Der Gebrauch von erblichen Namen und Titeln hatte sich noch wenig ausgebildet und eine Person durch gleichzeitige Angabe mehrerer ihr gebührender Prädicate kenntlich zu machen, war nicht üblich. Im Zollernschen, wie im burggräflich Nürnbergschen Hause, war eine solche abwechselnde verschiedene Bezeichnung auch schon oft vorge- kommen. In Beziehung auf den Burggrafen Friedrich I. lag in der zwiefachen, abwechselnd von den Urkundenconceipienten gebrauchten Bezeichnung um so weniger etwas Unangemessenes, als derselbe dadurch, dafs er die Burg- grafschaft Nürnberg mit übernahm, nicht aufhörte Graf von Zollern und im Besitz der Stammburg Zollern zu sein. Dabei war Friedrich während einer langen Lebensdauer unter dem Namen eines Grafen von Zollern bekannt geworden, während ihm die Burggrafschaft Nürnberg erst gegen das Ende seines Lebens zufiel. Endlich achtete man auch das Prädicat eines Burg- grafen von Nürnberg in jener Zeit noch keineswegs für entschieden höher, als das eines Grafen von Zollern (!!). Kein Wunder daher, dafs Schwäbische ('°) Dals Sophia Gräfin von Raabs an den Grafen Friedrich, Burggr. von Nürnberg, ver- mählt war und Söhne hatte, auf die sie ihre Stammgüter vererbte hat die in No. 26 des vorigen Absch. mitgetheilte Urkunde erwiesen. Die in dem Fortgange dieses Abschnittes Note 18 beizu- bringende Urkunde wird beweisen, dafs 1218 einer ihrer Söhne wieder Burggraf von Nürn- berg war. Dals aber die Burggrafen Conrad und Friedrich, die erst gemeinschaftlich, nach- her von einander getheilt, die Burggrafschaft Nürnberg und die Grafschaft Zollern besalsen, wirklich Grafen von Zollern waren und schon 1210 als solche urkundlich hervortreten, wird im nächsten Abschnitt dargethan. (') Bei der Erwähnung von Burggrafen von Nürnberg in den Zeugenverzeichnissen der Urkunden, werden ihnen nicht alle Grafen nachgesetzt, sondern manchmal Grafen in der bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 65 Schreiber in der Kanzlei der Schwäbischen Könige noch oft die heimathliche Bezeichnung Friedrichs als Grafen von Zollern der Titulatur desselben nach der neu erlangten Würde vorzogen, während andere umgekehrt verfuhren. Wären es zwei verschiedene Personen gewesen, die zwischen 1192 und 1200 als Graf Friedrich von Zollern und Burggraf Friedrich von Nürn- berg auftraten, so würde man der wunderbaren Erscheinung begegnen, dals beide sich zwar immer in derselben Zeit und oft an dem nämlichen Orte am königlichen Hoflager als Räthe befanden, ohne jemals beide zugleich bei einer und derselben Ausfertigung anwesend zu sein (!’), wenn auch die übri- gen Zeugen, unter denen einmal Graf Friedrich von Zollern, das andere Mal Burggraf Friedrich von Nürnberg genannt wird, dieselben blieben. Auch nach der ganzen Weise, in welcher Burggraf Friedrich I. am Hofe Heinrichs VI. und Philipps auftritt, ist die Identität der Person, die einen so Reihfolge vor ihnen aufgeführt. Es gehörten z. B. zu den Zeugen einer Urkunde vom 28. Mai 1138 Heinricus marchio, Luitoldus comes de Bleien, Godefridus castellanus de Nuren- berch, comes Geuehardus de Burchusen ete. — einer Urkunde vom 31. Mai 1188 Comes Dietricus de Wazzerburch, Comes Liupoldus de Pleigen, Conradus purgrauius de Nuor- renberch, — einer Urkunde vom Januar 1220: Hermannus marchio de Baden, Comes Sibertus de Werda, Comes Henricus filius eius, Cunradus Burcgrauius de Nurem- berc etc. (Urkunden in Stillfrieds Mon. Zoll.), einer Urkunde vom 18. Mai 1189 Bertoldus dux dalmacie, Chunradus comes de Pilstein, Albertus comes de Bogen, Otto comes de vele- burch, Chunradus Burchrauius de Nuerenberch, Otto Ratisponensis aduocatus; einer Urkunde vom 4. Juli 1193 Philippus frater imperatoris, Emecho comes de Leyningen, Fri- dericus comes de Hohenberg, Henrieus comes de Zweinbrucken, Fridericus burggrauius de Nurenb erg, Wolmarus de Castele etc.; einer Urkunde vom 31. Mai 1196 Ludouicus dux Bawariae, Henricus Palatinus comes Rheni, comes albertus de Pogin, Fridericus Bur- crauius de nurinberc, comes Boppo de Wertheim etc. (Mon. Boica XXX, I, S. 438. 451. 460.) In der Urkunde, welche im Januar 1229 vom K. Heinrich zu Worms ausge- stellt ist, werden nach mehreren Bischöfen und andern Geistlichen als Zeugen genannt Hen- ricus comes de Seina, Cunradus Burggravius de Nurimberch. Miraei Notit. eceles. Belgic 563. (‘”) Es kommt z. B. in zwei bei Kaiser Heinrichs VI. Aufenthalt zu Würzburg im Juni 1193 ausgestellten Urkunden in der einen Fridericus prefeetus de Nurenbere, in der andern Comes Fridericus de Zolre vor und von den bei des Kaisers Aufenthalte in Worms in demselben Monate und Jahre ausgestellten Urkunden nennt eine Urkunde vom 28. Juni den Fridericus burggravius de Nurenbere und eine Urkunde vom folgenden Tage den Fride- ricus comes de Zolleren als am Hofe anwesenden Rath. Im Jahre 1196 erscheint im Mai den 17. Fridericus comes de Zolre, den 31. aber Fridericus burcgrauius de Nurinbere im kaiserlichen Gefolge. Vgl. die Beweisstellen Note 15 dieses Abschnittes. Philos.-histor. Kl. 1854. I 66 ° Rırveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses hervorragenden Platz am Hofe beider Herrscher einnahm, wie sich gleich zeigen wird, nicht zu bezweiflen, wenn auch die ihr beigelegten Titel ab- wechselnd Graf von Zollern und Burggraf von Nürnberg lauten. Die Annahme dieser Identität wird aber zu historischer Gewifsheit durch die unzweideutige, einfache Anzeige der Freisinger Genealogie, dafs Graf Friedrich Il. von Zollern Burggraf von Nürnberg geworden sei (1°) — noch bestätigt durch eine urkundliche Erklärung des Reichsoberhauptes und der Kurfürsten, wornach Rudolph von Habsburg dem Enkel dieses Friedrich die Burggrafschaft mit denjenigen Zubehörungen verlieh, womit des Beliehenen „Vater und Voreltern” sie besessen hätten ('!*). Esist daher kein gerecht- fertigter Zweifel mehr daran möglich, dals in dem Burggrafen Friedrich I. der Stammvater der Zollernschen Dynastie der Burggrafen von Nürnberg anzuerkennen sei. Lebensverhältnisse des Burggrafen Friedrich I. Die Nachrichten, welche über den Grafen Friedrich III. von Zollern auf unsere Zeit gekommen sind, haben im Zusammenhange mit den ältesten Nachrichten über die Zollernschen Grafen bereits oben gröfstentheils Er- wähnung gefunden. Denn dieser Friedrich gehört der Geschichte der Gra- fen von Zollern noch entschieden mehr an, als der burggräflich Nürnberg- schen Geschichte. Bei einer Lebensdauer von etwa 70 Jahren, die ihm zu- zuschreiben sein dürfte, hatte er die Burggrafschaft Nürnberg nur 8 bis 10 Jahre inne, während er vorher ausschliefslich als Graf von Zollern auftritt. Nachdem Friedrich zwischen den Jahren 1190 und 1192 zum Besitz der Burggrafschaft Nürnberg gelangt war ('?), erscheint er besonders zu dem () Vgl. oben Note 8 des ersten Abschnittes. (*) König Rudolph verlieh 1273 dem Burggrafen Friedrich II. die Burggrafschaft cum reliquis feodis, que idem et progenitores sul a nostris antecessoribus habuisse dinoscuntur was in dem Willebriefe des Kurfürsten von Mainz noch bezeichnender durch die Worte ausgedrückt wurde, — concessit Friderico Burcgrauio de Nurenberch — omnia bona que pater ac alii progenitores sui recipere consueuerunt a regia magestate und ebenso in den Willebriefen der sämmtlichen übrigen Kurfürsten. Vgl. die Abdrücke in Stillfrieds Mon. Zoll. I, 124-127. Oetters Zweit. Vers. S. 60. ('?) Das Jahr, in welchem Friedrich in den Besitz der Burggrafschaft Nürnberg gelangt ist, ergiebt sich aus den bis jetzt darüber vorliegenden Quellen nicht näher, als wie oben bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 67 Kaiser Heinrich VI. und zu dem Könige Philipp in nahen Beziehungen. So- bald jener mit dem Schlusse des Jahres 1191 aus Italien nach Deutschland angezeigt ist. Der Burggraf Conrad II., Friedrichs Vorgänger, wird in einer Urkunde vom 25. August 1190 zum letzten Mal in einer solchen Weise genannt, dals kein Zweifel daran ist, er habe damals noch gelebt und die Burggrafschaft verwaltet. Friedrich wird dagegen am 8. Juli 1192 zum ersten Mal als Burggraf bezeichnet. Folglich haben die „Hohenzoller- schen Forschungen” ganz Recht, wenn S. 108 von ihnen bemerkt wird, dals die Urkunden vom 25. August 1190 und vom 8. Juli 1192 die Zeitgrenzen abgeben, innerhalb welcher die Suecession Friedrichs in die Burggrafschaft geschehen ist. Die Erwähnungen Friedrichs in Urkunden dieser Zeit bestehen in folgenden: Im Jahre 1192 treffen wir ihn am 8. Juli bei Heidingsfeld (apud Heitingesveld) im Bambergschen (Fridericus burgrauius de Nurenberc) als Zeugen einer Urkunde Heinrichs VI. für das Kloster Schönau (Mon. Boica XXIX, 463. De Gudenus Cod. dipl. V, 355. Langs Reg. I, 351. Stillfried und Märcker’s Mon. Zoll. F. No. 43. Böhmers Reg. No. 2782) — im 7. 1193 in der Umgebung desselben Königs am 28. März zu Speier in einer Urkunde für das Stift Passau (Wriderions, et Burcardus comites de Zolre Mon. Boica XXIX, 471. Hund Metropol. Salisb. I, 377. Stillfr. u. Märck. Mon. Zoll. I. No. 46, beide Erwähnungen können aber auch auf den Hohenbergschen Gr. Friedrich bezogen werden) — am 15. Mai zu Coblenz in einer Urkunde für Utrecht (Frederieus burgra- vius de Nurenberg. Bondam Charterboeck der Hertogen van Gelderland I, 253. Stillfr. u. Märck. Mon. Zoll. I, No. 51); ferner in einer Urkunde ohne Tag, die zu Würzburg (Gui- zeburc) für Como ausgestellt ist (Rovelli Storia di Como I, 362) als Fridericus pasfeetus de Nurenbere und in einer Urkunde, welche daselbst am 7. Juni für das Kloster Salem ausge- fertigt ist, als Comes Fridericus de Zolre (Stälin, Wirtemb. Gesch. II, 510. Stllfvied u. Märcker’s Mon. Zoll. I. No. 47 wenn hier nicht wieder Friedrich der Hohenberger gemeint ist, da comes Burchardus de Hohenbere neben ihm, wie wohl nachgesetzt erscheint), am 28. Juni zu Worms in einer Urkunde über das Schlols Ahr als Friderieus burgravius de Nurenberce und am 29. Juni daselbst in einer Urkunde für das Kloster Bebenhausen als Fri- dericus comes de Zolleren (Lacomblet Urk. Buch des Niederrh. I, 376. Besoldi Doc. red. I, 219. Stillfried u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 48. 49. Böhmer Reg. 2810. Stälin’s Wirt. Gesch. II, 510. 511.), am 2. Juli zu Lautern in einer Urkunde für den Bischof von Apt als Fridericus burgravius de Nuremberc (Gallia Christ. I, 79), am 4. Juli daselbst in einer Urkunde für das Kloster Hagen oder Hane (Fridericus burggravius de Nurenberg. Mon. Boica XXXI, I, 451. Reinling Gesch. der Kl. in Rheinbaiern II, 361. Stillfe. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 50), am 8. Juli desgleichen (Stälin’s Wirt. Gesch. II, 511), am 16. Juli wieder zu Worms in einer Urk. für das Kloster Erbach als Fridericus praefectus de Nurenbere (Hanselmann Landesh. I, 372). — Im Jahre 1194 findet man ihn in des genannten Königs Gefolge am 18. März zu Nürnberg als Fridericus burerauius de Nurenbere in einer Urkunde für Bamberg (Mon. Boica XXIX, 480 Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll, I. No. 52), am 22. März daselbst ebenso benannt in einer Urkunde für Berchtesgaden (Mon. Boica XXIX, 483. Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. I. No. 53), am 22. Mai zu Chur in Graubündten (apud Curiam) in einer Urkunde für das Kloster St. Lueius zu Chur als Comes Fridericus de Zoler (Hugo Annal. Praemonstr. I. Stillfried u. Märcker Mon. Zoll. I No. 54 prob. 70). — Im Jahre I2 68 Rırven: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses zurückkehrte, tritt Friedrich als vertraueter Rath an seinem Hofe auf und begleitete er ihn auf der Herumreise in Deutschland, auf welcher der Kaiser 1195 den 11. April zu Ravensburg bei Herzog Conrad von Schwaben als Zeugen in dessen Urkunde für das Kloster Salem (Stälin’s Wirt. Gesch. II, 511. Stillfried u. Märcker Mon. Zoll. IL, No. 55) als Comes Fridericus de Zolre, und am 16. und 19. Juli zu Worms als Zeugen in zwei Urkunden Heinrichs VI. für das Kloster Hemmenrode und den Abt Geb- hard von Prüm als Burgrauius de Nurenberg bezeichnet (Stälin’s Wirtemb. Gesch. I, 511. Würdtweins Subsidia dipl. V, 264. Mon. Boica XXIX, I, 485. Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 56. 57), im Jahre 1196 bei König Heinrich VI. am 21. Jan. zu Hagenow und am 17. Mai zu Ladenburg in Urkunden für das Kloster Schönau (De Gudenus, Syllog. var. dipl. 39. 45. Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 58) als Friderieus comes de Zolre, am 31. Mai zu Mainz in curia solenni Fridericus buregrauius de Nurinbere (Mon. Boica XXXI, I, 460 Stillfried u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 59. mit der Jahrszahl 1197); — ferner bei König Philipp im Jahre 1198 zu Worms bei dem Abschlusse des Bündnisses vom 29. Juni dieses Jahres mit dem Könige Philipp August von Frankreich als Fridericus de Zolre (Orig. Guelf. IN, 752. Leibnit. Cod. iur. gent. I, 6. Martene Collect. ampl. I, 1017. Pertz Monum. IV, 203. Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 60), im Jahre 1199 am 29. Sept. zu Mainz in einer Urkunde für das Stift Salzburg (Friderieus comes de Zolre. Hund Metropol. Salisb. 1, 75 I, 179. Mezger Hist. Salisb. 1023. Lünigs Reichsarchiv XVI, 964. 967. Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 61); — im Jahre 1200 am 19. Jan. zu Hildesheim Comes Fri- dericus de Zolre in einer Stade und Bremen betr. Urkunde (Lappenbergs Hamb. Urkunden- buch I, 277. Michelsen Dithmars. Urk. 9. Orig. Guelf. III, 632. Sullfr. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 62), am 27. Jan. zu Goslar in einer Urkunde für diesen Ort (Vaterl. Archiv für Niedersachsen. 1841. Stillfr. u Märcker Mon. Zoll. I, No. 63. S. 38 Comes Friderieus de Zolre), am 31. Jan. zu Altstedt Comes Fridericus de Zolre in einer Urkunde für das Kloster Walkenried (Stälin’s Wirt. Gesch. I, 5i1. Böhmers Regesten von 1198-1254 S. 8. Urkundenbuch des hist. Vereins für Niedersachsen II, 39. Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 65), den 18. Febr. zu Oelnitz in Sachsen, wo K. Philipp den Verkauf des Guts Lippene bei Altenburg bestätigt, welchen Fridericus burgravius de Nurenbere vorgenommen (Schumacher Nachrichten VI, 52. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 26 mit dem Jahr 1198. Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 65. Stälin a. a. O. S. 511. Böhmers Reg. de 1198-1254 S. 8), den 28. Februar bei dem Herzog Leopold von Oesterreich in einer Bestätigung des Schottenklosters zu Wien (Stillfr. und Märcker Mon. Zoll. I, No. 66), den 15. März zu Nürnberg in einer Urkunde für das Kloster Eberach (Friderieus prefectus de Nuorenbere Monum. Boica XXIX, I, 493. Falkenstein’s Antiq. Nordg. IV, 42. Stillfr. u. Märckers Mon. Zoll. I, No. 67. Schütz Corp. hist. IV, 54), den 18. März daselbst in einer Urk. für das Kl. Aldersbach (Friderieus prefeetus de Nurnberg Hund Metropol. Salisb. I, 64. Sullfr. u. Märkers Mon. Zoll. I, No. 68. Mon. Zoll. I, No. 68. Mon. Boica V, 361 vgl. XXIX, 496), den 11. Juni zu Elslingen oder Enslingen (Enzling) in einer Urkunde für das Stift St. Lu- cius in Chur (Comes Fridericus de Zolre. Hugo Annal. ord. praemonsir. I, 70. 71. Stillfr. u. Märckers Mon. Zoll. I, No. 69) und den 1. Oct. zu Nürnberg in einer Urkunde für Bischof Theodorich von Utrecht (Comes Fridericus de Zolre Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 69 die beim Regierungsantritte üblichen Bestätigungen ertheilte und die aufge- häuften Reichsgeschäfte erledigte. Im Jahre 1192 wird Friedrich zu Hei- dingsfeld, im Jahre 1193 zu Speier, Würzburg, Worms, Lautern und Coblenz, so wie noch im Jahre 1194 zu Nürnberg und Chur bei Staatshandlungen des Kaisers ausdrücklich genannt. Als Kaiser Heinrich im Mai 1194 von Neuem nach Italien zog, um sich zum Könige von Sicilien krönen zu lassen, blieb der Burggraf Friedrich zwar in Deutschland zurück, wo man ihn mittlerweile am Hoflager des Her- zogs Conrad von Schwaben wahrnimmt. Kaum war jedoch Heinrich VI. im Juli 1195 nach Deutschland zurückgekehrt; so wird auch Burggraf Friedrich in seinem Gefolge wieder sichtbar, namentlich im Jahre 1195 zu Worms, so wie im Jahre 1196 zu Ladenburg und zu Mainz. Erst der nochmalige Zug des Kaisers nach Italien schied ihn von dem Kaiser und zwar für immer, da Heinrich VI. am 28. September 1197 zu Palermo starb ('°). Gleich nach Philipps Wahl zum Römischen Könige half der Burggraf Friedrich den wichtigen Staatsvertrag vom 29. Juni 1198 abschliefsen, worin König Philipp von Frankreich jenem gegen Richard Löwenherz Hülfe zu- sagte. Dann nahm er im Sommer 1199 an dem Feldzuge des Königs nach dem Niederrhein wider den Gegenkönig Otto IV. Theil. Hiernächst beglei- I, No. 70. Heda Episc. Ultraj. edit. de 1643 p. 187 edit. de 1612 p. 328 — am letztern Orte Fridericus comes de Zahen und das Dat. 2 Kal. Octobris). Diese Übersicht der Er- wähnungen Friedrichs in den Urkunden seit seinem Gelangen zum Burggrafthum Nürnberg, macht keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es werden auch vermutlich mit der Zeit noch manche Urkunden aufgefunden werden, welche seiner gedenken, von uns aber hier noch nicht benutzt werden konnten. Nicht dahin gehörig ist aber eine Urkunde, nach welcher Friedrich schon im J. 1190 als Burggraf von Nürnberg erwähnt werde; diese gehört viel- mehr in das Jahr 1192. (De Guden. cod. dipl. V, 355). Die von Oetter I, 270. Meibom I, 447 u. A. erwähnte und in das Jahr 1191 gesetzte Urkunde, worin Fridericus Burg- graffius Noribergensis auf dem Reichstage zu Saalfeld genannt wird, darf ebenfalls nicht in jenes Jahr gesetzt werden. G. W. v. Raumer in L. v. Ledebur’s Archiv XVI, 350. Noch weniger ist Oetters Bericht von einem Turnier verbürgt, welches Heinrich VI. im J. 1197 zu Nürnberg gehalten haben soll und worin es namentlich heilst „den dritten Vortanz gab man Marggralf Wenzell von Mehren mitt Burggraff Friedrichs von Nürnberg Gemahell” und wornach diesem Paare noch 4 Paare fürstlicher Personen gefolgt seyn sollen. — Endlich gehört auch das Document nicht hierher, welches Lang (Reg. II, 382) in das Jahr 1200 setzt, worin Burggraf Friedrich das Schlols Valkenberg dem Kloster Waldsassen verpfändet. Das Document ist falsch datirt und gehört, wie schon Stillfried (Mon. I, 179) richtig be- merkt hat, dem Jahre 1291 an. 70 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses tete er den König Philipp auf dem Zuge nach Sachsen, wo dieser den Win- ter zubrachte. Im Frühling des Jahres 1200 war er mit dem Könige auf dem grofsen Versammlungstage zu Nürnberg, wo die Fürsten, Prälaten und Edlen dem König Philipp aufs Neue Hülfe und Beistand gegen alle seine Widersacher im Reiche gelobten. Diesem Gelübde gemäfs zog Friedrich dann auch mit dem Könige wieder von Nürnberg hinweg, da der König im Sommer des Jahres 1200 die Belagerung Braunschweigs unternahm. Die vergebliche, doch mit grolsen Verlusten für Philipps Heer ver- knüpfte Belagerung Braunschweigs war aber wohl das letzte Kriegsereignifs, welches Friedrich erlebte. Nach Aufhebung derselben kehrte er mit dem Könige nach Nürnberg zurück, wo er am 1. October 1200 als Zeuge einer königlichen Urkunde zum letzten Mal unter den Lebenden erscheint und sein Tod vermuthlich am 14. Juni des nächsten Jahres erfolgt ist (!). ('%) Über die Zeit des Todes Friedrichs I. besteht die gröfste Verschiedenheit der An- gaben und dadurch ist eine unheilsvolle Verwirrung in die Geschichte dieser Zeit und in die Genealogie gebracht. Die Hauptschuld an dieser Verwirrung trägt ein sogenanntes Todtenschild, eine Gedächtnilstafel, welche ehemals sich im Kloster Heilsbron von den dort begrabenen Mitgliedern des Hauses Zollern, Nürnberger Linie, befunden hat und mit der Anzeige begonnen haben soll, Friedrich der erste Burggraf dieses Namens sei 1218 gestor- ben. Die Inschrift lautete nach Johann Monninger (Genealogia oder Stammregister des hochl. Chur- und fürstlichen Hauses Brandenburg, Mspt. boruss. Bibl. reg. Berol. fol. 30. Mspt. bor. Bibl. acad. Wratisl. I, F. 6. fol. 6. u. 233) ao. 1218 obiit Fridericus Burggrauius de Nurnberg Senior, nach Rentschel (Brand. Stammbaum S. 12) Anno M.CC.XVII Obiit Fridericus Burggravius de Nurnberg Senior; nach Rentsch, der sich auf Johann Monninger als Gewährsmann beruft, (Br. Cederhain S. 281) Anno MCCXVIII obiit Fridericus Burggravius de Nurnberg; nach Hocker (Hailsbronnischer Antiquitätenschatz I, S. 2) Anno Dni. MCCXVIII obiit Fridericus Burggravius de Nurnberg. So liefern auch Jung Comicia Burggr. 117. Falckenstein S. 99 und Andere diese Inschrift mit geringen Abweichungen. Doch hat sie Einer von dem Andern abgeschrieben: denn zur Zeit der letzten dieser Schriftsteller war die gedachte Gedächtnilstafel nicht mehr zu Heilsbron vorhanden: und schon in früherer Zeit war sie jam quidem exesa temporum longinquitate. Alle diese Schriftsteller beziehen die angeführte Notiz aber auf den ersten Friedrich unter den Burggrafen von Nürnberg, wofür auch innere Wahrscheinlichkeit spricht, und die ältern Schriftsteller setzten daher den Tod Friedrichs, des III. Grafen von Zollern und ersten Burggrafen, aus Achtung vor dieser Nachricht in das Jahr 1218. Dann kam aber eine zuverlässige Urkunde zum Vorschein, nach welcher die- ser Friedrich schon vor 1204 verstorben war (Lairiz Diss. de Burggr. Norimb. p. 19 Oetter Erster Versuch S. 274. 278 f.) und Andere fingen daher an, die Richtigkeit der Angabe der Gedächtnifstafel zu bezweifeln. Doch eine bestimmte Angabe ist in einer schwer bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. ze Auf die Kenntnifs von dieser Theilnahme an Staatshandlungen der Hohenstaufenschen Herrscher, welche durch die Erwähnung Friedrichs als zu entwirrenden Genealogie ein zu köstliches Ding, als dafs die Geschichtsforschung dasselbe aufgeben mogte. Geschichtsschreiber, welche nicht ohne Weiteres den Vorgängern nach- schrieben, nahmen daher die willkürlichsten Versuche vor, der Anzeige einen mit den son- stigen historischen Verhältnissen verträglichen Sinn unterzulegen. So deutet z. B. Fid. Baur, der Geschichtsschreiber der Hohenzollerschen Staaten, die Todesanzeige auf den Burggrafen Conrad und läfst diesen im J. 1215 sterben, weil doch ein Burggraf von Nürn- berg, in diesem Jahre gestorben sein müsse und noch Andere haben, indem sie sich zu der unbedingten Anerkennung der Richtigkeit des Todtenschildes bequemt, einen Burggrafen Friedrich II. als von 1200 bis 1248 existirend angenommen, ebenfalls, wie es scheint, vorzüglich nur, um solchen 1218 sterben lassen zu können. Sieht man jedoch die gedachte Gedächtnilstafel forschend an, so muls das Vertrauen zu der Genauigkeit ihrer Angaben sehr erschüttert werden. Wir nehmen keineswegs in Abrede, dafs ihr etwas Aechtes zu Grunde lag und stimmen ganz dem Rector Gurkfelder bei, wenn er in seinen um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts niedergeschriebenen Be- merkungen zu Monninger sagt „diese Hailsbronnische Verzeichnüs belangend, ob sie schon jetztzo nicht mehr vor Augen, ist doch Herr Dr. Monninger als ein Nleilsiger Mann, wie in diesem ganzen Werk zu sehen, nicht zuzumessen, dals ers aus einem Finger gesogen oder selbsten erdicht” (Mspt. Bor. Bibl. Reg. Berol. in fol. Nr. 30). Aber wir können sie in dieser Form nicht für getreu anerkennen. Schon das Anno statt Anno Domini ist verdächtig: denn regelmälsig war die letztere Form in Gebrauch. Wir wollen dann nicht auf die Varianten in Ansehung der Versetzung des Worts senior, so wie des Fehlens und Vorhandenseins desselben, Gewicht legen, da diese Differenzen wohl auf Rechnung der Nachlälsigkeit späterer Abschreiber der Urschrift des Monninger zu setzen sind. Aber es muls bei dem Zwecke und der Bestimmung solcher Gedächtnifstafeln und bei der Form, worin wir dieselben fast ausnahmslos antreffen, ungemein auffallen, dafs der Todestag des Verstorbenen nicht erwähnt ist. Grade die Tage und nicht die Jahre des Todes der ihrer kirchlichen Fürbitte Empfohlenen waren für die Klöster das Merkwürdigste, wurden daher auf den Gedächtnilstafeln sorgsam angemerkt und fehlen selbst auf Leichensteinen dieser Zeit fast nie. Auch auf den übrigen Todtenschilden der burggräflichen Familie, die sich in der Klosterkirche zu Heilsbronn befanden, folgt immer dem Jahr die Angabe des Todes- tages z. B. Anno Dni. MCCLXXXXVI in vigilia assumtionis obiit Dominus Fridericus Senior Burggravius de Nurnberg. — Anno Dni. M CCC XXXII XI Kal. Junii obiit Dans. Conradus Burggrauius de Nurnberg filius Frideriei etc. (Hockers Antiq. Schatz I, 4-5). Man entschuldige den Mangel der Angabe des Todestages auf dem hier in Rede stehenden Todten- schilde nicht damit, dals zur Zeit der Anfertigung der Gedächtnilstafel dem Kloster Heilsbron vielleicht der Tag des Todes schon unbekannt geworden, und nur noch das Todesjahr be- kannt gewesen sei. Bei der feierlichen Begehung des Jahrestags der im Kloster begrabenen hohen Personen konnte leicht der Todestag bekannt bleiben und das Todesjahr ungewils werden, nicht aber ebenso leicht das Umgekehrte der Fall sein. Wir glauben daher nicht zu kühn zu verfahren, wenn wir behaupten: war die Gedächtnilstafel echt; so mulste sie neben dem Todesjahre Friedrichs auch dessen Todestag angeben. 72 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Zeugen in den bezüglichen Urkunden angedeutet wird, ist leider die histo- rische Kunde von der öffentlichen Wirksamkeit des Stammvaters der spätern Die Glaubwürdigkeit der Tafel läfst sich nur dadurch retten, dafs man annimmt, bei ihrer halbverloschenen Schrift sei, die Angabe des Todestages nicht mehr völlig lesbar ge- wesen und die Lücke sei in der ohnehin sehr nachlässigen Abschrift unangezeigt geblieben. Glücklicher Weise kommt uns hier eine bis jetzt fast ganz unbeachtet gebliebene Notiz aus dem von Jung (Miscell. F. II, p. 40) mitgetheilten Extracte des Heilsbronner Todten-Calen- ders zur Hand und hilft uns aus dem Gewirre. Es heifst dort nämlich unterm 14. Juni: est anniuersarius Friderici Burggravii Senioris de Nurnberg. Wir erfahren aus dieser Bezeichnung des Tages den Todestag eines Friedrich, den wir unter den spätern Burg- grafen nicht kennen, den wir daher für Friedrich I. halten müssen. Denn Friedrich I. starb am 14. August 1297 und auch von den übrigen Friedrich genannten Burggrafen starb keiner, so viel wir wissen, am 14. Juni. Drücken wir nun den so gefundenen Todestag des ersten Zollerschen Burggrafen von Nürnberg — den 14. Juni — in der auf Gedächtnifstafeln und Epitaphien jener Zeit üblichen Schrift aus, so wurde derselbe bezeichnet: XVII. Kal. Jul. und muls also die Inschrift, wenn wir sie zu restituiren versuchen, nach der Angabe des Jahres XVIII. Kal. Jul. Obiit Fridericus etc. enthalten haben. Es ist nun mehr als wahr- scheinlich, dafs die Worte Kal. Jul. auf der verdunkelten Inschrift von den Abschreibern nicht mehr erkannt werden konnten, dafs sie daher die Zahl XVIII zu der Jahrszahl hinzu- setzten und also auf die irrthümliche Annahme kamen, Friedrich der erste Burggraf sei im Jahre M. CC. XVII. verstorben. Doch nieht nur der Tag, sondern auch das Jahr des Todes des in Rede stehenden Friedrich ist sehr zweifelhaft. In der genealogischen Geschichte der Burggrafen lälst der Freih. von Stillfried — der diese Verhältnisse sehr sorgfältig durchforscht hat — denselben im Jahre 1194 aus den Urkunden verschwinden, seinen Tod vermuthen und im Besitze der Burggrafschaft Nürnberg, so wie der Grafschaft Zollern, seine Söhne Conrad und Friedrich suecediren. Nach den „Hohenzollerschen Forschungen” I, 110 Note 10 von Stillfried und Märcker, ist der Tod Friedrichs I. am Wahrscheinlichsten um das Jahr 1197 anzunehmen, da zwischen dem 31. Mai 1196 und dem 29. Juni 1198 kein Friedrich vorkomme. Diese Annahmen haben indessen viel gegen sich. Die Notiz in der Urkunde von 1204 (Note 26 vor. Abschn.) dafs Sophia eine Handlung longe post obitum mariti, nämlich eben des in Rede stehenden Friedrich, vorgenommen habe, enthält dafür keine Rechtfertigung, Friedrichs Tod soweit in die Vergangenheit zurück zu versetzen: denn bei dem longe kann ebenso gut an drei bis vier Jahre als an 8 bis 10 Jahre gedacht ‚werden. Dagegen streitet aber die gleichförmige niemals durch längere Intervalle unterbrochene Erwähnung des Grafen und Burggrafen Frie- drich von 1192 bis 1200 als vertraueten Rathes in den Urkunden Heinrich VI. und Philipps (Note 15). Für die Unterbrechung dieser Erwähnung zwischen 1196 und 1198 liegt der in Heinrichs VI. Italienischen Zuge und Tode und in der Thronbesteigung Philipps gegebene Erklärungsgrund nahe. Noch entschiedner streitet gegen jene Annahmen aber eine Urkunde vom Jahre 1198, die in Stillfrieds Mon. Zoll. I, No. 13. S. 26 und in Stillfried und Mär- ckers Mon. Zoll. I, No. 65 mitgetheilt ist. In dieser Urkunde tritt um das Jahr 1198 oder besser am 18. Febr. 1200 (denn in das letztere Jahr gehört die Urkunde nach berichtigtem bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. Me Burggrafen von Nürnberg beschränkt. Die Armuth der aus jener Zeit er- haltenen Geschichtsquellen versagt uns jedes in deutlichern Zügen hervor- tretende Bild von seiner Persönlichkeit, die den mitgetheilten Andeutungen nach zu schliefsen, sich im Rathe des Reichsoberhauptes, wie im Felde, mit Auszeichnung geltend machte. Rücksichtlich der Familienverhältnisse Friedrichs möge nur daran er- innert werden, dafs er ein Sohn des Grafen FriedrichII. von Zollern und seiner Gemahlin Udilhild von Urach und mit Sophia, Gräfin von Raabs, der Tochter des Burggrafen Conrad II. von Nürnberg, die ihn nebst Söhnen überlebte, vermählt war (?). Ihre Söhne setzte Sophia, längere Zeit nach Datum. Stälin’s Wirt. Gesch. II, 511. Böhmers Kaiserregesten v. 1198-1254 S. 8) noch ein Burggraf Friedrich in der Veräulserung von Pertinenzen des Burggrafthumes als alleiniger Besitzer desselben auf. Der gleichnamige Sohn des ersten Burggrafen Friedrich war dage- gen, wie sich später zeigen wird, nur Mitbelehnter an dem Burggrafthume Nürnberg und sein älterer Bruder Conrad der eigentliche Besitzer desselben. Jedenfalls waren es in der nächsten Zeit nach dem Tode des ersten Burggrafen Friedrich zwei Personen, von denen nur eine vollgültige Erklärung in dergleichen Veräufserungssachen ausgehen konnte und muls daher die Urkunde von dem 18. Febr. 1200 noch auf den ersten Burggrafen Friedrich be- zogen werden. Dals dieser erste Burggraf im Jahre 1200 oder bald hernach gestorben sei, nöthigt schon der Umstand anzunehmen, dafs er in diesem Jahre aus den Urkunden verschwindet — denn vor 1205 wird kein Friedrich von Zollern oder von Nürnberg wieder erwähnt: und die Erwähnungen, die nach dieser Zeit einem Friedrich wieder zu Theil werden, zeigen die- sen in einem wesentlich andern Verhältnisse, als in welchem der frühere Friedrich nach den Urkunden hervortritt. Dazu kommt die Urkunde von 1204, die des lange schon ver- storbenen Burggrafen Friedrich von Nürnberg gedenkt (Note 17). Auch der Freiherr von Stillfried hat daher in neuerer Zeit in Übereinstimmung mit vielen ältern Geschichtsschrei- bern der Vermuthung beigestimmt, dafs Friedrich um das Jahr 1200 gestorben sei. (Vgl. Stillfrieds Stammtafel des Erlauchten Hauses Hohenzollern Schwäbischer Linie.) Wäre nun anzunehmen, dafs die letzten in das Jahr 1200 fallenden Erwähnungen des Grafen Friedrich von Zollern (vgl. Note 15 sub fine) nicht mehr auf Friedrich den Vater, sondern schon auf den nach 1205 öfter erscheinenden gleichnamigen Sohn desselben gehen, eine Annahme, der nichts Bestimmtes entgegen steht; so würde der wahrscheinliche Todes- tag Friedrichs des ersten Burggrafen sein: der 14. Juni 1200. Dann hätte die oben erläu- terte Gedächtnilstafel des Klosters Heilsbronn ohne Zweifel gelautet: Anno (dom.) M.CC.X VIIL (Kal. Juli) obiit Friderieus ete. Gehen jedoch alle Erwähnungen Friedrichs Grafen von Zollern und Burggrafen von Nürnberg, in den Urkunden König Philipps bis zum 1. Oct. 1200, welches anzunehmen näher liegt, auf dieselbe Person; so kann der Tod dieses ersten Burggrafen Friedrich auf den 14. Juni 1201 frühestens gesetzt werden und mufs in der oft erwähnten Gedächtnilstafel auch die Jahresangabe dahin emendirt werden. Philos.- histor. Kl. 1854. K 74 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses dem Tode ihres Gemahls, doch vor 1204, zu Herren ihrer Allodialbesitzungen ein, von denen sie nur zu Schenkungen an geistliche Stifte sich einen Theil vorbehielt (!7). Sie bereicherte davon namentlich das Oesterreichische Kloster Zwettl (17). Dann erlebte sie noch den durch einen ihrer Söhne im J. 1218 vorgenommenen Verkauf der Grafschaft Raabs ('?). Weiter ist von der für die Geschichte des Zollernschen Hauses so denkwürdigen Frau keine Nach- richt erhalten. Von Friedrichs Thätigkeit für die Nürnberger Burggrafschaft wissen wir nur wenige vereinzelte Handlungen, jedoch bemerkenswerth dadurch, dafs in ihnen dieselbe Richtung schon hervortritt, welche alle Nachfolger Friedrichs in diesem Reichslehne mit wunderbarer Consequenz verfolgt ha- ben, nämlich die Zubehörungen der Burggrafschaft in liegenden Gründen zu vergröfsern und ihrer Verminderung möglichst zu wehren. Es kaufte der Burggraf nämlich ein Gut in Lipene bei Altenburg — wohl Ober- oder Niederleupten — von den Herren von Kohren und liefs sich dasselbe als Pertinenzstück des Lehns der Burggrafschaft vom Reiche verleihen. Nur wurde der Burggraf durch Rechtsansprüche, welche das Marienkloster zu Altenburg darauf machte, später (1200) genöthigt, diese der Burggrafschaft auch nicht vortheilhaft gelegene Besitzung dem geistlichen Stifte gegen Er- stattung abzutreten und selbige zu dem Ende in König Philipps Hand wieder aufzugeben ('?). Das wichtigste Ereignifs, welches Burggraf Friedrich für seine Nach- kommen erwirkte, bleibt immer seine Succession in die Besitzungen des äl- tern burggräflichen Hauses, wodurch er die Burggrafschaft Nürnberg mit ('”) Vgl. Nete 26 zum vorigen Abschnitt. (?) Nach einer Urkunde v. J. 1218, von welcher leider nur die alte Inhaltsanzeige bis jetzt bekannt geworden ist, welche lautet: „Herzog Leupolt chauft wider den purchgraven von Nürnberg und seiner muter die grafschaft zu Ragcz vnd den marcht vnd daz darzu gehört, vmb zway tausend march silber” (Janns Ennichel bei Rauch Script. I, 258, 30. Monum. Boica XXIX, 314). ('?) Die Erwerbung des Gutes Lipene von den Herren von Kohren (nicht Lohren) kennt man bis jetzt nur aus einer Notiz, welche nicht einmal das Jahr bezeichnete (Schultes Direct. dipl. II, 399). Die Urkunde ist noch nicht durch den Druck bekannt geworden. — Die Abtretungs-Urkunde des Kaiser Philipp vom 18. Febr. 1200 ist in Stillfrieds und Märckers Mon. Zoller. I, No. 65 abgedruckt. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 75 den Fränkischen, so wie die Grafschaft Raabs mit den Österreichischen Erb- gütern der erloschenen Familie seiner Gemahlin, an sein Haus brachte. Die- ser Erwerbung widmen wir daher noch eine nähere Erörterun I o° Die Succession in die Burggrafschaft. Von den Bestandtheilen der reichen Verlassenschaft des Burggrafen Conrad I. konnte der Hauptgegenstand, welchen die Burggrafschaft bildete, nicht durch das Erbrecht der Tochter des letzten Besitzers allein ihrem Ge- mahle zugebracht und auf ihre gemeinschaftlichen Nachkommen übertragen werden. Die Burggrafschaft war unzweifelhaftes Mannlehn und durch Con- rad’s II. Tod und das Erlöschen seiner Familie im Mannsstamme dem Reiche apert geworden; ihre Erwerbung setzte also eine von dem Reichsoberhaupte ausgehende, von freier Willensbestimmung desselben abhängige Wiederver- leihung voraus. Die von Schriftstellern mehrfach gebrauchte Bezeichnung Sophiens als „Erbburggräfin” oder „Erbtochter” in Beziehung auf die Burg- grafschaft Nürnberg, findet daher keine Rechtfertigung. Jedoch bei den dar- gelegten nahen Beziehungen, worin sowohl der Burggraf Conrad I., als auch sein Nachfolger Friedrich, zu dem Hohenstaufenschen Herrscherhause stand, gab der Nürnberger Aperturfall diesem gewils eine erwünschte Gelegenheit, die Verdienste beider durch die Wiederverleihung an Friedrich lohnend an- zuerkennen. Die Hohenstaufen waren freigebig in der Belohnung der Ver- dienste ihrer Anhänger. Nicht sowohl angeheirathet ist daher die Burggraf- schaft Nürnberg, als verdient zunächst, durch die Treue und Anhänglichkeit, womit man ihren letzten Besitzer und ihren neuen Erwerber dem Wohl des Reiches und dem Throne der Hohenstaufen seine Thätigkeit widmen sieht. Zugleich waren freilich auch die damaligen Zeitverhältnisse der Über- tragung von Mannlehnen mittelst weiblicher Succession an ein neues Ge- schlecht grade in aufserordentlicher Weise günstig. Die Strenge des Lehn- rechtes in der Ausschliefsung weiblicher Succession war zwar schon früher bisweilen dadurch gemildert, dafs bei der Wiederverleihung eines erledigten Lehnes dem Gemahl einer angemessen verheiratheten Tochter vor frem- den Bewerbern der Vorzug gegeben wurde. Ganz besonders aber wurde dieser Gebrauch durch die politische Tendenz begünstigt, welche die Ho- henstaufen rücksichtlich der Erblichkeit der Krone des Deutschen Reiches verfolgten und welche Kaiser Heinrich VI. mit grofsem Eifer zu verwirkli- K2 76 Rırven: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses chen suchte. Der Gegenwerth, welchen man den Grofsen des Reiches für die Aufgabe der Wählbarkeit des Reichsoberhauptes damals als Preis anbot, bestand eben in dem Zugeständnisse, dafs ihre Lehne dann auch auf weib- liche Descendenz und auf Seitenverwandte sollten vererbt werden können. Wie nun die Fürsten jener Zeit den grofsen Entwurf stillschweigend zu ge- nehmigen schienen, indem sie die Krone, wenn auch noch mit Beibehaltung der Form einer Wahl, in dem Hause der Hohenstaufen sich vererben lie- fsen; so sieht man auch von Seiten der Könige und Kaiser dieses Hauses, in Ansehung der Succession in Reichslehne nach dem Erlöschen des Manns- stammes, ein jenem Plane angemessenes Verfahren beobachtet. Selbst in Ansehung der gröfsten und wichtigsten Fürstenlehne wurde von den Kaisern Friedrich I. und Heinrich VI. diesen Grundsätzen gemäfs verfahren: z. B. in dem Österreichischen Herzogsprivilegium den Töchtern die Eventualsucces- sion in das Herzogsthum zugesichert und dem Herzoge Heinrich, dem Sohne Heinrichs des Löwen, nach seiner Vermählung mit der Tochter des Rheini- schen Pfalzgrafen, die Succession in die Pfalzgrafschaft zugestanden (*°). Es konnte daher nicht als Ausnahme von den in ähnlichen Fällen befolgten Grund- sätzen betrachtet werden, wenn die Wiederverleihung der Burggrafschaft Nürnberg nach dem Tode des Burggrafen Conrad an den Schwiegersohn des- selben geschah. Jedenfalls mufste dem letztern seine Vermählung mit der Tochter des letzten Lehnsbesitzers eine vorzügliche Berücksichtigung unter den Bewerbern in damaliger Zeit zusichern. Der Plan der Hohenstaufen scheiterte zwar später, nachdem Friedrich längst als Burggraf anerkannt war, an dem Widerstande, welchen Papst und Geistlichkeit dem Kaiser Heinrich VI. entgegenstellten, als er im Jahre 1196 die Erblichkeit beider, der Krone und der Reichslehne, durch eine förm- liche Reichsconstitution festzustellen versuchte (*'); jedoch wurde auch in der (@) Vgl. Riedel’s Beschreibung der Mark Brandenburg im Jahre 1250 Band II, S. 139. 440. — In dem Österreichischen Herzogsprivilegio v. J. 1156 heilst es indifferenter filii et filiae ducatum hereditario jure a regno teneant (Lünigs Reichs-Archiv Band VII, S. 4) und Bischof Otto von Freisingen (I, 32) sagt daher von dem Kaiser: ducatum non solum Henrico, sed et uxori tradidit. Über die Ehe Heinrichs und die Succession in die Pfalz (1194) Origin. Guelfic. II, 149. u. 152. () Nach dem Chron. Reinh. in Scheidts Orig. Guelfic. IT, 189 hat Heinrich VI. auf dem Reichstage zu Mainz (1195) cum — imperator videret, Duces, Marchiones etc. ad signum bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 77 folgenden Zeit noch oft eine Bewilligung im Geiste jenes Planes ertheilt (?) und namentlich der Burggrafschaft Nürnberg etwa achtzig Jahre später da- durch die Gefahr nahe gerückt, mittelst der Succession einer verheiratheten Tochter, der gräflichen Familie von Öttingen zugeführt zu werden. Der Burggraf Friedrich III., welcher mehrere erwachsene Töchter besafs und ohne männliche Nachkommen abzugehen fürchtete, bewog im Jahre 1273 den König Rudolph, für diesen Fall seiner an den Grafen Ludwig von Öttin- gen vermählten Tochter Maria und eventuell auch seinen übrigen Töchtern die Succession in die Burggrafschaft zuzusichern. Diese königliche Con- cession mögte wohl nicht ertheilt sein, wenn die Erbfolge einer angemessen verheiratheten Tochter nicht in der Burggrafschaft schon eine Art von Her- kommen für sich gehabt hätte. Wurden aber noch im Jahre 1273 in Bezug auf die Succession in Reichslehne so auffallende Begünstigungen dem weib- lichen Geschlechte ertheilt; so ist die Vermuthung gerechtfertigt, dafs auch der Erwerbung der Burggräfschaft Nürnberg durch den Grafen Friedrich seine Vermählung mit der Tochter des letzten Lehnsbesitzers als mitwirken- des Verhältnifs zu Grunde lag. Die Fränkischen Stammgüter. Bedurfte es jedoch zur Erwerbung der Burggrafschaft in jedem Falle der Bewilligung des Reichsoberhauptes; so gingen dagegen die in Franken belegenen Allodialgüter des ältern burggräflichen Hauses ohne Weiteres nach dem Erbrechte an den Burggrafen Friedrich oder seine Gemahlin und ihre Nachkommen über. Das Vorhandensein solcher Allodialgüter der Raabs- crucis properare, sub generali edieto principibus innotuit, privilegiatam peregrinis ituris de hereditandis possessionibus suis in consistorio imperiali volens condere licentiam, ut quicunque filum non haberet, filiae vel cuicunque in genealogia proximo ipsam delegaret. Gervasüi Tilberinensis Otia imperialia bei Leibnitz Script. rer. Brunsv. T. I, p. 943 (mit dem Drack- fehler LIE principes statt VII prineipes). Rerum familiarumque Belgicarum Chronic. magnum authore ord. S. Aug. Can. regul. prope Nussiam religioso edit. 1654 p. 203 bei Pistor Script. rer. German. T. IH. Gobelini Person. Cosm. bei Meibom, Script. rer. Germ. P. I, 275. Vgl. F. v. Raumer, Hohenstaufen III, 59 f. () Auch als im 13. Jahrhunderse Geldern und Braunschweig Herzogthümer wurden, geschah es als Tochterlehn, wobei Aluericus monachus bemerkt: filiae non solent in imperio hereditare. G. W. von Raumer Reg. Brand. I, 264. 78 Rırper: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses schen Burggrafen in Franken weisen schon die mehrfach mit dergleichen Gütern an das Schottenkloster zu Nürnberg vorgenommenen Schenkungen nach (2°). Auch fehlt es nicht an Zeugnissen, nach welchen die spätern Burggrafen, Friedrichs I. Söhne und Nachkommen, sich im Besitz von Orten in der Umgebung Nürnbergs befanden, welche früher im Besitz Raabsscher Burggrafen erscheinen und nicht eigentlich zu dem Reichslehn der Burggraf- schaft gehörten. (**). Ob die Raabsschen Burggrafen solche Güter, in deren Besitze sie in Franken auftreten und die sie auf die Zollernschen Burggrafen vererbten, erst nach der Erlangung der Burggrafschaft Nürnberg erwarben oder ob sie sich schon von altersher in deren Besitz befanden, mufs bei der mangelhaf- ten Kunde von ihrem Geschlecht unentschieden bleiben. Möglicher Weise gehörten die Grafen zu Raabs einem alten in Franken heimischen Geschlechte an, wenn man sie auch zuerst mit Besitzungen auftreten sieht, die ihnen in Österreich verliehen waren. Unter den an das Zollernsche Haus gleich in der ersten Zeit seiner Succession in die Burggrafschaft Nürnberg übergegangenen Fränkischen (*) Burggraf Gottfried I. schenkte dem Aegidienkloster das Dorf Hehl im Bayreuthschen und einen Theil des bei Schwabach gelegenen Dorfes Meckenlohe. Burggraf Gottfried I. schenkte dem Kloster Güter zu Stuphaim und Neuses: Burggraf Conrad II. Besitzungen zu Melgach und Burggräfin Hildegard zu Helboltzheim, Ungersheim und Kirchheim. Vgl. Note 15 zum II. Abschnitt. (@) Zu der im Texte erwähnten Beobachtung giebt z. B. der Ort Rietfeld Veranlassung nämlich die villa foralis Rietfeld, das heutige Neustadt an der Aisch (Oetter Burggr. II, S. 30 £.). Es wird in einer Urkunde vom Jahre 1147, wie von Lang (Alte Grafschaften S. 240. 309) angeführt ist, Conrad von Rietfeld patruus des Burggrafen Gottfried II. von Nürnberg genannt. Es war also dieser Conrad dem Hause Raabs angehörig — wie? das können wir nicht bestimmen. Dieser Conrad mulste aber zu Rietfeld seinen Wohnsitz haben. Auch in der Urkunde über die Schenkungen der Raabsschen Familie an das Schotten- kloster zu Nürnberg kommt ein Eberhard von Rietfeld neben dem Burggrafen Conrad I. vor (Note 15 Absch. I.). Im Jahre 1274 zeigt sich Burggraf Friedrich IN. als Lehns- besitzer der villa foralis Reituelden oder Rietfeld (Oetters Burggr. II, 26). Offenbar war hiernach derselbe Ort ehedem im Raabsschen, jetzt im Zollerschen Besitz. — Dasselbe läfst sich noch an dem Dorfe Neuses wahrnehmen. Burggraf Gottfried vereignete dem Schottenkloster zu Nürnberg Besitzungen in diesem im Beyreuthischen gelegenen Dorfe Note 15 zu Abschn. II.) Burggraf Conrad II. und Friedrich III., beide aus dem Hause Zollern, vereigneten im Jahre 1246 dem Kloster Heilsbronn curiam nostram in demselben Orte (in Nuisese nach Oetter I, 297 in Niuseze nach Stillfried Mon. I, 50). bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 79 Stammgütern war auch der Nachlafs der anscheinend mit dem zwölften Jahr- hundert erloschenen Grafen von Abenberg begriffen. Diese Grafen waren in der Gegend, welche das spätere Burggrafenthum Nürnberg umfafste, mit bedeutendem Grundbesitz angesessen, von dem sie zwar einen Theil dem Kloster Heilsbronn zuwandten, gewifs jedoch noch einen beträchtlichen Über- rest auf ihre Allodialerben übergehen liefsen (Note 25 Abschn. II). Die Grafen von Zollern zeigen sich weder vor noch nach Friedrichs 1. Zeit in irgend einer nahen Beziehung zu Franken. Ihre Besitzungen waren allem Anscheine nach lediglich auf Schwaben beschränkt. Wahrscheinlich sind daher alle die Stammgüter in Franken, in deren Besitz man des Burg- grafen Friedrichs erste Nachkommen erblickt und die man, beim Mangel an Nachweisbarkeit ihrer Erwerbung, als ursprüngliche Hausbesitzungen bezeich- net hat, wie Spalt, Werdenfels, Sandskron, Rietfeld, Fürth, Kadolzburg und Abenberg, für Allodialbesitzungen der gräflichen Häuser Raabs und Aben- berg zu halten, welche die -Vermählung Friedrichs mit der burggräflichen Tochter Sophia dem Hause Zollern zugeführt hat. Die Grafschaft Raabs und die Österreichischen Stammgüter. Im Österreichischen bestand die Raabssche Verlassenschaft theils in der schon erwähnten Grafschaft mit der Burg und dem Markte Raabs, theils ebenfalls aus zerstreueten kleinern Besitzungen. Die Grafschaft mit dem dazu gehörigen gleichnamigen Orte und Stammsitze des erloschenen Geschlechtes wurde um das’Jahr 1218 von Friedrichs I. Nachfolger in der Burggrafschaft Nürnberg und dessen Mutter für 2000 Mark Silber dem Herzoge Leopold VI. von Österreich verkauft und dadurch mit den herzoglichen Landen ver- einigt (°°). Sie kam daher frühzeitig aus allem Zusammenhange mit der Fränkischen Burggrafschaft. Dagegen verlautet nichts von einer Veräufse- rung der übrigen einzelnen Herrschaften und Güter, welche das Haus Raabs () Den Kaufbrief über die Grafschaft Raabs, der leider noch nicht wieder aufgefunden ist, erwähnt zuvörderst Jans von Eneucheln in seinem Fürstenbuche von Österreich und Steyrland (Linz 1618) mit den Worten: Der Herzog Leupoldt chaufft wider den Purch- graven von Nurenberch und seiner Mueter die grafschafft zu Ragez und den marcht und das dazu gehort umb zwey tausent march silber. Diese Inhaltsanzeige der Urkunde steht auch in dem Passauer Codex und ist daraus in den Monument. Boic. XXIX, 314 ab- gedruckt. 80 Rırvper: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses im Österreichischen besessen haben mufs (6%). Es ist daher anzunehmen, dafs diese von den Erben beibehalten worden sind. Dieser Annahme entsprechend findet man auch die nachfolgenden Burggrafen von Nürnberg, schon während des 13. Jahrhunderts so wie in spä- tern Zeiten, im Besitz bedeutender Herrschaften und Güter inmitten der Österreichischen Lande, welche von ihnen sich bis auf den König Friedrich Wilhelm II. von Preufsen vererbt haben. Familien, wie die Fürsten von Lichtenstein und Khevenhiller, die Grafen von Abensperg, Auersperg, Har- deck, Stahrenberg, Schönborn und andere von gleichem und von geringe- rem Range, standen dadurch, bis über die Zeiten des siebenjährigen Krieges hinaus, im Verbande der Lehnstreue zu dem Brandenburgisch-Preufsischem Herrscherhause (7). Die Aufklärung des Ursprunges dieses eigenthümlichen Besitzverhältnisses im entfernten Auslande, hat die Geschichtsschreiber in Verlegenheit gesetzt. Man suchte diese Aufklärung zuletzt in einer Erzäh- lung, die mehr einer Erdichtung, als einem glaubhaften Berichte ähnlich sieht. Ein Burggraf von Nürnberg, erzählte man, habe in einer Schlacht, nach Einigen in der Schlacht bei Mühldorf, viele Österreichische Herren und Ritter zu Gefangenen gemacht: diese hätten das geforderte hohe Lösegeld nicht bezahlen können und sich dadurch genöthigt gesehen, ihre sämmtlichen Herrschaften und Schlösser von dem Burggrafen zu Lehn zu nehmen. Da- für habe der Burggraf sie der Haft entlassen. Diese Darstellung des Ver- hältnisses wird aber durch nichts Historisches unterstützt. Der wahre Ur- sprung der alten burggräflichen Besitzungen in Österreich mufs, bei dem her- vorgetretenen Zusammenhange der Raabsschen und der Zollernschen Burg- grafen, von selbst einleuchten. (°) Österreichischen Güterbesitz des Hauses Raabs findet man in verschiedenen Urkun- den angedeutet, besonders in den mehrfachen Schenkungen an das Kloster Garsten, (Vgl. Note 9 und 16 zum II. Abschnitt) desgleichen in den Schenkungen an das Kloster Zwetl (Vgl. Note 26 zum II. Abschn.). Auch heilst es in einer Urkunde Kaiser Friedrichs I. v. J. 1166 von dem Bischofe von Bamberg predium quoddam in Karinthiae ducatu a burc- grauio de Nurenberg sibi comparauit. Mon. Boica XXIX, 282. () Struve, Commentat. de dominio directo in alieno territorio. Singularia Norimb. S. 46. Spiels Archiv. Nebenarbeiten II, 14. Von Lancizolle a. a. O. I. S. 109. In einer Abhandlung über diesen Gegenstand von Holle in v. Hagens Archiv für die Gesch. u. Alterthumskunde Oberfrankens sind die Namen sämmtlicher Lehne, die noch im 17. Jahrh. von den Fränkischen Markgrafen zu Lehn gingen, verzeichnet. Daselbst befindet sich auch noch eine zweite Abhandlung über diese Lehne von Stadelmann. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 51 Allerdings sind einzelne burggräfliche Besitzungen in Österreich, welche von dem Reiche oder von den Bischöfen von Regensburg, Bamberg und Freisingen zu Lehn gingen, erst im 13. und 14. Jahrhunderte von den Burggrafen erworben (°°). Dafs dergleichen neue Erwerbungen stattfanden, kann nicht auffallen, wenn angenommen wird, dafs man dieselben an einen gröfsern Complex älterer Besitzungen anknüpfte, durch welchen die Burg- grafen sich ohnehin genöthigt sahen, eine eigene Verwaltung in Österreich zu unterhalten. Hatte dagegen das burggräfliche Haus nicht schon ursprüng- lich einen bedeutenden Grundbesitz in Österreich inne; so mülste dasselbe eine sehr übel berechnete Politik befolgt haben, wenn es der Erweiterung seiner Hausmacht in Franken den Erwerb entlegener Österreichischer Besit- zungen vorzog. Was für den Raabsschen Ursprung der alten burggräflichen Besitzun- gen in Österreich endlich noch mit vorzüglichem Gewichte spricht, ist der Umstand, dafs man dieselben nicht in dem Verhältnisse eines gewöhnlichen landsäfsigen Gutsbesitzes, sondern mit ausgezeichneten Privilegien und Ex- emtionen in Ansehung der Österreichischen Herzogsgewalt ausgestattet an- trifft. Schon Kaiser Karl IV. erklärt und verordnet in einer Urkunde vom Jahre 1363, gegen die von dem Österreichischen Landesherrn geltend gemach- ten Ansprüche auf Lehnsherrlichkeit über die burggräflichen Besitzungen in Österreich, die Burggrafen hätten diese Besitzungen von altersher von dem Kaiser und von dem Reiche empfangen, von welchem sie dieselben auch ferner zu Lehn tragen sollten (*). Eine solche Exemtion von der Lehns- (°°) Neu erworben scheint namentlich die Herrschaft Sefeld zu sein. Kaiser Rudolph von Habsburg erklärt in einer Urkunde vom Jahre 1268, dals Burggraf Friedrich (IH.) das Schlofs Sefeld mit dem Zubehör, welches der Kaiser dem Burggrafen vor langer Zeit schon verlie- hen habe, als unmittelbares Reichslehn besitzen soll, behält sich jedoch die Befugnils vor, die Lehnsherrlichkeit darüber den Herzogen von Österreich zu überweisen (Spiels Arch. Nebenarb. I, 23. Schütz IV, 135). Möglicher Weise befanden sich auch unter den Gütern neue Erwerbungen, welche von den Bischöfen von Freisingen i. J. 1277, von Bamberg i. J. 1283, so wie von Regensburg im J. 1344 den PBurggrafen verliehen wurden (Schütz Corp. hist. Brand. IV, 112. 113. 129. 250. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 132. 155). Es ist häufig schwierig, die Lehnbriefe über Lehnserneuerungen und über neue Lehnserwerbungen zu unterscheiden. Einige neue Erwerbungen sind unzweifelhaft in diesen Lehnbriefen zu erkennen. @°) Urkunde in Spiels Arch. Nebenarb. II, 27. und in der Histor. Norimb. diplom. S. 423. Philos.- histor. Kl. 1854. L 82 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses herrlichkeit des Österreichischen Herzogthumes läfst sich wohl nur durch die bevorrechtigte Stellung der Familie Raabs und deren verwandschaftliche Be- ziehungen zu dem alten Österreichischen Markgrafenhause Babenberger Stam- mes genügend erklären. Denn von den Raabsschen Besitzungen wird schon in einer Urkunde des 12. Jahrhunderts in Beziehung auf den Burggrafen oder Grafen Conrad I. ausdrücklich gesagt, dafs dieselben seinen Vorfahren vom Reiche verliehen seien (°). Für die späteren Burggrafen von Nürnberg konnte jedoch der unmittel- bare Besitz der Raabsschen Güter in Österreich, bei ihrer grofsen Entfernung von dem Wohnsitze der Burggrafen, nicht sehr vortheilhaft sein. Die Ver- waltungskosten mufsten den Ertrag derselben verschlingen. Daher scheinen die Burggrafen in Ansehung dieser Besitzungen ein Benutzungssystem einge- schlagen zu haben, welches bei entlegenen Besitzungen damals überhaupt üblich war und der Veräufserung sehr nahe kam. Sie thaten dieselben näm- lich zu Lehn aus, ohne Zweifel nicht ohne dafs die Familien, welche dadurch ihre Vasallen wurden, das nutzbare Eigenthum mit baarem Gelde erkauften. So erklärt es sich, dafs diese Österreichischen Besitzungen in späterer Zeit lediglich in lehnsherrlichen Gerechtsamen bestanden. Doch selbst die Wahrnehmung dieser lehnsherrlichen Rechte, welche dem burggräflichen Hause vorbehalten blieben, war lästig. Es gehörte zu den alten Privilegien des Österreichischen Adels, dafs er nicht aufser Landes seine Lehne zu empfangen brauchte (?'). Die Burggrafen und ihre Besitz- nachfolger mufsten daher sich entweder persönlich von Zeit zu Zeit ins Öster- reichische begeben, um hier die erforderlichen Lehnshandlungen vorzu- nehmen, oder durch einen ihrer Vasallen vertreten lassen (??). Diesen Ver- (°) Nouerit — qualiter dominus Cunradus de Ratzoz de possessionibus, regia aucto- ritate parentibus suis collatis, tradidit magnam partem silve ad altare sanete Mariae cenobio Garstensi ete. Kurz, Beitr. z. Östr. Gesch. I, 510. Stillfried’s Burggr. S. 36. — Auch von dem Bischofe Eberhard von Bamberg berichtet schon eine kaiserliche Urk. Frie- drichs I. v. J. 1166, qui predium quoddam in Karinthiae ducatu a burcgravio de Nurenberg libi comparauit, dafs er in Ansehung dieser Besitzung per judicium curiae imperialis exem- tionem ipsius predii a jurisdietione ducali obtinuit. Mon. Boica XXIX, 382. Vgl. auch oben Note 14. @') C. W. von Lancizolle Gesch. der Bild. des Preuls. Staates, I, 115. (2) Riedel’s Cod. dipl. Br. Hauptth. II, B. II, S. 460. 464. — Incrementa Domus Reg. et Elector. Prusso-Br. Pars II, Tit. I. Cap. 5. Mspt. Von Lancizolle a. a. O. S. 115 f. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 33 treter nannte man einen Statthalter, Lehnsrichter oder Lehnspropst. Dazu kam zugleich, dafs die Burggrafen, so wie später die Kurfürsten und die Kö- nige, mit der Österreichischen Landesregierung über die Vorzüge und Frei- heiten dieser Besitzungen, vom Anfange her bis in die letzte Zeit, verdriefs- liche Streitigkeiten zu bestehen hatten. Die Österreichische Regierung suchte im Verein mit den Landständen darauf hinzuwirken, jene Vorzüge mehr und mehr zu beschränken. Auch gelang es ihr im siebzehnten Jahrhunderte das Hindernifs, welches die Privilegien der alten burggräflichen Besitzungen einer gleichmäfsigen Ausübung der Rechte der Landeshoheit entgegen setz- ten, factisch zu entfernen und namentlich die Last der Steuerpflichtigkeit da- rauf zu verbreiten. Dagegen wurden jedoch fortdauernd, namentlich noch im Jahre 1663, von Brandenburgischer Seite lebhafte Remonstrationen gemacht. Bei diesen Verhältnissen, welche der ziemlich gewinnlose Fortbestand der Österreichischen Lehne herbeiführte, wurde Brandenburgischer Seits von Zeit zu Zeit ernstlich an gänzliche Veräufserung gedacht, namentlich im Jahre 1522. Auch hörte der Lehnsnexus für einzelne Herrschaften und Güter im Laufe der Zeit auf. Im Jahre 1725 waren nur 14 solche Lehen noch gang- bar und reichte die unbeträchtliche Lehntaxe, die in entstehenden Fällen ge- zahlt wurde, nicht mehr hin, den Lehnpropst zu bezahlen. Immer behielt jedoch der Brandenburgische Lehnshof in Österreich noch seinen Fortbestand, bis im Teschner Frieden (den 13. Mai 1779) festgesetzt wurde, bei der Wie- dervereinigung des Burggrafthums Nürnberg mit der Kur Brandenburg solle der Lehnsnexus der in Österreich gelegenen burggräflichen Lehne aufhören und dagegen die Lehnsabhängigkeit einiger Fränkischen Besitzungen von der Krone Böhmen cessiren. Die in Aussicht gestellte Eventualität trat am Ende des Jahres 1791 ein, da Markgraf Alexander, der letzte Brandenburgische Markgraf in Franken, am 2. Dez. 1791 die beiden Fürstenthümer des Burg- grafthumes Nürnberg der Krone Preufsen aufliefs (°°). Dem gemäfs wurde im Jahre 1792 der letzte Überrest des Österreichischen Erbes, welches die Burggräfin Sophie aus dem Hause Raabs dem aus ihrem Blute entsprossenen königlichen Stamme zugebracht hatte, von dem Könige Friedrich Wilhelm II. endlich aufgegeben. (°?) Friedensschlufs von Teschen in Martens Recueil de traites II, p. 666. Abtretungs- urkunden der Fränkischen Fürstenthümer in der Edietensammlung v. J. 1792 S. 1 f£. L2 84 Rırveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses 2. Die Burggrafen Conrad IH. und Friedrich II. Nach einer schon oft erwähnten Urkunde von dem Jahre 1204 hinter- liefs Burggraf Friedrich I. Söhne, welche mit seiner Gemahlin, der Gräfin Sophia von Raabs, ihn überlebt haben. Mit Vornamen werden sie in der Ur- kunde nicht bezeichnet. Schon die Grundsätze des Erbrechtes und der Lehnssuccession, so wie auch die Sitte der Übertragung der Taufnamen von den Grofsvätern, lassen uns jedoch die Söhne Friedrichs I. — die Enkel des Burggrafen Conrad II. von Nürnberg und des Grafen Friedrich II. von Zol- lern — in den Burggrafen und Grafen Conrad und Friedrich vermuthen, welche jenem in seine Lehne, Würden und Erbgüter nachfolgten: und die- ser Vermuthung gebricht es nicht an genügender Bestätigung. Zunächst tritt Conrad (°*) nach unzweifelhaften Merkmalen als Sohn (*) Der Burggraf Conrad IM. soll bei Lebzeiten seines Vaters schon als Burggraf erwähnt sein und diese erste Erwähnung desselben soll eine Urkunde des Herzogs Leopold von Öster- reich vom 1. Sept. 1198 enthalten. Mon. Boica V, 360. Doch die gedachte Urkunde ist einer zu späten Zeit zugeschrieben, da, wenn das Datum richtig gelesen wird, das in Rede stehende Doeument dem Jahre 1190 angehört. Die Erwähnung Conrads, Burggrafen von Nürnberg, welche das Document enthält, ist daher nicht auf Conrad IH., sondern auf dessen mütterlichen Grofsvater Conrad II. aus dem Hause Raabs zu beziehen. — Eben so fällt die angebliche zweite Erwähnung Conrads dahin, nach welcher comes conradus de Nurenberg am 13. Nov. 1199 als Zeuge in einer vom Kaiser Friedrich II. ertheilten Bestätigung Nürn- bergs erscheint. Goldast Const. imp. I, 291. Denn es erhellt von selbst, dals Kaiser Frie- drich II, der erst über ein Dezennium später zur Regierung kam, im J. 1199 keine Urkunde ausstellen konnte. — Auch das dritte Document, welches unsern Conrad III. namhaft macht, ist nicht unverdächtig. Er kommt darnach am 24. Jan. 1204 im Verein mit mehreren Schwäbischen Grafen bei dem Herzoge Ludwig von Bayern als Cuonradus comes de Zoler vor (Mon. Boica XXI, 202. 204. Stillfried und Märcker Mon. Zoll. I. No. 71). Vgl. die von Lang (Reg. Boica II, 10) gegen die Richtigkeit des Datums erhobenen Zweifel. — Un- angefochten ist dagegen die Erwähnung des Conradus comes de Zolre als Zeugen in drei Urkunden des Königs Philipp von dem Jahre 1207, nämlich in einer am 6. Febr. 1207 zu Stralsburg ausgefertigten Urkunde für das Schwäbische Kloster Salem (Stälin’s Wirt. Gesch. II, 512), in einer zu Worms für dasselbe Kloster ausgefertigten Urkunde vom 3. Aug. 1207 (Stälin a. a. O. S. 513) und in einer an demselben Orte und an demselben Tage dem Klo- ster Raitenhasbach ertheilten Verschreibung (Mon. Boica II, 123). Die Zeugenverzeich- nisse befinden sich auch in Stillfried und Märckers Mon. Zoll. I, No. 75. 78. 79. Hiernächst erscheint Burggraf Conrad II. am Hofe des Kaiser Otto IV. und zwar zuerst wieder in Worms, wo er am 23. Nov. 1208 eine von Otto dem Kloster Berchtesgaden ertheilte Ur- kunde bezeugt (Conradus burcgrauius de Nourinberc. Mon. Boica XXIX, 547. Stillfried und bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 55 Friedrichs I. und Sophiens hervor. Denn er erscheint nach Urkunden von 1208, 1210, 1215, 1219, 1220, 1222, 1223, 1224, 1225, 1226, 1227 und Märcker a. a. ©. I, 80),. dann zu Ulm in einer das Kloster Buchau betreffenden Urkunde Otto’s vom 29. Jan. 1209 (Comes Conradus de Zolre. Stälin’s Wirt. Gesch. I, 513. Still- fried u. Märcker a. a. ©. I, No. 81), in einer vom K. Otto im St. Salvatorstifte zu Amiato — einer im Florentinischen gelegenen Abtei — in Betreff der Bewohner von Radicofani am 21. August 1210 ausgestellten Urkunde als Zeuge (Comes Cunradus de Zolre, Stälin’s Wirt. Gesch. II, 513), so wie.im Contexte eines daselbst vom K. Otto am 29. August 1210 ausgestellten Documentes als Gunradus comes de Zolre, qui et Burggravius de Nuren- berg, ferner als Comes de Zolre et Burggrauius de Nurinberg und im Fortgange als idem Comes bezeichnet (Stillfrieds Mon. Zoll. I, 31. Stillfried und Märcker Mon. Zoll. I, No. 83. Mon. Boica XXXI, I, 474). In der nachfolgenden Zeit trifft man unsern Conrad in Aus- fertigungen K. Friedrichs II. als Zeugen an, nämlich am 19. Febr. 1214 zu Augsburg bei dem Erlafs eines Rechtsspruches in Sachen des Bischofs von Trient (Comes Chuonradus de Zoliren Stillfr. und Märcker a. a. O. No. 86. Pertz Mon. IV, 225. Comes Chunradus de Zoli Hormayers Geschichte von Tyrol I, II, 207 und wieder Zoliren in Hormayers Krit. dipl. Beitr. z. Geschichte v. Tyrol i. Mittelalter II, 245), in einer Urkunde Friedrichs I. für das Kloster Salem ohne Datum, welche vermuthlich in diese Zeit gehört, (Conradus et Friderieus comites de Zolre. Stillfrieds Alterthümer Bl. 1. Stillfrieds u. Märcker’s Mon. Zoll. I, 89. Stälin’s Wirt. Gesch. II, 513); zu Eger am 22. Dez. 1215 in einer Urkunde für das Bisthum Regensburg (Chvnradus burgravius de Nurenberch. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 90. Mon. Boica XXX, 36. Ried’s Cod. dipl. Episc. Ratisb. I, 311.); am 4. Febr. 1219 zu Hagenau in einer‘ die Stadt Mellesheim betreffenden Urkunde (Conradus burggravius de Nurenberg. Schöpflin Alsat. dipl. I, 337. Stillfr. u. Märcker a. a. O. 94), am 3. Nov. 1219 zu Nürnberg in einer Urkunde für den Deutschen Orden (Conradus burgravius de Nuren- berc. Böhmer’s Cod. dipl. Moenofranc. 29. Hennes Cod. ord. Teut. 41. Stillfr. u. Märck. a. a. O. 95) und am 8. Nov. 1219 daselbst in der Bestätigung Friedrichs II. für die Stadt Nürnberg (Comes Chuonradus, burccravius de Nuoremberck. Mon. Boica XXX, 84. Hist. dipl. Nor. Einl. 9. Lünigs Reichsarchiv XIV, 84. Tolner Hist. Pal. 68. Stillfried u. Märcker a. a. O. 96); am 4. Jan. 1220 zu Weingarten in einer Urkunde für Ottobeuren (Conradus burggravius de. Nuoremberc. Mon. Boica XXX, 91. 93. Feierabend Ottobeuerns Jahrbücher II, 834. Stillfr. u. Märcker a. a. ©. 97) in demselben Monate zu Hagenau einmal in der Übergabe des Ortes Langheim an den Deutschen Orden (Cunradus burggrauius de Nuren- berc. Stillfried Mon. Zoll. I, 32. Hennes Cod. ord. Teut. 47. Pistor. Amoenit. VII, 2223. Stillfried u. Märcker a. a. O. No. 98), das andere Mal in der Bestätigung einer Hohenloh- schen Schenkung an denselben Orden (Conradus burggravius de Nurnberg. Hanselmann, Ländeshoh. I, 373. Ussermann Episc. Wirc. cod. 54. Hennes Cod. o. Teut. 45. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 99) und daselbst zu Hagenau am 10. Febr. 1220 in einer Urkunde Friedrichs für die Kirche Sta Maria im Bisthum Lausanne als Conrad Graf von Zollern bezeichnet (Solothurner Wochenblatt. 1828 S. 314. Stillfr. u. Märcker a. a. ©. 101). Die Urkunde über die Hohenlohsche Schenkung an den Deutschen Orden ist im Mai 1220 zu Frankfurt nochmals ausgefertigt, wiederum unter Conrads Zeugnisse (Ungedr. Orig. im Ar- 56 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses aus den folgenden Jahren als Burggraf von Nürnberg, in den Jahren 1207, 1209, 1210, 1214, 1220, 1223, 1225, 1226 und 1227 auch als Graf chive zu Stuttgart. Vgl. Böhmers Kais. Reg. 2. Ausg. S. 104 ad a. 1220. Stälin’s Wirt. Gesch. II, 514. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 102). Wir finden den Burggrafen Conrad ferner an Friedrichs I. Hoflager im Juli 1220 zu Augsburg nach einer Urkunde über die Aufhebung des Zolles zu Donauwörth (Gonradus burgravius de Nurnberg. Mon. Boica XXXI, I, 499. Stillfr. u. Märcker a. a. ©. 103), im Juli 1222 in Giato in castris als C. burgrauius de Nurenberg nach einer dem Deutschen Orden zwei Höfe in Kuhlsdorf vereignenden noch ungedruckten Urkunde (Stälin Wirt. Gesch. IL, 514. Stillfried u. Märcker I, No. 104) und nach dem Citat einer noch nicht gedruckten Urkunde (bei Oetter, Erst. Vers. S. 35 und Jung Com. Burggr. I, 119) vom Jahre 1222 für das Kloster Schüsselried mit dem Doppel- titel wie im J. 1210 bezeichnet Conradus comes de Zollern burggravius de Nurnberg; im Januar 1223 zu Precina nach einem Schutzbriefe für das Kloster Hirschau (Comes Chunra- dus de Zolre Besoldi Doc. rediv. I, 342. Stillfr. u. Märcker a. a. ©. No. 106. Petri Suevia eeclesiastica 423), am 27. Dezember zu Civita mare in Apulien nach einer Urkunde für die Abtei Neuburg im Elsals (Chunradus burgravius de Nurenberg. Würdtwein Nova subs. XII, 272. Stille. u Märcker Mon. Zoll. No. 105). Hiernächst begegnet uns der Burggraf am 23. Juli 1224 bei dem Könige Heinrich zu Nürnberg als Zeuge in einem Schutzbriefe des- selben für das Kloster Marienzell (Conradus burggravius de Nurenberg. Schlegel de Cella vet. 55. Knauth Hist. von Altenzell VIII, 56); am 28. Dez. 1224 bei dem Könige Heinrich zu Bern als Zeuge in einem Rechtsspruche (Conradus burgravius de Nyremberck. Schöpflin Alsad. dipl. I, 353. Pertz Mon. Germ. IV, 254. Stillfr. u. Märcker a. a. ©. No. 107); am 20. Jan. 1225 zu Ulm als Zeuge von Heinrichs Bestätigung einer Schenkung an den Deut- schen Orden (C. burchgravius de Nuremberg. Stälin Wirt. Gesch. I, 514. Stillfr. u. Märck. a. a. O. 108); am 2. Juli 1225 bei einem vom Könige Heinrich dem Schottenkloster zu Nürnberg ebendaselbst ausgestellten Schutz- und Bestätigungsbriefe, welcher namentlich auch die Schenkungen der alten Raabschen Burggrafen an das Stift umfalste (Conradus burggra- vius de Nuremberg. Mon. Boica XXXI, 522. Historia Nor. 50. Schütz Corp. IV, 53. Falken- stein Antig. Nordg. IV, 45. Stillfr. u. Märcker a. a. ©. No. 109); am 27. Juli 1225 bei einer vom Könige zu Nordhausen vorgenommenen Entscheidung von Streitigkeiten des Bis- thumes Würzburg (Cuonradus comes Zolre. Jäger Gesch. des Frankenlandes IH, 346. Mon. Boica XXX, I, 130. Stillfr. u. Märcker a. a. O. 100); am 7. Sept. 1225 zu Würzburg in einer Urkunde K. Heinrichs für Schönthal (Cunradus burgrauius de Nurenberc. Jäger Gesch. vnn Heilbronn I, 48. Stälin’s Wirt. Gesch. II. 515. Stillfr. u. Märcker a. a. O. 111); am 14. Juni 1226 in einer Urkunde Kaiser Heinrichs, die zu Trient für Cambrai ausgestellt ist (Burggrauius Conradus de Nurimbere. Stälin’s Wirt. Gesch. Il, 515. Stillfried u. Märcker a. a. O. 113. Böhmers Kais. Regesten 2. Ausg. ad a. 1226 S. 224); am 17. Aug. 1226 zu Ulm in Heinrichs zwischen dem Kloster Kreuzlingen und dem comes Albertus de Roten- burch (aus Zollerschem Stamme) gestifteten Vergleich (Burgrauius de Norimbere. Stälin a. a. O. Stillfr. u. Märcker a. a. O. 114) und in einer ohne Bestimmung des Tages zu Ulm ausge- fertigten Urkunde v. J. 1226, worin Heinrich dem Bischof Leutold von Basel eine Bestäti- gung ertheilt (Conradus burgrauius de Nurmberg. Solothurner Wochenblatt v. J. 1824 bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 37 von Zollern, in den Jahren 1210 und 1219 aber in denselben Documenten mit beiden Prädicaten zugleich bezeichnet. Er führt auch noch 1246 ein S. 277. 278.) sowie am 28. Nov. 1226 zu Würzburg bei Heinrichs Genehmigung eines seitens des Kaisers mit dem Bischofe von Stralsburg geschlossenen Vergleiches (Purgravius de Nurn- berg. Schöpflin Alsat. dipl. I, 358. Stillfr. u. Märcker I, No. 116). Diesen Erwähnungen aus dem Jahre 1226 schliefsen sich von dem Freiherrn von Stillfried im Bebenhauser Archive aufgefundene in desselben und Märckers Mon. Zoll. No. 117. 118. mitgetheilte Urkunden an, nach welchen Conradus und Fridericus comites de Zolre, welche Güter in Echterdingen (im Oberamte Stuttgart) von dem Kloster Reichenau zu Lehn trugen, statt deren von dem Abte Heinrich mit Gütern in Gerringen belehnt werden, welche Güter die Grafen weiter verliehen. Stälin’s Wirt. Gesch. I, 515. Als Zeugen trifft man den Burggrafen Conrad weiter an am 29. Jan. 1227 zu Regensburg in einer Urkunde Heinrichs für den D. Orden (€. buregrauius de Nurenbere. Stälin Wirt. Gesch. U, 515. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 119); am 15. Febr. 1227 zu Ulm in Heinrichs U. für Kloster Schüssenrieth. (Cunradus comes de Zolre. Lünigs Reichsarchiv Spicileg. eccles. II, 550. Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 120.); am 15. März zu Würzburg bei Heinrichs Verleihung für den Abt zu Wald- sassen (Conradus burgrauius de Nurnberch. Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 121. Mon. Boica XXXI, I, 525); am 27. März zu Aachen (wo am 28. März die Krönung der Königin stattfand) in Urkunden Heinrichs für den Deutschen Orden (Conradus burggrauius de Nurem- berg. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 122. Brandenb. Usurpat. Gesch. 100. Duellü Hist. ord. Teuton. app. 18 am letztern Orte mit anderer Bestimmung des Tages); am 5. April 4227 zu Oppenheim bei Heinrichs Bestätigungsurk. für das Marienstift zu Aachen (Cunradus burgrauius de Nurinberch. Lacomblet Urk. Buch II, 77. Stillfr. u. Märcker a. a. O. 124) und bei der daselbst an demselben Tage vorgenommenen Wiederholung des Privilegi für den Deutschen Orden vom 27. März dieses Jahres (Böhmers Kais. Regesten Ausg. 2. zum. J. 1227 S. 228. Stillfr. u. Märcker a. a. O. 123); am 1. Mai 1227 zu Hagenau in einer Urkunde Heinrichs für Kaisersberg im Elsals (C. burgravius de Nurnberg Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. No. 125. Schöpflin Alsat. dipl. I, 355, wo die Urk. in das J. 1226 gesetzt ist); am 17. Juli 1227 zu Donauwörth in einer U. Heinrichs für Graf Hartmann von Dillingen (C. buregrauius de Nvorenberc. Stillfr. u. Märcker a. a. ©. No. 126. Mon. Boica XXX, I, 149); am 3. August 1227 zo Gelnhausen in Heinrichs U. für das Kloster Haina (Conradus burgravius de Nurinbere Böhmer Cod. Moenofr. I, 50. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 127); am 11. Aug. 1227 zu Mühlhausen in Heinrichs U. für den Bischof von Würzburg (Conra- dus burggravius de Nuremberg (Mon. Boica XXXL I, 528. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 128); am 26. August 1227 zu Goslar in Heinrichs Bestätigung des Marienstifts daselbst (Conradus porchgravius de Nurenbrech Pistor. Amoenitat. VII, 2215. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 129); daselbst am 27. August 1227 in einer das Petersstift betreffenden Ur- kunde (Conradus borchrauius de Nurenberch. Dipl. Gesch. des Petersstifts 28. von Böhmer für verdächtig erklärt. Kaiser Reg. S. 229); am 22. Sept. zu Wimpfen in Heinrichs Schen- kung einer Kirche zu Mühlhausen an den D. Orden (Chunradus burgrauius de Nurenbere. Stälin Wirt. Gesch. I, 516. Stillfr. u. Märcker a. a. ©. No. 130. Böhmers Kaıs. Reg. 2. Ausg. ad a. 1227. S. 230); am 10. Oct. 1227 zu Augsburg in Heinrichs Privilegium AR 88 Rırveu: die Ahnherren des Preußischen Königshauses Siegel, dessen Umschrift ihn als Burggrafen von Nürnberg und zugleich als Grafen von Zollern bezeichnet. Er verkauft in Gemeinschaft mit für den Abt von Füssen (C. buregrauius de Nvorenberc. Stillfr. u. Märck. a. a. O. No. 131. Stillfried Mon. Zoll. 1, 36. Mon. Boica XXX, 154.); am 23. Febr. 1223 zu Ulm in Hein- reichs Urk. für den Abt zu St. Johann im 'Thurthal (Cunradus burgravius de Nurinberc Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 132. Neugart Cod. Alem. II, 156); am 1. Juli 1228 bei Nürnberg in einer Urk. für Erzbischof Sifried v. Mainz (Conradus buregravius de Nurm- berc. Guden. Cod. dipl. Mog. II, 55. Vgl. Böhmers Kais. Reg. 2. Ausg. S. 231); am 24. Aug. 1228 zu Elslingen in einem dem Herzog Leopold ertheilten Privilegium des Königs Heinrich (Conradus Burggravius de Neurnberg Lünigs Reichsarchiv B. VIL, Abschn. IV. S. 7. Schröt- ter Österr. Staatsr. I, 147. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 133. die Urkunde ist jedoch verdächtig); am 31. August 1228 daselbst zu Efslingen in Heinrichs U. für das Stift Adel- berg (Burggravius de Nuremberg Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 134. Besold. Doc. red. I, 45); an demselben Tage daselbst in einer Urk. des Bischofs von Bamberg (Conradus Burg- gravius de Neuremberg. Oefele Script. I, 730. Reg. Boica II, 176); desgleichen in Efslingen nach einer Urkunde ohne Angabe des Tages der Ausstellung als Cunradus prefeetus de Nurn- berch Zeuge eines Lehusanerkenntnisses Herzogs Ludwig von Bayern (Stälin Wirt. Gesch. IL, 516. Stillv. u. Märcker’s Mon. Zoll. I, No. 135). Noch begegnet uns Burggrauius C. de Nürnberch im J. 1228 zu Boppard als Zeuge in mehreren ohne Tagesangabe ausgefer- tigten Urkunden (Stillfr. u. Märcker a. a. OÖ. No. 156-140. Stälin a. a. 0.) Im Jahre 1229 nehmen wir ihn am 17. Jan. zu Worms wahr als Zeugen in Heinrichs Urk. für die Abtei St. Gislen (Cunradus burggrauius de Nurimberch A. Miraei Notit. eccles. Belg. 563. Stillfr. u. Märcker a. a. ©. No. 141) und am 17. Juni zu Nürnberg als Zeugen König Heinrichs in einem Zugeständnisse für den Grafen Heinrich von Ortenburg (Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 142). Im Jahre 1230 zeigt sich C. Purchgrauius de Nurnberch mense Septembri prope Anagnlam bei Kaiser Friedrich II, der eine Urkunde für Freisingen ausfertigte, (Mon. Boica XXXTI, I, 541. Pertz Mon. Germ. IV, 277. Meichelbeck Hist. Fris. I, 8. Hund Metrop. Salisb. I, 163. Stillfe. u. Märcker a. a. O. No. 143); am 29. April 1231 wird er jedoch schon wieder zu Worms bei dem Könige Heinrich erwähnt in sollempni curia, worin auch unter Anderem ein Statut des Bisthumes Speier vom Könige genehmigt wurde und diese Handlung bezeugten Burgrauius de Nurenberg und T. (Druckfehler für F.?) comes de Zolre (Mon. Boica XXX, I, 169. Pertz Mon. Germ. IV, 280. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 144). Am 1. Mai 1231 wird der Burchgrauius de Nurenberch nochmals zu Worms ohne Vornamen genannt in einer Urkunde Heinrichs für Freisingen (Mon. Boica XXXI, I, 548. Meichelbeck Hist. Fris. I, 574. Pertz Mon. Germ. IV, 283. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 145), am 3. Juni 1281 zu Gelnhausen da Heinrich dem Deutschorden das Patronat zu Herborn be- stätigt (C. burgravius de Nurinberce Kremers Orig. Nass. II, 274. Hennes Cod. ord. Teut. 92, Stille. u. Märcker a. a. O. No. 146), daselbst zu Gelnhausen am 15. Juli 1231 in einem Privilegium für den Marien -Magdalenen - Orden (€. burgravius de Nurinberce. Böhmer Cod. Moenofr. I, 55. Lersner Chronik I, 86. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 147), am 22. Nov. 1231 zu Ulm in Heinrichs Urk. für die Kirche zu Augsburg (C. burcgrauius de Nuorinbere. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 148. Mon. Boica XXX, I, 181). Im Mai 1232 wohnte bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 89 seiner Mutter die Grafschaft Raabs an den Herzog Leopold von Öster- reich, den Sechsten dieses Namens, der im Jahre 1230 starb (Note 18); Burggravius de Nurinbere zu Udine in Italien (apud Utinam) der Bestätigung Kaiser’s Friedrich II. über die den Fürsten gemachten Concessionen als Zeuge bei (Ludewig Reliqu. mspt. VII, 519. Hanselmann Landeshoh. II, Beil. 84. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 151 und No. 149. Böhmers Reg. 2. Ausg. S. 153). Am 26. Oct. 1232 erscheint er in einer Urk. Heinrichs für das Stift Gspitalidgeni als Zeuge zu Efslingen (C. burgrauius de Nurenberc. Stälin Wirt. Gesch. II, 517. Stillfr. u. Märcker a. a. ©. No. 150. Böhmers K. Reg. zweite Ausg. S. 243). Im Jahre 1234 wird am 15. Febr. zu Frankfurt Conradus ha: ggravius de Nurinberg in einer Urkunde Heinrichs über Silbergruben (Lünigs Reichsarchiv XVII, 140. Dumont Corp. dipl. I, I, 173. Stillfr. u. Märcker a. a. ©. No. 152), am 5. Juli zu Altenburg Conradus burggravius de Nurenberch in einer Urkunde Heinrichs für Goslar (Heinecei Antig. Gosl. 249. Stillfr. u. Märcker a. a. ©. No. 153), am 10. Juli zu Altenburg Cunradus burgravius de Nurembere in Heinrichs Urk. für das Kloster Buch (Schoettgen und Kreysig. Dipl. I, 181. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 154) und am 21. August zu Nürn- berg €. burgrauius de Nurenbere gleichfalls in einer das Kl. Buch betreffenden königlichen Urkunde (Schoettgen und Kreysig a. a. OÖ. 181. Stillfr. u. Märcker a. a. ©. No. 155) als Zeuge genannt. Am 30. August 1234 bestätigt K. Heinrich dem Deutschen Orden eine Mühle zu Nürnberg cessione, quam dileetus fidelis noster Conradus Buregrauius de Nuren- berg fecit liberaliter, in manus nostras recepta (Mon. Boica XXX, I, 216. Stillfrieds Mon. Zoll. I, 39. Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 156). Am 18. Nov. 1234 wird Cvonra- dus burcravius de Nvorinbere zu Würzburg als Zeuge in Heinrichs Schutzbriefe für Würz- burg erwähnt (Mon. BoicaXXX, I, 219. Stillfr. u. Märck. Mon. Zoll. No. 157), am 23. Nov. 1234 daselbst Conradus burgrauius de Nurenbhere Zeuge in Heinrichs Urk. für die Kirche zu Haug (Mon. Boica XXX, I, 223. Stillfr. u Märck. a. a. OÖ. No. 158). Im Jahre 1235 trifft man den Burggrafen im August als Zeugen Friedrichs II. zu Hagenau an in zwei Ur- kunden, welche Bestätigungen Hohenlohescher Verträge zum Gegenstande hatten (Hanselmann Landeshoh. I, 398. 399. Ludewig Reliqu. II, 216. 218. Oetter’s Wappenbel. I, 101. Stillfr. u. Märckers Mon. Zoll. I, No. 159 €. Burggrauius de Nurnberg). Daselbst bestätigt der Kai- ser auch auf Bitten des Cunradus burgrauius de Nurenberc, dilectus fidelis noster in nostra presentia constitutus — cum — emisset a Gotfrido ‚de Hohenloch — castrum Virnesperc, diesen Kauf) wobei Graf Friedrich von Zollern als Zeuge auftritt (Hanselmann Landeshoh. 400. Mon. jr XXX, I, 238. Schütz Corp hist IV, 72. Oetters Burggr. I, 292. Stillfr. Mon. Zoll. I, 40. Stillfr. u. Märckers Mon. Zoll. I, No. 160). Im October 1235 ist €. burgrauius def#\voremberc Zeuge einer zu Aushang ausgestellten Urk. Friedrichs II. für die "Abtei Fsen (Mon. Boica XXX, I, 239); im Dezember 1235 dient er dem Kaiser, der zu Hagena "überwinterte, als Zeuge einer hier für Raimund Grafen von Toulouse aus- en Urkunde (Burgravius de Nuorinberg Bouche chorogr. de Provence II, 227). In diesem Jahre 1335 erlaubte auch Conradus burgrauius in Nurenberg seinem Dienstmanne Sue: von gictenhofen das Deutsche Haus zu Nürnberg zu beschenken (Langs Reg. Boica 744). In Hagenau am Hoflager des Kaisers wird der Burggraf auch noch im Januar a März 1236 wahrgenommen, ER er hier Zeuge der dem Bischofe von Viviers im Januar Philos.-histor. Kl. 1854. M 90 Rırven: die Ahnherren des Preu/sischen Königshauses vererbt dagegen die Burggrafschaft mit den Österreichischen und Fränki- schen Allodial-Besitzungen auf seine wieder Friedrich und Conrad genannten ertheilten Bestätigung (Burgravius de Nuremberc. Histoire de Languedoc IH, 374) und der im März dem Bischofe von Ratzeburg ertheilten Investitur war (Cunradus burcgrauius de Nurenberg De Westphalen Mon. med. II, 2070). Im März 1236 wohnt Conradus burg- grauius de Nuremberg auch zu Stralsburg dem Abschlusse des von dem Kaiser mit dem Bi- schofe von Stralsburg eingegangenen Vergleiches bei (Schöpflin Alsat. dipl. I, 376) und er- scheinen zu Colmar (apud Columbariam) in Friedrichs der Stadt Stralsburg ertheiltem Privi- legium Conradus burgravius de Nurembere und Fridericus de Zolre als Zeugen neben einander (Lünigs Reichsarchiv XIV, 726. Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 162). Im April 1236 ist Chonradus burgravius de Nurenberg zu Speier Zeuge einer Urkunde Friedrichs für das Kl. Peterlingen (Schöpflin Als. dipl. I, 377. Guichenon ap. Hoffmann. I, 315. Solothurn. Wochenblatt 1830. 43.) und zu Hagenau Zeuge einer Urkunde des Kaisers für Mellesheim (Schöpflin Als. dipl. I, 337. Conradus burcgrauius). Im Mai 1236 ist Conradus burcgrauius de Nuerinbere zu Wetzlar Zeuge einer kaiserlichen Verleihung an die Bürger zu Oppen- heim (Orig. Urk. des Archives zu Darmstadt citirt in Böhmers Kais. Reg. 2. Ausg. S. 167 und Stälin’s Wirt. Gesch. II, 518) und sind zu Würzburg Conradus burgravius de Nuerin- berc, comes Fridericus de Zolere Zeugen der kaiserlichen Begnadigung der Stadt Worms (Moritz von Worms Urk. 169. 173. Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 164). Im Juni 1236 ist Conradus burgrauius de Nurenbere in einer Urkunde für das Kloster Mariencelle und Conradus buregravius de Nuerinbere in einer U. für das Kloster Pforta, zu Donauwörth Zeuge des Kaisers (Orig. Urk. in Dresden. Stälin Wirt. Gesch. Il, 518. Böhmers Kais. Reg. 2. Ausg.). Im Januar 1237 ist Burcrauius de Nuoremberch zu Wien des Kaisers Zeuge bei der Ausstellung eines Schutzbriefes für das Kloster zum heil. Kreuz (Ludewig Reliqu. IV, 254. Pez Cod. dipl. II, 88. Stillfried Mon. Zoll. I, 36 mit der Jahrzahl 1230) im Fe- bruar daselbst Zeuge kaiserlicher Urkunden für Niederaltaih (Mon. Boica XV, 8 Burcravius de Nurenberch) für. das Schottenkloster zu Wien (Hormayr Wiens Gesch. I, ı, 75 Burccravius de Nuremberec) für das Stift St. Florian daselbst (Stülz Geschichte des Kl. St. Florian 309. Burcravius de Nurembere) für Kl. Reichersberg (Mon. Boica IV, 445 Chunradus purgravius de Nurenberch) und für das Kloster Wilhering (Conradus buregrauius de Nurenberk. Stülz Gesch. des Kl. Wilh. 510); im März noch zu Wien Zeuge in kaiserlichen Bestätigungs- urkunden über die Zollfreiheit des Klosters Reichersberg (Mon. Boica IV, 444. mit der unrichtigen Jahrszahl 1236), und ebendaselbst im April 1237 von Bestätigungsurkunden Frie- drichs II. für St. Nicolaus in Passau (Burggravius de Nurnberg. Mon. Boica IV, 343, wo irrig das Jahr 1247 steht, Hund Metrop. Salisb. II, 550) für. die Klosterbrüder zu Metten (Burgravius de Nurenbere. Mon. Boica XI, 443. 444.) für die Klosterbrüder zu Seitenstetten (Burgravius de Nurenberg. Hormayr’s Archiv. 1827. S. 504) und für die Stadt Wien (Chun- radus burggravius de Nurenberch Hormayr, Wiens Gesch. I, u, 26. No. 50. Lambacher Österr. Interr. 10. Lünigs Reichsarchiv VII, 265). In demselben Monate (April 1237) er- scheint Conradus burggravius de Nurmberg auch apud Anasum als Zeuge des Kaisers, der die Dienstmannen und Landleute des Herzogthums Steiermark unter seine unmittelbare Re- gierung aufnimmt (Schrötters Abhandl. II, 28 im Extr. Lünigs Reichsarchiv VII, 141 und bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 91 Söhne. Nach seinem Tode wird sein Sohn Friedrich mit der Burggraf- schaft ausdrücklich in der Weise, wie schon Vater und Grofseltern dieselbe besessen haben (Note 14), vom Reiche beliehen. Rousset Supplem. I, ı, 92 vollständig). Im August 1237 erscheint Cunradus burggravius de Nurenberg als des Kaisers Zeuge in Urkunden, worin der Kaiser zu Augsburg das Abkommen des Bischofs von Osnabrück mit der Stadt über die Vogtei genehmigt (Mösers Osnabr. Gesch. IH, 318 Ausg. v. Abeken IV, 231), einen Schiedsspruch zwischen den Capiteln zu Zeiz und zu Naumburg bestätigt (Burceravius de Nurnbere. Lepsius Gesch. d. Besch. v. Naumburg I, 288), ferner in castris apud Briderichen (Prittriching in Bayern), wo Friedrich II. dem Deutschen Orden gewisse Erwerbungen bestätigt (Conradus buregravius de Nuerinberc. Stillfried, Mon. Zoll. I, 43), am 1. October 1237 in castris in episcopatu Mantue apud Go- dium (Goito unfern Mantua) in einer Urk. Friedrichs für die Bürger von Mantua (Conradus burcgravius de Nuremberc. Ungedr. Urk. worüber Böhmers Kais. Reg. 2. Ausg. S. 176 u. Stälin’s Wirt. Gesch. I, 519); im August 1238 (in obsidione Brixie, in castris) in einer Urk. Friedrichs U. über die Vormundschaft Rudolphs von Kislau (Conradus burggravius de Nuerenberc. Hanselmann Landeshoh. I, 403. Ludewigs Relig. I, 220 wo die Jahreszahl 1235 falsch ist, die undecima indictio aber das richtige Jahr anzeigt); am 6. Sept. 1238 (in castris in obsedione Brixie) in einer Urk. Friedrichs für den Deutschen Orden (Burcgrauius de Norenberc. Orig. in Dresden, citirt Stälin Wirt. Gesch. IL, 520. Böhmers Kaiserregesten 2. Ausg. S. 181); im October 1238 daselbst in obsidione Brixie in einer Bestätigung des Kaisers für das Kloster Neumeister im Elsals über das Patronat zu Ottenrode (Böhmer a. a. O.). Im Jahre 1240, October, ist Chunradus burcgravius de Nurenbere Bürge eines Vertrages den sein Schwiegersohn Pfalzgraf Rapoto mit dem Bischof Siegfried von Regensburg schlielst (Ried. Cod. dipl. Ratisp. I, 390. 392). Bei dem Kaiser in Italien tritt statt des alten Burg- grafen Conrad jetzt Friedrich, der jüngere Burggraf von Nürnberg, in der Heeresfolge auf (Rudolfus comes de Habchespurch, Frederieus iunior burchgrauius de Noremberch testes einer zu Capua im Mai 1242 für Cöln ausgestellten Urkunde des Kaisers bei Lacomblet Urkunden- buch II, 138. Lünig Reichsarchiv XIH, 341 und Hanselmann Landeshoh. II, 125, irrthümlich dem März 1242 zugeschrieben). Den Burggrafen Conrad findet man mittlerweile am 1. Oct. 1243 zu Nürnberg allein, als Zeugen in einer Urkunde Heinrich Staudigels für das Hoch- stift Bamberg (Chunradus burgravius de Nurinberch. Stillfrieds Mon. Zoll..I, 45) und im Dezember desselben Jahres, da der Römische König Conrad zu Nürnberg verweilte, mit. sei- nem Sohne Friedrich (Conradus burggrauius de Norinberch Senior et Junior burchggrauius filius filius suus Stillfried’s Mon. Zoll. I, 48 ex copiario archivi Stuttgardensi, worin ohne Zweifel das zweimalige filius ein Schreibfehler für friderieus filius ist). Im März des Jahres 1246 stellte der Burggraf (Conradus Burggrauius senior de Nurenberch) zu Kadolzburg eine Urkunde aus, unter deren Zeugen Fridericus iunior Burgrauius an erster Stelle genannt ist und worin jener die von einigen seiner Ministerialen an das Kloster Ahausen vorgenomme- nen Veräufserungen bestätigt (Süllfried Mon. Zoll. I, 49). Ebenso mit Hausangelegenheiten beschäftigt weist ihn noch eine Urkunde vom 1. Mai 1246 nach, worin er und sein Sohn Friedrich (Conradus et Fridericus d. g. Burgrauii in Nurenbere) allen ihren Ministerialen gestatten, an das Kloster Heilsbronn Schenkungen zu machen (das. S. 50). Die beide eben- M2 93 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Aufser diesem Conrad gab es aber, der Urkunde von 1204 zufolge, wenigstens noch einen zweiten Sohn des ersten Burggrafen Friedrich. Man erwähnten Urkunden sind auch insofern merkwürdig, als sie zuerst Siegel Conrads nach- weisen und diese auch den jetzt lange nicht mehr gehörten Geschlechtstitel des Burggrafen, mit welchem er früher viel bezeichnet wurde, nämlich das Prädicat eines Grafen von Zollern, wieder in Erinnerung bringen. Denn die Umschrift beider Siegel, die dazu Abdrücke ver- schiedener Stempel sind, bezeichnet ihn als Burggrafen von Nürnberg und Grafen in Zollern (die Siegel sind beide angegeben und beschrieben in Oetters Erst. Versuch 287. 309. und Zweit. Versuch 261. 298. genauer in Stillfried’s Abdrücken in Mon. Zoll. S. 49. 51). Der Burggraf Conrad ist dann am 25. Mai 1246 zu Veitshochheim Zeuge einer Urkunde des Königs Heinrich Raspe für Corvey (Conradus de Nurinberg unter den comitibus. Falke tradit. Corb. 403) u. im Juli 1246 auf dem Hoftage des Königs Heinrich (Raspe) zu Frankfurt gegen- wärtig (Paullini Historia Colleg. Visbece. p. 77). Im Jan. des nächsten Jahres ertheilt der König Heinrich in einer zu Nürnberg ausgestellten Urkunde dem Fridericus iunior Burc- grauius de Nurenberg die Anweisung, einem der Getreuen des Königs gewisse Einkünfte zu überweisen (Monum. Boica XXX, I, 301. Koeler Hist. dom. de Wolfstein. Historia Nor. dipl. 116. Stillfr. Mon. Zoll. I, 52. Oetter I, 299). In dieser und in der nächst folgenden Zeit tritt fast nur Friedrich, Conrads III. Sohn, als Burggraf von Nürnberg handelnd auf: der alte Burggraf Conrad, der allerdings sehr hoch bejahrt sein mulste, fast ganz in den Hinter- grund. Den 8. April 1251 hielt z. B. Bischof Heinrich von Bamberg ein Placitum contra nobiles Fridericum Burchgrauium de Nurenberch et Fridericum dominum de Trugendingen fideles nostros (Stillfrieds Mon. Zoll. I, 55), und im October desselben Jahres gab König Conrad dem Burggrafen Friedrich und seinen mit seiner Gattin, einer Nichte des Königs, bereits erzeugten und noch zu erzeugenden Söhnen das Schlols Kreusen zu Lehn (das. 56. Oeiter I, 351. Mon. Boica XXX, 318); den 3. Juni 1254 bekundete Adelhaidis relieta quondam comitis Palatini Bawarie Rapotonis zum Seelenheil des letztern eine Schenkung gemacht zu haben de voluntate fratris nostri Friderici iunioris Burchravii de Nuerenberch (Stillfried a. a. ©. 57); und auch in dem am 25. Sept. 1254 und 18. Jan. 1255 documen- tirten Compromils und Schiedsspruche in Betreff der Streitigkeiten des Bischofs von Bam- berg einerseits und des Burggrafen Friedrich von Nürnberg andererseits (Stillfried Mon. Zoll. S. 58. 59) wird Conrads II. nicht mehr gedacht. Doch im Jahre 1253 war Chunradus purcravius de Nurnberch am 21. Juni zu Landshut Zeuge einer Urkunde des Bischofs Bert- hold von Passau. (Albert. Boh. Stuttg. Ausg. de 1846 142), dann finden wir beide Burg- grafen am 19. Dez. zu Straubing, wo die Pfalzgrafen Ludwig und Heinrich von Bayern mit dem Bischofe von Regensburg Frieden schlossen (nobiles viri Buregravii de Nurnberch Gon- redus et Fridericus filius ejus. Ried’s Cod. chr. dipl. Epise. Ratisb. I, 440) und da in der Me- ranschen Successions-Angelegenheit am 3. Juli 1255 und in den folgenden Jahren eine Reihe von Urkunden auszustellen waren, tritt Conradus senior Burcgravius ebenfalls wieder mit- wirkend auf oder wurde wenigstens der wichtigste Theil dieser Urkunden (welche in Still- frieds Mon. Zoll. S. 62-82 zusammengestellt sind und wohin auch die Urkunde v. J. 1255 in Schöpflin. Als. dipl. I S. 413 gehört) mit in Conrads des Ältern Namen und zugleich im Namen seines Sohnes Friedrich, dessen angeheirathetes Vermögen die Urkunden betrafen, bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 93 hat diesen Sohn unter dem väterlichen Vornamen zu vermuthen. Denn es war damals verbreitete Sitte und wurde auch im Zollerschen Hause beob- achtet, den Söhnen zunächst die Taufnamen der Grofsväter und des Vaters beizulegen. War nun Conrad zu Ehren seines mütterlichen Grofsvaters, des letzten Raabsschen Burggrafen, mit diesem im Zollerschen Hause sonst nicht vorkommenden Namen getauft; so wurde dem zweiten Sohne gewils der Name des Vaters und väterlichen Grofsvaters beigelegt. In der That kommt auch gleich nach dem Jahre 1204 und bis um die Mitte des 13. Jahrhunderts ein Graf Friedrich von Zollern in den Urkunden vor, welchem man die Anerkennung als unmittelbaren Nachkommen des Burggrafen Friedrich I. ebenfalls nicht versagen kann. Er erscheint als der Vater jener oben schon erwähnten, gewifs nach seiner Mutter benannten Grä- fin Sophia von Zollern, mit welcher die alte Verwandtschaft und Verschwä- gerung der Häuser Zollern und Urach um das Jahr 1248 in der vierten Ge- neration stand. Wie der Burggraf Conrad auch den Zollerschen Grafentitel führte; so wird dieser sonst nur als Graf von Zollern erscheinende Friedrich in zwei Urkunden von dem Jahre 1210 und 1214 auch Burggraf von Nürn- berg genannt (°). Die gleichzeitige Bezeichnung beider, Conrads und Frie- ausgestellt. Ebenso wird Conradus senior burggravius auch von seinem jüngern Sohne Conrad noch am 16. Oct. 1259 zugezogen, bei der Erwerbung eines Antheils am Schlosse Virnesberg und in mehreren Dörfern (Oetter I, 301. Mon. Zoll. I, 95). Seine letzten Urkunden sind zwei bedeutende Schenkungsbriefe über Allodialbesitzungen an das Kloster Heilsbronn, beide in castro Abenberg die Oswaldi 1260 ausgestellt (Oetter I, 307. 309). (°) Nachdem seit dem 1. Oct. 1200 kein Graf von Zollern in Urkunden mehr erwähnt ist, erscheint in einer Urkunde, welche König Philipp am 24. Mai 1205 zu Nürnberg für den Propst Leonhard von Reichersberg ausfertigen lies, zum ersten Mal wieder Comes Fri- dericus de Zolre unter den Zeugen (Mon. Boica IV, 427. Stillfried u. Märcker Mon. Zoll. I. No. 73.), desgleichen am 4. Febr. 1206 zu Ezelingen in einer Urkunde Philipps für Klo- ster Maulbronn Comes Fridericus de Zolra (Stillfried’s Mon. Zoll. I, 30. desselben und Mär- ckers Mon. Zoll. I, No. 74. Sattler Gesch. v. Würt. II, 59), am 28. Mai 1207 zu Basel in Philipps Privilegium für den Johanniter- Orden, besonders für dessen Gut zu Heimbach Comes Friderieus de Zolre (Mon. Boica XXXI, 468. Stillfr. u. Märcker a. a O. 76) und daselbst am 4. Juni 1207 in Philipps Lehnbriefe für den Grafen Thomas von Savoyen Co- mes Fridericus de Tolre (Historia patr. monum. Chart. I, 1138. Guichenon Hist. de Sav. 48. Stillfr. u. Märcker a. a. O. etc... Im Jahre 1208 soll er an der Reichsversammlung Theil genommen haben, auf welcher Otto von Wittelsbach wegen des an dem Könige Phi- lipp verübten Mordes geächtet wurde (Oetter Burggr. I, 274. Falkenstein Antiq. Nordgav. 94 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses drichs, als Grafen von Zollern und Burggrafen von Nürnberg, kann nur durch die nahe liegende Annahme genügend erklärt werden, dafs sie Brüder II, 99). Am 17. April 1210 ist Fridericus Burgravius de Nurenberch zu Regensburg Zeuge einer Urkunde des Bischofes von Regensburg in Betreff der Grafen von Hohenburg (Rieds gen. dipl. Gesch. der Grafen von Hohenburg S. 83. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 82) während grade zu derselben Zeit Graf Cenrad von Zollern, der bei dem Kaiser in Italien war, hier als Burggraf von Nürnberg bezeichnet wird (vgl. Note 34). Am 22. Febr. 1214 ist Fredericus burgravius de Nurimberch zu Augsburg Zeuge Friedrichs I. in dessen Privi- legium der Kirche zu Aquileja (apud Augustam in Curia generali in presentia Conradi Ratis- ponensis ete. Episcoporum, Ludovici ducis Bavariae, Alberti Comitis Tiroli, Friderici Burgravii de Nurimberch, Ludowiei Comitis de Ottonstain etc. Muratori Script. rer. Ital. XVI, 102. Stillfe. u. Märcker a. a. O. No. 87) woselbst auch Burggraf Conrad drei Tage vorher nam- haft gemacht ist (Note 34). Von Augsburg begab sich der König nach Rotweil, wo er am 7. März in Angelegenheiten des Rathes und des Bischofs von Stralsburg eine Urkunde aus- stellte, worin Comes Fridericus de Zolre als Zeuge vorkommt (Würdtwein Nov. Subs. X, 273. Schöpflin Alsat. dipl. I, 326. Laguille Hist. d’Alsace 35. Stillfr. u. Märcker a. a. O. No. 88). Im Juni 1214 hielt K. Friedrich I. einen Hoftag zu Ulm. In diese Zeit gehört daher eine Bestätigung des Klosters Salem, worin dieses Hoflagers gedacht wird und beide bisher einzeln am Hofe des Königs wahrgenommenen Grafen von Zollern als Zeugen neben einander vorkommen Conradus et Fridericus comites de Zolre (vgl. Note 34). Am 15. Juli 4216 wohnt Friderieus comes de Zoller zu CGonstanz einer Bestätigung K. Friedrichs II. für das Kloster Raitenhaslach bei (Monum. Boica III, 130. Stillfr. u. Märcker a. a. O. I, 91); am 25. Juli 1216 ist er zu Ulm (de Zolre Fridericus comes) Zeuge des Königs in einer Urkunde für das Kloster Salem (Sal. Cop. Buch I, 131. Stälin Wirt. Gesch. I, 513. Stillfr. u. Märck. a. a. O. I, 94); am 17. Mai 1217 zu Rotweil Zeuge einer Urkunde K. Frie- drichs II. für das Kl. Rotenmünster (Fridericus comes de Zolre nach Stälın a. a. O. S. 514. Stillfr. u. Märcker Hohenzoll. Forsch. I, 111. ders. Mon. Zoll. I, 93. Böhmers Kais. Reg. 2. Ausg. S. 90). Grvaf Friedrich erseheint hiernach nur noch sehr selten am königlichen Hoflager, von dem er sich um so mehr ferne hielt, je häufiger Conrad an demselben erscheint. Dals Friedrich jedoch darum nicht als schon verstorben anzunehmen, beweist das Vorhanden- sein einer von ihm ausgestellten Urkunde ohne Datum, welche ım Jahre 1226 oder früher ausgestellt sein mufs, worin Fridericus comes de Zolre curiam unam in Achtertingen (Echter- dingen) ecelesie in Augia (Kl. Reichenau in Schwaben) autlälst (Stillfrieds Mon. Zoll. I, 34. Stillfr. u. Märck. Mon. Zoll. I, No. 117) und diese Urkunde mit dem sonst nur bei den Burggrafen von Nürnberg, nicht bei den spätern Grafen von Zollern, vorkommenden Löwen- siegel befestigt. In Gemäfsheit dieser Verzichtleistung des Grafen Friedrich wurde im Jahre 4226 auch von dem Abte Heinrich von Reichenau über die ihm aufgelassenen Besitzungen anderweitig verfügt und in dieser Urkunde ist zugleich erwähnt, dals nicht Friedrich allein, sondern früher auch der Graf Conrad von Zollern ebenfalls mit denselben beliehen war (Heinricus Augienses abbas possessiones quasdam in Ahtertingen, quas ab ipso Conradus, Fridericus, Comites de Zolre, ab his milites de Richtenberch in feodo tenebant, cum quibus- dam possessionibus in Gerringen, que ad monasterium Bebenhusen spectabant, commutat ita, bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 95 waren, daher nach damaligem Gebrauche die Belehnung mit den väterlichen Reichslehnen gemeinschaftlich erhielten. Die Wirkung eines solchen Lehns- quod predieti comites de bonis commutatis in Gerringen Augiensi monasterio jure feodalı respondere debeant Act. a. 1226. Nach dem Orig. im Bebenhaus. Archive in Stillfr. und Märckers Hohenz. Forschungen I, 120 und ders. Mon. Zoll. I, No. 118). Er kommt dann auch in der Folge noch einige Mal in königlichen Urkunden vor; doch fast immer nur in Verbindung mit dem ihm in der Nennung des Namens vorausgehenden und daher ohne Zweifel ältern Conrad. Zu Worms sind am 29. April 1231 beide bei König Heinrich als Zeugen einer Speier betreffenden Urkunde: Burgrauius de Nurenberce ... . F. comes de Zolre (Mon. Boica XXX, 170. Stillfr. u. Märeker Mon. Zoll. I, No. 144. vgl. Note 34); im Sept. 1235 ist Comes Friderieus de Zolre Zeuge in einer Urkunde, worin K. Friedrich zu Hage- nau bestätigt, dals Conradus burgrauius de Nurenbere Schlofs Viernsberg kauft (Stillfrieds Zoll. I, 40. Stillfried u. Märckers Mon. Zoll. I, No. 160. vgl. Note 34); im Mai 1236 be- finden sich Conradus burgravius de Nuerinberc, comes Fridericus de Zolere bei K. Friedrich zu Würzburg und werden sie als Zeugen in einem Privilegium für Worms so beisammen genannt (Moritz von Worms Urk. Arch. 169. 173. Stillfr. u. Märcker a. a. ©. No. 164). In demselben Monat und Jahre ist-Frithericus comes de Zolre auch zu Boppard Zeuge in K. Friedrichs Bestätigung für den Deutschen Orden. Stillfr. u. Märck. a. a. ©. No. 169. Hennes God. ord. Teuton. 105. In dies Jahr 1236 gehören auch mehrere Veräufserungen, welche Graf Friedrich in Beziehung auf entlegene Besitzungen vornahm, die er allein von dem Abte zu Reichenau zu Lehn trug. Stillfr. u. Märckers Mon. Zoll. I, No. 165. 166. 167. 168. 169. Hiernächst erscheint F. comes de Zolr am 11. August 1240 zu Böblingen als Zeuge einer Urkunde des Grafen Wilhelm von Tübingen wegen des Klosters Marchthal (Stälin’s Wirt. Gesch. II, 520). Vom Jahre 1241 ist wieder eine wichtige Urkunde von ihm erhalten: denn in diesem Jahre gestattet Comes Fridericus de Zollen und mit ihm zu- gleich filius meus Fridericus dem Kloster Salem, auf seiner Burg Mühlheim ein Freihaus zu besitzen (Urk. in Stillfr. Mon. Zoll. I, 43 sowie in Stillfr. u. Märck. Mon. Zoll. I. No. 170). Den eigentlichen Aussteller der Urkunde giebt das Nürnberger Löwensiegel, dessen er sich auch hier bedient, als den oft erwähnten Grafen Friedrich, der im J. 1210 und 1214 auch Burggraf von Nürnberg genannt wurde, zu erkennen. Nächstdem erscheint F. comes de Zolre am 31. August 1243 nochmals zu Böblingen, wie im J. 1240 in einer für das. Kloster Marchthal vom Abte zu St. Gallen ausgestellten Urkunde (Stälin’s Wirt. Gesch. I, 520. Stillfr. u. Märcker I, No. 172). Am 29. August 1246 erscheint Comes Fridericus de Zolr als Zeuge in einer zu Augsburg in Gegenwart König Conrads IV. (presente domino nostro Cunrado in Romanorum regem electo) ausgefertigten Urkunde Gottfrieds von Hohenloh über ein Haus zu Augsburg (Stetten Geschlechtergesch. 364. Stillfr. u. Märcker Mon. Zoll. I, No. 173. Hanselmann Landeshoh. I, 408). Ob in diesen Erwähnungen Graf Friedrich der Vater oder schon Graf Friedrich der Sohn gemeint sei, ist nicht zu bestimmen. Der Sohn zeigt sich im Jahre 1248 als comes Fridericus de Zolre, indem er unter seinem Siegel (dem quadrirten Wappenschilde) über einen von dem Ritter Spante an das Kloster Weilsenau vorgenommenen Verkauf Zeugnils ablegt. Doch lebte und regierte um diese Zeit gewils noch der Vater: denn noch der Fridericus dei gr. Comes de Zolri, welcher genehmigt, quod 96 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses empfängnisses war ein Gesammteigenthum, welches beide Brüder sowohl zu dem Fränkischen Burggrafenthume, als zu der Schwäbischen Grafschaft gleich berechtigte, beiden daher auch die davon hergenommenen Prädicate zueignete, so lange sie in Gemeinschaft mit einander blieben und die Lehne — Sifridus miles de Oberostetin — quedam prata curie Bernloch adjacentia — ecclesie sancti Petri in Augia contulissent (Stillfr. Mon. Zoll. I, 54. 218. 219), siegelt mit dem Löwensiegel wie im J. 1226. Auch nur auf diesen Friedrich, den Vater, kann die Erwäh- nung Friderici eomitis de Zolre bezogen werden, welche eine päpstliche Urkunde vom Jahre 1248 enthält, die zur Vermählung Conrads Grafen von Freiburg-Urach mit Sophia Gräfin von Zollern Dispensation ertheilt. Sicut ex parte nobilis viri Conradi comitis de Friburch accepimus ad sedandas graves discordias et graves inimicitias sopiendas inter progenitores ejus et nobilem virum Fridericum comitem de Zolre diutius agitatas, nobilem mulierem Sophiam, natam ipsius Friderici — duxerit in uxorem ete. sagt die päpstliche Bulle (Schöpflin Als. dipl. I, 398). Diese Inimieitiae mit Conrads Vorfahren konnte nur Friedrich der Vater, nicht Friedrich der Sohn zu bestehen gehabt haben. Auch kennen wir die Schäden, welche Graf Friedrich vor Achalm, einem Urachschen Schlosse, nahm und um das Jahr 1235 dem Kaiser klagte (Stillfr. u. Märckers Mon. Zoll. I, No. 161). Sophia war daher ohne Zweifel des jüngern Friedrichs Schwester und nach ihrer Grofsmutter auf väterlicher Seite benamt. Im Jahre 1251 oder bald hernach aber mufs der ältere Graf Friedrich verstorben sein (Stillfr. u. Märcker Hohenzollersche Forschungen I, 123). Schon im Jahre 1252, am 7. Dezember wird von einem Grafen Friedrich von Zollern ein Regierungsact vorgenommen, der sich durch das von ihm bei diesem Acte und später sehr häufig von ihm gebrauchte vierfeldige Siegel entschieden als den Sohn characterisirt. Dieser Friedrich d. J., den man später den Erlauchten genannt hat, jedoch sicherer an seiner Gattin Udilhild von Dillingen und an sei- nem Siegel erkennt, setzte das Schwäbische Haus Zollern fort. Er hatte 3 Söhne, welche alle drei Friedrich hielsen (nach dem Vater, Grolsyater und Urgrolsyater?). Einer von die- sen wurde Geistlicher. Die andern beiden Friedriche führten ihr Geschlecht in zwei Linien fort, indem Friedrich der Ritter der Stammvater des im Besitz der Stammburg verbliebenen Zweiges seines Geschlechts, Friedrich der Merckenberger aber der Stifter der Schalksburger Linie wurde. Friedrich der Erlauchte selbst, der das Kloster Stetien gründete, beschlofs sein thatenreiches Leben am 24. Maı 1289 (vgl. Stillfrieds u. Märckers Hohenz. Forsch. I, S. 132, wo die Zollersche Genealogie dieser und der spätern Zeit trefflich erörtert ist). Er hatte bis in die letzen Zeiten seines Lebens eine blutige Fehde mit den vom Kaiser Rudolph von Habsburg unterstützten Grafen von Hohenberg zu bestehen gehabt. Im Jahre 4286 sehen wir ihn zuletzt nebst seinen Söhnen („der Zolre vnd sin kint”) mit dem Kaiser durch Vermittlung des Burggrafen Friedrich von Nürnberg (Conrads III. Sohn) Frieden schlie- (sen, dessen Urkunde „ich Grave Friedrich von Zolre” mit dem Siegel „miens vettern Fride- riches des Burcgraven von Nurenberg” besiegelte (Mon. Zoll. I, 168. Sattler Gesch. Wirt. unter den Grafen I. Beil. 10). Diese wichtige Andeutung über den Verwandschaftsgrad, worin Burggraf Friedrich IH. und Graf Friedrich der Erlauchte zu einander zu stehen sich bekannten, beglaubigt zugleich noch die hier angenommene Genealogie, nach welcher ihre Väter Conrad II. und Frie- drich II. Brüder waren. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 97 ungetheilt besafsen. In Beziehung auf Lehne geistlicher Hochstifte treten Conrad und Friedrich auch noch im Jahre 1226 urkundlich als gemeinschaft- liche Besitzer auf (*°). Dabei führen sie in ihren Siegeln dasselbe Wappen- schild, nämlich den sogenannten burggräflichen Löwen, welcher bei den Schwäbischen Zollern nicht weiter vorkommt, womit Graf Friedrich aber auch solche Urkunden besiegelt, welche er nur als Graf von Zollern aus- stellte (°). Im zahlreichen Urkunden werden Conrad und Friedrich auch wie Brüder neben einander erwähnt, namentlich in Urkunden von den Jahren 1214, 1226, 1231 und 1236: (°) und endlich bezeichnen lange nach ihrem Tode noch ihre beiderseitigen Söhne sich ausdrücklich als leibliche Vettern (°°). (3°) Es war König Rudolph in Fehde gerathen mit dem Grafen Eberhard von Würtemberg und dessen zahlreichem Anhange. Zu dem letztern gehörte auch der Graf Friedrich von Zollern. Bei der Aussöhnung des Königs mit dem Grafen im Jahre 1286 wurden zugleich die Angelegen- heiten der beiderseitigen Bundesgenossen regulirt. Insbesondere wurde dem Grafen von Zol- lern und seinem Kinde des Königs Huld zugesagt mit dem Vorbehalte, dals er dem Könige den Ersatz leiste, welchen der Erzbischof von Mainz und der Burggraf Friedrich von Nürnberg fest- setzen würden. Die Uneinigkeiten des von Zollern mit einigen andern Beiständen des Königs sollte ein Schiedsgericht reguliren und unter diesen Schiedsrichtern der Burggraf von Nürnberg Obmann sein. Nach der Festsetzung dieser Vergleichbedingungen gelobte zuerst der Graf Eber- hard von Würtemberg diesen Vergleich stete und fest zu halten und hing zur Bestätigung sein Insiegel neben dem Insiegel des Königs an die Urkunde. Dasselbe schwur dann Graf Friedrich von Zollern, Graf Ulrich von Helfenstein sein Schwager und Graf Ulrich von Montfort. Alle drei Grafen hatten aber ihre Siegel nicht bei sich und daher heilst es in der Urkunde „‚vnd wan wir zediserzeit vnser insigel bi uns nitenhaben, so han ich GraueFridrich von Zolre mines vettern Friederichs des Burcgraven von Nürenberch, Ich Grave Vlrich von Muntfortmines BrudersGraveRudolfsvnd ichGraveVlrich von Helfenstain Friederichs von Truhendingen insigeln gebettenhenkenan diesen brief.” — Der Umstand an und für sich, dafs hier der Burggraf Friedrich von Nürn- berg für den Grafen Friedrich von Zollern sein Siegel hergab, beweist zwar noch nicht ihre be- hauptete nahe Verwandschaft. Es ist aus zahlreichen Urkunden bekannt, das man im Mittelalter, wenn das eigene Siegel mangelte, zu den Siegeln fremder Personen seine Zuflucht nahm. Eben die zahlreichen bekannten Fälle der Besiegelung von Urkunden mit einem dem Siegeler nicht angehörigen Siegel lehren aber zugleich, dafs man in solcher Verlegenheit immer zunächst in dem Siegel einer solchen Person den Ersatz des eigenen Siegels suchte, zu welcher man durch Blutsverwandschaft, Lehnsverbindung oder ein sonstiges Band nahe gestellt war. Dals in dem vorliegenden Falle von dem Grafen Friedrich des Burggrafen Siegel erbeten werden mulste, wird hier durch die zusätzliche Bezeichnung des Burggrafen als seines Vetters erklärt. Von einer solchen milsbräuchlichen Anwendung des Ausdruckes Vetter, wie selbige in späterer Zeit zur Bezeichnung von sehr entfernten Verwandten und sogar von Nichtyerwandten in Gebrauch Philos.- histor. Kl. 1854. N 98 Rırven: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Bei diesen Zeugnissen darf man Conrad und Friedrich zuversichtlich für Brüder erklären und für Söhne des dritten Grafen Friedrich von Zollern des Burggrafen Friedrich I. von Nürnberg, zumal da in den Urkunden der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts überall keine andere Angehörige des burg- gräflichen oder des gräflichen Hauses genannt werden, welche ihnen diesen Platz streitig machen könnten. Dabei hat man, nach der in den Urkunden regelmäfsig beobachteten Reihefolge in ihrer Anführung, Conrad für den ältern, Friedrich für den jüngern Bruder zu halten (°7). Das Brüderpaar mufs nach dem Tode des Vaters noch lange eine ge- meinschaftliche Hofhaltung in ungetheilten Gütern fortgesetzt haben. Diese gekommen ist (Lehnsvettern, Namensvettern, Titularvettern etc.), findet man im 13. Jahrhun- derte noch keine Spur. Auch würde die Annahme, dals im vorliegenden Falle die Bezeichnung Vetter in der Art eines Höflichkeitsprädicates gebraucht worden, durch den Zusammenhang wi- derlegt werden, nach welchem der Graf Ulrich von Montfort den Grafen Rudolph seinen Bru- der, Graf Ulrich von Helfenstein dagegen seinen Beistand Friedrich von Truhendingen ohne ein derartiges Prädicat nennt. Man sieht daraus klar, dals die Bezeichnungen „Vetter” und „Bruder” hier wirklich bestimmte Verwandschaftsstufen bezeichnen sollten, und ist daher gezwungen in dieser Bezeichnung des Burggrafen Friedrich II. seitens des Grafen Friedrich V. von Zollern die glaubhafte Anerkennung der Thatsache zu finden, dals selbige Geschwisterkinder waren. Der Vergleich v. 10. Nov. 1286, welcher die hervorgehobene Stelle enthält ist in Sattler’s Gesch. des Herz. Wirtemb. unter den Graf. I, Beil. 10. und in Stillfrieds Mon. Zoll. I, 166 abgedruckt. (37) Conrad und Friedrich werden in zahlreichen Urkunden nebeneinander genannt: niemals aber Friedrich und Conrad, sondern stets Conrad und Friedrich. Vgl. Note 35 bei den Jahren 1214. 1226. 1231 und 1236. Das konnte nur der Fall sein, wenn Friedrich der jüngere und Conrad der ältere Bruder war. Für die entgegengesetzte Ansicht gebricht es an allen Gründen. Es war das Rangverhältnils eines Burggrafen von Nürnberg und eines Grafen von Zollern kei- neswegs damals schon ein so verschiedenes, dals Conrad darum hätte vor Friedrich genannt werden müssen: auch erscheinen sie 1214 als Conradus et Fridericus comites de Zolre. Der Ge- brauch stand aber fest, ältere Familienglieder vor jüngeren anzuführen. Wir können daher auch nicht der in den Hohenzollerchen Forschungen (I, 115) geäulserten Ansicht beipllichten, dals sich die Aufführung Conrads vor Friedrich (wenn letzterer gleich älter gewesen) daraus erkläre, dals Conrad fast beständig dem kaiserlichen Hoflager folgte und darum unter den Grolsen des Reiches persönlich angesehener gewesen sei, als der häusliche Schwäbische Friedrich. Dals aber die Urkunde vom Jahre 1285, worin Bischof Reinbot von Eichstädt einen Burggrafen Friedrich den Ältern und dessen Söhne Friedrich und Conrad nennt, hierher nicht gehöre, und dals unter diesen Genannten nicht Friedrich I. Friedrich II. und Conrad III. verstanden wer- den dürfen, haben die Editoren der Hohenzollerschen Forschungen schon selbst gefühlt (das. 1. 110) Diese Urkunde, von welcher weiter unten mehr die Rede sein wird, bezieht sich auf Burggrafen, welche der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts angehörten. bis gegen das ‚Ende des 13. Jahrhunderts. 99 Gemeinschaft wurde wohl durch das jugendliche Alter begünstigt, in welchem sie noch standen, da ihr Vater starb. Burggraf Friedrich I. scheint die Ehe mit ihrer Mutter erst nach dem unbeerbten Hinsterben älterer Brüder und nachdem auch Bertholds, seines Oheims, Ehe keine Hoffnung auf männliche Descendenz mehr gestattete, also in weit vorgerücktem Lebensalter einge- gegangen zu sein. Seine Söhne konnten ihn daher um 50 bis 60 Jahre über- leben. In der Folge wurde jedoch die frühere Gemeinschaft in Lehnen und Stammgütern von den Brüdern aufgehoben. Wann diese wichtige Theilung erfolgt sei, welche die noch heute fortbestehende Scheidewand zwischen der Fränkischen und der Schwäbischen Linie des Zollernschen Hauses zog, ist nicht genau zu bestimmen. Gewils kam dieselbe erst nach 1214, da Graf Friedrich zum letzten Mal als Burggraf von Nürnberg erwähnt ist (°*), wahr- scheinlich erst nach 1227, mit welchem Jahre die bis dahin häufige Bezeich- nung des Burggrafen Conrad als Grafen von Zollern aufhört (°*), vollständig in Ausführung. In der Regel bezeichnet die Vornahme der Theilung ge- meinschaftlicher Lehne zwischen Brüdern den Zeitpunkt, in welchem sie nicht nur vermählt sind und ihren Haushalt getrennt haben, sondern auch die Hoffnung auf männliche Nachkommenschaft ihnen schon erfüllt ist. Denn während die Gründung einer eigenen Familie einen abgesonderten Hofhalt, „eigenen Rauch und Schmauch” wie man es nannte, als Bedürfnifs heraus- stellte; so milderte erst der Besitz männlicher Descendenz die strengen Fol- gen, welche die rechtliche Wirkung solcher Theilung waren. Denn es wurde durch diese Auseinandersetzung der Beliehenen die gesammte Hand an ihren Lehnen gebrochen und fiel daher, wenn einer von ihnen ohne lehns- fähige Nachkommen abging oder diese ausstarben, des letzteren Theil dem Lehnsherrn wieder anheim, falls dieser nicht dem Besitzer des andern Thei- les den Anfall des erledigten aus besonderer Gunst zugestanden hatte. Mit der Trennung der Besitzungen gingen in der Regel auch die Prä- dicate und Titel, welche die einzelnen Besitzungen mit sich brachten, in das Sondereigenthum desjenigen über, dem letztere zuertheilt wurden. Man be- trachtete dergleichen Zunamen und Prädicate noch nicht als persönliches Fa- milieneigenthum. Fürsten, Grafen und Herren entnahmen ihre Zunamen und Prädicate nur den jedesmaligen Wohnorten und Besitzungen oder den Äm- tern, Lehnen und Würden, welche sie wirklich inne hatten, und gaben die N2 100 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses ersteren mit den letzteren auch wieder auf. Manche historisch bekannte Personen haben mit einer Veränderung ihrer Besitzverhältnisse ihre Zunamen mehre Mal gewechselt. Söhne traten oft unter ganz anderen Prädicaten und Zunamen auf, als ihre Väter und Vorfahren geführt hatten: und von mehre- ren die väterlichen Besitzthümer theilenden Brüdern vererbte nicht selten je- der auch einen eigenen Familiennamen und Familientitel auf seine Nach- kommen. Dem gemäfs legten auch die Söhne des Burggrafen Friedrich I. nach vollzogener Theilung jeder einen der Titel ab, welche sie bis dahin ab- wechselnd beide geführt hatten, Graf Friedrich den burggräflichen so wie Burggraf Conrad den gräflichen. Nur in ihren Siegeln — diese waren nicht ohne grofse Kosten zu erneuen — behielten sie das gemeinschaftliche Wap- penzeichen des burggräflichen Löwenschildes bei und Burggraf Conrad be- diente sich des letztern lange noch mit einer Umschrift, welche ihn aufser als Burggrafen von Nürnberg zugleich als Grafen von Zollern bezeichnet (°*). Der noch nach vollzogener brüderlicher Theilung fortgesetzte Ge- brauch des Zollernschen Grafentitels in der Siegelumschrift des Burggrafen Conrad fällt auch nicht als Unregelmäfsigkeit auf. Es war alte und besonders in Schwaben sehr verbreitete Sitte, dafs der von einer Stammburg hergenom- mene Name und Titel, welchen man durch Übernahme anderer Besitzungen einbüfste, von der ersten Generation der neuen Familie noch im Siegel fort- geführt wurde, während die Urkunden, woran solche Siegel hangen, dem Aussteller schon einen andern Namen zu eignen. So heifst z. B. ein Graf Conrad von Grüningen auf dem Siegel einer Urkunde von 1228 Graf Con- rad von Wirtemberg, ein Graf Conrad von Landau auf dem Siegel einer Ur- kunde von 1275 und von 1281 Graf Conrad von Grüningen, ein Graf Hart- mann von Werdenberg auf dem Siegel einer Urkunde von 1264 Graf Hart- mann von Montfort, ein Graf Ludwig von Spitzenberg auf dem Siegel einer Urkunde von 1267 Graf Ludwig von Helfenstein, ein Graf Heinrich von Für- stenberg auf seinen Siegeln Graf Heinrich von Urach und Berthold von Kö- nigseck auf dem Siegel einer Urkunde von 1266 Berthold von Fronhofen (°®). Möglicher Weise hatte jedoch die Fortführung des Zollernschen Gra- fentitels im Siegel des Burggrafen Conrad auch darin noch ihren nähern Grund, dafs er sich für den Fall des erblosen Abganges seines Bruders Friedrich als (33) Wörtlich nach Stälin, Wirt. Gesch. II, S. 660. 661 — wo auch die Beweise. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 101 Erben der Stammburg und der Schwäbischen Hausbesitzungen betrachten durfte. Vielleicht war ihm für den Fall, dafs Friedrich ohne männliche Nach- kommen versterben sollte, sogar die Succession in das Schwäbische Grafen- amt zugesichert. Ein solcher Vorbehalt hatte damals wenigstens besondere Wichtigkeit für die Erhaltung des Zollernschen Hauses und brauchte nicht ge- genseitig zu sein. Denn wurden die Fränkischen Lehne dem Reiche wieder erledigt; so gingen damit nur neue Erwerbungen wieder verloren. Das alte Schwäbische Haus büfste hiedurch nichts an seiner ursprünglichen Macht und Gröfse ein. Starb aber Graf Friedrich ohne lehnsfähige Descendenz; so ging das Haus Zollern seiner ursprünglichen Lehne verlustig und fiel es da- durch aus der Reihe der Schwäbischen Reichsvasallen aus. Auf die Vermuthung dieses Vorbehaltes für den nächsten Successions- fall führt eine alte Nachricht hin, nach welcher es einstmals Urkunden gab, welche den Burggrafen von Nürnberg den Anfall der Zollernschen Stamm- lande verschrieben, diese Urkunden jedoch im 14. Jahrhunderte bei Kriegs- ereignissen, welche die Burg Zollern betrafen, vernichtet sind (°). Auch ge- hört die Wahrnehmung hierher, dafs Burggraf Conrad noch in seinen spätern Lebensjahren, nachdem seinem Bruder in Schwaben ein lehnsfähiger Sohn in Friedrich dem Erlauchten gefolgt war, sein Siegel ändern liefs und das Prädicat eines Grafen von Zollern von der Umschrift ausschlofs (*°). (39) Die Urkunden über die brüderliche Theilung Conrads und Friedrichs, wodurch sich die Schwäbischen und Fränkischen Zollern aus einander setzten, sind leider nicht erhalten geblieben. Doch haben wir aus guter Quelle, wiewohl erst aus später Zeit, noch eine Notiz darüber, dals im Anfange dem Burggrafen von Nürnberg das Eventualsuccessionsrecht in die Grafschaft Zol- lern vorbehalten blieb. Im Jahre 1665 berichtete nämlich der Hohenzollersche Abgesandte zu Regensburg dem Churbrandenburgischen Gesandten daselbst „, dals an der Graffschafft und dem Fürstenthum Hohenzollern Niemand etwas zu praetendiren (aulser was etliche alte wenige von den Vorfahren contrahirte Schulden betreffe) noch sonsten etwas zu fordern, weniger einige Succession zu gewarten hätten, sondern es weren vielmehr alte Verträge vorhanden ge- wesen, darin denen Burggrafen zu Nürnberg nunmehr Churfürsten und Marggraffen zu Bran- denburg als Agnaten vom Zollerschen Stamm, die Succession und Erbschafft an denen Hohen- zollerschen Landen versaget und verschrieben und welche pacta im tausendt dreihundert und et- liche Jahr hernach in gewissen Troublen zwischen dem herzoglichen Hause Würtemberg und Zollern und da das Schlols Zollern eingenommen worden, verlohren gangen, davon aber die Originalien einer Seits vielleicht noch in dem Culmbach-Brandenburgischen Archivo vorhan- den sein würden. Acta Comit. Ratisbon. de anno 1665 Relat. de dat. den 12. und 15. Mai. Vgl. Zwanzigs Increm. Dom. Brand. Mspt. — (+0) Aus dem Jahre 1256 haben wir mehrere Siegel des Burggrafen Conrad, in deren Um- 102 Rırveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses In der That war jetzt auch jede Besorgnifs eines Erlöschens der Nach- kommenschaft Friedrichs, wodurch die Schwäbischen Besitzungen der Burg- grafschaft wieder zugefallen wären, in weite Ferne hinausgerückt. Friedrich der Erlauchte tritt schon im Jahre 1260 mit drei Friedrich genannten Söh- nen in Urkunden auf. Es erblühte aus dem Nachkommen des jüngern Soh- nes des ersten Zollerschen Burggrafen von Nürnberg ein kräftiges Geschlecht welches die heimathlichen Stammbesitzungen beherrschte. Seine männlichen Glieder wurden in älterer Zeit zu Ehren des Stammvaters fast alle Friedrich genannt, bald „eitel” (blofs) Friedrich, bald Fridrich mit Zunamen wie „Rit- ter”, „Merckenberger”, „Ostertag”, „Öttinger” und dergleichen (*'). Als Stammvater der Schwäbischen Zollern gehört daher der jüngere Sohn des ersten Burggrafen Zollernschen Hauses der hier zu verfolgenden Ahnenreihe nicht weiter an, wenn er gleich wegen seines ursprünglichen Mit- besitzes an dem Burggrafenthume Nürnberg unter den Burggrafen als Frie- drich II. mit zu zählen ist. Die Annahmen, wornach dieser Friedrich bis 1218 der eigentliche Burggraf von Nürnberg gewesen und in diesem Jahre gestorben sein soll, ihm eine Erbgräfin von Abenberg, namens Maria, als Gattin beigelegt und seinen angeblichen Söhnen Friedrich und Conrad erst die Fortpflanzung ihres Geschlechtes in zwei getrennten Linien zugeschrie- ben wird, ermangeln im Ganzen wie im Einzelnen aller Begründung (*). schrift das Prädicat eines Grafen von Zollern, welches die zehn Jahre früher gebrauchten Siegel desselben noch führen, weggelassen ist. Überhaupt wird Conrad nach der Mitte des 13. Jahr- hunderts in keinem Siegel oder Schriftstücke mehr Graf in oder von Zollern genannt. Es muls sich damals also eine Veränderung in den Beziehungen des burggräflichen Hauses zu den Schwä- bischen Stammbesitzungen zugetragen haben. (*) Vgl. Stillfried und Märckers Hohenzollersche Forschungen I, ein Werk, dem das unstrei- tige Verdienst gebührt, zur Aufklärung der Genealogie der Schwäbischen Zollern mehr als alle frühere Schriften geleistet zu haben. (2) Auch den um die Genealogie der Zollern so verdienten Freiherrn von Stillfried, sehen wir unter den Vertretern dieser Ansicht. So viel wir in seiner sonst so trefflichen genealogischen Geschichte der Burggrafen von Nürnberg an Beweisen für diese Ansicht auffinden können, be- stehen solche jedoch nur in dem Folgenden: 4. In der Urkunde von 1204 sage der Herzog Leopold von Österreich von der Gräfin So- phia von Raabs, der Wittwe des Burggrafen Friedrich I, sie habe longe post obitum mariti ihre Söhne zu Erben in das von ihrem Vater auf sie übergegangene Vermögen eingesetzt. Dies longe müsse etwa (S. 68) einen Zeitraum von 8 bis 10 Jahren bezeichnen und daher sei anzu- bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 103 Wir wenden uns daher zu dem Burggrafen Conrad, dem Stifter der Fränkischen Linie, um dessen Lebensverhältnisse, so weit sie sich aus spär- nehmen, dafs Friedrich I. schon 1194 oder 1195 gestorben, mithin müsse der in den folgenden Jahren bis 1200 vorkommende Burggraf Friedrich nicht mehr als Friedrich I. sondern schon als Friedrich II. betrachtet werden. Friedrich II. komme also namentlich in Urkunden von den Jahren 1196. 1198. 1200 u. 1210 als Burggraf von Nürnberg, so wie in den Jahren 1195. 1196. 1198. 1199. 1200. 1205. 1206. 1207. 1214 und 1216 auch als Graf von Zollern vor (Stillfr. S. 70). — Auf jene Deutung des Ausdrucks longe, wodurch die ganze Annahme getragen werden soll, — können wir jedoch ein solches Gewicht nicht legen. Es konnte damit fast ebenso gut ein Zeitraum von 3 bis 4 als von 8 bis 10 Jahren bezeichnet werden. Ist dagegen oben dargethan (Absch. III. Note 16) und höchst wahrscheinlich gemacht, dafs Friedrich I. im J. 1201 starb, so sind schon darnach die Urkunden, welche in den Jahren 1196. 1198. und 1200 einen Burggrafen Friedrich namhaft machen, auf Friedrich I. und nicht auf Friedrich II. zu beziehen. Dafür spricht auch schon der Umstand, dals nach dem Jahre 1200, bis wohin alljährlich an Phi- lipps Hofe ein Burggraf Friedrich erwähnt wird, von diesem Zeitpunkte ab bis 1205 kein Burg- graf Friedrich mehr vorkommt. Erst im Jahre 1205 nennen die Urkunden wieder einen Grafen Friedrich von Zollern an dem Hofe Philipps, der nun nicht wohl für dieselbe Person mit jenem vertrauten Raihe des Königs Philipp gehalten werden kann. Der Herr Freiherr von Stillfried hat uns endlich selbst mit einer Urkunde vom Jahre 1200 bekannt gemacht, den Verkauf von Li- pena betreffend (Stillfr. u. Märckers Mon. Zoll. I. No. 65), welche ohne Zweifel noch Burggraf Friedrich I. ausstellte. Es wird darin ausdrücklich gesagt, dals dem Friedrich, der die Veräufse- rung vornahm, die dignitas feudi in nurenberc zuständig sei. Wäre Burggraf Friedrich II, Gon- rads Bruder der Aussteller gewesen; so würde Friedrich nicht ohne Zuziehung des letztern ha- ben handeln können, da Conrad und Friedrich noch längere Zeit die Burggrafschaft Nürnberg gemeinschaftlich besalsen. Dals auch Conrad später (1210) allein der Kirche zu Speier einen Lehnsbesitz aufgeben konnte (St. u. M. Mon. Zoll. I, No. 83) spricht nicht gegen die Gemein- schaftlichkeit, worin die Burggrafen Conrad und Friedrich nach Friedrichs I. Tod ihre Reichs- lehn besalsen. Denn geistliche Lehne wurden in der Regel nicht zu gesammter Hand, sondern nur einem der Söhne des verstorbenen Lehnsbesitzers verliehen. 2. „Seine (Burggraf Friderichs II) Tochter Sophia (sei) verehlicht (gewesen) mit dem Gra- fen Conrad von Freiburg ; obgleich in der päpstlichen Urkunde von 1248 Friedrich „Graf von Zollern” genannt ist, so ergiebt doch der Zusammenhang der Genealogie, dals Burggraf Frie- drich II. gemeint sei” (Stillf. S. 85). Die hier in Bezug genommene Urkunde ist die Note 28 Abschn. I mitgetheilte päpstliche Dispensation zur Vermählung des Grafen Conrad von Freiburg mit Sophia Gräfin von Zollern, welche darnach ad graves inimicitias sopiendas inter progenitores eius (Conradi) et nobilem virum Fridericum comitem de Zolre geschlossen war (Schöpflin Als. dipl. 1,398). Uns scheint aus dem Zusammenhange dieser Urkunde nur zu folgen, dals es kein schon im Jahre 1218 also vor 30 Jahren verstorbener Burggraf von Nürnberg sein konnte, des- sen Tochter im Jahre 1248 dem noch sehr jungen Grafen von Freiburg vermäblt war, wie oben bereits ausgeführt ist, sondern dals es der Graf Friedrich von Zollern sein mulste, der nach einer in Stillfried’s und Märckers Mon. Zoll. No. 161 mit Recht dem Jahre 1235 zugeschrie- 104 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses lich auf unsere Zeit gekommenen Urkunden enthüllen lassen (%*), näher zu erörtern. benen Urkunde um diese Zeit, da der Vater Gonrads von Freiburg starb (Münch Gesch. v. Für- stenberg I, 119)) mit diesem Grafen erweislich im Kriege gestanden hatte. 3. „Dals Conrad II. (1218-1260) ein Sohn Friedrichs II. gewesen, läfst sich durch die Urkunde über die Veräulserung der Burg Abenberg v. J. 1296 beweisen. Der Verkäufer war Conrad II. jüngerer Sohn Gonrads II. und sagt ausdrücklich, dafs er Schlols und Stadt von sei- nen Erzeugern her (progenitores) also von Vater und Grolsvater erhalten habe.” (Gen. Gesch. S.85). Dieser Argumentation steht aber entgegen: Erstens, dals Abenberg schon von dem Burggrafen Friedrich I. erworben sein konnte und also die Urkunde den ihr zugeschriebenen Sinn haben kann, ohne dafs darum zwischen Friedrich I. und Conrad IIl. noch eine Generation eingeschoben zu werden braucht. Denn nach dem Tode des Burggrafen Friedrich I. ven Nürn- berg kommen Grafen von Abenberg urkundlich nicht mehr vor. Zweitens dafs unser geehrte Geschichtsschreiber zu sehr an classische Latinität festhält, wenn er meint der Ausdruck proge- nitores müsse nothwendig auf den Grolsvater gedeutet werden. Das Wort progenitores be- deutet allerdings im classischen Alterthum den Grofsyater: im Mittelalter dagegen sehr häufig so viel als genitor oder pater. In der Note 14 dieses Abschnittes mitgetheilten Urkunde, wer- den daher zur bestimmtern Bezeichnung des Vaters und der Großseltern pater et alii progenito- res erwähnt. Dagegen wird progenitores blols für pater gebraucht z. B. in einer Urkunde des Conradi comitis de Urah domini de Friburc von c. 1237. wo als dessen Eltern bone memorie progenitor noster comes Egino de Urach dominus de Friburc und dilecta mater nosira A. comi- tissa erwähnt werden (Schöpflin Histor. Zor. Bad. V, 202.) So geben auch im J. 1230 Lud- wig, Johann und Elisabeth Kinder des gefürsteten Grafen Berthold von Henneberg ihren Con- sens zu einer Handlung des Vaters mit den Worten: Nos eciam Ludowicus, Johannes et Elyza- beih sepedicti Bertoldi comitis liberi, omnia et singula domini et progenitoris nostri prea- mantissimi — rata tenemus (Schöppachs Henneb. Urkundenbuch No. CXXXVIII.) und Mark- graf Ludwig von Brandenburg gedenkt in einer Urkunde v. J. 1346 des Kaisers, seines Vaters, mit den Worten domini et progenitoris nostri carissimi Domini Ludowici Romanorum Im- peratoris (Riedels Cod. dipl. Br. II, II, 189). In Gemäfsheit dieses Sprachgebrauches im Mittel- alter sind unter den progenitoribus daher nicht selten blols die Eltern (Vater und Mutter) und ist nicht nothwendig der Grolsvater darunter mitzuverstehen. — Endlich drittens liegt aber auch, es mag das Wort progenitores hier auf Eltern allein oder auch auf Grofseltern bezogen werden, darin keineswegs etwas Beweisendes für die Existenz eines 1218 verstorbenen Burggra- fen Friedrich, der eines Conrads Vater gewesen wäre. Die Argumentation stützt sich hier ledig- lich auf die Annahme, die als feststehend betrachtet wird, dals der gedachte Friedrich mit einer Gräfin Maria von Abenberg vermählt gewesen sei und durch diese Vermählung die Burg Aben- berg an die Burggrafen von Nürnberg gebracht habe. Dieser Annahme stehen jedoch nicht ein- mal Wahrscheinlichkeitsgründe zur Seite. Auf dieselbe lälst sich daher kein Beweis gründen. 4. „Burggraf Friedrich II. ist im Jahre 1218 verstorben zufolge der früher vorhanden ge- wesenen Inschrift auf einem Todtenschilde zu Heilsbronn” (Gen. Gesch. 72. 84). In dieser An- gabe über den im Jahre 1218 erfolgten Tod eines Burggrafen Friedrich des ältern von Nürn- bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 105 Lebensverhältnisse des Burggrafen Conrad. Anhänglichkeit und treue Hingebung für das Königshaus der Hohen- staufen gehörte gleichsam zu dem väterlichen Erbtheile der Söhne Friedrichs I. berg, des ersten, dessen die Heilsbronner Todtenschilder gedacht haben, erkennt man die un- heilsvolle Veranlassung des ganzen Mythus von dem Burggrafen Friedrich II. als gemeinschaft- lichem Stammvater der Schwäbischen und Fränkischen Linie durch zwei Söhne Friedrich und Conrad. Denn starb im J. 1218 ein Burggraf Friedrich; so mulste er auch früher gelebt haben. Es ist jedoch die Glaubwürdigkeit dieser Inschrift in Ansehung der Jahres Zahl schon früher (oben Note 16 zum Abschnitt III) wie wir glauben mit nicht unerheblichen Gründen angefoch- ten. Die Inschrift bezieht sich darnach, wie auch die ältern Historiker richtig annahmen auf den ersten Burggrafen Friedrich, welcher aber nicht im Jahre M. CC. XVII, sondern wahrschein- lich Anno M. CCI. XVIII kal. Iul. Das ist am 14. Juni 1201 starb. Damit fällt aber auch dies Argument für die Existenz des 1218 gestorbenen Burggrafen Friedrich II. dahin. Die Hohenzollerschen Forschungen, welche der Freiherr von Stillfried in Verbindung mit dem Dr. Märcker herausgegeben hat _und die sonst so manche treflliche Ermittelung enthalten, bieten in Beziehung auf diesen Punkt keine Berichtigung dar. Der Tod des Burggrafen Frie- drich I. wird auch hier als zwischen 1197 und 1198 erfolgt angenommen (S. 110) weil zwischen dem 31. Mai 1196 und 29. Juni 1198 kein Friedrich vorkommt. Dieser Mangel an Erwähnung Friedrichs in den Urkunden des Kaiser Heinrich läfst sich indessen auch durch des Kaisers dama- lige Abwesenheit von Deutschen Landen, durch seinen Zug nach Italien völlig genügend erklä- ren, ohne dals man darum Friedrichs um diese Zeit erfolgten Tod anzunehmen braucht. In An- sehung des Burggrafen Friedrich II. ist auch hier, im Vertrauen auf das seit Jahrhunderten nicht mehr sichtbare Heilsbronner Todtenschild, das Jahr 1218 angenommen: und dabei 113 gesagt: es finde diese Angabe darin noch besondere Bestätigung, dals seitdem bis zum Jahre 1226 kein Friedrich mehr, sondern blols Conrad in den Urkunden vorkomme. Letzteres ist allerdings rich- tig. Aber da Friedrich (Graf von Zollern und anfänglicher Mitbesitzer der Burggrafschaft Nürnberg) sich überhaupt nur in Urkunden des Kaiser Friedrich II. häufig erwähnt findet, na- mentlich in den Jahren 1214-1217 und sich auch 1235 gleich wieder am Hoflager Friedrichs II. einfand, als dieser nach Deutschland zurückgekehrt war (vgl. Note 35 dieses Abschnitts), den Kaiser aber nicht nach Italien begleitete; so darf nicht wundern, dafs er während der gedachten Zeit in kaiserlicher Urkunde unerwähnt bleibt. Denn der Kaiser war von 1220 bis 1235 von Deutschen Landen fern. Die Bestätigung welche allein in dem Umstande seiner Nichterwäh- nung in den Urkunden für die Annahme von Friedrichs Tod liegen soll, ist daher nicht eben sehr bedeutend. Er wird auch zwischen 1210 und 1214, zwischen 1226 und 1231, zwischen 1231 und 1235 und zwischen 1236 und 1240 nicht in Urkunden erwähnt. Bis zur Auffindung besserer Beweise muls daher unsers Erachtens die Annahme eines Burg- grafen Friedrich II, der, mit einer Gräfin von Abenberg vermählt, das Burggrafthum bei seinem 1218 erfolgtem Tode auf Söhne vererbt haben soll, entschieden zurück gewiesen werden. Wir freuen uns daher auch den verdienten Herausgeber der Hohenzoll. Alterthümer den Freih. v. Stillfried, nach einer im V. Hefte derselben erschienenen Abhandlung diese Annahme aufgeben zu sehen. Philos. - histor. Kl. 1854. (6) 106 Rıerver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses und so war Burggraf Conrad König Philipps natürlicher Verbündeter in den Kriegen um den Besitz des Reiches, mit welchen sein Zeitalter anhob. Vielleicht dürfte man versucht sein für die hier zurückgewiesene Ansicht in einer Urkunde aus späterer Zeit einen Beweis zu finden. Dies ist die wunderbare Urkunde des Bischofes Rein- poto vonEichstädt von den Jahren 1285, worin der Bischof seinem Domcapitel das Patronat der Kirche zu Pfaffenhofen bei Abenberg überträgt mit den Worten: jus patronatus ecelesie paro- chialis in Pfaffenhouen, nobis et Ecclesie nostre pertinens pleno iure, quod multis predecessorum nostrorum retroactis temporibus Nobilis vir dominus Fridericus Burgrauius de Nurenberch se- nior, Fridericus et Chunradus filii ipsius, occupatum de facto tenuerunt, de manibus eorun- dem Burgrauiorum, cooperatione et auxilio nostri capituli mediante extrac- tum, in ipsum capitulum ecelesie nostre kathedralis gratuite ac perpetue donacionis titulo trans- ferimus pleno iure. (Stillfrieds Mon. Zoll. I, 162). Hier wird ausdrücklich ein Burggraf Frie- drich genannt, der zwei Söhne hatte: Friedrich als den ältern und Conrad als den jüngern Sohn Ist die Urkunde in der Bezeichnung der Burggrafen als genau anzunehmen; so palst sie schlech- terdings auf keine sonst erweisliche Generation der burggräflichen Familie, man mögte denn annehmen, dafs Friedrichs III. vor ihm verstorbene Söhne erster Ehe gemeint seien. Denn Friedrichs I. Söhne werden 1214 ausdrücklich als Conrad und Friedrich und nicht in umgekehr- ter Reihfolge angeführt (Note 35). Räumt man dem in Rede stehenden 1218 angeblich verstor- benen Burggrafen Friedrich einen Platz ein und schreibt diesem die nach 1218 in den Urkunden vorkommenden Conrad und Friedrich als Söhne zu; so palst jene Angabe wieder nicht genau: Denn auch in den Jahren 1226 1231 und 1236 werden diese neben einander aber niemals in der in der Urkunde von 1285 angegebenen Reihfolge genannt. (Vgl. Note 35 bei den angeführten Jahren). Söhne die Friedrich und Conrad in den Urkunden heifsen, von denen also Friedrich der ältere und Conrad der jüngere Sohn war; hinterliefs nur Burggraf Conrad III. und diese waren eben die Brüder, welche 1285 das Burggrafthum Nürnberg getheilt besafsen und zwar so, dals dem Burggrafen Conrad IV. unter Anderem Abenberg gehörte. Es entsteht schon hieraus dringende Vermuthung, dals Bischof Reinbot unter den filiis senioris Burggravii keine andere meinte, als Friedrich und Conrad, die zu seiner Zeit regierenden Burggrafen, ihren Vater dann aber falsch benannte, falls nicht die Urkunde überhaupt falsch ist oder wenigstens die Namen späteres Einschiebsel sind. Letztere Vermuthung wird auch durch eine genauere Beobachtung der mit ge- sperrier Schrift gedruckten Worte bestätigt. Das in Rede stehende Patronat, welches früher die genannten Burggrafen inne hatten, war darnach denselben Burggrafen mit Hülfe und durch Vermittlung des Capitels entzogen. Aus früheren Actenstücken üher das Patronat der Kirche zu Pfaffenhofen wissen wir aber, dals der Burggraf Conrad IV. es war, der am 23. Nov. 1282 unter Mitwirkung des Capitels das Patronat von Pfaffenhofen aufgab. Sein älterer Bruder Burggraf Friedrich III. nahm an dem Acte Theil und in der bezüglichen Urkunde ist auch des an- maalslichen Besitzes, den ihr Vater an dem erwähnten Patronate behauptet habe, gedacht. Die Worte lauten: Nos Reinboto — Episcopus — Fridericus Burchgrauius de Nurenperch — re- cognoscimus, — quod — capitulum Eistetensis ecelesie ex parte una et vir nobilis Chunradus Burchgravius de Nurenperch ex parte altera super quaestione iuris patronatus ecclesie parrochia- lis in Pfaffenhofen — in nos — promiserunt. Nos itague — amicabiles compositores — trans- igendo pronunciamus, quod predictus Chunradus Burchgrauius omni actioni et iuri, que sibi de bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 107 Er befand sich namentlich im Jahre 1207 längere Zeit in des Königs Beglei- tung. Als aber König Philipp im Juni 1208 durch Otto von Wittelsbach meuchlings ermordet und sein hochschwangeres Weib Irene auf der Stamm- burg Hohenstaufen in unzeitiger Entbindung vor Schmerz und Gram umge- kommen war, während der einzige männliche Sprosse der Hohenstaufen, Kö- nig Friedrich von Sicilien, erst 13 Jahre zählte; da fielen bald alle Partheien im Reiche dem Gegenkönige Otto zu. Selbst die treuesten Anhänger der Hohenstaufen begaben sich an seinen Hof, um ihre Huldigung darzubringen und für den Königsmörder die verdiente Strafe zu fordern: unter diesen Burggraf Conrad im November 1208 zu Worms (°*). Nach dieser Aussöhnung der Partheien konnte der Burggraf sich auch nicht weigern, den König Otto auf dem Römerzuge zu begleiten, welchen dieser in den Jahren 1209-1211 vollführte. Während Conrads Bruder Frie- drich daheim blieb (*°) und wohl die gemeinschaftlichen Besitzungen verwal- tete; sieht man den Burggrafen Conrad in Italien mit dem jetzt zum Kaiser gekrönten Reichsoberhaupte im Rathe sitzen z. B. am 21. August 1210 zu S. Miniato bei Florenz. An diesem Orte nahm er auch am 29. August 1210 eine auf seine heimathlichen Lehne bezügliche Handlung vor, indem er Lehns- gerechtsame über einen gewissen Conrad von Rietburg, welche er von dem Hochstifte Speier besafs, dem daselbst anwesenden Bischofe von Speier vor dem Kaiser aufliels (°*). Eine ganz neue Periode begann jedoch für den Burggrafen, als dem jugendlichen König Friedrich von Sieilien gelang, das Reich der Hohenstau- fen in Deutschland herzustellen. Schon als im Jahre 1211, damals noch ver- geblich, mehrere Deutsche Fürsten für die Erhebung Friedrichs auf den Thron der Römischen Könige sich verbanden, war Nürnberg der Sammelplatz der Verschworenen (*°). Nachdem Friedrich wirklich nach Deutschland gekom- facto vel de iure competere poterat, — renunciet — et quelibet alienata — precipue suis et fratris sui kastellanis — per se ipsum et per patrem suum seniorem Burchgrauium— recolligat et ab soluatete. Stillfrieds Mon. Zoll. I, 150. Die in Rede stehende Urkunde enthält hier- nach ohne Zweifel eine falsche Angabe des Vaters der Burggrafen Friedrich und Conrad, welche das gedachte Patronat anfochten und später der Kirche aufgaben, und die Annahme eines im Jahre 1218 verstorbenen Burggrafen Friedrich, der die Söhne Friedrich und Conrad hinterlas- sen habe, findet daher auch in diesem Documente keinen Stützpunkt. “) Anno 1211 iidem jurati, in oppido Nurenberc collecti, publice Ottonem (Imperatorem ) pP p P ) 02 108 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses men war, tritt er auch schon im Februar 1213 zu Nürnberg auf. Im näch- sten Jahre findet man beide Brüder, Conrad und Friedrich, auch zu Augs- burg und zu Ulm an des Königs Hofe, ferner Conrad am Ende des Jahres 1215 (%*), Friedrich dagegen in den Jahren 1216 und 1217 (5) an verschie- denen Orten in der Umgebung des Königs. Besonders widmete sich der Burggraf Conrad seit dem Anfange des Jahres 1219 mit grofser Hingebung den Angelegenheiten des Reiches. Während Graf Friedrich sich um diese Zeit, wie es scheint, zurückgezogen in seinen Schwäbischen Besitzungen aufhielt, wird Conrads Name fast zwanzig Jahre hindurch bei einer über- aus grofsen Zahl von wichtigen Reichsverhandlungen unter den Zeugen- namen erwähnt (°*). Im Jahre 1220 entfernte den Burggrafen seine Ergebenheit gegen den König Friedrich II. für die Dauer mehrerer Jahre ganz aus den Deutschen Landen. Im Mai 1220 auf dem Reichstage zu Frankfurt zugegen, wo Frie- drichs ältester Sohn Heinrich zum Könige erwählt ward, begab er sich im Juli nach Augsburg, wo sich das Heer zum Römerzuge versammelte: und nicht zufrieden, dem Könige das Geleit zur Kaiserkrönung nach Rom zu ge- ben, zog er mit den neuen Kaiser auch in dessen Erbstaaten Neapel und Si- cilien hinab. Hier auf Sicilien, im Kampfe mit den Saracenen, treffen wir im Jahre 1222 den Burggrafen wieder an, da er Giato belagern half. Auch noch das folgende Jahr theilte er hier und in Apulien des Kaisers Mühen und Kämpfe. Inzwischen bedurfte aber König Heinrichs unerfahrne Jugend für die Reichsregierung in Deutschland dringend bewährter Räthe. Heinrich war bei des Kaisers Abzuge nach Italien zum Reichsverweser bestellt, auch schon im Jahre 1222 feierlich gekrönt, zählte aber bei seiner Krönung erst zehn Lebensjahre: seine Räthe mufsten daher für ihn regieren. Zu Gunsten des Sohnes verzichtete der Kaiser wohl auf das fernere Verweilen des Burggra- fen in Italien. Dieser tritt seit der Mitte des Jahres 1224 in König Hein- richs Umgebung in Deutschland auf(°*). Schwerlich ahnte man, eine wie schwierige und unerfreuliche Stellung das Vertrauen des Kaisers dem Burg- grafen hierdurch zutheilte. hominem hereticum nominaverunt et publicam facientes ei contradictoriam Fridericum, Hen- rici Imperatoris filium, antea ab universitate electum futurum declararunt. Chron. S. Petri bei Mencken Script. III, 239. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 109 In die erste Zeit der Wirksamkeit des Burggrafen am Hofe Heinrichs fiel die Ordnung der Heirathsangelegenheiten des jungen Königs, dessen Ver- mählung im November 1222 zu Nürnberg mit grofser Pracht gefeiert wurde. Dann begleitete der Burggraf den König auf verchiedenen Zügen, namentlich nach Trient, wo in des Burggrafen Gegenwart ein wichtiger Staatsvertrag mit der Krone Frankreich geschlossen ist (11. Juni 1226) (*). Nach nochmali- gem vielen Umziehen durch das Reich ging der Burggraf mit dem jungen Könige im Jahre 1227 nach Aachen, wo Margaretha, Heinrichs Gemahlin, die Krönung als Königin empfing. Hiernächst folgte ihm der Burggraf nach Sachsen, da der König nach dem Tode des Herzogs Heinrich Ansprüche auf Braunschweig geltend zu machen suchte. So erscheint der Burggraf auch im folgenden Jahre bei vielen Reichsangelegenheiten neben dem Herzoge Lud- wig von Bayern, dem Vormunde des Königs, diesem zur Seite. Doch der stolze Kaiserssohn war dieser Leitung seiner Handlungen durch Vormünder und Räthe schon lange überdrüssig. Er hatte früher zu herrschen als zu ge- horchen gelernt. Sobald daher die Kunde nach Deutschland kam, dafs der Kaiser, sein Vater, nach dem gelobten Lande sich eingeschifft habe, emanei- pirte er sich selbst. Seine alten Räthe wurden vom Hofe entfernt; seinen Vormund, Herzog Ludwig von Bayern, überzog er mit Krieg (*). Am 17. Januar 1229 wird der Burggraf zum letzten Mal als Theilnehmer an Hein- richs Rathe wahrgenommen (°*). Nach des Kaisers Rückkehr vom Kreuzzuge empfing ihn der Burg- graf in Apulien. Die Vorgänge in Deutschland erfordeten wohl seine münd- liche Berichterstattung. Nicht lange nach dieser Zusammenkunft mit dem Kaiser sieht man den Burggrafen indessen wieder in Deutschland in des (*) Heinricus rex Romanorum, filius Friderici imperatoris, duxit in uxorem filiam ducis Austrie. — Multi in ipsa solempnitate pre multitudine oppressi perierunt apud Nurenberch. Chron. Claust. Neob. bei Pez II, 412. Vgl. über mehrere Quellen und die Zeitbestimmung Böhmers Reg. Imperii, neue Bearb. zum November 1225. S. 223. Dals der Burggraf zu Trient im Rathe des Königs war, zeigt dessen Note 34 citirte Erwähnung in einer daselbst am 11. Juni 1226 ausgestellten Urkunde für Kamerik. Der daselbst an demselben Tage ge- schlossene Vertrag mit Frankreich wegen gegenseitiger Schutzleistung gegen ungehorsame Unterthanen und des Versprechens sich nicht mit England zu verbinden, befindet sich im Extracte in Martene Collect. I, 1183. (*) Die Beweisstellen sind in Böhmers Reg. Imperii, neue Bearbeitung, bei dem 3. Juni 1229 S. 233. zusammengestellt. 110 Rızoer: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Königs Umgebung den alten Platz einnehmen. Auch begleitete er diesen zu der persönlichen Verhandlung mit seinem erzürnten Vater nach Aquileja (°*), wo dieser auf Zureden der Anwesenden dem Sohne verzieh und sich durch dessen Versprechen der Besserung zufrieden stellen liefs. Es war jedoch in dem zu früh zur Herrschaft berufenen Prinzen, wel- chen der Burggraf von Aquileja wieder zurückbegleitete, durch die väter- liche Milde keine Sinnesänderung erwirkt worden. In ungebändigtem Drange nach Unabhängigkeit brütete Heinrich vielmehr noch ärgere Pläne jetzt als zuvor. Dem Burggrafen wufste er diese zu verheimlichen. Während die- ser daher noch am 30. August 1234 eine dem Deutschen Orden vereignete Besitzung in Heinrichs Hände aufliefs und Heinrich diese Handlung mit der Bezeichnung Conrads als seines geliebten getreuen Burggrafen bestätigte (*°), verband König Heinrich sich schon im September zu Boppard mit mehreren Fürsten heimlich zur Empörung gegen seinen Vater. Sogar am 21. und 22. November hielt sich der Burggraf noch am Hofe des pflichtvergessenen Soh- nes auf (°*), den er vergebens von dem betretenen Wege zurückzuführen hoffte. Bald darauf trat Heinrichs Empörung offenbar hervor und sechs Monate später war Heinrich schon von dem herbeieilenden Vater gefangen, um in lebenslänglicher Haft (- 1242) sein Verbrechen zu büfsen. Gleich nach diesem traurigen Acte der Gerechtigkeit des Kaisers ge- gen den eigenen Sohn, findet man den Burggrafen aber in des Kaisers ver- trauter Umgebung wieder. Auch hebt der Kaiser in einer Urkunde vom September 1235, worin er den Burggrafen den Erwerb von Schlofs und Herrschaft Viernsberg bestätigt, die anerkennungswerthen Dienste rühmend hervor, welche der Burggraf ihm und dem Reiche hingebend erwiesen habe (*7). (*) H. — Rom. Rex — attendentes praeclara obsequia, que — dilecti fideles nostri fratres domus Theutonicorum s. Marie in Jerusalem nobis et imperio exhibent, — cessione, quam dilectus fidelis noster Conradus Burcgravius de Nuerenberg fecit li- beraliter in manus nostras, recepta de molendino apud Nuerenberg sito inter salices, — hospitali S. Marie domus Theotonicorum apud Nuerinberg — dedimus. — Urk. v. 1234. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 39. Monum. Boica XXX, I, 216. Stillfried und Märcker’s Mon. Zoll. I, No. 156. () Frid. — Rom. Imp. — notum facimus — quod Cunradus burgrauius de Nurenbere dilectus fidelis noster, in nostra presentia constitutus, — supplicauit, quod cum ipse emisset a Gotfrido de Hohenloch — castrum Virnesperc, quod idem Gotfridus pro recompensatione dampni a Ludewico de Virnespere sibi illati — fuerat assecutus, — nos venditionem ipsam bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 411 Dem Burggrafen wurde also wenigstens keine Schuld an Heinrichs Verrirrun- gen beigemessen. Einen neuen Beweis des kaiserlichen Vertrauens gab dem Burggrafen der Österreichische F eldzug, welcher um die Mitte des Jahres 1236 gleich- zeitig mit des Kaisers persönlichem Rückzuge nach Italien dem Könige von Böhmen und dem Herzoge von Bayern aufgetragen wurde, um gegen den kriegerischen Herzog Friedrich die Reichsacht zu vollstrecken. Diese Für- sten begnügten sich mit der Einnahme der Altstadt Wien und einer nicht vollständigen Unterwerfung des Landes; dann überliefsen sie die schwierige Aufgabe der Behauptung und Regierung des Landes dem Burggrafen Con- rad. Da die Macht des Herzogs Friedrich nicht gebrochen war, dieser viel- mehr die Neustadt Wien und mehrere andere feste Plätze im Lande im Be- sitz behielt; so konnte es ihm nicht an Macht und Gelegenheit fehlen, dem kaiserlichen Statthalter herbe Verluste zuzufügen, von denen die Österreichi- schen Kronisten Manches berichten (*°). Doch behauptete sich der Burggraf ratam habere — dignaremur. Nos igitur attendentes grata satis et accepta seruitia, que idem burgrauius nobis et Imperio deuote exhibuit hactenus et que de bono in melius poterit exhibere, — predictam venditionem ratam habemus. Urk. v. 1235 in Stillfrieds Mon. Zoll. I, 40. Hanselmann Landeshoh. I, 400. Monum. Boica XXX, 238. (*) Im Juni 1246, in welchem Monate noch der Burggraf Conrad am Hoflager des Kai- sers erscheint (Note 34), — war zu Augsburg auf dem Lechfelde die Heeressammlung des Kaisers zu einem Zuge nach Italien und erfolgte zugleich die Aechtung des Herzogs Frie- drich von Oesterreich. Die Vollstreckung der letztern wurde mehreren Reichsfürsten vom Kaiser übertragen — commisit regi Bohemiorum et duci Bawariae et quibusdam episcopis terram ducis Austriae expugnandam propter multiplices excessus et facinora, quibus idem dux fama publica laborat. Böhmers Kais. Regesten 2. Ausg. S. 168. Dem letztern Zuge muls auch der Burggraf Friedrich zugewiesen sein. Davon wird nun berichtet A. MCCXXVI Rex Boemiae ad mandatum Imperatoris vastavit Austriam, — et dux Bawariae et Episcopus Pataviensis obsederunt civitatem Linze et infecto negotio recesserunt. Et Patriarcha Aqui- legensis cum Episcopo Babenbergensi stiriam hostiliter intrantes Eeclesias spoliaverunt. Pa- taviensis et Frisingensis Episcopi cum quibusdam Nobilibus et aliis a Duce captivati sunt. Imperator cum modica militia intravit Lombardiam ete. Anno MCCXXXVIL Imperator na- tale Domini apud Greze in Marchia celebrauit, apuıd Wiennam hiemauit et circa Pascha Austriam egrediens Episcopum Babinbergensem ad inpugnandum Ducem apud Wiennam cum militibus dimisit, qui non multo post in eadem civitate defunctus est, unde Dux libere coepit terram vastare. Chronicon Salisburg. bei Pez Script. rer. Austr. I, 355. — Anno MCCXXXVII (muls 1236 heilsen, wie oben) venerunt Rex Boemie et Dux Bawarie ex latere Imperatoris in Austriam, qui tamen nihil profecerunt, nisi quod terram rapina et incendio vastaverunt. 112 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses im Besitze von Wien, bis im Anfange des Jahres 1237 Kaiser Friedrich sich von Italien aus selbst dahin begab. Er stand hier dem Kaiser während des- sen viermonatlichen Aufenthaltes zu Wien auch als Rath bei den mannigfaltigen Anordnungen zur Seite, welche dieser zur Behauptung der Österreichischen Lande traf (3*), begleitete den Kaiser bei seinem Abzuge in die Steiermark (“*), und wird im August 1237 an seinem Hofe zu Augsburg wieder wahrge- nommen (°°). Hi terram et civitatem Wiennensem Burgravio de Nurenberch commendauerunt, qui collectis multis venit versus Novam ciuitatem, locuturus Patriarchae Aquilegiensi et Styrien- sibus. In reversione vero insecutus est eos Dux cum comite de Bogen et fugavit eos, cum haberent decem contra unum, cepitque duos Episcopos Pataviensem et Frisingensem, caeteri turpiter et vix evaserunt. Tandem Imperator per Longobardiam intravit Styriam et subju- gavit castra valde munita multaque confregit et uxorem Ducis abstulit, quod ei maximum dedecus fuit. Anno MCCCXXVI Imperator intravit Austriam venitque cum multis Princi- pibus Wiennam ibique cum magno honore exceptus est filiusque ejus Rex Chunradus per Dannbium venit cum magno comitatu Principum ibique per tres menses latitantes comedentes et bibentes quae apud ipsos erant et nihil aliud utilitatis operantes. Deinde Imperator relin- quens Austriam ingressus est Bawariam et vices suas commisit Episcopo Babenbergensi Ek- keberto. Post recessum Dux in brevi quinque castra vi obtinuit. Deinde Styrienses condueti ab Imperatore Austriam intraverunt cum exereitu, sed — in brevi nonnullis suis interfectis et captis ad propria sunt reversi. Interim Episcopus Babenbergensis in Wienna diem ultimum clausit. — Circa vindemiam, que satis sterilis erat ipso anno, venit comes de Eberstayn cum aliis multis ex praecepto Imperatoris, cui Dux occurrit circa Tulnam cum suis. Cui cum resistere minime valeret reversus est ad castra su. (ui Comes in Wienna manens sine effectu, quia nulli se committere audebat propter infidelitatem, que tunc regnabat in terra. Chronicon Claustro-Neoburg. bei Pez a. a. O. S. 457. 458. Wörtlich ebenso erzählt den Vorgang Paltrami seu Vatzonis Consulis Viennensis Chronie. Austriac. S. 711. 712, indem es der Statthalterschaft des Bischofs von Bamberg und des Grafen von Eberstein nach des Kaisers Rückzuge gedenkt, jedoch den frühern Feldzug (1236) der Böhmen und die ihm folgende Landeshauptmannschaft des Burggrafen unerwähnt lälst. Letztere ist dagegen an- gezeigt und überhaupt die ganze obige Stelle des Chronicon Neoburg. (auch namentlich mit den Worten Hi terram et civitatem Wiennensem Burgravio de Nuerenberg commendarunt etc.) wiederholt in des Anonymi Leobiensis Chronicon lib. I. S. 813., wo die zweien Jahren (1236 u. 1237) angehörigen Vorfälle in ein Jahr (1237) zusammengezogen sind, und in des Anonymi Coenobitae Zwetlicensis Chronicon, wo die Vorfälle in die drei Jahre 1237, 1238 und 1239 verlegt werden, was den Urkunden widerspricht. Pez Script. rer. Austr. I, 979, 980. (*”) Burggraf Friedrich erscheint als Zeuge in der im April 1237 vom Kaiser apud Ana- sum ausgestellten Urkunde, worin der Kaiser Friedrich die Dienstmannen und Landleute des Herzogthums Steiermark unter seine und des Reiches unmittelbare Regierung aufnimmt. Vgl. Note 34 und Böhmers Kais. Reg. 2 Ausg. S. 174. (#°%) Abweichend von unserer Darstellung der Beziehungen des Burggrafen Conrad zu bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 113 Hier zu Augsburg, wo der Kaiser damals zu einem neuen Zuge nach Italien Heeressammlung hielt, rüstete der Burggraf sich zu seiner allem An- Österreich werden diese in folgender Art berichtet: Imperator in publico consistorio Augustae 1236 consilio Principum dicto Friderico Ducatus suos et omnia bona ob contumaciam per sententiam abjudicavit — Quibus peractis abibant ab ejus obedientia Wiennenses et aliae eivitates et oppida. — At Fridericus Imperator cum Wenceslao Rege Boemiae et cum multis Principibus Wiennam applicuit — Venerat insuper Conradus Rom. Rex — Otto Dux Ba- variae et multi Principes — hiemabant ibi tribus mensibus. Ex hoc mundanarum rerum eventu Fridericus olim Dux ab imperatore et suis usque in quartum (?) annum expulsus et omnibus suis bonis et dignitatibus privatus fuit demptis castro Medling et Nova Civitate, in quam se recepit cum castro Starchenberg. Imperator ex Wienna — exiens — ibi reliquit Capitaneum Ekhardum Episcopum Babenbergensem, quo mortuo Conradus Frisingensis et Rudigerus Pataviensis Episcopi cum multis aliis nobilibus (capti sunt). Tunc dictus Fride- ricus olim Dux terrore Imperialis fortitudinis non concussus cum paueis, qui sibi adhaeserant, in oppido quod dicitur Nova Civitas se recepit et exinde pro sua defensione prout poterat exercendo. Igitur Imperator cernens quod Fridericus Dux parvipenderet illata nec curaret gratiam Imperii requirere, recessit ab Austria (ist oben schon einmal gesagt) relinquens ibi Capitaneos Ekbertum Babenbergensem Episcopum ac de Hennberg, de Eberstain et de Nu- renberg Comites. Ekbertus autem predietus erat — bellicosus et magnanimus et ob hoc predietus Fridericus Imperator tuendam terram Australem sibi specialiter commendavit. Quo eodem anno defuncto et Imperatore se ad Apuliam transferente prefatus Dux animosior effec- tus, Albertum comitem de Pogen sibi associauit et in auxilium vocauit sicque cum ipso Üo- mite egressus muros Novae civitatis in campo qui dieitur Steinfeld pugnam init cum Wien- nensibus et Capitaneis eorum reportans Victoriam gloriosam. Capti sunt namque in eo bello Rudigerus Pataviensis et Conradus Frisingensis Episcopi et multi ex Nobilibus, quos ad tui- tionem terrae Fridericus Imperator reliquerat. Dux itaque — civitatem Wiennensem obsi- dione cinxit etc. Viti Arenpeckii Chronicon Austriac. bei Pez Script. rer. Austr. I, 1214. 1215. Hiermit übereinstimmend findet man den Bericht des Herm. Altah. bei Böhmer Fon- tes II, 504. Anm., nach welchem ebenfalls der Kaiser recessit ab Austria relinquens ibi ca- pitaneos Ekkebertum Babenbergensem episcopum et de Henneberch et de Eberstein et de Nurnberch comites. Ähnlich ist die Erzählung in viel neuere Deutsche Chroniken des 1. 5. und 16. Jahrhunderts übergegangen z. B. in Hageni Germ. Austr. Chron. bei Pez Script. I, 1068. in Thomae Ebendorfferi de Haselbach Chron. Austr. bei Pez Script. I, 721. 722. die Historia Duc. Styriae Carolo VI. dicata a societate Jesu p. 71-73 und in die neuere Geschichtsschreibung übergegangen. Da indessen dieses, wenigstens in Ansehung des Burggrafen Conrad, nicht übereinstimmt mit den unter Note 48. citirten Berichten, wor- nach Burggraf Conrad die Statthalterschaft Österreichs vor der Ankunft des Kaisers versah; da es ferner nicht wohl zu vereinbaren ist mit der Erwähnung des Burggrafen Conrad im Gefolge des Kaisers in der bei des Kaisers Abzuge apud Anasum ausgestellten Urkunde für die Steiermark (Note 49); da endlich eine im August 1237 zu Augsburg ausgestellte Ur- kunde des Kaisers uns nicht nur den Burcravius de Nurenberc, sondern auch den Bamber- gensis Episcopus und den Comes Poppo de Henneberc als hier anwesend (qui interfuerunt) Philos.-histor. Kl. 1854. BR 114 Rırvseu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses scheine nach letzten Theilnahme an Kriegsunternehmungen. Denn er be- gleitete den Kaiser in die Lombardei und wirkte namentlich auch bei der Be- lagerung von Brescia mit. Noch in demselben Monate (September 1238), in welchem der Kaiser diese langwierige Belagerung aufhob, findet man den Burggrafen Conrad in der Umgebung Friedrichs (°*), und zwar zum letzten Male in dieser Beziehung zum Kaiser erwähnt. Die weiteren Zeugnisse von der Ergebenheit des Burggrafen gegen den Kaiser sind darauf beschränkt, dafs man im Jahre 1242 Conrads Sohn, den jüngern Burggrafen Friedrich, am kaiserlichen Hofe zu Capua auftreten sieht, und dafs man beide, Vater und Sohn, als Zeugen einer Urkunde genannt findet, die König Conrad IV., des Kaisers Sohn, im Dezember 1243 zu Nürnberg ausstellen liefs (°*). Für die Entfernung des Burggrafen aus der Umgebung des Kaisers mit dem Ende des Jahres 1238 findet man den bereitesten Erklärungsgrund in der hohen Altersstufe, worauf der Burggraf schon stand, bei welcher ihm schwer fallen mufste, die Strapazen zu ertragen, welche des Kaisers fast un- unterbrochen fortgesetzte Kriegsunternehmungen für sein Gefolge herbei führten. Denn der Burggraf Conrad nahm gleich nach dieser Zeit auch sei- nen ältesten Sohn Friedrich zum Mitregenten der Burggrafschaft Nürnberg an und setzte sich dadurch gleichsam in den Ruhestand. Zugleich trat aber auch das entschiedene Zerwürfnifs Friedrichs mit der Kirche störend zwischen ihn und seine alten der Kirche treu ergebenen Anhänger. Schon Papst Gregor IX. hatte am Palmsonntage 1239 des Kai- sers Leib (damit die Seele errettet werde) dem Teufel feierlich zugetheilt, alle Unterthanen der Treue gegen den Kaiser entbunden, jede Gemeinschaft mit ihm bei der Strafe ewiger Verdammnifs verboten und dadurch in kirch- lich gesinnten Gemüthern ängstliche Gewissenszweifel erregt. Besonders aber fachte die Erneuerung dieses Bannspruches gegen den Kaiser und der Strafe des Kirchenbannes gegen jedwede demselben geleistete Folge, wie In- nocenz IV. sie 1245 auf dem Concil zu Lyon vornahm, zwischen der Kirche und den Hohenstaufen einen Kampf auf Tod und Leben an. Kein Wunder da- namhaft macht (Lepsius Gesch. der Bischöfe des Hochstifts Naumburg I, 288); so müssen wir die gewöhnlichen Angaben, dafs Friedrich bei des Kaisers Abzuge als Statthalter in Österreich zurückgelassen sei, neben dem Bischofe von Bamberg und den Grafen von Hen- neburg und Eberstein, für untrauwürdig halten. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 115 her, dafs ein Greis, wie Burggraf Conrad, welcher dem Lebensziel nahe zu stehen glaubte, lieber von der Parthei des Kaisers abliefs, als seine dem Zeit- lichen schon abgewendete Seele dem göttlichen Strafgerichte aussetzte, das des Papstes Bevollmächtigte mit glühender Beredsamkeit den Anhängern des vom Schoofse der Kirche ausgestofsenen Kaisers verkündigten. Wirklich fiel der Burggraf Conrad von Nürnberg in Folge dieser Er- regung der Gemüther von den Hohenstaufen ab. Als die kirchlich gesinnte Parthei ohne Mitwirkung der weltlichen Wahlfürsten den Landgrafen Hein- rich Raspe von Thüringen am 22. Mai 1246 zu Veitshochheim bei Würzburg zum Gegenkönige erhob, war Burggraf Conrad unter den weltlichen Grofsen, welche sich an diesem Wahlorte einfanden, und erscheint er an der Spitze der Zeugen in einer von dem Neuerwählten ausgestellten Urkunde (°*), wäh- rend die Schwäbischen Zollern wenigstens damals noch an die Hohenstaufen festhielten (°°). Heinrich Raspe, von seinen Gegnern zum Spott der Pfaffen- könig genannt, versammelte auf Weihnachten 1246 zu Nürnberg einen Reichs- tag und verweilte hier noch im Anfange des folgenden Jahres. Den jüngern Burggrafen von Nürnberg, den Burggrafen Friedrich, beauftragte er hier, einem seiner Anhänger gewisse Einkünfte zu überweisen (°'): und den Pfalzgra- fen Rapoto von von Bayern, des ältern Burggrafen Schwiegersohn, verband er sich durch das Zugeständnifs gewisser Lehne (°?). Auch als der Pfaffenkönig bald nach seinem Abzuge von Nürnberg, am 417. Februar 1246 machtlos und ruhmlos verstarb, blieben die Burggra- (°‘) Heinrieus d. gr. Rom. Rex — pensata fidelitate et deuotis seruitiis, que Gothefridus de Salzburg fidelis noster nobis et imperio exhibuit et antea poterit exhibere ei alterum castro- rum Adelenburg vel Heimbere, quod prius nostre paruerit ditioni, castrensi feodo duximus concedendum, Insuper concedentes eidem XL marcas in officio Berengowe titulo feodi an- nuatim, quas ipsı Fridericus iunior Burcgrauius de Nurenberg assignabit. — Dat. Nurenberc anno dom. M°. CC°. XLVI®. Mense Januario. Mon. Boica XXX, I, 301. Stillfrieds Mon. Zoll. I, 52. Oetters Burggr. I, 299. (°) Im Jahre 1256 verzichtete der Burggraf Friedrich von Nürnberg cuidam privilegio generali Conrardo dilectissimo patri nostro et nobis Frederico a rege Willermo dato et con- cesso, in quo continetur concessio nobis facta ab ipso rege super feodis, que ab ipso et im- perio tenuit Otho quondam dux Merannie et super feodis, que habuit ab imperio Rapoth palatinus comes bawarie et super illo feodo, quod predecessor Regis Willermi Dominus Heinricus de Thuringia Romanorum rex electus concesserat eidem. Urk. v. J. 1256 mense Junio in Stillfried’s Mon. Zoll. I, 75. P2 116 Rırven: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses fen, Vater und Sohn, der Parthei zugehöriz, welche dem Kaiser und seinem Sohne Conrad jetzt den Grafen Wilhelm von Holland als König gegenüber stellte. Der Papst liefs durch Predigermönche gegen die Hohenstaufen zum Kreuzzuge aufrufen, wie gegen Mongolen und Türken, und denjenigen, welche dem König Wilhelm gegen den König Conrad beistanden, gleichen Ablafs ertheilen, wie den Kreuzfahrern nach dem heiligen Lande. Da König Wil- helm am 1. März 1249 vor der Reichsburg Ingelheim im Lager stand, stellte er den Burggrafen auch einen Gunstbrief aus, worin er ihnen die Succession in die Reichslehne des letzten Herzogs von Meran, eines Schwagers des jün- gern Burggrafen, so wie für den Fall des ohne männliche Descendenz erfol- genden Todes Rapoto’s Pfalzgrafen von Bayern, die Succession in die diesem von Heinrich Raspe gewährten Lehne verschrieb (°°). Was nach diesen Zerwürfnissen die Burggrafen dem Staufenschen Kö- nigshause wieder zuführte, wissen wir nicht. Doch steht urkundlich fest, dafs König Conrad IV. schon im August 1249 wieder in Nürnberg verweilte. Er stellt hier namentlich einen Schutzbrief für das Kloster Seligenpforten aus, worin er dies Stift dem Schutze des Landrichters und Burggrafen von Nürnberg empfiehlt (5°): und bald darnach im Jahre 1251, erweist er dem jüngern Burggrafen durch Verleihung seiner Burg Creusen eine besondere Gunst (°°). Noch vor dem am 17. Dezember 1250 erfolgten Tode des Kai- sers war daher das burggräfliche Haus seinem Anhange wieder zugewandt. (°°) Guillielmus anno regni sui primo Christi 1249 Indictione VI. Kal. Mart. in castris apud Ingelheim donationem omnium eorum, quae feudi nomine ab Imperio quondam Otho Dux in Comitatu Burgundiae tenuerat, Frederico Nurenburgensi Burgrauio, Elizabethae ipsius Meranii sororis viro fecit. Aus Vignier Chron. rer. Burg. 151. nach Oetter’s Burggr. II, 283. Die Richtigkeit dieser Schenkung bezeugt die Bezugnahme auf dieselbe in spätern uns erhalten gebliebenen Urkunden, indem es z. B. in einer Urkunde des Burggr. Friedrich vom J. 1256 heilst quidquid iuris aut dominii aut actionis reclamare — possumus in comitatu Burgondie — sive sit jure hereditatis aut donatione vel concessione Regis Willermi etc. Stillfried’s Monum. Zoll. I, 64. Vgl. die vorige Anmerkung. (°‘) Die Urkunde wegen des Klosters Seligenpforten im Extracte in Koeler Histor. Comit. de Wolfstein 273. Aufserdem stellte Köuig Conrad im August 1249 noch zwei Urkunden in Nürnberg aus, deren eine eine Verleihung für den Grafen Rudolf von Habsburg. enthielt. Vgl. Fürst Lichnowsky Regest. I, 13 und 158. (°°) Conradus dei gr. Roman. in Reg. Electus — notum esse volumus — quod nos supplicationibus Friderici Burggrauii de Nurmberc eiusque uxoris karissime neptis nostre bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 447, Burggraf Conrad nahm indessen an dem letztgedachten Wechsel der Parthei wohl nicht mehr persönlichen Theil. Er tritt nach der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts in Reichsangelegenheiten überall nicht mehr und auch in andern öffentlichen Verhandlungen nur sehr selten noch auf, wiewohl er länger als zehn Jahre den Kaiser überlebte (°%). Er scheint gröfsten- fauorabiliter inclinati tam ipsis quam suis pueris procreatis ab eis vel amodo procreandis castrum nostrum Crusen cum omnibus suis pertinentiis in rectum feodum duximus conceden- dum. Urk. v. Oct. 1251 in Mon. Boic. XXX, I, 318. Stillfrieds Mon. Zoll. I, 56. Schütz Corp. hist. IV, 80. Ötters Burggraf. I, 351. Falkensteins Cod. dipl. 56. (Wölkern) Hist. Nor. dipl. 125. (°°) Die Lebenszeit, welche wir hier dem Burggrafen Conrad III. zueignen, indem wir sämmtliche Erwähnungen eines Burggrafen Conrad die zwischen 1204 und 1260 fallen, auf diesen beziehen, wird von dem Freiherrn von Stillfried und von dem Dr. Märcker in der Genealogischen Geschichte der Burggrafen 73. 85. und in den Hohenzollerschen Forschun- gen I, 110. 117. zweien Burggrafen Conrad zugetheilt, welche dort der erste und zweite genannt werden. In der genealogischen Geschichte wird von Conrad I. angenommen, er erscheine zuerst in einer Urkunde von 1198 und sei ein Bruder des 1218 gestorbenen Burg- grafen Friedrich II. gewesen (vgl. Note 42). Bis zum Tode scheine ersterer Conrad eigent- lich regierender Graf von Zollern, Friedrich dagegen der regierende Burggraf gewesen zu sein: durch Friedrichs Tod (1218) sei jedoch erst eine vollkommene Theilung herbeigeführt, wonächst Conrad 1223 1225 und 1227 nur noch Graf von Zollern genannt worden. (S. 76). Als Conrads I. Gemahlin werde eine Tochter des Markgrafen Diepold von Vohburg genannt: sein Todesjahr sei unbekannt. Conrad II. sei ein Sohn des Burggrafen Friedrich II. und seiner Gemahlin Maria Gräfin von Abenberg gewesen. Er habe von 1219 an das Burggraf- thum allein besessen: am 4. Jan. dieses Jahres komme er zuerst als Burggraf vor: seine Ge- mahlin sei Clementia von Habsburg gewesen und er im Jahre 1260 verstorben (S. 94. 95). Da diese Annahme jedoch — so weit sie die Verschiedenheit der in dem Burggrafen Conrad in den Urkunden von 1204 bis 1260 bezeichneten Person betreffen — auf keinen sichern Grundlagen beruhen; so wird schon in den Hohenzollerschen Forschungen zuvörderst die Angabe berichtigt, dals bereits im 12. Jahrhunderte (1198) ein Burggraf Conrad genannt werde, da dies auf falschem Datum einer Urkunde beruhte (Hohenz. Forsch. I, 107). So- dann werden die Erwähnungen eines Conrad als Burggrafen von Nürnberg, die in die Jahre 1218-1226 fallen, hier auf einen Conrad I. bezogen (I, 113) während sie oben auf einen Conrad II. angewandt sind. In Ansehung der Erbgräfin von Abenberg wird in Zweifel ge- stellt, ob selbige, wie in der Genealogischen Geschichte angenommen ist, Gemahlin Friedrichs II. gewesen, die Verfasser nehmen an, es könne auch der angebliche Conrad I. der Gemahl dieser Erbgräfin und Conrad II. dann Conrads I. Sohn gewesen sein (I, 114). Der Tod Gonrads 1. wird als wahrscheinlich in das Jahr 1230 gesetzt: der später erscheinende Conrad sei der jüngere oder zweite (I, 117) u. s. w. In den Hohenzollerschen Forschungen ist zwar für nöthig erachtet, auch auf die Frage einzugehen, ob dieser vermeintliche Conrad I. und Con- rad DI. vielleicht eine und die nämliche Person sein könne. Die Frage wird jedoch ver- 118 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses theils zurückgezogen auf den Festen Abenberg oder Kadolzburg verweilt und die burggräfliche Regierung ganz seinem Sohne Friedrich überlassen zu ha- ben. Wir würden kaum noch Spuren seines Daseins haben, hätte er nicht neinend beantwortet und zwar aus folgenden Gründen, deren Haltbarkeit hier zu prüfen sein dürfte: 1) der Burggraf Conrad würde in dem gedachten Falle ein unnatürlich hohes Alter erreicht haben: 2) das Heilsbronner Necrologium erweise die Verschiedenheit beider Conrade, indem darin neben Conradus senior eine Margaretha Burggravia und neben Con- radus junior eine Clementia Burggravia als Gemahlin aufgeführt werde (S. 116): 3) Con- rad II. nehme eine verhältnifsmälsig niedrigere Stelle unter den Zeugen ein, als Conrad I. (S. 117). Von diesen Argumenten beruht jedoch das anscheinend stärkste, das zweite, in einem thatsächlichen Irrthume. Es wird in dem bei Jung (Miscellanea B. II.) abgedruckten Heils- bronner Necrologium weder neben einem Burggrafen Conradus senior eine Margaretha Burggravia noch neben einem Conradus junior eine Clementia Burggravia als Gemahlin er- wähnt. Vielmehr ist die Erwähnung der Burggräfin Clementia auf die unterm 22. Nov. ein- getragene, ganz isolirt stehende Notiz D. Cecilie virginis anniversarius domine Clemente Burggravie (Jungs Miscell. IT, 45) und die Erwähnung Margarethens auf die unterm 26. Juni eingetragene gleichförmige Bemerkung Anniversarius Domine Margarete Burgravie de nurn- berg Senioris (Jungs Miscell. II, 40) beschränkt. Von der letztern bezeugen dabei zahlreiche Urkunden z B. eine Urkunde von 1313 in Schütz Corp. hist. IV, No. 147, dals sie die Gemahlin des Burggrafen Friedrich IV. war, der dem 14. Jahrhunderte angehört: von der erstern wissen wir, dals sie die Mutter des Burggrafen Friedrich II, folglich Gattin des Burggrafen Conrad III., seines Vaters war. Diese Rechtfertigung für die Zutheilung der Lebenszeit Conrads II. an zwei Conrad genannte Burggrafen ist daher nicht haltbar. Nicht überzeugender ist das dritte von den oben angeführten drei Argumenten. Es mögte allerdings anzunehmen sein, dafs im Jahre 1230 und in den folgenden Jahren ein jüngerer Conrad aufgetreten sei, wenn dieser in den Zeugenverzeichnissen der Urkunden entschieden und regelmäfsig einen viel niedrigern Platz einnehme, als dem Burggrafen Con- rad vor diesem Jahre eingeräumt wurde. Dieses ist jedoch keineswegs der Fall. Der Burg- graf Conrad wird in Urkunden, welche dem Jahre 1230 vorausgingen zwar bisweilen vor allen Grafen genannt; jedoch öfters auch nach blofsen Grafen. Zum Beweise nur einige Beispiele aus den Jahren vor 1230. An blofsen Grafen werden vor dem Burggrafen ge- nannt am 27. Juli 1225 Gerhard Graf von Dietz, am 11. Juni 1226 Ludwig Graf von Würtemberg, am 15. Febr. 1227 Hartmann Graf von Dillingen, am 27. März 1227 Ferrand Graf von Flandern, Theoderich Graf von Cleve, Heinrich Graf von Sayn, am 26. August 1227 die Grafen Boppo von Henneberg, Hartmann von Dillingen und Hermann von Orla- mund, am 1. Juli 1228 wieder Graf Poppo von Henneberg, am 24. August 1228 die Grafen Ulrich und Ludwig von Pfirt, am 17. Jan. 1229 der Graf Heinrich von Sayn. Im Jahre 1230 wird Burggraf Conrad von Nürnberg in der Zeugenreihe zwischen den Grafen Rudolph von Habsburg, der ihm vorausgeht und dem Edlen Gebhard von Arnstein, der ihm folgt, genannt. In einer Urkunde vom 29. April 1231 werden die Grafen von Oettingen, Span- heim, Keverberg, Hochstadt und Harzburg vor, die Grafen von Elsals, Habsburg, Kirburg bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 119 bei einigen von seinen Söhnen vorgenommenen Handlungen, welche wich- tige Rechte und Besitzungen zum Gegenstande hatten, noch seine Autorität eingesetzt. Dies war z. B. der Fall als er im Jahre 1256 bei der Verzicht- und von Pfirt nach dem Burggrafen Conrad genannt. Am 3. Juni 1231 erscheint der Burggraf Conrad zwischen dem Markgrafen Hermann von Baden, der ihm vorgeht, und dem Markgrafen von Burgau, der ihm folgt. Am 15. Juli wird dagegen der Markgraf von Bur- gau unmittelbar vor dem Burggrafen genannt. In einer Urkunde vom 22. Nov. 1231 folgt der Name des Burggrafen dem des Pfalzgrafen in Tübingen und nach ihm werden genannt Graf Albert von Rottenburg, Graf Ulrich von Helferstein und Andere. Am 26. Oct. 1232 erscheint Burggraf Conrad unmittelbar nach den Markgrafen von Baden und von Burgau, aber vor den Grafen. Diese Beispiele, aus den Note 34 citirten Urkunden entnommen, be- gründen nicht das Urtheil, dafs das bei der Erwähnung des Burggrafen in den Zeugenver- zeichnissen der Urkunden beobachtete Rangverhältnils ein wesentlich verschiedenes sei, je nach- dem die Urkunden vor oder nach 1230 ausgestellt worden. Vielmehr gewahren wir eine Gleichmäfsigkeit in der Erwähnung vor und nach 1230, die vielmehr dafür spricht, dals es derselbe Burggraf Conrad war, der vor und nach 1230 sich am Hofe Heinrichs als Rath befand. Auch die Zusammenstellung mit dem Grafen Friedrich von Zollern dient der Iden- tität des vor und nach 1230 genannten Burggrafen Conrad zur Stütze. Wie in den Jahren 1214 und 1226 Conrad und Friedrich in Urkunden vorkommen, in derselben Reihfolge wer- den sie auch noch in Urkunden von 1231 (29. April) und 1236 neben einander wie Brüder genannt. Wäre der nach 1230 auftretende Friedrich ein älteres Glied des Hauses gewesen, so würde sein Name schwerlich dem jüngern Burggrafen Conrad nachgesetzt sein. Nicht mehr Gewicht dürfte dem Einwande beizumessen sein, der Burggraf Conrad habe ein unnatürliches Alter erreicht, wenn es dieselbe Person war, die in dieser Eigenschaft von 1204 oder 1207 bis 1261 erscheint. Angenommen der Burggraf sei 20 Jahre gewesen, da er 1204 zuerst in Urkunden erscheint, so bleibt für ihn noch immer das Wort des Psalmi- sten gültig: unser Leben währt 70 Jahr und wenn’s hoch kommt 80. Daraus allein dals die Lebensdauer von 80 und über 80 Jahre eine seltene ist, kann ich nicht die Berechtigung herleiten, ohne Unterstützung anderer Beweise, sein Leben zwei Personen zuzutheilen. Die Erreichung einer hohen Altersstufe war damals, bei einfacherer Lebensart und kräftigerer Körperbeschaffenheit, noch weniger etwas Ungewöhnliches, als es jetzt ist. Auch Friedrich II., Conrads III. Sohn erreichte ein fast so hohes Alter: denn wenn wir diesem bei seiner ersten Erwähnung im Rathe des Kaisers Friedrich — im März 1242 — ebenfalls ein Alter von 20 Jahren zuschreiben so stand er am 14. August 1297, da er verstorben ist, im 75sten Lebensjahre. Dem Burggrafen Conrad eine vorzüglich lange Lebensdauer — ein Alter von 80 und mehr Jahren — zuzuschreiben, bestimmen uns auch noch manche andere Nebenumstände. Denn er überlebte seinen jüngern Bruder Friedrich (Grafen von Zollern + c. 1251 Note 35) obgleich dieser letztere auch nicht jung starb, vielmehr schon 1241 einen zur Theilnahme am Regimente herangewachsenen Sohn hatte (Note 35). Conrads Sohn Friedrich hatte auch schon im Jahre 1251 wieder Kinder, stand also um diese Zeit schon im reifen Alter (Note 55). Endlich ist aber der Umstand bemerkenswerth, dals Conrad sich schon 10 bis 20 Jahre vor 120 Rıerveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses leistung auf die Gunstbriefe König Wilhelms seinem Sohne Friedrich und im Jahre 1259 bei einer Verschreibung von rückständigen Kaufgeldern für Er- werbungen zur Erweiterung der Herrschaft Viernsberg seinem Sohne Con- rad zur Seite trat (**). Conrads letzte Lebenszeichen sind zwei Urkunden, worin er sein See- lenheil bei dem Kloster Heilsbronn bestellt (°”). Beide sind am 5. August 1260 in Gegenwart des Abtes und eines Mönches von diesem Kloster zu Abenberg ausgestellt. Die eine macht dem Kloster zwei Dörfer zum Ge- schenk. Die andere tritt ihm zwei andere Dörfer zur Entschädigung für Be- einträchtigungen ab, die der Burggraf dem Kloster früher zugefügt habe. „Wir bekennen” sagt diese Urkunde, „dafs wir vielfältig den Zorn des Höch- sten gegen uns erregt haben und sein Gericht vorzüglich wegen der den Be- sitzungen des Klosters Heilsbronn zugefügten Verletzungen fürchten. In Betracht nun, dafs uns diese Sünde nur vergeben werden kann, wenn wir das dadurch geschehene Unrecht wieder gut machen, geben wir dem Kloster für die erlittenen Schäden zum friedlichen und unverbrüchlichen Besitz diese Ortschaften.” Es ist die bufsfertige Beichte eines Greises, welcher der na- hen Auflösung entgegen sieht und sich daher reuig des irdischen Besitzes ent- ledigt, der sein Gewissen drückt. Der Burggraf starb am 30. Juni des fol- genden Jahres (°°). seinem wirklich erfolgte Lebensende, nicht nur von Reichsangelegenheiten, sondern auch von der burggräflichen Regierung Regierung zurückzog, die letztere seinem Sohne Friedrich über- liefs und zurückgezogen auf einer Art von Altentheil den Rest seines Lebens zubrachte. Dies würde nicht geschehen sein, wenn er damals noch in jugendlich kräftigem Lebens- alter stand. Wir können daher nur auf die Ansicht zurückkommen, dals es an allen Rechtfertigungs- gründen dafür fehlt, für die sechs ersten Dezennien des 13. Jahrhunderts zwei Burggrafen Conrad anzunehmen. (°”) Urkunden 5. Aug. 1260, zu Abenberg ausgestellt, in Oetters Burggraf. I, 307. 309 abgedruckt. (°®) Der Heilsbronner Todtenkalender (bei Jung Miscell. II, 40) enthält unter dem 30. Juni die Notiz Commemoratio Pauli est anniversarius Cunradi Burggravii senioris. Oetter bezieht diese Anzeige auf Burggraf Conrad IV., der gegen das Ende seines Lebens auch „der alte” hiels (Oetter Erst. Versuch I, 422 Note). Aber die daselbst mitgetheilte Grab- inschrift dieses Conrad IV. sagt ausdrücklich, dals er gestorben sei Junii bis quatuor idus, das ist am 6. Juni. Auch nach einer Inschrift der Stiftskirche zu Spalt obiit fundator A. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 421 Unverkennbar gehörte dieser Conrad zu den bedeutendsten Männern seiner Zeit. Er erscheint als ausgerüstet mit all den Eigenschaften, worauf sein Zeitalter vorzüglichen Werth legte. Unter einer Reihe von Römi- schen Kaisern und Königen ragt er auf Feldzügen wie in den Rathsver- sammlungen der Fürsten hervor. Besonders ehrt ihn das Vertrauen, womit Kaiser Friedrich I. ihn seinem zum Reichsoberhaupte gekrönten Sohne als Rath und Führer zutheilte und womit dieser grofse Herrscher auch da noch den Burggrafen auszeichnete, als letzterem nicht gelungen war, den ungera- thenen Königssohn auf dem Wege der Pflicht festzuhalten. Will man dem Burggrafen zum Vorwurf machen, dafs er zuletzt selbst vom Kaiser abtiel; so verkennt man die Kraft der Rechtgläubigkeit. War nicht der Papst als höchster Richter der Gläubigen, als unmittelbarer Stell- 1314 VII idus Iunüi (das. 431) und im Dome zu Bamberg wurde sein Jahrestag gefeiert „den nächsten nach Bonifazius” (das. S. 419); das ist wieder der 6. Juni. Es ist die An- nahme daher nicht wohl statthaft, dals als dies anniversarius eben dieses Conrad im Kloster zu Heilsbronn der 30. Juni betrachtet sei. Diesen Jahrestag, der auf den 30. Juni fiel, müssen wir daher einem andern Burggrafen Conrad dem Ältern zueignen und wir sind um so mehr geneigt, darin den Todestag Conrads III. zu vermuthen, als auch dieser bei seinem Tode das Prädicat senior wirklich führte, wie seine in den letzten 20 Jahren seines Lebens aus- gestellten Urkunden darthun. Zur Gewilsheit wird diese Vermuthung aber durch eine Ur- kunde seines Sohnes Conrad IV. vom Jahre 1303 erhoben. Conrad IV. stiftet in dieser Urkunde bei dem Altare Kaiser Heinrichs und der heiligen Cunigunde zu Bamberg die Feier seines künftigen Jahrestages, die Feier des Jahrestages seiner Gattin Agnes, so wie eines Jahres- tages für seinen Vater, seine Mutter und seine Vorfahren. Selbstredend konnte seiner und seiner Gattin Jahrestag (Todestag) noch nicht von ihm bestimmt werden, da sie beide noch lebten. Dagegen brachte es der Gebrauch mit sich, dafs man das Fest des Gedächinisses von Eltern und Vorfahren auf den Todestag des Vaters legte. In der That finden wir nun hier den Peter-Pauls-Tag oder den 30. Juni als Jahrestag für Conrads IV. Eltern und Vor- fahren bestimmt (— „das vorgenannt Capitel und die Chor-Herren — defs ersten sollen sie unser Seel und unser Wirthin Frau Agneten Jahrzeitt begehen, als sie gefallen (die, in quem inciderint) — und darnach unser Vater und Mutter und aller unserer vorvordern seeligen Jahrzeit sollen sie begehen zur St. Peters und St. Paulus Meels, eines Tages vor oder dar- nach, wie sich es dann füge” Oetter I, 409). Hält man diese Notiz über den Jahrstag, welchen Conrad IV. seinen Eltern bestimmte, mit der oben erwähnten Notiz des Heilsbronn- schen Todtenbuches zusammen, wornach der 30. Juni anniversarius Conradi Burggravii senio- ris ist, so kann u. E. kein Zweifel mehr darüber sein, dals dieser Conradus Burggravius senior Conrads IV. Vater, Burggraf Conrad II. war und dafs selbiger also am 30. Juni 1261 gestorben ist. — Das Jahr 1261 als das Todesjahr anzunehmen rechtfertigt eine Ur- kunde vom 24. April 1262, (in Stillfrieds Mon. Zoll. I, 101. Oetters Burggr. II, 335), wor- nach Conrad III. um diese Zeit nicht mehr lebte. Philos.- histor. Kl. 1894. Q 129 Rırveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses vertreter Gottes auf Erden anerkannt und soll man nicht Gott mehr gehor- chen als dem Menschen? — Seinen frommen Sinn legte der Burggraf im Geiste jener Zeit auch durch seine Freigebigkeit gegen geistliche Stifte an den Tag. Namentlich stattete er das zu Nürnberg errichtete Deutsch -Ordens-Haus mit mehreren Besit- zungen bei Nürnberg aus und erlaubte er auch seinen Vasallen die Bereiche- rung desselben. Dem Kloster Ahausen bestätigte er i. J. 1246 mehrere diesem Stifte von seinen Dienstmannen zugewandte Güter und in eben diesem Jahre machte er auch schon dem Kloster Heilsbronn eine Schenkung. Zu Gun- sten des letztern Stiftes erlaubte er zugleich allen seinen Ministerialen und Va- sallen, demselben auf ihrem Todtbette mit beweglichen oder unbeweglichen Gütern Zuwendungen zu machen ohne Widerspruch seiner Erben und Nach- folger (°?). Die Abnahme, welche die Besitzungen des Burggrafen durch diese gu- ten Werke erfuhren, überwog die schon erwähnte Erwerbung des Schlosses und der Herrschaft Viernsberg, womit er seine Fränkischen Güter durch An- kauf von Gottfried von Hohenloh vergröfserte. Mehr aber, als durch solche Erwerbungen, wurde die Burggrafschaft unter ihm durch sein persönliches An- sehen im Reich zu höherem Glanze und gröfserer politischer Bedeutung er- hoben. (°°) Burggraf Conrad II. schenkte dem Deutsch-Ordenshause zu Nürnberg c. 1234 — nach K. Heinrichs Bestätigung vom 30. Aug. 1234. — 1. molendinum apud Nuerenbere situm inter salices et campum extendentem se a civitate Nuerenbere usque ad domum lepro- sorum in inferiori parte strate 2. Ortum situm apud dietum molendinum 3. Molendinum apud Vischbach 4. Molendinum Liebmannsmule. Mon. Boica XXX, I, 216. Stillfried Mon. Zoll. I, 39. Im Jahre 1235 erlaubt Conrad seinem Dienstmanne Rüdiger von Dietenhofen das Deutsche Haus in Nürnberg zu beschenken. Langs Reg. Boica IV, 744. Den 20. März 1246 bestätigt C. Burgravius senior de Nurenberch — conuentui Ahusen — predium in Ufersheim, ihm verkauft durch quandam ministerialem nostram Adelheidem de Aspach des- gleichen praedium in Gerluingen, quod Sifridus ministerialis noster impetebat. Stillfrieds Mon. Zoll. I, 48. 49. Die Schenkung an das Kloster Heilsbronn v. 1. Mai 1246 betraf alle burg- grällichen Rechte in Amelratorf und curiam nostram in Niuseze, aulserdem — licentiauimus vniuersis ministerialibus et ceteris hominibus nostris, ut libere conferant eidem monasterio elemosinas suas de mobilibus et immobilibus bonis suis — in extremis infirmitatibus vite sue — nulla obstante in posterum heredum nostrorum contradietione. Stillfried Mon. Zoll. I, 50. Oetters Burggr. I, 296. I, 136. Schütz Corp. hist. IV, 78 No. 41. Noch eine Schenkung an das Deutsche Haus, die Conrad III. vorgenommen, wurde 1262 von dem Bi- schofe von Würzburg bestätigt. Lang, Reg. Boica IV, 759. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 123 Die Gemahlin des Burggrafen hiefs Clementia und war wohl eine ge- borne Gräfin von Habsburg. Ihre Söhne und der nachmalige Kaiser Rudolph von Habsburg waren Geschwisterkinder (°°). Ihr Todestag fiel auf den 22. September eines nicht bekannten Jahres. An diesem Tage feierte das Kloster Heilsbronn alljährlich ihr Gedächtnifs. Damit die Mönche desto eifriger für das Seelenheil seiner Mutter beteten, stiftete der Burggraf Friedrich II., ihr Sohn, am 8. September 1269 eine dem Convente an dem Gedenktage Clementia’s jährlich zu machende liberale Ausrichtung, wozu er bestimmte Einkünfte hergab (*'). (°) Wir stimmen in der obigen Annahme den Ermittelungen des Freiherrn von Stillfried bei (Burggr. S. 96), der mit Recht auf die Notiz Albrechts von Stralsburg das entschei- dende Gewicht legt, welcher bemerkt: Dux autem Bavariae — convocans burggravium de Norinberg praesentem, qui et ipsius Rudolphi (des Kaiser Rudolph von Habsburg) extitit consobrinus. Darnach war Ülementia die Tochter des Grafen Rudolph von Habsburg, dessen Enkel der Kaiser Rudolph war oder eine Schwester Albrechts Grafen von Habsburg, des Vaters des Kaisers. Daher sagt der Kaiser Rudolph denn auch in einer Urkunde vom J. 1278 de generosi sanguinis unione, qua nobis astrinxeris, te degenerare nullatenus arbitrantes (Oetter II, 51. Hergott Cod. dipl. 575). In vielen Urkunden nennt K. Rudolph den Burggrafen Friedrich, Conrads II. Sohn, von welchem hier nur die Rede ist, seinen con- sanguineum. Dals er ihn auch seinen Ohm nennt (Urk. v. 1273 in Oetter’s Burggr. II, 40), weist nur auf den unbestimmten Gebrauch, welcher bekanntlich von dem Ausdrucke Ohm in damaliger Zeit gemacht wurde hin, und können wir dem gelehrten Böhmer keineswegs darin beistimmen, wenn dieser den Gebrauch, welchen Rudolph von dem Ausdrucke Avun- eulus gegen den Burggrafen Friedrich macht, S. 105 seiner Reichs-Regesten de 1246-1313 für Courtoisie erklärt. Immer deutete der Ausdruck Ohm um diese Zeit wohl noch auf ein obwaltendes Verwandschaftsverhältnils hin. — Bemerkenswerth ist auch die Häufigkeit des Namens Clementia für Töchter des Habsburger Hauses. Auch Kaiser Rudolph hatte eine Tochter Clementia, welche an Karl Martell aus dem Hause Anjou vermählt wurde — bekanntlich diejenige Tochter Rudolphs, von der sich die Königin Anna mit so grolsem Schmerze trennte, dals sie davon starb. Chron. Austr. bei Rauch II, 276. (°‘) Friderieus burgrauius de Nurenbere — ecclesie halsbrunnensi — curiam suam in Oberndorf — contulit — ita, — quod de redditibus eiusdem curie in anniuersariis bone memorie matris sue clementis et antediete sororis sue — conuentui liberaliter serviatur. Urk. v. 1269. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 121. Histor. Nor. dipl. 164. — Damit steht in Ver- bindung die Anzeige des Gedächtnilstages: Nov. 22. D. Cecilie virginis anniv. domine Cle- mente Burggravie. Extract aus dem Hailsbronnischen Todten-Calender de anno 1483 in Jung’s Miscell. II, 45. Cecilie virginis Anniversarius Dne. Clementie Burggravie de Curia in Oberndorf. Hockers Hailsbronn. Antiquitätenschatz I, 3. Nach Stillfried stehen zwischen den Worten Burggravie und de Curia noch die Worte „It. pis. VItum” (Burggrafen $. 95). Die Worte It. pis. VItum sind aber ohne Zweifel verschrieben und hat dafür vermuthlich nur Q2 124 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Von der weiblichen Descendenz des Burggrafen Conrad Ill. kennt man mit Namen nur eine Tochter Adelhaid. Diese wurde dem Pfalzgrafen Rapoto von Bayern vermählt, war aber schon 1254 Wittwe, lebte mit ihrer Tochter Elisabeth, wie es scheint, am burggräflichen Hofe und starb im Witt- wenstande am 19. October 1304 (2). gestanden It. pit. Frim. (Item pitantia Fratrum) oder Ähnliches. Pitantia nannte man in den Klöstern eine Ausrichtung, welche dem Convente an den Gedächtnilstagen gemacht wurde. Eine solche war es, welche die oben extrahirte Urkunde von 1269 stiftete. () Über die Adelheid finden wir folgende Auskunft: Ego Alhaidis relicta quondam Comitis palatini Bawarie Rapotonis et filia nostra Elizabet — pro quibusdam delietis dilec- tissimi mariti nostri pie memorie proprietatem predii nostri in Westendorf delegauimus super altare Sancte Marie in Raitenhaslach — et hec delegatio est de voluntate fratris nostri Friderici iunioris Burchrauii de Nuerenberch et consilio confirmata — Anno MCCLIM®. II. Non Juni. Urk. in Stillfried Mon. Zoll. I, 57 und Mon. Boica III, 150. — nos Conrardus Burgrauius de Nuremberch senior et nos Fredericus filius ejus Burgrauius de Nuremberch junior — Renuntiantes cuidam priuilegio generali nobis a rege Willermo dato et concesso, in quo continetur concessio nobis facta ab ipso rege super feodis, que ab ipso et imperio tenuit Otho, quondam dux Merannie, et super feodis, que habuit ab imperio Rapoto palatinus comes Bawarie et de Kraiburg, maritus Adelheidis, sororis Friderici jam 1254 vidua factae etc. Urk. vom Juni 1256 in Stillfrieds Mon. Zoll. I, 72. Spiels Neben- arb. I, 54. — Fridericus Burgravius — Renunciantes penitus — previlegio generali Con- rardo dilectissimo patri nostro et nobis Frederico a rege Willermo dato et concesso, in quo continetur concessio nobis facta ab ipso rege super feodis, que ab ipso et imperio tenuit Otho, quondam dux Merannie et super feodis, que habuit ab imperio Rapoth palatinus comes Bavuarie, et super illo feodo, quod predecessor Regis Willermi, Dominus Heinricus de Thu- ringia Romanorum Rex electus concesserat eidem. Urk. v. Juni 1256 in Stillfried’s Mon. Zoll. I, 75. — Hierdurch wird zugleich die Richtigkeit der von Oetter und andern Schrift- stellern (Oetters Erst. Versuch S. 319) beigebrachten Grabschrift des Pfalzgrafen Rapoto widerlegt, nach welcher derselbe erst 1269 am achten Mai gestorben sein soll. — In der Stiftung des Burggrafen Friedrich IM. für das Seelenheil seiner Mutter v. J. 1269 heilst es: curiam suam in Oberndorf, cuius usumfructum nobilis domina Alheidis, quendam Palatina Ba- warie, ipsius Burcgrauii soror, percipiet tempore vite sue. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 121. Histor. Nor. dipl. 164. Falkenstein cod. dipl. 58. — Ihren Todestag setzen wir auf den 19. October 1304, wenn anders die von Oetter gelieferte Abschrift aus dem Todtenkalender des Barfülserklosters zu Nürnberg, richtig ist, welche lautet: Anno 1304. 19. octobris obüt Domina Adelheid uxor Domini Rapoldi Palatini de Krayburg, soror Domini Frideriei Burg- gravii Nurnberg. Sepulta in medio choro. Oetters Erst. Vers. S. 320. Sie wird durch die von demselben Schriftsteller in der Vorrede zum Dritten Versuche S. LXXVIH. mitge- theilte alte Inschrift bestätigt: Anno Dni. MCCCHM. starb fraw alheit, herrn rapolt phalz- graff von Kraiburch hawffraw, porchgraff Fridrichs swester. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 125 Aufserdem werden Edle von Heideck und von Hirschberg als Schwä- ger des nachmaligen Burggrafen Friedrich III. erwähnt (°°), was auf mehrere verheirathete Töchter des Burggrafen Conrad III. schliefsen läfst. 3. Die Burggrafen Friedrich IH. und Conrad IV. Den Burggrafen Conrad IH. überlebten zwei Söhne (°*) Friedrich II. und Conrad IV. (®) In einer Urkunde vom Jahre 1278 wird Gottfried von Heideck filius sororis nostrae von dem Burggrafen Friedrich III. genannt. Oetters Erster Versuch S. 313. — Nach einer Ur- kunde v. J. 1293 hat sich Graf Eberhard (Gerhard) zu Hirschherg mit seinem lieben Herrn und Oheimb, dem Pfalzgrafen bei Rhein, nach Rath seines Schwehrs Herrn Friedrichs Burggrafens zu Nürnberg und seines Oheims Gray Ludwigen von Oettingen, des Landgerichts und anderer Sachen wegen vertragen. Vorbericht zu Oetters Drittem Versuch S. LXXIX. (%) Auch für die Geschichte der Burggrafen, welche der zweiten Hälfte des 13. Jahrhun- derts angehören, ist noch wenig fester Grund gewonnen. Er mufs daher auch in dieser Periode fortwährend jede Thatsache aus den Quellen unmittelbar abgeleitet und ausführlich begründet werden, um als historische Gewilsheit Anerkennung zu finden. Nicht einmal dals Friedrich und Conrad Brüder waren und dals sie Söhne Conrads III. gewesen, ist von den ältern Geschichts- schreibern als ausgemachte Thatsache betrachtet und die Erkenntnils des einfachen Verlaufes ihrer Lebensverhältnisse ist durch die Einmischung willkürlicher Annahmen mannigfaltig er- schwert. So macht z. B. Oetter, welcher umfassende Untersuchungen über die Burggrafen von Nürnberg angestellt hat, aus dem Burggrafen Friedrich zwei Personen, einen Friedrich der un- gefähr bis 1260 und einen andern Friedrich, der bis 1297 regiert haben soll, und das Leben Con- rads zerstückelt er gar unter drei Personen dieses Namens. Im ersten Bande seines Werkes lälst er jedem seiner Friedriche wenigstens mit einem oder zwei Conrad genannten Brüdern auf- treten und schreibt er seinem Friedrich III. und Conrad IV. seinen Burggrafen Conrad II. zum Vater zu. In der letzteren Annahme kam er dem Richtigen wenigstens nahe. Doch im zwei- ten Bande seines Werkes nimmt er auch diese Annahme wieder zurück und behauptet er Frie- drich und Conrad, welche in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts lebten, seien keineswegs Brüder gewesen. — Zu solchen Irrthümern führte der Umstand vorzüglich hin, dafs es unter den damals aufgefundenen Urkunden noch keine Urkunde gab, welche den Burggrafen Conrad, den dritten nach unserer Zählart, zugleich mit seinen beiden Söhnen namhaft macht und diese dabei als Söhne ausdrücklich bezeichnet. Der Beweis mulste daher aus der Vergleichung ver- verschiedenen Urkunden geführt werden und damit kam Oetter nicht zu Stande. Er ist aber bei sorgfältiger Combination allerdings möglich, indem Urkunden genug dazu vorliegen, worin 4) Conrad III. den ihm succedirenden Friedrich 2) derselbe den ihn ebenfalls überlebenden Conrad seinen Sohn nennt und worin 3) beide Friedrich und Conrad als Brüder bezeichnet werden. 126 Rırveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Von diesen tritt Friedrich schon im Jahre 1242 bedeutungsvoll mit dem Grafen Rudolph von Habsburg am kaiserlichen Hoflager zu Capua auf, Das Erste ist der Fall in Urkunden vom J. 1243: Conradus burgrauius de Norenberch se- nior et Junior burgrauius Fridericus filius suus (Stillfried Mon. Zoll. I, 48. vgl. 49 und oben in diesem Abschn. Note 62) vom Jahre 1256 nos Conrardus Burgrauius de Nuremberch senior et et. nos Fridericus filius ejus Burgrauius de Nuremberch junior et nos Elysabeth Burgravia ejus Friderici uxor (das. S. 67.) und in zahlreichen andern Urkunden dieser Zeit, welche Friedrich mit Zuziehung seines Vaters ausfertigen lıels. Dasselbe fand in Ansehung Conrads IV. namentlich in Urkunden von 1259 und 1260 statt. In der erstern lesen wir nos Conradus senior et Conradus junior Burgrauii de Nurenberc (Stillfried Mon. Zoll. I, 95. Oetter I, 301.) in der letztern Nos Conradus — cum consensu Con- radi filii nostri ete. (Oetter I, 307). Als Brüder werden Friedrich und Conrad nach ihres Vaters Tode schon im J. 1262 aus- drücklich bezeichnet, namentlich in einem Documente des Bischofs von Bamberg — Attenden- tes pie deuotionis ac fidelitatis insignia, que dileetus auunculus noster Fridericus Burgrauius de Norenberch nobis exhibuit, bona que dileetus auunculus noster Chunradus Burggrauius de Noren- berch a nobis — tenet in feodo — sibi contulimus — ex ordinatione et voluntate dicti avunculi nostri Chunradi Burgrauii de Nurenberch fratris sui (Stillfr. Mon. Zoll. I, 100 ) und ebenso noch gegen das Ende ihres Zusammenlebens in einem Documente vom Jahre 1294, welches Gottfried von Haydeck ausstellte sigillorum videlicet domini Friderici Burgrauii senioris et C. Burgrauüi junioris de Nuremberg sui fratris — munimine roboratum. Oetters Zweit. Versuch II, 89. War hiernach Friedrich ein Sohn Conrads III. und Conrad IV. ein Sohn desselben Burg- grafen und waren sie Brüder unter sich; so erhellt von selbst, dafs beides Söhne Conrads IIL waren. , Diese Combination ist durch eine in neuerer Zeit an das Licht getretene Urkunde vollkom- men bestätigt, indem Iringus Herbipolensis episcopus am 12. Mai 1262. donationem in superiori Cenne fratribus domus theutonicae factam per Cunradum seniorem burggravium in Nurenberg de consensu Fridericiet Cunradi filiorum ejus confirmat. Langs. Reg. Boica 1V, 759. Bei diesem ausdrücklichen Zeugnisse dafür, dals der Vater der Burggrafen Frie- drich III, und Conrad IV. Conrad hiels, kann daher auch auf eine augenscheinlich in diesem Punkte falsche Urkunde vom Jahre 1285 keinGewicht gelegt werden, worin der Vater der bei- den gedachten Burggrafen mit dem Namen Friedrich bezeichnet ist. Vgl. oben Note 42 zu diesem Abschn. sub fine. Dafs aber Friedrich, der im J. 1297 starb, noch dieselbe Person war mit dem Friedrich, der in den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts als Mitregent seines Vaters Conrad im Burggraf- thume Nürnberg auftritt, läfst sich ebenfalls urkundlich beweisen. Denn er war bekanntlich un- ter denen, welche ihrer Gemahlinnen wegen Ansprüche auf das Erbe des Herzogs von Meran machten und seine Gemahlin hiels Elisabeth. Wegen dieser Erbansprüche führte er seit 1248, da der Herzog Otto von Meran starb, viele Kriege (Oetter II, 265). Diese Elisabeth wird noch 1269 in einer von Friedrichs Urkunden als seine Gemahlin bezeichnet (consensu uxoris sui Ely- zabeth et sororis Adelhidis quondam palatine Bawarie et trium quas nunc habuit filiarum Still- fried Mon. Zoll. 121.) und noch in einer Urkunde v. 7. März 1296 als illustris Elizabeih, quon- bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 197 da er dem Kaiser anstatt seines Vaters den Heerdienst in Italien leistete. Aus Italien zurückgekehrt erscheint er als Theilnehmer an der väterlichen dam uxor nostra, von ihm erwähnt (das. S. 198). Derselbe Friedrich erscheint ferner als Vater einer an den Grafen Ludwig von Oettingen vermählten Tochter Maria in den Jahren 1262. 1265. 1267. 1273. 1280. 1281 und 1287 (das. S. 101. 106. 108. 117. 124. 138. 143. 170) und als Bruder Adelheids, Wittwe des Pfalzgrafen Rapoto von Bayern nach Urkunden von 1254. 1265. 1269 (daselbst S. 57. 111 und 121). Noch in einer Urkunde vom Jahre 1297 wird die Pfalzgräfin neben der zweiten Gemahlin und der Tochter des Burggrafen als anwesend bei die- sen genannt (das. S. 200. Oetter II, 236) und ihre Grabschrift vom Jahre 1304 bezeichnet sie noch als Schwester des Burggrafen Friedrich von Nürnberg, (vgl. oben die Grabschrift Note 62 dieses Abs.). War hiernach derFriedrich, welcher von den vierziger Jahren bis in die neunziger Jahre der Burggrafschaft vorstand, unzweifelhaft dieselbe Person; so folgt daraus von selbst die Identität derjenigen Conrad benannten Person, welche in den Jahren 1262 und 1294, wie oben bereits erwiesen ist, als Bruder dieses Friedrich bezeichnet ist, eine Bezeichnung, welche sich in dem dazwischen liegenden Zeitraume häufig wiederhohlt. Aufserdem erkennt man die Sel- bigkeit dieses Burggrafen Conrad sehr leicht an der Gattin desselben Agnes, welche fast an allen von ihm documentirten Handlungen Theil nimmt, namentlich 1277. 1284. 1288. 1294. 1295. 1296. 1303. und 1314 (Erster Versuch S. 361. 363. 374. 393. 401. 404. 409. 414). Dagegen wird während dieses Zeitraumes, aulser erweislichen Söhnen der beiden in Rede stehenden Burg- grafen, anderer Glieder der Familie, wodurch die Annahme mehrerer Friedriche oder Conrade gerechtfertigt werden könnte, in den Urkunden überall nicht gedacht. Was Oetter als einen Beweis des Gegentheils dieser Behauptung hervorhebt, besteht nur in einer Urkunde Albrechts Rinsmaul vom J. 1284, an deren Schlusse der Aussteller sagt: Et ad hujus rei atque facti evidentiam pleniorem sub testimonio testium infrascriptorum presens chiro- graphum conscribi feci, videlicet nobilis Viri Conradi Burggravii de Nurnberg cum aliis novem suis Fidejussoribus et singulorum honorabilium in Christo venerabilis Patris Domini Rein- botonis Eystettensis Ecclesie Episcopi — ac Dominorum Ludovici comitis de Oettingen, Con- radı Burggravii de Nurnberg Iunioris et Majoris nec non Hermanni de Vestenberg mei con- sanguinei munimine roborari (Oetter I, 368.) Oetter findet hier in dem Conrad — burggravio de Nurnberg juniore, wie er zum Unterschiede von seinem Bruder Friedrich dem senior burggravius stets genannt wird — einen Conrad V. und in dem Major Conrad IV. Indesser liegt hier klar ein grober Schreibfehler zu Grunde, wie solcher Hrn. Oetter bei seinen Urkundenabdrücken nicht selten begegnete. Denn die Stelle ist, so wie sie da steht, sinnlos. Wir müssen zuvörderst statt singulorum lesen sigillorum. Aber auch nach dieser Änderung fehlt die Notiz, welche in keiner Urkunde mangeln darf, dafs der Aussteller sie mit seinem eignen Siegel befestigte oder wenn er kein Siegel hatte, dals er dies unterliels. Statt Majoris ist daher ohne Zweifel meiipsius zu lesen. Auch wäre majoris kein Gegensatz zu junioris gewesen: es würde senioris gehielsen haben und der senior würde vor dem junior genannt sein. — Nicht haltbarer ist Oetters Be- weis, worauf er die Existenz noch eines Burggrafen Conrad gründet, nämlich seines Conrads III, der Deutschmeister geworden und im J. 1279 gestorben sein soll. Er hebt (Zweiter Versuch S. 465) aus den Annal. Hafs. VII Coll. p. 285 eine Urkunde hervor, worin frater Conradus de Nurenberg, Praeceptor fratrum domus Teuthonice per Alemaniam, einen das Ordenshaus in 428 Rırveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses E Regimentsführung im Burggrafenthume, von welcher der Burggraf Conrad Ill. sich mit zunehmendem Lebensalter mehr und mehr zurückzog (°°). Als Friedrichs Vermählung mit der Tochter eines mächtigen und rei- chen Fürstenhauses die Errichtung eines eigenen Hofhaltes für ihn nöthig machte, nahm er seinen Sitz auf dem Schlosse Abenberg und nennt er sich auf Siegeln und Münzen mit einem von dieser Residenz entlehnten Beinamen, welchem die erloschene Familie der Grafen von Abenberg historischen Glanz verliehen hatte (6%). Später fiel Abenberg seinem jüngern Bruder Conrad IV. zu und wird dieser bisweilen Burggraf oder Graf von Abenberg genannt (°7). Dieser jüngere Sohn Conrads III. erscheint erst seit dem Jahre 1259 in Urkunden und zwar bei des Vaters Lebzeiten als Mitbesitzer von Allodial- gütern desselben(®®). Vermuthlich ist ein grofser Theil des Allodialvermögens, Frankfurt betreffenden Verkauf genehmigt, in Franckenvort a. D. MGCLXI mense Octobri. Es ist aber in keiner Art wahrscheinlich zu machen, dafs dieser Bruder Conrad, genannt von Nürn- berg, dem burggräflichen Hause angehört habe. — Endlich behauptet Oetter Conrad IV. habe zu Bamberg die Feier des Jahrestages seines Vaters Friedrich auf dem 30. Juni gestiftet und sein Vater müsse also Friedrich geheilsen haben (Oetter I, 419. 339). Die Urkunde, worauf sich diese Behauptung gründet, ist aber daselbst S. 408-413 abgedruckt und nennt keineswegs Con- rads IV. Vater mit dem Namen Friedrich, sondern gedenkt des Vaters nur ohne namentliche Er- wähnung. Dafs hier aber anstatt des von Oetter behaupteten Burggrafen Friedrich vielmehr an den Burggrafen Conrad III. gndacht werden müsse, beweist evident der Heilsbronner Todten- kalender, welcher in Jungs Miscell. Thl. II abgedruckt ist und S. 40 unter dem 30. Juni angiebt: commemoratio Pauli est anniversarius Conradi Burggravii senioris. (Vgl. Note 58.) (6) Lacomblet Urkundenb. II. 138. Lünigs Reichsarchiv XIII, 341. (6°) Vgl. Note 25 zum II. Abschnitt. (°7) In dem Testamente der Burggräfin Helena vom 28. Mai 1299 wird zum Testaments- vollstrecker bestellt ,„‚vnser Bule Graue Cunrat von Abenberck.” Stillfried Mon. Zoll. I, 205. Ferner lautet das Regest einer Urkunde vom 1 Sept. 1303: Friderich vonKadoltspurch, Purgrave daz Nürenberch und des Riches Landvogt, und Chunrad PurchgravevonAben- perch, sin Veter, geben auf Bit Bruder Chunrades von Gundelfingen des Landcommenturs ires Oheims, den Prüdern datz Metzingen einen Hof daselbst zu einem ewigen Selgeret zu aygen, welchen Hof Engelhart und Hildpold von dem Stayn von ihnen und von diesen Sobot des Gra- ven Chelner von Hirzperch zu Lehen hat — Geschehen daz Nvrenberch in der devtschen Bru- der Garten. Freybergs Reg. Boica V, 264. (5) Urkunden von 1259 und 1260, worin Burggraf Conrad III. auf Allodialgüter Be- zug habende Dispositionen mit Zuziehung seines Sohnes Conrad IV., ohne Zuziehung Frie- drichs III., vornimmt, in Oetters Burggrafen I; 301. 307. 309. und Stillfrieds Mon. Zoll. I, 95. Vgl. auch Note 69. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 129 welches Burggraf Conrad III. besafs, jedoch auch mit einigen von dem Reiche und von geistlichen Hochstiften zu Lehn gehenden Besitzungen, als deren Inhaber man den Burggrafen Conrad IV. später erblickt, dem Vater zum Altentheile und dem nachgebornen Sohne zum Erbtheile vorbehalten, als ersterer die eigentliche Burggrafschaft an seinen Sohn Friedrich über- gehen liefs. Gewifs wurde, wie in mehreren späteren Successionsfällen, schon bei des Vaters Lebzeiten jene Trennung und Theilung im Lehn und Erbe zwi- schen den burggräflichen Gebrüdern vollzogen, welche man nach dem Tode Conrads III. deutlich wahrnimmt. Darnach führte Conrad IV. zwar eben- falls den Titel eines Burggrafen mit dem Prädicate des jüngern, während sein Bruder Friedrich nach des Vaters Tode der ältere Burggraf hiefs (°°). Doch (#9) Schon von Oeiter (I, 312) und andern ältern Schriftstellern ist richtig bemerkt, dafs die Prädicate senior und junior, welche wir die Burggrafen von Nürnberg führen sehen, nach dem in diesem Hause bestandenen Gebrauch, nicht als Prädicate des Namens, sondern des Titels, zu verstehen sind und dals daher bei denselben nicht an zwei gleichnamige Friedriche, Con- rade u. s. w., sondern nur an zwei gleichzeitige Burggrafen zu denken ist, welche letztere dabei sehr wohl verschiedene Namen führen konnten. Diese Bemerkung findet vielfach ihre Be- stätigung. Als Friedrich III. im Jahre 1242 bei Lebzeiten seines Vaters Conrad bei dem Kai- ser zu Capua als Zeuge erwähnt wird, heilst er Fredericus iunior burchgrauius de Noremberch (Lacomblet Urk. Buch II, 138. Lünigs Reichsarchiv XIII, 341.) Im Jahre 1243 und in den folgenden Zeiten findet man dann diesen Conrad als senior in Beziehung auf seinen Sohn Friedrich bezeichnet (Conradus burgrauius de Norenberch senior et junior burgrauius Frideri- cus filius suus Stillfried. Mon. I, 48. 67. 72. 79. 81.) In anderer Weise wird dagegen eben die- ser Burggraf Conrad III. in Verbindung mit seinem nachgebornen Sohne Conrad IV. ange- führt, nachdem dieser ebenfalls den burggräflichen Titel angenommen hatte (Urk. v. 1259 Conradus senior et Conradus junior Burgravii de Nurenberg mit Zuziehung Friderici iunioris Burgrauii. Stillfried Mon. I, 97.) Nach dem Tode Conrads III. werden die Prädicate senior und junior wieder, wie früher, auf die jetzt zugleich den burggräflichen Titel führenden Brü- der Friedrich III. und Conrad IV. angewandt. (Urk. v. 1272 Fridericum Burcrauium de Nu- renberch et filiam ipsius Burcrauii senioris — Chunradum Burcrauium iuniorem. Stillfried’s Mon. 1, 123. vgl. S. 147. 187 190-194 Urk. v. 1295 presentes litteras sigillis illustrium Comi- tum videlicet Dom. Friderici Burggravii senioris et Com. Cunradi junioris de Nurnberg — tra- didi roboratas — testes vero — Dom. Johannes filius Burggrauii Senioris (Jung, Com. Burggr. 147. Oetter I, 311). Ist der Burggraf von Nürnberg ohne nähere Bezeichnung erwähnt ;so wird der Burggraf Friedrich III. darunter verstanden (Stillfried Mon. I. 167.) Dieser führt auch, wenn er allein — ohne seinen Bruder Conrad — erwähnt wird, nicht das Prädicat senior : wäh- rend Conrad sich als burggravium juniorem auch in solchen Urkunden nennt, worin seines äl- tern Bruders nicht mitgedacht ist. Nach Friedrichs Tode aber, da dessen Söhne Johann und Philos. - hisior. Kl. 1854. R 130 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses wurde dem Burggrafen Conrad IV. die Mitbelehnung mit der väterlichen Burggrafschaft nicht zu Theil. Nicht einmal das Recht der Eventual- succession blieb ihm an den Reichslehnen Friedrichs zuständig (’°). Eine wahrhafte Todtheilung hatte die Brüder rücksichtlich ihrer meisten Be- sitzungen von einander geschieden. In solcher secundären Stellung zum Burggrafthume lebte Conrad IV. bis in das Jahr 1310, da er am 6. Juni starb ("!). Aus seiner Ehe mit Agnes von Hohenloh, die ihn überlebte (7?), wurden drei Söhne und mehrere Töch- Friedrich III. diesem nachfolgten, legte Burggraf Conrad IV., ihr Oheim, den Titel junior nicht nur ab (Stillfried Mon. I, 204), sondern erscheint er nun auch unter dem Prädicate „Conrad der rad der alte Burggrafe von Nurnberg (Urkunden v. J. 1303 in Oetters Erst: Versuch S. 409. 414). Nur eine drei Jahre nach dem Tode des Burggrafen Friedrichs III. ausgefertigte Ur- kunde des Bischofs Conrad von Eichstädt vom 30. Sept. 1300, die freilich aber auf frühere Hand- lungen Bezug hat, nennt den Burggrafen Conrad IV. auch um diese Zeit noch den jüngern Burggrafen. (°°) Dafls Conrad IV. an den burggräflichen Lehnen Friedrichs kein Anrecht hatte, zeigen namentlich Conradins und Rudolps später zu erwähnende Zugeständnisse der Succession in die Burggrafschaft nach Friedrichs IH. Tode an dessen Töchter. In diesen und allen bezüglichen Urkunden wird Conrad’s niemals gedacht. (@4) Lapsis millenis trecentenis duodenis Transit ab hoc mundo post hoc annoque secundo Nobilis et fidus Junii bis quatuor idus Noster fundator Conradus pacis amator, Quondam Burggravius claro de sanguine natus. Supplicium grauius devitet qui tumulatus Hic jacet. Ergo pia genitrix uirgoque Maria Sensibus impressit quam Cordeus sedulo gessit Nec non propitius intercessor Nicolaus Orent ut citius (per eum quibus hic resonat laus) Sedibus Angelicis Christi conregnet amicis. Hoc sibi concedat, qui fluctiuagum mare sedat Ac escam sedat nec improperat bona quae dat. Cum sunt undenae praedicto mense Calendae Agnes post moritur sua coniux, quae sepelitur Hoc tumulosecum. Deus hos fac uiuere tecum. Non semel est obitus-horum sed bis celebrandus Inschrift des Epitaphiums zu Spalt nach Monninger. Auch abgedruckt in Oetters Erst. Vers. 431.. 432. (2) „Agnes sein Gemahl ain Gräfin von Hohenloh” Suntheim Famil. Burggrav. bei Oefele Seript. I, 613. — Oetter führt eine Inschrift an, welche sich in der Stiftskirche zu Spalt befin- bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 131 ter ihm geboren. Alle drei Söhne traten aber in den geistlichen Orden der Deutschen Ritter (7°): und die beiden ältesten, Friedrich und Conrad, welche nach einander Comthure zu Viernsberg wurden, starben schon 1303 und 1304 vor ihrem Vater. Nur der dritte Sohn, Gottfried, überlebte seine Eltern, konnte aber, durch das Gelübde gebunden, den väterlichen Stamm, der mit ihm zu Ende ging, ebenfalls nicht fortsetzen ("*). Von Conrads Töchtern den und lauten soll: Anno 1295 fundatum est hoc Collegium per illustrem Principem at Dominum Conradum Burggravium de Nurnberg et Agnetem de Hohenlohe ejus conjugem. Ferner: Obiit fundator 1314. VII idus Junii, fundatrix vero 1319. I. Kal. Maji quorum animae requiescant in pace amen. Oetter Erst. Versuch S. 431. Der Jahrestag der Agnes soll zu Bamberg am Tage vor Urbani gefeiert sein (das. S. 419). Die Urkunde der Burggräfin Agnes am 13. Juli 1314, worin sie bekundet, dals „unser lieber Herr, Bruder Philipp Bischof, zu Eichstätt” ihr gewisse Hebungen aus Spalt zu zahlen schuldig sei (Oetter I, 4261 Note) hat die Annahme erregt, sie sei eine leibliche Schwester dieses Bischofes gewesen, der aus der Familie von Rathsamshausen im Unterelsals stammte. Indessen „Bruder” wurde der Bischof vermuthlich nur genannt, weil er einem Orden angehörte, dessen Mitglieder wie der Deutsche Orden, der Franziscaner-Orden u.a. das Prädicat Bruder als Ordenstitel führten. Hätte Agnes den Bischof als leiblichen Bruder bezeichnen wollen, so würde der Satz gelautet haben „unser lieber Herr und Bruder. — Eine letzte Erwähnung der Burggräfin vom 16. Oct. 1314 findet man in Freybergs Regesten V, 289. Sie wird darin die alte Burggräfin ge- nannt und der Bischof Philipp von Eichstadt erscheint darnach als Lehnsherr von Besitzun- gen zu Berchtolstorf, welche die Burggräfin auf Lebenszeit inne hatte. () Anno Domini MCCXCV. junior Burggravius Nurembergensis tres filios suos dedit ad ordinem Theutonicorum cum castro Virnsperg et fundavit Canonicos in Spalt. Breve chronicon Nurenbergense bei Oefele Script. I, 330. Auch eine Urkunde vom J. 1294, welche Note 77 auszüglich mitgetheilt wird, bekundet, dafs Conrads Söhne in den Orden traten. (*) In einer Urkunde Conrad’s IV. vom Jahre 1299 wird „, Bruder Friedrich”, sein Sohn, als Comthur zu Viernsberg erwähnt. Nach einer andern Urkunde v. Jahre 1299, worin Albert, De- chant des St. Johannisstifts zu Hauge, der Wittwe Gottfrieds von Hohenloh den Hof zum kleinen Hacken bei dem Predigerkloster zu Würzburg verkauft, wurde dieser Verkauf geschlossen praesente nato Domini Cunradi Burcgravii Nurembergensis. Langs Reg. Boic. IV, 695. Nach Oetter befand sich in der Comthurei Viernsberg vor dem Sale ein Gang, worin die Wappen der sämmtlichen Comthure der Reihe nach dargestellt waren. Diese Reihe begann mit dem Zollerschen und burggräflichen Wappen und darunter stand. I. Friedrich Burggraf zu Nürn- berg 1296 Commendeur zu Viernsberg, Teutschordens Ritter, stirbt 23 Mart. 1303. Eine Urkunde Cunradi Pfunzenarii, Deutsch Ordens Ritters zu Nürnberg, vom 25. Mai 1504 ist dann zur mehrern Bestätigung auch von einem der burggräflichen Familie angehörigen Ritter des Deutschen Ordens besiegelt (presentem litteram Sigillo Domini fratris Burggravii de Nurnberg — dedi roborandam. Falkenstein Cod. dipl. Nordg. S. 120). Friedrich kann hier R2 132 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses war Agnes dem Grafen Friedrich von Truhendingen, Leucardis dem Grafen Conrad von Schlüsselberg vermählt (7°). In der Voraussicht des Erlöschens seiner männlichen Descendenz ver- wandte Conrad IV. fast sein ganzes väterliches Erbe zur Gründung und Be_ reicherung geistlicher Stifte. Von der ihm gewährten bedeutenden Abfin- dung fiel bei seinem Tode der in seinem Brudersohne fortbestehenden Haupt- nicht mehr gemeint sein. Wahrscheinlich war dieser Bruder Burggraf der zweite Comthur von Viernsberg, dessen Wappen jene alten Wandgemälde über der Inschrift darstellen: „II. Conrad Burggraf zu Nürnberg, Teutschordens Ritter, Commendeur 1304. Stirbt den 17. Julii in eben demselben Jahre.” Dals noch ein drittes Glied der burggräflichen Familie dem Deutschen Orden angehörte, welches denn ohne Zweifel ebenfalls zu den Söhnen Conrads IV. gehörte, erfahren wir aus mehreren Urkunden. Am 20. Juni 1317 verpflichteten sich die Bürger Nürnbergs gegen Bruder Conrad von Gundelfingen Landcomthur zu Franken und Bruder Zurich den Comthur des Deutschen Hauses zu Nürnberg vor der Stadt, ihnen für die Abtretung ihres Drittheiles der Fleischtische zu Nürnberg bei der Brücke, eine jährliche Abgabe zu bezahlen, wobei Zeugen sind: der edle Mann Herr Gotfried von Heidecke der Leye, Bruder Gotfried der Burggrave von Nurenberg, Bruder Heinrich von Herksprucke, Bruder Chunrad der Stolzhirz, Bruder Eberhard von Ebersberg, alle des Deutschen Ordens. Freybergs Reg. Boica V, 361. Am 17. Juli 1318 verkauften Graf Friedrich von Truhen- dingen und dessen Gattin Agnes (welche Conrads IV. Tochter war) ihrem Ohm dem Burg- grafen Friedrich IH. gewisse Orte in Gegenwart der folgenden Zeugen, des „Bruder Cun- rad von Gundelfingen Land Commenteur zu Franken und Berchtold von Henneberg Com- teur zu Nürnberg, Bruder Gotfried der Burcgrav” u. s. w. Oetter I, 438. Schütz Corp. hist. No. 154. (°) Oetter a. a. O. 440. — In einer Urkunde, welche ein jüngerer Graf Conrad von Schlüsselberg im J. 1308 ausfertigte, nennt er den Burggrafen Conrad seinen Grolsvater: Testes sunt Cunradus Burggravius de Nurmberch noster avus, und die Urkunde ist ausgestellt in curia Burggravii predieti in Nurenberch. Freyberg’s Reg. Boica V, 133. In einer daselbst S. 173 mitgetheilten Urkunde vom 6. April 1310 bezeichnet er den Burggrafen Friedrich IV. von Nürn- berg als seinen Oheim. — Dals die Gräfin von Truhendingen, namens Agnes, die in verschie- denen Urkunden des 13. Jahrhunderts erwähnt wird (Jungs Miscell. I, 10. 12. 15. II, 86) eine Tochter des Burggrafen Conrad war, wird in einer Urkunde des Königs Albert ausdrücklich an- erkannt, worin er ad preces Nobilis viri Chunradi Burgravii de Nurenberch — villam Kalk- reuth — et molendinum situm in Nurenberch, — que idem Burggrauius a nobis et imperio te- nuit tytulo feodali, Nobilibus viris Johanni et Friderico fratribus Burgrauiis de Nurenberch et eorum heredibus nec non Spectabili domine Agneti, filie predieti Chunradi Burggrauii, contho- rali Nobilis viri Friderici de Truhendingen, et suis heredibus in feudum duximus concedenda — indulgentes, si eadem domina Agnes sine heredibus decesserit (sie war also vermuthlich kinder- los) quod predicti Johannes et Fridericus Burgrauii de Nurenberch — succedant eidem. Oetter 1, 440. II, 688. IM, 189. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 204. Auch ‘wird in einer Urkunde Frie- bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 133 linie des burggräflichen Hauses fast nichts (7°) wieder zu. — So, wie dieser Conrad, hat kein Burggraf das Interesse der Conservation des Hausbesitzes seiner Familie dem Drange frommer Mildthätigkeit untergeordnet. Das von seinem Vater erkaufte Schlofs Viernsberg mit Zubehörun- gen in etwa 30 Ortschaften folgte seinen Söhnen als Mitgift an den Deutschen Orden: und zum Bau eines Münsters bei der hier errichteten Comthurei le- girte er dem Orden den burggräflichen Hof in Nürnberg (”). Einen andern drichs von Truhendingen und seiner Gattin Agnes vom 12. März 1299 unter den Zeugen des zu Würzburg ausgestellten Documentes Cunradus Burggravius Nurenbergensis socer Friderici nobilis de Truhendingen genannt. Reg. Boica IV, 687. (7%) Rücksichtlich einiger Bestandtheile der Abfindung Conrads IV. sicherte sich die Haupt- linie durch besondere lehusherrliche Zugeständnisse den Anfall. Im Jahre 1262 verschrieb der Bischof von Bamberg dem Burggrafen Friedrich III. das Eventualsuccessionsrecht in die Lehne, welche der Burggraf Conrad vom Bisthum besitze, falls dieser ohne Erben sterben sollte (Still- frieds Mon. Zoll. I, 100-101.) Im Jahre 1298 sicherte der König Albrecht den Burggrafen Johann I. und Friedrich IV. die Succession in das Dorf Kalkreuth und eine Mühle in der Stadt Nürnberg zu, für den Fall, dafs Agnes, des Burggrafen Conrad IV. Tochter, welcher diese Be- sitzungen zunächst zu fallen sollten, ohne Erben versterben würde. Der Burggraf Conrad IV.hatte diese Besitzungen vom Reiche zu Lehn. (Stillfried’s Mon. Zoll. I, 203. 204). — In Nürn- berg besals Burggraf Conrad auch einen Hof (curia Burggravii in Nurenberch, wie eine Urkunde vom J. 1308 sagt Oetter I, 440), und dieser Burggrafen-Hof in Nürnberg scheint sein gewöhn- licher Wohnsitz gewesen zu sein. — Gewisse Besitzungen hatte Burggraf Conrad auch vom Anfange an gemeinschaftlich mit seinem Bruder Friedrich inne und diese fielen daher nach dem Tode des erstern gewils dem letztern zu. (Urk. v. 1265. 1266 bei Oetter I, 57. II, 132. v. J. 4278. in Stillfrieds Mon. Zoll. 1,135 ) Spalt, den Flecken erhielten die Burggrafen Friedrich und Conrad zwar 1272 ebenfalls gemeinschaftlich von dem Bisthume Regensburg zu Lehn. Der Ort erscheint jedoch später als dem Burggrafen Conrad allein zugehörig und wurde daher von diesem mit veräulsert (Stillfried’s Mon. Zoll. I, 123. 187. 193. 194. Oetter I, 361. 369. 407.) (7) Viernsberg war, wie oben bereits erwähnt worden, im Jahre 1235 von Conrad II. erworben. Conrad IV. kaufte am 16. Oct. 1259 den Antheil der Familie von Uffenheim an dem Schlosse Viernsberg und dessen Zubehörungen und verpfändete den Verkäufern das Dorf Ikelnheim. Sein Vater Conrad III. nahm an dem Kaufcontracte Theil und sein Bruder Frie- drich IIX. zahlte nicht nur für Conrad das Angeld, sondern verbürgte sich auch für die Zahlung des Überrestes der Kaufsumme (Oetter I, 301. Stillfried Mon 95). Aus Ikelnheim, so wie aus einem andern Dorfe verschrieb Conrad IV. im Jahre 1288 matertere (sue) Magistre ac toti conuen- tui in Scheftersheim jährliche Hebungen (Oetter I, 373.) Im Jahre 1294 bekundet „Cunrath der Junger Burggraue zu Nurmberg Vnnd Fraw Agnes vnnser Hausfraw, das Wir durch Vnser sele willen vnd durch vnnser vordern ewige heil, haben gebenn mit gesampter hand dem Orden vom teutschen haus zu zeiten, do vnnser kind denselben Orden an sich namen, — zu einem Ewigen haus Ires Ordens vnnser Burg zu Viernsperg mit allem dem, das darczu gehört — Vnnser guet 134 Rırveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses bedeutenden Gütercomplex mit dem Schlosse und der Stadt Abenberg, dem Schlosse Sandskron und dem Markte Spalt überliefs er zur Errichtung eines neuen geistlichen Stiftes dem Bisthume Eichstädt (?%). Das beabsichtigte Collegiat - Stift wurde anfangs in Abenberg gegründet, dann nach Spalt ver- legt und nahm die sterblichen Überreste des Stifters und seiner Gemahlin nach ihrem Tode in seine Grabgewölbe auf. Dem Bisthume Eichstädt über- zu Vekelhaim — die Ecker bei Lenckershaim — Vnd vnlser guet zu Brattenau Vnnd Was wir haben zu Oberezen vnnd zu Niedernezen Vnd vnser guet zu Brachbach, zu Espach, zu Obern Alltenbern vnd zu niedern Alltenbern, — zu Sundernaw, zu Kematen, zu Bockaw Vnd die zehenden von den zweienn Vnsern guttern zu Vbertshouenn vnd was Wir aigens habenn zu Egenhausen, Vnser guet zu Hegelbach, zu Hutbach, zu Merczpach, Erhartsdorff, zu Wymlbach, zu Newstetten — zu Obernnbibart, zu Hemelungen, zu Dachstetten, zu Wip- penaw, zu der Herde, zu Burch, zu Freschendorff, Vnsern Hof zu Andorf — Vnd alles das gut, das Wir steend haben, das zu Virnsperg gehört — darezu die Welde vnd holezer — Birckach, Hoholcz zu der Aw, Vnnser newgerewt bei Dachstetten, Henngerstal, Eberstal, Hage, Erensperg, Spilberg, Lerchenberg — zu einem rechten aigen. Urk. in Schütz Corp. hist. Br. IV, 151. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 190. im Extr. in Oetters Erst. Versuch 391. Hiernach war die Herrschaft Viernsberg, welche Burggraf Conrad IH. im Jahre 1235 neu- erworben hatte, mit höchst umfangsreichen Pertinenzien in ausschliefsendem Besitze des Burggrafen Conrad IV. und wurde von ihm zur Mitgift seiner Söhne bei deren Eintritte in den Deutschen Orden benutzt. Im Jahre 1299 fügt Burggraf ‚Conrad mit seiner Gattin Agnes den oben erwähnten Gegenständen seiner Schenkung an den Deutschen Orden noch gewisse Hebungen aus Ikelnheim hinzu, welche er „dem Commenture vnd den Brudern des tutschen huses ze Virnsperc” zu eigen giebt, wobei unter den Zeugen der burggräflichen Urkunde „Bruder Friederich, vnser sun, Cummenture ze Virnsperc” genannt wird. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 204. 205. Den 7. Mai 1304 fügte Burggr. Conrad diesen Schenkungen an den Orden noch seinen Hof zu Nürnberg, aufserhalb der Mauer beim Spital gelegen, mit der Bedingung hinzu, dafs derselbe nach seinem und seiner Gattin Tode zum Bau eines Münsters zu Viernsberg verwandt werde, und am 1. Sept. 1313 schenkte er den Brüdern zum Seelgeräth noch einen Hof in Mezzingen. Freybergs Reg. Boica V, 64. 65. — 264. (°®) Urkunden in Oetters Erst. Vers. I, 361. 393. 396. 401. 404. 407. Stillfr. Mon. Zoll. I, 123. 187. 193. 194. 197. 212. 214. Schütz Corp. bist. IV, 110 f. Conrad erwies sich auch noch im spätern Leben mehrfach als Wohlthäter des Domes zu Eichstädt, namentlich vermachte er demselben zu seinem Seelgeräthe, am 29. Mai 1313, zwei hundert Pfund Heller, um zwei Vicarien, und hundert Pfund, um fünf ewig brennende Lichte davon zu unterhalten, imgleichen dem Schulmeisteramte fünfzig und dem Sangmeisteramte fünfzig Pfund, alles auf seinem Zehent zu Ypsheim und Ykelheim, damit diese desto inbrünstiger zu seinem Gedächt- nisse singen mögten. Noch am 30. März 1314 widmete Conrad diesem Stifte eine Ur- kunde, worin er seinem Neffen, dem um diese Zeit regierenden Burggrafen Friedrich IV. die Sorge für die Aufrechterhaltung dieser Stiftung dringend ans Herz legt. Freyberg’s Reg. Boica V, 254— 277. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 135 liefs Conrad auch das Schlofs ‚Werdenfels mit seinem Zubehör (7°), eine ebenfalls zu den burggräflichen Allodialbesitzungen gehörige bedeutende Herrschaft, welche die Familie Rindsmaul zu Lehn trug. Nach mehreren der- artigen minder erheblichen Veräufserungen, vermachte er endlich die Vogtei Fürth mit vielen dazu gehörigen Hebungen dem Altare Kaiser Heinrichs und der heiligen Cunigunde zu Bamberg für zahlreiche Messen zum Seelenheil seines Vaters, seiner Mutter, seiner Vorfahren, seiner selbst, so wie seiner Gattin und Kinder (®°). — So erwarb Conrad IV. in reichem Maafse den Ruhm der Frömmigkeit, welcher solchen Handlungen reuiger Entäufserung irdischen Besitzes nachfolgte; während das burggräfliche Haus eine erhebliche Einbufse an wichtigen, einträglichen und wohlgelegenen Burgen, Herrschaften und Gütern zu beklagen hatte. Die durch Conrads IV. Veräufserungen herbeigeführte Schwächung des burggräflichen Hausbesitzes wurde indessen von den Erwerbungen aufge- wogen, wodurch sein Bruder Friedrich III. seine Hausmacht verstärkte. Je rücksichtsloser Conrad IV. seine Besitzungen verschleuderte, desto eifriger hielt Friedrich III. das Seinige zusammen und sammelte seine Sparsamkeit die Mittel zum Ersatz. Zugleich trugen auch fast alle Hauptverhältnisse von Friedrichs Leben, auf deren Erörterung wir übergehen, namentlich seine Familienverbindung mit dem Hause Meran, seine Ergebenheit gegen die letz- ten Hohenstaufen und seine Anhänglichkeit für den Kaiser Rudolph, zur Be- reicherung des burggräflichen Hauses bei. Das Burggrafthum schritt daher unter dem Burggrafen Friedrich III., ungeachtet der Veräufserungen Con- rads IV., im Wege der Vergröfserung zu erhöhtem Glanze und Ansehen kräftig fort. Meransche Succession und letzte Lebenszeit Friedrichs II]. Friedrichs Vermählung mit Elisabeth, einer Tochter des Herzogs Otto I von Meran, führte ihn schon bei seines Vaters Lebzeiten in wichtige Familien- verhältnisse. Das Meransche Haus stand sowohl durch seine verwandschaft- (°?) Oetter a. a. O. S. 363 — 368. (°) Urkunde vom 2. Febr. 1303 bei Oetter a. a. O. 409. 414. Faber, Staats- Cantzley XXXI, 153. Lünigs Reichs-Archiv XIX, 485. — Urk. v. 25. April 1314 in der Hist. Norimb. dipl. 237. Schütz Corp. hist. No. 151. 136 Rırveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses lichen Verbindungen, als durch seine Besitzungen sehr glänzend da. Von Otto’s Brüdern war der eine Patriarch von Aquileja, ein anderer Bischof von Bamberg, ein dritter Markgraf von Istrien. Von seinen Schwestern war Agnes dem Könige Philipp August von Frankreich vermählt, Gertrud — die Mutter der heiligen Elisabeth — Gemahlin des Königs Andreas von Ungarn und Hedwig, die Schlesiens Schutzheilige ward (°'), Gattin des Herzogs Heinrichs von Schlesien. Otto’s Gattin war Beatrix, die Tochter des Pfalz- grafen Otto von Burgund, eine Enkeltochter des Kaisers FriedrichI. Den umfangreichen Besitzungen des Meranschen Hauses in Tyrol, Kärnthen, Bayern und Franken fügte Herzog Otto I. in Folge dieser Vermählung noch die Pfalzgrafschaft und Grafschaft Burgundhinzu. Der Wiederspruch der Bluts- verwandten des Burgundischen Hauses gegen diese Succession, namentlich der des Grafen Johann von Chalon, wurde nach einer langen Fehde im Jahre 1230 glücklich beseitigt durch einen Vertrag, worin der Herzog Otto von Meran dem Sohne Johann’s, dem Grafen Hugo, seine Tochter Adelheid ver- lobte. Herzog Otto II. von Meran folgte daher seinem im Jahre 1234 ver- storbenen Vater auch in dessen Antheil an Burgund nach (°?). Indessen starb Herzog Otto II. schon um die Mitte des Jahres 1248 ohne männliche Nachkommen und mit ihm erlosch das Haus Meran. Seine nächsten Erben waren Schwestern, nämlich Beatrix, welche dem Grafen Otto von Orlamünde vermählt war aber frühzeitig Wittwe wurde; Adelheid die Gemahlin des Grafen von Chalon, Elisabeth die Burggräfin von Nürnberg und Margaretha die Gemahlin Friedrichs Grafen von Truhendingen. Burggraf Friedrich hatte daher gegründeten Anspruch darauf, aus den Stammgütern des erloschenen Hauses seiner Gemahlin eine Erbportion zu erhalten. Der Burggraf knüpfte aber an den Tod des Herzogs Otto, seines Schwagers, noch gröfsere Entwürfe für das Aufsteigen seiner Macht. Kö- nig Wilhelm sicherte ihm und seinem Vater am 1. März 1249 auch in die Reichslehne des erloschenen Geschlechts die Nachfolge zu (°*). Es galt da- (') Stenzel Script. rer. Siles. T. I, p. 3. (*) Koehler de ducibus Meraniae ex comitibus de Andechs ortis. Altorf 1834. Hormayrs Grafen von Andechs, Dielsen, Plassenburg, Wolfartshausen und Ambras, Pfalzgrafen in Bur- gund, Herzoge von Dalmatien, Kroatien und Meran in dessen Werken Thl. II, S. 211 £. 230 ££ Von Lang Bayerns alte Grafsehaften S. 64 f. 75 £. () Note 53 zum gegenwärtigen Abschnitt. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts IN her nur den dadurch erworbenen Anspruch gegen die Ansprüche in Vollzie- hung zu setzen, welche jetzt auch des Burggrafen Schwager, Graf Hugo, der die Pfalzgrafschaft Burgund schon bei des Herzogs Lebzeiten in seinen Pfand- besitz gebracht hatte (°*), in Verbindung mit seinem Vater und dessen jün- gerem Sohn Johann wieder erneuete. Wahrscheinlich wäre der Versuch un- ternommen, die Burgundischen Lehne den Grafen von Chalon in offenem Kriege abzugewinnen, hätte nicht eine über die Allodialbesitzungen des Meranschen Hauses entstandene Fehde dem Burggrafen in Franken vollauf zu thun gegeben. In Franken betrachtete der Bischof Heinrich von Bamberg einen be- deutenden Theil der Meranschen Besitzungen als eröffnete Lehen seiner Kirche. Er nahm diese daher sogleich ein, incorporirte sie dem Tafelgute seines Bisthumes, und verurtheilte im Voraus diejenigen, welche diese Dis- position anfechten oder in deren Abänderung willigen würden, mit Dathan und Abryon, welche von der Erde lebendig verschlungen seien, in ewiger Verdamnifs gleichen Lohn zu empfangen (°°). Zugleich rüstete er sich, auch mit weltlichen Waffen den behaupteten Besitz zu verfechten. Graf Her- mann von Henneberg wurde zum Kriegshauptmann, Graf Herdegenus von Gründlach, Eberhard von Schlüsselberg und Andere wurden zu Bundesge- genossen des Bisthumes gewonnen. Dem Kirchenfürsten gegenüber standen auf Seiten des Burggrafen sein Schwager Friedrich von Truhendingen und die Wittwe von Orlamünd, seine Schwägerin ($°). (°) Histoire gen. et part. de Bourgogne T. II. No. 35 38. 48. () Die Güter, um die es sich handelte, werden bischöflicher Seits als Lehne bezeichnet z. B. in der Urkunde des Bischof Heinrich, worin er Comitatum et judicium provinciale in Diocesi nostra, tertiam partem nemoris Hoastmon, castra Giech, Niesten, Lichten- fels cum pertinentiis eorundem, quae nobis de morte Ducis Meranie vacare coeperunt, den Tafelgütern des Bisthumes incorporirt. Urkunde v. J. 1249 in Oetter’s Zw. Versuch S. 268. Historia Nor. dipl. 124. Falk Memorab. Nord. II. c. 6. S. 326. Schannat Vind. litt. II, 222. Ussermann Episc. Bamb. dipl. Nr. 138. an einigen Orten mit der falschen Jahrszahl 1248. — Eben so heilst es später von dem Streite der Grafen von Orlamünde mit Bamberg, welchen ein Schiedsspruch v. J. 1260 entschied — dissensione, quae inter — Bambergensem Episco- pum ex una et nobiles viros Hermannum et Ottonem comites de Orlamund de altera pro feudis et bonis relietis per mortem ducis Meranie vertebatur. Urk. v. 1260 in Spiels Nebenst. II, 151. Falk Cod. dipl. 59. Koehler de duc. Meran. 61. Oetter II, 309. (°) Hermannus Comes de Henneberg notum facit, qualiter assumpserit capitaneam et de- fensionem Ecclesiae Babenbergensis — et ut has expensas aequanimiter toleraret Episcopus Philos.-histor. Kl. 1834. S 138 Rırveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Um dem blutigen Streite ein Ziel zu setzen, übernahm der Bischof von Würzburg im Jahre 1250 das Mittleramt. Beiderseits unterwarf man sich seinem Schiedsspruche bei 1000 Mark Silber Strafe für den Nichthal- tungsfall (#). Nach Vergleichsverhandlungen, welche im Jahre 1251 fort- dauerten (°°), kam es zu einem Vertrage. Dieser führte jedoch keine voll- ständige Beseitigung des feindlichen Zwiespalts herbei. Mit geringen Unter- brechungen dauerte die erneuete Fehde bis 1254 fort, da es durch Vermitte- lung der Herzöge Ludwig und Heinrich von Bayern zu einem neuen Com- promifs und in Folge desselben im Jahre 1255 zu Scheslitz zu einem noch- maligen schiedsrichterlichen Ausspruche und zur Versöhnung kam (°°). So lange hatte die Ausführung der Ansprüche des Burggrafen auf Burgund ruhen müssen. Jetzt war es zu spät zu dem Versuche, die Grafen von Chalon daraus zu verdrängen. Diese hatten Zeit gehabt, sich den Be- sitz zu sichern. Unter Zustimmung seines Vaters schlofs Friedrich daher im Juli 1255 zu Strafsburg einen Vergleich mit dem ältern Grafen Johann, wo- rin er auf alle Ansprüche verzichtete, welche er, sowohl kraft königlicher Babenbergensis, capitaneo de Henneberg oblıgauit castrum Kunigsberg et Bettenburg pro Marcis 1232 — ipse vero Capitaneus promittit se Ecelesiam Babenbergensem strenue defen- surum contra Burggravium de Nürenberg, Fridericum de Truindingen et Comitissam de Or- lamunde et alios invasores. Aus dem Bambergschen Liber privileg. ad a. 1249 in Oetter Zw. 276. Item fatetur (Eberhardus de Schlüzelberg), quod dederit libras 450 et contra Fri- dericum Burggravium de Nurenberg et Fridericum de Truhingen ejusque complices et alios invasores Ecclesiae potentes assistat das. S. 280. Ad diem S. Viti Heodegenum Comitem de viridi lacu ad sui auxilium prius contra Truhendingensem et ejus complices inyitatum maximis honoribus affeceit das. S. 281. () A. 1250 Herbipoli Hermannus Episcopus Herbipolensis notum faecit, qualiter ad in- stantiam venerabilis Dom. Bambergensis Episcopi et Burggravii de Nürenberg et Friderici de Truhendingen constituti arbitratoris super guerra, quae de feudo quondam Ducis Meraniae inter eos vertitur, sub poena M marcarum argenti, ad quam se pars non parens proprio arbitrio sub fidejussore astrinxit, parti alteri solvendam, quam vult in suo robore manere etc. Aus dem Bamberger Privilegienbuche. Oetter Zw. Vers. 283. (°°) Nos Heinricus d. g. Babenberg. Episcopus — Acta sunt hec publice in colle sepe- diete ville superius adjacente in vigilia palmarum tempore placiti, quod ibidem habuimus contra nobiles Fridericum Burchgrauium de Nurenberch et Fridericum dominum de Trugen- dingen fideles nostros Anno dom. millesimo CC. LI. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 55. (°°) Uırk. v. 25. Sept, 1254 in Stillfrieds Mon. Zoll. I, 58. — Urk. v. 18. Jan. 1255 das. S. 59. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 139 Verleihung, als vermöge Erbrechts seiner Gemahlin oder aus irgend einem an- dern Grunde, auf die Grafschaft Burgund oder andere Besitzungen aus dem Nachlasse des letzten Herzogs von Meran in Burgund und in Frankreich be- hauptet hatte. Diese seine Rechte verschrieb der Burggraf als Mitgift sei- ner Tochter Adelheid und die letztere dem gleichnamigen Sohne des Grafen Johann und der Isabella von Courtenai zur Gemahlin. Dafür erhielt der Burggraf die Schirmvogtei über das wichtige Erzstift Besancon und eine Ab- findung im Gelde von 7000 Mark Silber. König Wilhelm bestätigte diesen Vergleich (°°). Hiermit wäre die Burgundische Angelegenheit abgethan gewesen, hät- ten nicht Uneinigkeiten, welche im Burgundischen Hause selbst ausbrachen, eine Abänderung des geschlossenen Vertrages erheischt. Das Abkommen mit dem Burggrafen war von dem Grafen Johann ohne Vorwissen und Zu- stimmung seines ältern Sohnes Hugo geschlossen, der sich im Besitz der Pfalzgrafschaft Burgund befand. Entrüstet über die in dem Vertrage lie- gende Begünstigung seines zum Schwiegersohn des Burggrafen bestimmten jüngern Bruders, forderte Hugo die Auflösung des Vertrages und ergriff er zuletzt gegen seinen eigenen Vater die Waffen, da dieser seinem Verlangen nicht nachgab. Die widernatürliche Fehde erfüllte ganz Burgund mit Furcht und Entsetzen. Die Ohnmacht des Reichsoberhauptes liefs von Deutscher Seite keine Abhülfe erwarten. Da nahm sich König Ludwig von Frankreich des Austrages dieser Zwietracht an. Die Vermittlung seiner Räthe stiftete einen Frieden, welchem auch der Burggraf im Mai 1256 beitrat. Dadurch wurde die Verlobung der Burggräfin Adelheid mit dem jungen Grafen von Burgund rückgängig gemacht und der frühere Vertrag in Beziehung auf den (°) Urkunden v. 3. Juli 1255 das. S. 62. 63. Spiels Archiv. Neb. II, 43. — Wilhel- mus dei gratia romanorum rex — porrecta siquidem nobis dilecti fidelis nostri Friderici Burgravii de Nuremberg et Elisabeth uxoris suae sororis quondam clarae memoriae Ottonis ducis Meraniae petitio continebat, quod ipsi omnia bona possessiones et jura, quae idem dux Meraniae dum viveret in comitatu Burgundiae ab imperio jure habuit — titulo feudali nobili viro Johanni comiti Burgundiae et domino Salinensi et ejus heredibus, quos ex nobili matrona Isabella de Courtenay uxore sua suscepit, pro septem millibus marcis argenti puri vendidit, a nobis et imperio in posterum feudi titulo possidenda, prout dilectus fidelis noster Conradus de N. pater Friderici ejusdem nobis ex parte ipsorum exposuit et confirmari a nobis humi- liter postulavit — advocatia Basumptina dumtaxat excepta. — Dat. Alberomonte XII cal. Augusti ind. XIII, A. M. CC. LV. Vgl. Stillfrieds Alterthümer. 52 140 Rırveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses letztern aufgehoben. Des Burggrafen Verzichtleistung auf Burgund wurde zu Gunsten des Pfalzgrafen wiederholt und feierlich durch Eide und Urkun- den besiegelt. Als Äquivalent für die abgetretenen Rechte leistete der Pfalz- graf Hugo dem Burggrafen noch einen Nachschufs von 1040 Mark (°'). So waren des Burggrafen Ansprüche auf schwer zu schützende, entle- gene Besitzungen noch gut genug verwerthet. Inzwischen war rücksichtlich des Meranschen Nachlasses in Franken zwischen Bamberg und den jungen Grafen von Orlamünde neue Zwietracht ausgebrochen, in welcher von den letztern auch der Burggraf Friedrich und Friedrich von Truhendingen mit in Anspruch genommen wurden. Die Gra- fen glaubten sich in ihrem Antheile verkürzt und forderten gleichen Antheil mit ihren Oheimen. Ein schiedsrichterliches Erkenntnifs vom J. 1260 be- seitigte diese Zwistigkeit (°?). Das endliche Resultat aller dieser Streitigkeiten über den Meranschen Nachlafs ist leider nicht so genau bekannt, dafs der Zuwachs, den das Burg- grafthum dadurch erfuhr, speciell nachgewiesen werden könnte. Gewils ist, dafs Bamberg den Besitz bedeutender Orte und Gebiete des Meranschen Nachlasses behauptete, und die Truhendingsche Erbportion kam später eben- falls an das Hochstift. Dagegen wurde der Antheil, welchen die Grafen von Orlamünde sich erstritten, wozu namentlich die Plassenburg mit Culmbach gehörte, später der Burggrafschaft hinzugefügt. Von den Gegenständen, welche dem Burggrafen als seine Erbportion aus dem Meranschen Nachlasse zu Theil wurde, kennen wir nur die mit grofsen Zubehörungen versehene Stadt und Herrschaft Bayreuth (°*), welche in der Folge die Hauptstadt des gleichnamigen Fürstenthumes bildete. (') Urkunden in Stillfrieds Mon. Zoll. I, 64— 91. (°°) Item pronunciamus de impeticione Comitum de Orlamund ad Burggravium de Nurn- berch et ad Dominum de Truhending, quod sicut comes Hermannus, saepedietus Burggravius memoratus et Dominus de Truhending apud Schezliz concordauerunt, quod inter se aequa- liter proprietatem et feoda, quae ad ipsos ex morte ducis Meraniae in futuro pervenerint, Dominus Burggravius et Dominus de Truheding de portionibus suis in bonis quondam ducis tantum deberent dare dieto Hermanno comiti, quod porcio sua singulis eorum porcionibus aequalis fiat. Schiedspruch v. J. 1260 in Oetter’s Zw. Vers. S. 309. Spiels Nebenst. II, 151. Falk Cod. dipl. 59. Koebhler a. a. O. S. 61. (°) Von Lancizolle Gesch. der Bild. des Preufs. Staats I, 125. 157. (°*) Dies ergiebt zufällig eine Urkunde vom 28. Juli 1265, worin Fridericus dei gr. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 141 Zu dieser Erwerbung aus dem Mer schen Nachlasse, durch die Burg- graf Friedrich III. seinen Stammbesitz vergröfserte, war inmittelst auch noch das Schlofs Kreusen gekommen, das König Konrad IV. im Jahre 1251 auf Bitten des Burggrafen und dessen Gemahlin, „der vielgeliebten Muhme des Königs”, dem Burggrafthume hinzufügte (°°). Wie die Ehe des Burggrafen Friedrich III. mit der Herzogin Elisabeth von Meran ihm die Hoffnung versagte, seine in dieser Weise stattlich ver- gröfserten Besitzungen auf Söhne zu vererben und wie der Wunsch, die Lehnssuccession seinen Töchtern zuzuwenden, ihm ein besonderes Interesse bei der Besetzung des Römischen Königsthrones gab, ist bereits in einer an- dern Abhandlung von uns dargestellt und darin zugleich nachgewiesen, dafs der Graf Rudolph von Habsburg dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg vorzüglich seine Erhebung zur Königswürde und den wirksamsten Beistand zur Begründung der Österreichischen Hausmacht, so wie überhaupt die treu- este Hingebung und ununterbrochene Beihülfe in der Führung der Reichsre- gierung bis an des Königs im Jahre 1191 erfolgten Tod, zu danken hatte; Burgravius de Nurenberch et Elizabeth Burgrauia Conjuges — proprietatem opidi nostri in Baierut cum omnibus proprietatibus eidem attinentibus et circumiacentibus, quas ex suc- cessione pie memorie Ottonis Ducis Meranie vel aliunde habuimus, videlicet castris, hominibus etc. — Et castrum nostrum Chadolspurch cum omnibus proprietatibus et iuribus eidem attinentibus — monasterio Sanctorum Martirum Viti, Sulpicii et Seruiliani in Elwange dedimus — et easdem proprietates iam dictas in feodo recepimus ab eodem — filiam nostram Mariam et conjugem suum Ludwicum filium nobilis viri Comitis Ludwici de Otingen in omni eodem feodo heredes nobis instituentes. Urk. in Stillfrieds Mon. Zoll. I, 106. 108. Oetter II, 350. 361. Köhler de duc. Mer. $. 22. Schütz Corp. hist. Br. IV, 86. 90. 92. Falk Cod. dipl. 63. 163. Struve de Allod. imperii 206. 207. — Nach einer Ver- muthung des gründlichen Verfassers der Geschichte der Bildung des Preulsischen Staates (E. W. von Lancizolle I, 126) stand auch die Verleihung von Hof als Reichslehen an Frie- drich und dessen Gemahlin mit der Meranschen Succession in Verbindung. — Unbegründet ist es jedoch, wenn Oetter (II, 274) auch von Kadolzburg behauptet, es sei aus der Meran- schen Succession an die Burggrafschaft gekommen. Die oben hervorgehobene Urkunde selbst steht dieser Annahme entgegen. (°) Conradus d. g. Kom. in Regem El. — supplicationibus Friderici Burgrauii de Nurm- bere eiusque uxoris karissime neptis nostre fauorabiliter inclinati tam ipsis quam suis pueris procreatis ab eis vel amodo procreandis castrum nostrum Crusen cum omnibus suis pertinen- tiis in rectum feodum duximus concedendum — ap. Munchen — mense octobris — Urk. v. J. 1251 in Stillfried’s Mon. Zoll. I, 56. Schütz Corp. hist. Br. IV, 80. Histor. Norimb. dipl. 125. Mon. Boica XXX, I, 318. Falkenstein Cod. dipl. 56. 442 Rırven: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses während das dem Burggrafen vo dem Könige ertheilte Zugeständnifs weib- licher Succession in die Burggrafschaft seinen Werth dadurch verlor, dafs dem Burggrafen noch in höherem Lebensalter aus einer mit der Herzogin Helena von Sachsen eingegangenen zweiten Ehe neben einer Tochter Anna die Söhne Johann und Friedrich geboren wurden, von denen der letztere das burggräfliche Haus fortsetzte. In diesen Beziehungen des Burggrafen zu dem Könige Rudolph ist zugleich der wichtigste Theil seiner Thätigkeit dargelegt, so weit davon Kenntnifs auf unsere Zeit gekommen ist, und hier daher nur noch wenig über seine letzte Lebenszeit nachzutragen nöthig. Nach Rudolphs Tode nahm der Burggraf an den Reichsgeschäften weiter keinen Theil. Obwohl Rudolphs Nachfolger, der König Adolph aus dem Hause Nassau, dem Burggrafen grofse Anerkennung erwies und sich durch die Vermählung seines Sohnes mit Friedrichs jüngster Tochter den Burggrafen auch verwandschaftlich zu verbinden suchte, so blieb dieser doch den Regierungsgeschäften des neuen Königs beharrlich fern. In stiller Zu- rückgezogenheit scheint er auf der Kadolzburg seiner Familie und seinen Hausangelegenheiten gelebt zu haben. Bei der hohen Altersstufe, worauf der Burggraf stand, konnte er sich jedoch nicht mehr lange des Heranwachsens seiner Söhne zu männlichen Jahren erfreuen. Die immer mehr wahrnehmbare Abnahme von Spuren seiner Thätigkeit verräth, dafs des Burggrafen Lebenskräfte schwanden. Im Jahre 1296 glaubte er sich wohl dem Lebensziele nahe, da er am 7. März unter Zuziehung seiner Gemahlin Helena und seines ältesten Sohnes Johann für sich und seine ihm vorangegangene erste Gemahlin Elisabeth bei dem Kloster Langheim eine Gedächtnifsfeier stiftete (°°). Diesen Act der Für- sorge für sein Seelenheil überlebte er jedoch etwa noch ein Jahr. Die letzten Lebenstage wurden dem würdigen Greise nicht blofs durch die Leiden des Alters, sondern auch durch Anfeindungen der Geistlichkeit verkümmert. Der Burggraf hatte sich zwar gegen das Interesse geistlicher Stifte keineswegs gleichgültig erwiesen, vielmehr dieselben bereitwillig unter- stützt, so weit es ohne Nachtheil für seine Besitzungen geschehen konnte, auch ihnen manche Schenkung zugewandt (%). Wie er den öffentlichen (°°) Stillfried Mon. Zoll. I, 199. Schütz Corp. hist. IV, 156. (°) Der Burggraf Friedrich III. nahm z. B. folgende Schenkungen an geistliche Stifte bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 143 Gottesgienst achtete, zeigt namentlich die Einrichtung, welche er wegen der Burgcapelle im burggräflichen Schlosse zu Nürnberg traf. Diese dem heili- gen Georg geweihte Capelle incorporirte er dem dortigen St. Ägidienkloster indem er den Abt dieses Stiftes für immer währende Zeiten zum Obercaplan des burggräflichen Hauses bestellte und dabei bestimmte, dafs bei seinem und seiner Nachkommen Aufenthalte im Nürnberger Schlosse alle Tage und in seiner Abwesenheit dreimal in der Woche von dem Abte und seinen Mön- chen Gottesdienst gehalten werde (°°). Doch that der Burggraf mit solchen Einrichtungen der Geistlichkeit nicht genug, wie er denn allerdings mehr am Erwerben und Zusammenhalten, als am Verschenken und Veräufsern seine Freude fand. Dazu kam die Vorliebe, mit welcher sich der Burggraf den Minoriten- orden zuneigte. Zwei Minoriten umgaben den Burggrafen in seinen letzten vor. Dem Bischofe von Eichstadt schenkte er im Jahre 1265 zu seinem Tafelgute Besitzun- gen zu Hadwarsdorf und Brunst, die ihm für 154 Pfund von des Bischofs Vorfahren ver- pfändet waren, behielt jedoch sich, seiner Gattin Elisabeth und seiner Schwester Adelheid den Nielsbrauch für ihre Lebenszeiten daran vor (Oetters Burggr. Zweit. Vers. 460. Histor. dipl. Nor. 155. Stillfrieds Mon. Zoll. I, 111). Unter Vorbehalt des Niefsbrauches für die zuletzt genannte Fürstin schenkte er dem Kloster Heilsbronn im Jahre 1269 einen Hof in Oberndorf mit der Bestimmung, dals die Einkünfte zu einer Pitanz verwendet würden, die an den Jahrestagen seiner Mutter, seiner Gattin, seiner Schwester und seiner selbst dem Convente gereicht werde (Oetter a. a. ©. 555. Hist. dipl. Nor. 164. Stillfried a. a. O. 121). Für seinen verstorbenen Schwager, den Herzog Otto von Meran, verordnete er am 25. April 1283, dafs jährlich dem Capitel des Hochstifts Bamberg 2 Pfund Heller aus den zu Bayreuth aufkommenden Zolleinkünften gezahlt würden (Stillfried a. a. ©. 152); dem Stifte der Cla- rissinnen in Nürnberg überliels er im Jahre 1285 einen Wald, welcher bei einem ehemaligen, Berge genannten Schlosse lag und zu den Lehnen des Bischofs von Bamberg gehörte (das. S. 159). In demselben Jahre verzichtete er zu Gunsten des Klosters Waldsassen auf das der Burggrafschaft zuständige Recht, von einem dem Kloster zugehörigen Weinberge jähr- lich einen Krug Wein zu fordern (das. 163). Endlich überliefs er am 7. März 1296 dem Kloster Langheim zu der Gedächtnifsstiftung seiner Gemahlin Elisabeth vier Höfe in vier verschiedenen Dörfern bei Bayreuth. (Note 96). Vielfältig verzichtete der Burggraf aufser- dem zu Gunsten geistlicher Stifte auf seine lehnsherrlichen Rechte über Besitzungen, welche von seinen Vasallen und Ministerialen für fromme Zwecke aufgegeben wurden. (°°) Oetters Zweiter Versuch 215. — Wegen dieser Incorporation der Burgcapelle kommt der Abt Johann des Aegidenklosters auch noch in einer Urkunde vom 25. Aprill 1295 als Caplan des Burggrafen vor. Das. S. 709. 144 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Lebensjahren als Beichtväter (°°). Gewifs billigte er daher die dem Clerus und den übrigen Mönchsorden so bedenklichen Grundsätze der Minoriten, welche den wahren Nachfolgern Christi überall kein Eigenthum auf Erden zu haben gestatteten, selbst nicht an dem Bissen im Munde. Was der thatkräftige Mann den geistlichen Stiften nicht gewährt hatte, suchten diese zuletzt von dem lebensmüden Greise zu erzwingen. Es trat eine Reihe von Ansprüchen verschiedener geistlicher Stifte auf Besitzungen hervor, welche der Burggraf inne hatte. Einige dieser Forderungen wurden durch Vergleich beseitigt, indem der Burggraf die streitigen Rechte aufgab. Also kam z. B. im Mai 1296 mit dem Kloster Theris (1%) und im Januar 1297 mit dem Kloster Ahausen (!°!) unter dem Beistande der Beichtyäter des Burggrafen ein Vergleich zu Stande, worin der Burggraf zugleich erklärt, dafs er in seinem Innern standhaft daran arbeite, mit Hülfe der Gnade Got- tes, das Heil seines innern Menschen zu retten und sein Gewissen zu reinigen. Doch konnte er nicht alles Geforderte gewähren. Die Geistlichkeit scheuete daher nicht den Versuch, den gleichsam schon mit einem Fufse im Grabe stehenden Greis durch die Androhung von kirchlichen Strafen zu er- schüttern, welche ihn nach seinem Tode noch treffen würden. Am 13. April 1296 wird dem Abte zu Heilsbronn im Namen des Erzbischofes von Mainz geboten, dem Burggrafen kein Begräbnifs zu verstatten, bis der klö- sterliche Convent zu Steinach wegen gewisser Ansprüche zufrieden gestellt sein werde (!"2). Einige Monate später, am 14. August 1297 erfolgte der Tod des Burg- grafen (!%). Welchen Erfolg die kirchliche Anordnung nun hatte, die ihn der Vereinigung mit seinen selig verstorbenen Vorfahren an geweihter Stätte zu berauben drohte, ist nicht sicher zu bestimmen. In einem der Fenster des Chores der Klosterkirche zu Heilsbronn befindet sich ein kostbares Glas- gemälde, das allem Anscheine nach auf diesen Burggrafen Bezug hat. Es (°) Bruder Johann und Bruder Jordan, die Beichtväter des Burggrafen, werden in den unter 100 und 101 citirten Urkunden genannt. ('%) Schütz Corp. hist. IV, 156. Stillfried Mon. Zoll. I, 199. ('°') Stillfried Mon. Zoll. I, 200. ('%) Langs Reg. IV, 645. (‘®) Vgl. die Abh. Rudolph v. Habsburg u. Burggraf Friedrich. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 145 scheint der künstlerischen Ausführung nach dem Anfange des 14. Jahrhun- derts anzugehören, stellt in der Mitte den am Kreuze sterbenden Heiland und am Fufse des Kreuzes auf der einen Seite einen bejahrten Mann im grü- nen Wamms mit rothem Oberkleide und gelben Schnabelschuhen mit langem herabhangenden Haupthaar, unter der Überschrift „Fridericus”, auf der andern Seite zwei weibliche Figuren, eine ältere und eine jüngere, mit der Über- schrift „Due domine Pur.” (die zwei Burggräfinnen) dar. Alle drei Figuren sind im Gebete, mit aufgehobenen Händen, der Burggraf knieend, dem Kreuze zugewandt, und über jeder der beiden Gruppen liegt das Zollernsche Wap- penschild (!%%). Dies Weihgeschenk hat die Annahme veranlafst, dafs sich unter diesem Glasfenster und einem dort liegenden mit keiner Inschrift ver- sehenen Leichenstein die Begräbnifsstätte Friedrichs befand, seine Leiche also doch in Heilsbronn bestattet wäre. Dagegen aber spricht es, dafs keine der Frauen, welche den Burggrafen in seiner letzten Lebenszeit umgaben, nämlich weder seine Gattin Helena, noch seine Tochter Anna, noch seine Schwester Adelheid, sich ihr Grab in Heilsbronn bestellen liefs, sondern dafs alle drei das Minoritenkloster zu Nürnberg zum Begräbnifsorte wählten; so wie ferner, dafs auch nach dem Todtenkalender des Stifts Heilsbronn (!%) weder der Jahrestag dieses Burggrafen Friedrich, noch der seiner zweiten Ge- mahlin, in diesem Stifte gefeiert wurde. Das Stift hat den Burggrafen der Fürbitte für sein Seelenheil also wohl nicht für würdig gehalten. — Anders, als die Heilsbronner Mönche, mufs jedoch die Geschichte über den verewigten Burggrafen richten. Nach Allem, was über ihn auf unsere Zeit gekommen ist, erscheint Friedrich als ein besonders denkwürdiger Herr, der sich nicht nur um sein Haus und sein Burggrafthum, sondern auch um das Deutsche Reich und um das Haus Habsburg grofse Verdienste erwarb. In Beziehung auf sein Burggrafthum und den väterlichen Grundbesitz machte er die grofsen Veräufserungen wieder gut, wodurch Conrad’s IV. Freigebigkeit den letztern geschwächt hatte. Aufser der bedeutenden Er- werbung, wozu ihn die Erbansprüche seiner Gemahlin Elisabeth hinführten, (‘®) Abbildungen des Denkmals findet man bei Hocker Hailsbronn. Antiquitätenschatz S. 3 und in ganz vortrefflicher Ausführung in des Freiherrn von Stillfried Alterthümern und Kunstdenkmalen des Hauses Hohenzollern. ('®) Der Todtenkalender des Stifts in Jung’s Miscell. II, 32—46 gedenkt nur der Mut- ter Friedrichs und seiner ersten Gattin. Philos.- histor. Kl. 1854. 28 146 Rırveu: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses sind etwa vierzig einzelne Erwerbshandlungen von ihm bekannt, die meistens mehrere Ortschaften oder gröfsere Gütercomplexe betrafen (!%6). Und diese bedeutenden Erwerbungen verdankte er nicht der Gunst seines königlichen (‘%) Die Verleihungen, welche der Burggraf vom Könige Rudolph empfing, sind in der im Jahre 1852 mitgetheilten Abhandlung über Rudolph von Habsburg und den Burggrafen Friedrich III. Note 71 zusammengestellt. Dazu kommen die folgenden Erwerbungen. Schon im Jahre 1265 erscheint der Burggraf als Pfandbesitzer bischöflich-Eichstädter Güter (Oetter’s Zweiter Versuch S. 461. Hist. Nor. dipl. 155. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 114). Bischof Con- rad von Freisingen belieh ihn am 21. Febr. 1270 mit den Besitzungen zu Übesfeld in Öster- reich, welche früher Heinrich von Seefeld von dem Bisthume zu Lehn getragen hatte (Schütz Corp. hist. IV, 97). Im Jahre 1277 verliehen dem Burggrafen Bischof Conrad von Frei- singen die durch Marquard Prinhausens Tod (Stillfried’s Mon. Zoll. I, S. 132. Schütz Corp. IV, 113. Jungs Misc. II, 114) und Bischof Berthold von Bamberg die durch den Tod Ulrichs von Ortelesdorf (Schütz Corp. hist. IV, 108. Stillfried Mon. Zoll. I, 134) ihren Kirchen erledigten Lehngüter: und Bischof Hildebrand von Eichstädt verschrieb ihm im nächsten Jahre die Eventualsuccession in die Stiftslehne der Edlen von Haideck (Stillfried Mon. Zoll. I, 135), Bewilligungen, welche bei geistlichen Stiften nicht ohne reichliche Compensation vorzukommen pflegten. Von Kraft von Hohenloh kaufte er 1277 für 200 Marck dessen Besitzungen im Dorfe Bernsfeld (Stillfried Mon. Zoll. I, 133. Schütz Corp. hist. U, 26). Von seinem Schwiegersohne Grafen Ludwig von Oettingen übernahm er i. J. 1280 das Schlols Dachspach als Pfand mit der Berechtigung es für 500 Marck zu kaufen (Schütz Corp. bist. IV, 117. Stillfried Mon. I, 138) und liels er sich im Jahre 1281 sein Eigenthum an den zum Schlosse Winsbach gehörigen Gütern abtreten (Stillfried Mon. I, 143). Bischof Berthold von Würzburg verkaufte dem Burggrafen im J. 1281 mit Vorbehalt des Rückkaufs in den nächsten 12 Jahren die Dörfer Burgbernheim und Herbolzheim für 300 Mark Silber und 730 Pfd. Heller und bestätigte ihm am 27. Dez. 1283 die von dem Grafen Friedrich von Truhendingen wiederkäuflich erworbene Vogtei Bernheim, welche von dem Bisthume zu Lehn ging (Stillfried Mon. I, 144. — Schütz Corp. IV, 130). Schon im Jahre 1281 ver- pfändete auch der Landgraf von Leuchtenberg dem Burggrafen für ein Darlehn das Schlols Rauhen-Culm, welches er dem Burggrafen demnächst mit den Dörfern Folchendorf und Hausen, einem Hofe in Markersdorf und der Vogtei in Spichersdorf ganz aufliels (Stillfried Mon. I, 141. Schütz Corp. IV, 119. 124). Später (1284) überliels derselbe Landgraf dem Burggrafen noch fast alle seine übrigen Mannlehne, die er vom Reiche (Stillfried Mon. I, 155. Nr. CXX. S. 158.. CXXIIIL. Schütz Corpus IV, 130) und von den Bithümern Regensburg (Stillfried Mon. I, 156 Nr. CXXI. Ried. Cod. dipl. Reg. I, 600) und Bamberg (Stillfried Mon. I, 157. Schütz Corp. IV, 130) besals, wozu namentlich die Schlösser Werdenberg und Blienstein gehörten. Inzwischen hatte der Burggraf i. J. 1282 noch Besitzungen er- kauft, welche Ulrich und Hermann von Hurnheim, genannt von Katzenstein, als Reichslehne zu Iggelnheim inne hatten (Stillfried Mon. Zoll. I, 147) und waren ihm i. J. 1283 vom Hochstifte Bamberg die durch den Tod des Grafen Gebhard von Herzberg erledigten Lehne, mit Ausnahme der in Österreich gelegenen (Stillfr. Mon. Zoll. I, 155), so wie die Lehns- gerechtigkeiten über das an Berchtold von Heidelbach verliehene Dorf Tuchenbach (Stillfried bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 147 Freundes, nicht dem damals so gewöhnlichen Ansichziehen von Reichsdo- mainen oder der Beraubung seiner Nachbaren, sondern sie wurden gröfsten Theils mit baarem Gelde erkauft. Mon. Zoll. I, 158 Nr. CXXIV) conferirt. Im Jahre 1285 resignirte ihm Friedrich von Walbot seine väterlichen Besitzungen in Neustadt (Schütz Corpus IV, 134. Stillfried Mon. Zoll. I, 164). Nach einer Urkunde vom Jahre 1287 hatte er vom Bisthum Bamberg Ro- stall und andere Besitzungen pfandweise inne (Stillfried Mon. Zoll. I, 169) und nach einer Urkunde des folgenden Jahres verkaufte ihm Heinrich von Tanne den Besitz des Schlosses Tanne (Burgthann) für 1000 Pfd. Heller mit Vorbehalt eines zweijährigen Auslösungsrechtes (Stillfried Mon. Zoll. I, 172). Im Jahre 1289 erwarb er von dem Bischofe von Eichstädt und dem Grafen von Hirzberg die vogteilichen Rechte über Ferrinden (Stillfried Mon. Zoll. I, 174) und im Jahre 1290 kaufte er von seinem Neffen dem Grafen Hermann von Orlamünde für 400 Mark Silber das Schlols Zwerniz (Sanspareil) und Besitzungen in Wei- kersdorf. Das Schlols Beierbach überliefs am 23. Dez. 1290 die Wittwe Friedrichs von Hohenloh dem Burggrafen in Gegenwart des Römischen Königs mit der Bestimmung, diese Burg ganz abzutragen und den Platz im Besitz zu behalten (Schütz Corp. hist. IV, 144). Vermuthlich war die Feste zu Friedensbrüchen gemilsbraucht. Für den von seinem Bruder zu diesem Verkaufe zu beschaffenden Consens setzte Graf Hermann dem Burggrafen Plassenburg mit der Stadt Kulmbach zum Pfande, beschaffte jedoch den Consens, und hob dadurch diese Verpfändung wieder auf (Stillfried Mon. Zoll. I, 175—177. Schütz Corp. hist. IV, 141). Den Pfandbesitz des Schlosses Falkenberg, welches der Burggraf vom Landgrafen Gebhard von Leuchtenberg für 600 Pfund Heller inne hatte, überliels er im J. 1291 dem Kloster Waldsassen (Stillfried Mon. Zoll. I 179 Nr. CXLII und S. 180 Nr. CXLIV). Dagegen erkaufte er i. J. 1291 von Engelhard Nothaft von Wildstein in Gegenwart des Königs Rudolph zu Cadolzburg Besitzungen in Braunersgrün, Stemmas, Biebersbach, Thiersheim und Oberreuth unter dem Zugeständnisse des Wiederkaufs für 200 Pfund Heller und 50 Mark (Schütz Corpus IV, 145. Stillfried Mon. I, 179 Nr. CXLIM). Auch trat ihm in demselben Jahre der Comthur der Deutsch-Ordens-Comthurei zu Eger den Hof Scheckendorf ab wegen einer Gnade, welche der Burggraf dem Comthur bei dem Könige Rudolph erwirkt hatte (Schütz Corpus IV, 146. Stillfried Mon. I, 181). Im Jahre 1292 kaufte er von den Erben des Vogtes Wolfram von Dornberg dessen an Burg und Stadt Winspach besessenen An- theil (Stillfried Mon. I, 184. 185). Diesen Erwerbungen fügte endlich der Römische König Adolph im Anfange seiner Regierung die dem Reiche erledigten Lehne Heinrichs von Lie- benstein hinzu. Der neue König suchte sich dadurch wohl der Gunst dieses im Reiche so hoch geschätzten Edlen zu versichern, dessen Verdienste die darüber ausgestellte Urkunde vom 11. September 1292 mit schmeichelhaften Ausdrücken anerkennt (Stillfried Mon. Zoll. L, 187. Schütz Corp. hist. IV, 151). Da dies Verzeichnils der Erwerbungen des Burggrafen, deren Summe immer schon be- trächtlich ist, keineswegs für vollständig angenommen werden darf, vielmehr nur die zufällig bekannt gebliebenen Erwerbungen umfalst; so darf darnach entschieden auf eine grolse Er- weiterung geschlossen werden, welche die burggräflichen Besitzungen durch dergleichen An- käufe und Verleihungen unter dem Burggrafen Friedrich III. erfuhren. (Eine Menge von T2 148 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses Mit welcher Auszeichnung Burggraf Friedrich dem Reiche diente und wie aufopfernd er die Hausmacht der Habsburger gründen half, ist schon anderswo dargethan. Gewifs ist es ein wahrhaftes Zeugnifs, was König Adolph dem Burggrafen ausstellt, indem er von ihm bemerkt, der Burggraf habe sich mannigfaltig und in den verschiedensten Weisen köstliche, glän- zende Verdienste um das Reich und Anspruch auf Dankbarkeit des Reichs- oberhauptes erworben (!°”). Seinem Scharfsinn und seiner Gerechtigkeits- liebe huldigten auch die Zeitgenossen dadurch, dafs in streitigen Rechtsange- legenheiten überaus häufig auf die Entscheidung des Burggrafen compromit- tirt wurde (19). Erwerbungen, welche von Geschichtsschreibern aufgeführt werden (vgl. v. Lancizolle Bild. d. Pr. Staats I, 145) sind hier ganz unerwähnt geblieben, weil selbige nicht urkundlich zu er- weisen sind.) Zählt man dieselben den ursprünglichen Zubehörungen der Burggrafschaft und den ererbten Allodialgütern Friedrichs, so wie dessen früher bereits erwähnten Erwerbungen an ehemals Meranschen und Hofenstaufenschen Besitzungen hinzu; so hatte Friedrich in der That schon einen ansehnlichen Territorialbesitz auf seine Nachfolger zu übertragen. Veräufserungen von Grundbesitzungen hat der Burggraf Friedrich fast überall nicht vor- genommen. Nur die Vogtei über das Kloster Steinach wurde wegen vieler Streitigkeiten, welche sie veranlalste, im J. 1293 aufgegeben. (Nos Conradus Burggr. de Nuremberg — profitemur — quod nos et frater noster nobilis vir Fridericus Burggrauius et heredes nostri nihil juris habemus in aduocatia Monasterii in Steinach — omni juri, quod nobis competere videbatur in premissa advocatia renunciantes — Gotfrido abbati. Schultes histor. Schriften II, 372.) Dazu kann man die Note 97 erwähnten, durch die herrschende religiöse Ansicht der Zeit gebotenen Schenkungen an geistliche Stifte rechnen, worin er jedoch strenge den Grundsatz der Sparsamkeit festhielt. Die von dem Burggrafen an Prälaten vorgenommenen Lehnsaufträge, nämlich der Lehns- auftrag von Bayreuth und Kadolzburg an den Abt zu Ellwangen vom Jahre 1265 (Note 94) und ein im Jahre 1285 vorgenommener Lehnsauftrag der dem Burggrafen eigenthümlich angehörigen Orte Beppenhovesteten und Trahishovesteten an den Erzbischof von Cöln (der Lehnsauftrag ist vom Jahre 1285 zu Nürnberg datirt am 4. April, abgedruckt in Stillfrieds Mon. I, 160 und in Lacomblets Urk. Buch des Niederrheins II, 472) gehören nicht in die Klasse von Veräulserungen dieser Art. Es waren vielmehr politische Malsregeln, wodurch der Burggraf sich mittelst des Lehnsverbandes diese mächtigen Prälaten zum Beistande und besonderem Schutz verband, wozu auch, wenigstens bei dem erstern dieser Lehnsaufträge, in den damaligen Familienverhältnissen des Burggrafen eine leicht erkennbare Veranlassung gegeben war. ('”) Pretiosa merita graciarum, quibus Nobilis Fredericus Burggrauius de Nurenberg erga nos et sacrum imperium multifariam multisque modis dinoseitur enitere et. Worte Königs Adolphs vom 11. Sept. 1292. in Stillfrieds Mon. Zoll. I, 187. Schütz Corp. hist. IV, 151. (WVölkern) Hist. Nor. dipl. 353. ('%) Es compromittirten z. B. auf die Entscheidung des Burggrafen: am 7. Aug. 1264 bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 149 Von einer solchen Persönlichkeit getragen mufste auch das Ansehen des burggräflichen Hauses unter Friedrich IH. bedeutend gewinnen und zu- nehmen. Schon die durch seine beiden Gemahlinnen, eine Herzogs- und eine Kurfürstentochter, angeknüpften Familienbande wiesen auf den Rang hin, welchen die Burggrafen von Nürnberg fortan im Reiche behaupten würden. „Um sich im Reiche zu befestigen”, wie die Zeitgenossen bemerken, ver- mählte König Adolph seinen Söhnen, dem einen eine Böhmische Königs- tochter, dem andern eine Tochter des Burggrafen von Nürnberg (!%). Ob Burggraf Friedrich III. höhere wissenschaftliche Bildung besessen habe, ist eine Frage, die bei dem Lichte, worin seine Person nach dem Ab- glanz ihrer 'Thätigkeit erscheint, füglich auf sich beruhen könnte, hätten nicht neuere Geschichtsschreiber bald umfassende gelehrte Bildung ihm zugeschrie- Pfalzgraf Ludwig und Bischof Berthold von Bamberg wegen der Lehne, welche Conradin vom Hochstifte Bamberg empfangen sollte (Langs Reg. II, 233. Stillfried Mon. Zoll. I, 104.) Pfalzgraf Ludwig Herzog in Bayern am 16. Jan. 1273 wegen seiner Streitsachen mit dem Erzbischofe von Mainz (Acta Palat. VI, 322) Graf Rudolph von Habsburg am 22. Sept. 4273 in seinen Streitigkeiten mit dem Bisthume Basel (Oetter II, 40 Hergott gen. dom. Habs. III, 436) Pfalzgraf Ludwig Herzog in Bayern am 8. Dez. 1273 in seinen Streitigkei- ten mit dem Erzbischofe von CGöln (Lacomblet Urkunden-Buch z. Gesch. des Niederrheins II, 378. 379) im Jahre 1277 Herdegenus von Grindelach und der Bischof Berthold von Bam- berg wegen des Schlosses Ahorn (Stillfried’s Mon. Zoll. I, 132) Landgraf Gebhard von Leuchtenberg und das Kloster Waldsassen wegen eines Streites über Schadenersatz am 17. April 1280 (Stillfried Mon. Zoll. I, 140) das Domcapitel zu Eichstadt und der Burggraf Conrad im J. 1282 wegen des Patronates zu Pfaffenhofen (das. S. 150) die Herzöge Hein- rich und Ludwig von Bayern in den Jahren 1284, 1287 und 1288 wegen des zwischen ihnen und ihren Unterthanen stattfindenden Streites (Ried’s Cod. chr. dipl. Ratisb. I, 593. Oefele Script. II, 106-111.) Graf Friedrich von Zollern wegen Streitigkeiten aus der Wirtem- bergischen Fehde 10. Nov. 1286 (das. S. 166. Steinhofer Wirt. Chronik I, 180. Sattler Wirt. unter d. Grafen I, 10) die Herzöge Ludwig und Heinrich von Bayern wegen ge- wisser Milshelligkeit i. J. 1287 (Oefele Scriptor. Il, 104) und im Jahre 1291 die Herzöge Ludwig und Otto von Bayern (Ried’s Cod. chron. dipl. Epish. Ratisb. I, 643). In eben diesem Jahre auch der Herzog Ludwig von Bayern und der König von Böhmen wegen Eger (Ottocar bei Pez Script. II, 346.) und Bischof Arnold von Bamberg und Vogt Heinrich zu Weida wegen gewisser Besitzungen zu Schorgast im J. 1293 (Böhmer’s Reg. de 1245- 1313 S. 168). (‘) Adolfus, ut se in regne roboraret, fiium unum filiae Regis Bohemiae copulauit — alterum filium filiae Hainrici Purgravii de Norenberg sociauit. Anonymi Leobiensis Chron. bei Pez Script. rer. Austr. I, 869. 150 Rırver: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses ben (''°), bald ihn für einen die Wissenschaften verachtenden Analphabeten ausgegeben. Gewils verdankte Burggraf Friedrich seiner Erziehung einen Grad von geistiger Ausbildung und von Bekanntschaft mit den Wissenschaf- ten, wie damals in seinem Stande gewöhnlich war. Höhere gelehrte Bil- dung war überhaupt selten das Eigenthum von weltlichen Fürsten und Her- ren in jener Zeit, auf welche die heutige Cultur mit Hochmuth oder Mitleid herabsieht, die aber an natürlicher Geisteskraft und Tiefe des Gemüthes, womit sie den Menschen ausstattete, die unsrige vielleicht weit überragte. Zu gewagt ist es jedenfalls, dafs Friedrich ein Feind der Wissenschaften ge- wesen sei, aus der einzigen Mittheilung zu schliefsen, die dafür angeführt wird, er habe dem Könige Rudolph Vorwürfe gemacht,‘ da dieser einen Bür- ger Strafsburgs, der ihm ein Geschichtswerk überreichte, nicht nur mit Gold reichlich beschenkte, sondern auch mit einer goldenen Ehrenkette schmückte, die er sich selbst vom Halse nahm (!!!). Nicht minder erscheint es aber als zu gewagt, dafs der Burggraf nicht habe schreiben können, allein aus dem Umstande zu folgern, dafs eine Urkunde König Rudolphs vom 14. Febr. 1279, von den anwesenden Geistlichen und von den Söhnen des Königs eigenhändig unterschrieben wurde, während der Burggraf von Nürnberg, gleich dem Mark- grafen von Hochburg und dem Grafen von Fürstenberg, sich zur Unter- schrift der Hand seines Notars bediente (!'?). Den Burggrafen Friedrich III. überlebten aus seiner zweiten Ehe aufser den beiden Söhnen Johann und Friedrich, die ihm folgten, eine Toch- ter Anna, die schon am 3. Januar 1297 als Gemahlin des Grafen Emmicho von Nassau erscheint, diesem mehrere Knaben gebar und 1353 starb (!'3). ('°) Schillings Gesch. des Hauses Hohenzoll. S. 323. ('''!) Oetters Zweit. Versuch S. 126-128. (''?) Böhmers Reg: v. d. J. 1246-1313 S. 98. (''?) Unter den Zeugen der Urkunde vom 3. Jan. 1297 erscheint Domina Anna de Nas- sawe (Stillfrieds Mon. Zoll. I, 200 nach Oetter II, 236 Anna de Passawe): in einer Ur- kunde der Burggräfin Helena vom 28. Mai 1299 heilst sie „unser liebe Tochter Anna von Nassav” (das. S. 205): in einer Urkunde aus dem August desselben Jahres heifst sie nobilis Domina Anna soror spectabilis viri Johannis Burggrauii de Nurenberg ac nobilis viri Emichonis Comitis de Nassowie uxor das. S. 209 und bei Oetter, dritter Vers. S. 158. und in einer andern $. 170 daselbst mitgetheilten Urkunde filia quondam Friderici illustris Burg- grauii de Nurenberg. Ausführlich hat Oetter a. a. O. von ihr, von ihrem Gemahl und von ihren Kindern gehandelt. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 151 Von den drei Töchtern der ersten Ehe des Burggrafen war die älteste, Maria, dem Grafen Ludwig von Öttingen; Adelheid, die fühere Verlobte des Gra- fen Johann von Burgund, dem Grafen Heinrich von Castell, und Elisabeth anfangs einem Edlen von Schlüsselberg und nach dessen Tode, wie es scheint, einem Edlen von Hohenlohe vermählt ('!*). Helena, die Wittwe des Burggrafen, widmete die ihr noch beschiedene Lebenszeit der Andacht (‘*) Eine Urkunde des Burggrafen Friedrich vom Jahre 1269 gedenkt der trium, quas tune habuit filiarum (Stillfried Mon. Zoll. I, 121. Histor. Nor. dipl. 58). Adelheid wird schon 1255 in den über Burgund abgeschlossenen Verträgen erwähnt: dennoch erscheint die im Jahre 1262 zuerst und neben der Adelheid genannte Tochter Maria als die älteste. Maria war schon 1265 an Graf Ludwig von Oettingen vermählt filiam nostram Mariam et et coniugem suum Ludwicum filium nobilis viri Comitis Ludwiei de Otingen. (Schütz Corp. hist. IV, 86. Falkenstein Cod. dipl. 63. Stillfried’s Mon. Zoll. I, 106) Adelheid ercheint noch 1272 unvermählt (Stillfried Mon. Zoll. I, 123. Spiels Aufklärungen 209. Schütz Corp. hist. IV, 98.), doch im Jahre 1274 als Comitissa de Castel et Heinricus maritus ejus, ob- schon noch ohne Kinder. Oetter Zw. Vers. S. 282. Dals ein von Schlüsselberg dritter Schwiegersohn Friedrichs war, erkennt man aus einer Urkunde Königs Rudolph vom 17. April 1280 worin dieser ein Compromils bestätigt, worin nobiles viri F. Burgravius de Nu- renberg et de Sluzelberg gener suus fidelis nostri dileeti das Schiedsrichteramt versahen (Stillfried’s Mon. Zoll. I, 140). Nach Oetter war der dritte Schwiegersohn Friedrichs Graf Gottfried von Hohenlohe. Doch bei dieser Annahme stützt er sich nur auf eine Verfäl- schung der oben erwähnten Urkunde vom Jahre 1269, worin nach den Worten consensu trium quas tunc habuit filiarum, bei Oetter II, 555 die Worte eingeschoben sind: nec non Ludowici comitis iunioris de Oetingen ac Gotfridi junioris de Hohenloch, qui sunt generi Burcgravii. Vielleicht ist auch ganz erdichtet die Urkunde vom Jahre 1298, welche Oetter I, 373. mittheilt, worin die Gebrüder Gottfried und Albrecht von Hohenlohe allen Ansprü- chen auf Baireuth und auf alle Erbgüter entsagen, welche „vnser Anherre (sic) Burgraue Friderich von Nürnberch von vnser Anfrauwen zu erbtail angeviel uon dem Herzogen von Meran.” Freilich aber wird uns glaubhaft von einer noch ungedruckten Urkunde des Baye- rischen Reichsarchives vom 13. Juli 1326 berichtet, worin Kraft von Hohenloh, den Burg- grafen Friedrich IV. seinen Schwager nennt (Freiberg’s Regesta Boica VI, 201) was auf die Annahme einer zweiten Vermählung der an den von Schlüsselberg verheiratheten Toch- ter Friedrichs IH. mit einem Edlen von Hohenloh hinführt. — Unbekannt ist der Vor- name des von Schlüsselberg oder Schlüsselburg, der Elisabeth zur Gattin hatte. Gewils aber war es einer der beiden Brüder, welche zu den Zeugen einer vom Könige Rudolph am 13. Jan. 1276 im Familienkreise des Burggrafen Friedrich ausgestellten Urkunde gehörten. Die Zeugen derselben waren nämlich: Friedrich Burggraf von Nürnberg, Ludwig und dessen Söhne Grafen von Oettingen, Heinrich Graf von Castel und Eberhard und Ulrich Gebrü- der Edle von Schlüsselburg. Martene Thesaur. I, 1153. Mieris Charterboek I, 381. Der hier genannte Graf Heinrich von Castel wird auch in einer Urkunde des Bischofs Berthold v. J. 1283. mit seiner Gattin Adelhaid als Schwiegersohn Friedrichs bezeichnet (Stillfried Mon. Zoll. I, 153). 152 Rırven: die Ahnherren des Preufsischen Königshauses und der Verrichtung von Werken der Frömmigkeit (115). Sie wird als Stif- terin des Nonnenklosters zu Birkenfeld und als grofse Wohlthäterin des Mi- noritenklosters zu Nürnberg gerühmt. Dem letztern fiel auch nach ihrem am 12. Juni 1309 erfolgtem Tode ihr Nachlafs an beweglichem Vermögen zu . Ihr Seelgeräthe oder Testament bestellte die erlauchte Frau „mit gu- ter Betrachtung und gesundem Leibe” schon am 28. Mai 1299. Mit Voll- ziehung desselben wurden ihr Schwager, Burggraf Conrad IV., ihre Tochter Anna, der Dechant von Langenzenn, der Custos der Minoritenbrüder in Bayern, der Guardian des Minoritenklosters in Nürnberg und ihre Beicht- väter Bruder Conrad Turbrech und Bruder Conrad von Ingolstadt, ohne Zweifel ebenfalls Minoriten oder Barfüfsermönche, beauftragt. Diese, ver- ordnete Helena, sollten nach ihrem Tode ihren ganzen Nachlafs an sich neh- men, sowohl ihre Baarschaft, ihr Gold und Silber, ihre Kleinodien und übrige bewegliche Habe, als auch eine ihr angehörige Mühle zu Nürnberg (''7). Hiervon sollten sie erst ihr Gesinde lohnen und ihre sonstigen Verbindlich- keiten erfüllen; das Übrige mögten sie, in Ermangelung sonstiger von ihr selbst ausgegangener Dispositionen, dahin vergeben, wohin es ihnen am besten verwandt scheine zum Heil ihrer Seele (!'?). (5) Es werden viele Schenkungen zu frommen Zwecken ihr zugeschrieben. So in Wöl- kern’s neuen Anzeigen von verschiedenen Kaiserl. Reichsamtleuten zu Nürnberg S. 106 „In der Goldfasten Reminiscere giebt die Edle Hausfrau Helena Burggräfin einen ewigen Zins aus einem Haufs zu Nürnberg 5 Pfund neuer Heller Anno domini MCCCVT’ wahr- scheinlich dem Minoritenkloster. Oetter II, Vorrede $ 43. (''%) A. 1309. 412. Juni illustris Domina, Domina Helena, vxor Friderieci Burggravii de Nurenberg, filia Ducis Saxoniae, Fundatrix Pirckenfeldensis, quae legavit fratribus omnia cle- nodia sua cum magna et nobili elemosyna. Todtencalender des Barfülserklosters zu Nürn- berg bei Oetter III, 196. (‘'7) Die gedachte Mühle „hinter den Fleischbänken” gehörte der Burggräfin schon 1299 inhalts ihres Testaments vom 28. Mai dieses Jahres. Die Mühle war aber Reichslehn und daher wurde sie damit vom Könige Albrecht beliehen. Die Belehnung geschah erst 1307 und bei dieser Gelegenheit ist zugleich erwähnt, dafs die Burggräfin diese Mühle von dem Burggrafen Conrad IV. erkauft habe. Oetters Dritter Vers. S. 187. 188. (''%) Das Testament der Burggräfin vom 28. Mai 1299 ist in Stillfrieds Mon. Zoll. I, 205. 206 abgedruckt. bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. 153 Zugleich bestimmte die Burggräfin auch den Chor der Minoriten- Kloster-Kirche zu ihrer Begräbnifsstätte. Hier wurde seitdem jährlich der Gedenktag der frommen Fürstin mit grofser Solennität begangen und blieb bis in späte Zeıt, aufser ihrem Leichensteine, das kostbare, reich mit ihren Perlen und Kleinodien gezierte Mefsgewand erhalten, das nur an ihrem Jah- restage und bei dem Begängnifs von Seelmessen für Glieder des burggräf- lichen Hauses zur Benutzung kam. Nach ihrem Tode stiftete ihr Sohn Friedrich IV. ihr bei dem St. Ägidienkloster zu Nürnberg noch eine Gedächtnifsfeier, indem er im Jahre 1315 zu ihrem Seelenheile diesem Benedictinerstifte die Holzungsgerechtig- keit in den um Nürnberg herumgelegenen Wäldern verlieh (''?). Mit dem Ende dieser dritten Generation der Zollernschen Burggrafen von Nürnberg beginnt ein sehr leicht nachweisbarer und daher auch schon vollkommen feststehender genealogischer Zusammenhang. Der Zollernsche Ursprung der spätern Geschlechtsfolgen bedarf daher keiner Erörterung, wenn die Herkunft der ersten drei Generationen aus Zollernschem Stamme, wie wir glauben, hier erwiesen ist. ('?) Oetters Zweiter Versuch S. 672. —— ED — Philos.- histor. Kl. 1854. U « ie Am daher re hg e | a GarE a) h ' ER Be Ah i Ham arten RR Be "u I nah en in ink al ' erh ah Ki, ai: be Fi Re ER a ee ph Meer en ana KAMRereM nah Ar R real nnd Baer Der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. Von HELLO !MEYER. nn [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 20. März 1854.] ie dem Landrechte des Sachsenspiegels sind mir etwa 170 Handschriften bekannt. Etwa die Hälfte davon, genauer 84, die ich im Anhange verzeich- net habe, giebt die deutsche Glosse zu demselben, sei es mit oder ohne den Text. Sie erscheint in dieser ansehnlichen Zahl von Handschriften nicht nur mundartlich verschieden, sondern auch dem Inhalte nach vielgestaltig. Ganz für sich steht zunächst diejenige Form, welche neben der gewöhnlichen Glosse in dem Breslauer Codex (No. 17) enthalten, aus ihm in den Augs- burger Druck von 1516 aufgenommen ist. Als Umarbeitung sodann der gewöhnlichen Form läfst sich die von Nicolaus Wurm herrührende Gestalt der Nr. 28 und 52, vielleicht auch das noch nicht genauer bekannte Werk des Petrus de Polena in Nr. 18 betrachten. Ferner scheiden sich von der ursprünglichen Glosse die Zusätze des Tammo von Bocksdorf in Nr. 56, des Brand von Tzerstedt in Nr. 55, insbesondere die des Theodor von Bocks- dorf, dessen Additiones in viele Hdss. seit der Mitte des 15° Jahrhunderts und in fast sämmtliche Drucke übergegangen sind. Aber auch nach diesen dreifachen Sonderungen bietet die zurückbleibende Masse noch grofse Man- nigfaltigkeit in Gehalt und Lesarten dar. Diese Varietäten sind bis jetzt wenig erkundet. Es fehlt eine kritische Behandlung der Glosse, sei es über- haupt oder einer ihrer Recensionen ganz und gar. Denn dazu bietet schwer- lich auch nur einen Anfang, wenn Gärtner in seiner Ausgabe des sächsischen U2 156 Homeyver: Landrechts 1732, laut $ 13 des Vorberichts aus der Glosse einige Irrthümer und Zusätze der neuern Ausgaben mit Benutzung des Druckes von 1474 und zweier Hdss. entfernt hat. Jener Mangel darf aber nicht Wunder nehmen. Ist man doch für den Text des Landrechts selber noch nicht zu einer Beherr- schung des handschriftlichen Stoffes gelangt. Nun übertrifft der Umfang der Glosse den des Textes wohl um das drei- bis vierfache, und diesen weit- schichtigen Inhalt ferner sehen wir meist von den für uns unersprieslichen Streben erfüllt, den Sachsenspiegel durch römisches und kanonisches Recht zu erläutern, während Belehrungen aus dem heimischen Leben und Gerichts- gebrauche des Mittelalters nur hie und da begegnen. Das sind Umstände, welche mit jener beträchtlichen Zahl von Handschriften verbunden auch ge- genwärtig jede Aussicht auf ein nahes ernstliches Angreifen der Glosse ver- schliefsen. Besser steht es mit den Voruntersuchungen über den Autor der Glosse, die Zeit, Gegend, Sprache der ursprünglichen Abfassung. Das Hauptver- dienst gebührt hier dem trefflichen Christian Ulrich Grupen. Seine Vor- arbeiten zu der leider nicht verwirklichten Ausgabe des Sachsenspiegels sammt Glosse führten ihn zur Erörterung auch jener Fragen. Nun hatte zwar sein „Tractat von den sächsischen Rechtsbüchern”, der im Cap. 6 die Glosse behandelt, das seltsame Mifsgeschick, dafs der Buchdrucker die seit 1747 gedruckten 24 Bogen als Maculatur verkaufte und dann entwich. (!) Doch veröffentlichte Grupen später einiges aus seiner Arbeit in den Hanno- verschen gelehrten Anzeigen von 1751, in der Vorrede zum holländischen Sachsenspiegel 1763, so wie im Hannoverschen Magazin 1765 (wieder abge- druckt in Schotts Samml. zu den D. Land- und Stadtrechten 1773. II 201 ff.). Und im J. 1822 theilte Spangenberg in den Beiträgen zu den D. Rechten des MA. aus dem an das OAGericht zu Celle gekommenen Nachlasse Gru- pens den gedruckten wie den noch handschriftlichen Theil des Tractates im wesentlichen mit. (') Einige Exemplare wurden doch gerettet. Aufser dem eigenen Grupenschen ist nach Spangenberg $. 4 eins zu Dresden kurz vor 1822 versteigert worden. Der catal. librorum rariorum, quos reliquit G. A. Goethe, 2tes Heft 1835 führt gleichfalls S. 9 eins auf; ob dasselbe wie obiges? der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 157 Grupen trat hier gegen eine frühere in sich unklare Vorstellung von vielen Glossatoren (!) zuerst mit der bestimmten Behauptung auf: die Glosse habe einen Verfasser und zwar in einem märkischen Adlichen von Buch, wahrscheinlich Johann v. Buch, Heimlicher und Canzler des Markgrafen Ludwig von Brandenburg. Er habe das Werk nach 1325 in niedersäch- sischer Mundart geschrieben und noch 1335 gelebt; s. Spangenberg 29 ff., Vorrede zum holl. Ssp. 13 ff., Schott II 221 ff. Für diese Ansichten stützte sich Grupen vornemlich auf ein lateini- sches Gedicht in einer ihm gehörigen Hdschr. des lateinischen Ssp., welches er als einen Prolog des Glossators zu seiner Arbeit auffafst. Vor ihm hatte schon Gärtner, Vorbericht zum Ssp. $ 10 II, $ 13, dieses „carmen” in einer Leipziger Hdschr. bemerkt, jedoch es weder mitgetheilt noch sonst zu be- nutzen gewufst. Grupen aber gab zum Belag seiner Ausführung längere Stellen desselben, und Spangenberg 153 ff. hat es aus dem Grupenschen Codex vollständig geliefert. _ Bei frühern Forschungen nach den deutschen Rechtsbüchern ist dieser Ö Helion beginnende Prolog mir noch in vier Hdss. vorgekommen (?), nicht nur mit vielfach von dem Cod. Grup. abweichenden Lesarten, sondern auch mit einem altdeutschen Texte daneben. Ich habe es nun der Mühe werth geachtet, nach diesen Mitteln sowohl den lateinischen Text bei Spangenberg zu bessern, als auch den noch unbekannten deutschen ihm zur Seite zu stel- len. In einem Vorworte will ich von den Handschriften, von der Gestalt und dem Versuche sie wiederzugeben, von dem Inhalte, endlich von dem Verfasser des Gedichtes sprechen, welchem billig der Name eines Prologs zur Glosse gelassen werden kann. I. Die Handschriften. 1. Die Handschrift Grupens, mit seinem Nachlasse an die Bibliothek des Oberappellationsgerichts zu Celle gelangt, auf Pap., Folio, schlecht und unrein geschrieben, gehört nach Grupen dem Anfange, nach Span- (') Vgl. z. B. Gärtners Vorbericht zum Ssp. N 13; Heinecci Antiqu. I 429; Dreyer Beitr. zur Literatur des D. Rechts 160. (*) Vgl. meinen Sachsensp. I 2te Ausg. S. 8 unter V, II Abth. 1 S. 639; Verzeichnils D. Rechtsbücher 1836 S. 3. Beiläufig, dals ich dieses nicht im Buchhandel erschienene Ver- zeichnils noch einmal, vielfach berichtigt und bereichert in Druck zu geben hoffe. 158 Homesexver: genberg aber und nach der von ihm mitgetheilten Probe eher der spätern Zeit des 15°“ Jahrh. an. Sie enthält den lateinischen Text des sächs. Land- rechts, mit einigen Einschaltungen niedersächsischer Artikel statt fehlender lateinischer. Voran steht der Prolog ohne Überschrift und nur lateinisch, wie Herr OAGR. Wachsmuth zu Celle noch besonders zu bekunden die Güte gehabt hat. Spangenberg S. 10 Nr. 21, 19, 30 ff., 40, 41, 49, 104, 133; Taf. II. Mein VZ. D. Rechtsb. Nr. 70. 2. Die schon Gärtnern bekannte Leipziger Hdschr. auf der Uni- versitätsbibliothek unter Cgm. 948 aus dem Anf. d. 15. Jahrh., Pap. kl. Fol., obersächsisch, enthält auf den ersten 3 Blättern den Prolog lateinisch und deutsch vor dem glossirten deutschen Landrecht. Gärtner Vorr. zum Ssp. $ 10 IH. Mein Sachsensp. II, S. 23 Nr. 51. 3. Die Hdschr. der öffentl. Bibl. zuAmsterdam Nr. 36, Membr. gr. Fol., nieders. aus dem Ende des 14" oder Anf. des 15" Jahrh., giebt auf den ersten 7 Seiten den Prolog lateinisch und deutsch vor dem glossirten Landrecht. Archiv f. Deutsche Geschichtsk. VIII 580. Mein Sachsensp. II 1, S. 639. 4. In dem Ms. Germ. fol. 11 der K. Bibliothek zu Berlin Pap. v. J. 1423 steht der Prolog gleichfalls im Anfange vor einem glossirten Land- recht, lateinisch und niedersächsisch. Mein Sachsensp. I S. XVII Nr. 5. 5. Der früher dem Stadtrath zu Dresden gehörige, im J. 1838 an die K. Bibliothek daselbst übergegangene Codex M. 3°, Fol. Pap., etwa Mitte des 15" Jahrh., hat den Prolog Bl. 1 bis 9 vor einigen Artt. des Weich- bildes und dem glossirten Landrecht, lateinisch und obersächsisch. Nietzsche Verzeichnifs Nr. 39. Mein Verz. Nr. 109. Die Berliner, Leipziger, Dres- dener Hdss. kenne ich aus eigner Ansicht; von der Grupenschen liegen seine Auszüge und der vollständige Abdruck bei Spangenberg vor; von der Amster- damer besitze ich eine Abschrift des deutschen Textes, und eine Collation des lateinıschen mit dem God. Grupen. I. Aus diesem Apparat ergiebt sich für die Gestalt zunächst des latei- nischen Textes folgendes. Er zählt 278 Zeilen; die Zeile zu sieben Hebungen reimt sowohl in der Mitte bei dem Ruhepunkt der vierten Hebung als am Ende mit den entsprechenden Stellen der folgenden Zeile. Der Mittelreim ist ein- der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 159 zwei- auch dreisilbig, der Endreim zweisilbig. Mit solchem doppelt gereim- ten Zeilenpaar schliefst gemeiniglich der Gedanke ab. Von den fünf Hdss. dieses Textes stellen sich den Lesarten nach die Amsterdamer A, die Dres- dener D und die Leipziger Z auf die eine Seite; die Berliner B und die Grupensche G auf die andre. Diese letztere Classe ist oft verderbt, ein Paarmal fehlen unentbehrliche Zeilen, 81, 222, 240; zugleich zeigt die Über- einstimmung in diesen Mängeln, dafs sie Grupens Hdschrift, nicht etwa dem Abdruck bei Spangenberg zur Last fallen. ADZ hat hienach in der Bear- beitung des Prologs regelmäfsig den Vorzug vor BG erhalten. Innerhalb der bessern Classe zeichnet sich D einigemale aus. Hie und da hat jedoch die übereinstimmende Lesart aller fünf Hdss. den Forderungen des Sinnes oder Reimes mit Beihülfe des deutschen Textes weichen müssen, vgl. V. 61, 98, 149, 196, 216. Der in vier Hdss. vorliegende deutsche Text folgt in B und D dem lateinischen absatzweise, in 4 und Z steht er ihm rechts zur Seite. Die Verse sind wie im lateinischen Texte gebildet, doch meist die Endreime zwei- silbig, die Mittelreime einsilbig. Diesen deutschen Text nun halte ich für den nachgebildeten. Freilich nicht deshalb weil er in G fehlt, denn das ist wohl ein einfaches Weglassen, gleichwie dieser Codex vom Ssp. selber nur den lateinischen Text giebt. Aber um folgender Umstände willen. In den vier Hdss., welche beide Texte haben, geht der lateinische stets voran. Der deutsche ist mangelhafter in Rhythmus und Reim, z. B. 269, 270 ridderen und dichter; statt des erlaubten rührenden Reimes venum dedit, falsum dedit 85, 86 steht im deutschen ein unerlaubter, der dasselbe Wort velschlicken in völlig gleicher Bedeutung wiederholt (1). Ausdruck und Stellung sind im Ganzen viel künstlicher und gezwungener, vgl. 44 ff., 128 ff., 134, 143, 146, 185, 186, 204, 207, 223, 224, 241. Mehreremale wird das lateinische Wort beibehalten, punire 45, gebullirt 119, pietur 132, impugnat 178, reprobiren, appelliren 205, 206, distinguiret 215, orniret 231. YV. 134 lobt der lateinische Text an dem, V. 127, 131 illustris und dux: genannten Otto von Braunschweig, dafs bei ihm Name und Wirklichkeit stimme, denn dux est certe homini dum eum illustrabit. Der deutsche Text hat nun auch: (') W. Grimm, zur Geschichte des D. Reims, Abhdi. der K. Ak. d. Wiss. zu Berlin 1851 S. 521, 704. 160 HomeEver: he vuret in der eren schin deirluchte luchtere, aber vorher war nicht ein erlauchter Führer, sondern ein „fürstlicher” und „edler Herzog” genannt; jenes Wortspiel fehlt hier also und es wird dafür nur ein schwächeres durch Wiederholung des schin in 127 und 134 versucht. Indessen zeigt sich diese Nachbildung doch immer geschiekt genug den grofsen Schwierigkeiten gegenüber, welche das Innehalten der gleichen Strophenzahl des gleichen Versmaafses und des doppelten Reimes bot. Der Gedanke ist durchweg richtig aufgefafst, aber allerdings in freier Weise, zu- weilen klarer als im Urbilde 73, 75, 87, 88, oder mit einigen artigen Wen- dungen 108, 130, 260 wiedergegeben. Auch hat der Verfasser völlig das Verständnifs des Ganzen in seinem Zusammenhange. Er spricht schon 138, 170 von der glose, während im lateinischen nur allgemeiner ius oder opus steht; er überträgt 126, 177, 229, 278 hoc opus oder opusculum mit kleyne glose oder des spiegels apparat, giebt ferner lex, canones, speculum richtig, gleich der Glosse selber, mit keiserrecht,, geistlikes rechi, unser oder sassen recht wieder. Diese Einsicht des Nachbildners berechtigt dann auch, den deutschen Text nicht nur zur Entscheidung zweifelhafter Lesarten oder zur Erläuterung, sondern selbst hie und da zur Besserung des lateinischen zu Hülfe zu ziehen. Überhaupt dürfen wir beide Texte in gleiche Zeit setzen, ja es steht nichts im Wege, sie demselben Verfasser zuzuschreiben. Von den Handschriften des deutschen Textes ist B niedersächsisch, D und Z sind obersächsich. A ist es vorwiegend, doch mit häufiger Ein- mengung niedersächsischer Formen; neben dem gewöhnlichen daz steht auch mal dat, ferner V. 5 witlich (DL wislich, B witlik) 11 doghede, de is, 12 wre- gere, 15 plante, 16 dem dode, 23 de leve, 26 blift, 33 we de herte, 48 der gave vrome nemet he und delet yn dem swerde, 128 wortelen, 253 doch (obers. touc) etc. Den Lesarten nach stehen wiederum ADL zusammen, und zwar mit vorwiegend besserem Ausdrucke der gar sehr verderbten Hdschr. B ge- genüber. Zur Grundlage für die Herstellung des deutschen Textes fragte es sich vor allem, welche Mundart für die ursprüngliche zu halten. Die Antwort ist nicht ganz leicht. Dafs die obersächsischen Hdss. die besseren, entschei- det noch nicht; denn die Sinnlosigkeiten in B lassen sich nicht gerade auf ein Mifsverständnifs des OS. zurückführen, und von den obers. Hdss. giebt keine den Urtext, selbst die beste und leserlichste, d. i. wiederum die Dres- der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 161 dener, nicht. Sie liest z. B. schlecht 12, 46, 69, versäumt den Mittelreim (24 dich und gesche), läfst für einzelne Worte einen leeren Platz, 10, 37; ja von 48 bis 52 fehlt jedesmal das Ende der Zeile. Sie hatte also schon ein Vorbild und zwar ein unleserliches oder lückenhaftes. Vornemlich ist die Auskunft im Reim zu suchen. Aber auch hier ergiebt sie sich nicht auf den ersten Blick in schlagender Weise. Denn bald dünkt die obersächsische bald die niedersächsische Reimweise annehmlicher. Zuletzt aber sinkt doch nach meiner Einsicht die Schale zu Gunsten eines niedersächsischen Textes. In folgenden Fällen reimt der letztere besser als der obersächsische. M.19,46 NS. dede sede, OS. tate sayte. V. 9, 10 NS. dit rit, OS. liz ryt. V. 19, 20 NS. mede prophete, OS. mite prophete. V. 259, 260 NS. screvest gevest, OS. scribist gebist. V. 273, 274 NS. witen striden, OS. wisin striten. In folgenden nimmt der obersächsische Text um gut zu reimen eine der Mundart fremde Form. V.61, 62 rake wrake: 83, 84 heiten, beiten; 119, 120 unsetin (Unsitten) hetin (hatten); 157, 158 beten smeten (schmie- deten); 159, 160 vleheten gereten (riethen); 167, 168 twiden liden: 181, 182 staden scaden; 220, 221 formere sere: 227, 228 begnagen bedragen. Ja der obers. Text hat selbst Worte, die hier sehr ungewöhnlich klingen. V. 18 mer (sondern), 61 rake, 167 twiden, 174 schelen, 212 besworken. Ein paar- mal liest der nieders. Text allein richtig V. 62 bescheten (lat. demerdatur) statt obers. besplissen, oder ist sogar die obers. Lesart nur aus einem Mifs- verstehen der niedersächsischen zu erklären, wie 89 vervolgen aus verbolgen, 18 ist aus ut, 273 wisin oder witten (statt wizzen) aus witen. Die umgekehrten Fälle, wo das NS. im Nachtheil, sind weniger zahl- reich und bedeutsam, wie wenn es dich und mich setzt, um auf gelich krich zu reimen, V. 7, 8; 19, 20; 109, 110; 267, 268; oder wenn es 93, 94 mit rade, 109, 110 mit sprikt, schlechter auf state und nicht reimt als das obers. rate und spricht, oder wenn es endlich V. 212 die obersächsische Form czil, wofür eine niedersächsische el fehlt, angenommen hat. Für eine Ursprünglichkeit des niedersächsischen Textes spricht nicht minder, dafs, wie später zu erörtern, die Glosse selber plattdeutsch geschrie- ben wurde und dafs ihrem Verfasser auch der Prolog beizulegen ist. Philos.-histor. Kl. 1854. X 162 Homsvesr: Das so gewonnene Ergebnifs erschwerte aber die Behandlung des deutschen Textes um vieles. Die einzige rein niedersächsische Hdschr. B ist entstellt, schwer lesbar uud ein paarmal defekt; 4 giebt mit seinen ein- zelnen nieders. Formen keine ausreichende Hülfe und ist in der mir zuge- kommenen Abschrift wohl nicht immer richtig gelesen. Dennoch habe ich eine Herstellung in der ursprünglichen Mundart gewagt. Dabei mufste einigemale, V. 12, 18, 19, 120, von sämmtlichen deutschen Texten zu Gun- sten der lateinischen Fassung abgewichen werden. Innerhalb der deutschen Hdss. konnte sich die Lesart von B nur selten, V. 82, 89, 115, 240, 246 gegen eine Übereinstimmung von ADL behaupten. Das in diesen gefun- dene richtige Wort bot aber häufig eine nur obersächsische Form, die denn nach dem sonstigen niedersächsischen Gebrauche umzubilden war. Daher mein Text zuweilen Wortformen zeigt V. 6, 9, 19, 71, 72, 121, 147, 188, 256, 259, welche in keiner der Hdss. gelesen werden. Ist es überhaupt mir nicht stets gelungen, den deutschen Text befriedigend herzustellen, so mag die Schuld sich zwischen dem Material und dem Bearbeiter wohl theilen. Die sehr schwankende Schreibung war in etwas zu regeln. Namentlich habe ich di, si, wi nur für „dir, sei, wir”, de, se, we für „die, sie, wer” gesetzt. Eine Accentuation habe ich, weil sie für das niedersächsiche des 14“ Jahrh. zu unsicher wird, nicht versucht. Es ist nunmehr 11. der Inhalt des Prologs darzulegen. Er wird ermessen lassen, ob das Werk überhaupt solcher Bemühung um seine ächte Gestalt werth zu achten. Der Verfasser giebt Rechenschaft über den Anlafs und Zweck der Glosse und zwar als seiner Arbeit, vgl. V. 126, 157 ff., 173, 209, 221, 241 ff., 257 ff., 271 ff. Sein Gang ist in den acht Absätzen, die ich meist in Übereinstimmung mit den Hdss. gebildet, folgender. 1. Anruf an die heilige Dreieinigkeit, welche auch die Gerechtigkeit sei. Sie lege den Richtern schwere Pflichten auf und verlange hohe Gaben, welche Gott auch den judicibus Saxorum verleihen wolle, V. 1-28. 2. Früher habe Gott selber die Richter erwählt, wie Moses, Josua, Gideon; jetzt geschehe es Zerreno judicio, daher die schlechten Richter, denen das Geschick derer verheifsen wird, welche wie Kain, Lamech, Nim- der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 163 rod u.s.f. bis auf den Verräther Judas hinab Gottes strafende Hand erfuh- ren, V. 29-90. 3. Manche Richter seien, wenn auch nicht böse, doch nicht gescheidt genug; namentlich verständen sie den Sachsenspiegel nicht gehörig, der auch allerdings Schwierigkeiten biete. Der Autor habe sich schwer zu einer Ab- hülfe entschlossen, da man von böswilligen Beurtheilern gar viel leiden müsse; doch überwiege der Gedanke, dafs nur am Beifall der Gerechten gelegen sei, 91-124. 4. Eine doppelte Liebe habe ihn zu der Bemühung getrieben, den Sachsenspiegel fruchtbringender zu machen, einmal die Ermunterung des Herzogs Otto von Braunschweig, der hoch zu preisen sei, sodann das Begeh- ren der Ritter Conrad und Siegfried von Buch. Diese dürfe er nicht loben, denn Nunguam laudare proximos hoc nostri ‚Fwit moris, Sed hos vocamus patruos, fratres genitoris. Nur das könne er nicht verschweigen, wie sehr ihnen am Rechte liege, da sie so eifrig bald bittend bald befehlend in ihn gedrungen seien. So habe er denn weder ihnen die er kindlich liebe, noch dem Herrn dem er sich verbunden habe, ungehorsam sein dürfen, und wolle nun den modum operis (der glossen wise) erzählen, 125-170. 5. Die Absicht gehe erstens auf die Stärkung des Sachsenspiegels durch das römische und kanonische Recht, 171-208, 6. zweitens darauf, den Sachsenspiegel mit sich selbst in Einklang und in den ächten Schick zu bringen, 209-226. 7. Die V. 227-254 wenden sich an den Leser. Möge er das Werk gegen böswillige Angriffe vertheidigen und dessen Mängel entschuldigen, denn der Verf. werde, wie V. 241-246 näher schildern, durch Sorgen und Geschäfte aller Art gar sehr hingenommen. Von dem der es ehrlich meine lasse er sich gerne berichtigen. Wer aber an der Glosse gar kein Behagen finde, möge sich an den Text halten. 8. Die V. 255-278 bitten schliefslich, Gott wolle den guten Willen ansehen, mit dem geringen Werke vorlieb nehmen, es bessern, diejenigen vertheidigen, welche es studieren und den Fürsten nebst den Rittern behüten. Nach dem Namen des Vfs. möge niemand fragen. Der Menschen Lob be- xX2 164 HomeEYeER: gehre er nicht, auf ihre Angriffe werde das Werk selber antworten, er wolle wie ein Lamm unter dem Scheerer verstummen. In fine et initio laus Deo tribuatur, Hiec det ut sine vitio opus per/ficiatur. Der Gang des Prologs ist hienach natürlich, klar, wohlgeordnet; die Aus- führung im Sinne der Zeit, welche jedes Werk mit Gott beginnt und schliefst, und welche die Inhaber der Gewalten, als von Gott gesetzter, um so stren- ger den Geboten der Schrift unterwirft. Im Einzelnen diente zum Vorbilde wohl die rhythmische Vorrede des Ssp., welche gleichfalls die Aufmunterung zur Arbeit durch verehrte Gönner erzählt, Entschuldigungen der Mängel und Bitte um einsichtige Belehrung mit Abwehr böswilliger Gegner verbindet. Für die Rechtsgeschichte sind nur die Absätze IH, IV, V, VI von Werth. Bei der Angabe des nähern Inhalts habe ich zugleich zu erörtern, inwieweit derselbe mit demjenigen stimme, was wir aus der Glosse selber entnehmen können. A. Im Absatze III. ist zu beachten, wie unser Autor das Landrecht Eikes von Repkow auffafste und beurtheilte. Denn Aussprüche dieser Art vernehmen wir bis dahin nur selten. Das Weisthum der Magdeburger Schöffen von 1261 benutzt den Sachsenspiegel, ohne sich über diese seine Quelle zu äufsern. Dagegen befiehlt der Bischof Thomas von Breslau im letzten Drittel des 13" Jahrh. eine lateinische Übersetzung: quo clarius..... Justos in Jure suo prolegat, et injustos .... puniens, quod suum est unicuique tribuat, und der Übersetzer bemerkt, dafs der Autor, der pir nobilis Eyko de Repekou, soli juri iheulunico innixus .... juris canonici et civilis modum pe- nitus prelermisit. (1) Der Graf von Oldenburg läfst 1330 den Ssp. abschrei- ben, damit seine militares, wenn sie zur Schlichtung ihrer Händel sich das jus Saxonum erwählten, die nöthige Auskunft in dem Buche ohne Mühe und Kosten finden mögen. (?) In ungefähr gleiche Zeit nun sind die Äufserun- gen unsers Prologs zu setzen. Er klagt V. 99-112, wie verschieden doch der Ssp. gedeutet werde und welche Irrungen daraus erwachsen. Die Schuld liege zum Theil an der verschiedenen Begabung der Ausleger, deren einer für seine irrige Deu- (') Gaupp, das Magdeb. Recht, 1826 S. 188, 189. (?) Grupen obs. rer. German. p. 465; C.L. Runde patriot. Phantas. 1836 S. 209, 210. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 165 tung die Menge zu gewinnen wisse, während ein anderer den ihm günstigen Buchstaben doch nicht zu nutzen verstehe, zum Theil an den Widersprüchen und der zerstreuten Darstellung im Sachsenspiegel. Daher denn überhaupt viele, die das Buch lange studiert hätten ja es auswendig könnten, seinen Sinn dennoch nicht zu fassen vermöchten. Also wie bei dem Bischofe Thomas und dem Grafen von Oldenburg ist hier die allgemeine Voraussetzung, der Sachsenspiegel sei ein ius scriptum, auf welches die Parteien sich berufen, nach welchem die Gerichte urtheilen dürfen. (') Eine bestimmte Anwendung dieser Vorstellung zeigt sich in einem andern Werke Johanns v. Buch, dem Richtsteige Landrechts, wenn er Cap. 50 $ 5 als die letzte Quelle für die Entscheidung das „Rechtsbuch” der markgräflichen Kammer, welches wohl vorzugsweise den Ssp. enthielt, bezeichnet. Wie nun unser Glossator jenen Gedanken eigenthümlich be- gründet, wird sich unten ergeben, desgleichen wie er die Antinomien im Ssp. als lösbare betrachtet und wie er dem Mangel der Ordnung abzuhelfen sich bemüht. B. Der vierte Absatz nebst V. 243-246 im sechsten giebt die Um- stände an, welche vornemlich Grupen vermuthen lielsen, dafs Johann von Buch die Glosse und zwar im zweiten Viertel des 14" Jahrh. verfafst habe. Dafs diese Annahme sich aus der Glosse selber und aus des Ritters Lebens- umständen bestätige, gedenke ich bei einer Ausgabe des Richtsteigs Land- rechts zu entwickeln. (*) Hier berühre ich nur die Frage nach der ursprüng- lichen Mundart der Glosse. Grupen entschied sich für die niedersäch- sische u. a. deshalb, weil er unter den sieben ihm genauer bekannten Glossen- hdss. die vier niedersächsischen für die älteren hielt, Spangenberg S. 8 ff., 11, 34, 103. Sein Urtheil zeigt sich als richtig, nachdem nunmehr 81 Hdss., deren Mundart bekannt ist, vorliegen. Unter ihnen finden sich überhaupt 45 niedersächsische, 34 obersächsische und 2 oberdeutsche. Näher aber (') In gleicher Weise bezeichnet später ein Schiedsurtheil zwischen dem K. von Däne- mark und den Herzogen zu Sehleswig von 1421 den Ssp. als „gemeines beschriebenes Recht.” Dreyer Beitr. z. Lit. des D. R. 167, 168. (*) Vgl. vorläufig v. Klödens Abhdl. über den Vf. der Glosse in den Märk. Forsch. II 242 ff., welche zwar keine directen Belege für die Autorschaft Johanns v. Buch enthält, aber doch sorgsam und ausführlich alles zusammenstellt, was die Urkunden über diesen Staats- mann ergeben. 166 Homeyer: sind unter den datirten Hdss. die beiden ältesten Nr. 79 von 1367, Nr. 4 von 1382 niedersächsisch, und von den drei obers. aus dem 14'" Jahrh. Nr. 12, 29, 52 enthalten Nr. 29, 52 bestimmt schon eine schlesische Über- arbeitung der ursprünglichen Glosse. Ferner fallen von den 26 Membran- hdss., die doch die präsumtiv älteren sind, 21 der nieders., nur 5 der obers. Mundart zu. Erwägt man endlich, dafs v. Buch einem Geschlechte der Mark angehörte, und dafs um die Zeit seiner Wirksamkeit das NS. dort die regelmäfsige deutsche Schriftsprache war (!), so wird man auch an dieser Aufstellung Grupens nicht zweifeln dürfen. C. Der Absatz V entwickelt das Vorhaben des Glossators in seinem ersten Theil. Den Sachsenspiegel habe er durch die leges d. i. durch das Römische Recht ausgelegt und fester begründet, damit der Sinn unzweifel- haft werde und die Geltung gesichert bleibe. Bei den mancherlei Streit- fragen innerhalb der leges sei die richtige Meinung aufgenommen, wie eine genauere Prüfung ergeben werde. Auch möge man nicht vorschnell urthei- len, dafs die angezogene lex zu dem Ssp. nicht passe, V. 171-190. In derselben Weise sei der Glossator mit den canones oder dem geistlichen Rechte verfahren. Denn die geistlichen Richter hielten den, der vor ihnen mit dem Sachsenrechte komme, für einen Thoren, falls er nicht die Über- einstimmung mit leges und canones zu zeigen vermöge. Darauf aber ge- stützt könne man, falls das Gericht dagegen spreche, dreist bis zu dem apo- stolischen Stuhle selber appelliren, V. 191-208. Diese Darlegung stellt das Streben des märkischen Ritters in ein besse- res Licht. Der alte und gewöhnliche Ausspruch, der Glossator verfahre durchaus verkehrt, sein Werk biete nur ein albernes Gemenge von einheimi- schen und fremden Rechten (°), ist danach näher zu bestimmen und zu mä- fsigen. Schon Otto von Freisingen hatte im 12“ Jahrh. nicht bezweifelt, dafs die Satzungen der Vorfahren der deutschen Herrscher am römischen Reiche gemeingültig seien (?). Zwei Jahrhunderte später war auch die (') Die Mehrzahl der märkischen Urkunden aus dem zweiten Viertel des 14. Jahrh. ist noch lateinisch verfalst, so auch derjenigen in denen J. v. Buch auftritt, s. Klöden a. a. O. 252 ff. Doch kommen ein Paar plattdeutsche von 1337, 1339 vor, deren Inhalt unsern Autor nahe betrifft, Riedel Cod. Brandenb. I 140, II 212. (?) Vgl. z. B. Gärtner Vorbericht $ 13, Heineccii Ant. I. 434, Biener Comm. II. 1, 269. (°) Chron. L. Il. Proi. unius urbis legibus totum orbem informari, dominus orbis voluit. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 167 nähere Bekanntschaft mit diesem Weltrecht, dem schon der Schwabenspiegel sich häufig hingewendet hatte, und damit der Eingang jenes Theorems ins Leben selbst im nördlichen Deutschland nicht mehr abzuwehren. Und eben so wenig vermochte der Einzelne das weite Eingreifen der geistlichen Gerichte in die Entscheidung weltlicher Händel zu hemmen. Was blieb Männern die dem angestammten Landesrechte anhingen übrig, um dessen Ansehn und Befolgung gegen jene gewaltigen Mächte zu wahren. Unser Autor mufste hören, wie in foro ecclesiastico derjenige als ein fantasticus behandelt wurde, der mit dem Sachsenspiegel, als dem Rechte nur eines Volkes, seine Rede „bekleiben” wollte, ohne sie auf leges und canones zu gründen. Darum wies er seine Landsleute an, nicht etwa das eigene Recht fal- len zu lassen, sondern es auf Kaiser- und geistliches Recht zu stützen und da- durch gegen Anfechtung zu sichern. Ein solches Stützen ist auch nicht schlechthin verwerflich. Sprechen doch jene leges und canones so oft nur das allgemeine logische und menschliche im Recht, oder wenigstens die dem Abendlande gemeinsamen Gedanken aus. Dafs aber Johann v. Buch ihr Zusammengehen mit dem Sachsenspiegel viel zu häufig annahm, und durch sein concordare oder vorliken (V.204) dem heimischen Rechte nur formellen Halt und äufserliche Stärkung gewährte, das gilt für sein Wirken kaum mehr als für die weit spätern Versuche der Germanisten, deutschen Instituten durch Umhängen eines fremden Mantels festeres Ansehen und gemeinrechtliche Be- deutung zu schaffen. Es ist also dieses Belegen des Sachsenspiegels mit dem fremden Rechte zwar für unser Verständnifs des heimischen Rechtes durchweg unerspriefslich, es ist auch innerlich mehrentheils nicht gerechtfertigt; aber immer haben wir doch die vaterländische Gesinnung zu loben und eben so die Beharrlichkeit in der Ausführung anzuerkennen. Die Glosse begründet in der That regel- mäfsig die Lehre des Ssp. durch Stellen des Kaiserrechts und, doch seltner, des geistlichen Rechtes; sie begegnet auch wohl dem Einwurfe einer Ver- schiedenheit durch ausführliche Lösung des scheinbaren Widerspruches, z. B. 160, Il 2, 5, 7, III 21, 32. Sie erkennt aber auch wirkliche Abwei- chungen an, und dann ist nie die Rede davon, dafs der einheimische Satz hinter dem fremden zurückstehen solle. Ich gebe, da dies zuweilen über- sehen wird, hiervon reichlichere Beispiele. 468 HomeEvyer: Zunächst aus dem Familien- und Erbrecht: 169$2 dat etlike setten, dat de erven muten gelden dar de vader borge vor was, dat heltme in Lumbarden unde nicht herwart. I 16 a. E. dit is na keiserrechte. Aver de lumbarder und wi sassen slan na den snoderen elderen. II 30 desse bewornicheit (des keiserrechtes) hebben de sassen alle ave- lecht, unde holden envoldichliken, dat or erve nymant van kore oder van gelovede nemen mach, wan na sibbelal. Vgl. auch I 20, 38 a. E. Dann und vornemlich im Gerichtswesen. Die Stellung zuvörderst des deutschen Richters wird als eine ganz eigenthümliche anerkannt. So u. a. bei der Competenz in peinlichen Sachen II 13 mit Angabe des Grun- des: he richtet hir (nach Sachsenrecht) hoger; wan in unseme rechte is de behendicheit in sodanen klagen nicht, dar he enger groter wisheit bedorfte, alse inme keiserrechte is. Ferner in der Stellung des Richters beim Urtheil, den Schöffen und dem Volke gegenüber: TI6992 dit is iegen dat keiserrecht dat sedt, de richter sole dat ordel selven vinden .... Wi seggen dit si der sassen sunderlik recht, dat se de richter allene nicht vorordelen mach, it ne vulborde de mere mennige. III 78 $ 1 dat nein ordel ordel is, dat ne geve de richter selven, dat holt me in kei- serrechte unde nicht in unseme rechte. 162$7 Merke hir wat sunderlikes: na keiserreehte spreket de richter dat ordel seven, unde hir vraget he des enen andern. Darumme heitet unse recht des volkes vragens recht. Das sächsische Urtheilswidersprechen ist: iegen keiserrecht unde geistlik recht... Desse tveinge is dorch dat men in unseme rechte vrage, ofl man dat gevun- den ordel vulbhordet. Beim Vorsprecherrecht erklärt II 14 $1 den Unterschied zwischen dem sasschen und dem geistliken rechte in der dauernden Befugnifs der Par- tei weder des vorspreken wort to dedingen daraus, dafs im letztern die Partei selber im Gericht zugegen sei. Die Fristen giebt man nach Il 3 $ 1 anders na sassenrechte, wen man dut na keiserrechte oder na geistlikem. $ 3 Hir tweiget unse recht met keiserrechte, wen dar gefft man io enem manne dach, dat he sik bedenke, unde geft em de sake beschreven. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 169 Das eigenthümliche deutsche Beweisrecht wird entschieden gegen die fremden Grundsätze festgehalten. I 15 heifst es: de leges bat geloven dem kleger u. siner bewisinge, unde sassenrecht gelovet bat dem antwerder u. siner bewisinge. Il 34 $ 1: alse he (der Beschuldigte) dit sveret, so vordraget men des em lichte na unseme rechte, dat he des met ede ledich wert. Wan dit recht hebben de sassen sunderlik beholden. Vgl. auch 1 65, 66, I 54. II 12 8 4 entwickelt wat sunderlikes tusschen unseme rechte u. keiser- rechte u. geistlikeme rechte bei der Appellation. U. a. heifst es bei dem sächsischen Rechtszuge: dit holt man in keiserrechte anders, dar geft man brive dat heiten apostolen .... Dit is darumme dat sik de sassen up brive nicht verstunden, don en dat recht gegeven wart. Bei der Verfestung des Ungehorsamen soll man, sagt 1 71, na kei- serrechle deme beselten sin gut ... Dat is nicht in sassenrechte, dat se or gut dorch vorveslinge willen vorlisen. Es wird sich später ergeben, worauf der Glossator theoretisch diese feste Stellung des Sachsenrechts gründet. Immerhin zeigt sich der auch bis heute richtige Grundgedanke: Kaiserrecht und geistliches Recht mögen das unsrige stärken, stützen und bereichern, nicht es verdrängen und schmälern. Gleiche Selbständigkeit behauptet Herr v. Buch gegen die Ansprüche des Pabstes und der Geistlichkeit. Zu 11 widerlegt er die Geistlichen, welche das Kaiserrecht nicht achten wollen. Zul3 a. E. spricht er wie der Text dem Pabste die Befugnifs ab, „unser” Recht zu ändern. In der wichtigsten Streitfrage des MA., ob der Pabst höher sei denn der Kaiser, entscheidet sich die Glosse, gemäfs der Lehre des Ssp. von der unmittelbaren göttlichen Einsetzung beider Gewalten, zu I 1 dahin: dat erer islik sine sunderlike gewalt hebbe, de wile erer islik is, alse he van rechte wesen sal; zu W157 $ 1: wat dar drepe egentliken tu der selenwarl und tu godes denste, in den saken is de pawes hoger: aver wat egentliken tu dem live und tu ridderschop hore, dar is de keiser de hogeste: und zu II 63 $1: mit der Schenkung Constantins an Pabst Sylvester sei nicht das weltliche Gerichtsschwert gegeben worden, worauf es heifst: torne nicht pawes (al. pape) up mi, torne diup Accursium, des sint desse wort inder gemeinen glosen. II 23 preist den Ehestand als den höchsten urdo und fügt hinzu: sprekt hir wedder monnik edder begyne, des is nicht, wen de sprekt wedder de evangelia. Philos.- histor. Kl. 1854. Y 170 HomeErver: Überhaupt ergiebt sich nicht, dafs die Glosse, deren starke Verbreitung in den zahlreichen Hdss. vor Augen liegt, anders als erhaltend für die deut- schen Grundsätze gewirkt, nicht, dafs sie etwa dem römischen Recht den ungebührlichen Einflufs verschafft habe, welcher seit dem Ende des 15‘ Jahr- hunderts hervortritt. D. Der sechste Absatz legt das zweite Vorhaben des Glossators dar. Das Verständnifs des Ssp. soll auch ohne fremde Hülfe gefördert werden und zwar 4) durch sachliche auf die Grundsätze selber gehende Entwickelung. Hierhin gehört wiederum a. die innere Ausgleichung des Ssp. durch Lösung der Widersprüche, speculi contraria signavi V. 177. Wirklich ist die Glosse fast bei jedem Ar- tikel bemüht, seine Bestimmungen mit andern Stellen zusammenzuhalten und aus ihnen Einwürfe zu erheben. Aber nur um sie zu beseitigen. Denn, lehrt der Glossator I 18, wete dat it ene böse glose is de den text confundirt. So heifst es zwar zu II 3 $ 2: hir weddersprekt sik der sassen recht, wan boven stat etc. unde hir sedt he etc. aber dann weiter: segge dat weddersprekt sik nicht, wan etc. Oder zu II 75: dat hir steit dat is valsch; nachher aber: alle de argumenta de wi weder heren Eyken gesat hebben, de lose sus etc. Ähnlich 16, 14, 21, 23, 24, II 6, 12, 15, 32, 34, 37 81, 39, 40, 42 $4, 61, III 4, 36, 52, 53, 54 $1, 77, 78. Der Glossator also kennt im Ssp. nur scheinbare Widersprüche; er weils sogar Wiederholungen zu rechtferti- gen, wie zu II 11. b. V. 210: opiniones populi cum iure concordavi. Das geht wohl auf die Angabe von Volksgewohnheiten zu I 52, 58, 1 14 $1, 26 1, IH 24 $1, 44 $ 3, auf Erläuterungen aus dem Gerichtsgebrauche zu 152 $ 2, III 23, und auf die ausdrücklich von der Glosse als Änderungen des Ssp. durch Gewohnheit oder Praxis angeführten Sätze zu 139, 48 $ 3, 64, II 26 $1,1165$1,75$1. ce. V. 211: intelleectum malivolum et errores disbrigavi. Irriger Mei- nungen und falscher Auslegungen Anderer gedenkt die Glosse gar oft, um sie zu widerlegen; z. B. zu 129, 42, 57, 61 $5, 111 $ 2, 12, 25 $ 1, 32 62, 36 a. E., 37, 40 $4, 46 $4, 66, III 17 ete., zuweilen mit nament- licher Anführung der Gegner, II 6 $ 1, 65 $ 1. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 171 d. V. 212: et consuetudinis dolum dolosum declaravi, findet seine Be- stätigung darin, dafs die Glosse allerlei im Ssp. nicht erwähnte Rechtsbräuche verwirft, wie das Verrücken der Gerichtsbänke zu I 70 a. E., das Grund- ruhrrecht welches in Dänemark gelte II 29, das Unwesen (drat) beim Be- graben der Selbstmörder II 31, das Berühren der Glieder eines vindieirten Thieres II 36 $ 2, das Fordern des Unschuldseides, wenn Schaden durch einen Wagen geschehen Il 62 $ 2, den Schwur der Juden auf einer Schweine- haut III 7. Der Glossator sucht sogar das im Ssp. III 21 $ 2 berührte, wohl ungebräuchlich gewordene Wasserurtheil durch eine andre Deutung zu beseitigen. Aufserdem giebt die Glosse Worterklärungen, zu I 3, 4, 8, 22, 31 a. E., 35, 38, 39, 44, 50, 31 a. E., 33, 98, IE 13, 28, 61, 71, II 17, 26, 29, 32, 44 $ 3, 45, 53, 56 $ 3, 58, 64 $ 8, 69, 78, 79, und geschichtliche Erläuterungen zu II 12 $ 4, 13, 112991, 44 $ 2, 52, 53, 57 $ 2, 62, 64 63, 70 73, in beiden freilich zuweilen irrend; sie ertheilt den Streitenden guten Rath zu I 62, 65, 71, III 14, 15, 16, 17, bringt mancherlei persön- liche Notizen zu 13, 9, 23, 29, I 31, 32, 599 1, 164 $ 9, 65 $ 1, 76 $ 3 und gefällte Urtheile III 23 bei; hebt die Eigenheiten der märkischen Verfassung hervor zu I 64, II 12 $ 3, 6, 1159, III 54, 64 $ 7, 65, 70; weist auf neuere Gesetze hin zu 1 63 a. E., 64, sucht endlich die Überschau des reichen und zerstreuten Stoffes durch Inhaltsangaben, Verweisungen, Zusammenstellungen zu I 18, III 45, 72 zu erleichtern. In allem diesen ist nicht nur die allgemeine Richtung des märkischen Ritters sondern selbst was er wirklich gegeben, zu achten. Von der hiebei zuletzt hervorgehobenen auf ein Ordnen des Stoffes gehenden Thätigkeit gedenkt 2) der Prolog V. 213-216 der Bemühungen des Glossators um die äufsere Gestaltung des Textes des Sachsenspiegels: Hic vera articulis capita ponuntur et certis particulis libri dividuntur. Multi tamen aliter praedicta distinxerunt et ponentes qualiter haec ipsis placueruni. Wir vermögen noch jetzt aus den Hdss. des 13°" und 14"" Jahrh. zu erken- nen, wie überaus schwankend und bunt die Eintheilung des Textes geworden war, und wie erst mit der Glossirung eine festere Ordnung eintrat. Nament- Y2 172 HomeEyver: lich steht die bekannte Eintheilung des S. Landrechts in drei Bücher, welche wieder in Artikel zerfallen, mit der Glosse in folgender Verbindung. Alle glossirten Hdss. haben diese Eintheilung und die Glosse citirt nach ihr. Wiederum sind alle Hdss. mit 3 Büchern entweder glossirt, oder doch aus glossirten Hdss., mit Weglassung der Glosse, abgeschrieben. Endlich fehlt allen Texten ohne Büchereintheilung auch die Glosse. (!) Auch die Artikel- abtheilung stimmt innerhalb der Glossenhdss. mehr zusammen als in den übrigen Handschriften. Näher schreibt nun der V. 213 dem Glossator den rechten Beginn der Artikelzu, wie noch deutlicher der deutsche Text ergiebt, und so erwähnt auch die Glosse selber zuweilen (III 47 Anf.) der falschen Artikelanfänge Andrer. Der V. 214 sodann ist zweideutig. Die particule articuli sollen nach V. 225, 226 (der deutsche Text ist hier ungenau) den capitulis ent- sprechen, in welche die Titel der Decretalen zerfallen, sie sollen also die Paragraphen bedeuten, in welche die Artikel des Ssp. sich auch häufig ge- theilt finden. Sind nun die „ceriae particulee” die Paragraphen, in welche die Bücher eingetheilt worden, oder diejenigen mit welchen sie beginnen? Nach dem deutschen V. 214 de stat dar de buk gan in, de genzlik desser text bert das letztere. Beidenfalls wird nicht ausdrücklich gesagt, was nach dem Obigen doch höchst wahrscheinlich, dafs der Glossator die Eintheilung in drei Bücher eingeführt habe. Dagegen will er 3) auch für den ächten Gehalt des Ssp. gesorgt haben, während Andre V. 217 qua in privilegio non sunt apposuerunt et quae in eius scrinio erant subtraxerunt. Der Ssp. also enthält ein Privilegium. Die Geschichte dieser folgen- reichen Vorstellung entwickelt sich uns so. Ein Vorwort Eikes zum Ssp. über den Ursprung des Rechtes auf Erden führt schliefslich als königliche Gesetzgeber Constantin und Carl an, auf welchen (also Carl) sich noch Sachsenland wegen seines Rechtes berufe. Carls Satzungen für die Sachsen, bei und nach der Besiegung und Bekehrung des Landes, waren wie auch Ssp. I. 18 darthut im 13" Jahrh. unvergessen. Das hohe Ansehn nun, welches die Gerichtsherren, wie z. B. der Bischof von Breslau, der Graf von (') Nietzsche Rec.; Allg. Lit. Z. 1827 Dec. Sp. 722 ff., 730; mein Sachsensp. I S. xxxıı ff. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 173 Oldenburg, oben S. 164, der Arbeit des einfachen Schöffen schon beigelegt fanden, oder ihr beigelegt wissen wollten, erklärte oder rechtfertigte man in einer Weise, wovon jene thomasische Übersetzung ein Beispiel giebt. Sie bringt den Satz der rhythmischen Vorrede zum Ssp. V. 151 ff.: dizrecht ne han ich selve nicht underdacht, iz haben von aldere an unsich gebracht unse gute vorvaren, die Schilderung also des Inhalts als eines überlieferten nicht er- dachten Rechtes, in folgende Verbindung mit jener Bemerkung des Vorworts: non enim (huius iuris confector Eyke etc.) hoc ius Saxonum invenisse vel sta- luisse sibi vendicat usurpando, commemorans illud ab imperatoribus Constan- tino (?) et Karulo editum et statutum. Hieran schiefst sich nun die An- schauung des Glossators im Prolog und in der Glosse selber, wo er sie noch weiter ausbildet und zu wichtigen Anwendungen benutzt. Des alten Privile- giums der Sachsen überhaupt gedenkt die Gl. zum prologus, zu 163 u. A., II 45, III 81 u. A. Näher giebt sie die Natur des dadurch gegebenen Rechtes als eines besondern-zu III 33 $1 dahin an: de coninge hebben ge- geven en gemeine recht al der werlde, dat het keiserrecht. Ute dem rechte sin etlike lude van dem coninge genomen als de dudeschen unde binamen (namentlich) de sassen, und zwar haben diese zuletzt unter den Völkern ihr Recht empfangen, 13. Auch ist das Privileg nicht ein den damaligen Per- sonen sondern dauernd dem Lande gegebenes. I 31 i. A., II 33 a. E. Be- sondre Anwendungen finden sich z. B. 142 zur Erklärung des Unterschie- des in den Altersstufen: di Justinianus tiden weren de lude vil starker, wen se bi Karls tiden weren, de dit recht gaf: 163, wonach das Kampfrecht ein sonderlich von Carl gegebenes ist, III 45 $ 1 über Wergeld und Bufse, womit die Kaiser den Sachsen eine besondre Gnade gegen das Kaiserrecht erwiesen haben. Hierin liegt also für den Glossator ein unerschütterlicher Grund für sein Festhalten an dem Sachsenrecht. Justinian wird ihm durch Carl den Grofsen aufgewogen. Was bleibt denn aber für Eike übrig? Der Glossator zieht den Schlufs der rhythm. Vorrede über die ursprüngliche lateinische Abfassung des Ssp. herbei, um zu lehren, Eike habe Carls Privilegium in das deutsche, obwohl frei und mit Zusätzen übertragen. So heifst eszum prologus: hir began Eike an, dun he in dudesch brachte dat privilegium dat Constantin u. Karl den sassen vor ein recht geven, und zu HI 39 $ 1: her Eike, do het ut deme latine, dat alle lude nicht en vorstunden in dudisch brachte, vgl. IL45 i. A, 174 HomeEver: III 54. Die Glosse entschuldigt daher z. B. dafs Eike nicht den Erwerb einer Sache durch Erbfolge berühre, damit: he brachte in dudische dat he vant in latine, I1 36 $5. Sie scheidet ferner seine Worte von denen des Privilegii, zu I 14, 19, II 61 $ 1,13 $ 1: Air beginnet de rechtverdige man de hochgelovede Repechowere dissen art. mit sines silven worden; zu III 62 dat sin Eyken wort. Auch der prologus zum Ssp. wird ihm zugeschrieben. Im Allgemeinen gilt doch Eike als der Verfasser, als der dem das Verdienst des Werkes gebührt, dessen Sätze die Glosse erläutert und rechtfertigt I 68, 70, I 16, 30, III 26, 33, 37, 53, 62, 75; seine Arbeit ist der blühende Stamm, dessen Blume Gesundheit giebt II 36, er heifst der weise und recht- fertige II 4, 54, der Pflanzer des Rechtes, welches der Glossator nur be- giefse I 19, ja der Meister des Privileg II 36. Von dem Privilegium Carls sind ferner nach dem Standpunkte der Glosse gewisse Artikel des Ssp. zu scheiden, welche sie entweder gar nicht berücksichtigt oder spätern Kaisern zuschreibt z. B. 126, III 82 ff, vgl. Gru- pen bei Spangenberg 37 ff. In der That waren dem Rechtsbuche schon im 13 Jahrh. kürzere und längere Sätze eingeschoben oder angehängt wor- den, welche jedoch, wie wir jetzt noch erkennen, in den emzelnen Hdss. zur Zeit des Glossators theils keine, theils einige, theils völlige Aufnahme gefun- den hatten. Er sah nach jener Aufserung V. 217, 218 in den ihm vorlie- genden Texten bald ein zu viel, bald ein zu wenig. Worin fand er aber den Prüfstein, um das ächte durch Eike nur umgegossene Privilegium festzustel- len? Darauf gehen die Verse 219-221: Sicut sub imperü bulla vidi signata dona privilegü et Saxis confirmata, secundum hoc haec posui, scio quod non errapi('). Dafs bei dieser so festen Angabe eines von Carl dem Grofsen oder sonstigem Kaiser beglaubigten Sachsenspiegels dennoch eine Täuschung obwaltet, ist leicht zu sagen; schwerer die Weise und den Grund der Täuschung anzu- geben. Nimmt man im Zweifel an, dafs der Autor selber im Irrthum be- fangen war, so konnte er doch eine lex Saxonum, oder eins der Capitularien für Sachsen, oder einen Landfrieden den die keiserlike gewalt gestedeget he- (') Vgl. Senkenberg de visionibus 61 sq., der obige Stelle aus Grupens Vorr. zum holl. Ssp. kannte, und in seiner ausschmückenden Weise von einer aurea bulla Carls spricht. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 175 vet deme lande to sassen Ssp. I1 66, nicht füglich für den Ssp., ja bei dem geringen Umfange oder dem abwegigen Inhalte jener Quellen auch nicht ein- mal für den Kern des Rechtsbuches halten. Dagegen hängt der Irrthum wohl mit der Angabe vıeler Glossenhandschriften am Schlusse der ältesten Recension des Ssp. (III 81 oder nach andrer Zählung III 82 $ 1) zusammen: dit privilegium der sassen is gegeven to Sassenborch varı koninge Karle na godes bort tein iar u. achthundert iar, in deme sevenden iare sines keiserrikes in deme teinden dage des horninges (!). Es spricht für jetzt nichts dagegen, diese Erzählung schon der ursprünglichen Glosse beizumessen. Möglich also dafs, durch jenen Zug des deutschen Mittelalters alle Rechtsordnungen auf Carl als den Gesetzgeber schlechthin zurückzuführen verleitet, ein dem Glossator bekannter Codex nicht nur, wie es mit der const. de expeditione Romana geschehen, den Ssp. einem bestimmten Acte des Kaisers beigelegt, sondern auch dafür eine Art Beglaubigung gegeben hatte, die unsern Autor bewog, nach diesem Codex den ächten Text abzuschliefsen. Für diese ganze dem Glossator eigene Auffassung des Ssp. als eines kaiserlichen Privilegii ist noch folgende Thatsache sehr bemerkenswerth. Jo- hann v. Buch hatte eine Zeitlang das Land Jerichow im Pfandbesitz, Klöden, Märk. Forsch. II. 254, 260-262. Am 13. Mai 1336 nun gestattet Mark- graf Ludwig von Brandenburg den Bau einer Stadt in diesem Lande ad in- stanliam et requisilionem strenui militis domini Johannis de Buch capilanei et secretarü nostri, und bestimmt dabei: antiguam et reprobatam terrae con- suetudinerın cassamus pro eo, quod proles morlui patruelis hereditate avi vi- vente patruo ... sin exchereditandi, quod iuri imperiali et privilegio Saxo- nico (vgl. Ssp. 15 $ 1) conirarium. Und: volentes, ut universa iura terrae secundum curiae nostrae et privilegii Saxoniae iura per omnia obser- ventur, Ludewig Rell. VII 30. Unter den Zeugen steht wiederum Johann v. Buch. Dieser also kannte nicht nur den Inhalt, sondern gab als ein Haupt- betheiligter und als Heimlicher des Fürsten die Bestimmungen wohl selber an die Hand. Die Bezeichnung des Sachsenspiegels als privilegü kommt, so- viel mir bekannt, aufser der Glosse, ihrem Prolog und der Vorrede zu v. (') Die Notiz findet sich meist in der Glosse selber, z. B. schon in der Berliner Hds. v. 1382 (No. 4), zuweilen auch am Schlusse des Textes, vgl. meine Ausg. des Ssp. III 828 1 Note.d, und über den Cod. Grup. Spangenberg a. a. O. S. 40, 41. 176 Homeyer: Buchs anderm Werke, dem Richtsteige, nur in dieser Urkunde vor; wir se- hen ferner auch in ihr die Sorge für die Geltung des Ssp. und den Gedan- ken seiner Übereinstimmung mit dem Kaiserrecht. Gewifs ein neuer Grund für die Verbindung jener Arbeiten untereinander und mit Johann von Buch. 4. Das Ende des sechsten Absatzes zeigt noch in der kurzen Bemer- kung V. 223, 224 Tune processus iudicü in ultimo ponuntur, qui solius speculi arliculis texuntur, die Verknüpfung mit dem Richtsteige, der in der That ja nur den Sachsen- spiegel, nicht die fremden Rechte allegirt. Die Benutzung der sonstigen An- gabe, dafs der Rechtsgang ans Ende des glossirten Landrechts gesetzt sei, mufs ich der Ausgabe des Richtsteiges vorbehalten. IV. Schliefslich bleibt noch die Frage nach dem Autor unsers Prologs übrig. Ich finde kein Bedenken ihn für den zu halten, für welchen er sich giebt, für den Glossator selber. Was der Prolog über die Glosse aussagt, pafst genau mit ihrer Beschaffenheit ; in beiden zeigt sich auch dieselbe Gei- stesrichtung und Gesinnung; die Glosse gleich den Prolog warnt z. B. strenge die Richter I 69, eifert wider die schlechten I 78 a. E, welche sie II 3 die Krümmer des Rechtes nennt, erörtert IIl 13 gewissenhaft das Verhalten der Pflichten der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zu einander. Noch mehr Ge- wicht lege ich auf den Eifer, mit welchem unser Prolog die Glosse und ihren Verf. vertritt, auf das sorgliche Aussprechen alles dessen was eines Autors Gemüth irgend bewegt, wie sogar 193-196 gebeten wird, man wolle die Schreiberversehen in den Citaten nicht ihm beilegen. Es müfste Wunder nehmen, wie ein Fremder sich dergestalt in Stellung und Seele des Verfas- sers habe versetzen wollen und können. Doch mufs ich eines Einwandes gedenken. Wenn der Glossator die- sen Prolog zu seiner Arbeit schrieb, wie kommt es denn, dafs unter so zahl- reichen Hdss. nur 5 und nicht grade die ältesten ihn geben‘! Unter mancher- lei Vermuthungen nur die, dafs die Abschreiber des ohnehin schon sehr um- fangreichen glossirten Ssp. den in andrer Sprache und in gebundener Rede verfafsten Eingang als überflüssig wegliefsen, wie dies auch vielfach mit der rhythmischen Vorrede zum Text des Ssp. (s. meine Ausgabe I 63) geschehen 2 der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 177 ist. Beseitigt diese Erklärung den Einwand auch nicht völlig, so halte ich ihn doch überhaupt nicht für stark genug, um jene inneren Gründe zu ent- kräften. Das Gesagte möge rechtfertigen, dafs der Glossenprolog von neuem ans Licht gestellt und ihm einige kritische Mühe zugewendet worden ist. Über den Abdruck bemerke ich noch. Die Verszeilen sind nach dem Mittelreim gebrochen worden, um beide Texte auf dieselbe Seite neben ein- ander stellen zu können. Die Noten zu beiden Texten stehen unter einer Verszahl zusammen; ein Sternchen geht denen zu dem deutschen Texte voran. A bezeichnet die Amsterdamer, B dieBerliner, D die Dresdner, G die Grupen-Cellische, L die Leipziger Handschrift, s. oben S. 157, 158. T. O helion et unitas 1 0 drinumich enicheit, heli in trinitate, ein god in der drivalde, qui es vera sanctitas 2 du bist in der hilicheit summus in aequitate; gar recht in rechtes walde; iustitiam non deseris 3 du blifst in der gerechticheit mala in puniendo, als du de bosen rurest, sic misereris miseris 4 dorch dine barmherticheit vitia destruendo. alsus er bosheit strurest. Hoc et tuis iudieibus 5 Dit ok dinen richteren sa in lege praecepisti, witlich der E bot dede; qui „iniquitatibus 6 ‚‚den unrechten wedersta” resistite” dixisti, sus din munt tu en sede, „spernite avaritiam 7 ,‚wvorsmat de giricheit, et me Deum timete, dar tu ok so vorchtet mich, 1 helion, das hebräische e/jon der Höchste. hei für ei d. i. mein Gott. * drinu- mich ADL, du nume ik B. dryvaldicheit B. 3 * bobin D. 4A * also du B. 5 Haec L. et AGL, in BD. * sa f. D. 6 resisti B, resistere G. * czu en L, zozen A, czu czin D, tu em B. 7 richtet B. Vgl. 2 Mose 18 V. 21. Philos.-histor. Kl. 1854. Z 178 However: diligite iustitiam, 8 ok minnet de rechticheit prudentiam habete”. in rechte sit vorsichtich.” Ab his iudex iustissimus 9 Moyses dat ni ne lit, non deviavit retro, he bot dat de richtere vir Moyses piissimus 10 dit hilden, also Jetro rit, consiliante Jetro, so weren se rechtere, qui has virtutes iudicem 11 wen we defse dogede hat habere demandavit, de is valsches lere; tunc eum esse vindicem 12 he iach: wetet dit sin, dat Dei commemoravit. he is godes wregere. O quam magnum ministerium 13 O wu grote weldicheit quod iudici est datum, de richter het van gode, Dei habes imperium 14 tu em spriht de gerechicheit cum tibi sit mandatum: werlik in godes gebode: destrue, edifica, 15 buwe unde buw tubrik, evellas atque planta, plante unde utrode, insontem vivifica, 16 den guden holt levendich tua potestas tanta. den bosen gef dem dode. Non secundum faciem 17 Richte na dem scine nicht cuiusquam iudicabis, mer na bescrevenen rechte, scriptae legis aciem 18 wat iemande unrechtes schicht, factis adaequabis. de dat ut recht verslechte. 9 * Moses liels nicht davon ab; dat inne syt A, daz in diz D, der ny diz L, B ist defekt. heme bot A, he hit B. 10 Jethros Rath, 2 Mose 18. * Für Jetro rit ıst in D eine Lücke. recht here A, richtere B. 11 quum B. * togunde B. 12 iudicem L. * He iach: wetet dit sin nehme ich nach L an, da wissen mit dem acc. c, infin. stehen kann (iz uuissa chumftig uuesen min improperium Notker Ps. 68, 21). Her ioch wissit dis sin L, Her iach wisset daz diz d sin D, Her ioch wesynt dyt se synt A, He wete ok (Lücke) B. wregere A, richtere BDL. 143 misterium D, misterium ABGL. * O welke grote gewaldicheit B. 14 spreke B. gebode B, bote DL, Zute A. 15 edificia L. evelles ABG. Vgl. Jeremia 1, 10. 16 * halt ADL, beholt B. 17 * dem scine lese ich nach faciem statt den (der) sune der Hdss., was bedeuten könnte: nach Minnen, Gnaden. sunder B. 148 * schicht nach dem Reime, schit ABD, schit L. de dat ut r. v. B, d. i. die jemanden zugefügte unrechte That mache aus dem Rechte wieder schlicht, gerade; dy tat iz (ist L) r. o. ADL palst weniger zu dem lateinischen. 19 * Verkeret statt des sinnlosen Yorberet der Hdss. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. Non te dona superent 19 Yerkeret de vorchte dik neque terror potentum, eder des riken mede, nec sic de te fabricent 20 du werdest enem wee gelik, ex homine iumentum, hirvan sprekt de prophete; de quo ille propheticus 21 de man vornam nicht werlik sermo diu praedixit, wat he vor ere hedde, hoc in honore positus 22 des wart he enem wee gelik ipsum non intellexit. deme he gelik dede. Zelus te non exeitet 23 De torne nicht entfenge di nec favor amicorum, noch de leve der mage, ut falsum os sententiet 24 dat an ordelen icht geschi in prolatu verborum. unrecht in diner sage. Hoe in nostris iudieiis 25 Beware wi dat richte sus summopere vitemus, wi sint rechte richtere, tune sumus sine vitiis 26 Godes vorchte blift in us, et te Deum timemus. so si wi valsches lere. Velle cum posse eroget 27 De/fses willen unde macht huius Deus Deorum, lat Got der Gode wassen, et hoc ut quaeso condonet 28 ik bidde gef defse andacht iudicibus Saxorum. Quondam cum esset puritas hominibus vicina, den richteren der sassen. Wilem do de reinicheit was der lude nabore, 179 richen (richens D, richteres A) mite ADL. B ist defekt. 20 ex ABGL, ae D. V. 20 bis 22 gehen wohl auf Psalm 49 V. 13, 21. 21 de ADL, a BG. * werlik f. B. vor ADL, zu B. 22 * des ADL, aun B. 23 Zelusque AD. excitat DL. * De ADL, Dyn B. 24 hos BG. * nicht schi A. an dynen sagen D. 25 sine opere BG. * Beware ADL, holde B. 26 * vruchte B. 27 dietorum BG. * .8.d.g.w. DL, /. g. den guden w. B, sa g. d. g. waren A. 23 *defse B, dis L, diz D, feste A. r. d. sassen DL, r. van s. B, richten ver- faren A. gerechtigkeit B. Z2 29 * Wilen d. d. AL, W. er do D, Hir vormals dun B. 180 30 31 32 33 39 38 39 40 4 42 43 Homeyver: non elegit humanitas, sed iussio divina praesidendum iudicio iudicem evocavit expertem omni vitio, quem Deus nominavit. Putas serutator cordium ne elegit iustum, sanctum tenentem medium et in Deo robustum? Ut Moysen rectissimum, cui Josua successit, Gedeonem fortissimum, quorum nomina expressit. Saepe hoc in Iudicum actis reperitur, in Regum non modicum de his invenitur. Istis Deus scientiam legis inspiravit, facti aequiparantiam per se iudicavit. Heu proh dolor, electio divina nunc defeeit, quia venit infectio, peccatum hoc perfeeit. A terreno arbitrio iudices arbitramur, eligit G. possidendum i. i. evacuavit B. ex parte o. v. quod BG. ne elegit ADL, ne eliget G, te elegit B. iustissinum D. modum G Deus ADGL, docet B. 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 dun kos nicht de menscheit, Got hadde der richter kore. We so rechtverdich was dar, dat en Got recht irkante unde alles wandels bar, Got den to richter nante. We de herten spehen kan kos he icht den besten, enen hilgen middelman in Gode enen westen? Alsus Moyses irwelet wart, den Got recht irkante unde Josua der helt, Gideon ok Got nante. Nicht wenich in der Richter buk, dar ir werk bescreven sint, und ok in Regum genuch man van sulker schicht noch vint. Defsen Got ingeistende gap wisheit alles rechtes, des rechtes understende sin munt en sede slechtes. O we mi, Got en kiset nicht nu leider de richtere; met wergift hebbe wi geplicht, wen wi sint nu sundere. Unse bet de sweret uns, wen wi kisen den man * recht f. D. * spehen ADL, konnen B. * ingegestet hat B. Gott selber fällte das der That entsprechende Urtheil. deficit D. * Dem Gift der Sünde haben wir uns zum Dienste verpflichtet. * bet d. i. der Apfelbils; difs d. fw. ADL, bete besweret D. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. sic morsu nostro proprio 44 de uns deit unrechtes duns, occulte laceramur. dit hebben wi uns selven gedan. Propter peccata populi 45 Dorch des volkes missedat, et ut magis puniantur up dat Got punire, obscurantur oculi; 46 dat star der richter ogen hat; iudices transformantur, se derven in der gire, ut pervertant pauperum 47 dorch gewin verdumen se sententiam pro lucro; den armen met der verde; ob amorem munerum 48 der gave vromen nemet he ipsos transfodit muero. unde delet en dem swerde. Hoc fit ut patientia 49 Dit geschit dat de duldicheit eos donet coronae, en irwerve de crone, verum omnis dementia 50 ende aller iamericheit tune finitur mucrone. gift en dat swert tu lone. Sie saepe a pessimis 51 Wen de guden gebetert sin boni meliorantur, \ so komen se tu den besten; locantur cum iustissimis, 92 de bosen richtere gan hin mali igni legantur. wech in dat vur tu lesten. Ut serpens pro consilio 53 Also dorch rat de slange vort terrae coadunatur wart negit tu der erde, et hie pro fratrieidio 54 sam Cayn dorch bruder mort ut Cayn terreatur. defse bevende werde. 44 * dunst B. 45 * »ynigete D. 151 46 steht lateinisch in BG nach V. 48. * dat st. d. r. ogen hat L, d. i. der Staar hat die Augen der Richter, dez st. o. d. r. D, daz dar d. r. o. hat A, dat dat dy r. ok hat B. derven A, terben L, vorderven B, sterben D. 47 * werde L. 48 49 50 Das Schwert trifft den Unschuldigen, dessen Geduld ihm die Krone des Lebens erwirbt. 48 * em dy B. 49 paciam eos donec tirone G. 50 * elende B. 52 ligantur D. * de b. gen recht hin etc. A, d. b. gan in dat ewige vur bi dem lesten B. 53 * vort ist Vermuthung; 4? dorch dit rad u. dy slange B reimt nicht; Also d. r. d. s. dort ADL (cort A) giebt keinen passenden Sinn. 54 ut frater Cayn BG. * sines bruder B. levendige B. 182 Homesyver: Ut Lamech adulterium 55 Also an Lamech wart cui te coaequasti, geschent de overhure, sit tibi improperium, 56 worsmat met Nemroth din vart qui ut Nemroth peceasti. werde unde din unvure. In undis tua natio 57 Also in der sintflut din art diluvii demergatur; wverderve in den unden, igni haec generatio 58 sam Zodoma din hinnevart velut Sodoma tradatur. slinde dat vur der sunden. Josephi venditoribus 59 So Joseph de brodere sin te assimilasti, werkoften hen in nide, manes in pudoribus 60 darvan em wart salden schin, cum hunc sublimasti. er schemede du irlide. Hie ut Her Jude filius 61 Als up Judas sone Her a domino perdetur; si up di Godes rake, tu erranti similis, 62 One tot up di seder mors One tibi detur. si met der Godes wrake. Altissimi ut Pharao 63 Din levent alse Pharao sentiat furorem, wreysche des hogesten grimme, vindietam eis attraho 64 du werde verdumet so, et barbae nitorem, tume teiken din bart glimme. qui cultores vituli 65 Dat swert irmorde tu hant morti destinavit; di sam des kalves knechte ; sint de coetu populi, 66 blif met den de de erde slant, quem terra devoravit. gi sint gelik unrechte. «55 Lamech 1 Mose 4, 18. * ubel hure L. 56 Nimrod 1 Mose 10, 8. 9. sic G. properium L. Menroth BG * werde u. d. unvure D, wedder mid d. u. A, werde u. din L. w. u. unhure B. 58 * nervart B. vor d’sunden hin A. 59 * iudea L, ynden B. 60 * salden B, selden AD, solde L. schende din B. 61 Her die Form der Vulgata für Ger Judas Sohn, 1 Mose 38, 6.7. Her Jude nach dem deutschen, statt Rec Jude A, Herinde BDGL. perdatur BD. 62 One, Genitiv von Onan, 1 Mose 38, 10, Eve A. * Ole tot A, O we dat B. 63 vreysche ADL, in dat vur B. 64 Der Zusammenhang wird deutlicher, wenn man V. 65 vor 64 liest. b. nito- rem des Bartes Versengung. * du werde DL, du werdest B, de werde A. grymme B. 65 morti A, morte die übrigen. * bi hant B. 66 2 Mose 15, 12. sicut B. * vorslanc B. 67 69 der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. In plaga murmurantium 67 In der murrenden plage ipsi inveniantur; unde in der slangen biten serpentum lacerantium 68 gevunden wert er clage, dentibus destruantur ; er tene se tu riten. et sieut promissio 69 Also dat gelovede lant dubiis negabatur, nicht wart den twivelmuden, sie istis remissio 70 ruwe si di unbekant, nequaquam tribuatur. de düvel mut din huden. Ut Oreb faciliter 714 Licht sam Oreb he werde hostibus subdentur, sinen heteren underdan, ut Sizara viriliter 72 Zizare nagils herde clavo perforentur. mute em dorch dat hovet gan. Eo quod male gladium 73 Dorch dat se des gerichtes swert iudieii tulerunt, dragen unredelike, ut Saul propter odium 74 sam Saul sint se des wert, hi eos transfoderunt. dat it se dorch strike. Eorum uti Roboam 75 An en als in Roboam stultitia damnatur, er hovart verdumet si, domus ut Jeroboam 76 wverderf als Jerobovam eorum conteratur. sinen kinderen blive bi. Ezechie infirmitas 77 Ezechias swer en swer et Manasses infamia unde Manasses missedat; sit praedietorum firmitas, 78 eres heiles vestener Ammonis diffidentia. 68 4 Mose 21, 5. 6. et s. promissionibus vergebatur B. si Ammons biloven rat. * czwifelten luten D. 183 71 Buch der Richter 7, 25. * heteren entsprechend dem Aezzern DL; hezen A, heiteren B. 72 Buch der Richter 4, 22. Sizara D, Zizara A, Zizare G, Zazara L. * iz hobet ADL, sin herte B. 73 Eo A, Et die übrigen. 74 hi eos (hüs A). Geht Ai noch auf die Aostes, oder sind es die bösen Richter, die gleich Saul sich (eos für se) oder das Herz (etwa cor statt eos) durchbohren? Das deutsche ist klarer. * snyde B. 75 41 Könige 12, 13 ff. 76 1 Kön. 15, 29. 77 2 Kön. 20 u. 21. * sveren sver der Hdss. habe ich in sver en sver, schweres Leid ihn beschwere, aufgelöst, um ein Verbum zu gewinnen. 78 sit statt sic der Hdss. * bevester B. dyloven A, bilouben L, balouben D, Jynene (undeutlich) B. öyloven ist der Genitiv, und 2. rat der ungläubige Sinn und Eorum ADL, quorum BG. eorum ABDL, corpus G. insania BG. 154 HoMmMEYER: Eorum avaritia 79 Alse Jesi sin giricheit ut Jesi profieiat, en ere tu vromen sta, leprarum immunditia 80 van der maselsuchticheit facies eorum palleat. er antlat verbleike sa. Ut Sedechie dignitas 81 Zedechias werdicheit eorum finiatur, en werde up der erde, et eorum insignitas 82 alle ere achtbarkeit in fine demerdatur. sam de bescheten werde. Sed traditor iustitiae 83 Vorreder der rechticheit tu recte nominaris, scal din name. vort heiten, ut Judas pro munere 84 also Judas dorch de giricheit tradere non moraris; worretstu sunder beiten, iste Dei filium 85 de den Joden Godes sone Judaeis venumdedit, werkofte gar velschliken, tuum falsum auxilium 86 den rechten diner hulpe don insontem falsis dedit. den walschen gap velschliken. Da eis o tu Domine, 87 Gif here, dat ok en seil ut fune finiantur, hir er verrade ende, sed ut Judas in nomine 88 mer also Judasses meil nunquam obliviscantur. er scam sic nummer lende. Binata contritio 89 Twivacht vorstoringe quae malis minatur de drowet den werbolgen, et vitae subtractio 90 wen des lives stervinge cito eis sequatur. den richteren mute wvolgen. - Wille, hier der Ammoniter Götzenglaube, der „ Greuel” 1 Kön. 11, 5. 7. 33, 2 Kön. 23, 13. 79 des Ssp. s0 to) I 82 84 86 valschen gab den 87 88 89 90 Vom geizigen Gehasi 2 Kön. 20, 27. Die Form Jezi hat auch die rhythm. Vorr. 239. * vorbleiket sta B. 2 Kön. 25, 7. Fehlt lateinisch in BG. * Nach en hat B noch ere. * Alz D. bescheten gleich demerdatur B, besplissen AL, bespissen D. * vorrydestu B. falsis ADL, falsum BG. * den r. hulpestu don (halfst du übergeben) den vo. B, d. r. dyner helfe tun (f. L) d. v. gap v. ADL. Deiner Hülfe Thun über- Gerechten falscher Weise an die Ungerechten. * mute vorrade er ende B. * schande s. n. ende B. * wwivalte A. vorbolgen B, verbulgen A, vorvolgen DL. steht in A schon vor V. 85. * mit des AL. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 155 Heu iudices in iure sunt 91 Owe in rechte richtere sin plerique minus triti, sumwilen unvorstendich, iustitiam si diligunt 92 is de warheit wol bi en, iniuriantnr liti; er recht is missewendich. sed non haec malitia 93 Dit is doch nicht inwendich intrinseca suggessit, van wvalschen bosen rade, cum in ignorantia 94 er envalt maket wendich intellectus recessit, er vornunfte state. et si legis sententiam 95 So oft se rechtes wisheit multum desiderabunt, vul gerne an sik sen, non tamen sapientiam 96 doch en mach ere begerlicheit se ipsis ita dabunt; en neiner wisheit jen; cum intelleetus decisio 97 wen ane den hilgen geist ad nullum convolabit, kan nimande wisheit werden nisi quem flatus divisio 98 noch ane sine wulleist, hac sancti inspirabit. wen he deilet se up erden. Ergo non omnes speeuli 99 Darumme nicht like wol huius cognoscunt iura, worstan se des spegüls recht, cum unius ingeni 100 wen in den luden nicht sol nostra non sit natura. sin einer vernunfte decht. Unus iuris subtilia 101 ‚So der E behendicheit subtilius inivit, de dorchgeit behendelik, et alter difhieilia 102 iene de bewornicheit diseutere nequivit. kan nicht untwerren deme glik. 91 pleri BGL. * sumwilen AL, so in win D, dywilen B. 92 iniurianti GL. 953 sed hoc non m. intrinsecus successit BG. * missewendich v. b. v. B. 94 in f. BG. 95 multi G, nulli B. * vul B, vi2 ADL. 96 sapientiam ADL, scientiam BG. * dat macht A. borgerlicheit B. 98 hac sancti setze ich statt hanc sci ADL, Roc facti BG und verstehe: welchen nicht die Austheilung des heiligen Geistes mit dieser (der decisio) erfüllt. spirabit A. 99 rogo A. 101 * de B, des ADL wohl verderbt statt der oder desir. Der Sinn ist: der eine durchdringt gewandt die Feinheiten des Gesetzes. Auf solche Subtilitäten des Ssp. macht die Glosse mehreremal aufmerksam, z. B. zu III 78 $ 5, II 36 a. E.: merke it evene, wan id is ein weinich behende. v 102 * verworrenheit B. n. u. ADL, aniwerden B. Philos. - histor. Kl. 1894. Aa 156 103 104 105 106 107 111 112 was 113 114 ° 115 116 dem Homeyver: Hic tunc iura speculi sic pro se detexit, ita motum populi suae parti annexit. Constructioque varia sie genuit rancorem et diversa contraria pepererunt errorem, ut speculum Saxoniae iam multi studuerunt, et sensum usque hodie minime intellexerunt. Si iura scripta ostendere pro se potuerunt, cum illis tamen defendere se non valuerunt, cum lex legi contraria in eo reperitur, et diffusa materia confusa invenitur. Licet ista scivimus et sensimus errorem, non tamen inivimus de facili laborem. Quia si corrigimus stulti opinionem, profecto dirigimus in nos derisionem. * den A, dem zunc und dem Sinne gemäls, dy B, @’ L. * das volg hecht D. partis BG. * birt ADL, gedort B. * erlicheit B, onsienheit A. iam f. BGL. * weders a. D. * mer, die Kunde, Geschichte, hier nur zur Verstärkung des Hauptbegriffes: das Recht aussagt. scinus BG. * doch f. AL. coruimus D, corrimus A. * von iu han A, v. e. gan B. angan B. 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 Defse den des spegils recht vor sik wil duden jo, sus wert an em dat volk gehecht unde wenet it si also. Mengerleie dudinge bert in rechte bewornicheit, darvan grote erringe wert unde deilet crichlicheit, so dat der Sassen spegil noch selden rechte wert vorstan, wu wele se en lesen doch, oft en einer joch buten kan, he ne kan bi den besten nicht nochten sin sake weren; oft dat recht wol vor em sprikt, so kunnen se dat verkeren, dorch dat in em dicke lut en recht weder dat ander, wat in rechtes mer is gut, dit steit verre van einander. Alleine wi dat gewust han unde er werren werlike, wi wolden doch nicht anevan de arbeit lichtlike. Is dat wi des dummen wan bringen in en gelimpe, so muten wi van em han sin uppichlike schimpe. irduten D. wert ist bei deilet als wiederholt zu denken. * joch f. BL. * in duten (usin DL) kan auswendig weils. Wat inme rechte my dunket gut B. * gewizen h. A, wol wisten B. den arbeit AD. en gelimpe B, uz ungelimphe ADL. in der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. Superbum si tetigerimus verbis exprobramur, malum se excitaverimus nugis laceramur. Malivolos postponimus cum actis eorum, non eorum intendimus sed laudi bonorum. Quid nobis de impiis si placemus iustis; est beatitudinis pati ab iniustis. Nostram erucem ferimus ut et Christo sequamur, zelus eis erimus, ut a Deo diligamur. Amoris duplicitas ad hoc nos provocavit, quod nostra simplieitas hoc opus compilavit. Prima exhortatio ab illustri processit, cuius radicatio se sie bonis ingessit, 4118 * suke wort B. 117 Wert des stolten wan gestort van uns edder des bosen, 118 se spreken uns smehe wort, met logenen se uns closen. 119 De archwüllen late ik hi mit allen eren unseden, 120 nicht eres loves gerte wi dest wi der guden hedden. 121 FVat is uns der bosen sproke, oft wi behagen den rechten, 122 twar dat is der salde roke, de de bosen anvechten. 123 Sus wi unse cruce dragen, up dat wi Christo volgen; 124 is dat wi Gode behagen, so sint se vast verbolgen. LY. 125 Twierleie leve hat uns gebracht in de arbeit, 126 dat des spegils apparat makede unse envaldicheit. 127 De erste anwise quam van vorsteliken schine, 128 des utgank, als em getam, warp de wortelen sine 157 closen haben deutlich ADL, cZ/oren undeutlich B. Das sonst unbekannte e/osen weils ich nur auf c/audere, engl. to close — closener ist noch ein Manns- name —, oder auf das holländische klosen, klofsen klöppeln zurückzuführen, obwohl der Sinn dem /acerare wenig entspricht. 119 * stede wille B. 120 * den guden hetten D, des inseten B. . heten AL, des g. heiten B. 121 * spreke B, spruch AL, sproch D. 422 est A, et BDG, e est L. * selden (salden L) ruch den ADL. 124 is dat B palst zu dem folgenden besser, als der übrigen uf daz, was freilich dem lateinischen gemälser wäre. 127 *e. a. ADL, anwisinge B. Ara 188 Homever: ut ab eo prae illustribus 129 in gut, dat he de warheit verum plus amatur; vor anderen vorsten hat lıf, ideo veris monilibus 130 darvan he de vorspan dreit, virtutum decoratur. de vru Ere an em clif. Otto persona nobilis 131 Hertoge Otte van Brunswik de Brunswyk dux hie dietus, des edeln namen lis, omnibus amabilis 132 over al is he liflik, honorum flore pietus. eren blut sin pictur is. Factum iure nomini 133 De werk gelik deme namen sin, in eo concordabit, wen he is vinsters lere, dux certe est homini, 134 he vüret in der eren schin dum eum illustrabit. de irluchte luchtere. De suis virtutibus 135 Allene dat noch vele mer cum adhuc restat multum, wol an em tu loven si, percipe in nueibus 136 wis unde rechtverdich is her, quod habet iuris cultum, dat scaltu merken dar bi, quod in magna potentia 137 dat he het so grote gewalt, nec sic delectabatur, dat en de nicht werlustit, quin pro iuris scientia 138 he ne het tu der glosen spalt nos multum hortabatur. uns ummer dar getrostit. Vere veri est simile 139 Twar dat is der warheit gelik nolle derogare dat he nicht unrecht wolde, 130 weris in BG * vru AD, vro° L, van B. clevet B. Der Sinn ist: wegen welcher Wahrheitsliebe er die Spange trägt, welche Frau Ehre (s. Müller Wörterb. I 444) selber ihm anheftete. 131 dux f. B, hertoge G. * V. 131 hat A nach 170. den emanne lit B. 132 bonorum BG. * sin ADL, he B. erenblut Ehrenblüthe. 134 * der irluchten L, di lichte B. Der Sinn: er der erlauchte Leuchter führet im Glanz der Ehre, heilst also mit Recht dux. illustris. 136 * proven A. 137 quod ADL, gui BG. ne A. * nicht verlustit, nicht die Lust benommen; darin he nicht vorluchtet B. ö 138 quin DL, cum BG. * he ne] hern DL, her A, he B. Die Negation, durch welche hier das quin ansgedrückt wird, vgl. Glossar zu Ssp. II 1, 598, sollte den Conjunc- tiv nach ziehen. gespalt B. Für spalt bietet sich keine andre Erklärung mir dar, als das in der Glosse so häufige Scheiden der Sätze und Begriffe, namentlich um Widersprüche im Ssp. zu lösen. 139 iniuriari D. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 189 iuris, qui quod est utile 140 de al de lude nuttelik vult cunctis declarare. met rechte gerne irvulde. Altera inductio 141 De ander ambracht quam fuit naturalis, up mi van sibbe rechte, quod speculi profectio 142 dar van den spegil getam ostenderetur talis, dat em worde de slechte, quod opiniones litium 143 dat der lude wan der strup, in vero demonstrentur, wat met der warheit borde, et vina vera vitium 144 sam der reven warer drup ex falsis extorquentur. gar ut geprefset worde. Haec princeps cum milite 145 Dat de irluchte bat Conrado postulavit, vul met hern Conrade, et Sifridum diligite, 146 hern Sifride he lif hat, qui ista impetravit. de’s irbat vul drade. Hi generosi milites 147 Twar dit edel ridder sin atque vere bene nati unde wolgeborn irkennet, iustitiae sunt complices ? 148 se volgen deme rechte hin et de Buk cognominati. warı Buk bruder genennet. Fama et commendatio 149 Er lof laten wi rugen hi; horum per nos quiescat, machtelof min munt verbert, 140 qui quod D, quique A, quod BGL. * allen luden B. irfulte D, irdulte L, dulde B, wolde A. 142 perfectio A. * dat em worde de slechte wohl: dals ihm der geschlichtete ordentliche Zustand zu Theil würde, d. e. vunden d. sl. B. 143 dieitum A. vero ADL, iure BG. * daz der lute wan der struph (sturph L) ADL, dat di lude van der scrift B. Den geforderten Sinn des Verses: dafs aus dem Streit das wahre erscheine, weils ich in den Worten nur so wiederzufinden. Der lude wan (vgl. V. 210) der strup soll opiniones litium wiedergeben, mit freilich ungewöhnlicher Bedeutung von strup, s. das Glossar. Wat m. d. w. borde ist, da sik vor borde fehlen mag (Müller W. 1 153°): was darin wahr ist; demonstrentur wird durch ui gepresset mit ausgedrückt, so dals der Gedanke der V. 143, 144 überhaupt so zu fassen: damit die in den Streitsachen geäulserten Meinungen, insoweit sie mit der Wahrheit stimmen, gleichwie der Reben ächter Saft ausgeprelst werden. 144 vina ist Vermuthung nach una der Hdss., ein uoa erlaubt der Plural extorquen- Zur nicht. * w. drup A, w. druph DL, van der drucht B. 145 *vul B, vi! ADL. 146 vere f. BG. * Czwar DL, Swar A, Eiwes B. 148 Buük L, Buch AD 149 horum per ist mit Hülfe des deutschen er gebessert aus hec inper D, herz per A, hoc nuper L, super BG. * rowen A. er hof lude wi rugen hir machtelos myn munt vort B. 190 150 HoMmeEYes: cum eorum laudatio ut propria vilescat. Nunquam laudare proximos hoc nostri fuit moris, sed hos vocamus patruos fratres genitoris. Nemo a suo patruo digne commendatur, sed laudi ab extraneo potius eredatur. Unum tamen recolimus in eis commendandum, quod iuri sunt propinquius, quod est considerandum in eo, quod assidue pro his preces fuderunt, quasi hoc opus congrue per os nostrum cuderunt. Nunc ponentes precaria, nune imperaverunt, dicentes necessaria quae postulaverunt, quorum vero non potui resistere praeceptis, ut ADL, ac BG. wente wu unse hof scal sin B. 151 * Hovede B. 150 wu wele uns love in si, eigen lof belachet wert. 1451 Lovede ik de vedder min dat were min sede nicht, 1452 de mines vader bruder sin, de love ik met neiner schicht. 1453 Nummer nein man werdichlik van na magen gepriset wert; 154 der vromden lof is erlik, wen dat beteren loven bert. 155 Ein ding wi doch gemerket han dat wol merklich an en si, 456 deme rechten se vul na slan, dat mach man merken dar bi, 157 dat se also stedelik umme dit werk uns beden, 158 dat se dit werk met uns gelik dorch unsen munt smeden. 459 So wente se uns vleeden, darna boden set met walt, 160 se jachen, dat set reden des were not mennichvalt. 161 De vulbort do muste wi bi not der anhaft geven, * wu v. u. l. in si A, we vlen uns lobe wi sin (sy D) DL, 152 patruos AD, pat’rinos G löst Grupen Vorr. zum holl. Ssp. 15 in paterinos, bei Spangenberg 32 in patrimos auf; die etwas undeutlichen Züge in B und L lassen das rich- tıge patruos zu. 153 154 155 157 157 158 159 160 161 patrono BG. * birt ADL, entdert B. * geprobit Ian 158 f. lat. in B. * alzo ADL, ok B. hos G. * wente B, wen AL. * spreken B. * anhaft B, urhap ADL. # cheyner sch. L, n. slicht B, cleiner sch. AD. doch beruht nur auf Vermuthung. beden DB, beteten A, beten L, bedeten D. * smeden B, smeteten A, smeten L, smedeten D. darna ADL, noch B. reden (riethen) B, gereten AL, geretten D. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. coram eis obmutui et consensi inceptis. Et vere non immerito istos exaudiebam; primo subsum domino, cui me sic adstringebam, ut ei quod est utilius constringar persuadere, si me nolo infelieius periurio punire. Ceterum dignum duximus preces exaudire, cum in corde posuimus eis obedire. Istos ut patrem corporis me sensi amare, propter quos modum operis incipiam narrare. Modus huius opusculi sie intelligatur, in primis textus speculi legibus probatur. Pro certo debes credere in lege quae nominatur; 162 dorch er bede uns verle al erres wederstreven. 163 It was nicht redelere, dat ik se horde hir an; 164 de irste is min herre, deme ik mi verbunden han, 165 dat ik em dat nuttelik mute raden an den sinen, 166 oft ik nicht wil meinedich mi gar pinlike pinen. 167 Uns der ander bede wert dunket, dat wi se twiden; 168 min herte lenger wen wert wolde eren horsam liden. 169 Als minen vader ik si wil in herten minnen, 170 en tu live wil wi hi der glosen wis beginnen. Nr 171 Defses werkes wise is unde man scal se so verstan, 172 dat den text des spegils wi met leges gemerket han. 173 Vor ware gelove des, in der lex de hir wert genant, 191 vorle ADL verliels st. vorlet, wie vorlan st. * met deme B. erres d. i. früheres, eriz A, ırs DL, * lenger wen vert D, d. i. länger als vorig Jahr, scheint für beständig zu stehen, 5 5 ’ 8 * Also wil ik si in minen h. m. B. 162 * bede B, beite L, bode AD. vorlaten. dorch e. b. mute wi vorlere B. ores B. 163 vero BGL. * vorhorde B. 164 dominio A, dominis G. 167 * gebeden B. 168 leger wen v. AL, weuert B. 169 me f. BG. 471 speculi G. 172 * pruvet A. 173 * geloube dez ADL, wi geloven B. HomeEyver: hie textus, si scis quaerere, sensus investigatur. Huic si contraria lex allegatur legi, tunc, abiecta varia, quod verum est redegi ad praesens hoc opusculum, et contraria signavi; ne impugnetur speculum astute sie praecavi. Quod leges sunt contrariae sic erit intelligendum: cum diverse materiae dissimile sit ponendum, tunc lex hoc loco consentit quod ibi prohiberet, cum prodesse rex sentit quodque illic noceret. Quare, si quem inveneris contraria allegantem, quam in opere reperis, et opus annihilantem, 174 174 di ne schele an der suke wes, wert des spegils recht irkant. 175 Worde wol ein keiserrecht weder dat ander genennet, 176 so late ik dat werrecht, unde dat slichte is erkennet 177 dat bringe ik in dat apparat, de wedern nen ik tware; 178 sus des spegils impugnat ik allet vor beware. 179 Dat rechte weder sik sint man dat so vernemen scal: 180 aller schichte underbint lent nicht ein gesette wal, 181 sus de lex hir vulbort dut, des leges dort nicht staden, 182 dem keiser hir duchte gut, dat em dar dunket scaden. 183 Is dat du den ankumst, de de wedern rechte sprikt 184 wen als du se hir vernünmnst, oft he dat werk dut tu nicht, in B, hie (d. i. hier in lege) die übrigen. * dirn (dir A, dez D) schele a. d. s. wes ADL, wenn es dir nur nicht am Suchen gebricht, so etc.; dar an scele d. s. w. B. recht ADL, nicht B. 176 D. i. die Controversen innerhalb des römischen Rechts lasse ich bei Seite, und was als das rechte anerkannt wird bringe ich in den Apparat. * so Iyte ik dat varen vor eyn recht Met slichte is erkennet B. 177 ADL, dy weder eyn ander iware B. 178 precanti BL. * alliz ADL, d. i. beständig, a? daz B. 150 est D. * aller sch. ADL, alle dat slichte B. Der Ausdruck ist lateinisch wie deutsch dunkel. Der allgemeine Sinn scheint: abweichende Sätze sind nicht zusammen- ad hoc opusculum presentem A. * de wedern (widern L) nen ich cezware zustellen. Das lateinische, an welchem Lesung und Reime nichts sonderliches zu ändern ge- statten, mag so zu umschreiben sein: cum id quod materiae cuidam dissimile est, diverso loco ponendum sit. Im deutschen steht /enden d. i. enden, schlielsen (transitiv und intran- sitiv), hier etwa für abschlielsen, zur Vollendung bringen. Also: allerlei unter sich verschie- denes kann nicht eine in sich abgeschlossene Satzung bilden. 182 consentit BG. 183 * dy di weder recht B. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 193 scias quod falsi motio 185 sin valsch bewegen sprekt ipsum dicit mendacem, en einen drogenere, cum assignata ratio 186 als mine rede utbrekt me ostendit veracem. de wiset mi warbere. Artieulum cum legeris 187 FWorde des spegils artik per legem approbatum, di wiset in dat keiserrecht, et cum ius inveneris 188 doch it dar nicht gar gelik, non bene similatum, duchte dat di nicht wol endrecht, tu cito nos ne increpas 189 nicht tu vru uns strafe du, nec vaniloqua putabis, denke nicht idel sprake hi, verba bene inspieias 190 kere dar dinen sin bat tu, et hoc tibi imputabis. ‚sus werstu schuldiger wen wi. Quod vero hie de legibus 191 Wat von uns nu is geseit dietum reperitur, hir vor van. keiserrechte, eodem in canonibus 192 geistlik recht de wise dreit modo invenitur. al in der selven slechte. Si assignato numero 1 193 Is dat de gescreven tal aliquid forte peccetur, hir icht unrechtes drive, non opifieis vitio 194 des tie uns nicht altumal, sed seriptori imputetur: dem scriver it tu scrive, sed quod primo non reperis 195 Finstus nicht im ersten stan, hoc quaeras in secundo, im andern sukit herde, quae non eundo inveneris 196 des din vart nicht vinden kan, habebis redeundo. dat vint din weder verde. Foro ecclesiastico 197 Scultu in der papen recht si debes litigare, lichte met eime kiven, 185 scias quod falsi ADL, quod seculi BG. * drogenere B, treughenere A, tru- genere DL. 186 ostendet AL, ostendat B. * uzbricht A. 187 * artik. So die Hdss. des Reimes halber statt artikel. 188 * doch, taugt, palst, Grimm Gr. I 979. togiz d. n. ADL, leges vindestu nicht B. endrecht A, eintrecht DL, eyn recht B. 189 scito AD. non BG. inaniloqua D. * vruch B. 190 respicias L. * schuldiger B, schulder A. 191 de DL, in BG. ductum BG. * geseit D, dem dietum und dem Reime gemäls, gesat ABL. 196 eundo vermuthe ich nach dem deutschen varz, statt prirno aller Hdss., was sie wohl aus dem nach der gewöhnlichen Abtheilung unmittelbar darüber stehenden primo der vorigen Verszeile wiederholt haben. Philos.-histor. Kl. 1854. Bb haberis pro fantastico, si velis allegare iura huius speculi, quae ab his contemnuntur ut unius populi, si non concordabuntur legibus vel canonibus, ut hie sunt concordata et approbationibus legum sunt approbata. Quando in foro litium hoc ius reclamatur, lex erit in subsidium, cum qua concordatur; et si iudex ulterius hoc vellet reprobare, ne contingat deterius HoMmErYER: 198 se hedden di vor dorecht, oftu weldest becliven 199 met Sassen recht din wort, wen se dat recht versmeen: 200 dat recht is mi Sassen bort, sus se den smelik jehen. 201 FWere dat met legibus denne nicht vor gerichtet, 202 so verwiseden se dat sus, hirumme is dat verliket. 203 Swar nu in des gerichtes stat unse recht versproken wert, 204 de lex dat tu hulpe hat, de em dat wergeliken bert. 205 Oft dat de richter isa dennoch wıl reprobiren, 206 up dat dat wers nicht ne ga, poteris audacter appellare; si sedem apostolicam wriliken appellire; 207 oft di dat berupen dar in des pawes hof stunde, 208 dit als den geloven war din rechtes recht dar vunde. propter hoc appelletis, haec ut fidem catholicam vera invenietis. 198 habebis BG. * doret B. 200 * dat r. ist mir S. bort (anbort L) ADL, als Rede des das Volksrecht verschmä- henden Gegners: das Recht ist mir sächsisches Erzeugnils; d. r. nu den S. gebort B. 201 202 concordati, approbati die Hdss. gegen das Subject iura. *n.v.g. AB, vor nicht vorrichtet L. 202 probationibus ADL. * vorliket B, virlichet AD; virlichtet L würde zwar besser reimen, aber palst nicht zu dem Latein. 203 iuris BG. 204 qua f. BG. * brecht B. Der Sinn: so hat es (unser Recht) die /ex zu Hülfe, welche ihm die Vergleichung gewinnt. 205 hoc f. BG. 206 audacter f. D. 207 * stundet ADL. 208 *d. vunde B, a. vind’ A, d. vindes L, irvindet D. 211 der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. Secundo loco speculi contraria signavi, opiniones populi cum iure concordavi, intellectum malivolum et errores disbrigavi, et consuetudinis dolum dolosum declaravi. Hic vera artieulis capita ponuntur et certis partieulis libri dividuntur. Multi tamen aliter praedicta distinxerunt et ponentes, qualiter haec ipsis placuerunt, et quae in privilegio non sunt apposuerunt, et quae in eius scrinio erant subtraxerunt. Sieut sub imperii bulla vidi signata dona privilegii et Saxis confirmata, secundum hoc haec posui, scio quod non erravi; stricken B, strichen D, strifen A. Ein „zerstricken” d. i. VI. 209 Tum andern mal unses rechtes twidracht tekende ik san, 210 der lude wan ik slechtes met rechte vereinet han; 211 arge vernunft, logene unde valsch ik tu stricken wil, 212 ok der wonheit drogene wil ik melden up den czil. 213 Der artikel recht begin rechtverdich hir vunden wert, 214 de stat dar de buk gan in, di genzlik defser text bert. 215 Doch anders etlike dit ok distinguiret han 216 unde setten werlike, wu dat en dunket gut gedan; 217 se in de handveste scriven dat darin nicht scolde stan, 218 dat in der scrine bliven scolde, se dat underslan. 219 Darumme alse ik bulliret dit buk van dem rike vant, 220 wat ik gevesteniret dar sach, dat het hir is stant; 221 na deme ik dit formere ik weit dat ik nicht misge; entwirren, entspricht am besten dem disbrigare d. i. a lite liberare. 213 Hic ADL, In BG. * hir ADL, darumme B. 195 von Stricken lösen, 214 per titulis G; so giebt auch Grupen bei Spangenberg 33 im Texte, aber bei der Darlegung des Inhalts nimmt er parziculis an. * di.d. i..dır-f. B. 216 haec, die Hdss. Roc. 218 * scrine ADL, scrift B. potuerunt BG. 220 * is (Gen. von ı) stant DL, also: seinen Beistand, ir stant A, gestant B. 221 Ah. h. p. ADL, hoc conposu BG Bb2 196 eis tantum condolui, quod hie vera narravi. Tune processus iudicii in ultimo ponuntur, qui solius speculi articulis texuntur. Nota quae capitula in canonibus dicuntur, in textu particula articuli vocabuntur. Sed quia saepe veritas a falsis corrodetur et simplex simplicitas a nugis obruetur, praesentis huius opusculi nune imploro lectorem, ut et apparatus speculi se ponat defensorem. O lectoris sapientia virtute decorata, discedat omnis dementia contra te cogitata; quia petra firmissima tuum est fundamentum, Homever: 222 dorch se druve ik so sere, des sette ik it rechte he. 223 Tu lest des rechtes vortgank met den krigen anhevet, 224 met artikeln sunder wank unses rechtes bewevet. 225 Merke dat capitula in paves rechte genumet sint, 226 so heitet dat articula hir, dar en recht an begint. vNM. 227 Wente dicke de warheit van valschen wert begnagen 228 unde de envaldicheit met logene bedragen, 229 des rupe ik den leser an defser cleynen glosen hi, 230 oft se anvechtet ieman, dat he jo er schermer si. 231 O du lesers wisheit met dogeden orniret, 232 dar wvergeit afsinnicheit, de weder di sik reret; 233 wen got de vesteste stein vestet din vulmunt werlik, 232 lat. f. BG. hie DL, hoc A. * he für her, wie Ai für hier. 223 * deme kryge B. 224 articulis ADL, titulus G, utilius B. 227 corridetur BG. * van ADL, me: B. begnagen L, begägen A, bedro- gen B. 228 * 2. 2. ADL, unwarheit wert belogen B. 232 detendit G, detendet B. * dar B, iz ADL. rert DL, terit (?) A, ruret B. Obwohl reren mhd. sonst für fallen lassen und nicht für erheben gilt, behalte ich doch reret in letzterem Sinne bei. Denn niedersächsisch bezeichnet das Intransitivum risen sowohl steigen als fallen, Grimm Gr. II 16, Schmeller Gloss. sax., Brem. NS. Wörterb. III 500, und das transitive angels. areran, engl. to raise, schwed. resa ist erheben. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 497 tuumque lex iustissima 234 unde dat recht sunder mein ornavit pavimentum. slichtet dinen estrik. Nullius saeva iacula 235 Neines velschers stralen in tuum configuntur, hacht mogen werden an di, sed cordium cubicula 236 nunt des herten kemerlin falsa revelabuntur. de valsch sin sik melden hi. Qui impugnat iustitiam 237 Sıwe anvechtet de warheit, raro est fidelis, werlik de is selden recht, et qui terit facetiam 238 swe verstoret de sedicheit vere est erudelis. aldickest is he grimmecht. Si lector inspieiat 239 Is it dat de leser vint operis defectum, dit werk war wandelbere, hoc non eo despieciat, 240 he vornichtiges nicht sint, sed faciat perfectum. wen he maket rechtbere. Multa incidentia 241 Dorch envalde mennichvalt me occupaverunt, met menger unstedicheit, cum his insolentia , 242 de mi in de danken valt, cor nubilaverunt. dat min sin besworken steit, Nune expeditionibus 243 dorch der herverte burde et tutelis lassatus und vormundens mudicheit, et responsionibus 244 sorge unde antworde et curis conquassatus, dicke mi den sin tu sleit; quia in rebus publieis 245 up dat der gemeinheit dinge saepe fui fessus, ik dicke vermudet bin atque potentum plaecitis 246 unde grote dedinge saepius perplexus. mi dicke bewerren den sin. Quapropter quae minus posui 247 Wat ik dorch dit nicht vullich per te impleantur, sette, dat irvulle nu, 236 * nunt B, nur D, wur (?) A. 237 *a. d. w. werlik ADL, an recht d. w. werket B. 239 aldicke D, dicke B. 240 lat. f. BG. * vernichtiges B, achte es für nichts, vorlichtiget ADL. recht- bere AL, rechter B. 242 lat. f BG. * gesworken D. 243 * herverte b. ADL, hoverde beide B. vormunder mundicheit B. 245 * mesheit A. Nach up dat fehlt eine Präposition, etwa dorch. 246 * dicke B, vi ADL. 247 * voroullet B. 198 et si qua male composui a te corrigantur. Si a fideli corrigor non ero inde iratus, doctoris sit in me rigor, qui corrigi sum paratus. Qui falsum his positionibus et a quo admisceatur, iudicum maledictionibus malorum iste subdatur. Si cuiquam non placuerit haec glosa, sit contentus cum adhuc textum habuerit, sitque ei intentus. OÖ pater summe, suscipe huius glosae laborem, et hunc acceptum perfice ob filii amorem. Voluntatem meam respice, si melius scivissem, eo munus non despice, hoc vere posuissem. 248 249 250 que m. posui BG. * ni nicht torne B. corrigi D, corrigitur BGL. 251 misceatur BG. Der Vers fällt aus der Construction, ohne dafs eine Besserung Derselbe Gedanke in der rhythm. Vorr. des Ssp. 256, 258. sich darböte. * unrechtlik B. HoMmMeEYvYeER: 248 sette ik icht unredelich, meister dat rechtverde du. 249 Strafet san de iruwe mik, darumme ik nicht irtorne, 250 he betere mi herdelik, wente ik neme dat gar gerne. 251 De met defsem gesette da ummer icht valsches drive, 252 vluch der valschen richter ga up en, dat he beclive. 253 Dem nicht doch de glose min, de si genuge al dar an, 254 dat he ut dem texte hin recht vort lere oft he kan. vm. 255 Hogeste vader, gutlik nem defser glosen arbeit, 256 make dat it tu opper tem di dorch Ihesus lflicheit. 257 Herre se den willen min, of ik de kunst bat hedde, 258 unde vorsma nicht dit gloselin, wen ik dat gern bat dede. * herlich A. 252 * under valscheit ga up en dat beclive B. 253 textus BG. AL, genuglich D. 254 certum BG. 256 * czim ADL, kom B. 258 potuissem G. zu setzen gewagt. * doch taugt AB, zouc L, zoug D. * dit gloselin habe ich statt dy glosin B welches schlecht reimt, diz glosin A welches einen unpassenden Artikel hat, mit Rücksicht auf V. 265, 272 rechtverde ADL, voroulle B. genuge al B, genugich 259 260 261 262 264 265 266 269 der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. Ego tibi ut Moyses tabulas hie parabo, quae praeecipis inscribes, et hoc per te narrabo. Ergo tu mea munera minutis adaequabis, et ut pro aqua frigida mercedem praeparabis. Hune dignanter suscipias, cum non doni valorem a quocunque perspicias, sed donantis amorem. Operis exiguitas per te melioretur, ut ipsius obscuritas studenti declaretur. y Hoc studentes cum opere ita tibi iungantur, contra volentes propere ut a te defendantur. Illustrem cum militibus o tu Deus conserva, dietantem cum studentibus tua iunge caterva. Pro dietantis nomine noli interrogare, ne lauder a homine pro me Deum precare. hie f. BGL. quae pr. i. D, quem p. inscribis BG, que preceptis (?) :. L. coaequabis BG. * vingerlinge B. *-LIB. * brodicheit AL, unnutticheit B. * dusterheit B, vinstricheit A. * so ADL, si B. 259 Sam de tafeln Moyses bereide unde du se screvest, 260 so reide ik mines herten les met sproke so du gevest. 261 Swe dorch di kolt water gift din lon em dut gelinge, 262 du dankest noch in der scrift umme der vrowen virlinge. 263 Lat di dit ok anname sin, sint clein gift di behaget wol, 264 dat is al de vrage din, of de't gift si minne vol. 265 Defser glosin brodicheit betere de gude din, 266 also dat ere vinsterheit deme leser hir werde schin. 267 Dit werk here nem tu dich unde de dat hirna lesen, 268 jegen allen valschen krich scaltu er bescermer wesen. 269 Den vorsten met den ridderen du so here Got bewar, 270 den leser met den dichter vuge dort tu diner schar. 271 Du scalt lan de vrage din, we si der glosen dichter, 272 vor din kleines lovelin vle vor mi Got den richter. * bereide d. i. bereitete, reithe AD, reiche L, berichte B. * dus D. 199 200 AB, 273 Si ideo forte quaerat quod nos vult reclamare, utrumque ius respondeat, contra haec litigare. Ego ut agnus taceam coram me sic tondente, ut sic favorem habeam ab haec intelligente. In fine et initio Deo laus tribuatur, hie det ut sine vitio opus perficiatur. non v. declamare BG. witten D, wisin L. a 274 209 278 litigare wohl imperativisch, also das Wort als Deponens genommen. iaceam BG. Homexver: 273 Vraget des aver en san, 275 Ik wil swigen also ein lam dut vor dem de dat sceret. wil he uns valsches witen, 274 dit recht wi antwerden lan, jegen de mut he striden. 276 Min lere de wert annam dem, de leges dorch veret. 277 Ere hir dem hogesten si in dem begin unde ende, 278 de du, dat ik meles vri * Vrage des B, Fregestes A, VFregetes L. den apparat vul ende, * de du d. i. der thue, der zu D, dar tu L, dar toe A, do du B. wilen meylis ADL. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 2041 Wortregister. Achtbarkeit 82, Würde, höherer Stand. Die Gl. des Ssp. zu I. 3. $ 2 und Richtsteig Landr. 50 $ 4 verstehen unter den acht- baren die Ritterbürtigen. Afsinnicheit 232, Wahnsinn, Thorheit, Grimm WB. 1121. Aldickest 138, sehr häufig. Alleine 113, 135, obwohl, Glossar z. s. Lehnr. az. Allet (alliz) 178, immer, beständig, Müller WB. 120. i Alsus 4, 35, solchergestalt, Glossar z. s. Lehnr. sus. Ambracht 141, das Anbringen, Verlangen. Andacht 28, die Absicht, der Gedanke, de a. desses artikels Gl. des Ssp. zu II 2, Grimm WB. I 302, Müller WB. 1 350. Anevan 114, beginnen. Anhaft 161, das Andringen, Anhalten, sonst adhaesio, Grimm WB. 1363. Ankomen enen 183, transitiv antreffen, Grimm WB. 1386 unter 4. Anname 263, 267, genehm, annehmlich. Antlat (antlitz) 80, Antlitz, wohl verderbt statt antlete, vgl. fris. ondlete, schwed. anlete, und daher nicht mit Br. NS. WB. II 20, 21, von Zaten aussehen, videri abzu- leiten, vgl. Müller WB. I 1060, Grimm WB. 1500, 501. Anwise 127 die Anweisung. Archwille 119, Adj. böswillig. Bat 257, 258, besser. Becliven fest machen din wort 198; kle- ben bleiben, verkommen 252, Müller WB. I 841, sonst auch trans. verderben, rhythm. Vorr. d. Ssp. 234. Bede 162, 167, Bitte. Philos.- histor. Kl. 1894. Beden Impf. Plural von didden, bitten 157. Begnagen st. V. benagen, 227 als Prät.; das g vor n gehört niedersächsisch auch dem Infinitiv an, vgl. engl. zo gnaw. Behendelik 101, fein, geschickt. Behendicheit der E 101, Feinheit des Ge- setzes; im Richtsteig Landr. häufig für die Geschicklichkeit in der Müller WB. I 632. Beiten 84, warten; Grimm WB. I 1403, Gloss. z. s. Lehnr. beiden. Bereiden bereiten, Impf. bereide oder be- redde 259. Berupen 207 berufen, appelliren. Bert (birt) 105, 154, 204, 214, 3 P. Pr. S. von deren erzeugen, zum Vorschein bringen, ergeben. Der ns. Text B hat dafür 105, 154, 204 etwas anderes, oder 214 unleserliches; die Prozelsführung; Form dert oder dirt kann aber bei diesem starken Ver- bum, vgl. Müller WB. I 137, v. Richt- hofen 625, und nach dem Reime nicht zweifelhaft sein. Besworken 242, umwölkt, verdunkelt, noch jetzt hie und da z. B. in Soest üblich, suercan Ahd. und Ans. Graff, VI 897, Schmeller Gl.; swere Mhd. Hagens Samml. 59, swark noch jetzt im NS. für dunkle Wolke, Br. NS. WB. IV 1132, Frisch unter schwark. Bet 43, der Bils. Bewerren verwirren, den sin 246. Grimm WB. 11783. Beweven 224 durchweben. Bewornicheit 102, 105 Verwirrung. Bi 161, bi not aus Noth. Biloven 78, Aberglaube, Nnl. dijgeloof; Ge 202 balloube 78 Note, d. i. schlechter Glaube käme auf dasselbe hinaus. Biten 67 substantivisch, das Beilsen. Biwilen 91 Note, zuweilen. Bliven bleiben, duft 26, blif 66, blive 76. Blut Masc. Blüthe 132, Müller WB. 1217. Boren sich gebühren, wat mit der warheit dorde 443, vgl. Müller WB. 1155 b. Bort 200 Geburt, Erzeugnils. Bot, Plur. doden 9, 159, Impf. von beden gebieten. Bot Subst. 5, das Gebot. Brodicheit Schwäche, Müller WB. I 261. Buk Buch 219, auch Plur. 214. Bulliret 220, versiegelt. Buten 408, aulsen, 5. kunnen auswendig wissen. clif 130, Impf. von c/even kleben. Closen 418 s. Note dazu. Crichlichkeit 106, Streit. Czil Ziel, melden up den czil 212, gehörigen Orts anzeigen. Danken 242, die Gedanken. Decht 100, der Gedanke, Müller WB. I 350 däht. Deding 246, sammlung, s. Gl. zum s. Lehnr. degeding. Verhandlung, Gerichtsver- Delen, deilen, zutheilen 48, austheilen 98, hervorbringen 106. Deroen 46, verderben oder auch darben. Vgl. über den Zusammenhang beider Be- griffe Grimm Gr. II 38. Deste 120, vorausgesetzt dafs, falls, Gl. z. s. Lehnr. desze. Dichter 270, 274, der Verfasser, Wacker- nagel tihten. Dicke 111, 226, oft. Doch 188, 253, 3 P. Sing. Pr. von dogen taugen, Grimm Gr. 1979. Doget (togunt) Tugend, Plur. dogede 11, 231. Don thun, Impf. dede 22, subst. das Thun 86. Dorch um etwas willen 45, 53, 54, 222, 261, also dorch dat 73 weil, dorch dit deshalb 247. Homeyver: Dorchgan, der E behendicheit A101, durch die Feinheiten des Rechts dringen; ähn- lich Dorchvaren leges 276. Drade 146, schnell, Müller WB. 1 387, Br. NS. WB. 1235. Dragen 123, tragen, 3P. Pr. areit 192. Drinumich 1, dreinamig, von numen nen- nen. Drioalde 1, die Dreifaltigkeit. Driven 251, treiben, icht unrechtes dr. 193, unrichtig sein. Drogen 212 Subst. das Trügen. nere 185 der Betrüger. Drowen 89, drohen. Drup 144, der Tropfen. trauern, Schmeller Gl. Sax. Droge- Druwen 222, drubon und dröbian. Duden 103, deuten. tung. Duldicheit 49, Geduld. Duns 44, Dunst. E Fem. 5, 101, das Gesetz, Recht. Endrecht 188, einträchtig, übereinstimmend. Dudinge 105, Deu- Entfengen 23, umfangen. Erre 162, prior. Gehecht (hecht) 104, geheftet. Gelik glik 102 gleich, 22, 188, Adv. sofort. Gelimpe der angemessene, rechte Zustand, Müller WB. I 999. Gelinge das Gelingen, 261. I 1004. Gemeinheit Müller WB. 245, allgemeine, öffentliche Angelegenheit. Genuge (genugich) 253, zufrieden. Gesette A151, das schriebene, 180 die Satzung als ein abge- aufgesetzte, niederge- schlossenes Stück gedacht. Getam 128, 142 s. temen. Geven geben, 50 gift, 16, 87 gef, sif. Giricheit 79, 84 der Geiz. Glose Fem. 138, 170, 255, 265, 271; dit gloselin 258? Gude 266, die Güte. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. Gutlik 255, gütig. Hacht angeheftet, fest, vgl. gekecht, h. werden 235 von Pfeilen. He, er 230, im Reime ker 136. He her 222. Hebben haben, halten, 3 P. Pr. rei 137, 220; im Reim Aa 146, Impf. radde 30, Con). hedde 198, 257, kan 1 P. Pr. S. 164, 210, 3 P. Pr. Pl. 245, Infin.) 116. Herde Subst. 72, die Härte, Adv. 195 mit Mühe; Rerdelik 250, härtlich, strenge. Here der Herr z. B. 164. Herte 236, 260 das Herz. Hervart 243, der Kriegeszug. Hetere (hezzer) 71, der Hasser, Müller WB. 1642, Hi 170, 189, 229, 236 im Reim, hier. Horsam Gehorsam, eren h. liden 168, ihnen gehorchen. Hovart 76, Hochmuth; 243 Note, Reise zum lehnsherrlichen Hofe, s. Gl. z. s. Lehnr. hof. Hüden 70, hüten. Jammericheit 50, der Jammer. Tcht 193, 248 irgend etwas. Tdel 189, eitel. Jen, jehen, Impf. jack, 12, 160, 200 er- klären, 96 zuerkennen, Müller WB. I 512 B 2. Ingan 214, angehen, anfangen. Ingeisten 39, mit Geist erfüllen, vgl. gei- sten Müller WB. I 497. Invalde 241, Zwischenfälle incidentia. Joch 108, auch, sogar, Müller WB. 1772. Irtornen 249, intrans. zürnen. Iroullen 140, erfüllen. Isa 205, sogleich, Wackernagel iesa. Kiven 197, streiten. Kore 30, die Wahl. Kos 30, 33 Impf. von kesen wählen. Krich 223 Rechtsstreit, 268 Anfechtung. Laten, lan, Impf. üit, 9, 27, 176, 271, 274, lassen, unterlassen, bei Seite lassen. Lenden 88 enden, 180 vollenden, abge- schlossen machen. 203 Lere leer, frei, valsches 1. 26, vinsters 1. 133, rede 1. 163. Les lectio Buch, Schmeller WB. II 498 Lesen, Müller WB. 1957 Zecze; mines herten 1. 260, meines Herzens Tafel, den Tafeln Mosis verglichen, nach 2 Corinther 3, V.3, Hebr. 8, V. 10. Leste letzte, to lesten 52 zuletzt. Leve 23, 125, Liebe. Lieht 71 leicht, 197 vielleicht, Zechzlike leichtlich 114. Lif 129, 146, lieb. Liflik 132 lieblich, lüiflichkeit 256. Like Adv. 99, gleich. Lovelin 272, kleines Lob. Luden lauten, 3 P. Pr. zuz 111. Mach mages 23, 153 der Verwandte. Mach- telof 149 Verwandtenlob. Mede 19, die Gabe. Meil, mel 88, 278, Makel, Fleck. Mein Subst. 234 das Falsche. Melden 212 anzeigen, sik m. 236 sich of- fenbaren,, verrathen. Mennich menges 241, manch. Menscheit 30, Gesammtheit der Menschen. Mer Conj. 88, aber. Gloss. z. s. Lehnr. mer. Mer Subst. Kunde, Geschichte, Ding, in rechtes mere 112 s. Note, Wackernagel maere. Middelman 34, der Mittler. Minne 264, Liebe. Minnen 8, 169, lie- ben. Misgen 222, irre gehn. Missewendich 92, auf falschem Wege be- findlich. Nabor 29, Nachbar. Negit 53, Prät. geneigt, also von einem transitiven negen, flectere, dem Ahd. Aneig- Jan, alt. Anegja entsprechend. Schmeller Gl. Sax., v. Richthofen Fris. WB., Brem. NS. WB. haben nur das intransitive Ani- gan, hniga, nigen. Nein 152, kein. Nit Neid, in nide 59. (RK 204 Nochten 109, dennoch, Gl. z. s. Lehnr. Nummer 88, nimmer. Nun: 236, nieders. für niuwan nur, s. Glossar zum sächs. Lehnr. Oft 166, 205, 207, falls. Overhure Ehebruch. PapePfaffe, papen recht 197, geistlich Gericht. Paves hof 207 päpstliche Curie, recht 225, kanonisches Recht. Plichten sich dienstlich verbinden, met ver- gift 42, Wackernagel pflihten. Raden 165, rathen, Impf. ret 160. Rake 61, das Berühren, Treffen, Br. NS. WB. III 422 und Müllenhoffs Glossar zu Quickborn raken, schwed. räka. Recht Rechtssatzung 226, Gericht rechtes vortganc 223, papen r. 197. Rechtbere 240, dem Rechte gemäfs. Rechtoerden 248, recht machen, verbessern. Rede 186, ratio, Begründung. Redelere 163 unverständig, grundlos. Reden riethen, von raden 160. Reiden 260 bereiten. Reren 232, erheben, vgl. die Note. Riten 68, reilsen. Roke 122, Sorge, rochen sorgen, Br. NS. WB. III 510, rokian Schmeller Gl. Sax. Rugen 149, ruhen. Auwe 70, die Ruhe. Sa 5, 80 Flickwort, alsbald, in der That. Sage 24, Rede, Ausspruch des Richters. Salde, selde 60, 122 Seeligkeit, Wacker- nagel seelde. Sam 54, 65, 82, 144, 259 gleichwie, Wacker- nagel sam. San 209, 249, 273, quidem, tamen, etiam, Gl. z. s. Lehnr. Schelen mangeln, di ne schele wes 174; sonst auch trans, einen Mangel bei jeman- den hervorbringen, ihn hindern, stören, dit schelet menigen man Vorr. zum Richtsteig Landr., Zvelf saken schelen deme echte Gl. des Ssp. IIT 28 $ 1, ferner unterschieden sein, unse recht schelet hir mit dem kei- serrechte, Glosse des Ssp. II 47. Vgl. HoMmEYeER: Br. NS. WB. schelen, Gl. zu Quickborn schel, schwed. skiljja scheiden, AS. scelan und scijjan Ettmüller 677, engl. skill, be- sonders in i£ skills not es macht keinen Unterschied. — Spur eines obersächsischen Gebrauches in einem Schöffenurtheil, Nie- derlaus. Mag. 31 S.49 sulchs schelis zu ir- scheiden. Schemede 60 Schande. Schicht 38, 152 Art und Weise, aller schichte 180, allerhand. Schin Ad). sichtbar, klar, sch. werden 266, Schmeller Gl. Sax. scin. Scolen sollen, davon du scalt 274, scaltu 268, scultuw st. sculde du 197. Scrin 218, Schrein. Scriven schreiben, Impf. serevest 259. Sede 151, die Sitte. Sedicheit 238, die Sittigkeit. Seder 62 hernach. Seggen sagen, Impf. sede 40, Prät. geseit 191. Sibbe Verwandschaft, s. rechte 141. Sintflut 57, allgemeine Fluth, Graff VI 25. Slechte Fem. 192 die Art, 142 die Schlich- tung, Ausgleichung. Slechtes 40, 210, Slicht 177 eben, unstreitig. Slichten 234 schlich- ten, glatt machen. radezu, in einfacher Weise. 5 y Slinden 58, verschlingen, Impf. siant 66. Smeden 158, für smededen oder smedden, Impf. von smiden schmieden. Spalt der glosen 138, vgl. die Note. Spreken sprechen, 3 P. Pr. sprekt und sprikt 20, 110; sprekt en enen drogenere 185 zeigt ihn als einen Betrüger. Sproke121, Sprache, Rede. Staden 181, gestatten. 3 P. Pr. seit 112, 244, Impf. Conj. szunde 207; eneme dinge na stan 79 nachstreben, eneme tu vromen st. Stan stehen, zu Gute kommen, dat berupen steit in des paves hof 207. Star Neutr. 46, der Staar des Auges. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts Stat 94, der Zustand. ‚Stedelik 157, stetiglich. Stervinge 90 das Absterben. Stral 235, der Pfeil, vgl. Wackernagel sträle. Striken streichen, dorch strike 74 durchbohre. Strup, ebenso struph 143, der Streit. Die- ser Gebrauch des Wortes ist selten; Rein- wald Henneberg. Idiot. hat sruppel für Streit, Irrung, Schmeller Bair. WB. III 688 dieselbe Form für Disput, Zank (Oberpfalz und Franken). strobel Irrung, szrobelkopf, struppkopf, stro- belstern (Irrstern), v. Schmid schwäb. Idiot., und mit Rücksicht auf das folgende das altfranz. eszrif, engl. strife Zank, Wettstreit. Viel häufiger und ausgebildeter ist nemlich Zu vergleichen wäre auch eine andere Bedeutung, mit welcher das Wort durch alle germanische Mundarten reicht und von da ins lateinische des MA. und ins romanische übergeht. Die man- nigfaltigen Formen sind hier: striepe, strippe nieders., eszrief altfr., estribo span.; streve nieders. ströpe oder stredp angels., strepa lat.; strap engl., stropp angels., schwed., nie- derl.; estreup provenc., strupfe bair., struppe Als Grundbegriff er- giebt sich für die zweite Bedeutung: et- nieders. stirrup engl. was das einen Halt gewährt, worauf man sich stemmt. So sirepe Ettmüller 746, zo streve setten Br. NS WB. IV. 1062, ins- besondre eine Schlinge, worin man greift oder steigt, um daran einen Stützpunkt zu haben, striepe, struppe, vinculum ex loro Frisch II 348, daher der Steigbügel nach seiner ältern Gestalt des Stegereifes, est- rief, estribo, estreup, Diez etym. WB. 134, strepa, Ducange, stirrup; die Schleife oder der Riemen zum Anziehen oder Anspannen strap engl., die strupfen Schmeller III 688, z. B. an den Stiefeln szrippe, strapp, an den Beinkleidern als Sprungriemen stirrup, an der zu bleichenden Leinwand zum An- pflöcken strippe Br. NS WB. IV 1062; 205 der Knieriem szirrup; ein Taustück auf den Schiffen mit eisernem Ringe, szruppe, stropp, Möller schwed. Wb., szropp Ettm. 746, Alfr. gl. Som. inter navalia. Beide Haupt- bedeutungen Stütze und Streit lielsen begrifflich sich wohl auf einen Stamm zusammenbringen: sie sind in dem Zeit- wort mhd. ströben, altfr. estriver, span. estriban, engl. to strive d. i. sich stützen und kämpfen (mit dem tievel ströben) ver- einigt; die gemeinsame ursprüngliche Vor- stellung wäre: mit Hand oder Fuls sich wider etwas setzen, steifen, sei es nun, um daran sich zu halten oder um es zu bekämpfen. Aber die Lautverhältnisse ste- hen einem Zusammenführen entgegen. Es findet sich kein deutsches starkes Verbum, und ist auch nach jenen Verhältnissen nichtwohl eins zu unterstellen, welches einer- seits dem schwachen streben entspräche, andrerseits den Stamm zu jenem doppel- deutigen Substantiv abgeben könnte. Denn ersteres würde etwa ein striban, Prät. szreib, letzteres aber ein szrioban, stroub erhei- schen. Das engl. zo szrive ist freilich stark (Impf. szrove), jedoch dem angels. unbe- kannt und mit seinem Subst. szrife sichtlich erst aus dem romanischen estriver, estrief entnommen, während szrap dem angels. straepas d. i. bases Ettmüller 746 entspricht, und szirrup nicht sowohl aus eszrif gebildet als aus szrup verdorben zu sein scheint. Suke Fem. 174, das Suchen. Sumwilen 91, zuweilen, engl. somewhile, vgl. Wackernagel sum. Sus 6, 25 so, ita, 190 sonst. Swar 203 ubicunque, swe 237, 238 qui- cunque. Swer 77 die Beschwerde, Krankheit. ren 43, 77, bedrücken. Tal 193, die Zahl. Tekenen 209, bezeichnen. Temen 256 getemen geziemen, Impf. getam 128, 142. Swe- 206 Tene 68 Plur. von tan Zahn. Tien 194, zeihen. Torne 23, der Zorn. Truw 249, treu. Tubreken 15, zerbrechen. Tuslan 244, zerschlagen. Turiten zerreilsen. Tustricken 211 entwirren. Toar, tware 122, 139, 147, 177 allerdings, aus ze ware in Wahrheit, Wackernagel wär. Twiden 167 gewähren, erlauben, Br. NS. WB. V 143. Twidracht 209, Zwietracht. Twivelmude 69, zweillerisch. Unde 57, Welle, Wasser, s. Wackernagel. Underbint 480, Unterschied, s. Wacker- nagel. Underslan 218, beseitigen, weglassen. Understende 40, Verständnils.. Die hier zum Grunde liegende, dem angels. und engl. eigne Bedeutung des understan ist nicht sicher nachzu- sonst im deutschen weisen; am nächsten kommt das bei ten Kate II 415 angegebene sciscitari. Unredelik 248, unordentlich, von rede d. i. ratio, ordo. undeutlich, Untwerren 102, entwirren, lösen. Unovure 56, üble Führung, Wackernagel unfuore. Up auf. Uppichlik 116, übermüthig. Urhap A61N., Anfang, Müller WB. I 646. Us uns 26. U: 259 aus. Rede. Utgang128, Äulserung, Hervortreten. Utro- Utbreken 4186 von einer den 15, ausrotten. Fast 124, sehr. Vedder 157, Vaterbruder. Ve 22, das Vieh. Verberen 149, vermeiden, Müller WB. 1,4157. Verbleiken 80, erbleichen. Werbolgen 89, 124, erzürnt, vgl. Hoff- manns Gloss. zu Reineke Vos. Homesyer: Ferde die Fahrt, mit der v. 47 sogleich, Wackernagel vart. Verdumen 47, 64, 75, verurtheilen. Vergift 42, Gift. Fergeliken, verliken 202, 204, ausgleichen, ins Gleiche, in Übereinstimmung bringen. Verle 162 verliels, von verlan. Verlusten 137, die Lust nehmen. Vermuden 245, ermüden. 240, für Wackernagel vernichten. Ferre 112, fern. Ferslechten 18, schlichten. Verspreken 203 mit Acc. widersprechen. Ferstoringe 89. Fert im vorigen Jahr, Zenger wen v. 168, Wackernagel 172. Verwisen 202, zurückweisen. Vernichtigen nichts achten, Verstoren 238, zerstören. Westener 78, Befestiger, veszeniren 220. Finster 133, die Finsternils. Firling 262, Scherflein, wohl ein viertel Pfenning. Vorbewaren 178, mit Acc. zuvorkommen, verhüten. Forrichten 201, zubereiten, zurechte ma- chen. Vorspan 430, Spange, s. Frisch unter Spange. Vort 53, 83, fortan. Vortganc des rechtes 223, das Gerichtsver- fahren. Preischen 63, erfahren, s. Glossar z. s. Lehnr. vreschen. Friliken 206, freimüthiglich, dreist. Fruchte 26 N., die Furcht. Pul voll, 145, 146, sehr, viel. Fulbort 161, Zustimmung, v. dun 181 gestatten. Yulleist 98, Hülfe. Fulmunt 233, Umbildung von Fundament. FF al 80, wohl. VF alt 2, Gewalt. W an 143, 210 die Meinung. W andel 32, Tadel, wandeibere 239, tadelig. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts Wank 224, Abweichung, Ausnahme. Woarbere 186, wahrhaftig. Weder 179 wider, Adjektiv 183 de we- dern rechte. VW ederverde 196, die Rückfahrt. VF eldest 198, 2. Ps. Impf. Conj. von wil- len wollen. W eldicheit 13, Gewalt. YF en 90, 100, 199 denn. Wendich 94, wankend, abwendig. FF ente dieweil 226, sondern 240, denn 250. Werdicheit 81, Würde. VW erlik 14, 21 etc. wahrlich. 207 Werrecht 176 streitig, dem schlichten ent- gegen. Werren dat 113, das Irregehen. FF ers 206, schlechter. Wes 174 Gen. von wat. Feten 12, wissen, mit dem Acc. cum Infın. Wilem 29, weiland, Wackernagel wide. VF is, wise 170, 171, 192 die Weise. VWFiten 273, zeihen, Wackernagel wizen. VW orte! 128, Wurzel. Wrake 62, die Rache. Wregere 12, der Rächer. YF u 13, 108, 216 wie. W ur, war 239, wo. Homever: Anhang. Verzeichnils von Handschriften der Glosse zum sächsischen Landrecht. . 10. . 11 (426). . 12. . 13 (9). . 14 (304). . 15. . 16 (37). . 17 (43). . 18 (45). . 19 (46). . 20 (64). . 21 (65). . 22 (103). 23 (105). 24 (109). . 25 (130). Die eingeklammerten Nummern gehen auf mein „Verzeichnifls D. Rechtsbücher im Mittelalter” 1836, Amsterdam, öfftl. Bibl. 36. Bauschisches Fideicommils zu Schweinfurt. Germ. f. 390. Berlin K. Bibl. 7. Berlin K. Bibl. M. 6. 0. Berlin K. Bibl. M. 6. £. Berlin K. Bibl. M. 6. f. Berlin K. Bibl. M. 6. f£. Berlin K. Bibl. M. 6. £. Berlin K. Bibl. M. 6. f. Berlin K. Bibl. M. 6. £. Berlin K. Bibl. M. 6. £. Berlin K. Bibl. M. 6. f£. Berlin K. Bibl. 7. @. £. Berlin K. Bibl. früher v. 453. 391. Auszüge. 11. 284. 12. 730. 616. 631. 586. 512. Mühler. Berlin Geh. Staatsarchiv, Bruchstück. Bremen Stadtbibl. f. 30. Breslau Centralbibl. II F. 5. Breslau Centralbibl. II F. 6. Breslau Centralbibl. II F. 7. Ehemals v. Büling zu Celle. v. Burkersrode auf Burghefsler, Thüringen. Dresden Dresden Dresden Vormals K. Bibl. M. 26. K. Bibl. 27. K. Bibl. M. 3%. v. Gärtner zu Wien. OS. OS. OS. OS. OS. Membr. Membr. Membr. Membr. Membr. Pap. Pap. Pap. Membr. Pap. Membr. Pap. Membr. Pap. Membr. Membr. Pap. Pap. Pap. Pap. Pap. Pap. Pap. 14 er Jh. 1412 44 Jh. 1382. 14 Jh. 1423. 15 Jh. 1473. Anf. 15 Jh. 1466. 14 Jh. 1386. 44 Jh. 1468. 14 Jh. 1417. 1462. 1404. 15 Jh. 1460. 15 Jh. 15 Jh. 15 Jh. Gärtners Vorrede zum Ssp. 1732 $ 10 a. E. erwähnt einer ihm gehörigen bei seiner Ausgabe der Glosse mit benutzten Hdschr. des Ssp. mit der Glosse in obers. Sprache vom J. 1324 ohne nähere Beschreibung. Grupen, der in Schotts Samml. zu den D, Rechten II 223 mit Recht jenes Datum bezweifelt, meint, Gärtner habe den Codex an Senkenberg geschenkt. Doch ist unter den Senkenbergischen zu Gielsen aufbewahrten Hdss. welche von Gärtner stammen sollen, kein glossirter Sachsenspiegel, vgl. Verz. Nr. 140, 152, 155. Nr. der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts. 209 IE): . 30 (173). . 31 (174). 132 (179). . 33 (180). 134. . 39 (182). .136. 274 38. . 39. . 40. . 41 (191). . 42 (194). . 43. . 44 (225). . 45 (226). . 46. (233). AT: . 48 (243). . 49 (244). . 50 (250). 481: . 52 (261). . 53 (272). . 68. . 64 (367). . 65 (369). . 66 (380). 67 (393). Gielsen Universitätsbibl. CMXCH. Giefsen ebend. CMLVN. Gielsen ebend. CMLIH. Görlitz Rathsbibl. Görlitz Bibl. der Oberlaus. G. d. Wiss. Görlitz ebend. Göttingen Universitätsbibl. Göttingen ebd. Auszüge. Göttingen ebd. Stift Göttweih M. 10. Groningen Universitätsbibl. B, d, 4. Greningen Bibl. d. Ges. pro ewxcol. i. p. Haag K. Bibl. 437. Haag ebd. 438. Archivar Habel zu Schierstein. Halberstadt Gymnasialbibl. Halle Universitätsbibl. Ye N. 7. @. Homeyer zu Berlin. Jena Universitätsbibl. Jena ebend. Königsberg Geh. Archiv. Leiden Universitätsbibl. 44. Leipzig Stadtrathshibl. Rep. II 16. Leipzig ebend. Rep. II 15. Leipzig Universitätsbibl. €. 948. Leipzig ebend. €. 949. Liegnitz Bibl. der Peter- u. Paulskirche. Lübeck Stadtrathsbibl. Lüneburg Stadtrathsbibl. Lüneburg, ebend. Vormals Mainz, Dombibl. Ebend. Ebend. Meiningen, Herzogl. Bibl. Moringen, Rathsarchiv. München Centralbibl. 517. Münster Pauliner Bibl. Ms. 29 fol. Münster ebend. Ms. 216 gr. 8. Quedlinburg Stadtrathsbibl. Quedlinburg ebend. Salzburg fürstbischöfl. Bibl. Vormals Hofr. Schrader in Braunschweig. NS. Philos.- histor. Kl. 1854. OS. Pap. 14 Jh.? OS. Pap. 15 Jh. OS. Pap. 14 Jh.? OS. Membr. 1387. OS. Pap. 1464. OS. Pap. 1470. NS. Pap. 15 Jh. OS. Pap. 1477. NS. Pap. 15 Jh. OS. Pap. 15 Jh. NS. Pap. 1477. NS. Pap. 1479. NS. Pap. 1451. NS. Pap. 131I6: NS. Pap. 15 Jh.? NS. Pap. 15 Jh. NS. Pap. 1450. OS. Pap. 1460. OS. Membr. 1410. OS. Pap. 1475. OS. Membr. NS. Pap. 15 Jh. OS. Pap. 1434. OS. Pap. u. Membr. 1461. OS. Pap. Anf. d. 15 Jh, OS. Pap. 15 Jh. OS. Membr. 1386. NS. Membr. 1427 NS. Membr. = Jh. NS. Membr. 1442 OS. Membr. 1421 NS. 15 Jh. OS. Pap. u. Membr. Anf. 15 Jh. OS. Pap. 15 Jh. NS. Pap. OS. Pap. 15 Jh. NS. Membr. 1449. NS. Pap. u. Membr. 1405. OS. Pap. 1454. OS. Pap. 15 Jh. OS. Pap. 1469. 15 Jh. Dd 210 Homervenr: Nr. 68, 69 (401). Schwerin grolsherz. Archiv. Bruchstücke zweier Hdss. NS. Nr. 70. Schwerin ebd. Bruchstück. OS. Nr. 71 (405). Justizrath Seibertz in Brilon. Defekt. NS. Nr. 72 (404). Derselbe. NS. Nr. 73 (423) Soest Stadtarchiv. NS. Nr. 74. Sondershausen, Kirchenbibl. Nr. 75 (428). Strasburg Bibl. des prot. Seminars A. IT 10. OS. Nr. 76 (442 Upsala öffentl. Bibl. OS. Nr. 77 (444) Varell Oldenburg. Bibl. NS. Nr. 78 (453) Wien K. K. Hofbibl. Nr. CLIV. OD. Nr. 79 (490) Wolfenbüttel Herz. Bibl. Exzrav. A. a. NS. Nr. 80 (493). Wolfenbüttel ebend. Heimst. 421. NS. Nr. 81 (494). Wolfenbüttel ebend. Heimst. 208 f. NS. Nr. 82 (495). Wolfenbüttel ebend. Bruchstück. NS Nr. 83. Fräulein Zeisberg in Wernigerode. NS. Nr. 84 (523). Zwickau Rathsbibliothek. OS. Nach den erst während des Druckes empfangenen Nachrichten über die Königsberger Hdschr. Nr. 46 erhöhen sich die $. 165 u. und S. 166 o. angegebenen Zahlen der nach der Mundart bekannten Hdss. auf 82, der obersächsischen auf 35, der Membranhdss. auf 27, unter denen 6b obersächsische. ——e NINIINN In Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. Von Hm: CURTIUS. mannnannanan wen [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 9. März und 24. Juli 1854.] hie ein allseitiges Verständnifs der hellenischen Cultur zu erzielen, genügt es nicht sie in ihren höchsten Spitzen wissenschaftlicher Erkenntnifs oder künstlerischer Leistung zu erforschen ; auch das praktische Leben der Hel- lenen, ihr Verhältnifs zu den natürlichen Dingen, Landeskultur, Industrie und Handel dürfen von der Alterthumswissenschaft nicht ausgeschlossen blei- ben. Diese Studien sind, namentlich auf dem Gebiete des hellenischen Al- terthums, sehr vernachlässigt worden, obwohl sie, wenn auch anscheinend trockner Art, dennoch in ihrem Verfolge nicht unwichtige Aufschlüsse über das Leben der Alten verheifsen. Von diesem Gesichtspunkte aus habe ich früher die städtischen Wasserbauten der Hellenen zum Gegenstande einer Untersuchung gemacht, um die irrthümliche Ansicht zu berichtigen, als wenn es den Römern vorbehalten geblieben wäre, auf diesem Felde zuerst grofse und des Andenkens folgender Zeiten würdige Werke zu schaffen; ich ver- suche jetzt einen andern bedeutenden Zweig der Landeskultur, den Wegebau zu behandeln, indem ich das Wichtigste zusammenstelle, was aus der Litte- ratur, den Inschriften und den im Boden des Landes erhaltenen Spuren über Anlage und Ausstattung der öffentlichen Wege bei den Griechen zu unsrer Kenntnifs gelangt ist. Wenn die Alten selbst so wenig über die Anlagen der genannten Art in ihren Schriften mittheilen, dafs es bis jetzt noch Niemand für der Mühe werth gehalten hat, das hieher Gehörige zusammenzustellen, so wäre es vor- eilig daraus auf die Geringfügigkeit der Leistungen zu schliefsen. Von dem bewundernswürdigen Canalsysteme, das den Boden Athens durchzieht, steht Dd2 212 Cvurrıvs: nirgends ein Wort geschrieben; von der ganzen Technik der nach allen Sei- ten so hoch ausgebildeten, hellenischen Werkthätigkeit wissen wir aus Über- lieferung der Alten so gut wie nichts. Es entwickelte sich bei ihnen Alles so allmählig und natürlich, dafs sie endlich die schwierigsten Probleme lösten, ohne dafs sie das Verfahren dabei als etwas an sich Merkwürdiges zu be- schreiben sich veranlafst sahen. Darum hören wir bei den Alten auch so wenig von Epoche machenden, frühere Methoden gänzlich umstofsenden Entdeckungen. Allerdings mufste in einem Lande, das durch ein enges Gebirgsnetz in zahlreiche Einzellandschaften getheilt und durch tief einschneidende Meeres- buchten auch für den Binnenverkehr auf Seefahrt angewiesen ist, der Stra- fsenverkehr eine unscheinbare Stelle einnehmen. Die Anlage grofser Heer- strafsen war hier ungleich schwieriger und zugleich entbehrlicher als in an- deren Ländern. Der Griechen Heerstrafse war, wie auch der Name revros (=raros) auszusagen scheint ('), die See mit ihrem das ganze Jahr hindurch offnen Fahrwasser und da Alles, was Grieche war, in den Ländern dreier Welttheile am Meere wohnte, so war man gegen die Landwege im Ganzen gleichgültiger. Dazu kam die politische Lage Griechenlands, wo nie eine solche Einheit der Interessen vorhanden war, dafs der Wegebau als gemein- same Angelegenheit betrieben worden wäre und als später eine äufsere Ein- heit vorhanden war, versank Hellas zu bald in die Bedeutungslosigkeit einer abgelegenen Provinz, als dafs eine Veranlassung zu grofsen Unternehmungen dieser Art vorgelegen hätte. Wenn wir nun aber dennoch in den unwirth- lichsten Berglandschaften die Geleise hellenischer Wagenräder antreffen und aus den Tempelruinen erkennen, wie keine Höhe zu schroff und kein Thal zu versteckt war, wohin man nicht ganze Massen von Marmorquadern zu schaffen wufste, wenn wir uns endlich in den Ruinen der Städte von der sorgfältigen und zweckmäfsigen Anlage ihrer Strafsen überzeugen, so müssen wir erkennen, dafs auch hier die hellenische Cultur keine Lücke hat, deren Ausfüllung nachgebornen Völkern überlassen geblieben wäre. Die Hellenen wufsten, dafs es einst anders gewesen sei. Sie hatten eine Ahnung von dem Zustande ihres Landes, da es von Waldesdickicht über- it a (') Siehe G. Curtius in der Zeitschrift für vgl. Sprachk,. I p- 34. Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 213 zogen war, ohne Weg und Steg. So fand Apollon von Euboia kommend Böotien als eine Wildnifs, “Denn noch wohnete Keiner der Menschen im heiligen Theben, “Auch nicht waren da Pfade zu sehn, noch Wege gebahnet “Durch das thebäische Waizengefild; Walddickicht umfing es. (Hymnos auf den Pyth. Ap. 48) Die Alten erkannten, wie mit dem Bahnen der Wege ihre Heimath sich ausgesondert habe aus den Ländern roher Wildnifs, wie sie bei den Sey- then herrschte (Aesch. Prom. v. 2) und während die Sentimentalität römischer Dichter sich wohl in die gute alte Zeit des Saturnus zurücksehnte, da die Erde sich noch nicht in langgestreckte Strafsen erschlossen habe, betrachte- ten die Hellenen die Eröffnung und Sicherung des Verkehrs als hochver- dienstliche That ihrer Landesheroen, und des Landes barbarischen Urzustand stellten sie in der Kunst durch Pane und Faune dar, welche den grofsen Tha- ten stadtgründender Göttersöhne von den Berglehnen zuschauen. Den Anstofs zu dieser ersten Epoche des geschichtlichen Lebens bei den Griechen gaben die an ihren Küsten angesiedelten Fremden, welche des Landes Produkte kennen und verwerthen lehrten. Die Phönizier haben nicht nur nach Purpurmuscheln gefischt, sondern sie durchsuchten auch die neu aufgefahrenen Länder nach Kupfer und anderm Metall und schafften aus den Urwaldungen des Hochlandes Holz an den Strand. Die ältesten Nutz- wege, die erwähnt werden, sind die Bahnen, auf denen das Holz zur Stadt herabgefahren wurde. Od. K 104: Acın des freg anafaı arrud’ ap ülnrar ögewv narayıveov UAyv. Dafs die Phönizier sich nicht blofs mit vorspringenden Halbinseln wie Nauplia oder vorliegenden Küsteninseln wie Kranae begnügten, sondern zu gründlicherer Ausbeutung des Landes mit ihren Niederlassungen bis in das Innere vordrangen, kann nach vielfachen Spuren der Sage wie des Cultus, die sich namentlich in Böotien, Lakonien und Arkadien finden, nicht mehr be- zweifelt werden. Es liegt also in der Natur der Verhältnisse, dafs die Phö- nizier es gewesen sein müssen, welche den ersten Anstofs und die erste An- leitung gegeben haben, nicht nur die Flüsse des Landes, namentlich den Acheloos, zu reguliren, sondern auch die ersten Fahrwege zu bahnen, um die Produkte des ackerbauenden und Viehzucht treibenden Binnenlandes an 214 CGURTIVs: an die Stapelplätze der Küste zu schaffen; sie haben, wenn sie auch nicht das Pferd zuerst nach Griechenland gebracht haben, doch die Benutzung des- selben erweitert. Daher macht auch die argivische Sage den Inachiden Age- nor, den wir als einen Vertreter der orientalischen Einwanderer in Argos be- trachten dürfen, zu einem Reiterführer (Hellanikos in den Fragm. Hist. Gr. Fragm. 37). Die Wege waren nach der Natur des Landes zwiefacher Art. Auf dem in Hellas vorherrschenden Felsboden bedurfte es nur der Lichtung des Waldes (aperire viam: @voryew nereuSous, eos ra Faga im Gegensatze zu ver- wachsener Waldgegend. Vgl. Callim. epigr. in Theaetet.) und der Ebenung des holprichten Felsgesteins (Asaveı »eReuSov, Acım ödos). Aber ganz andere Schwierigkeiten zeigten sich in den Sumpfgegenden, namentlich in den Hochthälern. Diese dem regelmäfsigen Anbaue hartnäckig widerstre- benden Gegenden, wo an denselben Stellen in einem Jahre dichte Kornfel- der und in dem nächsten die Wellen eines Sees wogten, mufsten ihrer gro- [sen Ertragsfähigkeit wegen die fremden Ansiedler vorzugsweise anziehen. Von den beiden peloponnesischen Heraklessagen weist die ältere deutlich auf Pheneos hin und ich habe bei anderer Gelegenheit zu zeigen gesucht, dafs der Streit des pheneatischen Herakles und des delphischen Apollon auf einem Gegensatze phönizischer und hellenischer Gottesverehrung beruht. So finden wir denn auch auf dem durch schwierige Culturarbeiten allmählich erst zu ordnenden Boden Böotiens denselben Herakles wie in Pheneos ein- heimisch. Wollte man hier Wege bauen, so mufsten es Dammwege sein. Diese Dämme waren zunächst Deiche, welche die tiefliegenden Felder vor Überschwemmung schützten und das zuströmende Wasser nach den Kata- bothren zu abstauten; sie waren so alt wie die Cultur des Bodens und blie- ben fortwährend die Bedingung eines geordneten Ackerbaus und des städti- schen Wohlstandes; daher wird z.B. der Deich der Akräphieer in Inschriften ‘des Landes Hort und Retter 75 yaua 73 aucor ryv ywgav (C. I. Gr. n. 1625, 15) genannt und wohlhabende Bürger konnten sich um das Gemeinwesen nicht verdienter machen, als durch Ausbesserung desselben. Diese Deiche dienten zugleich als Landwälle und Landesgränzen wie z. B. bei Pallantion und Lebadea (Peloponnesos I 264) ; sie dienten als Wege, welche quer durch die Niederung führend die Städte mit einander verbanden und dem Wanderer die Mühe ersparten, die tiefen Buchten des morastigen Zur Geschichte des W egebaus bei den Griechen. 215 oder unter Wasser stehenden Seebodens auf dem Felsenrande zu umgehen; sie wurden auch benutzt um Trinkwasser von den Bergen nach tiefliegenden Städten zu führen, wie z.B. bei Mantinea. Uralte Dammbauten dieser Art fin- den wir vorzugsweise im böotischen Seethale. Siehe Ulrichs Reisen S. 144, 212, 218,244, 260. Von Kopai, der alten Ruderstadt, geht ein Damm nach dem jen- seitigen Ufer hinüber mit den Resten einer alten Steinbrücke, welche den im Sumpflande hinschleichenden Kephisos durchliefs. Dieser Dammweg, 22 Fufs breit, ist mit Fels- Mauern gestützt, welche an der Seite, von welcher der Wasserchwall andrängt, ansehnlich verstärkt sind. Das alte Werk ist trotz der langen Reihe von Jahrhunderten und der vielen Überschwemmun- gen, die es mit einer harten Lehmkruste überzogen haben, im Ganzen wohl- erhalten. So istin Stymphalos ein Damnı, der das Tiefthal quer durch- schneidet; den Pheneaten hatte Herakles einen Abzugskanal gegraben, dessen 30 Fufs hohe Ränder zugleich den höheren Theil der Ebene gegen den nie- drigeren abdämmten und die gegenüberliegenden Ufer des Seethals verban- den. In den Ebenen von Thisbe, von Opus, von Eretria (Vgl. Rofs Zeit- schrift für Alterthumsw. 1850 S. 202) sehen wir die Felder und Wohnsitze durch ähnliche noch heute erhaltene Dämme gesichert und wir können uns an zahlreichen Beispielen davon überzeugen, dafs die Hellenen seit ältester Zeit Kunststrafsen durch Sümpfe zu legen verstanden, indem sie nach der ihnen eigenen Ökonomie der Mittel damit zugleich höhere Culturzwecke zu verbinden wufsten. Einen solchen Erddamm nannten die Griechen göu« oder auch yepuga; das letztere Wort ist, wie es scheint, aus fremder Sprache in das Griechische übergegangen und zwar zunächst in der Bedeutung einer künstlichen Ein- deichung von Flüssen und Seen; die Damm- oder Deichbauer heifsen also Gephyraioi. Erwägen wir nun, dafs diese Dämme, welche in wichtigen Theilen des Landes die Bedingungen der ersten Cultur waren, mannigfaltige Kenntnisse und eine geübte Technik des Wasserbaus voraussetzen, wie sie ohne fremde Lehrmeister von den Landeseingeborenen schwerlich erworben worden sind: erwägen wir ferner, dafs der Heros, der in Pheneos die Dämme baute, der tyrische Herakles ist, in dessen Person die Sage der Hellenen die bahnbre- chende Thätigkeit der fremden Ansiedler darstellte, so wird es auch vergönnt sein, die nach Herodot aus Phönizien eingewanderten Gephyräer, welche am 216 Cvurrıvs: böotischen Asopos &v ryediuus zuuaıs — das sind im Gegensatze zu den hoch- gelegenen Stadtburgen leichtgebaute, durch Deiche geschützte und durch Brücken mit einander verbundene Moordörfer (siehe Etym. M. s. v. Tepupa. Preller Demeter S. 392) — gewohnt hatten und dann aus Böotien flüchtig, in Attika zu ungleichen Rechten aufgenommen wurden, ihrem Namen ge- mäfs als die Urheber der böotischen Deiche und Dammwege aufzufassen. Wie erfahren die Phönizier in allen Zweigen des Wasserbaus gewesen sind, bezeugen die kolossalen Meerdämme des tyrischen Hafens (Ritter Erdkunde Th. XVII S. 341) so wie die künstlich gebauten und stufenweise geordneten Wasserbehälter Palästinas (Ritter XVI S. 275). Von ihnen lern- ten die Griechen, wie auch die Deutschen von Fremden gelernt haben, ihre reichen Marschländer zu bewirthschaften (vgl. Waitz Geschichte von Schlesw. Holstein I, p. 91). Mit des Landes Urbarmachung hängt der Wegebau un- mittelbar zusammen und dafs die Phönizier den westlichen Nationen nicht nur die Seestrafsen, sondern auch die Landstrafsen eröffnet haben, geht aus man- chen Zügen der Überlieferung hervor. Denn wenn die Griechen die Be- gründung des Wegemafses dem Herakles zuschreiben, so kann ich mich nicht entschliefsen, mit Böckh in den metrologischen Untersuchnngen S. 77 anzu- nehmen, dafs erst Pheidon als Agonothet in Olympia — nach wahrscheinli- cher Rechnung Ol. 28 — den olympischen Fufs eingeführt und diese Ein- führung auf seinen mythischen Ahnherrn zurückgeführt haben sollte; denn abgesehen von andern Bedenken würde eine Einrichtung, die einer nach pe- loponnesischem Rechte gänzlich revolutionären Olympiadenfeier ihre Ent- stehung verdankte, keine bleibende Sanktion erhalten haben. Die italischen Völker betrachten denselben Herakles, den Länder und Meere verbindenden tyrischen Wandergott (vgl. die Münter-Moversche Etymologie von Harkel = eumegoc) als den Wegebahner in ihren Landen und als den Dammbauer, auf den sie namentlich den berühmten Meerdamm (via Herculana) vor dem Lu- krinersee zurückführten. Vgl. Preller Myth. II 148. Dionysios I, 40 bezeugt, wie man durch die ganze Halbinsel ihm geweihte Altäre an den Strafsen finde. Sein Begleiter ist der Hund, der ‘Hgazasıos zuwv (Pollux I 45), der für ihn die Purpurmuscheln an den Felsgestaden aufspürt und auch zum Sym- bole des Wegs und der Wanderschaft wird. Anders kann ich den Hund auf dem Grabsteine in Welckers Sylloge n. 101 nicht auffassen. Auch in Nord- afrika haben die Phönizier von den Küstenpunkten aus in das Innere die Bah- Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 217 nen der Handelsstrafsen eröffnet. Endlich bezeugt Isidorus, dessen Origines an wichtigen Punkten unsere Kenntnifs der antiken Werkthätigkeit ergänzen, ausdrücklich das Verdienst der Phönizier, die Kunst des Wegebaus in den Ländern des Mittelmeers begründet zu haben (primi autem Poeni dicuntur lapidibus vias stravisse, postea omani eas per omnem fere orbem disposuerunt Orig. I, 90). In der Zeit, in welcher die Geschichte der Hellenen vor uns aufdäm- mert, sehen wir die Phönizier überall auf dem Rückzuge. Die Fremdlinge, die so lange die Söhne des Landes bevormundet und übervortheilt haben, werden von diesen bei steigendem Nationalbewufstsein auf das Meer zurück- gedrängt oder zu Hause in untergeordnete bürgerliche Stellungen gebracht. Aber die von ihnen gelegten Keime höherer Civilisation gedeihen zum Segen des Landes. Die Griechen haben die Natur beherrschen und nutzen gelernt und so die Grundlage gewonnen, um eine ihnen eigenthümliche Cultur aus- zubauen. i Wir kennen Griechenland nicht anders als mit Fahrstrafsen ausgestat- tet und in der Darstellung der homerischen Zeit tritt uns eine in Beziehung auf Verkehrsmittel sehr geförderte Zeit entgegen; ihre Helden bewegen sich auf ihrem Streitwagen wohin sie wollen. So durcheilt Telemachos in zwei Tagefahrten die ganze Breite des Peloponneses und wenn es den Alten ge- lungen war über die wilden Joche des Taygetos Fahrstrafsen zu bauen, so konnte ihnen keine Aufgabe dieser Art zu schwierig sein. Wenn wir der homerischen Darstellung hierin auch nicht die volle Gültigkeit eines histori- schen Zeugnisses beilegen dürfen, so liegt doch kein Grund vor, einer in ihrer Weise so hoch gebildeten Zeit, wie die der peloponnesischen Achäer war, solche Gebirgsstrafsen abzusprechen. So alt wie der Achäer hochgele- gene Stadtburgen (Ayamsv inıßaraı vers) waren, so alt mufsten auch die zu den Felskuppen hinauf gebahnten Wege sein, wie man sie in Orchomenos u. a. O. findet. Einen wichtigen Anhaltspunkt für die Chronologie des hel- lenischen Wegebaus würden wir haben, wenn die Bemerkung des Obersten Mure (Journal of a tour in Greece 11 254) gegründet wäre, dafs der Thür- stein des orchomenischen Thesauros ein pentelischer Marmorblock wäre; das würde also zur Zeit der Machthöhe des minyschen Staates Fahrwege zwi- schen Attica und Böotien voraussetzen lassen welche auch die schwierigsten Transporte möglich machten. Doch habe ich mich nach sorgfältiger Prüfung, Philos.- histor. Kl. 1854. Ee 218 Cuarrtıvs: so weit das Auge eines Laien darüber entscheiden kann, von jener Thatsache nicht überzeugen können. Das geschichtliche Griechenland steht auch in dieser Beziehung der heroischen Welt mit gröfserer Einfachheit der Sitte gegenüber. Wohl er- hielt sich in den Familien, welche ihren Ursprung von den reisigen Heroen der Vorzeit ableiteten, die Rofszucht und Wagenlenkerkunst, wie ein von ihren Ahnen ererbtes Vorrecht, und es war ein patriotisches Verzichten auf die Familientradition, wenn ein Eupatride wie Kimon auf der Burg die Zügel seines Rosses weihte, um sich rücksichtslos der neuen Politik seiner Vater- stadt anzuschliefsen. Im Ganzen aber trat der Wagenverkehr aus dem bür- gerlichen Leben zurück; es war dem republikanischen Sinne der späteren Hellenen, ihrem Sinne für Einfachheit und Gleichheit zuwider, dafs die rei- cheren Bürger hochfahrend und bequem an den ärmeren vorübereilen soll- ten; es war ein Merkmal üppigster Hoffart, dafs die Kyrenäer zu den Gast- gelagen fuhren (Alexis bei Athen. 510); mit einem Wagen sich innerhalb der Thore zu zeigen (levye: &s werw eoyerIaı Arist. Thesm. 811) war etwas Aufserordentliches; und allerdings mufs der städtische Verkehr dadurch nicht wenig an Ruhe und Behaglichkeit gewonnen haben, dafs aller Wagenlärm von den Strafsen verbannt war. Auch in der Umgebung der Städte galt das Wagenfahren für ein Zeichen der Verweichlichung und Prunksucht. Ly- kurgos des Redners Gesetz, welches gewifs nur einem eingerissenen Mis- brauche gegenüber das alte Herkommen erneuerte, verbot selbst den Frauen der attischen Bürger am Prozessionstage nach Eleusis zu fahren, damit den Ärmeren das Gefühl der Beschämung erspart würde. Die symbolische Be- deutung des Hochzeitwagens zeigt wie eingeschränkt der gewöhnliche Ge- brauch des Wagens war und Ausnahmen wie die, welche zu Ehren des Timo- leon gemacht wurden, zeugen nur für die Regel. Attische Gesandte hielten es auch aufserhalb Attika nicht unter ihrer Würde, die Dienstreisen zu Fufse zu machen, und zu ihrer eigenen Verhöhnung müssen die Diplomaten Athens im Anfange der Acharner von den grofsen Strapazen berichten, welche sie im weichen Reisewagen behaglich hingelagert in der Kaystrosebene auszuhal- ten gehabt hätten. Wer schnell vorwärts wollte, ging zu Fufs; der Staat schickte seine Depeschen durch Eilboten. Als nach dem platäischen Siege neue Flammen auf allen griechischen Heerden entzündet werden sollten, holte Euchidas von dem unentweihten Gemeinheerde Griechenlands das Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 219 Feuer, indem er die Entfernung zwischen Plataiai und Delphoi — von Plu- tarch auf 500 Stadien geschätzt — in einem Tage hin und zurück lief (Plut. Arist. 20). Diese That konnte auch von dem Berichterstatter nur als die Wirkung einer besondern, von den Göttern gesegneten Heldenkraft angesehn werden, als eine That, die durch einen raschen Tod im Dienste der vater- ländischen Gottheiten belohnt wurde. Dagegen wurde die Reise des Phei- dippides, der am Abende des zweiten Tages mit der Nachricht von dem Falle Eretrias von Athen nach Sparta gelangte, als etwas ganz Gewöhnliches be- richtet und dies bleibt, auch wenn wir, wie natürlich ist, voraussetzen, dafs er den Beginn seiner Reise durch eine Überfahrt vom Peiraieus nach Epi- dauros wesentlich abkürzte, immer ein ganz aufserordentlicher Grad von Botenschnelligkeit. Des Boten Name, welcher, wie ihn Herodot überliefert, die Thätigkeit desselben treffend bezeichnet, scheint darauf hinzuweisen, dafs in seiner Familie, die sich von einem Pheidippos 'Sparrofs herleitete, die Tüchtigkeit eines Hepodaouos für den Bedarf des Staats als erbliche Kunst geübt wurde. Die Römer bewunderten die Leistungen der griechischen Eilboten, die in Kriegszeiten zugleich als Kundschafter benutzt wurden; daher die Übersetzung von #uegodgouos durch speceulator (Liv. XXXI 24). Wenn schon aus diesen Andeutungen erhellt, wie die Griechen weder zum raschen Fortkommen noch zu offiziellen Reisen sich des Wagens be- dienten, so bleiben besonders zwei Rücksichten übrig, welche zur Anlage von Kunststrafsen Anlafs gaben, erstens um die Züge der Festgenossen zu den Heiligthümern zu leiten und zweitens um den Waarenverkehr aus dem Binnenlande an die Küste zu besorgen. Der Gottesdienst ist es, der auch hier die Kunst in das Leben gerufen hat und die heiligen Wege waren die ersten künstlich gebahnten Fahrstrafsen Griechenlands. Denn es galt nicht nur den Besuchern der Tempelfeste einen bequemen Weg zu bereiten, sondern auch für die Wagen Bahn zu machen, welche die heiligen Gegenstände den Göttern zuführten. Man ver- gleiche bei Herodot II 63, der das Aresfest in Papremis beschreibt, die TergarunAce auafı, EyeuTa Tov vmev TE Kal TO Ev TO und Evedv ayaana und wie viel darauf ankam, dafs die heiligen Gegenstände im Wagenkasten unverrückt und wohl verschlossen blieben, beweist Verrius Flaccus bei Maerobius Saturn. 1, 6 (evenisse ut Circensium die puer de coenaculo pompam superne despiceret el palri referret, quo ordine secreta sacrorum in arca pilenti composita vidis- Ee2 220 CurTıvs: set). Für griechische Sitte können wir nach Analogie der Theorenschiffe schliefsen, dafs auch die Wagen der Theoren durch Kränze und anderen Schmuck ausgezeichnet waren; siehe auch Hesych. (s. v. Jewpinos) Enrebavouv oi Sewgoi ras ümnvas. Meier de theoris p. XVII. Über bildliche Darstellung heiliger Wagen siehe Braun Annal. des archäol. Instit. XI p. 249. Es fuhren ja auch die Priesterinnen, wie die Mutter von Kleobis und Biton, zu den Tempeln ihrer Gottheiten hinauf und diese Wagen mufsten ohne Mühe, ohne Fährlichkeit und Aufenthalt zu ihrem Ziele geleitet werden. Je mehr nun durch Colonisation und Wanderung der Stämme die inneren Cultusver- bindungen sich im Lande vervielfältigten, desto zahlreicher und ausgedehnter mufsten die heiligen Strafsen werden; sie verbanden die Städte mit ihren draufsen liegenden Heiligthümern, die wichtigern Cultusörter unter einander und zugleich die in neuen Wohnsitzen getrennt lebenden Stammgenossen, die bei den Jahresfesten ihres ursprünglichen Zusammenhangs wieder inne wurden. Diese Wege waren es, welche nach altem Glauben die Götter selbst gewan- delt waren. So kam Apollon in das pfadlose, waldbedeckte Böotien; er schritt selbst zuerst durch die einsame Welt hindurch, um seinen Sitz in Pytho aufzuschlagen. Nach attischer Sage hatte sich Apoll von Delos nach Athen geschwungen und von Athen geleiten ihn, wie Aischylos sagt, unter Preis und Ehre die wegebahnenden Hephaistossöhne, “des rauhen Landes Wildnifs ihm entwilderend’ (Eumen. 12). Wenn nun nach allgemeiner Tradition die ältesten Kunststrafsen des Landes heilige Strafsen waren, so waren sie es auch, bei denen sich zuerst eine bestimmte Technik des Strafsenbaus entwickelte und feststellte. Diese Technik ist von den Alten nirgends beschrieben worden; wir müssen uns auch auf diesem Gebiete aus den Spuren derselben, die dem Boden unver- kennbar eingedrückt sind, eine Vorstellung von der Praxis der Alten zu bil- den suchen und damit die in der Sprache vorkommenden technischen Aus- drücke in Einklang zu bringen suchen. Es ist nicht möglich, dafs Jemand mit einiger Aufmerksamkeit zwei Tagereisen in Griechenland mache, ohne neben den heutigen Saumpfaden tiefe Radfurchen zu bemerken, welche ihm bezeugen, dafs dort, wo sein Maulthier auf holprichtem Felsboden sich jetzt kümmerlich den Weg sucht, einst Wagengespanne gefahren sind. Bei wiederholten Untersuchungen zeigt es sich, dafs diese dem Boden Altgriechenlands eingedrückten Wagenspuren, Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 221 die manifesta rotae vestigia, ohne die sich die Alten auch nicht die Sonnen- bahn im Äther denken konnten, nicht etwa durch langen Gebrauch und Ver- nachlässigung des Weges entstandene Furchen sind, sondern sorgfältig aus- gehauene und geglättete Kanäle. Diese Thatsache ist keinem Zweifel unter- worfen und von sorgfältigen Forschern mehrfach anerkannt, namentlich von Leake, von Rofs und von Mure. Letzterer hat besondere Aufmerksamkeit diesem Gegenstande gewidmet in seinem an trefflichen Wahrnehmungen rei- chen Tagebuche (Journal of a tour in Greece) aus dem ich, als ein Zeugnifs für meine Auffassung folgende Stelle entnehme: the term ‘rut’ (wheelruts) must not here be understood in the sense of a hole or inequality worn by long use and neglect in a level road, but of a groove or channel, purposely scooped out at distances adapted to Ihe ordinary span of a carriage, for the purpose of steadying and directing the course of the wheels and lightening the weight of the draught, on rocky or precipitous ground in the same manner as the sockets of our railroads. Some of these tracts of stone railway, for such they may in fact be called, are in a good stale of preservation chiefly where excavated in strata of solid rock. Vol. I p. 251. Es ergiebt sich also, dafs die Hellenen, soweit der Boden des Landes nackter Fels oder nur von dünner Erde bedeckt war, bei ihren Strafsen ein Prinzip befolgten, welches mit dem unserer heutigen Schienenwege darin übereinstimmt, dafs man nicht den ganzen Damm (redev »erevScv Aesch. Ag. 918) fahrbar machte, sondern sich mit einem Nivellement desselben be- gnügte, für die Räder aber Geleise anlegte, die man nun um so sorgfältiger aus- arbeiten konnte, so dafs zwischen den Rändern derselben auf vollkommen glatter Fläche die Wagenräder leicht und sicher dahinrollen konnten. Da- rauf beziehen sich die Ausdrücke Asaivew ödov, Asın 6des, Acım zul EmiogoIcs etc. Es kam aber, wie gesagt, bei den heiligen Wegen vorzugsweise darauf an, dafs die Prozessionswagen, welche unter Umständen hoch und künstlich mit Laubwerk und anderem Schmuck aufgebaut waren und in denen gottesdienst- liche Personen mit heiligem Geräthe, in denen auch aufrecht stehende Götter- bilder gefahren wurden, (Fourorroreiv ra iega Strab. 657) ohne Anstofs und ohne Störung der feierlichsten Ruhe zum Ziele gelangten. Ahnlich finden wir auch in den ältesten Städten Latiums, Norba, Cora, Signia die einge- hauenen Gleise der hinanführenden Felsbahnen; auch in neuern Städten, wie in Glasgow, hat man bei steilen Felswegen dasselbe Prinzip befolgt. Vgl. 322 Cvurtivs: Mure II 251. Zwischen den Gleisen suchte man den rauhen, höckrigen Boden wohl durch Sand und Kies auszugleichen. Nimmt man dies nicht an, so sind Wege, wie die nach Orchomenos hinauf, wo die sauber gehauenen Gleise durch rauhsten Fels mit tiefen Löchern und scharfen Spitzen getrennt werden, ganz unbegreiflich. Das Einschneiden des Gleises ist demnach die Hauptaufgabe beim Wegebaue und daraus erklärt sich auch der den alten Sprachen gemeinsame Ausdruck „den Weg schneiden” rewveiv ödov, punorouia, secare viam. Recht be- zeichnend ist daher Ciceros Ausdruck orditae thensarum für die heiligen Wege, indem bei ihnen das zur Aufnahme der Wagen bereitete Geleis die Hauptsache war. "Ixves ist das bleibend im Fels ausgehauene Geleis im Ge- gensatze zu &guargoyia (dafür auch bei Callim. fr. 115 und Nik. Ther. 263 die verderbte Form «uargex;e), der im Sande vorübergehend sich bildenden Wagenspur (Aelian. V. H. II 27); deshalb heifst es, wie bei einem Denkmale, TB Iyvos Emınnevalew nal avanı9evan im C. I. Gr. n. 5141. "Ixves ist gleich odes, daher der Wunsch eines a@raßts iyyes C. I. 3256, 8. Der Weg ist wesent- lich Furche, ©yuos und mit dieser Anschauung, welche in dem Wege nicht den Führer sieht, sondern die den Wagen aufnehmende Vertiefung der Bahn, mag auch der Umstand zusammen hängen, dafs im Griechischen alle Weg be- deutenden Wörter trotz ihrer männlichen Suffixe odos, argaros, nereuSos, Aew- #0gos, weiblichen Geschlechtes sind. (') Die Hauptschwierigkeit, welche bei der beschriebenen Art der Wege- bahnung, wie bei unsern Schienenwegen, sich herausstellt, ist die des Aus- weichens. So lange die heiligen Strafsen nur als Prozessionsstrafsen be- nutzt wurden und unter Aufsicht der Tempelbehörden ausschliefslich in gottesdienstlichem Gebrauche standen, war jene Schwierigkeit weniger fühl- bar; aber jemehr auf Strafsen wie der delphischen der Verkehr zunahm, desto häufiger mufste es wegen des Ausweichens (eÄirrar Sau, enrgerer Sau, das genauer ist als eixew, und decedere via) zu übeln Conflikten kommen und in Beziehung darauf preist Ion sein Tempelleben glücklich, wo kein schlechter (') Neben dem Worte # ödos ist aus derselben Wurzel auch ö oUöos erwachsen; euöds das zum Auftreten Dienende, Tritt, Schwelle; 7 cdos die den Tritt aufnehmende Bahn; end- lich wird auch wohl ro oJö«s aus derselben Wurzel hervorgegangen sein, indem der Begriff des Bodens aus dem des Tretens abgeleitet ist. Vgl. Eust. I. A. p. 156: Baros, BrAos \ \ , SQ e \ EN \ WEN. sa TRIE To BaiwssSar, wo Hat oudos TRIE To ödsverOaı. Zur Geschichte des W egebaus bei den Griechen. 23233 Mensch mit trotziger Forderung, die Bahn zu räumen, ihm entgegentrete (Ude u EEemAnE” ödov meungos cüdeıs, zelvo 6’ cur dvanyerev einew odev yaAuvra Tals nariorw. Ion. 635. &xrgerew ‘aus dem Gleise herausbringen’ nicht blofs ‘fortdrän- gen’ wie @rorgerw. Oedipus Tyr. 806). Denn es war in der That kein geringer Beweis sanftmüthiger Nachgiebigkeit, wenn Jemand, um den Begegnenden ruhig im Gleise bleiben zu lassen, den eigenen Wagen mühsam auf den rau- hen Felsboden zu heben sich bereit zeigte. So und nur so erklären sich Geschichten, wie die vom Ende des Laios, während sich doch auf einem breit gepflasterten und gleichmäfsig geebneten Fahrdamme wegen des Ausweichens nicht so leicht ein Streit auf Leben und Tod zu entspinnen pflegt. Um übeln Begegnungen der Art vorzubeugen, bedurfte es überall, wo keine Doppelgleise vorhanden waren, der Anlage von Ausweicheplätzen, wie man sie am deutlichsten auf der grofsen Fahrstrafse, die von Sparta nach Helos führt, nachweisen kana (Pelop. II 289). Die zwei Zoll tief eingehauenen Gleise biegen halbkreisförmig nach beiden Seiten aus und bilden eine dop- pelte &xrgern — denn dies scheint mir der technische Ausdruck für diese Plätze gewesen zu sein; &xrgererSar ist die richtige Bezeichnung einer Bewe- gung, welche den Zweck hat, einem Zusammenstofse vorzubeugen (vgl. Cie. Pis. 22: quos tu Maeandros, quae diuerticula flexionesque quaesisti?). Jede Fahrstrafse mufste mit solchen Plätzen versehen sein, deshalb erklärt Hesy- chios den Fufspfad @rgarcs als einen Weg ohne Ausbiegung im Gegensatze zur Aewpcgos. Vgl. Eust. p. 1738, 49: üragmıroi-ödel ai um Eexouraı Eurgomiv yreı zauılıw. Der Name Aewocgos aber entspricht nicht unserm Worte ‘Heer- strafse’, via militaris, denn Aacs, Asus bezeichnet in alten Ausdrücken vorzugs- weise das zu gottesdienstlichen Zwecken versammelte Volk. So war das Aswxögıov nach Analogie von vewxogos ein zur Sühnung des Volks bestimmter Ort (Müller Index lection. Gott. 1840). Eben so in den Formeln &xovere Aew, supnues mas Ertw Aews, in Ausdrücken wie bei Soph. Fragm. inc. 60: Bar eis ödov In mas ö yeıguvaf Aews etc. bezeichnet Aews das Volk als Gemeinde; Aewg- yes ist wer bei Götterfesten sich am Volke versündigt und den gemeinen Frie- den bricht. Eigenthümlich ist den Hellenen, dafs sie auch auf diesem Gebiete ihrer Werkthätigkeit sich möglichst an die von der Natur gegebenen Bestim- mungen anschlossen und eine gewisse Scheu hatten, natürliche Hemnisse ge- waltsam zu beseitigen. Darin unterschieden sie sich von den Barbaren. Den 23934 CurTivs: Eroberungsheeren des Morgenlandes zogen Truppen voraus, welche alle Ge- fahren und Schwierigkeiten des Weges ohne Rücksicht auf das Verhältnifs zwischen Mittel und Zweck zu beseitigen hatten. Berge und Hügel mufsten, wie Jesaias (40, 3) sagt, geebnet werden und die Thale erhöhet; was ungleich war, mufste eben, was höckricht war, schlicht werden. Die Geschichte der Perser in Griechenland zeigt, wie, um die Umschiffung eines Vorgebirges zu vermeiden, der Athosisthmos durchstochen wurde und wie man im Begriff war die Insel Salamis durch einen Meerdamm zur Halbinsel zu machen. Auch die Römer suchten die entgegenstehenden Hindernisse nicht zu umge- hen, sondern zu überwinden, um von den Bestimmungen des Lokals unab- hängig die geradesten Linien einzuhalten. Die Hellenen aber folgten genau der Bildung des Terrains. Wo das Wasser sich durch das Gestein den Weg gebrochen, erweiterten sie die Thalfurche und neben dem Bache (au vore- 0v C. I. 2554 1. 105) steigt die gewundene Strafse in die Niederung hinab, während die Römer auf der Höhe blieben, um mit lauerndem Auge die Um- gegend zu bewachen. Daher im Griechischen der Ausdruck: Die Schlucht führt hinauf oder hinab, wie z.B. C.I. I p. 578: pagay& n dvapegoura raga r& &oyarına, daher auch ödes für die Höhlung des Flufsbettes selbst gebraucht wird, Aluvü alveus: so in der Cyrop. 7, 5: A dıa rüs FoAews Tel Moramou ödes mopeurınos und in Aischylos Choeph. v. 63 ed. Herm. Durch kleine Nachhül- fen sind die meisten Thäler griechischer und kleinasiatischer Berglandschaften nothdürftig fahrbar zu machen, und nur selten sind die Flüsse so unwegsam, wie der obere Eurymedon, der häufig die ganze Sohle seines Engthals füllt und auch an den senkrecht abstürzenden Rändern keinem Pfade Raum giebt (Schönborn im Posener Programme 1843 S. 10). Über die uralte Heer- strafse aus Lycaonien nach Cilieien siehe Fischer in Kieperts Memoir zur Karte von Kleinasien p. 27. Geduldig folgen die alten Strafsen allen Winkeln und Ecken der Schluchten und ihre Spuren geben noch heute Zeugnifs, wie wenig jenen Zeiten die ungeduldige Hast des Reisens bekannt war, wobei man nie vergessen darf, dafs überhaupt zum schnellen Vorwärtskommen die Kunst- strafsen nicht bestimmt waren und ein wohlgegürteter Wanderer auf Berg- pfaden allen Wagen leicht vorauseilte. Wo die Natur den Zugang ver- sperrte, verzichteten die Hellenen auf die Anlage fahrbarer Kunststrafsen. So blieb im Lande der Lycier die ganze städtereiche Küste ostwärts von der Xanthosmündung ohne Fahrstrafse, so blieb der nächste Verbindungsweg Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 225 zwischen dem griechischen Continente und der Halbinsel ein enger Fufspfad, wie ihn der megarische Landesfürst Skiron angelegt haben sollte und erst Hadrian unternahm es, in die abschüssigen Strandklippen eine Wegterrasse zu hauen, auf welcher sich Wagen begegnen konnten. Es würde auch den Hellenen gelungen sein ein solches Werk auszuführen, wenn sie das Bedürf- nifs lebhafter empfunden hätten und wenn nicht ein natürliches Gefühl sie ab- gehalten hätte, die wichtigsten Pässe ihres Landes, die Schutzwehren ihrer Freiheit und namentlich jenes Bollwerk der peloponnesischen Selbständig- keit durch Erweiterung zu zerstören. Die ganze Entwickelung der griechi- schen Geschichte ist durch diese Strandpässe bedingt; ohne ein Thermopylai ist auch kein Leonidas denkbar. Breite Heerstrafsen sind schon oft zu Landes- verräthern geworden und es würde Alexander schwer gewesen sein, das per- sische Reich sorasch zu erobern und so kräftig zusammenzuhalten, wenn sich nicht für die Beförderung und Versorgung seiner Armee Communikations- mittel im Lande vorgefunden hätten. Bei steilen Abhängen wurde durch vorsichtige Windungen die Gefahr vermieden, wie man es z.B. im arkadischen Parthenion sieht, wo die grofse Curve der alten Kunststrafse wahrscheinlich nach hellenischer Tradition noch heute T'ügos genannt wird. Auch die in soliden Fels eingehauene Strafse aus Unterseleucia nach Oberseleueia zieht sich in Serpentinen den Berg hinauf. Wo es möglich war, wurden Hügel und Gebirge ganz umgangen — der dafür vorkommende Ausdruck ist ragaosgeıv (C. I. II 2905 I. D. lin. 11 p. 574). Namentlich waren es die heiligen Wege, welche die steilen Bergpfade (öde: opTiar, Inyvows 69Suaı nach xenophontischem Ausdrucke) vermieden und das ebene Terrain suchten; der gerade Weg von Elis nach Olympia war der Bergweg (£gewn ödes, n & ögouc) die Prozessionsstrafse aber der Thalweg (9 dı« rs0 reöicu), welcher durch die Küstenfläche die Thäler des Peneios und des Alpheios mit einander verband. So werden die Bergwege am Idagebirge der mrarela vedias $ auafıres (Rhesos 283) entgegengesetzt und in dem pythagorei- schen Spruche: Aswopcgous ödevs un areiyew werden die breiten und gewundenen Heerstrafsen, auf denen der grofse Haufe geht, dem geraden und einsameren Bergpfade gegenübergestellt (rn eiSeiav aysıy Athenaeus p. 452 e). Wo die Bodenverhältnisse nicht der Art waren, dafs der natürliche Fels die unmittelbare Grundlage des Weges bilden konnte, da mufste man sich schon bequemen, den Weg nicht blos einzuschneiden, sondern auch zu Philos.- histor. Kl. 1854. Ff 2236 Curtıvs: bauen (öööv wrieew C. I. 4921 deuew, woev C. I. 5127 B. 14). Bei dem Dammbaue, von dem ich zuerst geredet, weil er mit den ersten Mafsregeln der Landeskultur zusammenfällt, hatten die Grieehen gelernt in unfestem Moorgrunde sichere Grundfesten zu schaffen, und niemals, können wir sagen, ist unter schwierigen Verhältnissen solider gebaut worden. Es fehlte nicht an mancherlei Gelegenheit, diese Künste anzuwenden und auszubilden. Namentlich bei tiefgelegenen, sumpfigen Tempelplätzen, wie sie in Ionien so häufig vorkommen, in Ephesos, in Samos verlangte der Gottesdienst eine künstliche Fundamentirung von gröfster Ausdehnung, für den Tempel so- wohl als auch für die Tempelwege, damit die heiligen Gründungen auf sicherm Boden ruhten, ohne dafs man die durch die Tradition geheiligte Stätte, welche bei Erderschütterungen mehr Sicherheit gab als harter Felsboden, zu ver- lassen genöthigt gewesen wäre. Der Götterdienst hat auch auf diesem Ge- biete äufserer Werkthätigkeit die Kräfte der Menschen auf das Mannigfachste angespannt; auch in dieser Beziehung sind, wie Libanios an Theodosios schreibt, die Tempel die Seele der Felder, der Anfang des Anbaus gewesen; sie sind die Mittelpunkte des Verkehrs geworden. Ihretwegen sind die Sümpfe gedämmt, die Bergjoche überwunden, die Gewässer überbrückt. Cultuszwecke waren es, um deren willen die Tiberufer durch die Pontifices verbunden wurden und dem Apollon zu Ehren liefs Nikias eine Meerbrücke bauen über den vier Stadien breiten Sund zwischen Delos und Rhenaia (Plut. Nikias 3), ein veruyoupov ödırua mach äschyleischem Ausdrucke. Ebenso gehören hieher die doppelten Kephisosbrücken des heiligen Wegs zwischen Athen und Eleusis. Vgl. Preller de via sacra I p. 11. Ich habe zu zeigen gesucht, wie vorzugsweise im Dienste der Religion die Anlage der Kunststrafsen in ihren verschiedenen, durch die Ortlichkeiten bedingten Gattungen bei den Griechen ausgebildet worden ist, indem ich zugleich über dıe Technik des Strafsenbaus allgemeine Bemerkungen hinzu- gefügt habe, die im Folgenden noch gelegentliche Ergänzungen und Bestäti- gungen erhalten werden. Ich versuche nun nach diesen Vorbemerkungen die verschiedenen Gattungen griechischer Kunststrafsen, namentlich die hei- ligen Wege und die profanen, die Landstrafsen und die städtischen Strafsen nach ihren für das Leben der Hellenen wichtigeren Beziehungen näher in das Auge zu fassen. Zur Geschichte des W. egebaus bei den Griechen. 2237 Die heiligen Wege (iegai öde, seßarrai mAareiuı C. I. II. p. 159 Seu- gis odes, Öl As larıv Eri ra iegu Hesych. s. v. Sewgoc. Sewpides x&r1euScı Schol. Plat. Phaedr. Init. daher Sewgidos ödeu nynrno d. i. agxıSewecs C. I. Gr. n. 3538) sind verschiedener Art, zunächst solche, welche die Götter selbst gewandelt sein sollten, als sie in das Land kamen, um hier ihren Wohnsitz aufzuschla- gen. Diese Wege sind für hellenische Religionsgeschichte von besonderer Wichtigkeit. Sie kommen nicht bei allen Göttern vor, nicht bei denen, die, des Volkes eigenster Besitz, niemals als Gäste und Fremdlinge von ihm an- gesehen werden konnten. Zeus hat Niemand als einen zuwandernden Gott dargestellt; er ist des Landes Kind, mit seinen Bergen, Wäldern und Quellen verwachsen. Auch bei den Gottheiten, deren Verehrung aus fremdländi- schen Keimen erwachsen ist, finden wir nicht in gleicher Weise die Zuwan- derungssagen ausgebildet. Aphrodite kommt zur See, wie Ino und Meliker- tes; an ihren Dienst knüpien sich also Landungssagen in vielfacher Form z. B. in Kypros bei Tremithus, dem Terebinthendorfe, dessen Name von dem Erzittern der Einwohner bei dem ersten Erscheinen der Göttin (erıßarns "Abgodırne eis rev romov Steph. B. s. v. ToeuiScüs) hergeleitet wurde. Ihr Dienst verbreitete sich von den zahlreichen Strandorten allmählich in das Binnen- land, ohne dafs sich bestimmte Einwanderungssagen nachweisen lassen. Dio- nysos ist auch ein zuwandernder Gott, an dessen Kommen sich zahlreiche Legenden anknüpfen; er verbindet die fernsten Länder des Auf- und Nieder- ganges und überbrückt die trennenden Ströme. Doch bestehen jene Legen- den meist aus einzelnen Abentheuern, die sich auf die freundliche oder un- willige Aufnahme des einkehrenden Gottes beziehen; ähnlich bei Demeter. Bei keinem der Götter ist das segensreiche Kommen, die für die Cul- tur des Landes und der Bewohner Epoche machende Erscheinung in einem so reichen Sageneyklus ausgeprägt, wie beim Apollon. Gedenken wir der Reihe von Gottheiten, welche ihm im Besitze des delphischen Dreifufses vorangegangen ist, so können wir ahnen, welch eine lange Geschichte das religiöse Bewulstsein der Griechen durchlebt hat, ehe es für die Idee des Apollon gereift war. Die Metropole des hellenischen Apollokultus wird nirgends als der Ursitz, sondern überall als der Endpunct der verschiedenen Bahnen bezeich- net, auf denen der Gott eingewandert ist. Delphoi mufs sich als ein vor- städtisches Heiligthum ursprünglich zu Krissa verhalten haben, wie Olympia F£f2 228 Currtıuvs: zu Pisa und der älteste delphische Prozessionsweg mufs die beiden apollini- schen Nachbarorte verbunden haben. Auf diesem Wege, heifst es auch im homerischen Hymnos, sei Apollon citherspielend den Kretern vorangegangen; es ist der clivus sacer, den alle Festzüge wandelten, wenn auch dieser Weg, so viel mir erinnerlich ist, niemals unter dem Namen des heiligen erwähnt wird. Dagegen kennen wir unter diesem Namen die lange Strafse (ieg« 6dcs Plat. Quaest. gr. 12. Gerhard Mythologie I $ 298), welche den Parnafs und den Olympos verband und die bei den Daphnephorien dazu benutzt wurde, um auf ihr durch einen delphischen Knaben die Herkunft Apollons aus dem Tempethale drastisch darzustellen. Die vorzugsweise sogenannte ‘heilige war aber die dritte, welche von Attica beginnend, in Böotien auch die pelo- ponnesische und die thebanische Strafse aufnahm und vereinigt nach Delphoi führte. Wo aber der heilige Weg in Attika anknüpfte, ist eine Frage von tiefer gehendem Interesse, als man ihr bis jetzt zugewandt hat. Von Attika hat die Ostküste den Apollodienst zuerst empfangen: Prasiai war der apollinische Hafen; in der marathonischen Tetrapolis wurde der Cultus besonders gepflegt; dort safsen die Ionier, wie die Xuthossage be- weist, ehe sie des Landes Herren wurden; von hier aus erstreckten sich die ersten Verzweigungen des Oultus in das Binnenland hinein. Aischylos be- zeichnet diese Verbreitung von der Ostküste her deutlich genug, ohne Athen zu erwähnen und der Scholiast führt aus Pindar an, dafs der Weg nach Delphoi von Tanagra ausgegangen sei. Demnach glaube ich annehmen zu dürfen, dafs die wichtige Verbindung zwischen Delos und Delphoi durch die attische Tetrapolis und das Asoposthal eröffnet worden sei und dafs erst spä- ter mit der Verpflanzung der altionischen Geschlechter und ihrer sacra nach Athen auch der Anfangspunkt der delphischen Strafse hieher verlegt worden sei. In den Metageitnia feierte man das Andenken an die Einbürgerung des Gottes in Athen. Vgl. Sauppe de demis urbanis Athenarum p. 23. Derselbe Weg war es, auf dem die Thyiaden zum Parnasse zogen. Der Dionysosdienst ist älter am Parnasse als der Apollodienst und dennoch ziehen die dionysischen Schaaren auf den von Apollodienern gebahnten Wegen; so sehr liegt gerade in diesem Dienste die ordnende, sittigende, weg- bahnende Thätigkeit begründet. Des Gottes Kommen zu feiern gehörte zu seinem Cultus und die in demselben erwachsenen Päane sind in festlichem Schreiten gesungene Wegelieder. Wo apollinischer Cultus ist, finden wir Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 239 mit ihm Prozessionsstralsen verbunden, so vor Allem in Kyrene; so auch in Sikyon die Strafse an die Sythasmündung, auf welcher die Bilder von Apoll und Artemis hin und zurück getragen wurden zur Erinnerung an ihre zum Heile der Stadt erfolgte erste Ankunft (Pelop. II, 492). Diesen apollinischen Feststrafsen verwandt sind diejenigen, welche zwei gleichartige Heiligthümer mit einander verbinden, deren eines des andern Filial ist, wie z. B. die beiden Heiligthümer der grofsen Göttinnen am Ly- kaion und das messenische bei Karnasion (a. a. O. I, 135). Diese Gattung heiliger Wege, welche der ursprünglichen Ausbreitung der griechischen Kulte entsprechen, sind für die Religionsgeschichte die wich- tigsten. Es giebt eine zweite Gattung, deren Bedeutung enger mit der poli- tischen Geschichte zusammenhängt. Wenn nämlich ein griechischer Staat den andern überwältigt hatte, so durfte er ohne schwere Verschuldung die dort vorgefundenen sacra nicht erlöschen lassen, sondern die neu begründete Oberhoheit wurde dadurch sanktionirt, dafs der siegende Staat die Opfer- gebräuche übernahm und seine Macht nicht nur durch Gebietsausdehnung in materieller Weise vermehrte, sondern auch durch neue Verbindung mit den Göttern neue Bürgschaften seiner Dauer gewann. Die Aneignung der fremden Dienste erfolgt in zwiefacher Weise. Entweder wird Bild und Tempeldienst gerade zu in die neue Hauptstadt verpflanzt, so dafs die ursprüngliche Cultus- stätte gleichsam zu einem Filiale der neuen Stiftung wird, oder die alte Cultus- stätte bleibtbei der Verpflanzung der sacra der heilige Mittelpunkt des Dienstes, während in der Hauptstadt entsprechende Anstalten errichtet werden und die Verwaltung des ganzen Cultus dort ihren Sitz nimmt. In beiden Fällen mufs eine heilige Strafse gebaut werden, welche bei der Theilung des Cultus die beiden Stätten desselben verbindet; sie stellt nicht nur das religiöse Band dar, welches die getrennten Ortschaften zu einer geistigen Einheit verknüpfte, sondern auch die engste staatliche Vereinigung; denn der Festtag, an welchem die Prozessionsbilder, wie z. B. der Dionysos aus Eleutherai, denselben Weg getragen wurden, welchen sie ursprünglich zurückgelegt hatten, war auch der Jahrestag der Einverleibung des Demos in den attischen Staatskörper. So wurde das neue Sparta mit dem ehrwürdigen Amyklai vereinigt, so wurde Olympia an Elis durch die heilige Strafse wie eine Vorstadt gebunden, und ängstlich wurde dem Aufkommen einer selbständigen Ortsgemeinde in Pisatis vorgebaut, die den Eleern die Rechte der Verwaltung des Zeusheiligthums 230 CurTıvs: und den damit verbundenen Gewinn an Ehre, Reichthum und Macht streitig machen könnte. So knüpfte Megalopolis durch Opferstrafsen die alten Städte und Heiligthümer der umwohnenden Pelasgerstämme an seinen Markt und sein neu gebautes Prytaneion; in den Vorgängen dieses späten, rationel- len Synoikismos sehen wir sich wiederholen, was aus innerem historischen Triebe hervorgehend, alle Städte der Hellenen und das von ihnen ausgehende staatliche Leben zu Stande gebracht hat. Damit ist die Mannigfaltigkeit heiliger Wege nicht erschöpft; sie setzen nicht nur gleichartige Cultusstätten, sondern auch ungleichartige, die nur durch zufällige Nachbarschaft in gegenseitige Beziehung getreten sind, mit einander in Verbindung; so z. B. # &dös dmo roü Neßarreisv vuod araysura eis 75 seuevos Seas Kogns (C. I. n. 2839). Es ist auffallend, wenn Heiligthümer des griechischen Landes sich aufserhalb eines wohlgebahnten Strafsennetzes be- finden (££w rarsu rgıcdwv nu Aewboguv Euseb. de laud. Const. 9). Aber es er- hellt schon aus den gegebenen Andeutungen zur Genüge, wie die heiligen Strafsen zu dem religiösen und politischen Leben der Hellenen in vielver- zweigter Verbindung stehen und wie lehrreich für die inneren Beziehungen desselben die Kenntnifs der Sagen und Gebräuche so wie der Normen und rechtlichen Bestimmungen sein mufs, welche sich auf die heiligen Wege der Griechen beziehen. In den griechischen Sagen, die hieher gehören, tritt ein Dreifaches hervor, die göttliche Huld, die Kraft der Heroen und die Pietät der Sterb- lichen. Die Götter offenbaren sich und von ihrem freiwilligen Nahen be- ginnt der Cultus, der in den Feststrafsen sich bethätigt. So hat sich Apollon von Delos ‘an der Pallas schiffumkränztes Ufer’ geschwungen, um den Athe- nern sein heilbringendes Wesen zu verkünden; so sind Apollon und Artemis, die in Delos gepaarten Götter des Ostens, in Sikyon gelandet und ihre Lan- dung ist der heiligen Strafse Anfang. Aber solche Anfänge, welche zugleich die eines neuen Culturlebens sind, erforderten nach Ansicht der Hellenen bahnbrechende Kräfte, wie sie den Heroen eigen waren. Ich darf hier nicht an die Einzelheiten, sondern nur an das Gemeinsame und Analoge jener Sagengruppen erinnern, welche sich überall an die heiligen Strafsen anschlie- (sen, an den Sauros bei Olympia, Skiron beim Isthmos, Prokrustes am eleu- sinischen Wege, die Hamaxokylisten, Dryoper und Phlegyer, Kyknos, Tityos und Phorbas auf den pythischen Wegen; auch Termeros, Busiris, Antaios Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 2331 mögen hieher gehören — überall sind die Mächte der Finsternisse niederzu- kämpfen, ehe die neue sittliche Weltordnung begründet wird. So rächt Apollo selbst die auf heiliger Strafse an Leto verübte Gewaltthat (Od. 11 576), so kämpft für den Gott Herakles und bahnt die Wege durch die Wildnifs des Oeta; so vertritt Theseus mit starkem Arme die Sicherheit der heiligen Strafsen, welche längs des saronischen Meers die späterhin so vielfach zer- rissenen Uferstaaten desselben zu gemeinsam ionischen Gottesdiensten ver- einigten, namentlich die Städte der Trözenier, Epidaurier und Athener, die früher nur durch Seeverbindung mit einander zusammenhingen. In der Nachfolge der Heroen vollenden die Menschen das gottesdienstliche Werk der Wegebahnung. Denn dafs es so aufzufassen sei, geht aus der Gründungs- sage und den Festgebräuchen der delphischen Strafse deutlich hervor. So oft die pythische Theorie von Athen auf dem von Theseus gebahnten Wege auszog, wandelten nach alter Satzung vor dem Zuge Männer mit Äxten und Beilen zur lebendigen Erinnerung an die alten Werkmeister, die einst zuerst dem Gotte die Stege bereitet hatten, die Hephaistossöhne — so werden bei dieser Gelegenheit nicht etwa die Bewohner einzelner attischer Gaue genannt, der Sitze besonderer Kunstfertigkeit, sondern die Athener insgemein, nament- lich die ältere Bevölkerung im Gegensatze der später zur Herrschaft gekom- menen lonier. Die cösroıcı gehören also mit zu den rewyirau iegoe (O. I. n. 3545) und reichgesegnete Fürsten wie Battos können ihre Frömmigkeit nicht glänzender bezeugen, als durch Anlage breiter, gerader, und dauerhafter Pro- zessionsstralsen; in der Beziehung findet der in orientalischem Despotismus, wie oben bemerkt wurde, wurzelnde Ausdruck im Evang. Joh. 1, 23: euSuve Tv 6dov nuglov auch auf hellenische Cultusverhältnisse seine volle Anwendung. So wurden diese Heerstrafsen als Denkmäler der Pietät, als gottge- weihte Anstalten betrachtet und demgemäfs auch im öffentlichen Rechte und im Völkerverkehre anerkannt. Die Asylie welche den Heiligthümern zu- kam, erstreckte sich durch die Strafsen und in denselben weit durchs Land; die ältesten Völkerverträge, von amphiktyonischen Genossenschaften ausge- hend, betrafen die Unverletzlichkeit der die Strafsen ziehenden Pilger und die heilige Scheu vor diesen Satzungen dauerte so lange, bis in den Zeiten des immer mehr überhand nehmenden Söldnerdienstes das Bedürfnifs nach baarem Gelde und rohe Beutelust in der Kriegführung alle andern Rück- 232 CurrTıvs: sichten zurückdrängte. Dem Verres wurde es zum besonderen Vorwurfe gemacht, dafs er auch auf den Spuren der heiligen Strafsen, den orbitae sacrarum ihensarum, sich nicht geschämt hätte zu rauben; wegen Ermordung des Androgeos auf der pythischen Strafse wurden die Athener gezwungen Kinder ihres Landes zum Frohndienste an den Apollotempel zu schicken. Müllers Dor. I, 242. So anerkannt im Allgemeinen die Heiligkeit der Fest- strafsen war, so blieb ihre Anerkennung aufserhalb der einzelnen Amphik- tyonien doch besonderen Verträgen überlassen, namentlich in Kriegszeiten, so oft nur unter Vortritt des Herolds zwischen den verschiedenen Staaten verhandelt werden konnte. Eine merkwürdige Urkunde der Art ist die attische Inschrift (C. I. 71), in welcher während des dem 30jährigen Frie- den vorhergehenden Kriegszustandes zwischen den Athenern und Spartanern der freie Verkehr auf der eleusinischen Feststrafse für eine bestimmte Zeit ausgemacht wird; es war eine Ekecheiria in der Form eines besonderen Staats- vertrags. Aus der Zeit des peloponnesischen Kriegs sind keine Veranstal- tungen der Art näher bekannt. Im Gegentheile wissen wir, dafs seit der lakonischen Verschanzung in Dekeleia die Zugänge nach Eleusis den Athe- nern nicht zu freier Benutzung standen, sondern dafs man wegen der feind- lichen Streifschaaren genöthigt war die Mysten zur See überzufahren, wobei denn vielerlei Gebräuche, die sich an die Stationen des Landwegs anschlos- sen, unterbleiben mufsten, bis endlich Alkibiades seine Heimkehr durch keine gottesdienstlichere und bei den Menschen ruhmvollere That bezeichnen zu können glaubte, als dafs er wie ein zweiter Theseus die heiligen Strafsen säuberte und den Mystenchor ungefährdet, in voller Feierlichkeit nach Eleu- sis geleitete. Agis wagte das Pilgerheer nicht anzugreifen, das entschlossen war, das Recht des heiligen Wegs mit seinem Blute zu vertheidigen (uaxnv iegav „al SeohıAy megl Tuv dyiwrarwv zai MEyioTwv Ev oa us marpidos uay,eaSaı) Plut. Alkib. 34. Der aristophanische Mystenchor ist ein Wiederhall der Freude über die erneuerte Sicherheit der eleusinischen Strafse. Was die delphischen Strafsen betrifft, so standen diese unter der ge- meinsamen Garantie der Hauptstämme Griechenlands und alle Anwohner waren nicht nur die Heiligkeit der Strafse anzuerkennen und zu schützen verpflichtet, sondern auch den Strafsenbau vor Verfall zu sichern. In dem amphiktyonischen Gesetze von Ol. 100, 1, dem einzigen in seiner Art, das Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 233 auf unsere Zeit gekommen ist, C. I. 1688 wird an einer leider sehr lücken- haften Stelle nach Böckhs wahrscheinlicher Ergänzung von Zeile 40 die In- standhaltung der nach Delphi führenden Strafsen, wozu auch noch die Regu- lirung von Flüssen u. dgl. zu gehören scheint, den Staaten als eine Amphik- tyonenpflicht eingeschärft (edv ra[s &mi Asapevs ayouras - - - - zul r]as Yedugas EbaxeirSu "Audızriovas zarrav aure) Enarov Iuwgav?). Dessenungeachtet fin- den wir die Athener mehrfach am Durchzuge nach Delphoi verhindert, wenn sie mit Böotien in Unfrieden waren (Schol. zu Arist. Aves 189), so dafs sie wie bei den Eleusinien für die Durchlassung ihrer Theorenzüge besondere Ver- träge machen mufsten. Wir sehen daraus, wie das heilige Recht, das in Delphoi seinen Mittelpunkt hatte, damals keine bindende Kraft mehr hatte. Ursprünglich müssen die griechischen Amphiktyonieen viel mehr, als wir jetzt nachweisen können, auf die Ausbildung des Wegebaus einen ent- scheidenden Einflufs gehabt haben, weil nur an diesen Punkten Gelegenheit vorhanden war, praktische Landesangelegenbeiten in gröfserem Umfange zu behandeln. Den amphiktyonischen Tempeln mufste daran liegen, mit mög- lichst viel hellenischen Städten durch Kunststrafsen verbunden, ihren Huldi- gungen zugänglich zu sein und dadurch zugleich ihren Einflufs wieder auszu- breiten; die Sicherheit der delphischen Strafsen war ja die erste Bedingung, dafs sich Alle nach väterlichem Brauche des gemeinsamen Orakels erfreuen konnten (4gnr Su dderws nal ddeus zura roüs margieus vencus Thuk. IV 118). Verfall und Unsicherheit der heiligen Wege hielt die Besuchenden zurück; so ging Keyx zum klarischen Apollon, während die Phlegyer die delphischen Wege sperrten (Ov. Metam. XI. 417). Die Tempelbehörden hatten des- halb ein wesentliches Interesse daran, den Landfrieden zu fördern, das Stralsennetz immer mehr auszubilden und den Verkehr mit Opfer- und Rennwagen durch Einführung gleicher Spurbreite möglichst zu erleichtern. Dafs aber in der That eine solche Regulirung des Fahrgleises seiner Zeit statt- gefunden, scheint daraus hervorzugehn, dafs sehr eonstant dieselbe Spurweite von 5 4 in der Halbinsel und in Mittelgriechenland sich nachweisen läfst. Wenn die heiligen Strafsen die von den Göttern gewandelten waren und wenn eine auf ihnen vollzogene Gewaltthat den Charakter der Hierosylie annahm, so erkennen wir daraus, dafs die Götter selbst eine Art Eigenthums- recht auf die Bahnen jener Wege in Anspruch nahmen. Daher finden wir auch, dafs am Rande der Wege ferne vom Tempelsitze gelegene Gegenstände Philos.-histor. Kl. 1854. Gg 234 Curtıvs: als Tempeleigenthum betrachtet werden; so z. B. die Rheitoi, die beiden Salzseen am westlichen Rande der Höhe, welche die Ebenen von Athen und Eleusis trennt. Nur die Priester der Göttinnen durften in diesen Teichen fischen lassen und die Fische derselben waren wirkliche iego: 14,905 (vgl. Kuhn’s Zeitschrift: über iegec und irxvugos Bd. II S. 274 und III 154). Mit dieser Heiligkeit der Strafsen hängt endlich auch der Umstand zusammen, dafs die Alten nirgends lieber bestattet sein wollten, als am Rande solcher Wege, wo ihren Familiengräbern aufser dem allgemeinen Schutze, den Religion und Sitte den Grabstätten verbürgte, noch die besondere Heiligkeit der Gegend zu Gute kam. So werden häufig in den Inschriften nicht blofs die Götter der Unterwelt, sondern auch andere Gottheiten, welche in der Nähe wal- ten, zum Schutze der Grabstätten aufgefordert, so z. B. Leto, Hera Basileios, die Musen. Aphrodite tritt, wenn die Erben ihre Pflicht versäumen, in den Besitz der Gräber (C. I. 2824). Die Beziehung der Gräber zu den nahen Heiligthümern tritt in mannigfacher Weise hervor; so wird ein Knabe be- stattet @ayy,od Nvuubauv (C.1. 997) und es dient seinen Eltern der Gedanke zum Troste, ihn als einen von den Nymphen Geraubten aufzufassen. Vgl. Welcker’s Sylloge p. 15. So werden heroisirte Verstorbene den benachbar- ten Göttern assimilirt; die bekanntesten Beispiele sind Aphrodite Phila und Pythionike (C. I. n. 507 und 508) am eleusinischen Wege, wo die Göttinn ihren Namen für des Demetrios Frau und des Harpalos Buhlerin hergeben mufste. Vgl. Rofs Hellenica I S. 53. Was die Ausstattung der heiligen Wege betrifft, so war das Erste ein bestimmter inaugurirter Anfangsort, ein heiliges Thor für die ausziehenden Prozessionen, wie das Festthor der Eleer nach Olympia (Peloponn. I S. 31) oder ein Heiligthum, welches dem fernen Ziele entsprach und die durch- gehende, völker- und länderverbindende Wirksamkeit der Gottheit erkennen liefs. So wies das Pythion in Athen auf das delphische hin und zwischen dem Pythion und dem benachbarten Olympieion wurden beim Erdaltare des Zeus Astrapaios die Blitze über dem Parnafse beobachtet. Wie kam es aber, dafs nach glücklichem Verlaufe dieser Beobachtung der Mantis noch im Py- thion zu Oinoe tägliche Opferschau für das Gelingen der Festgesandtschaft anstellte? Wie ist diese seltsame Weitläuftigkeit zu erklären? Wenn ich oben das Mittelglied zwischen Delos und Delphoi richtig bezeichnet habe, auf die einfachste Weise. Die Pythias hatte einen doppelten Anfang. Denn Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 235 da Athen längst der Hauptsitz des ionischen Apollokultus geworden war, blieb doch die Tetrapolis das Centrum desselben; sie war der eigentliche ge- heiligte Boden für die Himmelsbeobachtungen der Deliasten wie der Pythai- sten, welche hier einheimisch waren und, wie es nach Philochoros Ausdruck: 6 &x rev yevous IuSierrai za Anrıarrai scheint, aus einem Geschlechte stamm- ten. Hier wurde nichts geändert; denn so neuerungssüchtig und wetterwen- disch die Athener in politischen Dingen waren, so streng conservativ sind sie in Allem, was das heilige Recht betraf, von jeher gewesen. Es war also ein doppelter Anfang vorhanden, der eine in Athen, der andere in der Tetrapolis. Dafs Athen ursprünglich gar nicht an der heiligen Strafse gelegen war, das geht aus Herodot mit gröfster Deutlichkeit hervor. Er erzählt von den Dolonkern, wie sie von der Pythia beschieden worden seien, den als Ansiedler in ihr Land zu holen, der sie auf dem Wege vom Heiligthume zuerst gastlich einladen würde. Demgemäfs, sagt Herodot, wan- derten sie den heiligen Weg durch Phokis und durch Böotien und wie sie Niemand einlud, bogen sie ab nach Athen (exrgarovrau er "ASyvewv VI 34). Es sind also zwei Möglichkeiten gegeben. Entweder ging der Weg von Athen durch die Tetrapolis in das Asoposthal hinüber — und das ist das an sich Wahrscheinliche und den Verhältnissen Entsprechende — oder es wurde von Athen aus ein ganz neuer apollinischer Weg gebahnt, welcher bis in die Nähe von Eleusis mit dem Mystenwege zusammenliel, dann über die Kitharonpässe nach Böotien führte, und weiter über Lebadeia nach Del- phoi. In neuerer Zeit hat man nur an diesen Weg gedacht und diesen über- all als die apollinische Pilgerstrafse beschrieben. Ich habe keinen Beweis dafür finden können; alle die böotischen und phokischen Orte, welche auf dem Wege genannt werden, liegen so, dafs sie auch von Tanagra aus berührt werden müssen. Tanagra selbst mit seinem in seltner Reinheit durchgebil- deten Apollokulte steht mit der Tetrapolis und Athen seit alten Zeiten in nächsten Beziehungen, welche nach den Bemerkungen von Rofs Demen S. 12 eine genaue Erörterung verdienten. Über Harma wurden die Blitze beob- achtet; es ist wahrscheinlich, wie auch Sauppe zugiebt (N. Jen. A. Litt. Zitg. 1845 S. 237), dafs diese Höhe die Richtung des Wegs bezeichnete. Das attische Harma aber lag ferne vom eleusinischen Wege; es lag bei Phyle, und Phyle war ein Önmeos TAS Arrınds Omcpos rn Tavayoe Strab. 404. Des An- drogeos Denkmal lag an der pythischen Strafse bei Oinoe. Dies Denkmal Gg32 236 GURTIDs: mufs aber so gelegen haben, dafs sich unter den verschiedenen Sagen über das Ende des Androgeos auch diejenige behaupten konnte, er sei auf seinem Zuge gegen den marathonischen Stier umgekommen (Apollod. III 15); also war jenes Oinoe das marathonische; hier wurde im Pythion den Manen des apollinischen Heros geopfert. Dagegen läfst sich das von O. Müller u. A. in Oinoe, dem Demos der Hippothoontis, angenommene Pythion nirgend nach- weisen; denn ich glaube trotz meines Freundes Sauppe Widerspruch schon in den Inscriptiones Atticae p. 5 richtig gezeigt zu haben, dafs das aus Phi- lochoros beim sophokleischen Scholiasten angeführte Heiligthum nach Oinoe in Tetrapolis, dem Demos der Aiantis gehört. Die Stelle des Sophokles aber (Oed. Col. 1048 Herm.): ein 091 daluv ävdaav ray, Emirrgopai Tv aAnooav "Agn KiEcurw N moos HvSias 4 Aaurasıv arrais bezieht sich auf keinen der bei- den gleichnamigen Gaue, sondern auf das Pythion im Poikilon, das heutige Kloster Dafni, welches auf halbem Wege zwischen Athen und Eleusis ein altes Gränzheiligthum der Athener war. Dies Pythion wird über den Gang der grofsen Pythias nichts entscheiden können, nachdem aus innern Gründen, aus der Geschichte der Apolloreligion der eigentliche Anfang und im Zusam- menhange damit auch die Richtung der von den Hephästiaden gebahnten Feststrafse von der Tetrapolis nach Tanagra nachgewiesen ist. Zwischen Anfang und Endpunkt der heiligen Strafsen war eine Reihe von Stationen, welche zu der religiösen Bedeutung der Feststrafse in Bezie- hung standen. Es waren Heiligthümer befreundeter Gottheiten, wie z. B. das der Dioskuren an der apollinischen Strafse des Battos (Schol. Pind. Pyth. V 121); es waren Plätze, welche zum Andenken "gewisser Ereignisse im Leben der Götter dienten oder zur Erinnerung an Heroen, welche hier im Dienste der Gottheiten gehandelt oder gelitten hatten. So gab es zum Andenken des Heroen, welcher die heilige Strafse zuerst sicher gemacht hatte, des Vorkämpfers und Vorbildes aller pythischen Pilger bei Delphoi einen Platz Theseia (Plut. Thes. 5); so zeigte man in Oinoe des Androgeos Märtyrergrab, der als Diener des Apollon in einem Lande umgekommen war, ehe dasselbe den Gott anzuerkennen und anzubeten gelernt hatte. Wie die Schicksale des Gottes selbst mit dem Wege in Verbindung gesetzt, wie die Wege zu einer Schaubühne seiner eigenen Thaten und Lei- den gemacht wurden, ist schon oben angedeutet. So war Panopeus der Schauplatz des Tityoskampfes und bei der Felsecke des heutigen Arächowa, Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 237 wo dem von Osten Kommenden zuerst der tiefe Bergwinkel Delphi’s sich öffnet, begann mit dem Spähefelsen (ArIos HaTOmTEUTAgLOS) die ganze Reihe der Stationen, wo der Kampf mit dem Python von dem ersten Erspähen seines Schlupfwinkels bis zur vollendeten Siegesthat und Bekränzung des Gottes schrittweise ausgeführt war und demgemäfs von priesterlichen Knaben auf demselben Wege dargestellt wurde. So gaben die Male und Gründungen an den heiligen Wegen gewisser- mafsen den Text zu den religiösen Darstellungen, Aufführungen und Gesän- gen (den Syria zaı yogelar xai ra dpwueva aS” ödv iega Plut. Alkib. 34); die Geschichte der Gottheiten und der Gottesdienste war in den Denkmälern der Wege zu erkennen; wie zum Beispiel im Kerameikos die Statuengruppe des Königs Amphiktyon und der von ihm bewirtheten Götter die Aufnahme des Dionysos in die Gemeinschaft der attischen Staatsgötter bezeichnete (Paus. 1, 2, 4). So können wir uns leicht vorstellen, wie lehrreich für die Kenntnifs des alten Cultus jene periegetischen Werke sein mufsten, welche Beschrei- bungen der hellenischen Feststrafsen zum Gegenstande hatten. Uns entschä- digt für den Verlust derselben der einzige Pausanias, durch welchen wir eine Reihe solcher Wege kennen, die für genauere Kunde der alten Religions- geschichte von hoher Bedeutung sind. Ich erinnere nur an jene alten arka- dischen Wegedenkmäler, wie z. B. die Folge der Orestesstationen im Alpheios- thal, Maniai, Daktylos, Ake und Kureion — hier haben wir die ganze Orestes- sage am einfachsten und ursprünglichsten, die Grundelemente der durch die Poesie überwucherten Sagengewebe. Denn Orestes ist ursprünglich ein Sinnbild des schuldbeladenen, sühnungsbedürftigen Menschen und in dieser einfachen religiösen Bedeutung bei den Arkadern zu Hause als ihr Heros und Schutzpatron; daher auch von den Überresten des Orestes die Entscheidung des Kriegs zwischen Sparta und Teegea abhängig war. So finden wir an den Feststrafsen der Griechen Gelegenheit ihre Mythen in ungleich einfacherem und ursprünglicherem Zustande kennen zu lernen, als es in den Werken der Dichter, der bildenden Künstler und der Mythographen möglich ist. Aufserdem fehlte es an den Strafsen nicht an Denkmälern verschie- denster Gattung, welche für die Pilger besondere Weihe und Wichtigkeit hatten; namentlich gab es Gräber, die im Rufe wunderthätiger Einwirkung standen, so z. B. die Gräber an der heiligen Strafse des samischen Heraion, an denen unglücklich Liebende Abhülfe ihrer Noth suchten (vergl. Rofs 238 CuRTIus:;: Inselreisen II S. 145) und des Toxaris Grab, dessen Säulenstumpf die Fieber- kranken mit Kränzen schmückten (Luc. Scyth. 2). Aus solchen Punkten wurden Wallfahrtsörter. Vgl. Pelop. II S. 255. Es kommt auch vor, dafs Pilgerfahrten an sich als etwas Verdienstliches betrachtet werden; ein Beispiel ist das smyrnäische Epigramm C. I. n. 5083: reis Maxag "Egneie, oluov Taırarmv avucas vor aireouaı TgLTTaVv regu Enıdeiv dyadur. Hier wird also an die dreimal vollendete Wallfahrt ein gewisser Anspruch auf göttlichen Segen geknüpft. Vergl. Welckers Sylloge S. 244. Als ur- kundliche Erinnerung solcher Wallfahrten wurden an den heiligen Stellen Fufsspuren mit beigeschriebenen Namen gemalt oder eingehauen. So die Fufsstapfen im Tempel zu Philae C. I. Gr. n. 4946 (wo der Akkusativ rodas wohl von einem zu ergänzenden dveSnxev abhängig ist) und die Marmortafel im Worsleyschen Museum mit vier eingeritzten Fufsspuren und vier Männer- namen im Genitiv. C.I. Gr. n. 6845. Um zu fleifsigem Besuche einzuladen, versäumte man nicht, die hei- ligen Wege so anmuthig wie möglich zu machen; deshalb wurden sie zu- gleich die beliebtesten Spaziergänge, wie der aus dem Eingange von Platons Gesetzen wohlbekannte Weg von Knosos nach der heiligen Höhle des Zeus mit seinen schattigen Baumgruppen und seinen Rastörtern. Einen besonde- ren Charakter nahmen die Feststrafsen an, wo sie sich den Heiligthümern näherten und den Tempelgebäuden anschlossen (Fagodeı eis rev voor C.I. U n. 2477, 18 cf. p. 1091). Hier gilt, was Pindar (Isthm. V. 22) von dem durch die Städte der Hellenen wandelnden Ruhme der Acakiden sagt, es seien unzählige, hundertfufsige Wege ihren Heldenthaten gebahnt. Das hieratische Tempelmafs wurde auf den Weg übertragen. Von der Breite des Zugs, welcher gegen den Tempel vorschreiten konnte, war die Pracht der ganzen Strafsenanlage abhängig; deshalb finden wir in den In- schriften genaue Bestimmungen dieser Art. So soll in Daulis (C. I. 1732) der Weg zum Heroon des Archegetes die vorgeschriebene Breite von 2 x«- raucı (zu 6% mnyeıs) haben; so werden in den Tafeln von Heraklea die Wege nach ihrer verschiedenen Breite bezeichnet und unter denselben ist auch eine Erarouredas. Die Tempelzugänge waren meistens, wie die Tempelhöfe, zu denen sie gehörten, gepflastert. Die Kunst durch Zusammenfügung behauener Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 2339 Steine eine feste und glatte Bodenfläche herzustellen ist bei den Griechen sehr früh ausgebildet worden. Wohlgepflasterte Märkte und Höfe werden in der Odyssee erwähnt (deyoon burolsuw Aaersı naTWgUN gend” ügapvia Z 266; aurN dedumro zurwgugeersi AScıı 1184). Das Pflastern der Tempelzugänge und Tempelhöfe wird nicht selten als ein Verdienst um das Heiligthum in In- schriften namhaft gemacht, so die ödorrguri« C. 1. II p. 501; vgl. die zaranrgwrıs in Gerasa (Böckh Monatsber. der Akad. 1853 p. 15) und die &derrguria Eri ITarradıov n. 4438; Av 6dov arıras anTawrev ovcavn. 45241, Frowsew vom Fufs- boden einer Basilika 3148, 11, und so wahrscheinlich 70 orgaua rov vew rev "ArorAuves n. 2266 A.1. 24. So ist auch die syrische Inschrift 4646 (raga- Fra@das cv orgumarı zal »gymidi) zu verstehen. Ein gepflasterter Tempelhof, wie er im Bassai sich nachweisen läfst (Pelop. I, 331) und als ASorrgwrov in der amathuntischen Inschrift erwähnt wird n. 2643, läfst sich auf der Abbil- dung des paphischen Heiligthums, wie auf tyrischen Münzen sehr deutlich er- kennen. Siehe Pinders Antike Münzen n. 374. Als eine besondere Merk- würdigkeit wird es hervorgehoben, wenn ein solcher mit Quadern geflasterter Fahrweg nicht nur den Tempeleingang bildete, sondern stundenweit fortge- führt war, wie z. B. die heilige Strafse zwischen Mylasa und Labranda. Anziehender ist die Betrachtung der künstlerischen Ausstattung, welche den heiligen Strafsen zu Theil wurde, um sie von anderen Wegen des Landes auszuzeichnen und die Herankommenden auf die Würde des Ortes vorzubereiten. Es konnte aber die Bedeutung desselben nicht an- schaulicher hervorgehoben werden, als wenn vor dem Eintritte das hohe Alter des ununterbrochenen Dienstes und der frühe Ruhm des dort verehr- ten Gottes oder Heroen in Denkmälern bezeugt wurde. So sah man in Aigina vor dem Aiakeion die Abgeordneten der hellenischen Staaten im Zuge dargestellt, wie sie den gerechtesten der Fürsten in ihrer Noth um seine Ver- mittelung beim Zeus Aphesios angingen. So sah man beim argivischen He- raion vor dem älteren Tempel, dessen Überreste man nach dem Brande un- berührt auf der oberen Bergterrasse stehen gelassen hatte, Statuen der Hera- priesterinnen — unter ihnen auch die der Chryseis, und wenn Pausanias sagt, dafs die Argiver trotz des durch ihre Unvorsichtigkeit veranlafsten Brand- unglücks ihr Bild nicht fortgeschafft hätten, so läfst sich doch daraus folgern, dafs schon bei Lebzeiten die erwählten Priesterinnen der Landesgöttin in Erz oder Marmor aufgestellt waren und dafs man in ihrer Reihe die Annalen 240 CuURTIUDS: des Tempeldienstes verkörpert sah. So safsen die Priesterinnen der Deme- ter Chthonia vor dem Eingange ihres Heiligthums in Hermion. Das Stand- bild eines Priesters des Apollon Didymaios läfst sich aus der Inschrift seines Piedestals nachweisen (Welcker Sylloge p. 293). Die Prozessionsstrafse nach dem isthmischen Tempel war einerseits von Pinien, andererseits von Siegerstatuen eingefafst; auch erwähnen die In- schriften Statuenaufstellung an heiligen Wegen; z. B. C.1. Gr. II n. 3960 °: dvesengev rov dvögievra 7Y legurarn mAareıe. Dafs aber diese und ähnliche Denkmäler in architektonischer Regel- mäfsigkeit an den Zugängen aufgerichtet waren, wird nicht berichtet. Auch hat die entwickeltere Kunst der Hellenen keine Neigung für steife Symmetrie und das mechanische Gesetz gleichförmiger Wiederholung; den ägyptischen Tempelzugängen entsprechende und wohl auch nachgebildete Anlagen haben sich bis jetzt nur in Kleinasien gefunden. Bei Teos fand Hamilton die Spu- ren eines mit sitzenden Kolossalbildern eingefafsten Tempelganges und das namhafteste Beispiel dieser Art ist der heilige Weg der Branchiden, der von dem Tempelhafen Panormos c. 2000 Schritt weit nach dem Didymaion führte, in regelmäfsigen Abständen mit sitzenden Kolossen eingefafst, deren nach den Berichten der englischen Entdecker 60 bis 70 nachgewiesen werden konn- ten. Den jetzigen Zustand veranschaulicht die Laurentsche Zeichnung bei Rofs in seinem Aufsatze über die Statuen am Wege der Branchiden in Ger- hards Archäologischer Zeitung 1850. N. 13. Eine genauere Übersicht und Beurtheilung der ganzen Anlage ist ohne Nachgrabungen nicht mög- lich. Nach Analogie des Heraions wird man indefs geneigt sein, auch hier priesterliche Figuren als Weihgeschenke dem didymäischen Apollon dar- gebracht zu erkennen und nicht Götterbilder, bei denen die Masse der Würde Eintrag thut. Endlich scheint es auch Sitte gewesen zu sein, Mar- morsessel mit Weihinschriften an den heiligen Strafsen in der Nähe der Tempeleingänge aufzustellen; es waren Symbole der hier thronenden Gott- heiten. Ein Weihgeschenk dieser Art ist der unter den Arundelschen Alter- thümern befindliche, von J. Nixon (Marmor Estonianum etc. London 1744, 4.) Smyrna zugeschriebene Marmorstuhl mit der Inschrift: 0 iegeus "Ag- Adams birawerev Irıdı, "Origdı, ’Avouludı xegısrngiv. Siehe C. I. n. 6841. Der Schlufspunkt der heiligen Strafse ist das Thor des Tempelhofs. Dafs jeder Peribolos nur einen Zugang haben dürfe, führt Servius (Aen. IV Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 241 200) als festes Cultgesetz an. Wie man den Göttern nur in vorgeschriebe- ner Opferweise sich nähern durfte, so auch nur auf bestimmten Wegen und durch ein bestimmtes Thor. Vor diesem Thore, der rourızn eirodes verei- nigten sich daher die verschiedenen Tempelwege. Das Thor war ein Mafs- stab für die Würde des Tempeldienstes nach der Höhe, Breite und künst- lerischen Ausstattung des Baus; vergl. das mgeIugov uülyAov QuSens "Irıdos C. 1. II p. 1235. Bekker Anecd. p. 290: vgorVAue ci muRüves ray ispav: Aarau ÖE mo- Aurereis rn zaragneuy. Zahl und Anlage der Thorgänge war auf den feier- lichen Durchzug der Prozessionen berechnet, um Wagen- Reiter- und Pil- gerzüge auf getrennten Bahnen gleichzeitig in das Innere des Heiligthums hineinzuleiten (revraruAa). Die Schwierigkeit der Aufgabe und die Herr- lichkeit der künstlerischen Anlage steigerte sich, wenn das Heiligthum auf einer Höhe lag, dann bedurfte es der Herstellung grofser F reitreppen und fahrbarer Rampen («vodss Asıorega Paus. VII 18, 7). Eine kolossale Tempel- treppe mit Stufen von 50 Schritt Länge fand Schönborn im Hochlande Pisi- diens bei Karabauulo (Posener Progr. 1343 S. 9). Das ganze Werk eines künstlichen Aufgangs nannte man @vaßarıs, so die Felsbahn bei Amathus (C. I. II 2644) und den grofsen Treppenbau der attischen Burg (72 Eoıyov Tns ävaßasews), die Anodos der Akropolis, über die ich in Gerhards Arch. Zei- tung 1854 S. 202 gesprochen habe. Die Thore und Zugänge des Heilig- thums waren die Ehre desselben. Darum wandte sich der christlichen Herr- scher Eifer gegen die Tempelthore. Man sperrte die Zugänge durch den Vorbau engerer Pforten, wie man am Fufse der Burg gethan hat, um die heidnischen Prozessionen zu verhindern, oder man nahm die Thorflügel aus, so dafs die Tempelhöfe offen stehen mufsten; so machte es Konstantinos in vielen Städten (ra mgorvAa« Sugav Epyna yevaneva Barırews roostaynarı). Siehe Eusebius v. Const. III 54. Schwierig ist es über die Lage der Tempelpforten etwas Bestimmtes auszusprechen. Namhafte Tempelhöfe haben ihren Haupteingang nachweis- lich an der Westseite und die Prozessionsstrafsen führen auffallender Weise nicht auf die Vorderseite, sondern auf den Opisthodom der Festtempel hin. Ich wage nicht hier ein durchgreifendes Gesetz nachzuweisen. Man hat namentlich bei Delphoi einen östlichen Eingang des Peribolos angenommen und diese Annahme scheint durch die Lage der Kastalia und der Athena Pronaia bestätigt zu werden. Indessen ist zu erwägen, dafs der pythische Philos.- histor. Kl. 1854. Hh 242 CurrTıvs: Hymnos den Apollon als Führer der Festzüge von Westen kommen läfst; von hier kamen über den krisäischen Hügel auch die Siegerzüge aus dem Hippodrome. In der Altis von Olympia, auf der Akropolis von Athen war das Prozessionsthor an der westlichen Seite, von wo die Züge, das Heilig- thum feierlich umwandelnd, zur Öst- oder Vorderseite desselben gelangten. Diese Einrichtung hängt, wie ich glaube, mit der alten und weitverbreiteten Ansicht zusammen, dafs man bei jeder heilbringenden Bewegung das Gesicht gegen Sonnenaufgang gerichtet haben müsse. Deshalb warnten die Chaldäer den König Alexander vor dem westwärts gerichteten Einzuge in Babylon und empfahlen ihm, um dies zu vermeiden, einen weiten Umweg (exwegAIelv moös &w) Arrian. VII 16. Vgl. Droysen Geschichte Alexanders S. 567. Nachdem ich die allgemeinen Gesichtspunkte, welche bei einer Be- trachtung der heiligen Wege zur Sprache kommen, angedeutet habe, kann es nicht meine Ansicht sein, die aus dem griechischen Alterthume uns be- kannten aufzuzählen. Da jeder Tempel, der eine Panegyris hatte, auch einen Weg für die Opferzüge und Festehöre haben mufste, so war Griechen- “land nach allen Seiten von heiligen Strafsen durchschnitten. Als die nam- hafteren derselben und deutlich nachweisbaren nenne ich aufser den schon näher besprochenen Strafsen von Delphoi, Eleusis, Olympia und Miletos, «die argivische und die samische nach den Heratempeln, die hyakinthische nach Amyklai, die Strafse von Mylasa nach Labranda, die des Apollon Aigle- tes auf Anaphe (Rofs Königsreisen I S. 126), der Artemis am gygäischen See (Arch. Zeitg. 1853 S. 150), den wohl kenntlichen Felsenweg, der von der Terrasse des Nemesistempel nach Rhamnus hinabführt, die 60 Stadien lange Strafse von Paphos nach Palaipaphos (Rofs Inselreisen IV S. 185) und end- lich in der durch Rossezucht vor allen hoch berühmten Stadt der Kyre- näer, die apollinische Fahrstrafse des Battos, welche bei der Betrachtung der städtischen Strafsen noch besonders berücksichtigt werden wird. Die Prozessionsthore durften natürlich nur bei heiligen Anlässen und nur in der Festzeit geöffnet werden. Die heiligen Strafsen aber, welche das Land durchzogen, konnten unmöglich dem profanen Gebrauche ver- schlossen bleiben. Was der Gottesdienst in das Leben gerufen hatte, diente dem allgemeinen Nutzen; der apollinische Weg des Battos zog sich als Cara- vanenstrafse zur See hinunter. Unter dem Schutze der Religion entfaltete sich der furchtlose Verkehr zwischen den Nachbargauen und wie die Tempel- Zur Geschichte des W. egebaus bei den Griechen. 243 feste zu Jahrmärkten wurden, so dienten die Tempelstrafsen als die bequem- sten und sichersten zur Verbindung der Städte und Landschaften und wur- den zugleich die Vorbilder der übrigen Kunststrafsen, die sich durch das Land verzweigten. Allmählich und unscheinbar, wie beim Wasserbaue, entfaltete sich diese Thätigkeit der Hellenen; es wurde nicht wie bei den Römern der Ruhm einzelner Namen an solche Unternehmungen geknüpft, sondern mit der den Hellenen eigenen Bescheidenheit in der Stille geschafft, was Noth war. Von grofsen Handelsstrafsen, die den nothwendigen Aus- tausch des Binnen- und des Uferlandes möglich machten, ist wenig die Rede. Doch erhielt sich das Andenken des Arkaderkönigs Pompos (Paus. VIII 5.); sein Name bezeichnet die Epoche, wo das wilde Bergland zuerst fremde Kaufleute bei sich aufnahm und mit den Aegineten in freundschaftlichen Ver- kehr trat. Sie brachten ihre Waaren von der elischen Küste hinauf und auch hier ist der Hafen Kyllene durch Namen und Cultus mit dem fernen Hochlande verbunden. Noch merkwürdiger ist die alte Handelsstrafse, welche nach Ps. Aristoteles de mirab. c. 104 die Küsten des Pontos und des adriatischen Meeres verband, mit einem Markte in der Mitte, wohin von einer Seite Weinkrüge aus Lesbos, Chios und Thasos, von der anderen aus Kerkyra gebracht wurden. Es wird, da der Name Pontos hier nicht genau zu nehmen ist, eine Strafse zu verstehen sein, die ungefähr der späteren Egna- tia entspricht. Dieser caravanenartige Handel mit Wein in Krügen erinnert sehr an den von Herodot beschriebenen phönizischen Weinhandel nach Ägyp- ten und ist wohl auch desselben Ursprungs. Betrachten wir die Wege in ihren Beziehungen zum bürgerlichen Leben, so stehen sie zunächst, weil sie ihrem Grund und Boden nach zum Gemeingute gehören, im Gegensatze zu allen für besondere Zwecke ver- wandten Landstücken; daher der den Römern und Griechen gemeinsame Ausdruck: mgoer eiv eis To Önuorıcv und prodire in publicum für "auf die Strafse gehen (C. F. Hermann de terminis p. 25). Die Wege werden deshalb als die zweckmäfsigsten Gränzlinien benutzt, um Staatsländereien und Staats- gebäude sowohl wie Tempeleigenthum und Privatbesitz scharf abgesondert zu halten. Der Staat hatte Sorge zu tragen, dafs dies Gemeingut den Bür- gern unverkürzt erhalten würde un«d deshalb glaubte er sich berechtigt die auf die Strafse vorspringenden Häusertheile zu besteuern; eine Finanzspecu- lation, die dem Hippias wie dem Iphikrates zugeschrieben wird (Böckh Staats- Hh2 244 Cuarıvs: haushaltung der Athener I S.92). Es wurde deshalb auch solcher Grund und Boden, den man aus gewissen Ursachen unbebaut wissen wollte, zu einem Öyuocıov erklärt. Das merkwürdigste Beispiel finden wir in Nisyros. Dort steht an der äufseren Burgmauer die Inschrift: «v6 reu reiyeos daucnıov TO Kw- giov mevre modus (Rofs Inscript. fasc. II); so breit sollte der Weg sein, welcher alle Bürgerhäuser vom Castell absonderte und so den Gefahren vorgebeugt werden, welche in Belagerungszeiten daraus entstehen, dafs Wohnungen an die Stadt- oder Burgmauer anlehnen und die Festigkeit derselben wesentlich vermindern. Vgl. Hase Lucubrationes Thucydid. p. 52. Das ist das praktische Motiv, welches der etruskischen Inauguration des zwiefachen Pomöriums zu Grunde lag (u? neque interiore parte aedificia moenibus continuarenlur et extrinsecus puri aliquid ab humano cultu pateret soli Liv. 1,44). In Babylon mufsten die Häuser ein iugerum von den Mauern entfernt sein und in Athen hatte der berühmte Spruch: r0 Ierasyırov dgyov ausıvov keine andere Bedeutung. Um die Burg von Elis zog sich der Weg Siope (Schleichgang), dadurch geheiligt, weil hier die Aetoler als Kundschaf- ter an der Mauer hingezogen waren und in Folge dessen die Stadt gewonnen hatten. In dieser Beziehung glaube ich den Begriff des pomoerium auch bei den Griechen nachweisen zu können, aber nur bei den Burgen. Denn solche Strafsen wie die in Plutons Lysis erwähnte 4 €£w reiy,evs sind nur als äufsere Communikationslinien zwischen den Stadtthoren zu betrachten. Wege als Gränzen zwischen dem allgemein Zugänglichen und dem Verschlossenen kommen auch bei den Kriegshäfen vor; so waren in Rhodos die Zugänge zu gewissen Magazinen und Werften bei Todesstrafe untersagt (magerSovrı eivw Savaros A Snnia Strab. 653). Auf diese Sitte ist auch der in der Nähe des Kantharoshafens 1843 gefundene Gränzstein EMMTORIO KAI HOAO HOROXZ in der trefflichen Abhandlung von Ulrichs über das attische Emporium im Piraieus gedeutet worden. Zeitschr. f. Alterthumswiss. 1844 S. 30. Er ver- steht nämlich die Inschrift, welche er mit Recht dem hippodamischen Umbaue der Hafenstadt zuschreibt, als Bezeichnung der Gränze zwischen dem allge- mein zugänglichen Stapelplatze und dem Wege, nämlich dem verbotenen Wege, der zu den Kriegswerften hinführe. Ein solches Verbot der Hafen- Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 245 polizei würde doch wohl einen andern Ausdruck erhalten haben, und es scheint mir einfacher die Gränzinschrift auf Zollverhältnisse zu beziehen. Das Emporion mit seinem Markte, seinen grofsen Hallen und Entrepots war wie eine Stadt für sich; vielleicht wurden erst beim Eingange in die anderen Stadttheile gewisse Gefälle erhoben oder wenigstens eine gewisse Controlle geübt, so dafs deshalb eine genaue Begränzung des Emporion und der Strafse nothwendig war. Von der Benutzung der Wege zur Begränzung heiliger Grundstücke liefern die Tafeln von Heraklea den lehrreichsten Beleg; als Gränzen werden hier die «vrouo, ödoı und auafıra angeführt, auch die avroucı sind zugleich Gränzraine und Wege — der Unterschied scheint nur darin zu liegen, dafs die dvroucı geometrische Linien sind, als ömites agrarü von den Agrimensoren oder ögırrai gezogen (C.I. III p.705. Hyperides ed. Schneid. 9, 4.); die ödoı und aua£ırei aber sind als schon früher vorhandene zu denken, welche zur Regu- lirung der Gränzen benutzt werden; so z. B. ödos diauafos aumer£ &mi To avrgov ayouca C. 1. 2554. Die a@vroucı können nicht breiter als 20 Fufs nachgewie- sen werden, die dc‘ kommen 30 und 100° breit vor. Die &xaroursdos wird man nach dem oben Bemerkten geneigt sein für eine Feststrafse zu nehmen, vielleicht die der Athena Polias selbst; auch die ‘Hgaxrsia ödes hatte wahr- scheinlich ihren Namen daher, dafs sie zu einem Herakleion hinführte. Auch im Oedipus auf Kolonos ist der Weg die Gränze des Alsos, die Scheide zwi- schen dem iegev und BeßyAcv; weil nun in der scharfen Umgränzung die Heilig- keit besteht, so wird die Gränze für das von der Gränzlinie Eingeschlossene gesetzt, daher ist &ges Aıcs und dergleichen so viel wie x,@gos iegös Arcc. Wie sehr die ganze Limitation aus heiligem Rechte hervorgegangen ist, sieht man recht deutlich daran, dafs in der Vertragsurkunde der Latier und Olontier C. I. 2554 DL nur die Gränzpunkte des heiligen Landes bezeichnen und die ihnen entsprechenden auf dem Rande der benachbarten Privatgrundstücke nicht &gcı, sondern @v-Sego genannt werden. Zwischen den beiden parallelen Reihen der ögc: und @vScgo: bleibt ein zwanzig Fufs breiter Weg (avrauss), der jede Verwischung der Gränzen unmöglich macht. In Staatsverträgen werden die öffentlichen Wege als Demarkations- linien benutzt (Thuk. IV 118) und ähnliche Bezeichnungen kommen auch in solchen Gränzbestimmungen vor, welche sich nur auf Privatbesitzungen beziehen. So werden die Grundstücke am östlichen Abhange des Lykaion 246 CuRTIvs: (©. I. 1534) nach allen Himmelsgegenden bin durch Wege begränzt, heilige wie profane; “im Westen durch den vom Pythion den Bach entlang bis in die Schlucht führenden Weg — dann in der Schlucht aufwärts bis zu dem Wege, der nach Lykosura führt; im Norden bildet der Weg, der zur Hiketeia führt, die Gränze und von der Hiketeia läuft sie bis zu dem Wege, der durch das Pythion führt und demjenigen, der zu den Felsen führt‘. Die hier er- wähnte Berggegend izereia ist wie ich vermuthe das von den ineraı benannte weitberühmte Asyl auf der Höhe des Waldgebirges (Pelop. I 339). In der Inschrift C. I. 1840 werden die verschiedenen für die fremden auf der Insel wohnenden Geschäftsträger von dem gastfreien Staate der Ker- kyräer zu ihrer Benutzung angekauften Grundstücke nach roga (Querwege tramites) bezeichnet. Weitere Belehrung über die Limitation bei den Grie- chen giebt C. Fr. Hermann de terminis, welcher S. 37 hervorhebt, wie sich die römischen Rechtsbestimmungen auf diesem Gebiete an griechisches, na- mentlich solonisches Recht anschliefsen. So waren die Wege nicht nur als Verkehrsmittel, sondern auch als Gränzen der verschiedenen Bestandtheile des Bodens, des Tempel- wie des Staats- und des Privatbesitzes ein Gegenstand von Wichtigkeit, der des Staa- tes Obhut in Anspruch nahm. Unter den griechischen Staaten war es nament- lich Sparta, das diesem Zweige der Verwaltung eine besondere Aufmerksam- keit zuwandte. Wir erkennen noch heute die sorgfältigen Untermauerungen des sumpfigen Eurotasufers, welche den (Quai der Heerstrafse bildeten; auf dem Felsboden, der das mittlere Flufsthal von seinem Mündungslande trennt, verfolgen wir die Spuren einer besonders ansehnlichen Fahrstrafse, auf der man zwei bis drei Fahrgleise neben einander erkennen kann; auch finden wir in keiner andern Landschaft so viel Überreste alter Brücken. Der Staat der Spartaner beruhte auf kriegerischer Okkupation und zu dem Zwecke war ein wohl angelegtes und unterhaltenes Strafsennetz nothwendig, um der von Natur vorhandenen Schwierigkeit des Binnenverkehrs ungeachtet von dem Centrallande des mittleren Eurotasthales aus mit ihrer Heeresmacht rasch in die verschiedenen Theile ihres weitläuftigen Gebietes gelangen zu können. Darum gehörte auch die Aufsicht über die Wege in Laconien, die Sorge für ihre Sicherheit, sowie die darauf bezügliche Gerichtsbarkeit zu dem Berufe der Könige, als der Oberfeldherrn des kriegerischen Staats. Herod. VI 57. In Athen kennen wir die ödorcci als ein Collegium, das einen wichtigen Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 247 Zweig der öffentlichen Verwaltung unter sich hatte (Aesch. c. Ctes. 419) und unter den Freunden des Perikles wurde Metichos oder Metiochos auf der komischen Bühne angegriffen, weil er alle Ämter und Würden des Staats, vor Allem die Strategie, die Wegeaufsicht und die Brodtpolizei in seiner Person vereinigte. (Meineke Fragm. Comic. IV 674). Platon spricht in den Gesetzen p. 761 von der öd@v Erıuereı« und in Inschriften späterer Zeit wer- den häufig Wegebeamten, theils erıueryrai einzelner Wege, theils aller öffent- lichen Grundstücke (Erimeryrai Awgas za av nuoriwv Ts morews C. I. 3945) und der Strafsen im Allgemeinen erıueryrai cdwv 4240) angeführt. Vgl. die Epimeleten in Attuda 3952. Im Allgemeinen können wir den mächtigen Aufschwung von Kunst 8 und Gewerbfleifs, von Handel und Seefahrt, welcher nach der funfzigsten Olympiade in ganz Griechenland fühlbar wurde und eine ungemeine Steige- rung des Verkehrs, eine freiere Entwickelung der Volkskraft und einen ra- scheren Geldumsatz zur Folge hatte, auch für den Wegebau als eine wich- tige Epoche betrachten. Die Tyrannen, welche diesem Umschwunge der socialen Verhältnisse ihr Emporkommen verdankten, fühlten sich aus Poli- tik wie aus Kunstliebe berufen, grofse Werke für das Allgemeine zu schaffen und bei den bedeutenden Geldmitteln, die ihnen zu Gebote standen, konnten gemeinnützige Anlagen der bürgerlichen Baukunst, Wasserbauten wie Wege- bauten, in einem ganz neuen Mafsstabe in Angriff genommen werden. Nach einem wie grofsartigen Plane die Pisistratiden die Wegeordnung in Attika begründeten, beweist der von ihnen gestiftete Zwölfgötteraltar auf der Agora, das neue Centrum der neu geordneten Stadt, von wo nach allen Seiten hin die breiten Strafsen ausgingen und den attischen Markt nicht nur mit den Gauorten des eignen Landes, sondern auch mit den ferneren Punkten von Hellas in Verbindung setzten. Es wurden zugleich die Entfer- nungen der wichtigsten Städte, wie des Peiraieus (C. I. 525) oder besuchter Wallfahrtsörter wie Olympia (Herod. II 7) von jenem Mittelpunkte aufge- zeichnet. Man begnügte sich also nicht die Wege zu bahnen, sie wurden auch genau vermessen, wie zum Verdingen der Arbeit nothwendig war. Schon die Odyssee (A 389) erwähnt in dem Ausdrucke uerga »ereuScv die Wegemessung, die so alt ist wie der Wegebau. Die Pisistratiden mufsten ihre Bematisten haben und an das Abschreiten QyweriZew knüpfte sich das 248 Currtıvs: onmeicdv hy ödev, omueicv ra huornuara; die ganze Ausstattung der Wege liefs man sich in grofsartiger und sinniger Weise angelegen sein. (') Diese Ausstattung schlofs sich an alte religiöse Vorstellungen der Hel- lenen an; denn nicht nur die Tempelstrafsen hatten eine Beziehung zur un- sichtbaren Welt — alle Heerstrafsen des Landes waren geheiligt und standen unter der Götter Obhut so gut wie der Pilger, der auf ihnen wandelte und der eben deshalb, weil er jedes positiven Rechtsschutzes entbehrte, seit älte- ster Zeit als ein Schützling der Gottheit angesehen wurde. Darum hiefs es in alten Verwünschungsformeln, “sei verflucht, wer einem Wanderer falschen Bescheid über den Weg ertheilt' (Diphilos bei Meineke Frag. Com. IV 405: ayvosis Ev Tais dgais oe rı Erro, ei rıs un boacei 69-Sws ödav n müg &vauseı 9 dapIeiger Udwp d)% Darum betrachtete man ihn als einen Gast des Landes und überliefs ihm nach gutem hellenischen Sinne, wie er wenigstens in Platons Gesetzen lebt, das am Heerwege reifende Obst als Gastgeschenk; ja man richtete ihm Mal- zeiten an, indem man dem Hermes wie der Hekate Speisen als Weihegaben hinstellte, welche der Erste, der hungrig des Weges kam, als eine Gottesgabe, ein Hermaion sich zueignen durfte (Eouarov 70 ümperdornrev negdos Ans rar &v rals odels rıSeuevuv dmugy,üv as ci ödermagcı narenSievsı Suidas). Daraus erkennen wir die allgemeinen sittlichen Gesichtspunkte. Aus den besondern Beziehungen aber, in welche die Götter zu den Wegen des Landes gesetzt wurden, entfaltete sich eine ganze Wegemythologie, welche die künstlerische Ausstattung der Strafsen hervorgerufen hat. Die verschie- densten Gottheiten berühren sich hier in ihren Wirkungsphären, vor Allen aber Hermes und Apollon. Hermes ist der Gott des Geleites; er führt Einzelne wie Heere, Le- bende wie Todte, Menschen und Thiere; seine Beziehung zum Wege geht von der zum Wandernden aus, dem er die Schwierigkeiten vor den Füfsen fortschafft und den er überall mit seinem Auge begleitet, zürnend über jede (') Wie weit sich diese Sitte, vom Stadtcentrum, dem umbilicus urbis aus die Entfer- nungen zu bestimmen, verbreitet habe, von Griechenland nach Rom, von Rom in die Pro- vinzen, beweist an einem merkwürdigen Beispiele Roulez im Bulletino 1838 p. 51 (colonne polygone au centre de la cit€ Gallo-Romaine au point de plusieurs voles romaines a Tongres (Advantuca Tongrorum) avec Vitineraire des principales routes. Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 249 Beleidigung desselben. Theocr. xxv 6. Apollon ist in realerem zugleich und idealerem Sinne der Wegegott, indem er, wie wir gesehen haben, die Wegebahnung als ein nothwendiges Ergebnifs höherer Gesittung bei den Menschen eingeführt hat. Es ist derselbe Gott, welcher ihnen auch die Städte ummauert, die Bürgergemeinde geordnet und gegliedert hat. Daher war in Tegea das Fest des Apollon Agyieus das Fest der Rückerinnerung an die erste Zusammensiedelung der vier städtischen Phylen und die Stiftungs- legende dieses Festes läfst zugleich die solare Bedeutung des Gottes deutlich erkennen. Peloponn. I. 253. In Sparta wurde er mit Beziehung auf die Hauptstrafse der Stadt als Aphetaios verehrt. Nach einer kaum zweifelhaften Lesung C. I. 1446 hiefs der Karneios auch Dromaieus bei den Lakedämo- niern. Der Charakter des Agyieus ist bei Apollon nicht ein gelegentlicher, zufälliger, sondern ein wesentlicher und ihm einwohnender; das erkennt man schon daran, dafs ganze Gemeinden wie z. B. Acharnai den Apollon Agyieus als ihren Hauptgott verehrten. Es mufs auch ein sehr ursprünglicher Zug seines Wesens sein, weil das einfachste Symbol, die Spitzsäule, denselben bezeichnete (Müller Dor. I. 300). Da nun ein so geformter Stein schon dem orientalischen Alterthume die Sonne bedeutete, da auch die Mythen des Agyieus den Sonnengott erkennen lassen und endlich nach einer bei allen Dichtern wiederkehrenden Anschauung die Strafsen der Menschen vorzugs- weise als der Wirkungskreis der Sonnenstralen aufgefafst werden — daher das Dunkelwerden der Strafsen (zıswvro @yvıcı) der natürlichste Ausdruck für den Eintritt der Nacht ist — so bedarf es, glaube ich, keiner tieferen Einsicht in die Symbolik der alten Religionen, um im Agyieus den Phoibos wieder zu erkennen. Darum ist der Agyieus auch besonders der Gott der städtischen Strafsen, weil hier unbedingt die Gesundheit davon abhängig ist, dafs die Sonne sie durchdringt und deshalb versäumte man nicht in engen Stadtgassen den Gott des heilbringenden Sonnenlichts wenigstens an die Wand zu malen (eiwSarıy ci waraı &v rols orevwmois rov ’AmerAwva ygadew Schol. Eur. Phoen. 631). Die Hermaia (Egmaig, Egneich Aodeı, eguaxes) dagegen gehören ursprüng- lich den Landwegen an; sie sind mit diesen entstanden, da sie nichts anderes als die von Feld und Weg aufgelesenen und in gewissen Abständen aufge- schichteten Steine waren und nur deshalb, weil man auch diese geringfügige Werkthätigkeit als im Dienste eines Gottes vollzogen dachte, dessen Beruf Philos.-histor. Kl. 1854. IEn 250 Currtıvs: es sei, dem Wanderer ebene Bahn zu bereiten, so entwickelte sich daraus eine künstlerische Thätigkeit, wie sie namentlich in Attika einheimisch war. Über den Zusammenhang der rergaywvos &gyarıc mit dem Standorte am Wege siehe Preller Mythologie I S. 251. Diese Hermessymbole oder Hermes- bilder traten nun zu den Wegen in mannigfache Beziehung. Sie bezeichne- ten den Rand desselben, sie begränzten öffentliches und privates Eigenthum, sie dienten als Wegweiser, öd@v dgarräges;, denn wie die Menschen aus Scheu vor dem £vedios "Eguns den Fremden bereitwillig und gewissenhaft den Weg zeigten (Theokrit. XXV 3), so übernimmt auch der Gott selbst an Kreuz- wegen als rgıxepaAcs oder rergaxagnvos (Gerhard Hyperbor. röm. Stud. I 232) die Sorge für den einsamen Wanderer; er nennt ihm die Zielpunkte der verschiedenen Wege und unterrichtet ihn, damit er seine Zeit eintheilen könne, wie weit es noch bis zur nächsten Quelle oder zur nächsten Ortschaft sei (rgındparos 6 "Egufe womeg Ölduruwv Tas ödeus Hesychios). Die Kreuzwege waren seit ältesten Zeiten des Landes unheimlichste Stellen, die Schauplätze von Frevelthaten und böser Dämonen Aufenthalte. Hier war das Zeugnifs von dem Walten leutseliger Götter am wohlthuendsten und das ganze Land als den Wohnsitz eines gottesfürchtigen und sinnreichen Volks zu charakte- risiren — das war die Absicht bei den Hermen der Pisistratiden, die mit den Interessen ihrer Zeit wohl im Einklange stand. Bis dahin nämlich waren die Geschlechter der Städte ausschliefslich im Besitze von Macht, Ansehn und Bedeutung gewesen; das platte Land mit seinen Bewohnern wurde wenig berücksichtigt. Die Landleute kamen nur an den Markttagen mit ihren Waaren herein, sonst lebten sie draufsen, in harte Felle gekleidet, wie Theognis das megarische Landvolk der guten alten Zeit beschreibt, scheu wie die Hirsche von der Stadt und ihrem Geschäfte sich ferne haltend. Die Verhältnisse änderten sich; in der scheuen unmün- digen Volksmasse entwickelte sich Wohlstand und Selbstgefühl; die Männer, welche als Führer dieser Massen zur höchsten Gewalt emporgestiegen waren, benutzten dieselbe, um im Gegensatze zu den gestürzten Aristokraten sich des Landvolks anzunehmen, das Landvolk zu städtischer Bildung und Ge- selligkeit heranzuziehen und die alte Scheidewand zwischen Stadt und Land zu vernichten. So entstanden auf Veranstaltung des milden, um die attische Landes- kultur hochverdienten Hipparchos die nach ihm schon im Alterthume ge- Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 351 nannten Hermen, mit ihrem Doppelangesichte in der Mitte zwischen der Stadt und den vorstädtischen Gauen, wo man nach halbvollendetem Marsche gerne ausruhte — die plastischen Symbole des neu geöffneten Verkehrs. Unter der rechten Schulter des Götterbildes war ein Hexameter geschrieben, welcher Stadt und Gau nannte, auf der linken ein Pentameter, der einen kurzen Grufs und Zuspruch enthielt, wie ihn das Zeitalter der gnomischen Weisheit liebte; eine Einrichtung, welche an einem schönen Beispiele zeigt, wie die Alten jeder noch so äufserlichen Aufgabe eine höhere, ethische Seite abzugewinnen wufsten. Daran schlofs sich die Sitte, auch anderswo, in Pa- lästen und Häusern, Hermen mit Gnomen und Räthseln zu schmücken. Siehe C.I. OIn. 6022. Wenn nun die Hermen mit Gastgeschenken ausgestattet waren oder wenn sie, wie es gerne geschah, neben Quellen aufgestellt waren (vgl. die Herme der Herophile Paus. X 12, 6. Brunnen an Wegscheiden, wie die Arne an der Xenis Peloponn. I 245), mit schattigen Ruheplätzen versehen, so wurde dem Wanderer zugleich leibliche und geistige Erfrischung geboten. Während in rohen Ländern die Quellen den Fremden verwehrt werden von unholden Riesen, wie Amykos, laden hier die Götter zum Ge- nusse ein. So verzeichnet in der Anthologie ein Hermenstein sein eigenes Verdienst: “Ich Herme stehe hier auf windiger Höhe am Dreiweg unweit des Meerstrandes, dem müden Wanderer biete ich Wegesrast und unter meinem Fufse quillt frischer Trank empor‘. In einem andern Epigramme äufsert sich eine Herme also in scherzhafter Weise über ihre Entstehung und Bedeu- tung: "Mich haben vorübergehende Wanderer zu einem dem Hermes heiligen Steinhaufen aufgeschüttet; Hermes aber hat für diesen geringen Dienst sich nicht weiter für sie bemüht, als dafs ich hier (nämlich in seinem Auftrage) melde: bis zur Ziegenquelle sind sieben Stadien‘. Anth. Pal. Il p. 109, 702. Wie schon aus diesen und ähnlichen Epigrammen hervorgeht, standen diese Wegehermen nicht wie die römischen Meilensteine in regelmäfsigen Abständen am Wege vertheilt, sondern gelegentlich; darum hat man auch bis jetzt so wenig Denkmäler dieser Gattung in Griechenland gefunden und von hipparchischen Hermen ist nur der eine Vers gerettet worden, welchen Böckh unter den Fourmontschen Papieren entdeckt hat. (') Nach Analo- (') Ob dazu als Pentameter-Ende das Bruchstück bei Rhangabe Ant. Hell. n. 39 gehört das Rols bei Kursalas gefunden hat? Siehe Rofs Königsreisen II 73. li2 252 Currtıvs: gie dieser Hermen errichtete man ähnliche epigrammatische Steine; dahin gehören die yrancı uovorrıyaı wie im C. I. n. 3956°, 4310, 4397. Es bleibt auch hier noch die Beziehung auf den Wanderer, z. B. Secüs dpwysüs ns odov raus Eyxsıs n. 4310 lin. 8. Nächst Apollon und Hermes ist es Artemis, deren Cultus unter den mannigfaltigsten Formen und Namen die Wege angeht. Als Artemis ist sie Enodia und Hegemone; als Hekate sorgt sie gleich Hermes für den hungern- den Wanderer und behütet als Epipyrgidia auf der attischen Burg Ein- und Ausgang. Als Eileithyia endlich ist sie häufig an den grofsen Heerstrafsen, nahe vor den Thoren, nach der Stadt zuschreitend, ihrem Namen gemäfs als eine hülfreich Kommende dargestellt; so finden wir sie vor den Thoren von Korinth, Aigion, Hermion, Argos u. a. m. Entsprechend ist die Hekate moomoRLs, deren Cultus in Inschriften von Aphrodisias bezeugt wird. C.1. Gr. n. 2796. Vgl. Welckers Sylloge p. 170. Wir finden unter den Wege- gottheiten die Athena Keleutheia, deren drei Heiligthümer Odysseus in glei- chen Abständen an der Aphetais in Sparta errichtet hatte (Peloponn. II 231); wir finden den Herakles, welcher des Hermes Wirksamkeit theilt, nicht sel- ten mit ihm zu einer Doppelbildung verbunden (Otto de düs viall. p. 137). Endlich ist es der vielwandernde Pan (suuregizorcs C. I. n. 1728), der auf einsamen Bergwegen an den Reisenden herantritt (Herod. VI 105), und als Evodes den Dank glücklich beendeter Wallfahrt entgegennimmt C. I. n. 4838. Daher ist auch, wie Keil im Philologus 1853 S. 175 erinnert, derselbe Pan in der Inschrift 4838? zu verstehen und kein besondrer news Evodss, wie ver- muthet worden ist. Übrigens versteht sich von selbst, dafs jede Gottheit in so fern Wegegottheit sein kann, als sie die Wege ihres Schützlings und des Verbreiters ihres Dienstes behütet; so ist Aphrodite des Theseus xa>y- yyuwv und Fuvenmogos (Plutarch. Thes. XV). Was die übrigen Einrichtungen an den griechischen Heerstrafsen be- trifft, so waren sie natürlich auf Wanderer berechnet — daher waren es vor allen Rastörter, avaravraı, Ävaraurrugıe, evSannceis, Soxcı durausrngisı Her. I 181, im Felsen ausgehauene Stufen, welche als Sitzbänke dienen konnten. Solche Bänke finden sich in den Städten Lyciens in den Hallen, welche vor den Felsgräbern durch die Vorsprünge der Seitenwände sich bilden und die den Angehörigen wie dem Wanderer zu theilnehmendem Verweilen einen stillen und schattigen Aufenthalt darboten. So war in Attika an dem Wege, Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 253 welcher den Hain der Semnai begränzte, das @vrirergov Rauc, die roher Fels- masse gleichende Steinstufe, auf welcher Oidipus seine müden Glieder aus- ruhen liefs, um von dieser Stätte aus nach Wanderer Sitte mit den Männern des Landes Unterhaltung zu pflegen. Oed. Col. 191. So hat in der Gegend von Oia auf Thera ein gewisser Artemidoros Felsstufen einhauen lassen, bei denen laut nebenstehender Inschriften (C. I. 2465’) Hekate und Priapos bildlich verehrt wurden. Artemidoros, heifst es, hat die vielnamige Göttin Hekate hier aufgestellt, die lichtbringende, die von Allen, die das Land be- wohnen, hochgeehrte; als eine Erinnerung an die Stadt der Theräer hat er den Wanderern diese Felsstufe eingehauen und den schwarzen Stein aufge- richtet. Natürlich wählte man zu solchen Anlagen besonders anmuthige Plätze und so erkennt man auch im Tempethale gerade dort, wo das schroffe Engthal sich zu offneren und schattigen Stellen erweitert, die von den Alten eingerichteten Ruheplätze, die Aelian in seiner Beschreibung Viroögsuar und dvdravAcı nennt. Herrliche Gedichte der Anthologie, welche a Seelenvolle eines tiefen Naturverständnisses mit der knappen Form des Epigramms ver- binden, wie nur griechische Poesie es vermag, preisen die Schönheit solcher Plätze. Kriegk’s Tempe S. 15. Man vergleiche Platons Beschreibung von der knosischen Strafse zur Zeushöhle hinauf im Eingange der Gesetze. Un- scheinbare Felsmonumente der beschriebenen Art findet man an vielen Orten der klassischen Welt; ich nenne nur die kreisförmige Felsbank unter dem Aipos in Chios, die sogenannte Schule Homers, die Steinsitze in Stym- phalos (Peloponn. I S. 204), in Delphoi, sowohl in der Nähe des Tempels als auch an dem parnassischen Bergpfade. Denn es fehlt auch nicht an Fufs- pfaden (argameı, dvögoßaeves, üvdocarueı, megsuoueva dei, im Gegensatze zu den zarnuafevuevar Schol. Arist. Ran. 123), welche ihrer Anlage wegen zu den bedeutendsten Denkmälern des hellenischen Wegebaus gehören; nament- lich rechne ich dazu den zu den Gipfelhöhen des Parnassos führenden Weg, von dem man noch über tausend im härtesten Kalksteine ausgehauene Stufen er- kennt; sie wurden wahrscheinlich bei den schwärmenden Umzügen der Thyia- den benutzt. Eine ähnliche Anlage war die Klimax oder Treppenstrafse, die über das Gebirge von Mantineia nach Argos führte, ähnlich der »Auuae£ Aarcunry, die über das cilicische Felsgebirge Poikile nach Seleukeia führte. Strab. 670. Bei Seleukeia selbst hat man neuerdings die grofsartigsten nur für Fufsgänger eingerichteten Felstreppen nebst Brücken entdeckt. Ritters 254 Cuartıvs: Erdkuude XVII S. 1258 ff. Endlich ist als namhafter Fufspfad des alten Griechenlands die Kontoporeia zu erwähnen zwischen Korinthos und Argos (Peloponnesos II 513. Beckers Charikles 2. Aufl. IS. 17), wahrscheinlich so genannt von den xovroı, langen Alpenstöcken, mit denen man sich für den Bergpafs ausrüstete. Strabon S. 528 erzählt, dafs auf den schneereichen Pässen der armenischen Gebirge die Wanderer sich zu ihrer Sicherheit und um sich selbst und Anderen ihre Rettung zu erleichtern mit hohen Stangen zu versehen pflegten. Diese Fufswege, welche im Gegensatze zu den jeder Thalwindung folgenden Fahrstrafsen die Gebirge schneiden, sind die Richt- wege (wie man auch den Namen Kontoporeia hat deuten wollen, siehe Pelo- ponn. II S. 589) die öde emironaı, Fuvrouc, Ta Fuvroug, ai öde ai Emira& Mei- neke Fragm. Comicorum 4, 623. Regelmäfsige Baumreihen längs der Kunststrafsen werden bei den Alten nur selten erwähnt. Pausanias führt als eine Merkwürdigkeit des Isth- mos die reihenweise gepflanzten, schlank gezogenen Pinienstämme an auf der einen Seite des Weges zum Poseidontempel (II, 1, 7) und in Heraia be- schreibt er sorgfältig den mit Alleen geschmückten Quai am Alpheios (VII 26). Auch pflegten die Rennbahnen durch dicht und regelmäfsig gepflanzte Reihen von Ölbäumen begränzt zu werden; sie bildeten den Rand (r5 xarav- rnua reD deonev Schol. Arist. Ran. 995) und daher bildete sich der sprich- wörtliche Ausdruck: Euros Heger Sau ray &Aaıwv. Auch um den Altar der Ar- temis Laphria wurden Bäume als Gränze gepflanzt. Im ÖOriente waren regel- mäfsige Baumreihen mehr zu Hause, wie ägyptische und assyrische Darstel- lungen erweisen; auch beschreibt Herodot mit besonderem Wohlgefallen die heiligen Anlagen bei der Stadt Bubastis, so wie die zur Rechten und zur Lin- ken himmelhoch ragenden Bäume, welche nach dem Hermesheiligtkum führ- ten (II 138). Auch im hellenischen Oriente kommen Pflanzungen der Art vor; so erwähnt eine Inschrift aus Amathus, dafs Aisimos vom Heraion bis zum Steindamme hin die Bäume gepflanzt und sie sammt dem Tempel den Göttern geweiht habe (C. I. II 2643). In Asien ist die Geschichte der ältesten Reiche mit Strafsenbau ver- bunden; Semiramis baute durch die Zagruspässe nach Medien, um das ira- nische Hochland an Assur zu ketten (Diodor. II, 1). Durch die Layardschen Entdeckungen sind vielfach die befestigten Stationen der Heerstrafsen nach- gewiesen worden, welche Ninive und Babel mit den Provinzen verbunden Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 255 hielten (Layard Niniveh and Babylon p. 216, 535). Auch die Hellenen haben die grofsartigere Ausbildung des Wegebaus in Kleinasien kennen ge- lernt, von wo auch die Reform der städtischen Anlagen und die theoretische Behandlung der Stadtgründungen ausgegangen ist. Hier riefen die Landes- verhältnisse gröfsere Unternehmungen ins Leben, da erst die griechischen Küstenstädte bedacht sein mufsten, sich die Hülfsquellen des inneren Conti- nents zu eröffnen und später die königlichen Strafsen bis an das Meer geführt wurden, um die unterworfenen Küstenstädte an die fernen Hauptstädte zu binden. Die persischen Strafsen waren schon eigentliche Militär- und Post- strafsen, wohl gebahnt, genau vermessen, durch Kastelle und Brückenköpfe befestigt, durch Militärposten bewacht (ödepvraxes) Herod. VII 239. Das Wegebahnen hing mit dem Heerwesen nahe zusammen; in dem Heere des jüngern Kyros finden wir ein eigenes Corps von öderas (Cyrop. VI 2, 36). Alexander benutzte dazu die zu solchen Arbeiten in ihrem wilden Berglande vorbereiteten Thraker (Arrian I 26: dı@ av ögav veureı Emi Ilepynv, 7 üdoremar- Nnerav auto ci Oa@zes). Dies thrakische Pioniercorps hat englischen Reisen- den zu seltsamen Combinationen Anlafs gegeben, worüber Schönborn im Posener Gymnasialprogramm 1849 S. 14 zu vergleichen ist. Wenn wir aus des Dikaiarchos ‘Leben von Hellas mehr übrig hätten, als uns das Schicksal gegönnt hat, so würden wir eine lebendigere An- schauung haben von dem Zustande und den Einrichtungen der griechischen Heerstrafsen in der Zeit der Blüthe Griechenlands. Wie lehrreich ist schon die im ersten Bruchstücke aufbewahrte Schilderung eines attischen Land- wegs. Es war einer der besuchtesten, da er die Verbindung zwischen Athen und Chalkis unterhielt; er ging durch Aphidnai (& "Agıövav scheint mir die zweifellos richtige Lesart Wordsworth’s für die vulg. dı« dapvidww) und das Heiligthum des Zeus Amphiaraos, für einen rüstigen Wanderer ein guter Tagemarsch bergan; aber die Menge der Herbergen, der Überflufs an Allem, was zum Unterhalte gehört, so wie die vielen anmuthigen Rastörter liefsen den Wanderer nie zu einem Gefühle der Ermüdung kommen. So erhielt das Land und die Heerstrafse den Charakter des Gastlichen und Menschen- freundlichen, den Dikaiarch rühmt (6dös Adela, Eyeura rr aba pıRavSowrov). Alles was ein guter Athener als Ausstattung einer Landstrafse ver- langte, finden wir bei Aristophanes zusammengestellt, wo Dionysos sich beim Herakles nach dem erkundigt, was vor einer Reise zum Hades nützlich und 256 Currtıvs: gut zu wissen sein möchte. Erst fragt er nach den Gastfreunden des He- rakles (Frösche 109), dann V. 112 erforscht er die Auusvas, ügrorwWäıg, mogvei, dvaravıas, Enrgomas, nonvas, odous, meAeıs, Öluitas, Mavdoreurgias, omou nogeis öAlyırrol. &xrgorai erklärt der Scholiast gezwungen von Nebenwegen, Zufluchtsörtern: Omev Tıs ERTIATAVGL dyvaraı zul HOUMTET IC, orav Tagayı TIS yEryrar TwV verguv _ es müssen aber doch Einrichtungen sein, die zum Wege gehören; es kann ja auch nicht blofs soviel wie av«ravAaı bedeuten; es sind vielmehr die oben be- sprochenen Ausweicheplätze, nach deren Anzahl und Vertheilung ein vor- sichtiger Reisender sich bei Zeiten erkundigte. An diesen Plätzen warteten die Wagen auf einander. Es waren die breitesten Stellen, die belebtesten Punkte der Heerstrafsen, die Hauptstationen, an denen zugleich für Bekösti- gung der Reisenden am Besten gesorgt war, so dafs auch ein Fufsgänger sein Interesse dabei haben konnte sich nach den &xrgorci zu erkundigen. Schriftliche Denkmäler des Wegebaus sind im Griechischen nicht zahlreich; es war ja gegen hellenische Sitte, die Namen einzelner Bürger an gemeinnützige Arbeiten der Landeskultur zu knüpfen. Die hieher ge- hörigen Steinschriften sind sämmtlich aus der Römerzeit und römischem Brauche nachgebildet; so die Felsinschrift am Schlofsberge von Amathus C. I. 2644 (Asvxıos Olırerrios Kardwızos rAv avaßarıy raurmy vv v7 arbidı du eV Wlov naresaevarev) welche das Werk selbst, zu dessen Andenken sie dient, überdauert hat; ferner die Inschrift aus Thyateira n. 3481: Alrongarwp Kairag Odsrrarıaves — Tas 6devs Ereimrer. Ahnlich ist der auf Kaiser Claudius be- zügliche kretische Stein n. 2570: ras ödeus xai ToUs üvdgoßßanovas dmonare- ornrev dia K. Haxıviov "Aygırmivov (vias el semitas restituit wie es vom K. Clau- dius heifst es im Museum of el. ant. II p. III Sept. 1852). Von Nero mel- det die nieäische Inschrift n. 3743: ryv odov aro "Aransıas moes Neixaias #a- TebSaguevnv mn doy,auoryrı ÄMOHATEETNTE Kal RaTarnevarIAva mar mgoserafe die Datov Iovaiev "Arcvima ru iiev Emirgemev. In dem Dekrete von Aphrodisias 2782 wird unter den gemeinnützigen Werken des Karminios Klaudianos auch erwähnt: 70 Egyov re rys mAareıac. Merkwürdiger als die genannten ist die kyrenäische Inschrift n. 5141: M. Baregıos "Aginruv iepwievos ToD , > I. > > N / \ Y a [4 \ Re ariotou "AmoAAuvos Er Tuv IdIWv TO UXVOS EMETHEULTEV Aa ave9yrev, WO nur Zur Geschichte des W egebaus bei den Griechen. 257 von den Geleisen eines heiligen Wegs den orbitae thensarum die Rede sein kann; siehe oben S. 222. Cavedoni denkt an eine Fufsspur des Got- tes, wie Franz mittheilt in den Addenda des dritten Bandes S. 1241; doch konnte ein solches Denkmal des Gottes, wenn es wirklich in Kyrene sollte gezeigt worden sein, vom Valerius weder ausgebessert noch geweiht worden sein. Aus byzantinischer Zeit, welcher auch die C. I. II p. 501 erwähnte Pococksche Inschrift (&ysvero 4 odorrewria Emı IaAradıov Tov EAAoyı- Kurarsv FypAarrızev) angehört, giebt es kein merkwürdigeres Wegmonument, als die Trimeter des Theophylaktos, die südlich von Chalkis im Felsen ober- halb des schmalen Strandwegs nach Eretria eingehauen sind. Sie sind von Stephani “Reise durch Nordgriechenland’ S. 23 und neuerdings von Leake in den Transactions of the Royal Society of Litterature 1853 p. 252 heraus- gegeben worden. Von beiden Gelehrten abweichend glaube ich die Fels- schrift so lesen zu müssen: + Kuros Yarwer 14: Surarıns dvSade za To QuSs didwarıv arbarn voiSov xegr@v To deidgev nal meguv reyuns Pc 70 rUuG beus rev za Tov aTTarov TaAov 5 nAsıvos OccdUVAaxTas cineloıs mevas 6 IlgwroswaSagıos 'EARudos #Aews () Die Inschrift mag, wie Leake vermuthet, dem 10. Jahrhundert angehören. Als eine besondere aber untergeordnete Classe von Wegedenkmälern sind die Inschriften zu betrachten, welche an ausgezeichneten Orten, den Ziel- punkten zahlreicher Wanderungen, von Reisenden geschrieben worden sind; sie sollen keine andere Thatsache verewigen, als die Anwesenheit ihrer Per- sonen und zugleich die Erinnerung bezeugen, welche sie an diesen Orten — vielleicht einer Verabredung gemäfs — entfernten Freunden gewidmet haben. Die wiederkehrende Formel ist: äuvar-Syrav ci deives rov delvcs, uveias Kagı u. dgl. Siehe C. I. Gr. n. 543. 1953. 2872 ete. Die Sitte ist ausgegangen von hei- (') Steph. hat v. 1 +6 zUros Yauvor; der Artikel ist wie es scheint nur aus einem mis- verstandenen Zeichen des Kreuzes entstanden. V.2 hat Steph. Traun; rai@ov haben auch die Köhlerschen und Pittakis’schen Abschriften. Was Steph. von dem falschen Gebrauche des w in Öröwau sagt, ist schwer verständlich. V. 3. rs[io]wv Steph. [2r]e[x]»v Leake. V. 6 oize..or.ovıs Steph. Philos. - histor. Kl. 1854. Kk 258 CuRTIıvs: ligen Orten, zu denen gepilgert zu sein als ein Verdienst betrachtet werden konnte (siehe oben S. 238); sie wurde zu einer Unsitte des spätern Alter- thums, welche die Wände merkwürdiger Höhlen, Felsen und Monumente, vor Allem in Ägypten und Nubien, mit Touristennamen überdeckt hat. Die wichtigste Inschrift dieser Gattung ist die der griechischen Söldner im Ge- folge des Psammetichos, die Rofs neuerdings in Jahns Jahrb. Bd. LXIX S. 528 besprochen hat, woselbst er aber Dedikationsinschriften wie C. 1. n. 507 ff. nicht zu diesen touristisehen Kritzeleien hätte zählen sollen. Den Wegedenkmälern sind verwandt die auf Brückenbau bezüglichen. Namentlich bei den heiligen Strafsen war es eine wichtige Aufgabe, die Pro- zessionen auch über die den Weg schneidenden Gewässer sonder Beschwer und Gefahr hinüberzuleiten. Darauf bezieht sich das schöne, nach Müller’s zweifelhafter Ansicht Kl. D. Schr. II S. 274, 70 auf die attische Kephisosbrücke gedichtete Epigramm der Anthologie (Brunck. Anal. I, 138): wire Ayunrgos moos dvanrogov, Wire MUrTa und” Üdwros mooX,cas dsidere KENEBIOUS. Tolov Yap ZevonAns 6 Audios drparss Uuıv Esdyua dia mAureos roid” EQarev Tora. Auf die von Auxentios über den Kydnos gewölbte Brücke geht das Epigramm im C. I. 4440. Dem elften Jahrhundert gehört eine seltsame Inschrift an, die Fourmont bei Sparta abgeschrieben hat. Ihre Entzifferung ist mir noch nicht ganz gelungen; in der zweiten Zeile liest man: »al zereurews Tou Fuvro- ng@rogos Beol dvwnodounGn To Jeopinertarov Epyov H mavayanros yehupa Emi HagTgoU Aanedumovos Ev TO moTaud TO Acyolevw "Ion mag Euel Nixodanou Hovayod U. S. W. Endlich giebt es eine Brückeninschrift, mit welcher die ganze Reihe der in griechischer Sprache verfafsten öffentlichen Inschriften abgeschlossen werden kann. Sie bezieht sich auf die im Peloponnesos II S. 150 beschriebene drei- armige Balyrabrücke, die einen Kreuzweg auf dem Wasser bildet und meldet eine Wiederherstellung derselben unter einem türkischen Pascha. Man liest in griechischen Zügen den Namen Omerios (Omar) Sanan Subagi. Die untergeschriebenen Ziffern sollen, wie mir Dr. C. Hopf mitgetheilt hat, das Jahr 946 d. i. 1540 n. Chr. bedeuten. Der Landstrafsen würdigster und bedeutungsvollster Schmuck waren die Gräber. Wenn Anaxagoras den im Auslande Erkrankten damit tröstete, dafs doch alle Wege zum Hades gleich wären, so war das eines Philosophen Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 259 Ansicht, nicht die des Volks, das die Zusammengehörigkeit der Mitglieder einer Staatsgemeinschaft auch durch den Tod nicht gelöst sehen wollte und deshalb in der Heimath zu sterben und begraben zu werden für ein wesent- liches Glück erachtete. Es war den Verwandten Liebespflicht, hiefür das Mögliche zu thun und so dankt in einer Guilfordschen Steinschrift (C. I. Gr. IV n. 6858) Eutychos seinem Bruder: Eüruygou igiov eiul war ob nevov- Önren Yag war meunbev adeApeıov pgovris am’ Eiradıne. Waren die Überreste unerreichbar, so errichtete man wenigstens symbolische Gräber in der Heimath, Kenotaphien, und rief — wie Eustathios (p. 1614, 68) bezeugt — die Seelen der Verstorbenen in das Vaterland zurück, das ihre Namen nicht vergessen sollte. Es konnte aber ihr Andenken nicht besser erhalten und mit den überlebenden Mitbürgern in dauernder Verbin- bung bleiben, als wenn ihre Ruhestätten den Orten des gemeinsamen Ver- kehrs benachbart waren, wo jeder Wanderer in sich die Aufforderung fühlte: “eußrenbov eis TE uvynaS ws odcımogeis' Daher wird in Inschriften die Lage des Grabes raga rıv Öyuoriav ödov, Eyyüs ödeu (C. I. n. 22; n. 1794 A), mag renysiav dragrev (n. 3256) nicht selten hervorgehoben. Vgl. drress r@de mag @rgamırö Athen. X p. 436. Bei den römischen Erotikern spricht sich wohl die Sehnsucht nach einem stillen, von allem profanen Treiben fern gelegenen und versteckten Grabe aus (Prop. III 16, 31: Di faciant mea ne terra locel ossa frequenti ete.); nach der eigentlich antiken Ansicht war das Grab um so erwünschter und ehrenvoller, je belebter und ansehnlicher die anliegende Strafse war. So erklärt sich wohl auch der Ausdruck im Rhesos V. 880, wo Hektor an den König Priamos die Aufforderung ergehen läfst, er solle die Gefallenen bestatten Aswoogeus 965 Exrgoras d. i. nach der oben gegebe- nen Deutung: an-den Ausweicheplätzen d. i. den breitesten und belebtesten Punkten der Heerstrafse. (!) Deshalb galten auch Kreuzpunkte verschiedener Strafsen für besonders ehrenvolle Grabstellen. Gräber ezi rgı0dw oder rgıcdev werden in der Antho- (') Aewbegos ist adjektivisch gebraucht, wie bei Herodot I 187 in dem Ausdrucke: «i nerısra Mewhegor Ur und bei Pausanias VII 54, welcher die besonders bequem angelegte Kunststralse zwischen Argos und Tegea eine oynnarı Emirnösiorern za Fa Marısra Mewpogos nennt. Kk2 260 Cvurrtıuvs: logie mehrfach (unter den Epitymbien n. 475, 577, 694) erwähnt, ebenso auf erhaltenen Inschriftsteinen wie n. 1003 dem Grabmale der Smyrne, 4» yovdes mevSoivres Emi rgıdev nareSarbav. Daher stehen auch zum Ausdruck der unmittelbaren Beziehung auf den Weg Hermen über oder neben den Gräbern, so über dem der Sibylle Herophile Paus. X, 12; so die Herme des Polydeukion vom Herodes Atticus n. 989. Ein dreiköpfiger Stein bezeich- nete nach dem beim Scholiasten zum Oed. Col. 57 erhaltenen Orakelspruche die Gegend des Oidipusgrabes und der zu ihr hinführende Heros macht Halt an einem der vielgetheilten Pfade (errn rereuIwv &v vervayierwv uız 1592). Des Arkas Gebeine wurden auf Orakelbefehl aus dem unwirthlichen und öden Mainalosgebirge von den Mantineern dorthin verpflanzt, “wo Dreiweg, Vierweg und Fünfweg' (oö rgiodos nai rergaodos nal mevranereuSos Pelop. 1238). Die Flufsthäler sind des Landes natürliche Wege; die Hügel an den abschüssigen Flufsufern Griechenlands sind voller Gräber, wie namentlich am Ilissos, und hier waren wieder solche Gräber die ehrenvollsten, die an einer Brücke lagen (wie des Propheten Grab &ri 5 diaßarsı re) Kydırod Xen. Hell. II, 4, 19) oder an einer Furth, wo der Weg auch vom andern Ufer her die Wandernden zu dem Grabmale hinanführte. Statt vieler Zeugen diene mir Pelops der ‘an des Alpheios Furth gelagerte' (Pind. O1. I 92); auch dem Agamemnon wird für den Fall, dafs er im Kampfe gefallen wäre, ein Helden- mal raga Ixramardgov mgev zugedacht (Choeph. 360). Bei engen Felswegen wurden, wie so häufig in Lycien, Nischen im Felsen ausgehauen und Reliefs mit Inschriften in die Wand eingelassen. Wer ein Landgut besafs, wählte sich dort eine Stelle, die der öffent- liche Weg berührte oder die ihn sonst besonders ansprach (ewev av dort narırra äguorrov rev xymov Theophr. bei Diog. Laert. V 53). Dann mufste aber für den Fall, dafs das Grundstück veräufsert wurde, das Grab als Familienbesitz reservirt und der freie Zutritt zu demselben für die Angehörigen ausbedun- gen werden; dies geschieht in der hierapolitanischen Inschrift n. 3916 v. 15: nevodcı d8 ai eiredor nal EEoder nal mgonEreunıs rev wegußorcu anwAures [eis oder viel- mehr zois] mOOTNROUTIV dia Tavros, nav araAAorgun OH more To MOST RUgoDV Kwolov. In der Regel gehörte der Raum längs der Wege zu dem öffentlichen Grund und Boden; der Staat verkaufte die Grabplätze, er schützte die Grä- ber als einen gemeinsamen heiligen Besitz des Landes und übte über die An- lage und Erhaltung derselben eine gewisse polizeiliche Aufsicht. Die Folge {e) Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 261 derselben ist jene Regelmäfsigkeit, welche in den antiken Gräberstrafsen nicht nur bei Pompeji, sondern auch in den Ruinen der heiligen Strafsen bei Athen, bei Eretria, Assos und sonst unverkennbar herrscht. Wie man zu den Land- wegen selbst wo möglich Felsboden wählte — daher Ausdrücke wie im C. 1. II p. 574: HapayE % üvapegeura Tape ra &gyarına — so suchte man auch mit den Gräbern auf felsigem Grund und Boden zu bleiben. Dadurch sicherte man diesen Anlagen gröfsere Dauer und schonte den Ackerboden. Bei Plato in den Gesetzen p. 958 D wird es daher als eine bestimmte, von Cicero in seinen Gesetzen Il 27 wörtlich wiedergegebene Vorschrift eingeschärft: man solle zu Gräbern keine yA &gyasınos verbrauchen. Die Erde gehört den Le- benden. Der am Wegrande zur Bestattung benutzte Raum mufste ein roros »aSagos sein (C. I. 3509; vielleicht auch 4190; vergl. zauaga zaSaga n. 3258), ein Ort der bis dahin keinem andern Zwecke gedient hatte. Ferner bedurfte es, wenn auch Grab und Weg ürsprünglich auf gleichartigem Boden sich be- fanden, einer bestimmten Absonderung, weil die Gräber unter den Bezie- hungen des heiligen Rechts und des Privatbesitzes standen und weil bei der profanen wie bei der gottesdienstlichen Benutzung der Heerstrafsen jede un- wissentliche Berührung der Todtenräume vermieden werden mufste. Des- halb war jede Grabstelle ein üges zexguneves, wie es in der neulich von Gött- ling (Verh. der K. S. Ges. d. Wiss. Febr. 1854) veröffentlichten attischen Inschrift lautet; ein Ausdruck, den der Herausgeber nicht auf den weiten Raum des Kynosarges hätte beziehen sollen. Jedes Grab (eeguns rabes Le Bas Revue Arch. 1845. I p. 38. Welcker Rh. Mus. VI 1847 S. 86) hatte einen genau abgesteckten Raum um sich, der in den Inschriften als mgOSnEILLEVOS TO umueiv romos n. 3384, Fegixeinevos megißeros oder ror°s n. 3007, 3017, 3915, 3777, 6 go aurwv (sc. ou Bwusi xal ns TeogoV) roros n. 3912; Ü Topös nal 6 üm aurı remss n. 3931 u.s. w. erwähnt wird. Reiche Leute kaufen von den anliegenden Grundstücken an, wie Aristokles in Aphrodisias n. 2836, um ihr Erbbegräbnifs mit einem stattlichen Hofraume zu umgeben. Die Absonderung vom Wege wurde durch Mauer und Gitter vervoll- ständig. Der in den smyrnäischen Inschriften dafür gewöhnliche Name Swpanıov (siehe C. I. II p. 758) überträgt auf die Gräber die Analogie fester, mit Mauern und Brustwehren versehener Plätze. In den Inschriften aus Eumenia kommt 75 TUYRgeUnTOV in ähnlicher Bedeutung vor; entsprechend 262 CvrTıvs: ist der in Aphrodisias übliche Ausdruck UrmanyE und ray n. 3777 oder Syrynos, wie Pausanias II 15 beim Grabhügel des Opheltes erwähnt. Die Heiligkeit des Grabraums war von der Erhaltung der Ummauerung abhängig; darum wird den Erben die Sorge dafür zur Pflicht gemacht und im Falle sie dieselbe vernachlässigen, gehen sie des Besitzes verlustig: ei d& rev Urmanyya ci RAngovancı nn arbaırwvrau, ETW Mol uAngoveos N Abgodıra n. 2524). Auch wurde durch Gränzsteine, wie den in der attischen Ephemeris mitgetheilten n. 1536: 0005 avnmarcs und den in unserm Museum aufbewahrten: 0005 SruaTos ’Ovnsiuov die Begränzung zwischen Grab und Weg auf das Genaueste be- zeichnet. Der auf diese Weise begränzte Grabeshof enthielt Gartenanlagen, deren hohe Baumgruppen die äufsere Mauer weit überragten und ihre Schat- ten auf die Landstrafse warfen. Die Todten durch Baumpflanzungen zu ehren ist eine frühe Sitte des Alterthums, die sich vom Morgenlande her weit verzweigt hat. Wie sie sich in Griechenland eingebürgert hat, bezeu- gen die Cypressen am Opheltesmale und die dem Alkmaion heiligen, die so- genannten ‘Jungfrauen’ in Psophis, vgl. Lajard Culte du cypres pyramidal p- 310. Platon (Gesetze 947) verlangt ausdrücklich zur Ehre der Todten einen Hain von Bäumen, der bis auf einen Zugang den ganzen Hügel umringe und durch sein Wachsthum auch ohne menschliche Zuthat das Grab immer stattlicher mache. Diese Baumpflanzungen wechselten ab mit Gartenbeeten. Blumen an heroischen Gräbern, wie an denen des Hyakinthos, des Aias, der Freier der Hippodameia, durch eine Wunderkraft der theilnehmenden Erdmutter hervorspriefsend, kennt die Sage der Griechen. Vgl. Philostr. Imag. p. 30 edd. Jacobs et W. Blumenbeete an den Gräbern der Verwandten pflanzte die Pietät der Hinterbliebenen; darum heifsen sie in römischen Inschriften hor- tuli religiosi (Gruter pceccıx) und aus diesem Schmucke der Gräber ist auch der auf römischen Steinen nicht seltene Ausdruck cepotafium abzuleiten. Wo es für bleibende Anlagen dieser Art an Raum oder Mitteln fehlte, wur- den Kränze und Blumen angewandt und zum Zwecke des jährlichen godigew wurden Legate ausgesetzt n. 3754. Ahnlich das orepavurızov 3912, 3916, 3919 vgl. 6789. Auch dieses sind Gebräuche, die sich aus der Überliefe- rung der heroischen Zeit (Pind. Nem. IV 20) bis in die spätesten Jahrhunderte der alten Welt fortgesetzt haben und mit den Gräbern zugleich die anliegen- Zur Geschichte des W. egebaus bei den Griechen. 263 den Heerstrafsen schmückten. In dem gartenähnlichen Grabhofe waren allerlei Baulichkeiten, Wohnungen für die mit Ausübung der Pietätspflich- ten betrauten Sklaven, die custodes sepulerorum. Vgl. n. 3975: wgerSeis TO MNuElw Teis unwous nal Ta oinuara [ra mgos ?ryv Iegareıav zal EruueAsiav. Inmitten von Mauer und Hof lag das Grab. In Kleinasien, nament- lich Phrygien und Karien, wo uns die Grabarchitektur und die Terminologie derselben aus der Fülle dortiger Inschriften am genausten bekannt ist, be- stand des Gebäudes Hauptmasse aus dem massiven thurmartigen Unterbaue (mAarys, mAaras), der auf breiter Fläche das eigentliche Grabdenkmal trug, das uvnweiov in Altarform, daher selbst Buues genannt; denn wie der Heroen- name auf alle Verstorbenen ausgedehnt wurde, so gingen auch die Heroen- ehren wenigstens dem Namen nach auf die Masse der Gräber über. Auf dem Altare ruhte der Sarkophag. So ragte aus Garten und Hain in dreifacheı Gliederung der Grabbau hervor, dessen nach dem Wege gerichtete Seite als die Vorderseite betrachtet wurde. Als solche wurde sie durch den Bild- schmuck ausgezeichnet, der zwischen Altar und Sarkophag angebracht zu werden pflegte, den &i00®09s; es war ein Fries, in dessen Mitte der Wanderer zwischen Grabsymbolen verschiedener Art Bild und Namen der Bestatteten erkennen konnte. Auch die kleineren Grabkammern oder Gänge, die eirürraı, welche neben einander in verschiedener Höhe des grofsen Gebäudes, im Mnemeion oder auch in dem Unterbaue angebracht waren und der Regel nach die Bestimmung hatten, die untergeordneten Mitglieder des Hausstandes aufzunehmen, öffneten sich nach der Wegseite (eisworn n eis ruv ödev Begoura n. 2828: 4 & ro Bwug rowrn y degsura eis rnv ödevn 2839) und hier waren die Eingänge derselben durch Bild- und Schrifttafeln ausgezeichnet, so dafs man vom Wege aus einen Überblick hatte über das ganze Personal des Hauses, dessen Vorstand allein oder mit den Nächsten seiner Angehörigen oben im Sarkophage ruhte. In dem Erbbegräbnisse des Arztes Chariton aus Aphro- disias n. 2346 waren drei eirarra rAazwaı d. h. hier drei besondere Stein- särge neben Mnemeion und Sarkophag aufgestellt. Doch möchte ich mir diese Aufstellung nicht so denken, dafs man die Frontseite freigelassen habe; im Gegentheile; bei der vorherrschenden Gewohnheit, die Eisosten nach der Wegseite zu bringen, wird man nicht die Frontseite, sondern die Rückseite des Hauptsarkophags unbenutzt gelassen haben, zumal da es des Chariton eigene Verwandte waren. Vgl. Böckh C. I. II p. 535 B. 264 Currtıvs: Von den öffentlichen Strafsen führten Seitenwege rechts und links zu den Grabplätzen, deren Gitterthüren der Regel nach gen Westen liegen mufsten. Es findet sich auch in Attica bei der Masse von Felsgräbern unter zahlreichen, durch Raumverhältnisse gebotenen, Abweichungen im Ganzen die Richtung von Ost nach Westen vorherrschend. Wo Sklaven den Grab- dienst zu besorgen hatten, dienten sie als Hüter des Eingangs (sepulerorum ianitores, runßwv rurawgeı Maneth. Apotelesm. VI 409). Unter den nach Form und Inhalt so unendlich mannigfaltigen In- schriften, welche die Beziehung des Grabes zum Wege und Wanderer aus- drücken, unterscheiden wir zwei Hauptklassen. Die erste, in Kleinasien vorherrschende, hat ihren Ursprung in dem durch das Alterthum verbreite- ten Verbrechen des Eindringens in fremde Gräber. In allen Theilen der alten Welt findet man nicht nur Sarkophage, denen man sogleich die mehr- fache Benutzung ansieht, sondern auch Felsgräber, welche gegen ihre ur- sprüngliche Anlage bauliche Veränderungen erlitten haben, um neue Grab- plätze herzugeben. Beispiele dieser Art hat auch Barth (Wanderungen S. 440) in Kyrene beobachtet. So gehen denn die kleinasiatischen Grab- inschriften durchschnittlich auf Wahrung des Eigenthums und Abwehr un- befugter Benutzung. Diese Inschriften wurden in zwei Exemplaren ausge- fertigt, das eine auf der Grabstelle, das andere im Archiv (xgewpvAaxıcv in Aphrodisias, «gxsi« in Hierapolis) und dafs die Inschriften zunächst für diese amtliche Aufbewahrung bestimmt waren und auf dem Grabe eigent- lich nur die Copie stand — das geht aus der genauen Bezeichnung der Lage des Grabes hervor, die an Ort und Stelle ganz unnöthig war. C.I. II p. 537. Dagegen ist sonst nach dem allgemeinen Gebrauche des früheren Alter- thums die Bestimmung der Inschriften die, dafs durch ihre Vermittelung der Verstorbene mit dem Wanderer in einen geistigen Verkehr trete. Der in der Todtenklage über den Weg hingerufene Name wird durch den Stein am Wege, der den flüchtigen Schall festhält, verewigt und das als letzter Grufs mitgegebene x«ige ist bestimmt, in Gedanken oder Worten von dem Vor- übergehenden nachgesprochen zu werden. Das ist die gewöhnliche Fassung. Die andere Form ist die, dafs der Verstorbene seinerseits dem Wan- derer den ersten Grufs zuruft: xaige ragoöira — rols Fapayevsı Yaipew n. 2129. Hamilton II 326. Böckh zu C. 1. IIn. 3513. Inschrift in Gallipoli: ’Erıyevns Saropvivos "Hgandewrns Ex Ilovrov nwmmöos Erav ne. xaigere. Die Grabschrift Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 265 des Tryphon (Arch. Ztg. 1854 S. 437). Es wird vorausgesetzt, dafs der Wanderer, durch des Grabes Anblick getroffen, nicht ohne eine fromme und theilnehmende Stimmung vorübergehe (eipyuws dusßerSa); er wird dazu aufgefordert oder es wird ihm dafür gedankt (n. 2415, 2445, 3256, 3273). Der angeschriebene Name dient dazu, die persönliche Bekanntschaft herzustellen; daher n. 3706: &yvwzas d.h. ‘du weifst nun wer ich bin. Das Wechselgespräch wird dramatisch eingeführt wie n. 1956. Endlich wird auch der Grufs an den Vorübergehenden zu einem Spruche der Lebensweis- heit, welche der Verstorbene von seinem Standpunkte aus dem Überleben- den auf die Reise mitgiebt. Hier tritt nicht immer lautere Weisheit, sondern auch frivole Sinnlichkeit in keckstem Ausdrucke uns entgegen, wie in der Inschrift aus Aizanoi C. I. III p. 1070: "AvSos reis vagsderrus Yaugew: Acdraı, mie, days, Qsivnrov- reurwv yag WdE zaru oUdev &y,eıc. Vgl. n. 3827? III p. 1054: Faro, TeUpnTev, enrov- arcSaveiv ve dei. Ahnlich sind die Aufschriften auf Gemmen mit Schädeln und Skeletten (siehe Welcker Rhein. Mus. 1854 p- 245). Es sind Variationen der Sardanapalosinschrift bei Anchiale, welche durch die neuesten Entdeckungen in der Beziehung eine Erläuterung erhal- ten hat, dafs assyrische Königsbilder in Khorsabad gefunden sein sollen, mit so gehobenen Armen und so gestellten Fingern, dafs die Alten darin den Gestus des aroAazeiv oder aroxgoreiv erkennen konnten. Je näher man der Stadt kam, desto bedeutungsvoller wurden die Grä- ber, welche die Heerstrafsen einfafsten. Ein vorstädtisches Grab war eine besondere Ehre; die Inschrift aus Iasos n. 2690 erwähnt ein ygwev ges reis mgoacreisıs. In den belebtesten Vorstädten suchte man die Denkmäler derer zu vereinigen, welche lebend oder sterbend eine öffentliche Bedeutung er- langt hatten. So zeigten die Korinthier im Kraneion die Gräber von Lais und Diogenes; so wufsten vor Allen die Athener durch die Anlage öffent- licher Grabplätze ihrem Kerameikos eine Bedeutung zu verleihen, welche den Glanz der attischen Geschichte lange überlebte. Die zew« uwiuara stehen den ide, den Privat- und Familiengräbern gegenüber. Plut. Phokion c. 23. Aber schon der Name ‘Mnema’ allein be- zeichnet nach attischem Sprachgebrauche einen Begräbnifsplatz. Es gab solche gemeinsame Friedhöfe verschiedener Art. Die Genossen eines Ge- schlechts, eines Stammes suchten auch nach dem Tode ihre Gemeinschaft festzuhalten; daher heifst ein Grabplatz in Phanagoria der rurngwwv %,ügos Philos.- histor. Kl. 1854. L1 966 Currtıuvs: C.1I. 2128. Auch die Fremden in Athen scheinen besondere Grabräume gehabt zu haben, nach dem gemeinsamen Fundorte von n. 854 und 862 zu schliefsen und in den Choephoren v. 670 ed. Herrm. wird Klytaimnestra gefragt, ob Orestes als Agamemnons Sohn in der Heimath seine Stätte finden solle, oder als Metöke im Fremdlande. So wurden die Unterschiede des bürgerlichen Standes festgehalten. Die im Kampfe zusammen Gefallenen in einem Polyandrion zu be- bestatten, ist alte und allgemeine Sitte der Hellenen. Die Sikyonier z.B. hatten vor der Stadt an der grofsen Heerstrafse, die nach Korinth führte, ein Grab für die bei Pellene, bei Dyme, bei Megalopolis und bei Selasia ge- fallenen Mitbürger (Pausan. II 7, 4). Hier mufs also r«pcs wie Mnema in Athen eine weitere Bedeutung gehabt haben. Wann die Athener an der Heerstrafse des äufsern Kerameikos ihren öffentlichen Begräbnifsplatz einge- richtet haben, läfst sich aus Thukydides nicht erkennen. Pausanias aber sagt von den bei Drabeskos Ol. 78, 4 Gefallenen: rgwraı &raprrav und ich kann mich nicht entschliefsen, mit Krüger in seinen historisch - philol. Stu- dien S. 68, dem auch Weifsenborn Hellen S. 143 beipflichtet, diesen Aus- druck örtlich zu fassen: ‘an erster Stelle (nämlich vom Dipylon aus) wurden sie bestattet’. Das müfste etwa rgwreı xeivraı oder ähnlich heifsen. Nun bleibt allerdings die von Krüger hervorgehobene Schwierigkeit, dafs die Be- stattung der Marathonomachen als Ausnahme von einer Regel erscheint, welche erst 25 Jahre später eingeführt sein soll. Entweder ist Pausanias dieses Widerspruchs gar nicht inne geworden oder man müfste, was er von den Marathonomachen sagt, etwa so verstehen: man habe ihre Gräber auch nach Einführung der gemeinsamen Begräbnisse aller für das Vaterland Ge- fallenen unberührt in Marathon gelassen und zur Begründung dieser Auf- fassung läfst sich Manches anführen; vor Allem, dafs wir auch Thukydides, indem er nur die marathonischen und nicht die platäischen Gräber als Aus- nahmen der Sitte namhaft macht, einer auffallenden Vergefslichkeit beschul- digen müfsten, wenn nicht eine Umbettung der bei Plataiai Gefallenen und Bestatteten, eine feierliche UÜbersiedelung ihrer Gebeine in die heimische Erde stattgefunden hat. Siehe Krüger S. 70. Wagen wir einen Schritt weiter. Nehmen wir an, dafs in der Zeit des thasischen Krieges, als noch Kimon in der Stadt mächtig war, der ja die heroischen Erinnerungen der Perserkriege auf alle Weise zu beleben suchte und der zugleich vorzugs- Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 267 weise die westlichen Vorstädte Athens, Kerameikos und Akademie, mit patrio- tischer Freigebigkeit zu schmücken bemüht war, auf seine Anregung be- schlossen worden sei, die sämmtlichen Überreste der für das Vaterland ge- fallenen Helden in einem vorstädtischen Friedhofe zu vereinigen, wie der- selbe Kimon des Vorbildes aller attischen Heroen, des Theseus Gebeine heimgeholt hatte und dals man nur die Gräber der Marathonomachen, die schon g 8 habe — dann wären alle Vorwürfe, die man dem Thukydides wie dem Pau- ewissermalsen zu Ortsdämonen geworden waren, unberührt gelassen sanias machen könnte, beseitigt und alle Widersprüche gehoben; dann könn- ten wirklich die bei Drabeskos Gefallenen die Erstlinge der im Kerameikos bestatteten Helden gewesen sein. Mag sich diese Combination bewähren oder nicht, auf jeden Fall müs- sen wir die Einrichtung des Mnema von dem Bestatten im Kerameikos unter- scheiden. Das Letztere bestand schon länger als attische Sitte, wie das Grab der vor dem Perserkriege im Kampfe mit Aegina gefallenen Bürger beweist (Paus.e. 29, 7); diesGrab kann also nicht zum Zeugnisse gegen Pausanias oder zur Erklärung seines mg@rc: Erapnrav benutzt werden. Für die ganze Glanz- periode Athens aber war das Mnema an der Kerameikosstrafse eine monu- mentale Kriegsgeschichte der Stadt. Sein grolser Raum war in Felder ge- theilt, die den Schlachtfeldern des Auslandes entsprachen. Also müssen auch die in der Heimath für dieselbe Gefallenen einen besonderen Theil für sich gehabt haben. Dies bezeugt ausdrücklich der Scholiast zu den Vögeln des Aristophanes V. 395 durch eine Stelle aus den Büchern des Menekles und Kallikrates über Athen, ein Bruchstück, das, so kümmerlich es ist, den- noch unsere Anschauung von jener denkwürdigen Stätte fördert; auch sehen wir daraus, dafs der grofse Friedhof von Wegen durchschnitten war; so wurde er dem Volke zugänglich, es wurde die genaue Betrachtung der ein- fachen Denkmäler und das Lesen der Namenreihen möglich, die doch nicht alle der Hauptstrafse des Kerameikos zugekehrt sein konnten. Diese Begräbnisse standen nämlich zu dem öffentlichen Leben in einem eigenthümlichen Verhältnisse. Der Staat, der unter dem Segen der olympi- schen Gottheiten begründet, sich um die Ehre der Todten grundsätzlich nur so weit bekümmerte, dafs er die Aufrechterhaltung der in der Familie zu vollziehenden Gebräuche beaufsichtigte, übernimmt hier selbst an Stelle der Angehörigen die Bestattung, 6 danos meursı oder mgoreurs. Es wurde L12 268 CvuatTıvs: also die Leichenfeier zu einer roury, das Grab zum Mittelpunkte einer bür- gerlichen Feier. Vom Grabe stieg der Redner unmittelbar auf die hochge- baute Bühne, um im Namen des Staats vom Staate und den besten Bürgern desselben zu reden — aus dem Allen geht hervor, dafs dıese Gräberstätte eine ganz besondere Beschaffenheit hatte und ich glaube, diese in Platons Gesetzen p. 947 beschrieben zu finden, wo er vom zaSegeuwv rabes spricht, dessen Berührung auch Priester und Priesterinnen nicht verunreinige. Was er dort von den in der Prüfung bewährten Führern seines Staats sagt, ist nach Analogie der als Wohlthäter des Vaterlandes öffentlich bestatteten Kämpfer geschrieben. Auch diese sind nicht Schatten der Unterwelt, wie die Masse der Verstorbenen, nichtige und wesenlose Schatten, vor denen deshalb der in frischer Lebensfülle stehende Staat sich scheu zurückzieht, sondern es sind in Folge ihres Opfertodes für den Staat auch in der Unter- welt machtbesitzende, hülfesendende Dämonen; darum gebührt ihnen heroische Ehre. Diodor (p. 260) erwähnt ausdrücklich die jährlichen Fest- spiele zu ihrem Andenken, wie sie auch Platon für seine Helden verlangt; ihnen ziemt nicht Klage, sondern Preis und nacheiferndes Andenken, dessen öffentlicher Ausdruck Angelegenheit des Staats ist. Die Festrede selbst hat einen agonistischen Charakter; denn wenn auch nicht am Grabe selbst den Rednern Gelegenheit gegeben wurde, sich mit einander zu messen, so wurde die vergangene Zeit als der Proagon angesehen und dem nach Sinn und Ta- lent darin als Sieger Anerkanntem die Ehre der Leichenrede zuerkannt. Man vergleiche das Bruchstück aus dem Enkomion des Simonides auf die Helden von Thermopylai, das Dekret der Megalopolitaner zu Ehren des Philopoemen nach Keils Restitution, das der Syrakusaner zu Ehren des Ti- moleon und Anderes um sich näher zu überzeugen, wie die öffentlichen Grä- ber des Kerameikos, die nach platonischer Auffassung ‘reinen Gräber’ in einem besonderen Verhältnisse zu dem Staatsleben der Alten, und somit auch zu den öffentlichen Plätzen und Strafsen der Städte standen. Pausanias sagt ausdrücklich, es sei für alle in See- und Landschlach- ten Gefallenen ein Mnema gewesen. Dieser grofse Begräbnifsplatz zog sich eine weite Strecke hin und mufs einen grofsen Theil des Wegs zur Akademie begleitet haben. Neben demselben waren Räume für die Bundesgenossen der Stadt, welche mit den Bürgern für die gleiche Sache gefallen waren, sie hatten sich im Tode mit ihnen verbrüdert; aber dennoch wurde die Sonde- Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 269 rung nicht aufgehoben. Vor dem grofsen Mnema — also zwischen diesem und der Strafse — stand der Grabstein mit den zu Rofs kämpfenden Mela- nopos und Makartatos und daneben das gemeinsame Grab der Thessaler; so lagen hart am Wege die kretischen Bogenschützen, die Kleonäer, deren Namenreihe nach Böckhs wahrscheinlicher Vermuthung in einem Bruch- stücke (n. 166) erhalten ist, in argivischem Dialekte nicht nur, sondern — merkwürdig genug — auch in argivischen Schrifizügen geschrieben. Das thessalısche Grab war durch das Relief der beiden Reiterführer ausgezeichnet; dies Denkmal hiefs im Munde des Volks ‘die Reiter’. Dies schliefse ich aus Philostratus (Leben der Sophisten p. 251 Kayser): rugnrIev &s ro ruv reyyırav BovAsurngiov 0 dM Wrodeunran Maga Tas TeU Kegausızcu MUAas cÜ megpw ray Irrewv — man hat dies auf die rıraıIrr «des bezogen (Raoul Rochette Topogr. d’Ath. p. 28), aber ohne alle Wahrscheinlichkeit. Wie hier das Reitergrab zur Bezeichnung des Versammlungshauses der in dieser Vorstadt zahlreich wohnenden Künstler*diente, so benutzte man nicht selten ausge- zeichnete Grabmäler als Wegestationen; so das Mal des Brasidas halbwegs zwischen Kos und Haleis bei Theoerit VII 70 mit der Nachahmung bei Vergil in den Eklogen IX 59: hinc adeo media est nobis via; namque sepulcrum incipit apparere Bianoris. Eine besondere Bedeutung endlich hatte der Grabplatz unmittelbar am Thore der Stadt, wo die verschiednen Wege von aufsen zusammentrafen und die belebtesten Verkehrsplätze bildeten. Daher die besondere Ehre des Thorgrabes; so ruhte über dem Hauptthore Babels die Königin Nitokris nach Herodot 1181. Vergl. C. I. 1722: oyu« Nawcs maga raisı muRaısıv und das Heroon des lykischen Nauarchen Aichmon vor dem Thore der Xanthier C. 1. 4269°°. Es verband sich damit auch die besondere Vorstellung dämo- nischer Kräfte, welche zum Heile der Stadt in den Gräbern der Heroen ruh- ten und die nirgends wichtiger erschienen als an der Schwelle des Stadtthors. Wenn also die Athener ihren Herold Anthemokritos unmittelbar vor dem Dipylon bestatteten, so erkannten sie dadurch nicht nur dem im Staatsdienste gefallenen Gesandten die höchste Ehre zu, sondern sie gewannen auch in seinen Gebeinen ein Palladium des Thors und rechneten für den Fall eines Angriffs auf die zürnenden Manen des wider Völkerrecht Erschlagenen. So hatten die Athener vor dem piräischen Thore das Heroon des Chalkodon, vor dem phalerischen das Grab der Antiope. So hatten die Thebäer in den 2370 CUrRTIUs: Gräbern des Amphion und Zethos, im ogygischen Hügel u. a. einen Gürtel schützender Palladien um ihre Mauern; so ruhten Neleus und Androklos vor den Hauptihoren der Milesier und Ephesier (Paus. VII 2). Die Überreste des Aitolos, des Sohnes des Oxylos, befahl das Orakel weder innerhalb noch aufserhalb der Stadt Elis zu begraben und wies ihm dadurch als einem schützenden Stadthorte seinen Platz unter der Schwelle des Thors an. Denn dafs man bei dem Thore nicht blofs an die Pfeiler und die obere Bedeckung dachte, sondern vorzugsweise an die Schwelle, zeigt sich recht deutlich in dem Ausdrucke: rareiv ruras. Ein Grab mgor Se zuAys erwähnte die syrische Inschrift im Corpus Inser. gr. III n. 4563. So lagen die Gräber, die dem Staate die theuersten und wichtigsten waren, da sie innerhalb der Stadt nicht sein durften, doch an den Haupt- und Thorstrafsen möglichst nahe. Es fragt sich ob der Zugang zu denselben, d.h. der feierliche Zugang, durch ein besonderes Thor stattgefunden habe. Ein solches anzunehmen veranlafst der Name nguaı rUAcı mit den Erklärun- gen der Alten (Etym. M. v.’Hgia). Doch läfst sich nur so viel mit Sicherheit aussprechen, dafs ein so genanntes Thor kein gewöhnliches Stadtthor wie alle anderen gewesen sein kann, obwohl alle Topographen Athens es dafür an- gesehen haben, namentlich Raoul Rochette und Rofs, der es zwischen Museion und Pnyx ansetzt (Theseion. Vorwort p. XIV). Die ganze Einrichtung der Gräberstrafsen und der mit Grabplätzen an- gefüllten Vorstädte beruhte auf dem Grundsatze der Absonderung der Todten aus der Mitte der Lebenden; ein Grundsatz, der nicht verwirklicht werden konnte, so lange es kein drinnen und draufsen gab. Es ist aber auch dieser Grundsatz nur aus städtischen Polizeirücksichten hervorgegangen; denn dafs er nicht auf ursprünglichen Satzungen des hellenischen Volks beruhte, er- kennen wir daraus, dafs nach ältester Überlieferung (Plato Minos p. 315) die Todten im eigenen Hause begraben wurden, wie es die megarische Frau mit der Asche des Phokion machte. So uralt auch bei allen Völkern des Alter- thums die Vorstellung des die Wohnung des Lebenden verunreinigenden Todes ist, so zeigen sich dennoch überall Überreste jener ältesten Sitte. Auch in Ägypten finden wir zwei widerstreitende Prinzipien, das Zurück- behalten der Mumien im Familienhause und das Aussondern der Leichen jenseits des Flusses. In griechischen Städten zeugen für den älteren Brauch die Marktgräber der königlichen Gründer, denn sie waren ursprünglich vor Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 274 ihren Wohnungen begraben, wie auch die Tarentiner vor ihren Häusern den gefallenen Mitbürgern Grabsäulen aufgerichtet hatten. Auch sieht man in vielen Stadträumen Gräber und Wohnungen durch einander, wie Barth (S. 446) es in Kyrene fand; dasselbe findet sich an den Westabhängen des Museion und des sogenannten Pnyxhügels. In jüngeren Städten bezeichnen Gräber die Stadtgränze; z.B. in Städten wie Seleukeia, wo die Geschichte des allmählichen Anwachsens nicht überliefert ist, sehen wir daraus, dafs die obere Stadt die ältere ist, während Holt Yates die Hafenstadt dafür hält. Siehe Ritter's Erdkunde XVII S. 1264. Wo sich, wie in Sparta, ein schar- fer Gegensatz zwischen Stadt und Land nie ausbildete, blieb es bei der ur- sprünglichen Grabsitte.. Wo aber der Gegensatz eintrat, da wurden auch der Kunst des Wegebaus neue Aufgaben gestellt. Die ländlichen Wege führten bis zur Agora, dem rorcs eurvvayuyos am Fufse der Herrenburg, wo sie sich nach den natürlichen Bedingungen des Bodens aus den verschiedenen Gegenden vereinigten. Je mehr diese Agora der Markt des Landes wurde, um so mehr zogen aus allen Gauen die rührig- sten Leute heran; es bildete sich um den Mittelpunkt des Verkehrs eine neue Art des Lebens und Wohnens und die hier anwachsende Bevölkerung wufste nach und nach die Ansprüche geltend zu machen, vor allen anderen Gauen das Ganze zu vertreten und der Landschaft Centrum zu sein. So vollzog sich der Synoikismos, wo er das Ergebnifs einer natürlichen Entwickelung war und wenn die Polis einmal anerkannt war als das Herz der Landschaft, als der eigentliche Sıtz des Lebens, so bedurfte sie auch einer besonderen Sicherung. Die Ringmauer der Stadt, welche zugleich der Landschaft Unabhän- gigkeit verbürgte, veränderte die Richtung der ursprünglichen Wege nicht. Diese war durch die Tradition gegeben, durch Bauten und Stationen unab- änderlich bestimmt. Wie die Wege den natürlichen Senkungen des Terrains folgten, so standen auch die Thore in denselben, in den Einsattelungen zwi- schen den Stadthügeln. So bedurfte es keiner gewaltsamen Eingriffe; aber dennoch erwuchsen der praktischen Baukunst auch in Beziehung auf die Ein- richtung der Wege eine Reihe neuer Aufgaben, welche im Laufe von Jahr- hunderten erst ibre nothdürftige, dann ihre künstlerische Erledigung fand. Die Griechen betrachteten die städtische Anlage wie eine Kunst; jede Kunst hat ihren Erfinder, jede wichtigere Erfindung ihre Mythologie. Der 372 Cvurrtıvs: Sitz dieser Mythen ist vor allen das böotische Theben, das älteste Beispiel einer städtischen Ummauerung. Nonnos und Lykophron gefallen sich darin, die sauberen Stralsenanlagen der Brüder Amphion und Zethos in den ge- wähltesten Redensarten auszudrücken, in denen sich die ungemeine Fülle alexandrinischer Kunstausdrücke für städtische Einrichtungen entfaltet. Die einfache Sage der Böotier bezeichnet in den Werken des Brüderpaars einen bestimmten Fortschritt der Civilisation. Der Mauerbau und der Berghäup- ter einthorige Umwallung ist vorzug 5 rohesten Anfänge am Abhange des Lykeion, ihre Vollendung im kyklopischen sweise im Peloponnese zu Hause ; ihre Argos. Mehrthorige Umwallungen aber, welche Absonderung und Verkehr, Zwang die Alexandriner, mit dem Namen spielend, als das Urbild aller von gerad- und Freiheit verbinden, sah man zuerst in Böotien; in Eutresis, das linigten Strafsen durchzogenen Städte darstellten und Theben. Die Söhne der Antiope verhalten sich zu Kadmos, wie die Pelopiden zum Stamme des Ina- chos; sie bezeichnen eine neue Stufe des bürgerlichen Lebens. Sie stehen den Pelopiden nicht nur parallel. sie sind ihnen auch gleichartig und verwandt. Alkathoos ist der Amphion von Megara; Niobe verknüpft die beiden mythi- schen Dynastien und die Leier, das Symbol der höheren Geistesceultur, weist mit ihren Iydischen Klängen deutlich nach Kleinasien hinüber (Welcker Kret. Kolonie S. 84), während Nonnus V. 51. p. 142 schreibt, die aonische Stadt sei durch tyrische Kunst geschmückt worden, indem er schon an die kadmische Einwanderung anknüpft, was die Sage in ihrer gewöhnlicheren Form jüngeren Heroen vorbehält, aber auch hier nicht nur heroische Kraft, sondern auch die Einwirkung einer fremdländischen älteren Cultur anerken- nend. Merkwürdig ist es, dafs auch die italische Überlieferung nicht blofs die Bahnung des Landes, sondern auch die städtischen Einrichtungen Hercu- les zuschreibt, dem Vertreter der phönizischen Oultur. Als seine Begleiter kommen die stadtgründenden und strafsenordnenden Argeer nach Latium und mit demselben Hercules ist Carmentis verbunden, deren Name nach Analogie von decermen von carpere hergeleitet wird. Siehe Pfund Altita- lische Rechtsalterthümer S. 38. Ihr ist das carpentum heilig, der hölzerne Wagen, auf dem sie durch das Land fuhr. Sie erscheint als Wegegottheit in einem Sinne, wie ihn nur die italischen Religionen darbieten. (') (') Die Griechen haben den Weg nıe in abstracto aufgefalst, sondern nur in Beziehung zum Menschen; daher sind alle Götter des Wegs Götter der Wanderer und deshalb nehmen Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 273 Die Mehrzahl der Thore bezeichnet die Eigenthümlichkeit der Stadt im Gegensatze zur einthorigen Burg; der Thore Menge ist der Ruhm der Stadt, so wird &zareururos zum poetischen Beiworte, das in den triopeischen Inschriften Rom gegeben wird (C. I. HI p. 919). Die Stadtthore, welche die durch den Mauerring zerschnittenen Stücke der Landwege mit einander verbinden und ihre Einheit wieder herstellen sollen, bilden die schwierigsten Aufgaben der neuen Kunst. Daher heifst der ganze Mauerkreis ein ‘Zaun eherner Thore bei Euenos (Bergk Poetae Iyrici gr. p. 478). Die Thorwege sind es, an welchen sich die Befestigungs- wie die Belagerungskunst der Grie- chen ausgebildet hat. Um die feindliche Truppe beim Angriffe in eine mög- lichst ungünstige Lage zu bringen, liefs man zur Rechten des Einganges Mauerecken gegen den Thorweg vorspringen. Aus diesen Ecken und Vor- sprüngen — ywvieruor — sind die Mauerthürme erwachsen; denn dafs diese nur für die Thore und neben den Thoren entstanden sind, geht schon daraus hervor, dafs mupyos und #v2y in so weit gleichbedeutend sind, dafs man die Städte nach der Anzahl der Thürme wie nach der der Thore benannte; z. B. Emramupyos worıs Phoen. 287 Erramugyor megı@cra 1078; man konnte sogar sagen: xAsieıy xeAeuw Favra mugyov &v zunAw. Bei der Durchwanderung helle- nischer Städteruinen älterer Epoche dienen deshalb die Mauerecken und die Thürme als Kennzeichen alter Thorgänge. Durch die Thürme werden die Stellen, welche eigentlich die schwachen Punkte des Mauerrings sind, die durch Festigkeit ausgezeichneten, die Hauptstützen der Widerstandsfähigkeit; daher wurcw portis munire Xen. Hellen. V 4, 34. Arist. Vögel 1158. Vgl. arvAwrev vroua bei Aristophanes und Ähnliches. So wird dann das Thor selbst das Symbol städtischer Macht und Herrlichkeit; eine besonders in der sie das Mafs des Wegs immer von dem wandernden Menschen. — Es ist der Mühe werth, die grolse Feinheit und Anmuth der griechischen Partieipialwendungen zu beachten, mit denen sie, diesem Grundsatze gemäls, die Abschnitte des Wegs bezeichnen; oft bedarf es der genausten Ortsanschauung, um die Wahrheit des grammatischen Ausdrucks zu erken- nen. Als ein Beispiel führe ich nur Xenoph. Hellenica II 4 an: zur« rrv eis rov Ileıpaıa duakırov avapsgovrev; hier wird ganz genau der letzte Theil des Wegs bestimmt, wo er sich zu den auf einem kleinen Höhenrücken stehenden Mauern hinaufzieht. Ebenso wird durch «322% >o0sı — eirioüse — eireAYoüsı eine bestimmte Folge von Räumlichkeiten (Te- menos, Pronaos, Naos) bezeichnet, ohne dals die Sprache gezwungen ist, sich abstracter Ausdrücke zu bedienen. Vgl. Pausanias II 10, 2. Philos.- histor. Kl. 1854. Mm 274 Cuxrrıvs: Sprache des semitischen Orients einheimische Anschauungsweise (siehe Psalm 87, 2. Jesaias 3, 26. Genesis 22, 17), die in dem neutestamentlichen Ausdrucke: ruraı Aldov ed zarıryurovsw durfs (Math. XVI 18) am deutlich- sten hervortritt. Die auf griechischen Monumenten vorkommenden Flügel- thüren — die denkwürdigste befindet sich an der delphischen Gräberstrafse — bezeichnen ebenfalls die Macht des Hades, des Eurypylos, der alles in sein weites Thor hereinzieht und nichts zurückläfst. In der Anlage der Thorwege herrscht eine sehr merkwürdige Über- einstimmung zwischen den Städten Kleinasiens Griechenlands und Italiens; überall biegen die Eingänge, die zu den alten Festen hinanführen, links ab, um die unbedeckte, die Lanzenseite der Angreifenden möglichst lange den Geschossen der städtischen Besatzung (dem dxgoßorruss EE Uregdsfiev Arrian. I, 21) ausgesetzt zu erhalten; darnach lehrt Vitruvius: portarum itinera non sint directa, sed scaeva und merkwürdig ist es doch, dafs das älteste unter allen bekannten Stadtthoren der klassischen Welt den des ‘'Linksthors’ rzaı«ı rUrcı trägt. (Müller Gött. Gel. Anz. 1836 p. 273. Abeken Mittel- Italien S. 160). In Mykenai ist das Mauerstück, welches das Thor zu einem Links- thore macht, erst später angebaut; hier ist also das ganze Princip augenschein- lich erst nachträglich zur Anwendung gebracht worden. Späterhin ist es nicht wieder aufgegeben und in der Zeit des Epaminondas baute man, wie Mantineia zeigt, die itinera scaeva in Form enger, winklichter, lang gezoge- ner Gänge. Wo sich Gelegenheit darbot, benutzte man natürliche Engwege vor der Stadt, um feindlichen Truppen die Annäherung zu erschweren. Dies System der Befestigung zeigt sich nirgends deutlicher als bei Termessos der alten Felsenburg, welche die Pässe der Milyas nach Pamphylien hütete. Ehe man vom Gebirge her an das Thor kam, mufsten verschiedene ver- mauerte Wegeengen einzeln erstürmt werden. Die Beschaffenheit und die historische Bedeutung dieser termessischen Pässe hat Schönborn in seinen “Bemerkungen über den Zug Alexanders durch Lycien und Pamphylien’ trefflich erörtert. Ahnlich sind die Wegsperren im Tschandirthale, die der lycischen Stadt bei Giöldschik (Schönborn S. 12) angehören. Auch legte man gerne Thore an die Steilseite von Felsen, welche zur Rechten hoch überragten; so das sogenannte Antiocheiathor in Seleukeia. Siehe Ritters Erdkunde XVH p. 1249. Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 375 Aus den rechts vorspringenden Mauerecken entwickelten sich die Thürme als besondere Bauglieder; sie finden sich auch aufserhalb der Ring- mauern bei einzelnen Pafsbefestigungen, wie bei den Vorwerken jener von Schönborn besuchten lyeischen Stadt. Hier bildet der wohl erhaltene Thurm ein zweites Stockwerk, das in ansehnlicher Höhe weit vorspringt, um das Ersteigen zu erschweren und den Weg besser zu beherrschen. Aufserdem springt an dem Thurme eine neue Mauerecke vor, die einen hohen Balkon bildete, von dem aus die das Thor Angreifenden von der Seite und halb im Rücken angegriffen werden konnten. Siehe Schönborn S. 12 und über die Vorwerke von Kretopolis S. 19. Die ursprünglich nur zu den Thoren ge- hörigen Thürme wurden später im Umkreise der Ringmauer in gewissen Ab- ständen, die man nach der Bogenschufsweite bestimmte, wiederholt; auch bei den Thoren machte sich ein Trieb nach äufserlicher Symmetrie, der den Griechen ursprünglich fremd war, geltend, indem man einen zweiten links gelegenen Thurm errichtete. ‘So eutstanden die den Thorweg einfassenden Doppelthürme; so werden in Olbia die ruoya zara ryv duafırev, die muoyoı duboregar mg05 Tais ueyaraıs rurcıs erwähnt. C. I. n. 2058 B, 44. Nach Beschaffenheit der Thorwege unterscheiden sich die Ausgänge der alten Städte sehr bestimmt in Haupt- und Nebenthore und wiederum in Thore und Pforten (rvArdes). Der letztere Name bezeichnet die Ausgänge, welche durch die Stadtmauer an den Hafenquai führen und den Aadgaı, den See- oder Flufsgäfschen entsprechen; so die zuAiöes in Babylon (Her. I, 180), in Eleusis (Xen. Hell. II 4), in Torone, wo bei dem dadüvar dia red wgcs re meraycs rerysus Thuk. IV 110 natürlich solche Pforten vorauszusetzen sind. Haupt- und Nebenthore unterscheiden sich nach der Wichtigkeit der Thorstrafsen. So hatte das siebenthorige Theben nur drei Haupithore, das elektrische Thor, das nach Plataiai führte, das prötidische nach Chalkis, das neitische nach Thespiai, dieselben welche die Heroensage durch hervorra- gende Kampfscenen auszeichnete. Die Griechen liebten es, verschiedene Wege, so weit es ohne gewalt- same Umgestaltung und Verletzung der überall gesetzgebenden Bodenver- hältnisse geschehen konnte, vor einem Thore zu vereinigen oder vielmehr sie legten das Thor in den Vereinigungspunkt verschiedener Heerstrafsen. Wie Rom an seiner Ostmauer einst die Tiburtina, Pränestina und Labicana in einem Thore auffing, so trafen in der Niederung des Kerameikos die eleu- Mm? 276 Currtıvs: sinisch - megarische Strafse mit der grolsen Hafenstrafse sowie die Wege aus der Akademie und dem Kolonos zusammen. So vereinigten sich an der Westseite die Ausgangspunkte für alle wichtigsten Beziehungen des bürger- lichen wie des religiösen Lebens, während von innen die Haupt- und Markt- strafse der Stadt mündete. Das ganze Treiben der Menschen concentrirte sich hier. So wurde in den Städten Griechenlands von allen Thoren eines das Hauptthor, die veyaruı rvRaı C.1 Ip. 122, 45; ai narırra Aewpego: muRaı wie Herodot sagt. So hatten die Mantineer ihre beiden Hauptstrafsen, die nach Argos und Tegea, vor ihrem Südthore vereinigt und nannten die vereinigte Strafse Zevis odes als die vorzugsweise von aus- und eingehenden Fremden besuchte (Polyb. XI, 11); in ähnlicher Weise wird auch Zevixn oöcs bei Plut. Thes. 18 als Bezeichnung einer Hauptstrafse gebraucht. Die Xenis der Mantineer führte zugleich zu dem ehrwürdigsten ihrer Heiligthümer, dem Poseidion hinaus. Die wichtigste Seite der Stadt betrachtete man als ihre Vorderseite; daher sagt Livius vom Dipylon, es sei in ore urbis gelegen und ein solches Vorderthor wurde seiner Bedeutung gemäfs ausgestattet. Es lag hierin eine feine Symbolik. So wurde in Messene, dessen Mauern zu den durchdach- testen, den am besten ausgeführten und erhaltenen Werken der alten Befe- stigungskunst gehören, das Nordthor vor allen anderen auf das unzweideu- tigste ausgezeichnet. Es war das Thor nach Megalopolis und es lag im Sinne der thebanischen Politik, die neugeschaffene Stadt auf den engen An- schlufs an Arkadien hinzuweisen, das wie Polybios sagt der Messenier zwei- tes Vaterland war. So mufsten in Athen alle Thore verschwinden gegen das Doppelthor des Kerameikos, das nach des Livius Zeugnifs um ein Be- deutendes breiter war, als die übrigen und wie man auch heutzutage, so weit es die Eisenbahnen erlauben, eine ansehnliche Stadt, die man zum ersten Male aufsucht, am liebsten von der Seite betritt, wo sie dem Fremden sich am würdigsten darstellt und gleichsam ihr Angesicht zuwendet — so gingen auch einst die Fremden durch Kerameikos und Dıpylon in die Stadt der Athener. Wenn also Pausanias vom Phaleros her bis an das itonische Thor hinan — aber nicht hineingehet, sondern an demselben umkehrt, um durch ein anderes Thor seine Stadtwanderung zu beginnen, so kann vernünftiger Weise kein anderer Grund dieser periegetischen Seltsamkeit gedacht werden, als dafs er — wir wissen ja, welchen Werth überall die Alten auf einen rich- Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. I tig gewählten Anfang legten — die berühmte Stadt von ihrer eigentlichen Schwelle betreten wollte. Das ist die wichtigste Thatsache der Topographie Athens und weil man diese Thatsache, die Otfried Müller's helles Auge klar erkannte, neuerdings wiederum verkannt hat, so ist dieser wichtige Zweig hellenischer Alterthumskunde in neue Verwirrung gerathen und in Folge dessen ein wahres Zerrbild Athens als Plan der Stadt in Umlauf gesetzt worden. Wie bei den neuern Städten des Morgenlandes, so fehlte auch bei den alten der Brunnen vor den Thoren nicht. So sehen wir den Bauer des Babrios (Fab. 2), der zum Prozessiren in die Stadt kommt, vor derselben Halt machen, auf dem Brunnenrande niedersitzen, sein Gepäck ablegen und die staubigen Füfse sich abwaschen. Da die Stadtthore immer in den Sen- kungen standen, so traf ihre Lage mit den natürlichen Wassersammlungen zusammen; daher heilst es vom thebischen Brunnenthore, es sei &v 7 Argzr gelegen (Schol. Eur. Phoen. 1223). So sprudelten vor dem skäischen Thore die beiden Quellen des Simoeis, die eine mit dem uralten Wasserbehälter, der den Troerinnen zur Wäsche diente (rAuvei eigess I. X 153). Man öffnete die Stadtmauer der natürlichen Quelle gegenüber, oder man leitete das Quell- wasser an die Strafse; in beiden Fällen richtete man zur Benutzung einen Laufbrunnen (rzenvn) ein und versäumte nicht, den Urhebern dieser Wohlthat durch Heroa oder Nymphäen Dank abzustatten. Von der nahen Quelle nannte man das Thor; so hiefs die thebäische Stadtpforte Krenaia (oder Kre- naie wie auf der berliner Kadmosvase geschrieben ist), wie jetzt die entspre- chende Quelle Thebens agareorı heilst und an der Ostmauer Athens, der stilleren und deshalb von Sokrates und seinen Freunden geliebten Stadtseite kennen wir durch Platon’s Lysis die nach dem Panopsbrunnen genannte Pforte. In der nächsten Nachbarschaft war das Thor des Diochares das zum Lykeion führte. An diesen Weg hatten die Athener die als Bergwasser aufgefangene Tlissosquelle hingeleitet, welche einst mit voller und frischer Fluth ihren Wasserbehälter füllte. Strab. 397. Man hat die Meinung aufgestellt, dieser Brunnen sei der Panopsbrunnen und beide Thore eins — das ist aber schon deshalb nicht möglich, weil das eine nur eine Pforte in der Stadtmauer war, das andere ein Thor mit breiter Thorstrafse (Xen. Hellen. II, 4, 27), die von Hallen eingefafst, nach dem grofsen Heiligthume des Iykischen Apollon und weiter nach dem östlichen Theile von Attika führte; es war das Haupt- thor im Osten. Das Epigramm auf die samische Wasserleitung C. I. 2257 978 Currıuvs: fordert die Wanderer auf den Urheber des Werks zu preisen, welcher das Quellwasser an die Strafse geleitet habe. Man hat wohl Bedenken getragen, die wichtigsten Quellen eines Stadtgebiets vor den Thoren anzusetzen und hat sogar die östlichen Mauern Athens nach dem Gesichtspunkte bestimmt, dafs doch die Kalirrhoe inner- halb liegen müsse. Wie sehr dies aber der Analogie widerstreite, beweisen — um nur einzelne der bekanntesten Beispiele anzufübren — die Lymax- quellen vor Phigalia, die Dionysosquelle bei Kyparissiai, die Stazusa bei Sikyon, die Gargaphia bei Plataiai und endlich der heilige Quellborn Kyrene’s. (Barth S. 412). Um den Ausschlufs einer Stadtquelle wie der Kalirrhoe we- niger auffallend zu finden, bedenke man zweierlei; erstens waren die helle- nischen Städte, wenn man sie ummauerte, in der Regel schon so ausgedehnt und dicht bewohnt, dafs anstatt der ursprünglichen Nährerin der Stadt Ci- sternen und Wasserleitungen längst für das Bedürfnifs der Einwohner sorg- ten und zweitens hatte es nach der Weise des antiken Mauerbaus, der den natürlichen Höhenzügen und Rändern des Terrains zu folgen pflegte, in der Regel grofse Schwierigkeit, die an den Abhängen der Stadthöhen liegenden Quellen einzuschliefsen. Nicht nur zum Trinken, sondern auch zum Baden wurde vor den Stadtthoren Gelegenheit geboten; so gab es neben der Bildsäule des Anthe- mokritos vor dem thriasischen Thore ein bekanntes Badehaus (Baravsiov 70 mag "AvSeuoxgirov ävögıcvra Isaios bei Harpocration s. ’AvS.) Natürlich rich- tete man in der Nähe auch Steinsitze ein, wie sie in Halbkreisform vor dem herkulanischen Thore bei Pompeji erhalten sind, Ruheplätze, welche dem ankommenden Wanderer, um sich vor dem Eintritte in die Stadt abzukühlen und zu erholen, eben so erwünscht waren, wie für die Bürger, die sich zum Gespräche Abends vor das Thor setzten. Vor den Thoren Pompejis stan- den auch Wegsteine, wie der viereckige Cippus vor der poria Stabiana mit der oskischen Inschrift; vgl. Kirchhoff Allg. Monatsschrift 1852 S. 589. Stier Pompeji S. 21. Es ist möglich, dafs auch der Stein C. I. 525 mit der Bezeichnung der Entfernung des Peiraieus am Anfang der piräischen Heer- strafse hart am Wege stand. Die Art und Weise, wie das Thor die Landstrafse aufnahm, Form und Einrichtung desselben mufsten nach Zeit- und Raumverhältnissen sehr verschieden sein. Ursprünglich nur eine in der Ringmauer ausgesparte Zur Geschichte des W egebaus bei den Griechen. 279 Öffnung, oder eine einfache von drei Steinen eingefafste Thüre, wie die kleine Pforte von Mykenai, wurde das Stadtthor später eine eigene, selbständige Bauanlage (rVAwue) und es entwickelte sich unter Einflufs des hellenischen Grundsatzes, dafs jedes beginnende Werk ein glänzendes Antlitz tragen müsse, eine mannigfaltige Thorarchitektur. Es fehlt sehr an Denkmälern, um die Entwickelung der Baukunst auf diesem Felde in ihren Stufen zu verfolgen. Wie man aber von der ersten ängstlichen Weise, den«schmalen Thorweg durch mehrere, von beiden Sei- ten gleichmäfsig vorspringende Steinlagen — am deutlichsten sieht man es in Phigalia — zu überdecken allmählich zu einer freieren Construktion fort- schritt, indem diese Steinlagen zu Kragsteinen wurden, welche auf den Seitenpfosten ruhend mit breiter Fläche den mächtigen Thorstein tragen hel- fen, das bezeugt ein wenig gekanntes Denkmal hellenischer Baukunst, das Stadtthor von Abai. Zugleich gab der Umstand, dafs man die Mitte des Thorsturzes oben von schweren Baustücken frei halten mufste, Anlafs diese Mauerlücke durch eine Steinplatte zu verkleiden, welche mit Relief ge- schmückt, das Thor als solches charakterisirte und zugleich den göttlichen Schutz nebst menschlicher Herrschaft in einfachen Symbolen zu erkennen gab. So das Burgihor der Atriden. Ähnliche Bedeutung hat die über den Thorwegen von Mylasa eingehauene Doppelaxt (A«@gvs), das Symbol des Zeus Labraundes oder Stratios, des Schutzgottes der Karier. Siehe Fellows Lycia p. 75 C. I. Gr. IIn. 2750. | Die ansehnlichsten und besterhaltenen hellenischen Stadtthore, die in Assos und in Messene sind nur Festungsthore; das letztere zu einem umfang- reichen Gebäude erweitert, dessen innerer Hof vor Allem den Zweck eines militärischen Sammelplatzes erfüllen sollte. Wir betrachten die Thore hier nur in Beziehung auf die Thorwege und deren Benutzung sowohl im täg- lichen Leben als auch bei religiösen Feierlichkeiten. Bei solchen Thoren, von denen verschiedene Landstrafsen ausgingen, war es zweckmälsig, dafs diese Wege schon in verschiedenen Thorgängen ihren Anfang nahmen; bei allen belebten Thoren aber wünschenswerth, dafs sie den Ein- und Ausgehenden besondere Gänge darböten. Aus diesem Be- dürfnisse entstanden die Doppelthore, wie wir sie in Rom mit den bei- den fornices kennen; über die Benutzung derselben aber belehren uns die der poria Carmentalis anhaftenden Überlieferungen. Man hat bei Festus 280 CurTıvs: (p. 255 Müller) mit Recht darin ein Misverständnifs erkannt, dafs er von der ganzen Carmentalis, einem der belebtesten Stadtihore Roms aussage, was nur von dem einen Thorgange Gültigkeit habe; man hat aber zugleich das Richtige und Genaue in der Angabe des Festus übersehen. Nämlich wenn er sagt: religioni est quibusdam porta Carmentali egredi, quod ea egressi Fabü apud Cremeram omnes interfecti sunt — so liegt auf dem Hinausgehen der ganze Nachdruck und ebenso bezeichnet das re per hanc noli' das Gehen von der Stadt aus. Nach dem Untergange der Fabier suchte man in ihren letzten gemeinsamen Handlungen und Erlebnissen solche Thatsachen aufzufinden, durch welche sich das aufserordentliche Unglück gleichsam motiviren lasse. Dabei fand man zweierlei, vor dessen Nachahmung man sich geflissentlich hütete; erstens die vor ihrem Auszuge an ungewöhnlichem Orte vor der Stadt gehaltene Senatsversammlung in aede Iani, zweitens die Art ihres Aus- zugs; auch hier mufs ein Verstofs gegen die Sitte vorgekommen sein, sonst würde man ihn nicht mit ihrem Untergange in Verbindung gesetzt haben. Sie waren aber zum rechten Thorwege hinausgegangen ; es war also herge- brachte Ordnung, bei allen Doppelthoren (wie es noch jetzt in Beziehung auf Fuhrwerk allgemeine Sitte zu sein pflegt) sich beim Ein- und Ausgehen links zu halten. Deshalb war der Janus dexier für die Hinausgehenden eine via infelix und die Fabiersage diente dazu, die polizeiche Ordnung bei den Thorgängen einzuschärfen. Auch der Trauerzug, welcher eine verurtheilte Vestalin geleitete, richtete sich auf den rechts gelegenen Durchgang der porta Collina (Livius VIII 15). Es gab auch Stadtpforten, welche zu un- heimlichem Dienste bestimmt waren, zum Ausstolsen des Unsaubern und Unheiligen, der Verbrecher und Sühnopfer: TUR amohgwöss zal FruSpwral, die nie zu einem religiösen Zwecke benutzt werden durften (Plut. Moral.518 B); andrerseits wieder Prozessionsthore, welche niemals durch Unheiliges und auf den Tod Bezügliches entweiht werden durften. Deshalb war es schon eine Heroenehre, die dem Augustus erwiesen wurde, indem seine Leiche auf Senatsbeschlufs durch die porta iriumphalis getragen wurde (Tac. Annal. 1 8), wie auch in neuern Hauptstädten gewisse Prachthore für keine anderen Leichenzüge, als fürstliche, benutzt werden dürfen. Ob der griechische Ausdruck öiruAcv dem römischen Doppelthore mit dem fornix dexter et sinister entspreche oder ob darunter ein Thor wie das messenische mit zwei einander gegenüberliegenden Eingängen verstanden Zur Geschichte des W egebaus bei den Griechen. 281 werden, wofür die Analogie von rergarurcv sprechen würde, wo bei vier Thoren nur zwei Thorwege sind, läfst sich schwer entscheiden; es ist auch möglich, dafs die Terminologie keine so fest ausgeprägte war. Gewifs aber ist, dafs dieser Ausdruck auch auf solche Gebäude pafst, wo jedes der beiden Thore ein dreifach gegliedertes ist, ein rgiruAov wie das pompejanische, des- sen mittlerer Durgang für Wagen und Reiter bestimmt war. Diese TOIMUAG, welche im C. I. 3449 und 3450 erwähnt werden und den portae trigeminae entsprechen, bildeten die gewöhnlichste Form der ansehnlicheren Stadtthore. Bekannt ist das Tripylon in Halikarnassos (Arrian. I, 22), vielleicht dasselbe wie das Thor nach Myndos, das in Patara wohlerhaltene Dreithor u. s. w. Es ist mir sehr wahrscheinlich, dafs das berühmteste aller Dipyla der alten Welt seinen Namen hatte von den zwei breiten und in sich wieder mehrfach gegliederten Thorgängen, die sich neben einander einerseits nach der Hafenstrafse, andrerseits nach Eleusis öffneten. Es wird immer nur von einem Thore gesprochen, das die beiden zerschnittenen Hälften des Kera- meikos verband, am deutlichsten bei Plutarch Sulla XIV: ravra röy Eures rov Arzvrcu Kegaueınev. Dipylon ist also der Name für das ganze Gebäude, das nach Livius besonders grofs und breit angelegt war nach Mafsgabe der brei- ten Thorstrafsen innerhalb und aufserhalb der Stadt; ebenso der Name Kepa- neiral muraı. Einzeln genommen aber hiefs das eine Thor, das südwestliche n Heıgaizn zUAn, das andere «i Ogarıcı zuraı; vielleichst bestand dies Thor, wie der Plural andeutet, wiederum aus zwei Thoren, von denen das eine die nur für den religiösen Dienst bestimmte iega urn war. Zwischen diesem und dem piräischen Thore war nicht blofs ein trennender Pfeiler, sondern eine Mauer und dies Mauerstück liefs Sulla einreifsen. Denn was Sulla in wenig Nachtstunden dem Boden gleich machen liefs, so dafs Reiter und Fufs- volk um Mitternacht ohne Beschwer hindurch konnten, das kann doch un- möglich, wie alle Topographen Athens angenommen haben, ein langes Stück Ringmauer sein; Plutarch sagt ja aber mit grofser Bestimmtheit: ro uera£V rns Heipaixns mUANS Hal 795 iegas zararranas zal ruvouarivas — also die ganze Mauerstrecke rifs er nieder; zwischen beiden Thoren machte er ein drittes, ein neues Einzugsthor für sein Heer und dafs dieser Durchbruch in der Richtung der inneren Thorstrafse lag, geht daraus hervor, dafs Sulla sofort mit breiter Heeresfronte die Markistrafse hinaufrückte. Warum aber Sulla, nachdem die Stadt schon in seinen Händen war, die offenen Stadtthore verschmähte, Philos.- histor. Kl. 1854. Nn 282 CUrRTIUvs: um durch eine Bresche seinen blutigen Einzug zu halten — das kann ich mir nur aus der Deisidaimonie des Sulla erklären; er fürchtete die dämonischen Mächte, welche die Schwellen der Stadtthore Athens hüteten. Da nach der Akademie, so viel bekannt, kein besonderes Thor des Dipylon führte, so ist vorauszusetzen, dafs der breite dorthin und nach dem Kolonos gerichtete Weg aufserhalb des Dipylon von der heiligen Strafse ab- zweigte. Ob aber zu den öffentlichen Gräbern an dieser Strafse ein eigenes Gräberthor führte, mufs unentschieden bleiben. Seltsam ist es wenn Topo- graphen an der Anhäufung von Thornamen Anstofs nehmen oder wenn sie es sich gar zur Aufgabe machen, möglichst gleichmäfsig die überlieferten Thornamen auf den ganzen Mauerkreis zu vertheilen. Wie sehr nach Mafs- gabe der Frequenz sich Thorwege und Thorgänge an einem Punkte ver- vielfältigen konnten, beweist zum Beispiel das römische Zwölfthor. Bei den gröfseren Stadtthoren suchte man mit der militärischen Festig- keit die Rücksicht auf Würde und Schönheit zu verbinden, wie sie dem Ein- gange der Stadt und den religiösen Feierlichkeiten entsprachen. In welcher Weise die Griechen diese combinirte Aufgabe erledigten, ist leider aus kei- nem erhaltenen Denkmale deutlich zu erkennen. Besser ist man im Stande von den Thoren zu urtheilen, welche kei- nen militärischen Zweck hatten, sondern inmitten der Stadt befindlich, ohne eigentliche Festthore zu sein in dem Sinne wie die früher besprochenen, den- noch nur der festlichen Ausschmückung der Wege dienten. Wir müssen bedenken, dafs die heiligen Strafsen, von der Stadtmauer nur willkührlich zerschnitten, bis in die Mitte der Stadt sich fortsetzten;, daher wurde auch die Länge der Hauptstrafsen nicht vom Thore, sondern vom Markte a capite ‚fori gerechnet. Die Stadt durfte die Cultuswege nicht ausschliefsen; sie mufste nicht blofs der Regierung, sondern auch der Landesfeste und der Gottesdienste Mittelpunkt sein; sie mufste den heilsamen Prozessionen (den areEiußgoroi rouraı) weit geöffnet sein. Dafs in der That die Strafsen nicht nur des Landes sondern auch der Städte durch das Bedürfnifs des Cultus hervorgerufen worden sind, das beweisen die ältesten uns überlieferten Aus- drücke, welche von städtischer Strafsenordnung bei den Hellenen zeugen; ich meine die homerischen Wörter: EÜRUN‚Opos, naAAry,opes, dyvıal eupuy.opor, sügud- yvıos; ähnlich ist die Wendung: euguyugiev roeiv rw Ses (Bergk P. Lyr. p.1029) ‘weite Thore und breite Strafsen dem Gotte bereiten. Raum für die Chor- Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 283 züge ist erstes Erfordernifs; mannigfaltiger Schmuck kommt hinzu, den Göt- tern Ehre zu erweisen. Aus dem Morgenlande (Athenaeus XII 514) stammte die Sitte, mit Purpurteppichen die Wege zu bedecken (zedev zereu.Scv Frowvvuvar merasuarw-mogbupentgwros moges Aesch. Agam. 875; &v rorircs zarderı Balve 890 Herm.); eine Ehre, die der heimkehrende Agamemnon als eine Sterblichen nicht zukommende von sich ablehnt. Eine andere Art des Schmucks waren Kränze, welche an den Häusern aufgehängt, diese dem Gotte, dessen Fest gefeiert wurde, weiheten, gleichwie die bekränzten Wohnungen der Gelieb- ten dadurch als Erostempel bezeichnet wurden. Athenaeus p. 670. In die- sem Sinne steht repavevv ohne Objekt neben Svu@v und oivoy;ceiv bei Athen. VI p. 253 und so möchte auch wohl unter eusrepavcı ayvıa/ bei Pind. Pyth. II 58 die ‘mit Kränzen aufgezierten Prozessionsstrafsen der Syrakusaner zu verstehen sein, da sich das Beiwort im homerischen Sinne “wohl ummauert’ mit dem Plural rcAAai @yv:cı nur unbequem verbindet. Aufser Kränzen an Häusern und Statuen benutzte man Tische, Altäre, Weinkrüge, Fackeln zum festlichen Schmucke der Strafsen. Plut. Dion. 29: &xaregwSev maga rnv &dev rau Zupansuriwv iegeia zaı rgamelas zal zgarngas irtavruv. Vgl. Pausan. VII, 27, 3. Je näher dem Mittelpunkte, desto reicher wurde der Schmuck und wie in Rom die Aedilen seit den Samnitenkriegen die festliche Ausschmückung der Pompenstrafsen, vor Allem aber des Markts, quum tensae ducerentur, zu besorgen hatten (Liv. IX 40), so liebten auch die Hellenen besonders den letzten Theil des Festwegs auszuzeichnen, wo er den freien Raum des Markts erreichte und dadurch in ein neues Stadium eintrat; denn die Stadtmärkte sind nicht nur der Menschen, sondern auch der Götter feierliche Sammel- plätze, so viel ihrer auf der Burg, in der Stadt und den Gauen des Landes zu Hause sind; es sind Räume für die Gesammitfeste der Olympier, die eigentlichen Sitze des griechischen Polytheismus. Seit man nun den Stadtmarkt als eine künstlerische Anlage zu behan- deln anfing, als einen architektonischen Raum, der nicht mehr von den Stra- fsen durchschnitten wurde, sondern sie von sich aussonderte, erwuchsen aus den vergänglichen Gerüsten, mit denen man früher am Rande des Markts Kranzgewinde aufgehängt hatte, bleibende Denkmäler, Marktthore, welche von Marmor erbaut, die Festzüge in feierlicher Ordnung auf den öffentlichen Platz der Gemeinde zu führen bestimmt waren. Solche Einzugsthore lassen sich daher nur in den jüngeren Städten Griechenlands und Kleinasiens nach- Nn2 284 CurrTıuvs: weisen oder, wenn sie in alten Städten vorkommen, stammen sie aus keiner früheren als der macedonischen Zeit; es waren wie die Architektur zeigt, keine Luxusbauten, sondern heilige Gebäude, es waren den des Wegs kom- menden Göttern dargebrachte Huldigungen und Ehrengrüfse. Es wurden aber mit diesem Cultuszwecke andere verbunden, Sieges- erinnerungen und Ehrenbezeugungen, wie sie am Markte besonders wohl an- gebracht waren und wie sie immer häufiger wurden, seit man Menschliches und Göttliches gemein zu machen und auch den Grofsen der Erde Päane zu singen und Altäre anzuzünden begonnen hatte; das begann aber schon mit dem Ende des pelopomnesischen Kriegs. Plut. Lysandros c. 18. Ein wichtiges Beispiel solcher in einem Denkmale verbundenen Zwecke ist die Thorhalle der Athena Archegetis, von den früheren Topographen zwar voreilig das "Thor der neuen Agora’ genannt, aber sicherlich der Ein- gang zu einem grofsen, städtischen Platze. Das hatte Stuart richtig erkannt und seine vor 100 Jahren aufgestellte Beurtheilung des Gebäudes mufs ich für richtiger halten, als die neuerdings von Forchhammer und Rofs darüber veröffentlichten Ansichten. Denn wenn Ersterer (Topogr. v. Athen S. 57) sagt: "Kann etwas mit mehr Gewifsheit aus den Inschriften des Denkmals ge- folgert werden, als dafs jene Säulen mit ihren Architraven zu einem kleinen Tempel der Athena Archegetis gehörten‘ so sehe ich diese Folgerung durch nichts gerechtfertigt und wenn er fortfährt: “Weder Stuart noch irgend ein Anderer wäre auf den Einfall gekommen, diese Vorderseite eines Tempels für ein Thor zu halten’, so begreift man nicht, wie ein Thor zum Unter- schiede von einer Tempelhalle deutlicher charakterisirt werden sollte. Rofs (Theseion S. 41) sieht in demselben ein ‘sogenanntes Tetrakionion, eine Art viersäuliger offener Tempelchen, wie es zur Aufstellung von Stadtgottheiten in macedonischen Zeiten üblich war’ und glaubt, dafs das mittlere Inter- columnium keine andere Bedeutung hatte, als die im Innern aufgestellte Athenastatue und die zu ihren Seiten stehenden Statuen des L. Caesar und Augustus deutlich sehen zu lassen. Hiegegen ist zunächst zu erinnern, dafs des Lucius Cäsar Standbild auf der Höhe des Giebels stand, von einer Augustusstatue aber keine Rede ist. Zweitens, dafs Tetrakionion, über dessen Wesen auch Müller in seinen Untersuchungen über Antiochia sich nicht deutlich ausspricht, eine aedicula bezeichnet, deren Dach auf vier im Quadrate stehenden Säulen ruht, wäh- Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 285 rend das von Rofs zur Analogie benutzte Gebäude, das auf den antiocheni- schen Münzen in einer nichts weniger als zuverlässigen Darstellung zu sehen ist, mit seinen vier in einer Fronte stehenden Säulen vielmehr ein Tetra- stylon genannt werden müfste. Wenn das fragliche Gebäude in Athen ein Athenatempel wäre, so würde es bei gleichen Säulenweiten auf höherer Grundfläche mit drei Stufen aus der Umgegend sich emporheben, während jetzt die grofse Weite des mittleren Intercolumniums, welches das Doppelte der beiden anderen beträgt, sich nur als der mittlere Durchgang eines Thors erklären läfst und diese einfachste Ansicht, wie sie sich den englischen Archi- tekten, den ruhmreichen Begründern unserer Kenntnifs von Attika, beim ersten Anblicke der Ruine darbot, wird durch eine Reihe gleichartiger und gleichzeitiger Bauwerke unterstützt. Es war ein Tripylon mit doppelter Bestimmung, ein Ehrendenkmal für die Familie des Octavian und zugleich dem Cultus der Athena gewidmet. Diese war im Bilde nicht dargestellt, sondern das Gebäude diente als Schmuck der Strafse, zur Verherrlichung der für die Göttin veranstalteten Festzüge; es war ein athenäisches Pompenthor und mufs mit noch anderen, auf Ver- herrlichung des Athenadienstes bezüglichen Anlagen, die wir nicht mehr er- kennen können, im Zusammenhange gestanden haben; denn ein gröfserer städtischer Platz mufs es gewesen sein, den die Festzüge durch dies Thor betraten. Gegen die Benutzung des Gebäudes zu Festzügen könnte man einen scheinbaren Grund anführen, nämlich die Spuren einer dem mittleren Inter- columnium gegenüberliegenden Thüre in der das ganze Gebäude im Rücken ab- schliefsenden Mauer; diese Thüre ist bedeutend enger als das vordere Inter- columnium und würde also die Vortheile desselben aufheben. Aber zu einem Tempel pafst Thüre und Mauerschlufs, wie er im Stuartschen Plane vorliegt, noch vıel weniger und es ist schwer zu sagen, was Rofs sich unter den ‘hinteren Pfosten des Gebäudes’ denkt. Ich ver- muthe, dafs dieser hintere Anbau mit der Thüre, deren Pfosten das bekannte Dekret Hadrians wegen des Oelverkaufs enthält, aus byzantinischer Zeit stammt und dafs er eben so wie das neulich aufgefundene byzantinische Burgthor keinen anderen Zweck hatte, als den heidnischen Processionen den Weg zu sperren. 256 CuRTIUs: Das älteste Beispiel eines griechischen Marktthors ist in Athen die mit dem Tropaion des Siegs über Pleistarchos des Kassandros Bruder geschmückte Thorhalle (Paus. I, 15, 1); aus der römischen Zeit sind am bekanntesten das Marktthor in Patrai (Pelop. I 443), das auf den Akroterien die vergolde- ten Standbilder des Patreus und seiner Kinder trug und das korinthische mit den Gespannen von Helios und Phaethon (Pelop. II 530). Den Markt der Syrakusaner schmückte ein Thor, auf welchem des Verres Sohn als junger Heros stand und zugleich des Vaters Reiterstandbild (Verr. II 63). Diese von den Thoren getragenen Bildwerke, welche denselben ihre religiöse Bedeutung zu verleihen bestimmt waren, heifsen r«@ Erupegousva, wie in der Inschrift aus Apkeodires 2749: 9 on &n row idtwv moonoduv — Tas murldas Flv Tois Emı- Degowevors nereSnnev nal dvesmysev etc. Die inschriftliche Ausstattung der Thore zeigt recht deutlich ihre Be- ziehung auf den Weg und den Wanderer. Ausgezeichnete Gäste wurden von Seiten der Stadt durch eine Inschrift geehrt, welche für sie persönlich als ein Grufs am Stadtthore angebracht war; so wurde Pompeius, nachdem er vom Peiraieus heraufgekommen war und den städtischen Gottheiten ge- opfert hatte, mit einem Doppelspruche entlassen (Plutarch. Pomp. c. 27); der an der Innenseite lautete: ED orov wv avSowmros oldas, Emil rorourov Ei ‚Ieos. und an der Aufsenseite: mooTedorwWnev, MOOTERUVOUNEN, eidonev, MOOmEUTONEV. Das Geleit, das ihm von Staatswegen gegeben, wurde wie eine roumy ange- gesehen und ihm deshalb das Thor wie ein Pompenthor gewidmet. Die Sitte der Thorinschriften, dem klassischen Griechenlande fremd, fand in den römischen und byzantinischen Zeiten immer gröfsere Verbreitung. Merk- würdige Beispiele sind in Lycien, woselbst die Stadtthore, wie in Patara, durch Statuen und Inschriften zu Ehrenthoren gemacht wurden. Siehe im C. I. HI n. 4280, 4251, 4281°. Die Widmung ging bald von Gemeinden und Corporationen aus, wie z. B. die Inschriften in Patara und in Thiatyra C. 1. 3480: rois Zeßarreis ol imarsvouevor To moomUAoV xaı Tas orcas oder von Einzelnen, welche zum Besten des Gemeinwesens (roVs TuAuvas TH moAsı C. 1. 521. ras murdas aüv reis Emibegonevais n. 2749 Emi eurugias Tns Aaumpas Taugoredırav unroomoAews Kal ToUTo To egyov TNS mUANS avevew.Iy Eri ®A. A. n. 2746) oder zu Ehren Einzelner solche Bauten ausführten. Von der letzten Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 237 Gattung ist neuerdings ein interessantes Beispiel bekannt geworden, nämlich die Aufschrift eines dem Valens gewidmeten Tetrapylon zu Athribis, 1846 von Harris gefunden, von Herrn Dr. Brugsch an Herrn Böckh mitgetheilt : rev [Tjavfrerenuov]os? @sou Seryravros xal [Inro0? rob Xgısrou aürou Emi TNs maveudainovos — Barırıas rav aravra venuvruv dermoruv [OlaArevros xal D’garıavou Tov alwvıwv Alyoucrwv — 5 Ev N eÜTUXErTarN alruv denaerngidt Erepe 70 [rerga- muAov Eruvuuov Tod Ssiorarov Barırws Auwv Ovarevros En SeueAiwv Entirgn Emi TS doxMs Tou zugiou Mou — ToU Aaumgorarou Erapx,o[u] is Alyurrev Alu]Acv HarAadiov Aoyırrsvovros zal Eminsimevou” 10 Tw arın9ern Tergamuw PAasuov — augou moAsırevousvov — ’ErayaS[ev?. Dies Tetrapylon in Athribis, in welchem die Bruchstücke eines mit Königsschildern der 24°" Dynastie verzierten Denkmals verbaut waren, ist dem Kaiser Valens zu Ehren unter seinem Namen errichtet worden als ein bleibendes Denkmal der Feier seiner Decennalien. Es ist also im Jahre 374 gegründet und mufs in einem der nächsten vier Jahre vollendet worden sein, da Valens im fünften Jahre seines zweiten kaiserlichen Decenniums starb. ‘Von Inschriften über Stadtthoren liefert Ankyra die merkwürdigsten Beispiele. In zwei langen Zeilen mit grofsen Buchstaben standen über dem Hauptthore der christlichen Stadt die Trimeter angeschrieben, welche nach der Abschrift von Busbek zuerst von Gruter, zuletzt von Mai (Script. Vet. N. Coll. V p. 359) aus der Marinischen Sammlung herausgegeben worden sind und die trotz vieler Verstöfse gegen klassische Gräcität und Prosodie doch zu den besten Proben byzantinischer Lapidarpoesie gehören. Das Thor mufs errichtet oder neu geschmückt worden sein nach einer glücklichen Waffenthat des Kaisers Michael in der Umgegend Ankyras; es ist vielleicht Michael Balbus 820-828, ein Phryger von Geburt, welcher auch auf Mün- zen (Eckhel VIII p. 239) wırros genannt wird; ein Beiwort das sonst erst in späterer Zeit geläufig zu werden pflegt. In Folge dieses Siegs werden Alle, die des göttlichen Segens Zeugen gewesen sind, also die Bürger der Stadt aufgefordert, den Urheber des Segens zu preisen. Dann werden insbeson- dere die Wanderer aufgefordert, nicht stumpfsinnig zum Thore einzugehen, 288 Currıuvs: sondern mit lautem Segensgrufse seine Schwelle zu betreten. Sie sollen prei- sen alle göttlichen Gnadenerweisungen und sagen: Sei gegrüfst du Stadt des Herrn, du neues Zion, dessen Name eingeschrieben ist in die Tafeln Gottes (!). Zu dieser Inschrift hat Hamilton (Researches n. 136) ein merkwürdi- ges Seitenstück gefunden, eine gleichfalls metrische Inschrift vom Südthore der Burg von Ankyra; sie bezieht sich auf dasselbe Ereignils. Die zerstörte von blutigen Feindeshänden hingeworfene, nun aus dem Elende aufgerich- tete Stadt wird aufgefordert ihr Trauerkleid abzuwerfen (drappıadov mevIanv dusgpiav) und bräutlich sich zu schmücken (deyev Frorıruov vuudias). Dich, heifst es weiter, die in den Abgrund der Gefahren gestürzte, hat mit starker Hand Michael der Herrscher, der kranztragende König aufgerichtet, deine Wohnung als eine sichere herstellend, Ankyra liebliche, glänzendste Stadt im Galaterlande (8 ru rercürav &v BagaSpw nwöwvwv, [yeigl] zgarauz Mixanı 6 derworns — Burıreus — — orebndegos Tnv oHV [v]Jeovoyav asparı zarcınlav "Ayrupa Tegmvn Fanbarrrarn morıs mars Tararav margıdos — so viel läfst sich ungefähr im Zusammenhange lesen). Man schmückte die Strafsen mit Thoren nicht nur am Rande der Stadt oder an dem des Marktplatzes, sondern auch beim Eintritte in ein wohlum- hegtes Grundstück. In der Thalenge, welche aus dem unteren Theile der marathonischen Ebene in die obere, vom Kloster Vrana nach dem jetzigen Marathon führt, stand ein altes Thor mit der Inschrift (C. I. n. 537): "Opo- volas muAy. "Howdcu 6 Yügos eis ov eiregyeaı. Es bezeichnete den Eingang zum Grundstücke des Herodes Atticus und diente zugleich als Denkmal der treuen Verbindung mit seinen verstorbenen Lieblingen, deren Statuen auf dem Thore standen. Dafs auch Landstrafsen an den Gränzen verschiedener Pro- vinzen durch bewachte Thore geschlossen wurden, wo natürliche Engpässe sol- chen Abschlufs möglich machten, ist aus Herodot bekannt, der unter anderen das Halysthor zwischen Phrygien und Cappadocien erwähnt. Aus Anlagen dieser Art bildeten sich Ortschaften, wie z. B. Pylon auf der Egnatia an der Gränzscheide Illyriens und Macedoniens. Str. 323: oros &gilwv Ev ry 60@ rau 1 IE ’ I ıS8 m dd [3 7 „7 \ , > d y 2} (&) Aozav MEeyiTryv FOoU TEOU OEÜOGHOTES, EYOVTES OMAR A YEORS EMNEVES, pmvres EUAO- m x II ’ x ” 15 a vi \ / ’ m > ß w x ! 6) Ei En - en ee ee e r E yeıre rov IUevreoyaryv FoV ı7yyv EvÖvovre Aal AgaroS Eye Fu) EUTE [&] za [Ka srouvsrn?] ’ ” m \ E ’ e 3 , \ ‚ \ \ n U dsrmorn avazrı mısra MiyayıA Evspyern. O: eisiovres nv mUATV za TyVv morv Andsire' MAVTE m \ ’ U , es Sen I ’ J u Ode Öedosasmene morıs Kuzsıov Arge Zıwv Y VE, Teoypaors mivagı EYYEYERWMEUN Zur Geschichte des W. egebaus bei den Griechen. 289 MAypida zaı nv Maxedoviev. Polyb. 34, 12. Als Thoreingang zu einem ganzen Lande wird der Name: iega zur Zunvns von Letronne gedeutet. Siehe ©. I. Gr. IH p. 1218. Was die religiös-symbolische Ausstattung der Thore betrifft, so mufs- ten hier dieselben Anschauungen vorwalten, die bei den Thüren der Alten mafsgebend waren. Was über dem Burgthore der Atriden die beiden ihre Köpfe vorstreckenden Löwen sind, dasselbe bedeuten anderswo die Gorgo- masken; so die noch heute über dem Thore von Nikaia befindliche kolossale Meduse, und die als Schildzeichen bekannten Schlangen oder die als Amu- lette dienenden Löwen- und Stierköpfe. Vgl. Jahn in den Berichten der K. S. Ges. d. W. Phil. -hist. Classe. 1854. S. 47. Die Religion der Thore ist von der der Wege im Wesentlichen nicht verschieden. Apollon Agyieus ist als Sugaics und rgorvAates der Pförtner von Stadt und Burg; in dieser Beziehung hütet der Pfeiler, sein heiliges Sym- bol, den Eingang der Atridenburg; er wehrt das Übel ab als areorgoraios und @efinanos; er schützt als gorrarns (Trach. 209) und rgosrarngıcs (Electra 637) die Bewohner von Stadt und Burg und erlegt die schon eingedrungenen Feinde im Thorgange, wie den Achilleus (vi Sxayrı vUryrw D. X 360). Aber wenn drinnen das Unrecht herrscht, so erweist er sich hülfreich dem, welcher hineingehen will, um göttliches und menschliches Recht wieder her- zustellen. Darum weist auf ihn Orestes in den Choephoren V. 577: r« ° arda reurw Öeüg' Emomreürau Acyw, Eipnpegevs dyavas &gSwravri cr, Worte die ich unmöglich mit dem Scholiasten und mit Hermann auf Pylades bezie- hen kann. Von der Artemis besonderem Verhältnisse zu den Stadtthoren ist schon geredet. In einem Thore von Halikarnassos wird nach der Inschrift C. I. 2661 ihr Bild aufgerichtet, gleichsam um dem daselbst schon im Bilde gegenwärtigen Apollon eine Aufmerksamkeit zu erweisen (Bew ’Ayvıs ravde veuw %,agıv); sie sind zusammen Seo swrrgic.. Sie hat aber als Eileithyia und Propylaia ihre selbständige Bedeutung. Hekate als rg09ugidi« oder rgedoucs neraSgwv (Aesch. fr. 374) ist vor allen Pforten und Thoren ansässig (Tavre- xo0 mgo rav Sugwv Arist. Vesp. 804; vgl. Welcker Sylloge p. 170) und nach den Sieben des Aischylos 448 kämpft deshalb Polyphontes am Thore unter dem Schutze und dem Wohlwollen der thorhütenden Artemis. Philos. - hisior. Kl. 1854. Oo 290 CurrTıvs: Des Wegs ganze Bedeutung concentrit sich am Thore; deshalb ist der Wegegott Hermes hier besonders an seinem Platze, weil man nirgends mehr als hier des göttlichen Beistands bedürftig ist und der menschliche Verkehr sich hier am meisten zusammendrängt. So stand im messenischen Stadtthore ein attischer Hermes (Pelop. II S. 191, 17). Er öffnete dem harrenden Wanderer den Eingang; er ist der Gott, der die Angel sich drehen läfst, eben- so wie er auch die Thürangel hütet, dafs sie nicht zum Schaden des Hauses benutzt werde; (Frgopevs, argopalos-megi rov arpopea idgunevos Sess Pollux VII 72. Gerhard Hyp. Röm. Stud. II 229). Vielleicht dürfte des Strophios Sohn Pylades der “Pförtner” (von urn wie Portunus deus portarum bei Festus) auch ursprünglich ein dem Hermes verwandter Dämon sein, der den Örestes schützend geleitet (wie Hermes den Priamos und Mentor-Athena den Telemach) und ihm dann das Thor der Ahnenburg öffnet. Es fehlt ihm sonst in der That eine bestimmte Nationalität und eine heroische Indi- vidualität. Endlich ist Athena auch hier an ihrem Platze, insofern das Stadtthor der räumliche Anfang eines politisch - geordneten Zusammenlebens ist und daher fand man häufig, wie der Scholiast zu Lycophron 356 bezeugt, der Athena Bild in den Thoren der Stadt an die Wand gemalt. So erfüllte man den Thorraum mit Bildern und Symbolen der Gottheiten, so viele derselben mit ihrer menschenfreundlichen Wirksamkeit sich hier vereinigten und suchte so die Vorhalle der Stadt zu einer allem Segen offenen, einem evoAßov mg0- ruAaiov (C. I. n. 2661) zu machen. Die profane Ausstattung des Thors bezieht sich auf den Verkehr wie auf die Sicherheit der Stadt. Bei dem herkulanischen Thore in Pompeji liegt aufserhalb der Stadt das Wachthäuschen mit dem Steinsitze — es war dies also mehr zur polizeilichen Aufsicht bestimmt als zum militärischen Schutze. Zur Erhebung der Thorgebühren, des diarvrv (Böckh Staatsh. 1 439) bedurfte es auch in Griechenland der Zollbuden. Eine im Felsen ausgehauene Wachtstube findet sich beim inneren Thore von Seleukeia. Die Namen der Stadtthore, wenn sie nicht die Bauart bezeichnen, wie Dipylon u. s. w. oder den Begriff des Thores wiederholen, wie es mit dem Namen Diamperes in Argos (von dareıow? Pelop. II 567) zu sein scheint, beziehen sich auf die einzelnen Zielpunkte des Thorwegs oder die ganzen Landschaften, zu denen der Weg führt, wie ruAn Heigaiey, muAu ai emi ro Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 291 Operıov zarounevaı in Byzanz (Xen. Hell. I, 3), rURaı Mayvyrides in Ephesos. Wenn der Name sich auf nahe gelegene Heiligthümer bezieht, so kann man annehmen, dafs für die dorthin gerichteten Prozessionen das Thor als Aus- gangspunkt diente, wie bei den "OucAwidss in Theben (Müller Orchom. p- 233 f.). Von wie fern gelegenen Punkten die Namen hergenommen wur- den, zeigt in auffallender Art das Beispiel von Akrai, wo ein Thor nach Se- linus genannt war (C. I. III p. 583). In Torone bezeichnet Thukydides IV 111 ein Stadtthor nach der städtischen Gegend, wohin es von aufsen führte; denn anders kann der Ausdruck: «ai »ara ray ayogav zvAcı nicht verstan- den werden. Wir haben die griechischen Heerstrafsen bis in das Thor begleitet und werfen noch einen Blick auf die städtischen Strafsen. Der &vreryıos romos ist ursprünglich und wesentlich von dem &xrerıcs nicht unterschieden; wir finden ja innerhalb der Thore dieselben (Quartiere, dieselben Strafsen und der Strafsen Anfang ist nicht das Thor, sondern der Markt. Erst allmählich bildeten sich die Gegensätze von drinnen und draufsen und man gewöhnte sich auch die städtischen Strafsen mit einem besonderen Ausdrucke zu be- zeichnen. "Ayua (Macrob. Sat. I, 19: Graeci vias quae intra pomoerium sunt, ayvıas appellant) ist eine Participialform von «yw und bezieht sich schon bei Homer immer auf städtische Strafsen. Wenn also der Zusammen- hang zwischen den Strafsen und dem Gottesdienste richtig erkannt worden ist, so bezeichnet auch ayvıa vorzugsweise die Strafse der Festzüge. Deshalb wird das Wort so gerne mit Beziehung auf Chortänze gebraucht, auch aufser- halb des städtischen Bezirks, wie in Euripides Bacchen V.87: "EAAddCS Eis eüpu- agevs ayvias. ”Ayvıa war kein geläufiger Ausdruck der attischen Prosa. Pau- sanias bemerkte ihn in Elis als einen ihm auffallenden Provinzialismus statt des aus der attischen Umgangssprache in die xavn übergegangenen GTEVWTES, welches auch den Ausdruck Dunn verdrängt hatte. Auch die Zusammensetzun- gen von £öes kommen mehrfach in Beziehung auf städtische Bewohnung vor, so diodos und aupeodes oder 76 aupadıv, dessen Bedeutung aus Hyperides bei Pollux deutlich wird: % oizıe 9 neyaan % Xaßgiev zei re aubodov — da sind es die herumführenden Strafsen, welche den palastartigen Bau wie eine für sich be- stehende insula von den übrigen Häusermassen isolirten. Aus der oben angedeuteten Weise, in welcher die meisten Städte Griechenlands ummauert worden sind, ergiebt sich von selbst, wie wenig dabei 002 2923 Cuarrtıvs: von einer rationellen Strafsenanlage die Rede sein konnte, auch wo der Mauerbau nicht so tumultuarisch vor sich ging wie der von Athen. Uralt freilich sind die aus praktischem Sinne und unmittelbarem Natur- verständnisse hervorgehenden Rücksichten auf Festigkeit und Gesundheit städtischer Lage. So erzählt Plutarchos (de Curios. I.) wie seine Vaterstadt durch Chairon von der Westseite, wo sie der vom Parnasse zurückstrahlen- den heifsen Nachmittagssonne ausgesetzt war, zum Segen der Bürger nach der Morgenseite verlegt worden sei. In ähnlicher Weise machte sich Empe- dokles um seine Vaterstadt verdient. Wie die Städte, blickten auch die Häuser in der Regel gegen Morgen, damit Eos Jeden zum Tage erwecke und ihre ersten Strahlen sein Haus durchleuchte mit heiligem Lichte, wie das Haus des homerischen Zeus. Auch in Athen hatte aus sicherem Naturgefühle die älteste Bürgerschaft sich diejenige Lage ausgesucht, welche der Seeluft offen sich zu allen Zeiten als die gesündeste erwiesen hat. Diese Rücksichten sind so alt, als es in Hellas Städte giebt. In den Städten aber stellten sich bei der absicht- und planlosen Entstehung derselben erst allmählich die Übelstände des städtischen Lebens heraus und diese Übelstände nachträglich zu beseitigen oder durch die Zucht einer ordnenden Gesetzgebung möglichst zu mildern — das war Alles, was in den alten Städten geschehen konnte. Es waren polizeiliche und administrative Malsregeln, welche in den Zeiten concentrirter Staatsge- walt mit besonderem Nachdrucke ausgeführt zu werden pflegten. In dieser Beziehung haben die Pisistratiden für Athen das Mögliche geleistet, um das zufällig Gewordene zu organisiren und das regellose Strafsen- gewirre zu ordnen. Ein Beweis, wie diese Reformen unter stetiger Verbin- dung des Polizeilichen und Religiösen aufgefafst wurden, ist der Zwölf-Götter- Altar, auf dem Stadtmarkte errichtet und geweiht unter dem Archontate des jüngern Peisistratos um Ol. 65. Des Hippias Sorge für Strafsenordnung beschreibt der pseudoaristotelische Oikonomikos. Aufserdem sind die atti- schen Astynomen und Agoranomen bekannt, welche für die Wohlordnung (eüxoruia) der oberen Stadt und der Häfen zu sorgen hatten. Die Stadt war zu diesem Zwecke in Polizeibezirke eingetheilt; das sind die z@u«ı, deren Einrichtung dem Solon und KRleisthenes zugeschrieben wird. Siehe Sauppe de demis urbanis 5.11. Den Wirkungskreis der genannten Behörden be- zeichnet Aristoteles Polit. p. 210 ed. Göttl. als eruereia rwv wegi 70 doru Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 293 nueriwv zal idiav, öduv Turngia zaı diogSwris. Das Nähere giebt Papinian’s Asty- nomikon in dem daraus erhaltenen Fragmente, welches zu diesem Ende in Meier und Schömann’s Attischem Prozesse S. 941 f. benutzt worden ist. Unter dem Collegium der Astynomen standen die »zorgorcyaı; siehe Böckhs Staatshaushaltung I 256. In Theben, wo des Leibes Bedürfnissen besondere Aufmerksamkeit zugewendet wurde, war des Hauses Vorderseite in besonderer Weise charakterisirt; denn Eubulos sagt in den Kerkopen (Meineke Frag. Com. 3, 229) von den Thebanern: xzorgwv exsı Emi rals Sugaus Enarroc, vv mAngeL Baors cur Ertl ueikov ayasor. Auch der Areopag übte in Athen eine gewisse Oberaufsicht über den Zustand der städtischen Strafsen und Plätze. Strenge Gränzsonderung zwi- schen der Strafse und den Privaträumen war hier durchweg die Hauptsache; es durfte Niemand Öffentliches zu seiner Benutzung hereinziehen (zaroıno- donueiv 70 druericv Xen. Resp. Ath. III 4) noch seines Hauses Vorbauten auf die Strafse hinausschieben (deupgaxreus üregreiwvew Herakl. Pont. Polit. 1); es durfte dem auf der Strafse gehenden Bürger durch eckige Vorsprünge, durch baufällige Theile des Hauses oder durch auswärts schlagende Thüren keiner- lei Gefahr oder Beschwerde erwachsen. Die Gränze des Privatgrundstücks bildete in älteren Zeiten das Eoncs, die den Hof des Hauses umgebende Mauer, welche durch die Pforte des Herkos — Egneios Suga (auf sie allein konnte sich des Hippias Verordnung beziehen) — auf die Strafse mündet, während nach innen dieser Thüre gegen- über die Sug« «ureos in das Haus hineinführt. Eine stattliche Wohnung war von einem hochgebauten und geschmückten Herkos umgeben, vergl. Archil. fr. 39: rotov yap auanv Eoxos audidsdgousv. Skylax in Olbia umgab seine königliche Wohnung mit einer weiten Mauer und stellte auf derselben Reihen von Marmorsphinxen und Greifen auf, um dadurch sein Haus vor allen ande- ren als den Sitz hellenischer Weisheit und vorschauender Klugheit zu cha- rakterisiren. Herod. IV 79. Vergl. Bötticher in den Berichten der Königl. Sächs. Ges. der W. Phil. hist. Cl. 25. Febr. 1854. Aufserhalb des Herkos gehört der Mann dem Staate an, innerhalb sei- ner Familie und seinen Freunden; daher &xzareiv, &xrAncsıc das Herausrufen aus dem Privatleben in das Öffentliche. Solon sagt seinen Mitbürgern, um ihnen die schrecklich zunehmende Zerrüttung der öffentlichen Verhält- nisse an das Herz zu legen und sie aus stumpfsinniger Apathie aufzurütteln, 294 Cvurrıvs: sie sollten nicht wähnen, dafs das Unglück nur ein öffentliches bleibe und sich Jeder in sein Privatleben zurückziehen könne; Jedem, sagt er, kommt es in das Haus, die Hofthüren halten es nicht zurück, es springt auch über das hohe Herkos hinüber (Bergk Poetae Lyr. p. 316). Wenn nun auch bei der Verdichtung städtischer Bevölkerung die weiten Hofräume einschwanden und die Nachbarhäuser meist gemeinsame Brandmauern hatten, so suchte man doch den Gränzsaum zwischen dem Öffentlichen und Privaten in ganzer Schärfe festzuhalten und zu heiligen. Zu diesem Zwecke standen auf der Gränzscheide die Hermen, ebenso wie die Hermenreihen auf dem Markte auch Gränzhermen waren (C. Fr. Hermann de terminis p. 26). Indessen verknüpfte man mit dem vor dem Hause aufgestellten Hermes zugleich den Begriff des göttlichen Schutzes, unter den man Ein- und Ausgang stellte. Den Beweis giebt die albanische Herme des Dattios bei Welcker in der Syl- loge n. 136. So walteten segnend und Unheil abwehrend Hekate und Apol- lon Agyieus vor den Häusern; die Tarentiner opferten dem Zeus Kataibates vor ihren Thüren zum warnenden Andenken des von ihm verhängten Straf- gerichts. Im Ganzen hiefsen die vor der Morgen- und Vorderseite des Hauses stehenden Götter: Seci oder dainoves üvryaıcı (Aesch. Agam. 519). Zu ihnen tritt in die Morgenluft der Hausbewohner und reinigt sich durch Gebet und Opfer von dem nächtigen Traumleben (Vgl. Soph. Eled. V. 635 suy,al Aurigıcı deuarwv). Die Menschen des Südens haben ganz besonders den Trieb, so früh als möglich aus der engen Wohnung in die Luft hinauszutreten, um rasch die Schwere der Nacht abzuschütteln. Elektra ruft das im Gegen- satze zu den engen und vielbefleckten Wohnräumen ihrer Burg ‘heilige’ Licht an, den Zeugen ihrer täglichen, mit dem Verschwinden der Nacht beginnen- den Klagen, und wie Klytaimnestra mit geängsteter Seele ihre Träume vor den Apollon Agyieus bringt, nur durch der Elektra verhafste Gegenwart in dem offenen Aussprechen alles dessen, was sie auf dem Herzen hat, gehemmt — so herrscht noch jetzt bei den Griechen die Sitte, schwere Träume der aufgehenden Sonne zugekehrt laut auszusprechen, um dadurch der Last los zu werden. In den älteren Städten Griechenlands war eine genaue Lokalbezeich- nung nicht ohne Schwierigkeit. Die Häuser nach den verschiedenen in die Stadt anfgenommenen Demen zu bestimmen, war durchaus unthunlich, da die Gränzen derselben immer mehr unkenntlich geworden waren. Dagegen Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 295 waren die z@ueı wenigstens in Athen zur Aufrechterhaltung der Ordnung eingerichtete Wohnungsbezirke, welche nach Platons Gesetzen p. 759 auch die Vorstädte mit umfafsten; diese mufsten genau begränzt sein. Die ver- schiedenen Hauptstrafsen bildeten die Umrisse der Komen und so konnten die Komen selbst @yvıaı (@yvierıs war deshalb gleichbedeutend mit zwuärıs, "in demselben Stadtquartiere wohnend') oder süu«: oder rrareiaı genannt werden (Hugeiv ryv merw eis rersagas mrareıas Diod. XII 295). Man setzte die Gränze für den umgränzten Raum, wie &gos iegcs so viel sein kann wie Wugos iegos (Böckh Monatsber. der Akad. d. W. 1854 S. 428) und ebenso wie bei den Römern die Namen Sacra wia u. a. Namen städtischer Regionen wurden, nannte man auch nach der Strafse Tgirodes in Athen ein ganzes Quartier. Häufig werden diese Quartiere nach Heiligthümern bezeichnet, wie das Poseidion in Pellene (Pelop. I p. 494), "Hg«is zuun in Kerkyra (C. 1. n.1840), Apolloneatis, Athaneatis (ei &7 "ASyvaiav veriraı C. 1. n. 1513) u. s. w. in Tegea und diese Bezirke dienten zur Wohnungbeschreibung. In der Regel benannte man aber die einzelnen Grundstücke und Wohnungen nach dem nächsten bekannteren Punkte, wie wir aus Inschriften (siehe namentlich C. I. n. 5430) und den von Meineke neuerdings aus unverdienter Vernach- lässigung hervorgezogenen Epidemien des Hippokrates lernen. Das Natür- lichste waren auch hier die Bestimmungen nach Heiligthümern wie: Urea reV Kogsiov, Umd ro "Abgadırıov, mori rw "Agreuiriw, nach Thoren und Stadtmauer: imo rav muAav rav ZeAwouvriav in Akrai, 965 To zawov reis, av Tuv muAcwv eizesura; nach wichtigeren und allbekannten Mittelpunkten des bürgerlichen Verkehrs, wie nach den öffentlichen Waschplätzen: Seuerov ori rAvveis C. 1. 5430, 35, nach Brunnenplätzen: rer! denrias n. 5430, 16. Hippoer. I p. 704: maga bouviyidew pacup;, vgl. maga ro \uygev Udwo III p. 108; nach dem Markte: jegov To rou "AmoAAwvos a mori mn @yop& Pelop. I 323, 61; cixia 4 Ev Hegaueı 9 &v 79 Irmodausie Dem. c. Timoth. p. 1190; &mı \bevdewv @yogn Hippoer. III p- 56, 62. Erı rev Asıov oder Ayıcv p- 142. Ein solcher freier städtischer Platz, wie deren auch abgesehen vom Marktverkehre für Waffenübungen und andere Zwecke in einer Stadt sein mufsten, wird in Ankyra mit dem freilich zweifelhaften Namen Komoketion genannt n. 4019. Die Bezeich- nung &v rAwSw bei Hippokrates VI 6 9 geht vielleicht auch auf einen Markt- platz, wenn man die Aphrodite &v rw. Siy bei den Tegeaten vergleicht. Vgl. Meineke Vind. Strab. p. 119. Auch bestimmte man genauer nach einzelnen 296 Currtıus: Markttheilen, wie nach dem Weinmarkte (oives) in Akrai oder nach den Markthermen: xeugeiov 76 gos rovs Eguzc, ein aus Lysias Rede gegen Pankleon p- 166 Steph. bekanntes Haus, wo die in Athen anwesenden Dekeleer einzu- kehren pflegten. Der Mangel an klarer und übersichtlicher Disposition in den älteren Städten der Hellenen ist auch der Grund, weshalb des Pausanias Stadtbe- schreibungen, namentlich die von Athen, so sehr der Anschaulichkeit entbehren. Ohne einen Überblick der Lage und Anlage zu geben, pflegt er durch das Hauptthor nach dem Stadtmarkte zu gehen und um den Markt dann in loser Verknüpfung das Übrige der Unterstadt anzureihen. Die Strafsen haben keine selbständige Bedeutung und deshalb auch nur selten bestimmte Eigennamen. Die vorkommenden Eigennamen bezie- hen sich auf die ursprüngliche Benutzung der Strafse, wie z.B. der Name ’Apereis der ‘Corso’ von Sparta (vgl. Irrıxcs n. 5150. Barth S. 438, 20); auf ihre Einfassung wie Toirodes und "Eanei; auf die natürliche Lage wie Kein und BaSeia; auf die Lage innerhalb der Stadt, wie Mercy, die grofse Heer- und Poststrafse, welche Byzanz von West nach Ost durchschnitt; auf die Rich- tung, wie die EüSei« die "Zeile in Megara, mit der die ouum N nadovmevn EUDEIT in Damascus (Apostelgesch. IX, 11) zu vergleichen ist, oder endlich auf die technische Ausführung wie die Ixrvgwrn in Kyrene. Die gerade Richtung der Strafsen hatte meistens in Prozessionen und Fackelläufen ihre Veranlassung. Die Eutheia von Megara führte zum Apollo- heiligthume; eüSuronuos, eüQurevys sind Bezeichnungen, die von Pindar und sei- nen Scholiasten der apollinischen Battosstrafse gegeben werden; man ver- gleiche den Johanneischen Ausdruck: euSuvew ödev Kupiov. Auch der Name rAareia wird sich ursprünglich auf Prozessionen beziehen. Daher auch in Apamea Kibotos: rAareia % isgwrarn (3960°); sie war mit Götterbildern ein- gefafst. Auch die Tripodenstrafse hatte von Götterfesten Ursprung und Be- deutung. Nirgends aber wird der städtischen Hauptstrafsen gottesdienstlicher Ursprung deutlicher, als in Kyrene, der für Strafsenbau wichtigsten Hellenen- stadt. Burgartig lagerte sich die hohe Kyrene auf zwei aus dem libyschen Felsplateau hervorragenden Kuppen mit starkem Abfalle gegen Norden. Zwischen beiden Kuppen zieht sich eine Einsenkung, eine natürliche xoiAn odos. Battos benutzte in echter Hellenenweise diese Senkung, um hier nach- helfend, ebnend und durch kunstreiche Windungen die widerstrebende Rauh- Zur Geschichte des W egebaus bei den Griechen. 297 heit des Terrains bewältigend, eine stattliche Strafse herzustellen, um Quell und Apollotempel, Stadt und Hafengegend zu verbinden (!). Es war diese Strafse die eigentliche Lebensader Kyrenes, die Bahn der Festgänge, der Handelscaravanen, der Todtenzüge. Deshalb knüpfte sich an keinen Strafsen- bau der alten Welt so unsterblicher Ruhm, wie an den des Battos, den Pindar besingt, “weil er gröfsere Tempelräume den Göttern widmete und für die apollinischen Festzüge, die volkschirmenden, eine gerade, ebene und den Rossen gangbare Bahn schuf bis dorthin, wo er selbst an des Stadtmarkts Ende nach seinem Tode liegt an ausgewählter Stätte’ Pind. Pyth. V, 83. In der Gruppe Pindarischer Worte: reöws immoxgeros Zrugura ödes hat Barth das erste derselben so gedeutet, dafs es die Mittelschlucht zwischen den beiden Stadt- kuppen bezeichne, in welcher der Weg hingeleitet ist; das würde zo oder BaSei« bezeichnen. Pindar nennt die Strafse eine redias im Gegensatze gegen die alten Landwege, auf denen das eingehauene Geleis sorgfältig geglättet, der Damm selbst nur nothdürftig nivellirt war; hier aber war die ganze Breite glatt und eben; es war durch gestampften Steinschutt Tnugoc, Aaryumn (vgl. Böckh Staatshaush. I S. 2854) auf dem unebenen Felsboden eine vollkommen ebene Fahrbahn hergestellt worden. So heifst es im Rhesos 283: rAarei« Fedıas auakıres. Zxugwrn aber war hier Eigenname der Strafse geworden, ein Be- weis wie auszeichnend für Kyrene diese Art des Stralsenbaus war. In vielen Städten beschränkte sich die Sorgfalt auf die Hauptstrafsen, so dafs auf den Nebenwegen bei schlechter Witterung zu nächtlicher Zeit kaum durchzu- kommen war, wie das Schicksal der unglücklichen Thebaner in Plataiai zeigt (Thuk. II 4) und eine Stadt mit lauter gepflasterten Strafsen wie Smyrna, war auch zu Strabons Zeit auf griechischem Boden eine Seltenheit. Siehe Strab. p. 646. Urkundliche Nachricht über die Ausführung eines schwieri- gen Strafsenbaus, wo ein Kanal mit Quadern bedeckt den Boden einer Säulenhalle bilden sollte, giebt die von Böckh im Monatsberichte der K. Akad. 1853 S. 14 herausgegebene Inschrift aus Gerasa: &vreuSev npfaro 75 Egyav nm ’ n m MEN, > Er > ’ SR \ ’ TNS KATATTOWTEWS THS Tradns Emı apyyns AupnAuov Zagamcdwgev Emı TyV rergaodıav. 1 > IQ 8 > , SQ, - Nez ’ Eu x ’ , v ’ > ( ) Kaoo ov ETOMTEV EU-TUTEDY za AzIiav’ TWwv yap Argaıwv FOR UFRTWV ovzuv, Asıcv ATAp- yararo ryv ödov Schol. zu Pind. Pyth. V 120; aber der Begriff der #«Sodos liegt nicht in zersSyzev wie Tafel p. 802 meint, noch hat der Scholiast das sagen wollen. Philos.- histor. Kl. 1854. Pp 298 Currtıvs: Ähnliche zararrgWreıs waren nothwendig, wenn, wie nicht selten geschah, Bäche durch die Stadt geleitet wurden, so das Wasser der Klepsydra durch Messene (Pelop. II 144); auch Theben wurde durch einen Regenbach von einem Thore bis zum andern quer durchströmt. Siehe Ulrichs Topogr. von Theben. Abh. der K. Baierschen Ak. d. W. Bd. VII. Abth. II S. 421. Kyrene zeigt an einem deutlichen Beispiele, wie durch Colonisation die in der Heimath erworbenen Kunstfertigkeiten zu einer neuen und grofs- artigeren Entwickelung gelangten. Die Aegiden fanden auf dem hohen Fels- plateau freien Raum zu ansehnlichen Gründungen und konnten hier ihren heimathlichen Göttern stattlichere Cultusstätten einrichten, als es im engen Thera möglich gewesen war; denn in diesem Sinne glaube ich doch mit Tafel Diluc. Pind. p. 801 den Comparativ in den Worten Pindar’s: zrırev ö’ arrea eilova Tewv auffassen zu müssen. In den alten Städten konnte nur geordnet werden; sie blieben, wie Athen nach allen Bemühungen der Pisistratiden, bei allem Glanze einzelner Stadttheile, der Burg, des Markts, der Vorstädte, im Ganzen doch ein Gewirr unregelmäfsiger Strafsen; sie waren nach römischem Ausdrucke urbi occupatae magis quam diuisae similes (Liv. V am Ende). Was im Mutterlande absichts- los entstanden, wurde im Auslande mit bewufstem Zwecke gegründet; die Stadt war hier nicht der Schlufspunkt einer natürlichen Entwickelung, son- dern der Anfang und Grundstein einer neuen Geschichte; sie mufste im fremden Lande, auf erobertem Boden möglichst selbstgenugsam, zugänglich und zugleich fest abgeschlossen bestehen können. So wurde die städtische Ansiedelung eine wichtige Aufgabe architektonischer Kunst und staatsmännj- scher Wissenschaft; zur Lösung derselben aber war von allen hellenischen Städten keine mehr berufen, als Miletos. Wie nach alter Überlieferung die Wegebahnung in den westlichen Län- dern zuerst durch Phönizier eingeführt worden ist, wie dann in der Anlage städtischer Plätze kleinasiatische Heroen der Griechen Vorbilder waren, so ging auch die dritte Epoche des Wegebaus von Asien aus. Das chaldäische Babel ist das älteste Beispiel einer nach allen Regeln der Feldmefskunst ausgelegten, planmäfsigen Stadtanlage (Her. I 130: +0 dTTU nararerunraı Tas 6dous i9eas). Die Vorzüge einer solchen Anlage wurden von den Ioniern mit ihrem philosophisch künstlerischen Geiste aufgefalst Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. 399 und als eine hellenische Kunst ausgebildet. Milet eignete sich dieselbe für seine grofsartige Colonisationsthätigkeit vor allen andern Städten an und der Milesier Hippodamos, nach welchem Aristoteles die moderne Stadtanlage die hippodamische Weise nennt (Pol. VII, 10, 4), war nicht sowohl der Ent- decker einer ganz neuen Art des Stadtbaus, als der Vermittler der östlichen und westlichen Cultur. Athen, dessen Beruf es war alle Bewegungen und Fortschritte des hellenischen Geistes bei sich zu vereinigen, wufste auch des Hippodamos Geist sich dienstbar zu machen. Athen selbst umzugestalten war unmög- lich, aber die Stadt des Piraieus war eines Umbaues fähig; der Mauerkreis, welcher das weitläuftige Terrain von Munychia und der Unterstadt umfafste, war schwerlich schon ganz angefüllt und mit den hier ansäfsigen Metöken, welche seit Themistokles durch vielerlei Vortheile und manche Erleich- terungen der Ansiedlung herangezogen waren, brauchte man weniger Um- stände zu machen. Sonst war erst die Stadt da und dann die Mauer — hier wurde innerhalb der fertigen Ringmauer eine neue Stadt angelegt, eine der ersten Musterstädte der neuen Bauweise. Die Vögel des Aristophanes zeigen uns, welches Interesse das damalige Athen für die Kunst der ratio- nellen Stadtanlage hatte. Die künstlichen Synoikismen des Epaminondas gaben Veranlassung in Griechenland und namentlich in dem Theile, welcher den neuern Fortschrit- ten des hellenischen Geistes am meisten fremd geblieben war, im Pelopon- nese, moderne Städte anzulegen und bei Messene finden wir eine eigene Klasse von Werkmeistern thätig, deren Kunst und Wissenschaft die Rhymo- tomie zum Gegenstande hatte (@vöges eis reym Frevwreüs nurarewverSen zul einias zul lea oirodouels Tu nal ra TeiyM egißarrer Su Paus. IV 26. Vergl. die eurroyia rn pumorspias bei Diodor und C. Fr. Hermann de Hippodamo p. 56). Die Zeit Alexanders und seiner Nachfolger brachte diese Richtung zur voll- sten Entfaltung und führte die dem Morgenlande abgelernte Kunst des städti- schen Strafsenbaus, durch griechischen Geist veredelt, von Neuem in das Morgenland zurück. Was auf diesem Felde geleistet wurde, zeigen vor allen andern die Städte Syriens, Antiocheia und die bei Gelegenheit der syrischen Eisenbahn- entwürfe neu entdeckte Wunderstadt Seleukeia, das Emporion der Antio- Pp2 300 Cvuxrrtıvs: cheer. Hier finden wir nicht mehr den bescheidenen Natursinn der Hellenen, welche ihre Wohnräume überall nach Anleitung der gegebenen Terrainver- hältnisse einrichteten; sondern mit einem despotischen Unternehmungsgeiste, welchem gegenüber gar keine Schwierigkeiten bestehen, werden ganz ver- schiedene Ortlichkeiten, die steilsten Bergränder und tiefe Sumpfebenen zu einer Stadt vereinigt; über ausgefüllte Felsklüfte ziehen die breiten Fahr- strafsen von einem Stadtende zum anderen; wilde Wasser werden in Kanäle gefalst und das Kanalbett liegt im Grunde eines 150 Fufs tiefen, 1700 Schritt langen Felsdurchschnitts, der zum Theil offen und von Brücken überwölbt, zum Theil als Tunnel (&@gvf »gurrn Diodor II 13), das Bergwasser durch die ganze Stadt hinabführt in den künstlich ausgegrabenen Hafen, den es fortwährend mit frischem Wasser füllt und rein spült. Das Nähere über diese grofsartigen Anlagen in Seleukeia giebt jetzt nach den englischen Berichten Ritter’s Erdkunde XVII S. 1237 ff. Uber Antiocheia: Müller’s Antiq. An- tiochenae. Alle Hauptstrafsen waren von mehrfachen Säulengängen einge- fafst, so dafs man vor Sonne und Regen geschützt die ganze Stadt durch- wandeln konnte. Diese Hallen oder Lauben nannte man in Byzanz eußorcı, die nach den fürstlichen Erbauern ihren Namen hatten. Sie wurden in einem gröfseren Zusammenhange ausgeführt und unter Theodosios II. zählte Byzanz 52 solcher meistens in ununterbrochener Verbindung stehender ußorcı;, sie hatten zum Theile zwei Stockwerke, die durch Steintreppen mit einander verbunden waren. Siehe Skarlatos Konstantinupolis S. 111. Inmitten dieser orientalischen Städtepracht treten uns dann wieder die einfachsten Symbole griechischer Kunst entgegen. So stand im Kreuz- punkte (rergaodi«) der Hauptstrafsen zu Antiocheia, Alexandreia, Nikaia, By- zantion der in Stein ausgehauene Omphalos. Die Seleucidenmünzen zei- gen ihn mit Binden umwunden, Apollon auf ihm sitzend, die Pfeile zur Erde senkend, zum Zeichen seiner gnädigen Gesinnung. Müller Antig. Antioch. Ip. 43. Was aber das weitverbreitete Steinsymbol des Omphalos eigentlich bedeute, ist so viel ich weifs noch nirgends nachgewiesen. Mir scheint der Omphalos nichts Anderes zu sein, als das im ovalen Steine dargestellte Berg- haupt, welches aus der deukalionischen Fluth emporragte, der Sammelort der geretteten Menschen, der Ausgangspunkt einer neuen Menschengeschichte. Darum ist er das schönste Bild und Unterpfand göttlicher Gnade, dem Zur Geschichte des W. egebaus bei den Griechen. 301 weltrettenden Zeus heilig sowohl wie dem seine Gnade verkündenden Apollon, welche beide in dieser Beziehung Phyxios und Lykoreus heifsen. Siehe OÖ. Jahn über Lykoreus. Darum ist der Omphalos zugleich der Gaia geweiht, denn er bezeichnet ja die gerettete Erde und weil dieselbe immer von Neuem wieder durch menschliche Schuld befleckt wird, so wird sie durch das über den Omphalos hinabfliefsende Opferblut im Bilde gerei- nigt und gesühnt. Darum endlich ist der Omphalos der Erde Mittelpunkt, an welchem sich die vom Zeus ausgesendeten Adler begegnen, weil er das inmitten der Wasserfläche zuerst freigewordene Berghaupt bezeichnet, und wie sich zu jenem Berghaupte einst die Menschen aus den Wasserwogen retteten, so fliehen die Schuldbeladenen und Geängsteten an den Ompha- los des Apollon; er ist der Urheber einer neuen sittlichen Weltordnung, ebenso wie er die sichtbare Welt gelichtet, die Wege gebahnt und das Zu- sammenwohnen der Menschen geregelt hat. 302 CurtTıvs: Übersicht des Inhalts. Der Wegebau in seinem Verhältnisse zur hellenischen Cultur Bahnung der Wege — Anfang der Landescultur } ü Phönizischer Einfluls. Felswege und Dammwege Herakles in Pheneos, die Gephyräer in Böotien } Das homerische Griechenland On en 1; Das geschichtliche Griechenland und seine realen ; Heilige Stralsen . B und die bei aendeinen Be Technik a a Wege: nebst der darauf bezüglichen Terminologie Gattungen der heiligen Wege. 1. Die ursprünglichen Verbreitungswege gewisser Religionen (nament- lich der apollinischen) . ET? 3 BR . Die durch politischen Synoikismos veranlalsten Verihdingen älte- rer und jüngerer Heiligthümer Sagen, Gebräuche, rechtliche Bestimmungen, auf die Heiligen use Bezüglich! Amphiktyonische Einrichtungen. Eigenthumsverhältnisse Ausstattung der heiligen Wege. Anfangspunkte (namentlich der attischen Pythias) . Stationen unterwegs. Wallfahrtsplätze Tempelzugänge; Statuen am Wege Prozessionsthore. Namhafte Tempelstralsen . Die profanen Wege in ihren Bea zum öffentlichen er als Gränzlinien u. s. w. 2 a als Gegenstand der Velalung in Seen En A Die Wegegötter und ihre zur Ausstattung der Wege benutzten Symbole, ale attischen Hermen etc. A Fulswege (Treppenwege) mit Rastörtern Baumpflanzungen, Ausweicheplätze u. s. w. . Schriftliche Wegedenkmäler . Die Gräberstralsen der Griechen: der Gräber Anlage neben den Stralsen B ihre auf den Weg bezüglichen Inschriften (Wandergrüßse) . 211-213 213-217 217-218 218-219 219-220 220-226 227-229 229-230 230-234 234-236 236-238 238-240 240-242 243-246 246-248 248-252 252-254 254-256 256-258 258-264 264-265 Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. die öffentlichen Begräbnilsplätze, namentlich des Kerameikos und ihr Verhältnils zum Staate . die Gräber an den Thoren ren, Mi Ringmauer und Stadtthore in ihren Beaehngen zum Wegebau Anlage der Thorgänge. Haupt- und Nebenthore . Brunnen, Bäder, Sitze u. s. w. an den Thorwegen ; i Doppelwege (fornices) der alten Thore und ihre re Be Ein- und Ausgehen; das attische Dipylon . Thorwege in den Stralsen; Marktthore, eneatlich ee Teipylon de Aikens Archegetis in Athen Thorinschriften auf. den Weg bezüglich (Arhribis,, Kailiesy) Thoreingänge zu Grundstücken und Landschaften . Religiös-symbolische Ausstattung der Thorwege Vhorgänn) Namen der griechischen Stadtthore 5 Städtische Stralsen; ihre Anlage und Besukichugeng Absonderung des Privaten und Öffentlichen E Wohnungsbezeichnungen in den alten Städten . Namen und Anlage der städtischen Stralsen, auf Goriesdienst Besiglich ne) Reform des hellenischen Stralsenbaus . im ic 303 . 265-267 267-268 269-270 271-274 274-277 277-279 279-282 282-286 2856-288 288-289 289-290 290-291 291-293 293-294 294-296 296-298 298-301 ’ we var rw; er: WL- The: . apL ie Nast b | % an Keraeı: a {ST er A | i a Gene Pe | RATE ie a a x ya "ont, sah, Da aD a isn ee : Beier ri , A e Be. oa R.: RR AHE W Be re rk A - ish An wie HE Ahr E he HEHE Allan, se HET ro ar Ko re PL mM a a va mg rc I B { LE 17 % ri L) Kai oh ae 2 R ” P ih lol im Pen ee» Fu Ye; nn Pot Pac A am ee non un, genau .. ‚ Hii. Ay = A ze scale. ß | z „ re} & j L Kr yr Fi u - N B ’ a e Hu de i Em k Kan Mn regt a Dune er rg) ig LER; Bi { ‘ Aa # t j 2 e i j REN: Fr j RE a En @ En} o Be ER ie i# & 1-5 a - AR Be j we ee fe "url, 7 ar ae NED ve X: ü Br ' > eo 8 ih Rn Be A Brad ZH 2250 rn Map u ü RD andauern. A u nt ka ” Bi ka a AN En ” ö \ ’ h f' Tun U r FE 3 \ u i . DEE E ; Du i e rn = un ers n mern ya Pr = ar» ar or Min) I NE ı Dei ; Fi 2 tab " Dr A > LER IR VRKEE RN RS von EEE m Fl ch, iR Ear öpe & we none ri IM b HR KERN f In, ü Wirn.dir Sl LTR Pr wu AR u ze ü (len is a : u? N a 2° h w; r Pr Ir ‚ Sale UBER DIE NAMEN DES DONNERS. on > f h"- JACOB Ram. mn [gelesen in der akademie der wissenschaften am 12 mai 1853.] W. alle urwörter der sprache aus sinnlicher anschauung entsprangen, sind auch die ersten götter des heidenthums von dem eindruck herzuleiten, den mächtige naturkräfte in der weichen, empfänglichen seele des menschen hinterlieszen und untilgbar festigten. ihm, der alle irdischen dinge zu be- herschen den mut und das vermögen bei sich fühlte, stand die höhere, sei- nem willen ungehorsame gewalt jener erscheinungen helfend oder schädigend gegenüber, und er beugte sich vor ihnen in ehrfurcht oder schauer. die unnahbare wölbung des himmels, an welchem sonne und mond nach geord- netem wechsel leuchteten, quellen aus dem felsgestein sprudelnd und rastlos rieselnd, stäubende wasserfälle und wirbel, die knisternde, zehrende flamme, das laute gekrach des donners, der einen blitzenden boten voraus entsandte, alles muste des menschen eutzücktes, erschüttertes herz zu frommen empfin- dungen aufregen und ihn seine abhängigkeit von ihm überlegnen wesen ge- wahren lassen, um deren gunst er zu werben, deren zorn er zu fürchten hatte. Sie selbst aber dachte er sich lange in keiner andern gestalt als in der sie ihm sichtbar wurden. so nahe es auch lag bildlich zu vergleichen, die sonne das allsehende auge des tages, den mond das der nacht zu nennen, dem flusz arme, haupt und mund, dem feuer zunge beizulegen, im donner die stimme gottes zu hören; war es doch ein viel stärkerer sprung von der wahrheit des baren anblicks, dasz die phantasie allmälich diesen naturereignissen volle menschliche bildung aneignete und leiblich gestaltete götter der sonne, des mondes, wassers, feuers und donners zu schaffen begann. um solcher ge- stalt willen rückten sie dem menschengeschlecht näher, hbandelten und ver- hielten sich nun auch in menschen weise, zugleich aber wichen sie von ihrer ursprünglichen, einfachen bedeutung ab. Philos.- histor. Kl. 1854. Qgq 306 J. Grımm Es scheint allen mythologischen forschungen geboten, von jenen alten, noch rohen und gestaltlosen, jedoch urkräftigen naturgöttern auszugehen und erst dann zu den menschlich nachgebildeten göttern vorzuschreiten, die dem kern in üppiger fülle entwuchsen. vorzugsweise zur wahrung und hand- habung dieses bedeutsamen unterschieds geeignet musz aber die deutsche mythologie sein und es ist den wichtigsten ergebnissen unserer geschichte beizuzählen, dasz unvordenkliche zeiten hindurch der germanische stamm, während die ihm verwandten zumeist in weltlichste vielgötterei versunken waren, seine aus dem hirtenleben hergebrachten einfachen naturgötter behielt und behauptete. wie golden klingen hier Caesars worte: deorum numero eos solos ducunt, quos cernunt, Solem et Vulcanum et Lunam: reliquos ne fama quidem acceperunt; andere würden zu nennen gewesen sein, auf die sich des Römers beobachtung nicht erstreckte. später noch nimmt Taeitus, der schon mehrere kennt, wahr was mit jener ansicht ganz ım einklang ist: ceterum nec cohibere parietibus deos, neque in ullam humani oris speciem assimilare ex magnitudine caelestium arbitrantur. lucos ac nemora conse- erant, deorumque nominibus appellant secretum illud, quod sola reverentia(!) vident. auch im templum Tanfanae, das übermütige feinde dem boden gleich machten, wird keine bildseule, sondern das heilige feuer gestanden baben, Tanfana war 'Erri@, Vesta, noch näher die skythische Tabiti, und Caesars bericht konnte leicht einen männlichen Vulcan an ihre stelle setzen. unter solchen göttern gedieh sittenreinheit und kraft, wie sie erstaunte Römer den im wald, nicht in städten lebenden Germanen, Galliern gegenüber, zuerkannten. Dieser altgermanische naturdienst bricht auch durch in einem schon den Griechen bekannten gegensatz zwischen alten und neuen göttern, welchen die edda zwischen riesen und asen ansetzt und mit den lebhaftesten zügen schildert. denn die riesen sind deutlich jene elementarische götterschar, die den schwächern, aber gewandteren, in engeren verkehr zu den menschen tretenden asen weichen und unterliegen musz. was in der zeit auf einander folgte, wird hier neben einander als im kampf begriffen dargestellt und der alte volksglaube zieht den kürzeren, eben wie auch in unsern volkssagen die riesen vor den helden das land räumen. (') est Iudaeam inter Syriamque Carmelus, ita vocant montem deumque, nec simulacrum deo aut templum, sic tradidere majores: ara tantum et reyerentia. hist. 2, 78. über die namen des donners. 307 Ich erlese mir, um meine vorstellung von den alten naturmächten zu entfalten, unter ihnen den donner, aus welchem insgemein die erste und vor- nehmste gottheit aller gebildeten religionen entsprossen ist, und dessen ein- druck auf die menschen, so oft er sich Jährlich wiederholt, nichts an stärke und erhabenheit verloren hat. I. Ich hebe an mit den Finnen, ihre wollautige, reiche sprache steht zwar auszerhalb dem kreise der uns urverwandten, dennoch zu ihnen und namentlich den deutschen in unleugbarer berührung (!), deren erste ursachen noch verhüllt liegen. wenn unsere und ihre flexionen auf allen wegen von einander laufen, erzeigt sich in den wurzeln der wörter dafür häufig über- raschendes zusammentreffen, wie es auch der östlichen grenze finnischer und lappischer stämme an die gothischen und nordischen angemessen erscheint. alle diese völker stimmen in der benennung ihres höchsten gottes überein. dem finnischen jumala, estischen jummal, entspricht das tscheremissische juma (*), syrjänische jen (gen..jenlön), lappische jubmel, es hat ihnen heute die allgemeinheit des deutschen gott, slavischen bog, Lönnrot und Castren haben aber dargethan (?), dasz ihm die besondere bedeutung eines donner- gotts zum grunde liegt. Jumala schlieszt in sich jum oder jumu, jumaus, getöse, murren, donner (*), Jubmel enthält jubma sonus, murmur, tonitrus von der wurzel jubmat murmurare, tonare. die schluszsilbe la musz, scheint es, wie in andern eigennamen z. b. Kalevala, Manala als localendung ange- sehen werden, Jumala drückt mithin den ort des donners, den himmel aus und besagt ganz was das altn. Thrymheimr, donnerheim; da es natürlich war die vorstellung himmel auf den herrn des himmels anzuwenden, begreift sich leicht, dasz es auch von gott gebraucht wurde. Beide finnische philologen übersehn aber, dasz die ausdrücke jumaus und jubma ihres gleichen auch in (') siehe auslauf A. (?) nicht ein wotjakisches jümar, wie ich mythol. XXVIII annahm, Wiedemanns wotja- kische gramm. s. 306. 358 lehrt, dasz inmar gesagt wird, was sich freilich auf in himmel = syrjän. jen gott zurückführt. (?) Alex. Castrens vorlesungen über die finnische mythologie. aus dem schwed. über- tragen von A. Schiefner. Petersburg 1853. s. 12. (*) finn. jumi, jumo bezeichnet einen in der wand pochenden, surrenden todtenwurm, Qq2 tarmes pulsatorius. 308 J. Grimm unsrer sprache haben, wodurch die mythologische betrachtung ungemein er- weitert wird. Matth. 8, 1 verdeutscht Ulfilas °%%es mit iumjö, nun aber be- deuten 5%Ass und turba nicht nur auflauf und menge, sondern auch lärm, geräusch, gemurmel, wie es inmitten des zusammen laufenden volks sich er- hebt; da für 04Aes, rAySos, Aacs sonst das goth. managei gesetzt wird, sollte diesmal iumjö den begrif des gesurres der menge hervorheben, und warum hätte es anderwärts nicht auch das murren des donners bezeichnen kön- nen? (!) des gothischen wortes reiner diphthong läszt uns ein starkes iuman aum uman ahnen, das sonare, tonare, murmurare, ejulare bedeutete und im altn. ymi grandisonus, ymr [remitus, ymja umdi fremere, sonare, aumr miser = ejulans erwünschteste bestätigung erlangt. Noch mehr, Ymir ist in den eddischen liedern einer der vorragendsten urriesen, der gleich in den beginn und die schöpfung aller dinge verflochten wird, was sollte sein name, wie freilich noch unerkannt blieb, anders ausdrücken als die göttliche naturkraft des donners, so dasz man befugt ist ihn unmittelbar neben Jumala zu stellen? ihm aber würde auch bei den Gothen eine donnergöttin TJumjö entsprochen haben und ein donnergott Jumja, wenn aus der weiblichen form auf die männliche, wie umgekehrt aus frauja auf fraujö (= Freyja) geschlossen wer- den darf. dem altn. adj. aumr gemens läszt sich ahd. jJämar, ämor, ags. geomor, maestus, gemens gleichsetzen, deren anlaut sich wie in Jumala con- sonantierte, was in so manchen wörtern geschah (z. b. dem goth. jus vos, sunjus für ius, sunius). eos geomre Iyft Cedm. 205, 4 meint geradezu die seufzende, heulende, sausende, murmelnde luft. wenn aber unser jammer, ahd. jämar verderbt ist aus iamar, iomar, wird auch ein ahd. ioman öm umun und ein subst. Iomo, Iomä in dunkle zeit zurück gefolgert werden mögen (?). Die erwägung dieses uralten und bedeutsamen verbums scheint mit allem dem keineswegs erschöpft. da die vorstellung des tons und schalls unmittelbar an die der erregten luft reicht, so begreift man, wie auch das littauische umaras (mit drei kurzen silben auszusprechen) wirbelwind und (') vgl. gal. iomad multus, iomadaidh multitudo, iomain agitare, turbare, iomaghaoth turbo. ähnlich im irischen. (?) eine bestätigung der von Ymir gegebnen deutung ist auch aus seinem nebennamen Örgelmir und dessen nachkommen Thrudgelmir und Bergelmir zu entnehmen, da in gelmir wiederum die vorstellung galm sonitus, fragor enthalten ist. örgelmir = urdonnerer. über die namen des donner:s. 309 ungestümen windstosz ausdrückend ganz unser Jjammer zu sein vermag. ihm zur seite findet sich ein adjectivum umarus ungestüm, hastig und das einfache umas schnell, plötzlich, d.h. windschnell. Hieraus aber darf geradezu ein der littauischen mit allen slavischen sprachen gemeines, weit verbreitetes und nur noch abstract verwandtes wort erklärt werden. das littauische umas ist sinn, verstand, gemüt, seele, der pl. umai drückt aus sinne, gedanken. allen Slaven bedeutet oum, um geist und seele, niemand hat bisher nachgewiesen, was ein so schönes wort ursprünglich meine, es musz, wie unser geist und athem, nichts anders aussagen als wehen, wind und luftbewegung, spiritus ubi vult spirat, oder nach unserm Otfried: ther geist ther bläsit stillo thara imo ist muatwillo. um, umas ist die göttliche, in wind und wetter rege kraft und die persönlich gedachten Iumala und Iumjö bekennen dieselbe wurzel, wir sehen die ein- stimmige vorstellung des erhabensten gottes unter Finnen, Littauern, Slaven, Gothen und Scandinaven einheimisch. im sanskrit zeigt sich um nur als bloszer ausruf, unserm ach! vergleichbar, auch wird Umä als frauenname an- geführt, dessen bedeutung entgeht. II. Noch ein andres goth. wort hätte anspruch auf gleichen sinn mit dem eben erörterten iumjö, nemlich hiuhma m., das wiederum für &yAcs oder r?4Sos verwendet wird Matth. 8, 18. Luc. 1, 10. 5, 15. 14, 25, zwei- mal hiuma Luc. 6, 17. 8, 4 geschrieben ist. welcher von diesen schreibun- gen man den vorzug geben wolle, beide führen gleich dringlich auf die ver- mutung, däsz auch hier der goth. ausdruck die bedeutung von geräusch habe und beide leiten uns zu einem andern eddischen riesen Hymir, der mit Thor wegen des kessels, wie Thrymr wegen des hammers in streit gerieth, jedes- mal von dem asen besiegt wurde, weil die alte naturkraft dem jungen gott zu weichen bestimmt ist. im wörterbuch steht hüm erepusculum, hüma vesperascere, hyma dormiturire, humma admurmurare angegeben, welches letzte dem vorhin zu Ymir beigebrachten ymja entspricht. mit dem begrif der einbrechenden, überfallenden nacht liesze sich leicht die vorstellung eines geräusches verknüpfen, wie das herannahende aus der ferne murrende ge- witter dunkel und finsternis mit sich führt. entscheidender wird, dasz von neuem die finnische sprache in ähnlichen wörtern den sinn von donner und geräusch darbietet, wobei zu erwägen ist was unter VIII über hiuhma bezüg- lich auf hiufan ejulare gesagt werden soll. humaus oder huma drückt aus 310 J. Grimm susurrus, murmur, bombus, humaan murmur edo, humahdan murmur subitum cieo, huuhmadun obmurmuro und mit verschobnem laut kumaus sonus subi- tus, clangor, kumahdan resono, tundo, ferio, kaum darf noch in zweifel stehn, dasz im goth. iumj6 und hiuhma, hiuma dieselbe vorstellung zu suchen sei, die sich in den finnischen ausdrücken offenbart. die bedeutsamkeit der nordischen donnerriesen Ymir und Hymir wird durch den nachgewiesenen gothischen und finnischen einklang auf das doppelte erhöht. es ist dies eine kleine, aber wichtige entdeckung für unsere älteste mythologie überhaupt, und manches musz sich daraus folgern lassen. III. Man könnte einwerfen, in diesen gothischen wörtern sei nur der begrif des geräusches, der turba, nicht der bestimmte des donners enthalten; bei einem dritten, noch merkwürdigeren ausdruck wird ein solches bedenken gar nicht obwalten. Ulfilas, der im alten testament das wort donner nach seiner vollen sinnlichen bedeutung zu verdeutschen gehabt hätte, dann auch in der offenbarung Johannis, wenn er zu deren übertragung gelangte, wieder- holentlich darauf gestoszen sein würde, liefert es in unsern bruchstücken nur zweimal, nemlich Mare. 3, 17 und Joh. 12, 29, beidemal unter eigenthüm- lichen bezügen des textes selbst, auf die ich im verfolg zurückkommen werde. in der ersten stelle gibt er den zunamen der Zebedaer Boanerges, 0 Errıw viol Boovräs, vulg. quod est filii tonitrui, Ppata ist sunjus beihvöns, und Joh. 12, 29 Aeyev Raevray yeyevevaı, vulg, dieebat tonitruum factum esse, qepun beihvön vairban. er schlieszt sich also darin näher an den griechischen text an, dasz er ein weibliches substantiv wie Raovrn, nicht ein männliches wie tonitrus oder unser heutiges donner verwendet. sein beihvö, wenn man dahinter, wie hinter donner, ein höheres wesen zu vermuten hat, läszt sich als göttin, nicht als gott an, und die donnerin Theihvö stände auf gleicher reihe mit Iumjö. was aber vor allem ist aus diesem beihvö sprachlich zu machen? die buchstaben gemahnen an leihvan deiwader, ahd. lihan, denn das dem goth. h folgende v verliert sich im ahd. und aus saihvan wird söhan, aus ahva aha, folglich wäre beihvö in ahd. dihä, oder nach heutiger aussprache umzuschrei- ben in deihe. unserm deihen, gedeihen, ahd. dihan entspricht aber goth. peihan erescere, ohne h, steht also von beihvö ab und es schiene auch schwer aus der vorstellung des gedeihens und wachsens die des donners ungezwun- gen herzuleiten. Zunächst ist uns nochmals die finnische sprache zu auskunft und hülfe bereit. wie jumaus, humaus, kumaus heiszt auch teuhaus strepitus, über die namen des donners. 311 tumultus, tohu strepitus, tohina sonus tumultuantium, tohotan sonum cieo, touhaan strepo, touhina was tohina, tomu sonus gravis, tumultus, pulvis, tuhoan tumeo, reprimo, tuhutan sonum sibilum cieo u. a. m. der waltende vocal ist unverkennbar u, o, ablautend in eu, ou und liesze statt des goth. ei ein iu gewarten, doch nie findet sich hy nach iu; war biuhvö dem goth. organ zuwider und ward es zu beihvö? die wurzel scheint Piuhan premere, wie sie noch im ahd. diuhan aufzuweisen ist. ich gewahre auch eines seltnen ahd. frauennamens Gartdiuhä (Graff 4, 253. 5, 219), in dessen zweitem theil diuhä = goth. peihvö enthalten scheint, und den ich deute “die im haus, auf der erde, in der welt donnernde‘, offenbar eine donnergöttin, wie Theihvö, oder wenn man auf menschen auslegen wollte, wenigstens wolkendrängende zauberin, in jedem fall hat die benennung mythischen gehalt und ursprung. ob sich der gleich vereinzelt auftretende männliche name Diho (Graff 5, 216) mit Diuhä einigen lasse, müssen weitere beispiele beider formen entscheiden. Gart mag an die altnordische Gerdr und noch an Thorgerdr, Freygerdr (Frö- gertha bei Saxo) klingen. Vonnöthen wäre nun in die beschaffenheit dieses piuhan, diuhan und touhaan näher einzudringen. bedenkt man das schwanken finnischer inlaute zwischen h und s (mehi und mesi honig, hanhi gans, tuhat tausend u. s. w.), so stimmte zu touhaan sonare das freilich sehr vereinzelt stehende skr. tus (Bopps gloss. s. 155°), noch mehr das altn. bysia proruere, bys tumultus, strepitus, Pausn strepitus tumultus, das ahd. dösön sonare, unser tosen (Graff 5, 229). dagegen hat ahd. diuhan, dühan die bedeutung von premere. cogere, tundere, wie sie auch dem nnl. douwen eigen ist. ahd. diuhil ferrum rude, nhd. deuhel (Schmeller I, 363) scheint von seiner rohen bearbeitung so zu heiszen, sehr treffend erklärt sich ahd. dümo, nhd. daume, ags. püma aus dühmo von dühan, weil die hand mit dem daumen aufdrückt (!); die goth. form würde wahrscheinlich lauten piuhma, und da der donner durch spannung oder druck der luft hervorgebracht wird, so fänden jenes diuhä und peihvö ihre befriedigende erklärung. vielleicht lieszen sich damit selbst die sformen vereinbaren und der schall überhaupt aus der gedrückten und gestosznen luft verstehn. IV. Die vorstellung premere möchte ich hier um so weniger fahren lassen, als dadurch mittel an hand gegeben werden, andere mit gleichem (') vgl. auslauf B. 312 J. Grimm lingualanlaut versehene ausdrücke des donners den wurzeln tus oder tuh zu verknüpfen. Unser gewöhnliches donner lautete mhd. doner, ahd. donar, ags. bunor, welche zugleich für den namen des heidnischen gottes dienen und als solche in Donnerstag, dem namen des fünften wochentags, so wie den ortsnamen Donnersberg, Donnerseiche, Donnersbühel, Donnersmark und ähnlichen heute fortleben. in diesem donar liegt zunächst die wurzel deh- nen, goth. panjan, ahd. dennan, mhd. dennen, denen, skr. tan, gr. ravuuaı, reivw, lat. tendo, wiederum weil der donner eine spannung der luft ist und dehnen dem diuhen, drücken gleichsteht: ots re Zeig Auırara rewy. 1. 16, 365. Zeopuges BaScen Aaıramı rurrwv. 11, 306. Zeus spannt den sturm, der westwind schlägt mit dem sturm, wie rurrew für sich schlagen, stoszen, prasseln, donnern, »rurew lärmen, KrUmes was jenes beihvö. schall und krach folgen dem schlag oder stosz unmittelbar. Es ist wol die frage, ob der sturmriese Typhon, den man aus rUpw, dampfe, skr. dhüp erklärt, nicht vielmehr auf suzrw, skr. tup, tubh zurückzuleiten sei? in den dreisilbigen formen Tupweus, Tupawv ist kurzes ypsilon, in den zwei- silbigen langes. der Tipws wäre gleichsam ein rerupws, der im Aetna häm- mert, donner und lärm erregt, ein Ymir und Hymir. Dem lateinischen aus rovos (von reww) weiter gebildeten tonare (') ist im substantiv tonitrus noch tr zugetreten, wodurch auch in andern wörtern die vorstellung eines geräths oder werkzeugs ausgedrückt wird, z. b. in ful- getra, pharetra, feretrum, regergov, aratrum pflug, skr. aritra ruder, in wel- chem ruder, ahd. ruodar ein identisches der, dar enthalten scheint. das d in tendo gleicht unsrer nebenform donder, die nnl. allgemein herscht, viel- leicht dem altn. undr, arcus, weil der boge gespannt wird, merkwürdig steht auch Thundr unter Odins beinamen. A Ferner, wie jenem rurrw in zrurew und »ruUros k vortrat, verstärkt sich tan im sanskrit durch anlautendes s und stan ist in dieser sprache der her- schende ausdruck für tonare, stanajitnu für donner und wolke, aus welcher donner und blitz sich entladen. deutlich zu erkennen ist aber dieses stan im griech. reivev premere, wiederum der vorstellung von diuhan, und (') skr. dhvan weicht doch von jenem tan expandere ab. über dienamen des donners. 313 orevrwg bezeichnet den donnerer. littauisches sten&ti begegnet unserm stöh- nen, ächzen und staunen, franz. etonner, estonner, gleichsam verdonnert, angedonnert sein, auch auf gemere, ejulare hätte vorhin altn. aumr, ags. geomor geleitet. in tan, stan, banjan, unserm dehnen wie stöhnen zeigt sich ganz die selbe folge der wurzelbuchstaben t und n (!); in ruros schlag und schall bin ich geneigt unmittelbare berührung mit beihvö und diuhä zu er- blicken, da rixes hammer leicht mit ruros schlag, das werkzeug mit der wir- kung zusammenhängt, neben rUrrw ein verschollenes rurrw gedacht werden dürfte, das näher zu diuha stimmte. das k in ruxcs verhält sich zum hv in beihvö wie xoreges zu hvabar. einigen sich die wurzeln tus, tuh, tuk, tup, tan und tund auf höherem standpunct, so kann nicht befremden, dasz teu- haus, beihvö, diuhä, rUxcs, rurcs für ein und dieselbe sinnliche vorstellung gerecht sind, wie es auch iumjö, jumaus, hiuma und humaus waren, wenn schon einzelnen der stärkste begrif verloren gehn und nur ein geschwächter verbleiben konnte. V. Überaus merkwürdig stellt sich den formen donar und Ppunor deutscher zunge ein keltisches toran und taran zur seite, in welchen nur n und r ihre stelle getauscht haben; man wird eingestehn müssen, dasz durch solchen voraustritt eines rollenden r die vorstellung des rasselnden donners an kraft gewinne. taran klingt krachender als donar mit nachhallendem r. Einer keltischen gottheit Taran versichert uns schon Lucans ausdrückliches zeugnis in den bekannten versen 1, 440. 441, die sie neben Teutates und Hesus nennen: Teutates, horrensque feris altaribus Hesus, et Taranis scythicae non mitior ara Dianae. bis auf heute drückt taran in cambrischer und welscher, toran in irischer, torrunn in galischer sprache lärm, gekrach und donner aus. jene Taran, weil er sie mit Diana gleich stellt, scheint der Römer weiblich aufzufassen, und das welsche taran (armor. kurun) wird auch als f., das irische toran, galische torrunn hingegen als m. verzeichnet, gott oder göttin sind hier gleichviel. mit angelehntem kehllaut gilt auch galisches tairneach, tairneanach m., wie man auf inschriften (am Oberrhein und an der Mosel) einen deus Taranucnus (') auch finn. panen, das sonst dem lat. ponere gleicht, entfaltet unter vielen bedeutun- gen, die des schalls, und Ukko panee heiszt wiederum tonitrus tonat. Philos.- histor. Kl. 1854. Rr 314 J. Grımm oder Taranucus gefunden hat (Zeusz s. 774). ein Ternodorense castrum, im bisthum Langres nennt uns Gregor von Tours 5, 5, heute führt es den richtigen namen Tonnerre, ein altes Taranodurum, der ganze landstrich hiesz le T'onnerrois (?), gerade wie wir oben ein Thrymheim erkannten. wie Ta- ranodorum im gebiet der Lingonen lag bekanntlich der Donnersberg in dem der deutschen Vangionen, worin von neuem die verwandtschaft zwischem keltischem und deutschem cultus vorbricht. Vor allen dingen musz dies keltische Taran und Toran, Torun hin zu der in Scandinavien wurzelnden benennung des donnergottes 'Thorr leiten, dem man gemeinlich ö gibt, besser o lassen würde, wie es in den zusammen- setzungen Thorbrand, Thorfinn, Thorodd, Thormöd behalten ist. ich habe früher gesucht, Thor unmittelbar aus Donar durch bloszen ausstosz des n zu erklären, doch scheint beispiellos, dasz inlautendes n auf solche weise in altnordischer mundart vor r schwinde, so gewöhnlich es vor s geschieht (äs = ans, bäs = bans). natürlicher bleibt also Thorr ganz zu Taran zu stellen, mit rr für rn, wie in sterro für sterno; zwischen dem nordischen und kelti- schen sprachzweig bestehn auch sonst unleugbare berührungen. neben Thor erscheint zugleich der frauenname Thörunn, gen. Thörunnar, dem ich mythi- schen ursprung zutraue und willkommen begegnet die göttin Taran jener Iumjö, Theihvö und Gartdiuhä, wir werden bald sehen, noch andern. In den veden soll Taranis beiname des donnergottes Indra sein. VI. Es leuchtet ein, dasz gleich den Finnen, Deutschen, Römern und Indern auch die Kelten vom schall ausgehen, wenn sie die wirksamkeit dieser gottheit in namen fassen; nicht anders im grunde verfahren Griechen und Slaven, da sie ähnlich lautenden benennungen mehr den sinn des treffen- den, einschlagenden donners beilegen, die handlung selbst vor der wirkung heraus heben, wie wir vorhin schon im beispiel von xrumes und ruros gewahr- ten. Thor wirft aus der wetterwolke seinen hammer oder keil und schlägt krachend ein. Das altslavische Perun reicht, wie unser Donar, tief in die heidnische zeit zurück, den Polen lautet es Piorun, den Böhmen Perun, Peraun und seine herleitung von prati, im praesens peru ferio, tundo, scindo, conculco, (*) chartes bourguignonnes inedites des 9. 10 et 11 siecles, par Joseph Garnier (mem. pr@sentes A l’academie. tome 2. Paris 1849) p. 51, 77. über die namen des donners. 315 womit das lat. ferire, ahd. perian, mhd. bern identisch ist, liegt auf der hand. es ist der treffende, schlagende donnergott, zu bezeichnung des schallenden, tosenden donners dienen andere. Diesem Perun entspricht, nur mit geändertem anlaut, das weibliche kurun (den umständen nach gurun), welches die armorischen Kelten statt Torun setzen: kou6zed eo ar gurun war va zi, der donner ist in mein haus gefahren. nach Villemarque soll man auch kudurun aussprechen hören. Vorzüglich aber gleicht hier das griechische HEDaUvoS, zwar nirgend mehr be- nennung eines donnernden gottes, nur des von ihm geschleuderten, zerrei- szenden blitzstrahls. an der wurzel xeıw, tondere, scindere, wozu auch nEgas, das stoszende, brechende horn fällt, wird sich nicht zweifeln lassen, doch steht die bildung negauves in der sprache ohne alle analogie und unent- hüllt. mir wenigstens ist gar kein anderer griechischer name dieser ableitung bekannt. denn in @auvcs schmelzofen hängt die gestalt näher an der wurzel selbst. ebenso einsam liegt unter den verben das einzige &iavvw, während nomina und verba auf «wos, awa, aivw in menge sich darbieten. das gesetz der ableitungen «uvcs, avvw ist zurückgetreten, musz aber nothwendig von der lautreihe u, wie «vw von i ausgehen, so dasz dem «vvw unmittelbar das vvw der verba BaSvvu, Lagvvw, nduvu und aller ähnlichen begegnet, die sichtbar von BuSus Bagus dis stammen. erwägen wir nun, nach dem umschlag der ulaute in den ilaut (!), dasz von yAvzus yAvzamw für yAvzuvw eintrat, von üdvs aber rduvw haftete, so wird auch das einfache kurze v der steigerung in «u fähig, folglich neben yAvzıvw ein yAvzavvw, neben örguvu ein ärgavvw denkbar und manche aww lieszen sich umsetzen in «uvw. zegauves, nach solchen vor- aussetzungen allen, müste im hintergrund ein nEgus gehabt haben, welchem in der that das goth. hairus, alts. heru, altn. hiörr gladius entsprächen, diesen aber liegt goth. haurn, abd. horn, lat. cornu, skr. sringa unmittelbar ver- wandt, vielleicht auch ist das altn. hyrr ignis und goth. hauri pruna anzu- schlagen, da für schwert und lichtstrahl noch andere wörter gemeinschaftlich sind, vgl. zu goth. lauhmuni blitz altn. liomi, licht und sehwert. (?) war nEpUS schwert, strahl, pfeil, so ist nEgauvos der geschleuderte strahl oder hammer des donnergottes und dem donnergott zur seite stellt sich auch ein schwertgott. C ( P} 8 ar E) Bi: ER De \ Be ) EIvoL «09 FTARVUTVAES Eeywv Ev KErdt TaYEm s. auslauf C. gi2E7.0V Asregory. I. 14, 385. Rr2 316 J. Grımm VII. Im keltischen Taranuenus sahen wir einen gutturallaut dem Taran hinzutreten, wie noch im galischen tairneach; auch diese verstärkung der ein- fachen wortform führt zu fruchtbaren analogien. denn gerade so verhält sich ein littauischer donnergott des namens Perkünas, in der lettischen sprache Pehrkons, zu dem slavischen Perun, selbst unter den Morduinen soll Porguini vorkommen, und an Perkunas schlieszen sich wiederum deutsche bildungen. in der nordischen mythologie heiszt Thors mutter, die göttliche erde Fiör- gyn, was unmittelbar auf eine donnergöttin Theihvö und Diuhä, die an macht ihrem sohne gleich kommt, ja in der zeit ihm vorangeht, gedeutet werden darf, und auch die Littauer wissen von einem weiblichen wesen Perkunatele. mit Fiörgyn aber stellt sich sicher zusammen das gothische fairguni, was bei Ulfilas der gewöhnliche ausdruck für berg ist, obschon aus bairgahei erhellt, dasz ihm bereits die verschobne form bairgs = ahd. perac, nhd. berg bekannt war. für gebirg und waldgebirg haftete aber noch fairguni, wie unter den Hochdeutschen und Angelsachsen ein firgun, firgen neben pere und beorg. umgekehrt hat in Norwegen bis auf heute die stadt Bergen, urkundlich Biör- gyn (gen. Biörgynjar, wie Fiörgyn Fiörgynjar) ein b angenommen. die ört- liche bedeutung von fairguni und berg scheint sogar die ältere und der per- sönlichen von Fiörgyn und Perkunas vorher gegangen, anders ausgedrückt, die donnernden götter jüngerer zeit haben im hintergrund ältere elementa- rische wesen, bergriesen, die mit erde und wald oder waldgebirge noch in festerem verband stehn. in berg und bergen ist die vorstellung des hegenden, bergenden enthalten, die von der des treffens oder schlagens in Perun absteht. den namen der stadt Bergen hat ein neuerer forscher (!), nach der schreibung Biörgvin, gedeutet aus vin, was einen behaglichen platz, weideplatz aus- drücke; kaum aber läszt sich das goth. neutrum fairguni dem f. vinja weide nähern, und fairguni gleicht als bildung von glitmuni, lauhmuni, gairuni, welche zwischen n. und f. schwanken. auszer Fiörgyn erscheint denn auch in der edda ein männlicher Fiorgyn, gen. Fiörgyns und Fiörgvins, welcher wol dazu berechtigte einen gothischen Fairguneis aufzustellen, um das volle gegen- bild von Perkunas zu empfangen. Fairguneis würde die vom berge niederfah- rende gottheit, das gewitter (litt. perkunija) bezeichnen, den auf der axgıs des Olymposthronenden Zeus. mit übergang des fin h dürfte selbst der name des (') P. A. Munch historisk-geographisk beskrivelse over Norge. Moss 1849. s. 30. über die namen des donner's. 317 groszen waldgebirges ‘Egxuvios dgvuos zu fairguni und Fairguneis gehalten wer- den, wenn man nicht vorzieht jene aus goth. airkns, ahd. erchan, ags. eor- can herzuleiten. unsere vorfahren konnten sich ihren gott des donners nicht getrennt von wald und gebirge denken und an der stelle des slavischen Perun erwuchs ihnen Fairguneis und Fiörgyn, den Littauern Perkunas und Perku- natele; vor Donar und Thor erblichen später jene namen. mit Porguini und Perkunas scheint sich auch das ungr. dörges donner, mennydörges himmel- donner, egdörges dasselbe, dörög az &g, es donnert (') zu berühren. Eine allen diesen vergleichungen entgegen laufende deutung des goth. fairguni aus dem skr. parvata berg, dem sl. br’do elivus hat Bopp im glossar s. 212 vorgeschlagen, und Schweizer in Kuhns zeitschrift 1, 157 unter- stützt. dabei wird dem kehllaut in fairguni, also auch in berg keine rech- nung getragen und der nachgewiesne zusammenhang zwischen fairguni, Per- kunas, Perun, Taran, Taranucus geht unter. eher noch zu begründen scheint ein verhalt zwischen Perkunas, dem skr. Pärganja, regengott und dem arme- nischen jergin himmel, woneben aber auch wergin besteht, das man mit ouge- vos und skr. Varuna, dem gott der gewässer vergleicht (?), wie der regen vom himmel strömt. so viele berührungen der formen und begriffe flössen dann ineinander. VIII. Dem wechsel der anlautenden stummen consonanz in den wör- tern des schalls und donners kommen noch andere benennungen zu statten. die altn. sprache gewährt pruma für donner und gestöhn, pruma oder Prymja für donnern und seufzen, und in einem der herlichsten eddalieder ragt Thrymr hervor, der sich in besitz des donnerhammers gesetzt hat, dem er von Thor und Loki erst durch list wieder entwunden werden musz. hier stehn also beide donnergötter sich gegenüber, der natürliche und asische und es versteht sich, dasz dieser über jenen den sieg davon trägt. riesenland hat den namen 'Thrymheimr, was wir oben mit Jumala zusammenbielten. ein späteres schwedisches volkslied (Arwidsson no. 1) entstellt Thor in Tor- kar, Thrymr in Trolltram, d.i. trölla prymr. die Norweger sagen, wenn es donnert: torden skyder efter troll, Thor schieszt nach den riesen, und die Schweden verknüpfen Toren oder trollen im sprichwort. Thor verfolgt den alten donnerer als bitterster feind, er will nicht leiden, dasz er ihm ins (') Magyar mythologia, irta Ipolyi Arnold. Pest 1854 s. 10. (?) zur urgeschichte der Armenier. Berlin 1854 s. 12, 224. 29, 794. 318 J. Grimm donneramt greife. aus Prymr entsprang das lappische tiermes, diermes für donner = pruma, und auch den ugrischen Ostjaken ist Torm, Turm, Torom bekannt (!), vgl. ungr. dörmögni murmeln, brummen. bemerkenswerth ist auch der eigenname Thrumketill, donnernder, brummender kessel (?), ganz wie Thörketill von gleicher bedeutung, diese mit ketill zusammenge- setzten namen verdienen ein andermal nähere mythische beleuchtung. Hymir war in des kessels, Thrymr in des hammers besitz. pruma und brymr schei- nen aber im ags. Prym cohors, turba enthalten, gerade wie iumjö und hiuma aus der vorstellung des donners und lärms in die der menge übertraten; ver- wandtliegen also buchstäblich lat. turma, turba und turbo sturmwind, gewitter. Nicht anders scheinen sich mittellateinisches und griechisches drungus, Öpouyyos, globus militum (Ducange 2, 943) zum gothischen drunjus bIoyıyos zu verhalten, das leicht in druggus entstellt werden könnte. man vergleiche nicht nur unser dröhnen, nnl. dreunen, sondern ital. trono, span. truono, neben tuono, wo sich das eingeschobne r dem in taran, toran neben tonus und tonitru als unserm donder, donner vergleicht. Allen Slaven ist grom” tonitru und gr'mjeti tonare, die Polen schrei- ben grom und gromic, die Böhmen hrom und hromiti, wiederum aber be- deutet gromada, hromada haufen und geräusch = iumjö. die einstimmung mit der gothischen, finnischen grundansicht kann nicht offenbarer sein. ich habe schon einmal bei anderer gelegenheit (?) unser haufe dem goth. hiufan Senveiv an die seite gestellt, es stünde zu hiuhma (für hiufma?) wie das vermutete juman zu iumjö6. zu grom sei noch bemerkt, dasz auch in deutschen land- strichen gesagt wird es grummelt, wenn aus der ferne her der donner murrt. ein Donnersberg in Steier heiszt Grimming, einer in Böhmen Hromolan. litt. grauja, es donnert, growimmas donner; ir. crom, cruim donner, franz. grommeler brummen. litt. Perkünas grauja, grumena, Perkunas donnert, wittert. Endlich auch lippenanlaute. ahd. präman pram, rugire, entspricht dem lat. fremere; prömo ist die brummfliege, mhd. brem, nhd. bremse vgl. finn. parma. das mhd. verbum tritt über in brimmen bram, das nhd. in (') Castren finn. mythol. s 50. (?) umgekehrt Hvergelmir, kesselrauschen, der mythische brunne. s. oben über Örgel- mir, Thrudgelmir. (?) über verbrennung der leichen. s. 221 (33). über die namen des donners. 319 brummen, brummte, und ausdrücklich heiszt es: die wolken brummen, das gewitter brummt aus der ferne. Gr. Razuw was fremo, Bass fremitus, Bein zorn, schnauben, Baıuw die zürnende göttin, Hekate oder Persephone, Boouıcs, der lärmende, rauschende Bacchus, Bgevrn donner, Bgevr@v donnern, Bocvrns ein donnerschmiedender cyelops, wo sich nt auf die gewöhnliche weise aus m entfaltet. IX. Welchem philologen hat nicht das schwanken der anlaute in is xıs und 71, in m&s x@s Tas (rws), in quidquid und pidpid, in kataras noregcs hvabar und maregos zu schaffen gemacht? ebenso tauschen petora fidvor keturi quatuor rerroges rersages oder revre veure fünf quinque. was für wur- zeln soll man solchen formen setzen? einigemal ist ihre bedeutung nicht geradezu gleich, sondern im kehl- oder lippenanlaut frage, im zungenanlaut antwort gelegen, obwol auch gr. rıs fragt. niemand verkennt, dasz auch perun, kurun, negauvcs und taran, ebenso dasz Perkunas, Fiörgyn, Taranucus, dasz pruma tiermes grom freme geuw zueinander streben; niemand dasz die bildungen und bedeutungen von jumj6 jumaus umas hiuhma humaus kumaus tumor teuhaus beihvö diuhä vollkommne ähnlichkeit untereinander haben. ich will hier nachholen, dasz den Finnen auszerdem eine mit p anlautende form zusteht, denn sie sagen pauhaan wie teuhaan, pöho turgor wie tohu strepitus tumultus, aber auch noch paukaan tono, woher peukalo unser daume. diesem pauhaan, paukaan liesze sich sich unser bochen oder pochen, klopfen, stoszen wol vergleichen. beinahe durchgehends, so weit zu beobachten ver- gönnt ist, zeigen solche wörter einen übergang aus dem sinnlichen schall und ton in die abstraction von menge, schar oder haufe, einmal auch, und desto merkwürdiger den schritt aus der fülle des geräusches zur stillen sammlung des gedankens. Von ähnlichen wortbildungen ist es recht auf ähnliche und verwandte wurzeln zu schlieszen, unerlaubt wäre sie alle auf eine gleiche zurück zu führen; die verschiedenheit der menschlichen sprachen gründet sich eben darin, dasz jede derselben eine manigfaltigkeit von wurzeln niedergesetzt und entfaltet hat, die sich an näheren oder ferneren sprachen wunderbar abspie- gelt, in keiner von ihnen aufgeht. daraus folgt auch, dasz jede sprache ihre eignen gänge und pfade hat und nicht willkürlich aus ihnen gesprungen wer- den darf. jenes vedische taran, auf die skr. wurzel tr oder tar gebracht, würde den treffenden, für blitz als donnerkeil gerechten sinn des durchfah- 320 J. Grımm rens zu gewähren scheinen; doch wer getraute sich Perun zu meot, mega, fairguni zu fair (unserm ver) zu fügen? da alle partikeln am ende selbst aus lebendiger wurzel sprieszen, so ist es gewinn, nach ihr zu graben und auch die partikel mit aus ıhr zu deuten. wie die gestirne des sonnensystems sich nicht nur um die sonne bewegen, sondern auch um ihre eigne achse dre- hen, musz den sprachen auszer dem groszen gesetz, das sie lenkt, auch noch ihr wärmerer eigener verhalt gelassen werden. erst indem sie wechselnde formen und bedeutungen mitten in den stetigen anerkennt, gewinnt die ety- mologische forschung ihre rechte freiheit. X. Ich schreite fort zu einer der ältesten frischesten auffassungen des donners, die zumal im volksglauben der völker gesucht werden musz, unter welchen sich die naturgötter am längsten behaupteten. Der erste und schönste bezug, den schutzbedürftig das menschliche herz auf die götter fand, war dasz es sie wie väter anbetete und überall wer- den sie als himmlische väter des sterblichen geschlechts verkündet. vorzugs- weise in dieser würde erscheinen aber die donnernden götter und damit ist an sich ihr oberster rang im himmel ausgesprochen. hohe berge, die ihr haupt in die wolken strecken und von welchen der donner niedersteigt, heiszen bei vielen völkern groszvater, Etzel, Attila (!), was neues licht verbreitet über Fairguneis und fairguni: donnerzott und donnersberg werden in der betrach- tung untrennbar, vom gebirge fährt der vater herab. Zevs raryg und Jupiter, wie es schon die namen unmittelbar enthalten, sind väter des himmels. die Finnen, wenn donner vernommen wird, sagen isäinen panee, der vater don- nert; Ukko panee, der groszvater donnert; Ukko pauhaa der groszvater toset, wie es auch heiszt tuuli pauhaa, der wind stürmt, aallot pauhaavat, die wogen rauschen; Ukko jyskyy, groszvater tobt. die Tschuwaschen asladı andat, der groszvater singt (auszer asladi drückt ihnen auch mung-asi beides grosz- vater und donner aus). die Lappen atjekuts klipma, dudna, väterchen kracht, tönt; aija Jutsa, groszvater schallt oder tönt. die Esten, wanna issa hüab, wanna essa wäljan mürrisejs, der alte vater drauszen brummt. die Littauer, d@waitis grauja, der liebe gott grummelt; die Letten wezzajs kahjäs, wezzajs tews barrahs, der alte vater hat sich auf die beine gemacht. auch die Baiern noch: der himmeltatl greint. anderwärts in Deutschland unser herrgott ist drauszen und zankt oder keift. ©) Haupts zeitschrift 1, 26. über die namen des donners. 321 Ukko, der name des finnischen donnergotts, bedeutet groszvater, alt- vater, greis, entsprechend dem ungr. agg greis, ostjakischen jJig vater, jaku- tischen aga, aka vater. taivahan ukko, altvater des himmels, war epithet für Jumala, den gott des himmels, und wiederum taivahan jumala epithet für Ukko.(') bedeutsam musz aber dieser finnische Ukko in Yggr, dem eddi- schen beinamen Odins anerkannt werden, und der identität von Jumala und Ymir tritt die von Ukko und Yggr festigend zur seite. XI. Wenn das heidenthum allen hohen göttern wagengespann bei- legt (?), so kann es nirgend passender sein als für den donner, dessen rollen ganz einem vorüberfahrenden schweren wagen gleicht. den Griechen er- schien die Bgovrn als oynua reü Aıcs. die snorrische edda stellt Asapörr und Okupörr als beinamen Thors nebeneinander, wahrscheinlich meint dieser den alten, elementarischen, jener den asischen gott, denn ihn gerade läszt sonst die edda (wie vorhin die Letten) zu fusz gehen. unterm volk herscht die vorstellung des wagengottes. die Schweden sagen: godgubben äker, der gute alte fährt, goffar kör, der gute vater fährt, den in ganz Schweden gangbaren ausdruck äska blitz verstehe man äsikkia, äsaka, fahren des goltes, der hier as genannt ist. darum heiszt das gewitter altn. reidarbruma, wagendonner, und der blitz oder donner selbst reid, wagen, rheda; ags. Punorräd, don- nerwagen. Im innern Deutschland begegnet man der redensart vom wagen nicht mehr, wol aber ähnlichen ebenso bezeichnenden. in Holland: onze lieve heer reed door de lucht; in Niedersachsen: use heer speelt kegeln, oder auch, die engel kegeln. in der Schweiz: gott vater rollt dbrenta (milchkübel) über die kellerstiegen. Durch manche andere wendungen wird bei allen völkern das brummen des donners ausgedrückt worden sein. Bopp im glossar 262° hebt aus Rig- veda 35, $S die bedeutung des skr. mä sonare: mugientis instar vaccae fulmen sonat; und 364° aus derselben stelle: vitulum veluti mater, ita fulmen Maru- tes sequitur. Marut ist der wind oder daemon des windes. X. Mit dem donnerkeil, der aus den wolken zündend und schmet- ternd niederfährt, verbanden die völker die vorstellung eines hammers (TUR0s), (') Castrens finn. mythol. s. 27 £f. (?) deutsche mythol. s. 804. Philos. - histor. Kl. 1854. Ss 322 J. Grimm: einer spitzen, scharfen felsenzacke, eines spaltenden schwertes. die älte- sten hämmer wurden aus steinen bereitet und erst später liesz Zeus seinen zegauvcs aus metall schmieden, aber beide bedeutungen des hammers, das klopfen, der lärm, den seine schläge verursachen, wie sein verwunden und treffen kommen dem donner zu. hamar drückt wörtlich stein und fels aus, so dasz auch hier der gedanke an berg und fels, an den berg- gott und bergriesen zunächst tritt. das volk glaubt, Thor wohne, wie die riesen, im fels und schwedische lieder enthalten die beziehungsvolle redens- art locka till Thors i fjäll, zu Thor in den berg locken. Thors bilder füh- ren einen groszen hammer in der hand und der hammer ist ein heiliges, wei- hendes gerät. er heiszt prudhamar (starker hammer) oder mit eignem namen Miölnir, contundens, der malmende, gerade wie die Slaven den blitz ml’nija, molnija, serb. munja von mljeti conterere nennen. Thorsteinn ist gleich jenem Thorketill ein geläufiger nordischer mannsname. den Schweden sind die donnerkeile Thorviggar (altn. veggir, dän. vägger, nhd. wecke), mallei joviales. unter den Christen ward der heidnische hammer zum teuflischen zeichen und hammer drückte teufel aus, wie er den teuflischen wirbelwind, procella bezeichnet. Unser heldenbuch weisz es noch, dasz der donner die riesen erschlägt: du widertuo ez balde, du ungeslahtez wip, oder dir nimet der donner in drein tagen den lip. Haupt 4, 439. es fahren donnersteine und schürsteine: sö slahe mich ein donerstein! MSH. 3, 202°, wo in der überschrift dornstein (dorn = taran) steht; ir jetweders swert gät nider sam der schürstein. Bit. 10332; hiure hät der schür erslagen. MSH. 3, 223°; auch ahd. seür, tempestas wie nhd. schauer ist m., altn. skür nimbus, goth. sküra f., es heiszt sküra vindis, Aatraı, und gemahnt an negauvog von xeıgw oder an das armor. kurun, wenn man s als vorgetreten betrachten will, so dasz xeıgw zugleich auf scöran, scheren, tondere, tundere führt. urverwandt schiene skr. $aru donnerkeil, Sara pfeil, Siras schwert von Sıi rumpere, fin- dere, dem sich xegauvos noch triftiger anschlieszt, da skr. 5 (=c) griech. k, deutsches 4 wird, und schon oben goth. hairus, alts. heru schwert verglichen wurde. unsere dichter geben dem teufel feurige pfeile: über die namen des donners. 323 der wider unsih vihtet mit viurinen strälen. Diemer 337, 9. hairus aber liegt ab vom skr. hira, hiraka, Indras donnerpfeil, der sonst auch vadschra heiszt (Pott 2, 421), von vadh ferire, tundere. Vollkommen dem donnerstein entspricht das Jittauische Perkuno akmu, Perkunas stein —= donnerkeil, das finnische Ukkon kivi, Ukkos stein (vgl. ungr. mennyko, himmelstein, von kö—kivi), Ukkoisen nalkki, Ukkos keil; Ukko iskee tulta, Ukko schlägt feuer, es blitzt. es darf nicht verwundern, dasz eine aus der natur gegriffene benennung auch bei ferneren völkern wiederkehrt. den Mongolen heiszt der donner oktargo-jin aluga, des himmels hammer, oktargo-jin temür, des himmels eisen. noch- mals bedeutet das tibetanische nam-khai tho-va himmelshammer, nam-tschag himmelseisen dendonner. das mongolische tsakilgan, tsakilchu blitzen gehört zu tsakischu, feueranschlagen, türkisch tschakmak. den östlichsten Türken heiszt der blitz ut-tschagyldy, feuerschlag, jener finnischen redensart gleich. (!) Höchst eigenthümlich klingt die bei Mielke und Nesselmann angeführte littauische benennung des donnerkeils Laume&s papas, der Laume zitze, Lau- mes spenys, der Laume brustwarze, ebenso kauk spennis, zitze der alraun. nicht anders wird auch in niederdeutschen gegenden maretett, zitze der mara für den braunen donnerstein gehört. (?) sah man in der bildung eines holen steins ähnlichkeit mit der brust einer vom donner getroffenen mare oder laume? XII. Nach so vielen den buntesten heidnischen bildern des donners sei noch mit einer biblischen, anziehenden auffassung geschlossen, wobei auf den inhalt der beiden schon oben angeführten stellen zurückgegangen werden musz, in welchen allein das gothische wort beihvö erscheint. Marc. 3, 14-19 ist die rede von den zwölf aposteln, die der heiland wählte, und unter wel- chen er drei durch besondere beinamen auszeichnete, es scheint, um ver- wechslungen vorzubeugen, die ohne das erfolgt sein würden, oder um gerade diese drei hauptapostel persönlich zu characterisieren. dem Simon ertheilte Jesus den zunamen Petrus, weil noch ein andrer Simon von Cana in der zahl (') meinem collegen Schott habe ich die mittheilung dieser mongolischen und tibetanischen wörter, so wie noch anderer chinesischer und japanischer zu danken, die im auslauf D un- vorenthalten bleiben sollen. (?) neue preuszische provinzialblätter band 2 Königsb. 1846 p. 380. Ss2 324 J. Grımm der jünger begriffen war. auch Joh. 1, 43 steht von Simon: sü »AnSycn Kndas, 6 Eoumveveru Nlergee. Herg>s kommt schon, obwol selten, als manns- name bei den Griechen vor, und bedeutet wie rerg« einen stein, daher es auch vom verfasser einer gothischen homilie nicht unpassend Stains ver- deutscht wird. auf ihm sollte, wie sich später ergab, die kirche als auf einen felsen gegründet werden (Matth. 16, 18); möglıch aber, dasz zur zeit der namengebung ein andrer, uns entgehender bezug obwaltete. Weit schwerer einzusehen ist, warum beide Zebedaiden, Jacobus und Johannes, den zunamen der söhne des donners empfiengen, von dieser &wıSyxn weisz nur Marcus, bei Matthaeus und Johannes steht nichts ähnliches. Jacobus konnte wol von einem andern Jacobus Alphaeus sohn unterschieden werden sollen und auch Johannes den evangelisten so zu bezeichnen lag nahe, entweder um ihm glei- chen namen mit seinem bruder zu lassen oder um einer verwechslung mit Johannes dem täufer auszuweichen. aus welcher ursache jedoch mögen sie Boavnoyes, 6 &srıw vier Bgevris, vulg. quod est filii tonitrui heiszen? rges ist ein chaldaeisches wort für den donner, es könnte wirklich an jenes bis ins nörd- liche Asien zurückreichende Porguini, an Perkunas oder ‘Egxuvics mahnen. boa soll die galiläische aussprache für ba sein und das hebr. bne pl. von ben enthalten. Luther, um dem hebr. laut näher zu kommen, setzt statt Boa- nerges Bnehargem, das ist gesagt donnerskinder. Ich weisz nicht, wie die theologen von frühe an bis auf heute diesen seltsamen beinamen, der ihnen auffallen muste und nicht ohne genauen sinn gewesen, also mit absicht er- theilt sein wird, erklärt haben. unter 737 hier nicht donner, sondern ein abstractes zorn zu verstehn und auf dıe gemütsheftigkeit der beiden apostel zu beziehen, scheint mir doch nicht ungezwungen. bei Gesenius wird der hebr. ausdruck dem skr. räga, welches Bopp 288° zu con hält, verglichen; das auslautende s mangelt aber, der verfasser des evangeliums nahm den aus- druck ohne zweifel für @gevrn, das niemals ögy7 ausdrückt, die übersetzer, von der vulgata und dem gothischen an, sahen darin das sinnliche tonitrus und peihvö, auch in unsern gedichten des mittelalters, z. b. im passional 227, 59 heiszt es von Johannes: du bist genant des dunres sun. des donners söhne nach hebräischem sprachgebrauch können schüler, an- hänger, lieblinge des donners sein, söhne des bären meint die drei sterne in des groszen bären schwanz. Man halte nun Luc. 9, 55. 56 hinzu, wo die- über die namen des donners. 325 selben Zebedaer, als von den Samaritern dem heiland und seinen jüngern aufnahme geweigert war, fragen: sollen wir feuer vom himmel über sie herab- werfen ? Sereıs eimuuev müg zaraavar; Jesus aber tadelnd antwortet: cüx cidare moleu mvsunares Egre üneis, welche worte im urtext mangelnd gleichwol frühe da gewesen sein müssen, auch Ulfilas vorlagen, der sie wiedergibt: niu vitub hvis ahman& sijup? offenbar meint es: ihr donnersöhne seid gleich fertig mit blitz und donner einzuschlagen, ich aber kam die seelen zu retten, nicht zu verderben. auch das Sereıs eirwuev ist beachtenswerth, willst du, dasz wir mit worten, mit einem fluch das feuer auf sie herabrufen? vermochten die Zebedaer so gewaltige dinge, so gebührte ihnen der name söhne des donners. Die andere stelle Joh. 12, 29 ist für meine untersuchungen noch wich- tiger. als Jesus nach seinem eintritt in Jerusalem von der frucht seines todes vor allem volk redete und belete, heiszt es, sei eine stimme vom himmel ge- kommen, #ASev oiv day &2 rov eugavod, und nun werden die worte dieser stimme angeführt: zai edefara zaı mar defarw. worauf weiter folgt: oüv OyAos 6 EITWS Kul anouTas, EAsye Agevrav yeyovevan anAa Ereyov AyyeAss auTw Aerarnzev. In einer früheren abhandlung glaube ich dargethan zu haben, dasz es undenkbar ist einen leiblichen redenden gott anzunehmen; aus dem zu- sammenhang ergibt sich klar, dasz die umstehenden menschen den inhalt der ausgesprochenen worte nicht vernommen hatten, ein theil des volks hörte einen donner, andere glaubten in diesem eines engels rede gehört zu haben. Die ganze erzählung ist nur bei Johannes, bei keinem der drei übrigen evan- gelisten enihalten, aus dem donnerschlag muste sich von selbst die kunde einer bestimmten göttlichen rede verbreiten, da man gewohnt war den donner für eine stimme gottes zu halten. der donner, wovon auch die spätere ge- schichte genug beispiele gibt, bestätigte ein wichtiges ereignis, wie hier des heilands gebet. Im bericht von der taufe, bei welcher auszer dem täufer und Christus kein menschliches ohr zugegen war, heiszt es übereinstimmig Matth. 3, 17 $wun &u rwv ougavuv Aeysvra. Marc. 1, 11 bwun Eyevero Ex rov olgav@v. Luc. 3, 22 za pwunv EE oügavov yeverSaı Acycurav. Johannes erwähnt der stimme bei der taufe nicht. 2. Mos. 20, 18 steht: und alles volk sahe den donner und blitz und den berg rauchen. da sie aber solches sahen, flohen sie und traten von ferne und sprachen: rede du mit uns, wir wollen gehor- chen, und lasz gott nicht mit uns reden, wir möchten sonst sterben. 2. Sam. 22, 14 der herr donnerte vom himmel und der höchste liesz seinen donner 326 J. Grimm aus. Auch im griechischen epos erschallt Zeus günstiger oder zürnender, grollender donner zu verhängnisvoller that der sterblichen, nie aber wird er in verständliche rede aufgelöst, überhaupt tritt Zeus niemals redend vor men- schen auf, obschon ihm, andern göttern gegenüber, worte beigelegt werden, die eben darum keinem menschen hörbar oder zu verstehen waren. (1) In unsern deutschen volkssagen meint “die stimme von oben’ den schmetternden donner. Wiederum aber heiszt den Japanern der donner kaminari göttliche stimme, den Mongolen oktargo-jin dagon, himmelsstimme; denn was läge näher als sein dröhnen einer stimme zu vergleichen oder umgedreht laute menschenstimme dem donner”? hiesz doch den Griechen stentor ein schreier und einem kanzelredner legen wir in gutem oder üblem sinn lautes oder leises donnern bei. (?) XIV. Mein ergebnis läszt sich so zusammenfassen. die finnischen volksstämme schlieszen in ihren mythischen vorstellungen von Jumala und Ukko sich an die nordischen von Ymir und Yggr, zugleich weisen die finni- schen wörter humaus und teuhaus auf die gothischen und althochdeutschen hiuma, beihvö und diuhä, also wiederum auf persönlich gedachte wesen, welchen der nordische Hymir vollends entspricht. in allen diesen benen- nungen ist die erhabene naturkraft eine tosende, brausende, lufterschüt- ternde. Auch unser donner drückt, wie reiwvew, rreivew, stan und stöhnen die- selbe gewaltige luftspannung aus; im keltischen Taran, welchem bedeutsam das nordische Thor hinzutritt, scheinen N und R ihre stelle zu tauschen. Taran aber reiht sich an Perun und negauvos, wie durch einen kehllaut noch verstärkt Taranucus, Perkunas und fairguni neben einander stehen. Klar enthalten ist in fairguni die vorstellung des berges, von dem der donnernde groszvater niederfährt, der donner ist gottes stimme vom berg. Durch alle diese groszentheils neu aufgewiesenen einstimmungen wird aber ein uralter zusammenhang der europäischen völker von vielen seiten her bestätigt und beleuchtet. (') andere götter, wenn sie erscheinen, nahmen menschengestalt an, reden also mensch- lich, doch erscholl Poseidons stimme gleich der von neuntausend oder zehntausenden. Il. 14, 148. (?) schon Fischart im Gargantua 129°: sanft donnernder prediger. über die namen des donners. 9327 AUSLÄUFE. A Berührung der finnischen mit der deutschen sprache. die beispiele absichtlich aus den anlauten P und T gewählt. paha malus, ahd. pösi, nhd. böse, man darf ein goth. bausis mut- maszen. vgl. litt. baisus, horridus, crudelis, lat. infensus, infestus. das h: s wie in tuhansi. paita indusium, goth. paida, alts. peda, ags. päde, ahd. pheit, bair. pfait, pfoat. vgl. gr. Bar. paljas nudus, calvus, vgl. blosz. paljo multus, goth. filus, gr. rorvs. pelto terra, ungr. föld, alts. folda, ags. folde. pöytä mensa, goth. biuds, ahd. piot, nhd. biet. puu arbor, lignum, pl. puita materies fabricanda, goth. bagms, ahd. poum, nhd. baum, vgl. bauan fabricari. wie fremd sind uns aber die ähn- lich gebildeten kuu luna, luu os ossis, muu alius, suu os oris. taata pater, bairisch tatl, westfälisch teite, vgl. litt. t£was, dimin. tetis, tetatis. tahas massa panis, goth. daigs, ahd. teic, nhd. teig. taika signum, goth. taikns, ahd. zeichan. tapa gen. tayan mos, skr. tapas calor, fervor, altn. beyr ventus egeli- dus, ags. beav mos, alts. thau, ahd. dau. tarvet gen. tarpeen opus, altn. börf, ags. pearf, ahd. darba, nhd. bedarf. teen facio, ags. dön facere, ahd. tuon, goth. taujan, und deds factum. työ opus, goth. taui. teuhaus tumultus, goth. beihvo. tihiä densus, spissus, ahd. diechi, nhd. dick. tuhansi, tuhasi, tuhat, goth. busundi, nhd. tausend. tumma fuscus, obscurus, ags. dim, lat. tenebrae. B Daume, däumling. gerade wie daume, dümo aus dühen, diuhen, drü- cken, knallen folgt auch finn. peukalo aus paukaan fragorem edere und lat. 328 J. Grimm pugnus, gr. ruyun aus pungere pupugi stoszen. überall erzeugt sich im schosze dieser wurzeln die vorstellung eines geisterhaften daumen- oder faustlangen wesens, das in der poesie und volkssage seine grosze rolle spielt. ruyuaics gleicht dem peukaloinen, däumling und zaunkönig, ebenso litt. nyksztelis, von nyksztis daume, beides däumling und zaunkönig. aus dem slavischen pal’tz', poln. böhm. palec daume, finger leitet sich poln. paluch däumling, die Böhmen verbinden dieselbe bedeutung schon mit palec. paleec fällt offen- bar mit lat. pollex zusammen, beide haben keine wurzel wie peukalo und ruykaiss und scheinen eben durch umstellung des k und ] verdunkelt, doch das lappische pelge, pälge zeigen auch die slavische und lat. reihe, dasz sie den vorzug verdiene, wird selbst durch ein skr. bhälakbilja (Bopps gloss. 238°) zu unterstützen sein, das erklärt wird geniorum genus pollieis magnitu- dinem aequans, und bei Wilson: a divine personage of the size of the thumb, sixty thousand of whom were produced from the hair of Brahmas body. es gehört dann gar nicht zu bälaka puer, parvulus, sondern setzt auch ein skr. wort wie peukalo und pollex voraus. der form nach stehn also bhälakhilja, pollex, palec gegenüber dem peukalo und zuynaics. C Wechsel der formen U und I. auf anlasz dieses hier und in unsrer sprache oft wahrgenommenen tausches thue ich einen sprung in die griechische formlehre. Die griechische sprache, der höchsten ausbildung theilhaftig gewor- den und stets auf manigfaltigkeit so wie anmut der wortgestalten bedacht, hat nicht selten mehr ausnahmen von dem einfachen und auch schönen laut- gesetz erfahren als andere sonst in weitem abstand hinter ihr zurückblei- bende zungen. Unter grammatischer motion verstehn wir in sprachen, die geschlechter absondern, die anwendung und erweiterung einer männlichen form auf die weibliche, insofern sie auszerhalb der flexion liegt. denn wenn bonus das *"fem. bona bildet, heiszt das flectiert, nicht moviert, wol aber ist das an sich gleiche verfahren motion, welches aus equus, lupus, asinus, equa lupa asina entfaltet. Doch häufig läszt hier die griechische sprache beiden geschlechtern dieselbe form, und darf irros öves zaunAcs üs sowol männlich als weiblich verwenden, worin ihr die gothische folgt, die nur noch bezeichnender solche über die namen des donners. 329 substantiva der u declination überweist, asilus, ulbandus für m. und f. gleich decliniert, also beidemal den gen. asilaus gelten läszt, drücke er asini oder asinae aus. auch die lateinische udeclination, d.h. die vierte liefert socrus, das in der ältern sprache sowol schwiegervater als schwiegermutter bezeich- nete, später nur für letztere beibehalten wurde, während man das männliche socer bildete, wie gr. &xugcs und £xuga, mev.Segos mevSega sich scheiden, goth. svaihra und svaihro. Im latein gibt es nun kein adjectivum der uform, d.h. den substanti- ven vierter deel. analog, griechisch aber viele adjectiva auf vs, deren flexion der substantivischen auf vs nahe kommt, nicht ganz sie erreicht, da manche adjectivcasus aus der ureihe in die ireihe übertreten, namentlich der dat. sg. m. yAuxei absteht vom dat. i4,Sv1, der dat. pl. yAvzesı von iy,Surı. auch bei solchen adjectiven blickt in der gothischen sprache noch in vielem das reinere verhältnis durch, wenigstens im nom. stehn die adjectiva auf us den substan- tiven gleich, hardus, so viel wir seine casus in den bruchstücken vollständig überschauen, ist nicht nur durus, sondern auch dura. Gerade so hielt es auch noch die epische sprache der Griechen, wel- cher adj. auf vs communia sind (Buttmann p. 251), doch bald forderte der sprachgeist deutlicher vortretende motion und es entsprangen die schönen, wollautigen formen YAurls yAureia, Nous Adele, Boadvs Baudeia, aber mit verletzter lautfolge, die aus u die diphthonge iu und au, aus i die diphthonge ei und ai hervorzieht. (') statt yAvxei« würde erfordert yAurvia, genau wie in jenem dat. m. für yAvxei hätte yAvzvı, analog dem i4,Stı bleiben müssen. yAvzeia klingt lieblich, yAuzvia hätte prächtiger geklungen. Es hat mir nicht gelingen wollen irgend eine spur dieser yAuzvia yovia Apadvie zu entdecken. denn vexus und vezvi« sind substantiva, keine adjectiva, das f. bedeutet todtenopfer, nicht die todte. Wol aber, scheint es, kann ich bestätigung des vermuteten in andern motionen aufweisen, welche ein wesentliches, d. i. zur wortform gehöriges, in der flexion unverschwindendes sigma an sich tragen. lat. thus thuris geht (') im sanskrit stehen sich zur seite prithus, prithvi = rA«ris rrareie, litt. platus plati, goth. braids braida, ahd. preit preitiu. das litt. f. tritt gleich dem griech. aus u in i, das ahd. iu könnte in diesem fall organischer sein als das goth. a. 5 5 Philos.- histor. Kl. 1854. It 330 J. Grimm doch auf ein verlornes gr. Süs Suos, acc. Süv, wie mus muris auf nis. Suia ist aber ein wolriechender baum, gleichviel mit Svev, und für Sis führte man Svos weihrauch ein. nun kommen die eigennamen ®Vs und @vik, worin ich die männliche und weibliche benennung duftender bäume sehe, und welche wiederum den eigennamen Mvs und Mui« aufs haar gleichen. dasz Ovi« als eigenname eine REDITTWMEVN, als baumname s£ei« sein soll, wird sich schlichten lassen. auch auszerhalb jener eigennamen musz ich uvi« für moviert halten aus ws, wiewol jenes maus, dieses fliege bedeutet. denn lat. mus und musca treffen wiederum zusammen, nur dasz diesem ce zugetreten ist, das sein s schützte. zwar die slavischen sprachen trennen mysch maus von mycha myschka fliege, wie auch wir maus von mücke, ahd. muccha; aber in mycha und mücke ist s ausgestoszen wie in uui«, die wurzel scheint uvw HUTW WEWUKE blinzen, wie wir auch blindemaus, blinzelmaus verbinden, was im adverb nulvda zeigt, ital. aber mosca ceca lautet. zu uuew kUrrys, mysterium stehn unser meucheln, heimlich morden, ahd. mücheimo heimchen, grille, umge- stellt heinimuuch, hammemauch (bei Stalder 2, 16) fallen dazu. die vor- stellung der heimlichkeit, des heimlichen nahens trift beide thiere, maus wie mücke. in unsrer sprache tritt dem müchan, meucheln, heimlich morden ein mausen, müsan, stehlen zur seite (lex salica p. XLIV) und im skr. ist musch stehlen, muscha, müscha maus. es wird schwer sein alle diese wörter auseinander zu reiszen und die im skr. abweichende form makschika musca kann nicht irren. Wie im gr. gen. nucs, acc. uöv— lat. muris, murem für musis, musem war also auch in uvi« das s erloschen, wovon wir in der motion des part. praes. rerupws rerupuiu reichsten beweis finden. Bopp hat längst zur über- zeugung dargethan, dasz die flexion ws und vie in diesen participien dem skr. väns usch, fem. uschi entspricht, rerupuie also = tutupusch gesetzt ist, und nicht nur die littauischen und slavischen sprachen besitzen diese partieipia praet. auf us, usi, ein überrest ist uns sogar im goth. berusjös parentes, d.i. qui pepererunt, und vielleicht sonst noch, aufbewahrt. durch diesen inmitten von vie keimenden zischlaut scheint allerdings seine analogie zu den für yAureia vermuteten yAuzvia wieder gefährdet oder gar aufgehoben, es müsten sich denn unerwartet neue aufschlüsse über die gr. adj. declination ergeben. Wesentliches sigma besitzen auch die adjective auf 7s mit dem neutrum € (analog dem ws und os jener part. praet.) rapns vapes, Weudns Wevdes und über die namen des donners. 331 häufig in zusammensetzungen. gewöhnlich sind es communia, die epische sprache bildete aber auch fem. auf ei«, in welchem dann sichtbar das sigma als ausgestoszen zu betrachten ist. an diesem sigma sprieszen noch räthsel, man möchte in allen solchen adjectiven gleichfalls partieipia praet., mit ab- gefalluer reduplication erblicken, so dasz vapns für verapys stände, eumgerns ein vergerys voraussetzte? D Nach altchinesischer vorstellung gibt es einen donnergott, bald lü- tien (donner und blitz), bald lüi-schen (donnergenius) oder lüi-küng (don- nerherr genannt. er fährt auf gewitterwolken einher und schlägt verschie- den gestimmte pauken. Für blitz hat man, neben den eigentlichen ausdrücken, den bildlichen lüi-pien, das ist peitsche oder geisel des donners (donnerers), wie ja auch die naturforscher den donner einem peitschenknall vergleichen. einfach, lüi donner. schen oder tien, blitz, auch schen-tien. tien- mu (mutter des blitzes), eine blitzgöttin, was an jene söhne des donners mahnt. Den Japanern heiszt donner ikatsutsi, ikadsutsi und narukami oder umgekehrt kaminari. ikatsutsi wird für idensisch erklärt mit ikari-utsi d. i. (ietus ex ira). narukami heiszt tönender gott und kaminari götterton, götter- stimme. Für blitz sagen sie inabikari, inadsuma, inadsurabi. fikari (in zusam- setzung bikari) ist licht, glanz. dsuma frau, gattin. tsurubi (in zusammen- setzung dsurubi) ist begattung. ina ist der reis auf dem halme, also reisleuch- ten, reisgattin, reisbegattung. die japanische encyelopädie äuszert sich hier- über also: es ist eine gewöhnliche erscheinung, dasz es in heiteren herbst- nächten blitzet. da nun um diese zeit der reis zur reife kommt, so heiszt ein solcher blitz dessen gattin oder begattung. die Japaner müssen demnach eine hochzeit des reifenden reises in den herbstnächten annehmen. das wort tsurubi kann übrigens auch als zusammengezogen aus tsuruvi begattung und fi feuer gedeutet werden, und dann hiesze inadsumbi hochzeits- feuer, gleichsam hochzeitsfackel des reises, was ein schöneres bild gibt und zugleich viel vernünftiger ist, als wenn man unterm blitze die begattung selber sich dächte. womit begattet sich dann aber der reis? Tt2 332 J. Grımm Hier folgen noch nordasiatische benennungen. den Tscheremissen heiszt, nach Castren, der donner kidär, kidärsä, es donnert kidärtesch, vgl. ungr. dörges, menny-dörges. der blitz valgansä womit das finn. valkia weisz, flamma lucens stimmt, ungr. villämäs blitz. auch wol talgian bei den Mandschus. den Mongolen heiszt donner oder wetterstrahl ajunggu (der erschreck- liche), ajunggalache donnern. den Kamtschadalen (nach Kraschminikov) donner kychkyg, auch kych- schigyna. blitz: amronschtschinatschitsch, auch umetschkyschi und mytl- kysigyna. den Grönländern, nach Fabricius, kädlek donner, kadlersorsoak star- kes gewitter. ingnäglek blitz, schnelles leuchten. immo Über einige verschiedenarlige charakteristische Denkmale des nördlichen Syriens. ae um c. et TER. mnnnnmnnaNNN Ren [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 11. Mai 1854.] | BAER und Phönicien, mit ihren Bevölkerungen der Vorzeit, sind aner- kannt in ihrem historischen Einflufs auf den Gang der Weltgeschichte; auch sind sie, bei der fortschreitenden Rückwirkung Europas auf den Orient, Ge- genstand vieler Forschungen, Bestrebungen und Untersuchungen geworden: weniger ist dies mit der dritten, ihnen sich nordwärts anschliefsenden Nach- barlandschaft, mit Nordsyrien geschehen, die zwischen Libanon und Tau- rus, zwischen Euphrat und dem kurzen mediterranen Gestadelande von Issus und Alexandria (Seleucia, Antiochia) bis Laodicea, meist nur als ein Land des Durchzugs der Völker und der Kriegsheere in der Geschichte hervor- tritt. Seiner eignen, einheimischen syrischen Bevölkerung gänzlich verlustig, ist auch die Sprache dieses Landstrichs eine fast völlig ausgestorbene und von den eingewanderten erst der griechischen, arabischen, türkischen verdrängt; seine ältesten Erinnerungen und Denkmale sind durch den nachfolgenden Glanz der macedonischen,, seleucidischen, römischen Zeiten überstrahlt und überbaut, oder durch die nachfolgende byzantinische Zeit verdunkelt, durch die muselmännische in Vernichtung und Staub zertreten. Nur einzelne Lichtpuncte ragen wie Sterne aus der weiten Einöde, der einstigen paradisischen jetzt zur Wüstenei gewordenen Landschaft hervor, deren Namen jedoch schon hinreichen an die Gröfse der Vorzeit zu erinnern: Damaskus, Palmyra, Heliopolis, Hierapolis, Emesa, Epiphania, Apameas, Antiochia, Seleucia, Alexandria. Aber auch ihr Glanz ist längst verblichen, oder ganz ausgelöscht, und wo sich ihre Bevölkerungen noch hie und da in kleineren Massen lebendig erhalten haben, da ist es nur, weil sie einiger- 3A Rırren über einige verschiedenartige characteristische mafsen zu schützenden Sammelplätzen gegen die allgemeinen Verirrungen und Verheerungen in der weiten menschenarmen und ortsleeren Wüstenei dienen konnten. Die unter den verschiedensten Dynastien, während ihrer Glanzperioden errichteten architectonischen Denkmale einer edlern Cultur- zeit, mufsten bei ihrer Überdaurung gegen die sie umfluthende alles vernich- tende Barbarei der Zeiten, durch ihre Pracht und hervorragende Grölse eine um so erhöhtere Theilnahme erreichen, da alles Andere, umher, in Staub zerliel. Auch hat das Grofsartige ihrer Gestaltung, die Schönheit ihrer Ver- hältnisse, der Geist ihrer Werkmeister die allgemeinste Anerkennung in der wissenschaftlichen wie in der Kunstwelt gefunden oder doch wenigstens angeregt. Weniger scheint jedoch dies bisher der Fall gewesen zu sein bei einer Reihe anderer Denkmale welche weniger in das Auge fallend sind, nicht von einzelnen bekannteren Werkmeistern und Kunstperioden ausgingen, sondern aus den Gebräuchen ganzer Völkerschaften und aus dem Naturverhältnisse selbst, seit den uranfänglichen Zeiten, hervorgingen und nur mit der Zeit ihre weitere Entwicklung gewannen, die aber eben darum als ächt characte- ristische Erscheinungen für das nördliche Syrien hervortretend, von der gröfsten Bedeutung für dasselbe und seine nächsten Umgebungen werden mufsten, für die weitere Form aber nur in so fern Anwendung finden konnten, als deren Naturverhältnisse sich denen des Heimathlandes der syrischen Völkerschaften näherten. Zu solchen weniger beachteten in ihrer geographischen Verbreitung anfänglich, oder hauptsächlich, meist auf das genannte Gebiet beschränkten, freilich in sehr verschiedenen Zeitperioden in Anwendung gekommenen Erscheinungen, zählen wir, unter manchen andern, hier nur folgende fünf, ganz verschiedenartige, die wir jedoch nur local noch nachzuweisen im Stande sind. Erstlich: die eigenthümlichen zur Sicherung der Felsenwohnungen und Landesfesten, in ihren eigenen Steinangeln schwingenden, massigen Steinthüren der frühesten Zeit: zweitens, die ursprüngliche Anlage syrischer Tempelhöfe, aus denen spätere Gonstructionen, zumal der grofsen Völker- Herbergen oder Caravanserais, hervorgingen. Drittens, die Verbindung des chaldäischen Astraldienstes, mit dem syrischen Tempeleultus, der sich in den Abbildungen der Thierkreise (Zodiacus) in den altsyrischen christlich-byzan- tinischen Kirchen und in den Moscheen der Muselmänner, unter dem Einflufs Denkmale des nördlichen Syriens. 335 magisch -astrologischer Gebräuche hie und da noch verfolgen läfst. Viertens die dem syrischen Clima und eigenthümlichen Gewerbleben angehörige, und in das grofsartigste ausgebildete Construction der langen und prachtvollen Säulenstrafsen, die von da erst auf die Architektur der Römer und anderwärts überging. Fünftens die eigenthümliche, in das Grofse durchgeführte Anlage ihrer Kunstbrunnen, Wasserbehälter, überirdischen und unterirdischen Wasserleitungen (Aquäducte) und Stromspaltungen um Wüstenlandschaften in Paradiese zu verwandeln. Nur erinnern wollen wir hier an einige local, weniger beachtete That- sachen, die in ihrem Zusammenhange übersehen worden, und da Syrien keine eigne einheimische Geschichte hinterlassen hat, einigen Ersatz für das cha- racteristische seiner frühesten Wirksamkeit abgeben mögen. 1. Die Steinthüren. Die ganze Haurankette mit ihrer anliegen- den, grofsen syrischen Wüste, mit ihren vielen hundert in Trümmern liegen- den Ortschaften, in deren Mitte -die alte Bostra noch heute auf der grolsen Handelsstrafse, zwischen Damascus Ägypten und Arabien liegt, ist durch diese massiven, immer über Fufs dieken, sehr schweren, undurchbrechbaren und doch leicht in ihren Steinangeln schwingenden Steinthüren, an unzähli- gen ihrer noch erhaltenen Wohngebäude, Tempel, Grüfte, zumal aber an Vesten und Gräbern characterisirt. Nur da, wo sich grofse Steintafeln, wie von schwarzen basaltartigen Gesteinen, aus denen das Hauran besteht, oder wo sich mächtige Kalksteintafeln aus den Felsen hauen liefsen, wie durch den ganzen Libanonzug, konnten sie, wie durch das ganze klıppige Land von Peraea oder Ostjordan- und Öst-Orontes-Land, zu allgemeinem Gebrauch in die früheste Landesarchitectur aufgenommen werden. Mit nach innen 5 der sicherste undurchbrechbarste Schutz für die Bewohner in ihren Stein- uervorgeschobenen, eisernen Riegeln oder vorgezogenen Ketten waren sie q 5 ’ I) bauten, Felshöhlen, oder für die Schätze in den Gräbergrüften, wıe für die Thore der Festungen. Es sind einfache, nach innen in steinerne aus dem Felsen selbst gehauene Zapfen sich drehende massive Steinquadern, von 4 bis zu 1 Fuls Dicke, von gewöhnlich nur 4 bis 5 Fufs Höhe; doch hat sie Burckhardt auch bis 9 Fufs hoch in gröfseren Bauwerken nachgewiesen. Von aufsen sind sie meist so behauen, dafs sie noch heute, wenn geschlossen, von dem übrigen Mauerwerk schwer zu unterscheiden sind, nur dem Besitzer 336 Rırrer über einige verschiedenartige characterislische allein bekannt und zugänlich, den Fremden täuschend durch ihr enges An- schliefsen und den Mangel ihrer Auszeichnung von der Nachbarwand. Nur selten sind sie von aulsen durch angebrachte Leisten, oder Abtheilungen von schlichten Wäuden zu unterscheiden. Das hohe Alterthum zu Mosis Zeiten beim Einzug Israels auf der Ostseite des Todten Meers, kannte sie schon in den 60 festen Städten des Königs Og in Basan mit hohen Mauern, Thoren und Riegeln zu seinem Schutz (5 B. Mos. 3, 5), da, wo sie bis heute noch überall in den zahlreichen verödeten Ruinen sich erhalten haben. König Davids Grab auf Zion war, nach Flav. Josephus mysteriöser Beschreibung, auf die er, wie er sagt, nicht genauer sich einlassen will, um das Geheimnifs nicht zu verrathen, durch eine Vorrichtung von aufsen so eingerichtet, dafs man es in der Felswand nicht finden konnte; da man aber, in den bekannten sogenannten Königsgräbern, der Helena Grabstätte, im Norden von Jerusalem, noch die Steinzapfen, in denen sich einst auch ihre colossalen Steinthore drehten, die jetzt zerbrochen auf dem Boden liegen, vorgefunden hat, so ist kein Zweifel dafs jenes nicht auf gleiche Weise ver- schlossen war. Wir haben die lange Reihe dieser Denkmale urältester Zeit, die sich zumal zu Gadara im Süden des Galiläer Meeres am Hieromax in so ausgezeich- neten Maafsen wiederholen, und über Edrei, durch ganz Basan, Belka, Bostra und das Hauran, an unzähligen Stellen local nachgewiesen. Das nördlichste uns bekannt gewordene Denkmal dieser Art gibt Col. Squire (!), der mit Col. M. Leake, 1802, im Norden von Hamah nach Aleppo reiste, in der Stadt Ma’arret en-Noman, in einem Gebäude neben dem dortigen prächtigen Changebäude an, in dem er die 8 Zoll dicke Steinthür sich doch so hin und herschwingen sah, dafs sie ganz leicht von einer Person nach beiden Seiten hin bewegt werden konnte. Wir schliefsen hier mit der wenig beobachteten Stelle des Abu Obeidah (Autor vor dem J. 1160), nach welchem auch noch vie] weiter im Norden das grofse Tempelthor des berühmten Sonnentempels zu Palmyra mit einer solchen colossalen Flügelthür von Stein, die sich in ihren Steinangeln drehte, geschlossen war. (?) Damals war also dieser antike (') L. Col. Squire various in Rob. Walpole Travels in Countries London 4. 1820. p- 327. (?) Der arabische Autor sagt von den palmyrenischen Arabern, welche den Sonnen- tempel in eine Festung verwandelt hatten, nach Schultens Übersetzung in Vita Saladini: r Denkmale des nördlichen Syriens. 337 Tempelschutz zum sichersten Verschlufs noch vorhanden, der heutzutag in Trümmern auf dem Boden liegt, oder in die Festungswand vermauert wurde. Es kann diese Erklärung keinem Zweifel unterworfen sein, da der Engländer Charl. Addison, der im Jahr 1835 während seines längern Aufenthaltes in Palmyra’s Ruinen, ohne von jener Angabe des Abu Obeid etwas zu wissen, nach man- chem Herumkriechen in den untern Räumen des Sonnentempels, zwar nicht jene Hauptpforte, doch auch auf eine solche bis dahin von Europäern unge- kannt gebliebne geheime Hinterthür stiefs, die aus Stein, in ihren Stein- angeln sich schwingend ihm einen ganz andern Ausweg ins Freie gegen die Wüste nach der Euphratseite hin gestattete, durch welche, bei der einstigen Belagerung durch die Römer, unter Aurelian, die Königin Zenobia ihre heim- liche Flucht in der Nacht, wie Vopiscus sagt, durch das Heer der Belagerten hindurch, zum Euphrat hin, am leichtesten ausführen konnte. Wem die Art dieses Mauerverschlusses unbekannt geblieben, kann sich davon in den Grüften des alten Schlosses zu Baaden -Baaden die Anschauung verschaffen, welche Sitz eines umheimlichen Vehmgerichts, oder der Templer gewesen sein sollen, die eine solche Einrichtung wol aus Syrien mit nach dem Westen verpflanzen konnten. Noch heute haben viele Wohnhäuser- und Dörfer-Thore denselben Character sehr niedriger blos zum Einkriechen ge- eigneter Thürenzugänge beibehalten, wenn ihre abgeschwächtere Steinmetz- kunst auch jene massiven, leicht schwingenden Steinthüren nicht mehr zu stande bringen kann; aber das gleiche Bedürfnifs, wie damals, doch geblieben ist, den eindringenden Überfällen der Plünderer zumal der nomadischen Reiterschaaren den Zugang unmöglich zu machen. War doch ganz Syrien zu allen Zeiten das Land durchziehender Völkerüberfälle. 2. Die weite Tempelarea und die Carawanserai’s. Das Cara- wanenwesen der heutigen Zeit ist allgemein bekannt, weniger wie es zur Zeit des höheren Alterthums beschaffen war, da uns darüber die speciellen Be- richte der Phönieier, Araber und anderer Völker bis auf einige sehr merk- würdige palmyrenische Inseriptionen fehlen. Dafs es heutzutage noch in der engsten Verbindung mit dem obwol sehr abgeschwächten religiösen Leben der Muhamedanischen Völker steht, ergibt sich schon aus den bekannten Nunec degunt in arce quadam ejusdem, quae muro lapideo est sepla, et cui porta est bipa- tentibus e lapide valvis praedita. Philos.- histor. Kl. 1854. Uu 338 Rırrar über einige verschiedenartige characteristische Carawanenzügen der Meccapilger, an die durch den ganzen Orient und den libyschen Oceident alles andere Carawanenwesen in seinen Pilgerzeiten, Wegen und Einrichtungen sich anschliefst, und aus der Heiligkeit, welche den Carawanenzügen ursprünglich gezollt wurde, da dann jede Fehde schweigen mufste, wie in der Zeit der Olympischen Spiele, und jedem Zuge von den Ortsvorstehern Schutz verliehen wurde. Aber dieses Verhältnifs hatte seine tiefere Begründung schon in den Naturverhältnissen des Landes und der vormohamedanischen Zeit. Mohammed selbst und seine Vorfahren waren Cameelführer von Carawanen gewesen. Dafs ähnliche Verhältnisse auch schon vor den Anordnungen des Koran in den Ländern des Orients, welche von den grofsen Caravanenstralsen in den ältesten assyrischen Zeiten zwischen den Euphratländern und Äg gypten durchzogen wurden, in deren Mitte Da- mascus und Palmyra lagen, stattfanden, ergibt sich schon aus dem Bedürf- nils dieses grofsartigen Handelsverkehrs. Aus den griechischen und syri- schen Inschriften des reichsten Emporiums zu Palmyra geht aber hervor, wie innig der Handelsverkehr bei ihnen mit ihren religiösen Einrichtungen in Verbindung stand, denn dem Carawanenhandel irischen Persien, Ägypten, Phönicien und Kleinasien, verdankten sie ihre ganze glänzende Existenz. Ihre Prachtgebäude, zumal aber ihr berühmter Sonnentempel des Belus oder Baal, des Beschützers der Carawanen, der auch in Baalbek, wie in Palmyra als der „glückbringende Gott” (Baal Gad) auf allen Haupthandelsstrafsen seine Tempel erhielt, beweisen in zahlreichen Inseriptionen den Dank, welchen Senat und Volk ihrem Gotte für den Schutz der Carawanen und ihrer Führer darbrachten. Den Anführern der Carawanen, deren rei- chen Spenden zur Unterhaltung oder zum Schutz die glückliche Durchfüh- rung grofser Carawanenzüge anvertraut und verdankt wurde, weihte man im Haupttempel, in seinen hundert köstlichen Nischen und Säulenreihen zahl- lose Statuen, Büsten und ruhmvolle Inschriften, als den um Volk und Hei- math verdientesten Magistraten und Wohlthätern. Sie sind die inhaltreich- sten Inschriften der ganzen palmyrenischen Glanzperiode. Kein Wunder, wenn die Architecetur der Palmyrener sich solchen religiösen und mercantilen Interessen anschlofs; denn ihre Geschäftsreisen waren durch ihre vom Staate anerkannte Magistrate von hohen Ehren und Würden, geregelte Völkerzüge; nur Scheichs, gleich den heutigen Fürsten des Landes konnten an ihrer Spitze stehn. Von ihrer glücklichen Rückkehr hing das Wohl des ganzen Volks, Denkmale des nördlichen Syriens. 339 der ganzen Stadt ab, zu ihren Darbringungen des Dankes an den glückbrin- genden Baal, den Sonnengott, gehörten grofse Räume und Einrichtungen, das eigentliche Heiligthum der innersten Tempel sollte für die Priester eine geschlossene Oella sein; der geweihte Tempelhof, die nmgebende Area mufste ein weites Feld für die Völkerschaft bleiben. So war es schon bei der wei- ten Tempelarea zu Jerusalem, auf Moria, ein Bedürfnifs für das ganze ver- sammelte Volk Israel; so ist es die grofse Ausdehnung des Haram, oder der geweihten Tempelfläche der geschlossenen Omarmoschee eben daselbst in ihrer Mitte geblieben. In Palmyra, dem Sammelplatz der Carawanen trat dasselbe Bedürfnifs noch in gröfserem Maafse hervor, was nicht nur die gro- fsen, doppelten Wasserbassins, von 100 Fufs Länge und 20 Fulfs Breite, als Bedürfnifs religiöser Ablutionen zahlreicher Menschenhaufen darthun, son- dern wo auch in den vielen um den Tempelhof umherlaufenden Hallen, Nischen und schützenden Colonnaden, Weihestellen und Inschriften das Be- dürfnifs zahlreicher Besucher der Handelswelt sich aussprach, wenn sie von ihren Handelsfahrten heimgekehrt waren. Auf manchen der vorislameischen Carawanenstationen haben sich zwar hie und da einzelne Monumentenreste gefunden, die es wahrscheinlich machen, dafs an ihnen auch ähnliche Tempelbauten errichtet waren, wie denn bei den Ptolemäischen Königsstrafsen von Ägypten nach Koptos und Arsinoe, durch die arabisch-ägyptische Wüste, die Tempel an vielen Carawanenstationen wieder aufgefunden sind; aberin Syrien hat die Zerstörung viel ärger gewüthet als im Niltkale. Dagegen sind hier unter veränderten Umständen in den wie- der geregelten Länderstrichen die zahlreichen festungsartig ummauerten Her- bergen entstanden, die unter dem Namen der Carawanserais aus den verschie- densten Zeiten der Muhamedaner mit ihren innern Tempeln oder Moscheen frommer Denkmäler Stiftungen sind. In grofser Menge auf den Carawanen- strafsen, oft an der Stelle ältester Bauwerke, die in Ruinen lagen, wurden sie zum Theil wieder aus denselben aufgebaut oder sind, von Chalifen, Sul- tanen, Fürsten, frommen Männern, oder aus heiligen Stiftungen neu entstan- den. Die älteste im Buche der Könige (1.2, 7) und bei Jeremias (41, 17) erwähnte Herberge Kinhams, des Gastfreundes Königs Salomos zu Beth- lehem, wird nur der geringe Anfang solcher Caravanserais gewesen sein. Wie diejenigen der Fürstin Zobeida, der Gemahlin des berühmten Chalifen Harun al Raschids (im 8°" Jahrhundert) erbaut waren, welche sie durch die Um 340 Rırrer über einige verschiedenartige characteristische Mitte der arabischen Wüsten hindurch, von Basra bis Mecca, mit Wasser- leitungen und Mauerlinien, um den Weg nicht zu verfehlen, aus Frömmig- keit errichten liefs, wifsen wir freilich auch nicht; aber diejenigen aus dem Mittelalter an der grofsen syrischen Carawanenstrafse, die von Agypten oder von Nordarabien durch Syrien, bis Damascus und Aleppo zum Euphrat, oder durch das nordöstliche Palästina eben dahin erbant wurden, kennen wir aus den Beschreibungen arabischer Autoren und durch die Besuche unzäliger europäischer Reisenden. Sie sind alle in demselben Baustil dem Grunde nach errichtet, und weichen nur in untergeordneten Verhältnissen von einan- der ab. Ein grofses quadratisches Gebäude oft von 300 und 400 Schritt Länge und Breite von verschiedenen aber immer bedeutenden Dimensionen, mit geschlossenem Thoreingang, und ringsum im Innern umherlaufenden Säulengängen, oder auf Pfeilern ruhenden Arkaden, die als Obdach für Men- schen, Thiere und Waaren dienen können, machen den wesentlichen Cha- racter dieser grofsartigen Bauwerke aus, die nur zu oft und seit lange in ihren Trümmern zerfallen sind. Ein zweiter, durch Eingang vom ersten abge- schlossener innerer Hofraum, der für das eine oder das andere insbesondere bestimmt, den Reisenden oder Kaufmann von anderen gesondert erhält, zuweilen mit einem zweiten Stockwerk auf dem ersten ruhend, aber immer mit grofser weiter Area ohne Obdach, kann in verschiedenen Modificationen hervortreten. Aber in freier Luft steht immer ein besonderes Heiligthum, eine Moschee von geringerm oder gröfserm Umfang, die gleich der Cella im antiken Tempel angebracht ist, welcher die Wasserbehälter in grofsen Bassins zu Ablutionen und zu Tränkestellen dienen. Schon wiederholt ist, zu ver- schiedenen Zeiten und von verschiedenen Reisenden, das prototypische, gran- diose Musterbild zu diesen zweiten nicht weniger grofsartig errichteten Cha- nen des Mittelalters, der Sonnentempel der Syrer als Urbau in Anspruch genommen worden: zumal die ausgezeichnete Anlage des Tempels zu Pal- myra mit seinen umherlaufenden Säulenhallen und seiner grolsen Area, in welche das ganze Araberdorf hineingebaut werden konnte, wo auch heute noch die Carawanen für ihre Cameele und Waaren die Raststelle innerhalb im Schutze des Tempels zu nehmen pflegen. Gewils konnte ein solcher An- spruch an die Analogie des Grundplans bei vielen der durch die Munificenz der frühern Chalifen und der ägyptischen Sultane während ihrer Herr- schaft in Syrien, durch Nureddin, Saladin und andere berühmtere Herrscher Denkmale des nördlichen Syriens. 341 prachtvoll auf der Hadsche- (Pilger-) Strafse nach Mecca, oder auf der Handels- stralse zwischen Damascus und Aleppo, fast von Station zu Station errichteten grandiosen älteren Bauwerke dieser Art mit Recht stattfinden; von denen noch . manche in ihrer antiken Form fortbestehen, weil ihnen die Einkünfte von den Abgaben anliegender Dorfschaften oder ganzer Distriete als Wakf, das heifst als Kirchengut, gleich Tempelstätten der Vorzeit oder Moscheen, für ewige Zeiten angewiesen waren. Auch einzelne spätere Stiftungen, wie die der türkischen frommen Köprülüs oder Sinan Paschas und anderer sind immer bei derselben ursprünglichen Construction bis in die Gegenwart treu verblieben. 3. Einflufs des astrologischen Cultus der Sabäer oder Chaldäer auf die spätere syrische Zeit. Mehr gewagt und durch weniger Thatsachen in den Localitäten unter- stützt als die vorigen Angaben mag es erscheinen blos aus einzelnen zerstreu- ten Daten auf einen Zusammenhang früherer Zeiten in diesen Beziehungen zurückzuschliefsen. Wir wollen auch nur die unbeachtet gebliebenen That- sachen hier räumlich aneinander reihen, und Andern die tiefere Begründung ihres innern Zusammenhanges überlassen. Es betrifft das Vorkommen der Abbildungen des Thierkreises in Tempeln und damit verwandter Denkmale. Rob. Wood und Dawkins, in ihrem Meisterwerke über die Ruinen von Palmyra haben eine in dem dortigen grofsen Sonnentempel aufgefundene grofse Steinplatte abgebildet, ohne zu sagen, von welcher Stelle sie genom- men war. Da sie ohne Inscription ist, und keine besondern architectonischen Verhältnisse darbietet, so ist sie von den Verfassern des Werkes selbst nur stillschweigend beigefügt und von den Erklärern gänzlich übergangen. Sie verdiente aber wol eine gröfsere Beachtung als ihr bisher zu Theil geworden. Auf Tabul. XIX hat R. Wood diese grofse, in Marmor reichlich mit schön- ster Sculpturarbeit verzierte Tafel, deren Oberfläche in Cassetten und mit schönen Rosetten geziert ist, abgebildet. Sie hat nach ihm 15 Fufs Länge und 10 Fufs Breite, ist zu beiden kürzern Seiten mit je drei Stäben in je 7 Abtheilungen versehen und dieser Abtheilungen sind zu je beiden Längen- seiten 11, alle mit verschiedenen rhomboedrischen oder rosettenartigen Ver- zierungen in halberhabner Arbeit geziert. Diese fassen die Mitte der Stein- tafel ein, in welcher ein kreisrundes Feld mit 7 sechseckigen Cassetten be- findlich, in deren Centrum wieder ein ältlicher Kopf mit Bart, ringsumher 6 349 Rırren über einige verschiedenartlige characteristische andere Köpfe ähnlicher aber jüngerer Art, doch einer mit Strahlenkrone um das Haupt, ein andrer ebenfalls jüngerer, zu beiden Seiten an den Schläfen geflügelt, ein dritter einen weiblichen Kopf darstellt; diese 7 Köpfe oder Büsten im Kreisrund; offenbar die 7 Planeten, sind mit einem breiten Rande . umgeben, auf dem der Zodiacus mit seinen bekannten Bildern des Thier- kreises wie Löwe, Jungfrau, Waage u. s. w. sehr deutlich eingemeifselt er- scheint. In den vier Winkeln, wo das Rund an den Umlaufswulst des Vier- seits, der es umgibt, anstöfst, sieht man vier adlerartige Vögel mit ausgebrei- teten Flügeln angebracht, ganz eben so characterisirt mit der auf dem Kopf emporstrebenden Federbaube, wie ein solcher Vogel in colossaler Gröfse über dem Prachtthor des Sonnentempels zu Baalbek, und auch aus der schö- nen Sculptur eines Fragments vom Hauptthor des Sonnentempels in Palmyra bekannt, und von R. Wood auf Tab. XVIII abgebildet ist. Er schwebt hier über einem Palmenzweige, auf dem die Füfse ruhen, mit ausgebreiteten Fitti- gen in einem Felde mit weilsen Sternen besäet, über einem Grunde, der in andern besser geschützten, ähnlichen Darstellungen zu Palmyra blau gemalt erscheint. Er wird von den Beschreibern der römische Adler des Zeus zwar genannt, kann es aber nicht sein, da er ganz anders characterisirt ist, und wird einen noch nicht bekannten orientalischen Vogel oder einen symbolischen des Chaldäereultus darstellen. Von allen spätern Reisenden und selbst von Cassas Prachtwerke Palmyras gänzlich übergangen, konnte man die Existenz dieses Thierkreises eines alten Chaldäer- oder Sabäer-Cultus in Palmyra bezweifeln, dessen Vorhandensein in dem wieder aufgefundenen Ninive und andern Monumenten zumal nach Birch’s jüngster Nachweisung ziemlich bestätigt erscheint. Seitdem nun durch die strengere Zucht Ibrahim Paschas zur Zeit der Aegypter Herrschaft in Syrien, auch die Beduinenhorde der heutigen Araber in Tadmur etwas gebändigter ward, gelang es dem Eng- länder Charl. Addison (im J. 1835), während seines 14tägigen Aufenthaltes in den Ruinen Palmyra’s, ohne dafs er jedoch wulste, was Wood (1751) vor ihm schon mitgetheilt, dieselbe Sculptur des Zodiacus wieder, und zwar im innersten des Tempels aufzufinden. Nachdem er mehrere der unterirdischen Seitenkammern, deren Bestimmung noch unbekannt geblieben, an der Nord- seite der Cella des innersten Tempels, der bis dahin als Moschee jedem Fremdling verwehrt geblieben war, zwischen Schmutz und Schutt durch- krochen hatte, fand er den einst als Kuppel eines kleinen aber präch- Denkmale des nördlichen Syriens. 343 tigen Gemachs ausgehölten Plafond, ähnlich dem berühmten aber flachen, aus später Römerzeit stammenden zu Denderah, jedoch hier von der Decke herabgestürzt vor, der nach seiner Beschreibung mit jenem bei Wood iden- tisch, doch von ihm als quadratisch mit einem Durchmesser von 18 Fufs wenn schon nur oberflächlich beschrieben ward. Am Südende desselben innern Tempels fand er in einer gleichen Tempelkammer wie am Nordende eine ähnliche Steinseulptur, doch in 8 solche Felder getheilt und mit einem Kreise als Steinornament umgeben, auf dem er keine eingegrabenen Figuren eines Thierkreises wie dort bemerken konnte. Von künftigen Künstlern sind unstreitig noch genauere Abbildungen dieser auf astrologischen Cultus der Magier sich beziehende Denkmale zu wünschen. Die beiden Seiten- kammern des innern Tempels gegen Nord und Süd, an denen sich auch Trep- pen zur Dachhöhe des Tempels selbst befinden können nur zu astrologischen Operationen und Zwecken des syrischen Tempelcultus gedient haben. Essind dies keine isolirten Erscheinungen, die vielmehr mit dem syrischen Tempel- dienst und der Lebensweise in genauester Verbindung standen, aber in ge- heimnisvolles Dunkel verhüllt bleiben. Nur wenige Worte der ältesten Au- toren des Orients bestätigen diefs. Die berühmteste Kirche Johannes des Täufers in Damascus, wurde bei der Eroberung der Stadt Damascus (im J. 634 n. Ch.) den byzantinischen Christen durch Omar und Ebu Obeidah ge- waltsam entrissen. Noch zur Hälfte blieb sie durch einen Tractat mit den Eroberern in derChristen Besitz, bis (im J. 705) der Ommejaden Chalif Welik Ibn Abd-el-Malik sie gewaltsam niederrifs, und in ihrer Ummauerung die be- rühmte grofse Hauptmoschee oder Djami von Damascus mit den ungeheuer- sten Kosten erbaute, die für ein Wunder der Welt gehalten wurde. Die alten Autoren Isthakri und Ebn Haukal aus dem 10'* und Edrisi aus dem 12°“ Jahrhundert sagen einstimmig, diese Kirche sei anfänglich als Heiden- tempel von den Sabäern erbaut worden, zum Behuf ihrer Gebete, die an derselben Stelle gehalten wurden wo später die Kuppel war. Dann erst sei sie unter Kaiser Theodosius (nach dem Chronicon Paschale) in die Hände der byzantinischen Griechen gekommen, die hier ihren prachtvollen Kirchen- dienst verrichteten und das Haupt Johannes des Täufers als kostbare Reliquie verehrten. Als nun 40 Jahre nach der Eroberung der Chalif seinen Neubau der grofsen Moschee durch Niederreifsen der christlichen Kirche begann, 344 Rırren über einige verschiedenartige characteristische bestieg er den Thurm, der gegen den Aufgang der Sonne stand und Saat, das ist die Uhr hiefs, wo ein Mönch im Polygon, sagt der Araber, wohnte, (wahrscheinlich ein Horoscopium, wo die Nativitätstellung der Astrologen statt- fand), von wo der Chalif die Zerstörung der Kirche begann. An den Ecken der grofsen Kirche nämlich, sagt Ebn-Asäker, (!) der Autor der grofsen Ge- schichte von Damask und seiner Djami, standen die Thürme, welche zu astrologischen Operationen dienten: von ihnen stürzten die beiden gegen Norden stehenden ein, die beiden andern gegen Süden stehenden blieben später stehn, bis einer von ihnen abbrannte. Also auch von den Christen in Damaskus, im 5" und 6" Jahrhundert war in ihren Kirchendienst, dem sonst der Sternendienst doch fern blieb, ein Zweig des Sabäercultus mit aufgenommen und bewahrt worden, wie der Astraleultus auch in Palmyra und Heliopolis seine Stätte gefunden hatte. Das damit verbundene Unwesen der Magier, das in Antiochias Bevölkerung, zu den Zeiten Constantins, des loannes Chrysostomus und der Simeone, der Säulenheiligen im 4"* bis 5" Jahrhundert, wie Ottfr. Müller in seiner Ge- schichte von Antiochia trefflich gezeigt hat, im Schwunge war, ging mancher- lei Formen annehmend damit Hand in Hand. Derselbe Einflufs des Astral- cultus mufs sich in der berühmten alten Emesa (heutige Höms) wiederholt haben, da nach el Makin und andern moslemischen Historikern viel dunkles von wunderbaren, wie Wetterfahnen beweglichen Bronzestatuen, von in Stein gehauenen Scorpionen und andern Dingen die Rede ist, die als Talis- mane berühmt waren und Übel abwenden sollten, von denen selbst die späteren Autoren, wie Edrisi und Abulfeda, noch manches unverständliche wiederholen. Es ist aber bekannt, dafs Kaiser Aurelian nach seinem Siege über Zenobia bei diesem Emesa und nach seiner Zerstörung des Sonnen- tempels in Palmyra nicht nur auf dem Capitol zu Rom seine Tempel des Belus errichtete, sondern auch gedrängt und geängstigt durch seinen heidni- schen Aberglauben den Sonnengott durch Zerstörung seines berühmten Heiligthums zu Palmyra erzürnt zu haben, zur Wiederherstellung des Sonnen- tempels in Palmyra ungeheure Summen anwiefs, und den Tempel des Belus, Eligabal zu Emesa, reichlich dotirte. (') Nach Mohammed ben Schäker, dem Verfasser der grolsen Geschichte des Ebn-Asäker von Damask, nach (Quatremere in Makrizi Hist. d. Sultans Muselm. T. I. 1. p. 262-288. Denkmale des nördlichen Syriens. 345 Zwar verschwinden solche Erinnerungen mit dem Verlauf der Jahr- hunderte immermehr, wenn schon ihr Einflufs weit verbreitet gewesen sein mag; mit welcher Tenacität aber sie an einzelnen Stellen fortwirkten, und wenn auch nur Spuren hinterliefsen, davon gibt eine Stelle im Itinerar des Rabbi Benjamin von Tudela (1173) noch ein wenig aufgeklärtes Zeugnifs, das er von der grofsen Moschee zu Damascus mittheilt, in welchem noch immer etwas von dem astrologischen Cultus der Sabäer übrig geblieben zu sein scheint. Diese grofse Moschee nennt er einen alten Pallast Ben Hadads (Jeremias 49, 27), der dort allerdings, als syrischer Fürst, zu Davids und Salomons Zeit seine Residenz gehabt. In ihr sei eine Glaswand durch Zau- berei erbaut, in welcher so viele Öffnungen als Tage im Sonnenjahr, durch welche die Sonne ihre Lichtstrahlen fallen lasse. Diese seien nach den 12 Stunden des Tags in 12 Grade getheilt, wonach jedermann daselbst die Tages- zeit erkennen könne. Also eine Sonnenuhr von eigenthümlicher Art, über die uns bisher keine nähere Erklärung bekannt geworden. 4. Die Säulenstrafsen der Syrer. Der orientalische Ursprung der Säulenbildung hatte einen andern Zweck als die spätere Anwendung der- selben, als Träger oder Unterstützer von darauf ruhenden Lasten und Bau- werken zu dienen. Diefs zeigen schon die auf der Terrasse vor den Pallästen und Tempeln zu Persepolis frei stehenden bis 60 Fufs hohen Säulengruppen, ohne Capitäle und Gebälk mit eigenthümlich gebildeten obern Sculpturenden, die nicht zum Tragen von Lasten gleichmäfsig, sondern ungleichmäfsig ge- formt waren (wie 2. Chron. 34, 4, wo es ausdrücklich heifst, dafs die Bilder der obern Enden der Baalssäulen von König Josia zerstört worden) mit wahr- scheinlich symbolisch- religiösen verschiedenartigen Sculpturen endend, wie Pferde- oder doppelte Stierköpfe, oder dergleichen. Nach Ker Porters trefflichen Handzeichnungen und Abbildungen, die im Britischen Museum zu London in grofsen Foliobänden als wahrer Kunstschatz aufbewahrt wer- den, mufs man diefs vermuthen. Leider sind sie aber doch viel zu sehr ver- wittert und verfallen, um sie mit Sicherheit erkennen zu können. Weit älter, aber waren vor dem Salomonischen Tempel zu Jerusalem die aus Erz ge- golsenen und 18 Ellen hoch (nach 1. Kön. 7, 15-22) gen Himmel errichte- ten ganz frei stehenden beiden Säulen, Jachin und Boaz genannt, deren obere mit vielen Granatäpfeln verzierte Enden nach den vier Weltgegenden gerich- tet waren, über deren Form und Bedeutung die verschiedensten Erklärungen Philos.- histor. Kl. 1854. Xx 346 Rırren über einige verschiedenartige characteristische stattgefunden. Noch älter waren zu Tyrus im Tempel des Melkkart, nach Herod. II. 44, die zwei Säulen, die er dort bewunderte, die eine aus Gold die andre aus glänzenden Smaragdsteinen. Und wie diese, ihrem höchsten Stammgotte geweiht, wiederholte sich die Form der Göttersäulen bei Phöni- ciern und andern Vorderasiaten (die Sonnensäulen, Baalssäulen bei Syrern und Agyptern; daher Hamuoini und Ham-ouein von dem doppelten Am- mon und Hammon genannt; (s. 2. Chron. 14, 2; 2. Kön. 23, 14 und 2. Chron. 34, 4) in dieser Form als freistehende symbolische Weltträger, die ihre spätere Anwendung in den Säulen des Herakles zu Gades und in dem Himmelsträger Atlas wiederfanden. Unter den zertrümmerten aber auch noch stehen gebliebenen Säulen der Ruinen von Antiochia, zumal aber zu Palmyra, sind noch manche, und an letzteren Orten in der Mitte der Wüste sogar noch viele dieser, ihrer ursprünglichen Bestimmung den Göttern zu Ehren als Weltträger gemäfs, ganz freistehend gebliebenen Prachtsäulen zu sehen, die in späterer Zeit erst mit Statuen, dann mit Bildern sogar von christlichen Heiligen besetzt wurden, bei denen selbst ihre festgewurzelte, ursprüngliche religiöse Weihe, sich in dem seltsamen Fakirwesen der christ- lich orientalischen Säulenheiligen, der Simeon Stylites und Anderer nicht verkennen läfst. Verschieden hievon, aber gewifs nicht ganz ohne Fortdauer des damit verbundenen altgläubigen Volkswahns ist die frühzeitige Anwendung der Säulenpracht, die im seleueidisch-römischen Baustyl eine fast überschweng- liche genannt werden kann. Anfänglich nicht einmal blos zu Tragsäulen, sondern auch zu Schmuck in Vorhallen der Tempel und Porticus verwen- det, wuchsen sie jedoch durch den Einflufs des griechischen und römi- schen Baustyles nach oben allmählich in Tragbalken, in prächtige Gebälke und Tempeldecken zusammen, zu denen sie dann durch die Kunst der Archi- teeten ausschliefslich in Gebrauch kamen, vor deren Prachtwerken der Rei- chen und Grofsen im grofsartigsten Baustyl natürlich die gemeine und mehr bäurische Anwendung im Volkswahn der Vorzeit mehr zurücktreten und allmälig verschwinden mufste. Aber wenn auch nicht mehr in altreligiöser Beziehung, sondern als blos architectonisches Glied, nimmt die Säule in den beiden Jahrhunderten vorundnach Christi Geburt durch die syrischen Lande eine ihr eigenthümliche characteristische Stellung ein; nämlich in den grofsartigen Säulenstrafsen, Denkmale des nördlichen Syriens. 347 welche in dieser besondern Ausbildung nur in den syrischen Ruinenstädten in den colossalsten Ausdehnungen vorgefunden werden; wenn sie auch in Athen, Rom und andern Städten nicht ganz fehlten. Wenn sie in Xysten, in Stadien, in Gymnasien oder Stoen oder mit Portiken und andern Bauten verbunden, auch anderwärts ihre bestimmte jedoch nur untergeordnete An- wendung fanden, so sind sie doch nie so vorherrschende Bauanlage ganzer Städte gewesen, wie in Syrien, wo sie aus der Natur des syrischen Himmels, des syrischen Städtelebens und Geschäftsverkehrs der Handelswelt (!) her- vorgingen, die hier zugleich im Schutz und doch in Freiheit ihrem Gewerbe und ihrem Genusse nachgehen, und durch die zahllosen Statuen und Denk- male, die bei und an den Colonaden angebracht waren, ihrem Ehrgeize nachhängen konnten, sich selbst dadurch verherrlicht zu sehen. Ottfr. Müller hat in seinen lehrreichen Antiquitates Antiochenae (1838), vollständigen Aufschlufs über die Entstehung dieser Säulenstrafsen in Antiochia gegeben, wo man, nach den Angaben der alten Autoren, ihre vierdoppelten Säulenreihen noch in mehr als 300 doch nur trümmerartig ge- bliebenen, in einer Linie verfolgen kann, die von einer andern gleichartig im rechten Winkel durchschnitten wurde und unter den beiden gedeckten Seiten- colonnaden Schattengänge gegen den Sonnenstrahl des Tages, in der Mitte nach dem Sternenhimmel aber offene Gänge gegen die abkühlenden Lüfte der Nacht darboten, für die Geschäftsleute und für die Lustwandelnden, so dafs wir hier in ihre Beschreibung nicht weiter einzugehen brauchen. Von Seleu- cus Nicator und den Seleueiden durch syrische und griechische Baumeister grofsartig begonnen, wurden sie unter des Augustus und Tiberius römischen Architecten weiter ausgebildet und selbst von Herodes aus Schmeichelei ge- geschmückt. Aber die Antiquitates Antiochenae führen diese Säulenstrafse als eine nur der Stadt Antiochia zukommende Prachtarchitectur auf, die dort vielleicht gen die Caesaren zu Antiochia noch erweitert und aus durch nachfolgende Bauten ihren gröfsten Glanz erreicht haben mag. Theils wurden ähnliche Werke im übrigen Syrien nach der Absicht dieser Mo- nographie in ihr nicht erwähnt, oder sie waren damals noch nicht allgemein bekannt geworden. Wir erinnern daher hier nur daran, dafs sie fast alle (‘) Heeren Commercia Urbis Palmyrae etc. p. 17. X 348 Rırrea über einige verschiedenartige characteristische grofsen Städte der alten Syrer derselben Periode characterisiren, und in mehrern derselben mit der gröfsten Pracht ausgeführt, noch heute in vielen durch ihre Ruinengröfse in Erstaunen setzen, und wol ein näheres verglei- chendes Studium verdienen, da sie sicher nicht ein blofses Werk des Luxus waren, sondern einem damals wesentlichen Bedürfnisse des grofsartigen Städte- und Gewerbelebens entsprechen mufsten. Hier ist nur an ihr geo- graphisches Vorkommen zu erinnern. Die Prachtruinen von Palmyra sind allgemein bekannt. Ihre Säulenstrafse durch die ganze Mitte der ehemaligen grofsen Stadt, die zu beiden Seiten in Nord und Süd umher liegt, ist auch vierdoppelt, wie jene zu Antiochia, von Ost nach West gerichtet, aber dop- pelt auch wol drittehalb mal so lang als jene. Sie bildet die Hauptphysiogno- mie und die Längenaxe der ganzen Stadt, und führt vom grofsen Sonnen- tempel durch die Bazare der Handelsstadt bis an den Fufs der westlichen Berghöhen, durch eine gleichartige Ebene, welche den Ruinen von Baalbek fehlte, daher diese Heliopolis auch keine Säulenstrafse zu ihren Pracht- tempeln erhalten konnte. Von dieser Palmyra-Strafse stehen heutzutag noch über 400 Säulenschäfte, von 20 bis 30 Fufs Höhe aufrecht von den paar Tausenden, die einst durch die Wuth der Soldaten Aurelians oder durch Erdbeben und andere Wetter niedergeworfen noch umherliegen, von denen man aber in der vierdoppelten Colonnade noch die Postamente von 7180 solcher Säulen nach Messungen hat nachweisen können. Sie wurden einst auf einer Linie von 4000 Fuls Länge — also etwa in der Ausdehnung vom Berliner Schlofs bis zum Brandenburger Thore — aufgestellt, die von etwa 4 bis 5 Gruppen grofser oder kleinerer Portiken mit Prachtgebäuden unterbrochen war, welche in ihrer geraden Richtlinie zu Geschäfts- und Ruheplätzen dienen mochten, von denen auch kürzere Säulenstrafsen in rechten Winkeln, quer hindurch, nach Nord oder Süd sich abzweigten. Es ist dieses wol die gröfste und am genauesten (durch Dawkins, Rob. Wood, Cassas, Addison u. A.) untersuchte von allen, aber über- raschend ist es, wenn man dieselben Säulenstrafsen in keineswegs kleinen oder verächtlichen Dimensionen, obwol mehrfach zertrümmert und weniger luxuriös aber immer noch prachtvoll ausgeführt, und grofsartig genug, in allen gröfsern Städten der Decapolis in ihren übrig gebliebenen Ruinen ver- folgen kann, wo wir sie an andern Orten schon überall genauer beschrieben haben, und darum hier nur summarisch anführen. So von Rabbat Ammon Denkmale des nördlichen Syriens. 349 (Philadelphia) an der Ostseite des Todten Meeres, wo etwa noch 70 Säulen derselben aufrecht stehen geblieben, nördlich über Dscheräsch (Gerasa), wo Burckhardt noch 130 solcher stehen sahe, nach Bofsra (Bostra Metro- polis) und Schohba im Hauran. Eben so, nordwestwärts zu Beisän (Sey- thopolis), vorzüglich zu Omkeis am Hieromax, der alten Gadara, wo Seetzen die Säulenstrafse von 15 Schritt Breite und einer Viertelstunde Länge mit schwarzen Basalten gepflastert und ebenfalls von Ost nach West gerichtet, wieder entdeckte, im Lande der alten Gadarener, deren Grottenwohnungen mit vorzüglich schönen in Steinzapfen schwingenden Steinthüren versehen sich auszeichnen, weil sie noch in vollem Gebrauch sind. Dann folgen noch weiter nordwärts die zu Palmyra, Apamea am ÖOrontes und zu Antiochia. Die zu Apamea, dem heutigen Castell Medyk, welche Burckhardt noch unbekannt geblieben, sind erst im Jahr 1846 von dem Amerikaner W. Thomson in der Wüstenei am Orontes wieder entdeckt worden, in der Prachtstadt der Seleuciden, die einst ihr grofser Waffenplatz, Sitz ihrer Kriegsschulen für ihre Reiterschaaren und aller Künste des Krieges, wie der Kriegskasse war, in deren Nähe die grofsen Stutereien und die 500 Elephan- ten gehalten wurden, die der verschwägerte indische König Sandracottus dem Seleucus Nicator zum Gegengeschenk übergeben hatte. In den Ruinen dieser Prachtstadt, deren Lage sogar gänzlich vergessen war, bis sie Burckhardt zuerst, im Anfange dieses Jahrhunderts, wieder nach- wies, ohne jedoch ihre Ruinen gesehen zu haben, dehnt sich die Säulenstrafse ebenfalls noch heute, von einem Thor zum andern, an 20 Minuten weit durch die Mitte der ganzen Stadt auf gleiche Weise, mit 30 Fufs hohen Säulen aus, in den prachtvollsten Colonnaden, in denen Thomson eine doppelte Säulen- allee von 1800 Säulen nachzuweisen im Stande war, die in Intervallen von 6 bis 7 Fufs an einander gereiht und in einer Strafsenbreite von 69 Fufs aus- einander stehend, mit Querreihen Zwischenbauten und Denkmalen der ver- schiedensten Architecten genauer untersucht worden sind. Als vielleicht eine der am weitesten nach Norden von Syrien aus noch bekannt gewordenen, noch in diese Reihe der eigenthümlichen syrischen Architecturbildungen im Grofsen gehörige Säulenstrafse, erinnern wir zuletzt noch an diejenige, welche auf dem Übergange von Syrien nach Kleinasien liegt, nämlich in dem alten Soli oder Pompejopolis, wo sie vom Hafen in gerader Richtung zum innern Landthore führt, aus etwa 200 Säulen von 350 Rırrer über einige verschiedenartige ch aracteristische mäfsiger Höhe und mittelmäfsiger Arbeit bestehend, von welcher Admiral Beaufort, der einstige Entdecker (im J. 1811) noch 44 Säulen aufrecht stehen sah. Von hier fängt das neue Architecturgebiet der unzähligen in Klein- asien vorherrschenden Amphitheater und Theaterbauten an. 5. Die Wasserleitungen der Syrer. Diese hydrotechnischen Arbeiten der Syrer sind nicht weniger grofsartig zu nennen; sie lassen sich vielleicht als die ältesten ihrer Anlagen, bis in ein sehr hohes Alter zurück- verfolgen, und schlofsen sich gewifs den frühesten Werken dieser Art bei den Persern, Babyloniern, Assyrern an. Sie mufsten in sehr mannigfaltigen Formen hervortreten, weil sie sich nach der Natur des Bodens und der Ge- wässer zu richten hatten, um ihnen alle diejenigen Vortheile abzulauschen, nach welchen sie durch ihre Kunstmittel und ihre Technik sich befähigten, ihr, an sich einem brennenden alles versengenden Sonnenstrahle während einer Hälfte des Jahrs ausgesetztes Land, dennoch für das ganze Jahr vielen Millionen bewohnbar zu machen, und da wo Menschenarme dazu hinreichten und Staatsweisheit die Bahnen vorzeichnete, in Paradiese zu verwandeln. Allgemein bekannt sind die salomonischen Teiche bei Jerusalem, welche, wie alles Bauwerk jener Zeit, die Spuren phönicischen Beistandes tragen, zumal in der glänzenden Periode von Tyrus unter Hiram und Palä- stina unter Salomo, wo wir denn den palästinischen analoge Anlagen auch auf weit früher eultivirtem phönieisch-syrischem Boden finden. Die Salomonischen Teiche, dreifach stufenartig übereinander, 15 bis 50 Fufs tief in Felsen eingehauen, 500 bis 600 Fufs lange und halb so breite Wasserbecken, angelegt um diemehr als 2Stunden ferne StadtJerusalem durch über- und unterirdische Wasserleitungen stets mit frischem Quellwasser zu versehen, sind ein Werk im grofsartigsten Maafsstabe. Noch heute besteht es und der sogenannte versunkene Brunnen, der diese Teiche nährt, ist in seiner unterirdisch kunstreich gefafsten Quelle, aus vielen Quellen zusammenge- leitet, gewifs nach Prineipien gebaut, die sich bis heute bewährt haben. Doch war diefs nicht der einzige Zweck, denn die alte salomonische Bewässerung verbreitete sich von da auch in die Gärten von Etham und ihr Segen wirkt noch bis heute fort, im Wadi Urtäs, dem fruchtbarsten Gartenthale von Bethlehem, wo sich neuerlich deutsche Colonien ansiedelten. Noch eine dritter Zweck wurde durch diese grofsartige Anlage erreicht, nämlich die Stadt Bethlehem selbst mit Wasser versehen, das bis heute in ihrem Hügelboden aus tiefen Denkmale des nördlichen Syriens. 351 Brunnenlöchern oder Schachten aus unterirdischen vorüberfliefsenden Wasser- leitungen geschöpft wird. Diese Kunst der antiken Hydrotechnik die verschiedensten Zwecke mit denselben Anlagen zu erreichen, characterisirt recht eigentlich alle Werke dieser oder ähnlicher Art durch ganz Syrien, und scheint auf den primitiven gemeinsamen aus gleichartiger technischer Schule hervorgegangen Ursprung zurückzuweisen. Die merkwürdigen Wasserbauten in der Stadt Jerusalem selbst, unter dem Tempel auf Moriah, und anderwärts, von denen das Buch der Könige (2, 20, 20) erzählt: „was von Hiskia zu sagen ist, alle seine Macht, und was er gethan hat, und der Teich, und die Wasserröhren, damit er das Wasser in die Stadt geleitet hat, siehe das ist geschrieben in der Chronika der Könige Juda” — wo es dann wieder heifst (2. Chron. 32, 30-31): „Er ist der Hiskia der die hohen Wasserquellen in Gihon zudeckte, und leitete sie hinunter von abendwärts zur Stadt David, denn Hiskia war glückselig in allen seinen Werken” — auch die Brunnen übergehen wir hier, die er, nach Jesus Sirach 48, 19, in den Fels eingraben liefs, und die ihm so grofsen Ruhm brachten — weil wir anderwärts sie schon vollständiger nachgewiesen haben und sie aufser- halb Syrien lagen. Und so übergehen wir ebenfalls was der arabische Autor Medschr ed-Din am Ende des 15‘ Jahrhunderts, gleichfalls von den Wasser- becken unter der Ömar-Moschee in seiner Beschreibung derselben lehrreiches angab; obwol wir die palästinischen Wasserbauten für aus der Schule der syrischen Phönicier hervorgegangen halten möchten, bei denen wir ähnliche und noch grofsartiger ausgeführte Werke viel allgemeiner verbreitet finden. Wir erinnern zunächst an das berühmte Brunnensystem von Tyrus, das aus den wasserreichen Quellen’ der Vorhöhen des Libanon abgeleitet, noch heute unter dem Namen Ras-el-Ain (Haupt der Quelle) bekannt, nur in seinem kleinsten Zweige, blos aus Vernachlässigung der Neuern, doch noch bis heute in Anwendung geblieben. Es sind mehrere unter sich netz- artig verbundne Kunstbrunnen nebeneinander, die heutzutag noch 4 grofse, nicht schachtartig in die Tiefe gesenkte, sondern am Fufs der Berge, in der Ebene aus Stein künstlich in Schachte gefafste, 15 bis 20 Fufs hoch aufge- mauerte Wasserbassins bilden, die durch den Hochdruck im Libanon gefafs- ter, aber ihrem Laufe nach verborgen gebliebener, sehr reichhaltiger peren- nirender Quellen, mit ungeheuern nach oben aufsteigenden Wassersäulen, 352 Rırrer über einige verschiedenartige characteristische fortwährend genährt und gefüllt werden; davon das gröfste derselben, ein achteckiges wasserdichtes mit dem klarsten Wasser erfülltes Bassin von 60 Fufs Durchmesser sich über die Dachhöhe der zunächst anliegenden Mühle erhebt. Die Wasserfülle, welche durch diese auf ihrem unterirdischen Wege unbekannt gebliebene, zusammenleitende Canalisation auf so bedeutender Höhe in der Fläche gewonnen wurde, um mit bedeutendem Gefälle von da selbst noch über vorliegende Hügelerhebungen geleitet werden zu können, reichte noch zu Ende des 17“ Jahrhunderts, nach J. Maundrells Beobach- tung hin, zu gleicher Zeit 6 Mühlen zu treiben. In der Periode der Kreuzfahrer wurde ihr Wasser auf Grund alter phönieischer Anlagen in langen Aquäductenlinien auf Schwibbogen unter freiem Himmel oder auch unter der Erde geleitet, wodurch wie der damalige Erzbischof Willermus von Tyrus in seinen Historien sagt, die ganze Küsten- strecke um Tyrus, während sie heutzutag durch Verwahrlosung der Gewässer öde liegt, in reiche Kornfluren, herrliche Obstgärten und Zuckerrohrpflanzun- gen verwandelt wurde. Nur die grofsen Bogenstrecken, welche in Fragmenten hie und da stehen geblieben, werden heutzutag wegen ihrer mit dicken Tropf- steinmassen behängten Steinbauten bewundert. Zum Theil durchziehen sie noch die Küste entlang die weiten Ruinen von Palaetyrus und auch landein- wärts, in früher unbekannter gebliebenen Ferne, in Tunnels und ausgehaue- nen Felsbassins den Felshügel el- Maschuk (8000 Fufs fern von Tyrus), den sie über eine Stunde fern von Ras el Ain unterteufen. Das Heiligengrab auf der Spitze dieses Hügels bezeichnet die Stelle des einstigen Haupttempels des Melkkartes in Palätyrus. Das Gesammtsystem giebt Zeugnifs über die grofse Verbreitung des Wassersegens, der diesen Küstenstrich einst mit seiner zahl- reichen Bevölkerung in ein Paradies verwandelt hatte. In weit ältere Zeit geht die Anlage dieses Systems von Kunstbrunnen zurück, welche die Kreuzfahrer den Gartenbrunnen lebendiger Wasser des Königs Salomo nannten. Nach Arrian und Pausanias hatte schon Alexander M. bei der Belagerung von Tyrus an diesem Brunnen, welcher der ägyptischen Hafenseite d. i. der Südostseite der Insel Tyrus gegenüber lag, sein Zelt auf- geschlagen, wo er den ominösen Traum vom Einfangen des Sa- Tyros (Satyr) gehabt haben soll, wie Pausanias erzählt. Aber noch älter war dieses kunst- reiche Bewässerungssystem, da Salmanassar (um 700 J. vor Christo) während seiner fünfjährigen Belagerung von Tyrus diese Brunnen mit ihren Wasser- Denkmale des nördlichen Syriens. 353 leitungen durch seine Wachen besetzen liefs, um die Tyrier durch Wasser- mangel zu ängstigen. Da die alte Insel Tyrus keine eigne lebendige Quelle gehabt hatte, so mufsten ihre erfindungsreichen Bewohner, da sie 150 Jahre später eine 13jährige Umlagerung von Nebucadnezar auszuhalten hatten und doch keinen Wassermangel litten, sich durch unterseeische Canalröhren oder Aquäducte frisches Wasser auf ihrer Insel zu verschaffen gewufst haben, um bestehen zu können. So scheint es kamen die beiden künstlichen unab- hängig von jeder Jahreszeit gleichmäfsig fortfliefsenden Wasserbrunnen zu Stande, die innerhalb der heutigen Sur auf der Halbinsel innerhalb des so- genannten Thurmbrunnens aus einer grofsen Tiefe hervortreten, zu denen die Einwohner auf 15 ellentiefen Stufen hinabsteigen müssen, um ihr Wasser zu schöpfen. Es ist das einzige das ihnen auch unter dem von Alexander M. bei der Belagerung aufgeworfenen Schutidamm, der seidem die Insel durch den Isthmus mit dem Festlande verbindet, nicht verloren ging, während alle oberirdischen Wasserleitungen gänzlich versiegten, die im Jahr 1432, als der Stallmeister Philipps le Bon, des Herzogs von Bur- gund, der Ritter Bertrand de la Brocquiere hier durchzog, wenigstens noch theilweise in den Schwibbogen - Aquäducten über den Isthmus der Stadt zuflossen. Schon Nonnus aus Panopolis in den Dionysiaeis, XL 359, hat zu seiner Zeit die reichströmende Brunnenquelle dieses Systems besungen; alle frü- hern Vorüberreisenden konnten es in seinen fragmentarischen Überresten nur bewundern, selbst Pococke nicht begreifen. Durch Robinson, Russegger, Wilde sind die Haupttheile erst neuerlich gut beschrieben. v. Wildenbruch hat, nach Pocockes Vorgang, die genauesten Aufnahmen und Vermessungen gemacht, aber noch von keinem Hydrotechniker ist das ganze System in sei- nem Zusammenhange erforscht. Mariti wohnte zu Ende des vorigen Jahr- hunderts bei dem antiken Thurmbrunnen auf der Insel, auf dem Eurychoros, dem grofsen Versammlungsplatze der Stadt, dem Feste der Wassertragung der heutigen Bewohner bei, welches an das durch seine alterthümliche Ge- bräuche ähnliche Adonisfest der Phönicier erinnerte. Da die Einwohner der Insel Aradus (Ruad), wie uns Strabo erzählt, in ihrer Vorrichtung mit einem #2i/@avos im Stande waren, durch das salzige Meer hindurch das süfse Wasser von Quellen im Meeresgrunde heraufzuziehen, so werden die Tyrier es auch Philos. - histor. Kl. 1854. Yy 354 Rırrer über einige verschiedenartige characteristische wohl verstanden haben, sich süfse Quellen durch das Meer auf ihre Insel zu leiten. Es würde ein genaueres hydrotechnisches Studium solcher Verhältnisse nicht unwichtig sein, da sehr viele andre Brunnen, Quellen und Bewässerungs- systeme durch alle Thäler im Libanon und Antilibanon, wie in den anliegen- den syrischen Landschaften, wenn auch nicht so grofsartig, doch in ähnlicher Anwendung und Benutzung des Hochdrucks, der meist plötzlich hervor- brechenden Gebirgswasser aus den sonst dürren aber höhlenreichen Kalk- steinschichten des Bergsystems sich erfreuen, ja alle Hauptquellen der grofsen Ströme, wie Jordan und Orontes, ihm ihr Dasein verdanken, und die Kunst- mittel oft sinnreich den natürlichen Verhältnissen nur nachzuarbeiten brauch- ten, um schon in ältesten Zeiten die grofsartigsten Resultate zu gewinnen. So, in der Ghütha und el-Merdsch, d.i. in dem Fruchtwalde und der grünen Wiese, oder dem berühmten Paradiese von Damaskus, das mit seinen Obstgärten, von 8 bis 10 Stunden Umfang, in herrlich grüner Laubfülle mit den köstlichsten Früchten beladen, und der reichen Stadt in ihrer Mitte, im Munde aller Örientalen gepriesen, auch dem Europäer, in Entzücken ver- setzt. Es ist, zwischen den nackten und dürren Stufenabsätzen der östlichen Antilibanon-Gehänge, die an ihrem Fufse, im Norden und Süden, in ihrer Einöde liegen geblieben sind, die Kunstschöpfung der herrlichsten Oase durch kunstreiche Wasservertheilung des Baräda. Ein mäfsiger, aber klarer Ge- birgsstrom, in 7 Kunstarmen auf verschiedenen Höhen gespalten und durch Felswände einer engen Kluft hindurchgesprengt, der, nach seiner hundert- fachen, weitern Verzweigung, in der vorliegenden Ebene durch unterirdische Stollen, Röhren, Brunnen weiter geleitet, allen Wohnungen von 150- bis 200,000 Menschen, sammt ihren Gärten, reichlich ihre Trink- Wasch- uud Springwasser gespendet und die grüne Marsch überrieselt hat, fliefst dann ganz gemächlich im Schlangenlaufe nach 10 bis 12 Stunden seiner Strom- entwicklung mit den zuletzt wieder in dem einen Hauptbette des Baräda ihm übrig gebliebenen Wassern, in die flache Lagune des Sees von Damascus ein, an deren Ostseite dann die syrische Wüste auf weite Strecken wieder ihre traurige Herrschaft beginnt. Mit Recht hat schon Ptolemäus diesen den Goldstrom (Chrysorrhoas) genannt, ein Beweis des Segens, den er auch schon damals verbreitete, wenn Denkmale des nördlichen Syriens. 855 auch das ganze Irrigationssystem in den nachfolgenden Jahrhunderten, in moslemischen Zeiten, noch einige erweiternde Zusätze erhalten haben sollte, wie es aus Abulfedas und Edrisis Angaben wahrscheinlich wird. Denn die- ser letzte Autor im 12“ Jahrhundert berichtet, dafs der Chalif Jesid der Ommejaden-Dynastie (er starb im J. 683) den Nahr Jesid habe durch Felsen sprengen lassen, was auch eine kufische Inschrift an seinen Felswänden be- stätigt. Dieser Arm der noch heute Jesid heifst, ist aber die nördlichste der 7 künstlichen Stromspaltungen des Baräda, die von oberster Höhe abgeleitet wurde, also der jüngste der grofsen Hauptcanäle sein wird; die Kunstanlage der andern tiefergelegenern mufs aber in viel frühere Zeiten der Syrer zurück- gehen. Sollte der Name des Pharphar, mit welchem der aussätzige Obrist- feldherr Naeman des grofsen Königs in Syrien zu Damascon (2. Kön. 5, 12), voll Verachtung gegen die Wasser des Jordan, die der Prophet Elisa ihm zum Reinigungsbilde angewiesen hatte, und im Stolz seiner schönen Heimath, die köstlichen Wasser des Baräda bezeichnet haben, wie es die Etymologie von dem sonst unbekannten Parpar (d. i. der durchbrechende Strom), in Beziehung auf seinen Felsdurchbruch oberhalb Damascus nicht unwahrschein- lich macht, so würde hierin ein Fingerzeig liegen, dafs dieses Irrigations- system schon zu der Zeit König Joram Sohn Ahabs von Israel vorhanden war, oder doch seine Entwicklung schon im 8“ Jahrhundert vorchristlicher Zeitrechnung begonnen hatte, sein Ursprung also in die Blüthezeit der Syrer und Phönizier gehöre, und ihrer Technik wie so vieles andere zu verdan- ken sei. Und wirklich konnte ein so grofsartig und so mannigfaltig entwickel- ter Wasserbau mit seinen weiten Irrigationen nur das Werk der Ausbildung vieler Jahrhunderte sein. In demselben Felsthale des Baräda springt in einiger Ferne einer hal- ben Tagereise von Damascus, aus einer hohen Felswand an dessen nördlicher Uferseite die Fidscheh-Quelle aus einer schwerzugänglichen Felsgrotte als klarer Gebirgsstrom hervor, der sogleich in reifsendem Schusse nach wenigen 100 Schritten seine kalten Wasser zum Baräda hinabstürzt und dessen Wasser- quantum verdoppelt. Über dem Austritt dieser hochgefeierten Felsenquelle sahe schon Pococke einige Reste von alten Tempeln aus heidnischer Zeit stehen, die auf höheres Alter ihrer Anlage an dieser heilig gehaltenen Stelle deuten. Sowohl Pococke als später auch Seetzen und O. v. Richter, fanden Yy2 356 Rırren über einige verschiedenartige characteristische aus ihrer Nähe durch die Felsen einen Canalgang gehauen, der gegen Osten in mannshoher Stellung, bald nach oben offen, bald einen dunklen Tunnel- gang darbietet, mehrere Stunden weit, obwol mühsam zu durchschreiten war, in welchem einst die Wasser der Fidschehquelle durch die Berge nach der Damascusseite geleitet zu sein schienen, der jetzt aber trocken lag. Das Volk hatte die Sage, er habe einst das Wasser bis nach Tadmor geleitet und nann- ten ihn das Werk der Bint es-Sultan d. i. der „Tochter des Sultans” was man leicht auf die Anlage einer Zenobia beziehen konnte, so unwahrschein- lich diefs auch schien, da Palmyra in der Wüste von da wenigstens 3 gute Tagereisen, oder 20 bis 24 Stunden fern liegen mag. Der englische Consul Wood in Damascus will in diesem colossalen Felstunnel aber bis 8 Stunden weit, bis zu seinem Ausgange in die Wüste hindurch gewandert sein, worüber jedoch noch keine Messungen und officiellen Berichte veröffentlicht sind. Er meinte, dafs diese Wasserleitung einst auch noch weiter gegen Pal- myra fortgesetzt zu sein scheine. Der jüngste Reisende nach Palmyra, Alfred von Kremer (im J. 1851), fand 3 Stunden ostwärts von der Wüsten- station Dscheirud, am dortigen klippigen Bergzuge der nach Palmyra zuführt, das aber noch über 25 Stunden fern ist, eine Wasserleitung, die aus an ein- ander gereiheten tiefen Gräben bestand, die aber noch 10 bis 20 Fufs weit auseinander stehen bleiben. Diese fangen am Fufse des dortigen Bergzugs an, aus dem sich in der ersten Grube das Wasser sammelt, das dann in den zweiten Graben eindringt und aus diesem in den dritten, wodurch es bis in grofse Fernen durch die Wüste geleitet werden kann. Man nannte ihm diese Art unvollkommen aneinander gereihter künstlicher Wasserstollen mit dem Namen Kerise, eine eigentlich persische Benennung für diese unter- brochene Art der unterirdischen Wasserleitung, welche aber noch heute in einem grofsen Theile Persiens in allgemeinem Gebrauche geblieben ist, und nach dieser Benennung fast vermuthen läfst, dafs solche Methode aus Persien erst zu den Syrern übertragen wurde. Nur eine Vermuthung war es, dafs diese Kerises vielleicht eine Fortsetzung des Canals der Bint es-Sultany durch die Wüste sein möchten. j Dafs diese oder doch eine sehr verwandte Art der Wasserleitung sehr alt war, und sehr frühzeitig nach dem Westen hin verpflanzt werden konnte, beweiset die merkwürdige Stelle des Polybius X. 28, über Hekatompylos, die alte Partherresidenz der Arsaciden im SO. des Kaspischen Meeres, un- Denkmale des nördlichen Syriens. 357 fern den Kaspischen Pässen, wo schon Alexander M. verweilte, und in welche Antiochus IH. M. (im J. 209 vor Chr. G.) als Sieger einzog. Polybius konnte hier genaueres mittheilen, da eben von dieser Localität als von einem Centralpuncte die Hauptmessungen der Truppenmärsche dieser Feld- herrn ausgingen. Er bemerkt, dafs in dieser Culturebene doch die Durch- märsche der Truppen des Antiochus in grofse Gefahren hätten gerathen kön- nen, weil an der Oberfläche gar kein fliefsendes Wasser zu finden sei, wenn er nicht mit den vielen unterirdischen Wasserstollen (Polybius nennt sie: Ümovausus und doeariec X 28, 3) vertraut gewesen, welche in grofser Menge vom Gebirge des Elbors (Taurus) dort, den Boden in der Tiefe, aber den Fremden unsichtbar bleibend, nach der Hauptstadt hin durchziehen. Denn Arsaces der König hatte wegen des anrückenden Syrischen Feindes diese alle zu zerstören den Befehl gegeben, der aber nicht ausgeführt werden konnte, weil, wie Polybius sagt, Antiochus unter Anführung des Nicodemos eine Schaar von 1000 Reitern aussandte die Zerstörer zurückzuschrecken. Hierauf sei Antiochus HI M. in Hekatompylos als Sieger eingerückt, das von den vielen dort sich vereinenden Heerstrafsen bei den Griechen diesen Namen erhalten habe. Polybius fügt dieser lehrreichen Angabe die Aus- sage der Eingebornen hinzu, die er auch als wahr bestätigt, wodurch die eigenthümliche Vertheilung des Grundbodens bedingt, und die weitere Fort- pflanzung dieser, durch das Persergesetz begünstigten Bewässerungsmethode befördert werden mufste. „Zur Zeit da die Perser die Herrschaft in Asien hatten, sagten sie, bestand das Gesetz, dafs wer zuerst ein Wasser in ein zwar noch unbewässert gebliebenes Land leitete, das Recht hatte, dessen Er- trag auf 5 Jahre hindurch zu ernten.” Das Andenken der Ruinen von Hekatompylos war in den neuern Zei- ten völlig verschwunden, die Lage der Arsacidenresidenz gänzlich vergessen ; zur Berechnung der Itinerarien-Strafse gab sich schon J. Morier (im J. 1811) die Mühe, in Parthyen, nach Plinius H. N. VI. 20, die Stätte dieser Resi- denz, welche in der Mitte lag, aufzusuchen, ohne sie wieder auffinden zu kön- nen. Besser gelang es dem Capt. Truilhier (seit 1806 in Persien lebend). Im Osten der Stadt Dewletabad bemerkte er ein Dutzend in einer geraden Linie in bestimmten Intervallen von einander gering hervorragenden Stellen, die bei näherer Besichtigung Schachteinsenkungen waren, die zum Heraus- schöpfen von in der Tiefe durchlaufenden Wasserleitungen dienten; dies 308 Rırrer über einige verschiedenartige characteristische waren die ersten erforschten unterirdischen Wasserstollen oder Kerises, deren dann eine bedeutende Anzahl entdeckt wurden, welche sich nach einem Centralpuncte gegen den Ort Damaghan dirigirten, der, durch die dort im Schutt wieder aufgefundenen Münzen und Anticaglien verschiedner Art, als die Stätte der alten Hekatompylos angenommen wurde. Die weitere Anwendung und Fortpflanzung dieser Art von Stollen- wasserleitung seit der Arsaciden und selbst der Achaemeniden Zeit, über den Euphrat hinaus bis zu Syrern und Phöniciern, läfst sich hienach wol kaum bezweifeln, es sei denn dafs sie ihnen erst von Westen zukam und vielleicht schon früher durch Phönicier nach Griechenland übertragen wurde. Doch diefs wäre eine bis jetzt noch nicht erörterte Frage. Das Factum scheint uns indefs aus eigner unmittelbarer Anschauung (1837) entschieden, dafs die berühmten künstlichen, von den Neugriechen sogenannten Katabothren des Copais-Sees in Böotien, nach demselben Prin- cip wie die Kerises construirt wurden. Es sind dies die auf einer Strecke von fast 2 Stunden in Nordost dieses Sees noch jetzt deutlich sichtbaren, unterirdisch angebrachten Abläufe dieses Sees zum Meer von Euböa; mit etwa 20 solcher eingehauenen Schachtlöcher zu 60, 100 Fufs bis zu noch gröfserer Tiefe, die freilich meist eingestürzt sind, aber zum tiefen Abflusse des Wasser- stollens gehen und so den ganz analog gebildeten Wasserstollen mit Schacht- löchern in Palmyra entsprechen. Von wem sie erbaut wurden, ist unbekannt, aber sie gehörten im alten Minyer Lande schon den ältesten Zeiten der glück- lichen Tage von Orchomenos an, vor der Übermacht der Thebaner, also einer heroischen Zeit, da Herakles sie verstopft haben soll, um die frucht- bare Ebene der Minyer von Orchomenos unter Wasser zu setzen und der feindlichen Stadt den Untergang zu bereiten. Gewifs auch in Arkadien, im Peloponnesus und an vielen andern Stel- len in Vorderasien waren ähnliche Werke in Stand gesetzt, aber längst wieder in Verfall und Vergessenheit gerathen. Um so lehrreicher ist es, dafs sich in den Wasserleitungen zu den Rui- nen von Palmyra durch die Strecke von etwa einer Stunde lang, noch ein Musterbau dieser Art erhalten hat, der ein vollständiges Bild ihrer Con- struction und ihrer architectonischen Verhältnisse darbietet, nach Messun- gen und Aufnahmen in dem classischen Werk von Rob. Wood, Ruinen von Palmyra, auf Tabul. XXVII., dessen Copie für sich selber sprechen Denkmale des nördlichen Syriens. 359 mag. () Ein Aquäduct, der zwar hie und da etwas verfallen, oder viel- mehr unterbrochen und theilweise zerstört, kein Wasser mehr zu leiten scheint, aber in andern Theilen seiner langen Ausdehnung seit den Zeiten des Untergangs des Palmyrenischen Reichs sich in seiner vollendeten Aus- führung vollkommen erhalten hat, und den Beweis giebt, dafs man dort die gröfsten Summen, die ein solcher Canalbau durch die Wüste gekostet haben mufs, nicht scheute, um auch Palmyra wie Damaskus in ein Paradies in der Mitte der Wüste umzuwandeln, denn auch diese Wasserleitung verzweigt sich durch viele unterirdische und oberirdische Canalisationen heute noch durch alle Theile der Ruinenstadt, bis auf weite Räume hin. Zum Beschlufs dieser Bemerkungen über die Wasserleitungen der Syrer möge noch die Erinnerung an eines der grofsartigsten Werke dieser Art, vielleicht das sinnreichste von allen, dienen, das bisher wenn auch nicht ganz unbekannt geblieben, doch völlig unverstanden war, weil es immer nur bei einem blos flüchtigen Anblick nicht begriffen werden konnte, sondern eines längern Studiums bedurfte, um dessen Eigenthümlichkeit und seine mannigfaltigen Combinationen zu einem grofsen Hauptzweck bei seinem eignen gröfsten Verfall, und in dem Ruin seiner Umgebungen aufzufassen. Es ist das combinirte, grandiose, Land und Meer umfassende Wassersystem, von Seleucia, von dem wir erst seit (1851) eine vollständigere Kenntnifs durch die geometrische Aufnahme von Seleucia Pieria, in NW. von Antiochia und von der Nordmündung des ÖOrontes, durch Capt. Allen von der R. Navy, erhalten haben. Noch ist diese Aufnahme nicht veröffentlicht; eine Copie vom Original, die ich in vorvorigem Sommer bei meinem Aufenthalt in London der Güte des Dr. Holt Yates, der eine längere Reihe von Jahren während seines Aufenthaltes zu Suedieh, am Hafen der alten Seleucia gelebt und die dortigen Ruinen studirt hatte, nebst andern wichtigen Nachrichten und Darstellungen über dieselben, verdanke, setzt mich in den Stand, eine Reduction und einige Aufrisse derselben hier vor- zulegen. (?) Da die Darlegung eines befriedigenden Verständnisses dieser merk- würdigen Trümmerwelt die zu diesem Vortrage bestimmte Zeit weit über- ers Tafel2T. (?) s. Tafel I. 360 Rırrer über einige verschiedenartige characteristische schreitet, so können nur ein paar Resultate noch berührt werden, indem wir auf eine vollständigere Bearbeitung dieses Gegenstandes hinweisen, die im 17. Bande 2. Abth. meiner Erdkunde demnächst erscheint und die Begrün- dung dieser Resultate enthalten wird. Die Hoffnung auf Errichtung einer Eisenbahnlinie von der alten Hafen- stadt Seleucia quer durch Syrien zum Euphrat und auf Anschlufs einer Dampfschiffahrt auf diesem Strome und über den Persergolf nach Bombay, wodurch man eine noch directere Verbindungslinie zwischen England und Indien zu erzielen hofft, hat das genauere Studium der Ruinen von Seleueia und selbst die Aufnahme seiner Hafenstadt veranlafst. Ottfr. Müller hatte die Geschichte des benachbarten Antiochia meister- haft bearbeitet; aber ihren Hafenort Seleucia am Meere, der gleichzeitig mit jenem emporblühte, übergangen. Wir haben daher einen Versuch ihrer Ge- schichte, ihrer Weltstellung zum Abend- und Morgenlande und ihrer heuti- gen Ruinenreste am angeführten Orte gegeben. Ihre Beschreibung zerfällt in die Vorstadt, die Hafenstadt und die Königsstadt. Hier kann nur von deren Verbindung durch den Äquaduet die Rede sein, der in einem colossa- len Maafsstab, durch die Mitte eines 150 bis 200 Fuls hohen Felsberges über 1700 Schritt lang in grofser Weite und Höhe hindurchgehauen ist, und bald nach oben offenen freien Himmel erblicken läfst, bald als ein dunkler über 94 Fufs breiter und hoher Tunnel durch verschiedentlich abwechselnde Fels- strecken führt, und in tiefen Canalbetten mit Trottoirs zur Seite, überhin gewölbten Felsbrücken, und in diese Tiefe hinabsteigenden in Fels gehaue- nen Treppenfluchten versehen, die wechselndsten und malerischesten Situa- tionen darbietet. Denn seine geschützten Felsenwände voll Nischen, Grotten und Grabgewölbe bildeten mit ihren südlichen und nördlichen Fortsetzungen der steilen Felsenmauern am Abhange des bis zu 5000 Fufs hochaufsteigen- den coryphäischen Gebirgsgliedes des Tauros, auch die Necropolis der um- fangreichen und stark bevölkerten prächtigen Hafenstadt. Seleucus Nicator ihr Begründer, hatte bei der Anlage seines Riesen- aquäducts, an dessen Erweiterung auch noch Kaiser Diocletian und Kaiser Constantius (im J. 338 n. Chr.) rüstig fortarbeiten liefsen, einen dreifachen Zweck den er erfüllen sollte, nach dem er auch mit Meisterschaft ausgeführt gewesen zu sein scheint. Denkmale des nördlichen Syriens. 361 Einmal sollten die Schnee- und Bergströme des benachbarten bis 6000 Fufs hohen Coryphaeus und Rhossus-Gebirges, welche die untenlie- gende Küstenstadt vor Seleucus Zeit nach Pausanias Damascenus Palaeopolis genannt, die Strabo nur durch "Ydaros rerausi bezeichnete, weil sie beständigen Überschwemmungen der Bergwasser ausgesetzt war, durch die Bauwerke des Aquäducts gebändigt werden, indem Seleucus vor der ganzen Thalschlucht, aus welcher die vereinigten Bergströme, von verschiedenen Höhenthalen herab- stürzten, eine colossale Mauer als einen Querdamm vorziehen liefs. Denn, da er statt der genannten, so oft überschwemmten Stadt, an derselben Küste eine grofse Seestadt anlegen wollte, so mufste diese vor allen gegen dieses zer- störende Übel geschützt sein. Der an dieser Stelle eingerichtete Neubau bildete die südliche Vorstadt seiner neuen Residenzstadt Seleucia. Seleucus N. legte aber zugleich durch 2 mäfsige Molos von 200 Schritt Länge einen äufseren Meereshafen an; daselbst aber, an der nördlichsten Stelle der dortigen syrischen Küste, um gegen die Stürme für seine Flotte in der Winterzeit gesichert zu sein, auch ein künstlich im Felsboden bis zu grolser Tiefe ausgegrabenes inneres Hafenbassin, oder einen grofsen ummauer- ten Schutzhafen, von 2000 Fufs Länge und 1450 Fufs Breite, der den Raum von 47 Acres d.i. die Gröfse der beiden London Docks Export und Import zusammengenommen einnimmt. Durch einen 1500 Fufs langen Ausgangs- canal wurde er nordwestlich mit dem äufsern Hafen in Verbindung gesetzt. Um dieses innere Schutzbassin immer mit klarem Gebirgswasser auszu- füllen, dafs es nie stagnire, wurde die grofse Quermauer der Felsschlucht mit Schleusen versehen, um einen Theil der Gebirgswasser durch dieselbe dem Schutzhafen zuführen, und diesen immer vollufrig erhalten zu können; ein Emissar führte aber aus ihm die überflüssigen Wasser direct westwärts zum Meere. Noch jetzt ist der Wasserstand an der westlichen, rein geblie- benen Seite des Schutzhafens, bis 20 Fufs tief, während die andere Land- seite mit vielem Schutt und Sand zugeschlämmt, einen Schilfsumpf trägt, oder die trockensten Stellen mit etwas Korn bestellt zu werden pflegen. Um dieses Bassin gegen die Landseite lag die Marktstadt der Gewerbetreibenden und an dar Meeresküste gegen die Molo’s die Schifferstadt. Auch die grofse colossale Quermauer hat sich bis auf die zertrümmerte Schleusenstelle gut erhalten; sie sollte zugleich aber auch das nicht zum Schutzbassin ablaufende Philos.- histor. Kl. 1834. Zz 362 Rırrer über einige verschiedenartige characteristische wilde Gebirgswasser hemmen, und um dieses zu bewältigen, wurde, zur Ab- leitung derselben, der colossale Felsendurchschnitt durch den Vorberg gegen WNW. bis zum Meereshafen, mit grofser Kunst gehauen, und ihm ein be- stimmtes Gefälle gegeben, damit die hindurch geleiteten Wasser bei ihrem Austritt über den Meereshafen noch Fall genug hätten, um mit ihrem Sturze denselben zwischen den beiden Molo’s fortwährend rein zu spülen und vor Schuttverstopfung zu bewahren. Zugleich wurden in diesen grofsen Fels- durchschnitt den die heutigen eingebornen Syrer Dahliz, die Engländer Culvert oder Tunnel nannten, gegen die Stadtseite kleinere Abzweigungen, wahrscheinlich durch Wehre oder Schleusen angebracht, welche die Markt- und Hafenstadt mit süfsen Wassern hinreichend versehen konnten, und ihre Gärten bewässerten, wodurch auch heute noch auf diesem Boden, der jetzt in Ödenei versunkenen Landschaft der einstigen Stadt die schönsten Maul- beerpflanzungen von den Seidenzüchtern in Suedieh unterhalten werden können. So ward durch ein grofsartig ausgeführtes für dreifache Zwecke dem natürlichen Locale entsprechendes Kunstwerk, dieser in seiner Art ganz eigenthümliche Aquäduet, die Begründung und das Emporblühen einer Königsresidenz der Seleuciden an der Küste des Mittelmeers möglich, die zugleich als Emporium erst das Emporsteigen der grofsen Antiochia fördern konnte, mit der sie durch die Orontesmündung in steter Wechselwirkung stehend, zugleich durch zahlreiche Flotten ihre Macht und den Seeverkehr gegen die ägyptischen Ptolemäer, wie gegen Griechen und Römer im Ocei- dent sicherte, und die wichtigste Meeresanfuhrt, das maritime Haupteingangs- thor für ein weites continentales Länderreich wurde, das gegen den Aufgang der Sonne über den Euphrat zum Indus, bis gegen den Oxus hin, seine Weltherrschaft Jahrhunderte hindurch zu erhalten im Stande war. Über den schon genannten 3 Hauptheilen der Seleucia am Meere, näm- lich der Vor-, Markt- und Hafenstadt in der tiefliegenden Küstenterrasse, erhob sich über der 200 Fufs hohen steilen öfter senkrechten Felswand, mit den Grüften und Catacomben der Necropole, die vorspringende gleich hohe Plateauterrasse, auf welcher die Königsstadt mit ihren Pallästen, Tempeln und Prachtbauten sammt der alles beherrschenden Citadelle, in gröfster Sicherheit und anmuthiger Lage errichtet werden konnte, von wo der Blick weithin die Meeresfläche bis nach Cypern und südwärts bis zum Mons Casius Denkmale des nördlichen Syriens. 363 und dem Libanon überschauen konnte. Eine einzige, durch die steile Fels- wand hinauf gesprengte bequeme Kunststrafse zur Vertheidigung der obern Stadt durch ihre Zickzackwege zwischen den Felswänden eingerichtet, machte die gewaltsame Einnahme dieser Königstadt und Burg fast unmöglich, und doch versank sie durch Verrath und im Verlauf der Jahrhunderte durch die lange Barbarei der Zeiten in Schutt und Graus. Die aus ihrem Schutt noch hervorragenden Säulengruppen und umgestürzten Sculpturen sind gänzlich vergessen worden, noch von Niemand genauer erforscht, noch weniger durch Ausgrabungen untersucht, die nach den seit 2 Jahren daselbst gemachten Erfahrungen jedoch keine geringe Ausbeute geben würden. Studirt man nun die Angaben der Alten über Seleucia Pieria, zumal die classische Stelle bei Polybius V. 58 bis 61 über die Wiederoberung der- selben durch den König Antiochus von dem Ägypter Ptolemäus Evergetes, welche sich gänzlich auf die eigenthümliche meisterhaft gegebene Ortsbe- schreibung stützt, so werden diese nun ein besseres Verständnifs als zuvor gewinnen können. 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Be) e - - Sal a | Treppe zum Wasserstollen i 2; ‘ * . « = u n e u er ’ i “ | - Durchschnitt. " Lith. Anst x. L.Kraatz in Berlin. Eu @ Tl al elcH saaaU DES CAP! W.ALLEN R.N. 1851. RN" er FE > PLAN des alten am \ Punta 2 n = ne > I r wer = E i GE X } \ 4 S Se n N j Te 2 2 . NZ E RE RT \ GE MN \ nach Aufnahme 4 z 3 ER j > Mi N = N \ S SZ Au) MN I _ N 1: 16,200 \\ N | IN BE 5 N RG N \ 2 den 7 rn # : \ —— ". D N S wi R 3 Rurhen Obst-und I N \ N S tr Sud Mugen, , NN ) RU : SEND # + Jeidengarten * ee. . N DR ER Bere tn, N REN mpel Ruine ? ee.’ un. ? - ? Te A 995 u ? ER a CR Er See Vorstadt der alten Stadt _” =» AV Säulen o er =. eo 9 - ? ? 5 = T m e. : ö en £ ” MHaulbeerpflanzun y he u ER IEN r Age or < a 7 En sa ? t ba « Zu IB. nd tet T- er = ı 0 '4 > 4 = t Ma oflan zungen a DI. = De ER: ET ' ER A e) . Az t >® a 5 - e - KEITEN ‚MHaulbeerpflanzursgen . « St 5 : F > 3 LEE ? ? 3. ee N Bun Da SL Back ee Be e we + gt + r ?"7 UN 5 El Er u Sa t ? Bar er = Ruinen des Arsonales / ® / ; ja u. „Jleppo r 3 / Kisen bahnlinie nach. Sue dieh, ‚Intiochie z I / k anna r | FR a en Obstgarten / m Eger Moin / } | Bun - Haus, S Aue Barnabas, g ß Pr en a ie Ran N - eg nn 2 r “ % R Tr ' Uyrtengebüsche, Asphodelen ete S| —- Be a « ci ” a. ex D] [St Pauls “ z ea ar F “Wolo —— "N Weidoland EEE a u 3 SL Soer 2 \ A = 0 Fe elle Aa 2 u A EN = > Profil des oberen Theiles des Gudliert - ! a _— — ET EN x > erlin — — III EEE IF u Liti.Anat.v.L.Kraata m Berlr N . D Über den Ursprung und die Natur der Burggrafschaft Nürnberg. Fa yi Von HPsoR:I°B D WEB: nn [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 26. Juni 1854.] I. Das burggräfliche Amt. 4. Das Nürnberger Burggrafenlehn überhaupt. D. Institut der Burggrafen — Castellani, Praefecti, Burggravii, wie sie in den lateinischen Urkunden des Mittelalters genannt werden — mag ur- sprünglich aus der Römischen Städteverfassung hervorgegangen und daher aus der Übertragung dieser nach Deutschland die Entstehung mancher Burg- grafschaften im Süden und Westen von Deutschland zu erklären sein. Mit der mehrern Entwickeiung der Deutschen Reichsverfassung bildete sich das Institut der Burggrafen jedoch ganz abweichend von jenem Urbilde eines Praefectus urbis der Römer, besonders im Osten von Deutschland, zu einem eigenthümlichen und wesentlichen Gliede in der Kette der Gewalten aus, denen die Handhabung der Deutschen Reichsverwaltung oblag. Die Burg- grafschaften erscheinen darnach besonders in verfassungsmäfsiger Verbindung mit den Markgrafschaften, welchen der militärische Schutz feindlich bedroh- ter Grenzen des Reiches und das Regiment in den durch Burgen befestigten Grenzbezirken anvertraut war. Der Sachsenspiegel, welcher uns rücksichtlich so mancher Verfassungs- einrichtung durch treffende Bemerkungen zurechtweist, sagt von dem Burg- grafen, ihm komme in Beziehung auf den Markgrafen dieselbe Stellung zu, welche in einer Grafschaft der Schultheifs im Verhältnisse zu dem Grafen 366 Bıever über den Ursprung und die Natur oder im Reiche der Pfalzgraf in Beziehung auf den Kaiser einnehme. (?) Das hierin angedeutete Verhältnifs ist im Allgemeinen das der Stellvertretung und der Assistenz, welche der Burggraf dem Markgrafen zu leisten hatte. In den Markgrafschaften, deren genügende historische Beleuchtung einen Blick in die innern Verhältnisse derselben gestattet, finden wir daher auch überall als höchste Gewalthaber nach den Markgrafen, mächtige Burggrafen vor. So in der Markgrafschaft Meifsen den Burggrafen von Meifsen, wie in den Brandenburgischen Marken für die Altmark zu Arneburg und für die Mittelmark zu Brandenburg einen Burggrafen. Andererseits läfst sich mehr- fach in Ansehung solcher Burggrafschaften, welche aufserhalb von Marken angetroffen werden, das ehemalige Vorhandensein von Markgrafschaften nachweisen, zu deren Verfassungseinrichtungen diese Burggrafschaften ver- muthlich gehörten, deren Bestehen sie aber überdauerten. Das Letztere ist mit grofser Wahrscheinlichkeit auch von der Burg- grafschaft Nürnberg anzunehmen. Nachdem in diese Gegend des nachmali- gen Frankenlandes im ‚6“* Jahrhunderte oder schon früher Wenden oder Slawen eingedrungen waren, herrschte hier derselbe politisch-religiöse Kampf zwischen Christenthum und Heidenthum, wie derselbe sich mehrere Jahr- hunderte später, nach beträchtlicher Erweiterung der östlichen Grenzen Deutschlands, in den Elbgegenden zwischen Sachsen und Wenden wieder- holte. (2) Die Ähnlichkeit der Verhältnisse aber führte dort im östlichen (') Die scultheiten is richter siner scult (nämlich der Schuld des Grafen), als is die palensgreue over den keiser vnde die borcgreue over den maregreuen. Sachsenspiegel Art. 52, Homeyers Ausgabe S. 154. (?2) L.v. Ledebur Nordthüringen und die Hermundurer, Berlin 1842. S. 46 f. — Hentze Versuch über die ältere Gesch. des fränkisch. Creises St. 1. Müllers Deutsche Gesch. IE, 126. Von Lancizolle Gesch. der Bild. des Pr. Staats I, 35. 36. — König Pipin und dessen Sohn. Carlmann legten dem Bisthume Würzburg den Zehnten von dem Tribute a partibus orientalium Francorum vel de Slavis bei. Kaiser Karl der Grolse wies Bischöfe und Grafen an, „im Lande der Wenden, welche zwischen den Flüssen Main und Regnitz ihre Sitze hätten, und Mainwenden und Regnitzwenden genannt würden, Kirchen zu erbauen, eine Vorschrift, welche auch Kaiser Arnulph im Jahre 889 wiederholt (Ussermaun Episcop. Wirc. 14. Ekhart Comm. de reb. Franc. orient. II, 894). Eine Verordnung Kaiser Karls des Grolsen bestimmt namentlich Forchheim, Priemberg und Regensburg als Grenzorte, von welchen aus mit den dahinter wohnenden Wenden Handel zu treiben sei (Falkenstein Ant. Nordg. I, 1-26). Dörtles bei Bamberg wird im J. 824 als „im Wendenlande” gelegen bezeichnet (Schannat Trad. Fuld. 145) und noch bei der Stiftung des Bisthumes Bamberg der Burggrafschaft Nürnberg. 367 Franken gewifs fast zu den nämlichen Einrichtungen und Maafsregeln, wie selbige später in Meifsen und Brandenburg getroffen wurden, um die Grenz- gebiete vor feindlichen Einfällen zu schützen und mit der deutschen Herr- schaft das Christenthum über die Nachbarlande allmälig zu verbreiten. Denn deutlich tritt schon im 9“ und 10“ Jahrhunderte das Bestehen einer Frän- kischen Markgrafschaft hervor (*), welche über ausgedehnte, die Gegend erklärt Kaiser Heinrich II. (1007) ausdrücklich, dals er dabei vorzüglich die Absicht hege, das Heidenthum der diese Gegend bewohnenden Wenden zu entwurzeln (Ludewig Script. rer. Bamb. 276). Diese und viele andere Zeugnisse lassen auf ein nur sehr allmäliges Fort- schreiten der Bekehrung der diese Gegenden bewohnenden Wenden zum Christenthume schliefsen. Der Bekehrung eilte die Verbreitung der Fränkischen Herrschaft aber wohl nicht lange voraus. () Zu den Markgrafen in Ostfranken gehörten wohl z. B. der Poppo aus dem Baben- bergschen Hause, welcher um das Jahr 880 als comes et dux limitis Sorabici vorkommt, so wie sein Bruder Heinrich, der bis an seinen 886 erfolgten Tod das Amt eines Marchensis Francorum verwaltete: ferner unter dem Könige Ludwig dem Deutschen der Markgraf Ernst, der auch Herzog genannt wird, so wie die Gomites terminales Wilhelm und Engelhard, welche unter dem Kaiser Arnulph auftreten (Ried. Gesch. der Gr. von Hohenburg S. 11. Rettenpacher Annal. monast. Cremifanensis I, 43). Eine fortlaufende Reihe von Fränkischen Markgrafen im 9" Jahrhunderte ist noch nicht ermittelt. Noch weniger ist mit Bestimmt- heit anzugeben, wie weit der Verwaltungskreis der einzelnen Befehlshaber dieser Gat- tung sich erstreckt habe. Jedenfalls müssen wir nach der allmäligen Grenzerweiterung Frankens und nach den Zeugnissen des 9" Jahrhunderts und der folgenden Zeit über die damals noch der Bekehrung bedürftigen Bewohner der Würzburger und Bamberger Diöcese, die Grenzbezirke, über welche die ältesten Markgrafen von Franken geboten, weiter west- wärts suchen, als die Grenzscheide der spätern Zeit und die Markgebiete späterer Markgrafen ; so dafs daher die Gegend von Nürnberg und der gröfste Theil der Besitzungen des später hier auftretenden Burggrafenthumes für die älteste Zeit noch in den Bereich des damaligen Grenz- bezirkes gezogen werden muls. Der Limes Sorabicus wurde nach Osten immer mehr vorge- schoben, während im Rücken desselben allmälig eine Deutsche Gestaltung sich entwickelte, Gaue nach dem Vorbilde altgermanischer Landeseintheilung sich bildeten und für die Ver- waltung des Landes durch Anstellung von Grafen gesorgt wurde. Im 10t Jahrhunderte beginnt eine bis in die Mitte des folgenden fortgehende Reihe von Markgrafen eines Hauses, welches von Ammerthal (bei Amberg) oder von Schweinfurt genannt wird. Zu dieser Reihe gehörte jener bekannte Markgraf Heinrich von Schwein- furt, welcher die Wahl Kaiser Heinrichs II. vorzüglich unterstützt hatte, aber in der Hoff- nung auf die Erlangung des Herzogthumes Bayern getäuscht, sich gegen den Kaiser erhob, in der Schlacht bei Kreusen im Culmbachschen Gebiete geschlagen und auf dem Gibi- chenstein zu Halle längere Zeit gefangen gehalten wurde (Mascou de Henr. II rebus p. 203). Mit dem Sohne dieses Heinrich, dem Markgrafen Otto, der 1057 starb, ging indessen auch dies Haus zu Ende, 368 Rırver über den Ursprung und die Natur von Nürnberg einschliefsende Grenzbezirke geherrscht zu haben scheint und worin es daher gewifs auch an sonst mit Markgrafschaften verfassungsmäfsig in Verbindung stehenden Burggrafschaften nicht gefehlt hat. Nach der Befestigung des Christenthums in diesen Gegenden und der ostwärts stattgefundenen Erweiterung der Grenzen des Reiches erfolgte je- doch frühzeitig die völlige Auflösung dieser Ostfränkischen Markgrafschaft. Es erscheinen zwar nach dem im Jahre 1057 erfolgten Aussterben der mäch- tigen Markgrafen von Schweinfurt oder von Ammerthal noch im 12‘ und in der ersten Hälfte des 13‘ Jahrhunderts Markgrafen in diesen Gegenden unter den Zunamen von Vohburg und von Hohenburg. Doch schon auf diese war von der alten Markgrafschaft schwerlich viel mehr als der Titel übergegangen. Die fürstlichen Herrschaftsrechte über Ostfranken wurden durch man- nigfaltige Verleihungen zersplittert. Vorzüglich war dem Bisthume Würz- burg ein beträchtlicher Theil derselben zugefallen. (*) Würzburg hatte das Fürstenthum oder das Herzogthum wie man es nannte, über Ostfranken da- mals in ähnlicher Weise an sich gezogen, wie später das Erzbisthum Magde- burg aus ursprünglichen Markländern an der Elbe sein sogenanntes über- elbisches Herzogthum bildete. (°) Die fürstliche Herrschaft Würzburgs über Ostfranken wurde im An- fange des 12" Jahrhunderts Streitigkeiten unterworfen, welche zur Einschrän- Es tritt hiernächst eine neue markgräfliche Dynastie und zwar in den Grafen Vohburg. auf. Die Grafen von Vohburg sollen die Markgrafschaft des ausgestorbenen Geschlechts durch Heirath an ihr Haus gebracht haben und wirklich führten sie bis zum Anfange des 13'e® Jahrhunderts, da sie unter diesem Namen nicht mehr sichtbar bleiben, den markgräfli- chen Titel. Endlich erblickt man während der ersten Hälfte des 13'er Jahrhunderts noch Markgrafen mit dem Beinamen von Hohenburg. Indessen bleibt es sehr zweifelhaft, wie viel von dem ursprünglichen Umfange der Fränkischen Markgrafschaft auf diese Häuser überge- gangen, da sie anscheinend nur eine unbedeutende Stellung ım Reiche einnahmen. (*) Solus erat Wirceburgensis episcopus, qui in episcopatu suo neminem dicitur habere consortem. Ipse enim cum teneat omnes comitatus suae parochiae ducatum etiam provinciae gubernat. Adam. Bremensis (seripsit c. 1076) lib. IV, cap. 5. (°) Es waren die den Wenden abgenommenen am Ostufer der Elbe gelegenen Gegen- den (Jerichoer Kreises) welche eine Urkunde vom J. 1195 des Erzbischofs von Magde- burg Ducatus transalbinus nennt — ubi dux loci videlicet Archiepiscopus Magdeburgensis nobilem virum Waltherum de Arnstein sua auctoritate et sententia fecit judicio presidere (Gerckens Cod. dipl. Brand. III, 62). In diesem Markgebiete behauptete also der Erzbischof das Fürstenthum oder die markgräflichen Rechte. Gleichwie in einer Markgrafschaft, gab es daher auch am Sitze des Erzbisthumes, zu Magdeburg einen Burggrafen. der Burggrafschaft Nürnberg. 369 kung ihres Umfanges hinführten. Mit dem Bisthume zerfallen verlieh Kaiser Heinrich V. im Jahre 1116 das Fahnlehn Ostfrankens seinem Neffen Conrad dem Hofenstaufen als Herzogihum. (°) Mogte der Kaiser demnächst bei seiner Aussöhnung mit dem Bisthume im Jahre 1121 diesem auch, in unbe- stimmten zweifelhaften Ausdrücken, die früher in Östfranken besessenen Rechte wieder zusichern (?); so gab doch Herzog Conrad, welcher auch die sonstigen Überreste des alten Herzogthums Franken als väterliches Erbe in Besitz hatte (°), die durch die Belehnung vom Jahre 1116 über Östfranken erlangten fürstlichen Rechte schwerlich wieder ganz auf. Vergeblich hielt der Bischof von Würzburg noch einige Zeit die Prä- tension einer ihm gebührenden Lehnsherrlichkeit über alle Grafschaften Ost- fraukens fest und bezeichnete er daher namentlich auch den Burggrafen von Nürnberg während des 12“ Jahrhunderts öfters als seinen Burggrafen oder Vicegrafen. (?) Die eigenen Ansprüche des Hohenstaufenschen Hauses auf die fürstliche Hoheit über ganz Franken, über ein Jahrhundert von dem An- sehen des Reichsoberhauptes unterstützt, zu welchem Conrad im Jahre 1137 sein Haus erhoben hatte, setzten der Geltendmachung der dem Bisthume Würzburg in Ostfranken zugeeigneten Fürstenthumsrechte fortdauernd enge Schranken. Fand aber auch der Anspruch keine Unterstützung, welcher die Burg- grafschaft Nürnberg der Lehnsherrlichkeit und fürstlichen Hoheit Würzburgs (°) Qua commotione srecensus Imperator ducatum orientalis Franciae, qui Wurczbur- gensi episcopo antiqua regum successione competebat, Chunrado sororis suae filio commisit. Abbat. Ursp. Chron. ad a. 1116. (°) Dignitas iudiciaria in tota orientali Francia, qualiter a predecessoribus' regibus et imperatoribus ad domum in honorem S. Saluatoris et S. dei genitrieis Mariae sanctique Chi- liani martyris Christi in vrbe Wirzburg dono data nostris temporibus inde alienata wird dem Bisthume vom Kaiser wieder beigelegt. Urk. in Leuckfelds Ant. Poeld. 253. (°) Conrads Vater führt 1102 den Titel eines Herzogs von Franken. Besold. Doc. rediv. 713. Früher hatte Franken unmittelbar den Fränkischen Kaisern gehört, wie wir nament- lich aus der Bemerkung des Ekkehardus monachus S. Galli (+ 1071) de casibus S. Galli er- sehen: Nondum adhuc illo tempore Suevia in ducatum erat redacta, sed fisco regio peculia- riter parebat, sicut hodie et Francia. (°) Noch in einer Urkunde vom J. 1150 nennt der Bischof von Würzburg den Burg- grafen Gottfried von Nürnberg seinen Burggrafen. Langs Regesten I, 195. In einer Ur- kunde vom Jahre 1170 wird Burggraf Gottfried des Bischofs Vicegraf genannt. Daselbst 10271. Philos.-histor. Kl. 1854. Aaa 370 Rırven über den Ursprung und die Natur untergeordnet hätte; so blieb es doch zweifelhaft, ob die Nürnberger Burg- grafen eigentlich als Vasallen der Fränkischen Herzöge oder als unmittelbare Reichsvasallen zu betrachten sein. Die Familie der Grafen von Raabs war im Jahre 1105 zwar durch eine vom Kaiser Heinrich IV. unmittelbar ausgegan- gene Verleihung in den Besitz der Nürnberger Burggrafschaft eingesetzt. (1°) Doch hatte der Kaiser nur in der Eigenschaft als Reichsoberhaupt oder hatte er als Inhaber der herzoglichen und der Eigenthums- Rechte an Nürnberg, welches die Fränkischen Kaiser zu ihren Hausbesitzungen zählten, diese Dis- position getroffen? Des Streites der Herzoge Friedrich und Conrad von Schwaben und Franken, der Erben des erloschenen Fränkischen Kaiserhauses, mit dessen Nachfolger im Reiche, dem Sächsischen König Lothar, ist an einem andern Orte bereits gedacht. (!!) Er gründete sich auf die bestehenden Zwei- fel über das, was von den Besitzthümern der letzten Fränkischen Kaiser dem Reiche angehöre und was dagegen ihr Privatvermögen sei. Burg und Stadt Nürnberg gehörten insonderheit zu den Gegenständen dieses Streites, der aber nicht mit Rechtsgründen, sondern mit den Waffen geführt wurde. Ward nun in Ansehung Nürnbergs dieser Streit unter dem Könige Lothar auch zu Gunsten des Reiches entschieden, mit Unterstützung des damaligen Burggrafen von Nürnberg, dem dieser Ausgang des Streites den Rang eines Reichsvasallen zuwandte; so hob die Gewalt welche hier zu Ge- richt gesessen hatte, doch die Möglichkeit der Herstellung eines dadurch ge- kränkten Rechtes nicht auf. Diese letztere machte Herzog Conrad von Franken zu seinem ersten Geschäfte, als er im Jahre 1137 nach Lothars Tod selbst den Deutschen Königsthron erstiegen hatte. Die Herausgabe des Schlosses und der Stadt Nürnberg, welche König Conrad von dem Burg- grafen Gottfried forderte und die der letztere auf Grund eines mit dem Kö- nige geschlossenen Vergleiches gewährte (°), hatte ohne Zweifel zunächst nur den Zweck, dem Könige und seinem Hause den unmittelbaren Besitz dieses Ortes herzustellen und für die Zukunft zu verhindern, dafs Nürnberg wieder als eine von dem Reichsoberhaupte lehnbare Reichsdomaine behan- delt werde. Die Abtretung des Schlosses und der Stadt Nürnberg seitens des Burggrafen an den König gab aber wahrscheinlich zugleich Veranlassung, durch ('°) Siehe oben „die Ahnherren des Preufs. Königshauses’” Abschn. II. (*') Siehe oben „die Ahnherren etc.” Absch. II. Note 19. der Burggrafschaft Nürnberg. 371 den darüber geschlossenen, von den Fürsten vermittelten Vergleich das künf- tige Verhältnifs der Burggrafschaft, namentlich in Beziehung zu dem Reiche, neu zu bestimmen. Dies ergab sich als Nothwendigkeit, da die Burggraf- schaft gerade ihr wesentlichstes Element, nämlich die Burghut der alten Feste Nürnberg aufgeben mufste, dadurch also eine entschiedene Umgestaltung er- fuhr. Aus späterer Zeit ist kein Ereignifs bekannt, welches eine solche durchgreifende Veränderung in der politischen Stellung der Burggrafschaft herbeigeführt haben könnte. Man ist daher zu der Annahme genöthi;t, dafs eben der im Jahre 1138 zwischen dem Ostfränkischen Burggrafen und dem zum Römischen Könige erhobenen Fränkischen Herzoge geschlossene Ver- gleich der Burggrafschaft dasjenige eigenthümliche Verbältnifs angewiesen hat, welches in Urkunden des folgenden Jahrhunderts zu unserer Kenntnifs kommt und darin schon als ein von altersher bestandenes bezeichnet wird. Die Schadloshaltung welche dem Burggrafen für die Auslieferung der Haupt- burg seines Amtbezirkes in die Hände des Königs gewährt wurde, bestand demgemäfs darin, dafs die Burggrafschaft als unmittelbares Reichslehn anerkannt wurde und dafs mit den ursprünglich burggräflichen Amtsbefug- nissen in Ansehung des der Burggrafschaft angehörigen Gerichtsbezirkes dieje- nigen Rechte verbunden wurden, welche nach den sonst für Burggrafschaften geltenden Verfassungsgrundsätzen einer zwischen dem Burggrafen und dem Reichsoberhaupte stehenden fürstlichen Mittelsperson — einem Markgrafen oder Herzoge — anzugehören pflegten. Dieses kann mit Sicherheit und mufs aus dem eigenthümlichen Verhältnisse gefolgert werden, worin man die Burggrafschaft in der nächstfolgenden, historisch erleuchtetern Zeit auf- treten sieht. Zuvörderst erscheint es in der nachfolgenden Zeit als entschiedene Thatsache, dafs die Burggrafen die Burggrafschaft unmittelbar vom Reiche zur Lehn empfingen und demgemäfs als unmittelbare Reichsvasallen betrachtet wurden. Schon die Beziehungen deuten darauf hin, in welchen wir die Nürnberger Burggrafen seit dem Jahre 1138 in den folgenden Zeiten dieses Jahrhunderts zu dem Hofe der Hohenstaufenschen Kaiser und Könige fortwährend erblickt haben. Ausdrücklich wird es aber dann in Urkunden von den Jahren 1267 und 1273 ausgesprochen, in Bezug auf die damals den Töchtern des Burggrafen Friedrich III. verliehene Successionsfähigkeit in die Burggrafschaft. Die Urkunden vom Jahre 1267 sind, die eine von dem Aaad 372 Rırver über den Ursprung und die Natur unglücklichen Könige Conrad (Conradin) von Sieilien und Jerusalem, die andere von dem Pfalzgrafen bei Rhein als Reichsvicar ausgestellt. (!?). UÜber- einstimmend wird in diesen Urkunden das Burggrafenthum als ein Lehn des heiligen Römischen Reiches bezeichnet. Die Urkunden vom Jahre 1273 bestehen theils in einem Lehnbriefe des Königs Rudolph, theils in Consens- briefen der Kurfürsten von Mainz, Trier, Cöln, Pfalz, Sachsen und Branden- burg. Alle bezeichnen die Burggrafschaft mit ihren Zubehörungen als ein Lehn, welches die Vorfahren des derzeitigen Burggrafen von altersher von dem Reiche zu Lehn empfangen haben. ('‘) Aus den spätern Zeiten des 13°" Jahrhunderts, so wie aus den folgenden Jahrhunderten, sind dann auch fast von jedem einzelnen Suecessionsfalle kaiserliche Lehns- und Bestätigungs- briefe, so wie auch sonstige Nachrichten über die feierliche durch des Kaisers Hand vorgenommene Investitur der Burggrafen aufbehalten geblieben. Dafs dies Lehn der Burggrafschaft auch kein blofses Gerichtslehn, son- dern ein Fahnlehn war, ist man schon aus dem Umstande zu schliefsen be- rechtigt, dafs die Burggrafen vom Anfange her stets im Besitz des Heerbannes auftreten; während niemals ein anderer Fürst, aufser dem Reichsoberhaupte, im Besitz des Rechtes erscheint, die Heeresfolge von den Burggrafen zu for- dern. Selbstständig führten sie ihre Kriege, schlossen sie mit den benach- barten Fürsten ihre Schutz- und Trutzbündnisse und gingen sie Waffen- stillstände oder Friedensschlüsse ein. Die Fahne oder das Banner des Burg- grafthums Nürnberg, welches im 15“ Jahrhunderte oft erwähnt wird, zum Beispiel bei der feierlichen Bestattung der Leiche des Burggrafen Friedrich VI, ersten Markgrafen von Brandenburg, der sie mit der Brandenburgischen und Zollernschen Fahne vorgetragen wurde ('*), war daher gewils ein altes Eigen- ('”) Vgl. Abh. der Akad., hist. Kl. v. J. 1852 S. 561 £. ('?) — comitiam Buregrauie in Nurenberch — cum reliquis feodis, que idem et sui pro- genitores a nostris antecessoribus habuisse dinoscuntur — titulo feodali concessimus in feodo non solum sibi sed etiam — Mariae filiae suae Urk. Königs Rudolph vom 25. Oct. 1273 in Oetters Zw. Versuch S. 608. (WVölkern) Hist. Norimb. dipl. 167. Schütz Corp hist. IV, 100. Pauli’s Preufs. Staatsgeschichte II, 35. Stillfrieds Mon. I, 125. Notum esse volu- mus — quod Dominus Rudolfus — concessit Friderico Buregrauio de Nurenberch in feodo omnia bona, que pater ipsius ac alii progenitores sui recipere consueuerunt a regia mage- state etc. Consensbriefe der Kurfürsten bei Oetter a. a. O. S. 59. 60. Stillfried a. a. ©. Ss 1252127: (**) Begencknils meines alten Herrn seligen Marggraf Friderichs — dem hat man paner, Schilt, der Burggrafschafl Nürnberg. 373 thum des burggräflichen Hauses, von dem auch bei der Investitur der Burg- grafen Gebrauch gemacht wurde. Auch nach dem Zeugnisse der Augenzeugen, welche der Belehnung des Burggrafen und Markgrafen Friedrich auf dem Constanzer Conzil im Jahre 1417 beiwohnten, wurde diesem neben dem Brandenburger Banner das Banner des Burggrafihums Nürnberg vorgetragen und in der Investitur reichte der Kaiser beide Banner dem Beliehenen dar. ('?) Besafsen hiernach die Burggrafen ihr Lehn als unmittelbar aus des Kai- sers Hand empfangenes Fahnlehn; so ist damit auch in einem gewissen Maafse historisch gerechtfertigt, was Kaiser Carl IV. in dem sogenannten Fürsten- standsprivilegio vom Jahre 1363 von den Burggrafen sagt: „dafs die Burg- grafen von Nürnberg von alter Zeit ber ihrer Adelsstufe nach den Fürsten des Reiches gleichgestellt gewesen und noch zu der Zeit in allen Beziehungen der Standesrechte der Fürsten theilhaft seien.” Dann fährt der Kaiser fort: „es hätten jedoch einige frühere Burggrafen diese fürstliche Ehren und Rechte auszuüben in manchen Beziehungen verabsäumt und dieselben nicht mit sol- cher Aufmerksamkeit wahrgenommen, wie es die Würde ihres burggräflichen Amtes erforderte. Daher sei es nicht offenkundig geblieben, dafs die Burg- grafen den Fürsten zugehörten. In Betracht aber, dafs der Nürnberger Burggraf ein hochedles Glied des Reiches bilde, müsse der Kaiser Bedacht nehmen, ihm und seinen Nachkommen ihre Ehren und Würden für die Zu- kunft unvermindert zu erhalten. Daher erkläre derselbe aus kaiserlicher Machtvollkommenheit mit dem Rathe von Fürsten, Grafen, Freiherrn und sonstigen Grofsen des Reiches, dafs der jetzige Burggraf und alle künftigen Burggrafen von Nürnberg für ewige Zeiten aller Rechte, Würden, Freiheiten und Ehren der Fürsten des heiligen Römischen Reiches theilhaft sein sollten. rols und schwert getragen und gezogen, als hernach geschriben stet: Graf Wilhalm von Öttingen die Baner zu Brandenburg, Graff Wilhalm von Castell die Baner des Burggraff- thumb zu Nurmberg, Herr Ulrich von Rechberg die Banier Zoller etc. Jungs Miscellan. I, 313. (?) — und fuorten zwen kostlich ritter uf zwain rolsen der ain ain panner an ainem rais[piels mit den wapen der marggrafschaft ze Brandenburg, der ander der burggraven schilt von Nüremberg — und fuort man die zwai paner allweg an den [piellen vor im — als nam vnser her der kiung das baner von dem ritter in sin hand und gab es dem burggraven von Nuremberg in sin hand und was dar an Brandenburg gemalt — und nam darnach das ander paner von dem ritter — und gab es ouch dem burggraven in sin hand. Ulrichs von Reichenthal Beschreibung der Belehnung zu Constanz nach der Constanzer Handschrift. 374 Rırveu über den Ursprung und die Natur Namentlich ermächtige er sie, mit den übrigen Fürsten des Reiches an Zu- sammenkünften, Berathungen und Gerichtssitzungen Theil zu nehmen, im kaiserlichen Hofe oder anderswo, als vorsitzende Richter oder als Schöppen, und rücksichtlich des Zweikampfes sich des Vorrechtes der Fürsten zu be- dienen. Ihren Leuten und Unterthanen wurden gleiche Rechte und Frei- heiten mit den Unterthanen und Leuten anderer Fürsten zugesichert, inson- derheit ausschliefslieher Gerichtsstand vor den Burggrafen und dessen richter- lichen Beamten: nur für den Fall notorischer Rechtsverweigerung sollte Klä- gern freistehen, sich bei dem kaiserlichen Hofgerichte zu beschweren. Auch vor dieser feierlichen Anerkennung der Fürstenwürde der Burg- grafen und schon im 13" Jahrhunderte waren denselben nicht selten Prädi- cate beigelegt worden (!%), welche nur fürstlichen Personen zukamen, wie das Prädicat Illustris, und daher, wie die beständigen Eheverbindungen der Burggrafen mit fürstlichen Häusern, die ebenbürtige Stellung bekunden, welche nur der Besitz eines Fahnlehns vom Reiche dem Burggrafen anwei- sen konnte. Den Gegenstand ihres Lehnes bildete dabei ursprünglich überall kein Territorium, sondern lediglich ein mit bestimmten nutzbaren Rechten und ('°%) Urkunde ohne Datum (c. 1298) welche beginnt: Nos Emicho dei gracia comes de Nazzaw et Anna nostra conjux dilecta, filia quondam Frideriei illustris Burkgrauii de Nuren- berg, constare volumus etc. Oetters Dritt. Versuch S. 170. Urk. Siboto’s von Nürnberg v. J. 1279, welche mit den Worten schliefst: Ad hujus rei memoriam et evidentiam ple- niorem presens instrumentum sigillis illustris Domini Frideriei Burggrauii de Nurenberg et Domini Herdegeni de Grindelach, cujus Castellanus sum, roborari fideliter procuraui. Oetters Zweit. Versuch S. 114. In einer Urkunde Ludwigs von Wilhelmsdorf vom 27. Febr. 1285 sagt der Aussteller presentes litteras Domini Friderici Illustris Burggravii de Nuren- berg atque meo sigillis volui communiri. Schütz corp. hist IV, 132. Am 26. Juli 1313 verkauft das Kloster Heilsbrunn dem Nobili et illustri viro domino Friderico Buregrauio de Nurenberg gewisse Besitzungen. Schütz Corp. hist. Br. IV, 183. Dagegen wird nach einer Urkunde Rudolphs vom 17. Aug. 1290 Burggraf Friedrich von den Fürsten freilich auch be- stimmt unterschieden (Schütz Corp. hist. IV, 140). Die Urkunde enthält eine lehnsrich- terliche Entscheidung, welche Rudolph zu Erfurt ertheilte im J. 1290 16 cal. Sept. — sedentibus pro tribunali apud Erphordiam praesentibus Prineipibus, Comitibus, Nobilibus, Baronibus nec non proceribus regni — in judicio coram nobis — Testes autem huic sen- tentiae praesentes aderant illustris Dux Saxoniae, Dux Brunsvicensis, Principes nostri, nobilis Burggravius de Neurenburg, Comes de Wunsberg, comes Everhardus de Catzenellenbogen et quam plures alii Nobiles et barones. der Burggrafschaft Nürnberg. 375 einzelnen geringfügigen Grundbesitzungen ausgestattetes Reichsamt. Das letztere liefs sich, wie schon die Bezeichnung Burg- Grafschaft dazu Anlei- tung giebt, besonders in das Amt einer Burghut und in das Amt einer Grafschaft weiter zerlegen. Von diesen Offieien hatte die Burghut oder Castellanei vorzugsweise eine locale auf den Ort Nürnberg und dessen nächste Umgebung gerichtete Beziehung; während das gräfliche Amt sich wohl auf einen beträchtlich gröfsern Bereich der umliegenden Gegend erstreckte. In dem Amte des Burggrafen waren daher ausgedehnte militairische und richter- liche Functionen und mit beiden gewisse nutzbare Rechte und Einkünfte verbunden. 2. Die Burghut und die burggräflichen Rechte in Nürnberg. Die nähere Erörterung der eigentlichen Castellanei oder Burghut, welche den Burggrafen an dem alten Castrum Norieum der spätern kaiser- lichen Pfalz oder Reichsburg Nürnberg im Jahre 1105 eingeräumt, im Jahre 1138 jedoch theilweise wieder entzogen wurde, führt uns auf die Verhält- nisse des Ortes Nürnberg und auf die Beziehungen der Burggrafen zu diesem zurück. Die alte kaiserliche Pfalz oder Burg zu Nürnberg haben die Burg- grafen nach dem Jahre 1138 niemals wieder in ihren Besitz gebracht. Sie wurde sammt der Stadt von den Hohenstaufenschen Kaisern unmittelbar be- sessen, jedoch so, dafs es zweifelhaft blieb, ob wir sie nach ihrer Ansicht als deren Erbbesitzung oder als eigentlich dem Reiche angehörig betrachten müs- sen. Die Frage hatte für die Hohenstaufenschen Herrscher selbst ihr früheres Interesse sobald verloren als sie an dem Gelingen des grofsartigen Planes nicht mehr zweifelten, den sie im Geiste trugen, das Römische Reich aus der Wahl- form in eine Erbmonarchie für ihr Haus zu verwandeln. Gegen das Ende des Zeitalters der Hohenstaufen, da dieser Plan gescheitert war, suchte Con- radin, ihr letzter Sprofs, sorgfältig wieder die Hohenstaufenschen Erbgüter von den Reichsbesitzungen zu scheiden. Natürlich wurde dabei der Hohen- staufensche Anspruch auch auf Burg und Stadt Nürnberg wieder erstreckt. Aber die auf dem Wege der Entwickelung zu einer freien Reichsstadt bereits glücklich fortgeschrittene Stadt, welche damals wie es scheint auch die kaiserliche Burg selbst besetzt hielt, verweigerte die Anerkennung dieses 376 Rırven über den Ursprung und die Natur Anspruchs, bis Conradin sich mit Hülfe des Pfalzgrafen bei Rhein, und wahrscheinlich auch des Burggrafen, der Burg und Stadt ungefähr um das Jahr 1266 gewaltsam bemächtigte. (17) Nürnberg gehörte daher auch mit zu den Erbgütern Conradins, zu deren Erben er am 24. October 1266, unter Zuziehung des Burggrafen Friedrich von Nürnberg und des Grafen Friedrich von Zollern, die Pfalzgrafen bei Rhein bestellte und worüber die schieds- richterliche Commission, welche die über diese Erbschaft nach Conradins Hinrichtung entstandenen Streitigkeiten schlichtete, am 29. October 1269 ihr Urtheil abgab. Die Pfalzgrafen Ludwig und Heinrich sollten darnach Burg und Stadt Nürnberg gemeinschaftlich besitzen. ('%) Der Ort wurde wahrscheinlich eben deshalb nicht mit in die Erbtheilung gezogen, weil man die Anfechtungen voraus sah, welchen dieser Besitz seitens des Reiches aus- gesetzt sein werde. Die Pfalzgrafen blieben auch schwerlich in Nürnbergs Besitz. König Rudolph bestätigte nach seiner Thronbesteigung (1273) dem Pfalzgrafen Ludwig alle Gegenstände der Conradinischen Schenkung mit namentlicher Angabe, aber Nürnberg ist nicht darunter erwähnt. Ebenso wenig kommt die kaiserliche Pfalz zu Nürnberg mit unter den Gegenständen der Belehnung vor, welche in demselben Jahre dem Burggrafen Friedrich ertheilt wurde. (7) Im Jahre 1266 verschrieb Conradin dem Pfalzgrafen in recompensam expensarum, quas — in acquisitione Castri et civitatis Nurenberch — fecit gewisse Erbgüter. Attenkhover Kurzgef. Gesch. der Herzoge von Bayern S. 178. Dals diese Unternehmung nicht gegen die Burggrafen von Nürnberg, sondern gegen die Stadt und Burg gerichtet war, bedarf wohl kaum der Erörterung. Das burggräflich Nürnbergsche so wie das Zollernsche Grafen- haus gehörte zu den treuesten und letzten Anhängern der Hohenstaufen. Burggraf Friedrich wird auch noch im Jahre 1267 als vertraueter Rath Conradins bezeichnet (familiaris) und erhielt von diesem und dem Pfalzgrafen Ludwig einen Besuch zu Onolzbach (Note 12). Schon am 22. October 1266 übergab Conradin dem Conrado Stromaer et heredibus ejus forestum in Nurimbere gubernandum et regendum. Mon. Boica XXX, 348. Auch wurde die oben gedachte Urkunde vom J. 1266 über die Einnahme Nürnbergs neben andern getreuen Con- radins von dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg und von dem Grafen Friedrich von Zollern mitbesiegelt. Attenkhover a. a. O. S. 179. (*%) Erbeseinsetzung v. 24. Oct. 1266. Attenkhover a. a. O. S. 173. Commissionsrezefs v. 29. Oct. 1269 daselbst S. 175. Der Schwäbische Dichter Conrad Marner sagt dem Conradin, indem er ihn ermuntert als König aufzutreten, Schwaben habe er schon als Herzog und dabei reiche Einkünfte aus Egerland, Nürnberg und dem Sand. Marner in von der Hagen’s Minnesänger II, 249. Der Sand ist die Gegend zwischen Nürnberg, Weilsenburg und Neumarkt. der Burggrafschaft Nürnberg. 877 Ohne Zweifel ist daher Nürnberg von dem Könige Rudolph wieder als un- verliehene Reichsdomaine betrachtet. Dabei finden wir die alte kaiserliche Pfalz, von einem Castellane untergeordneter Stellung beaufsichtigt, wieder unter dem Schutze der Stadt. Kaiser Heinrich VII. ertheilte der Stadt im Jahre 1313, unter andern Bestätigungen alter und Verleihungen neuer Rechte die Zusicherung, die Burg Nürnberg solle niemals von der Stadt getrennt werden und der Castellan den Bürgern Sicherheit dafür bestellen, die Burg bei dem Tode eines jeden Römischen Königs oder Kaisers, der Stadt zu über- geben, die selbige bis zu vollzogener Wahl eines neuen Reichsoberhauptes allein im Besitz behalten solle. () Diese Zusicherung für die Stadt wurde in den Jahren 1341 und 1349 nochmals wiederholt, das letzte Mal vom Kaiser Carl IV. mit der abändernden Bestimmung, dafs die kaiserlichen Amtleute der Burg ganz abgeschafft wurden und diese darnach ausschliefslich dem Stadt- regimente anbefohlen ward. (2°) Ging der Burggrafschaft’aber auch nach dem Öbigen die Befehlshaber- schaft über die alte kaiserliche Burg zu Nürnberg durch die Abtretung vom Jahre 1138 für immer verloren; so blieben derselben doch mehrere bedeu- tende Zubehörungen des früher besessenen Castellanates in und bei der Stadt Nürnberg zuständig. Sie bestanden vornämlich in einer eigenen Burg neben der kaiserlichen Pfalz, in der Thorwache des dieser Burg zugekehrten Stadt- thores, einem Hofe in der Stadt, ferner in dem Obergerichte über die Stadt, der Mühlengerechtigkeit, einem Antheile an den Zollgefällen und in dem Rechte gewisse Abgaben und Dienste von den Bürgern zu fordern. (*') Man (') WVölckern Hist. dipl. Nor. S. 227 228. G>) Kaiser Ludwig befiehlt am 30. Mai 1341, dals die Stadt und Burg zu Nürnberg ein Ding sein und bei einander bleiben sollen, also dals wenn ein Römischer Kaiser oder König nicht vorhanden wäre, die Bürger zu Nürnberg sich derselben Reichsburg gänzlich unterwinden sollen, damit einem künftigen Römischen Kaiser oder König getreulich zu war- ten. D. zu Nürnberg. Hist. Nor. dipl. 301. Freybergs Reg. VII, 308. — Kaiser Karls IV. Anordnungen in der Histor. dipl. Nor. 315. 333. (*') Rudolfus — Notum igitur esse volumus et presentibus publice protestamur,, quod nos aduertentes deuocionem et fidelitatem dilecti nobis Friderici Buregrauii de Nurenberch vniuersa bona infrascripta videlicet comiciam Burcgrauie in Nurenberch, castrum quod tenet ibidem, custodiam porte site prope idem castrum, iudicium provinciale in Nurenberch cui etiam vice Imperatoris omne iudicium iudicans presidebit. Officialis eiusdem Burcgravii vna cum sculteto nostro in ciuitate Nurenberch iudicio presidebit, Et quicquid emolumenti de Philos.- histor. Kl. 1854. Bbb 378 Rızven über den Ursprung und die Natur erkennt darin sehr leicht, besonders aus der Ähnlichkeit dieser mit den- jenigen Rechten, welche anderswo den Burggrafen zukamen, z. B. in Mei- {sen, die Überreste eines ursprünglich auch über die Stadt Nürnberg erstreck- ten burggräflichen Amtes. Das burggräfliche Schlofs bei Nürnberg nennt Meisterlins Chronik (??) parvum fortalicium iuxta casirum imperiale constructum, und ist daher mit der alten kaiserlichen Pfalz, dem kaiserlichen Palatium, wie sie in einer Ur- kunde Philipps von 1207 genannt wird (?*), nicht zu verwechseln. Schon König Rudolphs Lehnbrief vom Jahre 1273 sichert dem Burggrafen den Be- sitz dieses Schlosses mit der Bezeichnung zu castrum quod tenet ibidem, und auch in den fernern Lehnbriefen von den Jahren 1281 und 1300 wird das Schlofs erwähnt. In diesem Schlosse befand sich die St. Otmars Capelle, die spätere St. Walpurgiskirche, welche der Burggraf Friedrich III im Jahre 1267 dem St. Ägidienkloster dergestalt vereinigte, dafs der jedesmalige Abt des Klosters erster Burgeaplan der Capelle war und die Verpflichtung über- nahm, in den Zeiten, dafs der Burggraf hier residirte, alle Tage, sonst aber dreimal die Woche den Gottesdienst in der Capelle zu ministriren. In der bezüglichen Urkunde (**) nennt der Burggraf Friedrich III. das gedachte ipso iudieio vel per homieidium vel quemeunque casum alium provenerit, idem officialis duas partes eiusdem vietus (lueri) per se tolle. Diete quoque Burcgrauio queque Fabrica in Nurenberch soluet unum solidum annuatim censumque tollet ab omnibus areis ab altera parte pontis, et de qualibet tempore messis unum messorem, terciam feram, terciam arborem de foresto ac omnia ligna iacencia in eodem, Officium de foresto ab ista parte pontis cum suis attinenciis, villam Werde, villam Buch, opidum Swant, castrum Chriesen, aduocatiam cenobii in Steina, decem libras denariorum de officio Sculteti in Nurenberch et decem libras de theloneo ibidem, cum reliquis feodis, que idem et sui progenitores a nostris antecessoribus habuisse dinoscuntur — titulo feodali concessimus in feodo ete. Lehnbrief des Königs Ru- dolph vom 25. October 1273 abgedruckt in Stillfrieds Mon. Zoll. I, 124. 125. Oetters Zweitem Versuch S. 608. Lünigs Corpus iur. feud. I, 614. Falkensteins Antig. Nordg. III, 115. Pauli’s Preuls. Staatsgeschichte II, 35 und in der Historia Nor. dipl. 167, so wie in mehreren andern Werken. Dazu steht in erklärender Verbindung ein durch Streitigkeiten des Burggrafen Friedrich V mit der Stadt Nürnberg herbeigeführten Schiedsspruch vom 19. März 1362, welcher in Freybergs Regesten im Extracte mitgetheilt ist. (@”) Ludewig Reliqg. Mspt. VII, 48. () Urkunde v. 1207. Dno. Philippo Rege Romanorum in Palatio de Nurinberg. Hormaier Gesch. der gef. Grafschaft Tirol I, I, 206. () Oetters Zweit. Versuch S. 215. Vgl. das. S. 709. der Burggrafschaft Nürnberg. 379 Schlofs auch mit dem Bemerken seine Residenz, dafs selbiges von seinen Vor- gängern ihm überkommen sei. Auch ist eine Urkunde vom Jahr 1276 aus des Burggrafen Schlosse in Nürnberg datirt. (°°*) Die Lage dieses Schlosses in Beziehung auf die städtischen Befestigungs- werke Nürnbergs, lassen verschiedene Vergleiche aus dem 14“ Jahrhunderte noch näher erkennen, Im Jahre 1376 verglich namentlich Kaiser Carl IV. am 28. October die Stadt mit dem Burggrafen Friedrich V. wegen der seitens der Stadt unter der Feste des Burggrafen aufgeführten Mauer. Es wurde bestimmt, die Bürger sollten die Mauer nicht erhöhen, auch keine Befesti- gungswerke darauf machen, sondern nur ein zwei Spann hohes Dach zur Ableitung des Wassers. Sie sollten ferner das errichtete hölzerne 'Thor und die Küche an der Mauer wieder abnehmen und dergleichen nicht wieder an- legen aufser im Falle eines Krieges mit dem Burggrafen oder mit andern Feinden. (*) Im Jahre 1330 stiftete Friedrich V. in der Burg zu Nürnberg auch noch eine besondere Gaplanei. (*) Im Jahre 1427 wurde jedoch die Burg, die mehrere Jahre vorher in den Bayerischen Fehden eingenommen und ausgebrannt war, von dem Burggrafen Friedrich VI. der Stadt Nürnberg verkauft (°°), und von dieser zu ihrer bessern Befestigung abgetragen. Wenn Burggraf Friedrich VI. — Markgr. Friedrich I. — in Nürnberg sich aufbielt; nahm er seine Herberge in einem Privathause, — bei Caspar Vollant. Neben der in Rede stehenden Burg wird den Burggrafen schon in dem Lehnbriefe vom Jahre 1273 auch die Thorwarte oder Hut des ihrer Burg zugekehrten Stadtthores zugeschrieben. Es war das Vestner Thor und mittelst des Besatzungsrechtes desselben stand den Burggrafen wohl zugleich auch überhaupt das ihnen den unbehinderten Zutritt sichernde Offnungs- recht (jus aperturae) an der Stadt Nürnberg zu. Die verschiedenen Thore der stark befestigten Stadt, zu derem Schutze hier eigene Wartthürme oder Burgfesten errichtet waren, wurden von mehreren im Lehnsbesitze derselben befindlichen Familien bewacht. So gehörte ein Burglehn auch zu dem (°) Actum et datum in Nurenberch in castro Domini Burcgrauii VIII kal. Sept. A. dom. M.CC.LXXVI. Oetters Dritt. Versuch S. 286. (°) Freybergs Mon. Boica IX, 362. () Freybergs Mon. Boica X, 54. (2°) Pauli’s Preuls. Staatsgeschichte I, 117. Bbb2 380 Rırper über den Ursprung und die Natur Thore, welches aus der Stadt zur kaiserlichen Pfalz hinaufführte. Selbiges besafs bis zum Jahre 1430, da es der Stadt verkauft wurde, die Familie von Colditz. Ein anderes von dem Kaiser Carl IV. den Hasen von Hasenburg verliehenes, früher von denen von Fischbach besessenes Burglehn, wurde im Jahre 1432 von der Familie Waldströmer an die Stadt verkauft. Ein drittes am Wöhrder, später zugemauerten Thore gelegenes Burglehn besafs die Fa- milie von Brauneck, nach deren Aussterben König Wenzel das dem Reiche heimgefallene Lehn im Jahre 1390 dem Burggrafen Johann III. zutheilte. In den Verkauf, den Burggraf Friedrich VI. im Jahre 1427 an die Stadt Nürnberg vornahm, war jedoch auch dies Burglehn, so wie das Besatzungs- recht des Vestner Thores eingeschlossen. (?°*) Diese Einrichtungen, wie sie zu Nürnberg bis 1427 bestanden, als der Besitz eines burggräflichen von der Hauptburg verschiedenen Schlosses und das Besatzungsrecht eines Stadthores stimmen mit den Rechten überein, welche auch anderswo den Burggrafen zukamen. So gab esz. B. auch zu Meifsen ein eigenes burggräfliches Schlofs an der Abendseite des sogenann- ten Schlofsberges gelegen, auf welchem das markgräfliche Schlofs stand, und auch hier hielt der Burggraf das Stadtthor, das den Eingang zur Burg be- wachte, mit dem dasselbe beherrschenden Thurm durch seine Leute be- setzt. (27) Aufser dem gedachten burggräflichen Sehlosse gehörte dem Burggrafen zu Nürnberg noch ein eigner Hof, den man schon im Besitz des Burggrafen Conrad IV. (1261-1314) antrifft, dessen gewöhnlicher Wohnsitz dieser Hof gewesen zu sein scheint. Man hat das innerhalb der Stadt in der Nähe der Jacobikirche gelegene sogenannte Schlöfslein für diesen alten Burggrafen- hof gehalten. Wahrscheinlich ist jedoch der Hof, welchen Burggraf Con- rad IV. zu Nürnberg besafs und bewohnte, derselbe gewesen, der zu Folge einer Urkunde dieses Burggrafen vom 7. Mai 1304 aufserhalb der Mauer bei dem Spitale lag und der Deutschen Ordens - Comthurei Viernsberg mit der Bestimmung vermacht wurde, denselben nach dem Tode des Burggrafen und seiner Gattin zum Bau eines Münsters in Viernsberg zu verwenden. (2°) Curia Burggravii in Nurenberch nach einer daselbst ausgestellten Urkunde vom J. 1308. Oetters Erster Versuch I, 440. (°) Vgl. Märckers treffliche Geschichte des Burggrafthumes Meilsen S. 113. der Burggrafschaft Nürnberg. 381 Das Erkennen des Verhältnisses, worin der Burggraf noch nach dem Jahre 1138 zu der Verwaltung der Gerichte über die Stadt Nürnberg stehen blieb, wird dadurch erschwert, dafs dies Verhältnifs im Laufe der Zeit mehr- fach Veränderungen erfuhr, worüber wir nicht speciell unterrichtet sind. So weit der oft erwähnte Lehnbrief Rudolphs vom 25. October 1273 die dama- lige Lage der Gerichtsverwaltung Nürnbergs erkennen läfst, war daran dem Burggrafen eine bestimmte Theilnahme zuständig, während zugleich ein Schultheifs als untergeordneter Stadtrichter erscheint. In der darin dem Burggrafen zugeeigneten Theilnahme an der Rechtspflege über die Stadt müssen wir das sogenannte Obergericht im Sinne damaliger Zeit erkennen, nicht nur an der ihm zugeschriebenen Hebung von zwei Drittheilen der Ge- richtsgefälle, welche überall das Attribut des Obergerichtes bildeten, wäh- rend dem Unterrichter stets nur ein Drittel zukam; sondern auch daran, dafs die Urkunde das Gericht über Todtschlag (komicidium) ganz besonders als eins der Fälle hervorhebt, worauf sich des Burggrafen Theilnahme an der Verwaltung des Nürnberger Stadtgerichtes bezog. Das Blutgericht war auch anderswo in den Markgrafschaften vornämlich der burggräflichen Juris- dietion zugeeignet. (?°) Bei der Hegung des Obergerichtes führte ein Beam- ter des Burggrafen an des letztern Stelle den Vorsitz. Ihm zur Seite safs als Unterrichter oder als erster Schöppe der Schultheifs.. Das Amt des Schulzen, welcher das Untergericht mit dem Schöppen allein hielt, war eigentlich ein Ausflufs des oberrichterlichen Amtes und consequenter Weise mufste daher der Burggraf auch Lehnsherr des Stadtschulzen sein. Dieses war jedoch zu Nürnberg schon im Jahre 1273 nicht mehr der Fall. Der Schultheifs hatte gegen den Burggrafen nur die Verpflichtung, ihm zehn Pfund Pfennige von seinem Amte zu entrichten. Dagegen trug er sein Amt vom Reiche zu Lehn und wird daher auch kaiserlicher Schultheifs oder Reichsschulze genannt. Burggraf Friedrich IV. hatte das Nürnberger Stadt- schulzenamt pfandweise inne, doch dieser Pfandbesitz dauerte nur kurze Zeit (°°), und führte keine Veränderung in der Gerichtsverfassung der Stadt herbei. (®) Märcker a. a. O. S. 445. 459. () Im Jahre 1349 giebt Kaiser Karl IV. den Grofsen die Zusicherung, sie so lange in Besitz des ihnen verpfändeten Schulzenamtes zu belassen, bis die Auslösung erfolgt sein werde. Freybergs Reg. Boica VII, 173. 382 Rızrver über den Ursprung und die Natur Nach dem Obigen ist nicht zu verkennen, dafs auch nach Abtretung der Burghut über die kaiserliche Pfalz die Gerichtsobigkeit der Stadt Nürn- berg doch bei dem Burggrafen geblieben war. Zwar versuchte die Stadt im 44“ Jahrhunderte mehrfach dieser sich zu entziehen. Es gelang ihr auch am 1. Juli 1340 von dem Kaiser Ludwig zu einer Zeit, da dieser mit dem Burggrafen Johann I. in Mifsverhältnissen stand, für Rath und Schöppen der Stadt die Ermächtigung zu erlangen, jeden schädlichen oder anrüchtigen Menschen gefänglich einzuziehen, denselben an Leib und Leben zu strafen, auch ungerathene Personen, welchen es wegen ihrer Ungerathenheit besser sei todt als lebendig zu sein, in den Thurm zu stecken oder auch in einen Sack zu stofsen und im Wasser zu ertränken. (°°) Indessen Kaiser Ludwig widerrief später alle von ihm ertheilten Zugeständnisse (*'), welche den mit ihm wieder versöhnten Burggrafen Schaden brächten „an ihrer Herrschaft oder an dem, darzu die vorigen Burggrafen Recht hatten.” Die Burggrafen liefsen sich daher auch die Theilnahme an dem Vorsitz in den Sitzungen des Nürn- berger Stadtgerichtes, den sie wenigstens durch einen ihrer Beamten ausübten, nicht nehmen. Noch in einer schiedsrichterlichen Entscheidung ihrer mit der Stadt stattfindenden Streitigkeiten vom 19. März 1362 wurde das Recht dazu ihnen bestätigt. Doch ging dasselbe mit der Zeit immermehr in das Recht einer blofsen Abgabenerhebung über und wurde daher unter dem Titel der burggräflichen zwei Drittheile des Gerichts zu Nürnberg und der jährlichen Gülte von zehn Pfund Pfennigen vom Schultheifsenamt im Jahre 4427 an die Stadt Nürnberg verkauft. (°?) Mit dem Lehne der Gerichtsbarkeit über Städte trifft man nicht selten das Hebungsrecht von Grund- und Gewerbsabgaben in Verbindung an, welche aus den Städten entrichtet wurden. Denn gerichtsherrliche und grundherrliche Rechte wurden im Mittelalter nirgends strenge unterschieden und nicht selten auch mit steuerlichen Abgaben vermischt. So gebührte den Burggrafen auch an Rechten, welche sie rücksichtlich der Stadt Nürn- berg nach Urkunden von den Jahren 1273 und 1362 vom Reiche zu Lehn (°°) Historia dipl. Noremb. S. 304 mit der falschen Jahreszahl 1341. Vgl. Freyberg's Reg. Boica VII, 284. (') Schütz Corp. histor. IV, 257. (°) Pauli’s Preuls. Staatsgesch. II, 122. der Burggrafschaft N ürnberg. 383 [e) trugen, von jeder Hofstatt jenseits der Brücke oder in der Parochie der St. Lorenzkirche während der Ernte die Stellung eines Schnitters auf einen Tag und 1 Pfenning Grundzins, von jeder Schmiedewerkstätte aber einen Schil- ling und darneben aus dem Ertrage der Zollabgaben der Stadt jährlich zehn Pfund zu fordern. Ähnliche Hebungsrechte standen den Burggrafen auch in Brandenburg, Meifsen und andern Orten zu. Es waren daher vermuth- lich alte Amtsgebühren der Nürnberger Burggrafen. Die Dienstberechti- gungen mochten zu einem burggräflichen Wirthschaftshofe früher genutzt sein. Im Jahre 1427 wurden auch diese Dienste und Hebungen durch Ver- kauf an die Stadt Nürnberg überlassen. (°*) Noch regelmäfsiger findet man mit der Gerichtsbarkeit über Städte die einträgliche Mühlengerechtigkeit verbunden. Auch diese scheint in Nürnberg ein ursprüngliches Zubehör des burggräflichen Amtes gebildet zu haben, wenigstens findet man eine Menge von Mühlen in und bei Nürnberg, die allmälig veräufsert wurden, anfänglich in burggräflichem Besitz. So liefs Burggraf Conrad III. im Jahre 1234 in König Heinrichs Hand die Mühle „unter den Weiden” zu Nürnberg, imgleichen die Liebmannsmühle und die Mühle am Fischbach dem Deutschen Orden auf und trug Burggraf Con- rad IV. eine Mühle zu Nürnberg vom Reiche zu Lehn, woran König Al- brecht i. J. 1298 dem Burggrafen Johann I. das Angefälle verlieh, so wie eine andere Mühle, „hinter den Fleischbänken”, welche Conrad im Jahre 1299 an seine Schwägerin, die verwittwete Burggräfin Helene ver- kaufte. Das Fischwasser, welches an die Mühle zu den Fleischbänken und an die Mühle „unter der Fülle” stöfst, wurde im Jahre 1323 von dem Burggrafen Friedrich IV. dem Deutschen Orden vereignet (°*). Im Jahre 1374 verkaufte der Burggraf Friedrich V. dem Bürger Leupold Schur- stab fünf Mühlen in und bei Nürnberg mit Vorbehalt des Hebungsrechtes gewisser Abgaben (°°), und im Jahre 1427 werden der Stadt Nürnberg noch vier Mühlen, welche der Burggrafschaft angehörten, eine innerhalb der Stadt und drei neben derselben, in den Kauf gegeben (°°). () Die Veräulserung der Schmidtstattspfenninge geschah schon früher durch Burggrafen Friedrich V. (*) Freibergs Mon. Boica VI, 90. (@?) Schütz Corpus hist. II, 87. (°) Pauli’s Preuls. Staatsgesch. II, 117. 384 Rırver über den Ursprung und die Natur In Ansehung des Reichswaldes bei Nürnberg gehörte zu der ursprüng- lichen Ausstattung des burggräflichen Amtes noch das Reichsforstmeisteramt auf der Südseite des Flusses mit seinem Zubehör. Dieses wird schon in dem Lehnbriefe von 1273 unter den Lehnstücken des Burggrafthumes mit er- wähnt. Darnach gebührte dem Burggrafen das dritte Stück Wildprett, der dritte Baum, der Windbruch und das Lagerholz aus dem gedachten Walde. Mit den Waldungen, welche die Burggrafen bei Nürnberg, später vom Reiche zu Lehn trugen, worin sie z.B. 1314 dem Kloster St. Aegidien zu Nürn- berg (°7), so wie demnächst dem Kloster Neuenkirchen das Holzungsrecht verliehen (°°), und die nach einer Urkunde vom Jahre 1367, worin Burggraf Friedrich V. auf Bitten des Kaisers Carl IV. der Stadt Erlangen das Hütungs- recht darin verlieh, als der burggräfliche Wald bezeichnet werden, welcher der Nürnberger Wald heifse (*°), ist derjenige Reichswald nicht zu verwech- seln, in welchem sich die Berechtigungen der Burggrafen auf die gedachte Theilnahme an den Nutzungen beschränkten. Es gab zu Nürnberg auch eigene Reichsforstmeister, welche von dem Kaiser unmittelbar die Belehnung erhielten (*°). Doch wurden mit der Zeit mehreren Privatbesitzern (*'), und insbesondere der Stadt Nürnberg bedeutende Rechte in dem Reichswalde eingeräumt, und letztere geriethen dann mehrfach, namentlich aber um die Mitte des 14" Jahrhunderts über ihre beiderseitigen Berechtigungen mit den (°’) Oetter’s Zweiter Versuch S. 673. (°) Hofmann’s Annal. Bamberg. S. 226, $ 34. (°) Oetter’s dritter Versuch, Vorrede S. LXVII. (*) Von Lancizolle Gesch. der Bildung des Preufs. Staates I, 71. (*‘) Am 26. Juni 1329 macht K. Ludwig den Burggr. Friedrich und Johann bekannt, dals er Ludwigen von Eib, der Kaiserin Hofmeister, die „Fürreut des Waldes zu Nürnberg um 1000 Pfund H. auf Wiedereinlösung verpfändet habe. Freibergs Reg. VI, 296. — In drei verschiedenen Gunstbriefen vom 8. Februar 1337 verleiht K. Ludwig dem Reichsforst- meister zu Nürnberg 1) für sich und seine Kinder beiderlei Geschlechts den Graben und die Weiherstätte obendig der Bürger Weiher auf und bis an den nächsten Furt unterhalb Spilpühels; 2) das Recht den Reichswald mit 1000 Schaafen zu betreiben; 3) acht kleine Kohlfeuer, so viel ein Köhler mit einem Pferd und Karren arbeiten mag, einzurichten. Frey- bergs Reg. Boica VII, 175. — König Karl IV. verpfändet am 7. April 1350 an Arnold von Seckendorf vnser und des Reichs Honiggelt, daz wir haben uff vnserm vnd des Reychsforst zu Nurenberg vnd in der vmbgelegenheit, das daselbst geuellet von den Zeidelern vnd von den Zeidelhuben — mit gewalt die Zeidler — zu setzen vnd zu entsetzen, für 200 Mark löthigen Silbers. Pelzel’s Kais. Karl IV. Urkundenbuch I, 137. der Burggrafschaft Nürnberg. 385 Burggrafen in Streit. Ein Schiedsgericht vom 19. März 1362 that den Aus- spruch, es sollten die Burggrafen von allen Nutzungen des Reiches aus die- sem Walde, so wie das herkömmliche Bau- und Brennholz zu ihrem Bedarf aus demselben entnehmen dürfen, auch fernerhin ein Drittheil erhalten, doch der Waldströmer, so wie Otto der Forstmeister und deren Erben, des Wal- des oberste Forstmeister bleiben (*). Späterhin (1396) erwarb die Stadt Nürnberg im Wege des Kaufs von den Waldströmern ihr erbliches Amt mit allen ihren Rechten an dem Lorenzowalde (‘*). Dagegen setzte der Burg- graf Johann III. sich in den Besitz der ähnlichen Rechte der Familie For- ster. Doch im Jahre 1427 wurde den fortwährenden Streitigkeiten über die Grenzen der burggräflichen und der städtischen Rechte auf den Reichs- wald dadurch ein Ziel gesetzt, dafs Friedrich VI. alle burggräflichen Rechte an dem Reichswald, sowohl in dem St. Sebald als in dem St. Lorenzo-Walde, mit dem Fortgerichte und einer Schäferei, der Stadt allein überliefs. Den Burggrafen blieb der Wildbann und das Geleitsrecht in diesen Waldungen allein vorbehalten — ein Vorbehalt, der jedoch in demselben Jahre dadurch beschränkt wurde, dafs eine zu Bamberg ausgestellte Urkunde vom 29. Juni 1427 dem Rathe und der Stadt Nürnberg auch das Schweinehetzen, die Hasen- und Vögeljagd in beiden Waldungen aus besonderer Gunst nachgab (**). (”) „Gerlach Erzbischof zu Mainz, Ruprecht der ältere Pfalzgraf in Bayrn, Rudolf Her- zog zu Sachsen und Cuno von Valkenstein, Coadjutor des Erzbischofs zu Trier, entscheiden die Zweyungen zwischen dem Burggrafen Friedrich und der Stadt Nürnberg dahin, dafs dem Burggrafen im Nürnberger Forst seine hergebrachten Freiheiten und Rechte verbleiben; würde das Reich Köhler, Buttner oder Pechler in diesen Wald legen, so soll von den Ge- fällen hieraus der Burggraf ein Drittel erhalten; die Burggrafen sollen in diesem Wald das herkömmliche Bau- und Brennholz hauen, aber den Wald nicht verkaufen oder schädlich verhauen; der Waldstromeyer und Otto Forstmeister und derselben Erben sollen nach Laut der Briefe, welche die Stadt Nürnberg hierüber hat, dieses Waldes oberste Forstmeister sein; jede Hofstatt in der St. Lorenzer Pfarre soll dem Burggrafen jährlich während der Erndte- zeit für einen Tag einen Schnitter leihen und I Pfenning geben; jeder Schmidt in dieser Pfarre, der eine Esse hat, soll den Burggrafen jährlich I Schilling Pfenning reichen; der Burg- graf mag dem Reichsschultheils in Nürnberg einen Beysitzer geben, und von der Gerichts- bulse sollen 2 Theile dem Burggrafen und 1 Theil dem Schultheils zufallen. Die Burggra- fen sollen auf dem Zolle zu Nürnberg jährlich 10 Pfund haben.” G. zu Nürnberg am Samstag vor Benediet i. J. 1362 am 19. März. Freyberg, Reg. Boic. IX, 58. (°) Hist. dipl. Noremh. 502. () Urk. vom 29. Juni 1427 in Oetter’s Zweit. Versuch S. 676. Philos.- histor. Kl. 1854. Ccc 386 Rırven über den Ursprung und die Natur Also waren mit der Veräufserung vom Jahre 1427, welche zugleich auch den Ort Wöhrd, eine dem Burggrafen bis dahin angehörige Vorstadt Nürnbergs, und die dicht bei der Stadt gelegenen Orte Schnigling, Schne- pfenreut, Höfles und Buch betraf, alle diejenigen Rechte aufgegeben, welche den Burggrafen noch als Überreste der alten Burghut zuständig geblieben waren, und ein gewisses Abhängigkeitsverhältnifs der Stadt von den Burg- grafen begründeten. Von Nürnberg war ihnen nach dieser Veräufserung in der That nichts weiter als der Titel übrig, der auch neben der neu erwor- benen Markgrafenwürde beibehalten wurde. Von dem ursprünglichen In- halte des burggräflichen Amtes verblieb den Burggrafen indessen noch der wichtigste Theil — in dem Landrichteramte. 3. Die Grafschaft und das Landgericht zu Nürnberg. Von dem sogenannten alten kaiserlichen Landgerichte zu Nürnberg, das dem Burggrafen lehnsweise angehörte, sind in alter und neuerer Zeit so viel unerhörte Phantasien verbreitet, dafs es schwer fällt, das ursprüngliche einfache Verhältnifs dieses Gerichtslehnes einleuchtend darzustellen. Zahl- reiche fränkische Geschichtsschreiber suchten in der Bedeutung, welche sie diesem Landgerichte zuschrieben, theils eine Rechtfertigung für ihr unge- bürliches Erheben der amtlichen Stellung unserer Burggrafen in der Reichs- verwaltung, theils eine Vertheidigung von Ansprüchen auf Hoheitsrechte der Burggrafen über Städte, Burgen und Lande, welche diesen nicht unterthan waren. Das Verwirrendste dabei ist, dafs die burggräfliche Regierung selbst schon gegen das Ende des Mittelalters und im Anfange der neuern Zeit über die Natur des ihr zuständigen Landgerichtes in Unklarheit gerieth und eine nicht zu rechtfertigende Bedeutung desselben praktisch geltend zu machen unternahm. Zuvörderst ist gewöhnlich das Epitheton kaiserlich, welches man diesem Landgerichte beilegte, mit besonderem Nachdrucke hervorgehoben. Der Burggraf soll darnach vermöge dieses Gerichtslehnes bedeutungsvoll un- mittelbarer Stellvertreter der Person des Kaisers, mithin Träger der oberst- richterlichen Vorrechte und Pflichten des letztern im Frankenlande gewesen sein. Dieser Annahme dient schon der Lehnbrief König Rudolphs vom 25. October 1273 insofern zur Unterstützung, als diese Urkunde das Lanıd- gericht in Nürnberg (iudicium prouinciale in Nurenberch) unter dem Hinzu- der Burggrafschaft Nürnberg. 387 fügen dem Burggrafen zuschreibt, dafs er darin über alle Rechtsangelegen- heiten zu richten an des Kaisers Statt den Vorsitz zu führen habe (cui eliam vice Imperatoris omne iudicium iudicans praesidebit) (*). Dennoch liegt in dieser Bemerkung nichts, was dem Nürnberger, von dem Burggrafen zu he- genden Landgerichte eine exceptionelle Beziehung zum Kaiser zueignete. Sie zeigt vielmehr nur an, dafs auch der Blutbann diesem Gerichte anver- traut war, und dafs der Burggraf darin unter Königsbann richtete. Als eigentlicher Richter über Leib und Leben freier Leute wurde in der deut- schen Gerichtsverfassung der König allein betrachtet. Alle Reichsbeamten, welchen er dies Richteramt übertrug, richteten daher als seine Stellvertreter — „unter Königsbann”. Selbst wenn ein zwischen dem Grafen und dem Könige stehender Fürst die Grafschaft zu verleihen hatte, konnte der Graf oder Vicegraf doch den Bann oder das Recht über Hals und Hand schöppen- barfreier Leute zu Gericht zu sitzen, nur von des Königs unmittelbarer Ver- leihung ableiten. Daher ruhten’ auch die Wirkungen dieser königlichen Ver- leihung an den Grafen, sobald der König selbst in der Grafschaft gegenwärtig war, und konnte dieser dann selbst zu Gericht sitzen. (*) Jeder Graf führte (*) In dem Rudolphinischen Lehnbriefe vom J. 1273 heilst es: Judicium provinciale in Nurenberch, cui etiam vice Imperatoris omne Iudicium iudicans presidebit. In der Erneue- rung dieses Lehnbriefes vom J. 1281 sind die Worte dadurch näher bestimmt, dals es heilst: Iudicium provinciale in Nurnberg, cui etiam vice Imperatoris exercens omne iudicium et iu- dicans presidebit (Schütz Corp. hist. IV, 122). In dem Lehnbriefe vom Jahre 1300 ist die Stelle wieder dem Lehnbriefe vom Jahre 1273 wörtlich entlehnt, wie diese Urkunde über- haupt die Grundlage der nachfolgenden Lehnbriefe bildet, die in der Regel ohne Verände- rung in neuer Auffassung immer wieder aus ältern lediglich abgeschrieben wurden Die Stelle hat nun die Übersetzung gefunden: „dals der Burggraf anstatt des Römischen Königs über alle richtenden Gerichte richten solle!” (Schütz Corp. hist. I, 118). () Aus der Reihe der bekannten Beweisstellen heben wir hier nur folgende hervor: De kuningk is gemeiner richter over alle. Sachsensp. III, 26. — Den Kunig welet man zu richter über eigen vnd über lehn unde über eines ieglichen mannes leib. Der mag aber in allen landen nicht seyn, noch auch alle Ungerichte richten zu aller Zeit, und darumb leihet er den Fürsten Fahnlehn und Grafschaften. Das. B. II, Art. 52. — In welche lande der Kunig komt, da ist ihm ledig das gericht daselbst, also das er wol richten mag alle die kla- gen, die vor ihn komen und ehe vor einen andern gericht nicht begunnet noch geendet sint Art. 60. — Obwol den Marggraff die Graffschafft leihet, doch muls der Richter den ban allein von dem Könige emphbahen. Glosse zum B. II. Art. 12. $ 6. des Sachsenspiegels. — Abbas bannum legitimum eum (Advocatum suum) a rege suscipere efficiat. Urk. in De Gu- denus Cod., dipl. Mog. I, 28. Was des gerichts is, das über Plutreynsen geht und um Cce2 388 Rırven über den Ursprung und die Natur mithin den Vorsitz in seinem Landgerichte als Stellvertreter des Königs oder Kaisers und in sofern konnte also jedes gräfliche Landgericht auch ein könig- liches oder kaiserliches Landgericht genannt werden. So wenig man aber während der Zeiten, worin die Idee des alten Ge- richtswesens noch im Volke lebte, die Gerichte der Grafen kaiserliche Land- gerichte nannte, ebenso wenig legte man damals diese Bezeichnung dem Nürnberger Landgerichte bei. Die Burggrafen selbst nennen vielmehr dies Landgericht beständig das ihrige, das ist ein burggräfliches (*’), in Überein- stimmung damit, dafs man jene Landgerichte der Grafschaften als gräfliche Gerichte bezeichnete. Die Burggrafen nennen daher auch sich selbst und nicht den Kaiser als eigentlichen Landrichter (**) und werden ebenso von den Beamten, den Vicelandrichtern, genannt, durch die sie an ihrer Stelle das Landgericht hegen liefsen. (*”) Auch das Siegel, womit die Documente über gerichtliche in diesem Landdinge verhandelte Angelegenheiten besiegelt wurden, geben das Landgericht nur als das burggräfliche zu erkennen (°°) Todschlag, wem das der Bischof leihet, den sol er senden mit seinem Prief an den Kunig, das er ihm den ban leihe. Schwabenspiegel Art. 17. — Königsbann, das ist solche gewalt vnd zwang, als der König selbst hat zu richten ober hals und hand. Register der unvor- nemblichen Vocabulen in Sachsenrechten (Budess. 1557) s. voce Bann. (*”) Frideriens d. gr. Burggravius in Nurnberg — Henrieus — coram nobis in judieio Provinciali in Nurnberg multis altercationibus habitis — tandem — in forma juris coram nostro Provinciali Judicio renunciavit. Urk. v. J. 1265 in Schütz Corp. IV, 85. 86. 89. Wir Albrecht von Goz Gnaden Purggraf zu Nüremberg sizzen zu Gericht an Vnserm Lant- gericht zu Nüremberg. Urk. vom J. 1343 in Schütz Corp. IV, 248. Dem entsprechend bezeichnen auch die kaiserlichen Urkunden das Landgericht als das der Burggrafen z. B. König Karls IV. Urk. v. 15. Febr. 1348 — daz fur vns chomen die Edeln Johanns vnd Albrecht Burchgrafen — vnd teten uns kunt, daz ir Lantgerichte, daz si von vns vnnd dem heiligen Römischen Reiche zu lehen haben, mit einem Richter scholt besetzt werden etc. Schütz Corp. hist. IV, 266. 280. Urkunde desselben vom 2. Febr. 1358: bestätigen vnd confirmiren yn, yren Erben vnd nachkumen Burggraffen zu Nuremberg yre Landgerichte ‘vnd auch sust Gerichte etc. das. 299. (*) Eine Urk. von 1312 ist „mit des Edlen Herrn Conrads des alten Burggraffen des Landtrichters zu Nürnberg Insigeln verfestet” Falkenstein Cod. dipl. Nordg. 151. (*) Ego Otto de Dytenhoven vice judex domini mei Frideriei Buregrauii de Nurenberch Judicis prouincialis per hec scripta patere cupio Universis, quod comparentibus coram me in figura provineialis Judicii etc. Urk. v. J. 1282 Dat. Nurenberch. bei Oetter Zw. Vers. S. 448. Auch diesen Otto von Dietenhofen macht der Herausgeber der Urkunde zum „kaiserlichen Landrichter” S. 457. (°°) Ein Landgerichtssiegel des Burggrafen . Johann enthält den Zollernschen Schild mit der Burggrafschaft N ürnberg. 389 und enthalten das Wappen oder Bildnifs der Burggrafen anstatt des in den Siegeln der Reichshofrichter üblichen Bıildnisses des auf den Thron sitzenden mit allen Attributen der obersten Richtergewalt ausgestatteten Kaisers. ($*) Eine Gleichstellung des Nürnberger Landgerichtes mit dem könig- lichen oder kaiserlichen Hofgerichte ist um so weniger statthaft und seine Verwechselung mit diesem um so auffallender, als die kaiserliche Pfalz zu Nürnberg auch in verschiedenen Zeiten einem sich von dem burggräflichen Landgerichte deutlich unterscheidenden kaiserlichen Hofgerichte zum Sitz diente (°'), ja eben dies kaiserliche Hofgericht in mehreren Judicaten Richter- sprüche und sonstige Verfügungen des Nürnberger Landgerichtes zum Ge- genstande seiner Bestätigung machte. (°?) Es ist dadurch eben sowohl die der einfachen Umschrift S.(igillum) Judicii provincialis Johannis Burcgravii de Nuerenberch: und auf der Hinterseite des Siegels ist das Siegel des Landgerichtsschreibers, der später No- tarius provincialis genannt wurde, aufgedruckt mit der Inschrift S. Heinrici Vogt Notarii. Oetters Zweiter Versuch S. 457. 458. (°°°) Von der ältesten Zeit bis in den Anfang des 15'°" Jahrhunderts bestand das Siegel des burggrätlichen Landgerichts regelmälsig in dem quadrirten Schilde mit dem Helmschmucke des Pfauenspiegels. Die Umschrift aber lautete auf den Namen des jedesmaligen Burggrafen (Sigillum judicii provincialis N. N. Burggravii de Nurenberg). Im Anfange des 15! Jahr- hunderts zeigt sich ein neues Siegel mit der Umschrift Siegel des Landgerichtes des Burg- grafenthums Nürnberg (Sigillum judieii provincialis Burggraviatus in Nurnberg). Dies Siegel stellt eine auf dem Richterstuhle sitzende Person vor mit dem Schwerte in der Rechten. Dals solche aber die des Burggrafen sein sollte, erkennt man sowohl an dem zu ihrer Rech- ten dargestellten Löwen und zur Linken abgebildeten quadrirten Schilde, als auch an dem Fürstenhute, den die dargestellte Person auf dem Haupte trägt. Dem ähnlich blieb das Sie- gel des Landgerichtes in den folgenden Zeiten, nachdem gegen die Mitte des 151 Jahr- hunderts noch der Brandenburgische Adler in die Darstellung aufgenommen war. Oetters Erster Versuch S. 79-84, 261. Zweiter Versuch S. 457, 564. (°') Ruprecht Herzog in Slesie, kaiserlicher Hofrichter, setzt die Abtissin Kristein von Grumbach und den Convent zu Kitzingen in Nutzgewer auf das Dorf Obernhausen, worauf Hans Wyppvelt von ihretwegen die Anleit ersessen und erzeugt hat. G. zu Nürnberg am Mittwochen vor Dionisii. 1374 am 4. October. Freyberg Reg. Rer. Boicarum IX, S. 320. Johanns Landgraf zu dem Lewhtenberg und Graf zu Hals, zu Nürenberg an des römischen Kaisers Karl Statt ze Gerichte sitzend, thut kund wegen der Ladung und Klage, die Hain- rich von Absperg von Ronnburg vor dem Hofgerichte auf das Capitel zu Eystet und dessen Gut that, dals Cuontz Zingel, des Abspergers Klagführer, den Techant und das Capitel der- selben Laduug ledig und los gesagt habe. G. am Montag vor Symonis et Jude. 1376 am 27. Oct. daselbst S. 362. (°%) Hainrich Herzog in Slesie und Herr zu der Brige, sitzend zu Gericht in Nürenberg statt des röm. Kaisers Karl, bestätiget Friderich von Segkendorf von Rynhofen den Brief 390 Rıroer über den Ursprung und die Natur ganz verschiedene als die höhere Stellung des kaiserlichen Hofgerichtes in Beziehung auf das burggräfliche Landgericht augenfällig dargelegt. Auch enthält der Ausdruck Landgericht, nach dem Gebrauche, worın derselbe ausnahmslos in den mittelaltrigen Urkunden vorkommt, bekanntlich eine so bestimmte Hinweisung auf ein ordentliches, die gemeine Rechtspflege in einem bestimmten Landdistriete handhabendes Gericht, worin unter dem Vorsitze des Landrichters Landschöppen nach dem Landrechte die Urtheile fanden, dafs der Gedanke auf die überhaupt erst später entstandenen, des Kaisers höchste Instanz, so wie seine lehnsherrliche Rechtspflege vertretenden Hof- gerichte ungezwungen nicht hingeführt werden kann. Statt der behaupteten Gleichheit des Nürnberger Landgerichts mit einem kaiserlichen Hofgerichte findet man viel mehr Ähnlichkeit zwischen ihm und den mehreren Landgerichten, welche noch während des spätern Mittel- alters neben jenem, in Franken, Bayern und andern Gegenden bestanden, jedes für einen bestimmten Landdistriet gröfsern oder kleinern Umfanges, mit der auschliefsenden Gerichtsbarkeit über die überhaupt zur Competenz von Landgerichten gehörigen Angelegenheiten ausgestattet. (°) So wird z. B. des Landrichters und des Landgerichtes der Grafschaft Hirschberg, so wie Friderichs Grafen zu Kastel und Landrichters zu Nurenberg (g. am Donnerstag vor sand Thomas Tag 1375) wodurch ihm wegen 1000 Mark Silbers auf die Güter des Peter Steh- ler in der Stadt zu Windshaim und deren Mark Nutz und Gewähr ertheilt ward, unbescha- det der 200 Gld., welcher Stebler Margareten seiner ehlichen Wirtin, darauf vermachte, und gibt ihm als Schirmer Gerhart Bischof zu Wirtzburg, Friderich Burggraf zu Nurenberg, Gerlach und Kraft von Hohenloch und alle von Hobenloch und deren Amtleute, endlich die Bürger der Stadt zu Windshaim. G. zu Rayn am Eritag nach Jacobs Tag 1376 am 29. Juli. Freybergs Reg. Boica IX, S. 353. Gerlach von Hohenloch kaiserlicher Hofrichter bestätigt das Urtheil des Landgerichts zu Nürnberg, wodurch dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg um 100 Mark Goldes Nutz und Gewer auf die Veste Oppenrod ertheilt wurde. G. zu Nürnberg am Mitwochen vor Letare. 1378 am 24. März. das. Bd. X. S. 8. Johann Graf zu Sponheim der junge, Hofrichter des römischen Königs Wenzeslaus, bestätiget den Gerichts- brief des Hiltpolt von Maiental, Landrichtrs zu Nürnberg v. J. 1392, worin dem Burggrafen Friedrich zu Nurnberg die Veste und Stadt Stalhofen und die Vogtey zu Schwarzach wegen einer Forderung von tausend Mark Geldes zugewiesen werden. G. zu Betler in der Vesten des nehsten Mitwochens nach Allerheiligentag 1393 am 5. Nov. Däselbst S. 339. (®) Das Landgericht der Grafschaft Hirschberg spricht aus, am 3. Juni 1371, dals alle gegen Besitzungen des Domcapitels zu Eichstädt gerichteten Klagen nur bei dem Landge- richte, in welchem jene gelegen, angebracht werden können, unter dem Siegel des Land- gerichts zu Hirschberg. Freybergs Reg. Boica IX, 262. der Burggrafschaft Nürnberg. 391 der Grafschaft Heiligenberg und anderer Grafschaften noch in den Urkunden des 14" Jahrhunderts oft gedacht. (°*) Besonders zeichnete sich das Land- gericht zu Rothenburg aus, welches sich nach einer Zeugenaussage vom Jahre 1347 über die ganze Würzburger Diöcese erstreckte, von dem diesem Bisthume zugeeigneten Herzogthume herrühren sollte, und worin ehe- dem niemand sitzen durfte, wie unser altes Zeugnils sagt, als ein Freier oder ein Dienstmann des Reiches mit goldenen Sporen. (%°) Dafs nur (°*) König Ludwig verkündet am 28. October 1320 die Rechtssatzungen der Grafschaft Hirsperg, so wie selbige nach Aussage der ältesten und besten Ritter und Knechte in der Grafschaft auf sein und des Landrichters Grafen Berthold von Morstetten genannt von Niffen Geheils durch den Grafen Berthold den alten von Graisbach, Heinrich Mur und Heinrich von Mornsheim erhoben worden sind, betreffend die Ausdehnung der Gerichtsbar- keit des Landrichters und der Vertretung desselben etc. Unterricht v. Landgerichte Hirsch- berg S. 12. Freybergs Reg. Boica VI, 21. Graf Berthold von Morsteten genannt von Niffen Landrichter der Grafschaft Hirzperch, erklärt, dals Marquart von Hageln Pfleger des Gotteshauses zu Eichstädt am St. Kathrinen Abend zu Pfuntzen auf der Landschranne mit Urtheil und Folge ist zuerkannt worden, dals er sich auf allen Landgerichten durch einen ehrsamen Mann vertreten lassen kann. Das. 25. Cuonrat genannt der Fürste, Landrichter von des edlen Herrn wegen des Grafen Albrecht von Werdenberg in der Grafschaft zu dem hailigen Berge, hebt die Achtserklärung der Stadt Lindow auf, am 26. Sept. 1331. das. 385. Albert von Pruckberg Landrichter der Grafschaft von Hirzberg verjeht, dals das Kloster zu Seligpforten vor ihm behabt hat, das alles Ausgen, das die Bauern von Mening gethan haben an ihrem Weiher zu Rugerstetten, dem Kloster keinen Schaden bringen soll. Geben auf der Landschrann datz (i. e. zu) der Acherbrück den 3. Dez. 1332. Freybergs Reg. VII, 28 Ebenso derselbe in einer Urk. vom 22. Febr. 1333 das. 36. Ebenso in einer Urkunde vom 27, September 1334 Her Arnolt der Vellenburger Landrichter in dem Zental das. 89 und in einer Urkunde vom 26. Juni 1335 Henrieus senior advocatus de Wijda judex pro- vincialis in Egra das. 119. Cunrad von der Ascha, Landrichter des edeln Grafen H. Bert- hold von Graisbach, bestätigt, dals von dem Gerichte, was er zu dem Sichelberg hielt, wegen eines Gutsverkaufes erkannte Recht am 26 Dez. 1340. Freybergs Reg. VII, 284. Johann von Uffeldorf Richter in der Grafschaft zu Werdenfels erklärt, dals im Grafending daz (zu) Germersgau, Streitigkeiten wegen eines Gutes entschieden worden am 9. Nov. 1341 das. 321 Cuonrat von Asch Landrichter der Grafschaft Marstetten bekennt im offenen Landge- richt zu Memmingen etc. am 8. Mai 1342 das. 335. (°) Heinrich von Bloach ein Edelmann bezeugt dafs seines Gedenkens auf dem Land- gerichte Rotenburg mit Abt und Anleit, so weit das Bisthum Wirzburg geht, gerichtet wurde; ferner dals das Gericht bei König Adolphs Zeiten gar veste und erlich besetzet waz dals da Pfleger waren von des Reichswegen der von Limpurg und darnach Herr Kraft von Hobenloch, dals sie sagten es wäre von einem Herzogen von alten Zeiten dar kumen und es niemand besitzen solle dann ein Frye, oder einer des Reiches Dienstmann mit guldinen 392 Rırven über den Ursprung und die Natur schöppenbar freie Männer dem Richter als Beisitzer dienen durften, galt ursprünglich von allen gräflichen Landgerichten: nur der Mangel an solchen Personen nöthigte allmälig, diese Gerichte mit Personen zu besetzen, welchen die strengen Requisite der schöppenbaren Freiheit — Freiheit an Person und Vermögen — abgingen. Im Würzburger Landgerichte scheint man nach dem Obigen auf die gehörige Besetzung des Landgerichtes am längsten nach alten Grundsätzen gehalten zu haben. Es entstand dasselbe aber ohne Zweifel aus der potestas iudiciaria, welche Kaiser Heinrich V. noch im Jahre 1121 dem Bisthume Würzburg für ganz Ostfranken bestätigte und das Bis- thum später nur für den Umfang seiner Diöcese in Geltung zu erhalten ver- mochte (S. 368). In ähnlicher Weise bildete sich höchst wahrscheinlich auch das Nürn- berger Landgericht aus dem alten markgräflichen oder herzoglichen Gerichte. Überall war in den Markgrafschaften dem zu ihren Verfassungsgliedern ge- hörigen Burggrafenthume ein gewisser Antheil an der Rechtspflege, welche die Landgerichte wahrzunehmen hatten, eingeräumt. Auch der Markgraf war, wenn man die richterliche Seite seines Amtes ins Auge fafst, eigentlich Landrichter, so gut wie der Graf in einer Grafschaft. In dem Landgerichte des Markgrafen gebührte aber dem Burggrafen der erste Platz. Er mufste den Markgrafen, wenn dieser anwesend war, als erster Schöppe ihm zur Seite sitzend, unterstützen, und wenn der Markgraf abwesend war, als Vicar vertreten (°°). Auch hatte er den Vorsitz in dem Gerichte zu übernehmen, Sporen. Geben an dem nehsten Dienstage nach S. Agneten Tag. v. J. 1347 am 23. Jan. Freybergs Reg. Boica VII, 93. Über das Landgericht und das Herzogthum des Bischofs von Würzburg. Vgl. eine Abhandlung im I. Bande von Jungs Miscellaneen. (°°%) Es würde für diesen Ort zu weit führen, alle Beweise für diese freilich noch nicht zur Anerkennung gekommene Ansicht ausführlich darzulegen. Es mag daher das Bild als Bestätigung genügen, welches eine Urkunde des Markgrafen Dieterich von Meilsen vom 25. August 1220 von seinen Beziehungen zum Burggrafen von Meilsen, so wie zu den ebenfalls zu seiner Markgrafschaft gehörigen Burggrafen von Altenburg und von Deben, rücksichtlich der Hegung des Landgerichtes entwirft. Der Markgraf erzählt anfänglich, wie Hermann von Muchberg seinen Ansprüchen auf neun dem Kloster Neuzelle vereignete Hufen Landes ent- sagt, dann aber dessen Schwestertochter die Mönche von Neuem in Anspruch genommen habe — de placito ad paulum deferens querimonias. Cum ergo Meinhero Misnensi bur- grauio vicem noslram iniunxissenus — accidit ut medio tempore prouinciali placito suo in Misna presideret — cum militibus prouincialibus, qui tunc affuerunt, — de hoc negotio tra- ctatum est, sed propter femine pertinatiam minime terminatum. Verum nodis iudicio presi- der Burggrafschaft Nürnberg. 393 sobald gegen den Markgrafen selbst Klagen erhoben wurden, worüber das Gericht abzuurtheilen berechtigt war. Auf das Letztere ist es zu deuten, wenn der Sachsenspiegel von dem Burggrafen sagt, dafs er Richter sei über den Markgrafen, wie der Schultheifs über des Grafen und der Pfalzgraf über des Kaisers Schuld ('). Nach der ursprünglichen Gerichtsverfassung des Mittelalters nahm an dem Vorsitz in Landgerichten aufser dem eigentlichen zum ersten Vorsitzen- den berufenen Landrichter überhaupt immer zugleich ein beisitzender Rich- ter Theil zur Unterstützung und Stellvertretung des erstern. Von den Ge- richtseinkünften gebürte diesem Unterichter in der Regel ein Drittheil, wäh- rend dem obern Richter zwei Drittheile zuflossen. Auch dieses Drittheil an den aus markgräflichen Landgerichten aufkommenden Gerichtsgefällen findet man anderswo dem Burggrafen zugeeignet (°’), in welchem man daher den verfassungsmäfsigen Unterrichter des Markgrafen nicht verkennen kann. dentibus in prouinciali placito colmiz hec controversia finem legitimum est sortitı. — Huius rei testes sunt — (Erstlich die Geistlichkeit, dann aber:) Meinherus prefeczus de Misna, Albertus prefeczus de Aldenburg, Albertus prefeczus de Dewin, Heinricus de Coldiz, Rein- hardus de Strele, Sifridus de Weszeleswolde, Rudegerus de regensberg, hermannus de scu- nenburg, Arnoldus, hildebrandus, Theodericus fratres de Zborc, Fridericus coraz — (also 12 Schöppen, den Burggrafen der Burg Meilsen an der Spitze) — Acta sunt hec in prouinciali placito nostro colmiz — Anno MCCXX. Urkundenbuch zu Märcker’s Burggr. Meifsen S. 406. — In einer Urkunde über einen andern Rechtsfall, welcher im J. 1341 von dem Burggrafen Meinher von Meifsen entschieden wurde, nennt derselbe sich „lantrichter zcu mysne vnd in dem Lande zeu plysne, gesatzt von den edlen vursten margrauen Fryderich von mysne” — indem er weiter sagt „Vor vns ist gewest Margaretha etewenne Vlmans husurowe uon Dy- terichsdorf in dem lantdinge by mysne vnd sprach an eyn gut” etc. Märcker a.a. O. S. 470. — Für die Stellvertretung in Lehnssachen dient auch folgende Urkunde als Zeugnils, worin Burggraf Meinher von Meilsen den 22. Nov. 1250 erklärt, Günther von Bieberstein habe dem Kloster Zelle zwei Dörfer aufgelassen, welche er von dem Markgrafen zu Lehn beses- sen: Quia vero dominus Guntherus propter impedimenta et occupationes diuersas ad resigna- tionem dietorum bonorum in manus domini nostri Marchionis vacare non poterat, secundum consuetudinem terre nostre in manus nosiras bona sepe dicta multis presentibus resignauit ad hoc ut ea resignaremus nomine suo domino Marchioni etc. das. S. 409. (€) In einer Klageschrift des Burggrafen von Meilsen wider den Markgrafen heilst es z.B. dals ihm gebühre, „den dritten pfennig von dem Lantgericht zu Meifsen, das man in der stat pflegt zu siezen und den dritten pfenning des gerichts zum Hayn” zu erheben, und wegen des Pleilsner Landes wird in einer andern Urkunde auf den tertium denarium mit dem Zusatz Bezug genommen, qui per totum Mysnensem distrietum nobis de judicio debetur, oder wie es in noch einer andern Urkunde heilst quem racione Burggraviatus nostri habui- Philos.-histor. Kl. 1854. Ddd 394 Rırven über den Ursprung und die Natur In den länger fortbestehenden Markgrafschaften gelang es den Mark- grafen in der Regel mit der Zeit, die Burggrafen von der Gerichtsverwaltung zu entfernen, ihre Rechte mit den markgräflichen zu vereinigen und an Stelle des Burggrafen einen markgräflichen Vogt das Landgericht hegen zu lassen. In Nürnberg mufs die Veränderung, welche sich mit der Gerichtsverwaltung zutrug, eine grade entgegengesetzte gewesen sein, indem es dem Burggrafen gelang die markgräflichen Rechte mit den burggräflichen zu verbinden. Denn der Burggraf nahm im Nürnberger Landgerichte die eigentlich dem Mark- grafen gebührende Stellung ein. Dafs ein solches Verhältnifs des Burggra- fen zum Landgerichte, wie man es zu Nürnberg wahrnimmt, das seinesglei- chen im ganzen Römischen Reich nicht fand, ein ursprünglich so gestaltetes gewesen sei, darf schwerlich angenommen werden. Dazu zeigt die Reichs- verfassung jener Zeit, in der sich überall im Wesentlichen gleichartig wieder- holenden Organisation der verschiedenen Stufen öffentlicher Gewalt, zu viel Gleichförmigkeit. Nur konnte sich ein ursprünglich den Formen der Mar- kenverfassung entsprechendes Verhältnifs mit dem Untergange der Markgraf- schaft oder dem Wegfall eines Inhabers der herzoglichen Rechte dahin leicht umgestalten, dafs dem Burggrafen, dem verfassungsmäfsigen Vicar des Mark- grafen, die ursprünglich diesem obliegenden Functionen dauernd übertragen wurden. Neuere Geschichtsschreiber haben früher die alte Sage, dafs die Burggrafschaft Nürnberg aus der Verlassenschaft der alten Markgrafen von Franken bereichert sei, zum Theil durch die irrige Annahme zu erklären gesucht, dafs eine Erbtochter aus dem Hause der Markgrafen von Vohburg durch Vermählung mit dem ersten Zollerschen Burggrafen von Nürnberg diesem jene markgräflichen Rechte zugebracht habe. Nach der gedachten Umgestaltung des Verhältnisses der Burggrafen zum Landgerichte glich dasselbe übrigens vollkommen der Stellung einer vom Reiche unmittelbar zu Lehn verliehenen Grafschaft: und so wurde die Burggrafschaft daher auch in alten Zeiten schon betrachtet und bezeichnet. Die Rudolphinischen Lehnbriefe von den Jahren 1273 und 1281 nennen sie eine burggräfliche Grafschaft (comitiam Burggrauü in Nurenberch) und bis in die spätern Zeiten des Mittelalters wird das Landgericht ein Landgericht mus in omnibus bonis — in Misnensi judicio constitutis. Märcker Burggr. Meilsen S. 130, 8. — S. 423. 425. 427. der Burggrafschaft Nürnberg. 395 der „Grafschaft zu Nürnberg” (°°) und werden die Burggrafen häufig schlecht- hin Grafen genannt (°*). Sie selbst führten die Grafentitel bis in das 15" Jahrhundert bald allein, bald neben dem Burggrafentitel. Noch auf dem grofsen Reitersiegel Friedrichs V. bezeichnet die Legende ihn als Grafen Friedrich, Burggrafen von Nürnberg. In der That ist rücksichtlich des Land- gerichts ein Unterschied zwischen dem Verhältnisse reichsunmittelbarer Gra- fen, wie Würtemberg, Henneberg oder Anhalt, und dem Verhältnisse der Burggrafen von Nürnberg kaum wahrnehmbar. (°®) „Wir Primissel v. G.G. Herzog zu Teschin, Hofrichter des allerdurchl. Fürsten und Herrn, Herrn Wenzeslaus Römischen Königs sazzen zu Gericht zu Nürnberg” wo ihm pro- duzirt wird eine Urkunde „besiegelt mit des Landgerichts der Grafschaft zu Nürenberg an- hangendem insigel, der von Worth zu Worth geschrieben stund also: Ich Cunrad von Seck- hendorff Aberdar genannt, Landrichter zu Nürnberg, thue kund mit diesem Brieff, das für mich kam im Gerichte der edl Graf Rudolph von Habsburg” etc. Urkunde v. J. 1382 in Her- gotts Geneal. dom. Habsb. cod. prob. 739. Vgl. daselbst S.783, wo es nochmals heifst: „Wir Primissel — Hoffrichter — kam im Gericht der edl Herre Grave Rudolf von Habs- purg und weist — uns Brieff, — die er mit rechter Klage — erklagt hat — vor dem Land- gericht der Grafschaft zu Nürenberg” etc. (°) Wir Rembot — Bischof zu Eichstadt — haben kaufft von dem Edlen Herren Grauen Conraden Burggrauen von Nürnberg Spalth den Marckt etc. i. J. 1277. Oetters Erster Versuch S. 301. Wir Margaretha v. G. Gn. weyland Burggräfin zu Nürnberg ver- gehen — dals — Unser lieben Söhne Grafen Johannsen und Grafen Albrecht etc. Urk. v. J. 1347. in Oetters Zweit. Versuch S. 533. Wir Johannes und Albrecht v. G. G. Burg- graven zu Nürnberg und wir Elsbeth des vorgenannten Graven Johannsen ehelich Würtin. Urk. v. 134% das. S. 722. Perspectabilis vir dominus Fridericus Comes de Nurenberch Urk. v. 1364 das. 723. daz wir uns vereint haben mit dem hochgeborn vnsern lieben Bruder Grauen Friederich Burggrauen zu Nurenberch. Urk. der Äbtissin zu Birkenfeld v. J. 1370 in Oetters Zw. Versuch 98. — Urkunde v. 11. Nov. 1349, worin Graf Johann von Nassau seiner Schwester Margareth von Hohenberg eine jährliche Rente verspricht, Bürgen: Graf Johann, Burggraf zu Nürnberg, Graf Friedrich von Öttingen, Landgraf zu Elsals etc. Frey- bergs Reg. Boica VIH, 177. Urk. v. 17. März 1350 des Grafen Emicho von Nassau an seinen lieben Oheim den Grafen Berthold Burggrafen von Nürnberg und Comthur zu Virn- perch (das. 187). Burggraf Albrecht bezeichnet in einer Urkunde vom 10. Juni 1343 sei- nen ältern Bruder, den Burggrafen Johann II. als „Grafen Johan” daselbst VII, 371. In einem Spruchbriefe Heinrichs von Sundersfeld, Landrichters der Grafschaft Hirschberg vom 19. Febr. 1365 heifst es: dieser „Brief ist ihm ertheilt mit den Rechten Kaiser Karls, Her- zog Ruprechts von der Pfalz, Herzog Stephans seines Sohnes, des Bischofes von Eichstedt, Graf Friedrichs Burggrafen zu Nürenberg, Herzog Friedrichs von Teckh etc. daselbst IX, 116. Otto Abt und das Kloster Eberach bekennen am 6. Mai 1370, dals sie vom Burg- grafen Friedrich zu Nürnberg drei hundert Pfund für seinen und die Jahrestäge seines Va- ters Grafen Hansen und seines Vettern Grafen Albrechts erhalten haben. Daselbst IX, 238. Ddd2 396 Rırven über den Ursprung und die Natur Wie andere Grafen in späterer Zeit sich der persönlichen Hegung des Gerichts entzogen, liefsen auch die Burggrafen mit der Zeit ihre Person durch einen Beamten im Landgerichte vertreten, der mit den Schöppen zu Gericht safs und burggräflicher, nicht kaiserlicher Landrichter genannt wurde. Kaiser Carl IV. ertheilte den Burggrafen Johann und Albrecht in den Jahren 1348 und 1355 durch besondere Urkunden die Ermächtigung, sich in ihrem Landgerichte eben so durch einen zum Landrichter gesetzten ehr- baren Ritter vertreten zu lassen, wie der Kaiser selbst in seinem Hofgerichte vertreten werde (°°). Doch hatten die Burggrafen schon vor der Ertheilung dieser kaiserlichen Erlaubnifs vielfältig Landrichter bestellt und im 14'* Jahr- hunderte selten mehr persönlich den Vorsitz im Landgerichte geführt (°'). Der eigentliche Sitz des Landgerichtes war Nürnberg. Doch wurde den Burggrafen durch ein Judicat, welches der Burggraf Johann am 6. April 1349 vor dem Reichshofrichter Friedrich von Heideck zu Speier erstritt, die Befugnifs zugesprochen, wenn die Leute, welche das Landgericht zu besu- chen hatten, nicht sicher nach Nürnberg kommen könnten, das Landgericht nach einem andern Orte in seiner Herrschaft zu verlegen (°?). Damals ver- legte der Burggraf das Landgericht nach Cadolzburg. In spätern Kriegszeiten (°°%) Schütz Corpus hist. IV, 265. 280. (°') Johannes von Vestenberg, an seines Herren des Burggrafen Friedrich von Nürnberg Landgericht zu Gericht sitzend, bestätigt den Verkauf eines Hofes zu Mundorf durch Hein- rich den Vihen an die Frau von Salzburch am 27. Noy. 1316. Freybergs Reg. Boica V, 344. Johann von Vestenberg, Landrichter zu Nürnberg, bezeugt durch seinen Gerichtsbrief, dafs Heinrich von Ellreichsdorf der Priorin und dem Convent zu Engelthal seinen Zehnten in der Pfarre zu Otensoze zu kaufen gegeben 16. Nov. 1320. das. VI, 24. vgl. Urk. v. 16. Juni 1323 desselben, daselbst 101. Urk. v. 28. Mai 1324 desselben, das. 136. Urk. vom 30. Sept. 1325 desselben, das. 174. Gerichtsbrief des Grafen Hermann von Kastel, Land- richters zu Nürnberg, wodurch eine gewisse Höhe der Aufstauung des Wassers einem Bür- ger zu Nürnberg behufs der dortigen Deutsch- Ordensmühle befohlen wird vom 23. Febr. 1333. Freyberg Reg. Boica VII, 37. Hermann Graf zu Kastel, Landrichter zu Nürenberch, bestätigt den geschehenen Verkauf eines Gutes zu Obern-Slawerspoch von den Brüdern von Dietenhofen an das Kloster Halsbrun am 7. März 1334, das. S.70. Ferner in ähnlichen Verhandlungen am 28. März 1335, das. 109 und den folgenden Jahren. Im Jahre 1345 erscheint Conrad von Asche als Landrichter zu Nürnberg. Freybergs Reg. VII, 37. vgl. 57. — Ein Verzeichnils der Landrichter, welches mit dem Jahre 1255 beginnt, befindet sich in Oetters Erst. Versuch S. 86. und Falkensteins Antiq. Nordg. S. 2. (2) Schütz Corp. hist. IV, 268. der Burggrafschaft Nürnberg. 397 gestattete König Wenzel am 15. Januar 1386 dem Burggrafen Friedrich V. das Landgericht von Nürnberg nach Neustadt an der Aisch zu verlegen (°°). Am Ende dieses und im Anfange des folgenden Jahrhunderts trifft man das Landgericht auch in Fürth an (°*). Zu Nürnberg scheint man sich in der Haltung des Landgerichts, wenigstens in späterer Zeit, auch nicht an eine gewisse Gerichtsstätte gehalten zu haben. Es giebt Nachrichten von Ge- richtssitzungen, welche in der Burg, zu Wöhrd, in Gossenhof, zu St. Egidien und auch bei der Brücke über die Rednitz, zum Stein genannt, gehalten wurden (°°). Als Urtheilsfinder des Landgerichts findet man nur edle oder ritter- mäfsige Personen erwähnt. Doch wurden bisweilen der Schultheifs und die geschwornen Schöppen der Stadt Nürnberg zugezogen (°°). Die Angelegen- heiten, welche nach den aus älterer Zeit erhalten gebliebenen Urtheilssprü- chen vor dem Landgerichte zur Entscheidung kamen, betreffen fast sämmt- lich streitige Grundbesitzungen oder Grundgerechtigkeiten, Verkäufe und Übergaben derselben, sowie Immissionen von Gläubigern in den Besitz lie- gender Gründe ihrer Schuldner. Von den eigenthümlichen Gebräuchen, welche vor diesem Landge- richte Geltung fanden, ist besonders das sogenannte Kampf- und Kolbenge- richt viel besprochen, da dieser Überrest alter Anwendung von Gottesur- theilen bei Gericht sich hier bis ins 15° Jahrhundert erhielt. Der Kläger, welcher es auf eine solche Entscheidung ankommen zu lassen wünschte, er- schien im Harnisch mit der Waffe in der Hand vor dem Landrichter, erhob seine Klage, die er zu beweisen sich erbot mit seinem Kolben auf des Be- (®) Pelzel K. Wenzel I. Urk. Buch 69. (°*) Jungs Miscellan. I, 242 £. (°) Oetters Erster Vers. S. 81. (°°) Johannes, Burggraf von Nürnberg, bekennt, dals als an seiner Statt Rapot von Kül- lisheim zu Gericht gesessen sei, dem Commenthur des deutschen Hauses gegen Fritz Patten- dorfer der Hof zu dem Loche zugesprochen worden. Spruchleute: die edeln und ersamen Manne Herr Gottfried von Hohenloch, von Braunekk genannt, Graf Hermann von Castel, unser lieber Oheim, Friedrich von Sekendorf, Cunrad v. Reinoltsprunnen, Arnolt von Cenne, Burkart Hoerauf Vogt zu Bayerreut, ferner die gesworen Pürger zu Nüremberch: Cunrad Pfintzinch der Schultheils, Erkenbrecht Coler, Perchtolt Pfintzinch der ältere, Ulrich Küdor- fer, Conrad Stromeyer und Hermann Eysvogel. G. an dem Pfintztag nach unser Frawentag in der Vasten. v. J. 1337 am 27. Mart. Freybergs Reg. Boica VII, 180. 398 Rırver über den Ursprung und die Natur klagten Haupt nach Kampfrecht, stellte Sicherheit dem begehrten Kampfe nachzukommen und erlangte dann die Vorladung des Beklagten. Wider- sprach dieser dem Vorbringen des Klägers, so wurde ein Termin zum Kam- pfe bestimmt, dabei auch dem Beklagten, im Fall er es wünschte, Zeit zu seiner Einübung gewährt. Beide Kämpfer erschienen in einem vom Kopfe bis zu den Füfsen reichenden grauen wollenen Gewande ohne weitere Be- kleidung, mit einem hölzernen von weifsem Leinen überzogenen Schilde, sowohl das Habit als das Schild mit dem Zeichen des Kreuzes roth geziert. Es wurden dann jedem Theile drei Beistände zugesellt, die Kampfplätze ver- loost und die Kämpfer nach Verlangen sowohl mit Kolben als mit Lanzen zum Streite zugelassen. War der Kampf entschieden, so dietirte der obsie- gende Theil das Urtheil. Blieb aber der zum Kampf entbotene Beklagte ungehorsam aus, so erfolgte die Achtung, die ihn seiner Ehre, seines Vermö- gens und alles Rechtsschutzes beraubte unter den härtesten Verwünschungs- formeln. „Ich verkündige auch,” heifst es darin, „sein Weib zu einer Wittwe, seine Kinder zu Waisen, theile seinen Leib zu den Vögeln in der Luft, den Thieren in den Feldern, den Fischen in den Wässern und setze ihn von allen Rechten in Unrecht, und aus allem Frieden in Unfried, so dafs niemand frevle, der ihn angreift.” Diese Kampfacht galt dabei eigentlich für unwiderruflich, so dafs selbst der Kaiser sie nicht aufheben konnte. Zu ih- rer Aufhebung mufste es sich fügen, dafs zwei Reichsfürsten mit ihren Hee- ren vor Frankfurt lagen, der Geächtete dann bewaffnet auf einem weifsen Rosse hinzuritt und mit zwei Kriegern aus beiden Heeren die Lanze brach. Wenn er hierüber Kundschaft beibrachte und dem Landrichter 30 Pfund Heller zahlte, auch gelobte die nächsten drei Gerichtstage in dem Landge- richte anwesend zu sein und jedermann genug zu thun, gab ihm der Richter den Frieden wieder (7). Dafs auch aus dieser alterthümlichen Form der Beweisführung, die ursprünglich in allen Gerichten nachgelassen war, so wenig als aus der Be- setzung des Gerichtes und dem Orte wo es gehegt ward, eine exceptionelle Stellung des Nürnberger Landgerichtes gefolgert werden kann, erhellt ohne weitere Erörterung. (°) Jungs Miscell. I, 160. Oetters Erster Versuch 93. Schütz Corp. hist. I, 119. der Burggrafschaft Nürnberg. 399 So weit glauben wir überhaupt über die Verhältnisse des Nürnberger Landgerichtes im Klaren zu sein. Nur eine letzte Frage, die sich natürlich aufdrängt, nach dem räumlichen Umfange des burggräflichen Landgerichts- bezirkes, vermögen wir nicht mit der gehörigen Bestimmtheit zu beantwor- ten. Die Ermittelung des räumlichen Umfanges, worauf sich die Jurisdietion des burggräflichen Landgerichtes zu erstrecken hatte, wird dadurch er- schwert, dafs einerseits schon frühzeitig das Streben hervortritt, der Juris- diction der Burggrafen eine mifsbräuchliche Ausdehnung zu geben, woge- gen die davon betroffenen Gegenden sich durch königliche und kaiserliche Schutzbriefe zu sichern suchten; andererseits auch innerhalb des ursprüng- lichen Gerichtsbezirkes des Nürnberger Landgerichts mit der Zeit manche Städte, geistliche Stifte und sonstige Eingesessenen sich die Exemtion von der Jurisdietion des Landgerichtes zu verschaffen wufsten. Besonders seit dem Anfange des 15‘ Jahrhunderts, da die Kenntnifs der ältern Verfassungsverhältnisse aus dem Leben entschwunden und durch die Geschichtsforschung noch nicht wieder hergestellt war, gab man den äl- tern Rudolphinischen Lehnbriefen, die man aus den Archiven hervorsuchte, in Ansehung des Landgerichtes eine Deutung, die der Jurisdietion desselben mafslose Ansprüche einräumte. Die Burggrafen betrachteten sich darnach als beständige Commissarien des Reichsoberhauptes in dessen oberstrichter- lichen Obliegenheiten und hielten sich darnach eigentlich in allen Angele- genheiten für competent, die irgendwoher an sie gebracht wurden, besonders seitdem eine Verordnung Kaiser Friedrichs III. vom 4. September 1454 auf klagendes Anbringen des Markgrafen Albrecht und seiner Brüder feierlich anerkannt hatte, dafs ihre Vorfahren, Burggrafen zu Nürnberg, unter man- cherlei Privilegien besonders mit einem daselbst zu der Burggrafschaft ge- hörenden Landgerichte von des Kaisers Vorfahren so bevorrechtet seien, „dafs ein Landrichter desselben Landgerichtes an des Kaisers statt auf demselben Landgericht sitzet und also richtet” (®). Dies kaiserliche Anerkenntnifs bildete daher zugleich die Einleitung zu einem Jahrhunderte hindurch fortgesetzten Streite der spätern Burggrafen oder Markgrafen von Anspach und Baireuth mit ihren Nachbarn über die Befug- nisse des Nürnberger Landgerichts, dessen ursprüngliches und wahrhaftes (°) Riedels Cod. dipl. Br. II, IV, 487. 400 Rıeveu über den Ursprung und die Natur Verhältnifs durch die zu erstaunlichem Umfange angewachsenen Aktenstücke dieses Prozesses völlig verdunkelt worden ist. Andererseits führte die in Franken wie in allen anderen Gegenden Deutschlands sich mehr und mehr entwickelnde Landeshoheit und fort- schreitende Befestigung der Territorialgewalt mit der Exemtion, welche Städte und geistliche Stifte von der Unterordnung unter die allgemeinen Landgerichte zum Theil mit Erfolg erstrebten, mit der Zeit immer mehr Beschränkungen auch des ursprünglichen Landgerichtsbezirkes herbei. So sprach im Jahre 1346 ein zu Nürnberg selbst gefälltes hofgerichtliches Er- kenntnifs des Klosters Heilsbronn und dessen Untersassen von jeder fremden Jurisdietionspflichtigkeit frei (°°). Auch das Kloster Langheim mit allen sei- nen Leuten und Besitzungen wurde im Jahre 1360 durch den Kaiser Carl IV. von der Gerichtsbarkeit sowohl des Landgerichts zu Nürnberg, als des Land- gerichts zu Rothenburg, überhaupt von aller weltlichen Rechtspflege, selbst des kaiserlichen Hofgerichtes befreit (7°). Als Kaiser Carl IV. die Zubehö- rungen der Krone Böhmen durch Erwerbungen in der Oberpfalz und Bay- ern fast bis an die Thore Nürnbergs erweitert hatte, befreite er auch diese Besitzungen sämmtlich von dem Gerichtsstande vor dem burggräflichen Land- gerichte. Dem letztern bestätigte der Kaiser am 2. Februar 1358 zwar fast alle vom Reiche hergebrachten Rechte, doch mit ausdrücklicher Ausnahme der Böhmischen, in Bayern oder sonst in deutschen Landen gelegenen Be- sitzungen, welche letztere von der Burggrafen Landgerichten befreiet seien (°°) Ich Marquart von Seuelt sazz zu Geriht zu Nurenberg an mins Herren stat des Römischen Chaiser Ludwigs vnd tun chunt — das den Apt vnd das Convent des egenanten Chlosters zu Haulsprunnen nieman an iren rehten, die sie von Alter bisher gehapt hant, das sie uber all ir Lut rihten suln vod das si daran nieman irren sol, noch das nieman ihr Luet noeten noch twingen sol für khein weltlich Reht, dann für vns, vnser nachkommen Kaiser vnd Konig oder für des Reichs Hofrichter ete. Besigelt mit des Hofgerihts Insigel. Schütz Corp. hist. IV, 255. 256. (°°%) Am 5. Nov. 1360 erklärt Kaiser Karl dem Kl. Langheim: Auch haben Wir in die gnade und freiheit getan, von vnsern sunderlichen gnaden mit rechter wissen, vnd mit Kai- serlicher macht, vnd thun auch gegenwertiglichen, das niemant, was Wesens oder in welchen Wirden er sei, sie die egenanten den Abbt den Conuent vnd ir Closter zu Langheim, alle ire läut vnd gut, für vnser Kaiserlich houegericht, vor die Landgericht zu Nürenberg, Ro- tenburg an dem Rothbach bei Babenberg oder uff ander landgericht, wertliche gerichte, oder Cent, oder vf landfried laden, eischen oder fürtreiben sulle.. — v. Schultes, Historische Schriften I, S. 106. der Burggrafschaft Nürnberg. 401 und Böhmischen Landrichtern zu Recht stehen sollten ("'). König Wenzel erklärte, in Gemäfsheit dieser Exemtion aller böhmischer Unterthanen von der Jurisdietion des burggräflichen Landgerichtes, im Jahre 1413 die Bürger von Eger und die Bewohner des Egerlandes für nicht verpflichtet, sich vor des Burggrafen Landgericht zu Nürnberg zu gestellen und empfand die um diese Zeit von dem Burggrafen Johann II. über dieselben dennoch in An- spruch genommene Jurisdietion sehr übel. Nicht so glücklich gelang es der Stadt Regensburg sich von der Jurisdietion des Nürnberger Landgerichtes zu befreien. Zwar erklärte Kaiser Ludwig im Jahre 1343, dafs es den Frei- heiten und Rechten der Stadt zuwider sei, dafs ihre Bürger vor das burg- gräfliche Landgericht zu Nürnberg geladen würden und Kaiser Carl IV. be- stätigte der Stadt Regensburg im Jahre 1361 die Befreiung von dem Gerichts- zwange des Nürnberger Landgerichtes. (?”) Dennoch sehen wir letzteres im Jahre 1366 gegen Bürger von Regensburg mit der Acht verfahren (”?) und im Jahre 1417 wurde vom Könige Siegmund die der Stadt Regensburg er- theilte Exemtion förmlich cassirt, weil sie den hergebrachten Rechten der Burggrafen zuwiderlaufe. (”) Ein gegen den Bischof von Bamberg und das Kloster Langheim von dem Nürnberger Landgerichte eingeleitetes Rechts- verfahren wurde vom Kaiser Carl IV. im Jahre 1359 zwar vorläufig sistirt, jedoch hinterher von seinem Hofgerichte bestätigt. (7%) Selbst auf Einge- (') Schütz Corp. hist. IV, 299. () Ludwig Röm. Kaiser thut den Bürgern zu Regensburg am 13. Jan. 1343 zu wissen, dals er ihre von Bürgern zu Nürnberg geschehene Ladung vor des Burggrafen Landgericht, als ihren Briefen und Freiheiten widerstreitend, für unstatthaft erklärt habe. Freybergs Reg. Boica VII, 354. Kais. Karl bestätigt den 12. Febr. 1361 den Bürgern zu Regensburg die Freiheit, dafs dieselben vor kein fremdes Gericht und namentlich nicht vor die Burggrafen von Nürnberg geladen werden sollen. Das. IX, 33. a. (°) Am 13. October 1366 bekundet Burggraf Friedrich von Nürnberg, dafs er die Bür- ger zu Regensburg aus der Acht, darein sie von des Landgerichtes wegen gekommen waren, gethan und gelassen habe, gewärtigend dafs sie dieser Acht wegen fortan Niemanden an Leib und Gut beschwerlich fallen würden. Freybergs Reg. Boica IX, 159. (°*) Schütz Corpus histor. I, 123. (°) Kaiser Karl befiehlt dem Burggrafen Friedrich zu Nuremberg, dafs er von Seiten des Landgerichts Nuremberg alle Gerichtshandlungen gegen den Bischof zu Bamberg, desselben Pfaffheit Unterthanen und Güter, dann gegen das Kloster Langheim beruhen lassen, und dals er und besonders sein Diener Albrecht von Punzendorf bis zur erfolgten kaiserlichen Philos. - histor. Kl. 1854. Eee 402 Rıeveu über den Ursprung und die Natur sessene der Würzburger Diöcese versuchte das Nürnberger Landgericht seine Jurisdietion auszudehnen, jedoch schwerlich mit Zustimmung der bischöf- lichen Gerichte. (?°) Wir dürfen nach diesen Verhandlungen vermuthen, dafs das burg- gräfliche Landgericht im 13“ und 14 Jahrhundert einen sich über den öst- lichen Theil des sogenannten Fränkischen Kreises und über die angrenzen- den westlichen Theile Bayerns bis über Regensburg im Süden und über Eger im Norden hinauserstreckenden Jurisdictionsbezirk besafs. Gewifs be- schränkte derselbe sich auf solche Lande, welche ehedem Bestandtheile der ehemaligen Ostfränkischen Markgrafschaft bildeten. (7) Die in späterer Zeit aufgestellte Ansicht, dafs der landgerichtliche Jurisdietionsbezirk Nürn- bergs sich auf ganz Franken, Schwaben und Bayern, ja auf die Rheinlande, die Niederlande und die Schweiz erstreckt habe, wird durch die aus dem 13° und 14“ Jahrhunderte erhalten gebliebenen Erlasse und Erkenntnisse des Landgerichtes in keiner Weise bestätigt und steht überhaupt von allen historischen Beweisen entblöfst da. Auch bei jenem engern Umfange des Jurisdietionsbezirkes war aber das burggräfliche Landrichteramt jedenfalls von äufserst grofser Bedeutung für die Stellung der Burggrafen. Sie lag besonders in den Rechten, welche bei einer solchen reichsunmittelbaren Grafschaft mit dem Gerichtsbann in Verbindung standen, da die ungetheilten gräflichen Rechte über einen Bezirk mehr, als das Recht der Jurisdiction begriffen. Insonderheit hatte der reichs- unmittelbare Graf mit dem Fahnlehn seiner Grafschaft auch das wichtige Recht des Herbannes, die Hauptgrundlage aller fürstlichen Gewalt und Macht Entscheidung der Sachen die vorgenannten auf keine Weise beschweren solle, dagegen auch der Bischof von Bamberg den gegen das Landgericht Nuremberg erlassenen Bann bis zur erwähnten Entscheidung anfheben wird. G. zu Prag am Suntag nach Thomas Tag. v. J. 1359. 22. Dee. Freybergs Reg. Boica VIII, S. 430. — Burchard, Burggraf von Meidburk des Kaisers Karl Hofrichter bestätigt das dem Albrecht Puntzendorfer vom Landgericht zu Nürnberg auf seine Klage gegen das Bisthum Bamberg wegen Schuld zu Theil gewordene Urtheil, dafs ihm der Bischof allen Schaden entgelten solle. D. Prage in sabbato post Lucie virginis. v. J. 1359 am 14. Dec. daselbst S. 429. (°°) Fälle vonVorladungen, Erkenntnissen und sonstigen Judicaten des burggräfllichen Land- gerichts wurden in Bezug auf die Würzburger Diöcese in Jungs Miscellaneis T. I, S. 242 mitgetheilt. (”) Von Laneizolle Gesch. der Bild. des Preuls. Staates I, 50 f. der Burggrafschaft Nürnberg. 403 in Deutschland. Ohne Zweifel hat sich daher auch der Heerbann der Burg- grafen ursprünglich soweit erstreckt, als ihr Jurisdietionsbezirk reichte, und geboten sie also vermöge ihres Amtes vom Anfange an über bedeutende Districte, deren militärischer und richterlicher Schutz ihren Händen anver- traut war. Also erklärt es sich auch, wie Kaiser Carl IV. in dem oft erwähnten dem Burggrafen ertheilten Fürstenstandsprivilegio bemerken konnte, dafs schon die Würde und das Ansehen des den Burggrafen anvertrauten Amtes die Inhaber desselben mit Recht den Fürsten gleichstelle und von alten Zei- ten her gleich gestellt habe. Diese Würde ihres Amtes konnte nicht in den unerheblichen Besitzungen, Einkünften und nutzbaren Rechten beruhen, die ihr Amt nur mit sich brachte, sondern mufste sich auf eine ausgedehnte Macht stützen, die ihnen kraft ihres Amtes zustand. ° Wir haben die Grundlage dieser Macht um so unstreitiger in dem Besitze der „Grafschaft Nürnberg” zu finden, deren ausgedehnten Bereich uns die über die burggräflichen Be- sitzungen hinausgehende Jurisdietion des Landgerichtes in später Zeit noch anschaulich macht, je mehr es feststeht, dafs den Burggrafen von Nürnberg ursprünglich überall kein Territorium zustand, das den Glanz einer grund- oder landesherrlichen Macht um sie verbreiten konnte. II. Das burggräfliche Territorium. Als im Jahre 1792 die Überreste des alten Burggrafenthumes Nürn- berg an die Krone Preufsen abgetreten wurden, ging auch das „kaiserliche Landgericht des Burggrafenthums zu Nürnberg” an die neue Herrschaft noch mit über. Sein Sitz war jetzt zu Ansbach. Hier war es mit einem Land- richter und sechs Beisitzern besetzt und mit ihm ein sogenanntes Schrannen- laufen oder ein Asyl für Verbrecher aus dem ganzen heiligen Römischen Reich verbunden. Da die Prozefsform aber noch ganz nach dem alten Reichs- fufse eingerichtet war, und man diese aus Rücksicht auf die Nachbaren und die Reichsverfassung abzuändern Anstand nahm; so hörte mit der Einführung der Preufsischen Gerichts- und Prozefsordnung in die Fränkischen Fürsten- Eee2 404 Rırver über den Ursprung und die Natur thümer das Landgericht auf, für die Unterthanen des Burggrafenthums, wie bis dahin noch der Fall gewesen war, das höchste Appellationsgericht zu bil- den. Es bestand jetzt noch blos für Rechtssachen fort, die aus dem übrigen Theile des Fränkischen Kreises namentlich aus einigen Reichsstädten, biswei- len an dasselbe gebracht wurden, und den Richtern, — meistens Mitgliedern der Regierung zu Ansbach, welche die Geschäfte des Landgerichtes als Nebenamt versahen, — dienten die geringfügigen eingehenden Sporteln als Besoldung. Das burggräfliche Landgericht hatte also, wenn es auch der Form nach noch bis in das gegenwärtige Jahrhundert fortbestand, doch fast alle Bedeutung eingebülst. Dagegen ging an die Krone Preufsen mit der Erwerbung des Burg- grafthums Nürnberg zugleich ein Landgebiet über, das beinahe die ganze östliche Seite des Fränkischen Kreises von Sachsen bis Bayern in einer Länge von mehr als 30 und in einer Breite von 4-12 Meilen einnahm und unter dem Namen der Fürstenthümer Ansbach und Bayreuth oder wie sie sonst genannt wurden Onolzbach und Culmbach oder auch des Burggrafthumes unterhalb und oberhalb des Gebirges bekannt ist. Eine Kette ansehnlicher Kalkgebirge die vom Thüringer Walde bis gegen Bayern sich hinzieht und aus Vorbergen des Fichtelgebirges besteht, begründete die Eintheilung dieses burggräflichen Gebietes in den ober- und untergebirgischen Theil. Man nannte das Bayreutbische das obergebirgische Fürstenthum oder das Burggrafthum oberhalb Gebirges, weil dessen gröfster Theil in diesem Gebirge gelegen ist; das Ansbachische dagegen das unter- gebirgische Fürstenthum, das Unterland oder das Burggrafthum unterhalb Gebirges. Zugleich ward das burggräfliche Territorium durch das in einer Ausdehnung von zwei bis drei Meilen dazwischen liegende Gebiet der Reichs- stadt Nürnberg in zwei getrennte Ländercomplexe geschieden. Da aber der untergebirgische Theil gröfser als der obergebirgische war, indessen die po- litische schon durch den Burggrafen Friedrich V. begründete Theilung des burggräflichen Landgebietes die Bildung zweier Fürstenthümer von möglichst gleicher Ausdehnung erzielte, so schlug man dem obergebirgischen Theile des Burggrafthumes zur Bildung des Fürstenthumes Bayreuth fast noch ein Viertheil des untergebirgischen Theiles zu, dessen Überrest das Fürstenthum Ansbach ausmachte. In dieser Zusammenlegung von Oberland und Unter- land wurde das Fürstenthum Bayreuth zu 72 das Fürstenthum Ansbach zu der Burggrafschaft Nürnberg. 405 60 Quadratmeilen Flächeninhalt angenommen. Es war daher im Ganzen ein Gebiet von nicht weniger als 132 Quadratmeilen, dafs der Burggrafschaft Nürnberg angehörte, und mit diesem stattlichen Territorium versehen, er- scheint sie schon von dem Zeitpunkte ab, da die Erhebung des Burggrafen Friedrich VI. zum Kurfürsten von Brandenburg seinen in Franken succedi- renden Nachkommen den Titel Markgrafen von Brandenburg zuwandte. Die Frage nach der Entstehung dieses ausgedehnten Landgebietes, das schon durch seine Lage im Herzen von Deutschland seinen Besitzern eine besondere Bedeutung sicherte, läfst sich nicht unrichtiger beantworten als durch die Annahme eines beträchtlichen Grundbesitzes, womit das burggräf- liche Amt schon ursprünglich ausgestattet gewesen wäre. Wir wissen ur- kundlich aus König Rudolphs Lehnbriefe vom Jahre 1273, dafs die Grund- besitzungen, welche mit dem burggräflichen Amte vom Reiche zu Lehn gingen, aufser dem burggräflichen Schlosse und den dazu gehörigen Grundstücken zu Nürnberg, sich auf vier Orte beschränkten, nämlich auf das Schlofs Kreusen, die Stadt Schwant, das Dorf Werde oder Wörth, welches später eine Vor- stadt Nürnbergs wurde, und das Dorf Buch. Diese Orte wenigstens wurden von den väterlichen Reichslehnen dem Burggrafen Friedrich II. mit der Burggrafschaft nur zu Theil und auch von diesen vier Orten war Kreusen nur eine neue, erst im Jahre 1251 gemachte Erwerbung. Mochten nun auch dem Burggrafen Conrad IV., dem jüngern Bruder Friedrichs, der vorzüglich mit Allodialbesitzungen abgefunden zu sein scheint, ebenfalls noch einige ursprünglich mit der Burggrafschaft verbundene Reichslehne zugetheilt sein. Jedenfalls war das Lehn der Burggrafschaft hiernach nicht mit umfassenden Grundbesitzungen verbunden. Die Grundlage des Landbesitzes, welcher die spätern Erwerbungen der Burggrafen sich als Zuwachs anschlossen, bildeten auch nicht jene ge- ringfügigen, ursprünglich der Burggrafschaft zugehörigen Orte, die bis auf Kreusen später an die Stadt Nürnberg veräufsert wurden. Die ersten bedeu- tenden Besitzungen der Burggrafen finden wir vielmehr in Allodialgütern, welche innerhalb des Bereiches des nachmaligen Burggrafthums gelegen wa- ren. Dem Burggrafen Friedrich III. fiel um die Mitte des 13“ Jahrhunderts durch seine Gemahlin von den Stammgütern des erloschenen herzoglichen Hauses Meran eine Erbportion zu, zu deren Bestandtheilen die Stadt und Herrschaft Bayreuth gehörte. Um die Zeit dieses wichtigen Erbanfalls be- 406 Rırver über den Ursprung und die Natur safsen die Burggrafen aber schon Kadolzburg und Abenberg, in deren Besitze Friedrich Ill. und sein Vater Conrad III. sich zeigt: und des letztern zwei- ter Sohn Conrad IV., der aufser seinem aus väterlichen Gütern erhaltenen Erbtheil schwerlich etwas erwarb, konnte schon mit Abenberg und der durch seinen Vater im Jahre 1235 erkauften Herrschaft Viernsberg, den Markt Spalt, die Schlösser Sandskron und Werdenfels und die Vogtei Fürth mit bedeutenden Zubehörungen an geistliche Stiftungen veräufsern. Die Gegen- stände dieser Veräufserung nebst Fürth und Kadolzburg müssen daher schon früher dem burggräflichen Hause angehört haben und waren vielleicht bereits von dem burggräflichen Hause Raabs erworben. Die Bildung eines gröfsern Territoriums gelang den Burggrafen erst ganz allmälig ee des 13", 14" und 15" Jahrhunderts durch den An- schlufs von Besitzungen, welche fortgesetzte privatrechtliche Erwerbung ein- zelner Herrschaften, Städte, Schlösser, Dörfer, Güter und Rechte ihnen zu- führten. Es war eine wunderbare Consequenz, mit der, von dem nachge- bornen Burggrafen Conrad IV. abgesehen, fast gleichmäfsig in allen Ge- schlechtsfolgen des burggräflichen Hauses bis ins 15" Jahrhundert herab der Plan verfolgt und vollführt wurde, durch immerfort auf einander folgende Pfand- und Kaufverhandlungen den Grundbesitz des burggräflichen Hauses innerhalb des gräflichen Jurisdietionsbezirkes auszudebnen. So langsam und allmälig auch der nachmalige Territorialbesitz der Burggrafen hierdurch nur erwuchs, so sicher waren die Stützpunkte, welche hierdurch zugleich für den spätern Übergang der gräflichen Rechte in eine wahrhafte landesherrliche Gewalt gewonnen wurden. Von dem Reiche begehrten und erlangten die Burggrafen für ihr Aufsteigen zur nachmaligen Territorialmacht in der Regel weiter nichts, als die lehnsherrliche Zustimmung und Investitur mit solchen reichsunmittelbaren Besitzungen, die sie durch Vertrag mit deren Inhabern an sich gebracht hatten. Solche Zugeständnisse des Reichsoberhauptes hat- ten die Burggrafen aber oft nachzusuchen. Im Einzelnen wurde ihnen auch wohl die Succession in erledigte Reichslehne oder die Eventualsuccession für den Fall der Erledigung von Reichslehnen von dem Reichsoberhaupte zugestanden; doch war dies nur bei nicht sehr bedeutenden, den Burggrafen besonders passend gelegenen Besitzungen öfter der Fall. Acte gröfserer Frei- gebigkeit des Reichsoberhauptes gegen die Burggrafen, wie namentlich die Verleihung König Wilhelms, der ihnen 1249 die Succession in sämmtliche der Burggrafschaft Nürnberg. 407 Reichslehne des letzten Herzogs von Meran und in die dem Pfalzgrafen Ra- poto von Bayern von Heinrich Raspe gewährten Reichslehne zusagte, begeg- nen uns nur selten oder blieben, wie die hier beispielsweise erwähnte Zusage, für die Erweiterung des burggräflichen Territoriums ohne wahrnehmbaren Erfolg. Mehr war dies in Ansehung der Besitzungen der Fall, welche man die Burggrafen im 13‘ Jahrhundert von verschiedenen geistlichen Stiften zu Lehn tragen sieht. Fürsten konnten nach strengem Rechte von ihresglei- chen eigentlich keine Lehne annehmen, ohne ihren Heerschild dadurch zu mindern. Zu weltlichen Grofsen, aufser dem Reichsoberhaupte, erblickt man daher auch die ältern Burggrafen niemals in einem Vasallenverhältnisse. Aber das Lehnsempfängnifs von einem geistlichen Stifte wurde nicht für ver- kleinerlich erachtet. Der Lehnserträger erschien dabei nicht sowohl als Va- sall des Erzbischofes, Bischofes, Propstes oder des Prälaten, der sonst das Lehn ausgab, sondern vielmehr als Lehnsträger desjenigen Heiligen, der Schutzpatron der Stiftskirche war, das ökonomische oder politische Inte- resse, das zu solchen Lehnsverbindungen hinführte, wurde daher hier durch ein Verhältnifs von religiöser Bedeutung geadelt. Das nächste Interesse, das weltliche Grofse, wie die Burggrafen von Nürnberg bewog, in das Verhältnifs der Lehnstreue zu benachbarten geistli- chen Stiften einzutreten, war sonst wohl gewöhnlich ein politisches. Es wurde dadurch mit mächtigen geistlichen Stiften ein Verhältnifs gegenseitigen Bei- standes und Schutzes begründet, wie man es später durch völkerrechtliche Verträge zu erreichen suchte. Schon die Burggrafen des Hauses Raabs zeigen sich daher als Lehns- träger namentlich des mächtigen Episcopats Würzburg ('); die Burggrafen (') Im Jahre 1156 resignirt Godefridus castellanus de Nuremberg parochiam Enspenkir- chen Gebehardo Wirceburgensi episcopo und erhielt er dafür in restaurationem resi- gnati beneficii predium in Gerbodendorf. Ussermann Episcop. Wire. S. 39. Gotefridus comes urbis de Nurenbere wird auch unter den Fulda’schen Lehnsträgern des 12. Jahr- hunderts genannt. Tradit. Fuldens. ed. Schannat 217. ed. Dronke 141. Ungefähr um das Jahr 1170 investirt Bischof Herold von Würzburg Conradum vice comitem de Nurenbere de villa Cozzeshusen. Langs Reg. Boica I, 271. Im Jahr 1178 übergiebt Bischof Regen- hard von Würzburg decimam de prediis in Albstatt et Haselbrunnen, quam filius Beren- geri de Gamburg a Conrado burgravio de Nurenberg in benefiecium tenuit, cui pro redem- tione benefiicia in Nicozeshusen et Helzenberg obtulit, ecclesiae Cellensi. Lang’s Reg. Boica I, 301. 408 Rırver über den Ursprung und die Natur Friedrich II. und Conrad IV. aus dem Hause Zollern sieht man aufser von diesem auch von den Hochstiften Bamberg, Eichstedt, Regensburg, Freisin- gen und Cöln Besitzungen zu Lehn tragen. Ob diese Lehne dabei ursprüng- lich von der Lehnsherrschaft ausgegebene oder von dem Lehnsträger aufge- tragene waren, Jäfst sich nicht sicher entscheiden. Bei Cöln war erweislich das Letztere der Fall, da Burggraf Friedrich III. im Jahre 1285 zwei ihm eigenthümlich angehörige Dörfer dem Erzbischofe Siegfried von Cöln auf- gab, um sie von diesem als dessen Vasall zurück zu erhalten (?). Seit dem vierzehnten Jahrhunderte fielen jedoch diese Lehensverhält- nisse zu geistlichen Stiften allmälig in Vergessenheit, ohne dafs die Burggra- fen der Besitzungen beraubt wurden, auf welchen der Lehensverband früher beruht hatte. Es blieb z. B. Neustadt an der Aisch, eine vom Burggrafen Friedrich IV. im Dorfe Rietfeld gestiftete Stadt, fortdauernd ein Zubehör des Burggrafihums, wenn wir auch in spätern Zeiten an die Lehnsherrlich- keit des Bisthumes Regensburg nicht mehr erinnert werden, von dem Frie- drich III. das Dorf Rietfeld als Lehn recognoscirte. Immer ist daher auch in diesen ursprünglich geistlichen Lehen ein Beitrag zur Bildung des Burg- grafenthums anzuerkennen. In einer ähnlichen Weise führte dazu ein freiwilliger Übergang unter die Lehnsherrlichkeit der Burggrafen hin, zu dem sich manche unabhängige Familien, mit ihren früher keiner Lehnsabhängigkeit unterworfenen Besitzun- gen entchlossen. Dergleichen Lehnsaufträge wurden immer häufiger, zu je gröfserem Ansehen und ausgedehnterer Macht sich die Burggrafen erhoben, denn immer werthvoller wurde es für den kleinen Schlofsbesitzer, dem mächtigen Burggrafen auf seinen Feldzügen zu folgen und zu Hause seines Schutzes und Beistandes versichert zu sein. — In einigen Fällen wurden auch gröfsere Gruppen von Schlofs- oder Gutsbesitzern, welche sich den Burggrafen feindlich gegenüber gestellt hatten, durch Waffengewalt genö- thigt, diesen das Offnungsrecht an ihren festen Häusern einzuräumen oder die Lehnsherrlichkeit der Burggrafen über ihre Besitzungen sich gefallen zu lassen. Endlich sind auch die Pfandbesitzungen, welche die Burggrafen für gewährte Darlehne erwarben, vielfältig in dauernde Bestandtheile des burg- (?) Lacomblet’s Urk.-Samml. des Niederrheins II, 472. der Burggrafschaft N. ürnberg. 409 gräflichen Territoriums übergegangen. Nicht selten folgte einer früheren Verpfändung später ein förmlicher Verkauf. Aber auch ohne dafs eine de- finitive Abtretung eintrat oder ein Verfall im Pfandvertrage stipulirt war, blieben manche der Burggrafschaft verpfändete bedeutende Besitzungen ihr für immer angehörig. Noch unter die Preufsische Herrschaft gingen mit den Fränkischen Fürstenthümern z.B. die bedeutenden Böhmischen Pfandstücke über, welche Burggraf Johann III. von dem Könige Wenzel von Böhmen im Anfange des 15“ Jahrhunderts pfandweise erwarb, nämlich im J. 1402 Pegnitz und Böhmenstein, im J. 1412 Brichsenstadt und Michelstein, so wie im Jahre 1416 Erlangen, Frankenberg, Plech und Lindenhard, wodurch das Fürstenthum Bayreuth noch am Ende der burggräflichen Zeit eine an- sehnliche Gebietserweiterung erhielt (°). Die Hauptform der Erwerbungen, wodurch wir das Burggrafthum bis zur Verbindung mit der Mark Brandenburg beständig fortschreitend wachsen sehen, blieb indessen immer die des einfachen Kaufes gegen baare Zahlung. Man hat dem Burggrafen Johann II. den Beinamen „Conquestor” gegeben. Derselbe gebührt jedoch mit gleichem Rechte fast allen Burggrafen. Es ist eine Reihe von mehreren hundert Kaufverträgen solcher Art unserer Zeit erhalten geblieben, welche allerdings zum Theil nur geringfügige Objecte betreffen, jedoch ein interessantes Bild von dem gleichen Streben nach Er- weiterung und Zurundung ihrer Hausbesitzungen abgeben, das alle Burg- grafen leitete. Wir heben daraus nur noch einen Hinblick auf die Erwer- bung der 12 Hauptorte hervor, welche als gröfstentheils alte Mittelpunkte (°) Den 2. Februar 1402 versprach Burggr. Johann dem Könige Wenzel Pegnitz und Böhmenstein, sobald wieder herauszugeben, als ihm das darauf geliehene Geld zurück- gezahlt sein werde. Am 17. Januar 1412 wurde dem Burggrafen die Erlaubnils er- theilt, die Stadt Brichsenstadt von Eukinger von Saunsheim, imgleichen Schlofs und Dorf Michelfeld von Hans von Hohenheim auszulösen. Beide Orte gehören ebenfalls zur Ober- pfalz und waren deren bisherigen Inhabern wohl in früherer Zeit vom Könige Wenzel ver- pfändet. Ebenso wurde dem Burggrafen am 6. April 1412 das Recht gewährt, die Schlös- ser Hohenstein und Hartenstein von Otto von der Heiden, der selbige im Jahre 1399 mit Wenzels Genehmigung eingenommen hatte, wieder abzufordern und (pfandweise?) zu behal- ten. Endlich stellte König Wenzel dem Burggrafen im Jahre 1416 eine neue Verschrei- bung über alte und neu hinzutretende Pfandbesitzungen aus, nämlich über Pegnitz, Böhmen- stein, Erlang, Frankenberg, Plech und Lindenhard, welche dem Burggrafen zusammen für 14000 Gulden hafteten. Pelzel König Wenceslaus II, 456. 598. 602. 651. Schütz Corp. hist. II, 104. 106. Lünigs Cod. gent. dipl. I, 1411. Philos.-histor. Kl. 1854. Fff u ZB 410 Rırven über den Ursprung und die Natur gröfserer dazu gehöriger ländlicher Bezirke später die zwölf Kreisstädte der Fränkischen Fürstenthümer bildeten. Jedes der beiden Fürstenthümer war bis in die neueste Zeit nach sei- nen 6 Hauptstädten in 6 Kreise eingetheilt. Diese Städte waren für Ansbach und für Bayreuth 1. Ansbach 1. Bayreuth 2. Schwabach 2. Culmbach 3. Gunzenhausen 3. Wunsiedel 4. Wassertrüdingen 4. Hof 5. Uffenheim 5. Erlangen 6. Crailsheim 6. Neustadt a. d. Aisch. Davon ist die Stadt Ansbach mit der alten Burg Dornberg und allen dazu ge- hörigen Gütern durch den Burggrafen Friedrich IV. von dem Grafen Conrad von Öttingen im 1331, Schwabach mit Kammerstein und Korenburg von dem Grafen Johann von Nassau im Jahre 1364, Gunzenhausen von Wilhelm von Seckendorf im Jahr 1368 und Wassertrüdingen im Jahre 1371 so wie Uffen- heim i. J. 1378 von den Grafen von Hohenlohe, sämtlich durch den Burg- grafen Friedrich V. mit baarem Gelde angekauft, die Stadt Crailsheim aber von dem Burggrafen Friedrich VI. in Plofelden, einem Orte des durch ihn im Jahre 1399 von dem Landgrafen Johann von Leuchtenberg erkauften Amtes Crailsheim gestiftet. Die Hauptorte Bayreuths anbelangend so war Bayreuth Stadt und Herrschaft aus dem Nachlasse des letzten Herzogs von Meran von dem Burggrafen Friedrich III. durch Erbanfall, Culmbach mit der Plassenburg, Berneck, Trebegast und der ganzen dazu gehörigen Herr- schaft durch Verpfändung und Vermächtnifs des Grafen Otto von Orlamünde um das Jahr 1338 von dem Burggrafen Johann II. erworben. Die Stadt Wunsiedel wurde von dem Burggrafen Friedrich IV. um das Jahr 1324 in dem durch seinen Vater um das Jahr 1285 von einem burggesessenen Ritter erkauften Orte Wunsiedel gestiftet und die Stadt Hof mit dem ganzen Lande Regnitz von den Lehnsbesitzern den Vögten zu Weida aus dem Hause Reufs im Jahre 1373 durch den Burggrafen Friedrich V. erkauft. Von den Haupt- orten im Bayreuthischen Unterlande ist schon früher erwähnt worden, dafs Neustadt eine Stiftung des Burggrafen Friedrich IV. in einem früher Rietfeld genannten Orte ist, den Burggraf Friedrich III. von dem Bisthume Regens- burg zu Lehn besafs, Erlangen aber mit seinem Zubehör nur ein von der der Burggrafschaft Nürnberg. 411 Krone Böhmen dem Burggrafen Johann III. verpfändeter Besitz war. Also treten fast alle Hauptorte der Fränkischen Fürstenthümer als Gegenstände von urkundlich nachweisbaren privatrechtlichen Erwerbungen hervor. Die lange Reihe der übrigen Erwerbsverhandlungen über einzelne Schlösser, Städte, Dörfer und Güter führte allmälig immer mehr Zusammenhang zwi- schen diesen Hauptbesitzthümern herbei. In diesem Wege hatten die Burggrafen es schon im 14'* Jahrhunderte zu einem bedeutenden und ziemlich abgerundeten Landgebiete gebracht, das bald nicht mehr blos als ein Complex von einzelnen Herrschaften und Gütern betrachtet wurde. Schon seit der Mitte des 14“ Jahrhunderts werden die Besitzungen der Burggrafen nicht selten ihre Lande (Zerrae ipsorum) in Ur- kunden genannt und Urkunden von 1364, 1381 und aus den folgenden Jah- ren bedienen sich schon der Bezeichnung der Grafschaft, Burggrafschaft oder des Burggrafthumes zu Nürnberg in einer Weise, bei welcher nicht allein an das gräfliche Amt, sondern zugleich und noch mehr an dieses von den In- habern des Amtes erworbene Landgebiet gedacht zu scheint. (*) Eine besondere Unterstützung fand diese Auffassung, der sich über- haupt die Richtung der Zeit nach Ausbildung einer Territorialherrschaft zu- neigte, damals in Ansehung der Burggrafschaft noch durch das Privilegium Karls IV., wodurch im Jahre 1363 die fürstliche Würde der Burggrafen an- erkannt wurde. Mit dieser Anerkennung, der Verleihung des Rechtes de non evocando und den sonstigen Zusicherungen, welche Kaiser Carl dem Burggrafen Friedrich V. ertheilte, schien ihm vollkommen dieselbe Stellung zu seinem Grafschaftsbezirke angewiesen zu sein, wie andere Fürsten in von altersher zusammenhängenden Territorien sie bereits längere Zeit behaup- teten. Sowohl des Kaisers specielle Beziehungen zu dem Burggrafen, als dessen nahe F amilienverbindungen mit den ersten und mächtigsten Fürsten im Reiche, namentlich den Pfalzgrafen bei Rhein, den Herzögen von Bayern (*) Urk. vom 5. April 1355 in Pelzels Urkundenbuch zum 2. Bande der Lebensbeschr. K. Karls IV. S. 244. Urk. v. 6. Juni 1361 in desselben Lebensbeschr. K. Wenzels B. I. Urk.-Buch S. 1. Urk. vom 10. März 1363 und 3. Febr. 1381 daselbst S. 7. 42. Auch schon in einer Urkunde vom Jahre 1338 in Jungs Miscell. II, 382, wo es heifst „Es ist aueh zwischen unsern egenannten Burchgrafen Johannsen und uns (denen von Rhein) geret vnd geteidingt, ob die Grafschaft zu Nurenberg geteilt wurde” etc. scheint der letztere Aus- druck die den Burggrafen angehörigen Territorien mit bezeichnet zu haben. Fff2 412 Rırven über den Ursprung und die Natur und Österreich, den Markgrafen von Meifsen, den Landgrafen von Hessen und Anderen waren der Entwickelung einer selbstständigen, sich nach eige- nem Gefallen bewegenden fürstlichen Macht ganz besonders günstig: und wohl berechnet benutzte Burggraf Friedrich V. diese Gunst der Umstände, um sich aus dem Verhältnisse eines angesehenen Reichsbeamten und des mächtigsten Grundherrn in seiner Grafschaft, im Bereich derselben zu wahr- hafter Landesherrschaft zu erheben. Dafs es den Burggrafen von Nürnbergund der schwächern Generation der nachherigen Fränkischen Markgrafen von Brandenburg bei den vielen ihnen hierin widerstrebenden Elementen niemals vollständig gelungen ist, ihre Grafschaft in ein geschlossenes Territorium zu verwandeln und ihre Landeshoheit in dem erstrebten Maafse darin zu befestigen, hat der Zustand der Fränkiischen Fürstenthümer noch in später Zeit deutlich erkennen lassen. Der Adel, sowohl im Ansbachischen, als im Bayreuthischen, wo er sich in die Voigtländische und in die Fränkische Ritterschaft theilte, behauptete bis in die jüngste Zeit die gröfste Unabhängigkeit. Erkannte er sich auch der burggräflichen Lehnsherrlichkeit und peinlichen Gerichtsbarkeit unterwor- fen, so weigerte er doch bis zum Beginn der Preufsischen Herrschaft sowohl die allgemeinen Polizeianordnungen als überhaupt die landesherrliche Ge- setzgebung als verbindend für sich anzuerkennen. Auch im Übrigen war es den Burggrafen nicht gelungen, den Bereich ihrer Herrschaft zusammenhän- gend so weit auszudehnen, als ihre Hausbesitzungen hinausreichten und ge- wifs auch ihr gräflicher Gerichtskreis sich erstreckt hatte. Sie mufsten sich begnügen, manche ihrer entlegenern Erwerbungen nur als ihnen mit der Landeshoheit angehörige Enclaven in fremden Territorien zu besitzen, wie z. B. Lauenstein und Caulsdorf an der Grenze von Thüringen, Streitberg und Thusbronn im Bambergischen, Neustadt am Culm, Östernohe und Ho- henstadt im Pfälzischen, Brichsenstadt und Klein Lankheim im Würzburgi- schen und im Castellischen. Selbst innerhalb des Kreises, worin die Lan- desherrschaft der Burggrafen als Regel anerkaunt wurde, blieben viele den Zusammenhang eines geschlossenen Territoriums empfindlich unterbrechende Lücken. Nicht nur dafs es auch hier mitten im burggräflichen Gebiete eine Reihe von gröfsern Besitzungen gab, auf welche die Burggrafen und Mark- grafen ihre Landeshoheit nicht zu erstrecken vermogten und die daher als Enclaven fortbestanden, wie der Markt Redwitz, worin der Krone Böhmen, der Burggrafschaft Nürnberg. 413 die Herrschaft Lichtenau, worin der Reichsstadt Nürnberg, Gollhofen, worin dem gräflichen Hause Rechtern-Limpurg, der Viernsberger Bezirk, worin dem deutschen Orden und vier andere gröfsere Bezirke, worin dem Bisthum Eichstedt mit der Gutsherrschaft auch die landesherrlichen Rechte angehör- ten; sondern die benachbarten Bischöfe, Grafen und geistlichen Stifte hat- ten in den Fürstenthümern auch zahlreiche einzelne, zerstreut wohnende Hofbesitzer und Gutsleute, über welche sie im Besitz aller landesherrlichen Rechte blieben, und fast jeder Reichsunmittelbare nahm auf seinen in bunter Vermischung mit burggräflichen Besitzungen liegenden Gütern die volle Lan- desherrlichkeit in Anspruch. Mit Recht konnte daher der verewigte Fürst Hardenberg, durch welchen das Preufsische Gouvernement die Fürstenthü- mer erst in ein wahrhaft geschlossenes Territorium verwandelte, über die frühere Lage berichten: „Die Markgrafen theilten die höchste Gewalt mit mehreren Fürsten, Bischöfen, Prälaten, Reichsstädten und Rittern, je nach- dem diese in den Marktflecken’ oder Dörfern einzelne Gutsleute besafsen: die Markgrafen waren nichts weniger, als alleinige Landesherren in dem Um- fang dieser Fürstenthümer.” Ungeachtet dieser Unvollkommenheiten in der Durchführung der burggräflichen Landeshoheit erregt es Bewunderung, in welchem Maafse sich doch die alten Burggrafen der Durchführung des Planes, ein geschlossenes Territorium zu bilden, genähert hatten. Es war nicht ihre Schuld, dafs die spätern Markgrafen nicht auf dem betretenen Wege fortschritten und das System der Erwerbungen nicht fortsetzten, durch welches jene während eines Zeitraumes von zwei Jahrhunderten einen so ansehnlichen, gröfsten- theils doch zusammenhängenden Landbesitz für ihr Haus gegründet hatten. Es dürfte in der deutschen Territorialgeschichte schwerlich ein zweiter Fall nachzuweisen sein, in welchem die Bildung von Fürstenthümern von so be- deutendem Gebietsumfange, ohne besondere kaiserliche Verleihungen, ohne den Anfall schon gebildeter, gröfserer Landschaften und ohne Eroberungen, fast allein durch privatrechtliche Erwerbungen einzelner Bestandtheile in dem Grade gelungen ist, wie im vorliegenden Falle den Burggrafen von Nürnberg. Sichtbar waltete auch ein ganz besonderer Seegen über dem burggräflichen Hause. Die langen Regierungsperioden, welche den meisten Burggrafen von der Vorsehung vergönnt wurden, machten ihnen ein erfolgreiches Wirken in vorzüglichem Grade möglich. Welchen Gegensatz bildeten in dieser Be- 414 Rırveu über den Ursprung und die Natur etc. ziehung z. B. die Regierungsperioden der Burggrafen des 13“ Jahrhunderts mit den Regierungsperioden der Häupter des Anfangs mit den Hohenzollern blühenden Hauses der Hohenstaufen. Während die Regenten dieses Hauses, wie Heinrich VI. und Philipp zum Theil als Kinder zur Regierung gelangten und als Jünglinge dahinstarben, erfüllte die Regierung der Burggrafen Con- rads III. und Friedrichs III. fast ein ganzes Jahrhundert. Und durch wie wunderbare Fügung wurde das burggräfliche Haus vor dem Aussterben be- wahrt, das ihm mehrere Mal recht nahe trat, während so viel andere mächtige Häuser früh dahin sanken! Wer mogte während der ersten, über 20 Jahre dauernden Ehe Friedrichs III., die ihm nur Töchter gab, voraussehen, dafs ihm noch aus einer Wiedervermählung im hohen Alter männliche Descendenz zu Theil werden würde, und wer durfte, als sich hundert Jahre später das burggräfliche Haus in dem einzigen männlichen Gliede Friedrich V. aufs Neue dem Erlöschen zuneigte, noch die Hoffnung hegen, die sich wunderbar erfüllt hat, dafs dem Burggrafen nach mindestens fünfundzwanzigjähriger Ehe und zwar aus derselben Ehe noch ein Sohn geboren werden würde, wel- cher den Fortbestand des glorreichen Geschlechts bis auf unsere Tage mög- lich gemacht hat? — Dabei die lange Reihe von Familienhäuptern, die alle mit fast gleichem Eifer und mit fast gleicher Tüchtigkeit das von ihren Vor- fahren glücklich Begonnene fortsetzten, ihre Hausmacht durch neue Erwer- bungen vergröfserten, ihr Ansehen im Reiche und den Glanz ihres Hauses erhöhten, bis zu dem Friedrich hin, der seinen Nachkommen durch die Er- werbung der Mark Brandenburg einen andern gröfsern Schauplatz eröffnete. Glücklicher Weise hat die Hohenzollern ihr guter Stern auch bei dem Über- gange auf diesen Schauplatz begleitet. ki Zur Kritik frankisch-deutscher Reichsannalısten. yet’ HR. AN K,E, mann AaneN [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 3. August 1854.] I. Einige Bemerkungen über die Annalen des Einhard. E. setzt in Erstaunen, wenn man die historischen Aufzeichnungen aus der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts mit denen vergleicht, die aus der er- sten Hälfte des achten übrig sind, welch ein Unterschied zwischen ihnen zu bemerken ist. Einen gröfseren Fortschritt in der Form gab es vielleicht nie. Im Anfang des achten Jahrhunderts sind die Chronisten des fränki- schen Reiches überaus einsilbig und formlos: an den Fortsetzern des Fre- degar sieht man recht, wie die Rohheit noch zunahm: im neunten Jahrhun- dert finden wir richtigen Ausdruck, eine an die classischen Muster erinnernde Auffassung und Darstellung. Von allen Zweigen der nicht eigentlich politischen Literatur hängt wohl keiner mit dem öffentlichen Leben genauer zusammen, als die Ge- schichtsschreibung. Die Entstehung eines Reiches, wie das Reich Carls des Grofsen war, erweiterte und erhob an und für sich den Sinn wie für die öffent- lichen Dinge überhaupt, so auch für die Historie. Nun liefs es sich aber Carl der Grofse, wie allgemein bekannt, auch besonders angelegen sein, Literatur und Bildung zu pflegen. Die wenigen Männer, die noch in Italien oder in England Schule und Kenntnisse hatten, versammelte er an seinem Hofe, der eine Pflanzstätte der Cultur wurde. Auf beiden Momenten zusammen beruht es, wenn sich die historische Literatur im neunten Jahrhundert eines so grofsen Fortschritts rühmen kann. Als der Repräsentant derselben betrachtet zu werden hat niemand gröfseres Recht, als der Geschichtsschreiber Carls des Grofsen, Einhard. 416 RoAamkE: Er hatte das unschätzbare Glück, in seinem grofsen Zeitgenossen den würdigsten Gegenstand historischer Arbeit zu finden; indem er ihm, und zwar aus persönlicher Dankbarkeit für die geistige Pflege, die er in seiner Jugend von ihm genossen, ein Denkmal stiftete, machte er sich selbst für alle Jahrhunderte unvergefslich. Vielleicht in keinem neuern Werke tritt nun aber die Nachahmung der Antike stärker hervor, als in Einhards Lebensbeschreibung Carls des Grofsen. Sie ist nicht allein in einzelnen Ausdrücken und der Phraseologie, sondern in der Anordnung des Stoffes, der Reihenfolge der Capitel, eine Nach- ahmung Sueton’s. Wie auffallend, dafs ein Schriftsteller, der eine der gröfs- ten und seltensten Gestalten aller Jahrhunderte darzustellen hat, sich den- noch nach Worten umsieht, wie sie schon einmal von einem oder dem andern Imperator gebraucht worden sind. Einhard gefällt sich darin, die indi- viduellsten Eigenheiten der Persönlichkeit seines Helden mit den Redens- arten zu schildern, die Sueton von Augustus, oder Vespasian, oder Titus, oder auch hie und da von Tiberius gebrauchte. Er hat gleichsam die Mafse und Verhältnisse nach dem Muster der Antike eingerichtet, wie in seinen Bauwerken: aber damit noch nicht zufrieden, wendet er wie in diesen, auch sogar antike Werkstücke an. Wenn wir auch überzeugt sind, dafs hiebei die Wahrheit nicht verletzt wurde, so konnte doch die ganze Originalität der Erscheinung auf diese Art nicht wiedergegeben werden. Überhaupt suchen wir in der Geschichte nicht allein Schönheit und Form, sondern die exacte Wahrheit, deren Ausdruck die freieste Bewegung fordert, und dadurch eher erschwert wird, dafs man sich ein bestimmtes Muster vor Augen stellt. Ohne Zweifel war die Absicht Einhards mehr auf eine angenehm zu- sammenfassende Darstellung, als auf strenge Genauigkeit in den Thatsachen gerichtet. Das kleine Buch ist voll von historischen Fehlern. Nicht selten sind die Regierungsjahre falsch angegeben, z. B. bei Carl- mann, der nur zwei Jahre regiert haben soll, während er doch über drei Jahre als König neben Carl dem Grofsen lebte; über die Theilung des Rei- ches zwischen den beiden Brüdern wird eben das Gegentheil von dem behauptet, was wirklich Statt gefunden hat: Schlachten, die ohne beson- dere Wirkung vorübergingen, wie die an der Berre, werden als entschei- dend bezeichnet; Namen der Päpste werden verwechselt; die Gemah- linnen sowohl wie die Kinder Carls des Grofsen nicht richtig aufgeführt; Zur Kritik fränkisch-deutscher Reichsannalisten. 417 es sind so viele Verstöfse zu bemerken, dafs man oft an der Ächtheit des Buches gezweifelt hat, obwohl sie über allen Zweifel erhaben ist. Bei dieser Eigenthümlichkeit des Autors ist es wohl nicht allein er- laubt, sondern dringende Pflicht, auch sein anderes Werk, die Annalen, auf welche bisher die Geschichte Carls des Grofsen hauptsächlich gebaut worden ist, einer näheren Prüfung zu unterwerfen. Einhard, der um das Jahr 770 geboren ist, und vor dem Anfang des neunten Jahrhunderts schwerlich weder zu voller Ausbildung, noch zu eini- gem Antheil an den öffentlichen Angelegenheiten gelangte, der in dem Le- ben Carls des Grofsen selber klagt, dafs er über die Jugendjahre seines Helden, von denen doch sonst am meisten lebendige Erinnerung übrig zu bleiben pflegt, sich nicht genau habe unterrichten können, mufste sich in dem früheren Theile seiner Arbeit nothwendig an ältere Aufzeichnungen an- schliefsen. Das Glück hat nun gewolit, dafs uns diese, in der Gestalt, wie sie ihm vorlagen, ebenfalls aufbewahrt worden sind. Es sind die Annalen, die früher Zoiseliani oder plebeji, rustici genannt wurden, jetzt in der Sammlung der Monumenta Germaniae als Laurissenses erscheinen, vom Jahr 741 bis 788 fortlaufen, dann in zwei verschiedenen Fortsetzungen weitergehen, von denen die eine sich zuletzt in die einhardische auflöst. Sie sind von unserm verehrten Collegen Pertz erst in authentischer Gestalt publieirt worden. Ich will hier nicht ihren Ursprung untersuchen, noch nach dem Autor der Fortsetzungen forschen, sondern ich vergleiche nur die beiden Texte, den alten, der sich in der Form an die frühere historische Literatur an- schliefst, und die einhardische Überarbeitung mit einander, um ihr Verhältnifs und ihren Werth zu erkennen. Die Frage ist: stimmen die einhardischen Annalen vollkommen mit den ältern überein? Und wo sie von einander abweichen, worin besteht der Unterschied: welchen von beiden gebührt der Vorzug? Wir haben keine Hoffnung, über eine Regierung, auf welcher die Zustände des europäischen Continents lange Jahrhunderte hindurch beruht haben, jemals andere schriftstellerische Mittheilungen zu erhalten: um so wichtiger ist es, das, was wir haben, genau zu prüfen. Auch eine kleine Ab- Philos.- histor. Kl. 1854. Ggg 418 k RanseKe: weichung des Späteren von der ursprünglichen Auffassung wird bei dem Mangel anderer Nachrichten bedeutend. Eine solche zeigt sich z. B. (J. 749) in jener bekannten Antwort des Papstes Zacharias auf die Anfrage Pippins wegen des fränkischen Königthums, welche so viel zur Übertragung der Gewalt von dem einen auf das andere Ge- schlecht beitrug. Bei dem alten Chronisten ist die Frage bestimmter: ob es gut sei oder nicht, dafs es in Frankreich Könige gebe, die keine königliche Gewalt haben: sie hat eigentlich nur eine Tendenz zu Ungunsten der Mero- winger, der Ausspruch des Papstes bei beiden ist positiv, zu Gunsten derer welche die Macht haben: er fordert kraft apostolischer Autorität für Pippin den Namen König: aber bei dem älteren Chronisten fügt er den Grund hinzu; welcher darin liegt, dafs die Ordnung erhalten werden müsse, „ut non con- turbaretur ordo” indem es ja allerdings möglich war, dafs der noch immer mit dem Titel bekleidete Merowinger irgend einmal nach der Macht strebte, oder vielmehr weil Ehre und Macht zusammenfallen müssen. Diesen Grund läfst Einhard weg. Wenn dann der alte Annalist sagt: Pippin sei zum König gewählt worden secundum morem Francorum, so findet sich auch das bei Ein- hard nicht wieder; er schreibt, hier wie in der Vita die Sache schlechthin dem römischen Stuhle zu — vielleicht nur deshalb, weil es ihm besser zusam- menzuhängen schien, dafs nachdem gefragt worden war, welcher von beiden König heifsen sollte, nun der auch so genannt worden sei, welchen der Papst vorgezogen hatte. Aber damit verschwindet die Wahl, welche in der älteren Quelle noch von der Erhebung unterschieden, und auch in einer der Fort- setzungen des Fredegar erwähnt wird; ein Act von staatsrechtlicher Bedeu- tung, wenn er damals auch nur in einer Ceremonie bestanden haben sollte. Die Handlung bekommt eine ausschliefsend hierarchische Farbe. Ein ander Mal möchte sich der Zweifel regen, ob nicht Einhard, durch eine vorgefafste Meinung getäuscht, seine Quelle anders ausgelegt hat, als es ihr ursprünglicher Sinn war. Wer erinnert sich nicht des Anfanges der Geschichte der Regierung Carls des Grofsen, wie sie nach Einhard eine von allen Autoren wieder- holte Überlieferung geworden ist, nach welcher die beiden Söhne und Nach- folger Pippins, bei einem Feldzug gegen Aquitanien, das nach dem Tode des alten Königs, von dem es überwunden war, rebellirt, sich entzweien, Carl- mann seine Hülfe versagt, ‘Carl genöthigt ist, die Sache allein zu Ende zu Zur Kritik fränkisch-deutscher Reichsannalisten. 419 bringen. Einhard und seine Nachfolger leiten von diesem Ereignifs die Feindseligkeit her, die zwischen beiden Brüdern entstand. Vergleichen wir hiermit die ursprüngliche Aufzeichnung der plebeji- schen Annalen, welche Einhard wie überall, so auch hier zu Grunde legt, so ist das keinesweges so deutlich darin enthalten. Einhard schaltet in seine Bearbeitung eine Behauptung ein, welche offenbar falsch ist; er sagt, Aquitanien sei dem Landestheile Carls zugefal- len. Aber wir haben eine alte gleichzeitige Nachricht in der Fortsetzung Fredegars, nach welcher Aquitanien zwischen beiden Brüdern getheilt wor- den ist wie auch andere Provinzen, und diese wird durch das unumstöfsliche Zeugnifs der Urkunden bestätigt. Gehörte aber Aquitanien eben so gut zu Carlmanns Antheil, wie zu dem von Carl, welchen Sinn hat es, dafs jener seine Hülfe gegen eine Rebellion verweigert haben soll, die zugleich gegen ihn selber gerichtet war? Betrachten wir nun die Worte des alten Chronisten ohne diese Vor- aussetzung, so lassen sie noch eine andere Erklärung zu, als die einhar- dische, oder, wenn ich mich nicht täusche, sie fordern dieselbe. Nach dem Chronisten bricht Carl gegen Aquitanien auf, weil Hunald dort eine Empörung anfängt; aber wenige Franken reichen hin, seinem Unter- nehmen, das wohl noch nicht ganz zum Ausbruch gekommen war, ein Ende zu machen: „cum paucis Francis dissipata iniqua consilia supradicti Hu- naldi”; — indessen hat sich auch Carlmann dahin aufgemacht, und die beiden Brüder halten eine Zusammenkunft; in einem Orte, dessen Lage man nicht mehr anzugeben vermag; dann kehrt Carlmann in das innere Frankreich zu- rück, Carl begiebt sich nach Angouleme, und versieht sich mit Allem, was zur Anlegung einer militärischen Colonie nothwendig ist, rückt an die Dor- dogne und gründet Fronsac. Hunald ist gar nicht mehr im Lande, sondern zu Lupus geflohen, der ihn dann ausliefert. Allerdings bieten nun hier die älteren Annalen in ihrer ungeschickten Sprache einige Undeutlichkeiten dar. Er kann sagen wollen, die Unruhen seien schon vor Carls Ankunft beigelegt gewesen, und die Zusammenkunft der Brüder bei dem beiderseitigen Heranrücken erfolgt; aber es ist auch eine andere Erklärung möglich: man könnte annehmen, dissipata sunt stehe für dissipavit: in ipso ilinere hiefse dann, bei dem fortgehenden Ggg2 420 Rınee: Durchziehen des Landes: so dafs hienach Carl mit wenigen Franken, so viel er eben um sich hatte, herbeigeeilt wäre, den Aufstand unterdrückt und alsdann mit dem Bruder jene Zusammenkunft gehalten hätte; auf jeden Fall aber war Alles beigelegt, und kein Kriegszug weiter nöthig als Carlmann ankam; man hatte nur auf eine bessere Befestigung des Landes Bedacht zu nehmen. Von einer Entzweiung, die hierbei zwischen den bei- den Brüdern ausgebrochen sei, ist in den ältern Annalen keine Spur. Einhard kann zur Annahme einer solchen nicht gelangen, ohne von den Notizen, die er findet, abzuweichen. Er übergeht, dafs die Bewegung schon im Anfang durch geringe Kraftanstrengung, wie ja auch nur von einem Versuch der Rebellion die Rede ist, gedämpft war. Denn da Carl sich erst dann mit dem Bruder bespricht, würde er der Hülfe desselben nicht bedurft haben. Wenn er sagt: „cum fratris auxilium habere non posset, qui procerum suorum pravo consilio ne id faceret impediebatur,” so kommt das allein auf seine Rechnung, es ist sein eigner Zusatz; aber ist es mit demselben wohl besser bestellt, als mit jener Behauptung über die Theilung? Ich bekenne, mir ist es in hohem Grade zweifelhaft. Eine Entzweiung zwischen den Brüdern fand allerdings Statt, aber sie ist nicht hier, nicht durch das böse Einreden einiger Vornehmen des carl- mannischen Antheiles entstanden. Wie alten Ursprungs sie war, erkennt man aus einem merkwürdigen Briefe des Cartwulf an Carl den Grofsen. Darin werden alle die besondern Glücksfälle aufgeführt, deren sich Carl zu rühmen habe. Der erste ist: dafs er auf das besondere Gebet seiner Ältern, namentlich seiner Mutter, und zwar als der Erstgeborne, der Gott vornehmlich heilig, auf die Welt gekommen sei; der zweite, dafs Gott ihn vor der Nachsteliung seines Bruders bewahrt; (ut de Jacob et Esau legitur) — es scheint fast, als habe der jüngere Bruder dem älteren seine Rechte streitig gemacht; ferner wird es für ein Glück erklärt, dafs Carl das Reich zugleich mit seinem Bruder erlangt habe, (quod sortisti regnum Francorum cum fratre tuo), so wie end- lich, dafs Carlmann später ohne Blutvergiefsen von der Erde genommen wor- den sei. Welches auch die häuslichen Ereignisse gewesen sein mögen, die hie- mit angedeutet werden, so ergiebt sich doch, dafs der Hader der Brüder sich aus ihren Jugendjahren herschrieb, von denen Einhard, wie er sagt, nichts er- Zur Kritik ‚fränkisch-deutscher Reichsannalisten. 421 fahren konnte. Wenn nicht alles trügt, hat sich der weitere Zwist an den ita- lienischen Angelegenheiten entwickelt, in denen Carlmann die Partei der Longobarden, Carl der Grofse die des Papstes ergriff, nicht an diesen aquitanischen. Um diese herbeiziehen zu können, dazu gehörte jene Voraussetzung über Carls ausschliefslichen Besitz von Aquitanien, die aber falsch ist. Der alte Autor nahm an, dafs sich Carlmann sofort, wie die Nachricht von den aquitanischen Bewegungen erscholl, ehrlicherweise mit dem Heer- bann seines Theiles ebenfalls dahin aufgemacht hatte. Nach alle dem wird man sagen dürfen, dafs die Auffassung Einhards weder mit der alten Aufzeichnung der er doch sonst folgt, übereinstimmt, noch auch überhaupt haltbar ist. In der Vita Caroli geht der Autor aber sogar noch einen Schritt weiter als in den Annalen. Er behauptet, Carlmann habe Hülfe versprochen und sie dann nicht geleistet (licet frater eum promisso frustrasset auxilio), was sich noch weniger zu halten vermag und wohl nur auf unverbürgtem Hörensagen beruht. Eine ähnliche Steigerung der Abweichung finden wir noch bei einem andern Punkt dieser Begebenheit. Der alte Annalist erzählt, Lupus von Vasconien habe Hunald, der zu ihm geflohen, ausgeliefert, während Carl der Grofse dort in der Nähe seiner Gränze sich aufhielt (dum et ibimoram fecisset una cum Francis, adductus est Hunaldus). Einhard fügt in den Annalen, indem er die Andeutungen, die er vorfand ausarbeitet, hinzu, Lupus habe sich auch zu jedem andern Gehorsam bereit erklärt, se quaecunque imperarentur facturum spopondit. Noch viel weiter aber geht er in der Vita; er versichert da, Lupus habe sich selbst und sein ganzes Land an Carl aufgegeben: se ipsum cum provineia, cui prae- erat, ejus potestati permisit. Ich fürchte, auch darin liegt eine Übertreibung, wie sie seinen altrömischen Mustern eigen ist. Bald darauf finden wir diesen vasconischen Lupus durch einen andern desselben Namens, einen Enkel Hu- nalds, gestürzt. Sollte Carl, wenn Vasconien ihm wirklich unterworfen wor- den, also der Fürst sein Vasall gewesen wäre, einen solchen Umsturz der Ge- walt ohne Ahndung haben hingehen lassen? Dennoch hat Einhard kein Wort davon, dafs Carl sich um diese Sache bekümmert habe, was nur zu erklä- ren ist, wenn ihm Vasconien noch nicht angehörte. 422 Rıan«Ke: Man wird es hoffentlich gerechtfertigt finden, wenn ich nun die Mei- nung ausspreche, dafs bei einer Revision der Geschichte Carls des Grofsen die Worte des plebejischen Textes zuerst ohne Beziehung auf die einhardische Umarbeitung zu Grunde gelegt, deren Zusätze und abweichende Auffassun- gen aber auf das genaueste geprüft werden müssen. Das ist die Aufgabe einer kritischen Durcharbeitung dieses ganzen Stoffes, wie er Jahr für Jahr vorliegt: hier sei mir erlaubt, noch einige der wichtigsten Ereignisse der früheren Zeiten Carls des Grofsen nach dem er- kannten Verhältnifs, das sich an denselben vielleicht noch besser bewähren wird, zu betrachten. Ich beginne mit der Unternehmung Carls des Grofsen gegen die Lon- gobarden im Jahre 773. Ich will nicht die kleinen Züge erörtern, worin die beiden Darstellun- gen von einander abweichen: der spätere Schriftsteller unterscheidet sich von der ursprünglichen Aufzeichnung vor allem durch eine andere An- schauungsweise. Der einhardische Carl überlegt, als die Botschaft des Papstes ihn in Thionville trifft, die zwischen Römern und Longobarden obwaltenden Streitigkeiten und beschliefst alsdann den Zug: (rebus, quae inter Romanos ac Longobardos gerebanlur, diligenti cura pertraclatis bellum sibi — suscipien- dum ratus): man sieht ihn gleichsam schon als Richter der Welt und Selbst- herrscher. In den plebejischen Annalen ist Alles origineller, wiewohl einfacher und geringer. Jener Abgesandte des Papstes ruft Carl auf, „pro dei servitio et justilia S“ Petri seuw solatio ecclesiae” Der Papst erscheint nicht blos, wie bei Einhard, unterdrückt durch momentane Insolenz; man sieht, dafs nur eben die alten Streithändel zwischen dem Römischen Stuhl und der Lon- gobardischen Kriegsmacht, welche schon Pippin nach Italien gezogen, wie- der in Gang gesetzt sind: das Interesse des Römischen Stuhls ist zu verthei- digen, nicht gleichsam ein Rechtsspruch zu fällen und zu vollziehen. Ferner: bei Einhard überlegt und beschliefst der König allein; nach den alten Annalen zieht er die Franken, die bei ihm sind, darüber zu Rath, was er thun soll „rex consiliavit una cum Francis, quid perageret, et sumplo consilio, ut sicut missus apostolici- postulavit, ita fieret” also im Rath fand man für gut, die Wünsche des Papstes zu erfüllen. Auch der Heerbann, der nun zusammen- kommt, die bewaffnete Nation ist ein Synodus: sinodum rex tenuit generaliter Zur Kritik fränkisch-deutscher Reichsannalisten. 423 cum Francis; was schon von den Öberhäuptern für gut gehalten worden, ward von allen genehmigt und ausgeführt, wie es ihre Weise war. Bei der Beschreibung des Kriegszuges selbst hält sich Einhard sehr im Allgemeinen. Er sagt nur: „superato Alpium jugo Desiderium citra con- gressionem fugavit;” so dafs man nichts einsieht; weshalb denn auch Baro- nius diesen Eintritt gleichsam als ein Wunder preist. In dem Chronicon Moissiacense heifst es zwar: der König habe eine Legion der bewährtesten Krieger über die Gebirge geschickt, und durch diese sei Desiderius in die Flucht geschlagen worden, so dafs ich in einer 1941 erschienenen Geschichte finde, die Clausen seien erstürmt worden. Allein das Chronicon Moiss. hat dies nicht einmal so deutlich, und besitzt an und für sich, als aus andern Büchern zusammengeschrieben, keine Glaubwürdigkeit. Wie sollte dann auch Einhard es gewagt haben, zu behaupten, es sei gar nicht geschlagen worden? Da haben denn nun die alten Annalen die schlecht construirten, aber sehr bezeichnenden Worte: „mitiens (Carolus) scaram suam per mon- tana, hoc sentiens Desiderius, clusas relinguens.” Also die eigenthümliche Mannschaft des Königs, seine Scara, fand einen Weg im Gebirge; wie bei dem Übergang Napoleons über den St. Bernhard im Jahre 1800 die Franzo_ sen das Fort Bard auf einem Hirtenwege umgingen; aber Desiderius erwartete nicht, dafs sie herankamen, sondern entfernte sich vorher. Auch der Anna- list glaubt doch, dafs eine besondere Protection des h. Petrus zu dieser leichten Eröffnung der Clausen beigetragen habe. Und wie der Anfang des Zuges, so hat auch das Ende desselben in dem alten Annalisten etwas einleuchtenderes als bei Einhard. Einhard sagt nur: Pavia, durch lange Belagerung ermüdet, ergiebt sich, und so ergeben sich alle andern Städte und unterwerfen sich der Ge- walt des Königs und der Franken. Die Annales plebeji haben: Carl erobert die Stadt, und bekommt den König Desiderius selbst in seine Gewalt, mit seiner Frau und Tochter und mit dem ganzen Schatz, der in seinem Palast war; also ging die Königsburg und der königliche Schatz in die Hände Carls des Grofsen über. Hierauf kommen alle Longobarden aus allen Städten von Italien und unterwerfen sich der Herrschaft des glorreichen Königs Carl und der Franken. Dort ist die Eroberung mit Worten geschildert, wie sie allent- halben passen. Hier aber, und ich zweifle nicht, dafs das die Wahrheit ist, 424 RAnK&Ke: kommen die Longobarden und erkennen den Besieger des Desiderius, der dessen königlichen Schatz inne hat, als ihren neuen König an. Carl wurde König der Longobarden. Doch war damit zugleich eine Oberhoheit . des Fränkischen Reiches verknüpft; jene Königsburg blieb fortan von Franken besetzt. Nur der alte Chronist hat das mit der nöthigen Deutlichkeit: „custodia Francorum in Papia eivitate dimittens.” Einhard begnügt sich mit den flüchtigen Worten: „pro tempore ordinata Italia. Doch ist jene Form für den spätern Zustand mafsgebend gewesen. Nach der Rebellion des Ruodgausus in Friuli werden die dortigen Städte erobert und mit Franken besetzt; disposuit eas omnes per Francos. Das war die natürliche Weise, das Land in Gehorsam zu erhalten, so im Osten wie im Westen. Die dort angesiedelten Franken sind es dann, die das Land an dieser Gränze gegen die Anfälle der Avaren vertheidigen; z. B. im Jahre 788: Franci, qui in Italia commanere videntur.” Einhard hat auch da nur das ganz Allgemeine, von den Avaren, die er Hunnen nennt, sei zugleich Baiern und die Mark Friuli angegriffen worden, „in ulro- que loco victi fugalique sunt.” Auf diese ersten Ansiedelungen bezieht sich wohl die Sage der Bauern bei Treviso, dafs Roland die altrömische Heer- strafse, wo sie sich an den Lagunen hinzieht, bewacht, und mit Meilen- steinen Truktafelspiel gespielt habe (Ü giuoco di trucco di terra. Filiasi V. 284). Ich gehe über auf die Sachsenkriege. Bei dem ersten Unternehmen im Jahre 772 konnten die allgemeinen Ausdrücke Einhards: „ingressus (Saxoniam) -depopulatus-(cuncta) Aeres- burgum cepit, idolum - Irmensul- evertit”, zu dem Irrthum Anlafs geben, ob- wohl sie ihn nicht enthalten, als sei die Irmensul in Eresburg, also in Stadt- berge selbst gewesen, was man so lange geglaubt hat. Der alte Annalist unterscheidet bei weitem sorgfältiger: Aeresburgum coepit, ad Ermensul usque pervenit et ipsum fanum destruxit, und mit Recht sucht die neuere For- schung (Clostermeier z. B. mit dem auch unser Jacob Grimm übereinstimmt) diesen heiligen Ort um 6 Stunden Weges tiefer im Osninggebirge. Bewährt es sich nun aber, dafs dem alten Chronisten überhaupt gröfsere Autorität zukommt, so möchte ich auch auf seine Erzählung, dafs man Gold und Silber da gefunden, eine Art von Tempelschatz, wie bei den Galliern in Tolosa, Zur Kritik fränkisch-deutscher Reichsannalisten. 425 einigen Werth legen, und sie nicht, wie treffliche Männer geneigt scheinen, für eine sagenhafte Ausschmückung erklären. Was nun aber die entscheidenden Begebenheiten dieses grofsen Krie- ges betrifft, so hat man es von jeher wunderbar gefunden, dafs die beiden Schlachten, welche Einhard in der Vita als die einzigen bezeichnet, die darin vorgefallen, bei Detmold und an der Hase, im Jahr 783, in der Zeit einander so nahe liegen, und die zweite nur ein Paar Tage später ist als die erste. Trotz der ausdrücklichen Versicherung der Autoren, dafs die Fran- ken auch in der ersten einen unzweifelhaften Sieg erfochten, hat doch selbst Möser, da sich der König nach derselben nach Paderborn begab, annehmen zu dürfen geglaubt, man habe geschlagen, ohne etwas zu entscheiden. Spätere, wie Luden, haben sogar gemeint, Carl möge bei Detmold im Nachtheile geblieben sein. Ein ungenauer Ausdruck Einhards, den man urgirte, hat wohl hauptsächlich diese Vermuthungen veranlafst: wenn man aber den alten Chronisten ansieht, so müssen sie schwinden. Einhard folgt nur seiner einmal angenommenen Art und Weise, seinen Helden immer als überlegend und voraussehend zu schildern, wenn er sagt: „in Saxoniam duxit exercitum sicut dispositum habebat.” Von dieser Vorsorge aber findet sich in den alten Annalen nichts. Wie hätte auch Jemand denken sollen, dafs nach jener furchtbaren Hinrichtung, durch welche man alle Rebellen vernichtet zu haben meinte, sofort ein grofser Aufstand ausbrechen würde? dann würde ja eine so grausame Handlung unterblieben sein. Die Nachricht von dem Aufstand kam ohne Zweifel unerwartet. „Cum paucis Francis” sagt der alte Annalist von Carl, „ad T'heotmalli venit”; sei es nun, dafs er diese altheilige Stätte vor den Sachsen einnehmen wollte, oder dafs er schon erfahren hatte, sie seien dort; genug, als er anlangte, fand er sie noch in der Vorbereitung zu ihrer Aufstellung begriffen. Wohl liefse die Angabe Ein- hards, Carl habe im Voraus von ihren Vorbereitungen gehört, die Meinung zu, diese seien vollendet gewesen, als er anlangte. Die Worte der Annalen fordern eher die entgegengesetzte Annahme. Und gewifs, nicht die ganze Masse der Sachsen war dort schlachtbereit beisammen, sonst würde sie Carl mit den wenigen Franken nicht haben angreifen können, sondern nur ein Theil derselben, den er durch raschen Anfall in die Flucht jJagte: „Carolus et Franei solilo more super eos irruentes et Saxones terga verlentes” — welche Worte ächt sein dürften — „et Franci vietores extiterunt” — bei Philos.- histor. Kl. 1854. Hhh 426 Rıneke: der Überlegenheit der Scara, francisca in den Waffen ist es so unglaub- lich nicht, dafs die Meisten von ihnen (und Viele waren ihrer immer, wenn auch nicht Unzählige, wie Einhard sagt) niedergemetzelt wur- den. Hienach dürfte man annehmen, dafs der Vorfall bei Detmold nicht ein förmlicher Kampf der grofsen Heere, sondern nur eine Über- raschung der sich in Verfassung setzenden sächsischen Völker durch das unmittelbare Kriegsgefolge des fränkischen Königswar. Dieser begab sich von da „cum vietoria venit” nach Paderborn, und hier versammelte er seinen Heerbann „ibi conjungens exercitum suum.” Dafs Einhard die ersten Worte auf seine Weise umsetzt: „cum ad Paderb. cum exercitu se recepisset”, hat eben Anlafs zu jenen Vermuthungen gegeben. Mit dem vereinigten Heerbann nun ging Carl den Sachsen entgegen, die sich indefs an der Hase vereinigt haben, man sieht nicht, in welcher Anzahl, und bringt ihnen die gröfsten Ver- luste bei. Ich denke, auf diese Weise bekommen die Dinge bessern Sinn und Zusammenhang; wir sehen auch mehr den Gang der Kriegführung und mili- tärische Zwecke. Halten wir uns, wie wir denn nach diesen Bemerkungen müssen, nun- mehr vorzugsweise an den alten Chronisten, so heben sich einige Schwierig- keiten, die bei dem Jahre 784 aufgestellt worden sind. Wenn Einhard bei diesem Jahre erzählt, der jüngere Carl, Sohn des Königs, sei durch den Dreingau ziehend mit einem sächsischen Heere zusam- men getroffen, und nachdem er dies geschlagen, zu seinem Vater an den Rhein gegangen, der dann selbst noch im Winter nach Sachsen vorgerückt; so glaubt Möser schlielsen zu dürfen, der Prinz habe wohl eine gewaltige Schlappe erlitten, die den Vater nöthigte, mitten im Winter aus Frankreich in Westphalen vorzurücken, und seine ganze Armee kantoniren zu lassen. Es ist schon sehr gewagt, dies an Einhard anzuknüpfen, der das Gegentheil ausdrücklich versichert; aber die Begebenheit wird auch ohne dies verständlich, wenn wir die Umstände etwas genauer erwägen, die der alte Annalist andeu- tet. Als sich der König von der niedern Weser durch Thüringen nach Ostphalen wendete, liefs er seinen Sohn mit einer Scara zurück, um die Westphalen zu beobachten; wie das auch Einhard verstand: „in MWestpha- laorum finibus sedere jussit” So wie der König entfernt ist, regt sich aber das so eben durchzogene Land aufs neue; „Westphalai” sagt der alte Chro- nist „voluerunt se congregare ad Lippiam,” sie versuchen es erst, sich zu- Zur Kritik fränkisch- deutscher Reichsannalisten. 427 sammenzuziehen. So wie der junge Fürst dies hört, geht er auf sie los, ohne Zweifel, ehe sie noch beisammen waren, denn sonst würde er ihnen mit einer Scara nothwendig haben unterliegen müssen, er begegnete ihnen im Dreingau, wo er sie schlägt. Einhard ist seiner Gewohnheit nach unbestimmter; er sagt: „cum ei iler agenli in pago Draigni- Saxonum occurrisset exercitus;” und das sieht freilich aus, als ob die Sachsen angegriffen hätten; — womit es sich aber der alten Quelle nach nicht so verhält. Ich versuche nicht alle Zweifel zu lösen, die bei der Betrachtung dieser Feldzüge sich erheben: dabei wird es immer bleiben, dafs die Empörung der Sachsen durch den Sieg des jungen Carl nicht gedämpft wurde; er war zu schwach um sie in Unterwerfung zu halten, ebendeshalb begab er sich zu seinem Vater nach Worms: hier ward aufs neue Rath gepflogen, und ein Winterfeldzug be- schlossen: „inito consilio cum Francis” Carl wollte anfangs sein Feldlager an dem Zusammenflufs der Werne und Weser nehmen, zog aber dann der Überschwemmungen wegen, Eresburg vor: von hier aus hielt er das Land mit Gewalt in Zaum. Bei Einhard heifst es sehr allgemein: „cuncta caedibus alque incendüs permiscendo; omnes-regiones ingenti clade ad- ‚Feeisset.” Bezeichnender sind die Ausdrücke des alten Annalisten: „Saxones, qui rebelles fuerunt, depraedavit,)’ d. h. nicht Alle, sondern die, welche an der neuen Erhebung unmittelbaren Theil gehabt, deren Schlösser zerstörte er; er reinigte die Strafsen, so dafs Alle zu der öffent- lichen Versammlung in Paderborn kommen konnten; es versteht sich, auch die Sachsen, welche sich unterworfen hatten. Einhard, wie auch oben, hat zwar nur: „populi sui conventum”, aber wir haben das bestimmte Zeugnifs der alten Lorscher Annalen, dafs die Sachsen dabei waren: „placita habuit cum Francis et Saxonibus.” Eine Zusammenkunft, die vielleicht wichtiger war, als man glaubt. Wenn jemals, so dürfte hier eine Vereinbarung zwischen Carl und den West- phalen getroffen worden sein. In dem Jahre 784 hatte Carl bei seinem Zuge nach der Elbe eine Abkunft mit den Ostphalen zu Stande gebracht; der alte Annalist erwähnt ausdrücklich einer „conventio ibi facta” (ad Sca- hingi, in dem Lager bei Schöningen);, es könnte scheinen, als sei eine solche bei der jetzigen Zusammenkunft auch auf die Westphalen ausgedehnt wor- den. Allein, da es der Autor nicht wörtlich sagt, so dürfen wir es nicht auf eigne Hand annehmen. Schon genug, wenn die Sachsen auf der allgemeinen Hhh2 428 Rıanke: Zusammenkunft erschienen. Sie wurden in das fränkische Reich aufgenom- men, der Zustand mufs wenigstens factisch erträglicher geworden sein. Noch in demselben Jahre unterwarfen sich Wittekind und Albio und nahmen die Taufe an. Auch über das spätere Verhältnifs der Sachsen ergiebt sich nun nach des ältern und ächten Quelle Einiges. Bei dem Jahre 789 erzählen die beiden Annalen einen grofsen Zug gegen die Slawen, der schon früher beabsichtigt war. Einhard, der seinen Helden, in dem er schon den Kaiser sieht, immer ganz selbständig auftreten läfst, z. B. auch 784 statt der Worte: inito consilio cum Francis, nichts weiter hat, als „congregato exercitu” läfst auch hier Alles von ihm ausschliefsend aus- gehen: er kann die Insolenz der Wilzen nicht länger ertragen, beschliefst, sie anzugreifen, bringt ein grofses Heer zusammen, zieht damit durch Sachsen (comparato ingenliexercitu Rhenum trajecit, inde per Saxoniam iter agens cum ad Albiam pervenisset etc.) Die ältern Annalen messen, wie überall, so auch hier den Nationen eine viel gröfsere, freiere Theilnahme bei: „Cum consilio Francorum et Saxonum perrexit.’” Nicht allein die Franken, sondern auch die Sachsen wurden gefragt. Bei dem Heere waren Franken und Sachsen; die Friesen kamen auch „cum quibusdam Francis” Genug, die Franken und Sachsen erscheinen in einer grofsen nationalen Vereinigung, zu Rath und That gleichberechtigt, — merkwürdig ist es, dafs wie die Friesen mit einem fränkischen Zusatz erschienen, dies Verhältnifs sich auch in dem süd- lichen Italien und in Baiern wiederholte. Dort bilden die Longobarden die Masse des Heeres, doch ist ein missus bei ihnen, una cum paucis Francis. So erschienen zur Hülfe der Baiern gegen die Avaren bei der Ips zwei Missi „cum aliquibus Francis.” Alles Dinge, die bei Einhard verschwinden, der nur die Einheit des Reiches im Auge hat, und Carl den Grofsen ansieht wie einen römischen Imperator. Bemerken wir noch, um wenigstens die wichtigeren Begebenheiten der früheren Zeit zu umfassen, was sich auf unserm Wege für die Verhältnisse zu Benevent und zu Baiern ergiebt, die auf das genaueste zusammenhängen. Schon bei der beneventanischen Angelegenheit, welche die erste ist, gehen unsere beiden Autoren ziemlich auseinander. Nach dem Annalisten bemerkt Carl mit Vergnügen, dafs er allenthal- ben Friede habe, und beschliefst nach Rom zu gehen, um an den Schwellen Zur Kritik fränkisch-deutscher Reichsannalisten. 429 der Apostel zu beten, die italienischen Dinge zu ordnen und mit den Ge- sandten des Kaisers (das ist Constantinus VI. von Constantinopel, der damals mit Carls Tochter Rotaris verlobt war), eine Zusammenkunft zur Feststel- lung ihrer gegenseitigen Verhältnisse zu halten: de convenentüs eorum; alles sehr friedliche Gedanken, denen es entspricht, dafs eines Heeres gar nicht Erwähnung geschieht. Bei Einhard dagegen hält es der König für angemessen, jetzt seine lombardische Eroberung durch die Besitznahme von Benevent zu vollenden: wartet nicht lange, zieht auf der Stelle seine Truppen zusammen und geht mitten im Winter nach Italien, so rasch wie möglich nach Rom. Hören wir den Annalisten weiter, so langt, nachdem Carl ein Paar Tage bei dem Papst gewesen, der Sohn des Herzogs Arigis von Benevent an, mit reichen Geschenken und dem Versprechen der Unterthänigkeit von Seiten seines Vaters, der nur nicht wünsche, dafs der König nach Bene- vent komme. Allein der Papst, ‘der mit Arigis in Streit lag, und die frän- kischen Grofsen glauben] diesen Versicherungen nicht: sie fassen den Rath mit dem Könige — „consilium fecerunt cum supranominato rege Carolo,” nicht, wie es sonst gewöhnlich heifst, Carl fafst mit seinen Franken den Rath — dafs er nach Benevent gehen und die dortigen Angelegenheiten in feste Ordnung bringen solle. Es ist offenbar, dafs, dem alten Annalisten zufolge, der Kaiser, der an und für sich keine entscheidende Richtung da- hin hatte, eine solche erst in Rom erhielt. Ganz anders bei Einhard. Der König war schon in der Absicht ge- kommen, sich Benevents zu bemächtigen, und in Rom hat er diese Sache mit Papst und Grofsen bereits überlegt, als die Gesandten des Herzogs an- kommen. Aber der König nimmt auf diese Botschaft keine Rücksicht, nach eignem Ermessen: (longe aliter de rebus inchoatis faciendum sibi judicans) und rückt nach Capua vor. Bei ihm ist Alles eigner Beschlufs und Wille, die römische Einwirkung verschwindet. Und so erzählen die beiden Autoren nun weiter, jeder in seinem Sinne. Darüber stimmen sie überein, dafs Arigis seinem ältesten Sohn, den Carl zu- rückbehalten, nun auch den zweiten hinzugefügt, und noch mehr Geiseln versprochen, selbst aber zu kommen fortwährend verweigert habe. Hierauf aber zieht man nach dem alten Annalisten, in Betracht, dafs es nicht wohlgethan sein würde, das Land zu veröden, Bisthümer und Klöster zu zerstören; der 430 RıAnke: König sieht es ein, mit seinen Grofsen und besonders der Geistlichkeit (una cum sacerdotibus vel ceteris oplimatibus) und beschliefst, sich mit dem Er- bieten zu begnügen; er rückt nicht weiter vor. Man fragt billig, warum nicht? Warum wird die Bemerkung, Bisthümer und Klöster möchten verwüstet werden, erst jetzt gemacht? Wahrscheinlich hatte Arigis noch so viel Kräfte, dafs er sich nicht auf Gnade und Ungnade zu ergeben brauchte: es hätte zu einem Kriege kommen müssen, der sehr verwüstend hätte werden können. Deshalb stand man von dem ursprünglichen Vorhaben ab. Bei Einhard dagegen langt der König mit einem sehr starken Heere an, wovon der Annalist nichts hat; er würde zum Kriege geschritten sein, aber der Herzog besänftigt ihn durch weise Nachgiebigkeit. Worin aber be- steht diese? Er giebt abermals Geiseln; was aber die Hauptsache betrifft, so leistet er nur sein früher angebotenes Versprechen. Der alte Annalist sagt oben: „omnes voluntates domini regis adimplere cupiebant.” Eginhard läfst den Herzog hier versprechen: „ad omnia, quae imperarentur, libenter obediturum.” Dafs die Geiseln nicht viel bedeuteten, zeigte sich bald: Arigis wollte sich eben zur Erneuerung des Kampfes rüsten, als er starb. Immerhin merkwürdige Abweichungen! Nach der älteren Erzählung denkt der König nicht auf Krieg; er wird in Rom dazu bestimmt; unternimmt ihn trotz.der Versprechungen, mit denen ihm der Gegner entgegenkommt, steht aber davon ab, um keine Verwüstungen zu veranlassen. Bei Einhard ist Alles des Königs eigner Entschlufs und eigenes Interesse. Ohne dafs er dem früheren Autor auch nur eine wesentliche Notiz hinzugefügt hätte, ist die ganze Auffassung verändert. In der Vita ist das selbst noch mehr der Falle Da nennt Einhard den Papst nicht einmal, und doch wissen wir aus dessen Briefen, wie wich- tig ihm diese Unternehmung gegen den infidelissimus Arighis, die nefandis- simi Beneventani war. Vielleicht war dessen Einflufs in einer Sache, die ihn so nahe anging, noch gröfser, als der alte Annalist sagt. Ich trage kein Bedenken, der alten Erzählung den Vorzug zu geben: sie ist naiver, gewährt mehr Einsicht in den Gang der Dinge und stimmt mit den Ur- kunden besser zusammen. Ähnlich verhält es sich mit den Erzählungen von der bairischen Unter- nehmung, bei der, obwohl dem König unendlich mehr darauf ankam, die geistliche Macht jedoch ebenfalls eine grofse Rolle spielte. Zur Kritik ‚Fränkisch- deutscher Reichsannalisten. 431 Schon im Jahre 757 hatte Thassilo auf die Reliquien von fünf grofsen Heiligen dem König Pippin und seinem Hause den Vasalleneid geleistet; im Jahre 781 hatte er denselben auf vereinigtes Verlangen des Papstes und des Königs wiederholt und Geiseln gegeben; aber eben so wenig das zweite wie das erste Mal war er eigentlich seinen Verpflichtungen nachgekommen; und als jetzt der König in Rom war, erschienen bairische Gesandte, um durch den Papst eine Aussöhnung mit ihm zu Stande zu bringen. Die Unterhand- lung ward — dem alten Chronisten zufolge — begonnen; da aber die bai- rischen Gesandten keine genügende Vollmacht hatten, gab der Papst die Ent- scheidung, dafs den Herzog das kirchliche Anathem treffen solle, wofern er nicht den Eid halte, den er geschworen: würde hiedurch veranlafst, dafs Carl ihn mit Krieg überziehe, so solle die Schuld von Mord und Brand, die da vorfallen könnten, auf den Herzog fallen und nicht auf den König. Der Annalist erzählt weiter: nach Deutschland zurückgekehrt habe Carl seine Vornehmen und Priester in Worms versammelt, ihnen berichtet, was in Rom vorgegangen war, und alsdann Thassilo auffordern lassen, zu erfüllen, wozu er verpflichtet sei und selbst vor ihn zu kommen. Thassilo verweigert dies, und hierauf überzieht ihn Carl mit dreifachem Kriegsheere (videns justitiam suam). Sobald die Heere an der bairischen Grenze erscheinen, zeigt sich auch, dafs die Baiern selbst von der Gerechtigkeit der Sache des Königs überzeugt sind „videns Thassilo, quod omnes Bajoarü plus essent fideles domno regi Carolo quam ei, et cognovisset jusliliam domni regis.” Thassilo mufs sich unterwer- fen: und kaum wagt er auf den Antrieb seiner Gemahlin davon abzuwei- chen, so wird er von seinen eignen Vasallen angeklagt, unter andern, er habe seinen Leuten gerathen, mit einer reservatio mentalis zu schwören. Unter denen, die ihn zum Tode verurtheilen, sitzen mit Franken, Longobarden und Sachsen auch die Baiern selbst. So erzählt der Annalist und es hat bei der Bedeutung des kirchlichen Einflusses in jener Zeit viel innere Wahrscheinlichkeit. Denn was hätte die Baiern von ihrem Herzog abwendig machen sollen, wenn nicht eben das Wort des Papstes? Die enge Verbindung zwischen König und Papst ergiebt sich aus den beneventanischen Vorgängen. Wenn es dennoch bisher nirgends unter diesem Gesichtspunkt erzählt worden ist, so rührt das ohne Zweifel auch daher, weil gleich Einhard sich bewogen fühlte, den kirchlichen Gesichtspunkt zurückzuschieben. 432 RıAın&ke: Nach ihm sollte es scheinen, als habe das Anathem des Papstes nur den Gesandten, über die man erzürnt war, gegolten: „velut fallaces ac ‚frau- dulentos anathematis gladio statuit feriendos, si ab olim regi promissa fide discederent,” er erwähnt nicht, dafs man erst von Worms aus an Thassilo geschickt, durch dessen Weigerung sich überzeugt habe, im vollen Rechte zu sein, sondern er sagt: „ineunt consilium, ul experirelur, quid Thassilo de promissa sibi fidelitate facere vellet.” Er sagt endlich kein Wort davon, dafs auch die Baiern von der Gerechtigkeit der Sache des Königs und von der Gültigkeit der Eidesleistungen überzeugt seien, was der entscheidende Moment ist. Thassilo unterwirft sich, aber nur aus Furcht vor den Waffen. Bald darauf klagen ihn die Baiern nicht sowohl deshalb an, weil er der eidlichen Verpflichtung entschlüpfen wolle, sondern weil er auf den Rath seiner Ge- mahlin mit den Hunnen, d.i. den Avaren in Verbindung getreten sei. Und in der Vita ist diese Auffassung nur noch weiter ausgebildet. Was in den beiderlei Annalen erst zuletzt folgt, der Einflufs Liutber- ga’s und das Verständnifs mit den Hunnen, geht da voran. Der muthvolle König kann die Hartnäckigkeit Thassilo’s nicht ertragen, läfst von allen Sei- ten gegen ihn vorrücken, und dieser hält es nicht für nützlich, weder für sich selber noch für sein Volk, in seinem Vorhaben zu verharren und unterwirft sich. Der Krieg, der sehr gefährlich werden zu müssen geschienen, wird auf das rascheste beendigt. Des Papstes oder einer geistlichen Einwirkung wird mit keinem Worte gedacht: aber die alte Erzählung läfst in der That keinen Zweifel an derselben übrig. In Baiern, wo man oft eine gewisse Tendenz zur Unabhängigkeit mit geistlicher Hingebung gegen den römischen Stuhl zu vereinigen versucht hat, wird man sich vielleicht einmal überzeugen, dafs diese entscheidende Unterwerfung des Landes unter das fränkische Reich der Einwirkung von Rom, einem Ausspruche des Papstes zu danken ist. So istnun das Verhältnifs der einhardischen Darstellung zu der alten ginalen Erzählung. ori Sie ist leichter gefalst, besser stilisirt, übersichtlicher angeordnet, aber oberflächlicher, weniger charakteristisch, ungenauer. Für den historischen Gebrauch ist die alte Erzählung bei weitem vorzu- ziehen. Einhard, der sie in Schatten stellte und allgemeine Nachfolger fand, wie denn schon der annalistische Poeta Saxo im 9 Jahrhundert ihm nach- Zur Kritik ‚Fränkisch- deutscher Reichsannalisten. 433 folgt, und nicht dem alten Annalisten, hat nach meinem Dafürhalten bis auf den heutigen Tag zu manchem Irrthum Anlafs gegeben. Wäre Einhard aber für diese Zeit nun ganz zu beseitigen? Bringt er da gar nichts vor, was ihm einen eigenthümlichen Werth verleiht? In den Jahren, von denen wir handeln, finden sich besonders zwei bemerkenswerthe Zusätze, beide über unglückliche Ereignisse, die Schlacht am Süntel und die Niederlage in den Pyrenäen. Einhard gewinnt es über sich, was der alte Annalist nicht wohl vermag, erlittene Niederlagen zu be- kennen. Die Unfälle am Süntel im Jahre 782 sind bei dem alten Annalisten so dunkel und zweideutig erzählt, dafs man aus seinen Annahmen nichts weiter entnehmen könnte, als einen mit dem Blute bedeutender Männer erkauften Sieg. Einhard dagegen läfst sich über die Umstände der Schlacht und die Verluste, die dabei erlitten wurden, sehr ausführlich vernehmen. Die Darstellung von dem Zuge nach Spanien im Jahre 778, der zuletzt einen so unglücklichen Ausgang hatte, ist bei dem alten Annalisten an und für sich nicht ohne Verdienst. Er bezeichnet deutlicher, als die Spä- teren, dafs das Heer aus zwei Abtheilungen bestand, von denen die eine unter Carl selbst ihren Weg durch Navarra nahm und hauptsächlich Neustrier umfafst haben wird, denn die andere, bestehend aus Septimaniern, Burgundern, Austra- siern, Baiern und Lombarden vereinigte sich erst bei Saragossa mit ihm. Es ist nun wohl nichts wahrscheinlicher, als dafs sie sich auch für den Rückweg so von einander geschieden haben, wie dies z.B. bei dem Zug gegen die Avaren ausdrücklich erzählt wird. Die neustrische nordfranzösische Abtheilung also wird es gewesen sein, welche bei dem Rückzug über die Pyrenäen jenen unglücklichen Ueberfall erlitt. Der alte Annalist sagt jedoch kein Wort von demselben. Wir würden historisch nichts davon wissen, wenn Einhard nicht darüber berichtete. Auch in diesen Jahren hält er sich für die allgemeinen Begebenheiten an seine Urkunde: da wo er von derselben abweicht, thut er das in seiner alten Weise, ohne dafs viel Werth darauf zu legen wäre. Aufmerksamkeit aber und mich dünkt Glauben verdienen seine Einschaltungen. Beim Jahre 782 knüpfen sie sich an den Ruhm des ripuarischen Grafen Theodorich, beim Jahr 778 an das Gedächtnifs der in den Pyrenäen umgekommenen Mit- Philos.-histor. Kl. 1854. Tii 434 Range: glieder des königlichen Hofhaltes: man sieht, es sind Erinnerungen, welche sich mündlich fortgepflanzt hatten und so zu Einhards Kunde gekommen waren. Nur des letzteren Ereignisses gedenkt er auch in der Vita, fast in denselben Worten, wie in den Annalen: aber noch ausgeführter mit den Namen die dort fehlen. Überall, wo dieselbe Begebenheit in den alten, den einhardischen Annalen und der Vita vorkommt, erscheinen gleichsam drei verschiedene Stufen der Auffassung; die Vita stimmt mit den überarbeiteten Annalen dem Wesen nach zusammen, bildet aber deren A sicht weiter aus; hier fügt sie dem Zusatz derselben neue genauere Kunde hinzu. Bei dem alten Annalisten fällt nun zweierlei auf, einmal, was wir eben berührten, dafs er grofse Unglücksfälle verschweigt; auch von den innern Stürmen, den dann und wann auftauchenden Verschwörungen giebt er keine oder nur ungenügende Nachricht, — sodann aber, dafs er über das, was er berührt, ausnehmend gut unterrichtet ist. Ein Mönch, in seinem Kloster, konnte unmöglich die Dinge so genau erkunden, wie sie hier beschrieben sind; wir haben Kloster-Annalen dieses Landes, aus derselben Zeit, allein wie sehr sind sie verschieden! Sie berichten nur das ganz Allgemeine der auffallend- sten Thatsachen. Hier aber haben wir einen Autor vor uns, der die Züge der Heere, ihre Zusammensetzung und Führung, die einzelnen Waffenthaten, kurz, aber sicher angiebt, und der auch von den Unterhandlungen bis auf einen gewissen Grad zuverlässige Kenntnifs hat. Niemand konnte über die Unter- nehmung gegen Benevent und Baiern so gute Nachrichten mittheilen, der nicht dem Rath des Kaisers nahe stand. Diese beiden Eigenschaften zu- sammen, gute Kunde und grofse Zurückhaltung scheinen fast auf eine officielle Abfassung zu deuten, die aber freilich von einem Geistlichen herrühren müfste: jede Phrase bezeichnet einen solchen Es würde ein in den Weltge- schäften erfahrener, und mit dieser Thätigkeit vielleicht speziell beauftragter Geistlicher gewesen sein, der diese Notizen am Hofe selbst aufgesetzt hätte; in rohem Stil, wie ihn die Zeit, welche der Errichtung der Hofschule voran- ging, wohl erlaubte; ein Mann der alten Art und Weise, die sich hier durch die Nachwirkung der Ereignisse allein höher erhob als je zuvor. Nachher aber mufste die Historiographie in literarisch geschicktere Hände kommen, wie die Einhards waren, der die alten Annalen überarbei- tete und neue abfafste, wie es scheint, im Palast zu Aachen in eben den Jah- ren, von denen er handelte. Zur Kritik: fränkisch - deutscher Reichsannalisten. 435 Jene erhalten dadurch eine nicht geringe Beglaubigung, dafs Einhard, was die Sache anbelangt, nur eine und die andere Einschaltung über ein paar einzelne merkwürdige Begebenheiten beizubringen hatte; sein vornehm- stes Bemühen war, ihnen eine den Fortschritten der lateinischen Schule ent- sprechende Form, eine der Idee des Imperiums in der er lebte würdigere Haltung zu geben. Durch die zweiten aber erwarb er sich erst ein wahres und eigenes Verdienst. Die Einhardischen Annalen sind unschätzbar, wo sie selbständig sind; für die letzten Jahre des 8'", für die ersten Jahrzehnde des 9 Jahr- hunderts sind sie unser wichtigstes Denkmal. Einhard, noch ein Schüler der 787 entstandenen Hofschule, gelangte erst gegen das Jahr 800 zu der Reife und Gediegenheit des Geistes, die dazu gehören, um historische Er- eignisse aufzufassen. In der Academie führte er den Namen Bezaleel, von dem Baumeister der Stiftshütte; er war der Vorsteher der Bauten und öffentlichen Arbeiten; eine Lage, die ihm ganz besonders Gelegenheit gab, mit dem König und Kai- ser zu verkehren, seine Persönlichkeit zu würdigen, seine Unternehmungen zu beobachten. Tii2 436 Rınweke: II. Über die Annalen des Lambertus von Hersfeld. Die letzten Jahre der Minderjährigkeit und die ersten der Regierung Kaiser Heinrichs IV. bilden, wie man weifs, eine der entscheidenden Epochen in der Geschichte des deutschen Kaiserthums. Denn bis dahin war die Macht der deutschen Kaiser, in unaufhörlichem Kampf, kräftig behauptet und noch immer ausgebreitet worden. Wie Heinrich III. das Recht der Oberhoheit über die eben emporkommenden Könige von Castilien in An- spruch nahm, so erschienen bei seinem Nachfolger Gesandte der rurikingi- schen Grofsfürsten von Rufsland, um dessen Hülfe gegen Polen nachzu- suchen, und dagegen ein ähnliches Verhältnifs der Abhängigkeit in den For- men des Jahrhunderts einzuleiten, wie das, in welchem Polen selber stand. In den ersten Jahren Heinrichs IV. aber erhoben sich innere Gegensätze, und vor allem die Feindseligkeiten des Papstthums gegen das Kaiserthum, welche von den Kaisern nicht wieder bewältigt worden sind. Es giebt kein Reich in der Welt, welches eine so ununterbrochene Reihe kraftvoller und grofsgesinnter Männer an seiner Spitze gehabt hätte, wie das deutsche, noch anderthalb Jahrhunderte nach Heinrich IV.; aber zuletzt behielten doch ihre Gegner die Oberhand: nur noch als eine friedliche Autorität, ohne durchgreifende Macht im Innern, ohne Nachdruck nach Aufsen konnte sich das Kaiserthum behaupten. Gewils sind die Jahre, in denen die Umwandlung begründet wurde, die Gegensätze Wurzel schlugen, der Kampf begann, des Studiums der Historiker in hohem Grade würdig. Dabei aber stofsen wir von vorn herein auf eine grofse Schwierigkeit. Wir besitzen über diese Epoche zwei namhafte gleichzeitige Geschicht- schreiber: einen Cleriker Bruno, Freund und Vertrauten mehrerer in diese Begebenheiten verflochtenen Bischöfe, und den Mönch des Klosters Hersfeld, das recht im Mittelpunkt des Schauplatzes der deutschen Ereignisse lag, wo der Kaiser bei seinen Reisen häufig Wohnung nahm, Lambertus, früher ge- nannt von Aschaffenburg. Beide sind Männer von schriftstellerischem Talent und von Bildung: man sieht an ihnen, wie weit der Unterricht in den dama- ligen Schulen die Geister zu entwickeln vermochte. Bruno hat sich das Zur Kritik fränkisch-deutscher Reichsannalisten. 437 Verdienst erworben, eine Anzahl von Briefen aufzubehalten, die ohne ihn wahrscheinlich verloren sein würden; sein urkundlicher Stoff aber macht ihn mit nichten trocken; er flicht allerlei kurzweilige Geschichten ein, die er auf das munterste erzählt, so dafs sie sich recht eigneten, an einem geistlichen Hofe, wie er denn sein Buch einem Bischof widmete, mit Ver- gnügen gehört zu werden: er ist soweit entfernt, das Anstöfsige zu vermei- den, dafs er es zu lieben scheint, er nennt die Sachen gern bei ihrem Namen; über seinen Hauptgegenstand, den Verlauf des sächsischen Krieges zeigt er sich sehr wohl unterrichtet. Lambertus theilt über einige Jahre, namentlich von 1073-1077, überaus schätzbare Nachrichten in einer Aus- führlichkeit, wie wir sie sonst selten finden, mit, in einer, wenn nicht durch- aus klassischen, doch überaus sorgfältigen Diction, in der jedes Wort erwo- gen ist. Einige seiner Erzählungen, wie die Beschreibung der Schlacht bei Hohenburg i. J. 1075, gehören zu dem Ausgearbeitetsten und Gelungensten, was die historische Litteratur des Mittelalters hervorgebracht hat. Der Ver- fasser hat Sinn für die Form, auch dem Geringfügigen weils er Würde zu geben, bei dem Bedenklichen den Anstand zu wahren. Diese beiden Autoren haben die Darstellung der Geschichtschreiber der späteren Zeit beherrscht. Noch in dem letzten ausführlichen und ver- dienstvollen Buche über diese Epoche ist Lambert beinahe vollständig und Bruno wo sich nur irgend thun liefs wiederholt. Nun aber tritt bei ihnen ein Bedenken ein, welches den Historiker, der nach einer selbständigen und sichern Auffassung strebt, überhaupt oft in Verlegenheit setzt. Man fühlt sich glücklich, wenn man aus gleichzei- tigen Autoren, die den Begebenheiten nahe standen, unmittelbare Beleh- rung schöpft, aber indem man sie zu benutzen sucht, empfindet man den Anhauch eines Geistes, der mit nichten der Geist reingeschichtlicher Mit- theilung ist. An und für sich kann es ja gar nicht anders sein, als dafs Män- ner von innerer Regsamkeit und von Theilnahme für die öffentlichen Dinge — und wie liefse sich ein Historiker ohne diese Eigenschaften denken? — in Zeiten von Wirren und Kampf sich der einen oder der andern Partei an- schliefsen. Denn wer hätte kaltes Blut genug, um sich zu den Ereignissen die er erlebt, blos betrachtend zu verhalten? Parteilos zu bleiben, scheint den Einen unmöglich, den Andern nicht einmal rathsam. Indem aber der Historiker Partei ergreift, so geschieht, dafs die Ansicht der Partei auf seine 438 RıAank&ke: Darstellung Einflufs gewinnt: zuweilen hört man nicht so sehr den Historiker, als den Mann der Partei, oder die Partei selbst in einem ihrer Organe. Reine Anschauung des Objectiven, wahre Unparteilichkeit ist die reifste Frucht des historisch - gebildeten Geistes. Für gleichzeitige Geschichte ge- hört schon ein sehr ernster Wille dazu, um den Gegnern nur nicht geradezu Unrecht zu thun, um in ihnen nicht blos Feinde, sondern Menschen zu sehen, sittliche Gefühle und vernünftige Absichten bei ihnen vorauszusetzen, Zu allen Zeiten war das seltener als man glauben sollte. Auch unsere beiden Autoren haben mit Entschiedenheit Partei ergrif- fen, sie sind der eine wie der andre Gegner des Kaisers Heinrich, Anhänger seiner geistlichen und weltlichen Widersacher. Bruno macht kein Hehl daraus: er spricht einmal ausdrücklich von seiner Partei. Es sei mir erlaubt einige Worte über sein Verfahren der Untersuchung über Lambertus voraus- zuschicken. Eine der glänzendsten und grofsartigsten Gestalten, die aus dem deut- schen Bisthum überhaupt hervorgegangen sind, ist Erzbischof Adalbert von Bremen, ein Mann, in welchem sich die enge Vereinigung der bischöflichen Bestrebungen mit dem Kaiserthum, die bisher zur innern Bildung und äufsern Gröfse der Nation fast das Meiste beigetragen, noch einmal recht eigen dar- stell. Wenn es darauf ankam, den Norden, der eben durch die Verhält- nisse zu England zu einer gröfseren Selbständigkeit gediehen war, in kirch- licher Verbindung mit Deutschland zu halten, so gab es dazu kein anderes Mittel, als das Erzbisthum Bremen zu einer Art von nordischer Metro- pole, einem Patriarchat, dem andere Erzbischöfe sich unterordnen konn- ten, zu erweitern. Dafs Adalbert daran dachte, ein solches zu gründen, mag zugleich Ehrgeiz gewesen sein, aber welcher Ehrgeiz ist ich sage nicht verzeihlicher, sondern sogar wünschenswürdiger, für die Welt nützlicher, als ein solcher, der sich den grofsen allgemeinen Interessen widmet. Man sollte da nicht, alle Begriffe vermischend, von Eitelkeit reden. Eine Ver- bindung der dänischen und deutschen Hierarchie wäre auch für die Christia- nisirung der slavischen Gebiete, in welchen sich damals das Heidenthum wiederhergestellt hatte, sehr erwünscht gewesen. Aber der Erzbischof hatte sich mit den sächsischen Grofsen entzweit, indem er sein Gebiet von ihren Einwirkungen vollends loszureifsen suchte und den neubekehrten Slaven gröfsere Freiheiten vorbehielt, als sie ihnen zugesteben wollten; er hielt über- Zur Kritik ‚Jränkisch- deutscher Reichsannalisten. 439 haupt die Tendenzen der salischen Monarchie aufrecht. Und so konnte er bei Bruno keine Gnade finden. Er erscheint demselben zugleich als ein Mann von lächerlichem geistlichen Hochmuth und als einer der servilsten Schmeichler und Verderber des jungen Königs. Wie wenig aber ist hiebei auf Bruno’s Erzählungen auch im Einzelnen zu bauen. Unter andern leitet er den Mangel, welcher in der Hofburg zuweilen eintrat, von der Üppigkeit und schlechten Wirthschaft Adelberts her, während wir doch wissen, dafs derselbe daher rührte, dafs es den mifsvergnügten sächsischen Grofsen nicht gefiel, die her- kömmlichen Lieferungen zu leisten. (') Das gröfste Aufsehen machte damals die Anklage eines der sächsischen Grofsen, des Herzogs Otto von Baiern, gebornen Grafen vonNordheim, dafs er den König Heinrich verrätherisch habe umbringen wollen. In den Altaichschen Annalen ist die Sache als begründet erzählt worden; man habe bei dem Schlaf- gemache des Königs Streit angefangen, um ihn, wenn er bei dem Lärmen aus seinem Gemache trete, zu tödten: ein Edelmann des Namens Egino sei bestimmt gewesen, den Schlag zu führen. Bei Lambertus erscheint schon eine entgegengesetzte Erzählung. Er nimmt an, die Anklage sei von einigen Gegnern Otto’s höchst ungerechter Weise gegen ihn erhoben worden, er weifs diese sogar zu nennen, und ihren unglücklichen Tod betrachtet er als einen Beweis der Unschuld seines Helden. Alles Maafs aber überschreitet Bruno; er versichert, der König selbst habe den Egino zu dieser Anklage angestiftet, ja ihn mit Geld gedungen, um sich Ötto’s zu entledigen. — Und in diesem Sinne behandelt er den fernern Verlauf dieser Angelegenheit. Seine ganze Erzählung von den Vorgängen auf der Harzburg ist in Gift und Galle getaucht. Aber nicht einmal er selbst hält, wie schon Stenzel bemerkt hat, die Beschuldigungen aufrecht, die er auf den König häuft. Nur in so fern möchte ihre Aufzählung einigen Werth haben, als sie zeigt, was man dem König zur Last legte, und was man auch in Rom als seine Ver- brechen ansah. Sie ist ein Manifest der Partei: die Jugend Heinrichs IV. so viel Tadel an ihr haften mag, wird man doch nach demselben nicht schildern wollen. Überhaupt aber könnte sich Niemand aus dem Berichte Bruno’s eine deutliche Vorstellung von dem Ursprung der Sachsenkriege bilden. Den (') Bruno: Cunctis ad cibum pertinentibus prae nimio luxu consumlis. Lambertus: consueta regi servitia mittere detrectabant. 440 Rum ei: Anlafs der Empörung sieht er z. B. darin, dafs der König durch die Umzinge- lung seiner Besatzung in Lüneburg genöthigt worden sei, den Herzog Magnus loszulassen. Die Befreiung des Magnus war aber erst eme Folge der Em- pörung; sie geschah erst nach der Flucht Heinrichs in Hersfeld. Diese Flucht stellt Bruno auf seine Weise beinahe scherzhaft, ihre nächste Veran- lassung sehr unrichtig dar. Er läfst den König das Anrücken der Sachsen von der Harzburg aus bemerken; Heinrich befand sich aber damals in Goslar und ging erst später nach der Burg. Die Gesandten, die der König dann an die Sachsen sandte, waren andere, als Bruno angiebt; der Inhalt und Verlauf der Verhandlungen, welche sie pflogen, wie man aus Lambertus sieht, der hierüber sehr ausführlich ist, war ein andrer. Dem Herzog, Otto von Nordheim legt Bruno bei der ersten Zusam- menkunft der Sachsen eine Rede in den Mund, welche man in den meisten deutschen Geschichten wiederholt hat. Das Merkwürdigste ist die darin vor- kommende Entschuldigung des Aufstandes: der dem Könige geleistete Eid ver- pflichte nur so lange, als der König thue, was des Königs sei, wo nicht, so höre er auf König zu sein, man sei ihm keine Treue mehr schuldig. Ich weils nicht, ob dem sassischen Kriegsmann, der seine Gefährten zum Schlagen entflammen will, eine so sophistische und gefährliche Beschönigung seines Verfahrens mit Wahrscheinlichkeit zugeschrieben werden kann. Die ganze Zusammenkunft ist zweifelhaft: wie vielmehr diese Rede? Sie ist übrigens arm an Inhalt, nichts als eine wohl ausgearbeitete Schulübung. Ein Paar Stellen aus der Catilinarischen Verschwörung des Salustius (Catil. 16, 29) finden sich wörtlich darin wieder. (') Ich würde kein Wort daraus in eine Geschichte dieser Zeit aufzunehmen wagen. Um vieles ruhiger und zuverlässiger, bei weitem weniger leidenschaft- lich ist Lambertus, er diente uns eben, um Bruno zu berichtigen. Aber doch möchte auch er nicht überall Zustimmung verdienen, weder wo er mit ihm übereinstimmt noch selbst wo er sich gemäfsigter vernehmen läfst. Man hat vorlängst bemerkt, wie übertrieben es ist, wenn er, wie Bruno, erzählt, der (') Quae omnia numquid in vos fieri pa- Quae quousque tandem patiemini, fortissimi tiernini, fortissimi viri? Nonne emori per vir- wviri? Nonne emori per virlutem praestat, quam tutern praestat, quam vilam miseram et in- vilam miseram atque inhonestam, ubi alienae honestam, ubi illorum superbiae ludibrio fueritis, superbiae ludibrio fueritis, per dedecus amittere? per dedecus amittere? (Bruno, cap. 25) (Sall. Cat. cap. 16) Zur Kritik fränkisch- deutscher Reichsannalisten. 441 König habe Thüringer und Sachsen in Knechtschaft bringen, ihre Güter ein- ziehen, Oberdeutsche an ihrer Stelle einsetzen wollen; oder er habe alle Hü- gel und Berge in Sachsen mit Zwingburgen eingenommen, während er dann nur sechs zu nennen weils, die, eine einzige ausgenommen, alle in Thüringen liegen. Bei jenem Handel Egino’s übersieht auch Lambertus, dafs der Zwei- kampf, zu dem Otto sich selbst erboten hatte, ein uraltes, von dem Willen des Fürsten, nachdem die Sache einmal so weit gekommen, unabhängiges Rechtsmittel war. Der Fall ist dem ähnlich, der später zwischen Johann o.L. und Philipp August vorkam. Johann forderte sicheres Geleit, um zu kom- men und zu gehen: Philipp August antwortete, das hänge vom Ausgang des Rechtsverfahrens ab. Suchen wir uns überhaupt einen Begriff von dem Sinn und der Art dieses Autors zu bilden, so zeigt er sich vor allem von dem geistlichen Beruf des Klosterlebens durchdrungen; besonders da wird er warm und wahr, wo er von den Verirrungen des Clerus, dem Verfalle der klösterlichen Zucht und Sitte redet; er ist so durch und durch ein Verehrer des alten Mönchs- wesens, dessen Regeln man nur zu halten brauche, dafs er auch die Reformen desselben, die man damals versuchte, verwirft. Man unterscheidet seine Sinnesweise in dem sehr ausführlichen Be- richt, den er von der Pilgerfahrt einiger von grofsem Gefolge begleiteten deutschen Bischöfe nach dem heiligen Lande und von dem Angriffe giebt, den sie da von einer Schaar herumschweifender Arabiten zu bestehen hatten. Davon existirt noch eine kürzere, aber inhaltsvolle Beschreibung bei Marianus Scotus. In den Thatsachen stimmt Lambertus meistens mit Marianus über- ein: aber ganz verschieden ist ihre Auffassung. Das Ereignifs ist deswegen merkwürdig, weil es einen Übergang zwischen den Pilgerfahrten und den Kreuzzügen bildet. Bei Marianus erscheinen die kriegerischen Regungen in sehr bezeichnender Weise; Lambertus verwischt jedes ungeistliche Ele- ment. Er läfst die Christen darum in Nachtheil gerathen, weil sie Beden- ken tragen, ihr Leben, das Gott geweiht sei, mit den Waffen zu verthei- digen: später, als sie sich dennoch wehren müssen, halten sie es drei Tage. lang aus, ohne zu essen, zu trinken oder zu schlafen: wenn sie sich endlich entschliefsen zu capituliren, so thun sie das nur deshalb, weil es nicht recht sei, dafs sie sich mehr auf ihre Waffen, als auf Gott verlassen. Und diese mönchische Weltansicht mischt er nun allenthalben ein. Philos. -hisior. Kl. 1854. Kkk 442 Rıanee: Es ist allgemein bekannt, dafs damals der Gegensatz zwischen dem Kö- nig und einigen ihm widerstrebenden Bischöfen zunächst zu städtischen Bewe- gungen in Worms und Göln führte, welche die Grundlage der städtischen Freiheit geworden sind. Von dem Aufruhr in Cöln, der sich eben gegen den Führer der geistlichen Partei, Anno richtet, spricht Lambertus mit Abschen. Nachmittags, sagt er, als die Aufwallung der Bürger durch ihre Trunkenheit angeschwollen, sei Alles nach dem Hofe des Erzbischofs gestürzt, der eben mit seinen Freunden Mittagsmahl hielt; man habe Steine auf ihn geworfen, Geschosse gegen ihn geschleudert, Einige seien getödtet, die Übrigen ver- jagt worden. „Da,” fügt er hinzu, „haben dann sehr Viele (gquam plurimi) den Anstifter solcher Wuth, den Satan, vor dem rasenden Volke einher- schreiten sehen, mit Helm und Panzer gewappnet, mit feurig blitzendem Dolche. Indem die Thore auf das von ihm gegebene Zeichen gesprengt wurden, ist er aus den Augen der Nachdringenden verschwunden.” Geschehe es bewufst oder unbewufst, man wird ihn überall parteiisch finden, wo seine Standes-Sympathien verletzt werden. Bei der Erzählung von dem Lärmen z. B., der zwischen den Leuten des Bischofs von Hildes- heim und des Abtes von Fulda, welche über ihren Vorrang streitig waren, Pfingsten 1063, in der Kirche zu Goslar ausbrach, wirft er die ganze Schuld auf den Bischof, obwohl er selbst bemerkt, dafs auch der Abt bewaffnete Leute herbeigeführt und sich zu Gewaltsamkeiten gerüstet hatte. Unpar- teiisch wird er erst, wie der Abt und die Mönche in Streit gerathen: da macht er beiden Vorwürfe. Nun gab es aber ein Interesse, in welchem sein Abt und sein Kloster unmittelbar mit dem König zusammenstielsen. Die Zehnten waren in Thü- ringen vor Alters in mildester Form eingeführt und den grofsen Abteien von Fulda und von Hersfeld zugewiesen worden. Schon längst hatten die Erz- bischöfe von Mainz diefs als eine Beeinträchtigung ihrer Diöcesanrechte an- gesehen und die Zehnten in vollem Umfang für sich selber in Anspruch ge- nommen; der damalige Erzbischof Siegfried trieb die Sache eifriger als je ein Andrer. Er hatte dabei, wie sich denken läfst, so die beiden Äbte, wie den thüringischen Adel gegen sich. Der König aber erklärte sich für ihn, wie es denn das im Reiche Herkömmliche war, und nöthigte die Äbte, hier und da ein Drittheil, meistens aber die Hälfte ihrer Zehnten abzutreten. Ein Ver- lust, der sie in der That sehr hart betraf und den sie nicht verschmerzen Zur Kritik Fränkisch -deutscher Reichsannalisten. 443 konnten. Sie sahen in dem König ihren bittersten Feind, in seinem Ver- fahren ein schweres Unrecht. Und dazu kamen nun die grofsen Fragen zwischen Kirche und Staat. Wenn Papst und Kaiser sich entzweiten, so mochten die mächtigen Bischöfe zweifeln, welche Partei sie ergreifen sollten: leicht neigten sie sich zu dem König, von dem ihre weltliche Macht sich herschrieb und der ihnen auch dem Römischen Stuhle gegenüber eine gewisse Selbständigkeit verschaffte; die Mönche dagegen standen dem Papste näher, der ihnen hinwieder einen Rückhalt gegen die bischöfliche Gewalt verlieh. In Gregor VII, welcher sich als Reformator der Weltgeistlichkeit aufstellte, und mehrere dem Kloster- leben eigne Besonderheiten auf dieselbe übertrug, sahen die Mönche den Vorfechter ihrer Prinzipien. Gerade die Frömmsten waren ihm am meisten ergeben: man weils, wie ihre Bufspredigten das Volk für seine Neuerungen entflammten. Lambertus gehört zu seinen wärmsten Bewunderern. Eben so heftig aber hafst er den König als den Feind des Papstes und zugleich den Feind seines Klosters, aus tiefer mönchischer Frömmigkeit und sehr erklärlicher Theilnahme für die besondere klösterliche Genossen- schaft der er angehört. Über die Gegner des Königs, Rudolf, Berthold, Otto und Andere, drückt er sich mit einer Vorsicht aus, die selbst bei einem Tadel noch eine Ausflucht gestattet: sein Buch ist mit dazu angelegt, um die Wahl eines Gegenkönigs zu rechtfertigen: für Heinrich hat er nie ein Wort der Entschuldigung. Was er an Adalbert, dem Freunde des Königs tadelt, seine Theilnahme an der Ausübung der höchsten Gewalt, lobt er an Anno, ihrem Widersacher. Ich denke nicht, dafs Jemand das Buch lesen kann, ohne diesen Parteigesichtspunet durchzufühlen: bei aller Bewunderung für die schriftstellerischen Gaben des Lambertus habe ich es doch nie ohne eine gedrückte Stimmung aus der Hand gelegt. Es ist aber nicht genug, das im Allgemeinen wahrzunehmen und aus- zusprechen; ich will daran gehn, die Glaubwürdigkeit des Lambertus in eini- gen Hauptmomenten seiner Erzählung näher zu prüfen: besonders in Bezug auf die geistlichen Verhältnisse, welche die entscheidenden sind. 1. Eine in alle Geschichtsbücher übergegangene Erzählung ist es, dafs König Heinrich IV., der sich, erst neunzehn Jahre alt, von der Gemah- lin, die man ihm in frühester Jugend gegeben hatte, wieder zu scheiden be- absichtigte, den Erzbischof Siegfried von Mainz zur Beförderung seines Vor- Kkk2 444 RAne&ke: habens durch das Versprechen bewogen habe, ihm bei jenem Anspruch auf die Thüringer Zehnten zu helfen. So erzählt Lambertus. Er versichert sogar, dafs der König mit seiner Absicht erst dann hervorgetreten sei, nach- dem er den Pact mit dem Erzbischof geschlossen habe (Pactione utrimque firmata Rex ad publicum refert. a. 1069, p. 174). Man verwundert sich doch, wenn man, nachdem man dies gelesen und angenommen hat, auf ein Schreiben desselben Erzbischofs Siegfried an den Papst Alexander II. stöfst, worin er sich mit äufserstem Widerwillen über die Absicht des Königs aus- spricht. Er versichert, mit Beistimmung der anwesenden Magnaten, durch das Unerhörte der Sache erschreckt, habe er ihm ins Angesicht widersprochen (F elut monstro attonili in ‚Faciem ei restilimus). Der nichtswürdigen Gründe, die der König angegeben, gedenkt er mit Wegwerfung und ersucht den Papst um sein Urtheil in der Sache: aufgefordert, sie in einer Synode zu entscheiden, wolle er doch auch diefs ohne die päpstliche Autorität nicht thun; halte der Papst eine Synode für rathsam, so möge er Bevollmächtigte zur Untersuchung und Entscheidung herüberschicken. (1) Unmöglich läfst sich dies Schrei- ben mit jener Erzählung vereinigen. Der nämliche Mann, von dem Lambertus wissen will, dafser den König in seinem Vorhaben bestärkt habe, stellt dies dem Papst als das Unerhörteste vor, das seit Jahrhunderten in der Christenheit vor- gekommen sei. Es ist wohl gemeint worden, der Bischof habe ein doppeltes Spiel gespielt: allein wohin hätte ihn diefs führen können? Nicht durch ein blofses Versprechen, nur durch die Erfüllung desselben konnte er den König bewegen, ihm in seiner Sache, deren Entscheidung noch bevorstand, behülflich zu sein. Er würde sich diefs dadurch schwer oder unmöglich ge- macht haben, dafs er die päpstliche Autorität anrief, selbst für eine deutsche Synode. . Und soviel geht doch aus dem Actenstück hervor, dafs der Bischof die Sendung des Legaten geforderthat: aber Lambertus bezeichnet sie als unvor- hergesehen, unerwartet; er will sogar wissen, der Legat habe dem Erzbischof mit der päpstlichen Ahndung gedroht, weil er ein so schnödes Vorhaben be- günstige. Mich dünkt, es ist offenbar, dafs Lambertus über die Sache nicht gehörig unterrichtet war. Er erzählt sie wie sie in seinem Kloster erzählt (') De latere vestro personas cum scriptis vestrae auctorilatis ad examen et judicium tantae rei. mittere dignemini. (Sigfr. Episc. Mogunt ep. ad Alexandr. II. in Mansi’s Samm- lung der Concilien, Vol. XIX, pag. 1078). Zur Kritik fränkisch-deutscher Reichsannalisten. 445 werden mochte. Von dem König versichert er, er habe sich wiewohl höchst ungern, in die Nothwendigkeit gefunden, seine Gemahlin zu behalten, mit dem Beschlufs jedoch, sie nicht als seine Gemahlin zu behandeln (sic eam habere quasi non haberet). Sehr unbefangen, in der That. Beim Jahr 4071 berichtet er selbst, dafs die Königin mit einem Sohne niedergekom- men sei. Die Anwandlungen des Königs beruhten, wenn das Wort erlaubt ist, auf der ungezogenen Laune eines jungen Menschen. Erst nach jenem Scheidungsversuch hat er seine Ehe vollzogen und ist in derselben sehr glücklich gewesen. 2. Bei einer anderen geistlichen Verhandlung innerhalb Deutschlands, deren Lambertus gedenkt, können wir seine Angaben mit einer urkundlichen Darstellung, die darüber aufbehalten worden ist, vergleichen. Ein von dem Kai- ser für Kostnitz ernannter Bischof ward von dem dortigen Kapitelzurückgewie- sen, (a.1071.p.184 ff.) weil diefs in der Art seiner Einsetzung das Verbrechen der Simonie zu erkennen meinte. Der Papst, von beiden Seiten angegangen, beauftragte den Erzbischof von Mainz mit der Untersuchung, und dieser be- rief dazu eine Synode, bei welcher sich auch der König einfand. Lambertus erzählt nun, Heinrich habe sich an dem bestimmten Tage neben den Mit- gliedern der Synode niedergelassen und die gröfste Mühe angewandt, die gegen den von ihm Ernannten erhobenen Einwendungen zu widerlegen, oder mit listiger Ausflucht zu schwächen; aber auch harte Worte habe er nicht gespart, und die ganze Majestät seiner Würde in dieser Sache eingesetzt: damit sei der erste und zweite Tag hingegangen; zuletzt aber seien die Ver- gehungen des Angeklagten bewiesen worden (probatis eriminibus), und der König habe den bischöflichen Stab von ihm zurückgenommen. Über diese Synode nun existirt ein amtlicher, damals sogleich abgefafster und in dem Archiv von Mainz niedergelegter Bericht. Aus dem aber ergiebt sich, dafs der König die beiden ersten Tage hindurch an den Sitzungen persönlich nicht Theil genommen hat. Wohl suchte er durch Andere für seinen Bischof zu wirken, so dafs die Prälaten sich bewogen fühlten, ihm, dem Fürsten selbst, Vor- stellungen zu machen. In dem amtlichen Bericht wird ausdrücklich ver- sichert, der König habe bei der Audienz keinerlei Unwillen blicken lassen, keine verletzende Antwort gegeben; er habe nur bemerkt, dafs, wenn einer seiner Diener sich seine Verwendung habe bezahlen lassen, er davon nichts wisse, von seiner Hand schüttle er Alles ab, was Habsucht heifsen könne; 446 RıAnkKe: wenn sich der Angeklagte nicht rechtfertige, so wolle er, der König, dem Laufe der Gerechtigkeit nicht widerstreben. Hierauf erst begiebt sich der König einmal in die Synode; die Parteien werden gehört, doch kommt es zu keiner Entscheidung. Die Bischöfe selbst sind erstaunt, dafs der Ange- klagte den anderen Tag sich freiwillig einstellt, um Ring und Stab dem König zurückzugeben. Wie ganz anders erscheint Heinrich IV. in dem officiellen Be- richte, als bei Lambertus! dort auch in seiner Nachgiebigkeit entschlossen, natürlich und ehrfurchtsvoll, bei Lambertus unnachgiebig, listig, fast hinter- listig: denn zuletzt verspricht er noch dem zurückgetretenen Bischof, ihn bei der nächsten Gelegenheit schadlos zu halten. Ich glaube nicht, dafs hier ein Zweifel über die gröfsere Zuverlässigkeit obwalten kann. Mit welchem Anschein wollte man den amtlichen Bericht der geflissentlichen Lüge zeihen ? Aber von Lambertus ist es klar, dafs er über die Thatsachen keine ge- naue Kunde hat, was sogar als ein Beweis seiner subjectiven Ehrlichkeit angesehen werden dürfte. Überhaupt ist seine Auffassung von vorn herein irrig. Er läfst die Untersuchung von dem Papst allein ausgehen, der sie mit starker Mahnung erzwingt; nach dem officiellen Bericht versagt der Erzbischof schon von selbst dem Gewählten die Consecration, weil er wegen seines Le- bens berüchtigt ist. Von der Selbständigkeit einer deutschen Kirche, Rom gegenüber, hatte man in seinem Kloster keinen Begriff. 3. Gehen wir nun einen Schritt weiter, zu den Verwickelungen mit Rom, bei denen Lambertus ein so grofses Ansehen geniefst, dafs seine Be- richte in die Coneiliensammlungen aufgenommen worden sind. Gleich bei dem ersten Schritte in der Geschichte der Verhältnisse zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. aber gerathen wir in Verlegenheit. Lambertus erzählt (p- 194): bei der Nachricht, dafs Hildebrand zum Papst gewählt worden sei, habe der König auf den Antrag der durch diese Wahl erschreckten deutschen Bischöfe, denn diese sind nach seinem Sprachgebrauch die episcopi Galliarum, den Grafen Eberhard von Nellenburg nach Rom geschickt, um die römischen Grofsen (Romanos proceres) darüber zur Rede zu stellen, dafs man ihn bei der Wahl nicht gefragt habe, und den neuen Papst wissen lassen, dafs er dem König genugthun oder abdanken müsse. Wenigstens gut unterrichtet wäre der König über die Römischen Zustände dann nicht gewesen: denn von einem An- theil der Proceres war bei dieser Erhebung nicht die Rede; sie war durch eine tumultuarische Bewegung des Volkes geschehen. Bei Lambertus nun ereifert Zur Kritik ‚Jränkisch-deutscher Reichsannalisten. 447 sich Papst Hildebrand nicht etwa über diese Anmuthung: nein, er antwortet höchst demüthig, er werde sich nicht weihen lassen, bis er wisse, dafs sowohl der König als die deutschen Fürsten in seine Wahl einwilligen. Wie, der stolze Papst soll nicht allein dem König, sondern den deutschen Fürsten das Recht zugeschrieben haben, seine Wahl für ungültig zu erklären! Man er- kennt Hildebrand, wie er als Archidiaconus der römischen Kirche gewesen war, geschweige denn, wie er dann als Papst wurde, in dieser allen seinen Ideen widersprechenden Gefügigkeit nicht wieder. Lambertus versichert sogar, erst als der Papst die Einwilligung des Königs erfahren, habe er sich weihen lassen. Es ist nicht ein blofser Irrthum in dem Datum, wenn der Autor die Weihe Gregors erst im Februar 1074 geschehen läfst — die Wahl hatte am 22. April 1073 stattgefunden — sondern er bedarf einen so langen Zeitraum zu allen den Incidentien, die er voraussetzt: der Ankunft der Nachricht, dem Einreder der Bischöfe, der Abordnung des Gesandten, der Verhandlung desselben in Rom, der Botschaft hierüber nach Deutsch- land, der Rückantwort des Königs, gegen den indessen der sächsische Krieg losgebrochen war. In der That aber ist der Papst schon zwei Monat nach seiner Wahl geweiht worden, den 29. Juni. Bonizo versichert, der König habe auf der Stelle den Bischof Gregor von Vercelli nach Rom geschickt und die Wahl bestätigt; dieser, sowie die Kaiserin Agnes, die Mutter des Königs, habe der Weihe des Papstes beigewohnt (liber ad amicum, p. 811). Von Eberhard von Nellenburg weifs er so wenig, wie Lambert von dem Bi- schof von Vercelli. Vielleicht würde man zu weit gehen, die Sendung Eber- hards gänzlich in Abrede zu stellen, aber Aufträge, wie die, von welchen Lambertus wissen will, kann er nicht gehabt, noch vollzogen, die Antworten, die derselbe ihn empfangen läfst, nicht empfangen haben. Aus den Briefen Gregors VII. sehen wir, dafs er sich vom Augenblick seiner Wahl an als vollkommen berechtigt ansah; in einem derselben, bereits vom 6. Mai des ersten Jahres, spricht er seinen Entschlufs aus, dem König mit dem Schwert zu begegnen, wenn derselbe den kirchlichen Anordnungen widerstrebe. Wie sollte er sein Recht und seine Autorität von der Genehmigung des näm- lichen Fürsten abhängig gemacht haben? Aus der Erzählung des Lambertus sehen wir nur, dafs es in Deutschland Leute gab, die dem Papst eine Mäfsi- gung und Demuth zuschrieben, welche ferne von ihm war. 448 RAnkKke: 4. Der damals zwischen dem Römischen Stuhl und dem König ob- waltende Streit beruhte darauf, dafs der Vorgänger Gregors, Alexander H., unmittelbar vor seinem Tode in der gewohnten Fasten-Synode zu Rom einige Räthe des Königs, welche an dem Verkauf der geistlichen Stellen Antheil nahmen, von der Kirchengemeinschaft ausschlofs, der König aber diese Ex- communication nicht anerkannte, und die Gebannten in seinem Rathe be- hielt. Es ist bemerkenswerth, dafs die Excommunication von der Kaiserin Agnes angerathen worden war; diese Fürstin der es am Herzen lag, ihren Sohn mit der Kirche zu versöhnen, übernahm es selbst, nach Deutschland hinüberzugehen, um im Verein mit päpstlichen Gesandten den König zur Unterwerfung unter die kirchlichen Satzungen zu vermögen. Lambertus rechnet (p. 215) sie förmlich zu den Gesandten (legatis apostolicae sedis: erant aulem hi: mater ejus imperatrix): nach ihm aber weigerten sie sich mit dem König in Unterhandlung zu treten, bevor er sich nicht wegen des Verkaufes geistlicher Stellen reuig zeige, und von ihnen selbst vom Anathema wieder los- gesprochen werde (nec cum rege sermonem communicare consenserunt, donec — per judieium eorum anathemate absolveretur). Eine seltsame Gesandtschaft fürwahr, welche sich weigert, mit eben demjenigen zu verkehren, den sie um- stimmen soll. Bonizo, der meistens gut unterrichtet ist, versichert dagegen, viele Tage hindurch habe der König das strafende Wort der Gesandten anhören müssen — cum per multos dies sermonem correctionis quotidie ab üs audi- ret —;, der Papst selbst lobt den König wegen der guten Aufnahme seiner Gesandten (legatis nostris benevolum tractabilemque praebuisti 7. Dez. 1070 Mansi XX, 148.) Ohne Zweifel hat der König mit den Gesandten verkehrt und verhandelt. So weit war es überhaupt nicht, dafs Heinrich damals schon einer Absolution bedurft hätte; die Sache sollte erst untersucht wer- den. Ich weils nicht, ob es nicht besser gewesen wäre, sie einem deutschen Concilium vorzulegen, — was die Legaten beantragten, und der König, nach Lambertus, der ihm nur wieder verwerfliche Gründe beimifst, gewünscht zu haben scheint, — aber die deutschen Bischöfe wollten nicht einführen lassen, dafs päpstliche Legaten in Deutschland Coneilien halten dürften, was den Vorrechten des Stuhles von Mainz zuwiderlaufen würde. Auch ohne diefs überredeten die Mutter und die Gesandten den König, die Excommu- nicirten aus seiner Nähe zu entfernen (familiares quos Alexander excommu- nicaveralt, a suo prohibuit colloguio. Bonizo.) er nahm die anstöfsig gewor- Zur Kritik frünkisch-deutscher Reichsannalisten. 449 denen Bischöfe nicht unbedingt in seinen Schutz. Nicht alle Schwierigkeiten wurden beseitigt, aber der Papst war doch mit dem was geschah höchlich zufrieden: er dankt der Kaiserin Mutter für die Mühe, die sie sich gegeben Kirche und Reich mit einander zu vereinigen, und schliefst den König, wie er ihm selbst meldet, wieder in sein Gebet bei der Messe ein. Bei Lam- bertus, der die Sache unausgetragen nach Rom verweisen läfst, sieht es aus, als habe Heinrich fortwährend unter der Gefahr einer formellen Verdammung gelebt, aber die Urkunden zeigen unwidersprechlich, dafs die Sache anders stand; der König war damals mit dem Papste wieder ausgesöhnt. 5. Mit den Begebenheiten des sächsischen Krieges vollauf beschäftigt, versäumt Lambertus lange Zeit der Irrungen zwischen König und Papst zu gedenken: erst beim Jahre 1076 kommt er auf dieselben zurück. In Goslar, erzählt er, seien im Anfang des Jahres päpstliche Gesandte erschienen, um den König vor die in der zweiten Woche der nächsten Fasten bevorstehende Synode vorzuladen, damit er sich dort wegen der Verbrechen, die man ihm Schuld gebe, vertheidige: sollte er nicht erscheinen, so würde unverzüglich, an demselben Tag, das Anathem über ihn ausgesprochen wer- den: der König habe die Gesandten mit Schimpf von sich gewiesen und die Geistlichen des Reiches sofort zu einer Zusammenkunft nach Worms be- schieden. Es wird auffallen und vielleicht verwegen erscheinen, wenn ich die mit so vieler Bestimmtheit vorgetragene Erzählung Lamberts bestreite und das Factum selbst, dafs der König von dem Papste vorgeladen worden sei, in Zweitel ziehe. Meine Gründe sind folgende. Ein Schreiben des Pap- stes vom 8. Jan. 1076 liegt vor, worin er dem König über seinen erneuerten Umgang mit den Excommunieirten, sowie über feindselige Schritte, die er sich in Italien erlaubt habe, Vorwürfe macht und ihn in heftigen Worten zur Unterwerfung ermahnt, davon aber schweigt er, dafs er den König vor eine römische Synode lade oder geladen habe. Den Gesandten, die diesen Brief überbrachten, hatte Gregor noch einige mündliche Aufträge gegeben, die wir aus einem späteren Schreiben kennen lernen: von einer Vorladung war dabei nicht die Rede. Bertholdus, dessen Nachrichten beachtens- werth sind, weil er die Actenstücke kennen zu lernen Gelegenheit hatte, weils von dieser Vorladung nichts. DBernold von Constanz, der an dem Urkundlichen weniger festhält, läfst den König mit der Excommunication auf einer Römischen Synode, wenn er sich nicht bessere, bedrohen, von Philos.- histor. Kl. 1854. L1l 450 RıncKe: einer Vorladung aber zur Verantwortung schweigt auch er. In den Regi- stern der päpstlichen Briefe endlich erscheint unter dem 7. Dec. die Vorla- dung des Erzbischof Thedald zu Mailand zu dieser Synode, die da in die erste Woche der Fasten gesetzt wird, aber keine des Königs. Wie liefse sich denken, dafs ein so wichtiger auffallender Act allent- halben mit Stillschweigen bedeckt würde, wenn er vorgekommen wäre? Man dürfte sagen, er werde durch die Folgen die er hatte erwiesen. Denn wenn die Vorladung nicht Statt fand, warum hätte der König jene Synode nach Worms berufen, von welcher der Bruch zwischen beiden Gewalten eigent- lich ausgegangen ist‘ Um diese Handlung zu verstehen, müssen wir uns die Lage des Mo- ments näher vergegenwärtigen. Im vorhergegangenen Sommer hatte der König neue Unterhandlungen mit dem Papst angeknüpft und zwar im tiefsten Geheimnifs, weil ihr gegen- seitiges Einverständnifs den deutschen Fürsten widerwärtig sein werde. Der Papst war darauf eingegangen, er hatte selbst seine Hülfe gegen die Wider- spenstigen hoffen lassen , plötzlich aber hatte Heinrich Alles abgebrochen. Es scheint, als habe er nach seinem Siege über die Sachsen sich geschmeichelt, noch über beide zu triumphiren, den Papst und die Fürsten, während der Papst sich mit der Herstellung des kirchlichen Gehorsams von Seiten des König begnügt hätte. In dem Abbrechen der Verhandlungen sah der Papst eine Nichtachtung, die ihn ergrimmte. Dazu kamen aber die allezeit für die Päpste sehr empfindlichen italienischen Händel. In Mailand namentlich lag die kaiserliche Partei mit der päpstlichen in heftigem Kampf; damals nun erfocht die letztere mit Hülfe des Volkes, welches die Freiheit der Kirche des heil. Ambrosius gegen die Fahne von S. Peter behauptete einen Sieg; ein kaiser- lich gesinnter Erzbischof, Thedaldo, trat ein, zum gröfsten Verdrufs Gregors VII. Eben dieser ist es, den der Papst vor die römische Fasten- Synode lud, um, wenn er die Kirche liebe, allen Verwirrungen ein Ende zu machen. Er befiehlt ihm im Namen Gottes und des heil. Petrus, die Orden nicht zu empfangen, denn es werde ihn gereuen, man werde ihm vielleicht sagen, die Gunst der Mitbürger, seine adlige Geburt, die Hülfe des Königs würden ihm zu Statten kommen; aber er müsse wissen, dafs die Macht der Könige und Kaiser und die Bestrebungen der Sterblichen den apostolischen Rechten gegenüber Nichts seien als Asche und Staub (7. Dez.; bei Mansi Zur Kritik ‚Fränkisch- deutscher Reichsannalisten. 451 194). Es ist undenkbar, dafs Thedald dem Kaiser von dieser Vorladung und den weit ausgreifenden Äufserungen des Papstes nicht Nachricht gegeben haben sollte. Die italienische Bewegung warf sich überhaupt auf Deutschland zurück; der vornehmste Antagonist des Papstes unter den Cardinälen, Hugo Blancus, begab sich selbst nach Deutschland. Unter diesen Umständen nun trafen jene Gesandten, die der Papst als fromme Männer bezeichnet, und die also ohne Zweifel seine Gesinnung theil- ten, in Deutschland ein. Schon die Briefe, die sie mitbrachten, waren un- angenehm; noch mehr waren es die geheimen Aufträge, mit denen der Papst sie betraut hatte. Er liefs dem König nicht allein unumwunden ankündigen, dafs er ihn, wenn er sich von den Excommunicirten nicht absondere, ebenfalls als einen solchen betrachten werde, sondern er stellte ihn über seine persönliche Führung, die Verbrechen die er begehe zur Rede; wegen derselben würde er verdienen nicht allein bis zu genügender Abbüfsung mit dem Kirchenbann belegt, sondern auch der Krone beraubt zu werden, ohne Hoffnung sie je- mals wieder zu erlangen. Die Gesandten bemühten sich nicht, diese Auf- träge zu mildern, sie verstärkten sie vielmehr. Der König behauptete von ihnen erfahren zu haben, dafs der Papst entschlossen sei, ihm Leben und Reich zu entreifsen, oder selbst darüber umzukommen. Nach solchen Eröffnungen bedurfte es jener Vorladung nicht, um den König zu Gegenvorkehrungen zu veranlassen. Heinrich gerieth, wie man voraussetzen könnte, wenn es auch nicht ausdrücklich überliefert würde, in heftige Aufregung: doch war dieselbe nicht allein persönlicher Art. Die Ein- mischung des Papstes fing an, die Unabhängigkeit des Reiches zu bedrohen, von welcher er selbst und die Fürsten noch ein sehr lebhaftes Gefühl hatten. In einem wenige Monate darauf erlassenen Schreiben wird ausgeführt, dafs durch die göttliche Weltordnung zwei Schwerter bestimmt und von einander geschieden seien, das geistliche und das weltliche, der Papst aber wolle diese Ordnung verkehren und dem König nicht erlauben, König zu sein von Gottes Gnaden, er solle es sein von des Papstes Gnaden. Die Ideen Gregors waren in den letzten drei Jahren klar hervorgetreten; dafs er die weltliche Gewalt der geistlichen unterwerfen wollte, konnte kein Mensch bezweifeln. Auch in anderen Beziehungen setzte er sich dem deutschen Reiche entgegen, wie wenn er dem König von Ungarn zum Vorwurf machte, die Oberlehns- herrschaft des deutschen Reiches anerkannt und das nodile dominium des L112 452 Rıwx&KeE: h. Petrus vernachlässigt zu haben: er sei kein König mehr, sondern ein Unter- könig (regulus). Diese Gründe waren es, welche den König bewogen, die Feindseligkeiten gegen den Papst Gregor mit Entschlossenheit selbst zu er- öffnen. Jener Cardinal erschien in Worms und gab von dem vergangenen und damaligen Leben desselben einen so anstöfsigen Bericht, dafs die Versamm- lung sich berechtigt glaubte, sogleich die äufsersten Schritte zu thun und den den Papst für unwürdig seiner hohen Stelle und für abgesetzt zu erklären. Mit Freuden stimmten die italienischen Bischöfe bei, ein italienischer Cleri- ker eilte nach Rom, um dem Papst mitten in seiner Synode seine Absetzung anzukündigen. Wahrscheinlich hatte der Kaiser auf Beistimmung des römi- schen Volkes gerechnet; allein Gregor war ihm auch in Rom zu stark. Er antwortete der Absetzung durch eine Excommunication des Königs und aller Bischöfe, die an seinem Vornehmen theilgehabt. — Die Darstellung dieser späteren Dinge bei Lambertus ist nicht falsch, wie die ihres Anfangs, aber ungenügend und schwach, für das Verständnifs ohne Werth. 6. Das Nemliche ist auch bei den folgenden Verhandluugen zu be- merken. Von einer zweiten Versammlung zu Worms, Pfingsten 1076, weifs Lambertus nur, dafs wegen Abwesenheit der Fürsten daselbst nichts zu Stande gekommen sei. Davon giebt er keine Kunde, dafs man dort ursprünglich damit umging, die ausgesprochene Absetzung Hildebrands zu erneuern, einen andern Papst zu ernennen und ihn nach Rom zu führen. (!) Schon hatte ein weltlicher Fürst diels zu bewerkstelligen sich anheischig gemacht. Dessen Tod und mancherlei andere unglückliche Zufälle verhinderten das Vorbaben; von dem gröfsten Einflufs darauf war es ohne Zweifel, dafs die mächtigen Fürsten, welche den König bisher beigestanden hatten, sich von ihm abwandten; nun erst sieht man, was ihre Abwesenheit bedeutete. Von einer Versammlung, die im Juni zu Mainz gehalten wurde, berichtet Lambertus, dafs daselbst ein Streit zwischen den Bischöfen ausgebrochen sei, von denen die einen, die päpstlichen, allen Umgang mit den anderen, den kaiserlich Ge- sinnten, hätten abbrechen wollen, was diese in Wuth gesetzt habe, weil die über sie verhängte Excommunication unrechtmäfsig, null und nichtig sei. Wir zweifeln nicht, dafs Dinge dieser Art dort vorgekommen seien; allein bei dem blofsen Gezänk blieb man nicht stehen: diese von dem Geschicht- (') Bertholdus: v2 Papa — 0b scelera — damnatus dejicerelur, et pro eo alius supponeretur. Zur Kritik fränkisch-deutscher Reichsannalisten. 453 schreiber nur oberflächlich berührte Zusammenkunft in Mainz war doch eine der wichtigsten. Nach der Erzählung Bertholds wurde daselbst die von dem Papst in Rom ausgesprochene Excommunication für ungerecht, ungültig, für einen Gräuel erklärt. Der Papst selbst dagegen ward auf den Grund der Zeugnisse, die man von ihm vorbrachte, verurtheilt und aufs Neue excom- munieirt. (!) Lambertus hat sein Augenmerk hauptsächlich auf die wieder ausbre- chenden sächsischen Irrungen gerichtet, aber es ist doch immer auffallend, dafs er von so wichtigen Vorgängen keine Meldung thut. Denn sollte man an- nehmen dürfen, dafs sie ihm unbekannt geblieben seien? Aber in seinem Kloster hielt man die Sache des Papstes von vorn herein für die bessere; man hatte keine Theilnahme für die Anklagen gegen ihn und schwieg lieber darüber; kein Verständnifs für die kirchlich-politischen Fragen. Und doch waren diese niemals prägnanter, bedeutender gewesen. Zwischen Kaiser- thum und Papstthum war der Krieg ausgebrochen, welcher Jahrhunderte lang die Welt erschüttern sollte. Der König hatte die Absetzung des Pap- stes ausgesprochen, der Papst die Excommunication des Königs und künftigen Kaisers: welche von den beiden Gewalten sollte die Oberhand behalten? 7. Wir gehen auf die Zusammenkunft von Tribur über, welche für die Reichsgeschichte entscheidend geworden ist. Lambertus bezeichnet die Absetzung Heinrichs als ihren Zweck; er läfst den König durch die allgemeine Beistimmung, welche seine Gegner fin- den, bereits so weitkommen, dafs cr ihnen anbietet, die Macht in Zukunft mit ihnen zu theilen, wenn ihm nur die Schmach der Absetzung erspart werde; aber sie weisen, alles was ihm von jeher vorgeworfen worden ist wiederholend, jede Unterhandlung zurück, und erklären sich entschlossen, einen Andern an seine Stelle zu setzen, der vor ihnen hergehen und die Schlacht des Herrn schlagen möge; alles läfst sich zu einem blutigen Zusammentreffen an. Plötz- lich aber werden die Fürsten anderes Sinnes: sie erklären rechtlich mit ihm verfahren, und die Sache dem Papst übertragen zu wollen, der nach Augs- burg kommen und sie entscheiden sollte; nur müsse der König die Excom- (') domnum Apostolicum falsis testimonüs quasi iudicatum temere satis excommunicabant, et quod synodali iudicio in regem et in caeteros suae confoederationis participes ab Aposto- lico actum est, analhema utpote — temmerarium quasi sententialiter confirmabant. (M. VII, p. 284) 454 RıneKe: munication sofort anerkennen, und sich in bestimmter Frist von derselben losmachen : sonst würde er seiner Krone verlustig sein. Diese ganze Erzählung ist nun nicht sehr verständlich. Man erfährt nicht wie so viele deutsche Fürsten unerwartet, — Lambertus selbst erstaunt darüber — zu den Mifsvergnügten übertraten, noch was später die Fürsten bewog, von ihrem Entschlufs auf einmal abzustehen. Auch verhält es sich, wenn Lambertus sagt, dafs der Papst mit denselben einverstanden gewesen sei, damit nicht ganz so; wenigstens war diese Übereinstimmung an Bedin- gungen gebunden. Wir haben das Schreiben Gregors vom 3. September, worin er die Fürsten ermahnt, wenn der König sich reuig und der Kirche unterwürfig zeige, ihn zu schonen: über die Person des Neuzuwählenden will er erst unterrichtet sein, und man soll ihn auch der Kaiserin Agnes nennen. Nach Lambertus hätten die anwesenden Legaten das Recht gehabt, den reuigen König vom Anathema loszusprechen : aber der Papst erklärt aus- drücklich, dafs derselbe nicht losgesprochen werde dürfe, ehe nicht über die Sache aufs neue nach Rom berichtet worden sei (quousque apostolicae sedis consensum el iteralum responsum recipialis. Mansi, 211). Aber die Hauptsache ist, dafs die entscheidende Frage, von der alles andre abbing, von Lambertus kaum berührt, in voraus als abgemacht be- trachtet wird. Es ist die Frage, ob die Excommunication des Königs und künftigen Kaisers durch den Papst, welche die Lossprechung seiner Unter- thanen von dem Eide der Treue enthielt, also die Absetzung erst möglich machte, gültig sei oder nicht. Papst Gregor hatte darüber selbst das Wort genommen; in einem Briefe an den Bischof von Metz sucht er seinen Anspruch historisch zu be- gründen; er bezieht sich hauptsächlich auf die Excommunication, welche Ambrosius über den Kaiser Theodosius ausgesprochen hat, und auf die Ent- setzung des letzten Merowingers durch Papst Zacharias. Man antwortete ihm schon damals, dafs es mit diesem letzten Ereignils eine ganz andere Be- wandtnifs habe, und das erste ohne allen Einflufs auf die Verhältnisse des Staates geblieben sei. Dafs eine durch Eidschwur geheiligte Verpflichtung aufgelöst werden könne, wollte vielen überhaupt nicht einleuchten, sie brachten das göttliche Recht der Obrigkeit in Erinnerung. Diese grofsen Streitfragen setzten nun damals alle Geister in Bewegung; Bonizo versichert, dafs die deutschen Fürsten ausdrücklieh deshalb zusammen Zur Kritik fränkisch-deutscher Reichsannalisten. 459 gekommen seien (ultramontani principes quasi in Judicio conslituunt, ulrumne papa regem posset communicare neene). In Italien hatte man das Recht des Papstes verworfen: in Deutschland endigte die Berathung damit, dafs man es anerkannte. Wenn man fragt, was die pästlichen Legaten so Über- zeugendes für die deutschen Fürsten vorbrachten, so legt Bonizo den gröfs- ten Werth auf einen Ausspruch des Patriarchen Anatolius von Constantinopel im Coneilium von Chalcedon, nach welchem damals der Patriarch Dioskurus von Alexandria nicht wegen seines irrigen Glaubens, sondern deshalb verur- theilt worden sei, weil er es gewagt habe, den Römischen Papst zu excom- municiren. Man ist später in Rom mit der Erklärung des Anatolius nicht einmal zufrieden gewesen, man hätte gewünscht, dafsnichtallein die Vergehun- gen des Dioskurus gegen die Disciplin, sondern zugleich seine dogmatischen Abweichungen als Grund seiner Verdammung bezeichnet worden wären. Jene waren jedoch die auffallendsten; seine Beleidigung des Papstes Leo war nur ein Moment seiner Auflehnung gegen die conciliare Autorität überhaupt ('), die ihm zum Verbrechen gemacht wurde. Bonizo versichert nun, dafs mit Rücksicht auf dieses Beispiel die Excommunication König Heinrichs von den versammelten Deutschen als zu Recht begründet anerkannt worden sei: decre- vere, regem secundum Foci et Dioscori imitationem Juste excommunicalum. Man erstaunt, dafs der innere Hader der Hierarchie in einem Coneilium des fünften Jahrhunderts oder gar die constantinopolitanischen Händel des Photius in den Steitigkeiten zwischen dem Kaiserthum und dem Papstthum malsgebend gewesen sein sollen. Eher wäre zu verstehen, wenn die deutschen Bischöfe durch den Ausspruch des Anatolius, den man ihnen als eine unbedingte Anerkennung der Hoheit des Römischen Stuhles auslegte, geschreckt worden wären, sie da selbst ja so eben an einem ähnlichen Act Theil genommen hatten. Aber diese Dinge vermischte man mit einander; wenn die Bischöfe, durch welche der König gehandelthatte, die Sache aufgaben, so konnte auch der König sie nicht festhalten. Seine Lage ward gefährlich, da nach dem Reichsherkommen die Excommunication, wenn sie nicht binnen Jahr und Tag gelöst wurde, den Verlust von Amt und Würden nach sich zog, und die Fürsten diefs Jetzt auch auf die höchste Würde anwandten; eine » kirchliche Genugthuung ward für ihn nothwendig. Bemerken wir aber, dafs (') Vgl. Pagi: Critica in Annales Baronii II, 328. 456 Rınee: diese mit den obschwebenden Streitigkeiten, die auf einem grofsen Reichs- convent in Gegenwart des Papstes selbst vorgenommen werden sollte, noch nicht unbedingt zusammenfiel. Indem sich Heinrich anschickte, die Abso- lution zu suchen, unterwarf er sich den Anmuthungen seiner Gegner nicht so ohne Rückhalt, wie es bei Lambertus erscheint. Er forderte, auch der Papst solle die gegen ihn erhobenen Anklagen widerlegen, denn es geziemt sich, so sagt er, dafs auch deine Heiligkeit darauf eingehe, was man zum Ärgernils der Kirche über dich verbreitet, und das öffentliche Ge- wissen von demselben befreie. Heinrich erkennt an, dafs er durch die Wormser Synode zu weit gegangen sei, aber in der vornehmsten Frage, ob er würdıg sei das Kaiserthum, und der Papst würdig das Papstthum zu be- kleiden nimmt er eine diesem ebenbürtige, gleichberechtigte Stellung ein. 8. Es ist nicht dieses Ortes, die unermefsliche Wichtigkeit, welche die den deutschen Fürsten und Bischöfen dergestalt abgewonnene Anerkennung der päpstlichen Excommunication eines Königs für die deutsche Geschichte überhaupt hatte, zu entwickeln; noch auch den Fortgang dieser Begebenheiten zu begleiten. Ich bemerke nur, dafs Lambertus über die Versprechungen die der König später in Italien dem Papst selbst macht, so wenig zuverlässig ist, wie über die Verhandlungen von Tribur. Nach seiner Erzählung hätte der König dem Papst gelobt, bis zur Entscheidung der Hauptsache durch eine grofse Reichsversammlungsich aller königlichen Ehrenrechte, und sogar der selbstän- digen Verwaltung des Reiches zu enthalten (nihil circa rerum publicarum ad- ministrationem — ageret) er hätte sich gleichsam suspendiren lassen und den Fürsten das Recht zuerkannt, ihn abzusetzen. Ganz anders lautet jedoch die Promissio Canusina Heinrichs, die in die Regesten Gregors selbst auf- genommen ist. Der König verspricht allerdings, in der Streitsache in der er mit den deutschen Fürsten sei, Gerechtigkeit auszuüben nach dem Urtheil, oder Frieden zu schliefsen nach dem Rath des Papstes. (?) Aber wie weit ist das von dem entfernt, was Lambertus ihn versprechen läfst! An eine Suspension von dem Königthum war so wenig zu denken, dafs der König (') Condecet autem et sanctitatern tuarn ea quae de te vulgata scandalum ecclesiae pariunt non dissimulare, sed remoto a publica conscientia et hoc scrupulo cet. (Promissio Heinrici regis. (Monumenta, IV, p. 49). (?) Jjustitiam secundum judiecium ejus, aut concordiam secundurm consilium ejus faciam. Monumenta IV. p. 50. Zur Kritik fränkisch-deutscher Reichsannalisten. 4597 dem Papst vielmehr sicheres Geleit verspricht; wenn Jemand dasselbe breche, so werde er ihn treulich nach seinem Vermögen unterstützen. Bei alle dem aber ist Lambertus hier mit nichten zu verwerfen. Über die Begegnisse der Reise nach Canossa, und die dortigen Vorfälle in so fern sie zur öffentlichen Kunde gelangten, ist er gerade besonders gut unterrichtet. Von Manchem, was Andere nur flüchtig erwähnen, finden wir bei ihm die anschaulichsten Nachrichten, z. B. von einer Scene zwischen Gregor und Heinrich, deren Kenntnifs wir um keinen Preis entbehren möchten. Noch lasteten die gegenseitig erhobenen Anschuldigungen auf König und Papst. In der persönlichen Begegnung auf dem Schlofs Canossa nun erklärt der Papst dem König: es würde ihm leicht sein, durch gültige Zeug- nisse Alles zu widerlegen, was man gegen ihn vorbringe; er wolle jedoch sich mehr auf ein göttliches als auf ein menschliches Zeugnifs stützen, um, worauf Heinrich in Augsburg gedrungen hatte, jeden Scerupel, jeden An- stols zu entfernen. „Siehe da,” sagt er, „das ist der Leib des Herrn: ich werde ihn nehmen, zum Zeugnifs meiner Unschuld; bin ich schuldig, so möge mich der allmächtige Gott mit plötzlichem Tode strafen.” Er nahm hierauf die Hälfte einer Hostie und forderte den König auf, wenn er sich wegen der ihm vorgeworfenen Verbrechen gleichfalls rein wisse, die andere Hälfte zu empfangen. Der König erschrak, denn so ganz frei mochte er sich nicht fühlen; er wies die Hostie zurück. Grofsartige Gegner, die einander hier im Streit um die Zukunft der Welt begegnen; beide durchdrungen von ihrem Recht, und entschlossen, es geltend zu machen; beide voll Religion; den Papst erfüllt sie mit geist- licher Zuversicht, den König mit Scheu vor dem Heiligen und Zurück- haltung. Für die rechtliche Seite des Streites zwischen Kaiserthum und Papst- thum hat Lambertus keinen Sinn; für die Verhandlungen darüber bildet er keine Autorität; er führt vielmehr in dieser Beziehung irre. Seine klösterliche Gesinnung verhindert ihn gleichsam, volle Aufmerksamkeit darauf zu richten. Eine Scene wie diese aber, in der sich die geistliche Superiorität des grofsen Hierarchen darstellt, fesselt seine Theilnahme. Bei weitem gröfseren Werth als für die römischen, hat er für die deutschen Angelegenheiten. Er hat auch da, wie wir sahen, Partei ergriffen und an dem genommenen Standpunct hält er mit einer gewissen Folgerichtigkeit fest: aber er kennt die Personen Philos.-histor. Kl. 1854. Mmm 458 Rınxe: Zur Kritik fränkisch- deutscher Reichsannalisten. und die Ereignisse und wird durch ein angebornes Talent nicht selten über denselben hinaus, zu historischer Anschauung erhoben. Unter den mancherlei nichtigen und übertriebenen Angaben, die er wiederholt, erscheinen doch die Hauptmomente, welche der Entwicklung der Ereignisse dienen, in aller ihrer Stärke. Lambert ist unter andern ein Gegner der Städte, und ver- dammt ihre Erhebung, aber die Umstände unter welchen diese eintrat, hat er vortrefflich geschildert. Es ist der Augenblick, in welchem die Sach- sen, die früher mit den Reichsfürsten ebenfalls entzweit waren, sich mit ihnen versöhnt haben, und diese, Geistliche und Weltliche, sich bereits zu einer neuen Königswahl anschicken: in dieser Gefahr, eben in der Nähe des Ortes wo die Wahl vollzogen wurde, stellt sich die grofse Commune Worms dem König zur Seite; und bewirkt, dafs dieselbe nicht vor sich geht. Kein Anhänger des Städtewesens hätte es besser in die Geschichte einführen kön- nen. Lambertus hat die Gabe, in dem Kreise den er überschaut, den Fort- gang der Dinge wie er war, zu bemerken; er ist, wie sich in der Erzählung von den übrigens wenig verbürgten Abenteuern Roberts von Flandern zeigt, bei aller seiner geistlichen Richtung nicht ohne Anflug der beginnenden Romantik des Jahrhunderts; er hat Sinn für die Erscheinung und weifs sie wiederzugeben; wir vermissen ihn schmerzlich wo er abbricht. Wogegen die Kritik sich verwahrt, das ist nur die ihm zugeschriebene Autorität, auc hin Sachen von denen er nichts weils: die Übertragung dessen, was der Be- schränktheit seines Standpunktes und seines Sinnes angehört, in die Auffas- sung der Weltgeschichte. Über das Albanesische ın seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. ‚Non m Borp. munaunmnnnnnn [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 18. Mai 1854.] Ia habe in einer früheren, noch unveröffentlichten Abhandlung (gelesen am 23. Febr. 1843) die Zahlwörter und Pronomina des Albanesischen be- handelt, und bin durch meine damaligen Untersuchungen zu der Überzeu- gung geführt worden, dafs die genannte Sprache zwar entschieden der indo- europäischen Familie angehört, aber in ihren Grundbestandtheilen mit keiner der übrigen Sanskritschwestern unseres Erdtheils in einem engeren, oder gar in einem Abstammungsverhältnisse steht. Am meisten Anspruch könnte, der Localität nach, natürlich das Griechische darauf machen, als Urquelle des Albanesischen anerkannt zu werden; es ergibt sich aber aus den lautlichen und grammatischen Verhältnissen des letzteren, dafs es in den meisten Fällen, wo nicht, was den Wortschatz anbelangt, eine spätere Entlehnung eingetreten ist, durch das Sanskrit einen leichteren und unge- zwungeneren Vermittelungspunkt findet, als durch das Griechische. Schwer wäre es z. B. die albanesische Benennung der Zahl sechs, yjasre (1), aus dem griech. &£ zu erklären; wendet man sich aber an das skr. qq sas, welches sich durch sein anfangendes s und durch die Vergleichung mit dem zendischen “ya kKsvas als Verstümmelung von ksas zu erkennen gibt (s. vergl. Gr. $. 314), so findet Yas-re eine befriedigende Erklärung, besonders wenn man erwägt, dafs die Sylbe re auch in den Benennungen der Zahlen 7, 8 und 10 (öra- re, TE-7e, Öje- re) ein nicht zum ursprünglichen Stamme gehörender Zusatz ist (2). In vev-de (nordalban. nan-de) neun scheint durch den Einflufs der vorhergehenden Liquida ein d für r eingetreten zu sein. Nach Abzug der Sylbe de erklärt sich vev (nan) leichter aus dem Sanskritstamme Mmm?2 460 Bor nävan als aus dem griech. &vve@, dem man erst zu einem schliefsenden v ver- helfen und den unorganischen Vorschlag &v (oder vielmehr &, hinter wel- chem das folgende v sich verdoppelt hat) entziehen müfste, um die albanesi- sche Form daraus erklären zu können. Was das j in yjas-re sechs und dje-re zehn anbelangt, so beruht dasselbe auf der dem Albanesischen, wie den slawischen Sprachen, eigenthümlichen Neigung, den Vocalen ein j vor- zuschieben (s. vergl. Gramm. $. 255 m, p. 340). Man vergleiche in dieser Beziehung das Verhältnifs von ja-» ich bin zum altslawischen kımk jes-mj gegenüber dem skr. @s-mi, dessen a vom Albanesischen geschützt worden, gleichsam zum Beweise seiner Unabhängigkeit von der griechischen Wurzel &s; denn die entarteten Vocale kehren nicht leicht auf dem Wege wieder- holter Entartung zu ihrer Urform zurück, so dafs man etwa das « von jau als Entstellung des griech. e von eiui (dor. euui) erklären könnte. Es scheint zweckmäfsig, hier noch einige andere albanesische Wörter zu erwähnen, die in Vorzug vor verwandten griechischen ein ursprüngliches « geschützt haben. Nars heifst Nacht, mit angehängtem weiblichen Artikel varea, Das skr. Schwesterwort hat sich nur in dem adverbialischen Accus. naktam bei Nacht behauptet, der sowohl von einem Stamme nakt, als von nakia entsprungen sein kann. Die verwandten griechischen und lateinischen Stämme (vuzr, noct) sprechen zu Gunsten des ersteren, ebenso der Umstand, dafs dieses Wort in allen verwandten Sprachen weiblich ist, während ein sanskritischer Stamm nakta nur Masc. oder Neutrum sein könnte. Die ger- manischen Sprachen und das Litauische, welches nakti-s als Benennung der Nacht zeigt, haben in Gemeinschaft mit dem Albanesischen den Urvocal ge- schützt, während die slawischen ihn, wie das Lateinische, zu o entartet haben (altslaw. nowmk nostj). Beachtung verdient das albanesische Compositum sc-vre heute Nacht, wörtlich diese Nacht, worin die Nachtbenennung fast eben so verstümmelt ist, wie in dem mittelhochdeutschen Aö-nt (althochd. hi-naht). Das voranstehende Demonstrativum ist auch in or heute, d.h. an diesem Tage enthalten (3) und stützt sich offenbar auf den sanskritischen und gothischen Demonstrativstamm sa, der in den beiden Sprachen zugleich männlicher Nominativ ist, ohne eines Casuszeichens zu bedürfen, welches auch dem urverwandten griech. ö (aus vo) fehlt. Der alte Zischlaut des Stammes hat sich noch in den griech. Zeitadverbien onmepov und cArss erhal- ten. Zu letzterem stimmt, ohne davon abzustammen, das albanesische o1-yjer über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 461 (gegisch sıuvjer), worin das alte @ des sanskritischen Pronominalstamms sich zu ı geschwächt hat. Zur Erklärung der albanesischen und grieehischen Be- nennung des Jahres bietet uns das Sanskrit die Form vatsa-s dar, welches Jahr und Kalb bedeutet. Man darf darum annehmen, dafs das albanesische vırö Kalb und yjers Jahr (auch yjer, vır) ursprünglich Eins sind (4). Ein interessantes Wort mit altem a ist auch das albanesische «ör-ı (auch fem. «örs-a) der Knochen gegenüber dem skr. Neutralstamme asti, der im Griechischen den unorganischen Zusatz eines o gewonnen und vor diesem das ursprüngliche ö zu e, das anfangende a aber zu o entartet hat, so dafs örreo-y die Stelle des skr. as/i und alban. «frs, «5r einnimmt, während das lat. os, oss-is (durch Assimilation aus ost-is) das schliefsende i der Urform unterdrückt und gleich der griechischen Schwesterform den Anfangsvocal zu o entartet hat. Die letztere Entartung zeigt auch das slawische kostj (them. kosti) mit unorganischem Vorschlag eines Gutturals. Gegen alle diese For- men steht also das alban. «sre,“«ör in einem entschiedenen Vortheil. Es gehört dem gegischen Dialekt an, der überhaupt in Vorzug vor dem toski- schen den a-Laut begünstigt (5). Der Plural esrev@-re (im deutsch-albane- sischen Verzeichnifs p. 194) stimmt nach Abzug des angehängten Artikels zum sanskritischen Nebenstamm asi‘an, wovon z. B. der Loc. sg. ast'an-i, oder ast'n-i kommt. Unter «Fr-ı (1 angehängter Artikel) führt v. Hahn den Plural @frege-re und Ed TEgu-TE an, deren Verhältnifs zu eöreva-re sich aus der leichten Verwechslung der Liquidae v und 9 erklären läfst (6). Uberhaupt aber zeigen viele albanesische Substantive im Plural vollere, den verwandten For- men der Schwestersprachen näher tretende Stämme, als im Singular. So lautet die Benennung des Bruders im Singular vsi« (mit Art. vere-ı). Der Plural aber veradegı-re [oder veregegi-re], worin ich keine sehr grofse oder be- fremdende Veränderung des Sanskritstammes Örätar, nom. brältdä, er- kenne (7). Der Labial hat sich zu v erweicht, und zwischen dieses und die folgende Liquida ist ein Hülfsvocal eingeschoben, wie im neupersischen beräder für bräder. Der T-Laut des Bildungssuffixes ist zu Z, d. h. zu wei- chem s geworden, was bei der bekannten Neigung der T-- Laute sich zu Zisch- lauten zu schwächen, nicht befremden kann. Dem schliefsenden 7 unseres Wortstammes ist noch ein i zur Seite getreten, wobei daran zu erinnern, dafs das Albanesische öfter einer schliefsenden Liquida, doch nur dem 9 oder v, einen unorganischen Vocal, meistens & oder ı, beigefügt hat; daher z. B. yjegi 462 Boep: (mit nachgesetztem Artikel vjegi-w) Mensch, Mann, welches sich besser zum Sanskritstamme nar (neupersich ner) fügt, als zum griech. Nom. dv1g, mit unorganischem Vorschlag eines Vocals; ein Luxus, den das Albanesische nicht liebt, weshalb auch ?j&% leicht besser zum gleichbedeutenden skr. Stamme lag'ı als zum griechischen &Aayy stimmt. Aus der Neigung, einem schliefsenden v oder p einen Hülfsvocal beizu- fügen, glaube ich auch das e der Accusativ-Endung ve erklären zu dürfen, welche jedoch nur an dem hinten angefügten Artikel der Substantive, Ad- jective (die Ordnungszahlen und Partieipia mitbegriffen) und des Interroga- tivums rriA-ı wer? (Fem. rriR-ja) vorkommt, z. B. in «jev-ı-ve den Hund, xgvs-ve den Mond, wig-ı-ve den guten, pige-ve die gute, roiA-ı-ve wen? welchen? rrıA-je-ve welche? (8). Da vielleicht der angehängte Artikel ı identisch ist mit dem skr. Demonstrativstamme i, worauf unter andern das gothische ö-s er sich stützt, und da auch das Gothische das ursprüngliche u des Accusativs in n umgewandelt und diesem noch einen Vocal zur Seite ge- stellt hat, so gewinnen wir hier eine interessante, wenn gleich zum Theil zu- fällige Übereinstimmung zwischen dem gothischen ö-na ihn und dem Accus. des angehängten albanesischen Artikels ı-ve. Ich erinnere auch an die alt- slawische definite und litauische emphatische Declination, deren pronomi- naler Zusatz eine überraschende Ähnlichkeit mit dem im Albanesischen hinten angefügten Artikel darbietet (s. vergl. Gramm. p. 368 ff.). Auch zweifle ich nicht daran, dafs das weibliche « artikulirter albanesischer Formen, wie xev-«a der Mond, ui-a die gute überall eine Verstümmelung von ja sei, welches sich noch vielfach erhalten hat, z. B. in ygua-ja die Frau, ders-ja das Schaf (v. Hahn p. 30). Lecce schreibt auch, nach dem von ihm behandelten nörd- lichen Dialekt, mireia die gute (für nig-a), wobei das ; die Stelle des j ver- tritt (9). Auf der im Albanesischen sich kund gebenden Neigung, einer schlie- fsenden Liquida einen Vocal zur Seite zu stellen, beruht, wie mir scheint, auch das & der pluralen Genitiv-Endung ge, die sich jedoch nur an Pronomi- nen findet, nämlich in HE-TU-BE horum, harum, @-TU-gE illorum, illarum, wofür bei Lecce nach dem nördlichen Dialekt ke-tü-ne, a-tü-ne. Ist n hier, wie ich vermuthe, die Urgestalt der Liquida, so lassen sich die erwähnten Plural- genitive mit den sanskritischen auf dm (der gewöhnlichen Declin.), so wie über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 463 mit den griechischen auf wv und altpreufsischen auf n, z. B. von grika-n peceatorum vermitteln. Verfolgen wir nun weiter die Überreste der ursprünglichen Casus- Endungen im Albanesischen, so mufs vor allem der Singular-Nominativ des Interrogativs unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Er lautet «us, dessen schliefsendes & nicht wohl etwas anderes als der uralte Nominativcharakter sein kann, denn als Casuszeichen erweist sich dieses & durch die Vergleichung mit dem Genitiv (zugleich Dativ) »uey und dem Acc. »e. Man vergleiche mit xz-& (in dessen u ich die sehr gewöhnliche Schwächung eines ursprüng- lichen a erkenne) das dem Sanskrit und Litauischen gemeinschaftliche ka-s und das gothische Avas wer. Zum Litauischen stimmt das Albanesische in dem vorliegenden Falle auch darin, dafs es die nur dem Mascul. zukom- mende Form auch anf das Fem. überträgt (10). Ein vereinzelt stehendes Nominativzeichen findet sich beim Interrogativum auch im Neupersischen, nämlich in der Form »$ kes, welches jedoch, obwohl, wie das albanesische kuö, dem sanskritischen Interrogativstamme ka entsprossen, nicht quis bedeu- tet, sondern aliquis. Dieses und der Umstand, dafs das neupersische » s in der Regel dem skr. palatalen Zischlaut q) s’ entspricht, veranlafst mich jetzt anzunehmen, dafs das persische kes eine Verstümmelung des skr. kas-cit aliquis sei, wobei der Nominativ- Charakter wegen des folgenden c’, nach einem allgemeinen Lautgesetze, sein dentales s in ein palatales umwandeln mufste, welches dem Neupersischen ebenso verblieben ist, wie das von qggte] pas-cdt hinten, hernach, zu dessen Grundbestandtheil das neupersische pes (post, deinde), das litauische pas bei, pas-kui hernach, so wie auch das albanesische ras nach (räumlich und zeitlich) stimmt. Das lat. pos-t gehört ebenfalls zu dieser Wortfamilie, hat aber im Nachtheil gegen das Albanesische und Litauische den Urvocal a entarten lassen. Gleichen Ausgang mit dem Nominativ »u4r haben die albanesischen Plural- Ablative, denen jedoch Lecce die Präposition prei von vorseizt, so dafs man annehmen darf, dafs die betreffenden Formen erst durch diese Prä- position ihre ablative Bedeutung erhalten, wie auch alle anderen Sprachen, die keinen Ablativ haben, denselben durch irgend einen anderen obliquen Casus mit einer vorangestellten Präposition umschreiben. Es fragt sich nun, zu welchem Casus gehören die albanesischen Pluralformen auf 5? Da im Sin- gular der Ablativ in der Regel, namentlich bei Masculinen der 2ten und 3ten 464 Borr Declination, durch den Genitiv mit einer vorangestellten Präposition um- schrieben wird, z. B. nach Lecce Zurkut des Türken, aber prei turkut von dem Türken, so liegt es nahe, auch die Pluralformen auf 5 (s) ihrem Ursprunge nach für Genitive zu erklären, besonders wenn man berücksich- tigt, dafs sie im Nordalbanesischen, nach Lecce, nur mit der den Genitiv re- gierenden Präp. prei vorkommen. Als Genitive gefalst, würden sie zu den sanskritischen Pronominalgenitiven auf säm (euphon. säm) und zu den alt- preufsischen auf son stimmen, wofür im Altslawischen tz s’, doch nur bei den Pronominen der 1sten und 2ten P. (sonst x%). Man vergleiche das von Lecce aufgestellte ne-s (prei nes „danoi”) mit dem altslawischen Harz na-s’ (11) und altpreufsischen nou - son, und ju-s (preijus „da voi”) mit dem altpreufs. iou-son. Im Sanskrit würden die Stämme na und yu nach dem Prinzip der Pronomina der 3ten Person im Genit. pl. die Formen ne-sam, yu-sdm bilden. Im Lateinischen hat sich die im Sanskrit auf die Pronomina der 3ten P. beschränkte Endung säm, säm in der Gestalt von rum auch auf Substan- tive und Adjective der 1sten, 2ten und öten Declin. verbreitet, wie auch im Litauischen, des Präkrit und Päli nicht zu gedenken, gewisse Eigenthümlich- keiten der skr. Pronominal-Declination den Substantiven und Adjectiven sich mitgetheilt haben. Darum könnte auch im Albanesischen die Erscheinung der Endung & (s), wenn sie wirklich auf die skr. Endung sam, säm sich stützt, wo sie an Substantiven und Adjectiven erscheint (12), keinen Anstofs geben. Auch dürfte die oben (p. 462 f.) erwähnte plurale Genitiv- Endung ne, gs, nicht hindern anzunehmen, dafs eine andere plurale Genitiv-Endung der Urzeit in einer besondern Function sich im Albanesischen erhalten hätte. Sollte aber die in Rede stehende Endung 5, s auf eine andere skr. Plural- Endung als auf die des Genitivs sich stützen, so würde es wahrscheinlich die des Locativs (su, sw) sein, die in allen Wortklassen vorkommt. Es würde in diesem Falle der vorhin erwähnte Plural-Ablativ des Pronom. der 1stenP. ne-s dem altslaw. Locativ Hat na-s’ in uns, und ju-s (prei ju-s von euch) dem litauischen ju-suo-se, = skr. yu-smd-su, gegenüberzustellen sein. Näher kommt aber in formeller Beziehung das alban. ju-s dem litauischen Genitiv ju-se. Zur Unterstützung des genitiven Ursprungs der albanesischen Formen auf $ kann noch erwähnt werden, dafs diese Formen, im Toskischen wenig- über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 465 stens, auch in Constructionen vorkommen, wo ihre Bedeutung eine entschie- den genitivische ist. Man stellt nämlich den Namen der Thiere, von deren Fleisch (wir) die Rede ist, entweder in den Plural-Casus auf 5, oder in den unbestimmten, d.h. artikellosen Genitiv des Singulars. Man kann nämlich z.B. Ochsenfleisch entweder durch ws »jes (wörtlich zgeas Geav), oder durch pi »au (wörtlich #ge«s Qess) ausdrücken (v. Hahn p. 39). Auch gibt es an- dere Constructionen dieser Art, wo eine Form auf 5 von einem vorangehen- den Substantiv regiert wird; in allen von Hrn. v. Hahn (p. 40) angeführten Bei- spielen findet sich aber ein Thiername, entweder als regiertes oder als regie- rendes Wort; z. B. »jevı yjas Jagdhund (Yj« Jagd, mit Artikel Ya«-ja), orave deoas Schweinstall, vje zore degas eine Heerde Schweine. Was den oben erwähnten Singularnominativ z«u (der unbestimmten Declination) anbelangt, so steht seine Endung in einer scheinbaren Analogie zur griechischen der zweiten Declination. Ich mufs jedoch darauf auf- merksam machen, dafs nur diejenigen albanesischen Substantive, welche in der bestimmten Declination v als hinten angehängten Artikel gebrauchen, im Genitiv der unbestimmten Declination mit w schliefsen, und dafs dagegen diejenigen, welche i als Artikel anfügen, auch im Genitiv der unartikulirten Declin. auf i ausgehen. Ich glaube hieraus die Folgerung ziehen zu müssen, dafs die Genitiv-Endungen z und i der unbestimmten Declination in ihrem Ursprung identisch sind mit dem angehängten Artikel der bestimmten. Man vergleiche z. B. in v. Hahn’s 2ter Declination zjev-ı Hundes (nom. acc. xjev) mit dem gleichlautenden zjev-ı der Hund, und in der 3ten uzu Freun- des mit dem bestimmten Nominativ wiz-u der Freund (13). Die bestimmte Form setzt im Genitiv (zugleich Dativ) hinter die Genitiv-Endungen z, u ein r als Artikel; wenigstens glaube ich Formen wie »jevir des Hundes, nızur des Freundes so zergliedern zu müssen, dafs der dem r vorangehende Vocal die Genitiv-Endung der unbestimmten Declination sei, so dafs das Ganze ei- gentlich bedeuteHundes-des, fürdes Hundes, oder in griech. Form zuver- -7(ed) für red zuves. In früherer Zeit wird wohl der hinten angefügte Artikel ebenfalls seine Casus-Endung gehabt haben und für yevi-r, nizu-r: zjevi-rıy, izu-riy, nach Analogie von «-riy illius, ze-r!y hujus gesagt worden sein. Im Nom. Ace. Voec. pl. ist die unbestimmte Declination, wenn nicht ein erweiterter, oder vollständiger erhaltener Stamm eintritt, in der Regel mit den entsprechenden Casus des Singulars gleichlautend, also ganz ohne En- Philos.-histor. Kl. 1854. Nnn 466 Bor dung, weshalb zjev sowohl zuwv, nuva, als zuves, zuvas bedeutet. Die bestimmte Declin. fügt im Nom. Ace. pl. den Artikel in der Form re an, daher bedeu- tet xjev-re sowohl ci xuves, als reüs auves (14). ° Im Genitiv plur. verhält sich die Endung ve der unbestimmten Deelin. zu ve-r der bestimmten, wie im Singular u zu u-t, also wie z.B. x«-u Boos zu xa-u-r rou oos, so xje-ve Bowv zu aje-ve-r av Baav (15). Ich zweifle daher nicht daran, dafs die plurale Genitiv- Endung ve und die singulare u in ihrem Ursprung identisch seien, d. h. einem und demselben Pronominalstamme angehören (16), wenngleich die plurale Endung ve (mit Artikel: ve-r) auch bei solchen Substantiven vor- kommt, die im Singular nicht z, sondern i anfügen, z. B. »jev-g-ve zuvav, njev- -£-ve-r ray zuvav gegenüber den Singularformen xzjev-ı zuves, #jev -ı-7 Tod xuves; denn da sowohl ı als v (aus ve) Pronominalstämme der 3ten Person sind, und beide sich gleich gut dazu eignen, die Stelle von Casus-Endungen zu ver- treten, so kann es nicht befremden, wenn im erhaltenen Zustande der Sprache der Plural sich ausschliefslich für den letzteren entschieden hat, der Singular aber sich bald dem einen, bald dem andern zuwendet (17). Für eine echte, aus alter Zeit überlieferte Genitiv-Endung des Singu- lars halte ich den Ausgang %, oder ıy, in der Pronominal-Declination, nament- lich in ze-riy dieses, a-rıy jenes (18), zury wessen, rü-ıy deiner. Das y, welches nach Hahn wie ein weiches ch ausgesprochen wird, fasse ich als Erhärtung von j, wie in den slawischen Pronominal-Genitiven auf go, die anderwärts mit den sanskritischen Genitiven auf sya (= sja) vermittelt wor- den (s. vergl. Gramm. $. 269). Man vergleiche den letzten Theil des com- ponirten xe-rıy mit dem slaw. fo-go hujus (masc. neutr.) und skr. ta-sya. Hinter zu und v erscheint ıy statt eines blofsen y als Endung, daher zuuy wessen und beim Pron. der ?ten P. ruıy tui. Für letzteres gilt auch r£-je, worin die ursprüngliche Casus-Endung sya treuer erhalten ist. Man vergleiche das zend. thwa-hyd (tui), welches ein skr. Zva-sya voraussetzt. Analog mit re-je tui zeigt die erste P. neben uı« die Form ue-je. Lecce gibt den Pronominen der dten P. im Genit. masc. den Ausgang ij oder ü (di), woraus man folgern kann, dafs dernordalbanesische Dialekt, worauf die Gramm. von Lecce sich stützt, die Erhärtung des j zu y nicht gestattet. Die Verwandtschaft zwischen den Lauten ıy und yj beweist der toskische Dialekt auch dadurch, dafs diejenigen Substantive, welche endungslos auf uaıy ausgehen, vor einem consonantisch anfangenden Zusatze ihr y in um- über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 467 wandeln, im Fall nicht vielmehr das j die hier geschützte Urform, und y die Entartung ist. Ein Beispiel ist uuaıy Monat, wovon uiiay-ve den Monat, pücj-re die Monate (Nom, u. Acc.), uuayj-ver der Monate (v. Hahn p- 35). Von uzayj entspringt auch das Derivativum uzayjsu monatlich, einen Monat alt, dessen 5 wahrscheinlich zur Urgestalt des Primitiv- stammes gehört, der im Sanskrit mäsa lautet, worauf unter andern auch das lat. mensi-s sich stützt. Dem entsprechenden litauischen Worte ist im Nom. menuo (zugleich Mond und Monat) das s des Stammes sammt dem No- minativzeichen entwichen. Der Genitiv menesio und die übrigen obliquen Casus setzen einen Nomin. menesias voraus. Die weiblichen Singular-Genitive der Pronomina der 3ten Person enden im Toskischen auf ary und im Nord-Albanesischen, nach Lecce, auf ai, daher arcıy ihrer und jener, nach Lecce asai (assai s. Anm. 1.nr.3.), zeraıy, nach Lecce kesai (kessai). Ich ziehe das « zum Stamme des 2ten Gliedes des componirten Pronomens, und theile also @-Ta-ıy, RE-TE-ıy, a-sa-i, ke-sa-i, wenngleich das i der Endung mit dem a des Stammes sa sich zu einem Diph- thong vereinigt hat. In sa erkenne ich das skr. gt sie, diese, jene, (zu- gleich Stamm und Nom.), obwohl dieser Stamm im Sanskrit sich nicht über den Singular- Nominativ hinaus erstreckt, während das männliche z sa im Veda-Dialekt auch im Locativ (sa-smin) erscheint, und im Altlateinischen die Accusative sum, sam vorkommen (s. vergl. Gramm. $. 345). Man darf daher in acıy, sa-i, abgesehen von der Casus-Endung, eine Schwesterform des lat. sa-m erkennen, ohne darum das Albanesische in ein anderes als ur- verwandtschaftliches Verhältnifs zum Lateinischen zu stellen. Ich erinnere noch daran, dafs das skr. componirte sy& (aus sa-yd) sie, diese, jene, welches ebenfalls auf den Nom. sg. beschränkt ist, in den germanischen Sprachen weitere Verbreitung gewonnen, oder behauptet hat, indem z.B. dem althochdeutschen Nomin. siuw sie im Acc. die Form sia und im Nom. Acc. pl. die Form sio gegenübersteht. Das Verhältnifs des weiblichen siu sie zu i-r er gleicht einigermafsen dem des alban. weibl. Genitivs @-s«-ıy zum männlichen Nomin. «-i. So wie der hinten angefügte Artikel der Substantive und Adjective, z. B. von #jev-ı der Hund, ı wio-ı der gute identisch ist mit dem schlie- fsenden Pronomen von «-/er, jener, so ist auch im Genitiv (u. Dativ) — z. B. von zjev-ı-r des Hundes, 7£ wig-ı-r des guten — das angehängte r des Nnn2 468 Borr Artikels identisch mit der volleren, eine Casus-Endung enthaltenden Form rıy, {ij von a-riy, a-lij seiner, jenes. Es leidet darum auch, wie mir scheint, keinen Zweifel, dafs der Ausgang rs, se im Genit. (und Dativ) von Lecce’s und Hahn’s erster Declin. der bestimmten, d. h. mit hinten ange- hängtem Artikel versehenen Form, in seinem Ursprung identisch sei mit der volleren Form cc«ıy, sai, z. B. von a-raıy, a-sai. Das s,e des Artikels ss, se ist nur eine Schwächung von aı, durch Unterdrückung des ı und Verdünnung des « zu &, e, ungefähr wie in dem griech. exaregos gegenüber dem im Sanskrit als Urform anzunehmenden aikatara-s, woraus durch Zusammenziehung das wirklich bestehende ekaiara-s einer von zweien. In der Conjugation, zu deren Betrachtung wir nun übergehen, tritt der Zusammenhang des Albanesischen mit seinen indo-europäischen Stamm- genossen am deutlichsten durch die Personal-Endungen hervor. Die erste Pluralperson hat im Nord-Albanesischen nach Lecce fast durchgreifend me zur Endung (19), welche zur gleichlautenden litauischen und slawischen stimmt und vom griech. uss, xev sich nur durch Unterdrückung des Endconsonanten unterscheidet, der auch im Sanskrit, in den secundären Formen, wo ma für mas steht, gewichen ist. In der 2ten Plural- Person hat sich die griechisch- litauisch -slawische Endung rs, te, TE (skr. ta der secundären Formen) nur im Imperfeet und Aorist behauptet, und zwar im Toskischen in der Form re, daher z. B. »egzojere quaerebatis, xepxuare quaesivistis. Dagegen hat das Präsens vı zur Endung, daher xegxo-vı quaeritis. Die 3te Pluralperson endet durchgreifend auf vs, dessen e wahrscheinlich ein ähnlicher unorganischer Zusatz ist, wie in der Accusativ-Endung (s. p. 462). Es bleibt also blofs v als wesentlicher Theil der Endung übrig und dies ist der Ausdruck der Mehrheit, während die Bezeichnung der Person verschwun- den ist, wie im Neuhochdeutschen, oder auch wie im Sanskrit und Griechi- schen in Imperfecten und Aoristen wie abaran, &pegov, adiksan, Edcıfev, drican, &ırev, und wie in gothischen Präteriten wie haihaitun sie hiefsen, bundun sie banden. Wäre die albanesische 2te Pluralperson praes. der 3ten völlig gleich, so würde ich keinen Anstand nehmen, eine Übertragung von der 3ten in die 2te P. anzunehmen (20), da solche Übertragungen in der Sprachgeschichte häufig vorkommen, und z. B. im gothischen Passiv der Ausdruck der 3ten Person im Singular auch in die 1ste eingedrungen ist, im Plural zugleich in die 2te. Der Unterschied, der im Albanesischen zwischen über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 469 der 2ten und 3ten Pers. pl. stattfindet, besteht aber nicht überall in dem blofsen Endvocal (vı gegen ve), sondern tritt auch zuweilen schärfer hervor, wie z. B. in dem Verhältnifs von «i-wihr habet, ji-vı ihr seid zu x&@-ve siehaben, j«-ve sie sind. Vielleicht ist das v in der 2ten P. pl. nichts anders als die Entartung eines r, etwa durch die Vermittelungsstufe eines &, so dafs also die alte Tenuis zunächst zur Media und von da zum organge- mäfsen Nasal geworden wäre, wie umgekehrt im Litauischen und Slawischen das ursprüngliche n der Zahl neun zu d geworden ist (dewyni, aeBaTk de- vantj). Ein anderer Weg der Vermittelung der alban. Endung vı mit der Urgrammatik unseres Sprachstamms wäre die Annahme, dafs eine vollstän- digere Form ravı, oder revı, oder rıvı, durch Unterdrückung der 1sten Sylbe sich zu vı verstümmelt hätte. Man findet nämlich im Veda-Dialekt in der 2ten P. pl. statt der Endungen g Za, A ta auch fana, tana (oder verlän- gert and, tanä), deren Endsylbe sich im Alban. zu vı geschwächt haben könnte, wie in der 1. P. pl. präes. mi für ma vorkommt (s. Anm. 19). Ich erinnere daran, dafs auch andere Veda-Eigenthümlichkeiten der Personal- Endungen in den europäischen Schwestersprachen sich erhalten haben (21). Der Singular ist in seinen Personbezeichnungen, wenigstens im Indic. des Activs, weniger treu erhalten als der Plural. Das alte m als Ausdruck der ersten P. findet man nur in zau ich habe (2. P. x, 3. x@), ja ich bin (2. P. j& 3. iöre, oder eöre (22), vergl. lit. est) und in Scwich sage. Das letztgenannte Verbum lautet in der 3ten P. Sere (23), welches in der Bibel- Übersetzung häufig im Sinne eines Praet. zur Übertragung von eire vorkommt. Es erinnert dieses Verbum an die altpers. Wurzel 2hah (aus thas) sprechen, wovon die 3. P. zhätij (für thah -a-tij) auf den Keil-Inschriften sehr oft vor- kommt. Das Imperfect lautet in der 1. P. sg. athaham, in der 3. athaha. Im Aorist hat das betreffende alban. Verbum, wenn es wirklich mit dem er- wähnten altpersischen verwandt ist, das alte « bewahrt; er lautet nach Hahn im Plural Sau, Sare, Save und in der 3. P. sg. Sa. Treuer als das Praesens ind. hat der Conjunctiv die Personal-Endun- gen bewahrt, namentlich zeigt sich hier überall in der 2. P. sg. entweder ein ö, oder ein r#, oder nach Willkühr & oder #5. Man vergleiche xe-5 habeas mit »@ habes, es sis mit je es, Suar oder Suars dicas mit Sua dicis. Ich halte das r5 für eine Entwickelung aus 5, um so mehr, als auch an einer andern Stelle der albanesischen Grammatik rs als Vertreter von 5 vorkommt; 470 Borr so lautet z. B. von rAyjaz ich altere (mache alt) der Conjunctiv des Aorists in der ersten P. sg. sowohl r?jarda als mAjaxrsa und in der ersten P, pl. sowohl rrjarsın als mrjarröın. Von 75 gelangt die Sprache zu einem blofsen 7, welches z. B. in rare du hattest (Aor.), rar oder rarı er hatte, rarsu (oder rau) wir hatten, rarve sie hatten die Stelle des r# von raröz ich hatte einnimmt. Zu der Vermuthung, dafs es auch Übergänge von reinem in r im Albanesischen gebe, könnten die Verba der 2ten Abweichung von Hahn’s erster Conjugation führen, in welchen dem s der ersten P. praes., z. B. von Ssgds oder Seges ich rufe, in der ?ten und 3ten P. ein r gegen- übersteht (Ssger du rufst und er ruft). Es ist aber wahrscheinlicher, dafs hier und in allen analogen Formen das r der Urlaut und r die Umwand- lung sei (24). Wir kehren zum Conjunctiv zurück, um zu sehen, mit welchem Modus der verwandten Sprachen derselbe seinem Ursprunge nach sich vermitteln läfst. Mir wäre es unmöglich, hierüber eine Meinung auszusprechen, wenn nicht Hr. v. Hahn in seiner schätzbaren Grammatik bei vielen Formen, namentlich bei der in Rede stehenden, die Quantität der Vocale angegeben hätte; denn hierdurch allein unterscheiden sich x&yı habeamus und Jen simus von den entsprechenden Indicativformen »Euı, jeuı (25). Dafs aber dem Conjunctiy das lange € recht charakteristisch ist, sieht man auch aus dem Verhältnisse von xzu habeam, jeu sim zu zau habeo, jausum, und aus dem Verhältnisse von z@ve habeant, jeve sint zu z@ve habent, ja@ve sunt. Wenn aber die beiden Hülfsverba, die uns in der That in der Erforschung des Ur- sprungs der albanesischen Grammatik eine wesentliche Hülfe leisten, auch in der 2ten P. sg. des Praes. indie. ein langes © zeigen, so mag hier der Weg- fall des Personzeichens Veranlassung zur Verlängerung des Vocals gegeben haben, wie auch in der 3ten P. sg. die Länge des @ von x& er hat gegenüber der Kürze von zu ich habe sich als Entschädigung für den weggefallenen Personalcharakter erklären läfst. In der ten P. pl. ist die Länge des @ von z@ve habent, jüre sunt wahrscheinlich ein Ersatz für ein hinter dem v weg- gefallenes r, ungefähr wie im Griechischen die Länge des a von reruparı (aus rerubavrı) eine Entschädigung für das weggefallene » ist. In der 2ten Person pl. haben die beiden albanesischen Hülfsverba den Unterschied zwischen Indicativ und Conjunctiv aufgehoben, denn ziv, jwı bedeuten sowohl habetis, estis, als habeatis, sitis; es ist aber wohl keine über das Albanesische in seinen verwandtschafllichen Beziehungen. 474 zu kühne Vermuthung, dafs im Conjunctiv früher ze -vı, jevı gestanden habe, und dafs der verlorene Conjunctiv durch den Indicativ ersetzt sei. Da der Imperativ in mehreren indo-europäischen Sprachen durch den Conjunctiv oder Optativ vertreten wird, so unterlasse ich nicht, hier noch zu erwähnen, dafs die beiden Hülfsverba in der 2ten P. pl. imperat. ein lan- ges haben. Daher ziv habet, jivı seid. Man könnte daraus schliefsen, dafs auch das ı des Conjunctivs früher lang gewesen sein müsse, und dafs die Verlängerung des letzten Theils eines vorauszusetzenden Diphthongs «: ein Ersatz für den unterdrückten ersten Theil sei. Ich glaube nämlich annehmen zu müssen, dafs das © des Conjunctivs eine Zusammenziehung von « sei, und dafs der albanesische Conjunctiv gleich dem lateinischen und germanischen auf den skr. Potentialis und griechischen Optativ sich stütze. Das Sanskrit, Lateinische, Althochdeutsche und, wie ich jetzt glaube, auch das Albanesische, haben unabhängig von einander in dem betreffenden Modus den Modus- Exponenten i mit einem vorhergehenden a zu € zusammengezogen, daher verhalten sich im Albanesischen xeu, jew zu zau, jau, wie z. B. im Sanskrit bares du tragest, bardt er trage zu barasi du trägst, barati er trägt. Das Lateinische bietet durch die Conjunctive der Wurzeln da, sta und fa wegen der Zusammenziehung ihres radicalen « mit dem i des Modus- Ausdrucks zu & eine überraschende Ähnlichkeit mit dem Conjunctiv der alba- nischen Hülfsverba dar, abgesehen davon, dafs im Lateinischen durch den Einflufs eines schlielsenden Consonanten, s ausgenommen, eine vorherge- hende Länge gekürzt wird, und dafs daher z. B. dem, det für dem, des im Nachtheil gegen die albanesischen Formen xeu, jeu, zer, jer gesagt wird. Ich setze hier zur Vergleichung die Conjugation des albanesischen «zu ha- beam der des lateinischen dem gegenüber. Albanesisch Lateinisch Singular N. zE-U de-m 2. xe-5 (26) de-s 3. HE-T de-t Plural 1. ae-w de-mus (rE-vi) al-vı de-tis 3: HesVE de-nt 472 Borr Die 3te Singularperson »2-r verdient durch ihr schliefsendes r um so mehr Beachtung, als das Griechische schon im ältesten uns bekannten Zu- stande die schliefsenden T-Laute sämmtlich eingebüfst hat, wie auch die germanischen Sprachen, schon im Gothischen, nur solche T-Laute am Ende zeigen, die ursprünglich noch einen Vocal hinter sich hatten (s. vergl. Gr. p-399). Es überbietet daher das alban. xer sowohl gothische Formen wie bairai, als griechische wie Degen, und steht im schönsten Einklang mit sanskri- tischen wie baret. Wenden wir uns nun zur Betrachtung der Tempora, und zwar zunächst zu der des Imperfects. Dieses hat wie im Latein. das Augment verloren, aber abgesehen hiervon und von dem Verluste der Personal-Endungen im Singular, stimmt das albanesische Imperfeet des Verb. subst. in den von Hahn (p. 63) aufgestellten Formen besser als das griechische zum Sanskrit, besonders dadurch, dafs der radicale Zischlaut durchgreifend bewahrt ist. Man vergleiche: Singular Plural Sanskrit Albansisch Sanskrit Albanesisch 1. dsam Jede äsma JEFEM 2. sis jese dsta JETErE 3. dsit,ved.ds ır (27) äsan ve Das Hülfsverbum zau ich habe verbindet sich in diesem Tempus mit dem Verb. substantivum; so wenigstens glaube ich das Verhältnifs von ze0€ ich hatte, »ese du hattest, z:5 er hatte (28), Plur. zeseu, neiere, zıove zu den entsprechenden Formen des Verb. subst. auffassen zu dürfen. Ana- log geht das Imperfeet von Sew ich sage, wovon: Sing. 1. So-seich sagte 2. So-se 3. So-& oder So-öre Plur. 1. So-su 2. So-ore od. So-0ere 3. So-öve. In dem von Lecce behandelten nordalbanesischen Dialekt enden alle Imper- fecte in der 1sten P. sg. auf Ze, in der 3ten eben so, oder, und zwar viel häu- figer, auf blofses 2; jedoch so, dafs in der 3ten P. die Sylbe je wegfällt; daher z. B. von kendonj ich singe: kendonjete ich sang, kendonjie (ken- dognie) du sangst, kendont er sang; Plural: kendonjime, kendonjite, kendonjine. Von serbenj ich diene lautet das Imperfect: über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 473 Singular Plural 1. serbenjete serbenjime 2. serbenjie serbenjite 3. serbent serbenjene. Ich halte das 2 der 3ten P. sg. für den Personal- Ausdruck und das gelegentlich beigefügte e — z. B. von lidete er band gegenüber der ersten P. lidnjete ich band — für einen unorganischen Zusatz, wie in der 2ten und dten P. sing. des Conjunctivs, wo Lecce zuweilen se für blofses s setzt (s. Anm. 27). In der ersten P. sg. halte ich den Ausgang Ze von kendonjete, serbenjete, lidnjete und aller analogen Formen für eine Entartung von s oder s, so dafs ich z. B. in kendonje-te hinsichtlich seiner Schlufssylbe ein Analogon von #e-5e ich hatte erkenne, wobei ich darauf aufmerksam mache, dafs es im Albanesischen auch Aoriste gibt, welche nur inderersten P. sg. das Verbum subst., oder wenigstens einen Zischlaut anfügen, welchen ich, wie im sanskritischen, griech. und altslaw. Aorist (z. B. aatıre da-s-te ihr gabt) aus der Wurzel des verb. subst. erklären zu dürfen glaube. Im tos- kischen Dialekt erscheint je oder yes als Ausgang des Thema’s der regelmäfsi- gen Imperfecte. Nur die Ste P. sg. hat eine Verstümmelung erfahren. Ich setze nach Hahn das Imperfect von zAjaz ich altere, mache alt und xegacry ich suche vollständig her: Singular 1. rAjar-ye nEpno- je 2. rrjan- je n£onc-je 3. Ajax od. mAjan-TE nepxov od. negr.ov -7E Plural d.; mar -JE- u neonO -JE- 2. Tıjar -JE- TE negxro-jE -7E 3 mAaR- je-ve n£pno - je -vE Viele unregelmäfsige Verba können in den Personen, welche j: den Personal-Endungen vorsetzen, von dieser Einfügung nach Willkür das dem eg vorangehende ;j, und in der 2ten P. pl. die ganze Einfügung übersprin- gen. In der 3ten P. pl. fällt bei solchen Verben die Einfügung noth- wendig aus (29). Ich setze als Beispiel das Imperfect von vees ich tödte (30) her: Philos.- histor. Kl. 1854. Oo0o 474 Borr Singular Plural 1. voarıje od. vgare voarysu od. voareu 2. veasyje od. vpare voacıjere od. vgacre 3. vos od. voiore varrve. Was den Ursprung des im albanischen Imperfect zwischen Wurzel und Personal-Endung eingefügten Charakters je (hinter Vocalen blofs je) an- belangt, so glaube ich darin den skr. Charakter aya der 10ten Klasse und Causalform zu erkennen, der in keiner der übrigen europäischen Schwester- sprachen des Sanskrit ganz fehlt, und der im Litauischen bei vielen Verben im Präteritum erscheint, die denselben vom Präsens und Futurum ausschlie- fsen, wie z. B. dem Praes. sekü ich folge (= skr. säc-4-mi aus sak-d-mi) im Prät. sek-iau gegenübersteht (Fut. sek-siu, Infin. sek-ti). Man braucht darum das albanesische Imperfect hinsichtlich seines Ursprungs nicht mit dem litauischen „Perfect” (von Kurschat „Aorist”) genannten Praet. zu identifici- ren (31); denn da der skr. Charakter der 10ten Klasse nicht auf die Special- tempora beschränkt ist, so kann sein Vorhandensein in dem erwähnten litaui- schen Präter. nicht den Beweis liefern, dafs dieses auf das skr. Imperfeet oder einförmige Augmentpräter. sich stütze, wozu ich jedoch das alban. Im- perfect zu ziehen kein Bedenken trage (32). Dagegen ist dasjenige alban. Praeter., welches v. Hahn „Aorist” nennt, und wodurch auch in der Bibel- Übersetzung in der Regel die griech. Aoriste übersetzt werden, gewifs auch seiner Bildung nach ein Aorist. Der Zischlaut, welcher dieses Tempus in den vier ersten Bildungen des Sanskrit und in dem griechischen 1sten Aorist charakterisirt, und seinen Ursprung, aller Wahrscheinlichkeit nach, dem Verb. subst. verdankt, dieser Zischlaut hat sich im Albanesischen vorzugs- weise noch im Conjunctiv (Optativ) des betreffenden Tempus behauptet, gerade wie im Altpreufsischen, wo z.B. da-sai er gebe, galb-sai er helfe, boü-sai er sei sehr schön zu griechischen Aorist- Optativen wie Au-Faı, TUR- raı stimmen (33). Es ist bekannt, dafs auch im V&da-Dialekt Modus-Formen dieser Art vorkommen, wenngleich im klassischen Sanskrit der Aorist, abge- sehen vom sogenannten Precativ, auf den Indicativ beschränkt ist. Um zu zeigen, wie das Albanesische den „Conjunctiv” genannten Modus, welcher seiner Bildung nach dem skr. Potentialis und griech. Optativ entspricht — im Aorist von dem entsprechenden Tempus des Indicativs unterscheidet, ge- über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 475 nügt folgende Zusammenstellung von rrjax« (ich alterte, machte alt) mit seinem Conjunctiv rAjax-Ga: Aorist Indicativ Conjunctiv Sing. 1. Aara mıjan-da od. FAjar-roa 2. mAjane rNan-5 od. mAjan-T5 3. mAjanı od. mAjaru TAjan-TE Plur. 41. mrjax-u rrjar-r-u 0d. -röı-u (34) 2. FAjan-Te rrjar -Fı 0d. -röı 3. mrjan-ve mıjan-Gı-ve od. -Tör-ve Es fehlt dem Albanesischen auch nicht an Verben, welche im Aorist des Indicativs einen Zischlaut mit der Wurzel verbinden, doch nur in der ersten P. sg. Hierher gehören: g@-ö€ (oder g&-r5) ich fiel, Ay«-se ich liefs, =&-öe (oder r«-röe) ich sah (35), da-öe ich gab, Sa-ös (od. Sa-r5)ich sagte, #j&-öe ich war (36). Ich setze von d@-5e die vollständige Abwandlung her: Singular Plural 1. dase da-u Dunnge da-Te 3. da d@-ve. Durch die Verzichtleistung auf das angehängte Verb. subst. gewinnen die ?2te und 3te P. sg. und der ganze Plural eine auffallende Übereinstim- mung mit griechischen zweiten Aoristen wie edwv, &9yv, &rrnv und ihren sans- kritischen Schwesterformen ddäm, adäm, ast'äm. Die albanesische Wur- zel stimmt aber durch Bewahrung des alten a-Lauts in den meisten Personen des Aorists besser zum Sanskrit als zum Griechischen. Man vergleiche d« er gab mit ddä-t, edw, und im Plural d@-u mit ddä-ma, &ds-uev, d@- re mit adä-ta, eöo-re. Man kann darum annehmen, und ich bin sehr geneigt dies zu thun, dafs diejenigen albanesischen Aoriste, welche in der ersten P. auf se ausgehen, nur in dieser ersten Person zum griechischen ersten Aorist und seiner sanskritischen Schwesterform gehören, in den übrigen Personen aber zum griechischen 2ten Aorist und der sanskritischen 5ten Aoristbildung, während umgekehrt die altslawischen Formen wie NEtE nese du trugst, er trug zum griechischen 2ten Aorist und zur skr. öten Bildung des genannten Tempus gehören, die übrigen Personen aber, z. B. netoy% nesoch’ ich trug, 0002 476 Borr HEcotTe nesoste ihr truget, zu denjenigen Aoristbildungen stimmen, welche das Verbum subst. mit der Hauptwurzel verbinden (37). Im Sanskrit haben Aoriste wie d-däm das Medium eingebüfst und bilden dieses nach einem anderen Typus; daher steht z.B. adisi (med.) ich gab zu adä-m (act.) in einem ähnlichen Verhältnisse, wie im Albanesischen da-5E ich gab zu da-u wir gaben. Gehören aber albanesische Formen wie dä-u wir gaben (= skr. ddä-ma) zur skr. Öten Aoristbildung, so gehören solche wie rrjaza (s. S. 475) zur 6ten, d. h. zu Formen wie abud’am ich wufste (Imperf. dböd‘am aus dbaud’am) und griechischen 2ten Aoristen wie &buyov. Es verhalten sich demnach albanesische Aorist-Conjunctive wie mrjar-sa (s. S.475) zu ihren Indicativen (rAyaxa) im Wesentlichen so, wie im Sanskrit Aoriste wie dadik-sam ich zeigte (edeı£a) zu solchen wie aric- -am ich verliefs (&iırov). Die grofse Mehrheit der albanesischen Verba endet in der ersten P. sg. ind. des Aorists auf va, in der 2ten auf vs, in der 3ten auf u oder i; im Plural auf ue-n, ue-re, ua-ve, oder va-u etc., oder auch mit blofser Anfügung der Personal-Endungen. Der Conjunctiv aller Verba von Hahn’s 2ter Con- jugation fügt im Aorist pr« an die Wurzel oder das Verbalthema, und flectirt diesen Zusatz wie oben das einfache #« von rAjar-Fa. Ich setze die Conju- gation von xsgrö-va ich suchte und seinem Conjunctiv vollständig her: Indicativ Conjunctiv Singular 1. nEono-va n£gno- dia 2. nEgno -vE none -b-6 3. neono-1 nsgno- b-TE Plural 1. xepn-Ua- neono- pTı-W 2% neo - Ua-TE neono- del & nepn -Ua-ve nepno- poL-ve. Was das $ im Conjunctiv anbelangt, so halte ich dasselbe in seinem Ursprung für identisch mit dem v des Indicativs, sei es, dafs das v eine Er- weichung des # sei, oder umgekehrt das $ eine Erhärtung des v. Das letz- tere ist viel wahrscheinlicher; gewifs ist, dafs vr eine unbequeme Verbindung wäre, und dafs eine euphonische Veranlassung dazu da ist, v vor & in einen verwandten Laut umzuwandeln, während negncde zu sagen nicht unbequem über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 477 wäre. In dem u der Pluralformen wie xegx-ua-u wir suchten, wofür wahrscheinlich früher HERO-VE- oder HEDRO-Va-uE gesagt wurde — und in Formen der 3ten Singularperson wie zı-u ertrank (1. P. rıi-va, 2. ri-ve) kann man nicht leicht die Vocalisirung des v der vollständigeren Formen ver- kennen. Ich erinnere an skr. Formen wie ukta gesprochen, aus vakta, und an gothische wie kniu Knie, für kniv, vom Stamme kniva. Was nun den gemeinschaftlichen Ursprung des v, ® und u des charakteristischen Zu- satzes des albanesischen Aorists anbelangt, so glaube ich darin ein Hülfsver- bum zu erkennen, und zwar dasselbe, welches ich seit langer Zeit als einen Bestandtheil der latein. Perfecte wie amavi, monui und potui ansehe. Ich fasse in derselben Weise das u, v und $ der betreffenden albanesischen For- men als identisch mit dem Vocal der sanskritischen Wurzel Ö’ü, der latein. ‚Fu, lit. bu, und nehme einen Verlust des Conson. der Wurzel an, einen Ver- lust, der nicht mehr befremden kann, als derjenige, den die andere Wurzel des Seins, nämlich as, in dem alban. ja, im griech. eiui und im goth. i-m erfahren hat. Fast man die lateinischen Perfecta ihrem Ursprunge nach als Aoriste (38), so darf man mit um so gröfserem Recht Formen wie ama- vi den albanesischen wie neoxd- va, und solche wie mon-ui-mus, mon-ui-slis den albanesischen wie zegx-ua-, »egr-Ua- re gegenüberstellen (39). Das fehlende Futurum wird im Toskischen umschrieben durch do „es will” und den Conjunctiv praes. des betreffenden Verbums, welchem die Conjunction re dafs vorgesetzt werden kann, oder nicht; daher z. B. do rs jew ich werde sein (es will dafs ich sei), oder do jeu; de re jeu:, oder do jew, wir werden sein, do re «zu, oder do zu, ich werde haben, do rs mrjars, oder do rAjaxd, du wirst altern, do re mAjaxyje oder do vAjazıje er wird altern (40). Der von Lecce behandelte nordalbanesische Dialekt umschreibt das Futurum durch das „haben” bedeutende Hülfsverbum mit dem Infinitiv des Hauptverbums, daher z. B. kam me dasune ich werde lieben, wörtlich „ich habe zu lieben”. In derselben Weise kann im Altslawischen das Futurum ausgedrückt werden, daher z. B. imasi imjeti habebis, wörtlich du hast zu haben, priitiimatj sün veniet filius, zu kommen hat der Sohn. So im Gothischen z. B. taujan haba (zu thun habe ich) als Übersetzung von rensw (2. Cor. XI. 12), visan habaith zu sein hat er, für &rraı (Joh. XII. 26.) Die romanischen Sprachen ver- binden dagegen, um das Futurum auszudrücken, das Präsens des Hülfsver- 478 Bor» bums haben mit dem Infinitiv zu einem Compositum, daher im Französi- schen j’aimerai (zu lieben habe ich) gegenüber dem oben erwähnten kam me dasune (s. vergl. Gr. $. 659 f.). Von der Art, wie das Perfect und Plusquamperfect im Albanesischen umschrieben werden, wird später die Rede sein; vorher ist die Bildung des Passivs oder Reflexivs zu besprechen. Hier finden wir im Praesens und Im- perfect Formen wie vd@xeu ich werde getheilt, vdexese ich wurde ge- theilt, deren % ich nicht als eine euphonische Einschiebung betrachte (vgl. Hahn p. 24. 3.), sondern wie das lateinische - von Formen wie amor, ama- Zur, als den Ausdruck des Reflexivverhältnisses und als den Anfangsbuchsta- ben eines Pronomens, dessen Stamm im Sanskrit spa lautet (wovon z.B. sva-tas aus sich). Dieses sra ist, wie mir scheint, doppelt enthalten in dem albanesischen versy;e selbst, und zwar das erste Mal in vers (ve-re) — wo sea mit Verlust seines s durch ve vertreten ist (41), und das 2te Mal durch x, welches an das zendische Reflexiv way kha erinnert, sowie überhaupt an die Veränderung, welche die Lautgruppe sp sehr gewöhnlich im Zend erfah- ren hat (s. vergl. Gr. $. 35), wobei zu beachten, dafs auch das Wallisische, ohne eine specielle Verwandtschaft mit dem Zend zu haben, nicht selten für sanskritisches sv einen Guttural mit w (w= u) zeigt, z. B. in chwaer Schwe- ster gegenüber dem skr. Stamme svasär und zend. khanhar (Ace. ge?waux khanhrem). Das toskische vere-ye kann wie das skr. Possessivum sva, obwohl eigentlich der 3ten Person angehörend, auch auf die erste und zweite der beiden Zahlen bezogen werden, sofern sie als Subject des Satzes erscheinen; daher z. B. Sase we vereyeich sagte beimir (beisich) SE us verexge du sagtest bei dir, Save ue vereye sie sagten bei sich (42). Es kann also nicht befremden, dafs x, wo es an Verbalwurzeln oder Verbalstämme gehängt wird, sowohl mich, dich, uns, euch, als sich bedeuten kann. Etymolo- gisch aber bedeutet z.B. vdaxen (ich werde getheilt) soviel als theilend sich bin ich, vdayeuı (wir werden getheilt) so viel alstheilend sich sind wir. Mir ist es wenigstens sehr wahrscheinlich, dafs hinter dem Reflexiv-Ausdruck das Verbum subst. stehe, welches also in dieser Zusammen- setzung sein radicales & in der 3ten P. sg. verloren und auch sonstige kleine Änderungen erfahren hätte, es stünde demnach (vd«-%)-ere für -eöre. In der 2ten P. pl. ist das » der Personal-Endung ausgefallen, daher vda-x,-u für über das Albanesische in seinen verwandtischaftlichen Beziehungen. 479 -ji-vi; in der 3ten P. pl. hat sich das @ von j@-ve sie sind zu s geschwächt, daher vda -%,-eve. Überall aber ist das unorganische 7 (s. p. 460) weggefallen. Im Imperfect hat sich im albanesischen Passiv der Zischlaut des Verb. subst. nnr aus der 3ten P. sg. verdrängen lassen. Man vergleiche vda-x,-.ıy (43) er wurde getheilt mit ıs er war. In der ersten und zweiten P. pl. gleicht das Verhältnifs des Schlufstheiles von vda-y,-erıu, vda-%,-esıre zu (j)eseu wir waren, (j)esere ihr waret in Bezug auf die Wahl eines ı für & (vor der Per- sonal-Endung) dem Verhältnisse von ir: er ist zu dem gleichbedeutenden €öre. In der 3ten P. pl. zeigt dagegen die zusammengesetzte Form ein e in der Wurzel des Verb. subst. gegenüber dem ı der einfachen Form (e-ı-ve gegen ı5-ve) und aufserdem einen Bindevocal zwischen der Wurzel und der Endung, nach Analogie der beiden ersten Personen, was gewifs nicht hindert, in dem Schlufstheile von vda-x-85-1-ve (theilend sich waren sie) eine ihrem Ur- sprunge nach mit is-ve sie waren identische Form zu erkennen. Ich stelle hier die vollständige Abwandlung des Präsens und Imperf. pass. der Wurzel vda theilen (44) den entsprechenden Tempp. des Verb. subst. gegenüber: Präsens Singular Plural 1. jan vda-y-eu 1. jem vda-y-eu 2. 5 vda-x,-e 2. ji vda-y,-u 3. ders düre vdany.ere 3. jüre vda-x-ene Imperfect 1. jere vda-y;-eöe 1. jesen vda-y,-enıu 2. jede vde-y,-ewe 2. jener vde-y,-eoire Bar 16; vda-x-sıy (s. Anm. 44) 3. döve vda-y-eswe Wenn consonantisch endigende Wurzeln oder Verbalstämme das dem Präsens und Imperf. des Passivs oder Reflexivums zukommende %, unter- drücken, so liegt, wie mir scheint, der Grund in der Vermeidung der Härte, die das x, hinter einem Consonanten veranlassen würde; daher also rAjax-eu ich werde alt gemacht (Hahn p. 69) für rrjax-x,-eu; rir-su ich werde geboren für TIA-%-&u. Man vergleiche in dieser Beziehung die Unter- drückung des o in griechischen Formen wie rerup Se (für reruprIe) im Gegen- satze zu solchen wie A&Au-o-9e, wo das r eben so sehr der wahre Exponent des Passiv- oder Reflexivverhältnisses ist, als im Albanesischen das x, denn 480 Borr das $ der passiven oder medialen Personal-Endungen ist nichts als die durch das vorangehende r begünstigte Umwandlung des 7 der activen Endungen. Es ist daher in rerup-Se (aus rerup-c-Se) das passive oder reflexive Verhältnifs eben so wenig wirklich ausgedrückt als in albanesischen Formen wie rAjax-en, TIA-EW, AUS FAJAH-Y-EI, FIRE. Das v albanesischer Formen wie HEpröven ich werde gesucht (Hahn’s 2te Conjug. p. 77) könnte man eher als das eben besprochene x, als eupho- nische Einfügung gelten lassen, weil den meisten Formen des Activs in der betreffenden Conjugation ein vocalisch endigendes Thema zum Grunde liegt. Da aber die 2te und 3te Pers. des Praes. act. auf v ausgehen und z.B. xegxev du suchst und er sucht bedeutet, in welcher Form eben so wenig ein Personal-Charakter enthalten ist, als bei der ersten Conjug. in Ajax du machstalt, er macht alt, so nehme ich an, dafs das Passivum xeprev -eu (nicht xeoxc-v-eu) von dem durch v erweiterten Thema des Activs ausgegangen sei, welches erweiterte Thema zu dem wirklichen (zegxc) sich ungefähr eben so verhält, wie z. B. im Gothischen der weibliche Stamm vidövön Wittwe (Nom. vidörö6) zum skr. Stamme vid’ard (zugleich Nomin.). In dieser Auffassung sehe ich mich nachdrücklich dadurch unterstützt, dafs im gegi- schen Dialekt das charakteristische x, auch hinter v vorkommt, und dafs in demselben auch %, sich an Stämme auf o anschliefst, so dafs z. B. dem toski- schen uaprov-eu ich verbeirathe mich (nagroıy ich verheirathe, Kaprov du verheirathest und er verheirathet) im Gegischen uapro-x,-eu gegen- übersteht. Beispiele gegischer Formen mit x hinter » sind aeuuv-x-eu ich erkranke, werde krank gemacht, (tosk. osuup-eu), bavysu ich werde gemacht (tosk. beven), boivyeve sie nagen sich (bekıy ich nage). Erwähnung verdient noch, dafs Verbalstämme auf ua (1. P. sg. praes. ueıy) im Passiv, offenbar durch Umstellung, gas für «xeu zeigen, daher z.B. yaruyası, für yarıiaysa ich werde bereitet (45)). Es erhellt hieraus, dafs das passive x, nicht eine blofse euphonische Einschiebung zur Vermei- dung des Hiatus ist. Einen kräftigeren Beweis aber für den pronominalen Ursprung des Passivcharakters x, sehe ich darin, dafs im Aorist das Passiv- oder Reflexivverhältnifs zwar in anderer Weise ausgedrückt wird als im Prä- sens und Imperfect, aber so, dafs man in dem Exponenten desselben eben- falls ein Reflexivpronomen erkennen kann, nämlich die erste und Hauptsylbe des oben erwähnten ve-r&, mit Vocalisirung des v zu u und Unterdrückung über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 481 des e. Das so entstandene x wird allen Aoristen toskischer Passiv- oder Re- flexivverba vorangestellt, während im Übrigen die Abwandlung von der des Activs sich nicht unterscheidet, nur dafs in Hahn’s erster Congugation die 3te Pers. sg. indic. den Ausgang i oder u unterdrückt, daher urrjax er wurdealtgemacht (sich machte er alt) gegenüber den activen rAjaxı oder mAjaru, während in der ?ten Conjugation unsgrlia er wurde gesucht hinsichtlich des angehängten Hülfsverbums (s. p. 477) der Analogie des Plu- rals folgt, wo u- xegruia - 1, U-r£grlla - 75, U-regnUle - ve mit den entsprechenden Activ-Formen zegzıia-u etc. im Einklang stehen. Dagegen hat xeoxcı (ze9xo-1) er suchte das Hülfsverbum unterdrückt und stimmt daher zur 1sten Con- jJugation (mryaz-ı). Das Reflexivpronomen, welches im Aorist pass. dem Verbal-Ausdruck vorangestellt wird, erscheint in der 2ten P. sing. des Imperativs pass. hinten angefügt. So wenigstens glaube ich den Unterschied erklären zu müssen, der z.B. zwischen xegxzö-u werde gesucht und zegxo suche statt findet. In der 2ten Pluralperson ist dagegen der Imperativ pass. formell identisch mit der entsprechenden Person des Praes. ind. pass. Die albanesische Bibel- Übersetzung läfst das im Aorist pass. dem Verbum vorgesetzte u insofern als selbständiges Wort erscheinen, als sie das- selbe nicht graphisch mit dem Verbum verbindet; daher z. B. u zorıs er hängte sich (Luc. XV. 15), u vrau (= vdau) es wurde getheilt (46), u bepre es geschiehe, d.h. mache sich, werde gemacht (47). Bei dieser Art graphischer Darstellung ist es auffallend, dafs man bisher dieses u nicht als Reflexivum erkannt hat, und dafs v. Xylander in seiner albanesisch- deutschen Wörtersammlung u als „Zeichen des Praeterit. vom Passiv” erklärt. In der Bedeutung „euch” (vodis), welche v. Xylander |. c. voranstellt, ist w eine Verstümmelung von juw, welches der Grundbestandtheil des sanskritischen, mit einem Anhängepronomen verbundenen Pluralstamms yu-sma (euphon. für yus-ma) ist. Das Litauische bildet aus diesem ju (nach deutscher Aus- sprache) den ganzen Plural und Dual. des Pron. der 2ten Person, was uns aber nicht veranlassen darf, aus dieser Erscheinung eine specielle Verwandt- schaft des Albanesischen und Litauischen zu folgern, zumal auch das gothische ju-sihr, wenn die asiatischen Schwestersprachen nicht ausreichten, darauf Anspruch machen könnte, dem albanesischen ju als Vermittelungsglied zu dienen, während das griechische ü-ueis (äol. U-unes aus Ü-rues) zwar ebenfalls Philos.-histor. Kl. 1854. Ppp 482 Borr hierher gehört, aber doch in seinen lautlichen Verhältnissen so sehr entstellt ist, dafs man ohne Berücksichtigung der übrigen Schwestersprachen nicht leicht darauf fallen würde, eine Verwandtschaft der Formen vusis, Uuues und des alban. jw anzunehmen. Das Lateinische geht bei dieser Vergleichung ganz leer aus und würde an dieser Stelle der Grammatik diejenigen in Ver- legenheit setzen, welche das Albanesische zu einer Art romanischer Sprache machen möchten. Um nun wieder zu dem, an das skr. sva und dessen anerkannte euro- päische Schwesterformen sich anschliefsenden albanesischen u zurückzukeh- ren, so verdient es besondere Beachtung, dafs dieses Pronomen in der 2ten P. pl. imperat. im Sinne eines Dativs pl. zwischen den Verbalstamm und die Personal-Endung eingeschoben wird, wobei es, wie das dem Verbum im Aorist pass. vorangestellte u, oder wie das im Präsens und Imperf. infigirte y, auf alle drei Personen bezogen werden kann, so dafs z. B. eruvı (er-u-vi), je nach dem Zusammenhange, entweder gebtihnen, oder gebt euch, oder gebt uns bedeutet (v. Hahn p. 53). In derselben Weise können auch andere Pronomina der Bedeutung nach als Dative eingeschoben werden, namentlich re und ı; ersteres im Sinne von mir, letzteres in dem von ihm, ihr; z. B. Matth. II. 8: sinuevı (siA-ue-vi) ede ua yabeg bringt mir auch mir Nach- richt (48); Ap. VII. 19: eunevi ede uua nere eZuci gebt mir auch mir diese Gewalt (49). Es kann sogar dem im dativen Verhältnisse stehenden Pronom. noch « im Sinne des Accus. sg. des Pron. der 3ten Person angefügt werden; das e von ve mir wird dann unterdrückt, und das ı von : ihm, ihr, geht im Einklang mit einer sanskritischen Wohllautsregel in seinen entspre- chenden Halbvocal (j, skr. q y) über; z. B. Matth. XVII. 17: diuavı (bi-w-a- -vi) are zeru bringet mir ihn, diesen, hierher; Luc. XIX. 24: emjavı (= er-ı-e-vı) gebt ihm es. — Ich halte dieses «, so wie das des componirten ai jener, er, are jenen, ihn etc. für identisch mit dem skr. Demonstrativ- stamme a, an welchem, aufser dem Albanesischen, unter den europäischen Gliedern unseres Sprachstamms nur noch das Keltische Theil nimmt (50). Das e welches im Sinne von ihn und sie (eam) dem regierenden Verbum vorangestellt wird (edua ihn oder sie liebe ich) ist schwerlich etwas anders als dıe Schwächung eines ursprünglichen «, eine Schwächung, die um so we- niger auffallend ist, als die Pronomina, welche im accusativen Verhältnisse dem regierenden Verb. voranstehen, überhaupt gerne in der leichtesten Form über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 483 erscheinen, während hinter dem Verbum das Pronom. seine volle Form bewahrt. Man vergleiche va Ajevdev uns preist er mit Ajevdov vever er preist uns, oder mit doppelter Pronominalsetzung, va Ayevdev vever uns preilst er uns. Das ı welches den Aceus. plur. des Pronom. der 3ten Pers. der bei- den Geschlechter vor dem regierenden Verbum, und zugleich den Genitiv und Dativ sing. desselben Pronom. ausdrückt (v. Hahn p. 52), ist, wie ich nicht zweifle, identisch mit dem letzten Theile des componirten «i er, jener, a@-jo sie, jene. Der Genitiv und Dativ plur. des Pron. der 3ten Pers. wird, wo er dem regierenden Verbum vorangestellt wird, in beiden Geschlechtern durch z ausgedrückt. V. Hahn gibt (p. 52) u gare sie (eos, eas) schluget ihr als Beispiel, indem das betreffende Verbum den Genitiv oder Dativ regiert, welche beiden Casus im Albanesischen nicht unterschieden werden. Wir kehren zum Passivum zurück, um dessen Participium perf. zu betrachten. Es endet im Toskischen meistens auf uge und hat somit ein für unser Sprachgebiet fremdartiges Ansehen. Das u gehört jedoch nicht zum eigentlichen Suffix, sondern ist blofs ein Vermittelungsvocal, da es nur hinter Consonanten erscheint (s. v. Hahn p. 68. nr. 5), während bei vocalisch endi- genden Verbalstämmen, oder bei solchen, welche den Endconsonanten des Stammes abwerfen, blofs oe antritt; daher z. B. vp@-ge getödtet, vya-ge und vyair-u-gE berührt, vda-gs und vdeır-u-ge getheilt, de -ge und deir-u-ge be- rauscht (51), v&-ge gesehen, rr-ge getrunken (skr. pd und pi trinken). Hinter ? fällt die Liquida des Partieipialsuffixes ab, daher z. B. udjere gesäet (v. Hahn p. 70). Einige anomale Verba zeigen ve für ge, namentlich ve-ve gesetzt, wyge-ve gegessen (52), Se-ve gesagt, de-vegegeben. Ich zweifle nicht daran, dafs diese im Toskischen als anomal geltenden Formen die älteste Gestalt des Suffixes bewahrt haben, und ich erinnere an die schon früher be- sprochene Neigung des toskischen Dialekts zur Vertauschung der Liquida v mit o (s. 461). Auch zeigt der gegische Dialekt, der überhaupt dıe Um- wandlung eines ursprünglichen v in og nicht begünstigt, in diesem Partieipium, wie es scheint, niemals ge. Wenigstens sagt v. Hahn bei Besprechung des Weehsels zwischen g und v in Bezug auf das Verhältnifs des Gegischen zum Toskischen (p. 17): „In den Partieipialformen wird das toskische 9 im Gegi- schen v oder u.” Als Belege führt er an: dunuve „geschmerzt” für tosk. öeuruge (vergl. skr. dam bändigen) und raus gesehen für tosk. age. Auch in dem von Lecce behandelten nordalbanesischen Dialekt finden sich Ppp2 484 Borr keine Participia auf re, wohl aber solche auf ne, welche Vater (S. 162) nach Lecce, Supina nennt, indem er sagt, dafs das Passiv aus dem Verbum substan- tivum und dem Supinum zusammengesetzt werde. Es bedeutet aber une jam dasune (ich werde geliebt) wörtlich nichts anders als „ich bin geliebt” (je suis aim). Man findet dieses Participium auch in periphrastischen Tem- poren wie kam pasune ich habe gehabt (tosk. zau raruge), pats pasune (tosk. rarsa maruge) ich hatte gehabt. Es wird also, wie in den germa- nischen und romanischen Sprachen derjenige, der eine Handlung vollbracht hat, gleichsam als der Besitzer des Vollbrachten dargestellt (wie cognitum habeo), was dazu Veranlassung gegeben hat, das betreffende Partieipium auch im Albanesischen als ein Part. praet. des Activs aufzufassen. Ich halte das- selbe, seiner Herkunft nach, für identisch mit dem sanskritischen auf na, worauf unter andern auch die germanischen Passivpartieipia der starken Verba sich stützen. Man vergleiche are bug-na-s gebogener mit dem gothi- schen bug-a-n(a)-s, vom Stamme dug-a-na. Mit dem zwischen Wurzel und Suflix eingeschobenen a (später e) der germanischen Formen läfst sich das albanesische u von Formen wie pas-u-ne gehabt vergleichen, welches u offenbar nur den Zweck hat, die Verbindung der Wurzel mit dem Suffix zu erleichtern. Ich erinnere in dieser Beziehung an das griechische &- «-vo-s, gegenüber den Formen wie oruy-ves, reu-vos. Mit &ö-a-vos ist schon ander- wärts das goth. Passivpart. i-a-n(a)-s gegessener verglichen worden. Was die gegischen Partieipia auf us, wie das oben erwähnte ra-us ge- sehen, anbelangt, so trage ich Bedenken anzunehmen, dafs ihr x entweder aus 9 oder aus v entstanden sei, da v. Hahn bei seiner Behandlung des laut- lichen Verhältnisses des Gegischen zum Toskischen sonst keine Formen an- gibt, wo gegisches » einem toskischen g oder v gegenüberstünde. Dagegen haben in dem von Lecce behandelten nördlichen Dialekt die meisten Con- jugationen (7 unter 10 nach Lecce’s Eintheilung) Passivparticeipia auf m, nur eine (die 3te) solche auf ne, und zwei (die Ste und 6te) auf e, wahrscheinlich aus ne, indem nämlich hinter stammhaftem 7 und / das n des Participial- suffixes, wie im Toskischen das 9, wegfällt. Lecce verdoppelt in diesem Falle das r, daher z. B. ddierre verloren (ddier ich verliere). Sollte, was ich nicht glaube, diese Verdoppelung des r nicht blofs graphisch oder willkühr- lich, sondern etymologisch begründet sein, so müfste man das 2te r durch Assimilation aus n, also ddiörre aus bdier-ne erklären. über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 485 Der Infinitiv ist in dem von Lecce behandelten Dialekt nichts anders als das Passivparticipium im Sinne eines abstracten Substantivs und mit vor- angestellter Präposition me mit, hier soviel als zu. Daher heifst z. B. kam me pasune (ich werde haben) eigentlich ich habe zu haben, kam me kenduen ich werde singen) wörtlich ich habe zu singen (53). Im tos- kischen Dialekt, welcher keinen Infinitiv besitzt, kann sowohl das Masculi- num, als das Femininum des Passivparticipiums die Stelle eines abstracten Substantivs vertreten (s. v. Hahn p. 86 $. 41). Der Gebrauch des Fem. ist jedoch bei weitem vorherrschend; daher z. B. rgeubuge-« die Furcht (mit angehängtem Artikel), zuge-« die Flucht, dryege-a der Kauf. Die Form bajeu-ı, ebenfalls der Kauf, enthält den männlichen Artikel und stimmt zu der von Lecce (p. 193 f.) als Passivpartieipium angeführten Form auf mi (m-i), fem. meia (me-ia). Als Beispiel wird i lezuemi (der gelesene), fem. e lezuemeia angeführt. Zu letzterem stimmen die meisten gegischen Abstracta, sofern sie von partieipialer Herkunft sind; namentlich steht dem oben erwähnten toskischen drjzu: der Kauf im Gegischen brjeusja gegen- über, und ich glaube mit Zuversicht daraus folgern zu dürfen, dafs dieses Wort nicht nur „der Kauf”, sondern auch, und zwar primitiv, „die ge- kaufte” bedeute und dafs überhaupt die meisten gegischen Passivparticipia denjenigen analog sind, welche bei Lecce in Verbindung mit dem angehäng- ten Artikel im Masc. auf mi und im Fem. auf meia enden. Was den Ur- sprung des betreffenden Suffixes anbelangt, so scheint es mir eine Verstüm- melung des skr. Suffixes mäna, griech. uevo, lat. minu, mino (ama-mini, frui- -mino, praefa-mino) zu sein; wobei ich daran erinnere, dafs anderwärts das litauische Participialsuffix ma, z. B. von düd-a-ma-s gegeben werdender, als Verstümmelung von mana erklärt worden (s. vergl. Gramm. $. 791). Man sagt z. B. im Litauischen duod-a-ma-s esmi ich werde gegeben (di- donevos eini), wie im Nord-Albanesischen z. B. jam ble-m ich werde gekauft (je suis achetE). — In dem von Lecce behandelten Dialekt des nördlichen Albaniens haben auch die meisten Verba ein dem Toskischen fehlendes Par- ticipium praes. act. Es endet in Verbindung mit dem hinten angehängten Artikel im Nom. masc. auf si, z. B. lezues-i der lesende, welches nach Lecce (p. 193) wie ein Substantivum declinirt wird, d.h. ohne den voran- gestellten (bedeutungslosen) Artikel; also nicht ö lezues-i, sondern blofs lezüues-i der lesende, Gen. lezüesi-t, Acc. lezües-i-n. Die weibliche Nomi- 486 Bore nativform lezuöse entbehrt des angehängten Artikels, sonst müfste sie Zezueseia lauten, was ich nach den übrigen Casus (Gen. lezuesese etc.) als die wirklich artikulirte Form des Nomin. glaube annehmen zu dürfen. Seinem Ursprunge nach scheint mir dieses Part. praes. act. identisch mit dem der meisten Glieder der indo-europäischen Sprachfamilie, das s also eine Entartung von £ zu sein, wie in den griech. Femininen wie Asyoura, irtara, deizvüca, aus Asyovria etc. (s. vergl. Gramm. $. 784 Anm.”*), und wie in den lettischen Femininen wie dömajof/fcha die denkende, masc. dömajots (l. e.). Hinsichtlich des Verlusts des Nasals im alban. Part. könnte man auch auf die sanskritischen schwachen Casus des betreffenden Partiei- piums sich berufen, z. B. auf das Verhältnifs von b’aratas ferentis zu barantam ferentem, ohne darum anzunehmen, dafs das Albanesische sich erst zu einer Zeit vom Sanskrit getrennt habe, wo dessen Participium praes. act. schon das n in den meisten seiner Casus verloren hatte. Ich halte vielmehr die Begegnung des Albanesischen und Sanskrit in dieser Be- ziehung in so fern für zufällig, Grunde sich des Nasals entledigt haben; das Sanskrit, weil esin den schwachen als die beiden Sprachen aus verschiedenem Casus überhaupt nach Erleichterung des Stammgewichtes strebt, das Alba- nesische aber, weil ihm die Lautgruppe ns wie dem Griechischen unbequem ist, weshalb in dem vorliegenden Falle der Übergang des Z ins auch die Ausstofsung des vorhergehenden Nasals veranlafst hat. Von den im Sanskrit durch ta gebildeten Passiv-Participien wie tyak- ta-s verlassen, ha-td-s getödtet, hat das Albanesische keine Überreste be- wahrt, als etwa rAjsre voll, d.h. angefüllt (54); dagegen fehlt es demsel- ben nicht an Adjectiven, welche den sanskritischen wie pal’-i-ta-s frucht- begabt (von pala Frucht) entsprechen, die man als Passivpartieipia von vorauszusetzenden Denominativverben ansehen kann, welche ein Begaben mit der durch das Stammnomen bezeichneten Sache ausdrücken. Analoga solcher Passivpartieipia von substantivischer Herkunft bestehen im Lateinischen, Grie- chischen, Litauischen und Slawischen in Formen wie barbätus, alätus, turritus, aurilus, cornülus: »gerwres, supuAwros, rogalül gehörnt (russ.); ragütas id. (lit.). So im Albanesischen z. B. upre hungrig (hungerbegabt), dessen Stammwort in Verbindung mit dem angehängten Artikel ugı-a (Hunger) lau- tet. Gröfstentheils aber haben die albanesischen Bildungen auf re eine etwas abweichende Richtung der Bedeutung angenommen und vertreten dem Sinne über das Albanesische in seinen verwandtischafllichen Beziehungen. 487 nach die griechischen Bildungen wie ZuA’-r- ves, ArS-ı-vos und deutsche wie hölzern, steinern, golden, silbern, welche hinsichtlich ihres Ablei- tungssuflixes an sansk. Passivpartieipia wie dug-na-s gegessen und an Ad- jective wie pal’i-na-s fruchtbegabt (wie oben pal’-i-tas) mal’-i-na-s mit Schmutz bedeckt, srng-i-na-s gehörnt (l. c. $. 835) sich an- schliefsen. Beispiele albanesischer Stoffwörter dieser Art sind ag-TE gol- den (ag Gold) KERUB-TE eisern, yüg-re steinern, dezyjre hölzern (55). Die von Hahn (p. 44 nr. 17. d.) erwähnten Adjective auf ıu oder a können hinsichtlich ihres Suffixes mit dem der oben (p. 485) besprochenen Passivparticipia wie lezue-m-i der gelesene vermittelt werden. Die an- geführten Beispiele sind: verä bejahrt (56), yjsu vorjährig und rwyjeu heurig. Was die beiden letzten anbelangt, so ist daran zu erinnern, dafs auch griechische Formen wie 4,9er-1-vos, Auep’-ı-ves mit ähnlich gebildeten Ad- jectiven des Besitzes und sanskritischen Passiv - Participien zusammentreffen (s. vergl. Gramm. $. 835). Im formellen Einklang mit den toskischen Passiv- partieipien steht Ujer-ge bejahrt, dessen Stammwort vjer zwar „verflosse- nes Jahr” bedeutet, hier aber, seinem Ursprunge gemäfs, wie in dem Compos. cı-vjer heuer, blofs Jahr. — Die aus Ortsadverben gebildeten Adjective auf u, wie rejeun Jenseitig, von rec jenseits, z£rtjsu diesseitig, von xergje diesseits, ToAmEN hinterer, von moame hinten, stimmen zu sanskritischen wie ava-ma-s niedrig, von apa von, herab; pasc-i-ma-s posticus, von pascät (nach, hinter), oder vielmehr von dessen Stamme pasca. Das s und 9 von jasreru äufserer und rcöregu unterer möchte ich nicht mit Hahn (p. 45) als Einschiebungen fassen, sondern lieber einer vollständi- geren Form des Grundwortes zuschreiben, so dafs jesre aufserhalb als Ver- stümmelung von jaöres, und reöre unterhalb, unten, als solche von mööreo (vgl. rostege unterer) zu fassen wäre. Es würde also das voraus- zusetzende j«s7zs hinsichtlich seines Suffixes zum sanskritischen Zas (z. B. von a-tas von da), sowie zum lat. {ws von intus, subtus, und griech. res von Evros, &xros stimmen, während =:5729 in seinem Suffix mit dem skr. zar von antar unter, zwischen und prätdr früh, morgens, sowie mit dem lat. zer von inter, subter, praeter, propter, ob-i-ter und mit dem althochdeutschen Zar, dar von un-tar, ni-dar, wi-dar in Einklang stünde. Wahrscheinlich hängt der stammhafte Theil von rcö-rs, 05-re9£ mit der oben (p. 463) erwähnten Präp. ras nach zusammen, da unter in perpendikulärer Richtung dasselbe ist, 488 Bor» was nach in horizontaler. In vocalischer Beziehung verhält sich v5 von mööre, meörtege zu mas wie z.B. Son ich sage zu Sad ich sagte (Aor.), Say wir sagten; d. h. das o ist eine Schwächung von «, wie im lat. pos-t gegen- über dem skr. pas’- cd! hernach und litauischen pas-kuy id. Sind aber die alban. Formen £5-r£ unter, unten und #cö-rege unterer mit was nach verwandt, so stellt sich hierdurch auch eine Bildungsverwandtschaft des alban. Adjectivs meß-TegE und des latein. pos-terus heraus. Ich theile absichtlich pos-terus, nicht post-erus, weil ich pos-terus nicht von post, sondern mit die- sem von dem durch die verwandten Sprachen als Urform sich ergebenden pos ableite und in dem Suffix von pos-ierus ein Analogon des griech. rego und skr. tara von Formen wie rg0-e90-s, ul-tara-s (der höhere, von ut auf, in die Höhe) erkenne. — Ein scheinbar eingefügtes r hat noch das alban. bpevderu innerer, von dgevda innerhalb, wahrscheinlich aus ba-Evdas, wovon später. Die aus Substantiven durch das Suffix ı#7 gebildeten Adjective wie viradegıor brüderlich, vjegegisr menschlich, wirjeriör und Hinjegiöt freundschaftlich (57), bujagi#r vornehm (von dujag Vornehmer) er- innern an das sanskritische Superlativ-Suffix 78 is{'a, griech. ırro, goth. ista, welches also, sofern die Übereinstimmung nicht eine zufällige ist, im Albanesi- schen eine andere Bestimmung erhalten hätte. Am gewöhnlichsten wird dieses ı#r dazu verwendet, um Adjective aus Völkernamen zu bilden, wie z. B. yoezisr griechisch, rugzjisr türkisch, rarjavisr italiänisch. Hier- bei verdient es Beachtung, dafs auch im Lateinischen das Superlativsuffix limu (von optimus, intimus, extimus, ullimus), = skr. tama, zur Bildung von Adjectiven aus Substantiven verwendet wird, wie z. B. in mari-timus, fini- timus, legi-timus. Das Suffix soll hier nur im weitesten Sinne die Bedeutung des abgeleiteten Wortes mit der des Stammwortes in Beziehung setzen, wie dies im Sanskrit auch bei Ordnungszahlen der Fall ist, die entweder voll- ständige, oder verstümmelte Superlativsuffixe enthalten, wie z. B. vins’ati- tama-s der zwanzigste, pan’ca-ma-s der fünfte. Von einer Begriffs- steigerung kann bei Ordnungszahlen nicht die Rede sein, da niemand in einem höheren oder geringeren Grade als ein anderer etwa der dritte oder vierte sein kann. Wenn nun aber das Superlativsuffix an Ordnungszahlen und an lateinischen Adjectiven wie maritimus keinen Anstofs geben kann, so kann es auch nicht befremden, dafs die Albanesen das Freundschaftliche nach über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 489 dem Freunde, das Brüderliche nach dem Bruder, das Griechische nach dem Griechen mit Hülfe eines Suflixes benennen, dessen Hauptbestimmung war, Superlative zu bilden. Die Steigerungsfähigkeit der Adjective hat das Albanesische eben so wie die keltischen und romanischen Sprachen verloren. Der einzige Über- rest eines Comparatis, im adverbialen Zustande, und ohne etymologisch ent- sprechenden Positiv, ist ve mehr (nordalban. md), welches eines schliefsen- den s verlustig gegangen ist, worin ich, wenn es erhalten wäre, einen Überrest des skr. Comparativsuflixes iyäns, schwach Zyas (auch gie] yäns, gg yas) erkennen würde, wovon im goth. mais (ma -is) und im lateinischen mag -is auch der Halbvocal, vocalisirt zu z, erhalten ist. Im vedischen Sanskrit heifst mah-iyas (nom. acc. voc. neutr.) das gröfsere, womit der albanesische, latein. und germanische Ausdruck für mehr wurzelhaft zusammenhängt. Das Adjectiv grofs wird im Alban. durch u«S, fem. ued-£, ausgedrückt, worin man leicht das skr. mahat (stark mahänt) erkennt, mit Verlust der mitt- leren Sylbe und des Nasals der starken, d. h. ursprünglichen Form. Durch das gedachte ve (md) werden die Comparative umschrieben, wobei dem zu steigernden Adjectiv der Artikel bedeutungslos vorgesetzt, und das © von u& vor dem ı des Artikels gewöhnlich unterdrückt wird; daher z.B. Luc. XV. 12: e a (wı für ne ı) gu vya are und der jüngere von ihnen; 13: pı giw big der Jüngere Sohn (58); 25: e dig: wı nadı rıyund seingröfserer Sohn, wörtlich: und der Sohn mehr grofse der seiner (zus). Der Superlativ wird gewöhnlich vom Comparativ nicht unterschie- den, und blofs aus dem Zusammenhang erkannt; z.B. Luc. VII. 43: je ı degeı HE TE Fünsve welchem (59) ergeschenkt hat das meiste (dasmehr viele); Matth. XI. 11: vo uE ı voyerje vde mbgeregi Te KjieAver Edre HE ı uaI vya@ ar aber der kleinste im Reiche der Himmel ist gröfser als er (60). „Der andere” heifst im Toskischen Tjarege (auch jarzge), im Gegi- schen 7j:rege, welches ich hier darum erwähne, weil darin, wie im sanskr. antara-s, goth. anthar (them. anthara), ein Comparativsuffix enthalten ist, welches im Sanskrit mit Pronominalstämmen besonders in der Absicht ver- bunden wird, um ihrer Bedeutung den Nebenbegriff der Zweiheit beizufügen, wie z.B. in ka-tara-s wer von zweien (s. vergl. Gramm. $. 292). Bei üntara-s ist jedoch diese Beschränkung nicht vorhanden, denn es bedeutet anderer im Allgemeinen, und ist somit gewissermafsen der begriffliche Com- Philos.- histor. Kl. 1854. Qqgq 490 Borr parativ von dieser, (ana dieser, nur in obliquen Casus erhalten) während das formell entsprechende litauische antra-s der zweite, der Comparativ von einer ist. Was den Positivstamm des albanesischen Tjareps anbelangt, der jedoch aufser der Verbindung mit dem Comparativsuffix nicht vorkommt, so stimmt er vortrefflich zum sanskritischen Demonstrativstamme iya dieser, der nur im Veda-Dialekt sich erhalten hat und womit anderwärts unser Arti- kel vermittelt worden. Ich erinnere hier nur an die interessante Begegnung des althochdeutschen männlichen Pluralnominativs die mit dem skr. ty£&; des weiblichen Pluralnominativs dio mit dem skr. iyds, und des weiblichen Sin- gular-Aceus. dia mit dem skr. ydm. Wollte man jedoch annehmen, dafs das j des albanes. rjarege der oben (p. 460) besprochene unorganische Vor- schlag sei, so würde man zu dem skr. talara-s dieser oder jener von zweien geführt werden. — Die Form jersge ist wahrscheinlich nichts anders als eine Verstümmelung von rjarege; wäre sie aber unabhängig von letzterem und j der ursprüngliche Anfangsconsonante, so wäre sie dem sanskritischen relativen ya-tara-s (welcher von beiden) als Schwester- form zur Seite zu stellen, wobei daran zu erinnern, dafs der skr. Relativ- stamm ya auch im Litauischen und Slawischen seine relative Bedeutung ver- loren hat. Wir kehren zur Bildung der albanesischen Adjective zurück, um zu bemerken, dafs viele derselben dem Anscheine nach nackte Wurzelwörter sind, was sich aber dadurch erklären läfst, dafs sie ein aus einem blofsen Vocal bestehendes Suffix im Laufe der Zeit verloren haben. So entspricht dem sanskritischen Zag-u-s leicht (Wz. Zang springen) das albanesische 1jey,, welches abgesehen von dem unterdrückten Endvocal vor dem ver- wandten griech. &Xaxv-s den Vorzug behauptet, dafs es die ursprüngliche Bedeutung treu bewahrt und von dem unorganischen vocalischen Vorschlag sich frei erhalten hat (61). Das latein. levis (aus legu-i-s) hat den Guttural eingebüfst und wie andere Adjectivstämme auf u, z. B. tenu-i-s = skr. tanui-s dünn, dem ursprünglichen Endvocal noch ein unorganisches i beigefügt. Kuzjroth stammt vielleicht von der skr. Wurzel s’wc’ (aus kuk) leuch- ten, glänzen, wovon s’uc-i-s rein; xeın] und xexj böse kommen wahr- scheinlich vom griech. #«xo-s und haben den Endvocal des Wortstammes ver- loren. Dagegen ist das « (mit beigefügtem euphonischem 7) von raxj rein offenbar eine Verstümmelung des skr. Suffixes ka (a-ka) von päv-a-ka-s über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 491 reinigend. Die Wurzel ist p& reinigen, wovon auch das latein. pu-ru-s. Im persischen SL, päk rein hat das erwähnte skr. Wort eine ähnliche Ver- stümmlung erfahren, wie im Albanesischen raxj, wenn dieses nicht etwa ein späteres, aus dem Türkischen zugeführtes Lehnwort ist. Auch in rAjax alt, welches zugleich die Wurzel eines alt machen bedeutenden Verbums ist, könnte k als Verstümmelung des skr. Suffixes ka gefalst werden. Es würde dann ?ja als wahre Wurzel übrig bleiben, die sich mit dem skr. g’ar (78 f) vergehen, altern — wovon unter andern gärant (= gr. yegovr) — so vermitteln liefse, dafs man den albanesischen Labial als Vertreter eines Gutturals und die Tenuis als Erhärtung der Media fafste. In der Wahl zwi- schen Tenuis und Media erlaubt sich überhaupt das Albanesische eine ge- wisse Freiheit. So gehören z.B. moüge gebracht, rg&-u wir brachten (aor.) und djege ich brachte (imperf.) offenbar zu einer und derselben Wurzel, die im Sanskrit dar, dr, im Gothischen dar (tragen) lautet und im Albanesischen an verschiedenen Stellen ihrer Conjugation des radicalen 9 verlustig gegangen ist (62). Eine Tenuis statt einer ursprünglichen Media fin- den wir auch in dem oben (p. 465) erwähnten z@ Ochs gegenüber dem skr. Stamme gö (masc. Ochs, fem. Kuh), acc. gd&-m. Was die Vertauschung der Gutturale mit Labialen anbelangt, so liefse sich durch Annahme eines solchen Wechsels auch die Wurzel drje kaufen (drje-ge käuflich, part. pass.), deren Infinitiv nach Blanchus me ble-m lautet, mit der sanskritischen Wurzel kri (vgl. auch gr. rgiauaı) vermitteln. Im Femininum setzen die Adjective, welche im Masc. consonantisch ausgehen, ein e, oder, jedoch nach Hahn (S. 45) nur hinter x, ein & an; daher z. B. von rAjax das Fem. rrjax-s, und mit Artikel: »Ayarsa; von ua$ grofs lautet dasFem. u«d-e. Ich halte diesen Feminin-Charakter, sowohl & als, für eine Entartung von ı, und erinnere in dieser Beziehung an das Verhältnifs von este er ist, geg. «r-Te, zum sanskritischen @st-i und griech. &rr/, Ein Unter- schied zwischen dem e der Personal-Endung der 3ten Pers. und dem & oder: des Feminincharakters besteht jedoch darin, dafs letzterer zu einem sanskriti- schen langen Z führt, z.B. uad-e magna zum skr. mahat-i‘, »jev-e Hündin (mit Artikel »jeve-j«) zum skr. sun-i (oder kun-f). Man vergleiche auch das e der oben (p. 485 f.) erwähnten weiblichen Part. wie lezuese lesen de mit demösanskritischer Femininparticipia wie därantidie tragende (goth. dai- randei (them. bairandein). Vielleicht ist auch in den Fällen, wo sowohl Qqq2 492 h Bor das Masc. als das Fem. eines albanesischen Adjectivs auf € endet, das weib- liche € die Entartung eines 7, so dals z. B. das e von duxuge pulchra, abge- sehen vom Ursprunge des Wortes, dem Z des skr. sundari (them. und nom.) entsprechen würde, das € von duixuge pulcher aber dem a der männlichen und neutralen Stämme wie sundara. Ist dem aber nicht so, so stützt sich das e von buxuge pulchra auf das lange @ sanskritischer Formen wie sundarä pulchra (ebenfalls thema und nom.), während das e der männlichen Form bei Adjectiven dieser Art sich jedenfalls auf ein ursprüngliches kurzes a (griech. o, latein. u der 2ten Declin.) stützt. Den albanesischen Substanti- ven fehlt es nicht an Formen, in welchen das alte weibliche @, wenigstens der Qualität nach, sich behauptet hat. Hierher gehört z.B. ygua Frau, mit Artikel: ygia-je, wofür jedoch im Nordalban. nach Lecce grue, grueia (für grue-ja). Die Feminina, welche im Dietion. von Blanchus auf a enden, ent- halten in diesem « den Artikel, vor welchem der Endconsonante des Sub- stantivs unterdrückt ist; z. B. hana (han’-a) der Mond, dita (dit’-a) der Tag, für tosk. dire-a; nata (nat-a) dieNacht, für tosk. vere-a; dora (dor’-a) für tosk. d“ge-« die Hand, vielleicht als tragende, haltende (skr. d’ara-s, fem. d’arä), während das griech. %eig durch die skr. Wz. har, hr sich als die nehmende zu erkennen gibt (63). Zu den im Sanskrit aus Adjectiven durch das Suffix 14 gebildeten weiblichen Abstracten wie prtu-tä Breite, lag'ü-tä Leichtigkeit, sukla-tä Weiflse, sama-tä Gleichheit, stimmen albanesische wie sjege-re Breite, von yjege breit (64), 2jeye- re Leichtigkeit (mit Artikel Ajeyg-re-a oder Ajexe-r’-a), von ex, (für Ayexe) leicht, Ajapys-reWeite, von jagyg weit. Ein anderes Suffix, wodurch im Albanesischen weibliche Ab- stracta aus Adjectiven gebildet werden, ist :, mit Artikel: ı-«, daher z.B. buzugı Schönheit, burugi-a die Schönheit, von buxupe schön, vahegt Armuth, von vagpege arm, uryi Ehebruch, von nix (noryes). Ich glaube in dem ı dieser Abstracta die Zusammenziehung des sanskritischen Suffixes a ya (ja), fem. y& zu erkennen, dessen Neutum Abstracta bildet wie md@'- dur-ya-m Süfsigkeit, sdukl-ya-m Weifse, eäur-ya-m Dieb- stahl, von den Primitivstäimmen mad'ura süfs, sukla weils, cöra Dieb. Die gothischen Analoga dieser sanskritischen Neutral- Abstracta unterdrücken im Nom. und Ace. den Vocal des Suffixes ja, und so stimmen z.B. thiub’-i Diebstahl (them. thiub'-ja), unl@d-i Armuth (them, un- über das Albanesische in seinen verwandischaftlichen Beziehungen. 493 led-ja), abgesehen vom Geschlecht, zu den eben erwähnten albanesischen Formen, welchen sich das skr. weibliche danig’-yd' Handel (von banig' Kaufmann) gleichsam als Vorbild zur Seite stellt (s. vergl. Gramm. $. 896), worauf ich jedoch kein besonderes Gewicht lege, weil das Albanesische das ihm entschwundene Neutrum in der Regel durch das Femininum ersetzt hat. Im Griechischen, Lateinischen und Althochdeutschen entsprechen Abstracta wie avög-id, narup-ia, dyyer-ia; capac-ia, feroc-ia, perfid-ia; chall'-i (Kälte), warm’-i(Wärme), höh’-i Höhe (s. vergl. Gramm. $. 894, 95). In Ver- bindung mit dem hinten angefügten Artikel « gewinnen die in Rede stehen- den albanesischen Abstracta ein fast ganz griechisches oder lateinisches An- sehen. V. Xylander übersetzt in seinem deutsch -albanesischen Wörter- buche Bosheit und Böse (das Böse) durch #2xı« (sic) und in seinem alba- nesich- deutschen Wörterbuche #szi@ durch Böse (das Böse), ohne, wie auch bei anderen Formen dieser Art, darauf aufmerksam zu machen, dafs das schliefsende « der Artikel sei. Man könnte daher dazu verleitet werden, das ganze zexi« als Entartung des griech. zexie zu betrachten, während in der That das schliefsende « der albanesischen Form (das Abstractum von »eik böse) ebensowenig mit dem der griechischen etwas gemein hat, als das von femena die Frau (nach Lecce p. 9) mit dem a des lateinischen femina, dem das e der artikellosen Form femene entspricht, welches mit dem ange- fügten Artikel femenea oder femeneia bilden sollte, wovon femen-a eine Verstümmlung ist. Die Form $eue , im Toskischen, gründet sich auf die diesem Dialekt beliebte Vertauschung des v mit 9, eine Vertauschung, worauf auch das R der ziemlich zahlreichen Abstracta auf egı (gegisch evi oder avı), mit Artikel egua (vie, avıc) sich stützt. Ich halte dieses £p, &v, av für eine blofse Stamm-Erweiterung des Grundwortes, ungefähr wie in den gothischen Partieipien praes. und Comparativen, so wie in manchen vereinzelt stehenden Substantiven, indem z. B. dem sanskritischen Stamme Ahrd (aus hard), lat. cord, im Gothischen der Stamm hairtan gegenübersteht (nom. acc. hairtö, gen. hairtin-s), und der Stamm bdairand (= skr. barant, lat. ferent, gr. "egovr) nur im Nom. masc. bairand-s ohne Erweiterung bleibt, sonst aber den Zuwachs der Sylbe an, geschwächt in, erhält. Dafs auch das albane- sische av, &v, oder &0 der Abstracta wie Zorevi-@a die Herrlichkeit, Obrig- keit (gegisch), Zoregi-« (toskisch), nur eine Erweiterung des Primitivstammes sei, — die auch in dem denominativen Verbum dersgo:y, neben Zeray, ich 494 Borr herrsche sich findet — erhellt daraus, dafs auch nicht selten vor dem oben (p- 488) besprochenen Suffix sr der Zusatz &9, gegisch ev vorkommt, z. B. in xugueg-irr leiblich. Bei verageg-isr brüderlich und viradeg-ı Brüder- schaft hat die Sylbe eo eine tiefere Begründung, wenn ich Recht hatte, oben (p- 461) in dem Plural veradeg-ı-re die Brüder, den skr. Stamm drätar zu erkennen. Doch setzt der gegische Dialekt, seiner Neigung zu v für folgend, auch für dieses ursprüngliche 9 ein », daher veradevisr, veralevi-a. Auch vjege£-#r menschlich und yjegeg-ı Menschheit kommen nicht vom eigentlichen Stamme des Grundwortes (vjeg: für vjeg), sondern von dem er- weiterten vjegeß, wovon der artıkulirte Plural vjege-ı-re die Menschen. Da 2 ein weiches s bezeichnet, so erinnert das in seiner Art einzige vjege? an den sanskritischen Plural nar-as (gr. avdg-es für veo-es), dessen plurale Nominativ- Endung, gleichsam versteinert und über den ganzen Plural sich verbreitend, in dem albanesischen yjeged, Genit. Dat. vjegeS-e-ver, sich erhalten haben könnte. Es bleibt uns in Betreff der Substantivbildung noch ein Suffix zu be- sprechen übrig, welches das Albanesische in buchstäblicher Treue aus der Zeit seiner Identität mit dem Sanskrit bewahrt hat. Es lautet im Sanskrit tär (in den schwachen Casus 77, tr), im Griechischen rng oder 709 (nom. rw), im Lateinischen Zör, im Albanesischen aber, wie in den starken Casus der indischen Schwestersprache, Zär; wenigstens setzt Blanchus in seinem latei- nisch-albanesischen Wörterbuche zur Andeutung der Länge des Vocals die- ses Suffixes überall ein doppeltes a und übersetzt z. B. viator durch udetaar und steketaar. Ob, wie in dem nördlichen Dialekt, worauf das erwähnte Wörterbuch und die Grammatik von Lecce sich stützen, so auch im Toski- schen des südlichen Albaniens das a des betreffenden Suffixes lang sei, ver- mag ich nicht zu entscheiden. V. Hahn schreibt wöerag-ı (mit dem Artikel ı) Reisender, ggwyerag-ı Reisender, Laufbursche, yYvzjerag-ı Rich- ter, richterlich. Es ist hierbei zu beachten, dafs, wie im Sanskrit und Griechischen — z. B. in dätä’r, dorng, ganitdr, Yeverng — so auch im Al- banesischen das Suffix den Ton hat. Darin aber weicht das Albanesische von der ursprünglichen Bestimmung des Suffixes zäör ab, dafs es dasselbe am gewöhnlichsten an Substantive anfügt, um denjenigen zu bezeichnen, der mit der Sache, welche das Stammwort bezeichnet, sich beschäftigt, dieselbe macht oder benutzt. Es stammt nämlich ueereg Reisender nicht von einem Verbum, welches reisen bedeutet, sondern von use Weg; geuysrap von über das Albanesische in seinen verwandtschafllichen Beziehungen. 495 geuy Gasse und Yjurjerdg wahrscheinlich von juxj Gericht, Rechtsstreit. So bei Blanchus z. B. /uftetär bellator, von lufte (mit Artikel Zufta, nach Hahn Ajuore-a) bellum, banjetär balneator, von banjebalneum. Es fehlt aber auch im Nordalbanesischen nicht an Wörtern auf /@r, welche von Verbal- stämmen entsprungen sind; so z. B. bei Blanchus mifetär sartor (Infin. me mif-u-ne), ndieketär secutor (65). Tuer für tär findet sich in gasetuer irri- sor, dessen Wurzel (gas) schön zur sanskritischen has (Ah ein weiches y,) stimmt, welche lachen bedeutetund durch mehrere Präpositionen die Bedeutung ver- lachen erhält. Den Infinitiv ridere übersetzt Blanchus durch me kiesune. Betrachten wir nun die Indeclinabılia und zwar zunächst die Adverbia. Diese sind, sofern sie von einem Adjectivum stammen, von diesem in der Form nicht unterschieden. So heifst z.B. ige sowohl bonus als bene, AjcX, sowohl levis als leviter, #üue sowohl multus als multum. Aus den Grundzahlen dv zwei bis djere zehn werden durch den Zu- satz eines Adverbia gebildet, welche dem Sinne nach den sanskritischen auf d’@ und griechischen auf x« entsprechen; daher z. B. raı-5 dreifach gegenüber dem skr. tri-d’@ und griech. rgige. Ich setze die albanesischen Zahladverbia dieser Art vollständig her: dvs doppelt örares siebenfach ra5 dreifach reres achtfach arsgs vierfach vevdes neunfach reses fünffach djereö zehnfach yjasrtes sechsfach Sollte ein formeller Zusammenhang bestehen zwischen dem albanesi- schen Suffix & und dem sanskritischen d’@, so wäre ein nicht befremdender Übergang eines ursprünglichen T-Lauts in einen Zischlaut anzunehmen, un- gefähr wie in den griechischen Imperativen dos, es aus 6091, SeSı, oder wie in der Präpos. ges aus ger! (skr. prati). Im Fall aber die Adverbia aufs im Albanesischen gewissermafsen selbständig erzeugt sind, so könnte man in ihrem & die oben (p. 463) besprochene plurale Ablativ-Endung erkennen, so dafs z. B. dv& ursprünglich „aus zweien”, rgis „aus dreien” bedeuten würde. In derselben Weise läfst sich auch das & der pronominalen Adver- bia »jvö, »jia wie (interrogativisch und relativisch) als plurale Ablativ-Endung fassen, ohne dafs darum auch nothwendig die auf& ausgehenden Zahladver- bia als solche betrachtet werden müfsten. Es erinnern auch die albanesi- 496 Borre schen Adverbia wie dus, rgıö, »areg5, an die skr. Zahladverbia diis zweimal, iris dreimal, c’atrus (für daturs) viermal und an die griechischen ds, reis. Die verschiedene Richtung der Bedeutung dürfte uns kaum abhalten, eine Verwandtschaft der albanesischen Formen mit den ähnlich ausgehenden der Schwestersprachen anzunehmen, wohl aber der Umstand, dafs in letzteren die Adverbia dieser Art sich nicht über die Zahl vier hinaus erstrecken; da es nicht wahrscheinlich ist, dafs das Suffix ies der latein. Adverbia wie quin- quies, sexies etc. identisch sei mit dem s von di-s (aus dui-s). Das Albane- sische umschreibt diese Art von Adverbien so, dafs das „Zeit” ausdrückende Substantiv %ege hinter das betreffende Zahlwort gestellt wird, z. B. vje %ege einmal, dv yegs zweimal, rg %ege dreimal. In x%eze glaube ich das skr. Te käla Zeit, mit der sehr gewöhnlichen Vertauschnng der Liquidae r und 2 und Verschiebung der anfangenden Tenuis zur Aspirata zu er- kennen. Unter den von Pronominen stammenden Adverbien verdient aufser dem oben erwähnten xjvs, »jir besonders ada daher, also, unsere Beachtung. In der ersten Sylbe desselben erkennt man leicht den mehrmals erwähnten Demonstrativstamm, und wenn man die Media des Suffixes als Verschiebung einer ursprünglichen Tenuis falst — wie z.B. in uads m agna — skr. mahat! — so stimmt das Ganze zum sanskritischen @-tas von da, daher, also; welches nach Comparativen die Stelle eines Ablativs vertreten kann. Von einigen anderen albanesischen Adverbien mit einem zum skr. Zas stimmenden Suffix ist bereits gehandelt worden (s. S. 487 f.). Einige Pronominal-Adverbia auf z, mit locativer Bedeutung, können als wirkliche Locative erklärt werden, wenn man annimmt, dafs hier das u, wie so häufig, als Schwächung von a stehe und das letzte Glied eines Diph- thongs abgefallen sei. Ich erinnere an das Verhältnifs altpreufsischer Pro- nominal-Dative wie ka-smu wem? (althochdeutsch hAue-mu, goth. hva-mma) zu sanskritischen wie ka-smäi (id.), und an das Verhältnifs althochdeutscher weiblicher Pronominaldative wie dö-ru my zu gothischen wie thi-zai und sanskritischen wie qz2j ld-sydi. So könnte also das albanesische zu , wo” (interrogat. und relat.), gegenüber dem Nomin. ku-s wer (s. p. 463) aus au für za erklärt werden, wobei zu bemerken, dafs der skr. Interrogativ- stamm ka nach der gewöhnlichen Declination im Locativ k& (aus kai) bilden würde. Analog mit ku wo ist zeru hier, von einem zusammengesetzten über das Albanesische in seinen verwandtschafllichen Beziehungen. 497 Pronominalstamme, dessen Accusativ z2-re (hunc, hanc) lautet und in seinem ersten Theile dem Interrogativstamme & ka, in seinem letzten dem Demon- strativstamme Za entspricht. Das Slawische bietet eine ähnliche Zusammen- setzung dar, bei welcher aber das interrogative Element in der Bedeutung vorwaltet, daher kZıTo k’-to wer? (s. vergl. Gr. $. 400). Keöri und aöru so (in dieser Weise) scheinen ebenfalls in ihrem letzten Theile auf den skr. Demonstrativstamm Za sich zu stützen, während ze und « die Anfangs-Elemente von xe-re hunc, hanc, «a-re illum, illam ent- halten. Der Zischlaut könnte als ein blofs phonetischer Zusatz gefalst wer- den, wie vielleicht auch in der prohibitiven, aber auch im Allgemeinen ver- neinenden Partikel ues nicht, welche offenbar mit dem skr. md (gr. un) zusammmenhängt. Auf diese Weise könnte auch das verneinende «s mit dem skr. und griech. a privativum durch Annahme eines angetretenen Zisch- lauts vermittelt werden. Dieser Zischlaut aber, wenngleich ursprünglich bedeutungslos, hat für sich allein verneinende Kraft in Zusammensetzungen wie sdi nescius (Blanchus s. v.), uud unwohl, sdan er macht nicht, o%@ich esse nicht. Sollteaber dass von uos und «as eine wirkliche, jedoch für den Gebrauch unbemerkbare Bedeutung haben, so mülste es ein Demon- strativum sein und mit 70, sı (skr. xp sa) der oben (p. 460) erwähnten Zeit- Adverbia zusammenhangen. Es würden also uss und «s eigentlich soviel als nicht es bedeuten. — Mit gröfserer Sicherheit darf man annehmen, dafs die Endsylbe von vuxe nicht ein Pronomen sei, und zwar dasjenige, welches wir vorhin in zeru hier und xzere diesen, diese wahrgenommen haben. Der verneinende Theil von vx-ze stimmt zum skr. 7 na, so dafs hier wieder u die ganz gewöhnliche Schwächung eines ursprünglichen a ist, wel- ches im gothischen ni sich in den leichtesten der Urvocale verwandelt hat. Ich erinnere noch daran, dafs im zendischen nöit nicht ebenfalls ein be- deutungslos gewordenes Pronomen enthalten ist. Die sanskritische Schwe- sterforın dieser Verneinungspartikel lautet net (aus na-it), bedeutet aber hier (im Veda-Dialekt) „dafs nicht”. Die etymologische Bedeutung ıst „nicht dieses, nicht es”, während ga cei (aus c’a-it) wenn eigentlich und dieses bedeutet. Da uns der Gang der Untersuchung zur Conjunction wenn geführt hat, so mag hier sogleich bemerkt werden, dafs im Albanesischen diese Con- Philos.-histor. Kl. 1854. Rrr 498 Bor» junction am gewöhnlichsten durch vde ausgedrückt wird, dessen v schwerlich etwas anderes ist, als der bekannte nasale Vorschlag, der im Albanesischen sehr vielen, ursprünglich mit Mutis anfangenden Wörtern vorgetreten ist, und vor Labialen als u erscheint, z. B. ubag ich trage (gegisch baıy) = skr. Bärdmi; ubuyar (gegisch) reich (66). Beispiele mit v vor d sind vdary (gegisch day) ich theile, vdeg Ehre, vdegary ich ehre (skr. dar, dr mit Präp. “achten, ehren, d-dara-s Ehre), vdss (gegisch) ich zünde an, vdıyjew und vdirjew ich werde verfolgt (s. Anm. 65). Zieht man von vde wenn das euphonische v ab, so läfst sich das übrig bleibende de mit dem skr. af yadi vermitteln, durch Annahme des sehr gewöhnlichen Übergangs des iin: und der im Albanesischen nicht seltenen Unterdrückung einer Anfangs- sylbe, wie z.B. in yjıisr Finger (vgl. skr. J578 anigusfia Daumen), in nır Freund (das lat. amicus) und in den Präpositionen vdep (auch vde) in, udı auf und r« ohne, wovon später. Man könnte auch die Conjunction re dafs, damit, als Verstümmelung des skr. yat‘@ betrachten, welches auch im persischen & t& seiner Anfangssylbe verlustig gegangen ist. Hat aber re keine Aphaeresis erfahren, so gehört es, was ich lieber annehme, zum skr. Demonstrativstamm Za (nom, acc. neut. fat), worauf sich im Albanesischen unter andern der Accusativ des den Adjectiven vorgesetzten, aber bedeutungs- losen Artikels stützt. Hierbei ist daran zu erinnern, dafs auch unsere Con- junetion dafs ihrem Ursprunge nach nichts anders als das Neutrum des Ar- tikels ist. Eine andere albanesische Conjunction, welche „dafs, damit” be- deutet, lautet »js, dessen Zusammenhang mit dem gleichlautenden Relativum eben so wenig zu verkennen ist, als der Zusammenhang der lat. Conjunction quod mit dem Neutrum des Relativs. Im Sanskrit ist gr yat sowohl Nom. Acc. neut. des Relativs, als auch eine Conjunction mit der Bedeutung des lat. quod. Für identisch mit dem albanesischen und sanskritischen Demonstrativ- stamme a halte ich die alban. Fragepartikel «, während das latein. an höchst wahrscheinlich ein Überrest des skr. Demonstrativstamms ana ist, der von den indischen Grammatikern mit 37 a und zy ima unter Eine Declination gebracht wird, indem jeder dieser drei Stämme nur in einzelnen Casus ge- bräuchlich ist, so dafs sie sich wechselseitig einander ergänzen. Auch das Ad- verbium a entweder und oder, welche beiden Bedeutungen sich wie die- über das Albanesische in seinen verwandtschafllichen Beziehungen. 499 ses und jeneszu einander verhalten, gehört, wie mir scheint, dem genann- ten Demonstrativum an. Die gegische Conjunction reg aber, wofür im Toskischen ro, führt zum skr. para-s anderer, wie unser deutsches aber (althochd. abur, auch wieder) dem ebenfalls anderer bedeutenden skr. apara-s entspricht, wo- mit man auch das alban. °g durch Annahme einer Aphäresis des Anfangs- vocals vermitteln könnte (vgl. S. 498). Dafs aber das toskische rg in allen seinen Bedeutungen (s. v. Hahn III. p. 102) aus einer und derselben Quelle geflossen sei, ist nicht wahrscheinlich. Die Präpositionen, zu deren Betrachtung wir nun übergehen, gehören zwar zu denjenigen Wortklassen, die nicht leicht fremde Einmischungen zu- lassen, doch leidet es keinen Zweifel, dafs zovdge oder züvdge gegen, nach Lecce cundra, von römischem oder romanischem Ursprung sei, da contra eine echt italische Schöpfung ist, wovon sich im Sanskrit keine Spur findet. Eine andere lateinisch klingende albanesische Präposition ist simeg, welches nach v. Hahn „obenauf” bedeutet. Lecce und Blanchus thun von dieser Präposition keine Erwähnung, obwohl sonst der nordische Dialekt weit mehr als das südliche Toskische mit romanischen Wörtern überfüllt ist. Es mag dahin gestellt bleiben, ob ine wirklich eine Entstellung von super, oder eine Verbindung von oı und r&9 ist. Super und supra übersetzt Blanchus in sei- nem „Dietionarium Latino-Epiroticum” durch möj. V. Hahn schreibt ud: und gibt dieser Präp. in seinem albanesisch-deutschen Lex. die Bedeutungen auf, überund an. Auf die Bedeutung an möchte ich verzichten, da man Matth. XXVI. 50: #rwe duagre nbılsüve sie legten Hand (die Hände) an Jesum, sehr wohl auch durch ... auf Jesum (Er! r0v Inrcöv) übersetzen kann. In der That ist #5: in seinem Ursprunge höchst wahrscheinlich iden- tisch mit dem griech. erı. Sein » ist der oben (p. 498) besprochene nasale Vorschlag, wodurch die Umwandlung der alten Tenuis zur Media veranlafst wurde. Die Anfangssylbe ist, wie so häufig, dem Albanes. entwichen, wie auch die sanskritische Schwesterform ft api „auf” sich ihres @ ent- ledigen kann. Ein Verlust des Anfangsvocals, so wie Media für ursprüngliche Tenuis und nasaler Vorschlag, findet sich auch in der alban. Präp. ude an, in (wo in die Richtung wohin ausdrückt), soforn man diese Präpos. mit dem skr. sg upa bei, hin, hinein vermittelt. Es könnte aber auch ube auf das Rrr2 500 Borr skr. abiaan, hin, hinzu sich stützen, wozu unter andern das griech. audi, und lat. amd- gehört (s. vergl. Gramm. $. 999). Doch darf der Nasal der griech. nnd lateinischen Form nicht die Veranlassung geben, das alban. ube lieber mit abi als mit dpa zu vermitteln. Das gegische ne als Vertreter des toskischen udse hat von der Consonantengruppe des letzteren nur den eupho- nischen Zusatz gerettet, wie Ahnliches auch in manchen anderen Formen vorkommt, namentlich in der gegischen Präposition ues nach, neben ubas, statt des toskischen r«s, wovon, wie von seinem muthmafslichen Deriva- tum r°5-re unter, bereits gehandelt worden (s. p. 463 u. p. 487). Auf das sanskritische antar unter, zwischen (lat. inter, goth. undar unter) stützt sich das albanes. vdig (auch vde). Blanchus übersetzt inter durch der und inter nos durch nder ne; aber in durch nde. Es leidet jedoch keinen Zweifel, dafs nder, der und nde ursprünglich Eins sind. Beachtung verdient, dafs das Persische in der Präpos. ‚> der „in” die Anfangssylbe des skr. antar abgelegt, nebenbei aber auch noch eine vollständigere Form, ‚x! ender, be- wahrt hat. Ob dasn des alban. vdeg als Bestandtheil der Urform anzusehen sei, oder ob, nach Verstümmelung von 777 antar zu deg, in Folge der oben (p- 498) besprochenen Neigung, der anfangenden Media später ein organge- mäfser Nasal vorgeschoben sei, ist unmöglich zu entscheiden. Wenn v. Hahn (Gramm. p. 96. 97) der in Rede stehenden Präpos. auch die Bedeutungen nach und von gibt, so ist nicht zu übersehen, dafs auch in Sätzen wie vere vde öreni ich gehe nach Haus, ı büxuge vde mage schön von Ansehen, vd: eigentlich nur in und an bedeutet (ich gehe in Haus, in das Haus hinein, schön an Ansehen, an Gestalt). Da- gegen hat die Präposition g&ı gegen, die sich zum gleichbedeutenden skr. prati verhält, wie im Griechischen Formen wie $egeı (aus degeri) zu sanskri- tischen wie d’drati (er trägt), wirklich vorherrschend die Bedeutung von und aus angenommen. Lecce gibt ihr blofs diese Bedeutung und es wird durch oe: mit dem Genitiv gewöhnlich der Ablativ umschrieben, z. B. Matth. XI. 11: @r« nje jave Ajepge mosı ygaver diejenigen, welche sind geboren von Weibern, (von den Weibern). Die Bedeutung gegen belegt Luc. XII. 32: bev ude vgeı Ipusariuır er macht Weg gegen Jerusalem. Auf die skr. Präp. apa stützt sich, wie mir scheint, das albanas. ra ohne, mit Verlust des Anfangsvocals (vgl. S. 498), wobei daran zu erinnern ist, dafs auch das skr. apa, sowie die entsprechende griechische, lateinische über das Albanesische in seinen verwandischaftlichen Beziehungen. 501 und gothische Präposition (ac, ab, af) soviel wie ohne bedeuten, in den Fällen, wo sie am Anfange possessiver Composita erscheinen, wie apa-bi-s furchtlos, der ohne Furcht ist (eigentlich die Furcht davon, d.h. fern habend), @roSgı£, abnormis, afguds (gottlos). Mit dem skr. ad’@s unter, unten, oder vielmehr mit ad’ara-s inferus, läfst sich das alban. vdeve unter vermitteln, wenn man annimmt, dafs die dem Gegischen, wie überhaupt dem Nordalbanesischen sehr beliebte Vertauschung des r mit n bei diesem Worte auch auf das Toskische sich ver- breitet habe. — Das albanesische us mit erinuert an das gleichbedeutende zendische gwg mat, an das griech. uer« und analoge Formen der germani- schen Sprachen. Im Fall aber diese Begegnung zufällig ist, so liefse sich auch us vom skr. amd zusammen, oder von samdm mit ableiten, so dafs wieder eine Anfangssylbe, und im Falle einer Verwandtschaft mit samam, zugleich ein Endconsonante dem Albanesischen entschwunden wäre. Auf zen] säkam mit, d.h. auf dessen Endsylbe, wovon vielleicht die gothische untrennbare Präposition ga mit (unser ge) stammt, liefse sich das alban. vy« zurückführen. Diese alban. Präposition bedeutet zwar vor- herrschend gerade das Gegentheil des skr. säkam, nämlich von, aus, und drückt, wie im Sanskrit und Lateinischen der Ablativ, nach Comparativen das Verhältnifs als aus. Allein sie kann auch die Richtung wohin bezeich- nen, und die Verhältnisse an, zu; also, wie mit, Annäherung ausdrücken, so dafs die Bedeutungen von vy« der Annahme einer Verwandtschaft mit dem skr. säkam und goth. ga- kein wesentliches Hindernifs in Weg stellen, besonders wenn man erwägt, dafs alle präpositionalen Bedeutungen in einem gewissen Zusammenhang mit einander stehen, und sich wenigstens so nahe einander berühren als die Demonstrativa der Nähe und Ferne, dieser und jener. Ich erinnere noch daran, dafs im Sanskrit vi.yug’ trennen nicht nur mit dem das Verhältnifs von ausdrückenden Ablativ construirt wird, sondern auch mit dem Instrumentalis, dessen Endung in der Regel die Verhältnisse mit und durch bezeichnet. Zum Demonstrativstamme ze (re) = skr. q ia ziehe ich die Präposi- tionen re zu, bei, an, gegen, und ri: über (trans), jenseits. Letzteres ist analog mit »ereje diesseits und argje jenseits und den Genitiven der Pronomina der 1sten und 2ten Person: ugje, rje (67). Die mit re gleichbe- 502 Borr deutende Form ex (v. Hahn gr. p. 91) fasse ich als Verstümmelung von rexe und als Zusammensetzung zweier Pronominalstämme, wovon der letztere (ze) im Gegischen für sich allein die Stelle von re vertreten kann (v. Hahn IH. p- 128). Zur Erklärung von Fgarma hinter und des Adverb. moume zurück, dessen & schwerlich etwas anders als die Entartung des « von voama ist, darf man sich vielleicht an die sanskritische Präposition par wenden, welche in einigen Verbindungen mit Verbalwurzeln zurück bedeutet. Im Litauischen entspricht par, z. B. von par-eimi ich kehre zurück, und im Griechischen maga. In Bezug auf einige andere Vergleichungspunkte verweise ich auf $. 1009 meiner vergleichenden Grammatik, mit der Bemerkung, dafs im Ge- gischen, welches ubgar« für vgara zeigt, statt dessen auch udag« vorkommt, welches, abgesehen von dem nasalen Vorschlag (s. p. 498), welcher die Um- wandlung der Tenuis in die Media veranlafste, fast so nahe wie möglich dem skr. pard entgegen kommt. Was das angefügte ra von rgara (für ragere) anbelangt, so erinnert es an das sanskritische Suffix pa, wodurch wahrschein- lich pratipa-s contrarius und samipa-s propinquitas aus praligegen und sami (für sam) mit entsprungen sind. Es liefse sich aber auch rgar« so erklären, dafs man dasselbe als die Vereinigung zweier Präpositionen fafste (vgl. S. 503), so dafs zwar ga dem sanskritischen pard anheimfiele, ra aber eine Verstümmelung der oben (S. 463) erwähnten Präposition was nach, hinter sei, wobei man sich auf das von vgara stammende rgares-w-ı der hinterste, fem. wgarerugj@ (v. Hahn III. p. 105) berufen und anneh- men könnte, dafs auch hier das dem Ableitungssuffix voranstehende r kein euphonisches sei, sondern der vollständigen Form des Grundwortes zukäme. Dieser Auffassung gebe ich den Vorzug. : Ohne Anfügung von r« erscheint ga als Zeit-Adverbium mit der Be- deutung hernach, hinterher. Verschieden aber in ihrem Ursprunge von der mit gzt pard vermittelten Präposition rg«-ra ist, wie ich glaube, die- jenige, welche mit «ve (Seite) zu einem Ganzen sich verbindet, (gave), welches bei, neben (eigentlich zur Seite) bedeutet und wobei also die Präposition ihres Vocals verlustig gegangen ist, wie auch die vorhin erwähnte Präp. -ube in Zusammensetzung mit ave auf ihren Vocal verzichtet, also ubave (wb’-ave), welches ebenfalls bei, neben und als Adverbium herbei, herzu, nahe bedeutet (s. v. Hahn III. p. 69). Die in »2’-avs enthaltene Präposition über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 503 würde sich ihrer Bedeutung nach wohl mit der skr. untrennbaren Präposition pra vor, voran, vorwärts, fort, und mit ihren anerkannten europäischen Schwesterformen vertragen. Die albanesische Präpos. 29 bedeutet zwar niemals um, herum im eigentlichen Sinne, begegnet aber in ihren vorherrschenden Bedeutungen für, wegen, dem griech. egi, und dürfte daher wie dieses zum skr. pari „um, herum” zu ziehen sein, obgleich in formeller Beziehung auch zy% upari über als Ausgangspunkt des alban. =:9 gelten könnte, wobei die Unter- drückung des Anfangsvocals keinen Anstofs geben würde. Beachtung verdient, dafs die Präposition #9 auch Verbindungen mit anderen Präpositionen oder präpositionalen Adverbien eingeht, so wie mit Verben, obwohl im Allgemeinen die Fähigkeit, Composita zu bilden, im Albanesischen sehr beschränkt ist.. Die Präpositionen oder Adverbia, wel- chen #e9 präfigirt wird, bleiben in ihrer Bedeutung unverändert, z. B. megiubı heifst ebenso wie udbı „auf”, dgevda und meobasvda bedeuten innerhalb, eöre und :9#°5, auch g€#<5 (mit unterdrücktem Suffix re) unter, unterhalb; maga und megmage, auch geraga, vor, vorn. Ich halte maga für verwandt mit mags erster (mit Artikel: r@g-ı) und dieses für ursprünglich identisch mit dem skr. para-s der höchste, vorzüglichste, trefflichste, womit auch das althochd. furist primus (mit Superlativsuffix) und furiro prior zusammen- hängt. Man vergleiche auch die skr. Präpos. purds vor (aus paras) und das gleichbedeutende goth. faur (euphonisch für fur aus far). Was das ge- legentlich für re9 eintretende Präfix ge anbelangt, so erkläre ich es aus TEg durch die beliebte Unterdrückung einer Anfangssylbe und Beifügung eines Bindevocals, welcher vor den consonantisch anfangenden Präpositionen nöthig war, da graga, gmoi zu sagen kaum möglich wäre. — Zu mEg- Mjere oder ge- zjere, aufwärts, fehlt das vorauszusetzende einfache jtre, dessen früheres Dasein kaum zu bezweifeln ist. Ich halte es für verwandt mit dem oben (S.499) erwähnten udı (aus mı= skr. api, pi) und fasse re als Suffix, wie in voF-re unterhalb, unten (s. p. 500), und je, euphonisch für ı, als Erweiterung von ı. Man vergleiche den vocalischen Unterschied zwischen Formen wie mierich gebäre, mjersur wir gebären, riA-vı ihr gebäret (v. Hahn p. 72). Als Beispiel, worin die Präposition 7:9 mit einer Verbalwurzel in Verbindung getreten ist, erwähne ich regves ich schürze auf, entkleide, welches, im Fall #9 wirklich zu gig pari gehört, im Sanskrit pari-vas-&-mi lauten und 504 Borr umkleiden, umziehen bedeuten würde. Es ist jedoch die Wurzel gg vas in dieser Verbindung bis jetzt nicht belegt; im Griechischen dagegen findet sich regıevvupı (aus megıresvun). Es bleibt noch die Präposition boevda innerhalb (mit dem Genit., z.B. boevda öremise innerhalb des Hauses), als Adverbium hinein, zu erklä- ren übrig. Obwohl diese Form, wie vorhin bemerkt worden, sich auch mit eg verbindet (Tegbeevde), so glaube ich doch, dafs sie selber schon eine ver- dunkelte Zusammensetzung ist, indem ich in bg eine Verstümmelung von Meg, mit Verschiebung der Tenuis zur Media, zu erkennen glaube, eine Verschie- bung, welche durch die unmittelbar folgende Media begünstigt wurde. Zieht man nun bp von baevda ab, so stimmt evda, für evdas, dessen s sich in dem Derivat. bg -evderu innerer (s. p. 488) behauptet hat, zum lat. inzus, gr. &vrss, und der Kern der Präposition zum griech. &v, zum latein. und german. in. Das Suffix da für tas stimmt zu dem oben (p. 496) besprochenen ad« daher, nur dafs, wie es scheint, wegen des vorhergehenden v, d dem ö, wie auch dem ursprünglichen r vorgezogen wurde. Man berücksichtige in letz- terer Beziehung das Verhältnifs von vev-de neun zu Jjas-re sechs etc. (s. p-459). An der Vocalschwächung, welche das Suffix da für das in dem eben erwähnten dgevder-u innerer erfahren hat, darf man keinen Anstofs nehmen, da die Belastung des Primitivs durch das Ableitungssuffix zu die- ser Schwächung leicht Anlafs geben konnte. In Bezug auf die Casus, welche die albanesischen Präpositionen regie- ren, begnüge ich mich darauf aufmerksam zu machen, dafs einige derselben, nämlich vya von etc. und re, rex zu etc. den Nominativ regieren, was nur einem misleiteten Sprachgefühle zugeschrieben werden kann, da jedes von einer Präposition regierte Wort dem Sinne nach in einem obliquen, abhän- gigen Casusverhältnisse steht. Auch ist der Misbrauch des Nominativs hin- ter den erwähnten Präpositionen nicht ganz durchgedrungen, sondern die Pronomina der ersten und zweiten Person erscheinen an mehreren Stellen der Bibelübersetzung in der oben (S. 466) besprochenen Genitivform auf je. So Marc. IX. 19: rex ugje zu mir, Matth. XVII. 26; nos u Qeuego rer neje erzürne dich nicht über mich (68); VIIL 14: rex reje an dir; Marc. XI. 14: vya je von dir. — Bei der ersten Person könnte die grofse Form- verschiedenheit zwischen uve oder x ich und den, wie in anderen indo- europäischen Sprachen, mit m anfangenden obliquen Casus die Veranlassung über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 505 sein, dafs uve oder z nicht geeignet gefunden wird, hinter einer Präposition die Stelle eines obliquen Casus zu vertreten. Was aber das Formverhältnifs von üive zum skr. aham anbelangt, so repräsentirt zive höchst wahrscheinlich die Sylbe am und das € ist der oben (S. 462) besprochene phonetische Zu- satz, wie im Accusativ des angehängten Artikels (we). Ob aber von ysyl ahim dem Albanesischen die Sylbe «4 entwichen sei, nach dem früher be- sprochenen Grundsatze (s. S. 498), oder ob die Sylbe ha aus der Mitte ver- drängt worden sei, ist unmöglich zu entscheiden. Philos.- histor. Kl. 1854. Sss 506 Bor» ANMERKUNGEN. (1) (S. 459) Ich befolge in dieser Abhandlung im Wesentlichen die Orthographie Hrn. v. Hahn’s, von welchem ich nur in folgendeu Punkten abweiche: 4) Ich drücke den Laut unseres ® durch v aus statt durch Q, nach neugriechischer Aussprache. Ich schreibe also z.B. ved ich kleide an, wodurch das Verhältnils der albanesischen Form zur skr. Wurzel vas kleiden, sowie zum goth. vas-ja ich kleide und lat. ves-tis, auch für das Auge klarer hervortritt, als wenn man mit der Bibelübersetzung und Hrn. v. Hahn es schreibt. Im Lakonischen schon hat sich jedoch der Halbvocal die- ser weit verbreiteten Wurzel wirklich zur labialen Media erhärtet, daher Berrov (inarıov), wenn nicht etwa in dieser und analogen Formen (s. Ahrens II. 44 ff.) das ß blols ein graphischer Vertreter des F ist. Ich vermeide das Digamma zur Bezeichnung unseres w-Lauts im Albanesischen, weil sein Zeichen in der Bibelübersetzung für den Laut der gutturalen Media in Anspruch genommen wird. Nach v. Xylander (p. 6) wird F wie das italiänische g vor a, o, u ausgesprochen. V. Hahn setzt dafür Y und gibt demselben die Aussprache eines aspirirten g (gh), während sein unbezeichnetes y wie ein weiches ch ausgesprochen werden soll. (') 2) Ich setze u für ou zur Bezeichnung des Lautes unseres v, weil ou zu sehr den Eindruck eines Diphthongs oder wenigstens eines langen Vocals macht, obwohl es dialek- tisch (im Böotischen) auch als Vertreter des U mit dem Laute eines kurzen u vorkommt (z. B. ın Souyareıp — skr. duhitar). Der albanesische v-Laut ist meistens kurz, und wo er lang ist, bezeichnet ihn v. Hahn durch cü. 3) Ich unterlasse die Verdoppelung von Consonanten, wo sie nicht, was in echt albanesischen Wörtern höchst selten der Fall ist, eine etymologische Begründung hat (vgl. v. Hahn p. 5 Anm. #**), wie z. B. in EUWEVL „gebt mir” aus er-we-vı (s. S.4s2). Auch weicht v. Hahn in dieser Beziehung selbst öfter von der Bibelübersetzung ab, und schreibt (1) Über die wahrscheinliche Entstehung dieses, dem Anfange der Wörter fremden %, aus j s. oben p. 466 f. Dagegen ist Y in etymologischer Beziehung in der Regel der Vertreter der gutturalen Media, z. B. in Ypabir ich raube, worin ich die sanskritische Wurzel grad nehmen (im Veda- Dialek) zu erkennen glaube In yYüg - -ı das Knie (gegisch Yüv-ı) ent- spricht Y zwar dem skr. g von gänu; dieses g’ selber aber ist die Entartung eines älteren 5, welches dem griech. syovu und lat. genu verblieben ist. über das Albanesische in seinen verwandischaftlichen Beziehungen. 507 2 B: ige gut, schön, während v. Xylander mit der Bibelübersetzung Higpe schreibt. Da v und n leicht mit einander wechseln, so kann ich hier die Vermuthung nicht unter- drücken, dals Kipe mit dem skr. vara-s trefflich verwandt sein könnte, mit dessen Com- parativ var/yäns (Thema der starken Casus) anderwärts auch das lat. melior, griech. (F)ageiwv und litauische wyresnis (nobilior, illustrior) verglichen worden. (!) Zum Superlativ varis?a-s stimmt der griech. (F)egırro-s. An der Schwächung des a zu : in der betreffenden alban. Form darf man um so weniger Anstols nehmen, als sogar das lange @ des skr. märsa-m Fleisch (2) im alban. uı5 zu kurzem ı geworden ist. — Beach- tung verdient, dals in dem gegischen derivativen Verbum Mıgos ich verbessere das Grundwort im comparativen Verhältnils steht. 4) Ich unterlasse in der Regel die Bezeichnung der kurzen Vocale durch das proso- dische Kürzezeichen, da es mir hinreichend scheint, die Längen der Vocale ausdrücklich hervorzuheben, und die Kürze aus der Abwesenheit des Längezeichens erkennen zu lassen. Auch läfst Hr. v. Hahn in seinem Wörterbuche in den meisten Fällen die kurzen Vocale unbezeichnet; ob er aber die Längen sämmtlich angegeben hat, vermag ich nicht zu entscheiden. Gewils ist, dals in dem mit lateinischer Schrift geschriebenen nordalbanesi- schen Dialekt — worauf die Grammatik von Lecce vom J. 1716 (?) und das Dictionarium Latino- Epiroticum von Blanchus (Romae 1635) sich stützen — in welchem die Länge der Vocale durch Verdoppelung derselben ausgedrückt wird (*), manche lange Vocale sich finden, welche bei Hahn ohne Angabe der Quantität erscheinen und somit wahrscheinlich als kurz gelten sollen; z.B. udetzaar Wanderer und analoge Bildungen, welche nach Hahn auf Tag ausgehen (s. oben p.494); paa ohne für T&, vellaa Bruder (Bl.) für void, ndeer Ehre für vaeg; für letzteres jedoch im Gegischen vdeg „ was auf treuere Bewahrung der ursprünglichen Längen in den nördlichen Dialekten hindeutet. Ich bezeichne bei Anwendung der lateinischen Schrift in dem von Blanchus und Lecce behandelten Dialekt die Vocallänge durch einen Circumflex, statt durch Verdoppelung, und schreibe also z.B. p& für paa. Bei diesem Worte erscheint jedoch die Länge als unor- (') S. gloss. Sanser. a. 1847 und kleinere Sanskrit-Gramm. 2te Ausg. p. 117 Anm. * (2) Vergl. das altslav. manso (neut.) id. altpreuls. mensa-s (masc.), ahd. mds (neut., them. mösa) Speise. (3) Osservazioni grammaticali etc., wovon ein Auszug in deutscher Sprache in Vaters Ver- gleichungstafeln der europäischen Stammsprachen. (*) Z. B. bei Lecce graa-t die Frauen (p. 9), ke du hast (p.47), guur Stein (p. 13), wofür bei Hahn yg@-78, #E, yüg (Yoüp); bei Blanchus chaa (= kaa) Ochs, deet Meer, muur Mauer, wolür bei Hahn x@, der, uug (Kodp). Sss?2 508 Bor ganisch, wenn ich Recht habe, dasselbe mit dem skr. dpa von (s. S. 500 £.) zu vermitteln. In der Bezeichnung der Consonanten in lateinischer Schrift vermeide ich die auf italiä- nische Aussprache sich stützenden Schreibweisen von Blanchus und Lecce. Ich schreibe daher z. B. den Laut unseres sch, wofür v. Hahn und die Bibelübersetzung %, Blanchus und Lecce aber, nicht nur vor e und ;, sondern auch vor Consonanten und am Wort-Ende se setzen — durch s’; z. B. szat sieben (toskisch Hr«7£) für setatt (*), aste Knochen für ascte, däsune geliebt für däsciune. Die gutturale Tenuis nnd Media, welche Blanchus und Lecce vor e und durch ch, gh ausdrücken, gebe ich überall durch k, g, wie selbst Lecce gelegentlich in Abweichung von Blanchus schreibt; z. B. in kezij (huic), wofür bei Bl.: chezijj. Den Laut sc} (75) drücke ich durch 2s aus, weil er nicht wie das skr. 7] daus k entsprungen ist, sondern mit z und s wechselt. Ich schreibe daher pats, patsaich hatte für Lecce’s pacc, paccia; 3. P. pate (patte), 1. P. pl. pätme; part. pass. pasune (passune). Für gn, wodurch Blanchus und Lecce die Lautgruppe nj ausdrücken, schreibe ich 5, also z. B. nji oder nja ein (tosk. vj£) für gni, gna. Durch € drücken Blanchus und Lecce den Laut eines weichen s aus, wofür die griech. Schrift &, nach neugriechischer Aussprache, setzt. Dieses € oder © hat in etymologischer Beziehung, griechische Lehnwörter ausgenommen, eben so wenig als das goth. z und slawische 3 etwas mit dem altgriech. 2 (= ds)zu thun. In dela ich zündete an (y. Hahn p. 73) steht Ö euphonisch für 7, welches in diesem Verbum von gutturaler Herkunft ist, wie öfter das slav. 3, z. B. in A32 as’ (ich) gegenüber dem skr. aham (R ein weiches %,). Das erwähnte albanesische des, Aorist dela, Praes. pass. delem, führt zur skr. Wz. dah brennen (litauisch degu ich brenne), deren schliefsender Guttural im Alban. auch in Gestalt von Y vorkommt, z.B. in diyjew ich brenne (intrans), eigentlich Passiv, d.h. Reflexiv (v. Hahn III. p. 162). Blanchus übersetzt comdurere durch me degune. Durch 5 drückt Lecce eine Art dentales d aus (2), wofür die toskische Übersetzung des neuen Testaments 5 und v. Hahn & setzt, während das gewöhnliche @ von Hrn. v. Hahn durch d und in der Bibel-Übersetzung durch Ö bezeichnet wird. Über die Aussprache des dentalen Ös. v. Hahn II. p- 3. In ihrem Ursprunge sind diese beiden d-Laute nicht unter- schieden, denn sie führen bei vergleichbaren Wörtern beide zum skr. dentalen & d, na- (') Lecce p. 222. Blanchus (p. 189) schreibt, vielleicht nach einem andern Dialekt, state mit reinem s und Bewahrung des schlielsenden Vocals. (?) Blanchut gibt diesem 3 die Aussprache ?R, womit wahrscheinlich das englische ?% ge- meint ist. über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 509 mentlich begegnet 5 ö dem skr. za in der Benennung der Zahl zehn Öje-re, nach Blan- chus m und nach Lecce Si (p. 1) und a (p- 222). Ich drücke 5 in lateinischer Schrift durch @ aus, ohne darum diesen Buchstaben mit dem skr. cerebralen 4 &) ver- gleichen zu wollen. Durch die Verdoppelung des 3 drückt Lecce einen einfachen Buchstaben, nämlich das toskische I aus, z. B. in SER (Sow) ich sa ge. Die Aussprache dieses 2» ist die [97 des neugriechischen > oder englischen 7%. Seine etymologische Verwandtschaft mit £y 5 d) bewährt dieses I dadurch, dafs z. B. ua9 grofs (skr. mahat) nach v. Hahn (III. p- 66) vor antretenden Vocalen sein $ in d umwandelt, daher in Verbindung mit dem männlichen Artikel: «dl, mit dem Feminincharakter e: ads (s. p- 491 £.), mit Artikel: Kade-ja, plur. masc.; nediwjre. Man berücksichtige auch die derivativen Verba madevcny (gegisch) ich lobe, preise, und Kadeıy, auch uaderray, ich vergrölsere, und das Abstractum uadedri-a der Stolz, welches ein Adjectiv Xa@dedT voraussetzt. Wahrschein- lich ist in dieser Wortfamilie, und überhaupt, das Verhältnifs von $ zu so zu fassen, dals & am Wort-Ende zu I wird, oder dals $ dem Ende der Wörter besser zusagt als d, wie im Gothischen ein schlielsendes 7% (bei vorangehendem Vocal) der Media vorgezogen wird, und z. B. das Participialsuffix da nach Unterdrückung seines a im Acc. sg., wie auch vor dem s des Nom. masc., sein d in zR umwandelt; daher z. B. sökith-s, acc. sökith, gegenüber dem Gen. sökidi-s und Nom. fem. sökida. (1) Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem alban. $ und goth. 7% liegt freilich darin, dals ersteres seiner Aussprache nach mehr ein Zischlaut als ein T-Laut ist. Dieser Zischlaut ist jedoch seiner Herkunft nach ein aspirirter T-Laut, wie das neugriechische I auf das altgriechische $ (— th) sich stützt und das eng- lische 7% in seinem Ursprunge identisch ist mit dem gothischen, und wie dieses aus einem älteren 2 hervorgegangen ist. Blanchus und Lecce lassen ihr a am Wort-Ende unver- ändert, daher übersetzt Blanchus das lat. maximus durch ma imaq (i mad) und Lecce gibt (p- 62) Zid als 2te und 3te P. imperat. von Zidinj ich binde, während v. Hahn (III. p- 63) AıS ich binde, aber Ajıdeu. ich werde gebunden (?) und Ajidse-« das (') S. vergl. Grammatik $. s. 20. (2) Über den Ursprung des alban. Passivs oder Reflexivs s.p. 478 ff. Der Übergang von Ö in 5 findet, im Gegischen wenigstens, auch in der Mitte vor Consonanten statt ; daher Ayldus« das Binden. Erwägt man, dals $ der Aussprache nach ein Zischlaut ist, so erinnert dieser Über- gang von Ö in $ am Wort-Ende, und in der Mitte vor Consonanten, an die Entstehung des griech. r aus T-Lauten in Formen wie dos, I&s, m005, rerubos, beurnaı, Eibeurran. Es ist 510 Bor Band schreibt. Es scheint also der von Lecce und Blanchus behandelte nordalbane- sische Dialekt die Entartung des @ (8) in einen Zischlaut am Wort-Ende, oder in der Mitte vor Consonanten, nicht erfahren zu haben, wie er auch, was den Vocalismus anbe- langt, diejenige Modification des e nicht zu kennen scheint, welche in der Bibelübersetzung und von Hrn. v. Hahn durch g ausgedrückt wird. Von diesem im Toskischen sehr gebräuch- lichen € sagt Hr. v. Hahn (p. 3 nr. 11), dafs es vollkommen dem deutschen sogenannten stummen e entspreche. Von dem langen & sagt v. Hahn, dafs es in der Risa genau wie unser ö laute. Beachtung verdient, dals im Gegischen, obwohl dieser Dialekt ein e besitzt, doch in mehreren Wörtern &, und gelegentlich auch ı, dem toskischen € gegenübersteht ; € z.B. in #jev Hund, eu£v Name ('), veype ich wecke (2), gegen toskisch xjev, Euep, sehr wahrscheinlich, dafs auch in den Fällen, wo im Toskischen eine schlielsende Tenuis die Stelle einer Media einnimmt, welche vor antretenden Vocalen erscheint (v. Hahn p. 26 E.), die Tenuis der umgewandelte, die Media aber der ursprüngliche Laut sei, wie im Mittelhochdeutschen, wo am Wort-Ende die ursprünglichen Mediae zu Tenues sich erhärten, und z. B. dem 5 von tages (goth. dagis), tage im Nominativ und Accusativ (Zac) die entsprechende Tenuis gegen- übersteht, während in den Fällen, wo die Tenuis vom mittelhochdeutschen Standpunkte aus stammhaft ist, ein CGonsonantenwechsel nicht stattfindet (Züz, Zütes, dunc, dunkes). Es wäre also z.B. das toskische # von Ayız böse die Verschiebung desy von Ajıy-u der böse, wie auch einleuchtend das 7 und 7 von TAyu@7 (plumbum), uva (fundus) die Verschiebungen des und d von rAyuud-ı das Blei, düvd-ı der Grund sind. Das v des lat. corvus hat sich zu d erhärtet und von hier am Wort-Ende zu 7, also nooT Rabe, aber nopbı derRabe. Dagegen bleibt z. B. das x von rAjax alt als ursprünglich auch vor antretenden Sylben un- verändert (fem. mAjax£). Es ist jedoch das Gesetz im Toskischen nicht durchgedrungen, oder die Schreibart nicht consequent durchgeführt, denn es fehlt nicht an Formen mit schliefsender Media. Wo beim Wachsen der Formen in £, d.h. in gelindes s übergeht, gilt mir der harte Zischlaut als ursprünglich und seine Ersetzung durch den weichen (2) beruht, wie mir scheint, auf demselben Prinzip, wornach z. B. im Gothischen das schlielsende s der Casus- Endungen des Artikels vor der angefügten relativen Partikel ei zu z wird (z. B. hizei, thanzei für this-ei, thans-ei) und in der 2ten P. sg. pass. za (= skr. s@ aus sai, griech. rat) dem schlie- fsenden s (= skr. si) des Activs gegenübersteht (s. vergl. Gr. $. 86.5). Man vergleiche auch das althochdeutsche r für s in mehrsylbigen Formen wie wär-i du warst gegenüber dem ein- sylbigen was mit kurzem Vocal (l. e. $. 612). So im Toskischen von des ich zünde an der Aorist de la und das Part. pass. dE Zuge (v. Hahn gramm. p. 73) und von bass Gürtel: dgeft der Gürtel (l. c. p. 32. 3.). (') Vgl. skr. näman, dessen anfangendes n auch dem slaw. Stamme imen (altslaw. nom. NMA zznan) entwichen ist. (2) Vgl. skr. gägarmiich wache, gägrat wachend; griech. Eyeipw aus yeysıpw. Über den nasalen Vorschlag im Alban s. p. 498. (2) über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 511 vyge; ız.B. in vigyjwi Jungfrauschaft ('), yı ein (2), wy£Aiv ich wiehere (°) gegen tosk. vegsyjegh, vje, YEvyeras. Den Laut des griech. v drücken Blanchus und Lecce durch &, und seine Länge durch 2 aus. Ich setze dafür in dem mit latein. Schrift geschriebenen nordalbanesischen Dialekt ü, ü, und schreibe daher die Benennung der Zahl zwei im nordalb. dü und im Toskischen nach Hrn. v. Hahn dü. Durch die Unterdrückung des Vocals des ursprünglichen, vom Sanskrit bewahrten Stammes dva und durch die Vocalisirung des Halbvocals steht die alba- nesische Form zur sanskritischen in einem ähnlichen Verhältnils, wie das präkritische dudiö der zweite (nom.) zum skr. dvit/ya-s, und wie bei dem Pronom. der 2ten P. das lat. zu, griech. TU, ev, goth. /ru, slaw. TbI zü zum skr. tva-m. Aus dem Umlaut, welchen im Albanesischen der v-Laut in dem erwähnten Zahlworte erfahren hat, darf man nicht eine nähere Verwandtschaft desselben mit dem griech. duo, dum folgern, denn sonst könnte man auch annehmen, dafs das slaw. TbI zü dem griechischen TU, ou historisch näher stehe, als dem sanskritischen Zvam, lat. zu und goth. /Au. (S. 459) Ich erinnere daran, dafs auch in den slawischen Sprachen mehrere Zahlwörter ein mit 2 anfangendes Suffix enthalten, welches man von der Gesammtform abziehen mußs, wenn man diese mit der entsprechenden der verwandten Sprachen vermitteln will (s. vergl. Gramm. $. 313. Anm. ***). Das betreffende Suffix lautet im Altslawischen z: und findet sich bei der Zahl zehn auch im Litauischen, wo des imti-s als abstractes Substantiv mit dem Genitiv des gezählten Gegenstandes construirt wird. Das Sanskrit zeigt dieses Suffix in einigen höheren Zahlen, z. B. in sas-fi sechzig, womit der slaw. Stamm sestisechs fast buchstäblich übereinstimmt; doch ist in dem skr. Ausdruck die Zahl zehn, wenigstens geistig, enthalten; formell aber bis auf ihr Abstraktsuffix z untergegangen, so dals ii für dasati steht (l. c. p. 454). Stünde das Albanesische in einer näheren Beziehung zu den slawischen Sprachen, und nicht blols in der einer urverwandtschaftlichen, so läge es nahe, (‘) Vom lat. Stamme virgin, dessen n im Toskischen zu g geworden. Über das Abstract- suffix ı s. S. 492. f. als (2) Ich fasse die Form vjı als Schwächung von vj@, welches nach Blanchus sowohl männlich weiblich ist. Als männlich erscheint es z. B. in dem Sprichworte nja gür sban (s-ban) mur „ein Stein nicht macht Mauer.” (3) Das gegische v wird nach v. Hahn p. 4 ad 20 wie das französische n in on, sans ausge- sprochen. %, und %, unterscheiden sich in den beiden Dialekten so, dals ersteres wie unser h vor Vocalen letzteres wie ch, griech. X, ausgesprochen wir. Am Wort-Anfange ist %, vorherrschend und x%, vielleicht den echt albanesischen Wörtern ganz fremd. In der Mitte der Wörter und schlielsend erscheint %, nicht selten. 19 Borr Qu der Sylbe re von SYjiasre, FTa@-TE etc. mit dem slaw. zi des Stammes ses-ti und analoger Formen zu vermitteln. Ich verzichte aber auf eine solche Vermittelung und glaube, dals das alban. Suffix r£ der Grundzahlen in seinem Ursprunge identisch sei mit dem Ordinal- suffhix 7 Za, litau. za, griech. 70, lat. zu, wie ich auch das nz der lateinischen Grundzahlen septem, novern, decem nicht mit dem n der skr. Stämme der entsprechenden Grundzahlen süptan, nävan, däsan vermittele, sondern mit dem Suffix ma der Ordnungszahlen sapta-mä-s, nava-mä-s, dasa-md-s, wie auch im Slawischen die Grundzahlen sed-mj 7, os-mj S (Them. sed-mi, os-mi) in ihrem Suffix zum skr. ma der entsprechenden Ordnungszahlen sapta-m&-s, asta-mä-s stimmen ('). Im Toskischen wird zur Bildung der Ordnungszahlen an das schon vorhandene Suffix r€ noch einmal 7 angefügt, so dals z. B. aus tere acht, die etwas monströse Form TETETE (achter) entspringt. In den von Blanchus (p. 172) gegebenen Ordnungszahlen des nordalbanesischen Dialekts findet sich dagegen das mit 2 anfangende Suffix nur einmal, und lautet im männlichen Nom. sg. mit dem hinten angefügten Artikel z: zi (2-i), bei der Zahl neun aber, wegen des schlie- (senden n, di; daher z. B. i gias-ti der sechste (2), i sza-ti der siebente, i Ze-zi der achte, inan-di der neunte, i die-ti der zehnte, z.nja mbe dieti der elfte (ein er über den zehnten)etc. Da die Ausdrücke für 2, 3 und / in der Grundzahl kein Suffix haben, so macht sich hier das wahre Ordinalsuffix um so bemerklicher. Man vergleiche i kater-ti mit dem skr. datur-?ä-s (aus ka...), griech. TETaR-TO-5 (aus zE..), und litau. ketwir-ta-s, Das s der Zahl 5 (r&TE) scheint das Albanesische selbstständig aus dem ur- sprünglichen k (skr. c’ aus k) entwickelt zu haben, wie wir schon oben (S. 508) einen Zischlaut aus einem ursprünglichen Guttural haben entspringen sehen. Die Ordnungszahl lautet nach Blanchus i pes-2i und stimmt in ihrem Suffix zum sanskr. pan’c’a-/4-s (im Veda-Dial.), litau. penk-ta-s, slaw. HATZ1 pan-zü, (definit.), gr. TEUT-TOS und lat. quinc- -tus, quin-tus, steht aber ganz isolirt durch ihren Zischlaut statt des ursprünglichen Guttu- rals. Ein solcher, jedoch das weiche 5 (£, 3) findet sich auch in der Benennung der Zahl zwanzig, vje-CET, nja-set, eigentlich eine Einds, dagegen duler vierzig,(d.h. zwei Eikaden), wenn, wie es höchst wahrscheinlich ist, und wie auch Pott annimmt (3), die Sylbe der mit dem skr. s’ati von vinsdti zwanzig verwandt ist. Ich lasse hierbei (‘) S. vergl. Gramm. $.315 und über die Identität der Grund- und Ordnungszahl der Zahl 10 im Altpreufsischen meine Abhandlung „Über die Sprache der alten Preufsen” S.45. (2) Der vorangestellte Artikel ist bedeutungslos, und unser der, z.B. in : giasti der sechste blols durch das schlielsende z ausgedrückt, wie in ? madi der grolse, während imad blols grols bedeutet. (?) „Die quinare und vigesimale Zahlmethode” p. 102. (8) (4) (5) über das Albanesische in seinen verwandtschafllichen Beziehungen. 513 den albanes. weichen und sanskritischen palatalen harten Zischlaut unabhängig von einander aus dem organischen k der Urform entspringen, da das Albanesische nicht wie die letti- schen und slawischen Idiome oder der medo -persische Sprachzweig erst zu einer Zeit vom Sanskrit sich getrennt hat, wo das palatale s schon aus k sich entwickelt hatte. (!) Daher zeigt das Albanesische in den meisten vergleichbaren Formen einen Guttural statt des skr.Q]_ s, z.B. in #jev Hund gegen skr. s'oan (thema), im gegischen Djex,EQ Schwiegervater (s. v. Hahn II. p. 6 s. v. vjegp- = vjeg-ı), wofür bei Blanchus vicherri (ch als Ausdruck der gutturalen Tenuis) gegenüber dem skr. Svasüra=s, gr. Enupcs, lat. socer, althochd. sueher, lit. sesura-s. Die slawischen Sprachen haben bei diesem Worte den alten Gutiural bewahrt, oder ihn aus einem früheren Zischlaute wieder hergestellt (russ. svekor, slowenisch sveker), wie häufig slaw. X aus einem älteren Zischlaut entsprungen ist, z. B. im altslawischen CHOYA Schwiegertochter gegenüber dem skr. snusd’ und alban. viTe, welches letztere treuer erhalten ist, als das gr. vvos und lat. nurus. Die albanes. Be- nennung der Zahl hundert, #jtv7, für skr. sata'-m (aus kata‘-m), gr. zarov (E-zarov), erregt durch ihren Nasal den Verdacht einer Entlehnung aus dem Lateinischen, zumal die höheren Zahlbenennungen in vielen Sprachen sich fremde Einmischungen haben gefallen lassen, und das alban. nie (argyrokastr. Kırje) offenbar von römischem oder romanischem Ursprunge ist. Die Zahl hundert scheint mir aber noch nicht hoch genug, um hier schon eine spätere Entlehnung zu erwarten, und der eingeschobene Nasal nöthigt dazu eben so wenig, als bei dem litauischen simta-s, dem wallisischen und armorischen cant, kant und bei den germanischen Benennungen dieser Zahl. (S. 460) Die einfache Benennung des Tages ist dir£ (fem.), dessen Endsylbe in dem Adv. Co-T vertreten ist, wenn nicht dessen 7, in Folge des oben (S. 510) besprochenen Laut- gesetzes für d steht und die nordalban. Form sod, bei Blanchus, die etymologisch richtigere ist. Hinsichtlich seiner Wurzel führt dire Tag zum skr. divleuchten, glänzen, wovon auch im Sanskrit mehrere Tagsbenennungen stammen, unter andern divan (nom. divä) und divä (in divä-kara-s Tag-Macher, eine Benennung der Sonne, divä-rätra-m Tag und Nacht). — Der skr. Wz. div glänzen scheint auch die alban. Benennung der Sonne, die?, mit Artikel dieR-ı, entsprossen zu sein. (S. 461) Die Plurale viTTege - TE die Jahre und vITOEDE-TE die Kälber (s. v. Hahn III. p- 9) erinnern an das skr. vatsara-s Jahr. (S. 461) So auch derjenige nordalbanesische Dialekt, worauf die Grammatik von Lecce und das Dietion. Epiroticum von Blanchus sich stützen, dem überhaupt das Gegische sehr nahe steht. Der Knochen heist nach Bl. as ze (ohne angehängten Artikel). (') S. vergl. Gramm. p. 1255 ff. Anm. und „Über die Sprache der alten Preufsen.” p. 6 ff. Philos.-histor. Kl. 1854. Tit 51 (6) (7) 4 Bor (S. 461) Das n der nordalbanesischen Dialekte gegenüber dem toskiscben p ist meistens ursprünglich; gelegentlich aber auch die Entartung eines ursprünglichen r, wie z. B. in verafevisr brüderlich, veAalevi-@ die Brüderschaft, gegenüber dem toskischen veradegidrT, veralEpta (s. pp. 485, 494). Unter den von Hahn (p. 16) erwähnten Wörtern erinnert das gegische boeörev Hagel (tosk. bpeöep) an das skr. vars-ana-m Regen (Wz. vars, vrs regnen). Vielleicht gehören auch veoe Thau, feiner Regen, verov es thaut, zu der erwähnten skr. Wurzel, die also hier eines g verlustig gegangen wäre, das ursprüngliche v aber unverändert gelassen hätte. Zum skr. varsa-s Jahr (eigentlich Regenzeit, auch Regen), wovon varsiyas älter (bejahrter) varsista-s der älteste, könnte das tosk. vegre-@ das Alter gezogen werden. (S. 461) Blanchus und Lecce schreiben vellaa (aa — ä, s. Anm. 1, p. 507), mit Bewahrung der ursprünglichen Länge hinter der Liquida. Die Stelle des v wird wohl früher ein 5 ein- genommen haben, was man für das skr. 2 zu erwarten hätte, da, was wichtig ist zu beach- ten, die alten oder ursprünglichen Aspirationen dem Albanesischen überhaupt (wie den slawischen, germanischen und keltischen Sprachen) entschwunden sind, und in der Regel 5 für A 6, und d für 2 d;8,Y für gh (weiches %,) erscheint, gelegentlich aber auch eine Tenuis für skr. aspirirte Media, namentlich in tu@ (auch Ti, mit Art. TUH-L, Tia-ı, plur. rUme-re) Rauch gegenüber dem skr. düma'-s, gr. Süuo-s (SUw), lat. fumus, slav. düm’. Ein interessantes Wort mit d für skr. d ist 2ivdj, nach v. Hahn „ich überrede, bringe durch Zwang zum Geständnils”, Passiv oder Reflexiv bivdgu „ich willige ein, beuge mich, gestehe auf der Folter”, Part. perf. pass. bivdugt, gegisch und ursprünglich bivduvı „der gehorsame, gebändigte”, ı ru Bivdugı „der unbeugsame” (ungebundene?). Ich halte binden für die verlorene Grundbedeutung dieses Verbums und das skr. band für die Urgestalt der Wurzel, die also ihr a im Alban. wie in unserem Präsens (im Gegensatze zum treuer erhaltenen Prät.) und in der verwandten griechischen Wurzel zı9 (') zu ı geschwächt hat. Die Bedeutung binden hat schon Ernesti, gestützt auf reirua, als die ursprüngliche von r&ıIw erkannt. Hr. v. Hahn (III. p. 14) falst die ich falle als Stamm von divden ; ich sehe aber nicht ein, wie man von die zu der Form Bird, welche ganz das Ansehen einer echten Wur- zel hat, gelangen kann. Auch stellt sich die Bedeutung binden viel leichter als fallen als Ausgangspunkt für die Bedeutungen der von der alban. Wz. divd hervorgegangenen Formen dar. Ich erinnere an unser bändigen. des gle (') S. Pott E. F. 25t und über das anfangende 7 für ß durch den rückwirkenden Einfluls aus d hervorgegangenen NS; Ag. Benary „Römische Lautlehre” p. 195 und mein ver- ichendes Accentuationssystem Anm. 19. über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 515 Zu den albanesischen Wörtern, welche im Plural den ursprünglichen Sprachstamm treuer als im Singular bewahrt haben, gehört aulser ver@ noch ein anderes Verwandt- schaftswort, nämlich virr-ı der Neffe, plur. VIMMEgE-TE, gegenüber dem skr. Stamm naptä'r (geschwächt naptr'), nom. pl. naptär-as. Im Fall bei diesem Worte die Ver- doppelung des 7 nicht blols graphisch und willkührlich, sondern etymologisch begründet ist, was ich jedoch nicht glaube, so liefse sich ver r-ı durch Assimilation aus virr-ı erklä- ren. V. Xylander schreibt mit einfachem 7, ohne Arttkel, vir. Eben so Blanchus (nip). Von reibr-ı der Priester (mes Qursgos) lautet der Plural moubTegETE; von Ajune-ı der Fluls (aus Zumen): Ajunsga-TE (g für v, s. p. 461), von Hbger-ı der König (FgereQeS): Mbger£ge-TE ('!), von üvaj-ı der Oheim (avunculus): uynjege-TE (für uvajeAe-TE), von meadır-ı der Prophet: moObITEgE-TE. In Bezug auf letzteres ist daran zu erinnern, dals die griechischen Bildungen auf 79-5 in ihrem Ursprung identisch sind mit denen auf ryg (s. vergl. Gr. $S. 145, 810), und dafs Bildungen auf 74-5 und rng häufig neben einander bestehen, weshalb man sich zu mpadırege-Te einen griechischen Plural moohnTAgES denken kann. — Da die abgeleiteten Wörter des Albanesischen in der Regel aus dem vollkommeneren oder erweiterten Stamme des Plurals entspringen (s.p. 494), und das Nordalbanesische gerne n für r setzt, so muls ich hier noch darauf aufmerksam machen, dals Blanchus den lat. Plur. presöyzeri durch prijftenite (te der Artikel) und sacer- dotissa durch priftenisa übersetzt (wo a der weibliche Artikel). Für letzteres zeigt das Toskische: meubregeos-a und das Gegische: moudreveiz-a. So Hbgeregeöe-a = gegisch Hbgerevese-a die Königin. Feminina dieser Art kommen im Albanesischen vorzugs- weise bei Fremdwörtern vor. Sie sind vielleicht Nachahmungen analoger romanischer Bil- dungen, wie im Mittelhochdeutschen Formen wie prophetisse, doschösse, suldierse „und schon in älteren, halbniederdeutschen Glossen (sagt J. Grimm II. 325 f.) clüsener-se, to1- ner-se, munzer-se, becker-sa (pistrix) statt der rein-mhd. Klosnerinne, zolnerinne, beckinne.” etc. (S. 462) Lecce gibt nur den Femininen und den an der ersten (eigentlich weiblichen) De- clination theilnehmenden männlichen Substantiven im Accusativ die Endung ne, den männ- lichen Adjectiven aber, und den zur 2ten und 3ten Declination gehörenden Substantiven (sämmtlich masculina) ein blofses n; z. B. temirin (te mir-i-n) den guten, aber Zemirene (te mire-ne) die gute; gurin (gur-i-n) den Stein, barkun (bark-u-n) den Bauch, aber (') Über den nasalen Vorschlag s. p. 498. V. Hahn setzt (HM. p- 36) doppeltes 7, v. Xylander nur eins. Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, dals Blanchus das lat. imperator durch perendij übersetzt, worin man leicht eine Entstellung des lat. Participialstamms imperant erkennt. Über den Verlust der Anfangssylbe s. p. 49s. cu 51 (9) 6 Bor» gruene dieFrau. Doch lautet das Relativ zsi% ( sil-i) im männlichen Ace., nach Lecce, isilne (für isiline). Das aufangende i ist der vorgesetzte, aber bedeutungslose Artikel, wel- chen Lecce und Blanchus stets mit dem folgenden Worte verbinden, und wofür die Bibel- übersetzung und v. Xylander : setzen (jedoch getrennt), wodurch der albanes. Artikel eine gewisse Ähnlichkeit mit dem griechischen erhält, wobei jedoch zu berücksichtigen, dals im Neugriechischen, worauf diese Schreibart sich stützt, der Laut des Spir. asper verschwun- den und sein Zeichen bedeutungslos und überflüssig ist. — Sollte die oben (S. 462) ange- deutete Vermuthung, dafs der albanes. Artikel identisch sei mit dem sanskritischen defec- tiven Demonstrativstamm i, sowie mit dem goth. ? von i-s er, i-na ihn etc., ungegründet sein, eo würde ich das alban. ı als Zusammenziehung des skr. Relativstammes J ya (y =j) erklären, der im Litauischen die Bedeutung „‚er” angenommen hat (!), wozu also das oben (p- 453) erwähnte alban. flexionslose ı ihm, ihr, sie (eos, eas) stimmen würde. Diese Erklärung würde vor der früheren den entschiedenen Vorzug haben, dafs nun das männ- liche ı, z.B. von xjev-ı der Hund, ı Big-ı der gute, und das weibliche ja, ia von Yoau-ja die Frau und dem nord-albanesischen e zmire-ia die gute einem und demselben skr. Pronomen angehören würden, dessen männlicher und neutraler Stamm Q ya und dessen weiblicher af y& lautet. Ersterer hat sich auch im Altslawischen im männlichen Nomin. Acc. zu i zusammengezogen, welches i als Accus. „ihn” bedeutet, während der Nomin. für sich allein nicht vorkommt, sondern in Verbindung mit der Partikel SRE se (HSRE ise) „welcher” bedeutet (s. vergl. Gr. $. 282) und in der definiten Declination der Adjective die Stelle des albanesischen ı des angehängten Artikels der Substantive und Adjective einnimmt. Man vergleiche z. B. TOVZRAHH tus di-i (der Aussprache nach = tusdi-j) der fremde, fem. TOY5RAATA tusda-ja (s. Miklosich Gramm. p. 26, 27) mit nordalbanesischen bestimmten Adjectiven wie i mir-i der gute, e mire-ia die gute und mit toskischen bestimmten Substantiven wie »jev-ı der Hund, Youa-ja dieFrau— Darin weicht aber das Albanesische vom Slawischen ab, dals es das auf das skr. Relativ sich stützende, suffigirte Pronomen nicht auch im Genit. beibehält, sondern hier im Masc., wie im ganzen Plural der beiden Geschlechter der bestimmten Declin., sich demjenigen De- monstrativum zuwendet, worauf der griechische und gothische Artikel sich stützen; gleich- sam um ebenso sehr gegenüber den slawischen und lettischen Sprachen, wie vermöge des Nom. und Acc. sg. gegenüber dem Griechischen sich selbständig und selbstschöpferisch zu zeigen. (S. 462) An den weiblichen Pronominen a-j6 jene, sie, und #£-jo diese, vertritt Jo, als Entartung von ja, die Stelle des weiblichen Artikels, während in ai jener, er, der zweite (') Nom. m. ji-s aus ja-s, Dat. ja- m etc., s. vergl. Gr. $. 282. über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 517 Theil des zusammengesetzten Pronomens mit dem an Substantive und Adjective ange- hängten Artikel völlig identisch ist. Lecce schreibt ai als Diphthong, aber auch bei dieser Aussprache müssen doch @ und ; als zwei verschiedene Pronominalstämme gelten, wovon jeder einzelne zum Ausdruck obliquer Casusverhältnisse des Pronom. der 3ten P., dem Verbum vorangehend, auch einfach gebraucht wird. (') Der Ausganp ıy von xury die- ser ist eine Entartung von ij (s. S. 466) und gilt mir ebenfalls als Artikel. (10) (S. 463) To& was? vertritt die Stelle eines Neutrums; das schlielsende & aber wird ge- wöhnlich, selbst vor Consonanten, unterdrückt (v. Hahn $. 24. I.), daher z. B. 75’ do was willstdu? Das 75 falst Hr. v. Hahn (p. 57) mit Recht als Erweichung von x, wie auch dialektisch röıvr hundert für zjıvr, r5ev Hund für #jev und 7Oıy ich beschlafe für ty vorkommt. (2) Es entspricht also dieses 75, als einfacher Buchstabe gefalst, dem im Slawischen aus £, vor e und ;, entspringenden 4 c, sowie dem ital. c vor e und :. Auch ist daran zu erinnern, dals das skr. qE überall die Entartung eines k ist. Dagegen ver- tritt das alban. 75 gelegentlich die Stelle eines 7, @ oder &. — In Bezug auf das, Neutral- stelle des Interrog. vertretende 77 ist noch zu bemerken, dafs das Albanesische ein eigent- liches Neutrum gar nicht besitzt. ‚Die Formen, welche man für sächlich hielt (sagt Hr. v. Hahn p. 27), ergeben sich als männliche und weibliche Pluralformen.” Dies gilt jedoch, was die Adjective und Pronomina anbelangt, nur vom Nom. und Acc. der von Lecce dem Neutrum zugeschriebenen Formen; z. B. te mire-te das gute (in der bestimmten Declin.) ist der Nom. Acc. pl. masc.; ebenso at# jenes. Dagegen gehören die Genitive (zugleich Dative) te mir-i-t, atii (at?) dem Singular des Masc. an. So wie das 75 von 75 von gutturalem Ursprung ist, so muls auch das 77 von TTiA-ı wer? welcher? fem. rrıA-ja — oder mit 9 für A: TTI-L, ToiQ- @ — als Entartung von x gefalst werden; denn in anderer Weise lielse sich dieses Interrogativum mit den urver- wandten Sprachen nicht vermitteln. Das schlielsende ı, fem. j@ oder «, ist der angehängte Artikel. Durch das vorangehende A oder 9 erinnert dieses Pronomen an die in meiner vergl. Gramm. $. 415 ff. besprochenen Correlativa, worunter das präkritische kerisa wem ähnlich, wo ri (aus di) dem lat. % von qualis entspricht, und das Ganze dem skr. kidrs’a-s (aus kidarkas), welches eigentlich soviel als wie aussehend? bedeutet. In dem oben (S. 516) erwähnten nordalban. :-sil-i ist das s offenbar eine Verstümmelung von Zs und die interrogative Bedeutung in die relative übergegangen. (') S.p.483 und v. Hahn p. 52. (2) V. Hahn p. 20. Vielleicht ist #jıy (aus #j1j s. p. 166) verwandt mit der skr. Wz. s’’ (aus ki), liegen, schlafen, gr. xei-uaı. 518 Borr (11) (8. 464) Über die altslawischen Locative HAtZ na-s’ und BACZ va-s’ s. vergl. Gramm. $. 783 Anm. * in Abweichung von l. c. $. 338. (12) (S. 464) Was die bei Lecce vorkommenden Plural- Ablative auf sit anbelangt, z. B. gräsit, guresit, neben gräs, gures, so ist T offenbar der angehängte Artikel — wie in den Genitiven auf ve- — und das vorangehende ; ein Bindevocal. Im Toskischen kommt bei v. Hahn nur in der unbestimmten Declination eine besondere, vom Genitiv unterschiedene Form des Ablativs pl. vor, also blofs der Ausgang 6, nicht Gır. (13) (S.465). Das Albanesische wiederholt dadurch, dafs es das Genitiv- Verhältnifs durch ein angefügtes Pronomen ausdrückt, den früheren Entwickelungsgang unseres Sprach- stammes, wenn ich Recht habe, in dem Genitivzeichen s den sanskritisch-gothischen Demon- strativstamm sa mit Verlust seines Endvocals, und in der volleren Genitiv-Endung £ sya, griech. 10 aus 10, z.B. von devd-sya, Iecie, den skr. Stamm sya, fem. sy& zu erkennen (s. vergl. Gramm. $. 194), worauf unter andern der althochd. Plural sie masc., sio fem., siu neut. (unser sie in allen Geschlechtern) und der Nom. und Acc. sg. fem. siu, sia, so wie der goth. Nom. sg. fem. si sich stützen. (i4) (S.466) Sowie der Singular-Artikel ı, z. B. von xjev-ı der Hund, mit dem ı des zusam- mengesetzten, d. h. mit dem suffigirten Artikel versehenen Pron. arj ener, er, zusammen- hängt, so besteht offenbar auch eine Verwandtschaft zwischen dem Plural-Artikel rg von #jev-re die Hunde und dem Schlulstheile von ara illi, ii, und x&-7« hi, deren Endsylbe mir ebenfalls als angefügter Artikel gilt. Ich fasse darum das & des Plural-Artikels 7£ der Substantive und Adjective im Masc. als eine Schwächung des « von a-Tq, KE-TO. Vielleicht ist aber das @ von -T« selber eine Verstümmelung des Diphthongs «ı, ungefähr wie in den gothischen passiven Personal-Endungen das a von hait-a-da er wird ge- nannt, hait-a-za du wirst genannt, hait-a-nda sie werden genannt, dem skr. € (aus ai) und griech. «ı der entsprechenden sanskritischen und griech. Endungen ze, raı, se, vaı (dido-Fau), nte, vr@i gegenübersteht.. Ist dem so, so stimmt T@ von a-Ta, #E-Ta zum sanskritischen männlichen Plural-Nomin. ze (aus zai), des Demonstrativstammes 77 Za, sowie zum goth. ?rai des Artikels und zum dor. ro. Die Schwächung von @ zu € welche der alban. Artikel der Substantive und Adjective erfahren hat, ist veranlafst durch die gröfsere Belastung durch die Zusammensetzung. Ebenso bei dem bedeutungslosen, vorangestellten Artikel der Adjective, der mit dem Worte, welchem er vorangeht, ein phonetisches Ganzes ausmacht und auch von Blanchus und Lecce graphisch damit verbunden wird. Lecce schreibt z. B. zemirete die guten (bei v. Hahn re KIBETE). — Stützt sich aber das schliefsende @ von a-ra illi, ii, auf den Diphthong £, ai, oi von A t£, thai, Tol, so kann man den Aus- gang o der weiblichen Formen @-T0 illae, eae, #£-79 hae mit dem skr. äs und goth. ds von über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 519 täs, thös so vermitteln, dals man eine Unterdrückung des schlielsenden s und eine Schwä- chung des langen & — welches im Gothischen am gewöhnlichsten zu 6, seltener zu € geworden ist — zu o annimmt. Den Übergang eines ursprünglichen # zu o haben wir bereits im weiblichen Singular-Nominativ a-j6 jene, sie, #£-j6 diese, wahrgenommen, wo jo dem skr. Qfy& entspricht. Ich erinnere noch an das Verhältnils der negativen Par- tikel Xo-s nicht zum skr. prohibitiven znd. Jedenfalls kann es nicht befremden, dafs die sanskritischen Endungen € (aus ai) und äs, worauf im Plural der Pronomina der Ge- schlechts-Unterschied beruht, im Albanesischen ebenfalls verschieden lauten. Am Artikel der Substantive und Adjective aber hat sich sowohl o als @ zu € geschwächt. Beachtung verdient jedoch, dals die weiblichen Adjective im Plural, sowohl in der unbestimmten, als in der bestimmten Declination, den Ausgang a lieben (s. v. Hahn p. 46 f.), und dals z. B. von Wige guter, gute, der weibliche Nom. Acc. pl. TE nipa (dyaSaı, ayaSas), TE WiO@-TE (ai ayaSaı, Tas dyaSas) lauten. Wenn dieses & eine organische, auf den Ur- zustand unseres Sprachstamms sich stützende Begründung hat, und wenn das weibliche & des Singulars wie oben (p. 492) vermuthet worden, wirklich auf den skr. Feminincharakter “sich stützt, so könnte man in dem @ des Plurals einen Überrest der skr. pluralen Nomi- nativ-Endung as — z. B. von sundary-as pulchrae, euphonisch für sundari-as, vom Stamme sundar? — erkennen und annehmen, dafs diese Endung gleichsam versteinert, und mehr den Numerus als den Casus bezeichnend, auch in den übrigen Casus beibehalten werde, ungefähr wie das s englischer Plurale wie fshes, obwohl es nur dem Nominativ und höchstens noch dem Accus. zukommt (goth. fiskös, accus. fiskans, angels. fiskas im Nom. u. Acc.) sich über den ganzen Plural erstreckt. Es stünde demnach im Albanesischen der Plural r& Kiga, TE Wioa-TE für Te Nipj-@, TE nigja- TE; und von Kiga, zum weiblichen Pluralstaımm erhoben, käme der Genit. Dat. r& niga- ve der unbestimmten Declin., und 7& Higa-ver der bestimmten. Auch in Bezug auf die weibl. Substantive auf sagt v. Hahn (p- 30 nr. 3), dals sie dasselbe in der Regel im Plural mit & vertauschen. Man kann darum auch das Verhältnils von Yev-a@ Monde zu SuEvE Mond so fassen, wie z. B. im Sanskrit das Verhältnils von nady-äs Flüsse zu nad’ Flufs. Es stünde demnach %gv-a für Xevj-a oder %,ev£-a, und das schlielsende & von %,&ve wäre nicht vertauscht mit @, sondern unter- drückt vor dem zugetretenen @, wie im Genitiv sg. vor dem Genitivzeichen & (%v’- € Mondes, s. Anm. 17). Ich erinnere an ähnliche Erscheinungen im Gothischen, wo z. B. die Stämme gast” mase. und ansti fem. im Genit. pl. gast’-£, anst’-e für gasij-&, anstj-E bilden. (15) (S. 466) Über den albanesischen Vocalwechsel in der Declination und Conjugation s. Anm. 28. 520 Borr (16) (S. 466) Über den Pronominalstamm ve und die zusammengezogene Form u s. S. 478 ff. Im Nom. Acc. pl. der Pronomina der beiden ersten Personen steht ver nicht als Casus- Endung, sondern als wirkliches Pronomen und entspricht hier, wie mir scheint, dem Sinne nach nnserem selbst; also v@-ver oder ve-ver als Nom. eigentlich wir selbst, als Acc unsselbst; und jü-ver ihr selbst, euch selbst. In diesem Sinne fasse ich auch die Sylbe ve oder ver von arupe-ve, arUge-ver ihrer selbst, ihnen selbst, während arupe (mit ge aus ve als Casus-Endung) blofs ihrer und ihnen bedeutet. (17) (S. 466) Ich muls darauf aufmerksam machen, dafs auch die Genitiv-Endung € der ersten, eigentlich weiblichen Substantivdeclination in der unbestimmten, d.h. artikellosen Form, z. B. von di-e (al’yos) sich insofern als ein Pronomen erweist, als sie identisch ist mit dem vorgesetzten weiblichen Artikel e der Adjective, z. B. von € Hip’- a die gute, Mine gute. Dieses € wird auch, ebenso wie der männliche Artikel ı, den artikulirten Substan- tiven, wenn ihnen ein von ihnen regierter Genitiv folgt, nachgesetzt; so dals der Artikel des regierenden Wortes doppelt ausgedrückt ist, einmal angehängt, und dann nachgesetzt. Der Genitiv muls in diesem Falle ebenfalls die bestimmte Form haben; daher z.B. dip-ı ı megvdise (') der Sohn, der desGottes, varl-a &e babaır die Tochter, die des Vaters. Dagegen 19 megvdie Sohn Gottes, vare babaı Tochter Vaters (s. v. Hahn p- A ff.) (18) (S. 466) Man findet den Schlufsbestandtheil von @-7Tiy auch einfach, namentlich hinter Präpositionen, z.B. Marc. II. 14: u vzge € vare mas tıy undeererhob sich (s. S.4sof.) undfolgteihmnach (ging nach ihm). In derselben Weise werden auch die übri- gen Casus des mit 7 anfangenden Pronominalstammes hinter Präpositionen statt der For- men gebraucht, in welchen derselbe in Verbindung mit dem Pronomen « als nachgesetzter Artikel steht; z. B. der Accus. TE (= skr. ta-m, goth. tha-na, gr. 70-v) Luc. XV. 20: € ı £odı xeir meg TeundihmkamMitleidüberihn. Auch wo der Genit. des Pronom. der 3ten P. die Stelle des Possess. vertritt, steht 72, nicht arıy, z.B. Marc. VI. 4: vag vevr TETIYE voeoteriTe rıy im Lande (in Land) dem von ihm und im Hause (in Haus) demvon ihm; (Marc. VII. 6: eu a-da KaSyriver TE Tıy und ihnen er sie (die 7 Brode) gab den Jüngern seiner (wörtlich von ihm) (?). Analog und (') Tlegvat Gott folgt der ersten, d. h. weiblichen Declination. Etymologisch bedeutet dieses Wort, wie ich glaube, „Herr” und ist verwandt mit dem oben (S. 515 Anm.) er- wähnten nordalban. perendij (= imperant). (2) re vor Genitiven muls als Präpos. mit der Bedeutung von gefalst werden, wobei daran zu erinnern, dals @€ auch in Comparativ- Constructionen die Präpos. vy@ von vertreten kann (v. Hahn p. /8.). Ich bemerke noch, dafs die als Possessiva der 3ten P. geltenden Formen sämmt- über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 521 gleichbedeutend mit 7ıyY ist @ıy (vgl. Tor heute, Fivjer heuer p- 460), welches eben so construirt wird wie rty, aber viel seltener vorkommt; z. B. Marc. I. 18: wave ras auy undsie folgten ihm nach (gingen nach ihm); XIV. 23: e rive moeiy Sıy Ye9E und sietrankenausihmalle. Diesem sıy steht als Fem. in ähnlichen Constructionen die Form sary (Te-ıy) gegenüber, z. B. in einer von Hahn p. 94 erwähnten Stelle: ueu« Yozjı vaıleve mas caıy dieMutter zogdie Tochternach sich. — Sollte ich oben (S. 466) Unrecht gehabt haben, die pronominalen Genitive auf y oder ıy mit der skr. En- dung sya und der altslawischen go zu vermitteln, so kann man darin auch eine Modification der substantiven Genitiv-Endung ı, z. B. von zjev-ı Hundes (S. 465) erkennen, in dersel- ben Weise wie der Ausgang ty von #ury dieser nichts anders ist als der Artikel, welcher in arje ner, er, sowie an Substantiven der 2ten Declin. (#j&v-ı der Hund) und den meisten Adjeetiven in Gestalt von ı erscheint. Bei der einen, wie bei der andern Erklärung bleibt das Y oder ıy, wie überhaupt am Wort-Ende im Toskischen, eine Entartung von j. So unter andern in der 1sten Singularperson des Präs. von Hahn’s 2ter Conjugation, wo z. B. #Evdery ich singe dem nordalbanes. kendonj (plur. kendo-je-me) gegenübersteht, welches besser als zevdcıy zur 2ten und 3ten P. zeva2v stimmt. Was die Endung ıy (= ij), nordalban. i, des weiblichen raıy, sai (a-Taıy, ZEIG, asai, kesai) anbelangt, so ist die- selbe entweder vom Mascul. in das Femininum übertragen, oder sie stützt sich auf das weib- liche jo von @-js jene,sie, ze-jo diese (mit Unterdrückung des o), in derselben Weise wie die männliche Endung mit dem männlichen ı oder ıy von @-! jener, er, zury die- ser identisch ist. (19) (S. 468) Im Toskischen hat das Imperfect und der Aorist in der ersten Pluralpers. ein blolses u statt u£, während der nordalban. Dialekt auch in diesen Tempp. des Indicat. überall me zeigt. Im Conjunctiv des Aorists haben beide Dialekte den Vocal der Endung lich nichts sind als Genitive der kürzeren, d. h. einfachen Form des persönlichen Pron. mit vor- angestelltem Artikel, der sich nach dem Geschlecht und den Casus des Substantivs richtet, wovon der Genit. des persönlichen Pronom. regiert wird (vgl. p. 520 und v.Hahn p. 42 u. 61, 1). Was die Possessiva der 2ten Pers. anbelangt, so fasse ich die Form j0-TE deine (Zua, Marc. II. 32) im Sinne von A ToV nnd erkenne in jo den Schlufsbestandtheil des zusammengesetzten @-jec sie,jene (jo als angehängter Artikel) und in dem u von u-7 dein (Xylander p. 26, wofür bei Hahn jur) erkenne ich das oben (p.481) besprochene Pron. der 3ten P., welches als nachge- setzter Artikel der 3ten Declination erscheint (w2-u der Freund). Es bedeutet also u-r dein wörtlich 6 roV, wobei das im genitiven Verhältnils stehende Pron. der 2ten P. blols durch 7 vertreten ist, während in dem männlichen Plural erö deine (wörtlich ci ToDV Mare. III. 32) ru der von Xylander als Genitiv des persönlichen Pron. der 2ten P. aufgestellten Form Tu (TsV) entspricht, wofür bei Hahn rvey (mit ıy als Casus-Endung), bei Lecce zü. Philos.- histor. Kl. 1854. Uuu 592 Borr eingebülst. Mı für ue haben in beiden Dialekten: jet wir sind, #eXı wir haben und einige andere anomale Verba. Hier aber ist das ı nicht als Entartung des gewöhnlichen &, e zu fassen, sondern als Schwächung des ursprünglichen a der skr. Endung mas. (20) (S. 468). Vgl. Schleicher „Die Sprachen Europas” p. 143. Anm. (21) (S. 469) S. vergl. Gramm. $. 719 p. 983 f. In Bezug auf die althochdeutsche Endung mes der ersten P. pl., als muthmafsliche Entstellung der vedischen Endung masi, verweise ich auf l. c. $. 440, mit der Bemerkung, dals ich von den beiden daselbst gegebenen Erklä- rungen diejenige vorziehe, wornach nes aus masi durch Zurücktretung des schlielsenden i in die vorhergehende Sylbe und durch die in den Endungen sehr gewöhnliche Zusammen- ziehung von ai in & entstanden wäre. Es mülste aber diese Zurücktretung in einer Zeit eingetreten sein, wo das Umlautsgesetz, worauf sich Westphal (Aufr. und Kuhn’s Zeit- schrift II. 185) beruft, und wornach znesi (mit kurzem e) aus masi hätte werden müssen, noch keine Geltung hatte. Zur Voraussetzung einer gothischen Endung ai-mäs für ai-ma (im Conjunctiv) sehe ich keine Veranlassung, weil ich die Unmöglichkeit eines gothischen kurzen a am ursprünglichen Wort-Ende nicht zugeben kann, wenn auch in den meisten Fällen, wo a am Ende gothischer Wörter steht, dasselbe entweder der Überrest des Diph- thongs ai ist — unler andern in Dativen wie gasta für gastai (') — oder die Kürzung eines ursprünglich langen ö, wie z. B. in Feminin-Nominativen wie gida gegenüber den sans- kritischen wie surd Tochter (s. vergl. Gr. $. 69). Erhalten aber hat sich ein ursprüng- lich kurzes Schluls-a, abgesehen von den Dualen und Pluralen conjunct. auf ai-va, aima, noch in den pluralen Neutris wie hairzön-a corda, namn-a nomin-a, zend. naman-a (!) Die in meiner vergl. Gramm. $. 160 ausgesprochene Ansicht, dafs der goth. Dativ sich auf dem skr. Instrumentalis stütze, ist in der 3ten Abth. des genannten Buches (1337 p. 511 ff. Anm. 3 dahin berichtigt worden, dals der goth. Dativ sg. dem sanskr. Dativ sg. entspreche, die Casus-Endung aber in den meisten Wortklassen verloren hahe, namentlich kann ich in den Dativen wie gasta und anstai ebensowenig eine Casus-Endung erkennen als in solchen wie sunau und kinnau, wo sich das au deutlich als blolse Gunirung des Endvocals des Stammes zu erkennen gibt, was mich abhält, mit Westphal (l. c. p. 176), welcher die Berichtigung meiner früheren Ansicht übersehen hat, anzunehmen, dals in Formen wie mahtai das thematische z über- sprungen sei, der Ausgang ai aber der Casusbezeichnung angehöre. Der Dativ sing. erweist sich im Gothischen (wie überhaupt im Germanischen) gegen die Casus-Endungen entschieden feindselig, wie man sieht, wenn man nicht nur vulfa mit skr. vrkäya (zend. vehrkäi), tha- -mma mit Zäsmäi (them. t4-sma), fada mit pdtay-E (am Ende von Compp.), ga-mundai mit mätay-E, sunau mit sündv-e, kinnau mit hänav-e vergleicht, sondern auch bei consonantisch endigenden Stämmen brötkr mit bratr-e', dauhtr mit duhitr-E', auhsin mit üksan-£, R i namin mit nämn-£. über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 523 (s. vergl. Gr. p.1116 Anm.). Ich möchte wenigstens nicht mit Westphal (l. c. p.173) das einsylbige 276, vom Stamme ha des Artikels, als Beweis für die ursprüngliche Länge des a von Formen wir hairtön-a, ausön-a gelten lassen, denn bei £R6 aus tha-a ist eine Veran- lassung zur Länge, und diese ist wegen der Einsylbigkeit des Wortes geschützt worden, wie in dem weiblichen Nom. sg. sö — skr. sä (s. vergl. Gr. $. 137). Hinter consonan- tisch endigenden Stämmen konnte keine Zusammenflielsung der auch im Zend, Griechischen, Lateinischen und Slawischen kur zen neutralen Plural-Endung mit einem vorhergehenden Vocal eintreten, und es ist darum, meines Erachtens, gar keine Veranlassung dazu da, anzu- nehmen, dals die an den Endcons. des Stammes angefügte Casus-Endung von Formen wie hairtön-a, ausön-a jemals lang gewesen sei, wenn auch vielleicht Formen wie vaurda (aus vaurda-a vom Stamme vaurda) in früherer Zeit einen langen Endvocal hatten, den sie als mehrsylbige Wörter, nach $. 69 meiner vergl. Gramm., kürzen mulsten. — Was den Umstand anbelangt, dafs die vedische Endung fe masi, welche der althochdeutschen mes gegenübersteht, sich nicht wie dieses über alle Tempora und Modi erstreckt, so verweise ich auf 1. c. $. 439. (22) (S. 469) Das Nordalbanesische hat das alte a der Wurzel bewahrt. Lecce gibt die Form as t, Blanchus aber asze; eine treuere Überlieferung des skr. ös-£i. Man vergleiche auch das altpreulsische asz. (23) (S. 469) Die Form Scr&er spricht ist darum merkwürdig, weil sie auflser den ent- sprechenden Formen des Verb. subst. die einzige ist, welche die skr. Endung 7 im Praes. ind. mit der blolsen Entartung von i zu € bewahrt hat. Bei Passiven erklärt sich die En- dung Te des Präsens als Folge der Zusammensetzung des Hauptverbums mit dem Verbum substantivum. (24) (S. 470) Ich folgere dies aus dem Umstande, dafs bei den meisten Verben, bei welchen der betreffende Conson. zur Wurzel gehört, auch der Aorist, in allen Personen, und das Part. pass. ein 7 zeigen; z. B. von vyas ich berühre lautet der Aorist vyira (') oder vya-v« (s. p. 476 f.) und das Part. pass, VyWir-u-gE oder vy@-p8; von Ges ich verkaufe (v. Hahn p- 73) der Aor. Sıra, das Part. pass. Siruge. Man darf daher annehmen, dafs das s in der ersten P. sing., sowie in der ersten und 3ten P. pl. des Präs. und im ganzen Imperf. auf irgend einem euphonischen Grunde beruhe. Da die Endungen ze, ni und ne der ersten 2ten und 3ten Person des Plurals im Nordalban. nach Lecce bei einigen Verben dieser Klasse unmittelbar mit dem Thema auf s verbunden werden, so könnte man vermuthen, dals das s hier zur unmittelbaren Verbindung mit m und n geeigneter gefunden wurde, als (') Ich setze absichtlich nur Ein 7 (für Hahn’s vyırra), s. Anm. 1. nr. 3. Uuu2 524 Bor» T -Laute (vgl. griech. Formen wie ebeusuaı, TEerEIT URN, daher padisme wir klagten an,2.P. padisni, 3. P. padisne ('), aus paditme, paditni, paditne; dagegen pü£t-i-ni ihr fraget gegen püesme wir fragen. In Formen wie perkas-e-me wir berühren, perkas-e-nesieberühren mülste das e als spätere Einfügung und das s für z als Folge der vorauszusetzenden älteren Formen perkas-me, perkas-ne erklärt werden. Im Singular wäre das s der ersten P. im Gegensatze zu dem 7 der 2ten und 3ten (perkas ich berühre gegen perket du berührst, er berührt) durch den Einfluls des verlorenen Charakters der isten P. zu erklären, welcher sich im erhaltenen Sprachzustande nur in drei Verben hinter vorangehendem Vocal behauptet hat; also perkas aus perkas-m für das kaum mögliche perkat-m. Im Imperfect läfst sich im Nordalbanesischen das s von Formen wie perkisnjete ich berührte durch die hier überall eintretende Unbequemlichkeit der Verbindung eines t mit nj erklären (perkitnjete etc.), welches sich über alle Personen der beiden Zahlen, mit Ausnahme der 3ten sing., erstreckt. Diese lautet perkit, dessen z nicht der Personbezeich- nung, sondern dem Stamme angehört, wie das erste 2 von püetent er fragte (1. Pers. püesnjete). Was den Ursprung der Endsylbe derjenigen Verba anbelangt, bei welchen, wie bei perkas (aus perkat), das s oder 2 als unradical erscheinen könnte, so verdient es Beachtung, dals das s oder 2 sich nicht über das Präsens und Imperfect, d. h. über die Special-Tempora der Sanskrit-Grammatik, hinauserstreckt. Von perkas ich berühre, as ich spreche, moges ichschneide, lautet die 1. P. des Aorists preka, fola (tosk. borja), mo -va. Bei manchen Verben schwankt die Sprache hinsichtlich der Anerkennung oder Nichtanerken- nung der Wurzelhaftigkeit des betreffenden 7; so oben bei dem Aor. vyıra neben vyava, so bei #&Ads ich begrabe (?) (2. u. 3. #£A€r), wovon der Aorist xaA-@ und xaAr-a (v. Hahn p. 72). Überhaupt verdient jedes einzelne hierher gehörende Verbum eine be- sondere Untersuchung, und man kann nicht im Allgemeinen bestimmen, ob das Präsens und sein Bereich, oder der Aorist die Wurzel treuer darstelle. So halte ich perkäs, perket für zusammengesetzt mit der Präpos. per (s. p. 503) und für wurzelhaft identisch mit dem gleichbedeutenden v’yas, vyer mit nasalem Vorschlag (?). Wenn ich Recht habe, so hat (') Vielleicht ist die Anfangssylbe dieses Verbums eine verdunkelte Präpositon. (2) Man vergleiche das lat. ce/a-re und althochd. ARelan hehlen. 6) S. p. 498. Sollte die Wurzel Ya@r oder kat mit irgend einer skr. Wz. zusammenhangen, so dürfte gran? verbinden (präs. grat -nd -mi und grän?-ä-mi) am meisten Anspruch darauf haben, dem albanes. Verbum als Urquelle zu dienen, und somit dem letzteren ein r entwichen sein, wie z. B. der präkrit. Präpos. pa, aus pra. über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 525 der Aorist preka und die ihm analogen Formen eine Verstümmelung und zugleich eine Laut-Umstellung erfahren, und hierdurch das Ansehen gewonnen, als stamme er von einer Wurzel prek. In ges, moET schneiden (Aor. meE-va), Passiv moiTEN ich werde ge- schnitten, glaube ich die skr. Wurzel kart, krt spalten, abschneiden (vgl. griech. neiow, nag-F1s) mit Vertauschung des Gutturals mit einem Labial zu erkennen (vgl. S. 491). Es wäre somit der Aorist meE-va eines wurzelhaften 7 verlustig gegangen. Einen solchen Verlust darf man vielleicht auch bei solchen Verben annehmen, wo das 7 oder s der Special- Tempora nicht streng wurzelhaft, sondern ein unorganischer Zusatz ist, ähnlich dem, den z. B. die skr. Wurzel mä messen im gothischen mat (mita, mat, metum) erhalten hat. Hierher gehört z. B. voa@s, aus vgaT, ichtödte, 2te und 3te P. vgET, wenn dieses Verbum, wie ich vermuthe, mit der skr. Wurzel mar, mr sterben (märäyämi ich mach sterben, tödte) verwandt ist (s. Anm. 30). Der Aorist vol-va wird also wohl früher voara ge- lautet haben, oder es wird neben voa-va auch eine Form voara oder vorra bestanden haben, wie oben neben vya-va eine Form vyira. Die Verlängerung des @ von vp@-va, vya-va könnte als Ersatz für den weggefallenen T-Laut angesehen werden. — Die Verba vdes oder des ich sterbe und des ich zünde an (v. Hahn p. 73) gehören nicht in die hier besprochene Verbal-Klasse, da ihr 5 nicht von 7 stammt und daher auch nicht mit diesem wechselt; sondern das 5 des ersteren stammt von %k, dafür spricht der Aorist dırja und das Part. deruge gestorben. Dass von des ich brenne, wofür im Aor. und Part. pass. ein weiches s (2) steht, stammt von der gutturalen Media (s. p. 508). (25) (S. 470) Lecce, welcher wie Blanchus die Länge der Vocale durch Verdoppelung dersel- ben ausdrückt, bleibt sich nicht consequent in der Andeutung der Länge des Vocals des Conjunctivs des Hülfsverbums kam (ich habe), welches in seiner Grammatik sehr häufig in den periphrastischen Tempp. der verschiedenen Conjugationen vorkommt. Er schreibt in der isten P. sg. fast überall Aeern, in der 2ten und 3ten P. auch meistens kees , keet, oder keese, keete, in der isten P. pl. aber kerni, und in der 3ten kene, gelegentlich aber auch keene, namentlich p. 71, 77, 50, 82, 87, 88, 94 u. 102. Dem Conjunctiv von jam ich bin gibt Lecce (p. 117) nur in der 1sten P. sg. ein langes e (jeer). Ich mache hier noch auf die überraschende Übereinstimmung aufmerksam, welche das Althochdeutsche bei einigen auf ö ausgehenden Wurzeln im Präs. conjunct. mit dem Lateinischen, und den beiden alba- nesischen Hülfsverben darbietet. So lautet von szäm ich stehe (2. P. stä-s, 3. szä-2) der Conjunct. in der 2ten P. sing. sz&-s, also völlig identisch mit dem latein. sz£-s und analog dem alban. ze-5, je-5. Die Form sz&s ist zwar bei Graff nicht belegt, sie kann aber mit Sicherheit aus g&s eas (Wz. gä im Alth. wie im Sanskrit) gefolgert werden, und ebenso läfst sich im Plural aus gemes, get, gen (Graff IV p. 67) auf szemes, stet, sten (letzteres analog dem alban news, jeve) schlielsen. 926 Borr (26) (S. 471) Die Bevorzugung des alban. Conjunctivs vor dem Indicativ hinsichtlich des Schutzes des Personalcharakters in der 2ten P. sg. scheint ihren Grund darin zu haben, dals in jenem Modus die Personbezeichnung schon vor der Sprachtrennung in einem blofsen s bestand. Demselben Grunde verdankt auch in der 3ten P. xe7, gegenüber dem Indic. x@ (aus za-Tı, wofür za@Te zu erwarten wäre), das 7 seine Erhaltung. Hierbei ist daran zu er- innern, dals im Lateinischen die Endung IT mi (sum und inguam ausgenommen) ganz und gar unterdrückt worden, während das skr. m der secundären Endungen sich überall be- hauptet hat (s. vergl. Gramm. $. 431). Wenn im Nordalbanesischen nach Lecce für k&s‘ auch k&se oderkese, für j@s blols jese, und in der 3ten P. für ke auch kete, kete und für jet blols jete vorkommt, so leidet es keinen Zweifel, dals hier dase nur eine unorganische Anfügung an den ursprünglichen Schlulsconsonanten ist, wie in der 3ten P. pl. durchgrei- fend dem v ein £ und im gothischen Conjunctiv dem n ein a angefügt wird. Man ver- gleiche z. B. Bairaina ferant (begouev, zend. barayen) mit dem alban. neve habeant, jEvesint. Man vergleiche auch das angefügte gothische @ hinter dem 2 der Pronominal- Neutra, z. B. das Verhältnils von thata das, dieses zur skr. Schwesterform zat. (27) ($.472) Die Form ı5 stimmt zum vedischen ös, welchem ich in meiner vergl. Gramm. (p. 774) das dorische Ns als Analogon zur Seite gestellt habe. Ich halte jedoch diese Be- gegnung insoweit für zufällig, als die drei Sprachen, das Sanskrit, Griech. und Albanesische, unabhängig von einander das schlielsende z der Personal -Endung hinter dem wurzelhaften Zischlaut abgelegt haben, denn es ist nicht wahrscheinlich, dafs schon zur Zeit vor der Trennung unseres Sprachstamms das Sanskrit — wenn wir die Sprache der damaligen Zeit Sanskrit nennen wollen — den Charakter der 3ten P. sing. in derjenigen Conjuga- tions-Klasse, wozu die Wz. as gehört, hinter Consonanten aufgegeben hatte, nach einem Lautgesetze, in dessen Folge im erhaltenen Sprachzustande z. B. aan du tödtetest und er tödtete gesagt wird, in der zweiten P. für dhans, in der 3ten für dhant; so äsan sie waren (Nrav) gegenüber dem in der Endung treuer erhaltenen lat. eranz. (28) (472) Ich fasse das ı von xıF er hatte, #iöve sie hatten, und ıö er war, We sie waren, nicht als Umwandlung des in den übrigen Personen waltenden €, sondern wie dieses € als Schwächnng des ursprünglichen @ (vergl. oben as’t, aste neben iö TE, eig erist). Der Vocalwechsel ist überhaupt in der albanesischen Grammatik eine beachtungs- weribe Erscheinung und erinnert an den germanischen, obwohl er nicht wie dieser auf feste Principien sich zurückführen läfst. In der 2ten P. plur. des Präs. scheint jedoch bei manchen unregelmäfsigen Verben, unter andern auch bei den Hülfsverben jau und zay, ein für andere Vocale eintretendes ı die Folge eines assimilirenden Einflusses der Personal- Endung vı oder des ihr vorangehenden Bindevocals ı zu sein, daher #i-vı ihr habt, ji-viihr über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 527 seid, gegen xeu: wir haben, K@-ve sie haben, je-u wirsind, ja-ve siesind; so viviihr setzet gegen 1.P. ve-us, 3. P. ve-vs (v. Hahn p. 80); On -vi ihr sehet gegen Goy-E- ME wir sehen, Foy,-E-ve sie sehen; ı7-viihr gebet gegen 1. Pers. an-e-u&, 3. P. am-g-v&. So bei Lecce in den oben (Anm. 24) besprochenen Verben auf as (aus at): perkit-i-niihr berühret gegen 1. P. perkas-e-me, 3. P. perkas-e-ne; britis- i-ni ihr strahlet gegen britas-me, britasne ('), bdis-i-ni ihr sterbet gegen daes-e-me, bdes-e-ne. Auch das Imperfect zieht im Nordalban. vor dem Charakter nj, vielleicht durch die Assimilatienskraft des j, ein i dem a oder e vor, daher perkisnjete ich berührte, ddisnjeteich starb, flisnjeze ich redete (jedoch Aaät-i-ni ihr redet); Plur. perkisnji- me etc. Dieses i bleibt aber auch in der 3ten P. sing., die des nj entbehrt; daher z. B. perkit er berührte und auch dritint er strahlte, obwohl die übrigen Personen des Imperf. des letztgenannten Verbums ein a haben (dritasnjete etc.).— In der 2ten und 3ten P. sg. praes. zeigen manche unregelmälsige Verba ein e für a oder o der Wurzel. So er (err) dugibst, ergibt gegen ar ich gebe; dex, du siehst, ersieht gegen foy, ich sehe. So bei den Verben von Hahn’s 2ter Abweichung von der 1sten Conjug. (p. 72), z.B. Teger du rufst, er ruft gegen Sepas ich rufe; bei Lecce z. B. perket du berührst, er berührt gegen perkäs, pl. perkas- e-me. Diese Formen erinnern an den althochdeutschen Umlaut in der 2ten und 3ten Person von Formen wie fellis, fellit gegen fallu (ich falle) falames etc. Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, dafs das albanes. e der in Rede stehenden Verben die zurückgebliebene Wirkung eines i der verlorenen Personal-Endung sei, da sich sonst im Albanesischen keine Spuren eines derartigen Um- lauts zeigen, sondern nur völlige Assimilationen, wenn anders die besprochenen Formen mit ; für andere Vocale, wirklich dieses i der Assimilationskraft eines i oder ; der folgenden Sylbe verdanken. Ich fasse daher das e für @ oder o nur als Folge einer Schwächung, welcher die Vocale überhaupt unterworfen sind, wobei daran zu erinnern, dafs in griechi- schen Aoristen und Perfecten das schlielsende &, z. B. von edeufe, TerubE (=skr. ddiksat, tutö'pa) ursprünglich identisch ist mit dem & von edeıka, Teruba, und das der Vocative wie doge (= skr. #ä’ra) identisch mit dem 0 von dogos, bagov = skr. bdras (Last), 5äram. So kommen auch in der albanesischen Declination Vocalschwächungen, und (') Sollte dieses Verbum mit der skr. Wurzel d’räg' glänzen verwandt sein, so würde ich Wegfall des g (aus g) und späteren Zutritt eines £ an den Vocal der Wurzel annehmen, wie in der gothischen Wurzel mat, (mita ich messe praet, mat) gegenüber dem skr. mä (s. $S. 525). Aus drit wäre dann das erweiterte Thema drizez, britas entsprungen. Man be- rücksichtige in dieser Beziehung das Verhältnifs von Yoabır ichraube zur skr. (ved.) Wurzel grab nehmen (goth. grip greifen). Der Verlust der Aspiration in dem anfangenden 2 von brit und dem schlielsenden 5 von Yoabır ist ganz in der Ordnung (s. Anm. 7). 528 Borr zwar von « des Singulars zu € im Plural vor (s. v. Hahn p. 33, 37, 38); z.B. von aas-ıder Widder, oxA@v-ıderSklave, r&ebav-ı der Hirt, mrjar-uderAlte, za-u der Ochs, lautet der Plural im Nom. Acc. de$-TE, OrA&v-TE, TEobEv-TE, MAjERj-TE, nje-TE. Von yjag- meg-ı die Schlange lautet der Plural Yiegmy-TE und kommt durch sein & dem lat. serpens und dem verwandten griech. Verb. com näher, während der Singular durch Bewahrung des ursprünglichen « besser zur wurzelhaft verwandten skr. Benennung der Schlange (sarpd-s, Wurzel sarp, srp gehen, ursprünglich warscheinlich kriechen) stimmt. Den Über- gang von sarp zu Yiagr fasse ich so, dals nach Unterdrückung des s dem folgenden Vocal das beliebte euphonische j vorgetreten, diesem aber noch ein %, wie in Yjurjerag Richter, yjuxcıy ich richte und verwandten Formen, die offenbar von römischem Ursprung sind und der mittleren Sylbe von judicare verlustig gegangen sind. — Hr. v. Hahn erwähnt auch zwei Substantive, welche im Plural ein @, im Singular dagegen ein € zeigen (Ser-ı der Sack, pl. Sare-rs, gE9-1 der Reif (eines Fasses), pl. gaSE-TE, woraus erhellt, dafs nicht etwa ein £ für & im Plur. als Folge einer Flexion oder Assimilation anzusehen sei. Dagegen ist, wie bereits bemerkt worden (s. p. 519), das @, welches im Plural der meisten Femininstämme auf & an die Stelle dieses & tritt (v. Hahn p. 30, 3), wahrscheinlich die Ver- stümmelung der ursprünglichen Casus-Endung «s, das schliefsende € des Singulars aber die Entartung von 1; also y,ev-@ Monde für Kevj-a oder %,eve-a, von Eve aus Evi. Dieses Wort, welches im Nordalban. mit dem Artikel im Sing. Aan-a lautet, könnte wurzelhaft verwandt sein mit dem skr. dand-a-s (aus kand-a-s) und cand-rä-s Mond (alsleuchten- der) und mit dem keltischen (irländischen) cann V ollmond, oder auch zur skr. Wz. kan leuchten gezogen werden. Das alban. %,, wäre also die Verschiebung eines k' und die Aspiration hier, wie überhaupt im Albanesischen, nicht ursprünglich (s. Anm. 7). — Unter den von Hrn. v. Hahn (l. c.) erwähnten unregelmälsigen Pluralen gen. fem. scheint mir besonders die Form dueg-T£, gegenüber dem Sing. dege-@ (die Thüre) einer Beachtung würdig, weil dueg schön zum gleichbedeutenden, ebenfalls weiblichen skr. Stamme dvär stimmt, dessen » sich hier zu v vocalisirt hat, während es im Singular ganz verschwun- den ist. (29) (S. 473) S. v. Hahn’s erste und zweite Abweichung von der ersten Conjugation (p. 70 ff.) und einige anomale Verba p. 83. 84. (30) (S. 473) Die Wurzel ist vga oder vp@ (Aorist vou-va part. pass. vot-ge). Über das s (aus 7) s. Anm. 24. Ich vermuthe eine Verwandtschaft dieses Verbums mit der skr. Wz. mar, mr sterben (vgl. Paoros aus 1goTos, lat. zmorior , russ. morju ich tödte = skr. mära- yämi) und erinnere an den häufigen Wechsel zwischen v und z. Ist meine Vermuthung gegründet, so stimmt in der 1sten P. plur. das Imperf. voQT-YjE- zum skr. dmär-ayd-ma über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 529 und in der 2ten: voaT-je-Te zu dmär-aya-ta. In der 3ten P. pl. würde vO«T-yE-Ve als regelmäßsige Form dem skr. ümär-aya-n gegenüberstehen. Über das angetretene @ (aus 7) des albanes. Verbums s. Anm. 24 p. 524 f. (31) (S. 474) Die in meiner vergl. Gramm. $. 522 ausgesprochene Ansicht, dafs das litauische, von Ruhig und Mielcke „Perfect”, von Kurschat seitdem „Aorist” genannte Praeteritum auf das skr. einförmige, dem griech. Imperfect entsprechende Augment-Praet. sich stütze, ist später (l. c. p. 1098 f.) zurückgenommen worden. Doch möchte ich jetzt kein besonderes Gewicht mehr darauf legen, dals die litauischen Participia wie sukeris gedreht habend, fem. sukusi, mit den sanskritischen wie rurudväns (Thema der starken Casus), fem. rurudüs? verwandt sind, und ich ziehe vielmehr jetzt vor, das betreffende litauische Par- ticipium von dem, hinsichtlich des Sinnes entsprechenden Tempus des Indic. unabhängig zu machen, und letzteres mit der 6ten Bildung des skr. Aorists und mit den griech. 2ten Aoristen wie &Aırov, €rumov zu identificiren. Bei Sprachen, welche sowohl das Augment als die Reduplication verloren haben, ist es schwer, aus den blolsen Personal-Endungen zu entscheiden, ob ein Vergangenheits-Tempus zum skr. vielförmigen Augment-Praet. (Aorist) oder zum reduplicirten Praet. (Perfect) gehöre, zumal letzteres in den Personal -Endungen selber manche Störungen erfahren und z. B. in der 2ten P. pl. act. die vorauszusetzende Form rurud-d-fa zu rurud-d verstümmelt hat. (32) (S. 474) Ich erkenne auch in dem Ausgang ıy (') der ersten P. sg. des Praesens und in dem ı der 1sten und 3ten P. pl. von Hahn’s 2ter Conjug., z. B. von nEgro-ıy — nEQROo-U ich suche, HEDRO-I-WE wir suchen, REDRO-1-VE sie suchen, einen Überrest des skr. Characters der 10ten Klasse und fasse daher das ı von REONO-I-US, HEQKO-I-V£ in seinem Ur- sprunge als identisch mit der Sylbe je von nEgKO-JE- wir suchten, n£pno-j£E- ve sie suchten. Das Nordalbanesische zeigt in Lecce’s erster Conjugation Formen wie kendo- -je-me wir singen (3. P. kendo-i-ne) gegenüber den toskischen wie KEVde-1-u, und führt somit die Einfügung dem Character des Imperf. und der skr. 10ten Kl. noch näher. Den Nasal von z&vacv du singst, er singt, der im nordischen Dialekt sich auch auf die 1ste P. sing. erstreckt (kendon-jich singe, serden-j ich diene) erkläre ich aus der Neigung, welche das Albanesische überhaupt zu nasalen Zusätzen hat (?). (33) (S. 474) S. meine Abhandlung „Über die Sprache der alten Preulsen in ihren verwandt- schaftlichen Beziehungen” p. 28 f. () aus jj, s. S. 466 f. (2) Vgl. p. 493 und p. 498. Philos.-histor. Kl. 1854, Äxx 530 Borr (34) (S.475) Man kann in dem ı der Sylbe 51 oder röL von TIjar-Hı-M, TAjaR-Fı (ohne Personal-Endung), Trjan-Tı-vE; oder FAj@x-To1 ete., den Modus-Ausdruck erkennen, so dals 61 für Fat stünde und vom griech. r«@ı von Formen wie Au-Fa-wev und dem v£dischen se (aus sai) von /arus&ma transgrediamur nur der Schlufstheil des Diphthongs vertreten wäre, während in der 1sten P. sg. TrjaR-Fa nur der 1ste Theil erhalten und in der 2ten P. rAjax-5 (5 als Personal-Ausdruck), sowie in der 3ten mAjan-Te der ganze Diphthong nebst dem vorhergehenden Zischlaut untergegangen ist. Das g hinter der Personal-Endung 7 der 3ten P. TAjan-TE ist ein unorganischer Zusatz (vgl. Anm. 25), der im Nordalban. fehlt, wo z. B. kioft er sei dem toskischen a: und pas-t er habe dem toskischen Far - TE gegenüber steht. (1) Über das & s. p. 476. Bei Lecce erscheinen aber die hierher gehörenden Formen nicht als ein Modus des Aorists, sondern mit voran- gestellter Conjunction nde wenn als „Futuro conditionale”. Doch finden wir in der dem nordischen Dialekt angehörenden ersten Formel des Vaterunsers im Mithrid. dreimal diesen Modus des Aorists im Sinne des Conjunctivs praes., erstens kioft es sei (geheiligtdein Name), dann arzt eskomme(?), dann udaft (?) es geschehe (es werde gethan dein Wille). (35) (S.475) Die Wurzel 7@ sehen stimmt zur skr. pas’ und ergänzt die Conjugation von 60%, ich sehe, welches wahrscheinlich mit der goth. Wz. sah (praes. saihoa euphon. für sikva) verwandt ist. Das Albanesische hat also den Endcons. der Wz. qq] pas verloren, wie auch 50%, seinen Endcons. ablegen, und z. B. im Sing. praes. &o, Te, TE für Fox, etc. setzen kann. Auch der oben erwähnte Aorist Aja-0& ich lie[s ist vielleicht, wie das betreffende Verbum überhaupt (praes. Aje), eines schlielsenden Cons. der Wurzel verlustig gegangen, und mit dem goth. let-a ich lasse (aus /äza, ahd. /özu) verwandt. Man vergleiche die skr. Wurzel /& (wohl ursprünglich Eins mit r@ und dä) geben, unter Berücksichtigung, dafs den vocalisch endigenden Wurzeln im Germanischen häufig ein T-Laut beigetreten ist, und dals die Begriffe des Lassens und Gebens sich nahe berühren. — Die Wurzel da ersetzt die fehlenden Formen von @z ich gebe, worin ich die skr. Wz. 4p erlangen zu erkennen glaube, indem ich annehme, dals «7 ich gebe seiner Bedeutung nach ein Causale sei, also eigentlich ichmache erlangen bedeute, wie ähnliche Übergänge der primitiven Be- (') Das 7 von Far -Te ist die euphonische Umwandlung des 7 von Tat (vgl. TAT-ve sie hatten. (2) Im Toskischen lautet nach v. Hahn p. 52 die 1ste P. agrsa (agr-Fa), euphon. für «pd-Fa, und im Indic. eod«. Die Wurzel des Aorists ist apd, epd. 8 9 ga (3) Über das vorgesetzte u s. p. 480 f. über das Albanesische in seinen verwandtschafllichen Beziehungen. 531 deutung in die causale auch in anderen Schwestersprachen des Sanskrit vorkommen, indem z. B. dem skr. 275 fämi ich stehe im Latein. und Griech. sisto, !rryuı, mit, wenn auch nicht durchgreifender, doch überwiegend causaler Bedeutung gegenüberstehen. — Beachtung verdient, dals, wo im Albanesischen die Conjugation eines Verbums aus zwei verschiedenen Wurzeln besteht, die Vertheilung immer so geschieht, dals die eine nur in den Special- temporen der Sanskrit- Grammatik (Präsens und Imperf.) erscheint, die andere in den übri- gen Formen, namentlich im Aorist, der im Sanskrit und Griech. zu den allgemeinen Tempp. gehört, indem darin die Klassen-Unterschiede wegfallen. Eine ähnliche Vertheilung findet im Sanskrit in einem besonderen Falle statt, wo zwei gleichbedeutende Wurzeln sich in der Conjugation einander ersetzen; ich meine die Wurzeln pas und dars’ (drs’) sehen, wovon erstere nur in den Special-, letztere nur in den allgemeinen 'Tempp. und in der Wortbildung sich behauptet hat, während umgekehrt das vorhin besprochene alban. 7@ sehen nur aulserhalb der Special-Tempp. vorkommt. (36) (S. 475) So wie im Sanskrit die Wurzeln s/# stehen und #s sitzen auch die Stelle des Verb. subst. vertreten können, so stammt, wie mir scheint, der alban. Aorist des Verb. subst. nebst dem Participium kjeve gewesen('!) von einer anderen Wurzel des Ruhens, nämlich von gff s? (aus ki) liegen (auch schlafen), wozu unter andern das griech. xelucı und lat. guiesco gehören. Unser war, ahd. was (plur. wärumes), goth. vas, gehört dagegen zur skr. Wz. vas wohnen (goth. visa ich bleibe). Über den Wechsel albane- sischer Wurzeln nach Verschiedenheit der Tempora s. Anm. 35 und über eine andere Ge- staltung und Bedeutung der skr. Wz. gff s’ im Albanesischen s. Anm. 10 p. 517. — Das € von nje-0E ich war kann als Vertreter des 1sten Theils des skr. Diphthongs £ (aus ai), z.B. von ke-s «du liegst, Ad-td er liegt, und somit als identisch mit dem gr. € von aelua, »eiTal, zeitaı gefalst werden, während in dem ı von zjt, #jty (ich beschlafe) der letzte Theil des Diphthongs oder der eigentliche Wurzelvocal enthalten ist, wobei zu berücksichtigen, dafs die skr. Wz. si, ebenso wie das gr. zei, eine bleibende Gunirung (nicht blofs in den Specialtempp.) hat, so dafs man für das skr. Verbum eigentlich s’@ (aus sai) als Wurzel aufstellen könnte. Gewils ist, dals das alban. KjE-6E ich war in seiner Wurzel eben so wenig etwas mit j@-u ich bin zu thun hat, als das lat. fu mit sum und das goth. vas mit i-m (aus is-m). (37) (S. 476) S. vergl. Gramm. p. 1941. — So wie im Albanesischen eine kleine Anzahl von Verben im Aorist nur Eine Person nach Analogie der skr. 2ten Bildung (ädiks am) und des griech. ersten Aorists bilden, so verfährt das Griechische hinsichtlich seiner Formen wie (') Über die Bildung dieses Part. s. p. 483. Xxx2 532 Bor &dorav, &$erav, wornach man in der 1. P. sing. &dor«, £9era@ erwarten sollte, wie die A . “ . Im .. . 2 albanesische 1. P. sing. d@öre in der 3ten P. pl. da@-&v&, gegenüber dem griech. &dorav, er- warten lielse, (38) (S. 477) S. vergl. Gramm. $. 546 ff. — Ich stelle hier nach Lecce’s Grammatik des nord- albanesischen Dialekts den Aorist des in derselben als Muster der ersten (Hahn’s zwei- ten) Conjugation aufgestellten Verbums kendonj ich singe dem lateinischen Perfect von canto gegenüber, indem ich zugleich die entsprechenden toskischen Formen beifüge: Lateinisch Nordalbanesisch Toskisch Singular. canta-vi kendo-va KEvdo-va canta-vi-sti kendo-ve HE vdo-ve canta-vi-t kendo-i Aevdo-ı Plural canta-vi-mus kend-ue-me HEVd-UA-UE canta-vi-stis kend-ue-te HevVd-UR-TE canla-ve-runt kend-ue-ne HEVd-Ud-VE R Wollte man mehr nach dem Wortklang als nach der auf die Urverwandtschaft der beiden Sprachen sich gründenden Übereinstimmung vergleichen und unberücksichtigt lassen, dals das latein. Perfect aller Wahrscheinlichkeit nach in seinem Ursprunge zum sanskritischen und griech. Aorist, und somit auch zum albanesischen Aorist gehört, so würde man kendo-va statt mit canztavi, lieber mit canta-ba-m zusammenstellen. Noch mehr gleicht das italiä- nische Imperfect, weil es das 4 zu v erweicht und wie das Albanesische im Singular die Personal-Consonanten verloren hat, so dals in der ersten P. cantd-va und kendö-va fast gleichlautend sind. Im Plural würden cania-vd-ıno, canta-vd-te, cantd-va-no und kend-ue- -me (xevd-Ua-W), kend-ue-te (n£vd-ua-TE), kend-ue-ne (#£vd-üua-v&) hinsichtlich der Endun- gen sich wohl zusammen vertragen. Gewils ist, dafs das Albanesische in dem vorliegenden Falle, wenn man keinen Anstand daran nehmen will, einen Aorist mit einem Imperfect zu identificiren, uns ganz im Lichte einer romanischen Sprache erscheint, besonders wenn man die Meinung hegt, das Albanesische sei nicht nur in lexicalischer, sondern auch in gramma- tischer Beziehung eine Mischsprache, und es habe seine Aoriste auf va den italiäni- schen Imperfecten nachgebildet, während es in seinen eigenen Imperfecten sich ebenso originell dem Lateinischen als den romanischen Sprachen gegenüber zeigt, und auch, wenn man kendo-va zum latein. eanta-bam oder ital. cantd-va ziehen wollte, die lateinischen Perfecte im Albanesischen unvertreten bleiben würden. über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 533 (39) (S. 477) Vergleicht man albanesische Aoriste wie neoncvg, hinsichtlich ihrer Zusammen- setzung, mit lateinischen Perfecten wie ama-vi, mon-ui, so darf man auch ihre, mit zwei Hülfsverben versehenen Conjunctive wie neono-b-5a, plur. nEono-b-1-W, mit den latei- nischen, ebenfalls die beiden Wurzeln des Seins enthaltenden Conjunctiven wie ama- ve-rim (aus ama-vi-sim), mon-ue-rim, ama-ve-rimus, mon- ue-rimus vergleichen, ohne darum das Albanesische in ein specielles Verwandtschaftsverhältnils zum Lateinischen zu stellen, da die beiden Verba substantiva ein uraltes Erbgut unseres Sprachstamms sind und das eine derselben schon vor der Sprachtrennung Verbindungen mit attributiven Verben einging, das andere aber aufser dem Lateinischen und Albanesischen auch im irländischen Dialekt des Gaelischen als scheinbare Flexion an andere Verba sich anfügt; ebenso im Li- tauischen. () — Der Umstand, dafs die skr. Wurzel #% sich im Albanesischen nicht im isolirten Zustande als Ausdruck des Seins bewahrt hat, dürfte uns nicht veranlassen, ihre Existenz überhaupt auch in Zusammensetzungen zu bestreiten. Es findet sich ein ähnlicher Fall im Gothischen, welches ein thun bedeutendes Hülfsverbum nur in Compositen wie sök-i-da ich suchte (ich suchen'that) sök-i-ddum wir suchten (suchen thaten) bewahrt hat (s. vergl. Gr. $. 620), während in anderen germanischen Dialekten auch das einfache Hülfsverbum sich behauptet hat. Zum Causale der skr. Wurzel #4 (Böävaydmi ich mache sein, bringe zum Dasein) glaube ich, wie das lat. facio, so auch das alban. danjich mache (im nordischen Dialekt) ziehen zu dürfen. Der Plural des Praes. lautet: bäi-me, bäi-ni, ba-ne, der Aorist bän-a, von einem durch n erweiterten Stamme, welches n jedoch im Plural (d&-me etc.) und im Conjunctiv ba-f-s a wegfällt. Im Sicilianisch-Alba- nesischen lautet das Part. pass. du-re (gemacht, gethan, s. Mithrid. II. p. 803), dessen w jedoch schwerlich das ursprüngliche wurzelhafte z von 7 &ü, sondern wahrscheinlich eine Schwächung des nordalban. a ist. Über das Participialsuffix re (aus ne) s. p. 483 f. (40) (S. 477) Die 3te P. sg. praes. conjunct. ist, ausgenommen bei den Hülfsverben jau und #au (s. p. 471), identisch mit der 1sten P. sg. des Imperfects, also TAjax-yeich alterte und zugleich er altere. Dies kann darum nicht befremden, weil in ıje oder j£, wenn meine Erklärung desselben richtig ist (s. p. 474), weder ein Tempus- noch ein Personal- Charakter enthalten ist. — Bei einigen anomalen Verben unterscheidet jedoch Hr. v. Hahn die 3te P. Conjunct. von der 1sten des Imperf. durch die Quantität des Wurzelvocals, und zwar so, dals einem langen Vocal der ersten P. sing. des Imperfects ein kurzer in der 3ten P. des Praes. conj. gegenübersteht; z. B. vonvE ich setze — welches das Imperf. wie auch den Singular des Aorists aus einer vollständigeren Wurzel auf 9 bildet — lautet die (‘) S. vergl. Grammatik $. 526 und 685 ff. 534 Borr iste P. sg. imperf. wege (plur. 1. vF gen, 2. veipere, 3. vijwe oder vi ve), die ste P. sg. con). praes. aber vege; von vereich gehe, kommt vEje ich ging, Veen wir gingen, vejer£ihr ginget, aber veje er gehe. Hat diese Unterscheidung des Conjunctivs vom Indicativ durch die Quantität des Wurzelvocals eine organische Begründung, so könnte man annehmen, dals das schlielsende € im Conjunctiv lang gewesen sei, nach Analogie des evon Er erhabe, jer er sei (s. p. 471) und sanskritischen Potentialen wie cör-aye-t erstehle, aus cördyait. Die ursprüngliche Länge des Endvocals würde dann, um das Ganze nicht zu schwer erscheinen zu lassen, nach dem Prinzip des skr. Gleichgewichts- systems eine Kürze in der vorhergehenden Sylbe veranlalst haben, wie auch der Quantitäts- Unterschied zwischen vege ich setzte, du setztest und ihrem Plural vE gel, wei gere nur aus dem rückwirkenden Einflusse der Endungen erklärt werden kann, wobei noch zu berücksichligen, dafs in der 4. P. pl. die Endung 4 für u£ steht und dafs im Nordalban. nach Lecce dem toskischen 4 der 1sten Pluralperson überall ne gegenübersteht. Im Ein- klang mit dieser rückwirkenden Kürzungskraft der Personal-Endungen steht auch die Er- scheinung, dals manche Substantivstämme einen langen Vocal kürzen, wenn die Form durch den hinten angefügten Artikel belastet wird; z.B. von ve Ei (') (fem.) kommt vEja dasEi, von di Ziege Ka die Ziege. Um aber wieder zum Conjunctiv zurückzukehren, so findet sich unter Hahn’s anomalen Verben auch Eines, welches mit meiner Erklärung des Quantitäts-Unterschiedes zwischen der 3ten P. conj. praes. und der 1sten P. sg. des Imperf. ind. im Widerspruche steht, indem es im Conjunctiy ein langes 5, im Imperfect ein kurzes zeigt; wenigstens schreibt Hr. v. Hahn (p. 83) deje ich wollte, 2. P. aoje; plur. dojei, dejer£; aber doje er wolle. Auf den Grund dieser, in ihrer Art einzigen Form, die viel- leicht auf einem Versehen beruht, kann ich aber meine Ansicht in Bezug auf die, den voca- lischen Unterschied erzeugende Ursache nicht verzichten; denn läge es in der Absicht der Sprache, die 3te P. des Conj. praes. von der isten P. sg. des Imperf. durch die Quantität des Wurzelvocals zu unterscheiden und eine Kürze der ursprünglichen Länge und dagegen eine Länge der ursprünglichen Kürze gegenüberzustellen, so mülste man auch gegenüber dem Imperfect bje ge ich fiel, oder brachte, einen Conjunctiv Bje'ge er falle, bringe erwarten. Er lautet aber ebenfalls bjege (d.h. bje 98) ; wenigstens setzt v. Hahn hier kein Längezeichen. Wie dem aber auch sei, so ist das Verbum di@ ich liebe oder will in seinem Vocalismus überhaupt so unregelmälsig und in seiner Art einzig, dafs die Länge des o von deje er wolle, wenn sie begründet ist — während sonst nur ein kurzes o bei diesem Verbum vorkommt — für die Theorie des Conjunctivs nicht hoch in Anschlag zu bringen (') Gegisch vd, offenbar verwandt mit dem lat. dvurn und gr. wWov. Über den Wegfall des Anfangsvocals s. S. /i98. über das Albanesische in seinen verwandischaftlichen Beziehungen. 535 wäre. Der Grundvocal der Wurzel ist @; dieses zeigt sich z. B. im Conjunctiv des Aorists da-b-Ta. Falst man da als die eigentliche Wurzel, so führt sie uns zum sanskritischen za day lieben. Zu da verhält sich die Form ds der 2ten und 3ten P. praes. wie So ich sage zum Aor. Sa-58, oder wie im Griechischen Formen wie ergebe zu solchen wie TEIga UL, Ergapıv; dagegen verhält sich das & des Aorists desa — dessen & wie das von dad-u- gE geliebt, ein Zuwachs der Wurzel ist — zum ursprünglichen « der Wurzel, wie im Griechischen Formen wie Ögeuw zu den, den Urvocal schützenden Aori- sten wie eoancv. Das Verhältnils von z@ der 1.P. praes. duq, plur. dua-us, zum ur- sprünglichen a erinnert an das Verhältnifs althochdeutscher Formen wie wuahs ich wuchs zum a des Praes. wahsu und zur skr. Wz. vaks wachsen, sowie an das Verhältnils von öruader Bruder, muater Mutter zum skr. #rätär, mätär, und lat. fräter, mäter, In Bezug auf die germanischen Praeterita wie vörs im Gothischen, wuahs oder wuohs im Althochdeutschen muls ich noch bemerken, dals ich diese Formen jetzt, in Abweichung von einer früheren Ansicht, lieber so erkläre, dals sie versteckte Reduplicationen enthalten, so dals also, da gothisches 6 die Stelle des langen @ vertritt, vöhs aus vavahs (— skr. vavdksa ich wuchs,er wuchs) durch Ausstolsung des v der 2ten Sylbe entstanden sei, indem va-ahs nichts anders als vörs geben kann, wie in der ısten Dualperson 6s (aus a-vas) dem skr. ö-vas, z. B. bairös dem skr. Zär-&-vas wir beiden tragen gegenübersteht. Meine frühere Erklärung, wornach das ö von för ich oder er wanderte, dem skr. 4 von dacä’ra entspräche, hat den Übelstand, worauf ich auch früher schon aufmerksam gemacht habe, dals die Vocallänge im Skr. sich nicht über die ıste und 3te P. sg. hinauserstreckt, nothwendig aber (unter gewissen Beschränkungen) nur in der 3ten P. sg. ist. Formen wie vaväks a, worauf das goth. vos sich stützen könnte, haben im Sanskrit niemals bestan- den, weil a bei positions-langen Sylben im reduplieirten Präteritum sich nicht verlängert. Erklärt man aber in Grimm’s Tter starker Conj. das 6 als Folge einer Zusammenziehung, wie z.B. in Pluralnominativen wie vairös Männer — skr. varäs aus vara-as vom Stamme vara ('), so kann die gothische Vocallänge und die Bewahrung derselben in mehrsylbigen Formen wie vörsum wir wuchsen, vöhsjau ich wüchse nicht befremden, während die eigentlichen Vocalsteigerungen, welche zu der sanskritischen Gunirungen stimmen, bei mehrsylbigen Formen, wie im Sanskrit vor schweren Endungen, zurückgenommen werden, (*) Ich bemerke beiläufig, dals sich mit dem skr. vara-s Mann, Gatte (irländisch fear id.) auch das gleichbedeutende alban. büge vermitteln lälst durch Annahme einer im Albanesischen sehr gewöhnlichen Schwächung von a zu u nnd einer Erhärtung des v zu 5, ungefähr wie in dem oben erwähnten roob-ı der Rabe (s. p. 510 Note) gegenüber dem lat. corvus, oder wie im Bengalischen das sanskrit. v stets zu 5 geworden ist. 536 Borr und z. B. dem einsylbigen daug ich bog, im Plural die Form dugum, im Conjunctiy die Form bugjau (ich böge), und im Althochdeutschen schon in der 2ten P. sg. des Indicativs die Form Bugi gegenübersteht. (41) (S. 478) Der letzte Theil von vere ist dasselbe, den Artikel vertretende Anhängepronomen, welches in den obliquen Casus von xUry dieser (acc. 2£-T8) und ai jener, er (acc. @-TE) erscheint. In dem von Lecce behandelten nordalbanesischen Dialekt vertritt vezi (für vetij oder vezi, Genit. und zugleich Dativ) die Stelle des latein. swz, sidi und entbehrt, wie dieses und die verwandten germanischen und slawischen Formen des Nominativs und der formellen Unterscheidung des Plurals vom Singular. Als Accus. gibt Lecce die dreifach zusammengesetzte Form ve-ze-hen, mit n als Casuszeichen. Hinsichtlich des unterdrückten Zischlauts des Stammes ve (für sve) vergleiche man das Verhältnils des schon früher erwähnten gegischen vjexeQ Schwiegervater, vjEx,egE Schwiegermutter zum skr. svasiura-s, svasrü-s (aus svakura-s, svakri-s) und den verwandten, germanischen, slawischen, litauischen und keltischen Formen (s. Glossarium Scr. a. 1847 p. 359). Ich glaube auch, dals MoTge Schwester (mit Artikel Herge-a), obwohl dieses Wort der Mutter-Benennung viel ähnlicher sieht als jener der Schwester, mit dem skr. Stamme svasär und dem entsprechenden Worte der europäischen Glieder unserer Sprachfamilie so vermitteln zu dürfen, dals ich Abfall des anfangenden s annehme, indem ich das 4 als Erhärtung des v ansehe, wie oben (p. 507) in ige gut gegenüber dem skr. vara-s. Was das 7 von Morge anbelangt, so mag es dahin gestellt bleiben, ob es die Entartung des skr. 2ten s von svasär sei, indem s und 2 im Albanesischen in sehr enger Beziehung zu ein- ander stehen, oder ob es, was mir wahrscheinlicher ist, dem Z entspreche, welches dem skr. svasär, aus svastär, wie dem lat. soror, aus sosor fir sostor, entschwunden ist (s. Pott Etym. Forsch. I, 126), von den german. und slawischen Sprachen aber bewahrt worden. Das altslawische (auch russische) sestra und albanes. horge ergänzen einander insofern, als von der Lautgruppe sv dem slawischen Worte der erste Theil, dem albanesischen der letzte verblieben ist. Ich habe in meinem Gloss. Scr., ohne zu wissen, dals mir darin Pott (l. c.) zuvorgekommen war, auch das irländische piuthar Schwester zum skr. svasdr ge- zogen, indem ich das » als Erhärtung des v falste, wobei ich an das Verhältnifs des irländ. speur Himmel zum skr. soar erinnert habe. Während das alban. Morges durch seine Entartung des v zu % der Benennung der Mutter ähnlich geworden ist, ist das keltische Schwesterwort durch andere Entartung des ursprünglichen Halbvocals und durch Schwä- chung des alten @ zu u ın das Lautgebiet einer skr. Benennung der Tochter gerathen, denn piuthar für piusthar gleicht viel mehr dem skr. puzr? Tochter als dem wirklich verwandten und gleichbedeutenden svasd’r (aus svastär). über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 537 (42) (S. 478) S. v. Hahn p. 53 und Lexicon p. 9 unter vETEY,Eja. (43) (S. 479) vda-y,-E0y aus vda-%,-Elj, vgl. p. 466f. Im Nordalbanesischen steht nach Lecce (p- 170 ff.) i oder ei gegenüber dem toskischen &wy, z. B. ai bäne-h-i er machte sich, ai mba-h-ei er hielt sich, mreculö-h-ei er verwundertesich (vom lat. miraculum). (44) (S. 479) Das v ist ein euphonischer Vorschlag (s. p. 498) und die eigentliche Wurzel d@ stimmt zur skr. Wz.dö, eigentlich dä, spalten, abschneiden, wovon z. B. dä-ta-s ge- spalten, dö-tra-m Sichel, dö-ya-s in der Bedeutung „dreaking, dividing” (Wilson). Hierher gehört auch das griech. daıw (da -ıw), mit dem Charakter der skr. /ten Klasse, wozu auch das unregelmälsige skr. Verbum gehört (3. P. zyfrt d-ya-ti er spaltet mit unterdrücktem Wurzelvocal. (45) (S.480) Activ: yariaıy (aus Yyariıaıj)) ich bereite. Dieses Verbum erinnert an das gothische ga-tauja ich mache. Aus letzterem erklärt Miklosich (Radices p. 18) das litauische gatawa-s fertig (gatawiju u. gatawoju ich verfertige) und slawische go2o- vitiparare. Der Umstand aber, dals die untereinander eng verwandten lettischen und slawischen Sprachen sowohl in dem Adjectiv (altslaw. goZov’ bereitet), als in dem davon abstammenden Verbum zusammen treffen, beweist die lettisch-slawische Originalität des betreffenden Wortes und zeugt von seinem Vorhandensein in der Zeit der Identität der lettischen und slawischen Idiome, so dals also die Anfangssylbe ga, go in denselben nicht, wie im goth. ga-Zauja, eine Präposition sein kann. Im Sanskrit gibt es eine Wur- zel 7% gat, welche gehen, kommen, verbinden, und auch streben, machen, verfertigen bedeutet. Hiermit könnte wohl unter andern das litauische gaz-awa-s und altslaw. goz-ov’ bereitet zusammenhangen. Die Ablegung der-Aspiration des g ist ganz in der Ördnung und das skr. linguale, oder cerebrale z stammt von einem gewöhnlichen z, und muls uns daher bei vorliegender Vergleichung als gewöhnliches 2 gelten. Ob das albanes. yarıcıy und das verwandte Adjectiv yarı bereit vom Slawischen stammt, oder nur in einem urverwandtschaftlichen Verhältnils zu den erwähnten slawischen und litaui- schen Ausdrücken steht, ist schwer zu entscheiden. Was aber das gothische Zauja ich mache (althochd. zawiu) anbelangt, so eignet sich die skr. Wz. du gehen ('), wovon das vedische div-as Dienst, Verehrung, am besten zu seiner Erklärung; sei es, dals das germanische Verbum sich auf das skr. Causale stülze (dävayami ich bewege, ich setze in Bewegung), oder dals es als Denominativum vön zavi W erk (them. zauja) zu fassen sei. Der gothische Stamm zauja verhält sich, abgesehen von der regelrechten Lautverschie- (') Auch Graff erinnert, jedoch ohne nähere Begründung seiner Vermuthung, an das skr. du. Philos.- histor. Kl. 1854. Yyy 538 Borr bung, zur skr. Wz. du, wie im Sanskrit selber z. B. Rav-ya-m Opfer (zu opferndes) zu hu opfern. Wenn von Zavi der Genttiv Zdji-s, für zauji-s, kommt (vgl. den Dativ hauja wit seinem Nomin. havi Heu), so fasse ich das 6 nicht als Zusammenziehung des Diphthongs au, sondern als Verlängerung des a, zum Ersatz des unterdrückten u, da 6 die regelmäfsige Länge des a und der gewöhnlichste Vertreter des fehlenden langen & ist. Die dem Althochdeutschen sehr gewöhnliche Zusammenziehung des au zu 6 (vor wurzelhaften T-Lauten) scheint dem Gothischen noch eben so fremd zu sein, als die Zusammenziehung von ai zu &, welches letztere im Goth. ebenso wie 6 und wie im Griechischen 9 nur als Vertreter des langen & erscheint. Analog dem 6 von zöjis ist das von szdjan (für staujan) gegenüber dem au von szaua (them. stauan) Richter (skr. szu preisen, wovon stäumi ich preise). Was den Übergang der Bedeutung der Bewegung in die des Thuns, Machens anbelangt, die bei zavi Werk und zauja ich thue, mache, eingetreten ist, wenn die skr. Wz. du wirklich der Ausgangspunkt ist, so erinnere ich an denselben Übergang im lat. ago und griech. @yw, deren skr. Schwesterform ägämi blols Bewegung ausdrückt und in den Veda’s sehr häufig in der Bedeutung treiben vorkommt (s. Böhtl. u. Roth’s Wörterbuch). Im klassischen Sanskrit heilst carämi (aus karami), worauf das goth. fara (') ich gehe, wandere sich stützt, sowohlich gehe, alsichthue, mache, vollbringe. (16) (S. 431) Luc. XV. 12. vrau — vdau; es werden nämlich in der Bibel-Übersetzung die Mediae hinter v und 4 durch Tenues ausgedrückt. 47) (S.481) Über die Wurzel von bEbTE (aor. conjunct.), im Nordalban. daft oder bafte, s. Anm. 39 Schluls und über die Endung Te für 7 der 3ten P. dieses Modus s. Anm. 26. Das Toskische zeigt bei diesem Verbum überall ein kurzes & statt des ursprünglichen «@; z. B. 1. P. praes. bey, part. pass. begs und beve; s. v. Hahn p. 75. se (Tjergue wir bringen, ciA-viihrbrin get, s. v. Hahn p. 70) könnte wohl, als Verbum (48) (S. 842) Nach der neugriechischen Übersetzung dors Mou eidyeıw. — Eier ich brin der Bewegung (bringen als gelangen machen, kommen machen) gefalst, mit der skr. Wz. sal, oder sar, sr gehen verwandt sein, so dals die Grundbedeutung in die causale umgeschlagen wäre (vgl. Anm. 35). Xabeg ist durch das Türkische aus dem Arabi- 5- schen eingedrungen, wo „> chaber-un Nachricht bedeutet. Was den Genitiv ia meiner (auch mir) anbelangt, so könnte derselbe aus dem skr. mama, zend. mana, durch Ausstolsung der Liquida der 2ten Sylbe und die sehr gewöhnliche Schwächung von « zu u (') mit f statt eines Gutturals, wie in fdvör vier, in dem schlielsenden f von fmf fünf, ferner in vulfs Wolf (lit. wilkas, skr. vrka-s aus varka-s) und in af-/ifnan übrig bleiben (skr. rid aus rık verlassen, lat. Zic). über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 539 entsprungen sein, oder auch aus Ud-ja@ durch Ausfall des j, wie beim weiblichen Artikel « für ja (p. 462), so dals ja der skr. Endung sya entspräche, die wir oben (p. 466) in der Form je (von WE-je, TE-Je) wahrgenommen haben. Der letzteren Erklärung gebe ich den Vorzug, weil in dieser Weise die Endung von u&-(j)« sich in ihrem Ursprung als iden- tisch mit der von TÜU-1Y (aus TU-1j)) deiner erweisen würde, und die Declinationen der Isten und 2ten P. im ganzen indo - europäischen Sprachstamme einander parallel laufen. Die Endung @ für j@ würde also dem griech. o (für ı0 aus jo, j«) entsprechen, welches bei griechischen Stämmen auf o, wozu auch die Pronomina der beiden ersten Personen und des Reflexivs gehören, in der gewöhnlichen Sprache mit dem stammhaften o zu ou zusam- mengezogen wird, also 4cU aus 40-0, und dieses aus Hoio, (vgl. &-WE-0). Mit (E)1E-o hat das alban. uu-« in der That die grölste Ähnlichkeit; aber sehr verkehrt wäre es, wenn man das u von Wü-@, (nach der gewöhnlichen Schreibart KoU-« (s. Anm. 1. nr. 2) mit dem griech. Diphthong von 4o0 identificiren wollte. (49) (S. 482) eu-e-vı durch Assimilation aus ET-UE-VI. Über die Wz. ar geben s. Anm. 35. (50) (S. 482) Im Irländischen heilst z. B. a-nochd in dieser Nacht und « vertritt in dieser Zusammensetzung die Stelle des skr. a von a-dy& heute (an diesem Tag); auch gilt a als Genitiv des Pron. der 3ten Pers. masc. und fem., sowohl im Singular als im Plural. (51) (S. 483) Man vergleiche die skr. Wz. d& trinken, mit Berücksichtigung, dals die alten Aspirationen dem Albanesischen entschwunden sind (s. Anm. 7). Das & von de-g£ be- rauscht,betrunken, de-ıy ichberausche, dE-Y-E ich berausche mich, ent- spricht jedoch, wenn die Verwandtschaft gegründet ist, nicht dem sanskritischen, verhält- nilsmälsig jungen € (aus älterem ai), sondern dem & von 4Jf dä, welches die Urform der Wa. ist (fut. dä-sy&-mi), während de, wie überhaupt die Diphthonge der von den indi- schen Grammatikern aufgestellten Wurzeln auf 2, äi, ö sich nicht über die Specialtempp. hinaus erstrecken. Auf das& von yJf dä stützt sich auch das griech. 7 von SArIaı, S$7Avs, SmAd und das litauische & von ddl sanguisuga (s. Gloss. Scr. a. 1847 p. 186). — Blanchus übersetzt edrius durch ideim (i Bay sobei das i der vorgesetzte, aber bedeu- tungslose Artikel ist, den Blanchus immer graphisch mit dem folgenden Adjectiv verbindet. Was die Form deır-u-gE und analoge Bildungen anbelangt, so stimmt das betreffende Participium darin mit dem Aorist überin, dafs viele vocalisch schliefsende Wurzeln den Zusatz eines 7 annehmen (vgl. p. 525). Es wäre aber Unrecht, wenn man darum das Passiv-Participium vom Aorist des Activs ableiten wollte. (') S. kleinere Sanskrit-Gramm. $. 353. 540 Borr (52) (S. 483) Nach Abzug des nasalen Vorschlags (s. p. 495) stimmt Yge (essen) zur skr. Wz. gar verschlingen GT, gf, praes. girämi, part. pass. gör-nd-s), wozu das zendische gara (am Ende von Compp.) verschlingend gehört. Man vergleiche unter andern auch das litauische gerrü ich trinke, russ. IPO-3KOpa pro-söra Fresser, lat. gula. Eine in ihrer Art einzige Form ist der albanesische Aorist KEVyoR, conjunct. KEvyegda (nordalban. Rüngra, hangrisa). Ich glaube darin eine Reduplicationssylbe zu erkennen, mit Aspirata für Media, und theile also %£- vyoa, NE- vyegTa, so dals das v wie im Part. pass. als euphonischer Vorschlag erscheint. Das Präs. %@ ich esse und Imperf. YE-jE (überhaupt die Specialformen) haben wie die Reduplicationssylbe des Aorists die Media zur Aspirata erhoben (!) und aufserdem das e der Wurzel eingebülst, wobei zu bemerken, dals ein ähnlicher Verlust auch bei einem anderen unregelmälsigen Verbum im Präsens ein- getreten ist, nämlich bei ie ich falle und bringe, Imperf. bjegs, Aor. pa-68 (aus b0&-5£) oder Fou-vq, für bou-va (2), Part. pass. mgu-gE gebracht. Die Bedeutung bringen leitet uns zur skr. Wz. Dar, brtragen, mit 4 (äbar) bringen, afferre. Zu dieser Wz. gehört auch j4b@g, nach v. Hahn „ich trage von einem Orte zum andern” (III. p. 69), bagE-a die Last, ue bage schwanger (mitLast). Vielleicht gehört auch bıg Sohnals geborener zu dieser Wurzel (vgl. goth. dar-n, Thema dar-na Kind). Im Nordalban. heilst me prü-m (infinit.) tragen. (53) (S. 455) Der nordalbanesische Infinitiv kann auch, wie ein gewöhnliches Abstractum, je- doch mit Beibehaltung der Präp. zne, das nominative Verhältnifs ausdrücken; so z. B. in einem Sprichworte bei Blanchus (p. 211 nr. 50) ma mire me pasune anemikne (?) struem se mikne mbuluem „melius (est) hostem manifestumhabere quam amicum simu- latum.” Durch Vorsetzung von zue erhält der Infinitiv instrumentale Bedeutung, und wird in diesem Falle von Lecce „gerundio in do” genannt. Ein Beispiel liefern die Sprüchwörter bei Blanchus unter nr. 26: tue fole falete e fedija ritene (rittene) „loquendo etverbaetlabor crescunt.” Die Wurzel fo2 oder al (fjal), präs. las, scheint eine Umstellung von /20, 7a und mit dem skr. drav-#-mi ich spreche (Wz. rü) verwandt zu (') Man sollte %, für %, erwarten, da letzteres am Anfange albanesischer Urwörter, d. h. der aus der asiatischen Urheimath mitgebrachten Wörter, eine seltene Erscheinung ist, die mir oben (S. 511 Note 3) nicht gegenwärtig war. (2) Auch mouga, eine offenbar auf einem misleiteten Sprachgefühl beruhende Form, da das p der Wz. darin doppelt vertreten ist. (3) Blanchus schreibt anemichnee und michnee. Es ist aber kein Grund, anzunehmen, dafs der Endvocal hier lang sei. Lecce setzt bei männlichen Accusativen ein blofses n; Blanchus unconsequent bald ne, bald nee. über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 541 sein, wozu wahrscheinlich auch das altpreulsische 2:77 ich spreche gehört. — Ein Beispiel eines Infinitivs findet sich auch in mehreren Formeln des Vaterunsers im Mithridates, und zwar in der 1sten: mos na le me räm mbe kek (kech) nichtunslals fallenin Böses. Aus einem Gedicht im gegischen Dialekt (bei v. Hahn II. p. 141) erwähne ich als Beleg- stelle eines Infinitivs #jes uee m@u „ich ging um eszu sehen” — Bei Passiven oder Reflexiven wird das oben (p. 480) besprochene x zwischen die Präpos. ne und den Infinitiv gesetzt, jedoch von Blanchus stets graphisch mit der Präposition verbunden. So schreibt derselbe z. B. meu dasune für me u das une oder me udas une (vgl. S. 481). (54) (S. 4586) Man vergleiche das sanskritische pür-24-s und lat. plezus. Dem Albanesischen fehlt aber das entsprechende Verbum, weshalb sich mAjcrE vom albanesischen Standpunkte aus eben so wenig als Partie. pass. zu erkennen gibt, als das goth. fu27-s voll, vom Stamme Julla, durch Assimilation aus fulna = skr. pür-na. (55) (S. 487) Das Stammwort dgu (fem.), mit Artikel dgu-ja (Holz), welches im Gegischen auch Baum bedeutet, stimmt zum skr. dru-s Baum (masc.) und griech. ÖaU-5 (vgl. dauro- wos Holz fällend. € (56) (S. Ass) Meröuu bejahrt setzt für vor Jahr eine vollständigere Form 4075 voraus, wel- ches ebenso wie vjeTö zum skr. vaisa-s führt, wenn, wie es sehr wahrscheinlich ist, das an- fangende 4 eine Erhärtung von v ist. Man vergleiche in dieser Beziehung das oben (Anm. 41 Schluls) besprochene Morpe Schwester. Mor&ag (enthalten in Koruorsag Jährling) führt, wie vjersag jährig, zum skr. vatsara-s ebenfalls Jahr. — Ein ähnliches Verhält- nils wie zwischen norfın und nor zeigt sich zwischen uiayou monatlich, einen Monat alt und udary (aus uday) Monat. Der Zischlaut der Urform (skr. mäsa) hat sich nämlich auch hier nur in dem abgeleiteten Worte behauptet. (57) (S. 488) Man vergleiche die durch das Abstraktsuffix ı zum Theil aus erweiterten Stäm- men gebildeten Formen (S. 493). (58) (S.4s9) Man erkennt leicht in gt jung, auch neu, die Anfangssylbe des skr. nava-s neu mit Schwächung des a zu i und der beliebten Vertauschung der Liquida n mit r, die bei diesem Worte auch auf die nordalbanesischen Dialekte sich erstreckt. (59) (S. 489) Das Relativum vermag im Albanesischen, wie in den semitischen Sprachen, keine obliquen Casusverhältnisse auszudrücken, sondern diese werden, wie meistens auch im Neu- persischen, an einem nachfolgenden Pronomen der 3ten Person ausgedrückt, während das Relativum im absoluten Nominatiy steht; daher oben x3£ ı depor welchemer geschenkt hat, wörtlich welcher, ihm er geschenkt hat ('!); so Luc. VI. 121: »js e xı& welchen sie hatte, wörtlich welcher, ihn (eg) sie hatte. (') Über : im Sinne des Dativs s. p. 483. Asocıy, auch dugory, ich schenke, stammt 542 Borr (60) (S. 489) WVörtlicher „im Reiche, dem der Himmel”. Der Artikel re vor dem Plural- genitiv #jleAver bezieht sich auf das vorangehende regierende Substantiv (s. Anm. 17). Des vorgesetzten Artikels, der bei Adjectiven regelmälsig ist, enthalten sich die Substantive mit wenigen und seltenen Ausnahmen (s. v. Hahn p. 28 Anm. **). (61) (S. 490) Was das %, von Aje%, anbelangt, so halte ich seine Übereinstimmung mit dem skr. 5 h (weiches %,) darum für zufällig, weil die ursprünglichen Aspirationen im Albane- sischen untergegangen sind, und die vorhandenen als Entartungen auf ältere Tenues oder Mediae sich stützen. So in den germanischen, slawischen und keltischen Sprachen (s. ver- gleich. Accentuationssystem p. 221 ff’) Ich erinnere namentlich an das slowenische Zahek leicht (aus Zagek) gegenüber dem altslaw. AkTZRZ Zjg’k id., AkTOTA Zygota levitas, skr. Zagutä, alban. AjENLErE. (62) (S. 491) S. Anm. 52 Schluß. (63) (S. 492) S. Pott Etym. Forsch. I. p. 226. Das Sanskrit bezeichnet die Hand als machende (kara-s masc.) und dagegen die Erde alstragende darä, daran! (fem.), weil sie Alles trägt und darum als Muster der Geduld dargestellt wird. Zu ersterem hat Pictet das wallische daiar, cornische doar und armorische duar gezogen. Vielleicht ge- hört auch die alban. Benennung der Erde, dE (mit Art. de -«) hierher und ist eines 9 verlustig gegangen, wie bieichbrin ge gegenüber dem Imperf. bjege (s. Anm. 52). (64) (S. 492) Vielleicht verwandt mit dem skr. guri-s, aus garu-s schwer, da die Begriffe des Breiten, Grolsen und Schweren sich berühren. Man vergleiche unter andern auch das goth. kaur-s schwer, euphonisch für kur-s. Ich fasse das goth. v für'eine, vom skr. z von gurü (compar. gäriyäns) unabhängige Schwächung des ursprünglichen a, welches vom gr. Bagu-s, aus Yapus, bewahrt worden. (65) (S. 495) Praesens ndieksequor. Man vergleiche nach Abzug des euphonischen Nasals (s. S.498) das griech. dwrw, Öwarng. Im Toskischen heilst vajez ich verfolge, vdjenss (mit Artikel vajerect) Verfolger. Letzteres stimmt, wie andere Nomina agentis dieser Art, zu den oben (S. 485 £.) besprochenen nordalbanesischen Participien praesentis. Im griech. dıwaw ist vielleicht eine verdunkelte, mit der Wz. verwachsene Präposition ent- halten (dı@?), in welchem Falle der übrige Theil des Verbums mit UnV-s— skr.äsu-s (vedisch) schnell (aus dk&-s) und mit der skr. Wurzel as erreichen, anlangen, zusammentreffen würde. wahrscheinlich als Denominativum von dem Part. devg gegeben, mit Vertauschung des v mit 8 eine Vertauschung, die man auch anzunehmen hätte, wenn man dieses Verbum vom lat. dono, welches selber von donum stammt, ableiten wollte. Im Sanskrit heilst däna-m Gabe. über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 543 (66) (S. 495) Man vergleiche das lit. Jagoza-s reich und slaw. Bogat' id. (67) (S. 501) Der Umstand, dals die Genitive ueje, TEE (s. S. 466) mit &, dagegen FEjE über, ZETEjE und argje jenseits mit g enden, kann die Identificirung der Endung der drei letzteren Formen mit jener der beiden ersten und mit der skr. Genitiv-Endung sya nicht stören, da sowohl £ als e in den meisten Fällen aus einem ursprünglichen a hervorgegangen ist, woraus wahrscheinlich zuerst e und hieraus < geworden, welches letztere dem von Lecce behandelten nordalbanesischen Dialekt fremd ist. Man darf also annehmen, dafs ’ TEIE, HETEIE und areje früher TEjE etc. gelautet haben. (68) (S. 504) In Abweichung von der oben (481) gegebenen Regel steht in dem angeführten Beispiele das Reflexivum u im Sinne von „dich” dem Imperativ voran, nach Analogie der Aoriste und nordalbanesischen Infinitive (s. Anm. 53 Schluls). Das Verbum Ceusgeny icherbittere, reize, Pass. oder Reflex. Gemsgoven ich erzürne mich, ist wahr- scheinlich ein Denominativum von GemepE Herz, Wille, Begehren, welches selber vielleicht von der skr. Wz. smar, smr sich erinnern stammt, womit anderwärts unser deutsches Schmer-z vermittelt worden. Ich erinnere daran, dals im Sanskrit mänas Geist, Herz und manyi-s Zorn von einer Wurzel stammen, welche denken bedeutet. Das alban. ( als gelindes s, gegenüber dem skr. harten s, kann nicht befremden. Das bei- gefügte & erleichtert die Verbindung mit dem nachfolgenden B wie das z im präkritischen sumar für skr. smar (sumardmi ich erinnere mich). 544 Borr ALPHABETISCHES INHALTSVERZEICHNISS. aber por = skr. para anderer 499. Ablativ plur. 463 ff. Abstracta 492 ff. A ccusativ, sing. 462; plur. 518 f. Anm. 14. acht 7£-re 460. achter, der achte, nordalb. i ze-zi 512. achtfach rereo 495. Adjective, Bildung ders. 186 ff. Adverbia 495 ff. alt Ajax, fem. FAjare 49. Alter vegne fem. skr. varsa-s Jahr, vür- siyas älter, varsista-s derälteste 514 Anm. 6. an ube 499 f. anderer T@TERE, jarsge skr. ya Demonstra- tivstamm 489 f. Anfangssylben unterdrückt 498. Artikel, hinten angefügt, den Adjectiven zugleich bedeutungslos vorangestellt oder präfigirt 462, 512, 515 f. 518 Anm. 14.; zu- rückweisend auf das regierende Substant. 520 Anm. 17, 542 Anm. 60; Erklärung dess. aus q ya 516. Aorist 474 ff. Übereinstimmung dess. mit dem lat. Perfect der 1. 2. 476 f., 532 Anm. 38; Conjuncet. dess. 474 ff., 533 Anm. 39. Aspiratae, die ursprünglichen verloren 514 Anm. 7. 542 Anm. 61. Assimilation, vocalische 526 f., consonan- tische 539 Anm. 49. auf u2ı 499. ä ulserer jaF-TET-U 487 p. m. aulserhalb jas-Te 487 p. m. bändigen dıvd skr. band binden 514 p. m. u. 4. Conjug. Baum dgu fem. (gegisch) skr. dru-s masc. 541 Anm. 55. bei moave 502 unten. bereiten yaruary (ieh ber.) skr. gat ver- binden, machen 537 Anm. 45. berühren vyas, mEgxuas 524 p. m. beschlafen #jıy 517 Note. betrunken dE- pe skr. de trinken 483, 539 Anm. 51. breit Siege skr. guri aus garı schwer 542. Anm. 64. Breite yjegere 492. brennen diyjeu ich brenne (intrans.) skr. Wz.dah — dagh 508 p. m. bringen c1eA 538 Anm. 48. Bruder vera, plur. mit Artikel verudeg- TE skr. örätär A61 p. m. brüderlich veragegier 494. Brüderschaft veradegt 494. Comparativ 489. Conjunctionen 498 ff. Conjunctiv, des Praes. 469 ff., 525 Anm. 25, 526 Anm. 26, 533 Anm. 40; des Aor. 474 ff., 530 Anm. 34, 533 Anm. 39. Consonantenverschiebung, Tenuis für Media 491; gesetzlich am Wort-Ende, wie im Mittelhochd., 510 Note; Aspirata für Te- nuis 496, 528 p. m.; Media für Tenuis 498. daher «dk skr. ütas 496. dals TE, xje 498. Dativ, ersetzt durch den Genitiv. Gothischer Dat. sg. 521 Note. diese x8j0 516 f. Anm.9. dieser 517 (wo zUry für züry zu lesen), 520. diesseitiger xgrgjem 487. über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 545 diesseits #grgje 501 unten. dreifach Tg | 495. dreimal rgı SLEBE 496. du ru, Ti; Genit. TU-1Y, TE-je, zend. thwa-hyä 466. Plural ju, jü-ver 481 p. m., 520. Anm. 16. Ehre v-aeg skr. d-dara-s; v-depory ich ehre, skr. ä-dar, ä-dr ehren /98. Ei ve fem., gegiseh vö, lat. 6vum, gr. wov 534 Note. ein vj&, nordalban. nja, gegisch vjı 511. Einschiebung von Pronominen 482. entweder « 498 f. er @ 516f.; Genit. ariy, Tıy, Try; Acc.aTe, Te 520 f. Anm. 18; @,e ihn, skr. a 482 p. m.; nom. acc. pl. ara 518 Anm. 14. Erde de 512 Anm. 63. erster mags, skr. päara-s vorzüglichster 503. essen v-ygs, skr. gar 483, 540 Anm. 52. Feminina auf Ge 515 Anm. 7. Feminincharacter g,€ = skr. 7491. Finger yııöT skr. angusfa Daumen 498. Fleisch uıT skr. mänsa-m 507. folgen, verfolgen vajez 542 Anm. 65. Fragepartikel 498. fünf wese 512 p- m. fünffach veTEs 495. fünfter, der fünfte, nordalb. i pes-ti 512 p. m. Futurum 477 £. für meg 503. geben «7 skr. öp im Caus. erlangen ma- chen 530 Anm, 35; Aor. d@ er gab, skr. ddät 475. gegen moeı skr. präti 500 p. m. Genitiv, sing. masc. 465, 518 Anm. 13; fem. 468, 520 Anm. 17; der Pronominaldeclin. 466 £., 521 Anm. 15. Gen. pl. 466, der Pro- nomina 462. Gott megvdı 520 Note 1. grols ua, fem. Lade, skr.mahdt, mahati'i91. gut Bige skr. vara-s trefflich 507. haben zau ich h. 469; Conjunct. ze 471. Philos.-histor. Kl. 1854. Hagel bgesey (gegisch) skr. värsana-m Regen 514 Anm. 6 (wo baesev für dgesev zu lesen). Hand doge f., skr. dara-s, fem. darä hal- tend,tragend 492. hernach ga 502 p. m. Herz geuspe 543 Anm. 69. heuer Ot-vjer 460 p- m. heute co-T, so-d 460 p. m., 513 Anm. 3. — heute Nacht, diese Nacht F0-vre 460 p- m. hier #74 496 Z. 1. v. u. hinter moara, gegisch Hbaga, skr. parä zu- rück 502. Holz aru f., s. Baum. Hund xjev skr. svan (aus kvan) 513. hundert zjıvr 513. Hündin zjeve skr. sun? aus kunz 191 p- m. ich üvg, u, skr. aham 504 f.; Gen. uud 538 f. Anm. 45; neje 466 p. m.; Plur. v&- ver, ve-ver 520 Anm. 16. Imperativ47ı. Imperfect 472 f. in ubeE 499 f., vdsg, vde 500. innerhalb baevda 504. Infinitiv 485, 5/0 f. Anm. 53. Interrogativum 463. 517. j als euphonischer Vorschlag 460. Jahr yjeT, vjero skr. vatsa-s 161, Anm. 56. jährig vjerdag, Her - Morsag skr. vatsara-s Jahr 541 Anm. 56. jenseits argje 501 Z. 2 v. u. 543 Anm. 67. jung gt 541 Anm. 58. Kalb vı7G skr. vatsd-s 461. kaufen 2238 491. kleiden veo skr. vas 506. Knie %Yjüv (gegisch) skr. gänu 506 Note. Knochen «67 skr. dsti 461. Labiale für Gutturale 491, 525. lachen nordalb. me kies -u-ne, Auslacher Mor 541 gas-e-tuer, skr. has lachen 495. lassen Aja-S£ ich liefs, skr. 24 geben 530 Anm. 35. Zzz 346 Bo Last 1-bags, skr. bar, &r tragen 540 Anm. 52. leicht Ajey, skr. Zagıi-s 490, 542 Anm. 61. Leichtigkeit Ajeyere skr. Zagutä 1492. lieben dia skr. day 535. Locativ 496. zn für v 507, 536, 541 Anm. 56. machen nordalb. danj ich m., skr. #äv&4- yämi,Wz.büsein, 533 Anm. 39. Mann vjegt skr. nar, nr 461 f.; plur. vjeged (njeres) skr. naras 494; bügE skr. vara-s 535 Note. mehr ne, nordalban. m& 489. mit ne 501. Monat Wuaıy, eiuen Monat alt UuaıjT a, skr. mäsa-s Monat 541 Anm. 56. Mond x,£v£, nordalb. mit Artikel kan-a, skr. candd-s, irländ. cann Vollmond 528. n wechselt mit r 461, 483, 514 Anm. 6, 541 Anm. 58. nach 7«s skr. pas-cät hinten, hernach 463. Nacht vare skr. näktam bei Nacht 460. Name EWEV (gegisch) skr. nädman 510. Nasale, anfangenden Mutis vorgeschoben 498, Nominalstämmen angefügt p. 493, Verbal- stämmen 480, 529 Anm. 32, 533 Anm. 39. neben mouvE, ubave 502. Neffe vr, plur. mit Artikel VIRTEgE- -TE, skr. naptä. 7 naptr, plur. naptär-as 515. neugt 54 Anm. 58. neun vev- de, nordalban. nan-de 459. neunfach vevden 495. neunter, der neunte, nordalb. i nan-di 512. Neutrum fehlt im Alban. 517 Anm. 10. nicht vu-xE skr. na, 405 skr. mä; a5, 0 skr. a 497. N omina agentis auf Tap nordalb. zär = skr. tär 494 £., auf es 542 Anm. 65 Nominativ, sing. (kus wer) 463; 518 f. Anm. 14. Ochse x@ skr. g6, acc. gd-m, 491. oder 498 f. plur. ’‚PAP ohne Ta skr. apa 500 f. Optativ s. Conjunctiy. Ordnungszahlen 512. Participium, praes. act. im Nordalb. 485 f.; perf. pass. auf vs, ge = skr. nd 483 f.; auf mi, meia (i, ia als Artikel) = skr. mäna-s, lit. ma-s 485 ; auf TE==skr. ta 486, 548, 549. Passiv, gebildet durch das angefügte oder vorgesetzte pronom. reflex. 478, 481, 543, 543 Anm. 69; enthält im Praes., deutlicher im Imperf., das Verb. subst. 478 f.; umschrieben durch das Part. perf. pass. und das Verb. subst. 484. Perfect, umschrieben durch das Part. perf. pass. und das Praes. des Hülfsv. zau ich habe 484. Personal-Endungen 468 ff. Plusquamperfect, umschrieben 484. Possessiva 520 f. Note 2. Präpositionen {99 ff. Praesens conjunct. 469 ff, Pronominale Adverbia 496 f. rauben Yodbır skr. grab nehmen 527 Note. Rauch run, Tıu skr. düma-s 514 Anm. 7. Reduplication 540 Anm. 52, im Gothischen 535. Reflexivum 478, 480 ff., 536 Anm. 41. Regen, feiner, vET&, skr. vars‘, vrs“ regnen 514 Anm. 6. reich ubüyar (gegisch) 498, 543 Anm. 66. Relativum 489 p. m., 541 Anm. 59. roth xuzj 490. Rückwirkender Einfluls der Endungen auf die Stammsylbe 537. s verwandelt in & (weiches s) 510 Note. sagen Sowich s. 469. schenken degary, dugdry 541 Note. Schlange yjagrep skr. sarpd-s 528. schneiden ger, wges skr. kart, krt spalten, abschneiden 525. Schwester Morges 536. Schwiegermutter vjeyE pe skr. svasrü-s 536. über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 547 Schwiegertochter vüse skr. snusä 513. S chwiegervater vjex£Q 536. sechs Yyao-Te 459. sechsfach yjasres 1495. sechster, der s., nordalb. : gias-ti 512. sehen Goy, ich s., goth. saihva, Wz. sah; Aor. F&-68 skr. pas sehen 530 Anm. 35. seinj@-M ich b., 469, jew ich sei 470, jwi seid 471, jede ich war (imperf.) 472, njeöe aor., #jEvg gewesen 531 Anm. 36. seiner (swi) 536 Anm. 41. sie fem. sg. @jo 516 f. Anm. 9; Genit. array, caıy 467,521 Anm. 18; nom. acc. pl. aro 518 £. Anm. 14. sieben ora-re 459. siebenfach Hrareo 495. siebenter, der s., nordalb. sza-ti 512. Sohn big 540 Anm. 53. 5 Sonne dieA, skr. div glänzen 513 Anm. 3. Special-Tempora 524, 531 Anm. 35. sprechen nordalb. Zas ich spr. skr. brav-i- -mi 540 Anm. 53. Superlativ 489. £, am Ende vocalisch schlielsender Wurzeln angefügt 525 Anm. 24, 539 Anm, 51. Tag dire 513 Anm.3. Thau vers 514 Anm. 6. theilen vaaıy ich th., skr. dä, dö spalten 537 Anm. 43. thun s. machen. Thüre dege fem., plur. mit Art. dueg-T£, skr. dvär fem. 528 Anm. 28 Schluls. tödten vous ich tö. aus lagas 528 Anm. 30. tragen A-dag ich tr, skr. bar, örtragen 540 Anm. 52. trinken ziyich tr. mige getrunken, skr. Wz. pä und pitrinken 483. über (trans) 7&je 501 unten, 543 Anm. 67. unten woöte 487 p- m. ’ unter vdeve 501. unterer moöTEgs, moärEgA 487 p. m. verfolgen vajex ich verf. 542 Anm. 65. Verfolger vajexss 542 Anm. 65. Vocalwechsel 526 ff. Anm. 28. voll (angefüllt) FAjorE skr. pürtd-s 541 Anm. 54. von vya@ 501. vor maga, MEO-TagQ, ge- Tag 503. was? 70€ 517 Anm. 10. weckenvype (geg.), vYge (tosk.) ich wecke, skr. gägärmiich wache 510 f. welcher, relat. #j£ 541 Anm. 59; interr. Tin, Faigl 517 Anm. 10. wenn vde skr. yadi 498. wer kuö 463, rrıAı 517 Anm. 10. wie (interr. und relat.) #juG, #jı6 495 unten. wir v@ver, vever 520 Anm. 16. wo (interr. u. relat.) ku 496 p. m. wollens.lieben. Zahlwörter 459 f., 495, 511 f. Anm. 2. zehn dye-Te 459. zehnfach djeres 495. Zehnte Klasse der Sanskritverba vertreten ım Alban. 474, 529 Anm. 32 (kend-oje-me wir singen) Zeit SEpE (auch Mal) 496. zu TE, TER 501 f., 504. zwanzig vje-Cer nordalb. nja-set 512 p. m. zwei dü 511. zweifach dus 495. Zzz?2 548 Borr ZUSÄTZE unn BERICHTIGUNGEN. Zu p. 478. Obgleich das albanesische Reflexivpronomen, als solches, nicht im Nominativ vor- kommt (s. Anm. 41), so hindert dies nicht anzunehmen, dafs das als Artikel angehängte v des Nom. sg., womit oben (p. 465) die Genitiv-Endung u vermittelt worden, ebenso wie diese in seinem Ursprunge identisch sei mit dem aus ve zusammengezogenen u, welches den Aoristen, nordalbanesischen Infinitiven, und gelegentlich auch den Imperativen voran- gestellt zum Ausdruck des Passiv- oder Reflexivverhältnisses der Verba dient (s. p. 480 f. 541 Anm. 53, 543 Anm. 68). Ich erinnere daran, dafs auch im Altslawischen das im Nom. masc. der definiten Adjectiv - Declination erscheinende i im Nomin. des einfachen Pronom. nicht vorkommt (s. p. 516); eben so wenig das griech. 705 von au-T0s, dessen erster Theil mit dem zendischen Demonstrativstamm ava zusammenhängt. Zu p. 486. Während des Druckes dieser Abhandlung sind mir noch einige Formen aufgefallen, welche mit mehr Recht als mAjore voll (a ngefüllt) als Passivparticipia den sanskritischen auf ta-s gegenübergestellt werden können; weil ihnen auch, was bei TAjoTE nicht der Fall ist, ein entsprechendes Verbum zur Seite steht. Hierher gehören: 1) kju-re wach, aufgeweckt, von #jory (gegisch) ich wecke auf, pass. KOYE ich ich werde aufgeweckt. 2) S&-re steif, steif gemacht, von Say ich mache steif, pass. Saysu ich werde steif. Vielleicht ist „stehen”, im causalen Sinne stehen machen, die Grundbedeutung dieses Verbums und demselben ein anfangendes s entschwunden, wie dem präkritischen {5&T fid6 stehend. Es wäre demnach SIZTE verwandt mit dem skr. sfita-s (für stätd-s) stehend und griech. Fr@ros. Von der Wz. stä kommt im Skr. auch szira@-s steif, fest. Daich die Aspiration des skr. £ für ver- hältnilsmälsig jung halte (1), so lege ich natürlich keinen Werth auf die Begegnung des alban. «3 und skr. 2 bei der in Rede stehenden Wurzel, sondern glaube, dals bei derselben die beiden Sprachen ihre Aspirata unabhängig von einander aus einer frü- heren Tenuis erzeugt haben. (') S. vergl. Accentuationssystem p. 219 ff. Anm. 18. über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen. 549 3) droyere kalt, eigentlich kalt gemacht, von &$Tox, ich mache kalt, pass. bToxen ich werde kalt, erkalte. Was die Wurzel $rox, anbelangt, so ist dieselbe höchst wahrscheinlich verwandt mit der griech. ı/ux,, wobei der Übergang eines Zischlauts in 7 und des 7 in & nicht befremden kann. 107) . 196 Z. 2 lies catur für catrus. Die Urform ist caturs (zend. cathrus), welches laut- gesetzlich den letzten der beiden Schlulsconsonanten ablegen mulste (s. vergl. Gramm. p- 324). S. 514 2. 5 lies bgesev für Bpgdev. S. 517 Z. 5 lies xuey für #ury. V. Xylander (p. 28) schreibt jedoch zoViy. Zu p. 521 Z.3 v.u. Eri (era) deine (Zwi) ergibt sich durch Vergleichung mit der entspre- chenden nordalbanesischen Form zer als eine Verstümmelung von reru, wobei die Sylbe TE, te nur als der vorgesetzte Artikel gefalst werden kann, so dals das Ganze wörtlich ot ou bedeutet. Hr. v. Hahn schreibt getrennt € ru (€ 700) und gibt auch dem den Ad- jectiven vorgesetzten, aber bedeutungslosen Artikel, im Fall ihnen das Substantiv, worauf sie sich beziehen, mit suffigirtem Artikel vorangeht, im Nom. Acc. Voc. pl. und im Acc. sg. die Form g, z. B. vjegeQtr’ € ige die guten Männer, vjegiv’ € ige den guten Mann. S. 541 Z. 3 v. u, lies degöı für degor. ung u Klaohı skaam LERNEN nor. ART, vah on yggerhancdun Krb lan aib TI U ET nn “u ' | sea: oh lade % ala, ai dal den Kanaaere ae inet aaa uhr Arts) ir ra MERKETAIE re Ar) ‚eitahd Ar I St Bi ae alt uetrer mb re > br ern re MN ig ul gr ir, er ”s kat a N PO { a ee pe %, ga in gruen Irrubsubtactdignn dns) uhn sdlyß.oj6 ‚iodarı „rar, ao unbe nlrufA sin, ya Won sw. dailtibr aupnp), ‚ab, ala „su ara; Le -bA an saohı, down dihrg base ‚dar 20 Sb denpeiag Illaaaa nn AR | log „tnstchud, ub.nanıik; And wind c ansehngeiltunhad sa ’ ah hat ,a0T nd of and, Fa ra ia RUE BE ELLI US EI 520 kan Da TE Mt er ee Prev e ed Iren Dia ‚eva va PETER TeVON er ee Br A EEE El I FERNE" anbum, rgrhail i | 1 eg an RE IE, u ’ mie. a A a, ng: Er De N VE er et DETE Re: Be ui rar: R Ybeah x u Na a rl RT a BTT il un ve ch R and aan Wh Au tayy ve 4 re NEE RR Di ah du che Be ET. Vadim: Ban oh He vorsah Ai Bas 9 Ay Aartaen Abe ig FERNE, DR ber ih ‚erh ig Re = Sm kon eruhunhäpi kiail;y Wi Kar Ku ee re vn wre RR) 1 = ” yapah Sn ke. 1 MEN +» TR. KÜR Dcch 1 POlTe DEN ae lee | fj; EL \. le Mn ba Werth a ' "ala, le a EN Bra Man WiRT Eh } im 2 Ti «ua Me ' aa AA il Wh ar h Er, «u ee io Be N die En „ich Age Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. %. vd Von H” PANOFKA. mnnnnnanmnwwn [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 16. November 1854.] Die Gottheiten auf Larissa, der Hochburg von Argos. I. Hera Akraia. > ’ ur) \ > ’ E77 x wm 53 ; £ errı dE vaos’ AmoAAwvos ov IIuSaeüs TOWToS mapayevouevos en AEADWwv Adysraı momeaı. Vgl. Paus. II, 35, 2: In Hermione ’AroAAwvos de einı vaoı Toels, Nun U ’ N I \ E y > 4 \ x ’ E} ’ nal ayaAmara rpia. nu TU MV ol Eorıv Eminiyaıs, rov de lluSaen övouadovcı, nal Ogıov Föv roirov: To nv ön ou u Sacws övona neuadyranı apa ’Apyeiwv- rourois yap 'EAAyvuv mowras adıneoIar Tererırda pycı rev Hu9asa Es ryV Kugav 5 ' A > 4 er - n AL ’AroAAwvos malda ovra* Tov de Ogıov ED oTw zaAoucıw, vadws Ev oÜx av Exor 3 69 2 m em m x > n eimeiv- TEnMaponaı ÖE mept ns Öguv moAeuw abas n din vingravras Emi TOde Tınas "ArcAAwvı "Opiw veinau. Paus. II, 36, 5. "Agyetoı Ö& &s Edapos naraßarovres riv Acivnv nal ru E, ' m ’ ’ e yav mgonogirauevo 77 aperege MuSacws ve 'AmoAAwvos ÜmeAeimovro iepoöv (kai a ic EN ß \ BE ’ vv Er OyAov ErTi) nal Tov Ausiorgarov moos aürw IATTOUTW. ('?) Analecta I, p. 224. (*) Wohl nothwendige Emendation für Aagssoroıcı. () S. m. Ant. Weihgesch. Taf. I, 8. den Denar der Gens Cornuficia. Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 2. 555 Paus. III, 10, 10. ’Ev && Bcpvarı (&s yag robrov adıy mpciuv) ayarua ertı IvSacws AT oAAWvos zara Ta aura TO &v AuunAaıs FemomWEvoV" TO 6 TYAME ömolov Ent, EM Eneivw yaarlw. Aunedurnovias yap Emıbareorega Enrı Ta &s rov ’Auv- KAulev, WSTEHal Tov KEUTOV, ev Koolsos öAudos TO ArcAAuwı Ereunbe rw IluSaeı rourw, &s HoTuov TOD Ev AuunAaıs KaTey,onFavro dyamuaroc. Paus. II, 11,7. Sragrıarars de &mi mus ayogas HvSacws rE(!°) Errı nal ’AmoAAwvos nal ’Aprenıdosnai AyrousdyaAnara. Xogos de oUros 6 Tomas Hardirau Tas, oTı Ev Tais yuuvoraudiaıs (Eoprn Ö8 ei Tıs aAAy nal ai yuuvorasdiar did Froudns Aaneduumevics eiriv) Ev Tayraıs owv ci epncı Kageus irtarı To AmoAAuwvn. b Des Pausanias Ausdruck „es ist auch ein Naos des Apollon, den Py- thaeus zuerst aus Delphi kommend soll errichtet haben” würde über Benen- nung und Gestalt des apollinischen Tempelbildes uns völlig im Dunkel lassen, wenn nicht mehrere andre Stellen desselben Schriftstellers in Verbindung mit hierauf bezüglichen Bildwerken uns zu Hülfe kämen. Was den Pythaeus anlangt, so wird Name und Persönlichkeit desselben gewöhnlich von einem Sterblichen als Einführer dieses Apollokultus verstanden, ohne dafs neben der unzweifelhaften historischen Auffassung der in der Mythologie so äufserst gangbaren Redeweise eine anderweitige Berücksichtigung zu Theil wird. In- dem wir die nöthigen Beweise für die leztere einigen andern auf die Einfüh- rung des Dionysos in verschiedne Länder bezüglichen Stellen des Pausanias vorbehalten, genügt es uns hier darauf aufmerksam zu machen, dafs die argi- vische Dichterin Telesilla, indem sie den Pythaeus als Sohn des Apollon be- singt, sein nahes Verhältnifs zum Musengott schon andeutet. Es kann daher . nicht befremden, wenn der Name des Cultuseinführers Pythaeus alsbald in den des Gottes aufgeht, und Pausanias II, 35, 2 in Hermione drei Naoi nebst drei Statuen des Apollon anführt, deren erste Apollon schlechtweg, die zweite Pythaeus, welchen Namen die Einwohner von den Argivern gelernt haben, die dritte Horios hiefs in Folge des Sieges im Streit über Landesgren- zen (!’). Sein religiöses Ansehen in Argolis ergiebt sich ferner daraus, dafs die Argiver, als sie Asine zur Strafe für Abtrünnigkeit dem Erdboden gleich (‘%) Mit Unrecht warfen alle neueren Herausgeber ohne Rücksicht auf Götterlehre und Archäologie rs und za: aus dem Text und glaubten dadurch, dals sie statt zwei Apollo nur einen gewannen, die Worte des Pausanias in ihrer ursprünglichen Reinheit wieder- zugeben. ” (”) S. m. Dionysos u. d. Thyaden Taf. II, 5 u. 9. Aaaa2 w 556 P ı vo FR at machten, das Hieron des Apollon Pythaeus allein stehen liefsen, welches noch zu Pausanias (II, 36, 5) Zeit sichtbar war. Allein auch in Lakonien be- gegnen wir dem Kultus dieses Apollo Pythaeus. In Thornax stand seine Statue aus Erz; das Gold welches der Lyderkönig Krösos zur Vergoldung derselben gesandt hatte, gebrauchten die Spartaner lieber zur Ausschmückung der Erzstatue des Apoll von Amyklae. In Sparta selbst auf der Agora stan- den laut Pausanias (III, 11, 7) die Statuen des Pythaeus sowohl, als des Apoll, der Artemis und Leto; Choros, Tanzplatz hiefs der ganze Ort, weil an den Gymnopädien hier die Epheben dem Apollo Tänze aufführten. Wohl auf diesen Apollo Pythaeus sind die Spiele IySan« einer Inschrift in Sparta (C.1. 1429) zu beziehen. Nächstdem zeichnete auch Megara diesen Apoll durch besondere Verehrung aus, indem eine Inschrift bei Böckh C. I. 1058 die einen aywvoSeryv HvSaywv erwähnt, Wettspiele, vermuthlich Knaben- ringen, den Gymnopädien in Sparta zur Seite zu stellen, bezeugt. Indem der gelehrte Herausgeber bei diesem Anlafs den Apollo Pythaeus als unge- wöhnlichere Sprachform von dem Apollo Pythios nicht unterscheidbar be- trachtet, können wir dieser Ansicht um so mehr beipflichten, als wir dieselbe bei Veröffentlichung der berühmten archäischen Erzstatuette mit der Inschrift Horurgarss aveSere im Cabinet Pourtales ('*) mit Hülfe der Kunstwerke unsrer- seits feststellten, indem wir in dieser Erzfigur mit dem Namen des berühmten Tyrannen von Samos Polykrates nicht nur eine Kopie des bei Diodor (1?) umständlich beschriebenen archäischen Standbildes des Apollo Pythios in Samos (2°) nachwiesen, sondern zugleich auf dessen übereinstimmende Kunst- form mit dem Apollo Pythaeus in Sparta aufmerksam machten. Allein _ so gewifs die älteste Zeit Apoll den Bewohner von Pytho, dem alten Namen von Delphi, ohne Unterschied als Pythaeus und Pythios anrief und in ein und derselben Kunstbildung anbetete, so unleugbar tritt in späterer Zeit der TuSıss in Kitharodenbildung wie auf delphischen Münzen (!), in weit ver- breitetem Cultus hervor und drängt das archäische Tempelbild, für dessen bequemere Unterscheidung wir den Beinamen Pythaeus beibehalten, in den Hintergrund. () P. 42-50. Pl. XIII. Müller d. a. K. IX, 32. (%) Diod. I, c. 98. () Paus. II, 31, 9. Panofka. Res Samiorum p. 69. (°') Millingen Rec. d. Med. gr. T. I, 10. s. m. Einfl. d. Gotth. Taf. IH, 18. Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 24. 957 Wenn Pausanias den Cultus des Apollo Pythaeus von Delphi herleitet, so liegt in dieser Nachricht eine dringende Veranlassung, die Monumente, welche die delphischen Gottheiten unzweifelhaft veranschaulichen, für die Entdeckung des Pythaeus näher ins Auge zu fassen. Unter diesen nehmen aber die sogenannten choragischen Basreliefs, von denen ein möglichst voll- ständiges (*?) Exemplar (Taf. I, 6) zur Prüfung vorliegt, die erste Stelle ein. Daselbst treffen wir die delphische Göttertrias, Apollo Kitharodos begleitet von Artemis mit leuchtender Fackel und Leto durch Schleierhaltung und Scepter charakterisirt: sie haben bereits ihren prächtigen, am Fries mit Wett- rennen geschmückten, pythischen Tempel verlassen und statten in feierlichem Tanzschritt in heiligem Nachbarbezirk dem Gott einen Besuch ab, dessen alterthümliches Idol in Ephebengestalt mit einer Schale in der Hand auf einem Pilaster sichtbar ist. Vor diesem Standbild füllt Nike über einem Altar deın Kitharoden Apollo Pythios seine Siegesschale aus ihrer Oenocho&. Welcher Name gebührt nun dem alterthümlichen Standbild dieses nackten Apoll? es dürfte schwer fallen einen passenderen als den des Pythaeus in Vorschlag zu bringen. Denn die Knabengestalt des Gottes findet nicht nur ihre Rechtfertigung darin, dafs die Tödtung des Drachen Python, deren bedeu- tungsvolles Andenken in Delphi durch das alle neun Jahre gefeierte Fest Septe- ria (2°) mit mimischer Aufführung dieses Kampfes verherrlicht ward, gerade in das Knabenalter (**) des Apoll fällt, sondern für dieselbe zeugen in noch höherem Grade jene ihm zu Ehren in Sparta gefeierten Gymnopädien (*°), in so fern sie auf die gleiche Gestalt des Gottes als nackter Knabe hin- weisen. Nächstdem wird im Einklang mit den von Pausanias genannten Sta- tuen in Sparta, die wir auf den choragischen Reliefs wiederfinden, der Orts- name %e90s Tanzplatz durch den auf dem runden Altar in Relief darge- stellten Horentanz ebenso angemessen versinnlicht, als der Name Orchomenoi (2) Zoega bassir. d. villa Albani II, Tav. 99. Millin g. myth. XVII, 58. Winckelmann Mon. ined. Vol. I, X. Hirt Bilderb. S.29. Clarac M. du Louvre T. II, pl. 120, 39 u. pl. 122, no. 38. (°) Plutarch. qu. gr. 12. def. orac. c. 14. C. Fr. Hermann gottesdienstl. Alterthüm. I, 29, 23. (©) Lenormant et de Witte Elite c&ramogr. II, pl. 1 4. () K. Fr. Hermann gottesdienstl. Alterth. $. 53, 37. 558 Pısorka: des Haupisitzes der Chariten, mit ihrem daselbst aufgeführten Kreistanz zu- sammenhängt. Das religiöse Ansehen des Apollo Pythaeus in Sparta be- stimmt uns aber zur Begründung unsrer Ansicht schliefslich noch auf ein oft publicirtes aber bisher nur mythologisch erklärtes, nolanisches Vasenbild (Taf. I, 7) im Wiener Museum (°) hinzuweisen, auf welchem bei der Ein- nahme von Ilion Helena durch das Schwert des Menelaos tödtlich bedroht, grade zum Altar und lorbeerbeschatteten Standbild dieses unsres Apollo Pythaeus, in seiner Eigenschaft als IIargwos beider Gatten, hinflüchtet. Demnach mochte auf Larissa im Tempel des Apoll — der den Bei- namen Pythaeus unstreitig beanspruchen kann, — ein gleiches archäisches Bild des Gottes als Ephebe mit einer Schale, vermuthlich auf einem Pfeiler gestanden haben. Zu nützlichem Vergleich mit unsrem Apollo Pythaeus empfiehlt sich der in nackter Körperbildung in den Attributen von Schale und Blätterzweig übereinstimmende Flufs Hypsas (Taf. I, 8) vor Schlangen- umwundenem Altar auf Silbermünzen von Selinunt (?”), umsomehr als die Eigenschaft des Fäulnifs- und Pestvernichters, welche dem Cultus des Py- thaeus als Pythontödter zum Grunde liegt, sich grade bei dem Flufs Hypsas wiederholt, dem durch des Empedokles (*) Weisheit die Selinuntier ihre Befreiung von viele Opfer fordernder Verpestung verdankten. Ob nächst dem Apollo Pythaeus noch die Statue des Pythischen Apoll in Kitharoden- tracht den Tempel schmückte, — worauf die Analogie der choragischen Re- liefs mit den Statuen auf der Agora in Sparta hinleitet, — dürfte sich aber erst nach Enthüllung der in denselben Tempel später gekommenen Statue des Apollo Deiradiotes bestimmen lassen. III. Apollon Deiradiotes. To de ayarua 70 vuv yamnauv Erriv &gIov, Asıpa dıwrns’AmoAAwv xaAou- nevos, orı nal 6 Tomes oUros nureirar Asıgas. % Ö8 ci Mavrıny (Mavrevera Yap Erı xal &s Nas) KaIErTNnE TgOmov Tobrov. Yuym Ev moodNTEUCUT« Enrıv, avdgos euuns eioyonevn. Suomeuns ÖE Ev vunTi dpvos Kara Mfva EnaoTev, YEuTaucm ON ToU aiuaros A Yuvf xa- E) Q m ‚ TOY,0S EX TOU TEOU YIVETUL. (°) Laborde Vas. Lamberg I, 34. Tischbein Homer V, 2. Ann. dell’ Instit. arch. 1848 Tav. d’agg. D. (2) Combe M. Hunt. 48, XXV. () D. Laert. Emped. VII, 10. Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 24. 359 Die jetzige Statue in diesem Apollotempel fährt Pausanias fort, ist von Erz und aufrecht stehend: sie heifst Apollo Deiradiotes, weil auch dieser Ort Deiras heifst. Demzufolge wäre dies Epithet der Gipflige zu übersetzen, weil der Ortsname Asıyas „Hals, Nacken, Bergrücken, Gipfel” bedeutet, wie denn auch bei diesem Wort die neueren Lexikographen mit Rücksicht auf bildliche Anwendung von Hals und Nacken auf das Gebirge, treffend an collum und collis der Römer erinnerten. Indefs wie wir schon bei Hera Akraia wahrzunehmen Gelegenheit hatten, so reicht auch hier die topographische Rechtfertigung des Epithet Deiradiotes als Synonym von Akraios, unbeschadet ihrer Richtigkeit, noch keineswegs für Erforschung von Idee und Kunstbildung dieser Apollostatue aus. Erst mehrseitiger sprach- licher Prüfung dieses Beiworts einerseits, und andrerseits einer fast noch fruchtbareren bildlichen Belehrung über Kunsterscheinung dieses Gottes ver- danken wir überraschende Resultate, die über diesen eigenthümlichen Apoll auf Larissa dankenswerthes Licht verbreiten. Der wichtige Zusatz, dafs Apoll hier wie in Delphi ein noch zu Pausanias Zeit wirkendes Orakel besafs, dem gerade wie dort eine Priesterin, die sich Männerumgangs enthalten mufste, vorstand, verdient zuvörderst unsre Beachtung, indem er im Tempel des Apollo Pythaeus auf die Gegenwart eines Apollo Pythios, eines um Rath gefragten, schliefsen läfst. Das allmonatliche nächtliche Opfer eines Wid- ders, dessen Blut die Priesterin kosten mufste, um durch den Gott begei- stert zu werden, erinnert unwillkührlich an die Kunstdarstellung der mit einem Lorbeerzweig charakterisirten Priesterin Manto, welche in nachden- kender Stellung auf einem mit Ziegenfell bedeckten Sessel sich als apol- linische Prophetin bekundet (*?). Das Opfer des Widders geschieht hier nicht durch die Priesterin selbst, sondern es fällt dem männlichen Apollo- priester anheim, der ihr alsdann von dem Blute ohne Zweifel in ihre Schale zu kosten gibt, welche auf dem Dreifufs sitzend, Themis, Manto wie auch Apoll selbst niemals entbehren. Hat die alte Kunst uns aber das Bild eines solchen Deiradiotes hinter- lassen, der für das Zeugnifs des Pausanias einen lichtvollen Commentar dar- bietet? ich glaube ihn auf einer Gemme des Leidener Museums zu entdecken, () Arch. Z. 1845. T. XXIX, 1. 560 PAınorkaA:z die von dem dortigen Conservator Dr. Janssen (°°) ohne Ahndung ihres reli- giösen Gehalts publizirt ward und seidem selbst in den Augen angesehener griechischer Religionsforscher keine prüfende Theilnahme erweckte. Wir erblicken nemlich daselbst einen mit Lorbeergewinden umkränzten Altar, worauf ein noch lebender Widder gelagert ist; im Hintergrund deutet eine jonische Säule und dahinter ein Lorbeerbaum noch unzweideutiger das Hei- ligthum des Apoll an. Der Gott selbst (°') erscheint fast nackt, indem seine Chläna über den Rücken fallend von dem linken Arm herabsinkt und sich nach der rechten Schulter hinaufzieht. Während seine Linke den Widder am Hals fafst, ist das Schwert in der Rechten das Thieropfer vorzunehmen bereit. Beachten wir, dafs Apoll hier im Begriff ist, dem Widder zunächst den Hals abzuschneiden, eine Handlung die der Grieche durch öeigew und deigorounsew für Öiersuelv ausdrückte, sowie denn öegn durch roaynAcs, auymı Hals, Nacken erklärt wird: so folgt hieraus die Berechtigung, auf der Leide- ner Gemme den Apollo Deiradiotes zu erkennen und daraus zugleich die Belehrung zu schöpfen, dafs er auf der Hochburg von Argos nicht blos als Höhengott, sondern zugleich als Fellabzieher verehrt wurde. Allein auf dies eine Bild des Apollo Deiradiotes sind wir glücklicher- weise in dieser unserer Untersuchung nicht beschränkt. Die Vasenbilder leisten uns noch erheblichere Dienste, indem sie theils durch gröfseren Reichthum an Figuren, theils durch das Licht der dargestellten Handlung, theils durch dıe Belehrung neuer Attribute bei den einzelnen Theilnehmern derselben, mehr als jede andre Denkmälergattung für die Religionsforschung eine unschätzbare Quelle eröffnen. Eine schon bei Tischbein (*?) publizirte und seitdem mehrfach wieder aufgestochene Vase (Taf. II, 2.) ist für unsere Forschung von besonderem Werth. Den Mittelpunkt der Scene bildet ein lorbeerbekränzter, von der Chläna leicht bekleideter Apollon, dessen Linke ein Messer hält, während die Rechte dem links vor ihm knieenden, mit Händen am Rücken gebundnen Marsyas zugewandt ist, dessen Gesichtsausdruck das bevorstehende, von dem (°) D. Leydener Mus. II, Suppl. IV, 92. C') Das wie bei dem Pythaeus, dem Weihgeschenk des Polykrates, hinten zopfähnlich aufgebundne Haar erklärt Hesych. Özögıov * Felywov Farzıov. (©?) Anc. Vas. T. IV, pl. 6. O. Müller Denkm. a. K. II, XIV, 150. Lenormant et de Witte Elite c&ram. II, 74. Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 24. 561 Gott selbst zu vollziehende Urtheil hinlänglich verräth. Während die Scene jederseits durch einen Lorbeerzweig als apollinisch bezeichnet ist, wird das Heiligthum aufserdem noch, wie auf den choragischen Monumenten durch eine jonische Säule versinnlicht, auf welcher Apollo Pythaeus mit einer Phiale in der Linken, und einem Zweig in der Rechten statuarisch sich be- findet. Hinter dem Protagonisten der Handlung aber, dem Apoll als exeku- tiven Richter, der auf den Beinamen Sxu9ys als Synonym von Asıyadıwrns ge- rechte Ansprüche hat, erblicken wir dieses Gottes Schwester, die scy- thische (°?) Artemis mit Bogen und Pfeil in der Hand, und derselben schlichten Fellbeschuhung, die wir nicht nur bei Marsyas, sondern auch bei Apoll (°*) wahrnehmen. Indem dies Vasenbild in der auf einer Säule sicht- baren Statue des Apollo Pythaeus das Heiligthum dieses Gottes versinnlicht, zugleich aber daselbst die Figur des Apollo Deiradiotes vorführt: bietet es für die Stelle des Pausanias einen schätzenswerthen Commentar. Allein auf noch einem andern Vasenbild (Taf. I, 3) begegnet uns derselbe Gott mit dem Messer in der Rechten, die Kithara zu seinen Füfsen stehend, gegenüber dem an einen Baum angebundenen Marsyas mit Fellstiefeln, dessen aus Hirschfell bestehendes Flötenfutteral hinter ihm am Ast eines hohen Baumes (°?) hängt. Abweichend von den bisher erörterten Bildwerken erscheint Apoll hier in langer, breit- gegürteter Citharoeden - Stola, über welcher eine flatternde Chlamys noch mit einem Knopf mitten am Hals befestigt ist. Dieses Vasengemälde ver- dient um so mehr Beachtung, als es uns abweichend von den beiden Bil- dern, die den Gott nur als Deiradiotes, Fellabzieher, zeigten, in ein und der- selben Person den Apollo Pythios von Delphi durch Tracht und Kithara, und den Deiradiotes durch das Schlachtmesser versinnlicht. Demnach tritt wie auf dem erst erläuterten Vasenbild neben dem Deiradiotes die Statuette des Apollo Pythaeus, so hier das Bild des Apollo Pythios uns vor Augen und weiset uns auf Delphi hin. Indefs dürfen wir auf dem vorliegenden r n \ D N Im Rn ’ = \ Erik: G) Hes. S2uS:or: AEIgOMMZTIOV, 0: Izuoar Tuv Au Bcevonzvuv Mo) uv Tag zebaras > 8 = N D > n < \ ‚ = NIE < 2 E2Öeoovres 15, avrı Yeıgolmnaargwv EYgwWvro. — IzUrarov' moaynAov Sızeraı. — SzUros Es ’ TraV Özgiuee. ’ [SWL ’ x e \, 4 3) Hes. szura@Aaı" Sirazes Öspparwo. — Szvrıza‘ Umodnnare mark. ! 1 (”) Elite c&ram. II, 64. Philos.- histor. Kl. 1854. Bbbb 562 Pınorka: Vasenbild zu Gunsten des Deiradiotes, den wir als Höhengott der im Himmel herrscht, schon am Beginn unsrer Untersuchung kennen gelernt haben, weder die Sternenstickerei seines Gewandes übersehen, die wie so häufig bei Aphro- dite und Hera, die Idee des Himmels eügavos ausdrückt, noch den breiten Strahlengürtel, welcher den Charakter des Sonnengottes am Himmel noch näher bezeichnet. Die bekränzte bärtige Figur, welche auf einen Knoten- stab gestützt sitzend links die Scene abschliefst, hat man bisher bald Midas, bald Tmolos genannt. Sollte nicht aber vielmehr Zeus, der mit Themis das Orakel zu Delphi in ältester Zeit inne hatte, und dem Apoll erst seine Weis- sagungskraft verdankt, hier gemeint sein? Derselbe Zeus, den ich (°°) mit gleichem Knotenstab als «sixrwg Gott der Flüchtlinge, nachwies, der die Schicksale in seiner Hand wägt? Ob die den Peplos Aphrodite ähnlich auf- ziehende, schwer bekleidete Frau rechts, die mit gekreuzten Beinen sich auf einen Fels stützt, dem reicher Wasserstrom entquillt, die Personifikation von Pytho mit der kastalischen Quelle vorstelle, oder einen andern geeigneteren Namen verdiene, lasse ich als diese Untersuchung nicht unmittelbar berüh- rend unentschieden. Im oberen Raum erblickt man die von mir zuerst (°7) nachgewiesene, in griechischer Religion und Kunst so tief eingreifende Göttertrias von Phaos, Aphrodite und Himeros. Rechts sitzt Phaos (Faunus) unbärtig, aber bocks- hörnig und bocksbeinig, mit gefüllter Schale in der Rechten und Salbfläsch- chen in der Linken; er blickt nach der links über dem Haupt des Apoll sitzenden, durch ihren Spiegel kenntlichen Aphrodite, welche dem Gott als Sieger einen Lorbeerkranz herabreicht. Zu ihr fliegt links Himeros heran, mit Palmstengel in der Rechten und vier Siegerbinden in der Linken. Nachdem wir nunmehr das Bild des Apollo Deiradiotes auf einer Gemme und zwei Vasen nachgewiesen, bleibt uns noch übrig mit einem nicht minder wichtigen Monument (Taf. II, 4), einer Marmorstatue (°°) der Galle- ria Giustiniani (Tom. I, No. 59) unsere Monographie zu schliefsen. Apoll erscheint mit Lorbeer bekränzt, in der linken Hand den Kopf des Marsyas emporhaltend, an welchem noch die abgestreifte Haut des Körpers hängt, (°°) Zufluchtsgottheiten Taf. III, 2. (°”) Mus. Blacas Pl. VII, p. 25. (°) Clarac Mus. de Sculpt. T. III, pl. 541 no. 1136. Marbre de Carrare, 4 p. 4% o. Rechter Arm neu, Kopf antik, aber angesetzt. Archäologischer Commentar zu Pausanias B. Il. Kap. 24. 563 die über einen Theil des Vorderarms geworfen ist. In der rechten Hand hält der Gott nach einer neuen, aber unzweifelhaften Ergänzung das Messer. In dieser Statue wies Böttiger (Kl. Schr. S. 58. XVII) scharfsinnig den Apollo Tortornach und erläuterte dadurch eine dunkle Stelle des Sueton im Leben des August Kap. 70, wo von der berüchtigten caena dwdsr«Seos die Rede ist, bei welcher August als Apoll figurirt hatte; den folgenden Tag habe das Volk ihm zugerufen, „Allerdings sei der Kaiser Apollo, aber der Scharfrichter Apollo”: Caesarem esse plane Apollinem, sed tortorem; und nun setzt Sueton zur Erläuterung hinzu: quo cognomine is Deus quadam in parte urbis colebatur. Die Erklärer erinnern sich dabei aus dem Martial II, 17 einer Gasse, wo die fagella tortorum verkauft wurden, ein Artikel, der im sklavenreichen Rom fleifsig gesucht werden mulfste, dahin gehöre dieser Apollo Tortor. Böttiger meint ferner „der Zuruf des Volkes erhielt dadurch einen weit schärferen Stachel: freilich bist du ein Apollo, aber nicht der von Actium oder auf dem palatinischen Berge mit der Cither und den übrigen des Gottes würdigen Attributen, (denn auf den Apollo Actiacus oder auf dessen Nachbild, den Palatinus müsse es bestimmt bezogen werden, nicht im Allgemeinen auf den Verderbenabwender und Heilbringer, wie Oudendorp meinte S. 284), sondern der Menschenschinder, wie wir ihn täglich neben dem Marsyas oder mit Abstrafung desselben beschäftigt erblicken. Wiewohl dem berühmten Archäologen für die Erklärung der Suetonischen Stelle mit Hülfe der Giustinianischen Statue und der Kaisermünzen mit dem Bild des Palatinischen und Actischen Apollo hohe Anerkennung gebührt: so vermöchten doch des Sueton Worte sed tortorem auf die Oudendorpsche Ansicht zu leiten „nicht der Verderbenabwender und Heilbringer” sei hinzu zu denken; zumal Kaisermünzen (Taf. Il, 5) mit dem auf die Lyra sich stützenden, einen Lorbeerzweig haltenden Apollo Conservator (‘) zu ihrer näheren Begründung beitragen könnten. Allein ein Blick auf das zulezt erläuterte Vasengemälde (Taf. II, 3) belehrt uns eines Besseren. Wir haben nemlich nicht nöthig dem August seine durch die Münztypen hinlänglich erwiesene (°°) Pinder d. ant. Münz. d. k. Mus. zu Berlin. 973. Quietus Usurpator im Orient 261-262 n. Chr. IMPerator Caesar FVLvius QVIETVS Pius Felix AVGustus. Kopf des Quietus mit Strahlenkrone. Bbbb2 564 Pınwsorxa: Tracht als Apollo Citharoedus zu entziehen, um die Stelle des Sueton rich- tig aufzufassen, sondern nur wie auf der Vase, uns die Kithara zu seinen Füfsen gestellt und das Messer — das bei der caena um so weniger befrem- den kann — an ihrer Statt in seiner Hand zu denken, um den Ausruf des Volkes mit Anspielung auf den palatinischen Apoll wie Böttiger schon richtig bemerkte, in seiner beziehungsreichen Schärfe zu würdigen und zu ver- stehen: „Caesar sei offenbar ein Apoll, aber nicht der Musengott, sondern der Fellabzieher.” Lenormant hat bei der Erklärung der beiden Vasen des Marsyasurtheils auf diese Statue und Böttigers glückliche Deutung des Apollo Tortor Rück- sicht genommen: allein unbegreiflicherweise so wenig wie sein berühmter Vorgänger daran gedacht, dafs der Apollo Tortor nicht als ursprüngliches Gebilde römischer Religion und Kunst dasteht, sondern viel tiefer wur- zelt, indem er nur als Nachbild des Apollon Deiradiotes (*%) auf der Hoch- burg von Argos zu betrachten ist, der trotz seiner Eigenschaft als Höhen- und Lichtgott bisher zu unverdientem Dunkel verurtheilt, unsre archäolo- gische Monographie um so mehr verdiente. Im Hinblick auf den gegen- wärtigen Barometerstand griechischer Mythenbehandlung könnte es am ge- rathensten scheinen hier abzubrechen und mit Rücksicht auf die beliebte moralische Auslegung der alten Mythen, sich zu begnügen, in dem Stand- bild des Deiradiotes und seiner Beziehung zu Marsyas den ethischen Cha- rakter des Gottes geltend zu machen, insofern Apollon hier ein gestrenger, aber gerechter Herr, als warnendes Beispiel, dafs Sterbliche nicht ungestraft mit der Gottheit sich messen dürfen, ebenso unverkennbar hervorleuchtet, wie in dem Mythos der Niobe und dem des von den Musen geblendeten Thamyras. Wie wenig auch wir dieser Rechtsansicht vom Marsyasmythos zu nahe zu treten gesonnen sind, davon wird der Beweis bei einer andern Gelegenheit geliefert werden, wo der bisher unerforschte Beiname des Apoll in seinem Streit mit Marsyas, völlig im Einklang mit seinen charakteristischen Attributen, zum erstenmal ans Licht treten soll. Allein die ethische Auf- fassung dünkt uns in Bezug auf Religionen des Alterthums weder die alleinige, noch die älteste: ihr geht unsres Erachtens eine andre, die physische, } Y 2 , a #0) Herod. VII, 26: rev Und Bouyav Aoyog eysı Umo Amoriwvos Zrlrptvre dvazoe- ’ (nr Y & g 5 MAT TAVCL. Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 24. 565 kosmische Auffassung voraus, welche in möglichster Kürze anzudeuten wir uns nicht versagen können. Betrachten wir die Marmorstatue des Apollon Deiradiotes mit dem Messer in dereinen und dem Haupt des Marsyas in der an- dern Hand, so ruft dieser Anblick unwillkührlich das Bild (Taf. II, 6) des Perseus mit dem Haupt der Gorgo (*!) ins Gedächtnifs, dessen über- raschende Ähnlichkeit jedermann einleuchten wird. Über den Sinn dieses lezteren Kunstwerkes herrscht glücklicherweise unter Alterthumsforschern kein Zwispalt: das Haupt der im Schlaf geköpften Gorgo findet als Bild des Vollmonds ebenso allgemeine Anerkennung, als ihrem Vernichter Perseus der Charakter des Tageslichtgottes zugestanden wird. Hieran knüpft sich die Frage: „liegt etwa der gleiche Sinn einer Mondenthauptung durch den anbrechenden Tagesgott der Statue des Apoll mit dem Marsyas- kopf zum Grunde? Zur Beantwortung derselben müssen wir uns zuvörderst vergegen- wärtigen, dafs bei den griechischen Schriftstellern, wenn von SsıAnvos die Rede ist, vorzugsweise Marsyas verstanden wird; zweitens, dafs das Wort eıryvos, sıRyvos unbeschadet seiner Beziehung auf Stumpfnasigkeit sıÄs, ırnes Spötterei, auch durch die Aussprache als männliche Form von veANvn Geltung erhielt. Zum Beweis lege ich die Münztypen der Stadt Silandos (**) vor, welche da Ziravdcs soviel als sıRavos mit eingeschobenem d bedeutet, mit dieser Namensumschrift das Brustbild bald des Silen (Taf. II, 7), bald des jugendlichen Mondgottes Myv (Taf. II, 8), bald die Gestalt der Mond- göttin mit langer brennender Fackel in der Linken, und Mohnstengel in der Rechten (Taf. II, 9) veranschaulichen. Mit dieser Idee des Mondes in männlicher Form steht drittens die Gesichtsbildung dieses Silen so- wohl, als besonders seine ihn bezeichnende kahle Platte im Einklang. Sollte dennoch Manchem aus Mangel an Kunstdenkmälerkenntnifs es schwer fallen sich zu überzeugen, dafs griechische Mythologie und Kunst dieses Silenkopfes als Bild des Mondes sich bediente, so lege ich als schlagendes (*) Erzmünze von Ikonium in Lykaonien mit dem bedeutungsvollen Eigennamen MENETIMOC Rv. Weinbekränzter Dionysoskopf mit Thyrsus dahinter. Mionn. S. VII, V, 6. (”) Sestini M. Hederver. T. XXV, 1. Rv. viersäuliger dorischer Tempel EMI ZATTI AIANOY. — M. Britann. Ry. Kopf des AY MAZIMEINOC. — Sestini M. Hedery. T. XXV, 2. Rv. ... POC KAICAP Unbärtiger Kopf. 366 PAnorka: Beispiel dafür viertens eine merkwürdige Gemme (“*) (Taf. II, 10) vor, die einen Silens- und Panskopf janusartig einander im Rücken darstellt, und in- sofern sie über dem Panskopf einen Stern, offenbar den Morgenstern Phanes, über dem Silenskopf eine Mondsichel zeigt, weist sie ihrerseits den Charakter der reAywn in dem Kopf des Fıryvos aufs unzweideutigste als bildliche Inschrift nach. Diese Erwägungen veranlassen uns, in dem Apollon Deiradiotes mit dem vom Hals getrennten Haupt des Silen Marsyas die Idee eines ans Licht getretenen Sonnengottes, der dem Mondschein den Garaus macht, als ursprünglich zum Grunde liegend zu betrachten. In Bezug auf unsern Nachweis des Apollo Deiradiotes, Tortor, Fell- abzieher, empfehlen sich schliefslich noch zwei merkwürdige Antiken zu lehrreichem Vergleich, indem sie demselben geistesverwandt, ein über- raschendes, aber unleugbares Zeugnifs davon ablegen, dafs auf Werken griechischer wie römischer Kunst der Gleiches bedeutende Name auch eine gleiche bildliche Handlung hervorruft. Die eine, eine volcenter Kylix (**) aufserhalb mit den verschiedenen Thaten des Theseus geschmückt, zeigt im Innenbild (Taf. II, 11) die be- rühmteste des attischen Heros, wie derselbe mit gezücktem Schwert, gerade wie Apollo Deiradiotes, den bereits aufs Knie gesunkenen Minotaur zu köpfen im Begriff steht, wohl in bisher unbeachtetem Zusammenhang mit der oberhalb lesbaren Inschrift AORIE EFPA®ZEN, insofern der Name des Vasenmaler Doris gleich Deiradiotes, dem Beinamen des Apollon, den Fellab- zieher bezeichnet. Dafs übrigens auch diese Kunstdarstellung des in den Personennamen freilich verschieden klingenden Mythos denselben kosmischen Gedanken in sich schliefse, welchen wir an Apollon Deiradiotes nachgewie- sen, wird diejenigen nicht befremden, welche in der Hieroglyphe des Mino- taur den Mondstier und in seinem Vernichter Theseus, einem heroi- (*‘) Creuzer Symbolik IV, Taf. I, 9. s. m. Gemm. m. Inschr. Taf. III, 27. (**) Gerhard Auserl. Vas. III, 234. S. m. Namen der Vasenbildn. S. 12. Die Blumen zwischen dem Mäander zur Bezeichnung des Labyrinth, obwohl bisher übersehen, ver- dienen Beachtung; denn dals AußvawSos , AavawIos, Aavoe nicht verschieden sind, haben Sprachforscher längst eingesehen. Um so weniger durften Archäologen sich versagen, die Richtigkeit dieser Bemerkung auf Bildwerken nachzuweisen. Avsa nemlich hiels ein mit den seltensten und üppigsten Blumen geschmückter Ort in Sardes und Samos. Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 24. 567 schen Abbild des Apollo Thearios(‘), den schauenden Sonnenheros zu erkennen gewohnt sind. Der Analogie der Kunstdarstellung wegen, die wohl nicht auf blofsem Zu-und Einfall künstlerischer Phantasie beruhen möchte, stelle ich dieser Minotaurenthauptung durch Theseus die sehr ähnliche des Argos (Taf. II, 12) durch Hermes (“°) zur Seite, wobei zugleich die Menge kleiner Kreise auf dem Körper des Minotaur durch die Unzahl der Augen am Körper des Argos als Symbol des gestirnten Himmels ihre natürliche Rechtfertigung gewinnt. Auf dem andern Monument (Taf. H, 13), einer Gemme des kgl. Museums (7), sitzt unter einem Baum ein Mann, im Begriff einen Ziegenbock zu schlachten; eine Kunstdarstellung, die ihrerseits an die Leidner Gemme des Widderschlachtenden Apoll (Taf. II, 1) erinnert, und zu der andrerseits der beigefügte, mit Deiradietes dem Sinne nach übereinstimmende, Name des Siegelringbesitzers Dorio die nächste Veranlassung gab. IV. Athene Oxyderko. Tod Asıgadınsov de "AmoAAuvos Eyerar ev iepov "ASnvas 'OEudegxoüs zarcumevns, Arsundovs dvaSnna, orı ol Mayonevw wort Ev Aw ryv ayAdv apeidev 9% Seds dmd ray öbSarnuwv. An den Apollo Deiradiotes stöfst das Hieron der Athena Oxyderko die Scharfsichtige mit Beinamen, ein Weihgeschenk des Diomedes, weil ihm einst im Kampfe vor Ilion die Göttin den Nebel von den Augen hinwegge- nommen hatte. Zur Erklärung dieser Stelle führte schon Siebelis mit Recht aus Homer Ilias V, v. 127 die dem Pausanias offenbar vorschwebenden Worte der Athene an: ayzuv ro am öBIaAumv Erov, 4 mai Emrev, ode eu yıwoans Ausv Seov Abe nal avdpa. welche über diesen Vorfall den nöthigen Aufschlufs geben. Als nemlich Pandaros mit seinem Pfeil den Diomedes an der rechten Schulter verwundet (I. V, 95 u. ff.), ruft dieser den Kapaniden Sthenelos ihn herauszuziehen (*) Paus. I. 31, 9. Gerhard A. V. I, S. 54 n. 116. (*%) Panofka Argos Panoptes Taf. III, 2. Gerh. A. V. II, 116: Rv. Herakles und Hyllos. (””) S. m. Gemmen m. Inschr. Taf. Il, 36. 568 PAnorka: (v. 108), betet zu Athene um Hülfe und Heilung und wird erhört (v. 115 £f.); v. 124 ermahnt ihn Athene: Kehre getrost, Diomedes, zum muthigen Kampf mit den Troern, Denn in das Herz dir gofs ich den Muth und die Stärke des Vaters, Wie unerschreckt hinsprengte der Schilderschütterer Tydeus. Auch entnahm ich den Augen die Finsternifs welche sie deckte; Dafs du wohl erkennest den Gott und den sterblichen Menschen. Allein die Vorstellung dieses Moments läfst sich bis jetzt nicht mit Sicherheit auf Bildwerken entdecken, wenngleich in Vasenbildern von Zweikämpfen des Diomedes mit Trojanern Athene gewöhnlich in unmittelbarer Nähe ihres Günstlings und Dieners sich befindet. Der gegenwärtige Mangel an bild- lichen Vorstellungen darf uns aber nicht abhalten zu untersuchen, wie die griechische Kunst den eigenthümlichen Beinamen der Oxyderko Scharf- sichtigen, ausdrückte, und wie die Statue dieses Hieron ausgesehen haben mochte. Unzweifelhaft gebührt das hier der Athene beigelegte Prädikat dem ihr deshalb auch heiligen Vogel, der Eule, deren Name yAav£ die leuch- tende auch der Athene bekanntesten Beinamen yAavzurıs Leuchtaug her- vorrief und in der angeführten Stelle bei Homer ebenfalls der Göttin beige- legt wird. Hienach geräth man in Versuchung Athene mit der Eule in der Hand als bildlichen Ausdruck für Oxyderko anzunehmen (*°). Allein wie passend auch dies Symbol für den der Idee nach gewils ver- wandten Beinamen der Athene, für yAauzwrıs erschiene, so mahnt uns doch die Erwägung, dafs auf Larissa die Göttin gerade nicht als Glaukopis, son- dern als Oxyderko bezeichnet wurde, lieber einem andern Symbol von glei- chem Gewicht für die scharfsichtige Athene den Vorzug zu geben. Hiezu verhilft uns ein archäisches (*?) Vasenbild, wo Stihenelos als Feldwund- arzt wie anderemal Achill (°°), den Finger des verwundeten (Taf.IIl, 1.) (€) Etwa ähnlich der Lanzenbewaffneten, mit Mondsichel charakterisirten, Eule haltenden Astarte, die auf ihrer Mutter Derketo steht, auf M. von Askalon; Vaillant Num. gr. imp. Rom. tb. XIV, 9. Guign. Relig. Pl. LIV, 203. Zu vergleichen mit Athene Tritaea (Ger- hard A. Bildw. T. VII, 1, 2). €) Monum. d. Inst. arch. I, 51. Panofka Bild. a. Leb. VII, 9. (°°%) Mon. d. Inst. arch. I, 25. Bild. a. Leb. VII, 10. Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 24. 569 Diomedes (Taf.IIL, 1) verbindet: neben diesem lezten steht Athene durch Helmlosigkeit und die in der Rechten quergehaltne Lanze nicht als Streiterin sich bekundend; hiemit im Einklang verrathen sechs grofse weit empor- ragende Schlangen um ihre Gorgoneionlose Wollägis einen be- sonderen beachtungswerthen Charakter. Um diesen zu errathen, müssen wir der Zeugnisse des Alterthums (°') uns erinnern, laut welcher die Grie- chen die Schlange als das scharfsichtigste Thier ö£uwrerrarov wohl kannten, daher die Namen, welche der Grieche ihr gab, sowohl Ögarwv von Öegzu, als dıs von örrw, indem beide Seher bedeuten, offenbar von dersel- ben Eigenschaft herrühren und genau mit dem Beinamen dieser unsrer Athene übereinstimmen. Hierauf gestützt glauben wir, das Athenebild der vorge- zeigten Vase dürfte sich vor allen andern dazu eignen, durch das auffallende, wirksame Hervortreten der die Aegis umgebenden Schlangen den Charakter der scharfsichtigen Göttin zu offenbaren. Hiebei kömmt der Schlange vor anderen Thieren, die dasselbe Prädikat der Scharfsichtigkeit bei den Alten ebenfalls für sich in Anspruch nehmen, wie Adler (°?) und Löwe (°°), noch ein Umstand besonders zu Gute, dafs sie nemlich den Charakter der Heilgottheiten ebenfalls in sich aufnimmt. Insofern aber Auge Licht be- deutet und die grofsen Leuchten des Weltalls, Sonne und Mond, ebenfalls unter dem Bilde des Auges besungen werden: ergiebt sich für Athene Oxy- derko zugleich der kosmische Sinn, dafs sie im dicken Dunkel der Nacht durch ihre Erscheinung als helleuchtende Mondgöttin Nebel und Finsternifs verscheucht. . - 07 ’ u, x WR, ! (3 ı \ n (°') Aelian Nat. anim. IX, 16: "Orav drodvsyrar 70 yagas 6 odıs, Umapyousvou de rau 5 nu en > sa, \ m az: I \ ER \ E35 \ 9 a) Ngos Sog Folro, EvrauTc vor zar zuv OhIaruav ryv aypüv zur 70 außrU zus oews fUrrere al \ 2 \ El meosumoSyyuv Te zur mag yyuv To Ole > 5 y 6) 3 7 NH \ A, ‚ außruwrrsı de age dir Fo) YeınWvos boAev- Er \ ’ = - - > - - 5 ’ x v e Q m Fac Ev MUYD Zt SZorW. Ovzoiv warazıoüsav E2 Tav Zoumuiv TU gwuv Tyv ob VrOrTEgILEIVoV VBSEO e m EP ACM , > Se IQ za ERZEIWO WS YYDaS obrarumv Fu) DE Magaızw ERONE er £' 8 2.4 I , 2 ERRFESOV, EITE EGRVENS FTOVUOE TOV TRTOUS Yıwerat I; no ! N 2% , > ’ . T Bi m \ 70 Arge ST ov ART Igel, aa GEUWmEszegoV amocbaıver. —_— Pind. Pyth. IV; 249: ATEWE [UEV (Jason) m ’ ‚ E7 YAcvzura FEYVvaLS TOrA).oVu)ToV opıv. ENE MER 3£ 2 ’ \ Ser re = / ’ a \ \ (Ca) Alerog de og Twv OEUWMETTETOG. — Asyerar ds An EaUrW Movw YEornTios, AA za ’ \ E) oN > > z ’ ’ > n \ „N > n avSgumun SbTanuoıs 6 Eros KYaTOov EIVee. Ei cv nern vis Arzızu zyv Yohrv AUToU dtera- Bev Unarcidaro außrvveusvos, oberer, ze: GEurerous ya ide BR zols obr-ernovs. Aelian. Nat. anim. I, 42. (°) Aelian. Nat. anim. V. 39. Philos. -histor. Kl. 1854. Ccec 570 Paıvworka: Allein auch in Sparta besafs dieselbe Göttin unter dem Beinamen ’O®SaAulrıs oder ’Orrieris einen Naos von Lykurg geweiht zum Dank für Errettung des anderen Auges, nachdem Alkandros aus Misfallen an den neuen Gesetzen ihm ein Auge bereits ausgeschlagen hatte (°*). Das Sinnbild des Auge, welches häufig auf Vorsicht wgovow gedeutet worden, kömmt aber vor vielen andern Gottheiten vornemlich der Athene zu, und wenn Galli- machus im Bade der Pallas v. 17 singt: es bedürfe keines Spiegels, denn immer schön ist das Auge der Göttin: so müssen wir hiemit das Symbol des Auges in Verbindung bringen wie es bald Schiffen, bald Schildern und Schildfahnen zur Zierde so häufig angemalt wird, gewifs mit Bezug auf Athene als Göttin der Schiffahrt und des Krieges. Athene wird daher nicht blofs mit dem bekannten Beiwort yAauxwrıs, sondern bei Sophocles Oed. Tyr. v. 198 auch mit vollem Recht als Eisrıs Gutaug angerufen. Zur Er- klärung dieses Epithets dient der merkwürdige Typus einer Silbermünze von Leukas (°°) im brittischen Museum, deren hinter behelmtem Athenekopf sichtbares Auge (Taf. III, 2) wohl mit Athene Oxyderko im Zusammenhang stehen dürfte. Indefs müssen wir noch ins Gedächinifs rufen, dafs dieselbe Göttin, welche dem Diomedes wie später dem Lykurg Augenlicht wieder giebt oder errettet, andrerseits auch Augenlicht zu entziehen im Stande ist, ganz wie Apoll und Artemis, die mit ihren unfehlbaren Pfeilen Pest senden, aber auch dieselbe verscheuchen. Dem Zeichendeuter Tiresias entzieht Athene die Gunst des Augen- lichts, weil er sie nackt im Bade gesehen (°°); jedoch wird höchst bezeich- nend im Hymnus des Callimachus v. 99 des Tiresias Mutter Chariklo mit den Worten getröstet: es ist für Athene nicht süfs die Augen der Kinder zu rauben; aber so wollen es die Gesetze des Kronos: wer einen der Un- sterblichen, wenn der Gott es nicht selbst gewählt hat, anschaut, der hat für schweren Lohn diesen Anblick genossen. In gleichem Sinne sagt im Sophocleischen Ajas v. 85 Athene dem Odysseus: „ich will seine Augen verdunkeln, wenn sie auch sehen” und mit (2) aus) IN1,718,4. Blut. Lye.ze 11. (°°) Nach einem durch Hrn. S. Birch gefälligst übersandten Siegelabdruck: Rv. Pegasus. (°°) Apollod. IH, 6, 7. Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 24. 571 Bezug hierauf spricht Ajas v. 450: jetzt aber hat des Zeus Gorgo-äugige ungebändigte Göttin mich als ich schon meine Hand auf sie (die Atriden) ausstreckte, irregeleitet, des Wahnsinns Krankheit mir zuwerfend. Also wie sie Diomedes den Nebel von den Augen nimmt, so verbreitet sie ihn über die Augen des Ajas. Erwägen wir, dafs die personificirte Lyssa (?’) vornemlich mit der Spitze ihrer Lanze nach Stirn und Auge des in blinde Raserei versetzten Thrakerkönig Lykurg auf mehreren Vasenbil- dern (°°) hinzielt: so wird man um so weniger Anstand nehmen, den vorlie- genden geschnittenen Stein (Taf. III, 3) für die angezogene Stelle des Ajas als Commentar zu benutzen, jemehr die lange Reihe drohender Schlangen zu beiden Seiten des Peplos der Göttin mit der Vorstellung der archäischen Vase übereinstimmt, und die oberhalb sichtbare Mondsichel mit dem Cha- rakter der yogywrıs sich ebenso wohl verträgt, als die zwischen ihren Füfsen sichtbare Granatblüthe sid; die Göttin selbst als sudyrıs, soviel als idyrrs, Sehegöttin uns vorzustellen vermag. Zur Begründung dieser Ansicht tragen wesentlich zwei Silbermünzen von Side (°°) in Pamphylien bei, deren eine ein Auge unter einem Delphin als Rückseite einer Granatfrucht (Taf. III, 5), die andre eine Granatfrucht auf dem Delphin als Rückseite eines behelmten Athenekopfs (Taf. III, 6) zeigt. Wegen völlig übereinstimmender Kunstbildung erkenne ich dieselbe Athene Oxyderko als Blenderin auch geschnitten auf einem Plasma (Taf. III, 4) des Thorwaldsenschen Museums (°); dieser Gemme Beischrift LAP bezeugt einmal die Göttin als Larissaia, Bewohnerin der argivischen Hoch- burg Larissa, lehrt uns aber gleichzeitig den Namensanfang des Siegelring- besitzers Larissus oder Larissaeus der diese Göttin als seine Schutzgöttin und Namengeberin verehrte, kennen. Schliefslich dürfte für das Bild der Athene Oxyderko der Münztypus (Taf, I, 4) der Gens Procilia (°') zu nützlichem Vergleich sich empfehlen, (°”) Panofka im Bull. Arch. Nap. Ann. V, p. 92-94. Lyssa. Roulez Ann. d. Inst. arch. 4845, p. 111-31. Monum. Tom. IV, tav. 16, 17. (°®) Millingen Peint. d. Vas. I. Wieseler d. a. K. II, xxxvıu, 442. COENE Hunt. "7. 49V 02T. (°%) Müller Deser. d. Intailles s. III. no. 242. „Athene Promachos”. Des Verf. Gefällig- keit verdanke ich einen Pastenabdruck, der dieser Publikation zum Grunde liegt. (°') Morelli G. Procil. I. Eckbel D. N. p. 289. Panofka Einfl. d. Götter auf d. Ortsn. 19: Ccece2 572 PAnorka: nicht nur weil die darauf dargestellte Göttin durch Ziegenfellbekleidung, Lanzenwurf, Mondsichel-symbolirende Schnabelschuhe und mächtige vor- schreitende Schlange mit der Vorstellung der griechischen Göttin überein- stimmt, sondern vornemlich weil in der römischen Religion der Charakter der Okulistin der Juno anheimfällt und in ihrem Beinamen Procilia der von der Schutzgöttin mit der Verehrung ihres Bildes erst auf die Gens Pro- cilia überging, die Hut der Augenwimper, pro cilüs, indem cilia wie Rrepaga der Theil für das ganze Auge gebraucht wird, — sich unverkennbar ausspricht. V.u. VI. Zeus Larissaios und Athene Larissaia. "ER ange de Eorı rh Aapion Auds Emindnaw Aapıralav vads on Exwv ogodev. 70 Ö8 ayarua EvAov memomuevov cr Erı Errnnos A Em To BaSpw. Auf der Hochburg Larissa ist ein Naos des Zeus mit Beinamen La- rissaios ohne Dach, also hypäthral, sub dio, unter freiem Himmel, wie es für einen Höhen- und zugleich Lichtgott überhaupt, insbesondere aber für einen solchen Zeus sich erwarten läfst. Sein Standbild in Holz, also aus alter Zeit und Kunstschule, stand nicht mehr auf seiner Basis. Den bärtigen, lorbeerbekränzten Kopf dieses Zeus (Taf. II, 7), vor sich einen Zweig mit einigen kleinen Blättern und der Beischrift AAdI zeigen Silbermünzen von Larissa in Thessalien (°?), während Erzmünzen (Taf. III, 8) von Larissa in Syrien einerseits einen mit gleichem Blätterkranz geschmückten Zeuskopf und was das wichtigere ist, auf der Rückseite einen Thron mit der Umschrift AAPIEZAIQN THZ IEPAZ uns kennen lehren (°). Da in der Kunst der Thron häufig die Stelle des darauf sitzenden Richters vertritt, und des- halb auf Münzen (64) von Aivos (consilium Synonym von ßevAy Rath) uns begegnet, so irren wir wohl nicht, wenn wir hier in dem Symbol des Thro- nes den Character des Zeus ausgedrückt glauben, welcher als oberster Rich- ter die Geschicke der Sterblichen in seiner Gewalt hat und den wir als Auf- seher bei der Seelenabwägung, mit einem Stab als @pixrwp versehen, auf mehreren Vasenbildern bereits nachgewiesen haben. Erwägen wir, dafs (°2) Mionn. S. II, pl. XH, 3. Rückseite Kopf der Larissa. S. m. Zufluchtsgotth. Taf. III, 50. (©) Vaillant Rec. d. Med. T. II, p. 172. Pl. XXVII, 25. (°) Einfl. d. Gotth. auf d. Ortsn. II, S. 3. Müller D. a. K. II, 28, 298. Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 24. 373 Aczırsa mit Aaga, Aare zusammenhängt und sors das Loos bedeutet, so leuchtet ein wie dieser mächtige, ethische Begriff dem Höhen- oder richtiger höchsten Gott zukommen kann. Demzufolge dürfte eine argivische (°) Erzmünze des M. Aurel in der halbnackt sitzenden bärtigen Figur mit vorgestreckter Rechten und einem Stab in der Linken das Bild des Zeus Larissaios uns vergegenwärtigen, die bildliche Anschauung desselben Gottes aber noch entschiedner in dem mit Adlerscepter in der Rechten thronenden Zeus eines berühmten apulischen (°) Kraters sich uns darbieten, insofern die beiden an der Lehne seines Thrones sichtbaren, aber bisher unberücksichtigten Schlangen auf die Lares, wie die darüber rund gearbeiteten Flügelknaben auf abzuwägende Seelen sich beziehen lassen. Dafs der Zeus Larisios den Strabo IX, p. 440 » bei Aufzählung der vielen pelasgischen Burgen und Städte die Larissa hiefsen, anführt, vom Zeus Larissaios, den Stephanus von Byzanz Aagırrevs nennt, sich nicht unter- scheidet leuchtet von selbst ein. Kal ’ASnv&s de vacs Errı Seas afıos. Paus. II, 25, 9: Kara de ryv &s "Erridaugov eiIelav Errı zwun ANTTE, vacs SE ’ASImv&s Ev aurn nal Eoavov ovdev rı Öahogov M TO Ev ängomoreı rn Aagiocy: Errı Ö8 0905 ümeg russ Ansoys 70 "Apaypalov, maraı Ö8 Saruselarwv Emi vayov TO vonu sirype. Bwioi de eisw &v aura, Aros re nal’Hpas. dervav oußgev odicw, EvrauIa Suourw. Paus. VII, 17, 3: "Axaicıs ö& öpoı zal ’HAsiors vis ugas morauds TE Aagı- vos nal AImvas Emil To moraus vaos Errı Angır alas. Paus. VI, 26, 5: ’Avdgı d& &s ’Ayalav iovrı EE"HAudes, Erra nal mevranovra sradıcı za Enarov Emi moranov einı Aagırov, nal "HAsios 0901 moes "Ayanüs TAs «ugas 6 morauos Errıv &p Av ö Aagınos: ra de er dgy,auorega ana Fpırı mg0s Sararon &pos mw 6’Agafos. Eine aufmerksame Prüfung dieser vier Stellen zeigt uns an verschie- denen Orten Culte gleichen Namens, deren Grundidee auch auf die Benen- nung von Berg und Flufs, ‚wo sie hervortreten, ihren namengebenden Ein- (°) Mionn. S. IV, 244, 155. M. Theupoli p. 899. (°°) Gerhard Mysterienbilder Taf. I. Arch. Zeit. 1844. Taf. XII. Panofka Zufluchts- gottheiten Taf. IV, 8. 574 Pınorka: {lufs ausüben. Zuvörderst bemerken wir, dafs der Name des Flecken Lessa auf dem graden Weg nach Epidauros mit dem Naos und Schnitzbild der Athene nicht verschieden ist vom Namen der Hochburg Larissa und dem daselbst aufgestellten Standbild der gleichen Göttin. Die bereits ge- machte Bemerkung, dafs Larissa dasselbe wie Lara, Lasa bedeutet, findet im Vergleich dieser beiden Ortsnamen eine neue Begründung. Allein für den Charakter dieser Athene, wie er in ihrem Beinamen sich auspricht, ist der Zusammenhang mit Larissa und Lessa um so weniger zu übersehen, als wir demselben auch auf der Grenze von Achaja und Elis wiederum begegnen, wo an dem Flufs Larisos ein Naos der Athene Larissaia erbaut war. In älterer Zeit befand sich ein Vorgebirge am Meere daselbst mit Namen Araxos. Dieselbe Erscheinung des engen Zusammenhangs zwischen Araxos dem Berg (°”) und Larissos dem Flufs treffen wir wiederum in jenem Flecken Lessa, über welchem sich ein Berg hinzieht mit Namen Arachnaion der Spinnenberg. Ehemals zur Zeit des Inachos hatte er den Namen Sapy- selaton erhalten; auf demselben waren Altäre des Zeus und der Hera; wenn Regen nöthig war, wurde daselbst diesen Göttern geopfert. Die Naturerscheinung, dafs die Spinnen in der Wärme des Sommers Verkünde- rinnen des Regens werden, weiset darauf hin, dafs dieser Zeus in Lessa kein anderer als der besprochene Larissaios ist, den wir bereits strahlenbe- kränzt, aber mit einer Spindelin der Hand, neben sich seine Gemalin Hera, als Sonnen- und Regengott zugleich, auf Münzen der Gens Egnatia (°%) nachgewiesen haben. Dafs Araxos, wie Arachnion, von dgasıu reifsen, weben, spinnen, herzuleiten bedarf keiner weiteren Begrün- dung. Es verdient blos hervorgehoben zu werden, dafs der Begriff des Spinnens einerseits physisch in der Gnade des bei drückender Sonnen- hitze von diesem Zeus Larissaios ausgehenden Regens sich offenbart, — wodurch derselbe mit dem Zeus Panellenios von Aegina auf gleiche Linie tritt, und von dem Zeus Elakataios, dem Zeus Spinner, der sein Hieron auf dem Berg Elakataion (St. Byz. s. v.) in Thessalien hatte, sich nicht im geringsten unterscheidet; — allein andrerseits erscheint die ethische Seite (°°) Curtius Pelop. I, S. 426: „Das ganze Araxosgebirge erscheint von der Höhe des achäischen Gebirges herab wie ein kolossaler Dreizack.” Man denke an den Dreizack des Spinner Nereus. (°) S. m. Proben e. archäol. Comment. zu Pausan. Taf. IH, 11. Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 24. 575 desselben Gottes nicht minder beachtenswerth, in sofern dieser unser Zeus Larissaios den Beruf des Schicksalsgottes woguos, noıgayerns durch dasselbe Symbol der Spindel unstreitig für sich in Anspruch nimmt. In welcher Kunstbildung aber beteten die Griechen diese Athene Larissaia an? Darüber geben durch die Umschrift AP unzweifel- hafte Silbermünzen von Argos (Taf. III, 9) Aufschlufs, indem sie als Rück- seite eines mit hoher Stephane geschmückten Herakopfes eine behelmte, lanzenwerfende, beschildete Athene zeigen in langer, schwerer Wollbekleidung und einem über beide Arme flügelartig herab- hängenden Peplos. (%) Dieselbe erscheint in völlig gleicher Kunstform auf thessalischen Münzen, bald mit dem eichenbekränzten Kopf des dodo- näischen Zeus (Taf. III, 10) auf der Vorderseite (7°), bald mit dem lorbeer- bekränzten des Zeus Larissaios (Taf. III, 11) auf Münzen von Erz (?!), und ward in Larissa und anderen Städten Thessaliens gewifs als Athene Larissaia verehrt. Im Tempel dieser Athene, welche von der Akropolis von Argos auch den Beinamen Akria entlehnte, befand sich das Grab des Akri- sios (’*), dem die Gründung des thessalischen Larissa am Flufs Peneios (Spinner) zugeschrieben ward (”?), welches ich auf Silbermünzen (’*) dieser Stadt in dem Bild einer auf einem Stuhl mit Schlangenk opf (nicht Schwanstuhl) sitzenden Spinnerin(’*) personifieirt glaube. Auf einer vol- center Prachtvase im Besitz des Marchese Campana (?°), deren Hauptseite des Zeus Goldregen in den Schoofs der noch schwer bekleideten, auf einer Kline ruhenden Dana& herabfallend zeigt, erblicken wir auf der Rückseite (Taf. III, 12) durch griechische Inschrift bezeugt, diesen Akrisios mit weifsem (©) Bröndsted Reis. in Griech. II, S. 273. Hes. IHrzguyss" zu: MEgos YırWvos Fe megı 7% »gasmeda. — Urssiyıe' 7 ra @20@ rWv ineriov. gehört zur thessalischen Tracht. (°°) Mionn. Rec. d. Pl. LXXT, 1. (') V. Rauch 25 uned. gr. Münzen Taf. I, 6. Vaillant. Rec. d. Med. I, p. 172. Pl. XXVII, 25. (°”) Clem. Alex. Protrept. p. 29. Sylb. Irrig meint Welcker Aeschyl. Trilog. S. 388 Not. 658: „Eine falsche Anspielung auf den Namen lag vielleicht darin, dafs man im Tem- pel der Athene Akria in Argos das Grab des Akrisios anbrachte, oder war der Ort zufällig?” (°) St. Byz. v. Aagısza. (*) Arch. Zeit. 1849. Taf. IX, 5. (°°) Gerhard Danae, 14tes Winckelmannsprogramm, 1854. 376 Pısorka: Haupt- und Barthaar, den Peplos über lang gefaltetem Ärmelchiton, in der Linken ein Scepter haltend, mit ausgestreckter flachen Rechten seine Rede begleitend. Ihm gegenüber vollendet ein durch Handwerkerschurz, zu den Füfsen liegendes Beil, und zwei andere schwer zu bestimmende Ge- genstände charakterisirter Künstler eiuen grofsen Kasten mit geöffnetem Deckel: an der langen Seite des Kastens bemerkt man als Schmuck zehn Sterne, und über diesen in der Mitte drei Augäpfel. In der Mitte der Scene hinter dem Kasten steht eine Frau den mit einer Strahlenstephane ge- schmückten Kopf dem Akrisios zugewandt; im linken Arm trägt sie einen nackten Knaben, dessen Haupt eine Binde schmückt, während die ausge- streckte Rechte einen Ball hält, offenbar Perseus im Arm seiner Mutter Dana&. Ihre erhobne Rechte im Zusammenhang mit ihrer Richtung des Fortgehen verräth ihren Widerstand gegen die von Akrisios ihr zugemuthete Aussetzung mit dem Kinde in dem daneben stehenden Kasten. Diesen hatte Akrisios anfertigen lassen, um so sich von seinem Enkel zu befreien durch den ihm das Orakel geweissagt hatte er würde seinen Tod finden, was sich bekanntlich denn auch später erfüllte, indem absichtslos beim Diskosspiel Perseus das Haupt des Akrisios traf. Inwiefern dieser Ball, dessen mittle- rer Gürtel an die in zwei Hemisphären getheilte Weltkugel erinnert, hier die Stelle des im Mythos bevorzugten Discus vertritt, fand ich (7%) in Folge der ersten Beschreibung dieses Gefäfses, wo dieser Umstand keine Berücksichti- gung fand, Veranlassung hervorzuheben und zu erläutern. Allein sobald wir uns erinnern, dafs Larissa laut schriftlicher Zeugnisse (?7) im Einklang mit den Münztypen der thessalischen (?°) Stadt Larissa als Ballspielende Frau (Taf. III, 13) personificirt ward, ergiebt sich noch eine engere lokale Beziehung dieses Attributs zu der dargestellten mythischen Scene, die ihrer- seits wohl Beachtung verdient. Was aber den Grofsvater dieses Perseus anbelangt, so können wir es dem König von Argos kaum verdenken, wenn er gegen derHH. Welcker (°°) und Gerhard (*°) aus seinem Namen Akrisios hergeleitete @zgırıa „Unver- (°°) Bull. d. Instit. arch. 1850. p. 138. ) Suid. / Aagıca ebengigovse mau. (°°) Millingen Sylloge of anc. coins Pl. I, 26. (°) Trilogie 379. (°%) Dana& S. 10 no. 37. Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 24. 577 stand” ernstlich protestirt und auf sein weifses Haupt- und Barthaar hinweisend seine namengebenden Schutzgötter Zeus Akraios und Kronos zu Hülfe ruft, die in gleichem weilsen Haar die Schneekoppe der Berg- götter verrathen. Daher auch die bisher übersehene Glosse des Hesychius "Argırias Koovos maga bevEw ihre vollkommne Richtigkeit hat, sobald man er- wägt, dafs der Name ’Axgirıos mit axgigw das Höchste, den Gipfel der Berge betreten zusammenhängt und Kronos einerseits den Gemal der Berggöttin Rhea darstellt und andrerseits im Beinamen Teowv der Greis, seine durch Bildwerke hinlänglich bezeugte Weifshaarigkeit motivirt. VI. Zeus Triopas. ’EyrauSa avaSyuara vera zu aaa nal Zeus, Ecavov, Övo iv n meduxev, EyovöpIaAmovs, reirov de Emi roü nerwrou. Tovrov Tov Aia Igıauw baciv eivaı TW Aaouedovros marobov &v UrarIgw TNS aUANS Dgunevov, zul ore AAıraero Ümd “EAAyvwv "IAıcv, Emi Tovrou zarsbuyev 6 IIpıayıos rev Qwuov. Erel de ra Aaduga Eve- uovro, Aaußaveı SSEveAos 6 Kamavews auriv, zal avazsırar u8v dia ToVro Evrauda. Toeis de öbSaruous Eyw mi Tode av rıs TER MAINELTO aurov. Aia yap &v oüpavw Basırevew, euros uEv Adyos nawos mavruv Eariv dvSgwruv. ov d8 aoyeıv dacıv Ümd Yis, Errıv Eros ray 'Opmgou Ara övanadoy zal rourov- Zeis re naray,Sovıos al Eman Tlegrepoveua. AiyyuAos de 6 Eubopiwvos nurel Aia nal rev Ev Sarasıy. Toraiv cuv opwur« Emomaev &bIarueis, onrıs din N & mansas, are &v Tals reıct als Asyousvaıs Anger aayovra rov aürov rourev Ye. * Paus. VII, 46, 2: 3Ieväau 79 Kamaviws 70 Eouvov Tov Auds Edo9m Treu ‘Epxetov. Des Pausanias ausführliche Beschreibung und treffende Erklärung die- ses merkwürdigen alterthümlichen Holzbildes des dreiäugigen Zeus Pa- troos in Troja finden wir zwar von Creuzer (°') beifällig angenommen, wäh- rend Schwenck (°?) in diesem Idol den Gott der drei Jahreszeiten, Lauer (°) den Herrn des Lichts und der Wärme erkennt, zugleich (°') Creuzer Symbolik IU, 195, 1, 43 ff. (°2) Andeut. S. 44. (#°) Lauer Mythol. 202 und 203. Gerhard gr. Mythol. I, $. 196, 1: „den dardanischen Zeus wargwos oder ägzeros, angeblich des Priamos.” Unsre Forschung lehrt wie sehr das „angeblich” unbegründet ist. Preller Gr. Myth. I, 95 **), Philos.- histor. Kl. 1854. Dddd 578 PAnworka: aber an die Cyklopenähnlichkeit denkend, glücklicher einen Blitz- Zeus vermuthet. Allein die für Religion und Kunst aus dieser Stelle sich ergebenden so wichtigen Folgerungen zu ziehen haben sämmtliche Forscher auf beiden Gebieten bisher verabsäumt. Zwar konnte es Niemandem ent- gehen, sobald Pausanias erwähnt, aufser den zwei Augen an der gewöhn- lichen Stelle hatte dieser Zeus ein drittes auf der Stirn, dafs hierdurch seine Erscheinung mit der des Cyklopen Polyphem eine grofse Ähnlichkeit ge- winnt, wie ein flüchtiger Blick auf die Statue (Taf. III, 14) dieses lezteren (**) deutlich zeigt. Allein dafs dieser Cyklope in der pelasgischen Religion den Feuergott, den Hephaistos in dem Cyklus der jüngeren Götterdynastie, vertritt, verdiente ins Auge gefafst und die daran sich knüpfende Frage, ob etwa dem Zeus Patroos des Priamos der gleiche Character eines Feuer- gottes beizumessen sei, schon längst näher untersucht zu werden. Wenn ferner Pausanias berichtet, er habe in Troja im Hypaethron des Hofes gestanden, so leuchtet ein, dafs diese Stelle ihn dem Zeus Herkeios, dessen bildliche Darstellung gewöhnlich auf einen Heerd sich beschränkt (°°), sowie andrerseits der Hestia gleichsetzend, grade für die in Anregung ge- brachte Feuernatur dieses Zeus zu zeugen vermag. Um aber die Deu- tung, die Pausanias für diese Statue vorschlägt, richtig zu beurtheilen, dürfte es zweckiuäfsig erscheinen die Frage vorzulegen, au die griechische Kunst uns denn gar kein Bild dieses merkwürdigen Idols hinterlassen hat. Hierauf geben die Vasenbilder den kürzesten und befriedigendsten Bescheid. Auf einer volcenter, von Namensinschriften über den einzelnen Figu- ren begleiteten (Taf. III, 15) Vase des Euthymides (°°) erscheint in der Mitte zwischen Priamos und Hekabe ihr Sohn Hektor, im Begriff die Kriegsrüstung anzulegen. Der noch am Boden stehende Schild (Taf. IH, 15 a) trägt als Emblem einen bisher auf Silen bezogenen und daher nicht beachteten Kopf. Ich erkenne aber in demselben den Kopf unsres Zeus Triopas, genau entsprechend der Beschreibung des Perie- geten, mit dem dritten Auge über der Stirn. Allein das Vasenbild (%) Mus. Cap. St. I, 59, p. 144. Overbeck Gall. her. Bildw. XXXI, 19. Syrinx und rech- ter Arm sind moderne Restauration. Hes. rawzyv‘ robIarsov. v. Tamıas. (°) Creuzer Gall. d. a. Dram. Taf. V. Wieseler d. a. K. II, 34, 303. Panofka zur Er- klärung des Plin. no. 2. (°) Gerhard Auserl. Vas. III, 188. Panofka Namen d. Vasenbildner Taf. IV, 1. Archüologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 24. 979 leistet uns überdies noch einen Dienst, indem es eine andre Eigenthümlich- keit des Idols, die Pausanias verschweigt, zur Anschauung bringt, ich meine seine spitzen, langen Ohren. Nachdem unser College Bötticher (°7) an dem Helmschmuck der Athene Parthenos die Gegenwart der Greifen mit Rücksicht auf ihre langen und spitzen Ohren durch die Scharfsinnig- keit dieser Thiere gerechtfertigt hat — eine Idee, welche im Greifen als Begleiter der Dike (°°) und Nemesis sich noch unzweideutiger ausspricht —: tragen wir kein Bedenken, dieselbe Idee auch für unser Zeusbild zu benutzen. Denn im Zusammenhang mit jener Symbolik der Augendreizahl verdienen sie eine um so ernstere Beachtung als sie auf den Charakter des genau und fein hörenden Richters (°) hinweisen und an jenen mit dem Helios getheilten Vorzug des Höhen-Zeus erinnern, des Zeus der Alles auf- schaut und Alles aufhorchet (cs rar Ebop& zal mavr Eraxcva). Allein auf demselben Schild dürfen wir die Augäpfel, welche unterhalb des lang- bärtigen Zeuskopfes parallel den oberhalb sichtbaren Blumenornamenten uns entgegentreten, ebenso wenig vernachlässigen, als sie in Verbindung mit dem ungewöhnlichen Aug auf der Stirn ihrerseits zur Erkennung des Zeus Trio- pas beitragen. Nennt Pausanias aber diesen Zeus einen Zeus Patroos des Pria- mos, so kann es nicht befremden, seinen Kopf auf dem Schild des tapfersten Priamiden, desHektor wahrzunehmen. Mit Hülfe dieser Entdeckung gewinnt aber zugleich das 49te Fragment der Sapphogesänge (ed. Bergk) wo Zeis Eurwo vorkömmt, ein unerwartetes Licht, indem dieser noch uner- klärte Zeus Hektor schwerlich ein andrer sein dürfte als derjenige, dessen Kopf, als seines Schutzgottes und Namengebers, Hektor zum Zeichen seines Schildes wählte. Forschen wir aber nach einem vollständigen Standbild dieses Zeus Triopas, so gewährt uns ein merkwürdiges (°°) Vasengemälde (Taf. III, 16) (”) Archäol. Anzeiger Febr. u. März 1854. S. 427: der Greif als Bild der alles wahr- nehmenden Sagacität. (°) S. m. Gemmen m. Inschr. Taf. I, 32. (>) Lucian Calumnia: ’Ev deEig rıs avrd za Syrar, 7a Wr TaleyESy Eywv , Kızgoü Öetv rois ou Meidou meogeoızere, wo solche Greifenohren zu verstehen sind, während man bisher allgemein die Stelle von Eselsohren des Midas verstand, aus Milsachtung der griechischen Worte. (°°) Gerhard Arch. Zeit. 1851. Taf. XXVII, 2. Dddd2 580 Pınsorka: die wünschenswerthe Anschauung, indem es in einem Dreiverein der höchsten Götter, die sämmtlich aufser ihren beiden Augen ein drittes (°!) über der Stirn zeigen, unseren Zeus Triopas in dem mit Donnerkeilund Blitz bewaffneten Zeus links vergegenwärtigt. Er scheint im Gespräch, vielleicht Streit mit dem als Gott der feuerspeienden Berge mit den beiden fast gleichen Attributen versehenen Feuer-Zeus, der in seiner Erscheinung als aper sus (°?) zugleich den Erd- und Unterwelts- Zeus verräth. Rechts steht auf beide Brüder hinblickend der Meer-Zeus der Erderschütterer Poseidon, den sein langer, felsenspaltender Dreizack und in der Linken ein gleicher Donnerkeil hinlänglich bezeichnen. Dieses Vasenbild wirft zugleich ein unerwartetes Licht auf Pausan. VII, 22, 6: ’Ev Deyzaiz de Eur Jaev Epb a REyirtwv Seuv" üyarukre de odını mnAoU 7 WEROIIAEVG, TOUTOLS KaTa Eros Eopruv ayourıy oUde rı dAAcıws N Hal Tu Arovusw dasiaıv‘ EArves. Der Name der Stadt Tritaea berechtigt auf eine Trias von Göttern zu schliefsen und die Benennung gröfste Götter (°°) auf die drei Väter des Weltalls in ihrer Eigenschaft als Tritopatores (°*) zu beziehen. Deshalb trugen wir kein Bedenken auf dem vorliegenden merkwürdigen Vasenbild diese Trias der gröfsten Götter zu erkennen, zumal auch ihre gleiche Kopfbedeckung an die der geistesverwandten Korybanten (°°) erinnert. Ohne das Symbol des Auges auf der Stirn, aber durch die ge- wöhnlichen Attribute unverkennbar als Zeus, Poseidon, Pluton, erscheinen dieselben auf Erzmünzen von Mitylene mit der wichtigen Umschrift ©EOI AKPAIOI MITYAHNAIRN (°°) als Höhengötter von Mitylene, den (°') Durch das Verdienst des Hrn. v. Pauker (Gerhard Arch, Z. 1851. 32-34. S. 377-80) entdeckt. (°2) Vgl. Panofka Mus. Blacas pl. XIX, 2. p. 56. (®) Anders Gerhard Gr. Myth. I, Er der einen Dualismus der Dioscuren hier versteht. (*) Eußovasvs ö Irovrwv Hesych. Suid. rgrror«roges. Lob. Aglaoph. p. 754. Gerhard gr. Myth. I, 127: 4 nicht sowohl Feuerdämonen, als uranfänglichen Licht- und Geburts- gottheiten. Preller gr. Myth. I, 318: kosmogonische Windgötter, von denen man die ersten Menschen und allen Kinderseegen ableitete. () Paus. II, 24, 4. (°) Kopf des IEYC BOYAAIOC auf der Rückseite. Eckhel D. N. V. T. I, p. 504. Mionn. D. III, 46, 102. Archäologischer Commentar zu Pausanias B. I]. Kap. 24. 551 gröfsten Göttern von Tritaca (7) sich zur Seite stellend. Übersehen wir aber hiebei die Belehrung nicht, dafs das Beiwort ’Axgaicı in der griechi- schen Religion nicht ausschliefsend den Höhengottheiten anheimfällt, sondern — wie ja auch heutzutage von Spitzen (°°) der Behörden, selbst der unteren, die Rede ist, — in figürlicher Übertragung auf Wasser- und selbst Unterweltsgottheiten (°°) Anwendung findet. Haben wir aber den Kyklopengleichen Zeus Triopas in Ilion und Argos als Feuergott kennen gelernt, so wird man uns die Consequenz zu Gute halten, auch für den Zeus Mechaneus (?'°) bei dem die Argiver vor dem Auszug nach Ilion schwuren bis zur Eroberung der Stadt im Kampf auszuharren, wegen seines eigenthümlichen Beinamens sinnreicher Hand- werker, den gleichen Charakter eines Feuer- und Künstler-Zeus (!"') in Anspruch zu nehmen und wohl nächst dem erhobnen Blitz noch einen Hammer in der andren Hand bei ihm vorauszusetzen. Paus. I, 22, 2. In Argos regav d& ro0 radeu (des Pelasgos, Sohn des Triopas) xaAzeiiv &rrıv ei ueya, üveysı dt auto dyaruara doyale, "Agreuıdos al Aucs zaı ASyvas. (3) Asundas JEV oUv Ev Tols Emenw Emomss, Myyavews ro ayaAua evar Auss, xal "Agyelwv &bn vous Em Irov GToaTEUTaVTaS Evranıa öuorau magayevew mohsuouvras ECT av 78 "Tıov Awow, 7 Mayouevous reAsury pas era. (1927 Zum Schlufs werfen wir noch einen Blick auf den Kasten (Taf. III, 10) den Akrisios für Dana@ und Perseus anfertigen liefs, überlassen aber dem ge- neigten Leser die Entscheidung, ob die eigenthümlichen, aber bisher unbe- (°”) Curtius Pelop. I, S. 433: Tritaea die am höchst gelegene Stadt Achaja’s. (°®) Callim H. in Joy. v. 81: 1920 Ö'auros ® ; BER Azons ev mroriencw, 2moVıos owe Ötznzı \ EAN = CET) Be Acov umo FRoANG, OT EWTRAD ITUvouci. 1) Vgl. Soph. Antig. v. 340 Sewv re av Ümeprarer, Tv. (‘°) Bergk Monatskunde S. 17 u. ff. Paus. VII, 36, 3. Bei Megalopolis Naos des Aga- thos Theos und Hieron. ‘ (1) Der Athene Machanitis or: Boursunaruv Esrıw 5 Seös mavroiwv zui ETRTEY UAIAE- Fur sügerc. Paus. VIH, 31, 3. Im Naos der Aphrodite in Megalopolis Hermes von Holz und ein Xoanon der Aphrodite, die Extremitäten von Marmor. iv de ZmizAnsw N Sew 4 j E72 s . = N © > n r Bi M RYaveTıv © Sorere ErTEVTO, Elor dozeiv >A haodirns TE sivsze za on, WU TWV TRUTAS* TASITTEL % [2 ! [> { ’ 8% i x \ , m Q # (4 > MeV Yoga EmtTEeyunTels, Tavroie de auSgumars dvevenmeve &5 Aoyous erziv. £) ’ \\ 4 \ 2 ” . (%) Hes. Th. 146: isyus 7 70e Bin zar uyyaraı Yaav im’ eoyors. im engsten Zu- sammenhange mit dem Kyklopen. 582 PAnorka: achteten drei Augäpfel an so in die Augen fallender Stelle, nur als Be- schläge, vielleicht Nägel anzusehen sind, oder zugleich eine Anspielung auf den Zeus Triopas von Larissa, den der Kastenanfertiger als seinen Schutz- gott verehrte, enthalten. Inhalt der Erläuterungstafeln. Tafel I: 4. Kopf des Zeus Akraios IEYC AKPAIOC. Rv. Löwe auf eine Handpauke tretend CMYPNAI®N. Erzmünze von Smyrna. 2. Hera Akraia an der Spitze des Dreigöttinnenzugs zum Urtheil des Paris. Von einer nolanischen 'Trinkschale im kgl. Museum. 3. Kopf der Juno Lanuvina auf einem Denar der Gens Roscia. 4. Juno Lanuvina lanzenwerfend, Denar der Gens Procilia. 5. Hera Akraia im Lanzenkampf mit Herakles in Gegenwart von Poseidon und Athene; volcenter Amphora im brittischen Museum. 5a. Rückseite derselben Amphora, mit einer ringsumlaufenden Reihe von dieser Hera heili- gen Krähen. 6. Die Delphischen Gottheiten den Apollon Pythaeus in seinem Nachbarbezirk besuchend; choragisches Basrelief der Villa Albani. 7. Helena vor der mörderischen Verfolgung des Menelaos zum Altar des Apollon Pythaeus flüchtend: Vase des Wiener Antikenkabinets. 8. Der Flufs Hypsas als nackter Ephebe mit einer Schale und einem Zweig vor schlangen- umwundenem Altar. Silbermünze von Selinunt. Tafel I. 1. Apollon Deiradiotes einen Widder köpfend am lorbeerumschlungenen Altar; Gemme des Leidener Museums. 2. Apollo Deiradiotes mit dem Messer den knieenden Marsyas zu schinden im Begriff. Tischbeinsches Vasengemälde. 3. Apollo Deiradiotes in Kitharodenstola, die Kithara vor den Fülsen, das Messer in der Rechten, in gleicher Absicht; apulisches Vasenbild. 4. Apollo Tortor mit dem Kopf des Marsyas in der einen, dem Messer in der andern Hand; Marmorstatue der Galleria Giustinianı zu Rom. 5. Apollo Conservator mit Lorbeerzweig und Kithara; auf römischer Kaisermünze. RD 10. 11. Archäologischer Commentar zu Pausanias B. II. Kap. 24. 383 Perseus mit dem Medusenkopf und Schwert; Erzmünze von Ikonion. Silenskopf auf einer Erzmünze von Silandos. Kopf des jugendlichen Mondgottes Men auf einer Erzmünze von Silandos. Mondgöttin mit brennender Fackel und Mohnstengel; Erzmünze von Silandos. Silen- und Pankopf einander im Rücken; Gemme. Minotaurenthauptung durch Theseus mit gezücktem Schwerdt; Innenbild einer volcenter Kylix des Doris, im brittischen Museum. Argosenthauptung durch Hermes, auf einer volcenter Amphora im brittischen Museum. Ein Mann der einen Ziegenbock schlachten will; Siegelring des Dorio. Karneol im kgl. Museum. Tafel I. Athene Oxyderko neben Diomedes dessen Fingerwunde Sthenelos verbindet; von einer archäischen volcenter Vase. Auge hinter behelmtem Athenekopf; Silbermünze von Leukas im brittischeu Museum. Athene Oxyderko als ıöyrrs mit Granatblüthe zwischen den Fülsen; Gemme. Athene Oxyderko mit der Beischrift LAP. Plasma des Thorwaldsenschen Museums. Auge unter einem Delphin; Rv. Granatfrucht: Silbermünze von Side. Granatfrucht über einem Delphin; Rv. behelmter Athenekopf: Silberm. von Side. Lorbeerbekränzter Kopf des Zeus Larissaios mit einem Zweig kleiner Blätter vor sich: Silbermünze von Larissa in Thessalien. Gleichbekränzter Kopf des Zeus Larissaios; Ry. Thron: Erzm. v. Larissa in Syrien. Athene Larissaia in langer schwerer Wollbekleidung, vorschreitend, lanzenwerfend; Rv. Kopf der Argivischen Hera: Silbermünze von Argos. Athene Larissaia; Rv. Dodonäischer Zeuskopf; thessalische Silbermünze. Dieselbe Göttin; Rv. Lorbeerbekränzter Kopf des Zeus Larissaios auf thessali- schen Erzmünzen. Dana&@ mit Perseus der einen Ball hält, im Arm, hinter dem Kasten an dem der Künstler im Auftrag des Königs Akrisios noch arbeitet: Rückseite einer ausgezeich- neten volcenter Amphora im Museum des Marchese Campana zu Rom. Larissa Ball spielend; Rv. sprengendes Pferd; Silberm. von Larissa in Thessalien. Der Cyklop Polyphem und Akis; Marmorstatue im Capitolinischen Museum zu Rom. Rüstung des Hektor zwischen Priamos und Hekabe; volcenter Vase des Euthymides. 15a. Hektors Schild mit dem Kopf des Zeus Triopas; auch Zeus Hektor genannt. 16. Zeus Triopas ın der Trias der grölsten Götter von Tritäa; Vasenbild. Berichtigungen. S.471 2.13 v. u. dät für des. - 472 - 476 481 us 483 490 491 500 500 509 510 512 514 521 522 537 542 543 6 ner für zer. 16 oder veu für oder van. 5 dem für den. 7 v. u. yu-sma für yus-ma. 2 Aygvaov (zweimal) für Ajevasv. 12 v. u. lang für lang. 4 v. u. aus für oder. 4 abi für abi. 4 v. u. udE für Ude. 4 v. u. AjıIuea für Ads. 19 buvr für huva. 1 die für der. 16 % für Y. 16 #Evdcıy für nevdary. 14 v. u. den für dem. 20 gat für gat. 16 wallisische für wallische. 8 areje für argje. Zur der. Ah.des Herrn lancfica : Irchdel. Lommentar zıu kassanias I. 4. Taf. Mist Fhit Klasse. 1834 . Br D2 year ei 2 k a ra ! = > | | N I ee s : sine sehe ni re (TE NN f 1 * — . v ' } Ki }; ? r j | 1 Il . | “ Ba N E f £ e | N v f! ) i nn. f x - ee j — = NS, N BAR RT A X 3 we EEE EEE EEE NET ERNEST En ne en Be ee er Ve TE EEE EEE Tepe leiVeeE, R Iergelte N N DS N, > IB BIN x > iM NN are n \ EN N Fr, CA 4 anni We 298 8416