a een EC en een uw ae eg, w - - 5 me EEE E a a en Minen nn nn nal nenn ne ; nen ee ee a rn ae Ze are a ten er nn — - Du en ee eg a nn aa ng ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 1871. 7 5 b Be, R E e. =, A t A: Eh F a N ee 2 len "Kante BERENT- ao ine sn EU \ = \ r ABHANDLUNGEN DER et KÖNIGLICHEN Prüweseın AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. AUS DEM JAHRE 1871. BER er »1'D T BERLIN. BUCHDRUCKEREI DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT UNSIVERSITÄTSSTR. 8. 1872. N COMMISSION BEI FERD. DÜMMLER S VERLAGS-BUCHHANDLUNG. (HARRWITZ UND GOSSMANN.) LTE 0 Fur, sur DT x . x ee . ” np. ‘ Ni ; x Han fi AP Ze 1 Ba 3f #}. ’ “+ Bert) e ’ „ A Mr ® u: ET ' “i Inhalt. Elistorische, Binlertung, era er Verzeichnils der Mitglieder . . WMELmnontz, Gedächtnifsrede auf Masıins Physikalische Klasse. erg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. (Mitn2zRafen) nr 2: £ “Rorn: Über die Lehre vom Metamorphismus na die htsteharg has krystallini- SCHeDWSChie tere LE: Se a 10,0 VEHRENBERG: Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmorphärlien: (Mit 1 Tafel) Mathematische Klasse. “Hasen: Seitendruck der Erde . . . AR SER BR: : 0% “HAGEN: Über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des strömenden Wasser. mit der Entfernung vom Boden sich vergröfsert Philosophisch-historische Klasse. “Lersivs: Über einige Aegyptische Kunstformen und ihre Entwiekelung vLersıus: Die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. (Mit 2 Tafeln) Zweite Abtheilung. SSCHOTT: Altajische Studien ,. ı: n . . na ee. er er, “KIrcHHoFr: Nachträgliche Bemerkungen zu der Abhandlung über die Abfasgange- zeit des Herodotischen Geschichtswerkes Or de De “WEBER: Über ein zum weissen Yajus gehöriges phonetisches Compendium, das pratijnasütra 10) SI. 69 Eee r 5 E = A h as. j SA Be j wre: Er 4 a + FRE Au EL Ara = ara u es ' F vr takt en Ka DR , er h A MN B y e 1. n% . f ER a Ä p 1 N u an " 0 = en, “2 ; ER NE HNAREN, BEINEN GIER NS PR = 1 ie r 4 = B 5 r a =, Fr 1 Pie) 29 x } # = = N ge un 2 ur 67, an: ER Al oe N LA ee - Wi u Dr En Er ln, N ) Tv, \ ANTBNAN Ze ä ! ala MELE 2 = Br, RE a ka a ae rs a le a, a Gral: dr bar Ba ber 21 N ; Et ö u pe, ae EreRı Bi “ I Via ” Aria mal, Kin NRER TER D Kun Ai Br ae un Ne u 1, =, I j . Aa f Er \ 3 & er ww ? a nf N \ I 2 4 Ze D u MS E n ı het Ve BR De % h i Du ee ET er ae Ton nr 5 z ELDFEL: TS; 7 EREIT®, = Mr A a 5 63 : ln . Kr C EPAURT WERTEN ug n: ae MB SD Wr I i af ae. ME od th aan BEIF HLTETT, A y er ie rY! | x ü =# ar Er N r N S er 5 - j WW e i TER 2 EN Eu e 5 ee \ | j j Fi 2 BR, 8 4 ne ER: yo ie FERIEN ka 2 E r Ka Bu. j Pa ed > re sc u SE 2 \ : = ae a a rd we WE TE TRER A a a a DR 2; ER _ : De ae Ri 1 RR SER EG rt } er ‚ BERLIN 75 Ze ee BEN va uhr j Full Mm AIR, 2 j . ’ u BI . u . n . De er EP en Bo e - >» -© - u Ber, ran ala ars reed u u 5 a1 E73 ie 5 Ei BETEN N 1; Er je! es EEE m: ei st _ Mi I Bi Di R - i 5 i Er, u Ze Er Bike B ” 2) z 5 u r Fa v Ar ni @ * PN 5 f u E . P B b3 . - a) Gr m . = RR a2 = Zu 2 - DW - { [3 r £ u . “X ’ . . u. \ Pr 4 ni; Pi 7 f . \ i 5 ; r s b i { a ” t .. [2 Jahr 1871. Al 26. Januar feierte die Akademie der Wissenschaften den Jahrestag des grolsen Königs Friedrichs des Zweiten in einer öffentlichen Sitzung, welcher Ihre Majestät die Kaiserin und Köni- gin und Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin beizuwohnen geruhten. Der an diesem Tage vorsitzende Sekretar Herr du Bois-Reymond eröffnete die Sitzung mit einer Fest- rede, in welcher er ausführte, wie der jetzt von Preulsen über Frankreich davongetragene Sieg nicht nur durch die Kriegsthaten Friedrichs des Zweiten, sondern ebensolcehe durch seine Civil- verwaltung vorbereitet worden sei. Die Rede ist im Monatsbericht abgedruckt. Der vorsitzende Sekretar trug hierauf den Bericht über die seit dem 27. Januar vorigen Jahres, als dem Tage der vorjährigen öffentlichen Sitzung zur Gedächtnils-Feier Friedrich’s Il., vorge- kommenen Veränderungen im Personalbestande der Akademie vor. Sodann las derselbe als Mitglied des Uuratorinms der Hun- boldt-Stiftung den Jahresbericht über die Wirksamkeit der Stif- tung, besonders über die Fortsetzung der aus den Mitteln der Stit- tung wunternommenen, botanischen Reise des Hm. Dr. Georg Schweinfurth im den südwestlichen Nilländern vor, welcher Be- richt in dem Monatsberichte abgedruckt ist. „Zum Beschluss las Herr Haupt eine Abhandlung des Herrn Droysen über eine Flugschritt von 1743.“ VI Am 23. März hielt die Akademie eine öffentliche Sitzung zur Feier des Geburtsfestes Seiner Majestät des Kaisers und Königs. Der an diesem Tage vorsitzende Sekretar, Hr. Haupt, er- öffnete die Sitzung mit einer Rede. Hierauf berichtete er über die Arbeiten der Akademie wäh- rend des abgelaufenen Jahres und trug sodann Folgendes vor. Wir gedenken noch einer Königlichen Kabinetsordre, datiert aus Versailles vom 2. März 1871. An dem Tage nach dem Frie- densschluss unterzeichnet, bekundet sich noch aus dem Hauptquar- tiere die Fürsorge für die Friedensarbeit der Wissenschaft. Im ‚Jahre 1829 gründete, damals noch Kronprinz, der König Friedrich Wilhelm der Vierte das archäologische Institut in Rom als einen Mittelpunkt der Studien für Kunst und Alterthum auf klassischem Boden, sorgte später als König für die Erweiterung und bessere Ausstattung der Anstalt und gewährte ihm die Mittel zu archäolo- gischen Stipendien für junge Philologen. Das archäologische In- stitut, das zwar unter solcher Unterstützung des Staats heranwuchs und der deutschen Wissenschaft in Italien einen geachteten Namen erwarb, blieb bis dahin eine private Gememschaft. Indessen zur Sicherung dieser Pflanzstätte deutscher Wissenschaft an dem Ufer der Tiber erschien es unter den wechselnden Ereignissen von Werth, das archäologische Institut in aller Form zu einer preussischen Staatsanstalt zu machen. Zu dem Ende wurde es durch ein neues Statut, nach welchem ein bleibender Bedürfnisszuschuss auf den Etat des Staatshaushalts übernommen worden, in die nächste Ver- bindung mit der Akademie der Wissenschaften gesetzt, und zwar dergestalt, dass die Akademie durch ihre philosophisch-historische Klasse die Mitglieder der Centraldireetion, die in Berlin ihren Sitz hat, nach Massgabe des Statuts wählt, auf den Vorschlag der Uen- IX traldireetion die beiden Sekretare, welche die wissenschaftlichen Arbeiten in Rom leiten, zur Allerhöchsten Ernennung präsentiert, einen Jahresbericht über die Leistungen des Instituts in der öftent- lichen Sitzung zur Feier des Geburtstages Sr. Maj. des Kaisers und Königs erstattet, und sich geeignetes Falles mit der Central- direction zu gemeinsamen Vorschlägen und Anträgen bei dem vor- geordneten Königl. Ministerium vereinigt. Dies Statut ist in die- sen denkwürdigen Tagen durch die K. Kabinetsordre bestätigt worden. So hat Se. Majestät die wichtige wissenschaftliche Grün- dung semes königlichen Bruders durch neue Pflege geehrt, ihren Bestand gesichert und ihre Wirksamkeit durch bereite Mittel ge- fördert. Die Akademie, die dem archäologischen Institute, nament- lich in den Arbeiten für das C. I. Lat., zu altem Dank verpflichtet ist, wird über ein Jahr den ihr durch das Statut übertragenen Jahresbericht zum ersten Male erstatten. Zum Beschlufs las Hr. Curtius eine Abhandlung über die Münzen der griechischen Colonien in ihren Beziehungen zum Mut- terlande. Am 6. Juli hielt die Akademie die öffentliche Sitzung zur Feier des Leibnizischen Jahrestages. Der an diesem Tage vor- sitzende Sekretar Hr. Kummer eröffnete dieselbe durch eine Rede in welcher er den national Deutschen Charakter von Leibniz in dem politischen Leben wie im wissenschaftlichen Denken desselben hervorhob. Die Rede ist im Monatsbericht abgedruckt. Hr. Haupt, Sekretar der philosophisch-historischen Klasse, trug hierauf folgenden Bericht über die Preisfragen dieser Klasse vor: Die Akademie hat am 2. Juli 1868 die folgende Preisaut- gabe, welche am 3. Juli 1862 gestellt und am 6. Juli 1865 wie- derholt war, von Neuem ausgeschrieben. „Die Geschichte der neueren Zeiten unterscheidet sich von der des Alterthums hmsichtlich ihrer Grundlagen zu ihrem wesent- lichen Vortheile. Die Griechen, die Römer und die übrigen Völ- ker der früheren Jahrtausende haben so gut als die neueren Cul- turvölker unter ihren schriftlichen Aufzeichnungen, welche den mannigfaltigen Geschäftsverkehr ihres Lebens vermittelten, Urkun- den besessen; aber diese Urkunden sind nur im geringer Anzahl auf uns gekommen und sie bieten daher für die antike Geschichts- forschung ein Hilfsmittel von verhältnissmässig beschränkter Be- deutung. Die Staaten der späteren Zeit hingegen haben von ihrer Entstehung an eine so grosse Masse von Urkunden aufgesammelt und grossentheils bis auf unsere Tage erhalten, dass sie nebst den gleichzeitigen Geschichtsschreibern und den anderen schriftlichen Denkmälern, den Gesetzen, den Briefen und den Werken der Lit- teratur, mit Recht als die feste Grundlage der Geschichtsforschung angesehen werden. Um den umfangreichen in ihnen enthaltenen Stoff zu übersehen bedurfte es kurzgefasster und nach der Zeit- folge geordneter Auszüge, sogenannter Regesten, auf deren Ausar- beitung in unserem Jahrhunderte grosser und erfolgreicher Fleiss gewendet worden ist. In ‚Deutschland und für die deutsche Ge- schichte, welche das Leben eines durch einheitliche Reichsgewalt während eines Jahrtausends verbundenen Volkes zur Aufgabe hat, waren das erste Bedürfniss die Regesten der Könige und Kaiser. Ihnen schlossen sich die Regesten der einzelnen grossen Reichs- lande, der geistlichen und weltlichen Fürsten und Landschaften an. Es ist allgemeim anerkannt, welche Verdienste sich zuerst Böhmer und Chmel durch ihre Regesten der deutschen Könige und Kaiser von Pipin bis Maximilian I. und durch verwandte Arbeiten erwor- ben haben. War durch sie die Aufgabe gelöst einen Schatz von fünfundzwanzig tausend von deutschen Königen und Kaisern aus- XI gestellten Urkunden in chronologischer Übersicht festzustellen und der allgemeinen Benutzung der Forscher zugänglich zu machen, so sollte dann auch ein anderes fühlbares Bedürfniss befriedigt wer- den als Jaffe’s Regesta pontifieum Romanorum ans Licht traten. Die Geschichte der Päpste greift so tief in die Geschichte nicht nur der deutschen, sondern aller christlichen Völker und Staaten ein, dass diese ohne sie an wesentlicher Unvollständigkrit leiden würde. Jaffe’s Werk ist von den ältesten Zeiten bis auf Inno- cenz III. und das Jahr 1198 geführt. Es bricht bei dem Zeit- punkte ab, mit dem das Jahrhundert der grössten Höhe des Papst- thums beginnt. Es ist der Wunsch der Akademie, dass dieser Zeitraum von der Wahl Innocenz des Ill. bis zum Tode Benediets XI. im Jahre 1304, nach welchem das avignonsche Exil der Päpste eintritt, in ähnlicher Weise behandelt werde. Die Akademie stellt demnach aufs Neue als Preisaufgabe Die Bearbeitung der Regesten der Päpste von Innocenz I. bis mit Benediect XI. Es wird dabei verlangt, dass diese Regesten aus sämmtlichen zu- gänglichen gedruckten Quellen in derselben Weise gewonnen wer- den, wie dies für die vorhergehende Zeit durch Jaffe’s Regesta pon- tifieum Romanorum geschehen ist. Als eine besonders dankens- werthe Vervollständigung würde die Akademie die Benutzung un- gedruckter Quellen ansehen. Bei jedem Papste ist eine kurze Nachricht über seinen früheren Lebenslauf voranzuschicken. Die Arbeit kann in deutscher, lateinischer, französischer oder italiänischer Sprache abgefalst werden. Die ausschliessende Frist für die Einsendung der dieser Aut- gabe gewidmeten Schriften ist der 1. März 1871. Jede Bewer- bungsschrift ist mit einem Motto zu versehen und dieses auf dem Aussern des versiegelten Zettels, welcher den Namen des Vertas- p> XI sers enthält, zu wiederholen. Die Ertheilung des Preises von 200 Ducaten geschieht in der öffentlichen Sitzung am Leibnizischen Jahrestage im Monat Juli des Jahres 1871.” Auf diese Einladung gieng zur rechten Zeit eine Bewerbungs- schrift in zwei starken Foliobänden ein, denen noch ein Schluss- band folgte, mit den Worten Böhmer’s als Motto, „Auch in der historischen Wissenschaft gilt, verleugne dich selbst.” Die Akademie hatte sich nicht verhehlt, welche mühevolle gelehrte Arbeit der Umfang der Preisaufgabe erfordere, und sieht in den vorliegenden drei Foliobänden eines sorgfältigen Manuscrip- tes die ausdauernde Anstrengung neunjähriges Durchforschens, Sammelns, Prüfens und ÖOrdnens vor sich. Der erste Band behandelt die Regesten Innocenz des Dritten vom Tage seiner Wahl, dem 8. Januar 1198, im Lateran bis zu seinem Todestage, dem 16. Julius 1216 zu Perugia; der zweite Band die Regesten der Durchfechter des Entscheidungskampfes mit dem staufischen Kaiserhause, der Päpste Honorius II., Gre- gor IX. und Innocenz IV., von 1216 bis zum 7. December 1254; der dritte Band die Regesten Alexanders IV., Urbans IV., Clemens IV., von 1255 bis 1268, und deren Nachfolger seit Überwältigung des Kaiserthums in Deutschland und Italien und die selbstbereitete französische Knechtschaft mit Benediets XI. Tode. Die einzelnen Bullen und Urkunden sind aus den verlangten zugänglichen Drucken mit Sorgfalt gesammelt. Die Angaben sind nach ihrem Werthe herbeigezogen, die verschiedenen Zeitbestim- mungen sind untersucht, verglichen und ausgerechnet, Fehler und Unvollständigkeiten sind ermittelt und angezeigt, die Decretalen, soweit sie einschlagen, genau bestimmt, und bei jedem Briefe und selbständigem Actenstücke smd die Anfangsworte angegeben; über- XII dies ist das Citat auch nach der verbreiteten, wenn gleich mangel- haften Migneschen Sammlung angeführt. Der Verfasser bemerkt, dass die litteraturgeschichtliche Ein- leitung der Vitae der einzelnen Päpste vor ihrer Erhebung zum Pontificate, die Bezeichnung der Cardinäle unter den einzelnen Päpsten, sowie das Verzeichniss der benutzten Werke erst vor der Drucklegung beendigt und erst dann geliefert werden können. Die Akademie, die in die Preisaufgabe den Wunsch solcher Bei- lagen aufnahm, erkennt gem an, dass es kein Mangel ist wenn sie jetzt noch fehlen. Was in der umfassenden Arbeit vorliegt, verbürgt die künftige Ergänzung durch das noch Zurückgebliebene. Hiernach steht die Akademie nicht an, der vorliegenden voll- berechtigten Arbeit den ausgesetzten Preis zuzuerkennen; sie fügt nur den Wunsch hinzu, dass der Verfasser, der einige der neueren ergiebigen Urkundensammlungen noch nicht benutzt hat, vor der Veröffentlichung sem Werk aus denselben vervollständigen möge. Der hierauf entsiegelte Zettel ergiebt als Verfasser der ge- krönten Preisschrift Dr. August Pothast, Custos der königl. Bibliothek zu Berlin. Am 2. Juli 1868 hatte die Akademie die folgende aus dem Legate des Hrn. von Miloszewsky zuerst am 6. Juli 1865 aus- geschriebene Preisaufgabe erneuert. „Die letzte philosophische Preisfrage der Akademie fasste eine Sammlung der aristotelischen Fragmente ins Auge und hatte einen erwünschten Erfolg. Indem die Akademie in dieser Rich- tung weiter geht, schlägt sie gegenwärtig eine Sammlung der Bruchstücke der nächsten auf Aristoteles folgenden Peripatetiker vor. In neuerer Zeit haben sich Männer wie Brandis, Zeller, Prantl und Andere um die gelehrte und philosophische Kenntniss der Lehren derselben verdient gemacht; aber eine vollständige XIV Sammlung der aus ihren Schriften im Alterthum und namentlich bei den Commentatoren des Aristoteles zerstreuten Fragmente ist noch nieht vorhanden. Die Akademie stellt hiernach als Preis- aufgabe die zerstreuten Bruchstücke aus den verlorenen Schriften des Theophrast, Eudemus, Aristoxenus, Phanias, Dicae- arch, Heraclides, Clearch, Demetrius Phalereus, Strato und etwa der noch gleichzeitigen Peripatetiker zu sam- meln, kritisch zu behandeln, mit den entsprechenden Stel- len des Aristoteles zu vergleichen und danach das Ver- hältniss der Lehre dieser Aristoteliker zum Aristoteles selbst zu bestimmen. Der Schrift ist ein doppeltes Register beizufügen, wovon das eine die Schriften und Stellen, aus welchen die Bruchstücke ent- nommen sind, genau aufführt, das andere die wichtigern Wörter und Gegenstände derselben alphabetisch verzeichnet. Die Arbeit kann nach Wahl der Bewerber in deutscher, lateinischer oder fran- zösischer Sprache geschrieben werden.” Als Frist der Einreichung ward der 1. März bestimmt. Es ist keine Bewerbungsschrift eingegangen. Die Akademie legt aber auf diese für die Geschichte der alten Philosophie wich- tige Aufgabe, welche mit den von ihr in den letzten fünfzig Jah- ren angeregten und unterstützten Arbeiten für Aristoteles in engem Zusammenhange steht, einen besondern Werth und wünscht daher die Aufmerksamkeit der Gelehrten noch einmal auf sie zu lenken. Sie wiederholt daher die Aufgabe, indem sie zugleich den Preis verdoppelt. Die ausschliessende Frist für die Einsendung der dieser Auf- sabe gewidmeten Schriften ist der 1. März 1874. Jede Bewer- bungsschrift ist mit emem Motto zu versehen und dieses auf dem XV Äussern des versiegelten Zettels, welcher den Namen des Verfas- sers enthält, zu wiederholen. Die Ertheilung des Preises von 200 Ducaten geschieht in der öffentlichen Sitzung des Leibnizischen Jahrestages im Monat Juli des Jahres 1874. Hierauf trug Hr. Haupt den Jahresbericht der vorberathen- den Commission der Boppstiftung vor. Für den 16. Mai d.J. ist die Verwendung des Jahresbe- trages der Stiftung nicht als Preis für vorliegende wissenschaft- liche Leistungen, sondern als Unterstützung wissenschaftlicher Unternehmungen auf dem Gebiete der Sanskritphilologie und der vergleichenden Sprachforschung beschlossen worden und es wurde dem entsprechend von den beiden zu vergebenden Raten die eine, von 300 Thlr., Hm. Dr. Wilhelm Pertsch, Bibliothecar an der herzoglichen Bibliothek zu Gotha, zuerkannt, welcher gegenwärtig mit Bestimmung und Verzeichnung einer umfangreichen Sammlung indischer Münzen beschäftigt ist, die im vorigen Sommer von dem Professor Georg Bühler in Bombay dem Münzcabinette der hiesi- gen Königl. Museen zum Geschenk gemacht wurde; die zweite Rate, im Betrage von 150 Thlr., ward Hrn. Dr. Berthold Del- brück, Professor in Jena, zur Förderung seiner Studien auf dem Gebiete der Syntax des Sanskrit und der verwandten Sprachen überwiesen. Sodann hielt Hr. Helmholtz eime Gedächtnissrede auf Magnus und Hr. Haupt eine Gedächtnissrede auf Meineke und Bekker. XVI Zu wissenschaftlichen Zwecken hat die Akademie im Jahre 1871 folgende Summen bewilligt: 400 Thaler an Herrn Professor Gerhardt in Eisleben zur Heraus- 400 200 350 200 200 „ ER ” gabe der philosophischen Schriften von Leibniz. an Herrn Dr. Vogel m Berlin zur Anschaffung physikalischer Instrumente. an Herrn Dr. Köhler in Athen für Arbeiten zum griechischen Inschriftenwerke. an Herrn Professor Weber in Berlin zur Heraus- gabe des schwarzen Yayus Veda. für literarische Geschenke an die Universität Strass- burg. an Herrn Professor Rammelsberg in Berlm für seme Arbeiten über Tantalverbindungen. an Herrn Professor Dittenberger in Rudolstadt für Arbeiten am griechischen Inschriftenwerke. Personalveränderungen im Jahre 1571. Herr Ernst Curtius zum Sekretar der philosophisch -historischen 923} Klasse gewählt, erhielt unter dem 23. August 1571 die König- liche Bestätigung. Helmholtz, bisher auswärtiges Mitglied, trat als ordentliches Mitglied der physikalisch- mathematischen Klasse ein am 1. April 1871. XVII Gewählt wurden: Correspondirende Mitglieder der physikalisch-mathema- tischen Klasse: Herr Gerhard vom Rath in Bonn am 13. Juli 1871. „ William Thomson in Glasgow, am 13. Juli 1871. „ Pafnutij Tschebyschew in Petersburg am 13. Juli 1871. Correspondent der philosophisch-historischen Klasse: „ Emil Heitz in Strassburg, am 20. Juli 1871. Gestorben sind: Herr Immanuel Bekker, ordentliches Mitglied der philosophisch- historischen Klasse, am 6. Juni 1871. „ Moritz Pinder, ordentliches Mitglied der philosophisch-histo- rischen Klasse am 30. August 1871. Auswärtige Mitglieder der physikalisch-mathematischen Klasse: Sir John Herschel in Hawkhurst, am 12. Mai 1871. Herr Wilhelm Haidinger m Wien, am 19. März 1871. Sir Roderiek Murchison im London, am 22. October 1871. Herr Eduard Weber in Leipzig, am 17. Mai 1871. Auswärtige Mitglieder der philosophisch - historischen Klasse: Herr Georg Gervinus in Heidelberg, am 18. März 1871. Sir James Yates ın London, am 17. Mai 1871. Verzeiehniss der Mitglieder der Akademie der Wissenschaften am Schlusse des Jahres 1870. I. Beständige Sekretare. Herr Trendelenburg, Sekr. der philos.-hist. Klasse. - Haupt, Sekr. der philos.-hist. Klasse. - Kummer, Sekr. der phys.-math. Klasse. - du Bois-Reymond, Sekr. der phys.-math. Klasse. Il. Ordentliche Mitglieder der physikalisch-mathematischen der philosophisch-historischen Datum der Königlichen Klasse. Klasse. Bestätigung. T— 66,5, Herr Bekker, Veteran 1 Mai 3. 1 Juni 18. 1 Febr. 13. 1 Juli 16. 1 Jan. 4. 1837 Jan. 4. ER er ee SSIwRehriet. = U SChOIE er een 8 März 9. 1 1 1 1 1 1 1 n ar zı nn SD Herr Ehrenberg ee - ®». Ranlke . Rn >” © - @. Rose - Ölfers, Veteran =» - Dove - Poggendorf es} 6 os N] I = Hagen - Riess 41 842 Juni 2 42 Juni 28. 43 Jan. 2 8S46 März 11. 850 Mai 18. - Paerz . » - Trendelenburg - Lepsius - Homeyer . - Petermann S50 Mai 18. der physikalisch-mathematischen Klasse. Klasse. Bestätigung. A Herr dw Bois-Reymond 1851 März 5. SuRelarsı . El u 1851 März 5 Herr Pinder 1851 Mai 24. - Buschmann . 1851 Mai 24. - Riedel . 1851 Mai 24. - Braun a 1851 Juli 16. - Haupt 1853 Juli 23. - Kiepert 1853 Juli 25. - Beyrich Ad 1853 Aug. 15. - Ewald 1853 Aug. 15. - Rammelsberg 1855 Aug. 15. - Kummer . 1855 Dec. 10. - Borchardt 1855 Dec. 10. - Weierstrass . ER 1856 Nov. 19. - Weber . 1857 Aug. 24. - Parthey 1857 Aug. 24. - Mommsen 1858 April 27. - Reichert NEN Er, 1859 April 4. - Ölshausen 1860 März 7. - Rudorf 1860 März 7. - Kirchhoff » 1860 März 7. - Kronecker 3 1861 Jan. 23. - (urtius . 1862 März 3. - Müllenhoff 1864 Febr. 3. - Rödiger 1864 Mai 7. - Hofmann 1865 Mai 27. - Auwers Er e. 1866 Aug. 18. - Droysen 1867 Febr. 9. - Roth en 1867 April 22. - Bonitz . 1867 Dec. 27. - Pringsheim . 1868 Aug. 17. der philosophisch-historischen Datum der Königlichen XIX xXX III. Auswärtige Mitelieder Datum der Königl. der physikalisch-mathematischen Klasse. der philosophisch-historischen Klasse. Bestätigung. .r Sir John Herschel in Hawkhurst in der Grafschaft Kent . . . ae ee. 111839 Blebrr. a4: Herr Guizot in Paris 1840 Dechr. 14. - Henry Rawlinson in London. . . ... 71850>Maı 18. Herr 'J. wo: eb 1nAMünchen.. . 2 ner. 6 een eaAmgusty1: - , P. Wohklerün |Götlingen ne. ee a sn No RstallD: - Franz Neumann in ee beroy sn Ra else keresrn 2oR - Ernst Heinrich Weber in Beipzie . Uap 2 Sarg site en Kae eerle.: 1ES9 FAHREN - Karl Ernst v. Baer ın Dorpat:. „9... a We Be ee a ee, SLSGEAMarzaalele - Robert Wilhelm Bu in Heidelberaig. . . 22.020 2 Rasse ee 11662 Märzes: - Franz Ritter v. Miklosich in Wien. . . . . 1862 März 24. - Wilhelm’ Weberun Göttingen „m. wer rn. 18a =. Veotor Regnanlisin Parisı. ... woman Ju te e. 1868%Julı 10m - Peter AndreasHansen nGotha . - - » 2» 2 2 2 2 .2....1866 März 24. - Fr. Wih. August a in Bonn 2... De ee 18 0Marzld - Gustav Robert Kirchhoff ın Heidelberg . . . . er) Inntal - Hermann Helmholtz in Hei- delberg... ea r...0:, ee ER Oe un ale IV. Ehren-Mitelieder. Die Herren: Freiherr Anton von Prokesch- Osten in Konstantinopel Peter Merian in Basel P Davoud-Pascha Garabed Artin in Konktantineitel Peter von Tschichatschef in Paris ; Graf Rudolph von Stillfried-Rattonitz in Berlin Edward Sabine ın London . Freiherr Helmuth v. Moltke in Berlin Don Baldassare Boncompagni in Rom August von Bethmann- Hollweg in Berlin Johann Jakob Baeyer in Berlin Georg Hanssen in Göttingen . Datum der Königlichen Bestätigung. 1839 1845 1847 1853 1854 1855 1860 1862 1862 1865 1869 März 14. März 8. Juli 24. August 22. Juli 22. August 15. Juni 2. Juli 21. Juli 21. Mai 27. April 1. XXI XXI V, Correspondirende Mitglieder, Physikalisch-mathematische Klasse. Herr Hermann Abich in Tiflis Louis Agassiz in Boston George Airy in Greenwich Anders Jöns Ängström in Upsala Antoine Cesar Becquerel in Paris P. J. van Beneden in Löwen George Bentham in Kew Claude Bernard in Paris Theodor Ludwig Bischoff in Minöhen Jean Baptiste Boussingault in Paris . Johann Friedrich Brandt in St. Petersburg . ‚Adolphe Brongniart in Paris . Ernst Brücke in Wien Auguste Cahours in Paris Arthur Cayley in Cambridge Michel Chasles mn Paris . P Michel Eugene Chevreul in Paris Elvin Bruno Christofel in Berlin 4A. Ölebsch in Göttingen . James Dana in New Haven . Charles Darwin in London i Ernst Heinrich Karl von Dechen in Bo Jean Marie Constant Duhamel in Paris Jean Baptiste Dumas in Paris Re Jean Baptiste Elie de Beaumont in Paris Gustav Theodor Fechner in Leipzig . Lowis Hippolyte Fizeau in Paris Elias Fries in Upsala Heinrich Robert Göppert in Breslau Asa Gray in Cambridge, N. Amerika . Wilhelm Haidinger in ns Christopher Hansteen in Christiania Heinrich Eduard Heine in Halle Charles Hermite in Paris Datum der Wahl. 1858 Oct. 14. 1834 März 24. 1834 Juno: 18567 Decbr. 19. 1835 Febr. 19. 1855 Juli 26. 1855 Juli 26. 1860 März 29. 1854 April 27. 1856 April 24. 1839 Dechr. 19 1835 Mai 7. 1854 April 27. 1867 Decbr. 19. 1866 Juli 26. 1858 Juli 22 34. Juni 5: 1868 April 2. 1868 April 2. 1855 Julı 26. 1863 Febr. 26. 1842 Febr. 3. 1847 April 15. 1l 834 Juni 5. 827 Decbr. 13. 1841 März 25. 1863 Aug. 6. 1854 Juni 1. 1839 Juni 6. 1855 Juli 26. 1842 April 7. 1827 Decbr. 13. 1863 Juli 16. 1859 August 11. Herr Otto Hesse in München . Sir Herr Joseph Dalton Hooker in Kew Thomas Huxley in London Joseph Hyrtl! in Wien Moritz Jacobi in St. De Friedrich Kaiser in Leyden Hermann Kopp in Heidelberg Urbain Joseph Le Verrier in Paris Joseph Liowville in Paris Karl Ludwig in Leipzig Charles Lyell in London Charles Marignaec in a \ William Miller in Cambridge Henri Milne Edwards in Paris Hugo von Mohl in Tübingen Arthur Jules Morin ın Paris Ludwig Moser in Königsberg J. @. Mulder in Bennekom bei ee Sir Roderick Impey Murchison ın London . Herr Karl Friedrich Naumann in Leipzig Richard Owen in London Frangois Marie de Pambour in Paris Christian August Friedrich Peters in Mon Joseph Plateau in Gent . George de Pontecoulant in Paris Friedrich August Quenstedt in Tübingen Lambert Adolphe Jacques Quetelet in Brüssel Friedrich Julius Richelot in Königsberg Auguste de la Rive in Genf . Ferdinand Römer in Breslau . Georg Rosenhain in Königsberg . Henri Sainte-Claire-Deville in Paris Hermann Schlegel in Leyden . Theodor Schwann in Lüttich . Philipp Ludwig Seidel in München Karl Theodor Ernst von Siebold in München Japetus Steenstrup in Kopenhagen . George Gabriel Stokes in Cambridge XXIII Datum der Wahl. 1859 1854 1865 1857 1859 1869 1867 1846 1839 1864 1855 1865 1860 1847 1847 1839 1845 1845 1847 1546 1836 1839 1866 1569 1832 18685 1832 1842 1835 1869 1859 1863 1865 1854 1865 1841 1859 1859 Juli 21. Juni 1. Aug. 3. Januar 15. Apnil 7. April 15. Dechbr. 19. Decbr. 17. Decbr. 19. Oct. 27 Juli 26. März 30. Mai 10. April 15. April 15. Juni 6. Febr. 16. Januar 23. April 15. März 19. März 24. Juni 6. März 1. April 15. Januar 19. April 2. Januar 19. Decbr. 8. Febr. 19. Juni 3. August 11. Nov. 19. Nov. 23. April 27. Juli 16. März 25. Jul 21. April 7. XXIV Herr Otto Struve in Pulkowa . Bernhard Studer in Bern Karl Sundevall in Stockholm e James Joseph Sylvester mn Woolwich . Louis Rene Tulasne ın Paris . Gustave Thuret ın Antibes Edouard de Verneuil in Paris Eduard Weber in Leipzig . Charles Wheatstone ın London . Adolph Würtz in Paris Philosophisch-historische Klasse. " Theodor Aufrecht in Edinburgh . George Bancroft z. Z. in Berlin . Theodor Benjey in Göttingen Theodor Bergk in Bonn Jacob Bernays in Bonn . Gottfried Bernhardy ın Halle Samuel Birch in London Otto Boehtlingk in Jena . Hermann Brockhaus in Leipzig . . Marie Felicite Brosset in St. Peterabutk Heinrich Brunn in München Giuseppe Canale in Genua Antonio Maria Ceriani ın Mailand Charles Purton Cooper in London Georg Curtius in Leipzig . Leopold Delisle in Paris : Lorenz Diefenbach in Frankfurt a. Mm. Friedrich Diez in Bonn Wilhelm Dindorf in Leipzig . Bernhard Dorn in St. Petersburg. Hermann Ebel in Schneidemühl Emile Egger in Paris . Petros Eustratiades in Athen . Giuseppe Fiorelli in Neapel . Heinrich Lebrecht Fleischer in Leipzig Datum der Wahl. ——— 1868 April 2. 1545 Januar 23. 1862 Febr. 27 1866 Juli 26. 1869 April 29. 1869 April 29. 1858 Oct. 14. 1864 Oct. 27. 1851 Mai 8. 1859, März 10. 1864 Febr. 11. 1845 Febr. 27. 1860 April 26. 1845 Febr. 27. 1865 Janıl9: 1846 März 19. 1851 April 10. 1855 Mai 10. 1865 Januar 16. 1866 Febr. 15. 1866 Juli 26. 1862 März 13. 1869 Nov. 4. 1836 Febr. 18. 1869 Nor. 4. 1867 April 11. 1861 Jan. 31. 1845 Febr. 27. 1846 Deecbr. 17. 1564 Febr. 11 1869 Nov. 4. 1867 April 11. 1870 Nor. 3. 11865. Jane: 1851 April 10. xXXV Datum der Wahl. —— — Herr Conon von der Gabelentz in Altenburg . . . . 1869 Nov. 4. - Karl Immanuel Gerhardt in Eisleben . . . . 1861 Jan. 31. - Georg Gottfried Gervinus in Heidelberg . . . 1845 Febr. 27 - Wilhelm v. Giesebrecht in München . . . . . 1859 Juni 30. - Konrad Gislason in Kopenhagen Ah HL S5LNNMArZI 2. - Graf Joh. Bapt. Carlo Giuliari in Vernu LET ABLE DI: - Carl Ludwig Grotefend in Hannover . . . 1862 März 13. - Aureliano Fernandez Guerra y Orbe in Madrid . 1861 Mai 30. Se Kanlklolnın, München. „ ... um. eilt Janyıl3: - Wilhelm Henzen n Rom . . leiser, Anika - Brör Emil Hildebrand in Stockholm, Mes 2u1845A Behr) 2% - Willem Jonckbloet im Haag . . » . . . .. .. 1864 Febr. 11. - Stanislas Julien in Paris . . . ua TEEN Apr 14: - Theodor Georg von Karajan in Wien. N ale un 6: - Hermann Koechly in Heidelberg . . . . . . 1861 Jan. 31 - Ulrich Koehler in Athen . . . „2,1870: WNov.8. - Sigismund Wilhelm Koelle in Konsantnoncl . 1855 Mai 10. - Stephanos Kumanudes in Athen . . ... .... 1870 Nov. 3. - (Christian Lassen m Bonn . . . . 2... ..2...1846 Dechbr. 17. - Konrad Leemans in Leyden . . . ........ 1844 Mai 9. - Karl Lehrs mn Königsberg . . . » . . .......1845 Febr. 27 - Adrien de Longperier m Paris . . . . . . .. 1857 Juli 30. - Elias Lönnrot in Helsingfors . . . . . ... .. 1850 April 25. - Hermann Lotze in Göttingen . . . . 1864 Febr. 11. - Joaguim Jose da Costa de Macedo in en 1838 Febr. 15. - Johann Nicolas Madvig in Kopenhagen . . . 1836 Juni 23. - Henri Martin in Rennes . . . 223.81..01859%. Mar 10: - Georg Ludwig von Maurer in Münchei 2.0.25 18549 Juniml5. - Giulio Minervini in Neapel . . » . .... .. 1852 Juni 17. = Julius Mohlöin -Paris . .=r...88: 2 W180 Aprıl 25: u Ganlor.Morbio in. Mailand... „zu. 5 W860 April“26: 4 Moa#Müllerin Oxford: .- . .r . .. 20. var 186" Jansmld. - L. Müller in Kopenhagen . . . . 2 .2.....1866 Juli 26. - John Muir in Edinburgh . . » . ........1870 Nov. 3. - August Nauck in St. Petersburg . . . . . . 1861 Mai 30. - "Charles Newton m London’: .vırnn 00 25 1861-- Jan: 31. -" Julius: Oppert' in Paris: .. .ı .. .. 20.7... 14% 01862 März’ 13. =. Franz Palacky in Prag. uw anwew n. n.0n. 1845. Fehr.: 27. d XXVI Sir Thomas Phillipps in Middlehill . Herr August Friedrich Pott in Halle . Carlo Promis in Turin Rizo Rangabe in Athen . Felix Ravaisson in Paris Adolphe Regnier in Paris Ernest Renan in Paris Leon Renier ın Paris . Alfred von Reumont in Bonn . Friedrich Wilhelm Ritschl in Dei Georg Rosen in Belgrad . Giovanni Battista de Rossi in Rom Rudolph Roth in Tübingen re Vicomte Emmanuel de Rouge in Paris . Joseph Roulez in Gent Eugene de Roziere in Paris Hermann Sauppe in Göttingen . a En Adolph Friedr. Heinr. Schaumann in Hannover Anton Schiefner in St. Petersburg Georg Friedrich Schömann in Greifswald Leonhard Spengel in München Friedrich Spiegel in Erlangen . Aloys Sprenger ın Bern . Christoph Friedrich Stälin in Stakteare Adolf Friedrich Stenzler in Breslau Heinrich von Sybel in Bonn Th. Hersart de la Villemarque in Bar Louis Vivien de Saint Martin in Versailles . Matthias de Vries in Leyden William Waddington in Paris Natalis de Wailly in Paris Georg Waitz in Göttingen . Jean Joseph Marie Antoine de Wiite in Paris William Wright in London James Yates in Highgate K. E. Zachariae von Lingenthal in en Eduard Zeller in Heidelberg . oe Datum der Wahl. 1845 1850 1869 1851 1847 1867 1859 1859 1854 1845 1858 1853 1861 1854 1855 1864 1861 1861 1858 1824 1842 1862 1858 1846 1866 1859 1851 1867 1861 1866 1858 1842 1845 1868 1867 1866 1564 Febr. 27. April 25. Nov. 11. April 10. Juni 10. Jan: 17. Juni 30. Juni 30. Juni 15. Febr. 27 März 25. Juni 16. Jan. 31. März 2. Mai 10. Febr. 11. Jan. 31. Jan. 31. März 25. Juni 17. Decbr. 22. März 13. März 25. Decbr. 17. Febr. 15. Juni 30. April 10. April 11. Jan. 31. Febr. 15. März 25. April 14. Febr. 27. Nov. 5. Jan. 17. Juli 26. Febr. 11. Gedächtnifsrede auf GUSTAV MAGNUS von v H". H. HELMHOLTZ. [Gehalten in der öffentlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften am 6. Juli 1871.] E. ist mir der ehrenvolle Auftrag geworden ım Namen dieser Akade- mie auszusprechen, was sie an Gustav Magnus verlor, der ihr dreifsig Jahre lang angehörte. Als dankbarem Schüler, als Freund, endlich als dem Amtsnachfolger des Geschiedenen war es mir eine Freude, wie eine Pflicht, einer solehen Aufforderung nachzukommen. Aber ich finde den besten Theil meines Werkes bereits gethan durch unseren Collesen Hof- mann im Auftrage der Deutschen chemischen Gesellschaft, deren Vor- sitzender er ist. Er hat die Aufgabe von Magnus Leben und Wirken ein Bild zu geben in eingehendster und liebevollster Weise gelöst. Er ist mir nicht nur der Zeit nach zuvorgekommen, sondern er hat zu dem Geschiedenen auch in viel engeren und häufigeren persönlichen Beziehun- gen gestanden, als ich; anderntheils ist er für ‘eine Hauptseite von Mag- nus Thätigkeit, nämlich die chemische, viel mehr als ich berechtigt, ein sachverständiges Urtheil abzugeben. Dadurch beschränkt sich erheblich das, was für mich zu thun noch übrig bleibt. Ich werde kaum noch als Biograph von Magnus re- den dürfen, sondern nur noch davon, was Magnus uns war, und davon, was er der Wissenschaft war, deren Vertretung die uns zugewiesene Auf- sabe ist. Auch war in der That sein Leben nicht gerade reich an äufseren Ereignissen und Wechselfällen; es war das friedliche Leben eines Mannes, 1 2 HELEMHOTLTZE der in sorgenfreien äufseren Verhältnissen, erst als Glied, dann als Leiter einer geachteten, begabten und liebenswürdigen Familie, seine Befriedi- gung in wissenschaftlicher Arbeit, in der Verwerthung wissenschaftlicher Ergebnisse zur Lehre und zum Nutzen der Menschen suchte und reichlich fand. Am 2ten Mai 1802 wurde Heinrich Gustav Magnus zu Berlin geboren, als der vierte von sechs Brüdern, die sich nach mannigfachen Richtungen hin durch ihre Fähigkeiten ausgezeichnet haben. Der Vater Johann Matthias war der Chef eines wohlhabenden Handlungshauses, und suchte seinen Kindern vor Ällem eine freie Entwickelung ihrer indi- viduellen Anlagen und Neigungen zu gewähren. Unser geschiedener Freund zeigte schon frühe gröfsere Neigung zu mathematischen und na- turwissenschaftlichen Studien, als zu sprachlichen. Der Vater regelte sei- nen Unterricht dem entsprechend, indem er ihn von dem Werderschen Gymnasium wegnahm und an das Cauersche Privat - Institut sendete, in welchem den realistischen Fächern mehr Rechnung getragen wurde. Später von 1822 bis 1827 widmete sich Magnus an der Berliner Uni- versität ganz dem naturwissenschaftlichen Studium. Ehe er seine ur- sprüngliche Absicht, sich für Technologie zu habilitiren, ausführte, wen- dete er noch zwei Jahre dazu an sich auf Reisen fortzubilden, vorzugs- weise bei Berzelius längere Zeit in Stockholm verweilend, dann in Pa- vis bei Dulong, Thenard, Gay Lussac. Auf diese Weise ungewöhn- lich gut und reich vorbereitet, habilitirte er sich 1831 an der hiesigen Universität zunächst für Technologie, später auch für Physik, wurde 1834 zum aufserordentlichen, 1845 zum ordentlichen Professor ernannt, und zeichnete sich durch seine wissenschaftlichen Arbeiten in dieser Zeit so aus, dafs er schon neun Jahre nach seiner Habilitation, am 27. Januar 1840, zum Mitgliede dieser Akademie erwählt wurde. Von 1832 bis 1840 hat er auch an der Artillerie- und Ingenieurschule Physik gelehrt, von 1850 bis 1856 an dem Grewerbeinstitut chemische Technologie. Lange Zeit hielt er die Vorlesungen im seinem eigenen Hause mit seinen eige- nen Instrumenten, die allmählig zu einer der stattlichsten physikalischen Sammlungen anwuchsen, wie sie zur Zeit existirten, und die später vom Staate für die Universität angekauft wurden. Dann verlegte auch Magnus seine Vorlesungen in das Universitätsgebäude, und behielt nur das Labo- Gedächtnifsrede auf Gustav Magmıs. 3 ratorium für seine eigenen und die Arbeiten seiner Schüler im eigenen Hause. So flols sein Leben in ruhiger aber unablässiger Wirksamkeit für seine Wissenschaft ungestört dahin; Reisen bald für wissenschaftliche oder technische Studien, mehrere Male auch im Auftrage des Staats unternom- men, bald der Erholung bestimmt, unterbrachen von Zeit zu Zeit seine hiesige Arbeit. Daneben wurde seine sachverständige Erfahrung und seine Geschäftskenntnils vom Staate in mancherlei Commissionen in Anspruch genommen; unter diesen ist namentlich seine Theilnahme an den chemi- schen Berathungen des Landes-OÖkonomie-Collesiums zu erwähnen, denen g er grofses Interesse und viel von seiner Zeit widmete, vor Allem in Be- zug auf die grofsen praktischen Fragen der Agrieulturchemie. Nach 67 Jahren fast ungestörter Gesundheit verfiel er gegen Ende des Jahres 1869 in eine schmerzhafte Krankheit!). Bis zum 25ten Fe- bruar 1870 hat er noch seine Vorlesungen über Physik fortgesetzt, im Laufe des März aber kaum mehr sein Lager verlassen können; am 4ten April verschied er. Magnus ist eine reich angeleste Natur gewesen, welche unter glücklichen äufseren Umständen sich nach ihrer Eigenart entwickeln und sich ihre Thätiskeit frei nach eigenem Sinne wählen durfte. Dieser Sinn aber war so beherrscht von Besonnenheit und erfüllt, ich möchte sagen, von künstlerischer Harmonie, die das Maalslose und Unreine scheute, dafs er die Ziele seiner Arbeit weise zu wählen und deshalb auch fast immer zu erreichen wulste. Ebendarum stimmt auch die Richtung und die Art von Magnus’ Thätigkeit mit seiner geistigen Eigenart so vollkommen zusammen, wie das bei nur wenigen Glücklichen unter den Sterblichen der Fall zu sein pflegt. Die harmonische Anlage und Ausbildung seines (reistes gab sich auch äufserlich in der natürlichen Anmuth seines Betra- gens, ın der wohlthuenden Heiterkeit und Sicherheit seines Wesens, in der warmen Liebenswürdigkeit seines Verkehrs mit Anderen zu erkennen. Es lag in allem diesem viel mehr, als die blofse Erlernung der äufseren Formen der Höflichkeit jemals erreichen kann, wo sie nicht von warmer Theilnahme und feinem Gefühl für das Schöne durchleuchtet wird. 1 Careinoma Recti. 4 HELMHOoLTZ: Von früh her gewöhnt an die geregelte und besonnene Thätigkeit des kaufmännischen Hauses, in dem er aufwuchs, behielt er von diesem die Gewandtheit in Geschäften, die er so oft in den Verwaltungsangele- senheiten dieser Akademie, der philosophischen Facultät und verschiede- ner staatlicher Commissionen zu bethätigen hatte. Er behielt von daher die saubere Ordnungsliebe, die Richtung auf die Wirklichkeit und das Praktisch-Erreichbare, wenn auch das Hauptziel seiner Thätigkeit ein ideales wurde. Er hatte begriffen, dafs nicht der behagliche Genuls einer sorgenfreien Existenz und des Verkehrs in dem liebenswürdigsten Kreise von Angehörigen und Freunden eine dauernde Befriedigung giebt, son- dern nur die Arbeit, und zwar nur die uneigennützige Arbeit für ein ıdea- les Ziel. So arbeitete er, nicht für die Vermehrung seiner Reichthümer, sondern für die Wissenschaft; nicht dilettantisch und launisch, sondern nach einem festen Ziel und unermüdlich; nicht in Eitelkeit, nach auffal- lenden Entdeckungen haschend, die seinen Namen hätten schnell berühmt machen können, sondern er wurde im Gegentheil em Meister der treuen, geduldigen und bescheidenen Arbeit, welche ihr Werk immer wieder prüft, und nicht eher davon abläfst, als bis sie nichts mehr daran zu bessern weils. Solche Arbeit ist es aber auch, die durch die classische Vollendung ihrer Methode, durch die Genauigkeit und Zuverlässigkeit ihrer Resultate den besten und dauerndsten Ruhm verdient und erringt. Meisterstücke mu- stergiltiger Vollendung sind unter den Arbeiten von Magnus nament- lich die über die Ausdehnung der Gase durch die Wärme, und über die Spannkraft der Dämpfe. Ohne von Magnus zu wissen arbeitete damals eleichzeitig mit ihm ein anderer Meister in solcher Arbeit, und zwar der erfahrensten und berühmtesten einer, nämlich Regnault in Paris, an den gleichen Aufgaben. Die Resultate beider Forscher wurden fast gleichzeitig veröffentlicht und zeigten durch ihre aufserordentlich nahe Übereinstim- mung, mit welcher Treue und mit welchem Geschick beide gearbeitet hatten. Wo aber noch Differenzen sich zeigten, wurden diese schliefslich zu Magnus Gunsten entschieden. In ganz besonders charakteristischer Weise aber zeigte sich die Reinheit und Uneigennützigkeit, mit der Magnus den idealen Zweck sei- nes Strebens festhielt, in der Art und Weise, wie er jüngere Männer zu wissenschaftlichen Arbeiten heranzog, und sobald er bei ihnen Eifer und Gedächtnifsrede auf Gustav Magnus. 5 Fähigkeit für wissenschaftliche Arbeiten zu entdecken glaubte, ihnen seine Instrumente und die Hilfsmittel seines Privatlaboratoriums zur Verfügung stellte. Dies war die Art, wie ich selbst einst in nähere Beziehung zu ihm getreten bin, als ich mich zur Absolvirung der medicinischen Staats- prüfunsen in Berlin befand. Er forderte mich damals auf — ich selbst würde nicht gewagt haben, ihn darum zu bitten — meine Versuche über Gährung und Fäulnifs noch nach neuen Richtungen hin auszudehnen und andere Methoden, die gröfsere Hilfsmittel erforderten, als ein junger von seinem Sold lebender Militärarzt sich verschaffen konnte, dazu anzuwen- den. Ich habe damals etwa drei Monate bei ihm fast täglich gearbeitet, und habe dadurch einen tiefen und bleibenden Eindruck von seiner Güte, seiner Uneigennützigkeit, seiner vollkommenen Freiheit von wissenschatft- licher Eifersucht gewonnen. Nicht allein, dafs er durch ein solches Ver- fahren den äufserlichen Vortheil aufgab, den einem ehrgeizigen Manne der Besitz einer der reichsten Instrumentensammlungen vor allen Mitbe- werbern gesichert haben würde; er nahm auch mit freundlichem Gleich- muth alle die kleinen Ärgerlichkeiten und Belästigungen hin, welche die Ungeschicklichkeit und Hastigkeit jugendlicher Experimentatoren beim Gebrauche kostbarer und in peinlichster Sauberkeit gehaltener Instrumente mit sich bringt. Noch weniger war die Rede davon, dafs er nach der Sitte der Gelehrten anderer Nationen die Arbeitskräfte der Jüngeren für seine eigenen Zwecke und zur Verherrlichung seines eigenen Namens aus- gebeutet hätte. Chemische Laboratorien nach Liebig’s Vorgang fingen damals an eingerichtet zu werden; von physikalischen, die übrigens sehr viel schwerer zu organisiren sind, bestand meines Wissens damals kein einziges. Ihre Gründung ist von Magnus in der That ausgegangen. In diesem Verhältnisse besonders zeigt sich ein wesentlicher Theil von der inneren Richtung des Mannes, den wir bei der Beurtheilung sei- nes Werthes nicht vernachlässigen dürfen; er war nicht nur ein For- scher, er war,auch ein Lehrer der Wissenschaft, diesen Begriff im höchsten und weitesten Sinne genommen. Er wollte sie nicht in der Studirstube und im Hörsaale abgeschlossen wissen, er wollte, dafs sie di- rect hinauswirke in alle Verhältnisse des Lebens; in seinem regen Inter- esse für die Technologie, in seiner eifrigen Theilnahme an den Arbeiten des Landes-Ökonomie-Collegiums spiegelt sich diese Seite seines Strebens 6 HELMHOLTZ: deutlich ab, ebenso in der groflsen Sorgfalt, die er auf die Vorbereitung der Vorlesungsversuche verwendete, wie in der sinnreichen Ausbildung des instrumentalen Apparats für diese Art von Versuchen. Hierfür ist die von ihm gegründete, später in den Besitz der Universität übergegan- gene und jetzt mir als seinem Nachfolger zur Benutzung überwiesene Sammlung seiner Instrumente der beredteste Zeuge. Alles ist in sauber- ster Haltung und im vortreflliichster Leistungsfähigkeit; wo zu dem aus- zuführenden Versuche ein seidener Faden, eine Glasröhre oder ein Kork nöthig sind, kann man darauf rechnen, sie neben dem Instrumente zu finden. Alle von ihm herrührenden Apparate sind gebaut mit den besten Mitteln, die dazu herbeigeschafft werden konnten, ohne am Material oder an der Arbeit des Mechanikers zu sparen, so dafs der Erfolg des Ver- suchs möglichst gesichert wird, und derselbe in nicht zu kleinem Maals- stabe und möglichst weithin sichtbar in die Augen fällt. Ich weils mich aber auch sehr wohl noch des Erstaunens und der Bewunderung zu erinnern, mit der wir, als Studenten, ihn experimentiren sahen. Nicht blos, dafs alle Experimente glänzend und vollständig ge- langen, sondern sie störten und beschäftigten ihn scheinbar gar nicht in seinen Gedanken. Der ruhige und klare Flufs seiner Rede ging ohne Unterbrechung vorwärts; jeder Versuch trat an seiner Stelle ein, voll- endete sich rasch, ohne Hast und ohne Stocken und wurde wieder verlassen. Dafs die kostbare Sammlung der Demonstrationsapparate noch während seines Lebens in den Besitz der Universität überging, habe ich schon erwähnt. Er wollte aber überhaupt nicht, dafs, was er als Hilfs- mittel wissenschaftlicher Arbeit gesammelt und construirt hatte, zerstreut und dem Zwecke entfremdet würde, dem er sein Leben gewidmet hatte. In diesem Sinne hat er denn auch den Rest der Apparate aus seinem Laboratorium, die eigentlichen Arbeitsinstrumente, sowie seine sehr reiche und werthvolle Bibliothek testamentarisch der Universität vermacht, und so einen kostbaren Grund zur weiteren Entwickelung eines öffentlichen phy- sikalischen Instituts gelegt. Es wird genügen, in diesen. wenigen Zügen die geistige Individua- lität des geschiedenen Freundes zurückgerufen zu haben, so weit in ihnen die Quellen für die Richtung seiner Thätigkeit zu finden sind. Ein leb- I Gedächtnifsrede auf Gustav Magnus. hatteres Bild wird Ihnen allen, die Sie dreifsig Jahre mit ihm zusammen- wirkten, die persönliche Erinnerung gewähren. Wenn wir uns nun zur Besprechung der Ergebnisse und Erfolge seiner Arbeiten wenden, so genügt es dazu nicht, dafs wir die Reihe sei- ner akademischen und wissenschaftlichen Schriften durchgehen und zu beurtheilen suchen. Ich habe schon hervorgehoben, dafs ein hervorra- sender Theil seiner Wirksamkeit auf die Mitlebenden gerichtet war; und dazu kommt, dafs sein Leben in eine Zeitperiode fällt, in welcher die Naturwissenschaften einen Entwickelungsprozefs von einer solchen Schnel- ligkeit durchgemacht haben, wie ein ähnlicher in der Geschichte der Wis- senschaften wohl in keinem anderen Falle vorgekommen ist. Die Män- ner aber, welche einer solchen Zeit angehören und an einer solchen Ent- wickelung mit gearbeitet haben, erscheinen ihren Nachfolgern, denen sie den Platz bereitet, leicht in falscher Perspective, weil der beste Theil ihrer Arbeit diesen schon als etwas fast Selbstverständliches erscheint, von dem zu sprechen kaum noch der Mühe lohnt. Es wird uns jetzt schwer, uns zurückzuversetzen in den Zustand der naturwissenschaftlichen Bildung, wie er in den ersten zwanzig Jahren dieses Jahrhunderts in Deutschland wenigstens bestand. Magnus wurde 1802 geboren, ich selbst 19 Jahre später; aber wenn ich auf meine frü- hesten Jugenderinnerungen zurückgreife, als ich aus den im Besitze mei- nes Vaters, der selbst einst im Cauerschen Institute unterrichtet hatte, befindlichen Lehrbüchern anfing Physik zu studiren, so taucht mir noch ein dunkles Bild eines Vorstellungskreises auf, der uns jetzt ganz mittel- alterlich alehymistisch anmuthen würde. Von Lavoisiers und von H. Davy’s umwälzenden Entdeckungen war noch nicht viel in die Schul- bücher gedrungen. Obgleich man den Sauerstoff schon kannte, spielte daneben doch auch das Phlogiston, der Feuerstoff, seine Rolle. Das Chlor war noch die oxygenirte Salzsäure, das Kalı und die Kalkerde wa- ren noch Elemente. Die wirbellosen Thiere theilten sich noch in Insec- ten und Würmer, und in der Botanik zählte man Staubfäden. Es ist seltsam zu sehen, wie spät und zögernd sich die Deutschen in unserm Jahrhundert dem Studium der Naturwissenschaften zugewendet haben, während sie doch an deren früherer Entwickelung hervorragenden s HELMHOLTZ: Antheil genommen hatten. Ich brauche nur Copernicus, Kepler, Leib- nitz, Stahl zu nennen. Wir dürfen uns doch sonst einer leidenschaftlichen, rücksichtslosen und uneigennützigen Liebe zur Wahrheit rühmen, die vor keiner Autori- tät und vor keinem Scheine Halt macht, kein Opfer und keine Arbeit scheut, und sehr genügsam in ihren Ansprüchen auf äufseren Erfolg ist. Aber eben deshalb treibt sie uns immer an, vor Allem die primncipiellen Fragen bis in ihre tiefsten Gründe zu verfolgen, und uns wenig zu küm- mern um das, was mit den letzten Gründen der Dinge keinen deutlichen Zusammenhang hat, namentlich auch wenig um die praktischen Conse- quenzen und die nützlichen Anwendungen. Dazu kam aber wohl noch ein äufserer Grund, nämlich der, dafs die selbständige geistige Entwicke- lung der letzten drei Jahrhunderte unter politischen Zuständen begann, die das Hauptgewicht auf die theologischen Studien fallen liefsen. Deutsch- land hat Europa von der Zwingherrschaft der alten Kirche befreit; aber es hat auch einen viel theureren Preis für diese Befreiung zahlen müs- sen, als die anderen Nationen. Es blieb nach den Religionskriegen zu- rück, verwüstet, verarmt, politisch zerbrochen, an seinen Grenzen be- schädigt, wehrlos übermüthig gewordenen Nachbarn preisgegeben. Um die Consequenzen der neuen sittlichen Anschauungen zu ziehen, sie wis- senschaftlich zu prüfen, in alle Gebiete des Geisteslebens hinein durchzu- arbeiten, dazu war während der Stürme des Krieges keine Zeit gewesen; da mufste jeder zu seiner Parthei halten, jeder Anfang von Meinungs- verschiedenheit erschien als Verrath und erregte bittern Zorn. Das gei- stige Leben hatte durch die Reformation seinen alten Halt und seinen ; verloren, alles mulste in neuem Lichte erscheinen alten Zusammenhang und neue Fragen aufregen. Mit äufserlicher Uniformität konnte sich der deutsche Geist nicht beruhigen; wo er nicht überzeugt und befriedigt war, liefs er seine Zweifel nicht schweigen. So war es die Theologie, neben ihr die elassische Philologie und die Philosophie, welche theils als Hilfs- wissenschaften der Theologie, theils durch das, was sie selbst für die Lösung der neu auftauchenden sittlichen, ästhetischen und metaphysischen Probleme leisten konnten, das Interesse der wissenschaftlich Gebildeten fast ausschliefslich in Anspruch nahmen. Deshalb erklärt es sich wohl, dafs die protestantischen Nationen, sowie der Theil der Katholiken, welcher, (redächtnifsrede auf Gustav Magnus. B) in seinem alten Glauben wankend gemacht, nur äufserlich bei seiner Kirche blieb, sich mit verzehrendem Eifer auf die Philosophie stürzten. Man hatte ja hauptsächlich ethische und metaphysische Probleme zu lösen ; auch die Kritik der Erkenntnifsquellen mufste vorgenommen werden, und sie wurde es mit viel tieferem Ernst als früher. Ich brauche an die wirk- lichen Resultate, die das vorige Jahrhundert aus dieser Arbeit gewann, hier nicht zu erinnern. Sie erregten schwungvolle Hoffnungen, und die Metaphysik hat, wie sich nicht leugnen läfst, eine gefährliche Anziehung für den Deutschen Geist; er konnte nicht eher von ihr wieder ablassen, als bis er alle ihre Schlupfwinkel durchsucht und sich überzeugt hatte, dals dort für jetzt nichts mehr zu finden sei. Daneben fing in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts das verjüngte geistige Leben der Nation an seine künstlerischen Blüthen zu treiben, die unbeholfene Sprache bildete sich zu einem der ausdruckvoll- sten Werkzeuge des menschlichen Geistes um; aus den meist noch har- ten, ärmlichen und unerquicklichen bürgerlichen und politischen Zustän- den, den Folgen der Religionskriege, in welche die Gestalt des preufsi- schen Heldenkönigs nur eben die erste Hoffnung einer besseren Zukunft ge- worfen, denen dann freilich wieder das Elend der Napoleonischen Kriege gefolgt war, aus dieser freudlosen Existenz flüchteten sich alle empfind- samen Gemüther gern in das Blüthenland, welches die Deutsche Poesie mit den Besten aller Zeiten und Völker wetteifernd, aufschlofs, oder in die erhabenen Aussichten der Philosophie; man suchte die Wirklichkeit durch Vergessen zu überwinden. Und die Naturwissenschaften lagen auf der Seite dieser gern über- sehenen Wirklichkeit. Nur die Astronomie konnte schon damals grofse und erhabene Ausblicke bieten; ın allen andern Zweigen war noch lange und geduldige Arbeit nöthig, ehe sie zu grofsen Principien aufsteigen, ehe sie mitsprechen konnten in den grofsen Problemen des menschlichen Lebens, oder ehe sie das gewaltige Mittel der Herrschaft des Menschen über die Naturmächte wurden, welches sie seitdem geworden sind. Die Arbeit des Naturforschers erschien eng, niedrig, gleichgiltig neben den grofsen Conceptionen der Philosophen und Dichter; höchstens solche Na- turforscher, welche, wie Oken, sich in philosophisch - dichterischer An- schauungsform bewegten, fanden williges Gehör. 153) 10 HrELMHoLTZz: Fern sei es von mir in einseitiger Betonung der naturwissenschaft- lichen Interessen diese Zeit begeisterten Rausches schelten zu wollen; in der That verdanken wir ihr die sittliche Kraft, welche das Napoleonische ‚Joch brach, wir verdanken ihr die grofsen Dichtungen, welche der edel- ste Schatz unserer Nation sind; aber die Wirklichkeit behält ihr Recht gegen jeden Schein, auch gegen den schönsten, und Individuen, wie Na- tionen, welche zur Mannesreife sich entwickeln wollen, müssen lernen der Wirklichkeit in das Gesicht zu schauen, um die Wirklichkeit unter die Zwecke des Geistes zu beugen. Sich in eine ideale Welt flüchten, ist eine falsche Hilfe von kurzdauerndem Erfolge, sie erleichtert nur den Gegnern ihr Spiel; und wenn das Wissen immer nur sich selbst spiegelt. so wird es gegenstandslos und leer, oder löst sich in Illusionen und Phra- sen auf. Die Reaction gegen die Verirrungen einer Geistesrichtung, die an- fangs dem natürlichen Schwung eines jugendfrischen Anlaufs entsprach, dann aber im Epigonenzeitalter der romantischen Schule und der Identitäts- philosophie in sentimentales Haschen nach Erhabenheit und Begeisterung verfiel, ist wie wir Alle wissen eingetreten und durchgeführt worden, nicht blos im Gebiete der Naturwissenschaften, sondern auch im Kreise der Ge- schichte, der Kunstwissenschaft, der Sprachforschung. Auch in den letzt- genannten Gebieten, wo man mit Thätigkeitsäufserungen des menschlichen Geistes direct zu thun hat, und wo deshalb eine Construction a priori aus den psychologischen Gesetzen viel eher möglich erscheint als der Natur gegenüber, hat man begriffen, dafs man erst die Thatsachen ken- nen muls, ehe man ihre Gesetze aufstellen kann. Gustav Magnus Entwickelung fällt in die Zeit dieses Kampfes hinein; es lag in der ganzen Richtung seines Geistes, dafs er, so sehr er sonst nach seiner milden Art Gegensätze zu versöhnen suchte, entschie- den Partei ergriff, und zwar zu Gunsten der reinen Erfahrung gegen die Speeulation. Wenn er auch vermied Personen zu verletzen, so muls man anerkennen, dals er von dem Princip, was er mit sicherem Taet als das richtige erkannt hatte, nicht ein Jota nachliefs; und er kämpfte an ent- scheidendster Stelle in doppeltem Sinne; einmal weil es sich in der Phy- sik um die Grundlagen der ganzen Naturwissenschaft handelt, und dann, weil die zahlreich besuchte Universität Berlin die am längsten gehaltene (redächtmifsrede auf Gustav Magnus. 11 Festung der Speculation war. Er predigte seinen Schülern fortdauernd, dafs der Wirklichkeit gegenüber kein Raisonnement, und sähe es noch so plausibel aus, dafs vielmehr nur die Beobachtung und der Versuch ent- scheidet; und er verlangte stets, dafs jeder ausführbare Versuch, der eine thatsächliche Bestätigung oder Widerlegung eines hingestellten Gesetzes oder einer Erklärung geben könne, gemacht werde, Er selbst ging hierin mit dem besten Beispiele voran. Er beschränkte auch die Anwendbarkeit der ächten naturwissenschaftlichen Methode keineswegs auf die Erforschung der leblosen Natur, sondern er führte in seiner Arbeit über die Gase des Blutes (1837) einen Stofs bis in das Herz der vitalistischen Theorien; er führte die Physik bis in den Mittelpunet des organischen Stoffwechsels ein, indem er den wissenschaftlichen Grund für die richtige Theorie der Athmung legte, einen Grund, auf dem eine grolse Anzahl späterer For- scher weiter gearbeitet haben, und auf dem sich eines der wichtigsten und folgenreichsten Capitel der Physiologie entwickelt hat. Nicht zu wenig Entschiedenheit in der Durchführung seines Prin- eips konnte man ihm vorwerfen; wohl aber mufs ich gestehen, dafs ich selbst und manche meiner Genossen früher der Meinung waren, dafs Magnus sein Milstrauen gegen die Speeulation namentlich in Bezug auf die mathematische Physik zu weit triebe. Er hatte sich in mathematisch- physikalische Studien wohl niemals sehr vertieft, und das bestärkte uns damals in unserem Zweifel. Dennoch, wenn wir uns von dem Stand- puncte, den jetzt die Wissenschaft erreicht hat, umsehen, muls man an- erkennen, dals auch sein Milstrauen gegen die damalige mathematische Physik nicht unbegründet war. Auch in ihr war noch nicht rein ge- schieden, was erfahrungsmälsige Thatsache, was blolse Wortdefinition und was nur Hypothese war. Das unklare Gemisch aus diesen Elementen, welches die Grundlagen der Rechnung bildete, suchte man für Axiome von metaphysischer Nothwendigkeit auszugeben und nahm eine ähnliche Art der Nothwendigkeit auch für die Folgerungen in Anspruch. Ich brauche nur daran zu erinnern, eine wie grofse Rolle in den mathematisch durch- geführten Theorien aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts die Hypo- thesen über den atomistischen Bau der Körper spielten, während man von den Atomen noch so gut wie nichts wulste, und zum Beispiel den aufserordentlich wichtigen Einfluls, den die Wärmebewegung auf die Mole- I* 12 HELMHOLTZ“ eularkräfte hat, noch kaum ahnte. Jetzt wissen wir zum Beispiel, dafs das Ausdehnungsstreben der Gase nur auf der Wärmebewegung beruht: in jener Periode galt die Wärme noch bei weitem den meisten Physikern als ein imponderabler Stoff. Über die Atome in der theoretischen Physik sagt Sir W. Thomson sehr bezeichnend, dafs ihre Annahme keine Eigen- schaft der Körper erklären kann, die man nicht vorher den Atomen selbst beigelegt hat. Ich will mich, indem ich diesem Ausspruch beipflichte, hiermit keineswegs gegen die Existenz der Atome erklären, sondern nur gegen das Streben aus rein hypothetischen Annahmen über Atombau der Naturkörper die Grundlagen der theoretischen Physik herzuleiten. Wir wissen jetzt, dafs manche von diesen Hypothesen, die ihrer Zeit viel Bei- fall fanden, weit bei der Wahrheit vorbeischossen. Auch die mathema- tische Physik hat einen andern Charakter angenommen unter den Händen von Gauss, von F. E. Neumann und ihren Schülern unter den Deutschen, sowie von denjenigen Mathematikern, die sich in England an Faraday anschlossen, Stokes, W. Thomson, Cl. Maxwell. Man hat begriffen, dafs auch die mathematische Physik eine reine Erfahrungswissenschaft ist; dafs sie keine anderen Prineipien zu befolgen hat, als die experimentelle Physik. Unmittelbar in der Erfahrung finden wir nur ausgedehnte man- nigfach gestaltete und zusammengesetzte Körper vor uns; nur an solchen können wir unsere Beobachtungen und Versuche machen. Deren Wir- kungen sind zusammengesetzt aus den Wirkungen, welche alle ihre Theile zu der Summe des Ganzen beitragen, und wenn wir also die einfachsten und allgemeinsten Wirkungsgesetze der in der Natur vorgefundenen Massen und Stoffe auf einander kennen lernen wollen, diese Gesetze namentlich befreien wollen von den Zufälligkeiten der Form, der Gröfse und Lage der zusammenwirkenden Körper, so müssen wir zurückgehen auf die Wir- kungsgesetze der kleinsten Volumtheile, oder wie die Mathematiker es be- zeichnen, der Volumelemente. Diese aber sind nicht, wie die Atome dis- parat und verschiedenartig, sondern continuirlich und gleichartig. Die charakteristischen Eigenschaften der Volumelemente verschiede- ner Körper sind auf dem Wege der Erfahrung zu finden, entweder direct, wo die Kenntnifs der Summen genügt um die Summanden zu finden, oder hypothetisch, wo dann die berechnete Summe der Wirkungen in möglichst verschiedenartigen Fällen durch Beobachtung und Versuch mit der Wirk- Gedachtnifsrede auf Gustav Magnus. 13 lichkeit verglichen werden mufs. Somit ist anerkannt, dafs die mathe- matische Physik nur die einfachen, von den Zufälligkeiten der Körper- form befreiten Wirkungsgesetze der Körperelemente auf rein empirischem Wege zu suchen hat und der Controlle der Erfahrung genau ebenso unter- worfen ist, wie die sogenannte experimentelle Physik; ja dals beide prin- eipiell gar nicht geschieden sind und die erstere nur das Geschäft der letzteren fortsetzt, um immer einfachere und allgemeinere Gesetze der Erscheinungen zu entdecken. Es ist unverkennbar, dafs auch diese analysirende Richtung der physikalischen Forschung einen anderen Charakter angenommen hat, dafs sie gerade das abgelegt hat, was Magnus zu ihr in einen, wenn auch meist nur leise angedeuteten inneren Widerspruch brachte. Er pfleste, wenigstens in früheren Jahren, darauf zu bestehen, dafs das Geschäft des mathematischen und des experimentellen Physikers ganz von einander zu trennen sei; dafs ein junger Mann, der Physik betreiben wolle, sich zwi- schen der einen und der andern Richtung zu entscheiden habe. Gegen- wärtig scheint es mir, als wenn immer mehr und mit Recht die Über- zeugung Boden gewönne, dafs in dem entwickelteren Zustande der Wissen- schaft nur derjenige fruchtbar experimentiren könne, der eine eindringende Kenntnifs der Theorie hat und ihr gemäfs die rechten Fragen zu stellen und zu verfolgen weils; und andererseits dafs nur derjenige fruchtbar theoretisiren könne, der eine breite praktische Erfahrung im Experiment habe. Die Entdeckung der Spectralanalyse war eines der glänzendsten Beispiele einer solchen Durchdringung des theoretischen Verständnisses und der Experimentirkunst, was unserer Erinnerung noch ganz nahe liegt. Ich weils nicht, ob Magnus in späterer Zeit sich über das Ver- hältnifs der experimentellen und mathematischen Physik anders als früher geäulsert hat. Jedenfalls müssen auch die, welche seine frühere Abwen- dung von der mathematischen Physik als eine etwas zu weit getriebene Reaction gegen den Mifsbrauch der Speculation auffassen möchten, an- erkennen, dafs ihm die ältere mathematische Physik wohl manchen Grund zu einer solchen Abwendung gab, und dals er andrerseits mit der gröfsten Freudigkeit aufnahm, was Kirchhoff, W. Thomson und Andere aus theoretischen Ausgangspunkten von neuen Thatsachen entwickelt hatten. Es sei mir erlaubt, in dieser Beziehung hier mein eigenes persönliches 14 HELMHOoLTZ: Zeugnifs abzulegen. Meine eigenen Arbeiten sind meist auf die Weise erwachsen, gegen welche Magnus Verwahrung einzulegen pflegte; dennoch habe ich bei ihm nie etwas anderes als die bereitwilligste und freund- lichste Anerkennnng gefunden. Aber natürlich ıst es, dafs jeder, auf seine eigene Erfahrung ge- stützt, den Weg, der seiner eigenen Natur am besten entsprach, auf dem er selbst am schnellsten vorwärts gekommen ist, auch Andern als den förderlichsten empfiehlt. Und wenn wir nur alle darüber einig sind, dals die Wissenschaft zur Aufgabe hat die Gesetze der Thatsachen zu finden, so kann man es jedem überlassen, je nach seiner Neigung sich entweder frisch in die Thatsachen zu stürzen und zu suchen, wo ihm die Spuren noch unbekannter Gesetze aufstolsen mögen, oder aber von den schon bekannten Gesetzen her die Punkte aufzusuchen, wo neue Thatsachen zu entdecken sein werden. Aber ebenso gut, wie wir alle mit Magnus Widerspruch einlegen werden gegen den Theoretiker, der nicht für nöthig hält, die Folgerungen aus seinen ihm als Axiome erscheinenden Hypo- thesen an der Erfahrung zu prüfen, so würde sich Magnus — das zei- gen seine Arbeiten entschieden — mit uns gegen diejenige Art des mo- dernsten übertriebenen Empirismus erklären, welche darauf ausgeht, That- sachen zu entdecken, die sich unter keine hegel sollen fügen lassen und die es auch sorgfältig zu vermeiden pflest, nach einem Gesetze oder möglichen Zusammenhange der etwa neu entdeckten Thatsachen zu suchen. Zu erwähnen ist übrigens, dafs genau in demselben Sinne und mit dem gleichen Zwecke in England ein anderer grofser Physiker, Faraday, wirkte, mit dem Magnus daher auch in dem herzlichsten Einvernehmen verbunden war. Bei Faraday sprach sich der Gegensatz gegen die bis- herigen physikalischen Theorien, welche mit Atomen und in die Ferne wirkenden Kräften operiren, sogar noch schärfer aus als bei Magnus. Wir müssen übrigens anerkennen, dafs Magnus meist mit Erfolg auch da gearbeitet hat, wo er zu Aufgaben hingeführt wurde, die an- scheinend überwiegend für eine mathematische Behandlung geeignet waren; so zum Beispiel in seiner Arbeit über die Abweichung der rotirenden Ge- schosse aus gezogenen Läufen; so in seiner Abhandlung über die Form der Wasserstrahlen und ihren Zerfall in Tropfen. In der ersteren hat er r Gedächtnifsrede auf Gustav Magnus. 15 durch sehr geschickt angelegte Versuche nachgewiesen, wie der von der unteren Seite gegen die Kugel wirkende Luftwiderstand sie als rotirenden Körper nach einer Seite hin ablenken mufs, — nach welcher, hängt von der Richtung der Rotation ab, — und wie in Folge dessen auch die Flug- bahn in demselben Sinne abgelenkt wird. In der zweiten Abhandlung hat er die verschiedenen Formen der ausfliefsenden Wasserstrahlen unter- sucht, wie sie theils durch die Form der Öffnung, aus der sie fliefsen. theils durch die Art des Zuflusses zu dieser verändert werden, und wie von aulsen hinzukommende Erschütterungen ihr Zerfallen in Tropfen bedingen. Dabei hat er zur ruhigen Beobachtung der Erscheinungen eine sehr glück- liche Anwendung vom Prineip der stroboskopischen Scheiben gemacht. indem er den Strahl durch eine rotirende Scheibe mit schmalen Aus- schnitten beobachtete. Mit eigenthümlicher Kunst gruppirt er die äufserst mannigfaltigen Erscheinungen, so dafs das Ähnliche in ihnen übersichtlich heraustritt und eine die andere erläutert. Und wenn auch das letzte mechanische Verständnils nicht immer gewonnen wird, so wird doch der Grund für eine grolse Anzahl charakteristischer Züge der einzelnen Er- scheinungen deutlich. In dieser Beziehung sind viele seiner Arbeiten — ich möchte hier namentlich gerade die über die ausfliefsenden Wasser- strahlen rühmen — vortreffliche Muster für das, was Göthe theoretisch richtig forderte und in seinen physikalischen Arbeiten zu leisten trachtete, aber freilich nur mit theilweisem Erfolge. Aber auch wo Magnus sich von seinem Standpunkte aus und mit den Kenntnissen seiner Zeit ausgerüstet vergebens abmüht, den Kern der Lösung einer schwierigen Frage zu fassen, wird immer eine Fülle neuer werthvoller Thatsachen an das Licht gefördert. So in der Arbeit über die thermoelektrischen Ketten, wo er richtig sah, dafs eine prineipielle Frage zu lösen war, und selbst am Schlusse erklärt: „Als ich die eben beschriebenen Versuche begann, hoffte ich zuversichtlich zu finden, dafs die thermoelektrischen Ströme von einer Bewegung der Wärme herrühr- ten.“ In diesem Sinne prüfte er namentlich die Fälle, wo die thermo- elektrische Kette aus einem einzigen Metalle bestand, welches aber ab- wechselnd harte und durch Wärme weich gemachte Abtheilungen darbot, oder dessen zur Berührung gebrachte Stücke sehr verschiedene Tempe- ratur hatten. Er überzeugt sich, dafs weder das Wärme-Ausstrahlungs- 16 HELMHOLTZ: vermögen noch die Leitungsfähigkeit für Wärme (diesen Begriff im ge- wöhnlichen Sinne genommen) den thermoelektrischen Strom bedingen, und mufs sich schliefslich mit der ihn selbst offenbar nicht befriedigenden Erklärung beruhigen, dafs sich zwei ungleich warme Stücke desselben Metalls wie zwei ungleichartige Leiter, die nach Art der Flüssigkeiten dem galvanischen Spannungsgesetze nicht folgen, zu einander verhalten. Erst die beiden allgemeinen Gesetze der mechanischen Wärmetheorie führ- ten später zur Lösung. Magnus’ Hoffnung war nicht falsch gewesen; W. Thomson erkannte, dafs Änderungen in der Leitungsgeschwindigkeit der Wärme, aber solche, dıe durch die elektrischen Ströme selbst erst hervorgebracht werden, die Quelle dieser Ströme sind. Es liegt in der Natur der wissenschaftlichen Richtung, der Magnus in seinen Arbeiten folgte, dals sie viele Steine zu dem grolsen Gebäude der Wissenschaft hinzuführt, die ihm immer breitere Stützung und immer höheren Wuchs geben, ohne dafs nothwendig dem neu hinzutretenden Be- schauer sogleich ein abgesonderter und sich auszeichnender Theil des Ge- bäudes als das alleinige Werk dieses oder jenes Forschers nachgewiesen werden könnte; und will man im Einzelnen erklären, wie wichtig jeder einzelne Stein an seiner Stelle ist, wie schwer er zu beschaffen war, wie sinnreich bearbeitet er ist, so mufs man bei dem Hörer entweder die Kenntnifs der ganzen Geschichte des Baus voraussetzen, oder sie ihm erst auseinandersetzen, wozu mehr Zeit gebraucht wird, als ich heute und hier in Anspruch nehmen darf. So ist es auch mit den Arbeiten von Magnus. Überall, wo er angegriffen hat, hat er eine Fülle neuer und oft überraschender That- sachen hervorgeholt, er hat sie sorgfältig und zuverlässig beobachtet und in den Zusammenhang des grofsen Baus der Wissenschaft eingefügt. Er hat ferner als einen für die Wissenschaft ebenso werthvollen Schatz eine srolse Zahl sinnreich erfundener und fein ausgebildeter neuer Methoden hinterlassen, als Instrumente, mit denen auch künftige Generationen fort- fahren werden, verborgene Adern edlen Metalls ewiger Gesetze in dem scheinbar wüsten und wilden Spiele des Zufalls aufzudecken. Magnus Namen wird immer mit in erster Linie zu nennen sein, wenn die genannt werden, auf deren Arbeit der stolze Bau der Wissenschaft von der Natur beruht, dieser Wissenschaft, welche das Leben der modernen Menschheit (redächtnifsrede auf Gustav Magnus. 17 so eingreifend umgestaltet hat, sowohl durch ihren geistigen Einflufs, wie durch die Unterwerfung der Naturkräfte unter die Zwecke des Geistes. Ich habe nur von Magnus physikalischen Arbeiten geredet, und auch von diesen nur diejenigen genannt, welche mir charakteristisch für seine Individualität erschienen. Aber die Zahl seiner Arbeiten ist sehr grols und sie erstrecken sich über weitere Gebiete, als gegenwärtig noch von einem Forscher umfalst werden können. Er fing als Chemiker an, bevorzugte aber damals schon Fälle, welche auffallende physikalische Ver- hältnisse zeigten, später wurde er ganz Physiker. Daneben her lief ein aufserordentlich ausgedehntes Studium der Technologie, wie es für sich allein schon ein Menschenleben auszufüllen im Stande wäre. Er ist geschieden nach einem reichen Leben und einer reichen Thätigkeit. Das alte Gesetz, dafs keines Menschen Leben frei von Schmerz sei, wird wohl auch ihn getroffen haben; und doch erscheint sein Leben als ein bevorzugt glückliches. Was die Menschen gewöhnlich am meisten beneiden, war ihm zugefallen; aber er wulste die äulseren Güter zu adeln, indem er sie in den Dienst eines uneigennützigen Zwecks stellte. Was dem Gemüthe eines edlen Menschen am theuersten ist, war ihm vergönnt, in der Mitte einer liebenswürdigen Familie, in einem Kreise treuer und bedeutender Freunde sich zu erwärmen. Als das seltenste Glück aber möchte ich es preisen, dafs er in reiner Begeisterung für ein ideales Prineip arbeiten durfte und dafs er die Sache, der er diente, siegreich wachsen und sich entfalten sah zu ungeahntem Reichthum und zu breit- hin wirkendem Seegen. Und schliefslich müssen wir hinzufügen: soweit Besonnenheit, Rein- heit der Absicht, sittlicher und intelleetueller Tact, Bescheidenheit und ächte Humanität die Launen des Glücks und der Menschen beherrschen können, so weit war Magnus selbst der Schmied seines Glücks; eine der seltenen befriedigenden und in sich befriedigten Naturen, denen die Liebe und die Gunst der Menschen entgegenkommt, die mit sicherer Ahnung die rechte Stelle für ihre Thätigkeit zu finden wissen, und von denen man sagen möchte: der Neid des Schicksals verkümmert ihnen ihre Erfolge nicht, weil sie für reine Zwecke und mit reinen Wünschen arbeitend, auch ohne äufsere Erfolge ihre Befriedigung finden würden. u | ib „an. slaläcnnellhk abe Bu u on Harn u ui Er U 775 Mr Er “HN an ee BR bike a che, An) ie dene ilpuihpen “N ke hin m na all Bed Aa ri Sub BEL RUN vraunierht- DR Wu ER: ET N? 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IN COMMISSION BEI FERD,. DÜMMLER’S VERLAGS-BUCHHANDLUNG. (HARRWITZ UND GOSSMANN.) Be ER Au f ‚ u y‚ Ba y “ en OR ) SSTHLAR MILE AQUA star 4 J i j vet ee Inhalt. Seite EHRENBERG: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. (Mit S 2 afeln)) ur mer Roru: Über die Lehre vom Metamorphismus und die Entstehung der krystallini- schen Schiefer . . . 151 EHRENBERG: Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärilien. (Mit 1 Tafel) 233 day anh Yald Era) Pk Yin: RN 2 ANee0We. Be alt ira I en) Inh, 07% i STERNE. Ge ü Tallicireng wi Flak NEE a bad er 3 ar I Isf kin oh totlod adae 1 an 88% (Mrd N PR ‚Aoikinlage u buklange ah Aikeite 1a gut ig Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. s Von v MH” EHRENBERG. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 19. Januar 1871.] I. Jetziger Stand der Kenntnisse. EN nschließsend an den ausführlichen Vortrag über Passatstaub und Blut- regen, welcher im Jahre 1847 (mit Zusätzen bis 1849) publieirt worden ist und der den Erfolg der mikroskopisch-analytischen Methode auf jene Naturerscheinungen anschaulich zu machen bestimmt war, habe ich seit 1847, mithin seit mehr als zwanzig Jahren, vielfach die Gelegenheit fest- gehalten möglichst frisch und rein solche schnell vorübergehende Erschei- nungen genau zu prüfen. Das Resultat dieser sehr vereinzelt in den Monatsberichten der Akademie veröffentlichten Untersuchungen mit meh- reren neueren Analysen zusammenzufassen ist die Aufgabe dieser Mit- theilung. is bedarf keiner Wiederholung der Andeutung des Interesses, wel- ches nicht nur die leicht zu Aberglauben geneigten Völker, sondern auch die ernstesten Denker aller Zeiten stets an diesen Naturerschemungen ge- nommen haben. Sowohl in jenem Vortrage von 1847 als in den späte- ren Monatsberichten bis zum Jahre 1869 sind zahlreiche Nachrichten über Träumereien, religiöse Schwärmereien und über furchtbare Beispiele grau- senerregender Justiz mit Hinrichtungen vieler offenbar unschuldiger Men- schen gegeben, welche mit verschiedenen sogenamnten Bluterscheinungen in Verbindung stehen. Wichtiger als die Geschichte der Verirrungen des unzureichend gebildeten Volkes, erweckt und gefördert durch ebenso un- zureichend gebildete religiöse Fanatiker ist die wissenschaftlich ernste Ent- wicklung und Fortbildung dieser Naturerkenntnisse. Phys. Kl. 1871. l 2 Eurengenc: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Während noch im vorigen Jahrhundert eine grofse Anerkennung organischer, sich den natürlichen Sinnen entziehender Lebensverhältnisse in der Natur, sogar im Weltraume, theils die religiösen Gefühle stützte, theils manche auffällige Naturerscheinungen zu erläutern bemüht war, hat dieses Hinblicken nach geistigen Elementen im Weltraume ın der neue- ren Zeit theils ganz aufgehört, theils ist es sehr abgeschwächt und durch rein physikalische Kräfte ersetzt worden. Da eine vollständige Geschichte der umgewandelten Vorstellungen dieser Art meiner Aufgabe fern liegt, so beschränke ich mich auf den Hinblick zu den hierher bezüglichen Naturanschauungen des glücklichen Reformators der Naturforschung Linne. Während Linne’s so erfolg- reiche Nachforschung in allen Richtungen, hauptsächlich in der des orga- nischen Lebens, mit bewundernswürdigem Fleilse und ernster Treue all- mälisg zu jenem Systema Naturae anwuchs, welches über ein Jahrhundert schon auf das glücklichste für weitere Entwicklung förderlich gewesen ist, hat derselbe, als Repräsentant der Naturforschung seines Jahrhunderts, sich am Schlusse seines Systema Naturae in der zwölften Auflage 1767 und zugleich an dem 1778 erfolgten Schlusse seines Lebens zu der da- mals durch des hannöverschen Barons von Münchhausen sehr ungründ- liche Beobachtungen der Pilze und Schwämme erweckten Vorstellung hin- reilsen lassen, dafs es eine Welt des unsichtbaren kleinen Lebens gebe, die nicht nur die epidemischen und ansteckenden Krankheiten verschie- denster Art veranlasse, sondern auch als Trübungen des Äthers erkennbar sei. Er falste diese sämmtlichen Naturerscheinungen in ein Thier-Genus Chaos zusammen mit Räderthieren, Proteus, Infusorien, den Schimmel- und Pilzsamen, den Fäulnilsstoffen, den ansteckenden und hitzigen Fieber- stoffen, den spermatischen und siphilidischen Stoffen und hielt auch ein Chaos aethereum fest, welches die Durchdringung, Unendlichkeit und Un- ergründlichkeit der göttlichen Schöpfung vor Augen stelle. Im Jahre 1838 wurden diese Resultate der Linn&@’schen Naturanschauung in dem Buche „die Infusionsthierchen als vollendete Organismen“ !) bereits ın Übersicht gebracht. 1) Vergl. pag. IX der Einleitung. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 3 Ganz anders waren Leeuwenhoek’s vorhergegangene Vorstellungen bei Entdeckung der unsichtbaren kleinen Thierwelt. Die sichtlich be- wegten scheinbaren Atome des Wassers erkannte sein ruhig beobachtendes Auge sehr bald für kleine im Wasser lebende Thiere (Animaleula), was ihn zu Aufgüssen auf vegetabilische Substanzen führte und von der Vor- stellung entfernte, dafs Wolken und Äther mit diesem Leben erfüllt seien. obschon das Regenwasser die Entdeckung dargeboten hatte. So haben sich auch in den folgenden Zeiten Luft und Äther den verschiedenen Schriftstellern und Beobachtern abwechselnd mit Leben erfüllt und ohne Leben zu erkennen gegeben. Schon in der dreizehnten Ausgabe von Linne’s Systema Naturae von Gmelin 1788 wurden von dem Heraus- geber jene Vorstellungen des lebenden C'haos aethereum und der lebenden Grundlage der Epidemien wieder entfernt, nur Linne’s angeblich aus dem Äther herabfallende Furia infernalis als vermeintliche aber irrthüm- liche Ursache der nordischen pestartigen Brandblatter war übrig geblieben. Die gründlichen Forschungen, sauberen Zeichnungen und eigenen Kupfer- stiche des durch körperliche Unbehültlichkeit auf engere Thätiekeit an- gewiesenen Bruders des um die Naturforschung besonders verdienten Otto Friedrich Müller in Dänemark läuterten und begrenzten die unsicht- bare Lebenswelt Linne’s (mumdus inwisibilis) auf die Gewässer des Fest- landes und die Meere der Erde, was durch ©. F. Müller’s leitenden und ruhig urtheilenden Commentar der Abbildungen fest begründet wurde. Eine neue Bewegung intensivster Art brachte Chladni 1794 in die wissenschaftlichen Vorstellungen durch seine zuversichtliche Darstellung der Meteorsteine als wirklich aus dem Weltraume herabfallende Massen, welche Vorstellung seit 13803 durch Biot auch vom französischen Institut bei Gelegenheit des überreichen Meteorsteinfalles von Aigle anerkannt wurde. Zwar versuchte Ruhland 1812 in Schweigger’s Journal die sämmtlichen Meteorsteine und Atmosphärilien aller Art als terrestrische, von Winden in die Höhe gewirbelte Stoffe zu betrachten, allein Chladni's Sammelwerk der historischen Feuermeteore von 1819 lenkte von Neuem nachdrücklich und entschieden die Aufmerksamkeit auf den Weltraum aulserhalb der Erdatmosphäre. Einen neuen sehr auffälligen Schwung erhielt die Naturanschauung durch die englische Polar-Expedition des Kapitäns John Rofs 1818, auf je 4 Eurengerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über dessen Reise ein rothfarbiger Schnee in so ungeheurer Ausdehnung und Mächtigkeit in der Baffins-Bay beobachtet worden war, dafs er die Auf- merksamkeit aller Naturforscher, besonders auch der Chemiker auf lange Zeit in Anspruch nahm. Ich kann mich jedes Details über diese grofse Thätigkeit zur Aufklärung des Phänomens enthalten, da sie im Jahre 1825 in Robert Browns botanischen vermischten Schriften ım ersten Bande von Nees von Esenbeck mit grolsem Eifer und Reichthum zusammen- getragen worden sind. Hatte noch Chladni in gewissen, aus dem Weltraume mit Licht- erscheinung und Feuerkugeln auf die Erde herabfallenden Gallert-, Kohlen- stoff- und Firnifsmassen dort vorhandene organische Grundmassen aner- kennen zn müssen geglaubt, so theilte sich nun die Vorstellung, beson- ders durch die reiche und verdienstvolle chemisch - analytische Arbeit des Professor Zimmermann in Gielsen und Nees von Esenbeck’s fleifsige und reichhaltige Sammlung der Materialien samt deren erfinderi- scher Verbindung in zwei entgegengesetzte Richtungen. Die chemischen Resultate des Professor Zimmermann führten zu der Vorstellung, dafs es überall in der Atmosphäre und im Weltraume eine von ihm Rothstoff (Pyrrhin) genannte Substanz gebe, welche die schön rothen Färbungen des Schnees sowohl der Batfins-Bay, als der schon früher von Saussure in der Schweiz beobachteten und selbst Aristoteles nicht unbekannten rothen Färbungen des liegenden Schnees (der Alpen) bedingen möchte. Diese Vorstellung gründete sich auf die röthliche Trübung der salpeter- sauren Silberauflösung, wenn diese der Luft ausgesetzt wird. Die Zusammenstellung aller bisherigen Beobachtungen durch Nees von Esenbeck führte denselben 1825 auf die früheren Vorstellungen Linne’s insofern zurück, als er sowohl im Lichtraume der Atmosphäre wie auch im Weltraume an die Existenz eines schleimigen Urstoffes zu denken sich für berechtigt hielt und sowohl Lichtenberg’s Ausdruck der Luft-Zoophyten !) (Moleeules anımes Buffon) benutzte, als auch Admiral Wrangel’s Vermuthung theilte, dafs „durch den Einfluls der Luft-Eleetrieität geweckt, sich in der Gewitter- Atmosphäre die Luft-In- fusorien mit dem sie umhüllenden Schleim bilden und im Gewitteregen 1) Rob. Browns botanische vermischte Schriften 1825. Bd. 1 p. 551. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 5 niederfallen.* — Auch damals hatte man schon die Vorstellung, dafs die vegetabilischen schön rothen Körperchen des Schnees der Baffins-Bay, des Polareises und der Alpen zuweilen eine sandige Natur hätten und man dachte an bald organische, bald unorganische Coneretionen röthlich gefärbter Urstoffe. Es dauerte auch noch einige Zeit, ehe man die Äufse- rung des Priors Biselx in der Schweiz, dafs noch Niemand habe rothen Schnee fallen gesehen !), sowie dafs derselbe nur liegend und nur bis zu 9000 Fufs Höhe auf den Alpen vorkomme, berichtigte. Mit Zimmermann’s Rothstoff der Natur (Pyrrhin) haben sich zu jener Zeit die damaligen Koryphäen der Chemie, selbst noch Ber- zelius, angelegentlichst vielseitig beschäftigt. So stand die Angelegen- heit bei meiner Rückkehr aus Afrika. Ich habe im Jahre 1830 bei Ge- legenheit meiner Mittheilungen über das mikroskopische Leben in den Ab- handlungen der Akademie, sowohl die atmosphärischen Erfüllungen damit, als auch die rothen terrestrischen Färbungen mit immer besseren Verstär- kungen der Sehkraft sorgsam verfolgt und habe in Possendorffs Annalen jenes Jahres (1830) die Ergebnisse meiner Bemühungen mitgetheilt. Das Resultat war, dafs zwar im frischen Regenwasser sich öfter vereinzelte Formen finden, dafs aber die geschärfte Aufmerksamkeit auf Tausende von Regentropfen, Schneeflocken und Thautropfen mir niemals die An- oeoeben hatten. Daoesen war die Vor- oo o’o schauung lebender Infusorien stellung nicht abzuweisen, dafs die farblosen und durchsichtigen feinen Eikeime, welche selbst beim Trocknen lange Zeit unbeschädigt bleiben, als unsichtbare Atmosphärilien, die schnelles Bevölkern jedes offen ste- henden Wassers ermöglichen, vorhanden sind. Dabei wurden die rothen blutartigen Färbungen der Gewässer und des feuchten Bodens mannig- fach für Europa, Asıen und Afrika von mir weiter erläutert. Es war andererseits das Ergebnifs von Cuvier’s Darstellungen im Regne animal 1850, dals das Thierreich in immer weniger zusammengesetzten und end- lich ganz einfachen Lebensformen auslaufend ende. In der Analyse des travauz de U’annee 1830 wurde dagegen von ihm der damals hier vor- getragene Nachweis einer der Generatio spontanea ungünstigen grolsen Organisation des kleinsten Thierlebens als viele Ideen ändernd anerkannt. 1) Rob. Brown |. e. p. 600. 6 Enrexpere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Im Jahre 1836 erschien dann das sehr verdienstvolle Handbuch der Meteorologie von Kaemtz, worin das alte und neueste Material mit grofser Sorgfalt und ruhiger Beurtheilung für diese Verhältnisse reichlichst zusammengefalst ist. Meine Mittheilungen von 1830 haben darin ihre Stelle und nützliche Verwendung gefunden. Kaemtz falst die ganze Reihe der bezüglichen Naturerschemungen in dem Kapitel !) über die „problematischen Erscheinungen“ zusammen, scheidet sie von allen übri- gen atmosphärischen Erscheinungen ab, welche die Temperatur, die Wärme- Vertheilung, die Bewegung der Gase, den Wasserdampf, die Lichtver- änderungen in der Luft betreffen und falst die besondere Abtheilung in vier Gruppen auf: Rothe oder gelbe Beimengungen des Wassers, Höhe- rauch, Sternschnuppen, Meteorsteine. Eine reiche Sammlung historischer Nachrichten über rothe Schnee- fälle ist daselbst in bessere Übersicht gebracht, woraus Kaemtz sein Urtheil ableitet, dafs die sämmtlichen Nachrichten den Beweis liefern, — „dals die rothe Farbe des Schnees im Allgemeinen von (kleinen) Pflanzen her- rührt, welche sich entweder auf dem Schnee ursprünglich aus dem Samen entwickeln, oder dafs sie von den Felsen (als Staub) dahin geführt werden und weiter gedeihen.“ ?) — Da dieser rothe Schnee sich nach Parry°), Seoresby und Anderen bis auf die schwimmenden Eisfelder im Nord- meere erstreckt, so ist wohl offenbar, dafs auch hier fallende rothe Staubnebel und fallender rother Schnee mit rothem liegenden Schnee als identisch und als vegetabilisch öfter verwechselt worden sind, wäh- rend es wahrschemlich ist, dafs ein häufiges Fallen rothen Luftstaubes damit bezeichnet worden ist, welches durch weilsen Schneefall und Wasser- dunstnebel öfter verdeckt und im Polarkreis übertüncht werden mag. Kaemtz Zusammenfassungen von Schwefelregen und verschiedenen Getreideregen haben hier kein weiteres Interesse. Die aus der Luft ge- fallenen Thiere wie Pflanzensamen sind nach Munck’s*) Vorgang als meist unrichtig aufgefalste oder zufällig durch Wirbelsturm fortgerissene Einzelheiten richtig beurtheilt. Eine besondere Sorgfalt ist dann von ihm 1) Kaemtz, Handbuch der Meteorologie. Bd. III. 2) Kaemtz l. ce. p. 188. 3) Parry, 3te Reise. Hooker in Murray’s Eneyelop. of Geogr. p. 1311. 4) Gehlers physikalisches Wörterbuch. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche orgamsche Leben. 7 auf die trockenen Nebel und Höherauchverhältnisse verwendet worden, wobei jedoch nicht die rothen, sondern die ungefärbten und schwarzen Staubniederschläge seine Aufmerksamkeit am meisten erweckt haben. Den atmosphärischen Höherauch aus Moor- und Wald-Bränden von einem mög- licherweise kosmischen Nebel zu unterscheiden, standen damals keine Mittel zu Gebote, und so sprach er sich über Finke’s Zusammenstellungen des Moorrauches im nordwestlichen Deutschland dahin aus, dafs er zwar mit demselben insofern einverstanden sei den Moorrauch für ein Verbren- nungsprodukt vegetabilischer Körper!) anzusehen, dafs er aber die Häu- fiekeit des Nordwindes und Anderes zur Zeit seines Erscheinens daraus herzuleiten nicht geneigt sei. Die ungeheuren Massen vegetabilischer Verbrennungsprodukte, welche bei Waldbränden und durch Schornsteine in die Luft geführt werden, hält Kaemtz der Berücksichtigung werth, so dals ıhm das Entstehen des Moorrauches samt dem Höherauch als terrestrisch, nicht als kosmisch erscheinen. Als entschieden kosmische Erscheinungen sieht Kaemtz mit Chladnı alle mit Fenerkugeln und Sternschnuppen herabgefallenen Substanzen an und schliefst mit der Bemerkung noch grofser, durch fortgesetzte Beob- achtungen. besonders der Bahnen der Meteore, allmälıg zu beschränkender Unsicherheit dieser Erscheinungen. Der hochverdiente Arago in Paris, welcher im Jahre 1853 starb und bis zum Jahre 1845 dort populäre Vorträge hielt, hat in den erst 1857 erschienenen Schriften sein Urtheil über diese Verhältnisse am Schlusse seiner Thätigkeit niedergelegt. Den rothen, von der Atmosphäre getra- genen Sand und Staub rechnet er, seines Eisengehaltes halber, zu kosmi- schen Phänomenen, wie später specieller bemerkt werden wird. Im Jahre 1845 erschien das überall Vertrauen erweckende um- fangreiche Werk, der Kosmos Alexander von Humboldt’s, welches mit ruhiger Klarheit unsere Kenntnifs des Weltalls mustert und sorglich bemüht ist, die befestigten Kenntnisse von den unsicheren zu scheiden. So wendet sich denn der Blick mit besonderer Spannung auf die dort vorhandenen Urtheile. Voraus ist jedoch zu bemerken, dafs der Ver- fasser des Kosmos einen Maafsstab für seine Auffassung dieser Gegen- 1) Kaemtz l.c. p. 215. 8 Enrexpeng: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über stände in den Worten niederlegt: — „dals die Hypothesen nach den ewig wechselnden Schwankungen in der Gedankenwelt vielfach neuem Zweifel unterworfen werden“!) — was deutlich bezeichnet, dafs er Vieles in dieser Gruppe der Naturerscheinungen für noch nicht hinlänglich durch Beobachtung gut begründet hält. Ja es ist unzweifelhaft, dafs der Verfasser des Kosmos selbst seine Ansicht in dem hier vorliegenden Gegenstande allmälıg umgewandelt hat. Während er in der Relation historique 1824 bei Gelegenheit des grolsen Sternschnuppen- falles von Cumana eine röthliche trockne, mit dem Hygroskop von ihm selbst genau geprüfte Atmosphäre allmälig in höchst durchsichtige, sehr hohe Schafwolken übergehen sah, die er dann wohl doch für trockne Nebel hielt, und während er bei Bogota, bei Gelegenheit des dort erlebten rothen Hagels, seine Mittheilung?) — „Ich habe schon anderwärts be- merkt, dals am Paramo bei Guanacos, wo der Weg von Bogota nach Popayan in der Höhe von 2300 Toisen fortgeht, man nicht rothen Schnee, wohl aber rothen Hagel hat fallen sehen“, — mit den fragenden Worten begleitet: — „Schlols dieser dieselben Keime vegetabilischer Orga- nisation ein, welche jenseits des Polarkreises beobachtet wor- den sind?* —, hatte er offenbar die Vorstellung von möglichen hoch schwebenden organisirenden Einflüssen bei dieser Erscheinung (Sphaerella nivalıs der Baffıns-Bay). Später, wo er vom Einflufs der hochgehenden Schatwölkehen auf die Nordlichterscheinung als deren Substrat eingeht, spricht er nicht von trocknen Nebeln, sondern von einer Verbindung der Eleetrieität mit feuchten Meteoren ?) und scheidet die kosmischen Nebel scharf von den terrestrischen Meteoren. In demselben ersten Bande des Kosmos 1845 sind auch die von mir seit 1844 der Akademie gemachten Mittheilungen über die Mischun- sen des rothen atlantischen Passatstaubes bei den Capverdischen Inseln mit zahlreichen Baeillarien als ein thatsächlicher Gegenstand von ihm anerkannt worden. Aber obwohl er abweichend von Arago sich vom kosmischen Ursprung derselben abwendet, so hat er doch nicht seinen 1) Kosmos 1850. Bd. 3 p. 220. ?) Robert Brown, Botanische Schriften 1825 Bd. 1 pag. 573. >) Kosmos Bd. 1 p. 201. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 9 Blick nach Afrika hingewendet, dessen typische Staubwirbel als Ursprung der Erscheinung von mir, dem Reisenden in Afrika und Augenzeugen, verworfen worden waren. Dagegen ist von Humboldt die Vorstellung angenommen und begründet, dals, „wie Fichtenblüthenstaub jährlich aus der Atmosphäre herabfällt, auch kleine Infusionsthiere, mit dem Wasser- dampf passiv gehoben, eine Zeit lang in den Luftschichten schweben können.“ !) Was die Beziehungen verwandter kosmischer Erscheinungen an- langt, so spricht sich Humboldt darüber folgendermalsen aus: „Ob aus den kleinen (nach Humboldt entschieden kosmischen) Sternschnuppen wirklich etwas Compactes oder nur ein höherauchartiger, eisen- und nickel- haltiger Meteorstaub niederfällt, das Alles ist bis jetzt in grofses Dunkel gehüllt.“?). 17 Fälle von sehr auffälligen Verdunklungen der Tageshelle sind von Humboldt?) besonders hervorgehoben, welche ihrer langen Dauer halber sich nicht auf Sonnenfinsternisse beziehen könnten und bei denen er deswegen wohl offenbar eine kosmische, weltstaubartige Ursache vermuthet. Nirgends als im Kosmos ist wohl mit so umsichtiger Ab- wägung der Verhältnisse die Natur der kosmischen Nebel, deren Verschie- denheit in der Gestaltung und Gröfse, sowie deren Umwandlung abgehan- delt worden. Als Resultat tritt hervor, dafs eine genetische Entwicklung kleiner und immer gröfserer Weltkörper und Gestirne aus feinsten, un- zusammenhängenden Materialien, welche im Weltraume schweben, daher auch die Bahnen der Himmelskörper verändern und verkürzen, den jetzi- gen Erfahrungen entspreche. Als selbstverständlich mufs daraus abge- nommen werden, dals die mit Feuerkugeln und Sternschnuppen herab- fallenden Gallerten, Erden und Steine als Concretionen jener kosmischen Stoffe und Nebel anzusehen sind. Aus meinen mündlichen Rücksprachen mit Humboldt liefs sich stets entnehmen, dafs er, wie ich selbst, die terrestrischen Mischungen meteorischer Staubarten auf kosmische Verhältnisse auszudehnen nicht ge- neigt war und dafs er es billigte, solche terrestrische Mischungen als in 1) Kosmos Bd. 1 p. 373. 2) Kosmos Bd. 1 p. 123. 3) Kosmos Bd. 3 1850. p. 415. Phys. Kl. 1871. 2 10 EnrunBerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über der terrestrischen Atmosphäre begrenzt weiter zu erläutern zu suchen. Mit sehr bestimmten Worten spricht Humboldt sein Urtheil in der zwei- ten Ausgabe seiner „Ansichten der Natur“ !), die von mir 1847 hier vorgetragenen Mittheilungen berücksichtigend, nach einigen Bemerkungen über in grofsen Höhen über dem Chimborazo gesehenen Vögeln und In- sekten folgendermalsen aus: „Zeigt uns schon das unbewaffnete Auge den „ganzen Luftkreis belebt, so enthüllt noch gröfsere Wunder das bewaffnete „Auge. Räderthiere, Brachionen und eine Schaar mikroskopischer Ge- „schöpfe heben die Winde aus den trocknenden Gewässern empor. Un- „beweglich und in Scheintod versenkt schweben sie in den Lüften, bis „der Thau sie zur nährenden Erde zurückführt, die Hülle löst, die ihren „durchsichtigen wirbelnden Körper einschliefst und (wahrscheinlich durch „den Lebensstoff, welchen alles Wasser enthält) den Organen neue Erreg- „barkeit eimhaucht. Die atlantischen gelben Staubmeteore (Staubnebel), „welche von dem Capverdischen Inselmeere von Zeit zu Zeit weit gegen „Osten in Nord-Afrika, in Italien und Mittel-Europa eindringen, sind „nach Ehrenberg Anhäufungen ?) von kieselschaligen mikroskopischen „Organismen. Viele schweben vielleicht lange Jahre in den obersten Luft- „schichten und kommen bisweilen durch die oberen Passate oder durch „senkrechte Luftströme lebensfähig und in organischer Selbsttheilung be- „griffen herab.“ Anders verhielt sich, wie schon erwähnt, Arago, dessen nach- gelassene Werke mit einer Vorrede Humboldt’s herausgegeben worden sind. Seine in diesen Werken befindliche „populäre Astronomie“ 3) enthält tolgende Darstellung: „Die aufmerksame Beobachtung der Staubfälle führt „zu dem Schlufs, dals sie sich von den gewöhnlichen Meteorsteinfällen „nicht wesentlich unterscheiden. Zuweilen sind sie von Steinfällen oder „von einem Feuer-Meteor begleitet. Die Staube scheinen fast dieselben 1) Humboldt, Ansichten der Natur, 2. Aufl. 1849. Bd. 2 p. 4. 2) Es möge bemerkt sein, dals nicht reine Anhäufungen gemeint sind, da meine bild- lichen Darstellungen in den Abhandlungen von 1547 vorlagen, dals mit diesem Ausdruck vielmehr, als Mischungstheile, reichhaltig angehäufte organische Formen bezeichnet wer- den. Auch sind die Gallerthüllen der schwebenden Körperchen und die generische Form der Brachionen zu beachtende Eigenthümlichkeiten der Auffassung. E. mem 3) Arago, populäre Astronomie Bd. 4 1857. p. 206. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 11 „Bestandtheile zu enthalten wie die Meteor - Steine und keine an- „dere Unterscheidung zuzulassen, als die der Schnelligkeit, mit welcher „diese Haufen chaotischer, im Universum zerstreuter Massen in unsere „Atmosphäre gelangen. Vermuthlich ist in dem rothen und schwarzen „Staube das Eisenoxyd die hauptsächlich färbende Substanz. Im schwar- „zen Staube findet man auch Kohlenstoff. Man kann die schwarzen und „sehr zerreiblichen, zu Alais 1806 gefallenen Steme gewissermalsen als a des schwarzen Staubes in gewöhnliche Meteorsteine ansehen. „Ich mufs indessen bemerken, dafs man rotben Schnee gesammelt hat, „der seine Farbe ganz anderen Ursachen verdankt. So bezeichnet Sir „Charles Blagden, dafs rother in der Baffins-Bay gefallener Schnee „durch Urinsäure gefärbt wäre, unzweifelhaft von den Auswürfen der „Schaaren von Vögeln stammend, welchen man in diesen Gegenden be- „gegnet. Die rothen Schneelagen waren allerdings nicht an der Oberfläche, „darüber und darunter war der Schnee vollkommen weils. Thomson „glaubt, dals die Färbung des Schnees durch eine organisehe Substanz „verursacht sein kann, z. B. durch irgend eine Kryptogame.“* So weit seine Worte. Es folgt nun bei Arago das Verzeichnils von nur 62 Beobachtun- gen von Staubfällen verschiedener Art und verschiedener Färbungen. Es sind darunter 34 rothfarbige Staub-, Regen- und Schnee-Meteore, von denen 7 mit Feuerkugeln, öfter mit Steinfällen begleitet waren. Sämmt- liche Fälle sind aus der nachchristlichen Zeit. Die von mir im Jahre 1847 der Akademie vorgelegten Beobachtungsreihen, welche mithin in dem 1845 abgeschlossenen, 1857 publicirten Werke Arago’s nicht auf- genommen sind, betrugen 314 Fälle, unter denen 81 rothe Staubfälle verzeichnet sind. Die zahlreichen historischen Zusammenstellungen von Nees von Esenbeck 1825, sowie die von Kaemtz 1836 sind in die Darstellungen Arago’s nicht übergegangen. Aus dieser Übersicht ergiebt sich, dafs auf den so bedeutenden Physiker und Astronomen nur der kosmische Gesichtspunkt, nicht aber die detaillirten Untersuchungen der betreffenden speciellen Meteore einen Einfluls anf seine Vorstellung bis zu seinem Tode gewonnen haben. In gleicher Weise hat seine Autorität auf die neueren französischen Darstellungen erolsentheils eingewirkt und a im vorigen 9 12 Euresgenc: Üsersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Jahre 1870 hat der Pariser Meteorolog Herr Tarry Arago’s, von ıhm auch Herrn Quetelet zugeschriebene Vorstellungen zu einer, wie er glaubt, neuen Theorie der Staub-Orkane benutzt. Die seit 1844 durch Charles Darwin mir zuerst zur Unter- suchung gebrachten und 1847 in reichhaltiger historischer Folge erläu- terten rothen, oft fälschlich Meteore genannten Erscheinungen, von denen mir ein ansehnlicher durch Ruhland und Kaemtz erläuterter Theil da- mals nicht zugänglich war, theilte sich schon 1848 in zwei wesentlich verschiedene Reihen, deren eine, das Blut auf Broden und Hostien be- treffend, in den Monatsberichten jenes Jahres und später erläutert wor- den ist, deren hierher gehöriger anderer Theil besonders durch Capitain Maury’s Anregung der amerikanischen und deutschen Schiffs -Capitaine eine ansehnliche Menge frisch gesammelten Materials zu meiner Analyse brachte. Diese neueren Materialien wurden im Jahre 1862 in den Monats- berichten mit vielen historischen Nachträgen und mit einem geographi- schen Übersichtskärtehen in den gesammten Erdverhältnissen zusammen- gefalst. Im Jahre 1863 fand sich der österreichische Commandeur der Novara und späterer Admiral von Wüllerstorf-Urbair veranlalst, den Gegenstand der österreichischen Marine, zu besonderer Beachtung der Schiffs-Offieiere, im österreichischen Marine- Almanach zu empfehlen. Da besonders die südeuropäischen Meteorologen auch neuerlich immer fortfahren, den rothen Scirocco-Staub, den Blutregen und rothen Schnee, der gleichzeitigen Windrichtung und Wärme halber, aus Afrika ab- zuleiten, so habe ich mich bemüht im Jahre 1868 in einem Vortrage „über die rothen Erden als Speise der Guinea-Neger“ diesen ganzen Welt- theil Afrika rücksichtlich der Möglichkeit einer Abstammung der so un- geheuren Massen rothen Staubes, welcher periodisch Europa bedeckt, in Übersicht zu nehmen. Als Resultat mufste ausgesprochen werden, dals es völlig unmöglich sei, so constant gleichfarbige und gleichgemischte Staubarten von irgend einem Punkte Afrikas ableiten zu können. Auch Herrn Dove’s neuere Betrachtungen der nach den Jahreszeiten ver- schiedenen Erwärmung der afrikanischen Flächen durch die Sonne in seinen wichtigen Untersuchungen über den Fön schwächte die herr- schende Vorstellung von den stets afrikanischen Sciroeco-Winden wesent- lich ab. 6} das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 13 Seitdem ist es der Beobachtung gelungen, noch mehrere dieser Erscheinungen mit gröfserer Genauigkeit zur Analyse und in Übersicht zu bringen. Besonders ist es sehr förderlich gewesen, dafs Schweizer Gelehrte nun auch mit diesem Gegenstande sich intensiver zu beschäftigen angeregt worden sind. Dr. Killias in Chur und Profefsor Cramer in Zürich haben mit sehr anerkennenswerthem Eifer und grofser Sorgfalt derartige Erscheinungen des rothen Schnees mit früher dort nicht ge- kannter Intensität verfolgt, und es ist von Professor Cramer sowie von Dr. Killias ein ausführlicher Bericht über die Resultate ihrer Mühe ge- geben worden. Diese Nachforschungen dürften um so mehr wissenschaft- lichen Werth erlangen, da von Beiden die betreffenden Substanzen zu meiner wiederholten vergleichenden Analyse übersandt worden sind, welche weiter unten im Detail vorgelegt wird. Zu ganz besonderer Erläuterung des Phänomens der trocknen rothen Nebel und ihrer Verbindung an anderen Orten gleichzeitig mit Regenwol- ken ist durch den Director der Sternwarte zu Athen Professor Julius Schmidt 1869 eine bei den Dardanellen, in Dalmatien und Krain gleich- zeitig vorgekommene derartige Erscheinung, in ihrem Materiale selbst, meiner Analyse zugänglich geworden, die ich in den Monatsberichten jenes Jahres alsbald zu weiterer Kenntnils gebracht habe. Diese Erscheinung zeichnete sich noch besonders dadurch aus, dafs der sie tragende Sturm aus Norden und Nordosten kam und gleichzeitig in Sicilien, nach Professor Silvestri’s höchst verdienstlichen Untersuchungen, sowie in Süd- Italien mit ungewöhnlichen Verhältnissen in gleicher Richtung abschlofs. Auch diese sicilianischen und italiänischen Materialien sind meiner Analyse zu- gänglich gemacht, wie jene von Dalmatien und Krain. Im Jahre 1869 hat sich noch an diese trocknen Staubfälle und Blut- regen ein höchst auffälliger sogenannter Höherauch angeschlossen, dessen Beobachtungen eine sehr grofse Theilnahme vieler italiänischer Meteoro- logen hervorgerufen hat. Sowohl vorausgegangene als nachfolgende rothe Staubfälle sind daher mit grofsem Eifer chemisch analysirt worden. Padre Denza in Moncalieri bei Turin und Professor Ragona, Astronom in Modena, haben sich besonders ausführlich mit Beobachtung und Darstel- lung dieses sogenannten Höherauchs beschäftigt und hauptsächlich hat mir Professor Ragona seine umständliche Darstellung der damaligen Er- 14 Enrengenrc: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über scheinung übersendet. Gleichzeitig mit diesen Erläuterungen hat sich der französische Meteorolog Herr Tarry in Paris, welcher sich einige Zeit an der afrikanischen Küste aufgehalten hat, mit dem Staubsturme vom Jahre 1870 beschäftigt und eine besondere Theorie der eyclischen, von Schweden nach Afrika reichenden und rückkehrenden Sturmrichtung auf- gestellt, wobei jedoch die so wichtige Farbe und Mischung des von den Orkanen getragenen Sandes ohne Berücksichtigung geblieben. Diese kurze Übersicht der Vorstellungen von organischer Belebung des Weltenraumes und kosmischen Staubnebeln, aus denen sich Weltkörper bilden, von physiologischen Vorstellungen des Luftkreises verschiedenster Art und von chemischen und physikalischen Processen, im Gegensatz zum physiologischen, womit bewährte Autoritäten sich intensiv beschäftigt ha- ben, möge es rechtfertigen, wenn ich den von mir seit fast dreifsig Jah- ren verfolgten Weg der mikroskopischen Analyse noch einmal in Über- sicht nehme. Ich thue dies um so ernster, als es auch den mit dem Gegenstande so vielfach beschäftigt gewesenen Chemikern unserer Zeit von Vauquelin bis Berzelius nicht gelungen ist einen Abschlufs herbeizu- führen. So wie der Verfasser des Kosmos auf das ungemessene Schwan- ken der Meinungen hindeutet, so hat auch der allseitig besonnen urthei- lende Kaemtz noch vor seinem Tode (1867), wie Professor Ragona 1869 berichtet, sich 1867 in Modena dahin ausgesprochen, dafs die Er- scheinung der rothen Staubnebel ein der weiteren Aufklärung sehr be- dürftiger Gegenstand sei, den alle meteorologischen Observatoren ins Auge zu fassen hätten. So mögen denn hier zuerst die weiteren historischen Angaben zur Erleichterung der Übersicht für weitere Forschung zusammengefalst und der Stand der Angelegenheit bezeichnet sein. II. Nachträge zu dem historischen 1847 gegebenen Verzeich- nils der blutfarbigen und verwandten Erscheinungen. Die in dem Bande der Abhandlungen von 1847 zusammengestell- ten historischen Angaben blutartiger, besonders durch Staubnebel bedingter Erscheinungen machten schon damals nicht auf eine Vollständigkeit der Aufzählung der historischen Thatsachen Anspruch, sie lieferten vielmehr das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 15 nur ein weit reichhaltigeres chronologisches Verzeichnifs, als bis dahin gegeben war. Es ist auch jetzt noch nicht an eine Vollständigkeit des Historischen zu denken, und die überlieferten derartigen Nachrichten sind überdies meist so mangelhaft und oberflächlich aufgefalst, dafs eine scharfe Beweiskraft aus ihnen selten zu entnehmen ist. Der mir vorschwebende Gesichtspunkt läfst sich zwar durch den Ausdruck der rothfarbigen Staubmeteore mit und ohne Regen und Schnee scharf be- grenzen, allein diese Bezeichnung ist nicht selten für gelbe, bräunliche und röthlich graue Staubarten mit gebraucht worden, je nachdem der Gegensatz der farbigen Unterlage, besonders des weilsen Schnees oder dessen Mangel, diesen oder jenen Reflex begünstigt. So mögen denn manche rothe Staubfälle grau, gelb oder braun erschienen sein, die recht wohl in diese Kategorie gehören und umgekehrt mögen manche als roth bezeichnete durch zu hoch gegriffene Farben- angabe irrthümlich in diese Reihe hineingezogen sein. Das alleinige Mittel, welches voranssichtlich zur richtigen Beurtheilung führen kann, scheint bis jetzt nicht die chemische sondern die mikroskopische Analyse. In dem hier folgenden Verzeichnils sind die blutartigen und erdigen Nieder- schläge und auch die gallertigen berücksichtigt, aber die Stein- und Eisen- Meteore, als dem vorliegenden Zwecke ferner stehend, nicht aufgeführt. 1154 v. Ohr. in der Provinz Honan in China 10 Tage lang Erdregen. Macgowan. (Monatsbericht 1862 p. 210.) 730 v. Chr. Jesaias erwähnt eines Blutwassers im Moabiter Lande, cap. XVI v. 1—9: Dies ist die Last über Moab. Des Nachts kommt Zer- störung über Ar in Moab, sie ist dahin. — Die Wasser zu Nim- rım versiegen, dals das Heu verdorret und das Gras verwelket und wächset kein grünes Kraut. — Geschrei geht um in den Grenzen Moabs. — Denn die Wasser zu Dimon sind voll Blut. — Mahnung an 910? (Monatsbericht 1850 p. 223.) 355 v. Chr. Vor Christi Geburt A. 355 ist in einem grolsen Steinfelsen ein blutiger Schweils gefunden. Hänfler p. 12 nach Strigentius. (Monatsb. 1850 p. 223.) 83 v. Chr. Gelber Erdregen in China, Tag und Nacht den Himmel ver- dunkelnd. Macgowan. (Monatsb. 1862 p. 210.) 16 Eurengerc: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 330? n. Chr. Unter Constantinus Magnus war Blutregen in England. Hänfler p. 7. (Monatsb. 1850 p. 223.) 451? Unter Valentinian II war Blutregen. Hänfler p. 7. (Monatsb. 1850 p. 223.) 451. Nach Bonfinii Chronica Hungarica fielen Blutstropfen vom Himmel zur Zeit von Attila (unter Valentinian III). Bei der Nacht hörte man etliche Stimmen. Der Himmel ist gesehen worden, als wenn er lichterloh brenne. Herlieius de phwuis prodigiosis über den Blutregen in Stralsund 1597. Ein Feuermeteor mit Blutregen, vielleicht auch Steinfall. (Monatsb. 1850 p. 224.) 502 fiel in China gelber Sand wie Schnee. Macgowan. (Monatsber. 1862 p. 211.) 517? Unter Kaiser Anastasius fiel ein Blutregen, mithin vor 518, wo derselbe starb. Hänfler p. 5l. (Monatsb. 1850 p. 224.) 567. Im Jahre 567 war Blut an der Erden und aus den Wänden ge- quollen. Angelus Marchia brand. p. 21. (Monatsb. 1850 p. 224.) ; (März?) in China. Macgo- 650. Regen von gelbem Sand im Frühling wan. (Monatsb. 1862 p. 211.) 743. Ein Meteor und Staub in verschiedenen Orten. (Theophanus.) (Arago, Astronomie populaire Tome IV p. 209.) 746? Unter Constantin VI war Blutregen nach Hänfler p. 7. Es ist diese Nachricht wohl ein und dasselbe mit dem Befallen der mensch- lichen Kleidungen mit Kreutzen in diesem Jahre. (Monatsb. 1850 p. 224.) 786. Anno 786 sind etzliche Wasser in der Schlesie umb Liegnitz blut- farb geworden, das Blut ist auch aus der Erden und von oben gefallen und vom Himmel fielen auch schwarze brennend heilse Fewr herab geflossen, den Leuten sind Kreutzlein in die Kleider Tröpflein auf die Menschen, und wo sie auf die blofse Haut fielen, starb er von Stund an, fielen sie aber aufs Kleid, so starb er wohl nicht bald, kam aber kaum mit dem Leben davon. Herlieius de pluwüs prodigrvosıs. Es sind hier gewils Blutregen, rothes Sumpf- wasser und wohl Feuerregen (?) beigemischt, die anderwärts sich ereigneten. Vergl. das Jahr 787 der ersten Abhandlung. (Monatsb. 1850 p. 224.) das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 17 8500. Anno 800 sind die Quellen zu Syracus 15 Tage lang mit Blut ge- flossen. Hänfler p. 10. (Monatsber. 1850 p. 224.) 800. Anno 800 ist in England Blut geflossen. Hänfler p. 10.— Gehört vielleicht zu dem Blutregen von 786. (Monatsb. 1850 p. 224.) 823. Fiel auf einen grofsen Theil des nördlichen Deutschlands ein grofser Feuerregen vom Himmel, welcher ganze Dörfer verbrannte. (Ruh- land, Schweigger’s Journal Bd. 6 1812 p. 41.)— Ich würde dies für ein starkes Gewitter halten! 900 (im 10. Jahrh.) gelber Sandregen in China. Macgowan. (Monatsb. 1862 p. 211.) 930. Zu Belgrad fiel eine Menge röthlichen fremden Sandes, nachdem der Himmel vorher ganz mit Roth bedeckt. (Ruhland I. ce. 1812 Bd. 6 p. 46.) 1000 (im 11. Jahrh.) 1862 p. 211.) 1005. Anno 1005 sollen Blutstropfen auf der Leute Kleider gefallen sein. Hänfler p. 27. (Monatsb. 1850 p. 224.) 1098. Anno 1098 soll es in Normannia (Normandie) 3 Tage lang Blut- wasser gegeben haben. Hänfler p. 9. (Monatsb. 1850 p. 224.) selber Sandregen in Chna. Macgowan. (Monatsb. oO 1226. Im Jahre 1226 ist der in Syrien gefallene Schnee zu Blut ge- worden, welches auch Zeiler im Sendschreiben bekräftigt. Hänfler p- 10. (Monatsb. 1850 p. 224.) 1226. Im gleichen Jahre hat zu Husum im Holsteinischen das Eis Bluts- tropfen gehabt. Hänfler p. 10. (Monatsb. 1850 p. 224.) 1270. 1270 soll an der Oder und Neifse Blutwasser getlossen sein. Ou- raeus in Annal. sıles. p. 83, Hänfler p. 9. — Ist dies wohl von dem 1269 beim Dorfe Machelow gefallenen Blutregen verschieden? (Monatsb. 1850 p. 225.) 1346. Anno 1346 regnete es Fewr als Schneeflocken über dem Meer und starben viele Menschen darob und ein Galeen war auf dem Meere und das Volk verbrandt auch. Zeiler Epistola 50. (Ob Stern- schnuppen-Meteor?) 1508. Juli. In Zara hat es Wasser wie Blut geregnet. Venetianische Chronik. Buechich. (Monatsb. 1869 p. 315.) Phys. Kl. 1871. 3 18 EuRrEnBErg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 1542. 1546. 1547. 1553. 1567. 1567. 1570. Im Jahre 1542 hat es zu Constantinopel am Tage St. Andreae (30. November) eine ganze Stunde Wasser und Blut geregnet. Hänfler p. 8. (Monatsb. 1850 p. 225.) Im Jahre 1546 stund die Sonne 3 Tage lang wie eine Feuerkugel ganz roth am Himmel. Daneben wurden viele Sterne gesehen, welche sich zu und von der Sonne begaben und wandten. Angelus Marchia brand. p. 339. (Monatsb. 1850 p. 225.) Im Jahre 1547 am 23. April, am Tage vor der Gefangennehmung des Kurfürsten von Sachsen hat man einen grolsen Stern am Himmel fast eine Stunde lang gesehen, welcher darnach herunter gefallen. Winzenbergius. Auch ist die Sonne den 22. 23. 24. und 25. April blutroth am Himmel gestanden, ist auch dergestalt auf- und unter- gegangen. Bluntingius. Angelus Marchia brand. 1598 p. 339. — Es scheint sonach, dafs der Höherauch von 1547 eine durch ein Licht-Meteor complicirte Erscheinung war. (Monatsb. 1850 p. 225.) Im Juni 1553 fand man Blut auf Bäumen und Dächern. Angelus Marchia brand. p. 349. Hänfler p. 13. — Blutregen zu Leipzig? (Monatsb. 1850 p. 225.) Im Jahre 1567 hat es am Pfingsttage an vielen Orten in Brabant und sonderlich nicht weit von Löwen schwarz Blut geregnet. Her- licius aus Cornelius Gemma. (?) Im Jahre 1567 war im September Blutregen bei Leipzig. Aus Lehmann’s Hist. Schauplatz der Nat. Merkw. im Meifsn. Ober- Erzgeb. p. 422 bei Marcus über die efsbare Erde von Klieken p. 16. (Monatsb. 1850 p. 225.) Blutregen zu Löwen. (Ruhland Il. ce. 1812 Bd. 6 p. 44. (Ob —= 15679 Im Jahre 1570 war am 2. August Blutregen bei Donawerth in Baiern. Um 5 Uhr Abends regnete es + Stunde lang Blut, wel- ches auf den Blättern der Bäume und auf den Kleidern mehrerer Leute als Blutstropfen erkennbar war, die man im verschiedene Orte als Beweis der aufserordentlichen Erscheinung versandte. De Thou Ahstorre unwers. IV. p. 285. (Monatsb. 1850 p. 225.) Im Jahre 1570 soll ein Teich zu Leipzig zu Blute worden sein. Hänfler p. 9. (Monatsb. 1850 p. 226.) das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 19 1571 fiel zu Frankenberg in Hessen nach heftigem Donnerschlag ein bren- nender Regen (zerplatzte Feuerkugel), der ohne Schaden zu thun brennend durch die Strafsen lief (phosphorescirend?). Ruhland l. e. 1812. Bd. 6 p. 41. 1572 fiel gelber Sand mehrere Tage lang in der Umgegend von Ningpo in China. Maegowan. (Monatsb. 1862 p. 211.) 1582. 5. Juli fiel zu Rockhausen, nicht weit von Erfurt, eine grofse Menge einer faserigen Substanz, Menschenhaaren ähnlich, in Folge eines heftigen Sturmes, den Orkanen vergleichbar, welche die Erd- beben begleiten. Michel Bapst. (Arago Tome IV. p. 210.) (Wiesen - Conferven ?) 1583. Im Jahre 1583 war im Stadtgraben zu Kitzing (Baiern) Blut. Zeiler Epistola p. 40. (Monatsb. 1850 p. 226.) 1583. Crusius schreibt, dafs auch zu seiner Zeit im Jahre 1583 in dem Graben des Städtleins Reihelstein unten aus einem Weidenbaume ein Blut, so gestunken, lang geflossen habe. Ibid. Vergl. Boekel- heim 1576. (Monatsb. 1850 p. 226.) 1588. Den 14. Juni 1588 hat es in etlichen Örtern in der Mark Bran- denburg Blut geregnet. Angelus in Drev. p. 175, also dafs man’s eigentlich auf den Blättern der Bäume und Kräuter hat sehen kön- nen. Idem Marchia brand. p. 400. (Monatsb. 1850 p. 226.) 1591. Zu Orleans, an der Kirche Madelaine, blutartiger Regen. Le- maire. (Arago. c. p. 210.) 1596. Im Brachmonat (Juni) 1596 hats etliche Mal in der newen Mark und sonderlich beym Dorffe Drossyn Blut geregnet, wie man da- mals glaubwirdig berichtet. Angelus Annales Marchiae brandenb. p- 437. (Monatsb. 1850 p. 226.) 1597. Im Juli dieses 1597. Jahres hat es zu Stralsund, Gryphiswalde, Trybusefs und vielen anderen unterschiedenen Örtern, Dörffern, Flecken und Steten im Pommerlande Blut vom Himmel geregnet. Blut ist aus der Erden geschwizt, Blut auf den Kräutern, Blumen, Wassern, Seen, Brunnen, Kleidern u. s. w. gefunden worden. Es lasse sich deutsch nicht weiter ausführen, er wolle es in einem latei- nischen seripto später thun. Dr. David Herlieius (Dr. Herlich) de pluwüs prodigiosis specwlatio physica et historica. Handelt vom 2% [9] 20 Eurengere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 1615. 1617. 1618. 1618. 1620. Blutregen zu Stralsund, Gryphiswald anno 1597. Diese Schift ist wegen daraus ersichtlicher grofser Verbreitung des Stralsunder Blut- regens und der schnellen autoptischen, wenn auch pedantischen Mittheilung bemerkenswerth. Sie befindet sich auf der Königl. Bibliothek in einem Fascikel kleiner, Varıa dieses Jahres über- schriebener historischer Schriften. (Monatsb. 1850 p. 226.) Es waren bei Wien im Jahre 1613 Dunkelheit bringende, so feu- rige Wolken, dafs man einen Blutregen fürchtete, der bei Wien nicht fiel und von dessen Niederfall keine weiteren Nachrichten erfolet sind. Thuanus Hkstoria sul temporis Continuatio L XI. p- 862. (Monatsb. 1850 p. 227.) Blutregen zu Sens. (Monatsb. 1849 p. 233.) In einem Dorfe bei Oleron, Insel an der Mündung der Charente in Frankreich (in pago Gewo prope Oleronem) erschien auf dem Kirchhof 1618 eine Urne mit Blut bedeckt. Thuanus Hist. s. temp. Cont. p. 862. — Kann ein Blutregen, aber auch anderen Ursprunges gewesen sein. (Monatsb. 1850 p. 227.) In Frankreich (Seoviae) fand man 1618 die Ähren und Garben des Getreides mit Blut besprengt. Viele Hüte und Bänder der Weiber waren blutig gefärbt. Thuanus ıbid. Diese beiden in Zeit und Örtlichkeit sich nahe liegenden Vorfälle beziehen sich viel- leicht auf ein und dasselbe weiter verbreitete Phänomen. Ja die Befleckung der Weiberhüte und die Zeitverhältnisse könnten auch annehmbar machen, dafs dieses Phänomen in das Jahr 1617 ge- hört und nur eine unrichtige Erzählung des Blutregens von Sens ist. (Monatsb. 1850 p. 227.) Auch ein Pflaumenbaum zeigte 1618 in Frankreich (Ganeti) Blut an Blättern und Zweigen. Ibid. Vielleicht zu dem vorigen ge- höriger Blutregen. (Monatsb. 1850 p. 227.) Vielleicht nur In- sekten-Auswurf? Umb diese Zeit (1620) haben sich in Polen eines künftigen Un- heyls nicht geringe Zeichen vermerken lassen. Denn es hat da- selbst Blut geregnet, das auch von den Dächern geflossen. Thea- trum europaeum 1 p. 432. (Monatsb. 1850 p. 227.) das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 21 1622. Im Jahre 1622 fand man Blut an Buchen. Hänfler p. 13. Kann Insekten- Auswurf gewesen sein, aber auch Blutregen. (Monatsb. 1850 p. 227.) 1623. Im Sommer 1623 hat sich in Böhmen in der Herrschaft Podibrat ein Brunn etlich Tag in Blut verwandelt. Theatrum europaeum I p- 786. (Monatsb. 1850 p. 227.) 1623. Im Hessisch Darmstädtischen Gebiet haben 1623 an unterschied- lichen Orten und Flecken an Häusern, Steinen, Zeunen Blutzeichen sich erregt. Ebenda. (Monatsb. 1850 p. 227.) 1623. Umb. Mayenfeld in Bündten, wie auch umb Malantz, sind den Mäderen ihre Sensen, Rechen und Gefäfs ganz roht, als wenn sie in Blut getunkt gewesen, auch einem Weibe als sie in einen Heu- haufen gegriffen, zu sehen ob es recht gedörret, die Hand ganz blutig worden. Ebenda. — Dies ist ein unverkennbarer Blutregen gewesen, nicht Insekten-Auswurf. (Monatsb. 1850 p. 227.) 1623. Im Würtembergischen Lande hat es den 16. Juli 1623 zu Her- brechtingen und Hetmeringen, desgleicheu zu Giengen, Gündel- fingen und selbigem Refier soviel Blut geregnet, dafs es den Leuten in ihren Arbeiten auf die Händ und Kleider gefallen, auf den Stei- nen und an den Früchten gesehen worden. Ebenda. — Deutlicher Blutregen. Ob die drei letzten Nachrichten sich auf mehrere Me- teore oder auf Verbreitung eines und desselben Meteors beziehen, läfst sich vielleicht aus noch anderen Nachrichten allmälis_ fest- stellen. (Monatsb. 1850 p. 228.) 1623. Selbige Zeit hat sich auch der Haarsee zu Andelfingen, denen von Zürich zugehörig, roth gefärbt. Ebenda. (Monatsb. 1850 p. 228.) 1623. Das Meteor von Strafsburg 1623 wird im Theatr. europaeum nicht dem 12. Aug., sondern dem 7. Nov. zugetheilt, auch wird einer feurigen Kugel dabei erwähnt, viel gröfser als jemalen ein Stern erscheint und fast dem vollen Monde gleich. Man habe es in Stralsburg, Tübingen, Mummelen, Uttweiler, Ilkirch, Almersweiler, Möhringen, Ulm, Speyer, auch in Bayern gesehen. Der Dr. Medic. Isaae Habrecht zu Strafsburg und M. Wilh. Schiekhart, Pro- fessor in Tübingen, haben Tractäte darüber in Druck gegeben. 22 163 163 163 631. 1632. 1654. Enrengerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Theatrum europ. 1 p. 786. — Die genannten Schriften sind mir nicht zugänglich. (Monatsb. 1850 p. 228.) (Im Juni 1631) hat sich zu Freyburg in Thüringen und zu Mörse- burg das Wasser in Blut verwandelt. Theatrum europaeum 11 415. (Monatsb. 1850 p. 228 Desgleichen ist zu Halle an der Saal vor dem Steinthor auf der linken Seite im Stadtgraben ein Quell von lauterem Wasser ent- sprungen und in Mitten des Stadtgrabens hat das Wasser sich all- gemach angefangen roth zu fürben. Und als des anderen Tages die Quelle wieder versieget, ist der Stadtgraben wie auch das Wasser in den Sturmfässern auf dem Markte in Blut verwandelt worden. Theatr. europ. ebenda. (Monatsb. 1850 p. 228.) Den 21. Juni 1631 hat zu Wittenberg die Sonne den ganzen Nach- mittag bleichroth geschienen, welches auch an dem Tage, da Magde- burg zerstört, gesehen worden. Ebenda. Diese letztere Nachricht stellt es in Zweifel, ob die beiden früheren nicht zum Theil einem (nächtlichen?) Blutregen angehört haben; obgleich die Nachricht von Halle ganz das Gepräge einer Beobachtung der Euglena san- guimnea trägt, deren periodisches Erscheinen und Verschwinden durch Senken und Zerstreuen oder Heben und Sammeln an der Ober- fläche gewöhnlich ist. (Monatsb. 1850 p. 228.) Im November 1631 nahm ein See in Meuschwitz, 4 Meilen von Leipzig, eine Blutfarbe an. Hänfler p. 10 aus Abelini CUhron. Contin. Kann Oserllatorra, auch Euglena gewesen sein. (Monatsb. 1850 p. 229.) Auf die Verwandlung des Wassers im Stadtgraben zu Lützen in Meilsen 1632 ist ein schreckliches Blutbad erfolgt, wo Gustav Adolph (6. Nov. 1632) blieb. Hänfler p. 27. Euglena? Wie oft mögen sonst dergleichen Dinge auf Armeen und Schlachten directen Einfluls gehabt haben? (Monatsb. 1850 p. 229.) %in merkliches Wunder hat sich umb diese Zeit, (1634) zugetra- gen in einem Kloster, Hammersleben genannt, zwo Meilen von Halberstadt, dann ein Brunnen daselbst mit einer Röhre lauffend, eine ganze Nacht Blut gelauffen, davon zwo zinnerne Flaschen voll naher Halberstadt geschickt und von vornehmen Leuten gesehen das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 23 1636. 1640. 1640. 1641. worden. Theatr. europ. III p. 274. War es rostroth von Gallonella ferruginea der Röhren im Sommer? War ein Blutregen da ge- fallen, wo die Röhren das Wasser aufnahmen ? (Monatsb. 1850 p- 229.) Damalen (1636) hat sich den 2. Juni in einem Dorf! der Stadt Erfurth gehörig, Nura genannt, eine halbe Meyl von Weimar bei der alten Kapelle, eine schöne und helle Quelle in recht Blut ver- färbt, welches des nächstfolgenden Tages gegen Mittag als gelie- fort Blut worden, im Mittag sich verloren, den Abend aber wie- derumb Blut sehen lassen und also täglich verändert, welches zum Iten Male also geschehen. Da es nun dem Raht zu Erfurth ange- zeigt worden, hat selbiger ihren Voigt-Schützen neben 2 Einspänni- gen hinaus in gemeldtes Nura geschickt, welche etliche Gläslein zu uuterschiedenen Stunden abschöpfen und in die Stadt bringen sollen. Als es nun geschehen nnd man damit auf Papier geschrieben, hat solches dem rothesten Blut gleich geschienen, darumb denn auch Ihre Fürstl. Gnaden von Weimar dahin gefahren, solches in Augen- schein zu nehmen. Theatr. europ. 11 660. Vergl. 1631. (Monatsb. 1850 p. 229.) Im Mai 1640 hat es im Kaiserlichen Lager bei Salfeld Blut ge- regnet und in Niedersachsen ist Blut gequollen. Theatr. europ. II. Vielleicht ist dieser Blutregen nicht ohne Verbindung mit der blu- tenden Standarten-Quaste 1639. Spätere Aufzeichnung aus der Erinnerung kann die Jahresdifferenz ja auch bewirkt haben. (Mo- natsbericht 1850 p. 230.) Im Juli 1640 war der Stadtgraben zu Aschersleben im Braun- schweigischen blutfarbig. Theatr. europ. IV p. 92. Ja nach Menge- ring wurde das Wasser in Sturmfässern und Zubbern zugleich Blut. Hänfler p. 10. (Monatsb. 1850 p. 230.) Im Junio 1641 hat sieh zwischen der Stadt Erfurt und der Cy- riacsburg in einem stehenden Quellwasser Blut schen lassen, des- gleichen zur Zeit des Königs zu Schweden Ankunft und als Ge- neral Banner die Stadt oceupirt gehabt, am selbigen Orte auch gesehen worden. Der damalige Commandant liefs es bis auf den Grund ausschöpfen und bewachen, es wurde aber nichts desto weni- 34 EnrenBeErg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 1641. 1642. 1642. 1643. ger anderen Tages in vieler Leute Gegenwart und noch öfters hannehero gesehen. Theatr. europ. 661. (Monatsb. 1850 p. 230.) Im Jahre 1641 im Hornung (Februar) ist zu Aurich in Ostfries- land in dem Schlofsgraben das Eyls und Wasser Blut gewesen. Zeiler Epistola 50. Der Jahreszeit halber ist hier schwer an Oseil- latorien oder Euglenen zu denken. Vielleicht finden sich noch weitere Spuren eines damaligen Blutregens oder Meteor-Falles. (Monatsb. 1850 p. 230.) Auff den 26. Februarii eben dieses 1642. Jahres hat es zu Altz- heim in der unteren Pfalz Nachts Blut geregnet, dafs man ande- ren Tages die Tropfen davon auf der Gassen noch gesehen. Theatr. europ. IV p. 899. Blutregen mit erdigem Absatz. Zu Altzheim sind gleichzeitig vom Gottesacker Gespenster bis an die Stadtthore gekommen und haben o wehe! o wehe! geschrieen. Ibid. p, 902. (Monatsb. 1850 p. 230.) Zu Altzheim hat es am Ende Februarii ein ungewöhnliches Chasma (Feuerkluft am Himmel) gegeben und selbige Nacht um 8 Uhren Blut geregnet, dafs man davon des folgenden Morgens die Bluts- tropfen auf der Gassen noch gesehen. p. 661. Blutregen ist deut- lich und die Stimmen in der Luft samt dem Chasma, wenn sie gleichzeitig waren, könnten einen Meteorsteinfall bezeichnen. (Mo- natsbericht 1850 p. 231.) Diese beiden Nachrichten gehören wohl nur einer und derselben Erscheinung an. Auff den 19. Novemb. 1642 hat es im Würtenberger Land in der Stadt Stuttgard, dero Vorstädte um den Mittag Blut geregnet, dafs man es in wässriger Gestalt fliefsen sehen. Ebenda IV p. 899. (Monatsb. 1850 p. 231.) Zu Laibach fiel 1642 ein Feuerregen. Ebenda IV p. 899. (Monatsb. 1850 p. 231.) Sternschnuppenregen? Das Wasser bei dem Petersthore zu Leipzig und in Teichen dort herum hat sich 1643 in Blut verwandelt. Trheatr. europ. IV p. 899. Euglena. (Monatsb. 1850 p. 231.) Im Jahre 1643 hat es im Januario bei der Stadt Staden, 5 Meilen von Hamburg, Blut geregnet. Theatr. europ. IV p. 899. (Monatsb. 1850 p. 231.) das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 25 1643. 1645. 1648. 1652. 1652. 1652. Dergleichen ist den 20. Febr. bei Stuttgard zu Vaiblingen an der Enfs 2 Tage nach einander noch einmal geschehen, zu dessen Be- weils die Unterthanen des Orts Ihro Fürstl. Gn. den 23. ejusd. ein paar Stämmlein Holzes zugebracht, die noch voll mit Bluts- tropfen besprenget gewesen. Ebenda. Bei Chladni ist diese Nach- richt aus einer handschriftlichen Chronik. (Monatsb. 1850 p. 231.) Des Jahres 1645 ist das Wasser zu Leipzig im Stadtgraben, wel- chen die Schwedischen am Neuen Markte gemacht, in Blut ver- wandelt worden. Zeiler Eprstola 516. (Monatsb. 1850 p. 251.) Im Jahre 1645 hat es zu Dublin in Irland einen starken Blut- regen gethan. Ebenda. (Monatsb. 1850 p. 231.) Umb diese Zeit des anfahenden 1648. Jahres haben sich in un- serem Vaterlande nachfolgende Wunderwerke auf einander begeben: als erstliche zu Rothenburg am Neckar, da es ein gut Stund lang Blut geregnet, desgleichen zu Heilbronn auch etwas verspüret wor- den, u.s. w. Theatr. europ. VI p. 633. Daraus in Sauers Städte- buch und die späteren Schriften. (Monatsb. 1850 p. 231.) Hamburger Briefe de dato 4. 14. März 1648 brachten mit sich, an 8. M. Marien- und Niko- laus-Kirche grofser Schaden geschehen. — So hätte man nach Ham- nachdem zu Lübeck ein grofser Sturm, burg Bericht eingebracht, ob habe es zu Malchin in Mechlenburg Blut geregnet und sei mit einem Blitz eine rufende Stimme gehört worden, welche: Wehe! Wehe! Wehe! seschrieen. Item dals aus dem Malchinschen See viel lebendige Fische auf das Land gewichen, welche man hernach, grolsen Gestank zu verhüten, mit vielen Wä- gen hinwegführen müssen. Theatr. europ. VI p. 632. Diese Nach- richt ergänzt das Meteor von Malchin. (Monatsb. 1850 p. 232. Ein Teich zu Pirna hat sich 1652 ın Blut verwandelt. Theatr. europ. VII p. 315. Euglena? (Monatsb. 1850 p. 232.) Ebenso hat sich 1652 ein Teich zu Wurzen blutig gefärbt. Ebenda. Euglena? Das von Halle erwähnte bezieht sich wohl auf Früheres, 1631. (Monatsb. 1850 p. 232. Unfern von Berlin fiel ein grofser Hagel, welcher, wenn man ihn aufgehoben und betrachtet, zu geronnenem Blut geworden. Theatr. Phys. Kl. 1871. 4 26 EHRENBERG: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 1655. 1697. 1661. 1664. 1665. ? 1668. europ. VI p. 315. Dies wäre ein dritter Fall rothen Hagels, 1194, 1652, 1802. Der übelriechende Hagel von 1846 gehört vielleicht auch dazu. (Monatsb. 1850 p. 232. Aus Poole, einer Stadt in West-England gelegen, kam durch Schreiben 1653 Bericht an, dafs allda den letzten Juni N. ©. Mor- gens umb 6 Uhr sich über selbiger Stadt eine schwarze Wolke er- zeiget, woraus einige Tropfen so rothen Blutes herunter, auch etlichen Leuten auf die Hände gefallen, welche bekräftigen dürffen, dafs sie warn gewesen und vermeinet die Nase hätte ihnen ge- schweist nnd solche Tropfen seien daher gekommen. Insonderheit hat man in den Gärten diese Blutstropfen merklich verspüret. Wie denn dero Blätter etliche an den Major gedachter Stadt, den Ge- neral Cromwell nach London überschickt worden. Theatr. europ. VII p. 466. (Monatsb. 1850 p. 232.) Anno 1657 im Martio fiel in Churland an unterschiedlichen Orten nach der See zu Mehl vom Himmel, welches sehr schön, weils und gut war, so dafs viele Leute Kuchen und Brod daraus gebacken. Theatr. europ. Blafsgelblicher Meteorstaub? Weifser Meteorstaub? Der alte Kreideregen? (Monatsb. 1850 p. 232.) Um und bei Güstrow (Meklenburg) fiel zu Eingang des Februarii um Mittagszeit ein Schnee, worauf von vielen Menschen hohen und niedrigen Stands blutige Kreutze gesehen wurden. Theatr. europ. IX p. 308. (Monatsb. 1850 p. 232. Im Martio und zwar den 5. und 15. desselbigen 1664. Jahres regnete es bei und um Klagenfurth in Kärnthen recht blutiges (Getraide, welches wie sonst anderes gesätes wohl speisete und Hühner wie auch allerlei anderes Vieh innerhalb wenig Tagen satt machte. Theatr. europ. IX p. 1461. Der Blutregen hatte offenbar eine eigenthümliche Natur. (Monatsb. 1850 p. 238. 23. März fiel bei Laucha nicht weit von Naumburg in Sachsen eine grolse Menge einer faserigen Substanz, welche blauer Seide glich. (Johannes Praetorius.) (Arago l.c. p. 211.) — Con- ferven ? Zu Marienburg in Preufsen erzeigte sich im Mai 1668 das Wasser in dem Graben bei der Rofsmühle wie Blut, welches 24 ganze das 1671. 1675. 1675. 1677. von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 27 Stunden so anhielt und erst des anderen Tages wieder verging. Ob nun gleich drauff das Wasser mit Stangen umbgerührt ward, zeigte sichs doch nicht so roth, sondern ist kohlschwarz von dem innliegenden Gesümpfe anzusehen gewesen. T'heatr. europ. X p. 972. — Das Sumpfwasser trug wahrscheinlich Zuglena. Im August Monat 1671. hat sich zu Lemberg im Graben hinter der ‚Jesuiten Pfort des Morgens um 4 Uhr und des Nachmittags um 3 Uhr das Wasser blutroth erzeigt und hatte in der Erde drei (Quellen, daraus es runne und roth befunden ward. Einige fingen solches in Gläsern auf und befanden hernach dafs zu rothen Sand ward. Ebenda p. 611. — Sumpfiges trübes Wasser (mit Euglena?) das beim Trocknen trocknem Schlamme gleicht. (Monatsb. 1850 p- 233. Anno 1675 ist zu Anfang des Novembers bis zu Ende des Win- ters allhier in der Neumark in einem See bei dem Dorffe Herms- dorff das Wasser bei dreilsig Schritt blutig anzusehen gewesen, hernach hat das Eis eben die Farbe an sich genommen, doch so dals sie an einem Orte als grofse Tropfen, an dem andern als Blut, so aus einem kleinen Gefälse gegossen und in dem dritten als ewerementa eines, der an der Dysenterie laborirt, angesehen. Hänfler p. 10 nach Beemann de prodıgüs sangwiners p. 18. — Ist wohl Oseillatoria rubescens gewesen. (Monatsb. 1850 p. 233.) Bei dem Kloster Leibus in der Mark Brandenburg hat sich in die- sem Monat (1675) ein See in Blut verwandelt und haben sich die (respenster bei den schwedischen Schildwachen dort und da stark sehen lassen, sie auch oft verjagt. Theatr. europ. X p. 847. — Die Genpenster können sich auf Geräusch eines Meteors beziehen. (Monatsb. 1850 p. 233.) Zu Berlin flofs im Junio vor dem Stralauer Thor alle Tage häufig Blut und hielt solches Fliefsen täglich seine gewissen Zeiten und Stunden und, welches verwunderlich, so bewegte sich solches sehr erschröcklich, wenn man mit einem Stein darein warff. Ebenda 1143. — Ist wohl unzweifelhaft Euglena sangwinea gewesen, mit starker sumpfiger Gasentwicklung und schäumiger Oberfläche, wie sie oft erscheint. (Monatsb. 1850 p. 234.) A 28 EurENBERG: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 1677. 1678 1686. 1690. Zu Alt Brandenburg sind viele Kugeln aus der Sonne gefahren eine Stunde lang; die auf die Erde gefallen sahen wie Blut, wenn man sie aufhob sah man sie nicht, wenn man sie niederleste, so war es wieder Blut. Ebenda p. 1143. — Soll es heilsen, die dünnen Flecke des Blutregens liefsen sich nicht aufnehmen, ohne zerstört zu werden? Der Ausdruck in dieser Nachricht ist eigenthümlich. Vielleicht erklärt es sich aus gleichzeitigen anderen Berichten. Die Erscheinung kann leicht zu den sehr merkwürdigen gehören. Waren es schillernde Schaumblasen von Meeresschaum, wie ich im Sep- tember 1847 in Ostende beobachtete? Siehe die Abhandlung von 1847 unter 1808. (Monatsb. 1850 p. 234.) fiel im Sachsenhausen der Regen in Gestalt eines brennenden Schleims, der noch eine Viertelstunde auf der Erde fortglomm. (Ruhland l. cc. Bd. 6 1812 p. 42.) (Phosphorescirend.) Am 31. Januar fiel zu Rauden in Kurland und zur selben Zeit in Norwegen und Pommern eine schwarze faserige papierartige Masse in vielen Stücken, einige von Tisch Gröfse bei Sturm auf den Schnee. Sie ist von Grothus nach dessen chemischer Analyse angeblich durch Nickelgehalt u. s. w. für eine Meteormasse gehalten worden, neuerlich aber nach meinem Berichte in den Abhandl. der Akad. 18538 p. 43 als verrotteter Confervenfilz mit mehreren anderen ähn- lichen erläutert worden. Seine Fortbewegung in der Atmosphäre durch den gleichzeitigen Sturm mag immerhin richtig beobachtet sein und diesen Fall den schwarzen Schlammregen anschlielsen. Iın Mai 1690 ist bei Berlin in einem Dorfe Marwitz das Wasser in einem Sumpfe blutroth geworden. Hänfler p. 20. — Wohl un- zweifelhaft Zuglena. (Monatsb. 1850 p. 234.) Vor zwei Jahren ward ebendiefs (Blutregen) erzählet zu Tucheband. Hänfler p. 8 1697. (Monatsb. 1850 p. 234.) Von Stockholm ward erst neulich in den Nouvellen gedacht, dals eine stehende See bei den Kupferbergen, Nortecke genannt, roth angefärbt und als Blut sich sehen lassen, so zwei Tage lang ge- währet, wiewohl es in den folgenden nicht eontinuirte. Hänfler 1697 p. 10. — War die stehende See, wie es scheint, ein Sumpf, so gehört es zu Buglena sangumea und vindieirt deren Existenz das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 29 1697. für Schweden, wo jedoch die nördliche Breite auch Astasia haema- todes vermuthen lälst; war es ein gröfserer tiefer See, so ist es wahr- scheinlicher eine Oscillatorıa (rubescens) gewesen. (Monatsb. 1850 p. 234.) Pastor Bartsch schreibt von Stennwitz, einem Dorfe eine Meile von Landsberg an der Warthe, 1697 an den Archidiaconus Gla- doen in Cüstrin: „Hiernächst habe auch berichten wollen. dafs am Dienstag vor dem 8. Trinitatis (20. Juli) eines von meinen Pfarr- kindern bluttriefende Kornähren auf dem Scheunflur gefunden. Denn nachdem sie das Korn vorgeschlagen, auch angebreitet und zu dreschen angefangen, werden sie mit nicht geringer Bestürzung sewahr, dafs unter den angebreiteten sich etzliche Ähren finden, die von Blute so milde triefen, dafs, da sie solche durch die Hände ziehen, selbige auch blutig werden. Die Bestürzung ist gröfser wor- den, da sie gesehen, dals die Ähren, welche sie auf einen Zaun- pfahl aufgehangen, beim Trieffen geblieben.“ 8. Hänfler p. 15. Hänfler hält die Erscheinung der Ehre Gottes halber für werth, dieselbe öffentlich in deutscher Sprache zu besprechen und sie scharf kritisch zu beurtheilen, wobei er eine für ihn selbst ehrenvolle grofse und ernst mühsame Gelehrsamkeit entwickelt. Nachdem er mit dem damaligen Pedantismus umständlich erwogen, ob es natürlich oder übernatürlich gewesen, wobei er die Vorstellung, dafs es In- sektenauswurf gewesen sein könne, der Umstände und der späten Zeit halber zurückweist, ob es, wenn es also übernatürlich, von Gott, vom Teufel oder von Engeln gekommen, bleibt er p. 18 aus wohl motivirter Überzeugung dabei stehen, dafs es von Gott un- mittelbar ausgehe, und ergeht sich schliefslich p. 25 in Betrach- tungen darüber, was es bedeuten möge. Er findet p. 31 doch nicht wenig bedenklich, dafs gleich an diesem Tage drei Jahre vorher auch ein Blutzeichen an eben diesem Orte sich in dem Brode sehen lassen, räth zur Bufse und verweist auf Gottes Erbarmen. Der Verfasser zeigt sich wenigstens als einen edlen, ächt christlichen, gelehrten, aber nicht für Naturbeobachtung geeisneten Theologen. Die Erfahrung, dafs die erdigen Niederschläge der Blutregen les Passatstaubes die Feuchtigkeit eigenthümlich und lange an sich 30 Enurengeng: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 1701. 1704. 1:05: 1712. halten und daher, wo sie gehäuft sind, eine zeitlang gallertartig und fleischartig erscheinen, erklärt vielleicht das fortdauernde, Trieffen genannte Feuchtsein dieses Falles. Schade dafs der Pastor Bartsch sich so wenig um die Sache gekümmert und sie nicht selbst in Augenschein genommen hat, da er sie doch mysteriös fand. Es waren also wohl von einem geringen Blutregen in der Nacht genäfste Garben eingebracht, was man erst beim Anbreiten des neuen, eben eingefahrenen Kornes zum Dreschen erkannte. (Monatsb. 1850 p. 235.) Am 25. Aug. 1701 entdeckte Leeuwenhoek in der bleiernen Dach- rinne seimes Hauses rothes Wasser aus Infusorien gebildet. — Es ist wohl die von mir Euglena sangwmea genannte Form gewesen. Verel. die weitere ausführliche Geschichte im Infusorienwerk 1838. (Monatsb. 1850 p. 236.) Am 4. Januar wurde über dem Kirchthurme zu Quesnoy eine Feuer- kugel gesehen, welche auf dem umliegenden Platz in Feuerregen zerstäubte. (Arago, Astronomie popul. T. IV p. 212.) Im Mai(?) 1705 ist zu Colmar im Elsafs ein so giftiger Mehlthau gefallen, dals von dem Colmarer Vieh, so auf der Weide gewesen und von einem nahe gelesenen Dorffe bei 500 Stück an Pferden, Hormvieh und Schafen in 24 Stunden umgefallen, auch von den Hirten, so Vater und Sohn war, der letztere gestorben, der erstere aber nach angestandenem harten Anstols noch davon gekommen. — Erschreckliche Gewitter und Sturmwetter herrschten im August in der Bergstrafse u. s. w. Theatr. europ. XV. 1705. — Der Name Mehlthau läfst auf ein eigenthümliches, staubiges Meteor schlielsen. Man wird aus anderen gleichzeitigen Nachrichten viel- leicht späterhin seine wahre Natur feststellen können. Vallis- neri’s Beobachtung von 1689 nöthigt diese Erscheinung hier nicht zu übergehen. S. Abhandl. über den Blutregen 1847. (Monatsb. 1550 p. 256.) Nahe bei Anklam in Pommern begab sich eine sonderbare Blut- geschichte. Denn am Abend des 22. Mai 1712 ist ein Bauersmann bei einem kleinen Teich, so bei Spankau, 1 Meile von Anklam ge- en, vorbeigegangen und als er aus demselben trinken wollen, le o fe) das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 31 1714. 1715. 1718. 1721. hat er wahrgenommen, dafs das Wasser blutroth gewesen. Fast 1 Finger dick war geronnen Blut auf dem Teiche. Des Morgens hat es sich verzogen, am Abend ist es wieder erschienen, bis zum 25sten beobachtet. Man nahm Flaschen voll und damit gefärbte Tücher nach Anklam. General Allart, sein Priester und sein Se- kretär besahen es. Theatr. europ. XIX p. 554. (Monatsb. 1850 p- 236.) Anno 1714 wurde aus Ungarn geschrieben, dals ohnweit Peter- wardein bei dem Dorfe Siebothita am letzten Januarüi bei der Sonnen Untergang es zwei Finger hoch Mehl geschneyet. Marcus über die Mehlberge von Klieken p. 25 1740. Vergl. 1657. — Ob solche weilse Staub-Meteore, den schwarzen ähnlich, auch m einer directen Verbindung mit den rothen gedacht werden können, ist weiterer Entwicklung bedürftig. Manche sind als vulkanisch (Leucit- Auswurf) bezeichnet. Frisch untersucht ist noch keiner. (Monatsb. 1850 p. 236.) Untern Pareth im Sachsen - Lauenburgischen sollte das Wasser in einer stehenden See sich 1715 in Blut verwandelt haben. wes- wegen auch die Fischer selbe nicht befischen können. Wenn man von diesem Wasser in ein Glas gethan und in etwas stehen lassen, habe es nicht anders als wie geronnen Blut ausgesehen. Theatr. europ. XX p. 412. OÖscillatorien? (Monatsb. 1850 p. 237.) Wurde am 24. März eine gallertartige, silberschaumartig glänzende Masse nach dem Falle und kanonenschufsartigen Knalle einer Feuer- kugel auf der Insel Lethy in Indien gefunden. Barchewitz, neu verm. ostind. Reisebeschr. Erfurt 1751 p. 427. (Ruhland I. c.) Im Jahre 1721 fiel ein brennender Schleim zu Braunschweig, wel- cher auf der Erde fortbrennend, weder durch Wasser noch Schlagen und Umrühren mit einem Stabe ausgelöscht werden kann. Ruh- land |.c. p. 41. Fall von Erde, vom Magnet anziehbar auf dem Adriatischen Meere zwischen Monopoli und Lissa. Zanichelli, Opuscoli di Calogera T.2VE#@&ragol: ep. 212.) fill ein rother Sandregen auf dem atlantischen Meere unter 45° N. Br. 8 bis 9 Stunden entfernt von allem festen Lande, der 32 ji | aa os 1781 1781 1796. EHRENBERG: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 10 Stunden ohne allen Wind fortdauerte, nachdem ihm ein starkes Licht voraufgegangen. (Ruhland |. c. 1812 p. 46.) Ein Nebel brachte zu Detroit Regen und Koth mit, färbte Papier schwarz und theilte ihm den Geruch von verbranntem Pulver mit, verbreitete starken Schwefelgeruch und bedeckte die Flüsse mit schwarzem fettigen Schaum. (Ruhland |. ce. p. 47.) theilt Silberschlag in seiner Schrift über die grofse Feuerkugel am 23. Juli 1762 mehrere Fälle leuchtender gallertiger Massen mit, welche sternschnuppenartig herabgefallen sind, deren eine von bräun- licher Farbe war. (Galle Schles. Ges. f. vat. Kult. 1 sah im Dezember ein Edelmann in Vivarais rothe F edler in Shmpfen und auf dem Schnee, welche letztere durch Exeremente kleiner Vögel, die die Beeren der Phytolacca decandra L. genossen, ent- standen sein sollten. Journ. d. Phys. 1774 T. Il p. 128. (Kaemtz l.c. p. 181.) Ob ÖOscillatoria rubescens? fiel in Sieilien weilser Staub, welcher nicht vulkanisch war. Gio- neni, Philos. Trans. T.LXXI. (Arago l. c. p. 213.) sah Chladni in Dresden an einem warmen Herbstabend irrlichter- artige bewegliche Punkte neben seinem Wagen und überzeugte sich, dals dies Gallertklümpchen waren. Andere Irrlichter hält er für zuweilen in Blasen luftballonartig aufsteigendes Sumpfgas. (Galle l. c. 1869 p. 87.) Phosphorescirender Höherauch bei Nacht. Journ. d. Phys. 1784. (Ruhland Il. c. 1812 p. 48.) tiel am 27. 28. und 29. August ohne Unterbrechung ein aschen- artiger Staubregen in der Stadt la Paz im Bolivia. Dieses Phäno- men konnte keinem Vulkan zugeschrieben werden. Man hatte Ge- töse gehört und der Himmel war ganz klar. Der Staub verursachte heftige Kopfschmerzen und bei vielen Personen Fieber. Mercurio Peruano T. VI. 1792. (Arago l.c. p. 28) Versl: 1X05%m Elsals und 1870 in Italien. Am 8. März fand man in der Lausitz nach dem Falle einer Feuer- kugel eine klebrige Masse, welche die Festigkeit, Farbe und Geruch eines braunen trocknen . hatte. Gilbert’s Annalen Bd. LV. (Arago l.c. p. 213.) — Von dieser Masse ist in Chladni’s, an das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 33 pP getrag I ITIT. 1800. 1501. 1803. 1803. 1811. das Berliner Mineralien-Cabinet übergegangenen Sammlung eine Probe noch jetzt vorhanden und wurde 1838 von mir mikrosko- pisch analysirt. (Abh. 1838 p. 47 u. 48.) Es erscheint als eine zersetzte harzige Masse, mit vielen gröberen Pflanzenresten, die terpentinartig mit heller Flamme brennt. Am 13. Decemb. zu Kesmark (in Ungarn) rauchartiger Nebel. (Ruhland I. ce. p. 47.) Benzenberg theilt mit (Gilbert’s Ann. T. VI p. 232. 1800) dafs ein Herr Bergmann in Süchteln eine feurige Kugel auf einem Felde niederfallen sah und an der Stelle alsbald eine Kindskopf- srofse Gallertkugel fand. Im Fallen war sie allmälig langsamer und heller geworden. (Galle, l. e. p. 82.) Feuerkugel im Depart. Aix, nach deren Platzen unmittelbar Fin- sternils eintrat. (Ruhland, ]. ec. p. 48.) Aörolith zu Mauerkirch, nach dessen Zerplatzen Finsternils ein- trat. (Ruhland, ]. c. p. 48.) Ob einerlei mit vorigem? Am 13. Novemb. 1805 sah der Astronom Schwabe in Dessau Abends eime grolse Feuerkugel über das Haus seines Vaters weg- fliegen. Eine ungefärbte gallertartige Masse war auf das Dach des Herzoslichen Palais gefallen und wurde ihm überbracht. (Galle, l. ce. 1869 p. 78.) Im Juli fiel zu Heidelberg eine gallertige Masse in Folge des Zerplatzens eines leuchtenden Meteors. Gilb. Ann. T. LXVI. (Anago; ler p:7213:) Apotheker Martin Scherb sah im Juli 1811 Abends 10 Uhr eine prächtige Feuermasse in der Grölse einer kleinen Bombe sich sehr schnell aufwärts bewegen, dann platzen und in Form einer Feuersäule herabfallen. Am anderen Morgen fand er an der von ihm bezeichneten Stelle eine schaumige, mit Strafßsenstaub verun- reinigte zerrissene Masse. Ein ihm bekannter Mann hatte dasselbe Phänomen gesehen und, wie er sagte, den Schaum mit dem Stocke auseinander geschlagen. Gilb. Ann. T. LXVI p. 309. 1820. (Galle l. e. p. 78.) Ob Kunstfeuer? Phys. Kl. 1871. 5 34 EuRreEnBerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 1812. 1812. 1814. 1S15. 1819. 1819. 1819. Starke Finsternifls zu England, so dafs man den ganzen Tag ge- nöthigt war die Zimmer zu erleuchten und nicht lesen konnte. (Ruhland I. e. p. 48.) Ob London fog? Fiel im März zu Ulm nach einem Gewitter ein sogenannter Schleimregen, der sich allmälig in gemeinen Regen auflöste. (Galle 1. e. 1869 p. 77. Ruhland |. c. p. 42.) Regen von Asche oder einer ins Graue spielenden, erdigen, äufserst feinen Substanz, welche sich hauptsächlich an die Früchte anheftete, haben in unseren (piemontesischen) Alpen stattgefunden, ohne dafs sich irgend ein etwas merkwürdiges Phänomen am Bo- den oder in der Atmosphäre gezeigt hätte. Der Staubregen vom 28. Octob. 1814 war äulserst sonderbar dadurch, dafs er gleich- zeitig verschiedene (getrennte) Punkte der Gegend traf. Aüsso Hıst. nat. d. U’ Europe merid. Paris 1826 I p. 297. Bisher war ein Regen vom 28. Oetob. 1814 nur aus dem Thale von Oneglia bei Genua als ziegelrother Erdregen bekannt. Hiernach scheint er eime weitere Verbreitung bis Nizza gehabt zu haben, deren Grenzen leider un- bekannt geblieben. (Monatsb. 1850 p. 237.) Erzählt Remigius Doettler (Elementa phys. T. II p. 405 Wien 1815) dafs eine entgegenkommende Feuerkugel zwei im offenen Wagen sitzende Reisende selbst getroffen und mit Schleim über- deekt habe. Zwei sehr vertrauenswerthe Männer haben ihm das mitgetheilt. (Galle ]. e. p. 82.) Am 13. August fiel zu Amherst m Massachusettes eine gallertartige stinkende Masse in Folge eines leuchtenden Meteors. Silliman’s Journal II p. 355. (Arago, Astron. popul. IV p. 214.) Am 5. Septemb. regnete es in Studein m Mähren, in der Rich- tung nach Teltsch zu zwischen 11 u. 12 Uhr Mittags bei klarem, ruhigem Himmel kleine Stücke Erde, welche aus einer kleinen ein- samen sehr hellen Wolke fielen. Hesperus, Novemb. 1819 und Gilberts Annal. Bd. LXVII. (Arago, Astron. popul. IV p. 214.) Im November fiel zu Montreal und in dem südlichen Theil der Vereinigten Staaten Regen und schwarzer Schnee, begleitet von einer aulsergewöhnlichen Verdunklung des Himmels, Erdbeben arti- gen Erschütterungen, Artilleriefeuer ähnlichem Getöse und Lichter- das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 35 scheinungen, welche man für starke Blitze gehalten. (Anmnal. d. chimie T. XV.) Einige Leute haben dieses Phänomen einem Waldbrande zugeschrieben, aber das Geräusch, die Erschütterun- gen und alle Umstände dieser Erscheinung beweisen, dafs es ein wirkliches Meteor war, wie die von 472, 1637. 1792 und vom Juli 1814. Es scheint, dals dıe schwarzen und zerreibliehen, 1803 in Alais gefallenen Steine beinahe dieselbe Substanz waren in einem Zustande grölserer Verdichtung. (Arago, Astronom. popul. IV p. 215.) Vergl. Abhandl. d. Akadem. 1847 p. 114. 1824. Am 13. August fiel zu Mendoza in der Republik Buenos- Aires Staub aus einer schwarzen Wolke. In einer Entfernung von 40 Meilen entlud sich die Wolke noch einmal. (Gazette de Buenos Aires 1. Novemb. 1824.) Arago, Astronom. popul. IV p. 215. 1824. Am 17. Decemb. Fall einer brennenden Masse in Neuhausen in Böhmen. (Poggend. Annalen Bd. VI. Arago, Astronom. popul. IV p. 316.) 1829. Im Jahre 1829 wurde von mir rothe Färbung eines Sees der Platowskischen Steppe in Sibirien beobachtet, erzeugt durch Astasıa haematodes, eine damals neue Polygastern-Form. S. Infusorien- werk 1838 bei Zuglena, Astasıa und p. 118. 1855. In der Nacht vom 12. zum 13. November sind in Newhaven und an anderen Orten Nord-Amerikas mehrere Leuchtkugeln beobach- tet worden, welche beim Herabfallen sich als Gallerten zu erken- nen gaben. Diese in Poggend. Annal. 1834 Bd. XXXIII p. 204 oo ausführlieh mitgetheilten Beobachtungen haben Poggendorff selbst zu der Äufserung veranlalst, dafs ihre Übereinstimmung mit den ın Europa öfter gemachten Erfahrungen eimen Grund für ihre Glaubwürdigkeit abgebe. (Galle l. c. p. 83.) 1554. Am 30. October 1834 fiel an der russisch-chinesischen Grenze am Arsun-Flusse im Gouvernement Irkutzk ein dunkelbrauner Meteor- staub, dessen Proben durch Dr. Weisse 1851 an mich gesendet und von ihm und mir analysırt worden sind. Die näheren Details sind im Monatsbericht von 1851 p. 317 angeführt und dabei ist besonders auf die Farben-Eigenthümlichkeiten des wahren Passat- staubes hingewiesen worden. Die organische Mischung dieses 5: 36 Enrengere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 1547. 1548. 1848. 1849. 1849. Staubes hat sich als auffallend übereinstimmend mit den Scirocco- Stauben und ohne sibirische Characterformen gezeigt, obwohl die Farbe von den Passatstaubverhältnissen abweichend zu wenig roth erscheint. Die Masse enthält atmosphärische Kalk-Morpholithe. Fiel am 31. März gleichzeitig mit dem rothen Schnee im Puster- thale auch ein rother Staubregen im Gasteiner-Thale bei Salzburg. (Monatsb. 1848 p. 65 und Abhandl. 1847 Nachtrag p. 130.) Wurde von den DDr. Schlagintweit eine erdige Streifung des Oberen Lys Gletschers, 10888 Fufs hoch, mitgebracht, welche durch die mikroskopische Analyse sich als wohl ältere Ablagerung des vothen Passatstaubes zu erkennen gab. (Monatsb. 1853 p. 328.) Apotheker Oswald in Oels berichtet (Verh. d. Schles. Gesellsch. 1848 p. 43) dafs ein Herr von Sydow am 18. October eine leuchtende Masse zu Mauschwitz herabfallen sah, dieselbe sogleich aufnahm und als gallertige Masse erkannte, welche getrocknet zu- sammenschrumpfte, im Wasser wieder aufquoll und stickstofffrei warsulG alle: "e. iB4,82,) Meteorstaubfall in Schlesien am 31. Januar nach heftigem Südwind auf Schnee, gleichzeitig zu Alt-Rauden bei Glogau, Hirschberg, Nieder-Kummernik und Ober-Wangten, Liegnitz, Muhrau und Niesky in Schlesien und auch bei Prefsburg, Wien und wohl Salzburg (Monatsb. 1848 p. 107, 195 und Abh. 1847. p. 133.) Diese sehr ausgebreitete Luftstaubbewegung in dichten Wolken ist offenbar durch Mischung mit vielem Lokalstaube nur vorsichtig ‚len Passatstaubverhältnissen theilweis anzuschlielsen. Am 28. März 1849 regnete es in Catania in Sieilien unter starkem Südwinde einen feinen blutrothen Sand. In der Beilage zur Augsb. Allg. Zeitung vom 18. April ist zu dieser Nachricht, dem alten Vorur- theil gemäls, bemerkt. dafs der Sand wahrscheinlich von der afrikani- schen Küste herübergetrieben worden. (Abhandl. 1847 p. 151.) 14. April ist in Irland ein schwarzer tintenartiger Regen über 400, nach neueren Nachriehten über 700 englische Quadratmeilen ge- fallen, worüber Prof. Barker in Dublin einen Bericht an die Dubliner Societät der Wissenschaften erstattet hat. (Abhandl. 1847 p. 419.) Die mikroskopische Analyse hat ergeben, dafs sehr das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 37 1849. 1849. viele organische Elemente im verrotteten Zustande die schlammige, nicht rufsartige Substanz erfüllten und die nach zwei Monaten vorgenommene Specialprüfung zeigte sogar in den verschlossen gehaltenen Gläschen sehr zahlreich lebende mikroskopische Thiere. sowohl schalenlose Polygastern als zuletzt auch Räderthiere. Philodina roseola und Bursaria arborum der Polygastern, freilich sehr spät beobachtet. (Monatsb. 1849 p. 201 u. 301.) Es ist bemer- kenswerth, dafs sich diese Substanz an das von der Atmosphäre getragene kohlschwarze Meteorpapier von 1686 anschliefst, dessen Gehalt an Desmidiaceen und Conferven mit weichen Körpererfül- lungen jede Vorstellung eines Verbrennungsproduktes abweist. Bemerkte man am 29. und 30. April im Charkow’schen und Poltaw’schen Gouvernement bei klarem Himmel eine entstehende sehr merkwürdige Lufttrübung, welche die Tageshelle sehr verän- derte, zwei Tage anhielt und veranlafste, dafs die Sonne als ein rein weilser matter Kreis erschien. Ein gelblich grauer un- fühlbarer Staub lagerte sich auf allen Gegenständen und Kräu- tern ab. Die mir von Professor Eiehwald aus Petersburg zu- gesandte Probe ist im Monatsb. 1850 p. 9 mikroskopisch von mir analysırt und enthielt 43 organische Formen und zwar 24 Poly- gastern, 15 Phytolitharien, 1 Polyeystine und 3 weiche Pflanzen- theile. Der Mangel an den characteristischen Passatstaubformen und die fast weilsgraue Farbe lassen den Zusammenhang mit dem Passatstaub zweifelhaft. Jedenfalls hat sich erkennen lassen. dals es kein Weltstaub und keine vulkanische Asche war. Den 23. Februar hatten wir in Ludhiana in Indien (am Sedledsch) in der Station, welche die Baraken heifst, in der Nacht und am Morgen einen solchen Staubsturm, dafs wir um 10 Uhr bei Lam- penlicht frühstückten, und um uns einigermafsen gegen den Staub zu schützen das Haupt bedeckt behalten mufsten. Der Garten. welcher noch wenige Stunden vorher voll der schönsten Blumen prangte, zeigt keine Spur mehr von seiner Pracht, sie ist entweder vom Sturm zerknickt oder so mit Staub bedeckt worden, dafs jedwedes Naturleben vernichtet ist. Wenn wir ins Freie blickten, so war es als sähe man durch ein gelbgefärbtes Glas, dann zeigte 38 Ennensperg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 1549. 1549. 1550. 1S»0. IS>0. sieh die Luft röthlich und endlich ganz dunkelbraun. Ein solcher Staubsturm ist von einem aufserordentlich feierlichen Eindruck; die Sonne erscheint in blutrother Farbe und die in voller Üppig- keit prangende Pflanzenwelt ist plötzlich wie in ein Grab gesenkt. Augsb. Allgem. Zeit. Beilage zu Nr. 68. 9. März 1850. Anonym. (Monatsb. 1850 p. 258.) "all von rothem Regen. Kürzlich (1. August) fiel beim Dorfe Bonvilstone em Regenguls so roth wie Blut und er verbreitete sich von da in westlicher Richtung über Lantrithyd, Flemingston u. s. w. gegen Landwit-Major. Er war so deutlich, dafs er die Erdschollen färbte. von denen manche wie Röthel aussahen. Mehre- res Landvolk, welches davon Kenntnifs erhielt, war in ängstlicher Aufresung, weil man sich vorstellte, es sei eine Anzeige eines nahen Unglücks, und einige die es nicht fallen gesehen, kamen im Laufe des Tages herbei, um den verfärbten Boden zu betrachten. Oambrien, The Athenaeum 4. August 1849 p. 796. (Monatsb. 1850 p. 238.) Über den oft blutfarbig rothen liegenden alten Gletscherschnee der Schweiz, im Gegensatz des frisch fallenden rothen Schnees, sind in dem Monatsbericht 1849 p. 287 ausführliche Mittheilungen gemacht. Anfangs Februar 1850 schwarzer Schneestaub zu Oesterholz bei Detmold. Vergl. die Nachricht und Analyse in dem Monatsbericht 1850 p. 123. In der Nacht vom 16. zum 17. Februar rother Schneefall auf den St. Gotthards-Alpen, welcher die höchsten Spitzen bedeckt. Aus- führliche Nachricht und Analyse findet sich in dem Monatsbericht IS50 p. 169, 1851 p. 158. Staubregen am 26. März 1850 aus Ningpo in China, dessen 1851 in den Monatsberichten veröffentlichte Analyse die sehr grofse Fre- yuenz gelber Staubfälle in China aufser Zweifel stellt und nicht wenige dem Passatstaube zugehörige Elemente darbietet. Unter 38 beigemischten organischen Formen war keine das Land characte- nisivrende neue, auch keine Characterform eines anderen Landes. Es sind weit verbreitete Arten. Keine gehört dem Meere an, das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 59 1851. 1851. 1853. 1854. keine zeigt eine Mischung mit fossilen Erden. (Monatsb. 1851 p- 26, 1862 p. 209.) Analyse eines rothen Schneefalles aus Graubündten am Bernhardin- Passe vom 4. Februar 1851 mit Nachweis der Passatstaub-Elemente. auch einiger amerikanischer Formen: Desmogonium gwanense?! IHrmantidium Papilio. (Monatsb. 1851 p. 158, 1862 p. 209.) Hier- bei ist nachträglich zu bemerken, dafs von Herrn Prof. Brunner in Schweizer Zeitschriften desselben Jahres eine höchst verdienst- liche genaue Nachricht über die grofse Verbreitung des Phänomens in den Hochgebirgen gegeben worden ist. Analyse eines 1851 auf ein Schiff im Stillen Ocean gefallenen grauen Meteorstaubes, welcher sich als ein reiner Bimsteinstaub ergab und dem Mangel des zimmetfarbenen Staubes im Stillen Ocean nicht abhalf. (Monatsb. 1851 p. 739, 1862 p. 210.) Analyse zweier grauer Meteorstaub-Arten aus Ninepo im China vom März 1853, welche dem 1851 analysirten dortigen Orkan- staub an Farbe und vielfach an beigemischten Lebensformen «lei- chen, wobei auch wieder, aber vereinzelt, Characterformen des Passatstaubes befindlich. Vom Einsender Herın Dr. Macgowan (Maeegaun) m Ningpo wurden damals noch verschiedene histo- rische Verhältnisse des gelben Staubes in China an den Vortra- senden gemeldet, die m den betreffenden Jahren eingeschaltet snd. Wenn das häufige Fallen des gelben Staubes in China reichlich ist, bemerkt Dr. Macgowan, erwartet man ein frucht- bares Jahr. Er schliefst selbst, dafs dort ungeheure Staubmengen fallen müssen. (Monatsb. 1853 p. 514, 1862 p. 210.) Am 15. Februar wurde in Breslau durch die Herrn Prof. Göppert und Cohn ein ın Schlesien sehr weit verbreiteter Stauborkan mit Süd- und Südwestwind beobachtet. Der Staub kam mit gelben Hauf- wolken und hin und wieder mit Schneefall (Camenz, Brieg, Glogau. Strehlen) oder er lagerte sich auf weilsen Schneeflächen (Gleiwitz). Unbegrenzte Nebelmassen liefsen zuweilen die ganze Gegend gell T erscheinen. Die von Prof. Cohn gemachte mikroskopische Ana- Iyse ergab dieselben Resultate, wie die des Staubfalles vom 22. Januar 1864 in Schlesien (vergl. 42. Jahresbericht der Schle- 40 Eurenperg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über lS5». 1ISD6. sischen Gesellsch. für vaterländ. Kultur 1864 p. 49.) Der Staub- fall wurde gleichzeitig in folgenden Orten beobachtet: Gleiwitz, Neisse, Glatz, Lampersdorf und Camenz bei Frankenstein, Reichen- bach, Schweidnitz, Grottkau, Münsterberg, Wansen, Strehlen, Brieg, Markt-Bohrau, Breslau, Stephansdorf bei Neumarkt, Parchwitz, Zedlitz bei Lüben, Liegnitz, Glogau und Öttendorf bei Sprottau. Es bleibt zu beurtheilen ob die angeblich gelbe Färbung dieses Staubes ıhm wirklich zukomme oder ob sie nur ein Reflex der weilsen Schneeverhältnisse ist, auf welchen sich die Farben leicht erhöhen. Die Bestandtheile ergaben nicht die Charactere des Passatstaubes. Kin im Canton Zürich in der Schweiz gefallener Rothweinartiger Regen am 14. und 20. November 1855 wurde im December ana- Iysirt, dem vor 100 Jahren in Ulm gefallenen gleich gefunden und in ihm das wässerige farbige Extract eines Passatstaubnebels ver- muthet, dessen im Herumziehen mit Wasserdunstwolken ausgezo- gener Staub irgendwo anders abgelagert worden sein möge, als das Wasser. „Jedenfalls weiche diese Art rother Regen vom Blut- vegen des Passatstaubes in der Mischung völlig ab, da die Färbung nichts Feuerbeständiges, aber dem Sülsholz-Extract ähnlich, feine Kügelchen enthalte. (Monatsb. 1855 p. 774, 777. Vergl. den 1861 bei Siena gefallenen Regen. Monatsb. 1862 p. 211.) Fiel am 1. Mai zu Shangai m China eine die Sonne verfinsternde Meteorsubstanz, welche die Analyse nur als eine reine Pappel- samenwolle angiebt, von der ein, wie es vom Einsender bemerkt ist, beigemischter Schmutz abgesondert worden war. Dieser so- genannte Schmutz mag vielmehr eine den Meteorstauben vergleich- bare Erde gewesen sein, welche weit mehr Interesse hatte, als die (dieselbe verunremigende Pappelwolle. (Monatsb. 1856 p. 393.) Über einen aufserordentlich merkwürdigen intensiv rothen Staub- nebel, welcher durch den Flotten-Arzt Dr. Georg Clymer auf der Kriegs-Sloop Jamestown ım Februar 1856 aus der Breite von Sierra Leone im hohen Atlantischen Ocean an Kapitain Maury berichtet worden, sagt Letzterer in den Sailing Direetions 1859 II p. 377: „Was die Staubnebel (dust fogs) anlangt, welche im Früh- das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 41 ling und Herbst in der Gegend der Capverdischen Inseln vorkom- men sollen, so haben wir nur einmal dergleichen gesehen, obwohl die Atmosphäre dort von trocknem staubigem Dunst (dry dusty haze) oft trübe ist. Den rothen Staubnebel, welchen wir sahen, durehschifften wir auf der Rückkehr von St. Paul de Loanda nach Porto Praya im Februar 1856. Es war in der Zone der äquatorialen Windstillen, in welche wir aus dem Südwest-Passat am 1. Febr. im zweiten Grade nördl. Breite und zwischen 12 u. 13 Grad W. L. übergingen. Wir waren sechs Tage in diesen Staubnebel eingehüllt, in welchen wir in der Nacht des 9. Febr. plötzlich in 7° 30’ N. Br. 15° W. L. eintraten und aus dem wir am 15. desselben Monats (gleichzeitig mit dem Übergange von der Gegend der Windstillen in die des Nordost-Passats) unter 9° N. Br. und 19° W. L. wieder heraustraten, Der rothe Staub hing dick an den Segeln, Tauen, Planken und Verdecksgeräthen, von denen er sich leicht sammeln liefs. Es war ein unfühlbares Pul- ver von Ziegelstaub- und Zimmet-Farbe. Die Atmosphäre war so dunkel, dafs man am Mittag in der Entfernung von 4 Meile ein Schiff nieht hätte erkennen können. — * Wie viel Masse mag wohl allein in jenen sechs Tagen des Schiffes Jamestown im Februar 1856 sichtbar getragen und wirk- lich ins Meer gefallen sein? Wie lange mag solcher Staubfall an- halten können? In welchen Perioden mag er so massenhaft er- scheinen? Nach Horsburghs India Directory p. 49 giebt es ebenda Fälle von 15 bis 16 Tagen Dauer, und die Erscheinung findet 3 bis 4 mal in jedem Frühling und Herbst statt. Grund genug für den Ausdruck Dunkelmeer und die Nichtumschiffung Afrika’s in früher Zeit. Auf Schiffen ist noch niemals eine Messung der Menge des sich in bestimmter Zeit oder in der Dauer der Erscheinung ablagern- den Staubes versucht worden. Auch hierin wird man ohne grofse Schwierigkeit künftig eine Erläuterung dadurch herbeiführen, dafs man das auf 1 oder 3 oder mehr Quadratfuls oder Meter abgela- serte in bestimmter Zeit oder der Dauer in der oben angegebenen Weise gesondert abnimmt und zur späteren Wägung gesondert Phys. Kl. 1871. 6 42 EHRENBERG: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 1856. 1859. 1860. 1860. 1860. aufbewahrt, welche durch Trocknen bei 100° C. einzuleiten ist, annähernd aber auch mit gewöhnlicher Apothekerwaage und ge- wöhnlicher Trockenheit des Niederschlages nutzbar erlangt werden kann. (Monatsb. 1862 p. 533.) Am 4. Novemb. fiel im hohen Süd-Ocean auf ein amerikanisches Schiff ein, hohlen feinen Vogelschrotkörnern ähnlicher, Eisenstaub, welcher, von Kapitain Maury eingesandt, beweist, dafs verschie- denartige merkwürdige Meteore in Weltgegenden existiren, wo sich kein Passatstaub bemerklich gemacht hat. (Monatsb. 1858 p. 1.) Fiel am 24. und 25. Januar bei den Capverden auf das amerika- nische Schiff Derby ein zimmetfarbener Passatstaub nach den ein- gesandten Proben des Kapitain Hutchinson und des Kapitain Maury. Der Staub enthält nach mikroskopischer Analyse 40 or- ganische Formenarten genau in demselben Mischungsverhältnils, wie in allen analysirten Passatstaubproben. (Monatsb. 1860 p. 203, 1848 p. 440.) Am 10. März fiel bei Scirocco über ganz Griechenland ein gelber und zum Theil zimmetfarbner Staub, der bestimmt nicht Blüthen- staub war. Jul. Schmidt. (Monatsb. 1869 p. 308.) In einer schönen Octobernacht gegen 4 Uhr Morgens beobachtete Herr Joseph Chartier, Municipalrath aus Montaigu, zwischen Vervins und La Bouteille ein wie eine Rakete über ihm aufleuch- tendes Meteor, dessen Trümmer um ihn herumfielen. Die auf der Erde zusammengeraffte kalte Materie leuchtete sehr stark fort wie electrisches Licht. Später zeigte die aufgenommene Erde nichts Eigenthümliches. (Galle l.c. 1869 p. 86.) Ob es der Rest eines künstlichen Leuchtfeuers war läfst sich nicht entscheidend beur- theilen. Am 8. u. 9. Februar 1860 fiel zu Jerusalem ein Orkanstaub, der durch Consul Dr. Rosen eingesandt worden. Es ist dem Ver- zeichnifs der 75 ihn mit zusammensetzenden Formen zufolge un- zweifelhaft, dafs dieser Staub sich an den eigentlichen Passatstaub anschliefst und somit erläutert derselbe die uralten Blutmeteore von Moses, des Propheten Elisa und von Alexanders des Grolsen das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 43 1859. 1860. 1861. 1861. 1861. Zeit, welche in nahe liegenden Gegenden stattgefunden. (Monats- bericht 1860 p. 148. 156.) Fiel am 21. Decemb. in Westphalen und den Rheinlanden ein Staubsturm mit angeblich rothem Schneefall, dessen Analyse erge- ben hat, dafs derselbe kein wahrer Passatstaub gewesen und seine mögliche Mischung mit dergleichen nur als höchst untergeordnet erscheine. Die 74 Formen sind weit verbreitete des deutschen Bodens. Ebenda p. 137. Am 28. und 31. Decemb. 1860 und am 1. Januar 1861 fiel zu Siena in Italien ein rother Regen, welchen die Herren Professoren Dr. Campani und S. Gabrielli daselbst in sehr verdienstlicher Weise umständlich chemisch analysirt und beschrieben haben. (Sıulla Pioggia d’acqua rossa caduta ın Siena ete. studi chemici e micros- copiei dei Dottori G. Campani e S. Gabrielli. Siena 1861.) Dieser Regen schliefst sich zunächst an den in Zürich 1855 am 14. November gefallenen an, (vergl. Monatsb. 1855 p. 764, 1862 p- 215) und ist in nur zweifelhafter Beziehung zum Passatstaub, so dafs er möglicher Weise als ein meteorischer Extract 1862 p. 215 von mir bezeichnet wurde. Am Morgen des 29. October 1861 bemerkte der Kapitain Gutkese auf der Reise von Ostindien nach England, zwischen dem 24. und 25. Grad n. Br. und dem 35. und 36. Grad westl. L. von Green- wich, bei Ost und Nord Nord-Ost-Wind, dafs sämmtliche Segel des Schiffes mit einem rothen Staube bedeckt waren, der aber so äufserst zart war, dafs vermittelst einer Bürste mit darunter ge- haltenem Papier nichts dem Auge Sichtbares gesammelt werden konnte. An verschiedenen Segeln angehängte Schaaffelle hatten mehr von dem Staube in sich aufgenommen. 40 Analysen des rothen Staubes ergaben 47 organische Formen-Arten. (Monats- bericht 1862 p. 215.) Im Monat Juni und Juli wurden ansehnliche rothe Staubfälle in Lyon auf Leinwandflächen bemerkt, nach Dr. Lortet (vergl. Monatsb. 1862 p. 524.) Wird von Herrn Buechich in Dalmatien ein trockner Nebel bei Nordwind angezeigt (vergl. Öster. met. Nachr. IV p. 305.) 6* 44 Enrenpenrg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 1861. 1802. 1502. In der Nacht zum 17. Februar 1861 fiel im Thal von Vegezza nahe bei Domodossola nach einem heftigen Wirbelwind mit Don- ner, Blitz und Hagel ein rother gelblicher Schnee, welcher am Morgen sich schichtenweis im Thale abgelagert zeigte. Die ge- fürbte aufgesammelte Masse wurde von Professor Lavini unter- sucht. (Bullet. meteor. d. Osserv. d. Coll. Carlo Alberto in Mon- calieri Vol. V N. 2. 28. Febr. 1870.) In der Sylvesternacht fiel in Breslau und in dem übrigen Schle- sien von Neumarkt bis Ratibor und Kosel ein Staubfall mit Süd- sturm, welchen die Herrn Cohn und Göppert mit den in der Schweiz im Engadin sich damals zuerst anzeigenden Seirocco Süd- winden in Verbindung bringen. Man sah tiefsehende gelbliche Wolken und fand den auf dem Schnee liegenden gelblichen Staub dem der aufgewühlten Sturzäcker in der Richtung des Sturmes gleich. In der Mischung glich er einem späteren von 1864, wel- cher nachzusehen ist. (Cohn 42. Jahresb. d. Schles. Gesellsch. t. vat. Kult. 1864 p. 50.) Am 5. und 6., genauer wohl am 7. Februar 1862 ist, wie am 31. März 1847, ein rother Schnee gefallen, welcher sich weithin über das salzburgische Gebirgsland bemerkbar machte nach einem Bericht vom Bergverwalter Reifsacher in Böckstem. Der rothe Schnee wurde südlich von der Wetterwand bei Mitterberg, an den Radstätter Tauern, in Gastein und Rauris und längs der ganzen Centralkette zwischen Salzburg und Kärnthen durch das Pinzgau gefunden. In Gastein und Rauris machte sich die Röthung der etwa 1 Zoll diek gefärbten Schneeschicht vorzugsweise an den westlich gelegenen und gegen Osten abdachenden Gehängen durch Intensität der Farbe bemerkbar, was auf eine Windrichtung aus Ost und Nordost schliefsen lälst. Nach Herrn Reifsachers Nach- richten erstreckte sich der rothe Schneefall über die ganze Tauern- kette aus Ost in West circa 15 Meilen und aus Nord in Süd eirea 7 Meilen, so dals diese Beobachtung des rothen Schneefalls sich auf eine Fläche von mindestens 100 Quadratmeilen vertheilt. 40 Analysen sind durch 52 organische Formen-Arten charaeterisirt (vergl. Monatsb. 1862 p. 521.) das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 45 1862. 18062. 18638. 1863. 1564. Am 27. März 1862 fing es nach Dr. Lortet in Lyon um 74, Uhr Morgens bei ruhiger Luft und ganz leichtem Westwinde im grolsen Tropfen zu regnen an. Diese Tropfen hinterliefsen einen rothen Staub, welchen ein Fabrikant wasserdichter Leinwand, von der immer einige 1000 mötres ausgespannt liegen, beobachtet hat. Eine von ihm auf Papier aufgefangene Probe wurde mir zugesandt und analysirt. 40 Analysen ergaben 48 verschiedene organische For- men-Arten (vergl. Monatsb. 1862 p. 526.) Herr v. Khanıkoff berichtet von erschreekenden Staubstürmen in Khorassan und Afghanistan, Kaubar (Caligo) genannt, deren Farbe er aber stets als grau und gelb bezeichnet (vergl. Abhandl. der Akad. 1868 p. 38.) Am 1. Mai 1863 war die Ebene bei Perpignan und an andren Orten der östlichen Pyrenäen Frankreichs nach einem heftigen Sturm hier und da mit röthlichem Pulver bedeckt und die nahen Berge sah man mit rothem Schnee bedeckt. Derselbe Staubfall wurde an verschiedenen Punkten des Mittelmeeres, in besonderer Menge im unteren Gatalonien bei Figueras und Gerona und in Aragona zu Mora am Ebro beobachtet. Chemisch analysirt wurde der Staub von Bouis. (Bullet. meteor. dell. Osserv. in Moncaltert. Vol. V No. 2. 28. Febr. 1870.) Am 7. Februar 1863 fiel ein rother Staub bei den Oanarischen Inseln der den Pie von Teneriffa roth färbte: „Una pioggia di sabbia ascrutta e quası impalpabile cadde nello Isole Canarie, la quale ricopri e tinse in rosso \l pieco di Teneriffa, non che le nawr ancorate davantı Teneriffa, Palma e U Isola del Ferro.“ — Analysirt wurde der Staub von Daubrde. (Bullet. meteor. d. Osserv. del Coll. Carlo Alberto in Moncalieri. Vol. V No. 2. 28. Febr. 1870.) Eine Staubprobe dieses Passatstaubes sandte Dr. Fritsch aus Zürich zu meiner Analyse sowohl von der Insel Ferro als von der Insel Palma, welche im folgenden Abschnitt näher bezeichnet werden. Erschien eine reichhaltige Zusammenstellung über rothen Polar- schnee im Anhange des vierten Bandes der Reise des Herrm 46 EHRENBERG: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 1864. 1864. von Middendorff, aus welcher hervorgeht, dafs diese Erschei- nung dort bedeutende Ausdehnungen hat und verschiedenartig ist. Am 22. Januar 1864 wurde in preulsisch und österreichisch Schlesien ein Stauborkan beobachtet, der die ganze unter weilsen Schnee liegende Gegend mit braunem Staube bedeckte. In der Stadt Breslau hatte sich am Morgen der Schnee mit einer gelb- grauen Staubschicht bedeckt, nachdem in vorhergehender Nacht Südwind geweht hatte. Nach Berechnung des Apotheker Thamm in Ratibor, welcher von 12 Quadratfuls den Schnee sammelte, blieben beim gelinden Trocknen 84 Loth Staub zurück, was als mittlere Werthbestimmung für Ratibor auf die Quadratmeile (—576 Millionen Quadrat-Fufs) 130,000 Centner niedergefallenen Staub ergeben würde. Herr Renowitzki in Grofs-Strehlen gewann von 223 Quadrat-Zoll Schneefläche 43 Loth Staub, was 240,000 Cent- ner auf die Quadratmeile geben würde. Der überaus feine, aller- orts gleichartige Staub war nach Cohn ohne gröbere Sandmischung mit nur wenig mikroskopischen organischen Formen gemischt. (Cohn 42. Jahresb. d. Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cult. 1864 p. 45.) Weder die Farbe noch die angegebene Mischung dieses grofsen Staubsturmes schliefsen sich mit Sicherheit an den wahren Passat- staub an und lassen vielmehr vermuthen, dafs der eigentliche Character durch überwiegende Lokalverhältnisse schon in der Ferne verdunkelt worden. (Abhandl. d. Akad. 1868 p. 41.) Die von mir gemachte Analyse sowohl des Staubes von Ratibor als von Troppau ist im folgenden Abschnitt zu vergleichen. Am 21. Februar 1864 fiel bei Reifnitz in Krain um 11 Uhr Vor- mittags bei südöstlichem Wolkenzug ein äulserst feiner, aus sehr kleinen Gräupchen bestehender Schneefall, welcher während einer Stunde die ganze Gegend mit gelblichrother Schicht bedeckte, zwischen isabellgelb und ziegelroth, am meisten ähnlich dem Zie- gelmehl von alten Backsteinen. Die gefärbte Schneeschicht war 1 Zoll mächtig durchgehends von gleicher Beschaffenheit. Der vothe Schneefall erstreckte sich auch auf Cernembl, Strug, Dür- renkrain und auf die Oblaker Hochebene. Die Reifnitzer Land- leute erinnern sich sehr wohl, dafs zur Zeit der französischen das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 47 1864. 1864. 1865. 1866. 1866. Occupation ein ähnliches Phänomen stattgefunden habe, nur soll der Schnee damals eine mehr intensive, fast blutrothe Färbung gehabt haben. Diese Beobachtung von Deschmann hat Prof. Jelinek mitgetheilt in d. Sitzungsber. d. Wiener Akad. 1864 II p- 337. Am 20. u. 21. Februar fiel gleichzeitig zu Rom und in der gan- zen Romagna ein ähnlicher Niederschlag von Staub bei wüthendem Südwind und starkem Regen. Die Menge des gelbröthlichen, dem Ziegelmehl ähnlichen, äufserst feinen, unfühlbaren Staubes liefs sich in seiner Schicht bis 4 Millim. schätzen. Der Staub bot angeblich, nach Jelineks Mittheilung, keine Spur vollständiger organischer Substanzen mit Ausnahme einiger wenigen eiförmigen Körper von ungewisser Beschaffenheit. (Secechi Bullettins meteorol. d. Osserv. d. Coll. Rom. Vol. Il p. 18. Jelinek, Sitzungsber. der Wiener Akad. 1866 II p. 556.) Die mir von Pad. Secchi übersandte Probe dieses Staubes, zeigte nach meiner angezeigten Methode des Analysirens doch eine ansehnliche Menge der organischen Bestand- theile des wirklichen Passatstaubes. (S. Monatsb. 1869 p. 318.) Am 28. und 30. März 1864 wurde von Herrn Calzavara zu Valona in Albanien ein Schlammregen (proggia fangosa) zwischen 3 und 5 Uhr Nachmittags beobachtet bei heftigem Südsturm. (Jelinek, Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1866 p. 557.) Am 15. März 1865 wurde zu Tunis ein Staubfall beobachtet auf der dort stationirten italienischen Dampfcorvette Etna, und gleich- zeitig auch zu Rom durch Secechi. (Bullet. met. d. Osserv. Coll. Rom. Vol. IV p. 41.) Jelinek, Sitzungsber. der Wiener Akad. 1866 p. 557. Am 28. Februar 1866 berichtet der Fabriks- Director Johann Prettner aus Klagenfurt von einem braunen Staube, der den bei Gewitter herabfallenden Schnee oberflächlich bedeckte, während der tiefer darunter liegende Schnee schön weifs blieb. In einer Schneemenge die 20 Mafs Wasser gab, waren 83 Wiener Gran solchen Staubes enthalten. Fiel in der Nacht vom 28. Februar zum 1. März in Rom ein schwacher Regen, der an den Fenstern des Observatoriums einen 48 EHRENBERG: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 1567. sehr feinen röthlichen Niederschlag zurückliefs. Der diesen Fall beobachtende Padre Seechi liefs die Glastafel behutsam aus dem Fensterrahmen herausnehmen und eine neue an deren Stelle setzen. Als aber der Beobachter Marchetti am Morgen des 3. März die meteorologischen Beobachtungen anstellen wollte, be- merkte er einen röthlichen Überzug auf der neuen Tafel und glaubte, es sei die alte wieder an ihre Stelle gebracht worden. Es hatte somit ein neuer mit Regen gemischter Staubfall stattge- funden. Ein merkwürdiger Umstand war eine gewisse Trübung des Himmels, welche bewirkte, dafs man die Sonne, welche hoch am Himmel stand, ungescheut betrachten konnte. (Jelinek, Sitzungsber. der Wiener Akad. 1866 p. 558.) Fiel am 15. Januar vermuthlich in den frühesten Morgenstunden ein röthlich grauer Schnee durch den ganzen Canton Graubündten bei einer heftigen Süd-West Strömung der Luft und wurde auch auf dem Splügen und Bernhardin wie anderwärts abgelagert. (Vergl. Killias IV. Jahrg. der Schweiz. Meteor. Verhandlungen 1867.) Die Staubproben von Churwalden, Klosters, Andeer und Chur sind durch Herrn Killias für meine hier mitzutheilende Analyse zugänglich geworden. Am 15. Novemb. 1867 wurde durch den Sohn des Dr. Nicati zu St. Denis du Sig, Provinz Oran, Algier, ein grobkörniger dun- kel braun gefärbter Staub bei heftigem Seirocco-Sturm gesammelt. (Vergl. Cramer, Band V der Schweiz. Meteorl. Beob. 1868.) Nach Cramers Analyse fanden sich viele Polythalamıen nnd nur wenige Pflanzentheile verschiedener Art, die auf ein lokales Ver- hältnifs hindeuten. In meiner später speciell verzeichneten Ana- Iyse sind auch eine ansehnliche Zahl von Baetllarien und Phyto- hitharien daraus hervorgetreten. In der Nacht zum 14. Januar 1867 fiel nach heftigem Südwind auf der ganzen nördlichen Seite der Seealpen mit Inbegriff von Cuneo und den Bergen von Garessio oberhalb Albenga ein Zoll hoch rother Schnee, welcher von einem feinen Staube herrührte mit dem der Schnee erfüllt war. (Bullet. meteor. dell. Osserv. in Moncaliert Vol. V No. 2 1870 p. 14.) das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 49 1867. 1867. 1568. 1868. 1569. 1869. 1569. Am 20. März 1867 wurde ein neuer (rother?) Staubfall über Ga- lizien verbreitet mit heftigem Nord-Nord-West Sturm. (Bullet. meteor. dell. Osserv. in Moncalieri Vol. V No. 2. 1870 p. 14, vergl. Vol. II p:2: War im August zu Modena nach Professor Ragona (la caligine atmosph. in Luglıo 1869 p. 12) ein trockner Nebel gleich dem vom Juli 1869, den Professor Kaemtz für Höherauch erklärte. Ist die reichhaltige historische Zusammenstellung der sternschnup- penartigen Gallert-Meteore vom Astronomen Prof. Galle und von Prof. Cohn in Breslau in den Schlesischen Schriften erfolgt, welche besonders die vom Grafen Pfeil angeregten mit vielfach erweiter- ten ähnlichen Beobachtungen zusammenfafst. Die vielen Beobach- tungen von Froschresten in manchen dieser Gallerten sind dabei nicht aufser Acht gelassen. Was meine experimentellen Untersu- chungen dieser Art vom Jahre 1836 anlanst, so würden dieselben sich dadurch characterisiren lassen, dafs sie das Fortwachsen der aufquellenden Froschtheile, als auf ihnen sich entwickelnde faserige und gallertige Pflanzengebilde, aufser Zweifel gestellt haben. Im Juni rother sehr reichlicher Staubfall in Apulien, durch einen Professor zu Canosa gesammelt und durch Professor Palmieri in Neapel an mich übersandt. Am 10. März rother Passatstaubfall in Subiaco und Isola di Sora bei Neapel. (Bullet. meteor. dell. Osserv. Rom. Vol. VII.) Am 24. März fiel nach Herrn Galvert zu Tschanäk-Kalessi bei Nord-Ost-Sturm ein rother Passatstaub in den Dardanellen. Glei- cher Staub ist nach Herrn Jelinek am gleichen Tage in Lesina bei Dalmatien, bei Weixelstein unweit Steinbrück und bei Cilli, zwischen Grätz und Laibach, in Krain gefallen und es sind mir die Proben desselben zugekommen. In den Dardanellen war die Menge des gefallenen Staubes in der ungeheuren Masse von 15 Tons auf eine englische Quadratmeile berechnet. Am gleichen Tage fiel ein rother Staub in Neapel. (Oesterr. meteor. Nachrichten Bd. IV p. 203, vergl. Monatsb. 1869 p. 307.) Am 23. u. 24. März 1869 fiel in Sicilien und Calabrien bei heftigem Nord-Ost-Sturm und dunklen gelblichen Wolken unter Blitzen ein Phys. Kl. 1871. 7 50 Ennenpeng: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Regen, der die Farbe der Wolken hatte und einen gelben erdigen Bodensatz zurückliels, der sich nach Prof. Silvestri’s specieller hier angezeigten Beobachtungen in Catania im Feuer, wie Letten, voth fürbte. Die von Silvestri zuerst und dann von mir analysirte Probe enthält die Elemente des Passatstaubes in reichlicher Zahl. 1869. Im Juli beobachtete der Director der Sternwarte zu Neapel Gas- peris, dals der damalige Höherauch einen sehr feinen reichlichen Staub zu erkennen gab (Ragona, la caligine atmospherica Luglio 1569 p. 8). Ragona selbst zeigt an, dafs ein Honigthau ähnlicher Schlammüberzug von gelber Farbe auf den Blättern der Gewächse in den Bergthälern bei Arad gleichzeitig beobachtet worden sei, den man Mellume nannte, 1. e. p. 15. . U . x . 1869. Am 6. und 13. Juni 1869 sah man im Salzburg einen trocknen Nebel (ob roth?), der nirgends anderwärts beobachtet wurde. (Ragona |. c. p. 17.) 1870. Vom 13. und 14. Februar 1870 1) meldet Padre Denza (Bullettino meteorologieo dell’ Osservatorio del Colleg. Carlo Alberto ın Mon- calveri Vol. V No. 2. 28. Febbrajo 1870) nach folgender wörtlicher !) Im Bullettino meteorologico dell’ Osservatorio del Collegio Romano. No. 2. Vol. IX. Roma 23. Febbrajo 1870 p. 14 heilst es so: Den 13. Februar 1570 wurde in Rom, in Subiaco und an der ganzen Ligurischen Küste das Fallen rothen Sandes (sabbia) beobachtet. In Rom und in Subiaco wurde der- selbe bei Gelegenheit eines schwachen, in den Nachmittagsstunden fallenden Regens ge- sammelt; in Ligurien und in Piemont wurde er in der Nacht vom 13. zum 14. mit star- kem Schneefall gesammelt. Der Wind war in Rom und in Subiaco ein heftiger und war- mer Südost-Wind; in Subiaco zeigte das im Norden aufgestellte Thermometer 16°, nach dem der Sternwarte 15°, 31. Marzo 1870 p. 19. — Der Sturm hat überall schlechtes Wetter verursacht und am 8. und 10, Februar hat es an verschiedenen Orten geschneit. Wir hatten ihn in der Stadt in zwei Nächten am 9. und 10. und in der ganzen Campagna hat er mehrere Tage angehalten. Noch war dieser erste starke Sturm nicht vorüber, als schon am 11. ein zweiter aus Süden von Spanien her einfiel, welcher bei dem Barometerstande von 743” bis zum 14. andaunerte. Diese Depression im Nordwesten unserer Station brachte einen wüthenden Sturmwind am 13. aus Südost und damit eine jener Erscheinungen, die bei uns nicht so selten sind, nämlich die Herbeiführung von Sand aus den afrikanischen Wüsten in unsere Gegend. Dieser Fall von röthlichem Sande wurde um 2 Uhr Nach- mittags beobachtet, begleitet von wenigen Regentropfen. Herr Alvarez beobachtete dies gleichzeitig in Subiaco und gab in einem Telegramme davon Nachricht, Padre Ciampi das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 51 Übersetzung aus dem Italienischen, dafs nach dem 10. Febr. ein starker Nordsturm ganz Europa, von Schweden und England bis nach den äufsersten Punkten der Iberischen Halbinsel, Italien und Griechenland durchströmte, der von starker Kälte und reichlichem Schneefall begleitet war. „So ist eine Bewegung der Atmosphäre entstanden, welche, wie gewöhnlich, in den Äquatorial-Gegenden eine nicht weniger starke Bewegung hervorrief, die in kurzer Zeit überall, besonders im Süden und Westen des Continentes, die Temperatur erhöhte. Sie betrat unsere Halbinsel zwischen dem 12. und 14. und ein wüthender Südost-Wind wandte sich dann den westlichen Gegen- den zu, besonders den Küsten des Mittelländischen Meeres, wie auch vielen Punkten von Sicilien, Civita veeehia und besonders der ganzen Ligurischen Küste. Der eintretende Regen fiel mehr oder weniger reichlich in diesen Gegenden und verwandelte sich in Schnee, als er die nördlichen Appeninen erreichte.“ „Damals fand sich an verschiedenen Orten sowohl der Regen als der Schnee gemischt mit sehr feinem Sand.“ „Im Süden wurde dies in geringer Menge vom Professor Minä- Palumbo aus Castelbuono im nördlichen Sicilien bei Oefalu be- obachtet, sowie auch in Rom, Subiaco, Tivoli und Mondragone bei Frascati, wo der Staub durch die Trübung der Atmosphäre und die rothgelbe Färbung der Regentropfen angekündigt wurde; in Sicilien bemerkte man ihn am Abend des 13. und am Morgen des 14., in den römischen Stationen am Nachmittage des 13. Im Nor- den fiel der Staub mit Regen am reichlichsten zu Genua und an anderen Punkten der Ligurischen Küste in der Nacht vom 15. zum 14. In Genua wurde er durch Prof. Boccardo gesammelt, Prä- sident des dortigen technischen Institutes, zu 8. Francesco in Tivoli und Padre Lavaggi in Mondragone über Frascati. Padre Denza sammelte ihn in Moncalieri von dem in der Nacht vom 13. zum 14. gefallenen Schnee. Mit dem Luftstrome aus Südost wurde die Temperatur der Luft bis zum Morgen sehr erhöht; das Thermometer in Rom zeigte 15°, in Palermo 17°. in Neapel 14°, in Ancona 16°; am Schwarzen Meere, in Deutschland und in Süd-Frankreich hatten alle meteorologischen Stationen in gleichen Graden unter Null Grad. Das Barometer war während der Luft- bewegung aus Südost in fortwährendem Steigen und Fallen. 7 % 52 Eurengenrg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über d’Albaro bei derselben Stadt durch Sign. Gatta, welcher mir folgendermalsen darüber schrieb: „Fast in der ganzen Nacht vom 12. bis 13. wehte in S. Francesco d’Albaro ein heftiger Nordsturm, welcher am Morgen in Seirocco überging, ohne in seiner Stärke nachzulassen. Das eisige Schneetreiben, welches mit dem ersten Winde verbunden war, ging in Regen über und in der Nacht vom Sonntag zum Montag (13. bis 14.) fand sich das Wasser mit dem von mir gesammelten Pulver vermischt. — Dafs dasselbe in gröfse- rer Menge gefallen sei, ging daraus hervor, dafs an den Orten, in welchen der Regen durch die Heftiskeit des Wirbelwindes an die Fenster gepeitscht war, derselbe m die Zimmer eindrang, Streifen an den Wänden und auf dem Fufsboden hinterliefs, wo- durch ich mich von der Gegenwart des begleitenden Staubes überzeugte. — * „In Piemont wurde derselbe Staub in unserer Station zu Mon- ealieri und zu Mondovi gesammelt; er war mit Schnee gemischt oecen 3 Uhr Nachmittags am o2°5 ke) und fiel nur eine halbe Stunde lang 13. Die Atmosphäre hatte während dieser Zeit eine gelbliche Farbe, die sich auch an den Gebäuden refleetirte, und der zuerst fallende Schnee war von derselben (röthlichen?) Farbe, während der später fallende von gewöhnlich weilser Farbe war. Der zu Moncalieri gefallene Schnee vom 13. bis 14. hatte eine Höhe von 9 Centimeter und der zu Mondovi 10 Centimeter, aber die gelben Streifen dazwischen waren sehr viel feiner.“ „Es ist wichtig zu bemerken, dafs der Deelimations-Apparat in Moncalieri während des 13. unruhig blieb, wie m Rom und an- derwärts. Das Electrometer gab Anzeichen emer starken elec- trischen Spannung in der Atmosphäre. Zu Mondovi sah Professor Bruno zur Zeit des gelben Schneefalles einen Blitz und hörte in der Höhe eimen Donner, was in dieser Jahreszeit dort unge- wöhnlieh ist.“ „Der gelbe Schnee, welcher in Moncalieri und Mondovi gesammelt und in einer Vorlage geschmolzen wurde, gab ein trübes Wasser, welches aber nach kurzer Ruhe ein röthliches Pulver zu Boden fallen liefs. Nach einer doppelten Filtration wurde dies das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 53 1870. 1870. 1870. Wasser klar und das rückbleibende, von mir untersuchte Pulver zeigte sich in seinen äufseren Charaeteren ganz gleichartig mit dem überall in Ligurien gesammelten, das mir durch memen Cor- respondenten aus Ivrea, Herrn Gatta, und durch seinen Sohn L. Gatta, übergeben worden war.“ „Da ich keine Mittel hatte eine genaue Prüfung dieses Staubes vorzunehmen, wandte ich mich an meinen Collesen Borsarelli, Professor der pharmaceutischen Chemie an der Universität zu Turin, welcher sich gütigst der Übernahme unterzog. Sobald mir die Resultate der chemischen und mikroskopischen Analyse zugegan- gen sein werden, werde ich mich bemühen sie zu veröffentlichen.“ „Der in Genua gesammelte Staub wurde, nach Bericht des Prof. Boccardo, von Dr. Castellueci, Professor der Chemie am dor- tigen technischen Institut, chemisch analysirt. Er fand ihn zusam- inengesetzt aus erdigen und organischen thierischen Elementen.“ „Diese Regen von rothem Staub oder rothe Schneefälle, wurden eine Zeitlang Blutregen genannt und sind keine neuen Thatsachen. Um nicht zu weitläufig zu werden und nicht die vielen von Arago, Kaemtz, Ehrenberg und Anderen gesammelten Beispiele, noch auch die alten Nachrichten von solchen Regen in unseren Gegen- den zu wiederholen, reicht es hin nur zu bemerken, dafs derglei- chen seit 1860 fast in allen Jahren vorgekommen sind. — * Am 13. April 1870 erfolste zu Janina in Albanien ein rother Staubniederschlag mit Regen vor Sonnenaufgang, dessen Analyse fo} hier gegeben ist. Am 3. Mai wurde m Ispahan in Persien eine reichliche Staub- probe von röthlicher Farbe gesammelt, deren Charactere in einem späteren Abschnitt gegeben werden. Am 11. October 1870 um 104 Uhr Morgens trübte sich die Luft bei leichtem Winde in Ura-tübe zwischen Chodjend und Samarkand und ging um 2 Uhr Nachmittags in eine so starke Dunkelheit über, dafs man bei Licht speiste. Die Luft war tief orangefarben. Die nächsten Gegenstände sah man auf einem orangefarbenen Fond. Die Usbeken nennen diese Erscheinung Ajun, die Sarten Topal- jang. Die Muhamedaner wurden in die Moscheen zum Gebet ge- 54 Enrenbere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über rufen, da man den Untergang der Welt hereinbrechen glaubte. Nach 3 Uhr fing es an zu regnen und zu schneien. Auf 3 Meilen (25 Werst) im Umkreis wurde dieselbe Erscheinung wahrgenom- men. Herr Antipin hat, nach einer brieflichen Mittheilung des Herrn Baron Osten Sacken, diese Nachricht, ohne Staubprobe, an lie geographische Gesellschaft zu Petersburg gelangen lassen. Tabellarısehe Übersicht des neuen Historischen. Erklärung der Zeichen. —- Blutregen + A heilser Blutregen. “= —? Staubregen, nicht vulkanischer Art, nicht roth. * —! other Staubfall. “w rothe Flüssigkeiten, Flüsse. 6) > o o rother Inseceten-Auswurf. = 5 . ee & Blitz und Donner gleichzeitig. A Nebel, Wolken staubtragender Art. X übelriechender oder ätzender Regen. ZI rother frischer Schneefall. HH-! rother Hagel FHX stinkender Hagel. ® Gleichzeitiges Feuermeteor. ® Gileichzeitiger Meteorsteinfall. & heiterer Himmel gleichzeitig. Y Blutige Ähren im Felde (=Sommer). — ? fragliche Masse, (?) fragliche Zeit. Vor Christus. ©* 743? TTT Kreuze auf den Kleidern der Leute. —-*+ verglichene Stellen der Geschichts- "1154? + 746(2)+ mm 730% ( £ En om hl 756+ * 95! am 800+ —+-? 300+ Naeh Christus. ? 393 —+ 330(?)+ eo —+ 451()+ * 950! +0 #1* "oo! TER —+1005+ —+ 517(9)+ „m1098+ +? 567+ T1226+ orig +-1226+ Quellen. *® directe eigene Analyse der Local- Erscheinung. ® Feuerregen. [] Mehlregen. & gallertige Schaumblasen u. Gallerten. © Eisenregen. O© phosphoreseirend. m1270+ Asa! bO1346+ 1582? —-1508 m 1583+ —-1542+ mm]dS3+ N1546+ —-1588+ NO1547+ —-1591 —-1555+ —-1596* —-1567+ —-1597+ -+1567+ NE —-1568 —+-1617') —+-1570+ o 0:1618+ or 1570+ Yı61s+ EOF571 (So: )1618* 1) 1617 ist 1847 erwähnt und später vervollständigt. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. -+1620+ 6°621622+ m 1623+ & ep23* —+-1623+ —+-1623+ m 1623+ —+0©1623') m1631r m 1631+ Aıß3l+ m1631+ sm 1632+ m 1634+ am1636*+ —+mm1640+ m1640r m 1641r m 164lt +0 1642+ —1642+ 61642+ m]1643+ —+1643+ —+1643+ m 1645+ —+-1645+ —-1645+ + © E1648+ 1652 nun HH FH1652 + +-q1653+ [D?1657+ I1661+ —+?1664+ 1665(?)? an 1668+ um1671+ m1675+ mm1675+ mm 1677+ &1677+ &AO1675+ #F168694+ m1690+ —+1695+ am1697+ %Y1697+ nm1701+ © ®1704+ "705% am1712+ D1714+ nm 1715+ &BOEı71s+ &b1721 2 1737 *©1749! "1762? vm1773? se a17sı AO1783 & "1792? &@**1796+ N1797 -RO100 NA®O1801 N®1303 &O1305* aAO1S11 &a_oO1sıl? A1s12+ @E1s13+ *1814% &a®O1S15 &0®1819 5 OF1s19? 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Nach Christus. + 359) —+1349 “6301 —+ 541 —+-1006 + 990 I s60() —+1446 —+-1009 —+ 583 1117 —+1017 I s64(?) -+1557 -+1120 —+1334 —+-1554 —+-1113 I1056 -—+1642 —+1551 —+1416 +1556() 1114 I1226 1643 —+1647(?) —+1551 —+-1567 —+-1163 —+-1349 Z1661 —-1648 —+1568 —-1571 —+1416 —+1446 —+-1691 —+-1664(?) —+1809 —+1640 —+-1552 —-1532 leur —+-1669 *1g10! —-?1705 —-1553 —-1551 "18331 I1678 I*1816! —+1711(9) —+1553 —-1557 ®1837! —+-1721 *1816! "1817! —-1555 —+-1559 "sel IH" ct ®1g17! ®1891! —-1588 —+-1643 *18391! =] Ian3® —+-1819(?) "1830! —-1596 —-1643 "1841! ZI1s08 *1836! *1534! —+-1617 —+-1645 "1849! Es! 21837 ®jg37! —+1653 —+1648 ZI1s50 Real zo "1s40! ee! —-1741 ZIıs51 "1821! I*1s63! "71829 I1sıo "1s56! WERFE "1870! *1837! *1sı7! "1860! ®18371! *1861! ir Zıs61 % ®1sog! T1862 "183g! *%1963! S Z1s64 #941! *1g64! | VD) Xıopp * ne I „1847! 1559: —- 1566 °1864!? [I-+-1870 * I*1s67! “1849! I*1s67! "149! ”1s50! *1s53! "1s60! —-1362 —-1366 "1569! *1369! —+.*1869 das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche orgamische Leben. 57 Tabelle und sogenannten Blutregen der von 1847. Juli. —+-1508 —-1550 —+-1553? —-1597 —+1608? —-1623 —-1646 sn! #837! "1861! —+1869 August. + 217() . —-1147 —+1163 —-1165 —+1435 —+1548 —+1570 —-1615 —+1623 *1g15! on! *1817! —-1549 Phys. Kl. 1871. September. Vor Christus. Nach Christus. —+-1567 —-1539 1-16 —+-1646 —+-1759 I1755 Eh z/! —+-1755 31837! —+-1763 —+-1763 I*1s14! sn! —*1330! *1834! %1g837 1 "1346! *1g61! ”1870! October. November. —4+1542 —+-1548 —+1623 —+-1642 -+1755 * 1765! FISı1z! —+1319? "1937! Z1343 *1g867! December. —+ 184(?) (+ 169) 21999 —+1269 —+1549 —+-1556 —-1560 ns! %1g37! 58 Enrenpera: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Geographische Übersicht der seit 1847 hinzugekommenen historischen Nachriehten, nach den Ländern. (Die *° bedeuten eigene Analysen. Die ? bezweifeln die Passatstaubnatur.) Europa. 1. Italien mit den naheliegenden Inseln. 451? 1773 1561 1865 1867 ke 1860 "#964 a ETTN het wel Sieilien. 800 1781 1849 "1869 “1369 1870 2. Deutschland. Allgemein. Anhalt. Braunschweig. Hannover. Niederlande. a. ©. 355 1805 1640 1641 p. C. 823 1721 1643 @. Belgien. 1005 1567 1583 Baden. Böhmen 1568 & & Hessen. ; 1622 1s1l und Mähren. E3- 1762 1623 a 5. Holland. 1783 1819 De 1701 1s1l Baiern. 1824 1678 1570 Würtemberg. 1583 Elsals. Mecklenburg. 1623 1643 1642 1623 1648 1642 1648 1705 1661 1815 Österreich. Preulsen. Sachsen. Schweiz. 1508 “347 567 1632 1697 1547 1623 1613 1561 786 1634 1712 1567 Ss 1642 „ 1226 1636 **1796? 1570 a 1664 11862 1270 1641 1500 1631 "*l1s50 167). 1546 1652 **1848? 1651 x) 1737 1864 1553 1665 **1550? 1632 |. 1803 1866 1582 1668 1854 16400 j1eal IS15 1867 1588 1675 a 1643 a = 1596 1675 **1 1859 1645 "*11855 "*1869 1597 LoRR = 1652 “| u 1631 1690 1862 1715 al 1631 1695 "1564? ws ©1867 | das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche orgamische Leben. 59 3. Frankreich. 4. Piemont. 7. Europ. Türkei. 10. Polen. 1098 1814 517? 1542 1620 1591 1870 746 1564 1617 950 **1869 b “x 1% and. nut 5. Ungarn. 18570 ei ind En 451 8. England. H ee n, 1714 330° 1653 Me RR 1797 800 **1849? x 1645 1849 1561 1862 **1869 6. Griechenland. = 12. Sibirien. 1563 1560 9. Schweden. *319997 1697 #934 Afrika. (Atlantischer Westocean) Algier. Dunkelmeer. Capverden. Canarien. 365 9 *#1859 Fr an Mn „1863 "1867 1856 | #861 Asıen. Palästina Persien. Turan. Indien. China. Indischer und Syrien. 1362 1870 1718 a. 0.1154 1000? Ocean. a.0. 730 #870 1849 83 1572 _**1856? p- ©. 1226 p. C. 502 **1850 xx > rc RX 1560 630 2 900? ..! 1593 "*1856? Amerika. Süd-Amerika. Nord- Amerika. Stiller Ocean. 1792 1762 1819 **1851? 1324 1519 1833 gr 60 EHRENBERG: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über II. Neue Beobachtungen. 1. Seiroeco-Staub vom 23. bis 24. März 1569 in Süd-Europa. Wenn ich von der chronologischen Folge der hier abzuhandelnden Erscheinungen abweiche, so geschieht es des einflufsreichen Meteorstaub- falles wegen, welcher am 23. u. 24. März 1869 stattgefunden hat. Der in den Monatsberichten des Jahres 18691) von mir erläuterte rothe Pas- satstaub der Dardanellen vom 24. März 1869, so wie seme Verbreitung über ganz Griechenland, Dalmatien und Krain, dessen Proben mir durch den Director der Sternwarte zu Athen J. Schmidt und durch den Direc- tor des meteorologischen Institutes in Wien Professor Jelinek zugäng- lich geworden, hat, nach weiteren Nachrichten, am gleichen Tage eine noch viel gröfsere Verbreitung bis über Süd-Ifälien und Sieilien gehabt, worüber Professor Silvestri in Catania mir directe ausführliche Nach- vichten gegeben und Staubproben übersandt hat. Sowohl in Griechen- land wie in Italien ist die Richtung des Sturmes während des Staubfalles als aus Nordost, also nicht aus der Richtung von Afrika kommend, be- zeichnet, sondern entgegengesetzt, wobei jedoch nicht aufser Acht zu lassen sein wird, dals der Sturm in rascher Folge aus sehr verschiedenen Richtungen eimgetreten ist, die eine eyclische Bewegung desselben anzei- sen. Das Fallen solchen Staubes mit Nordsturm ist jedoch auch ander- wärts mehrfach angezeigt worden. Über den am 24. März 1869 bei den Dardanellen gefallenen, von Nordost-Sturm getragenen Meteorstaub ist nöthig hier Folgendes aus dem Monatsberichte von 1869 abgekürzt in Erinnerung zu bringen. Nach Prof. Julius Sehmidt’s Mittheilung gab es in den genannten Tagen in Athen und im östlichen Mittelmeere starke Orkanstürme von 8.-O., S., S.-W.. und W. Am 24. März wehte in den Dardanellen ein starker Nordost-Sturm, welcher eine überraschende Menge eines rothen Staubes bei Tschanäk-KRalessi ablagerte, wo Herr Calvert sich der Beobachtung und Einsammlung einer Probe umsichtig angenommen hat. Diese an Herrn Prof. J. Schmidt in Athen gelangte Probe samt den Nachrichten 1) ]. c. p. 308. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche orgamısche Leben. 61 über die Nebenumstände konnten von mir schon am 8. April 1869 der Akademie vorgelegt werden. Über den gleichzeitigen Barometerstand hat Prof. Schmidt reichhaltige Auskunft gegeben und auf meinen Wunsch noch weitere Nachforschungen über das Phänomen angestellt. Das un- geheure Massenverhältnifs des gefallenen Staubes bei den Dardanellen betrug, nach Herrn Calverts ungefährer Schätzung, 15 tons auf die englische Quadrat-Meile. Gleichzeitig wurde vom Director des meteorologischen Instituts in Wien Prof. Jelinek die Nachricht gegeben, dafs sowohl in Lesina bei Dalmatien, als in Krain (Weixelstein, Cilli) am gleichen Tage (24. März) und aus gleicher Windrichtung sich rothe Staubfälle unter Sturm ge- zeigt haben, deren Proben mir ebenfalls von Prof. Jelinek zur Verfü- gung gestellt worden sind. Die verschiedenen Staubproben haben im Äufseren eine völlige Übereinstimmung der Substanzen erkennen lassen und die mikroskopische Analyse von 1869 wird jetzt ansehnlich erweitert vorgelegt. Das damals gegebene Formen-Verzeichnils vom Staube der Dar- danellen ist in den 10 Analysen jetzt auf 54 organische Beimischungen erhöht, worunter 21 Polygastern, 29 Phytolitharien, darunter 4 Spongo- lithen, 1 Kalk-Polythalamie und 3 weiche Pflanzentheile. Die 5 Analysen der Staubprobe von Lesina haben bei weiterer Prüfung 28 organische Beimischungen ergeben und zwar 14 Polygastern. 11 Phytolitharien, keinen Spongolith und 3 weiche Pflanzentheile. Die 10 Analysen der Staubprobe von Cilli haben bei weiterer Prüfung 20 organische Formen gezeigt, nämlich 11 Polygastern, 9 Phy- tolitharien, darunter 3 Spongolithen. Die 5 Analysen der Staubprobe von Weixelstein haben bei weite- rer Prüfung 14 organische Formen ergeben, 6 Polygastern (5 Gallio- nellen) 8 Phytolitharien, darunter 1 Spongolith. Von diesen 4 Lokalitäten ist das Verhalten beim Glühen, gegen Salzsäure und mit polarisirtem Lichte in dem Monatsberiehte von 1869 bereits angezeigt. Durch Professor Silvestri ist in Sicilien eine so intensive viel- seitige Beobachtung sowohl des Orkans vom gleichen Tage (24. März). als der von ihm getragenen atmosphärischen Substanzen ausgeführt 62 Euresgerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über worden, dafs dieselbe eine der hervorragendsten Stellen in der Reihe der- artiger Beobachtungen einnimmt. Höchst auffällig und merkwürdig ist seine Beobachtung lebender mikroskopischer Organismen und ihrer ver- schiedenartigen Bewegungen in dem aufgefangenen Regenwasser. Der Wortlaut der Beobachtungen Silvestri’s ist aus der Gazetta della Pro- vincra di Catania!) von mir übersetzt folgender: — „Am 23. März erwarteten wir des Morgens den Eintritt eines jener, „von der neueren Meteorologie vorhergesagten, schweren Ereignisse. Mit „dem zunehmenden Wüthen eines wachsenden Sturmes war das Meer „von Sieilien durch dessen Gewalt zu ungeheurer Wildheit und Toben auf- „gerest. Der Sturm blies heftig aus Osten und liefs das Barometer auf „744””, 58 fallen bei einer Standhöhe über dem Meere von 31,23 Meter. „Die Atmosphäre verdunkelte sich durch dicke Gewitterwolken, welche, „wie man es hier in Catania erblickte, dem Himmel einen eigenthümlichen „Anblick gaben. Die Luft war durch eine braungelbe Dunkelheit ver- „finstert, die von Zeit zu Zeit von einigen seltenen electrischen Blitzen „durchleuchtet wurde. — Diese Erschemung war von dem Umstande „begleitet, dals beim Beginn des Regens derselbe die Farbe der Wolken „hatte und gelbe Flecken hervorbrachte. „Im chemischen Laboratorium der Universität zu Catania wurden „Versuche mit diesem Wasser gemacht, welche folgendes Resultat ergaben: „Eine Menge des vom Himmel gefallenen, durch eine schwebende erdige „gelbe Materie milchartig getrübten Regens lieferte in der Ruhe einen „gelben Bodensatz. Es blieb aber immer eine leichte Trübung zurück, „selbst nach Absonderung des Bodensatzes und Filtration. Nur erst nach „2, oder besser 3 aufemander folgenden Filtrationen konnte man das „Wasser klar und farblos erhalten. Die niedergeschlagene und durch „Filtration abgesonderte Masse war eine gelbe Substanz, die sich wie „Thon kneten liefs. Das Wasser reagirte schwach sauer und zeigte bei „einer Temperatur von 12° Ö©. ein specifisches Gewicht von 1,0012 ver- „glichen mit dem reinen Wasser — 1. „Das mehrmals filtrirte und also klare Wasser ergab beim Ab- „dampfen einen sehr geringen Rückstand, welcher bei starker Hitze erst {) 1. ce. Anno III 1869 Giovedi 1. Aprile No. 38 p. 3. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 65 „schwarz und dann weils wurde. Die schwarze Farbe erschien als eine „Spur organischer verkohlbarer Materie, verbrannt und verkohlt war der „weilse Rückstand als Seesalz zu 0,021 zu 0,0 zu bestimmen.“ „Die gelbe im Wasser schwebende und dasselbe trübende Substanz „steht zur Masse in einem Verhältnifs wie 0,23 zu 0,0. Sie färbt sich „durch Hitze schwarz, hat dabei einen Geruch von verbrannter Wolle „und nimmt dann das Äufsere, die Zähigkeit und die rothe Farbe des „gebrannten Thons an. Bei der Erhitzung verringert sich das Gewicht „der Substanz zu 23,28 bei 0,0 was die verbrennbare Materie darstellt „und nachweist, dafs sie einen organischen stickstoffhaltigen Antheil hat.“ „Nach den Resultaten der chemischen Analyse ergiebt ein Liter „Regenwasser, welches 1001,2 Gr. wiegt, folgende Bestandtheile: Wasserk. Mn a2 ‚uGr.19IE8372 !khonerdeier mal, 0,910 Kalksand (kohlens. Kalk) 0,289 Kieselerdiser Sand (Kiesel) 0,121 Peroxydhydrat v. Eisen 0,252 Chlor-Soda . . . . 0,216 Spuren von Schwefelstoffen 0,000 organ. stickstoffh. Materie 0,540 Ein Liter Regenwasser 1001,2 Gr. „Höchst wichtig ist dieser Regen auch rücksichtlich der mikro- „skopischen Analyse. Bei 500 maliger Vergröfserung im Durchmesser „fand sich, dals die organische stickstoffhaltige Materie, welche durch die „chemische Analyse aufgeschlossen wurde, ganz aus organischen verschie- „denartigen Formen besteht. Es giebt darin Keime und Pollen von „phanerogamischen Pflanzen, zellige Algen, wahrscheinlich vom Genus „Protococeus, Algen von zusammengesetzterer Structur, Sporen derselben „zwischen verwickelten Fäden, oder in Fruchthüllen verschiedener Form „und Aussehen, von gelber, gelblich grüner, grüner und auch von schön „granatrother Farbe. Aufser diesen Formen sieht man noch überaus viele „lebende Infusorien mit schnellen, unruhigen, kriechenden oder auch „geradlinigen Bewegungen. Einige dieser Infusorien gehören vielleicht dem „ersten Stadium der Algensamen an, welche ihre Entwicklung mit anıma- „lischen Bewegungen beginnen, sie sind mit Bewegungsorganen in der 64 EurenBerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über „Gestalt von langen Wimpern versehen. Andere sind wirkliche mikro- „skopische Thiere des Genus Monas, welche sich in süfsen, mit organi- „schen Stoffen erfüllten Gewässern schnell zu entwickeln pflegen.“ „Auf der Sternwarte zu Neapel wurde ebenfalls beobachtet, dafs „am 14. März mit Scirocco Wind die Luft stark höherauchartig getrübt „wurde, das Barometer sank bis auf 637"" und es fiel ein Regen ebenfalls „von gelber Farbe. Eine Nachforschung, ob dieser gelbe Staub nicht aus „dem Vesuv gekommen sei, ist unterblieben. In unserem Falle können „wir bestimmt versichern, dafs der Staub nicht aus dem Ätna gekommen „ist, statt dessen glauben wir, dafs er aus der asiatischen Türkei oder „aus der Nähe des griechischen Archipels, vielleicht auch aus noch fer- „neren Gegenden des Orkan-Ursprungs hergeführt sein möge. Es scheint „auch, dafs man annehmen kann, dafs die Infusorien sich in der Luft „erzeugt und entwickelt haben. Diese Vermuthung stützt sich darauf, „dals das aufgefangene Regenwasser nach der Filtration ganz dem ge- glich, nur mit der Ausnahme seines geringen = „wöhnlichen Regenwasser „Gehaltes an Meeressalz oder Chlorsodium, welches aus dem Schaume „des sehr aufgeregten Meeres in die Wolken getragen sein konnte. Die „gefundene Proportion des Chlorsodium von 0,021 zu 0,0 ist sehr gering „im Verhältnils zu 3,775 zu 0,0 des Salzgehaltes unseres Meerwassers. „Dieser geringe Stoffgehalt, welcher darin aufgelöst ist, schliefst auch „seinen Ursprung aus stagnirenden Gewässern irgend eines Sumpf- „bassins aus.“ „Das Wasser, welches während des Sturmes in Catanıa, Sıcilien, „und in Calabrien gefallen ist, zeigt also keinen anderen Ursprung als „den gewöhnlicher Verdunstungsprocesse. Das würde nicht der Fall „sein, wenn man die uns beschäftigende Erscheinung sich mit einem „Wirbelwind hätte in Verbindung denken wollen. Der Wind hat sicher- „lich seine Mitwirkung gehabt, aber nur im Heben und Tragen des „Staubes der Erdoberfläche bis zu grolser Höhe, wo die Luftwellen, „welche die fortwährenden Schwankungen des Barometers hervorgebracht, „ihn weiter geführt haben.“ — So weit Silvestri. Eine günstige Fügung hat es mir möglich gemacht, an den von Professor Silvestri gesammelten Proben vergleichende Beobachtungen mit den von mir früher analysirten Substanzen selbst anzustellen. Die das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 65 sämmtlichen Elemente des von mir in drei Proben analysirten, theils in Neapel, theils in Palermo und Catania am 23. und 24. März mit einem und demselben Orkan gefallenen rothgelben Staubes betragen an Zahl 79 verschiedene mit besonderen Namen zu belegende Formen, welche in der beigehenden Tabelle in leicht vergleichbare Übersicht gebracht worden sind. Diese von mir selbst und unter meiner Leitung mit Sorgfalt auf- gefalsten und in Zeichnungen festgehaltenen, nach fixirten Präparaten dargestellten Elemente bestehen aus 27 kieselschaligen Polygastern, 47 kieselerdigen Phytolitharien, 2 kalkschaligen Polythalamien, 3 weichen Pflanzentheilen und unorganischen Bestandtheilen. Die einzelnen zur Analyse gekommenen Proben dieses Staubtalles bestehen in zwei hier zu betrachtenden kleinen Mengen, welche Professor Scaechi in Neapel mir zur Untersuchung zuzusenden die Güte gehabt und der von Professor Silvestri mir zugänglich gemachten. 1. Neapel. Diese Probe ist von Professor Scacchi mit der Be- merkung begleitet: „Masse, welche von dem in der Nacht vom 23. bis 24. März in Neapel gefallenen Regen nach 24 Stunden auf der Terrasse meines Hauses gesammelt worden ist.“ — Die Substanz ist ein röthlich gelber sehr feiner Staub, welcher geglüht erst schwarz und dann röther wurde, mit Säure berührt nicht brauste. Von diesem Staube wurden fünf Präparate 4 Cubiklinie grofser Theilchen nach der gewöhnlichen Weise gemacht. Die mikroskopische Analyse ergab in einem sehr feinen, thonigen Mulm mit selten eingestreu- ten doppeltlichtbrechenden feinen Trümmersandtheilchen 12 organische nennbare Formen, darunter 7 kieselschalige Polygastern-Arten, 4 Arten Phytolitharien. Die Mehrzahl der organischen Formen bilden dieselben (rallionellen, welche überall die ım Passatstaub vorherrschenden Formen sind. Nur ein Fragment eines Üoscinodiscus, vergleichbar den in den Abhandlungen von 1847 gegebenen Abbildungen, könnte möglicherweise einer Meeresform angehören, alle übrigen Formen sind Sülswassergebilde. Unter den Phytolitharien ist zwar ein Spongolith, der aber auch keinen Character einer Meeresbildung besitzt. Zu bemerken ist noch, dafs in jedem der fünf analysirten Theilchen mehrere organische Formen erkenn- bar wurden. Phys. Kl. 1871. 9 66 Enrengere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 2. „Staubprobe in Palermo in der Nacht vom 23. bis 24. März gefallen.“ — Von Professor Seacchi übersandt. Die Substanz ist ein sehr feiner, ebenfalls röthlich gelber Staub, welcher geglüht erst schwarz, dann röther wird, mit Salzsäure berührt wenig braust. In 20 Analysen von 4 Cubiklinie der Masse ergab die mikroskopische Untersuchung in einem feinen Eisenthon-Mulm mit reich- licher Beimischung von Trümmersand 53 darin eingestreute organische Formen-Arten und zwar 18 kieselschalige Polygastern, 30 kieselerdige Phytolitharien, 2 kalkschalige Polythalamien und 2 weiche Pflanzentheile. Grüne pyroxenartige Crystalle waren noch in die unorganische Masse eingestreut. Unter den 18 Polygastern-Arten sind 17 Süfswasser- formen und wieder am meisten vorherrschend die Gallonellen, welche charaetergebend für den Passatstaub sind, samt Campylodiscus Fragmen- ten. Entschiedene Meeresformen könnten die nur sehr selten gesehenen Coscinodiscus Fragmente sein. Unter den 30 Phytolitharien sind 7 Spon- golithen, die ebenfalls keinen entschiedenen Character von Meeresbildun- gen, wohl aber den von Sülswassergebilden haben und von den übrigen Phytolitharien ist nur zu bemerken, dafs sie sämmtlich terrestrischen Ur- sprungs sein müssen und dafs keines von ihnen eine ausgezeichnete neue Form darstellt. Es ist noch anzudeuten, dafs die hier und in den an- deren Meteorstaubarten vereinzelt vorgekommenen Assula-Arten auf den Hochgebirgen Asiens!) im Himalaya als zahlreich zusammenhängende Platten vorgekommen sind. Die beiden Polythalamien mögen vielleicht anzeigen, dafs sie aus irgend einer kreideartigen Oberflächenbildung mit fortgerissen sind, da die Schalen sich ohne organischen Inhalt zeigten. Hieran schliefst sich nun die von Professor Silvestri übersandte Probe jenes von ihm selbst so sorgfältig und frisch geprüften Nieder- schlages vom 23. und 24. März zu Catania. Die Substanz ist ebenfalls ein röthlicher, etwas mehr ins Graue übergehender feiner Staub, welcher beim Glühen erst schwarz, dann röther wird und bei Berührung mit Salzsäure wenig braust. Die mikroskopische Analyse von 20 4 Cubiklinie grofsen Theilchen der Masse ergab die Summe von einzeln eingestreuten 59 organischen Formen, nämlich 20 kiesel- 1) Abhandl. d. Akad. 1358, Taf. III. (Difflugia?) das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 67 schaligen Polygastern-Arten, 34 kieselerdigen Phytolitharien-Arten, 2 Po- Iythalamien-Arten und 3 weichen Pflanzentheilen. Die Hauptmasse zeigte sich aus quarzigem Trümmersand und Eisenthon-Mulm bestehend, ohne deutliche Spuren vulkanischer Elemente, aufser grünen pyroxenartigen Orystallen. Unter den 20 Polygastern gehören 19 den terrestrischen Sülswasserformen an und unter ihnen sind die Gallionellen wieder in solchem Maafse vorherrschend, dafs sie in jedem untersuchten Präparat mehrfach vorhanden waren. Unter den 34 Phytolitharien sind 9 Spongolithe, sämmtlich den Sillswasserformen angehörend, nur mit Ausnahme von Sp. septata, welche als Meeresform anzuerkennen sein mag. Sp. Rectangulum n. sp. ist eine unansehnliche kleine Form, welche wohl auch zu den Süfswasserformen gezählt werden mag. Die 2 Lithasterisken könnten allerdings Theile von Meeresschwämmen, (eodien, sein. Unter den übrigen Phytolitharien, welche sämmtlich terrestrischen Grasbildungen anzugehören scheinen, sind nur einige sich unwesentlich auszeichnende Formen, die meisten gehören den weit verbreiteten Arten an. Von den 2 Polythalamien ist nur aus- zusagen, dals keine ganz deutlich aufzufassen war, aber auch die beiden nur einmal vorgekommenen ganzen Formen als leere Schaalen erkannt worden sind. Auch sie mögen einem Kreidegebilde der Mittelmeer-Umge- bung angehören. Unter den weichen Pflanzentheilen zeichnet sich das sternförmige Pflanzenhaar aus, welches einer unbekannten Gestaltung an- gehört, sich aber zunächst in Gröfse und Form an die Sternhaare von Elaeagnus anschlielst. Aufserdem wurde ein Fragment eimer Holzfaser beobachtet, welches eine Reihe grofser Zellen erkennen läfst, die an jene des Fichtenholzes sich anreihen. Die sämmtlichen sieben sehr verschiedenen Lokalverhältnisse des Meteorstaubes eimes und desselben Orkans (von den Dardanellen über Lesina und Krain bis Sicilien) zeigen wieder nicht nur den auffälligen Character einer Übereinstimmung der grofsen Mehrzahl ihrer Formele- mente, sondern auch das Vorherrschen derselben Galhonella-Arten in solcher Menge, dafs in jeder kleinen Analyse von, 4 Oubiklinie der Sub- stanz mehrere, oft viele Specimina erkennbar wurden. In keinem der vorgekommenen, wohl erhaltenen, vielleicht nicht leeren, nur farblosen Exemplare haben sich farbige Erfüllungen des lebenden Körpers erkennen o= 68 Enurenpere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über lassen. Ebenso ist zu bemerken, dals fast alle beobachteten Formen schon bekannte, weit verbreitete Arten sind. Die Gesammtzahl der in den 7 analysirten Proben des Passat- staubes vom 24. März 1869 beobachteten Formen beträgt im Ganzen 107 organische Elemente, und zwar 40 Polygastern, 54 Phytolitharien, 5 Poly- thalamien und 8 weiche Pflanzentheile. 2. Meteorstaub von 10. März 1869 in Italien. Da mir mit jenen Meteorstaubproben vom 24. März noch zwei Proben vom 10. März aus Neapel von Herrn Professor Scacchi über- sendet worden sind, so wird es angemessen sein auch die Resultate von deren Analyse hier anzuschliefsen. Eine dieser Proben ist aus Neapel selbst, ist aber leider so klein, dafs die Gesammtmasse kaum 4 Cubiklinie gleicht, wie sie bei jeder der übrigen Analysen zu Grunde gelest worden, und die davon gemachten zwei Präparate haben keine deutlichen Resul- tate an die Hand gegeben. Die andere Probe ist von der /sola di Sora, vermuthlich der Flufsinsel bei der Stadt Sora. Die feine Masse ist wieder von der röth- lich selben Farbe des feinen Passatstaubes. Die Versuche des Glühens und der Berührung mit Salzsäure mufsten der geringen Substanzmenge halber unterlassen bleiben. Die mikroskopische Analyse der 20 gleichartigen Präparate ergab in emem feinen Eisenthon-Mulm 51 organische Formen und zwar 24 kie- selschalige Polygastern-Arten, 24 kieselerdige Phytolitharien-Arten und 3 weiche Pflanzentheile. Alle Polygastern-Arten sind wieder Sülswasser- formen, doch ist bemerkenswerth, dafs die hier beobachtete Namenla undosa bis jetzt eine characteristische Gestaltung für Amerika ist, und dafs die hier ebenfalls beobachtete Synedra Entomon auch früher zu diesen amerikanischen Characterformen gehörte, später aber eine grölsere Verbreitung gezeigt hat. Alle übrigen Formen gehören den weit ver- breiteten Arten an und nur einige fragmentarische lassen über die Über- einstimmung mit bekannten Arten ım Zweifel. Was die Phytolitharien anlangt, so sind die beiden Spongolthrs und Amphrdiscus truncatus Sülswasserbildungen und alle übrigen nur terrestrische Grastheile, alle gehören bekannten Formen an. Kleine das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 69 Fichtenholz-Fragmente und ein einfaches Pflanzenhaar bilden die erkann- ten weichen Mischungstheile von Pflanzen. Aus dieser Analyse ergiebt sich, dafs die Atmosphäre um Neapel auch vor dem grofsen Sturm vom 24. März schon mit den ganz gleich- artigen Staubverhältnissen, wie mit emem trocknen Nebel erfüllt gewesen. 3. Staubfall vom 6. und 7. Februar 1563 auf den Canarischen Inseln. Durch ein besonders günstiges Verhältnifs hat Herr Dr. v. Fritsch, Verfasser des neuen wichtigen Werkes über die Geologie der Canarischen Inseln, Gelegenheit gehabt, bei seinem Aufenthalte auf den Canarischen Inseln Augenzeuge des überaus mächtigen, rothen Staubnebels zu sein, welcher am 6. und 7. Februar, auch den Nachrichten des Padre Denza zufolge, den Pie von Teneriffa bedeckte und sich auf den Schiffen in den Häfen, sowie auf Palma und Ferro ablagerte. Dr. v. Fritsch giebt in Petermann’s geographischen Mitthei- lungen 1866, in seinem Aufsatz über die Canarischen Inseln p. 222 tol- sende gewichtige Nachrichten darüber. Nach einem 7 Tage ununterbrochen wehenden Passat, als er für wenige Stunden in Ost-Süd-Ost Wind umschlug, führte der Wind aus dieser Richtung einen Regengufs und eine Menge gelben Sandes herbei, der als Staub auf den 5 Inseln in verschiedener Menge verstreut wurde, am meisten auf Palma. Auffällig war, dafs der Wind aus bedeutender Höhe herabkam, so dafs der Schnee an den Gehängen des Tyde deutlich gelb gefärbt erschien. Ebenso merkwürdig war, dafs nach ganz bestimm- ten Nachrichten die beiden östlichen Inseln Lancarote und Fuerteventura gar nicht berührt wurden. Am meisten befremdend war die Kälte, welche der Wind aus den oberen Theilen der Atmosphäre herabbrachte, so dals in Valverde noch früh um 7 Uhr eine fingerdicke Firnschicht lag und die Temperatur von 9,5° im Mittel auf 5,5° herabsank. Die Windrichtung aus O-S-O ist Herr v. Fritsch geneigt, für eine Ablenkung des Anti- passates durch den entgegen wehenden Passat zu halten. Der heifse Wind seı auf den Canaren eine seltene Erscheinung und habe nicht ein- mal einen eigenen Namen. So wäre denn aber also erfahrungsgemäls der rothe Staub des Dunkelmeers nicht ein aufwärts gewirbelter. sondern ein sich aus grolser Höhe herabsenkender Nebel. 70 Enrungenrg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Durch Dr. v. Fritsch habe ich zwei Proben dieses Dunkelmeer- staubes selbst von Palma und Ferro erhalten. Die Substanz von Palma ist ein unfühlbar feiner Staub von weilslich hellröthlicher Farbe, welcher geglüht dunkler roth wird. Mit Salzsäure berührt erfolgt starkes Brau- sen. Da nur ein undeutliches Polythalamien-Fragment sichtbar gewor- den ist, so muls der kohlensaure Kalk eine mulmartige Beimischung bil- den, deren kleine eubische Crystalle weiter bezeichnend sind. Mit pola- risirtem Lichte zeigt sich der Mulm vielfach und in den vereinzelten kleinen deutlichen Crystallen doppelt lichtbrechend. Weder glasartiger noch zelliger Bimsteinstaub wurde erkennbar. Die mikroskopische Prüfung ergab in 20 Analysen 48 organische Formenarten, nämlich 20 Polygastern, 27 Phytolitharien, darunter 3 Spongolithe und 1 Kalk Polythalamien-Fragment. Die vorherrschenden Formen sind Gallionellen und Lithostylidien, deren Zahl ungefähr 40 bis 50 auf jedem Präparat von 4 Cubiklinie Masse beträgt. Die Mehrzahl dieser Formen sind weiter verbreitete, schon genannte Formen, ohne be- sondere Hinweisung auf ihren Ursprung. Nur eine Rhaphoneis scheint eine neue, noch aus keiner Erdoberfläche hervorgetretene Form zu sein. Die Hauptmasse bildet ein unorganischer, feiner Mulm mit feinem quar- zıgen Trümmersand, in welchem feine weilse eubische Crystalle verein- zelt vorkommen. Die Substanz von Ferro ist in sehr geringer Menge gesammelt, von Farbe braun rostroth und nicht ganz so fein, als der Staub von Palma. Beim Glühen wird die Substanz zuerst schwarz und dann dunk- ler roth. Mit Salzsäure erfolgt kein Brausen. Bei polarisirtem Lichte erscheinen die gröberen Theile oft doppelt lichtbrechend mit Mulm und Sandklümpehen. Die mikroskopische Analyse ergab in nur 10 Präpara- ten 17 organische Formenarten, nämlich 5 Polygastern, 12 Phytolitharien, darunter 2 Spongolithe. Besondere Gestaltungen lielsen sich nicht un- terscheiden. Von einer gleichzeitigen vulkanischen Thätigkeit auf den Inseln ıst und kann hiernach nicht die Rede sein. 4. Staubprobe vom 22. Januar 1864 aus Troppau und Ratibor. Von dem von Prof. Cohn sehr umständlich erläuterten Meteor- staubfalle im Schlesien (42. Jahresb. d. Schles. Ges. 1864. p. 30) sind das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche orgamische Leben. TI mir Proben von Troppau und Ratibor zugekommen, deren Analyse hier mitgetheilt wird. Die Probe von Troppau ist von grauer Farbe, ohne röthliche Reflexe. Beim Glühen wird der Staub erst schwarz und dann gelblicher grau. Kein Brausen mit Salzsäure. Die mikroskopische Ana- Iyse von 10 üblichen Präparaten ergab in einem feinen Mulm mit Quarz- trümmersand eine reichliche Mischung von gröfseren Lithostylidien mit nur wenig Bacillarien (Synedra?, Eunota amphioays, Pinnularia boreahs?. Fragrlaria?). Unter 22 Phytolitharien-Arten ist keine unbekannte Form und als Spongolith nur Sp. acieularıs. Die Probe von Ratibor ist ebenfalls von grauer Farbe und wird durch Glühen erst schwärzlich und dann nicht roth, sondern gelblich- grau. Sie ergab mit Säure kein Brausen, enthielt m 10 Analysen 21 weit verbreitete Phytolitharien-Arten und als Polygaster Punoha am- phiowys. Unter den Phytolitharien ist Amphrdiseus? und ein Spongolithen Fragment. Aus diesen Mischungsverhältnissen, welche nur Charactere der nächsten Oberflächen enthalten, läfst sich auf eine Betheilisung des Passat- staubes in keiner Weise schliefsen, weshalb auch in den Verzeichnissen ihrer nicht weiter gedacht wird. 5. Passatstaubfall in Rom 1564 und 1366. Zu dem im Jahre 1868 in dem Vortrage über die rothen Guinea Erden (Abhandl. d. Ak. p. 39. und 42.) bereits angezeigten Passatstaub- fällen m Rom vom Jahre 1864 und 1866, deren mikroskopische Analyse theilweis in den Monatsberichten 1869 p. 320 veröffentlicht worden, gebe ich hier noch folgende Erläuterungen und Zusätze. Die mir von Hrn. Seechi zugesandten, von ihm im Bullettino meteor. dell Osservat. Romano 1866 Marzo 51 ausführlich erläuterten Proben dieser Staubarten sind ein sehr feines Pulver von rother Passat- staubfarbe. Die mikroskopische Analyse der Staubprobe von 1864 ergab einen vorherrschenden feinen Trümmersand und Mulm mit reichlicher organischer Mischung, der Sand wurde bei polarisirtem Lichte farbig. Die organische Mischung bestand in 10 4 Oubiklinie grofsen Mengen der Substanz aus 35 Formenarten nämlich 14 Polygastern, 19 Phytolitharien, darunter 3 Spongolithen, 1 Polythalamien - Fragment und 1 weichen 72 Enrenseunrg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über PHlanzentheil. Die vorherrschenden Formen sind die Gallionellen, von denen wohl 20 in jedem Präparate gesehen wurden. Die Staubprobe von 1866 zeigt bei mikroskopischer Analyse feinen doppelt lichtbrechenden Trümmersand, mit vereinzelten eubischen Cry- stallen und Mulm, als organische Bestandtheile 40 Formenarten in 10 Ana- sen, nämlich 18 Polygastern, 21 Phytolitharien, darunter 3 Spongolithe und 1 weichen Pflanzentheil. Gallionellen, sammt Zunotia amphioxys mit Lithostylidien waren in jedem Präparat reichlich vorhanden. Die Erschemungen dieser Jahre werden von Secchi als an- dauernde Lufttrübungen in grolsem Maafsstabe bezeichnet, italiänisch „ealigine“, in Spanien „caline* genannt, der Gegengründe ungeachtet, wieder aus Afrika anstatt aus dem Dunkelmeere abgeleitet und als auf das Sonnenspeetrum eigenthümlich einwirkende Luftverhältnisse bezeich- net, in denen das Hygrometer meist keine Feuchtigkeit zu erkennen gab und deren Staub bei eintretendem Regen sich mit diesem mischte und an den Fenstern bemerkbar wurde. Die geringen Mengen erlaubten keine Prüfung mit Säure und Glühen. 6. Über einige neuere röthliche Staubfälle in der Schweiz 1367. Im Jahre 1850 habe ich in der Schweiz gefallene Scirocco Staub- arten analysirt und in den Monatsb. mitgetheilt. Professor Brunner jun. hat bald darauf in einer Schweizer Zeitschrift sehr verdienstliche Ergän- zungen derselben Ereignisse bekannt gemacht. Zuletzt habe ich im Jahre 1867 in einer Abhandlung „über die vothen Erden als Speise der Guinea-Neger“* und wieder im April 1869 in den Monatsberichten der Verbindungen des Föhn mit rothem Staube als einer nur periodischen Erscheinung gedacht, die keinen inneren Zu- sammenhang habe. Neuerlich sind zwei Beobachter in der Schweiz für weitere Entwieklung dieser Kenntnisse hinzugetreten. Zuerst ist die Er- scheinung eines sehr verbreiteten, massenhaften, grau rothen Schneefalles in Graubündten vom 15. Januar 1867 durch Herrn Dr. Killias aus vielen Nachrichten und eigenen Beobachtungen zusammengefalst und in den Schweizerischen Meteorologischen Beobachtungen von Zürich Jahr- sang 1867 veröffentlicht worden. Aus diesen ausführlichen gedruckten das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 73 Mittheilungen hebe ich nur folgendes characteristische Bild dieser Er- scheinung hervor. Am 15. ‚Januar 1867 erschien in Graubündten zu Chur, Churwal- den, Oberhalbstein, Bergün und Albula zu Mitternacht, oder früh Vormittags, ein sogenannter rother Schneefall, welcher sich vom Mittag zum Abend bis nach dem ÖOberengadin und Poschiavo fortsetzte und abwechselnd mit weilsen Schneelagen überdeckt wurde. Die Erscheinung war im Zu- sammenhange mit einer grolsen südwestlichen, in den oberen Alpengegen- den als Föhn- und Scirocco-Sturm auftretenden, Luftbewegung, die sich bis Rom und Neapel als stürmisches Wetter bemerkbar gemacht hat, während in den Graubündtner Distrieten unterhalb Nord- und Nord-Ost Sturm aufgezeichnet worden ist. Die mit dem Schnee gleichzeitig am meisten bemerkbar gewordene, an vielen anderen Orten aber wahrschein- lich durch Regen verdeckte Staub-Ablagerung, welche mit gelblich ge- färbten Gewitterwolken, Blitz und Donner und auch mit Hagel begleitet 'eworden (0) oO war, ist nur in den mit Schnee bedeckten Gegenden auffällig und ist in einer Mächtigkeit von 2 bis 12°" und mehr melsbar gewesen. Die Farbe, des Staubes wird von den verschiedenen Orten und Beob- oelb- achtern als gelbroth, ziegelroth, grauröthlich, zimmtfarbig oder & g lich angegeben, offenbar nach der verschiedenen Dichtigskeit des abge- lagerten Stoffes. Direete Untersuchungen dieser rothen Substanz, die bei Abschmel- zen des späteren Schnees wieder zum Vorschein kam, hat Hr. Dr. Killias mit Proben von Chur, Churwalden, Alveneu, Klosters, Castasegna, Mi- socco, Andeer und Zizers angestellt und die mikroskopischen Bestandtheile des Meteorstaubes, „abgesehen von verschiedenartigen zufällig mit präci- pitirten organischen Partikelehen“, als durchaus in allen identisch erkannt Was das Massenverhältnifs anlangt, so hat Killias sehr verdienstlicher Weise directe Messung angestellt, die zwar kein ganz sicheres, aber doch ein annähernd mittleres Verhältnifs der damals aus der Atmosphäre gefallenen Masse zu erkennen gab. Ein Quadratmeter des rothen Schnees gab geschmolzen einen getrockneten Niederschlag von 0,270 Gramm. Gewicht. Es ergiebt dies, wie er selbst ausspricht, etwa 300 Gentner auf die Quadratmeile oder über 30,000 Centner für die Oberfläche des Cantons. Da sehr wahrscheinlich die Erscheinung nicht auf den Uan- Phys. Kl. 1871. 10 74 Ennenpeng: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über ton allein beschränkt war, übrigens aber sich der Beobachtung entzogen hat. so kann das Massenverhältnils auch wohl um das Doppelte grölser gewesen sein. Killias bemerkt weiter wörtlich: „Über die Untersuchung des röthlichen Niederschlages hatte Dr. Husemann in der Naturforschenden Gesellschaft zu Chur schon früher Folgendes berichtet: „Die Gewichtszunahme des Filters mit rothem Schnee aus Chur „betrug 0,135 Gramm. Das Filter hinterliefs im Ganzen 0,127 Gramm. „Asche, wovon 0,020 Gramm als Filterasche in Abzug gebracht wer- „den müssen. Demnach lieferten obige 0,155 Gramm der bei 110° ge- „trockneten rothen Substanz 0,107 Gramm Glührückstand: es ist also „die Zusammensetzung: 79,2 feuerbeständige Bestandtheile 20,8 organische Bestandtheile 100,0 „Beim Glühen des Rückstandes nahm man deutlich ein teines Glimmen „wahr. Die rothfärbende Substanz vom Oberhalbsteiner rothen Schnee „erlitt beim Glühen, nach vorausgegangenem sorgfältigem Trocknen, emen „Verlust von 242. Der Glührückstand löste sich mindestens zur Hälfte „unter Entwicklung von einigen Kohlensäurebläschen in heilser verdünnter „Salzsäure. Die Lösung enthielt ziemlich viel Eisenoxyd, ferner Thon- „erde, Kalk, Spuren von Magnesia und Schwefelsäure. Der in Salzsäure „unlösliche Rückstand wurde durch Schmelzen mit kohlensaurem Kalı und „Natron aufgeschlossen. Er enthielt reichlich Kieselsäure, ferner T'hon- „erde, Eisenoxyd und wenig Kalk.* — Die chemische Analyse der sich nicht ablagernden Trübung des, dem Gletscherwasser ähnlichen, Schneewassers über dem rothen Nieder- schlag ergab nach Dr. Husemann in Chur und Dr. Vincenz Wartha in Zürich, unabhängig von einander, in einem Liter: Schwefelsauren Kalk 0,05010 Gramm. — — — Magnesia 0,00755 „ ,„ zusammen 0,03745 Rückstand. Die mikroskopische Analyse wird in dem Aufsatz von Killias nur nebenbei behandelt und auf die später zu publieirenden sorgfältigen mi- das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 75 kroskopischen Analysen der Doctoren Brügger und Cramer in Zürich hingewiesen. Es wird als Resultat im Allgemeinen bemerkt, dafs zweier- leı Hauptbestandtheile, ein „organischer, staubartiger, amorpher Detritus und ein Zusatz eines zum Theil deutlich braunroth gefärbten Mineral- staubes,“ vorhanden sind, welche sich von vulkanischen Aschenverhält- nissen wesentlich unterscheiden. Es wird bemerkt, dafs die Untersuchun- gen Ehrenbergs, so wie die beigefügten Darstellungen sehr gleichartige Staubarten vielfach analysirt haben, dafs aber wohl näher liegende Ge- genden, namentlich die Sahara von Afrika, die Materialien geliefert haben mögen. Dies wird auch direct zu begründen gesucht durch einen aus der Nähe von Üairo mitgebrachten Staub und durch die Angabe von gelblichen Wüsten-Oberflächen der Herrn Palgrave, Desor, Heuglin, d’Escayrae u. A., so wie durch die Vorstellung, dafs die afrikanischen Wirbelstürme ja sichtlich den Staub in die Höhe wirbelten und, mit trocknem Staub und Wärme beladen, leicht als Scirocco denkbar seien. (Geringe organische Beimischungen der beiden untersuchten Staubarten, samt Gypsgehalt, bilden die Grundlage der schliefslichen Vorstellung, dafs die Sahara der Grund und Boden der Erscheinung auch für die Schweizer Verhältnisse sei. Diese umsichtige, einerseits verdienstvolle Darstellung hat der langen Reihe meiner vorgetragenen Erfahrungen und Analysen zwar im Allgemeinen Rechnung getragen, allein ich darf nicht verschweigen, dafs mehrere Hauptpunkte ungenügend abweichen und andere unberücksichtigt geblieben sind. Meine sechsjährigen eigenen Anschauungen der dortigen Wüstenverhältnisse können unmöglich aufgehoben werden durch kleine zu- sammenhanglos von dort mitgebrachte Lokalproben. Die überall röthli- chen und gelblichen Lichtreflexe im Sonnenschein der Sahara, welche ver- schiedene Reisende, wie ich selbst, gesehen haben, können unmöglich mit den wirklich zimmet- und ziegelfarbenen Blutregen und Schneestauben, welche in der Schweiz bis zu 30,000 Centnern an emem Tage gefallen sein sollen, vergleichbar sein, zumal bei den Arabern in der Sahara nir- gends von Blutregen Nachricht gegeben wird. Völlig unbeachtet ist auch die Quelle des rothen Staubes aus dem Dunkelmeer des Atlantischen Ocean geblieben, die so leicht durch die Windströmungen des Mittelmee- res ab — und nach Italien und der Schweiz gelenkt wird. Am wichtig- 10 * 76 Eurengere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über sten aber ist die sehr viel reichere Mischung an immer denselben, an keinem Punkte der Erde, der wechselnden Jahreszeiten halber, am wenig- sten aber in der Sahara möglichen organischen Süfswassergebilden, als sie dieser neuesten Untersuchung zufolge angegeben ist, während Gyps und Kreidekalk, Polythalamien mit vielen anderen Dingen freilich aus Algier, Malta und der nächsten Nähe der überall Kalk- und Gypshaltigen Wüsten- gebirge, selbst von den Gypsbrennereien der Schweiz, stammen können. Professor Cramer in Zürich hat zuletzt sich mit grofsem Eifer der Analyse der schweizerischen Schneestaubarten angenommen und auch besonders die von Killias beobachtete grofse Meteorstaub-Ablagerung zum Gegenstande seiner intensiven Studien gemacht. 15 Proben von Wüsten- sand aus der Nähe von Algier zwischen Biskra und Tuggurt hat Prof. Escher von der Linth auf seiner Küstenreise daselbst eigenhändig auf- genommen und ihm zur Untersuchung übergeben. Überdiefs sind von Cramer 8 Proben verschiedener Localitäten des Meteorstaubfalles vom 15. Januar 1867 im Canton Graubündten analysirt worden, nämlich aus Chur, Churwalden, Mühlen, Klosters, Samnaun, Alveneu, St. Bernhardin mit Val Mesocco und Zuoz, so wie auch eine Probe des 1850 m der Nacht vom 16. zum 17. Februar in den Centralalpen der Schweiz gefal- lenen röthlich braunen Staubes. Auch eine Probe des Meteorstaubfalles » in der Provinz Oran, welche Dr. Nicati dort >) von St. Denis du Sie am 15. Novemb. 1867 bei Gelegenheit eines grolsen Staubsturmes ge- sammelt, den auch Dr. du Plessis in Orbe dieser Nachricht zufolge als dem schweizerischen gleichartig bezeichnet hatte, ist gleichzeitig ana- lysırt. (Nicatı, Bullet. Soc. vaud. Sciences natur. T. X. p. 69.) Aus den Analysen der von Escher von der Linth mitgebrachten Sand- und lockeren Steinproben, deren einige stark roth gefärbt sind, hat sich ergeben, dafs sie reichliche Beimischungen von wohl erhaltenen Polythalamien enthalten, andere organische Beimischungen waren äufserst selten. Verschiedene Formen von Gypserystallen und unregelmälsigen, oft intensiv rothfarbigen oder roth gefleckten Sandtheilen waren auffällige Elemente. Die selten darin erkannten Bacillarien-Arten beschränkten sich auf einen Splitter von Campylodiscus Olypeus, Eunotia (Epithemia) Zebra, E. (Epith.) manipulifera Cramer, Synedra laevis(?) und Navieula? Über- diefs wurden verschiedene unnennbare Fragmente von Vegetabilien, Woll- das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 77 haare als thierische Haare erkannt, auch ein Fragment von Spongo- hithis robusta? Der von Nicati in Algier gesammelte Meteorstaub bestand nach Öramer’s Analyse aus ziemlich groben buntfarbigen Sandkörnern, ohne Beimischung von Mulm und enthielt zahlreiche wohlerhaltene Polythala- mien (Ztotalia, Planulina, Grammostomum-Arten) aber nur zwei Arten von Spongolithen (Spongohthis robusta und Amphndıseus Rotella) und gar keine Bacillarien, während eine dabei vorgekommene Eunotia amphioxys un- sicher blieb, ob sie nicht zufällig fremde Beimischung sei. Mit diesen afrikanischen Sand- und Staubarten vergleicht Cramer den schweizeri- schen Alpenstaub und giebt dabei die Abbildungen der sämmtlichen von ihm gesehenen Elemente, wobei nur weniger günstig für die Vergleichung ist, dafs die Vergröfserungen nicht alle auf 300mal im Durchmesser re- dueirt sind. Die öfter angewendete 250 malige Vergröfserung kommt aber doch so nahe, dafs die Beurtheilung weniger beeinträchtigt ist. Das vollständige Verzeichnils der im Schneestaub beobachteten Formen ist eine sehr glückliche, diese Forschungen fördernde Beihülfe. Ich beschränke mich hier auf Beurtheilung der auf den Tafeln gegebenen Abbildungen und finde die in der Mehrzahl übereinstimmende Ansicht dem sonst oft hervortretenden Übelstande gegenüber, dafs das Mikroskop wegen ungleicher Beobachtungsmethoden selten Übereinstimmung giebt, erfreulich. Es brauchen nun nicht viele gleich eifrige Beobachter mehr hinzuzutreten, um die Vollgültigkeit der objeetiven Thatsachen von aller subjeetiven Meinung abzulösen. Die Abbildungen des Herrn Cramer erlauben folgende Übersicht der schweizerischen Staubelemente: Tafel ]. Cramer. Ehrenberg. Fig. 1. Gallionella distans. Gall. distans. Fig. 2. Gall. granulata. 2. a.d.f.g.t. Gall. procera. 2.b.c.e.l.k. Gall, granulata. 2. h.m. Gall. decussata. | Fig. 3. 4. Pinnularıa cocconeoides. = Üocconeis finnica Ju. Fig. 5. 6. Discoplea atmosphaerica.—= Discoplea atmosphaerica. 78 Ennengerc: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Cramer. Ehrenberg. Fig. 7. 8. 9. Cosemodıseus flaw- cans (?) Fig. 10. 11. Discoplea atlantica Fig. 12. Diatomaceen Fragment. Fig. 15-18. Eunotia amphioays. Fig. 19. Navieula Bacıllum. Fig. 20. 24. Pinnularia borealıs. Coseinodiscus flavicans. Discopl. atlantiea. Bacillarien Fragment. Eunotia amphroxys. Nawrieula Bacıllum. 20-22. Cocconeis? 23. 24. Pinnul. borealıs? Nawvieula emarginata. Navicula Semen. I I A | Fig. 25. Nawieula emarginata. Fig. 26. Navieula Semen. Fragtlaria Bacillum? Mierog. Oran und Nord-Amerika. Cocconema (Uymbella) Fusidium? Fis. 27. Fragdlarıa capucina? Fie. 28. Uymbella Ehrenbergu | Fig. 29. Fragtlaria capueina? Fragllaria Bacıllum? Die Tat. I. Fig. 65 Synedra Ulna genannte Form ist von mir als Fragilaria amphreephala in der Mierogeologie 1854. Taf. XXXVN. ı1. Fig. 5. aus Oregon verzeichnet, und Epithemia manrpulifera Cramer Taf. U. Fig. 22. scheint identisch zu sein mit der ebenfalls von mir in der Micro- zeologie genannten und 1870 in der Abhandlung über die californischen Bacillarien-Felsen abgebildeten Zumotia Mosis Arabiens. Unter den von Uramer abgebildeten 47 weichen Pilanzentheilen befinden sich 12 erypto- gamische Sporenschläuche, 18 verschiedenartige Pflanzen- und Pappus- haare, Pilzfäden und Pollen, von denen mehrere in den Passatstaub-Ana- Ivsen schon öfter vorgekommen sind. Von Lithostylidien ist Z. Amphio- don und L. Olepsammidium genannt und abgebildet und von Spongolithen Amphidiseus truncatus. Von den 85 organischen Formen sind 15 selbst- ständige Bacillarien, alles Übrige sind unselbstständige Theile oder Frag- mente, die einer Fortptlanzung in der Atmosphäre nicht fähig sind. Auch die selbstständigen Formen sind sämmtlich ohne organischen Inhalt dar- gestellt und lassen also nicht erkennen, dals sie zu Lebensfunetionen ge- eignet sind. Die beigemischten gefärbten thierischen Haare gehören wohl der Schweizer Landschaft an. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 79 Ich gehe nun zu meinen eigenen Analysen derselben Substanzen über. Die mir von Herrn Dr. Killias in Chur zugekommenen Proben sind aus 3 der am 15. Januar 1867 durch den Stauborkan betroffenen Ört- lichkeiten, nämlich von Andeer, Klosters und Churwalden, eine vierte. dureh Glühen veränderte Probe aus Chur habe ich einer Analyse zu unter- ziehen nicht für rathsam gehalten. Die kleine Staubprobe von Andeer ist ein unfühlbar feines Pulver. mit vielen organischen Fasern, von röthlich grauer Farbe, das beim Glü- hen erst schwarz und dann sich dunkler roth färbte, Salzsäure gab kein Brausen. Die mikroskopische Analyse ergab in 11 4 Cubiklinie grofsen Stoffmengen 21 organische Formen, nämlich 9 Polygastern, 18 Phytolitha- rien, darunter kein Spongolith und zwei weiche Pflanzentheile. Die un- organische Masse besteht aus einem feinen, bei polarisirtem Lichte nicht farbig werdenden Mulm mit doppeltlichtbrechenden feinen Trümmersand- theilen. Im Allgemeinen überwiegt der unorganische Theil den organi- schen bedeutend, so dafs letzterer etwa -; des Volumens ausmacht. Unter den organischen Formen sind am zahlreichsten punktirte, unregel- mälsig rundliche, Körperchen, welche bei polarisirtem Lichte buntfarbig werden und unförmlich gewordenen kleinen Pollenkörperchen ähnlich er- scheinen. Nächst dem sind die Gallionellen an Zahl überwiegend. so dafs sie in keinem der Präparate fehlen. Das einmal beobachtete gröfsere Fragment der Discoplea atmosphaerica ist mit charaktergebend. Kleine weilse eubische Crystalle sind hier und da vereinzelt zu erkennen. Die ebenfalls röthlich grau gefärbte feine Staubprobe von Klosters wird beim Glühen erst schwarz und dann dunkler grau, mit Salzsäure berührt kein Brausen. Die mikroskopische Analyse ergab in 10 üblichen Präparaten 29 organische Formen und zwar 12 Polygastern, 15 Phytoli- tharien, darunter 3 Spongolithe und 3 weiche Pflanzentheile, die rund- lichen Körperchen (ob Pollen?) des Vorigen fehlen, sind also lokale Beimischungen. Die unorganische Masse besteht aus feinem Mulm und Trümmersandtheilchen. Das Verhältnifs des Organischen zum Unorgani- schen ist nach Abschätzung dem vorigen ähnlich. Die Staubprobe von Churwalden ist den beiden voranstehenden sehr ähnlich von röthlich grauer Farbe und verhält sich bei Glühen und Säure genau wie die von Klosters. Die mikroskopische Analyse ergab in 5 üblichen S0 Enrenperg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Präparaten 34 organische Formenarten, und zwar 13 Polygastern, 16 Phy- tolitharien, darunter 3 Spongolithe und 5 weiche Pflanzentheile. Die überwiegend unorganische Masse besteht ebenfalls aus einfach lichtbrechen- dem feinen Mulm und doppelt lichtbrechendem Trümmersand. Die hier vorgelegte Analyse der drei zu einem und demselben Meteor gehörigen Staubarten umfalst im Ganzen 50 organische Formen und erlaubt somit eine Vergleichung mit meinen früheren Passatstaub- Analysen. Unter den 20 von mir verzeichneten Polygastern Arten finden sich 6 und unter den 23 Phytolitharien Arten 3 mit denen von Öramer übereinstimmend. Auch von den 7 weichen, meist sehr unbestimmten Pflanzentheilen sind einige vergleichbar, während die Mehrzahl von ihnen mir nicht vorgekommen sind. Am interessantesten ist die von ÖOramer Synedra Ulma genannte Form, welche als Fraglarıa amphicephala der Microgeologie aus Oregon zu den amerikanischen Characterformen gehört. Von Cramer und von mir sind übereinstimmend keine vulkanıschen Elemente wahrnehmbar geworden, weder glasartige Obsidiansplitter, noch zellige Bimsteinfragmente, noch irgend welche Mengen vulkanischer Cry- stall-Gestalten, und der Eisengehalt ist hier wie dort als ein mulmiges Eisenoxyd-Hydrat in seiner Beimischung erkennbar geworden, welcher sich durch Glühen in eine höhere Oxydationsstufe versetzen läfst. Das Schwarz- bleiben einiger Schweizerstaube beim Glühen zeigt vielleicht das Vor- handensein schwer zu verflüchtigender zelliger Pflanzenkohle an. Cramer hat in den von ihm untersuchten Föhnstaub-Arten der Schweiz, ebenso wie ich, nirgends eine Polythalamie angetroffen, welche in den von ihm untersuchten Wüstensandproben der Sahara zahlreich und schön enthalten waren. Die von mir gegebenen Mittheilungen über Beimischungen von Polythalamien in einigen Scirocco- und Passatstaub- Arten haben ihn, wie es scheint, zu der Vorstellung veranlafst, dafs diese sröberen Theile, wenn der Staub der von mir eingeführten früheren Vor- stellung gemäls aus Amerika stammen sollte, im Staube des Atlantischen Oceans nach Amerika hin immer zahlreicher sein mülsen, was nicht der Fall sei. So sei es denn ein Beweis, dafs Afrıka das Mutterland aller dieser gröberen Formen sei, weil diese an den Küstenpunkten des Mittel- ländischen Meeres und Lybiens selbst am zahlreichsten vorkommen. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 81 Ich sehe mich veranlafst diesen, die zufälligen Lokalformen mit den Normalformen vermischenden Gesichtspunkt als einen meinen Dar- stellungen ganz fremden abzulehnen. Ich habe stets darauf aufmerksam gemacht, dafs der Passatstaub, aus welcher Richtung er auch kommen möge, stets zwei Charactere sehr fest halte. Einer derselben ist die Bei- mischung vieler Oberflächen-Verhältnisse der nächsten Umgebung des Ortes, an dem er die Oberfläche mit Sturm erreicht und niederfällt (das sind Lokalformen). So sind die Kreidegebirge und Polythalamienkalke bei Algier, Malta, Sicilien und hier und da wohl in den Appenninen sehr geeignet, solchen Staubstürmen ihren Polythalamienstaub, zuweilen viel- leicht überwiegend, mitzutheilen. Solche Polythalamienmischung ist nur zuweilen, vereinzelt und selten bei den Capverdischen Inseln oder sonst im Dunkelmeer in dem auf Schiffe gefallenen Staube erkannt, weshalb man sie wohl umsonst in grölserer Nähe von Süd-Amerika suchen wird. Auffallend genug ist es zweitens, dafs der Passatstaub mit überaus vielen Bacillarien erfüllt ist, die als Wasserbildungen auf den grofsen Wüstenflächen der Sahara, die so völlig wasserlos sind, undenkbar er- scheinen. Diese überall immer denselben Formen vorherrschend angehö- renden selbstständigen Organismen sind durch Cramers sehr sorgfältige Nachforschungen in dem Schweizer rothen Staube auf das Glücklichste ebenfalls entwickelt worden. So kann man denn die meisten Pflanzen- theile und alle Polythalamien vollständig als zufällige lokale Bei- mischungen ignoriren und dennoch den wichtigen Character der Überein- stimmung aller rothen Staubmeteore, sowohl in der rothen Eisen-Farbe als in der wesentlichen Mischung der organischen Elemente, seit 68 Jahren direeter Beobachtung (von 1803 an) anerkennen. Was im Allgemeinen die Polythalamien-Verhältnisse der Sahara und auch den Gypsgehalt der afrikanischen Wüsten anlangt, so lassen sich freilich noch viele Nachforschungen mit mancherlei Resultaten für diese Aufgabe denken, allein die in der Microgeologie gegebenen Analysen der grolsen Kalkgebirgsmassen bei den Pyramiden und von Öber-Ägypten darf ich wohl den betreffenden Forschern empfehlen, da sie als Vorberei- tung zur gründlichen Kenntnils ein nicht ganz wnansehnliches Material von nahe an hundert Polythalamien-Arten darstellen. Rechnet man hierzu noch die Polythalamien-Kalkgebirge des Sinai und Antilibanon, welche Phys. Kl. 1871. 11 82 EurenBere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über ebenda bereits abgebildet sind, so möchte dem nächsten Bedürfnils zu einer Vergleichung schon mancher Vorschub geleistet sein. Sehr wichtig ist es aber nicht blos jene die Oberflächen der Erde abfegenden Luftströmungen überall in diesen Verhältnissen zu beachten. Aus den bisherigen Beobachtungen hat sich bereits mannigfach festge- stellt, dafs keine der bekannten Oberflächen der Erde, auch nicht Ame- rika’s, zur Erläuterung der organischen Beimischungen der rothen Staub- meteore für sich allein hinreichend sei. Immer nachdrücklicher hat sich vielmehr die Vorstellung festgestellt, dafs in sehr hohen Regionen der Atmosphäre seit unberechenbarer Zeit unberechenbare Massen feinster, mehr oder weniger dichter, stets auffallend durchsichtiger, trockner Nebel durch die Rotation des Erdkörpers dauernd schwebend gehalten werden mögen, welche bei zufällig gröfserer lokaler Anhäufung, wie es bei vul- kanischen Aschen öfter schon nachweislich geworden, sich herabsenken und vielleicht direet Veranlassung zu Wirbelstürmen werden, die ohne eine solche Senkung nicht erschienen wären. Andererseits ist das Atlan- tische Dunkelmeer bei Westafrika, von welchem aus zumeist Staub-Ablen- kungen als Höherauch, die öfter ohne Wirbelsturm über Europa geführt werden und die europäischen rothen Staubfälle, Blutregen und rothen Schnee bedingen, am meisten geeignet, diese räthselhaften meteorischen Erscheinun- gen, welche in den Nordpolargegenden nicht fehlen, zu erläu- tern. Dafs die zuweilen sandartige rothe Schneemischung in der Nord- polarzone aus Afrika stamme, dürfte wohl schwerlich Vertheidigung finden. 7. Staubfall in St. Denis du Sig den 15. November 1867. Unter den von Herrn Killias gesandten Proben ist auch die von Dr. Nicati in Algier gesammelte und von Professor Cramer ausführlich besprochene Staubprobe aus St. Denis du Sig. Es ist ein nicht unfühl- bar feiner, körniger Luftstaub von grau-rother Farbe, welcher mit Säure stark braust und beim Glühen erst schwarz und dann schwarz-grau mit rothen Flecken erscheint. Die mikroskopische Analyse zeigte zahlreiche Polythalamien und deren Fragmente, so wie auch einzeln eingestreute Polygastern und Phytolitharien. In 10 Präparaten fanden sich 14 orga- nische Formenarten und zwar 5 Polygastern-Arten, 5 Phytolitharien- Arten, unter denen ein Spongolith und 4 Polythalamien-Arten. Aulser das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 83 den Kalkfragmenten zeigte der Staub, nach Auslaugen durch Salzsäure, doppelt lichtbrechenden Trümmersand und einfach lichtbrechenden Mulm. Als Kalktheilchen erschienen zum Theil feine weifse cubische Crystalle. In der Analyse des Herrn Cramer ist nur Zumotia amphioays als einzige unsichere Bacillarien-Form angezeigt, während meine Unter- suchungsmethode die verzeichneten Baeillarien-Formen, darunter auch die verbreitetsten Passatstaub-Formen, Discoplea und Gallionella, zur An- schauung gebracht hat. Es dürfte daher kein Zweifel bleiben, dafs dieser Orkanstaub von röthlich brauner Farbe in seinen feineren Theilen mit (fremdem) Passatstaub gemischt ist, während die gröberen Polythalamien und die Gypstheile von der nächsten Umgebung der afrikanischen Küste durch den Sturm beigemischt sein mögen. 8. Staubfall in Apulien im Jahre 1868. Durch die Güte des Herrn Professor Palmieri ist mir eime Probe des Staubfalles aus Canosa in Apulien übersandt, welche ein dortiger Professor gesammelt hat. Die näheren Umstände sind mir nicht mitgetheilt. Vielleicht ist derselbe in einem interessanten Zusammenhange mit der aus Athen in gleichem Jahre am 16. und 19. August mitgetheilten Nachricht des folgenden Abschnitts. Die Masse ist eine lehmartig locker zusammenhängende, blafs röthlich-graue Substanz, die beim Glühen erst dunkler grau und dann ansehnlich röther wird. Bei Berühren mit Salz- säure wird kein Brausen deutlich, bei polarisirtem Lichte zeichnen sich dennoch sehr feine cubische Crystalle aus, welche wahrscheinlich doch geringe Spuren von kohlensaurem Kalk sind. Die mikroskopische Ana- Iyse ergab in 10 Präparaten 42 organische Formen: 15 Polygastern, 25 Phytolitharien, darunter 4 Spongolithe und 2 weiche Pflanzentheile. Fei- ner quarziger Trümmersand und feiner röthlicher Mulm, samt selten ein- gestreuten kleinen eubischen und weifsen säulenförmigen Orystallen bilden die unorganische Haupt-Mischung, in welche jene Formen eingestreut sind. Die Gallionellen und Bunotia amphioxys samt Campylodiseus und Discoplea geben auch dieser Substanz den ansprechenden Character eines zugleich eisenhaltigen Passatstaubes. (Siehe die Tabelle.) L1* S4 Eurexgerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über 9. Höherauch oder trockner Nebel im Juli 1369. In vielen Zeitschriften, besonders aber in dem meteorologischen Bullettino des Jahres 1869 ist von einem überaus starken Höherauch mit grolser Dürre und grofser Abschwächung des Sonnenlichtes in den italienischen Ländern berichtet worden, und auch aus Griechenland mel- dete mir Professor Jul. Schmidt, dafs die Erscheinung gleichzeitig und in gleicher Art dort stattgefunden, in folgenden Worten von 16. Juli 1869: „Ein neuer Staubfall veranlafst mich — Ihnen den beobachteten „Hergang der Erscheinung mitzutheilen und eme Probe des gesammelten „Staubes zu übersenden. Diesmal handelt es sich nieht um den Scirocco, „sondern, wie bei dem aulserordentlichen Phänomen vom 16. bis 19. August „1868, um eine höherauchartige dreitägige Verfinsterung des wolkenlosen „Himmels in der heifsen Jahreszeit und unter dem Wehen der Nordost- „Etesien. Nachdem viele Tage der SW. bei klarer Luft geherrscht hatte „(wobei es oft Nachts im Norden blitzte), begann (1869) Juli 6. der NO. „bei z. Th. wolkigem Himmel und einer kaum merklichen Regenspur. „Juli 9. 10. dauerte der NO. auch die Nacht über. Juli 10. war der „ganze Horizont dunstig und gelbbraun und die Sonne ging roth und „strahlenlos unter. Die Trübung der Luft war sehr gleichförmig und es „fehlten durchaus die violetbraunen, wellenförmigen Streifen am Himmel, „die den fernen Waldbrand verrathen. Juli 11. war jener Dunst überaus „dieht, geruchlos, doch lange nicht so stark als August 17. und 18. 1868. „Juli 12. nahm der Dunst ab und Nachts blitzte es viel in NW., W. und „NO. Juli 13. 14. 15. klar bei wenig Gewölk und variabler Windrichtung. „Juli 16. noch eine Spur jenes Dunstes.“ „Am 10. 11. 12. Juli ward ein Staub abgelagert, den ich wegen „der Heftigkeit der Etesien im Freien nicht auffangen konnte. Er drang „in die Zimmer, und hatte, wo er weilses Papier bedeckte, ein ungewöhn- „liches braunes Colorit, dunkler als der Athener Strafsenstaub. Ich habe „einen Theil des Staubes mit einem trocknen, noch ungebrauchten Pinsel „zusammengekehrt und als Probe diesem Briefe beigegeben. Die Unter- „suchung wird Ihnen nun vielleicht zeigen, dafs es sich gar nicht um „jenen Staub handelt, über welchen Ihre Arbeiten so vieles Licht ver- „breiten. Ich denke aber, dafs allen noch dunklen Phänomenen gegenüber das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 85 „Nichts im Voraus für unwichtig angesehen werden darf, sondern dals „die Erscheinung nach allen Seiten umfassend gewürdigt werden müsse. „Wenn sie diesmal keine der Formen vom 24. März 1869 entdecken, „so wissen wir, dafs diesmals im Juli 1869 die Etesien etwas anderes „herabbrachten. Aber es war kein gewöhnlicher Staub, wie wir solchen „zu Athen 8 oder 9 Monate hindurch zu beobachten haben und deshalb „glaubte ich diese Mittheilung nicht unterlassen zu sollen.“ — Die kleine beigefügte Probe zeigte nach sogleich vorgenommener mikroskopischer Analyse keinerlei Beziehung zu den rothen Passatstaub- meteoren. Der nicht rothe, sondern bräunlich graue Staub enthielt nur feinen Trümmersand mit sehr vielen weifsen Leinwand- und buntfarbigen Wollfasern, anscheinend von gefärbter Schaafwolle, gemischt, welche wohl anzeigten, dals der gesammelte Staub durch die nächsten Umgebungen des Hauses übermälsig gemischt war. Mit grofser Ausführlichkeit hat der Astronom Professor Ragona zu Modena diesen ganz Ober-Italien bedeckenden Höherauch in verschie- denen Aufsätzen sorgfältig beschrieben und auf die Wiener meteorologi- schen Berichte hingewiesen, welche 16 Örtlichkeiten seiner Verbreitung angeben, so wie auf die französiche meteorologische Zeitschrift, welche die Erscheinung einen trocknen Nebel nennt. Ich nehme aus seiner kleinen mir zugesandten Schrift, welche seine Mittheilungen übersichtlich unter dem Titel „La caligine atmospherica Luglio 1869* zusammenfalst, folgende kurze Characteristik dieser Erschemung auszugsweise heraus: Die Höhe des Nebels überragte die hohen Bergspitzen der euro- päischen Hochgebirge, namentlich den Montblane und war über Frank- reich, Deutschland und Italien gleichartig verbreitet. Padre Denza beob- achtete sie in Piemont und auf den toskanischen Bergen und Professor Gasparis in Neapel meldet, dafs dort ein unfühlbar feiner Staub (pul- escolo impalpabile) die Luft erfülle, wie auch von Professor Palmieri die Nachricht eintraf, dafs in den neapolitanischen Provinzen um diese Zeit ein feiner Staub gefallen se. Nach Ragona!) fanden sich im Gebirge von Arad die Pflanzen mit einem Honisthau ähnlichen (mellume), reichlichen Überzug bedeckt, welcher durch eine Mischung von Wasser mit atmo- r 1) Ragano ]. c. p. 15. 86 Eurengere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über sphärischem Staube entstanden zu sein schien und der sich auch durch eine gelbröthliche Farbe bemerklich gemacht zu haben scheint. Das Vor- kommen des trocknen Nebels sowohl in sehr trocknen wie in sehr feuch- ten Gegenden wurde von Ragona gleichartig wahrgenommen und durch Gründe gegen die allgemeine Feuchtigkeit des Nebels darauf zurückgeführt, dafs der Nebel nicht, wie feuchte Wolken es in heifsen Tagen thun, mit der Hitze sich zertheilte und verschwand, sondern verstärkte und stehen blieb. Bei grofser Hitze erschien die Sonne so matt wie der Mond, so dafs sie mit blofsem Auge angesehen werden konnte, ein Hof aber, den die Wasserdünste zu machen pflegen, entstand nicht. Ragona schliefst, dafs die grofse Höhe und die grofse Verbrei- tung des Nebels auf einen gemeinsamen Ursprung hindeute und dafs dessen Ursache von den Zuständen der meteorologischen Beobachtungsstation unabhängig sel. Kaemtz erklärte ihm in Modena den ganz ähnlichen Nebel von 1867 für Höherauch. Ein Augenzeuge berichtet den schäd- lichen Einflufs dieses Nebels von 1869 auf die in den Bergen von Verona weidenden Thiere, die erkrankten und starben. Das von Ragona an- geführte Urtheil eines beim Suez-Canal beschäftigten Italieners über die Gleichartigkeit der ägyptischen Nebel mit diesen italienischen ist, da es nicht auf speciellen Untersuchungen beruht, ohne Gewicht. Ferner sagt Ragona in seiner kleinen Schrift pag. 21.: „Wir „wissen genau, dafs am 29. Juni 1861 die Erde von dem Schweif eines „grolsen Cometen durchzogen wurde. Am Abend des 30. Juni hat der „Astronom Hind in London mit andern Beobachtern am Himmel eine „Art gelblicher Phosphorescenz beobachtet. Zu Barbacena in Brasilien „zeigte der Himmel am 20. und 30. Juni eine constante röthliche Fär- „bung. Es scheint, dafs man damals nirgends auf der Erde selbst trock- „nen Nebel beobachtet habe. Es darf jedoch nicht verschwiegen werden, „dals bei dieser Gelegenheit das Zusammentreffen nicht in der Richtung „der Axe des Schweifes geschah, sondern seitlich und gegen die Spitze „desselben.“ — Die hier erwähnten astronomischen Beobachtungen mögen der weiteren Pflege der betreffenden Beobachter überlassen bleiben. Zuletzt erwähnt Ragona die grolsen Sandstürme von Afrika, wel- che der neuesten Theorie des Pariser Meteorologen Herrn Tarry (In- specteur des finances) zum Grunde liegen. Tarry hat sich bemüht die das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 87 schon seit langer Zeit in Europa gekannten periodischen Nord- und Süd- Stürme als eonstante Oyelone darzustellen, welche seiner eigenen Erfah- rung nach in Afrika Sand genug aufwühlen, um denselben über Europa zu verbreiten. Freilich ist seit Cambyses und den Kämpfen der Nasa- monen mit ihrem davon fliegenden Lande vielfach vom Sande der Sahara Meldung geschehen und die himmelhohen Staubwirbel der afrikanischen Wüsten haben grofse Berühmtheit erlangt, sind auch von mir selbst 6 Jahre lang oft beobachtet worden. Tarry’s Hypothese berührt zwar den grauen und weilsen afrikanischen Sand, erläutert aber in keiner Weise die allein nur Interesse gewährenden rothen Färbungen und orga- nischen reichen constanten Mischungen der hier in Betracht kommenden Nebel- und Staubarten. So ist denn der im vorigen Abschnitt beschrie- bene Staub von Apulien mit seinen characteristischen Passatstaubformen vielleicht direet erläuternd für diesen sogenannten Höherauch. 10. Staubfall vom 13. und 14. Februar 1870, Dieser Meteorstaubfall an den ligurischen Küsten ist von italieni- schen Beobachtern in so ansehnlicher Ausdehnung verzeichnet worden, dafs es mir angemessen erscheint seiner zu erwähnen, ungeachtet es mir nicht gelungen ist, Proben zu seiner Analyse zu erhalten. Im histori- schen Abschnitt habe ich die mir zugekommenen Nachrichten hierüber aus den italienischen Quellen und brieflichen Mittheilungen zusammenge- stellt. Nur ist hier zu bemerken, dafs er, wie es öfter der Fall war, theils als trockner Staub und Höherauch, theils als mit Feuchtigkeit ge- mischter sogenannter Blutregen und als rother Schnee niedergefallen ist. Die reichlichen Einsammlungen dieses Staubes, welche den Berichten zu- folge stattgefunden haben, sind, wie es scheint, durch die chemischen Analysen überall gröfstentheils aufgezehrt worden, ohne dafs kosmische Charactere erlangt worden wären. Auch die in Italien gemachten mikro- skopischen Analysen haben bisher kein entsprechendes Resultat ergeben. ll. Staubfall bei Janina am 13. April 1870. Ich schliefse hieran die Analyse der Probe eines Staubfalles von Janina in Albanien, welche der Director der Sternwarte von Athen Prof. 88 Eurengere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Julius Schmidt mir am 27. Mai 1870 mit folgenden erläuternden Wor- ten zugesandt hat: „Am 22. Mai brachte mir Seine Excellenz der englische Gesandte „Herr E. W. Erskine einliegende Staubprobe, welche derselbe vor eini- „ger Zeit von Herrn Major R. Stuart aus Janina erhalten hatte. Herr „Stuart, englischer Consul in Janina, ist ein sehr kenntnifsreicher und „höchst zuverlässiger Beobachter, dem ich seit 1866 eine grolse Zahl „meteorologischer Angaben in bester Form verdanke.* „Der Staubniederschlag erfolgte mit Regen am 13. April 1870 vor „Sonnenaufgang. Ich kann Ihnen später auch die meteorologischen Da- „ten jener Zeit für Epirus und Attika!) mittheilen, Janina hat etwa 1600 „englische Fufs Seehöhe und vom Meere eine Distanz von 39 englischen „Meilen.“ — Die Probe besteht aus einem unfühlbar feinen, röthlich grauen Pulver, das beim Glühen erst dunkler grau und dann entschiedener röth- lich grau wird, mit Säure berührt starkes Brausen zeigt. Die mikroskopische Analyse von 10 üblichen, etwa + Cubiklinie grofsen Mengen, ergab 33 organische Formenarten in einem feinen Mulm und doppelt lichtbrechendem Trümmersand, nämlich 17 Polygastern und 16 Phytolitharien, ohne Spur von Polythalamien oder anderen organi- schen Kalktheilen. Unter den gewöhnlichen allverbreiteten Passatstaub- formen, welche die Mehrzahl an Individuen bilden, finden sich auch die amerikanische Navieula undosa (cfr. Navicula nivalıs Monte-Rosa) mit der zweifelhaft characteristischen Synedra Entomon und Stauroneıs con- strieta aus Chile und Neuholland. Unter den Phytolitharien sind 4 Spon- golithe, welche sämmtlich den gewöhnlichen Sülswasserbildungen anzu- gehören scheinen. Die zahlreichen Phytolitharien zeigen keine eigen- thümliche Form und schliefsen sich an die bekannten weit verbreiteten Grastheile (Poolithe) an. Das Verzeichnifs der Formen ist in der Tabelle zu vergleichen. 12. Ispahan den 3. Mai 1870. Herr Dr. Werner Siemens, der um die Telegraphenverbreitung so verdienstvolle technische Physiker, übersandte mir im Herbst des Jah- 1) Diese Daten sind mir noch nicht zugekommen. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 89 res 1870 eine ansehnliche Probe eimes röthlich grauen feinen Orkan- Staubes, welcher am 3. Mai d. J. zu Ispahan auf der südlichen und öst- lichen Seite des Wohnhauses von Herrn Hoeltzer gesammelt worden. Die besonderen Umstände des Windes und der Ablagerung sind nieht an- gezeigt. Herr Dr. Siemens macht darauf aufmerksam, dafs dieser persi- sche röthliche Wüstenstaub vielleicht mit dem von Beludschistan identisch sei. Jedenfalls wird er mit zur Erläuterung der fremden Erde dienen, welche in West Central-Asien so viel Theilnahme erweckt hat. Der Staub ist fast unfühlbar fein, jedoch lassen sich ausser den feinsten Theilchen, welche das Mikroskop zeigt, schon im Gefühl gröbere Beimischungen unter- scheiden. Mit Salzsäure in Berührung gebracht, zeigt der Staub ein starkes Aufbrausen und verringert sich ungefähr bis zur Hälfte seines Volumens. Er enthält mithin einen sehr starken Antheil an kohlensau- rem Kalk, dieser scheint auch die weniger feinen Theile darzustellen. Das Übrigbleibende ist ein überaus feiner, thoniger Mulm. Dieser ansehnliche Mulm wird beim Glühen zuerst schwarz, dann röther und enthält in 40 Analysen die in der Tabelle verzeichneten, sehr vereinzelt eingestreuten 46 organischen Formenarten, samt weilsen und grünen feinen Orystall- prismen. Unter den 46 Formen sind 14 polygastrische Baeillarien-Arten, 29 Phytolitharien-Arten und 3 weiche Pflanzentheile. Die Gallionellen sind dieselben Arten des Passatstaubes, aber nur selten eingestreut. Ob der Eisenmulm aus sehr feinen Gliedern der Gallionella ferru- ginea besteht, war nicht zu ermitteln, da Kettenbildungen derselben nicht zu erkennen waren. Besondere Arten dieser Bacillarien wurden nicht beobachtet. Unter den an Arten zahlreichen Phytolitharien sind beson- ders viele der Gattung Lithomesites verwandte Formen, aber auch diese haben besondere Characterformen zu verzeichnen keinen Anlafs segeben. Der Spongolith ist die allverbreitete Sülswasserform Spongohthis acieula- rıs. Somit ist der Gesammt-Character dieses Staubes durchaus eine Süfswasser- und Festlandbildung. (Siehe Tafel I.) Was die Beziehung zu dem Wüstenstaube von Beludschistan an- langt, so hat weder der Staub die lebhaft ziegelrothe Farbe des Wüsten- staubes nach H. Pottinger, noch ist Ispahan nahe genug an jenen Wüsten und die Ablagerung an der Süd- und West-Seite des Hauses scheint nicht genau in der Richtung von Beludschistan nach Kaschgar zu liegen. Phys. Kl. 1871. 12 '90 Eurengeng: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über In weleher Art die starke Kalkmischung sich erläutern lassen wird, müs- sen lokale Nachrichten einst in’s Auge fassen, da sich keine Polythalamien- Spuren auffinden liefsen, ebenso wenig wie Morpholithe. Dafs die grolsen, Kaubar genannten, Staub-Trübungen und er- schreckenden Stürme in Khorassan und Afghanistan von Herrn von Khanikoff 1862 geschildert sind, aber den Character fremder Erde nieht erkennen liefsen, ist bereits ausführlich in den Abhandl. 1868 mit- vetheilt worden. Da auch vom ungarischen Reisenden Vambery be- richtet wird, dafs 1863 zwischen Chiva und Bochara eine Karavane bei heilsem Seiroceo, Tebbad genannt, zwei Zoll hoch mit feinstem Staube bedeckt wurde, die Farbe dieses Staubes!) aber nicht als roth angezeigt ist. so läfst sich auch diese Nachricht dem Staube von Beludschistan nicht direet vergleichen, obwohl auch sie durch überreiche Mischungen mit Lokalstaub entfremdet sein kann. Es war also keine fremde Erde oder die Macht der Erscheinung entzog beiden Beobachtern deren Cha- raeter. Auch das neueste vorn angezeigte schreckhafte Ereignils von 1870 bei Samarkand erlaubt noch keine speciellere Vergleichung mit dem Passatstaub. 13. Über röthlichen vulkanischen Staub des Ätna. Unter den interessevollen Materialien zur Erläuterung des Passat- staubes, welche ich der Güte des Herrn Professor Silvestrı verdanke, befindet sich auch eine Probe eines röthlichen, vulkanischen, aschenartigen Auswurfstoffes des Ätna. Zwar ist schon sehr oft von rothen Auswurfs- stoffen der Vulkane berichtet worden, allein es ist noch niemals eme wirklich rothe Asche zur mikroskopischen Untersuchung gekommen und die von Vallisneri erwähnte venetianische Staubart von 1689 dürfte wohl mit gröfserer Wahrscheinlichkeit zu den Passatstaubarten gehört haben. Die Mehrzahl solcher oft sehr auffallend rother Erscheinungen bei Vulkanen, besonders am Kraterrande, beziehen sich auf Metallsalze und Schwefelverbindungen, sind zwar sehr auffällig, aber ganz lokal und sind noch niemals als Luftstaub beglaubist worden. Der Ausdruck: lacte et sangume plut vom Milch- und Blutregen der alten Römer läfst im letzte- !) Allgem. Augsb. Zeitung 1364 Beilage No. 339 p. 5510. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 91 ren Falle mit mehr Wahrscheinlichkeit einen rothen unvulkanischen Pas- satstaub annehmen, als einen Aschenregen ohne gleichzeitige Nachricht von vulkanischer Thätigkeit, wobei denn zugleich bemerkt sein mag, dafs der preufsische Gesandte von Bunsen bei Frascati im Albanergebirge bei Rom im April 1830!) von einem, gleich Schnee, auf die Dächer ge- fallenen Staube während der Thätigkeit des Ätna spricht. Ob die Be- zeichnung, wie Schnee, sich auf die Farbe oder auf die lockere dichte Bedeckung bezieht, bleibt auch hier im Zweifel. Ich habe bereits im Jahre 1851 in den Monatsberichten sowohl über einen bestimmten Fall des vulkanischen Vesuvstaubes als auch über die bei den Schweizer Ge- lehrten damals häufig vorhandenen Vorstellungen von vulkanischer Asche als Sciroceo-Staub Erläuterungen gegeben, wonach aller Vulkanstaub des Vesuvs, welcher in neapolitanischen Sammlungen zu meiner Ansicht ge- kommen ist, stets schwarz, einem mehr oder weniger groben Schiels- pulver ähnlich, erschienen war. Aus den Mittheilungen der Schweizer Gelehrten 1851 ergab sich mir die Vorstellung, dafs der verwitterte und getrocknete, rothe Schneestaub, nicht seiner rothen, sondern seiner dann angenommenen schwarzen Farbe halber, den vulkanischen Aschen ähnlich gefunden worden war, ohne dafs gleichzeitig vulkanische Eruptionen und innere Charactere diese Annahme berechtigten. Auch ist es nöthig bei Betrachtung der vulkanischen Aschen den Ge- sıchtspunkt zu erweitern. So wurden bereits 1844 die Tuffe der Vulkane der Eifel und ihre Rapillen und biolithischen weilsen Kieselmehle in Betracht gezogen (Monatsb. 1844). Gleichzeitig und 1856 (Monatsb.) sind grofse Tuifmassen der Vulkane in Süd- und Mittel-Amerika von gelblich grauer Farbe zu meiner Analyse gekommen. Die schwarz-graue Moya von Pe- Iileo ist 1841 erläutert worden. Directe Auswurfsstoffe der Vulkane von (Quito und Island wurden 1846 hinzugefügt. Das wichtigste Ereignils, welches für alle Zeiten einen erläuternden Einflufs ausübt, ist der Aus- bruch des Vulkans von St. Vincent, der 1812 am 1. Mai seine unberechen- baren Massenverhältnisse bis in den oberen Passatstrom in die Höhe schleuderte, das Tageslicht in volle Finsternifs verwandelte und mit ver- heerender Massenhaftigkeit sehr entfernte Inseln und Land bedeckte. Von !) Bunsen’s Leben aus seinen Briefen. Deutsche Übersetzung. Bd.I. p. 364. 12* 99 Eurengerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über ihm hat ein günstiger Zufall die auf ein englisches Schiff im Ocean gefallene Probe, spät aber gesichert, aus der Privat-Sammlung der Frau Professor Buekland in London 1847 zur Analyse in meine Hände gebracht, wie es ausführlich in der Mierogeologie p. 359. mitgetheilt ist. In ähnlicher Weise wurden mir durch Dr. Waitz 1850 die grauen Schlammauswürfe der Java-Vulkane vom Merapi zur Erläuterung übergeben und in der Microgeologie analysırt. In allen diesen von mir zahlreich direet untersuchten Fällen ist niemals von einer rothen Farbe der vulkanischen Aschen die Rede ge- wesen. Es waren kohlschwarze, graue oder weilsliche Substanzen, welche mit jenen meist lebhaft roth und gelb gefärbten Auskleidungen der Krater- gründe und der Fumarolen nicht vergleichbar sind, deren Substanzen, Schwefel- und Metall-Salze verschiedener Art, nur lokale Überzüge bilden, während die lebhaft rothen Eisenfärbungen erst durch längeres Liegen an der Atmosphäre zu solchen Eisenoxyd-Hydraten verändert werden. Was nun die röthliche vulkanische Asche des Ätna selbst anlangt, so ist ihre Farbe keineswegs den zimmet- und ziegelfarbenen Dunkelmeer- staubarten in ihrem normalen Verhältnifs vergleichbar. Die Farbe ist vielmehr eine rötlich violetgraue. Mit Salzsäure erhitzt wird diese Farbe ausgezogen und färbt die Säure gelbgrün, während das Pulver weilsgrau wird. Bei polarisirtem Lichte zeigt die Masse doppeltlichtbrechende kleine unregelmäfsige Körnchen und Packete, auch seltener glatte, zuweilen doppeltlichtbrechende, zuweilen einfachlichtbrechende Stäbchen, auch grö- bere Trümmersandtheile, meist (quarzigen ?) Kieselsand. Amorphe oder glas- se Theile fehlten. Organische fo) artige gröbere, so wie bimsteinartig zelli Beimischungen wurden nicht erkannt. So besteht denn dieser vulkanische Sand aus fein zertheilter Schlackenmasse mit einigem Eisengehalt, ohne Kohlenbeimischungen und unterscheidet sich, so weit die Beobachtung fortgesetzt wurde, von den Passatstaubarten durch Mangel an Spuren von organischer Beimischung. Auf Tafel I. sind viele Abbildungen der in diesem Kapitel ver- zeichneten Passatstaub-Formen zur Ansicht und Vergleichung gebracht. aub- Analysen. 0 sehon beschriebene Arten. 5 I) IST EN oLST dv * | [6 h ZUBN FE EG | 6IST ZUR "OL Bi ST wnuef CI jneuz) Is _— ST .tenıgo FIST denagag "I m SIT enıgaAd Gr uj9su] aUdsLIeu ZIST 1enIgOT'2 | urajsen) \ Sen I9sT % 20; 6% UBSINH 'L OIST 1ENIGO A "6 TOXQH ! HEsT "Ig« II ° IS GEST AnuRL *Ca FG A9QWSAON 0% "FI GEST ZIEN “wuryg ‘oc TEST enıgag’F | uraı uajpungneus) um —- zo rgleichung der 43 neueren Pas aub- Analysen. Theil I. schon beschriebene Arten. Übersicht heran i verzeichneten Staubfälle und Analysen. ee ee betreffenden Formen mit den an en von 1847 an. Die gesperrt gedruckten Namen bezeichnen neue, zum Theil in den Monatsberichten \ sie c = F ei I = IS l e | =l 5 3 8 vw |S an ei £ 5 = > a o sn = Fl = E3 = IE I elel22|=| 3 [| 2: | 2 32 | is & 328 +8 Sue 2 | :* B a2 = x F les ae le 85 Yes 13 = = E,|- g53|T E| 3 = | „ 5 E &| Ey |F IE 5 F F 25 al. is] 3: F > m Fe 5|- s@ls a) Se IE| & SI SE RR a 2|32 =2| 3 N 12 slsi 53 5 je E iz S lo 33[1£E B x g 22 | I——li 5| ®8 ce SI 38 |% 4 ° IE g8E| s | 22 | 77215 1° 5 le » | IS Sur BilE S8|4 Eals Se 2 au le Es |® = lal==js|2| 88 | 8 i: Re £ ? : ; <|s : | ı® ; Eile EBENE: 3 ä E : 25/5 | 55 | | R 2 >15 selagesl la |: el | Eee): “= |e| | & Fe ssielslssk 5 |2- alolmieis Eee) "= ala 5 Er "zleelslsisıe| 2 | | BEle| [rjä[s Erle ' Kotalia aspera Galtionelta aurichaloen — depressu ae = mmol S + — globulosa (protolepta) + _ lecunsata — laxa + — dütans Fe je + — _ fernuginen Strophoconus teretiusculus Ri = granuluta +] Teztitaria globulosa - per + = striata = — _ marchica ; +) Polythalamien Fragment + _ ‚procera + = ? + — faemiara 37) Br une ee een rn ua n+n 4 ' ern BER IL 2 als Par in Im > ZN Me fine “ f — =‘ z mung Bau inahayhen .. daylee e » = I % | | Benzin Er Ere 1 1 „. 4 N ı ve | | en) ir r nike: In ne yAiEırı r in! 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Ir ‚Scorpius Ka un u] ME 6 = Syqualodon “i«-lel. triangulum ea) 12) Ira Ion r elel.ıle tes ornatus ‚Festen r aeridium Amphiodon 4 - irrequlare Lithostomatium ellipticum ‚Lithostylidium acuminatum in — Amphiodon -_ angulatum _ annulatum _ asperum _ biconcamım _ calcaratum 20 2) 9 Fe -_ Catena N, £ _ Cauda Draconis |, |, * _ claratum - Olepsammidium - conicum _ ‚orenulatum _ Cruz - eurvatum — euspidatum - denticulatum -_ Dicoras Balls - Diotis ”% . - Emblema .|« _ Jalcatum _ Fibula - ‚Nezuosum _ ‚Formica — Fusiforme Tone _ Hemidiscus _ Hemicyelus ll NA —_ Hirundo “la _ irregulare ++ —_ lacerum Belt. lc = lacve ++ Ir Ir _ Tobatum ‚Aalltel - obliguum ++. + -_ — var. aspera . N - oblongum - Ornithorehamphun| „|. |. = Ossiculum +++ - oratum lee... _ Pos . - Pincis ’ 7 _ polyedrum ie - quadratum au Rajula _ Reetangulum _ Ithombus rule Securis werpentinum Serra serrulatum rinuomem ‚Spathula sprinwilomem piniferum Subula Tourus Trabeeuia Triveros trigwetrum urichentatum entre ’ = Fr Mesleiey E + Pa Uca Ko ra IE 5 +1. +]. + +1. #1. 1. 1+ el. 1er +] - fi FAN +1: [+ -I.]: + + . B + ++. + + +. |+ ++ EN Pr + +|- + | il. + + . + a a u + Da na BE 2 at 2 le ++ +++ Sl Be. +| Ex a ++ Ir Ir i+ lee! a a ER + +|+|j+1+ +| Al +| ud] | sa. HE al] +i+l+|- + lee el: e |. I#I| = + +. +++ ++++ Jorusalem 8. 9. Febmar 1860 Westafrikan. Ocean 29.008. 1861 Böckstein + ++r++F+ + + | Rathhausberg Z[Tyon 27. März 1862 Gnstein 7.Fobruar 1862 Rauriser Alpen +++: +++]: ol. +4: + Fr :+PRRFrI+ I. ++ ef. ++ + + Er ++ KH “il. 1 ++ ++ = - I = | ja = 2le|s 2a B € |s|s EBENE) GHEZENE Kl s£lselslölz 32 193 |34 [85 |86 ]87 [38 ae PEN) I lo * Seele. 5 2 Kl kl «|-1.].Ir | #+ + [+1 - ++ ea Il Irma EruI 2. Bear Ir Dre I er ++l-|- ++ .|+ + + 5 +l#H 1.1. 1414 1+ .lalel. it «|» «It|.» + I | + +1... 1. [++ it Du ra en Fr f: + +]: 1+ + +++ +44. Ir + | B 5 ale +++ +). 4 ++ +++ + ++ 44H lH]. 14 | + + ++: + ++ I+ + + + I I = 181. | \ | | ’ ullelı | | | | ü #|.1+|.1+ + +1 + +1: +1. j#+ P + +++ ie 5 + MR +1. ++ + Ka I a a a ++ lee r :I:.|.).]# +++. 141414 14 I. ++ ++ ++ +. ++ + | . Sl Sntere ER: + E | Kr ++ + Ba IE IE 0 En] 129 a u ER FE | | I j 5 .|+ +++ +l./+ + 3 be .|+ + 23, 24. Mlrz 1860 Gastein ‚ar 1862 1866 | Graubündten u | 4.Fohrnar 1864 B 14. 20. November + ElLron 27. März 1862 Copverden 24. 25. Januar 185% Conarische Inseln 7. Fehronr 1863 Gäterslohe F [Rom 20. 21. Februnr 1804 + FE] Apulien 1868 TIspalan 3. Mai 1870 Wentafrikan. Ocean 29,0ct. 1861 Grevenburg Höxter Rauriser Alpen » + F+3]c + + 2|lola di Sora 10, März 1 = | Embrach = = + +4 4 +44 +44 Spongolithis acicularin amphioxys aspera canaliculata crnocephala il are Claus % Fistulosa a N feruosa hal» 1. Er Fustis “ Pe 12 1a el Gigas mesogongyla A M% obtusa +1 .1.|- |» [*1* Rectangulum al 21 2 1 Pau robusta Fe N ec septata -|. tracheotyla E93 + 2] Palma] + £]5t. Denis du Sig. 16. Nvbr. : E|Rarıhausberg » 1] Böckstein + ZlRom 28. Fehruar 1866 + &| Dardanellen » &]Lesina + | Ispahan 3. Mai 1870 + £]| Ferro {21 © = + «| Oesterholz Februar 1850 + + z| Janina 13. April 1870 ++ #2 175 +:#:F72 + == ++ | | anne. © i Triceros .|.1|. Tridens 2 ae seen Wr Summa [29 F F+FF HH 10 115 Ir | Weiche Pflanzentheile. 49) Sphaerella nivalis ll: Laubmooszweig Pilzsamenschlauch zweigliedrig ale e dreigliedrig Eu 5a EI viergliedrig Eier vielkammrig « Einfaches glattes Planzenhaar [+ gezuhntes raules + Am Ende verdicktes Vogelschnabelartiges 4444 4 +++ + | Gegliedertes ++ Conisches glattes rauhes Borstenförmig gluttes Ästiges +) Sternförmiges | Fichtenholz Sl + Dreieckig.Blüthenstaub (ooryiu)| , | , = Glatter kleiner Fichtenblüthenstau| _ | , |. |. großer Pflanzenparenohym rundzellig ge töpielt lungzellig getüpfelt + Blüthenstaubkörner +. Pflanzenzellgewebe, besondere \ Weicher Pflanzentheil, besond. + Epidermisstücke ++ 2 = | Bastfaser Fragmente | + Pflanzenfüse knotig N “+ | Farblose Leinwandfaser elalalkal +| Netzfaser Spindelfaser Farrnsaamen Kleiner Saame, besond, + Dreieckigor kleiner Saame Nierenförmig glatter Saame |+ _ rauher Saame BL. Runder Saame aaer |", Blattfrogment grün Be li. l. | Extractivstofl-Körperchen Fi N Dee el Amylum Holztheile Thierische Theile. 9 | | | Mäuschaar Branchiopodenfufs Anguillula Unentfaltetes Räderthier = AR | Räderthier- Ki | Acarus +, Schmetterlingsschüppchen | Weiße Thierhaare Gefärbte (Woll-)Haare ü ? F E \ i . 123190 io 162 Summe des Organischen. [57 60 [43 | 50 147 Unorganischen. 23 Rother (gelblicher) Eisenmulm [+ 18 Thon?-Mulm (Kiesel?) alle. Kalk-Mulm Quarziger Trümmersand r p # Kalksand | | | Crystallfragmente blaugrin |" | | | Orysuall-Rhomben welfs (Walzen- I 1} kora) Crystall-Cuben Sterndruse 3— 6strahlig Er on I Crystallprismen weils I.#l. grün rauchfarben Grüne Crystallsplitter | — Orystalle, rundlich facettirt Sechmeitige Tafelcrystallo | Gubelförmige Gypserpstalle | Hochgelbe Crystallsplitter ee Glimmer | Hyacinthrothe Glassplitter Farblose Porphyrartige Splitter | Kalk -Morpholithe (Scheiben- | | " plättchen) | , | _ | = — (wasige Scheibehen) [4 .+- 2 | Summe (aller Arten: 837) [01 /64 [51 |52 [61 22 34 [33 [51 151 [ho 32 Ja 16 + + > En + + +++ # + ++ i+l+ | | | Ar A|" II | | + | PFEDRPE |. © laı ja3 /54 \40 [74 54 [25 33 28 [60 [51 |20 [a2 44 [22 4 \37 [18 j46 + ++++F7 | | | | 506 [na 33 124 /18 63 [06 [16 [36 Anne ee © A , Yılyıa i DL x 7 Fanse Lau we Wa >> > u gen Pe Po a b u. u u - r, ‚ “, Bi v ° T ? “ y »- ; y; Fr e ne - ar = ” “ en u 6 + . Por Ar. Dun pen nun ten m m mann nn u = une > ‚ aa, 2 . “ ”.. ernennen ne nn ne Be u + = E nA L} a u = — m u 72 ar 4 das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 93 IV. Tabellarische Übersicht aller organischen Formen des rothen, seit 1847 (1849) analysirten Staubes. 7u den 1847 vorgelegten 27 Analysen des Passatstaubes, aus wel- chen 310 nennbare organische Formen entwickelt wurden, nämlich 137 Polygastern, 91 Phytolitharien, 19 Polythalamien, 51 weiche Pflanzentheile und 7 Insectenfragmente, ist es seit jener Zeit gelungen aus den im zwei- ten Kapitel dieser Abhandlung verzeichneten reichen historischen Angaben noch 43 neue Lokalfälle dieser Art nach vorliegenden Materialien zu ana- Iysiren. In den Monatsberichten der Jahre 1849 bis 1869 sind bereits 30 davon im Detail publieirt worden. Die Zahl der beobachteten organischen Formen in diesen neuesten 43 Analysen beträgt 313 und zwar 127 Polygastern, 120 Phytolitharien, 13 Polythalamien, 43 weiche Pflanzentheile, ein unsicheres Polycystinen- Fragment und 9 andere Thiertheile. Übereinstimmend mit den 310 Formen des Passatstaubes von 1847 sind von den neueren 313 Formen nur 163 und zwar darunter 70 Polygastern und 66 Phytolitharien, so dafs als or- ganische Lebenserfüllung des gesammten analysirten Passatstaubes 460 Formen zu nennen sind und zwar von den sich selbstständig erhaltenden, fortpflanzungsfähigen Polygastern 194 Formen und von den nicht selbst- ständig sich erhaltenden, nicht fortpflanzungsfähigen Phytolitharien 145 Formen, unter denen 36 Spongolithen verzeichnet sind, während die übri- gen Formen, aufser den 25 kalkschaligen Polythalamien, bei Weitem vor- herrschend kieselerdige Grastheile, Poolitharien, darstellen. Unter den 127 Arten der hier verzeichneten Polygastern sind die Bacillarien die bei Weitem überwiegenden Formen, ihnen zugesellt sind nur 6 Arcellen und 4 Difflusien als Arcellinen, und 1 Uryptomonas und 2 Trachelomonas als Uryptomonadinen. In der hier folgenden Tabelle ist eine Übersicht der gesammten directen Analysen seit 1849 zu Stande gebracht. Diese Formenverzeich- nisse haben den eigenthümlichen Character, dafs sie nicht zusammen ge- tragene, verschieden beurtheilte Gegenstände betreffen, sondern von einem und demselben Beobachter unter ganz gleichen Verhältnissen und Beob- achtungsmethoden mit früheren Verzeichnissen vergleichbar aufgefafst wurden. Die sämmtlichen 43 Analysen sind absichtlich von einander ge- 94 Eurexgerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchun gen über trennt gehalten, um die constanten Formen der reinen rothen Staubarten von den zufälligen der durch die Stürme aufgewühlten Oberflächen und dadurch in ihrer ursprünglichen Farbe abgeschwächten, weniger rothen Staubarten, leichter zu unterscheiden und, wo es nöthig ist, diese zu- fälligen Formen von weiteren Berechnungen ausschliefsen zu können. Bei dieser Anordnung ist, wie in den früheren Tabellen, mit Leichtig- keit zu erkennen, welche Elemente sämmtlichen Meteoren gemeinsam sind und welche vereinzelt in verschiedenen derselben vorkommen. Im Grofsen und Ganzen tritt hervor, dafs die rothen, vom gewöhnlichen Oberflächen- staube sowohl Afrika’s wie Europa’s, Amerika’s und Asien’s durch beson- dere Characterformen abweichenden, Staubarten untereinander einen festen eigenthümlichen Character nach mehreren Richtungen hin bewahren. Die eime Richtung giebt das sich immer gleichbleibende Massenverhältnifs ver- wandter Lebensformen und deren Überreste in dem rothen Passatstaub an, die sich als Polygastern und Phytolitharien bei Weitem überwiegend zu erkennen geben. Die zweite Richtung weist den überall durchgehenden Character nach, dals das bei Weitem grölste Massenverhältnifs dieser or- ganıschen Formen nicht den Meeres- sondern den Sülswassergebilden an- gehört, und dafs die meist zweifelhaften Meeresgebilde den zufälligen Bei- mischungen jener stabilen Hauptmasse anzugehören scheinen, welche schon aus dem 1686 gefallenen Meteorpapier von Rauden entwickelt werden konnte. Wesentlich ist es auch, dafs die kieselschaligen und kieselerdigen Elemente die kalkigen und gallertigen (weichen) in der Mischung so be- deutend überwiegen, die gallertigen vielleicht deshalb, weil diese oft durch Contraetilität veränderlich sind. Eine dritte Richtung ist die Überein- stimmung durch den beträchtlichen, die characteristische rothe Farbe gebenden Eisengehalt und auch durch den überwiegenden Kieselerdegehalt. Es ıst nicht ohne Wahrscheinlichkeit, dafs der häufige feine Eisenstaub aus hohlen eisenhaltigen feinen Kieselzellen besteht und dafs dieses Eisenoxyd von Gallionella ferruginea stammt, welche jedoch, da sie nicht in Ketten- torm oder hohlen Zellchen* aufser Zweifel zu stellen war, meist nicht mit aufgeführt ist. Eine solche Vorstellung wird mehr noch begünstigt durch die unzweifelhaften schwarzen, dem Magnete folgenden Eisenbläschen des 1858 mitgetheilten Meteorstaubes, worüber hier auf Taf. I. eine weitere Anschauung vergleichbar gemacht ist. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche orgamasche Leben. 95 Was die wichtigen schalenlosen kleinen atmosphärischen Organismen anlangt, welche hier nicht zahlreich aufgeführt sind, so ist Abschnitt V. darüber zu vergleichen. Rücksichtlich der Phytolitharien ist zu bemerken. dafs ihre scharfe Characteristik wegen ihrer so selten typisch überein- stimmenden Gestaltung erschwert ist und ohne Vorsicht leieht zu einer unabsehbaren Menge unnützer Namen führt. Dennoch war es nöthig die Gestalten nach ihren gröfsten Verwandtschaften zusammenzufassen und diese mit Namen zu versehen, um sie zu einer Übersicht verzeichnen zu können. Die in den tabellarischen Verzeichnissen enthaltenen Namen be- ruhen überdies nicht auf vorübergehenden Anschauungen, sondern stützen sich objectiv auf in Präparaten fixirte Individuen, welche beim Fort- schreiten der Structur- und Entwicklungs-Studien dem Anpassen an diese fort und fort zugänglich sind. Was den geographischen Ursprung sämmtlicher hier verzeichneten Formen anlangt, so darf nicht unbemerkt bleiben, dafs die srofse Mehr- zahl derselben, meinen mitgetheilten Erfahrungen nach, über alle Theile der Erde verbreitete Gestaltungen sind, dafs weder afrikanische noch australische Characterformen, wohl aber mehrere amerikanische !) wieder darunter wie 1847 (p. 319 und 434) beobachtet worden sind. Es hat überhaupt jetzt der Ursprung der einzelnen Organismen aus be- stimmten Oberflächenverhältnissen der Erde seine Wichtiskeit da- durch verloren, dafs eine Vermischung aller Oberflächen verhältnisse in einer schwebenden Passatstaubzone der oberen Atmosphäre sich wach- sende Geltung verschafft hat. Die in den früheren Tabellen von 1847 verzeichneten und in den neueren 43 Analysen nicht wieder beobachteten 62 Polygastern, fragliche Fragmente nicht mitgerechnet, sind folgende: !) Für die Verbindung mit den amerikanischen Oberflächenverhältnissen waren die höchst schreekhaften Stürme erläuternd, welche in Rob. Schomburgk’s Werk über Bar- bados 1848 p. 689 in Übersicht gebracht und in der Mierogeologie 1854 p. 362 angedeutet sind. Die afrikanischen und asiatischen Typhone mit ihren wandelnden Staubwirbeln, samt den von Humboldt beobachteten ähnlichen Staubwirbeln der Steppen Amerikas. bilden jetzt die Basis für das Zusammenwirken der Erdoberflächen auf diese Erscheinung der oberen Atmosphäre. 96 Eurkspenrg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Arcella constricta. Arcella? costata. Chaetoglena volvoeina. Chaetotyphla? retieulata. Chaetotyphla saxipara. Olosterium? Cocconeis atmosphaerica. Ooeconeis finnica. Difflugia cellulosa. Eunotia Arcus. Eunotia Camelus. Eunotia? laevıs. Eumotia Prleus. Bunotia quaternaria. Eunotia tridentula. Fragilaria amphioxys. Fragtlaria? (Biblarium). Fragilaria constrieta. Fragilaria diophthalma. Fragilaria? Synedra. Galhionella laminanıs. Gomphonema elavatum. Gomphonema longteolle. Gomphonema rotundatum. Gomphonema Vibrio. Himantıdium gracile. Himantıdium Zygodon. Meridion vernale. Monas viridis. Nawieula amphioxys. Naweula dubra. Nawieula emarginata. Naweula lneolata. Nawieula Scalprum. Nameula? Pinnularia nobils. Pinnularia taentata. Pinnularia Termes. Pinnularia®? (Amphora?) Spirillum Undula. Stauroneis drlatata. Stauroneis Legumen. Stauroneis Iinearis. Stauroneis Phoenicenteron. Stauroptera cardinalıs. Stauroptera parva. Staurosira construens. Surirella? Entomon. Surirella? paradowa. Surirella peruana. Surirella undulata. Synedra capıtata. Synedra? Tabellaria? Tabellaria® Zu diesen 55 Sülswasserformen sind noch folgende 7: Biddulphia? Coseinodisceus radiatus. Coscemodiscus? (minor). Gontothecium cerenatum. als seltene Meeresformen hinzuzufügen. sind auf der Übersichtstabelle selbst an Grammatophora oceanica. Grammatophora parallela. Pywidieula® (Coseinodiscus?) Die übereinstimmenden Formen gezeigt. oO das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 97 Wer die gekörnten Gallionellen des Passatstaubes, die auch in Calı- fornien Amerika’s mächtige Gebirgsschichten bilden, in weniger Arten zu- sammenziehen will, wird nur den bleibenden Arten eine grölsere Verbreitung geben. Ebenso ist es mit Discoplea und Eunotia. Da Eunotia amphioxys in 39, Gallionella tenerrima in 32, G. granulata in 30, @G. distans in 29, Dis- coplea atmosphaerica in 25, Pinnularia borealis in 18, von den Litho- stylidien L. Olepsammidium in 31 und von Spongolithen Sp. acicularis in 34 der 43 Analysen vorgekommen sind, so werden diese und ähnliche Combinationen die weitere Characteristik festzustellen geeignet sein. Die geringe Menge der untersuchten Substanzen wird wahrscheinlich später noch viele einzelne Formen in denselben und in ähnlichen Stauben er- kennen lassen, aber schwerlich in dem Massenhaften des hier Verzeich- neten viel Wesentliches abändern. V. Über den beobachteten Gehalt des wirklichen, unsicht- baren, selbstständigen Lebens der Atmosphäre. Hat sich auch die Vorstellung der denkenden Beobachtung frühe- rer Zeit von einer, die Atmosphäre und sogar den Äther des Weltraumes durchdringenden, unsichtbaren, organischen Lebensfülle durch Prüfung vieler Tausende einzelner Regen- und Thautropfen, mit dem Mikroskop nicht direct bestätigen lassen, und das aufgefangene Regenwasser stets zu unsichere Resultate dargeboten, so hat doch die fortgesetzte Nachforschung auf anderen Wegen und in annehmbarerer Weise ein grofses Reich die- ses wichtigen Lebensverhältnisses aufgeschlossen. Die Vorstellung von unvollkommenen, durch Electrieität in schleimiger, sei es rother, Pyrrhin genannter, sei es farbloser Luftfeuchtigkeit überall stets neu zu erwecken- den Gestaltungen ist unhaltbar geworden. Die betreffenden, nur der künst- lich verstärkten Sehkraft zugänglichen, Organismen sind als in der Art vollendete organische Wesen scharf erwiesen worden, dafs sie zu ihrer Selbsterhaltung und Vermehrung eine völlig ausreichende Summe von so- gar grolser Organisation besitzen und somit selbstständig sind. Anderer- seits hat sich mit Sicherheit feststellen lassen, dafs solche kleinste Le- bensformen zwar nicht stets, aber in den massenhaftesten Mengen, von Phys. Kl. 1871. 13 98 EurenBerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über den Bewegungen der Atmosphäre durch Wind und Wärme umher und in grofse Höhe getragen werden. Was die directe Beobachtung solcher Erscheinungen anlangt, die unzweifelhaft zu den gewöhnlichen atmosphärischen Verhältnissen gehö- ren, so waren die schweren Cholera-Epidemien die Veranlassung, dafs ich im Jahre 1848 der Akademie tiefere Studien dieses Gegenstandes vor- legte, welche sowohl Erläuterungen der wahren Elemente des Luftstaubes, als auch besonders die etwa giftige Beschaffenheit einiger derselben ins Auge fassen sollten. Linne’s aus dem Äther herabfallende höllische Furie (Furia infernalis) der schwedischen und sibirischen Brandblatter, samt sei- nem Ühaos aethereum, waren nur Bilder einer bewesten Phantasie ohne Realität, weshalb sie auch bald wieder verschwunden sind. Leeuwen- hoeks Dachrinnen- und Dachmoosthierchen liefsen sich noch aus zufällig durch Sturm in die Höhe gespritzten Sumpfwassern ableiten. Nach Nees von Esenbeck!) sahen Meyer und Stoop am vierten Tage nach dem Falle eines Regens mikroskopisch lebende Thierchen im Regenwasser schwimmen. Im Meteorstaube zu Wien vom 31. Januar 1848 hat Herr Dr. Wedl?), unter einigen gröberen organischen Fragmenten, vertrocknete panzerlose Infusorien vom Ansehen der Bursaria, Colpoda oder Parame- cium gesehen. Auf diese Namen lälst sich deshalb wenig Gewicht legen, weil vertrocknete weiche Infusorien, die nicht von Neuem im Wasser le- bensthätig gesehen werden, nicht wohl als solche erweisbar sind. Die durch Epidemien erweckten Vorstellungen vergifteter Luft verlangten directe Nachforschung. Deshalb wurden von mir 1848 hier in Berlin nicht nur alle Luftstaubverhältnisse in Häusern, Schränken und Thürmen, in Museen und Bibliotheken, in mit schweren Cholerakranken erfüllten Lazarethen, in Moosen auf den Bäumen der Stadtgärten und des Thiergartens bei 300 maliger Vergröfserung mikroskopisch geprüft, sondern es wurden in jener Zeit diese Untersuchungen auf den Harz bis zum Brocken, auf die oberen Kirchenräume von Dresden und Wismar, auf einige kleinere Berge der Schweiz bei Zürich und auf das damals ebenfalls einer starken Cholera-Epidemie ausgesetzte Ägypten mit seinem 1) Rob. Brown’s botanische Schriften Bd. I. p. 621. Anmerk. 1845. 2) Abhandl. 1547 p. 136. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 99 frisch zugesendeten Luftstaube ausgedehnt. Alle diese einzelnen Verhält- nisse sind in den Monatsb. 1848 p. 325 und 370 im Detail publicirt. Es ergaben sich aus den Untersuchungen über 200, im Luftstaube von der Atmosphäre getragene, organische Formen. Die fortgesetzten Untersuchungen der aus dem Urwalde von Ve- nezuela!) von hoch an den Baumstämmen gesammelten, durch Dr. Kar- sten mitgebrachten, Farn- und Moospolstern, so wie die in Asien an den Cedern des Libanon ebenfalls hoch am Stamme von mir selbst entnom- menen Moose, samt den im Jahre 1829 auf der Prochodnoi-Alp?2) des Altai auf der sibirischen Reise mit A. v. Humboldt von mir gesammel- ten Materialien, sowie meine eigenen Beobachtungen am Gletschereise der Berner Alpen und des Rhonegletschers®) erlaubten weitere Fernsichten des nothwendig von der Luft getragenen Staubes. Ja im Jahre 1853 #) sind grofse Verzeichnisse von den Materialien des Glockner und anderer hoher Alpen bis zur Monte-Rosa-Gruppe, welche von den Herrn von Schlagintweit gesammelt worden, von mir gegeben. Andere Materia- lien aus den bairischen Alpen wurden gleichzeitig in eine reiche Über- sicht gebracht, wozu noch 1858 ein Beitrag aus den oberen Schneeflächen des Montblanc), sowie durch die Gebrüder Schlagintweit dem ober- sten Himalaya bis zu 20,000 Fufs Erhebung entnommene Materialien hin- zukamen. Eine Abbildung des höchsten Alpenlebens der Schweiz ist in der Microgeologie auf Taf. XXXV. B. gegeben. Die Kenntnils der ansehnlichen Zahl kleinster, auf dem Himalaya, diesem höchsten Beobachtungspunkte, abgelagerter Lebensformen ist in den Abhandlungen 1858 p. 429 publieirt worden. Im Jahre 1855°) sind aus den 1851 gesammelten Proben des Alpenstaubes vom Monte-Rosa, nach vierjährigem völligen Trockenliegen, eine grofse Menge von Räderthieren und Tardigraden in destillirtem Wasser aus dem Scheintod wieder aufselebt. 1) Monatsbericht 1548 p. 213. ?) Monatsbericht 1549 p. 290. 3) Monatsbericht 1849 p. 294. *) Monatsbericht 1853 p. 319. °) Monatsbericht 1858 p. 775, nach Dr. Pitschner’s Materialien. %) Monatsbericht 1855 p. 225. 13* 100 Eurengere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Alle diese Luftstaubverhältnisse haben in gröfstem Maafsstabe zu erkennen gegeben, dafs das unsichtbare organische Leben des Luftkreises nicht mehr eine Hypothese ist, sondern den sicheren Erkenntnissen der Naturforschung angehört. Es giebt sowohl im Wipfel der Bäume von 50 bis 60 Fufs Höhe, auch bei Berlin, sowie auf den Dächern und Ballustra- den der hohen Gebäude, sowohl in der alten als in der neuen Welt und in deren Urwäldern, nicht wenige, generisch und specifisch eigenthümliche, Lokalformen aus sehr verschiedenen Abtheilungen der Polygastern, der Räderthiere, der Tardigraden und der Anguillulae. Sehr oft haben sich nach jahrelangem Trockenliegen aus den gesammelten Staubarten durch aufgegossenes destillirtes Wasser, zuweilen sogar in reichlicher Menge, derartige Thiere vom Scheintode wieder zu einem kräftigen Leben bis zur neuen Eibildung der Räderthiere erwecken lassen. Ja es konnte bereits im Jahre 18491) durch eine neue Beobachtungsmethode eine ansehnliche Reihe schalenloser weicher Polygastern zu neuer Lebensthätigkeit gebracht werden, wie denn ganz neuerlich im Jahre 1869?) aus von der deutschen Nordpol-Expedition von Spitzbergen mitgebrachten Moosen, durch das gleiche Verfahren, in wenig Stunden schon die in den Blattachseln einge- schrumpften unsichtbaren Thierchen sich neu belebten, und es ist beson- ders bemerkenswerth, dafs eine der Vorticella micerostoma gleichende Form sich so schnell kräftig entwickelt und thätig zeigte. Die sämmtlichen so beobachteten Formen sind auch nicht nur dem Thierreich angehörige, entwicklungsfähige Einzelwesen, sondern es haben sich vielfach Sporidien und Sporangien von Pilzen, sowie allerlei erypto- samische Pflanzensamen gezeigt, welche auch das Pflanzenreich, wiewohl [o) stets weniger zahlreich, in der Atmosphäre als vertreten erkennen liefsen. 1) Monatsbericht 1849 p. 97. Während im Jahre 1530 nur 5 Formen, als wirklich lebend von der Luft getra- gen, namhaft gemacht werden konnten, ist die Zahl der wirklich lebenden und aus dem eingetrockneten Zustande durch kurzes Befeuchten wieder kräftig thätigen Formen schon sehr ansehnlich geworden, wie folgendes Verzeichnils bereits 1849 mitgetheilt wurde: Bodo saltans, Bursaria arborum n. sp., B. triquetra n. sp., Colpoda’ Cucullus?, Cyelidium arborum n. sp., C. Glaucoma, Monas Guttula (M. Termo von Schultze), Monas viridis?, Ozxytricha Pellionella, O. Pullaster, Stylonychia pustulata, Trachelius dendrophilus n. sp., Vibrio Lineola. Prof. Pouchet’s spätere Untersuchungen in Frankreich sind zu vergleichen. 2) Monatsbericht 1569 p. 260. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 101 Zu diesem grofsen Formenreichthum ist nun noch der sehr ansehn- „liche hinzugetreten, welchen ich seit 1844 als Mischung des rothen Dun- kelmeerstaubes und als Bestandtheil der vielbesprochenen Blutregen der Akademie vorlegen konnte, dessen erweiterte Kenntnifs auch der Haupt- gegenstand der gegenwärtigen Mittheilung ist. Aus dem gewöhnlichen, nicht rothen, meist grauen Luftstaube waren bis 18481) weit über 200 organische Formen zu verzeichnen gewesen, von denen diejenigen, welche wirkliche Lebensthätigkeit zu erkennen gaben, in den Monatsberichten ver- merkt sind. Eine besonders reiche Anschauung von wirklich thätigem Leben ergab auch der durch Kohlenstaub schwarze Tintenregen von Irland im Jahre 1849, dessen weiter entwickelte Räderthiere (Phrlodina roseola) mit Dursaria arborum 1849?) angezeigt worden sind. Dieser ganze Tin- tenregen hat insofern keine volle Sicherheit für seine atmosphärischen Lebensberechtigungen, weil das Einsammeln und Aufbewahren nicht gleich Anfangs überwacht gewesen zu sein scheint und die Flüssigkeit mir erst nach sechs Wochen zur Untersuchung zugekommen ist. Die von 1847 bis 1869 gegebenen Erläuterungen des rothen atlan- tischen Dunkelmeer- und Passatstaubes sind in dem vorhergehenden Ab- schnitt speciell verzeichnet und es ist hier nur zu bemerken, dafs auch unter den so zahlreichen Lebensformen ihrer Mischung, durch ihre inneren wohl erhaltenen Weichtheile als lebenskräftig anzuerkennende, selbststän- dige Individuen zuweilen zahlreich vorhanden waren. Bereits in der 1847 gedruckten Übersicht des Passatstaubes und Blutregens wurde p- 319 auf das möglicherweise und zuweilen sogar wirklich fortbestehende thätige Leben der in der Luft als Wolken getragenen festen Bestandtheile mit folgenden Worten aufmerksam gemacht: „Beachtenswerth ist, dafs in dem „Meteorstaube (1813 in Calabrien gefallen) aus Chladni’s Sammlung sehr „viele lebend getrocknete Exemplare der Bunotia amphroxys und Synedra „Entomon®) sehr oft in Selbsttheilung begriffen vorkommen und ebenso „auch einige aber wenige in dem Staube von 1803. Nur in dem Meteor- 1) Monatsbericht 1348 p. 339. 2) Monatsbericht 1849 p. 301. 3) Symedra Entomon ist seitdem so häufig in anderen Oberflächenverhältnissen der Erde vorgekommen, dafs sie als Characterform Amerika’s zweifelhaft geworden. 102 Eurevgere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über - „staube von Lyon 1846!) waren dergleichen bisher (Bunotia amphrowys „mit grünem Inhalt) vorgekommen. — * Seitdem sind auch in dem am 30. October 1834 gefallenen Meteor- staube vom Argun-Flusse, an der russisch chinesischen Grenze, noch 1851 bei der mikroskopischen Analyse mehrere Eunotia amphioays und Pinnu- laria borealis mit grünem Inhalt und in Selbsttheilung begriffen beobach- tet worden, wie schon Dr. Weisse in Petersburg in seiner Analyse bereits vorher angezeigt hatte (Monatsb. 1851 p. 318.) Auch in der vul- kanischen Auswurfsasche des Imbaburu-Vulkans in Quito (natürlich der verstäubten Oberflächenverhältnisse) ist 1844 eine Bunotia amphroxys mit grünem Inhalt angezeigt (Monatsb. 1846 p. 191, 1848 p. 336.) Der Meteorstaub von Schlesien und Nieder-Österreich vom 31. Ja- nuar 1848 enthält ebenfalls viele lebensfähige, das heilst mit grünlichem Inhalt versehene Polygastern, namentlich Zunota amphioxys, Synedra En- tomon und Pinnularia borealis. Der Mangel weiterer wichtiger Charac- tere des Passatstaubes macht aber diesen Fall als solchen zweifelhaft. (Abhandl. d. Akad. 1847. p. 141). In dem 1847 am 31. März im Gastei- ner Thale gefallenen Passatstaub ist wieder Hunotia amphioxys mit grünem Inhalt beobachtet (Abhandl. d. Akad. 1847 p. 132). 1851 wurde im rothen Schneefall von Graubündten vom 3. zum 4. Februar dieselbe Eunotia am- phioxys mit ihrem weichen grünen Inhalt, mithin lebensfähig, beobachtet. (Monatsb. 1851 p. 165.) Für alle diese Fälle ist nur anzudeuten, dafs der grünfarbige In- halt keineswegs deshalb auf Abgestorbensein zu beziehen ist, weil die im Wasser lebenden jüngeren Formen oft gelbliche und braune Färbung ihrer Weichtheile zeigen. Schon 1838 sind im Infusorienwerke Formen in Selbst- theilung auf Taf. XIV. abgebildet, deren eine Hälfte braun, die andere grün ist, und auf Taf. XXI. sind Surirellen dargestellt, welche in der Mitte grün, an den Seiten braunfarbige Weichtheile führen. Im Gegentheil hat Stauronöis Phoenicenteron ihren alten Namen von der beim Absterben nicht grünen sondern röthlichen dieser, von mir Ovarien genannten, Weichtheile, aus denen beim Einschrumpfen bewegte Körner hervortreten. Die leben- den Desmidiaceen sind gewöhnlich nur grün. 1) Monatsbericht 1846 p. 326. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 103 Ganz neuerlich hat Professor Silvestri in Catania bei dem be- sonders merkwürdigen rothen Staubfall vom März 1869 viele lebende, schwimmende Infusorien direet und im frischen Regenwasser erkannt. Da die Mittheilungen Silvestri’s ein besonderes Vertrauen erwecken, so sind seine Angaben über die lebendig bewegten Bewohner des Meteorwassers vorzüglich berücksichtigungswerth. Eine Scene der im Wasser befindlichen organischen Bestandtheile ist von demselben mit Hilfe der Camera lueida aufgenommen worden, wodurch einige der von ihm genannten Formen der Beurtheilung zugänglich sind. Da er jedoch bemerkt, dafs verschieden- artig bewegte kleine Formen, die er gesehen, auch den bewesten Algen- samen angehören könnten und sie weiter mit Namen zu belegen selbst Bedenken getragen hat, so ist doch nur eine Form eigentlich mit Sicher- heit aufzunehmen. Diese Form ist der Vorticella Convallaria oder V. mi- crostoma der sülsen Gewässer überaus ähnlich, welche letztere ich aus den von Spitzbergen mitgebrachten Moosen 1869 (Monatsb. p. 260) sich unter destillirtem Wasser in sehr kurzer Zeit entfalten sah. Auch bedarf es einer Berücksichtigung, dals die Vorstellung, als seien die 1869 beob- achteten Formen aus den Spritzwellen des sehr aufgeregten Meeres in die Wolken übergegangen, dadurch behindert ist, dafs keine dieser Formen als characteristische Meeresbildung namhaft zu machen ist, während man vorherrschend solche erwarten mülste. Im Allgemeinen ist noch zu bemerken, wie schon 18481) ange- deutet wurde, dals Eunotia amphroxys und Pinnularia borealis, welche Formen am zahlreichsten als lebensfähig unter den Atmosphärilien bisher beobachtet sind und im Luftstaube von Berlin die vorherrschenden, zum Theil nie fehlenden sind, in den Gewässern von Berlin nur selten und einzeln vorkommen. Es entstand mithin die Frage, warum sich von nahe 400 kieselschaligen Polygastern-Arten, welche bei Berlin leben, gerade nur zwei und die beiden Passatstaubthierchen (vom Staube des Atlantischen Oceans) lebend und auffallend zahlreich im gewöhnlichen Luft- staube befinden, während diese am Boden selten sind. Schliefslich fasse ich in dieses Bild des Luftlebens noch jene For- men ein, welche ich im Jahre 1838?) aus dem sogenannten Meteorpapier 1) Monatsbericht 1848 p. 342. ?) Abhandlungen 1833 p. 45. 104 Eunrengerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über von Rauden, das 1686 in bis tischgrofsen Platten aus der Luft gefallen ist und vom Chemiker Grotthuss bei Mitau, als mit den Characteren einer kosmischen Substanz versehen, mit chemischer Analyse geschildert worden ist, entwiekeln konnte. Grotthuss selbst hat, durch Berzelius veran- lafst, die wesentlichen Meteorbestandtheile als eine Beirrung durch Schwe- feleisen widerrufen. Die mikroskopische Analyse hat mit der gröfsten Klarheit aufser Zweifel gestellt, dafs die schwarze Masse aus einem ver- rotteten Confervenfilz von Conferva erispata und aus 30 sehr ausgezeich- neten Bacillarien, Desmidiaceen, Closterinen, Pandorinen, Peridinien, Rä- derthieren und einer Daphnienschaale bestand, wodurch die chemischen Elemente, welche Grotthuss fand, hinreichend erläutert werden. Mehrere der Bacillarien, Desmidiaceen und die Conferve hatten noch weichen, grün- farbigen Inhalt und mögen mithin, wenn sie in der Luft getragen worden sind, bis zum Herabfallen wenigstens lebensfähig gewesen sein, und dafs sie nach 152 Jahren ihrer Aufbewahrung noch ihre natürliche Farbe der stens bemerkenswerth sein. Es konnte Weichtheile zeigen, dürfte wenig damals ausgesprochen werden, dafs diese Formen nicht nur Knochenresten oder Schaalen, sondern auch ganzen Mumien vergleichbar sind). 1) Noch ist ein Blick auf die individuelle Intensität der unsichtbaren Organismen zu richten, deren Nichtbeachtung die Vorstellung einer generatio spontanea derselben sehr be- günstigt hat. Im Jahre 1530 wurde zuerst den Räderthieren, einem früheren Theile der Animalcula Infusoria O.F. Müller’s, eine in allen fünf Systemen den grölseren Thieren und Menschen möglicherweise vergleichbare Organisation zuerkannt und in den übrigen wikroskopischen Formen eine grolse Analogie nachgewiesen, was bis 1838 in so vielen Abtheilungen und Einzelformen ausgeführt wurde, dafs es eine vielseitige Anregung zu geben nicht verfehlt hat. Nicht nur sind alle damals angezeigten und in ihren Functionen zu deuten versuchten Organe von vielen Forschern bestätigt, sondern auch erweitert wor- den. Nur über die Funetionen hat man sich später abweichenden Behauptungen hinge- geben und, wie zu Platner’s Zeit die Physiologie des Menschen nur eine probabilis dis- putatio de usu partium war, so wird auch jetzt Manches berechtigt oder unberechtigt be- stritten und behauptet. Wichtige Erweiterungen dieser Kenntnisse führten in England Thwaites 1847 durch die Cysten-Umwandlungen der Bacillarien und Brightwell und Goflse 1549 durch Nachweis eines zuweilen getrennten Geschlechts bei Räderthieren herbei. Die Lehre von einem Scheinfleische (Sarcode) und von Scheinzellen (Vacuoles) haben den weichen Formen, samt den Schlagwörtern Protoplasma, Protosoa, Protococcus und ähnli- chen Ausdrücken manche Unsicherheit zugefügt, allein auch in den zoologischen Hand- büchern haben die Systematiker bereits breiten Besitz von den Erfolgen der mikroskopi- schen Forschung genommen, so dals vom Einfachen dieser Lebensformen nicht mehr die das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 105 VI. Schädliche organische Atmosphärilien. Seit alter Zeit ist bei allen grofsen Krankheits-Epidemien die Vor- stellung lebendig geworden, dafs diese von schädlichen Luft-Zoophyten Rede ist, vielmehr sich herausstellt, dafs jede neuere kräftige Forschung neue Gründe für die Ansicht liefert, dafs das unsichtbar kleine organische Leben in einer, den grolsen Organismen gleichen, Lebens-Idee organisirt ist. In der Botanik haben die Algologen zwar auch neuerlich fortgefahren, die Ba- eillarien als Pflanzenzellen zu betrachten und ihre farbigen Erfüllungen (die von mir, we- gen periodischer Veränderung und Umgebung mit bewegten Körperchen, Ovarien ge- nannten Theile) als Endochrom-Platten zu bezeichnen, während Rabenhorst (Campylo- discus Hedwigia No. 9), hauptsächlich aber Focke (Phys. Stud.) sich 1854 entschieden für die thierische Natur solcher Formen ausgesprochen haben, Ersterer aber 1864 in der Flora europaea Algarum alle Formen wieder pflanzlich abgehandelt hat. Sogar das dop- pelte Geschlecht wurde neuerlich von Greef auch bei Vorticellen angedeutet, während Balbiani in Frankreich über die geschlechtlichen Organisationen der Infusoria_ ciliata und Cohn und Kölliker in Deutschland über die Gewebslehre des unsichtbaren Lebens mancherlei Betrachtungen zugeführt haben. Da aufser der Kleinheit auch die Durchsich- tigkeit viel Schwierigkeiten für richtige Auffassung birgt, so ist besonders Herrn Rei- chert’s neueste intensive Betrachtung und Erweiterung der Kenntnils des so durchsichti- gen grolsen Zoobotryon, sowie seine Einführung in die neuere Vorstellungsweise wichtig. Ob die contractilen Blasen der Paramecien nach aufsen und die Zitterorgane der Räder- thiere nach innen sich münden und viele ähnliche Behauptungen über die Sexualdrüse der Polygastern werden noch lange die streitlustigen Kräfte bewegen und besser als Autoritäts- Dietate weitere Kenntnisse vorbereiten. Nur die ungleichen Beobachtungs-Methoden und der ungleiche Maafsstab sind schwere Hemmnisse schneller Übereinstimmung. Wunderlicherweise macht man es mir neuerlich fast überall zum Vorwurf, dafs ich die Räderthiere zu den Infusorien gestellt habe, während ich mir es gern als einen kleinen Gewinn anrechne, sie zuerst mit physiologischer Schärfe von den alten Infu- sorien Müller’s getrennt zu haben. Nur der Mangel an Neuerungssucht der Namen und der Wunsch verständlich zu sein, haben mich 1838 bewogen, beide, seit ältester Zeit ver- schmolzene Formenreihen des Mikroskopes, mit Müller’s Namen verbunden zu lassen, während ich ja schon 1835 in der, in den Abhandlungen gedruckten Übersicht des gesammten Thiertypus im Naturreiche des Menschen sie weit auseinander hielt und nie anders gedacht habe. Auch in Carus und Gerstaecker’s Handbuch der Zoologie ist dieser Vorwurf aufgenommen und Viele schrieben ihn weiter ab. Gerade dieses fleifsige reichhaltige Handbuch ist aber geeignet die Fülle und Vollkommenheit der organischen Zusammensetzung anschaulich zu machen und festzuwurzeln, wenn man nur von dem darin befolgten Prineip sich fern hält, dafs diese Organisationen da bereits hinreichend entwickelt wären, wo die Kenntnifs der Beobachter bisher aufhört, oder uneinig wird. Phys. Kl. 1871. 14 106 Eurengere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über oder Luft-Insekten und Würmern erzeugt würden. Linne, der ruhige Forscher, wurde, wie im Eingang bemerkt ist, zu seiner Zeit zu solchem Enthusiasmus für diese Ansicht hingerissen, dafs er das Schädliche als be- sondere Organismen mit Namen in das Thierreich aufnahm. Im Jahre 1848 ist bei Gelegenheit der starken Choleraseuche diesem Gegenstande von mir viele Aufmerksamkeit geschenkt worden, und ich habe damals mein Urtheil dahin ausgesprochen: — „Wenn es periodisch giftige Eigen- „schaften des Luftstaubes giebt und die Luft nachweislich mit mehreren „Hunderten erkennbarer, organischer und unorganischer, unsichtbar „kleiner Formen (in einem Tage periodisch zu 100,000 Centnern) er- „füllt ist, so fragt man wohl, welche dieser Formen sind unverdächtig „und welche sind etwa verdächtig, zumal im August 1848 zu Berlin?“ — Es ist damals das Verhältnifs der organischen Formen speciell in Über- sicht genommen worden und zum Schlusse bemerkt: — „Zu einem wirk- „samen Gifte bei Epidemien reichen einzelne Formen so nicht aus, es „mufs an massenhaftes, neues, selten Boden findendes Gift gedacht wer- „den, das in kurzer Zeit wirkt. Daher mülste bei fleifsiger Benutzung „der optischen Kräfte das Massenhafte der Untersuchung schnell zu „Hilfe kommen, was nicht der Fall ist. Etwas bemerkenswerth ist das „Verhältnifs der milbenartigen lebenden Bärenthierchen, Tardigarden, „doch sind sie im frisch fallenden Staube noch nicht beobachtet „worden. — * So konnte 1848 etwas auffallend Ungewöhnliches durch Überwiegen irgend einer besonderen Form jener Atmosphärilien, auch der Pilzsporen, nicht aufgefunden werden und es hat sich seitdem die Vorstellung von giftiger Beschaffenheit gewisser Lebensbedingungen mehr auf die Gewässer zurückgezogen, zumal die Epidemien in sumpfigen, dem Geruchssinn sich oft als unrein bezeichnenden Gegenden den vorherrschenden Heerd ihrer Entwicklung zu erkennen geben. Wenn ich fortfahre, ungeachtet vieler sehr wichtiger, neu entdeckter, organischer Structur-Verhältnisse im Pflanzenbau, die Bacillarien von den Pflanzenzellen auszuschlies- sen, so berechtigt mich dazu ihre Aufnahme fester Nahrung in innere Zellen und ihre, dies möglich machenden, von einer Zellenwand sehr verschiedenen, offenen Spalten der vieltheiligen Schaale mit noch anderen schon mannigfach besprochenen Characteren. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 107 Dennoch hat man auch neuerlich die in der Luft schwebenden organischen Pilzsamen zu einem der einflufsreichsten Gegenstände erhoben zumal die Vorstellung sich fester gestaltet, dafs selbst der blaue Himmel, je intensiver er ist, desto erfüllter mit Trübungen sei. Ich muls hier auf eine Zusammenfassung der neuesten Bestrebungen, die Kenntnisse der Atmosphäre in dieser Beziehung zu erweitern, weil sie zu umfangreich sind, verzichten. Dennoch scheint es nicht nur an- gemessen, sondern mir eine Pflicht zu sein, einige Andeutungen davon vorzutragen. Die Untersuchungen haben sich neuerlich in mehreren Rich- tungen lebhaft bewegt. Die von mir 1848 gewonnenen Resultate haben 10 Jahre später neue Versuche in derselben Richtung erweckt, welche den Reichthum an unsichtbaren organischen Mischungen der Luft bestä- tigten und besonders in Frankreich neue Aufschlüsse zur Folge hatten. Professor Pouchet benutzte seine Ergebnisse zur erneuten Feststellung der generatio spontanea in der Atmosphäre, welchen Ansichten jedoch die Pariser Akademie nicht beitrat. Die sorgfältigen Analysen des Herrn Pasteur bestätigten jedoch durch chemisches Verfahren die reichen orga- nischen Mischungen der Luft von Paris. Seitdem ist wieder eine neue Übersicht ähnlicher Bestrebungen in England 1870 veröffentlicht worden, welche zwar ganz verschiedene, von den meinigen und auch von den französischen abweichende, Resultate aus Manchester und London zur Kenntnils bringt, aber zugleich den grolsen Eifer erkennen läfst, mit welchem der Gegenstand, als ein viel- seitig wichtiger, dort neuerlich aufgefalst worden ist. Der verdiente Phy- siker Herr Tyndall selbst hat in London (Fraser’s Magazine March 1870 „On dust and disease by J. Tyndall) sinnreiche neue Experimente mit der von den Menschen dort einzuathmenden Luft gemacht und das Resultat gewonnen, dafs der sogenannte Sonnenstaub, welcher überall die Luft erfüllt, so ganz verbrennbar ist, dafs er unter sichtbarem Rauch ver- schwindet. In geeigneten Röhren liefs sich die mit Sonnenstaub erfüllte Luft ganz reinigen. Das Verfahren ist l. c. mitgetheilt. Derselbe giebt auch Nachricht, dafs die mikroskopische Analyse in England überaus fruchtbar geworden sei, namentlich hat Herr Angus Smith mit einer, der von mir 1848 (Monatsb. p. 440) angewendeten ähnlichen Methode eine gemessene Luftmenge durch Schütteln mit 14* 108 EurenBere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Wasser gemischt und dann einem mit dem Mikroskop geübten Beobachter Herrn Optiker Dancer, zur Prüfung übergeben, welcher in einem Raume von „45 Zoll 100 Pilzsporen liegen sah, so dafs auf jeden der von ihm untersuchten Wassertropfen nach seiner Angabe (l. ce. p. 10) ungefähr 250,000 Pilzsporen kamen. Aus diesen Versuchen wird in England eine wichtige Theorie für die Heilkunde abgeleitet, diese Pilzsporen werden mit der Hefe in Verbindung gebracht und als Ferment für beginnende Lungen- krankheiten und alle offenen Wunden, so wie für Fäulnifs betrachtet. Ja man will sogar zur Eiter-Ausleerung offene Wunden vermeiden. Zugleich wird der Nutzen von, die atmosphärischen Pilzsamen wegfangenden, Baum- wollbedeckungen, besonders auch das Tragen von, die Athmungsorgane schützenden, Respiratoren anempfohlen, und die epidemischen Ausschlags- Krankheiten werden, wie zu Linne’s Zeit, von Neuem mit unsichtbaren Luftorganismen in direeten Zusammenhang gebracht. Es möge mir noch die Bemerkung erlaubt sein, dafs, wenn wirk- lich Pilzsporen hier und da in dichter Menge sichtbar würden, die Nach- forschung nach ihrer Stammpflanze durch Entwicklungsbeobachtung noth- wendig würde, dafs aber die so vielen von mir vorgenommenen Unter- suchungen auch bei Ausschlagskrankheiten und Wunden keine entsprechen- den Mycelium-Fasern eines Schimmels oder Pilzes haben erkennen lassen, obschon bei vernachlässigten Verbänden und Ausschlagskrusten Fasern und sogar Blätterpilze richtig beobachtet wurden. Die Schimmelkrankheit der Raupen und anderer Insekten wird man damit nicht verwechseln dürfen. Pemieillium glaucum als unschuldiger Weltbürger unter den Schim- meln dürfte am meisten in Vergleichung zu ziehen sein, wo wirklich solche Erscheinungen hervortreten. Ich sehe es nicht für meine Aufgabe an, diesen lebhaften Bestre- bungen mein Urtheil beizufügen. Was die Pilzsporen des Herrn Dancer anlangt, so kann ich, ohne die Richtigkeit der lokalen Erscheinung an sich in Zweifel zu ziehen, das Bedenken nicht unterdrücken, dals mir selbst bei so vielen Staubuntersuchungen feinster Art zwar oft vereinzelte Pilzsporen, aber niemals reine Haufen derselben in so grofser Masse vor- gekommen sind. Da sehr wahrscheinlich Herr Dancer eine sehr starke Vergröfserung angewendet hat, so könnte wohl der amorphe Kohlenstaub, als Rufs, welcher in Englands Städten die Luft bekanntlich stark erfüllt, das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 109 solche Kügelchen zur Anschauung gebracht haben, zumal andere organische Kohlentheilchen von ihm nicht gefunden worden, auch weder Sand noch Bacillarien, die bei mir nie fehlten, als Mischungstheile genannt sind (siehe den Tintenregen von Irland 1849). Dieselben Rufstheilchen in so grofser Menge könnten auch bei Tyndall’s sinnreichen Experimenten die Reini- gung der Luft durch weiteres Verbrennen des Russes bis zur Gasbildung vermittelt haben. Indem ich auf die Monatsberichte der Akademie von 1848 und 1849 weiter verweise, sind hier die den Passatstaub und ihm ähnliche Meteore betreffenden Schädlichkeiten in Betracht zu ziehen. Es fehlt nicht an historischen Nachrichten, dafs auch die rothen Staubarten von schädlichen Einwirkungen der sie tragenden Luft be- gleitet waren. So wird schon 786 von einem Blutregen aus Schlesien von Herlicius berichtet, welcher Krankheiten und Tod zur Folge hatte. 1346 berichtet Zeiler, Epıstola, vom Sterben vieler Menschen durch einen feurigen Regen. 1557 zeigte de Lery an, dafs er auf dem Schiffe Ende Januars unter der Linie im Atlantischen Ocean einen höchst übel- riechenden ätzenden Regen hatte, der die Kleider befleckte und auf der Haut Pusteln und grofse Blasen bildete. (Abhandl. 1847. p. 97). Im Jahre 1689 beobachtete Vallisneri einen rothen Staubregen in und bei Venedig, welcher beim Genusse nicht wohl davon gereinigter Gemüse Durchfall und Übelkeiten verursachte. Er hielt es für rothe vul- kanische Asche des Vesuv !). Es ist ebenso und mehr wahrscheinlich, dafs dieser rothe Staub Seirocco-Staub gewesen und mithin in seiner Mischung dem von mir analysirten, in eben jener Gegend 18053 und 1813 gefalle- nen, berühmten Staube gleich war. (Monatsb. 1848. p. 343). Im Mai des Jahres 1705 fiel zu Colmar im Elsafs ein so giftiger Mehlthau, dafs von dem auf der Weide befindlichen Vieh 500 Stück an Pferden, Hornvieh und Schaafen in 24 Stunden umfielen und auch von den Hirten, Vater und Sohn, der letztere gestorben und der erstere nach hartem Anstofs davon gekommen ist. (Monatsb. 1850. p. 236). Im Jahre 1792 fiel zu la Paz in Bolivia ein aschenartiger Staub- regen, der bei vielen Personen heftige Kopfschmerzen und Fieber ver- ursachte ?). Mercurio Peruano Tom. VI. 1792. 1) Monatsbericht 1847. p. 347. 2) Arago, 1. c. p. 213. 110 EnurEngBenrg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten U: ntersuchungen über Im Juli des Jahres 1869 starb oder erkrankte zu Verona alles auf den dortigen Bergen weidende Vieh, das den trocknen Nebel ein- athmete. (Ragona l.c. p. 13). Durch diese Nachrichten sind wenigstens zwei Fälle als schädliche Einwirkungen rother Staubnebel zur Kenntnifs gelangt, die fünf anderen aber lassen Zweifel, ob sie zu den rothfarbigen Meteorstaubarten gehören. Das eigentlich schädliche Element ist in keinem dieser Fälle durch Be- sonderheit oder überwiegendes Vorhandensein den Zeitgenossen nachweis- bar geworden und könnte wohl ebenso in gasartigen und sauren Bei- mischungen der Luft und des Wassers liegen. VI. Sonderung der Atmosphärilien in schärfere Gruppen. Eine ansehnliche Schwierigkeit für die schnellere Einsicht und Ent- wicklung der atmosphärischen Mischungen mit fremden Stoffen ist durch nicht hinreichende Sonderung derartiger Erscheinungen veranlalst worden. Lufttrübungen hat man als Orkanstaub am häufigsten nicht intensiver Be- trachtung werth gehalten und nur den blutigrothen Ablagerungen lange Zeit mit Schrecken phantastische Theilnahme geschenkt, ohne ihre sehr verschiedenen Veranlassungen zu unterscheiden. Die meteorisch fallen- den wurden schon frühzeitig mit den Meteorsteinen als unmittelbare Zeichen oder Warnungen der Götter, oder als Baetylien für den Menschen göttlich zugewiesene Heil- und Scehutzmittel betrachtet. Über die medi- einischen Baetylien habe ich 1849 einige Mittheilungen gemacht. Erst allmälig ist es zur Erkenntnifs gekommen, dafs nicht alle Blut- erscheinungen meteorisch gefallene Substanzen, vielmehr einige am feuch- ten Boden wachsende, blutfleekenähnliche Algen und Pilze, oder in Ge- wässern sich entwickelnde Algen und kleine Thierchen sind. Das viel gefürchtete Blut in Broden ist als Monas prodigiosa 1848 und 1849 aus- führlich bezeichnet worden. Die gröfste Ausdehnung solcher Erscheinungen ist durch das Trichodesmium erythraeum des rothen Meeres und vieler anderer oceanischer, bald rother, bald grüner Färbungen in den Sitzungs- berichten der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin 1866 p. 5 angezeigt und neuerlich weiter behandelt worden. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 111 Diese oft höchst ausgedehnten oceanischen Wasserfärbungen ge- hören sehr verschiedenen organischen Verhältnissen an, oft kleinen Crusta- ceen, zuweilen kleinen medusenartigen Thieren von Noctiluca und einigen, als Wallfischspeise bezeichneten, unklaren Thiergestalten. Die gröfste ocea- nische Verbreitung hat den von mir a. a. O. gegebenen Erläuterungen gemäls das Trichodesmium erythraeum, dessen unberechenbare Verbreitung den Namen des rothen Meeres bei Arabien und der Zinober-See bei Cali- fornien veranlalst hat, während es im australischen Meere im Zustande der grünen Färbung jene Sägespähne artigen Erfüllungen und Streifungen breiter oceanischer Flächen erzeugt, welche von den Seefahrern ange- führt werden. Die von dem dänischen Schiff Galathea mitgebrachten Nachrichten der rothen Meeresfärbungen an der Chilenischen Küste, und die von Pöppig 1835 aus der Nähe von Valdivia angezeigten höchst ausgedehnten Meeresfärbungen durch bewegte runde Körperchen (Noct- luca?) in bis 6 Fufls tiefem Wasser lassen sich nicht weiter beurtheilen. Die mir besonders reichhaltig durch Prof. Hochstetter von der „Novara* übergebenen gelben und grünen Meeresfärbungen aus den Gewässern des Süd-Oceans in der Nähe der Nieobaren-Inseln und aus dem Chinesischen- Meere, so wie die von Dr. Kersten und Dr. Jagor mir neuerlich über- gebenen reichen Materialien aus dem Indisehen- und Atlantischen-Meere sind samt den Erfahrungen des Dr. von Martens 1866 1. ec. in Übersicht gebracht. Färbungen des Meerwassers durch rothe Staubfälle sind noch niemals beobachtet. Den von mir gegebenen ältesten Namen Trichodes- mium erythraeum hat Hr. Dr. Montagne in Trichodesmium Ehrenbergii für das rothe Meer und Tr. Hindsi der Zinober-See bei Californien ge- spalten (Annales d. Sc. nat. 1844. Ser. II. T. II. Zoologie), dessen Be- rechtigung ich für jetzt nicht entscheiden kann. Der den Blutregen und rothen Schnee hervorbringende rothe Luft- staub wurde Anfangs für vulkanische Asche gehalten (Vallisneri), ist aber seit 1844 als von rother vulkanischer Asche sehr verschiedener Dunkel- meerstaub zu vielfacher genauer Kenntnils und Analyse gebracht worden und erst heute gelingt es, auch einem vulkanischen rothen Staube seinen Charakter anzuweisen. Noch immer sind die Trübungen der Atmosphäre mit dem Staub ablagernden Passatwinde keineswegs abgeschlossen. Es scheint vielmehr 112 Eursngerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über sehr nöthig jene rothen Luftfärbungen, welche keinen Staub ablagern, durch die immer schärferen analytischen Methoden, sei es der Spectralana- Iyse, sei es durch Auffangen in grofser Höhe auf Bergen, günstige Momente zu erfassen, welche die Erläuterung fordern. Eine grofse Quelle der Unsicher- heit und des Irrthums hat bisher die Verwechslung der drei mächtigen Trübungsmittel der Atmosphäre herbeigeführt, welche der Höherauch, der Moorrauch und die vulkanischen Aschenauswürfe veranlassen. Dafs die vulkanischen Aschen Tage in Nacht verwandeln, das Sonnenlicht nicht nur schwächen, sondern ganz abschneiden können, ist schon öfter seit dem Untergange von Pompeji in Erfahrung gebracht und der höchst schreck- hafte Ausbruch auf der Insel St. Vincent am 1. Mai 1812 sowohl als die Hekla-Ausbrüche, haben die Thatsache hinreichend bestätigt. Von den Finsternifs bewirkenden ungeheuren Auswurfsstoffen des St. Vincent Vul- kans habe ich durch den günstigen Umstand des am Tage selbst auf ein Schiff gefallenen und aufbewahrten Staubes eine direete Analyse machen können, welche jene grofse Finsternifs erläuterte. Bei dem grolsen vul- kanischen Ausbruch auf Island 17831) bedeckte die Lava einen Raum von 60 Quadratmeilen in einer Dicke von 100 Toisen. Die dabei ver- kohlte und als Rauch verflüchtiste Pflanzendecke war geeignet weit ver- breitete trockne Nebel zu verursachen. Früher noch als in Island soll damals in Grönland ein Erdbrand ausgebrochen sein „und bei Nordwind wurde eine Menge Asche und Schwefeldunst den nördlichen Küsten von Island zugeführt, was den ganzen Sommer über fortdauerte.* Es war nichts weniger als wunderbar, wenn dabei erkennbare und namentlich zu verzeichnende organische Substanzen als Asche niedergefallen wären und nur ein unbegreifliches Mifsverständnils hat die Vorstellung erweckt, als ob solche entschieden vulkanische Auswürflinge der Oberflächen, als aus dem tiefen Feuerheerde der Vulkane stammend, von irgend Jemand ge- dacht worden seien. Eudiometrische Versuche ergaben kein Resultat einer Luftverände- rung, nur hat zuweilen der auffallende Geruch nach Schwefel eine Be- sonderheit der Atmosphäre verrathen, so dafs durch die sauren Dämpfe gedruckte Zeuge in der Farbe verändert wurden ?). oO 1) Kaemtz l.c. p. 214. 2) Kaemtz 1. c. p. 204. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 113 Was den Moorrauch anlangt, so ist dieser stets scharf vom Höhe- rauch zu scheiden. Man weils jetzt hinreichend genau, dafs der wahre Moorrauch ein Verbrennungsproduct grolser Haide- und Grasflächen ist, die der Kultur halber abgebrannt werden. Das jährliche Quantum solcher abgebrannten Flächen beträgt nach Finke!) im nordöstlichen Deutschland 59,460 Morgen und die Menge verbrannter Producte des sich in die Atmosphäre erhebenden Vegetabilischen 1800 Millionen Pfund. Von solchem Moorrauch können niemals rothe Ablagerungen abgeleitet werden, da seine Farbe vielmehr vorherrschend kohlenstoffig, daher schwarz sein mufs. Als auffällig darf bemerkt werden, dafs solche kohlenstoffige schwarze Bestandtheile der Atmosphäre bisher sehr selten bei den vielen Untersuchungen trockner und feuchter Staubfälle wahr- genommen worden sind. In gleiche Categorie mit dem Moorrauch gehören die Verbrennungs- producte der Schornsteine grofser Städte und Fabriköfen. In der Olaus- thaler Hütte werden jährlich nach Egen?) 294,000 Centner an Holz und Mineralien zur Schmelzung der Erze verwendet, von welchen nach Be- endigung der Arbeit 79,200 Centner an festen Materien übrig bleiben, so dafs 214,800 Oentner als Dämpfe fortgehen, welche aus Wasser, Blei, Eisen, Zink, Schwefel, Spiefsglanz und Arsenik bestehen. Auch letztere Quelle der atmosphärischen Trübung hat bisher nur beschränkte Wirkung in den sich ablagernden Staubarten erkennen lassen. Nur 4 schwarze für dergleichen sprechende Meteorstaubarten sind zu meiner Analyse gekommen: 1) der Tintenregen von Irland, 2) der schwarze Meteorstaub von Westphalen, 3) der schwarze Meteorstaubfall in Wien, 4) der schwarze Staubfall in Tyrol. Das schwarze Meteorpapier von Rauden ist entschieden kein Verbrennungs- sondern ein Moder-Product. Die Analysen sind in den Monatsberichten mitgetheilt. Die dritte Trübungsquelle der Atmosphäre ist der wahre Höherauch, welcher mit dem Moorrauch verwechselt und auch „calgo“ genannt zu wer- den pflegt. Solche wahre caligines, welche sowohl vom rothen Seiroccostaube als vom grauen Moorrauche verschieden, sind noch räthselhafte Zustände 1) Kaemtz 1. c. p. 209. 2) Kaemtz ].c. p. 321. Phys. Kl. 1871. 15 114 Eurkngerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über der Atmosphäre, sie scheinen nur dadurch characterisirt, dafs keine Stott- ablagerungen bei ihnen stattfinden, während sie doch die Luft trüben und das Sonnenlicht schwächen. Während die beiden früheren Categorien, die vulkanischen Aschen und der Moorrauch, als rein terrestrischer Natur erscheinen, sind die wahren calıgines auch von den stimmberechtigten Beobachtern oft für entschieden kosmische Nebel erklärt worden. Man hat in ihnen jene Weltwolken erkannt, die schon Keppler betrachtete und die periodisch von der Erdbahn durchschnitten werden, oder solche Staubnebel, die durch Sternschnuppen über die Erde ausgeschüttet wer- den, oder endlich solche, die als Kometenschweife über die Erde hinweg- ziehen. Ob chemische oder physikalische Coneretionen der feuchten atmosphärischen Dünste und Dämpfe noch andere Erscheinungen dieser Art darbieten, mufs dahin gestellt bleiben. „Jedenfalls verlangen aber jene drei Arten des sogenannten Höherauchs besondere Beachtung und Unter- scheidung. Sind ihre stofflichen Elemente durch die Sehkraft nicht direet erreichbar, so wird man dieselben indireet durch Spectral-Analysen u. A. zu erläutern und zu erkennen und besonders ihre wahre kosmische Natur festzustellen suchen müssen, wobei der Eintritt und Austritt zuweilen mehr als der irdische Eindruck belehrend sein mag. Zur Characteristik der kosmischen calıgines wird folgendes dienen: Eine Weltwolke wird nicht nur Italien oder England einhüllen, sondern die ganze Erdoberfläche gleichmäfsig influenziren müssen. Ein Kometen- schweif wird, central oder lateral einfallend, partiell oder überall die Erde fegen, allein er setzt auch voraus, dafs ein Komet sichtbar ist, der diesen Einflufs haben kann und die Beachtung von dessen Bewegung. Was end- lich den Sternschnuppen- oder Feuerkugel-Staub anlangt, so wird auch von diesem nur dann zu sprechen sein, wenn ein angemessenes Feuer- meteor oder Meteorsteinfall wahrgenommen worden ist. Alle älteren Beob- achtungen von die Erde verdunkelnden Nebeln leiden an der zu lokalen, nicht hinreichend verallgemeinerten Auffassung. Sternwarten und meteo- rologische Observatorien werden zusammenwirkend über dieses kosmische Verhalten allein mit einiger Sicherheit Auskunft zu geben im Stande sein. Bei grofsen Schwärmen der Sternschnuppen und bei allen Feuerkugeln sind die Elemente der gleichzeitigen Lufttrübungen ein jetzt mehr als die Meteorsteine wichtiger Gegenstand der Beachtung. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 115 VII. Über morpholitische Scheinorganismen der Atmosphäre. Nachdem ich im ‚Jahre 1828 in der zu meiner und Hemprich’s Reise gehörigen Karte auf die bei Dendera in Ober-Ägypten im Polytha- lamien-Kalkstein vorkommenden Morpholithbänke von Kugel- Augen- und Brillensteinen aufmerksam gemacht hatte, habe ich 1840 in den Mo- natsberichten der Akademie diesen Gegenstand einer speciellen Übersicht unterworfen und in der Microgeologie 1854 viele darauf bezügliche Ab- bildungen auf der letzten Tafel mitgetheilt. Solche regelmälsig geformte, nicht den Crystallen gleich von geraden Flächen begrenzte, mathematisch genauen Gesetzen nicht unterworfene Gestaltungen, welche vielmehr, den organischen Bildungen ähnlich, stets in abgerundeten Linien und freier geschwungenen, oft rundlichen, scheiben- und walzenförmigen Begrenzun- gen erscheinen, haben bei immer weiterer Nachforschung ein immer grös- seres Interesse in Anspruch genommen, treten aber jetzt als Quelle ein- flufsreicher Verirrungen bei mikroskopischen Verhältnissen für diese Mit- theilungen in den Vordergrund. Während man sie in früheren Zeiten als gröfsere, leicht sichtbare zufällige Naturspiele, höchstens als Thon- und Mergelnieren oder kugelige Klappersteine, mit wenig Theilnahme be- zeichnete, sind dieselben in der neueren Zeit ein Gegenstand immer grös- seren Interesses geworden. Schon im Jahre 1840 fand der Staatsrath G. F. Parrot in Pe- tersburg die finnländischen Imatra-Steine, welche zu diesen Formen ge- hören und die als kalkhaltige Mergelnieren gröberer Thon- und Sand- schichten auftreten, in ihrer Gestaltung so eigenthümlich, dafs er sie unter dem Namen „/matra“ als eine neue schaalenlose fossile Mollusken- Familie!) verzeichnete. Die mir von Herrn Wilander aus Tunaberg in !) Die durch ihre vielen Abbildungen verdienstliche Darstellung Parrot’s in den Mem. d. l’Acad. Imp. d. Se. d. St. Petersburg VI. Serie. Sc. Math. phys. et nat. Tome V. 1540 läfst erkennen, dafs die /matra-Morpholithe aus einem kalkigen Thonmergel von weit gröberem Korn gebildet sind, als die in der Mierogeologie von mir zahlreich abge- bildeten schwedischen, wodurch auch die feineren Formverhältnisse der letzteren bedingt sind. Parrot sagt p. 119: „Les pierres d’Imatra sont des mollusques petrifiees, sans coquilles* — und p. 130: „Je me permettrai — de nommer cette famille Imatra*. — 19 - 116 EuRrENBERG: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Schweden 1840 freundlichst übersandte grofse Menge sehr scharf gestal- teter ähnlicher Nierensteine, die sich in einem ebenfalls kalkhaltigen fei- nen blauen Thonlager entwickelt haben und die gefällige Mittheilung einer noch gröfseren Menge gleicher Bildungen von dort durch den Hrn. Banquier Dr. Thamnau in Berlin zu meiner Auswahl hat mich in den Stand gesetzt die Natur jener /matra-Steine weiter zu erläutern (Monats- bericht 1840 p. 136.). Auf der letzten Tafel der Mierogeologie 1854 habe ich eine Reihenfolge solcher Bildungen dargestellt, welche die allmälige Entwicklung und Umgestaltung derselben vor Augen legen, obschon sie nicht mikroskopische, sondern zuweilen fulsgrofse, auch nicht organische sondern unorganische Naturkörper betreffen. Ich gehe hier nicht auf die specielleren Gesichtspunkte ein, die ich im Jahre 1840 bereits angedeutet habe, bemerke nur, dafs damals schon diese Erscheinung in drei der wichtigsten Elementen des Erdfesten, der Kalkerde, der Thonerde und des Eisens, vielleicht auch im Golde!) nachgewiesen werden konnte und auf jenen Tafeln abgebildet worden ist. Wie grofs das Feld dieser Erscheinungen ist habe ich öfter nicht ohne Verwunderung bemerkt. Dafs es melonenartige kopfgrolse Kugelbil- dungen in geschichteten Gebirgen giebt ist eine schon viel gekannte Thatsache, ob aber nicht unter dem Namen der schaalenartigen Ablösun- gen sich weit grofsartigere Morpholithbildungen verbergen ist noch un- erledigt. Die höchst auffällige Ablösung der einzelnen Ringe bei Brillen- steinen von einander ist von mir an den ägyptischen durch mitgebrachte Exemplare unzweifelhaft erkannt und es mag wohl bei Beurtheilung der neuerlich so viel Aufsehen erregenden Feuersteingeräthe der Steinzeit von Wichtigkeit sein, im Gedächtnifs zu behalten, dafs es viele Hornstein- und Feuerstein-Morpholithe giebt, welche in concentrische, mit scharfen Rän- !) Ich unterlasse nicht hierbei rücksichtlich des in dieser Beziehung noch unsiche- ren Goldes zu bemerken, dals ich in einer Sammlung von gröfseren Goldproben aus Australien ein sehr auflälliges, mehrere Zoll grolses, blattartiges Stück sah, welches die wunderliche Form eines Adlers hatte, das aber der fremde Besitzer als Curiosität selbst hoch hielt. Mir schien dasselbe wohl eine, jener auf Taf. XXXX in der Mierogeologie vergleichbare vogelartige Bildung zu sein, die doch nun wohl durch Einschmelzen zer- stört worden ist, bei weiterer Aufmerksamkeit aber wohl anderwärts wieder ähnlich zur Anschauung kommen wird. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 117 dern versehene Schaalen zu zerfallen geeignet sind. Die bei Theben mas- menhaft gefundenen, von Herrn Lepsius 1870 beschriebenen Feuerstein- geräthe verlangen wegen des schon 1828 von mir nachgewiesenen Vor- kommens grofser Schichten morpholitischer Hornsteine im dortigen Po- Iythalamien-Kalke eine darauf bezügliche Nachforschung. Dafs in diesen Morpholithbildungen gewisse, die Substanz, in welcher sie sich entwickeln, nicht atomistisch sondern auch in gröberen Theilen ordnende, gesetz- mäfsige Kraft vorhanden ist, wurde 1840 angezeist und ihre Wirkung mit Abwechslung rechtwinkliger Achsenbildung und concentrischer Um- schliefsung in der Microgeologie auch bildlich dargestellt. Den zierlichen Thongebilden von Tunaberg ähnlich bewahre ich auch einen von mir selbst gefundenen Feuerstein der Insel Pöhl bei Wis- mar von etwa 64 Zoll Gröfse auf, dessen Sphinx-artige, auf Taf. II abgebil- dete Gestalt ebenso auffällig und offenbar eine gesetzliche Bildung, kein blofses Naturspiel ist. Dafs solche Morpholithe kettenartig sich wieder- holen hat schon Parrot bemerkt und im den Formen, welche man Löss- Püppchen oder Löss-Männchen zu nennen pflegt, ist die Wiederholung und mehr oder weniger regelmäfsige Fortbildung augenartiger Gestalten die Ursache der wunderlichen Form. Parrot nennt dieselben Monotypen und Polytypen. Für das mikroskopische Leben haben alle diese Verhältnisse in sofern eine wichtige Beziehung als der Mangel ihrer Berücksichtigung zu grofsen Irrthümern führt. Obwohl schon seit langer Zeit 1836 die fein- sten Theilchen der Schreibkreide als sehr feine gekörnte elliptische Schei- ben festgestellt worden waren, die als morpholithische Elemente des Krei- dekalks angesprochen wurden, so sind doch in der neuesten Zeit auch diese Körperchen unter dem Namen Coccolithes von vielen Naturforschern unter die Thiere gestellt worden, obschon Niemand bisher einen Hohl- raum in denselben oder in ihren Theilen nachgewiesen, worin ein Thier wohnen könnte und auch Niemand zwei dieser Schaalen als zusammenge- hörige Thierwohnung gefunden hat. Es scheint sogar dafs bei dem Namen Bathybius wieder dieselben Dinge zu neuem Aufsehen gelangt sind. Was nun aber am meisten bei diesem Vortrage zur Geltung zu bringen ist, das ist die höchst auffällige Erscheinung atmosphärisch ge- tragener sehr grolser Mengen solcher unsichtbar kleiner Morpholithe, 11S Eurengere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über deren terrestrischer Ursprung noch nirgends nachweisbar ist. In dem als Passatstaub verzeichneten, 1834 bei Jrkutzk als die Tageshelle verdun- kelnd, ohne Sturm gefallenen Meteorstaube hat Staatsrath Dr. Weisse in Petersburg zuerst viele Körperchen erkannt, die er für Bruchstücke von zelligen Polythalamien erklärt und Rotalia globulosa und R. senaria nennt. (Bullet. phys. math. d. St. Petersbourg T. IX. Taf. IM. Diese scheinbaren Polythalamien sind von mir schon 1851 aus demselben Staube in den Monatsberichten als Morpholithe verzeichnet. Ich habe deshalb für nützlich und nöthig gehalten auf Taf. II dieses mögliche Passatstaub- verhältnifs abzubilden und hier umständlich zu erläutern. Vielleicht ver- hütet die Anschauung auch manches im Entstehen begriffene Eozoon. Neben den meteorischen Kalk-Morpholithen von Jrkutzk sind noch die schwarzen, meteorisch getragenen Eisenbläschen!) unzweifelhaft doch Meteorolithen, welche in den Monatsberichten 1858 von mir erläutert wurden. Diese hatten eine mannigfach morpholithische Gestaltung und wurden vom Magneten lebhaft angezogen. Beide Erscheinungen bilden jetzt das erfahrungsmäfsige Bereich der meteorischen Morpholithe. In wie weit die von Schreibers erkannte pyramidale ?), einem Kugelseg- ment ähnliche Gestaltung wahrer Metoriten durch Zerplatzen einer ur- sprünglichen Kugelform bedingt ist, bleibt unerledigt. An eine von Dr. v. Braun in Gotha 18643) erläuterte Erbsen- und Rogenstein- ähnliche Kalk-Bildung mit strahliger und eoncentrischer Struetur ist dabei weder im heifsen noch im kalten bewegten Wasser zu denken (vgl. Monatsb. 1843 p. 105). Wenn hiermit die Frage über die Möglichkeit von Morpholith- Bildungen in der Atmosphäre eine bejahende Antwort erhält und auch die Hagel- und Graupelbildung ein analoges Beispiel darstellt, so ist für den möglicherweise morpholithischen Drachenstein von Luzern, der den alt griechischen runden Baetylien (arab. Aben dir) der frühesten Heilkunde 1) Reichenbach’s, des phantasiereichen Erfinders des Od, in Poggendorff's Annalen gegebene Erläuterung der meteorischen Eisenbläschen durch Zerstieben von glü- henden Meteorsteinen erklärt die Morpholith-Eisenbildung nicht. Die Darstellung auf Taf. I. ist dazu bestimmt, weitere Vergleichungspunkte morpholithischer Gestaltungen verschiedener Mineralsubstanzen zu vermitteln. 2) Humboldt, Kosmos Bd. I. 1845. p. 125. 3) Beitr. z. Kenntn. d. sphäroid. Concretionen des kohlens. Kalkes v. Dr. W. E. v. Braun. Halle 1864. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 119 gemäls benutzt worden ist, ein Anhalt gewonnen. Rücksichtlich dieses Drachensteins sind meine 1849 ausgesprochenen Wünsche durch Schwei- zer Gelehrte mehrfach in Erfüllung gegangen, indem Dr. Feierabend in Luzern 1862 in einer dortigen schweizerischen Naturforscher Gesell- schaft und Dr. v. Fritsch die in Luzern vorhandenen Dokumente von Neuem umständlicher geprüft und in der Züricher Zeitschrift 1864 aus- führlich besprochen hat. Eine Durchsägung dieses 450 Jahre alten an- geblichen Meteorsteins würde über seine Rogenstein-artige oder morpholi- thische Natur weiteren gründlichen Aufschlufs geben. Die Gesetze, nach denen sich die Morpholithe entwickeln, verursachen sehr verschiedenar- tige Gestaltungen und schliefsen sich in sofern den Urystallbildungen an, als sie in der einen Richtung regelmäfsig abgeschlossene Einzelformen (monomorphisch) mehr oder weniger vollständig bilden, in der anderen Richtung in rechtwinkliger oder vielseitiger Ausstrahlung die dendritische, scheinbar vegetirend sich fortbildende Orystallbildung nachahmen. Zu den monomorphischen Gestalten gehören die Kugelsteine, Augensteine und Nierensteine. Zu den ästigen (cladomorphischen) gehören die sich reihenweise mehr oder weniger vollständig fortbildenden, wie die Stiel- kugeln, Zungensteine, Spindelsteine, Brillensteine, Kettensteine, Schnabel- steine, Strahlensteine, Doppelzungensteine, Hammersteine, Taubensteine, Lössmännchen, Lösspüppchen, Flechtsteine (Textilarien-artig), Spiralsteine (Rotalen-artig). Alle diese, bisher für Naturspiele gehaltenen Bildungen sind (dendritischen Schneeflocken ähnliche ?) gesetzmäfsige Formen. Zwar sind bisher die Verirrungen in morpholitischer Beziehung in der Richtung der sogenannten /matra-Mollusken und der Rotahen-artigen Augen- und Kettenstene ohne grofsen Einflufs geblieben, allein die neueren Beobachter haben jene Verirrungen bereits in einen so grofsen Maalsstab gebracht, dafs voraussichtlich Partheiungen sich zu bilden mehr als begonnen haben, welche einen unabsehbaren Zwiespalt in das so wichtige Bereich der künstlich verstärkten Sehkraft tragen. Nicht nur die Kreide-Morpholithe als Coceolithes, sondern auch der Tiefgrund der Meere ist in Formenkreise gezogen worden, denen eine bestimmte Ge- staltung fehlt und die man zum Wiederaufbau einer generatio spontanea aus Urstoffen benutzen zu können glaubt. Ich beschränke mich hier auf die von mir schon öfter berührten Schwierigkeiten hinzuweisen und ihre 120 Eurkxger: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über weitere Lösung kräftigeren Freunden einer haltbaren Naturforschung zu empfehlen. Indem ich diesen Gegenstand hiermit abschliefse, bemerke ich noch, dafs ungeachtet der unermefslichen Verbreitung der Schreibkreide- gebirge auf der Erde und der grofsen Leichtigkeit Kreidestaub durch Stürme emporzuwirbeln, doch noch niemals die feinen Kreide-Morpholithe 1) bei den vielen Analysen des Passatstaubes zur Erscheinung gekommen sind, indem die in der Schweiz 1850 und in Rufsland 1849 vorgekomme- nen denen der so überwiegend verbreiteten Schreibkreide nicht gleichen und seltene Einzelheiten waren. IX. Über die atmosphärischen Grenzen des Passatstaubes und des organischen Lebens. Ich trage zwar Bedenken aufser den directen Analysen, welche der eigentliche Gegenstand meiner Mittheilungen sind, über den Aufent- halt und Ursprung der rothen Staubmeteore ein specielleres Urtheil abzu- geben, da es aber die Pflicht jedes Beobachters ist, den Zusammenhang der Erscheinungen, die er seiner Pflege werth hält, ins Auge zu fassen, so habe auch ich dieser Pflicht zu genügen, selbst auf die Gefahr hin, dafs mein Urtheil über den Ursprung unter die vergänglichen Schwankungen der Meinungen, welche die Physiker, Chemiker und Astronomen hinsicht- lich des Pyrrhins und des Weltstaubes bisher gehabt haben, einst einge- reiht werde. Ja ich darf mich einer Betrachtung des Urtheils von Arago nicht entziehen, welcher den kosmischen Ursprung der rothen Staube und Sande bis zu seinem Ende befürwortet hat. Die gesammte Erscheinung, welche hier nochmals und in grölsere Übersicht gebracht ist, hat auf mich bisher nicht den Eindruck einer kosmischen gemacht, weil die sämmtlichen Bestandtheile den terrestrischen völlig gleichen. Die Erhebung feinster Trümmersande mit Bacillarien und 1) Diese kleinen, von mir als einfach lichtbrechend und mithin als amorphe Kalk- theilchen bezeichneten Körperchen hat Hr. Prof. Kaufmann (Giebel u. Siewert Zeit- schrift f. Naturw. Bd. II. p. 342 1870) als kleine doppelt lichtbrechende rhombo&drische Elemente bezeichnet, was mich schliefsen lälst, dafs diese Angaben sich auf vielleicht ähn- liche, aber, den Coceolithen gleich, andere als die von mir untersuchten Objecte beziehen. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 121 Phytolitharien bis in ferne Grenzen der oberen Erdatmosphäre wird so lange nicht den kosmischen Anforderungen genügen, bis sich nicht in den entschieden gleichartigen kosmischen und terrestrischen Mineralien der Meteorsteinmassen, wie dieses neuerlich durch G. Rose’s und Rammels- berg’s glänzende glückliche Untersuchungen und Zusammenstellungen festgestellt worden, ebenfalls organische Thier- und Pflanzen-Gestaltungen auffinden lassen, vielleicht auch durch der Gallionella ferruginea ähnliche feinste Bildungen eine organische Eisenumbildung erweisbar wird. So ist denn die ganze Erscheinung bisher auf den Raum be- schränkt, welcher zu dem Attractions- und täglichen Rotations-Kreise des Erdplaneten gehört. Ja es läfst sich noch näher vielleicht eine Beschrän- kung so bezeichnen, dafs die sämmtlichen Erscheinungen deshalb in das Gebiet der täglichen Erdumdrehung um ihre Achse gehören, weil es der Passatwind ist, welcher im Atlantischen Ocean nach Aussage der Schiffer mit der Ercheinung in Verbindung steht. Diese von mir 1847 aufge- stellte Ansicht hat auch, wie im Eingange bereits bemerkt worden, die Zustimmung des Verfassers des Kosmos erlangt. Obwohl nun aber diese Erscheinung der rothen Nebel, vom aequatorialen Amerika an, über die Capverden und Canarischen-Inseln sich bei West-Afrika anstauend, durch das Mittelmeer ablenkend, über Mittel-Asien bis China erfahrungsmälsig zu erstrecken scheint, so fehlt doch einerseits noch immer eine Ergän- zung des Kreises für die Erddrehung im Australischen und Stillen Ocean und es ist auffällig, dafs nur die Hälfte der Nordhälfte der Erde und meist die festländische, an der Erschemung bisher Theil nimmt. Noch bedenklicher wird eine Verbindung dieser Thatsachen, wenn man A. v. Humboldt’s von ihm selbst verlassener Vorstellung Raum giebt, dafs es nach rothen trocknen Trübungen gewisse schaafwolkenartige, aber durch ihre Durchsichtigkeit characterisirte, weder Mond noch Sterne wesentlich verhüllende Eigenschaften der obersten Atmosphäre sieht, welche sich in den Polargegenden ganz besonders zahlreich und wirksam erweisen. Ja es hat die neueste astronomische Besprechung des Nord- lichtes!) in seinen wunderbar lebhaften, meist blutrothen Färbungen auf 1!) Prof. Förster theilt in seinem Vortrage vom 3. December 1370 in der geograph. Gesellsch. z. Berlin die Ansicht mit, dafs die farbige Erscheinung des Nordlichtes durch Phys. Kl. 1871. 16 122 Eurkngerc: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über -._ die Möglichkeit polarer Anhäufungen eisenhaltiger Staubtheile sonderbar genug hingewiesen und die Speetralanalyse ist für Eisenbestandtheile im Nordlicht ansprechend geworden. Sowohl Humboldt hat dünne Schaaf- wolken als Substrat des Nordlichtes für wahrscheinlich erkannt, wie auch Kapitain Rofs in dem Jahre 1842 ebenfalls ein dünnes Wolkensubstrat beim Südpolarlicht anzeigt. Kapitain Rofs scheint dieses Substrat des Nordlichtes der Erdeleetricität als durch sehr feine Eisnadeln gebildet sich gedacht zu haben. Er fand am Südpol oft farblose Polarlichter und scheint deshalb die bunten Farben für prismatische Lichtbrechungen zu halten. Die meist herrschenden dieken Nebel in den Polargegenden und der häufig fallende dichte Schnee mögen grofse Schwierigkeit für die Auf- fassung fallender oder schwebender Staubnebel hervorbringen. Dafs aber am Nordpol die abwechselnd rothen Schneefärbungen nicht immer der Sphaerella nivalis, sondern auch Staubnebeln angehören, ist bereits von Wrangel und Parry an aufser Zweifel gestellt und neuerlich 1864 durch v. Middendorff’s Zusammenfassung vermehrt worden. Die von Grube 1840 (Preuls. Provinz. Blätter) in einem umsichtigen Vortrage ausge- sprochene Meinung, dafs wohl auch die Euglena sanguinea, durch Wirbel- stürme massenhaft aus Seen gehoben und hoch in die Atmosphäre ge- wirbelt, als Sphaerella nivalıs im rothen Schnee niederfallen und abge- das Glühen sehr feiner, in der oberen Atmosphäre schwebender Eisen- und Kohlentheil- chen erzeugt sein möge, welche der tellurische Magnetismus periodisch durchströmt, so wie er auch in dem oft vorhandenen Schweife der Sternschuppen solche in der Atmos- phäre oft zahlreich vorhandene Körperehen annimmt. Diese Vorstellung wird dadurch begünstigt, dals das zerlegte Licht des Nordlichtes bisher im Spectroskop gewisse Ana- logien mit dem Lichte des Eisens dargeboten habe. Nach Prof. Zöllner’s brieflichen Mittheilungen, welcher in einem besonderen Aufsatz (Bericht d. K. Sächs. Gesellsch. d. Wissensch. Leipzig 1870) ausführliche Nach- richten über die erste Beobachtung der sogenannten Eisenlinien im Nordlicht-Spectrum 18569 durch Winlock in New-York giebt, sind die späteren Beobachtungen auf anders- artige Linien zu deuten. Die von Prof. Young bei der totalen Sonnenfinsternils vom 7. Aug. 1869 in der Corona der Sonne gefundene Eisenlinie würde nur eine weitere Stütze für Winlock's Eisenlinien im Nordlicht geben, aber noch nicht alle Schwierig- keiten entfernen. Gesetzt aber, dals trockne eisenhaltige Nebel als Substrat des Nordlichtes sich weiter feststellen lielsen, so gehören doch auch diese Erscheinungen nicht in das kosmi- sche, sondern in das tellurische Bereich. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 123 lagert werden könne, ist eine Vorstellung, welcher die nicht annehmbare Identität der Sphaerella nivalis und der Euglena sanguinea zum Grunde liegt, auf die sich zwar auch Middendorff’s eigene Auffassungen des rothen Polarschnees beziehen, die aber nur durch jene von Flotow u. A. ausgehenden Umwandlungs-Vorstellungen von Thieren in Pflanzen hervor- gerufen worden sind. Diese thierische Natur der EBuglena sanguimea, neuerlich oft Protococeus pluvialis genannt, ist von Grube umsichtiger dargestellt worden. Aufser dem in den rothen Färbungen liegenden Eisengehalt ist aber auch ein wirklicher verschiedenartiger Kohlenstoffgehalt aus ent- schieden kosmischen Verhältnissen bereits vielfach zur Sprache gekommen. Die unzweifelhaften Meteorsteine von Alais, Bokkeveld, Kaba und Orgueil haben einen so deutlichen Kohlenstoffgehalt zu erkennen gegeben, dafs die umsichtigsten und sachkundigsten Chemiker, auch Wöhler, die Er- läuterung dieser Erschemung versucht haben, da sie als unsicher nicht betrachtet werden konnte. Prof. Rammelsberg spricht sich in seiner übersichtlichsten Behandlung des Gegenstandes neuerdings folgendermafsen aus: — „Die Kohle ist vielleicht erst durch Zersetzung der Kohlenstoff- „verbindung bei ihrem Herabfallen abgeschieden. Letztere ist jetzt nur in geringer Menge vorhanden und über ihre Natur geben die Untersuchun- „gen wenig Aufschlufs.“ —!) Derselbe sagt von den kohlenstoffhaltigen schwarzen und mürben wirklichen Meteorsteinsubstanzen — „sie enthalten amorphe Kohle und eine organische Kohlenstoffverbindung* — und unterscheidet dieses in der Einleitung pag. 84 von dem meteorischen Graphit mehrerer analysirender Chemiker, dessen genaue Unter- suchung noch wünschenswerth sei. Den Kohlengehalt selbst findet er auch durch die Vorstellung erklärlich, dafs dieser seit dem Eintritt der Meteoriten in die Erdatmosphäre hinzugetreten sein könne. Aufser diesen wichtigen Erläuterungen der Meteorsteine sind auch die vom Astronomen Prof. Galle in Breslau neuerlich in historischer Übersicht überaus reichhaltig zusammengefalsten sogenannten Stern- schnuppengallerten in kurzen Betracht zu ziehen. Das kosmische Verhält- !) Rammelsberg, die chemische Natur der Meteoriten. Abhandlung d. Ak. 1870, p- 109. 16% 124 Eununpenre: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über nils der Sternschnuppen und Feuerkugeln ist durch ihre gemessene Ent- fernung, Geschwindigkeit und ihre, bei Schwärmen, aus einer und derselben Richtung des Weltraumes entspringenden Bahnen neuerlich immermehr befestigt worden, und so haben denn die aus ihnen schein- bar auf die Erde herabgefallenen, meist weilsfarbigen Gallerten ein an- sehnliches Interesse für die kosmischen Vorstellungen, welche sie schon bei Chladni erweekten. Da die schwarze Farbe kein nothwendiger Cha- racter des Kohlenstofles ist, der sich erystallinisch bis zum Diamant ent- färben kann, so ist der Kohlengehalt der farblosen sogenannten Gallerten, welchen die chemischen Analysen dieser Substanzen stets aufser Zweifel stellen, ein um so wiechtigerer Fingerzeig für mögliche kosmische Ver- hältnisse. Nun ist zwar die grolse Anzahl der historischen Aufzeichnungen mit kosmischen Feuerkugeln getallener Gallertmassen zu einer so impo- nirenden Menge herangewachsen, dals Poggendorff und Galle es be- denklich finden an deren Wahrheit zu zweifeln, dennoch aber hat Galle in seiner neuesten Mittheilung vom Januar 1869 samt Cohn die kosmi- sche Natur irgend einer der Gallerten als feststehend anzusehen nicht für ‘athsam erachtet, indem Galle!) sagt: — „Wenn es indels nicht gelin- „gen sollte, die vorhandenen Einwürfe gegen die terrestrischen Hypo- „thesen zu beseitigen, so würde eben nur die kosmische Hypothese zur „Prüfung vom chemischen Standpunkte aus übrig bleiben; sofern nicht „andererseits es gelingt, die mehr als zwanzig vorhandenen Berichte über „beobachtete Niederfälle solcher Materien sämmtlich als irrthümlich nach- „zuweisen.“ — So ist denn also aller Bemühungen ungeachtet immer noch bei den kosmischen Vorstellungen des Organischen nur von Hypothesen die Rede, und es ist nicht eine Thatsache durch scharfen Beweis festzustellen möglich gewesen. Bisher ist nur Arago's Urtheil über die rothen Staub- nebel in der kosmischen Ansicht festgeblieben. Es ist nothwendig auszu- sprechen, dafs eine Berechtigung dieser Ansicht deshalb fehlt, weil noch von keiner chemischen Analyse, auch den neuesten italienischen und fran- zösischen bei Tarry nicht, jener das Meteoreisen characteresirende Nickel- 1) Galle. Schlesische Gesellsch. 1369. Bericht. p. 3. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche orgamische Leben. 125 gehalt nachgewiesen ist. Ja es ist überhaupt der oxydirte Zustand des rothen Eisenstaubes abweichend von metallischem Meteoreisen. Andererseits ist es jetzt auffallend, dafs in den vielen, unzweifel- haft kosmischen Meteormassen durch die chemische Analyse immer nur die bekannten terrestrischen Elemente zum Vorschein gekommen sind und dals auch die aus diesen Elementen zusammengesetzten kosmischen zahlreichen Mineralien ganz überwiegend den terrestrischen gleichen!). Einzelne eigenthümlich erscheinende Mineralien erlangen auch deshalb kein besonderes Gewicht, weil auch in den tellurischen Verhältnissen noch jährlich dergleichen durch die Chemie entdeckt werden. So bleibt denn die Frage übrig, ob die unzweifelhaft amorph erscheinende Kohle?) nicht durch sorgfältige Methoden der mikroskopischen Untersuchung doch auch als organischen Formen zugehörig nachweisbar werde, und so em- pfehle ich denn der künftigen Forschung die mikroskopische Analyse sauberer, auch als Substrat des Nordlichtes zu denkender und selbst wirklich kosmischer Materialien, deren chemische, bisher in ihren Erfolgen wichtigste Prüfung selbstverständlich jedes Mal gleichzeitig erfolgen muls. Die Frage über die Grenzen des organischen selbstständigen Lebens scheint sich der Beurtheilung durch Kleinheit und Durchsichtigkeit der Naturverhältnisse, ohne Rücksicht auf Gröfsen, zu entziehen und Leeuwenhoek’s mikroskopische Forschungen, Chladni’s intensive Be- trachtung der terrestrischen Elemente der Meteoriten, so wie Howard’s und Klapproth’s Characteristik derselben durch den Nickelgehalt, den Weg zu bezeichnen, welcher weitere Entwicklung wichtiger Erkenntnisse bis in ferne Generationen zu vermitteln geeignet ist. X. Wünsche für weitere Forschungen. Da die Meteorsteine lange Zeit problematische Körper gewesen sind und ihre unvorsichtige Geringschätzung der Kenntnifs derselben viel !) Rammelsberg Abhandl. der Akad. 1870 p. 136. 5 & ?) Ja es ist sogar nicht aufser Betracht zu lassen, dafs die Kohle in zwei Zustän- den ohne organische Charactere aufzufassen ist, die sich beide der amorphen Kohle an- schlielsen. Einer derselben ist ein Verbrennungsproduet als Rufs, der andre ein unver- branntes feuchtes Zersetzungsproduct, Moder. Zum letzteren gehört der Kohlengehalt des sogenannten Meteorpapiers von Rauden von 1686 und der feinste Braunkohlenmulm. 126 Enrexperg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über geschadet hat, so ist eine vertrauenswerthe Untersuchung aller atmosphä- rischen und kosmischen Stoffe wünschenswerth. 1. Alle Arten von ungewöhnlichen Trübungen der Atmosphäre miissen noch immer und zwar mit vermehrter Intensität betrachtet werden, mit sorgfältisster Reinhaltung und Verwahrung vor Zutritt fremden Stau- bes vor der Prüfung, d. h. sie müssen sofort in reinen Glasröhren in möglichster Menge aufbewahrt werden. 2. Wie überall ein Zusammenwirken verschiedener Beobachtungs- methoden zur Feststellung wissenschaftlicher Erkenntnifs nützlich ist, so hat besonders die mikroskopische Analyse neuerlich immer mehr durch ihre nieht zerstörende, nur optisch sondernde Eigenschaft in verschiede- nen wichtigen Beziehungen einen grofsen Erfolg vor der chemischen er- langt. Die monotone Aufzählung der chemischen Elemente des Scirocco- oder Passatstaubes hat sich in eine grofe Reihe selbstständiger Lebens- formen aufgelöst. Um diesen Vortheil der mikroskopischen Methode dem organischen Leben weiter zu sichern, wird es nöthig sein, aus bewölkter oder wolkenloser Atmosphäre, zuweilen in geringer Menge, auf reinliche Unterlagen, Schnee oder Leinwand fallende problematische Substanzen nicht, wie bisher häufig geschehen, durch alleinige chemische Prüfung auf- zuzehren, vielmehr sie zum wissenschaftlichen Vortheil stets in drei Theile zu theilen, damit der eine chemisch, der andere mikroskopisch geprüft werde, während der dritte für die äufseren Charactere der Substanz auf- bewahrt bleibt. So hat sich das chemisch unrichtig beurtheilte Meteor- papier von Rauden 1686 durch theilweise Aufbewahrung bei Berzelius nach 152 Jahren mikroskopisch erfolgreich erläutern lassen. 3. Bei Meteorsteinfällen sind besonders nicht mehr allein die Stein- und Eisenmassen, sondern vorzugsweise sogar die damit verbun- denen Nebelschweife und Staubarten zu beachten, welche im Winter auf Schnee, im Sommer auf Leinwandbleichen oder großsen Pflanzenblättern sich gewils oft in meilenweiter Ferne gleichzeitig und in der Bahnrich- tung ablagern. 4. Bei jedem Höherauch ist der Versuch zu machen durch auf- sehängte haarige Felle oder wollene rauhe Decken, Segel oder ausge- hängte Leinwand die die Luft trübende Substanz aufzufangen. Da die Ablagerung durch Wind und Eleetrieität zuweilen behindert wird, so das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 127 dürfte das Verfahren der Durchtreibung von trüber Luft mit einem Bla- sebalg durch eine halb mit destillirtem Wasser gefüllte Flasche mit ab- gesetztem Rohre nützliche Verwendung finden.!) Mit dem Blasebalg läfst sich auch die Menge der Luft abmessen, welche geprüft worden. Je fei- ner und sauberer die Instrumente und Behandlungsmethoden sind, desto sicherer ergiebt sich ein brauchbares Resultat. 5. Bei allen Höherauchverhältnissen scheint die Lufteleetricität von Einflufs zu sein und zwar in der Art wie bei der Wolkenbildung, welche seltener die Erdoberfläche als Nebel berührt, vielmehr in einiger Erhebung davon frei schwebt. Deshalb wird man auf Bergen in gewisser Höhe erst die atmosphärischen Trübungen antreffen und sammeln kön- nen, während auf Flachländern und in Thälern nichts abgelagert wird. 6. Am günstigsten erscheinen Schneefälle, deren Eintreten leich- ter bemerkt und deren Ablagerung leichter und zuweilen in beliebiger Menge eingesammelt werden kann, wobei die Massenverhältnisse gemessen werden müssen, sowohl in der Mächtigkeit als in der Ausdehnung. Solche gesammelte Massen möge man immerfort zu einem Drittheil der Analyse eines wohl geübten Ohemikers, unter Berücksichtigung vornehmlich der Meteorstein-Charactere, wie Nickel u. s. w., auch fernerhin überlassen. Das Übrige ist für die künstlich verstärkte Sehkraft und die Characte- ristik des Äufseren aufzubewahren und mehrfach zu vertheilen. 7. Da es nun schon einen ansehnlichen Stamm als Maalsstab tür Abbildungen der Formen und Verbindungen giebt, so sind für die mi- kroskopische Analyse die zu Grunde liegenden übereinstimmenden Ver- gröfserungen und gleiche Namengebung dringend zu beachten. 8. Wie beim Höherauch so ist auch auf Schiffen jeder Luttstaub zu fangen, nur sind zwei Formen desselben zu unterscheiden. Feuchte staubige Nebel setzen sich leicht an das Segelwerk und sind mit durch Trinkwasser befeuchtete Tücher oder Schwämme leieht abzunehmen, welche dann, in einem Waschbecken mit Trinkwasser abgespült, nach kurzer Zeit den Bodensatz zu sammeln erlauben. Die Erscheinung der feuchten rothen Nebel veranlafste den Reisenden Professor Meyen bei den Canarien zu der irrthümlichen Beobachtung eines durch generatio 1) Monatsbericht 1348 p. 440. 1285 Eurexgerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über spontanea entstandenen Pflänzchens, welches er Adrophytum tropieum nannte, das aber nur die Thauperlen am Segeltuche gewesen zu sein scheinen. Die andere Form ist der trockene Staub. Diesen erlangt man, da er überall vom Winde abgeweht wird, durch Aufhängen befestigter Baumwollenbäusche, in deren inneren Räumen der Staub einen gesicher- ten Aufenthalt findet. Dasselbe leisten auch die freilich selten hinrei- chend reinlichen haarigen Thierhäute und Teppiche. 9. Eine direete Messung der Erhebung des atmosphärischen Stau- bes läfst sich an hohen Schneebergen erlangen, wie z. B. die Schneekappe des Pie von Teneriffa 11,424 Fuls hoch am 7. Februar 1863 mit rothem Passatstaub des Dunkelmeeres bedeckt war!) und überdies noch zu beob- achten erlaubte, dals der Staub von oben herabfallend, nicht aber von unten hinauf gewirbelt erscheine und von einer kälteren Temperatur be- gleitet sei. 10. Wo rother Hagel fällt wird der Staubgehalt desselben beim Schmelzen zu suchen, mithin der Hagel in reichlicher Menge rein zu sammeln sein. ll. Wünschenswerth ist, dafs tüchtige Beobachter sich enthalten mögen durch alleinige Anwendung stärkerer als 300 maliger Vergrölse- rungen ein deutlicheres Objeet zu erhalten, indem sie dadurch einen ver- gleichbaren Maalsstab für die früheren Bemühungen verlieren, vielmehr mit dahin wirken mögen, dafs die Verfertiger von Mikroskopen Objective von nahe 300 maliger Vergröfserung nicht unterlassen hinzuzufügen. Selbstverständlich bleibt es Jedem überlassen, zur weiteren Erläuterung jede Vergrölserung anzuwenden. 12. Es scheint auch von besonderem Interesse zu sein allen Nord- polfahrern eine Beachtung rother Schneeflächen oder Streifungen älteren Eises im Nordmeer zu empfehlen und Proben in wohl gereinigten Flaschen (Rothweinflaschen sind schwer zu reinigen) in ansehnlicher Menge mitzu- bringen. Solche Beobachtungen werden auch die Vorstellungen des afri- kanischen Ursprungs weiter berichtigen und die Frage über einen Zu- sammenhang mit dem Nordlichte weiter erläutern. 1) Siehe historische Nachträge p. 45. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 129 15. Es ist selbstverständlich, dafs seltene Meteorsubstanzen nicht von Jedem mit dem Mikroskop glücklich analysirt werden, dafs dieses vielmehr nur einem schon physiologisch geübten und umsichtigen Beobachter gedeihlich gelingen wird. XI Schlufs-Übersicht. Die im Jahre 1847 stattgefundenen Mittheilungen über Passatstaub und Blutregen haben sich seit jener Zeit folgendermafsen weiter erläu- tern lassen. 1. Aus der historischen Gesammtübersicht ergiebt sich, dafs der Gegenstand auch unter den würdigsten Zeitgenossen die grölste Theil- nahme wach erhalten hat, dafs aber grofse Schwankungen im Endurtheil stattgefunden haben und noch unberuhigt vorliegen, welche eine weitere Fortbildung wünschenswerth machen. 2. Zu den 1847 aufgezählten 340 historischen Nachrichten dieser örscheinungen kommen jetzt noch 196 neue Fälle hinzu, welche zusam- men die Zahl von 536 Beobachtungen, freilich oft sehr ungleichen, meist nicht befriedigenden Werthes ergeben, worunter 269 entschieden rothe Staubmeteore zu sein scheinen, von denen im Jahre 1847 bereits 27 in ihrer Substanz von mir analysirt werden konnten. Seitdem sind uoch 43 Proben meiner directen Analyse zugänglich geworden, welche jetzt verzeichnet werden. 3. Die bei den alten heidnischen Völkern als Trauerzeichen der (Götter betrachteten Blutregen traten in der jüdischen Geschichte als Drohungen Gottes und als Vorzeichen des Weltunterganges auf, während sie die mildere christliche Auffassung nur als Mahnungen für frevelnde Menschen ansehen wollte. Die muhamedanische Zeit verband die un- mittelbare Schöpfungsgeschichte des Blutes und des Menschen mit den- selben und die römische Transsubstantiation und Judenverfolsung er- starkte durch Blutflecken auf Brod und Hostien. Allmälig breitete die Na- turforschung die Kenntnifs des organischen Lebens über diese Bluterschei- srolsen un- nungen aus und schon mit Linn& erwachte eine Vorahnung eines g sichtbaren Naturlebens. Chladni’s denkwürdige Feststellung der alten, meist medieinischen Daetylien, als aus dem Weltraume zur Erde kommende Phys. Kl. 1871. 17 130 Eurxxsgerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Meteormassen, brachten ganz neue Vorstellungen in die ernste Wissen- schaft und am eifrigsten bemühte sich die Chemie durch ihre damaligen Heroen von Howard und Vaugquelin bis Klapproth und Berzelius zu ergründen, was und ob nicht auch ein Pyrrhin zu nennender Roth- stoff der Erdatmosphäre oder des Weltraumes die Lösung des alten Räth- sels weiter anzubahnen im Stande sei. Der rothe Schnee der Baffıns-Bay gab 1818 die ernste Basis für die irrigen Vorstellungen des Pyrrhin. 4. Nachdem immer reichere historische Sammlungen zusammen- getragen waren, glaubte Ruhland 1812 alles Material für diese Erschei- nungen und zugleich für die Meteorsteine in der Erdatmosphäre allem zu finden, aber die schon längst vorhandenen Kenntnisse wolkenartiger Nebel im Weltraume, welche schon Keppler’s Phantasie so lebhaft beschäftigt hatten und immer neue Bestätigungen selbst in den Störungen der Welt- körper-Umläufe gewannen, nöthigten die rein terrestrischen Vorstellungen gänzlich zu verlassen und den kosmischen Meteorsteinen, Sternschnuppen und Feuerkugeln ihr Recht einzuräumen. Hierdurch wurde der chemi- schen Analyse lange Zeit ein alleiniges Vorrecht gesichert. 5. Die sich immer weiter ausbildenden Forschungen mikroskopisch verstärkter Sehkraft haben die betreffenden Stoffe zu immer klarerem Ver- ständnils zu bringen beigetragen und sind jetzt den Resultaten der chemi- schen Analyse ähnlich erfolgreich geworden. Die ganze Reihe der be- treffenden Erscheinungen hat sich in drei grofse Gruppen aufgelöst: a) In niemals von der Atmosphäre getragene, und in theils kleinen, theils gros- sen blutartigen Flecken auf der Erdoberfläche, auf Schnee oder im Wasser, sogar in grölstem Maalsstabe in den Oceanen verbreitete vegetabilische oder thierische Organisationen. b) In blutartig rothfarbige, von der Erd- atmosphäre getragene, meteorisch aus derselben niederfallende Staubarten. c) In möglicherweise aus den kosmischen Räumen mit oder ohne Feuer- erscheinung sich auf der Erde ablagernde, nicht rothe, Erden, Steine und Gallerten. 6. Bei dem grolsen Naturbilde, welches der „Kosmos“ überra- schend klar vor Augen lest, sind es vorherrschend die graufarbigen, zu- weilen die Erde einhüllenden und die Sonne verdunkelnden, scheinbar im Laute der Erdbahn liegenden Weltwolken, welche theils als dunkle, theils als lichtschimmernde Stoflanhäufungen sich geltend gemacht haben. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 131 Es treten bis jetzt die rothfarbigen Stoffe in die engeren Grenzen der oberen Erdatmosphäre zurück, der weiteren Forschung überlassend, welche jeurtheilung jene rothen trocknen Färbungen einst erlauben werden, die bei Sternschnuppen und vermeintlichen Kometenschweifen von wichtigen Autoritäten angezeigt worden sind. Dafs die von Reichenbach poetisch beschriebene, in Ungarn zur Erde gefallene Weltwolke nur ein aus einem Sumpfboden stammendes lokales Bohnenerz (Eisenthon) war, ist von mir 1841 (Monatsbr.) und die von Grotthus 1820, als mit den chemischen Öharacteren eines Weltkörpers versehen, angezeigte schwarze Meteorsub- stanz ist 1838 von mir mikroskopisch als reiche organische Mischung er- läutert worden. 7. Die nöthige Sonderung dieser Erscheinungen in ihre wesentlich verschiedenen Gruppen hat dahin geführt, alle graufarbigen Staubnieder- schläge der Atmosphäre deshalb von den rothfarbigen streng zu sondern, weil diese letzteren durch ihre rothe Farbe und Eisenmischung einen, durch so lange Zeiten und so viele verschiedene Beobachter stets fest- gehaltenen Character haben, welcher mit Nothwendigkeit auf ein gleich- artiges, nirgends auf der Erde nachweisbares Ursprungsverhältnifs hin- weist. Wäre es nur der Eisengehalt und feine Kiessand, welche den Character geben, so könnten die bekannten zahlreichen Eisenmeteore Araso’s Vorstellungen eines kosmischen Ursprunges auch wohl dieser rothen Sande annehmbar erscheinen lassen. Da aber dieser selbe Staub gerade als Träger reich organischer Lebensformen seit 1844 anschaulich ge- worden ist, so bleibt nur übrig, entweder diese rothen Staube vom Welt- raume auszuschliefsen, wie es von mir und auch im Kosmos geschehen, oder zugleich mit seinem unorganischen Gehalte auch den selbstständigen und unselbstständigen organischen Gehalt als kosmisch zu betrachten. 8. Würde auch die Mischung sich selbstständig zu entwickeln fähiger mikroskopisch kleiner Organismen, — den vielfach nun gründlich erwiesenen terrestrischen Bestandtheilen der Meteorsteine gleich, — für den Weltraum keine undenkbare Vorstellung sein, so ist doch die durchgehende Über- einstimmung mit den terrestrischen gleichartigen Formen überaus auf- fällig und bedenklich, und der ganze Lebensgehalt verliert durch die Bei- inischung so vieler unselbstständiger Fragmente von grölseren irdischen Pflanzen, auch mit Ausschlufs der lokalen gefärbten Woll- und Leinfasern IA 132 Euresgerc: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über der menschlichen Industrie, seine Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit einer Entwicklung in den weiteren Welträumen. 9. Es darf ferner als einer der wichstigsten Charactere der roth- farbigen Staube angesehen werden, dafs in ihren reinsten Verhältnissen so ausschliefslich und übereinstimmend nur Süflswasserformen und Fragmente von Landpflanzen erkannt worden sind, so dafs einige geringe und sogar öfter zweifelhafte Arten von Meeresbildungen der Vorstellung keinen Raum gewähren, dafs die Spritzwellen des durch Stürme aufgeregten Meeres an den Küsten irgend welchen annehmbaren gröfseren Antheil an den in der Atmosphäre getragenen, dem rothen Staube gehörigen Dingen nehmen. Zugleich aber ist damit die gesammte wasserlose Wüstenoberfläche Afrikas, eben weil sie weder den Ursprung der kleinen, so eonstanten und zahl- reichen Wasserformen, vielleicht sogar auch der Poolitharien und Spongo- lithen, nicht liefern kann, ausgeschlossen, zumal keine der ausgezeichneten, 1856 (Monatsbr.) beschriebenen und abgebildeten Characterformen dieser Wüsten in dem Dunkelmeerstaube vorgekommen sind. 10. Bei den Betrachtungen der rothen Staubverhältnisse darf auch die Massenhaftigkeit ihres Niederfalles nicht aufser Acht gelassen werden. Dafs in einem Tage nach französichen sachkundigen Abschätzungen 1846 bei Lyon 7,200 Öentner des rothen Staubes auf 4000 Meilen gefallen waren, ist nicht ohne Eindruck geblieben. In den Abhandlungen von 1847 p- 324 (vergl. Monatsbr. 1869 p. 308) sind von mir noch weit gröfsere Verhältnisse annähernd berechenbar geworden, deren Details verzeichnet sind. Es liefs sich damals berechnen, dafs ım Atlantischen Dunkelmeere wohl an manchen Tagen über eine Million Centner in der Luft getragen würden, und dafs seit Homers Zeit die Erscheinung in den westlichen Küstenländern Asiens und Afrikas eine wohl stets fortdauernde gewesen. Ja die neuesten Angaben von den Dardanellen und Sicilien sind ganz geeignet die Vorstellung der zuweilen plötzlich, ja sogar aus den Afrika entgegengesetzten Richtungen, fallenden Massen eher zu erhöhen als ab- zuschwächen. 11. Aus diesen Gründen hat sich neuerlich die Vorstellung ent- wickelt, dafs die von der ganzen Erdkugel aus allen Ländern in die Höhe gehobenen, in einer durchsichtigen Staubzone schwebenden Theile zuweilen in schweren Wolken sich senken, beim Herabsinken durch verschiedene Luft- das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 133 ströme sich zu Wirbeln gestalten und somit bei ganz verschiedenen eyelischen und nicht eyelischen Stürmen, endlich den Boden erreichen. Dafs im Dunkelmeere die Erscheinung eine fast das ganze Jahr hindurch andauernde sei hat der französische Admiral Roussin 1817 beobachtet und 1838 ausgesprochen. Dafs diese Staube sich auf den Pie von Tene- riffa aus gröfserer Höhe herablassen, nicht aber von den Festlandküsten hinaufgewirbelt werden, ist 1863 durch v. Fritsch beobachtet. 12. Die scheinbar sich widersprechende Nachricht, nach welcher Admiral Roussin trotz der trocknen Nebel über 30° vom Horizonte doch Sternbeobachtungen machen konnte, auch Humboldt die Durchsichtig- keit trockner Lämmerwölkchen, und die neueren Beobachter des Nord- lichtes die diesem zum Grunde liegenden Wölkchen für Sterne durchsichtig bezeichnen, die trocknen höherauchartigen Nebel aber in Italien und auch zuweilen im Atlantischen Dunkelmeere von den Beobachtern als selbst die hohe Tagessonne verdunkelnd angegeben werden, mag sich dadurch er- läutern, dafs in den verdunkelnden Fällen die trocknen Nebel in ungleichen Höhen mit Wasserdunst vermischt sind, während dieser im anderen Falle fehlt. Die neueste Geneigtheit der Physiker und Astronomen dem Polar- lichte ein aufglühendes Eisensubstrat zum Grunde zu legen, würde zwar am Passatstaube eine directe Stütze finden und dessen polare Anhäufung bestimmen, allein die hypothetischen Angaben müssen erst weiterer Nach- forschung überlassen bleiben. 13. Zu den wichtigen Characteren der rothen Staubnebel, welche nicht erlauben sie für ein momentan durch einen örtlichen Orkan aufgeregtes Öberflächenverhältnifs zu halten, gehört der Umstand, dafs sie zu allen Jahreszeiten historisch gemeldet und den bereits vielen Analysen zufolge in ihrer Mischung stets gleichartig sind, dafs aber kein Erdstrich nach den bisherigen Erfahrungen gekannt ist, in welchem nicht die Jahreszeiten die Oberflächen veränderten. 14. Es darf nicht unterlassen werden auf die Möglichkeit aufmerk- sam zu machen, dafs die historischen mit Sternschnuppen und Feuerkugel- artigen Feuer-Erscheinungen, die keine electrischen Blitze waren, beglei- teten Blutfälle eine zwar bestimmte, aber nur zufällige Verbindung haben konnten, indem jene kosmischen, in die Erdatmosphäre niederfallenden 134 Eurengere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Meteore einen Theil des oben schwebenden Passatstaubes bei ihrem Herab- fallen niederdrückten und deshalb gleichzeitig mit ihm zur Erdoberfläche herabkamen, ohne dafs irgend eine wesentliche Verbindung zwischen beiden stattfand. 15. Was endlich die fremden Bestandtheile anlangt, welche als Polythalamien, Fucoiden-Fragmente und Meeres-Polygastern höchst sparsam, häufiger aber als weiche terrestrische Pflanzentheile, Schmetterlingsstaub u.s. w. aufzuzählen gewesen, so liegt es nahe den aufwühlenden, niedrig gehenden Gewitterstürmen diese unwesentlicheren Bestandtheile zuzuschrei- ben, welche stets auch die rothe Farbe des Normalstaubes beeinträchtigen und da, wo diese in Grau verwandelt ist, die Oberherrschaft oder Allein- herrschaft haben. Solche Mischungen werden immer schwer genau zu trennen sein, und es wird späterhin noch weiter, wie dies schon hier geschehen, auf die möglichst reinen, lebhaft roth gefärbten Niederschläge vorzugsweise die Aufmerksamkeit zu wenden sein. 16. Es giebt den Menschen und Thieren schädliche Trübungen der Atmosphäre, von denen einige auch mit röthlich gelbem Staubniederschlage bezeichnet werden. Für diese Art von Untersuchungen ist das Material bisher nur kärglich beachtet worden. Die von mir in den Jahren 1848 u. 1849 angestellten Untersuchungen über die Atmosphärilien der schweren Cholera Zeit in Berlin, welche in den Monatsberichten jener Jahre ver- öffentlicht sind, mögen schon einen mannigfachen nützlichen Maafsstab für die Beurtheilung der Verhältnisse geben. Nirgends soweit meine Nach- forschungen reichten, auch selbst nicht in Cairo Aegyptens, gab es da- mals andere als graue Staubniederschläge, und ich habe aus den vielen Analysen die Zahl von über 200 Arten beobachteter, atmosphärischer klein- ster Organismen in Übersicht gebracht. Jene Cholera-Staubarten waren offenbar nieht mit besonders auffallenden Lebensformen, noch auch mit den Characterformen des Passatstaubes vorzugsweise erfüllt. In Frank- reich beschäftigte sich bald darauf 1858 Professor Pouchet mit den mi- kroskopischen Atmosphärilien, und seine Mittheilungen an das Institut zu Paris erweckten neue lebhafte Discussionen über die generatio spontanea, die jedoch mit Milne Edwards scharfsinniger Kritik 1) wieder negativ 1) Annales des Sciences naturelles 1858. T. IX. p. 353. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 135 endeten. Die neuere Vorstellung in England, dafs Sporidien der Gährungs- pilze die Atmosphäre dicht und vorherrschend erfüllen, hat sich in Deutsch- land nicht bestätigen lassen und mag, wenn die Beobachtung richtig ist, eine lokale Erscheinung gewesen sein. Ein Beweis, dafs die genannten Sporidien keimfähig gewesen, ist nicht gegeben. 17. Ob das rothe Eisenoxyd durch seine Eigenschaft als Bestand- theil kleiner kieselerdiger Hohlzellen der Gallionella ferruginea sein leichtes und hohes Schweben in der Atmosphäre begünstigt, habe ich oft ver- sucht zu entscheiden, allein ich habe zwar die Anschauung eines feinsten Kiesel- oder Thonmulms erhalten, dessen Eisengehalt und rothe Farbe sich durch Salzsäure entfernen liefs, aber weder kettenförmige noch deut- lich hohle Körnchen zu meiner Überzeugung bringen können. 18. Da man fragen darf, warum wohl rothe Eisenstaube in der oberen Atmosphäre schweben, nicht aber schwarzer, durch seine Feinheit und scheinbare Leichtigkeit sich auszeichnender Kohlenstaub und amorpher Rufs in gleichen Verhältnissen erkannt werden, ja warum nicht die Tinten- regen zahlreicher sind als die des klaren Wassers, so mögen wohl die Verbrennungs- und Verrottungsprodukte der ganzen Erdoberfläche doch weit unbedeutender sein, als jene Bildungen des Eisenoxydhydrates des Passatstaubes, zumal die schwarzen Kohlentheilchen sich erfahrungsmälsig schon in der unteren Atmosphäre schnell senken. Schwimmenden abge- lagerten rothen Meteorstaub hat man auch im Atlantischen Dunkelmeere niemals beobachtet. 19. Es giebt in der Natur ein Schein-Leben, welches unorganische, den organischen oft ähnliche Gestaltungen bildet, die schon manchmal, selbst von geübten Beobachtern, als Lebensformen benannt und beschrie- ben worden sind. Dieses, den Crystallen und den Organismen gleich fern- stehende, Schein-Leben ist 1840 als Morpholithe bezeichnet worden. Auch im Meteorstaube der Atmosphäre sind dergleichen unsichtbar feine Bil- dungen erkannt und haben selbst bei geübten Beobachtern Veranlassung zu Irrungen gegeben. Ja sie haben als pyramidale Bruchstücke der Me- teoriten zu der Vorstellung von kugliger Urgestalt dieser geführt und werden noch zur Erläuterung des Luzerner Drachensteins in Betracht gezogen werden müssen, während die terrestrischen Erbsen- und Rogen- 136 Enrenpers: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über stein-Kugeln anderen Bildungsgesetzen anzugehören scheinen. Zur Erläu- terung soll Taf. Il. dienen, deren Erklärung zu vergleichen ist. 20. Für den gewöhnlichen Luftstaub ist auf Tafel IT aus beiden Erdhälften ein Einblick gegeben, welcher besonders auf die schaalenlosen und die den Bacillarieen nicht zugehörigen Gestaltungen gerichtet ist, wobei die über die ganze Erdtläche verbreiteten Difflugien-Formen in reichere Übersicht gebracht sind. 21. Da bei diesen Untersuchungen die Grenzen des kosmischen und terrestrischen Gebietes in den Vorstellungen schon viele Veränderun- gen erlebt haben, so darf ich nicht unterlassen, aufser dem eisenhaltigen, von Arago für kosmisch gehaltenen rothen Luftstaube, auch die bei (alle zweifelhaft gebliebenen kosmischen kohlenstoffhaltigen Gallerten weiterer Prüfung zu empfehlen. Es wird schon nichts übrig bleiben, um der Wissenschaft ihr Recht zu thun, als alle kohlenstoffhaltigen Verhält- nisse kosmischer Meteorkörper nicht nur chemisch sondern auf das schärfste mikroskopisch zu prüfen, da ja bekannt genug ist, dafs die schwarze Kohle in ihren Crystallen als Diamant farblos und völlig durchsichtig ist. Ob es bald gelingen wird als Feuerkugeln herabgefallene Gallerten durch zufäl- lises Auffangen auf Leinwandbleichen oder auf Schnee so rein zu erhal- ten, dals eine feine mikroskopische Analyse ein unbedingtes Urtheil er- laubt, muls günstigen Bedingungen anheimgestellt bleiben. Die Vorstel- lung, dafs organische Verhältnisse sich erst in der Atmosphäre der Erde zu Meteoriten gesellen und sich mit ihnen verschmelzen könnten, wird eine jedenfalls wichtige, wohl nur durch das Mikroskop zu entscheidende Aufgabe späterer Zeit sein. 22. Da auch die Vorstellungen der Urkohle als Graphit schon vielerlei Schwankungen unterworfen waren und bei der Moya sich aufläl- lig umwandelten, so darf die Beobachtung vor immer weiteren Analysen nicht zurückschrecken, so sehr auch bis jetzt, da die Grenze gesetzt er- scheint, wo die Atmosphäre der Erde noch die Bildung von Lämmer- wölkchen erlaubt, welche sich nach Humboldt an den Polen magnetisch reihenweis ordnen und das Substrat des Nordlichtes bilden. 23. Die wirkliche Durchdringung des Luftkreises und Äthers von gesichertem organischen Leben hat sich weder bisher m Linne's Sinne noch in dem Nees von Esenbeck’s durch fortwährende spontane das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 137 unvollkommene Erzeugung aus den in der Luft schwebenden amorphen Elementen nachweisen lassen. Es ist vielmehr das, auch in den „Ansich- ten der Natur“ von Humboldt aufgenommene Resultat der schärfsten Untersuchung gewesen, dals unermefsliche, oft lange Zeit scheintodte Lebensformen bis in grofse Höhen der Atmosphäre aufsteigen und von Zeit zu Zeit durch Zurücksinken mit Thau und Regen zur feuchten Erdoberfläche ihre besonderen Kreisläufe abschlielsen, um sie von Neuem zu beginnen. Daher kommt es, dafs im Regen der unteren Wasserdampf- wolken zuweilen volles Leben erkennbar geworden, welches in einzelnen Regentropfen zu beobachten stets weit seltener möglich war. 24. Während die grofsen Massen der in die Luft geführten Ver- brennungsproduete und vulkanischen Aschen nur selten im atmosphäri- schen Staube erkennbar geworden sind, hat sich die Kenntnifs des selbst- ständigen unsichtbaren Lebens in den Unterlagen der Moose bis in die Kronen der Waldbäume in beiden Hemisphären erläutern lassen. Die un- sichtbaren betreffenden kleinen Organismen sind als vollkommen zu ihrer eigenen Erhaltung und Fortpflanzung organisirte, selbstständige Wesen darstellbar geworden, und ihre Verbreitung bis in die höchsten kalten Alpenpässe des Himalaya aufser Zweifel gestellt. Mithin ist dieses Be- reich des Lebens seit den letzten dreifsig Jahren, wie auch in den geo- logischen Kreisen der festen Erdmasse die Bacillarien-Gebirge in Mexiko und Californien bekunden, nicht abgeschwächt, sondern einer immer größseren Theilnahme würdig und empfehlenswerth geworden. 25. Wie sehr das so wichtige chemische Resultat, wonach in den wahren Meteoriten nur terrestrische Elemente und auch nur aus solchen Elementen zusammengesetzte terrestrische Mineralien nachweisbar ge- worden sind, des Kohleneinschlusses halber auch organische Verhältnisse mit verstärkter Sehkraft aufzusuchen nothwendig macht, wird die künf- tige Forschung beschäftigen. 26. Die vorliegenden Verzeichnisse des rothen Passatstaubes ergeben mit denen von 1847 zusammen einen Reichthum von 460 Arten organischer, dem natürlichen Auge ganz entzogener Formen. Hierzu tritt noch der oben erwähnte, auf Dächern, Thürmen und in den Baummoosen der hohen Waldbaumstämme bis auf die höchsten Alpenfelsen abgelagerte, nicht hier, aber in den Monatsberichten tabella- Phys. Kl. 1871. 18 > 138 Enkenserg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über visch verzeichnete organische Lebensgehalt, dessen Erweckung in thätiges Leben oft leicht gelingt. Beides zusammen bildet die nicht mehr hypo- thetische, sondern nachgewiesene unsichtbare Belebung der Atmosphäre. Die sämmtlichen Formen der früheren Passatstaub-Analysen sind 1847 abgebildet, und die neuesten wurden in genauen, mit jenen ersten gleich- artig vergröfßserten Zeiehnungen vorgelegt. Beides zusammen bildet mit der in der Mierogeologie gegebenen Übersichtstafel eine Grundlage von Abbildungen, welche sorgfältiger Forschung nützlich sein wird. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. formen. 139 Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Sämmtliche Figuren sind bei 300 maliger Diameter-Vergröfserung nach der Na- tur gezeichnet und beziehen sich auf die im Vortrage verzeichneten neuesten Passatstaub- Bei dieser Tafel ist besonders die Erleichterung der Vergleichung der 285 Formen mit einander beabsichtigt, wozu auch der unten befindliche Maafsstab, wie in der Microgeologie, beigegeben ist. Ispahan am 3. Mai 1870. Text p. 80 u. Tabelle. . Gallionella granulata tenerrima distans? Fragilaria Rhabdosoma pinnata? Eunotia gibberula amphioxys . Navicula obtusa . Pinnularia aequalis? (cfr. P. am- phioxys) . Synedra rostrata Entomon . Campylodiscus Clypeus? Fragm. . Lithodontium Aculeus emarginatum Platyodon? Bursa Jurcatum? (Platyodon?) Scorpius? 9. Lithostylidium angulatum 21. Clepsammidium — curvatum clavatum Amphiodon Fig.25 . Lithostylidium Emblema (cfr. 1847 Taf. Il. ı. Fig. 48.) — 26. 27. — Serra? — 23. 29. — Amphiodon — 30. 3l. — denticulatum — 32.33. — irregulare — 34. — quadratum? — 35. — falcatum (Abh. 18383) — 36. 37. — sinuosum — 38. — spiriferum (efr. L. an- nulatum) — 39. Taurus (cfr. Abhandl. 13847. Taf. IV. A. Fig. 65.) — 40. — rude — 41. — denticulatum — 42. Lithochaeta laevis — 43. Lithostylidium Pes? — 44. Lithomesites? — 45. weicher gelblicher Pflanzentheil — 46. zweitheiliger gelblicher Pflanzensame — 47. Lithomesites? (Lithostyl. Serra?) — 48. Spongolithis Tridens? 49. acicularis? 18* 140 Enurengerg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Fig. 1. — 3 — 4.6. — 24. — 26. — 27. — 28. — 29. — 30. — 31. — 32. — 33. — 34. — 36. — 37 Dardanellen bis Sieillien am 23. 24. März 1869. Die einzelnen hierzu gehörigen Örtlichkeiten dieses wichtigen Staubfalles sind in der Tabelle und im Text p. 60 gesondert verzeichnet. 2. Gallionella lirata — granulata _ procera — decussata — tenerrima _ distans crenata (cfr. @. granulata) = crenata —_ distans . Discoplea atmosphaerica (ob Gallio- nella?) = venusta (efr. D. atmo- sphaerica) — atmosphaerica — sinensis . Gallionella? . Coscinodiscus? . Eunotia amphioxys — longicornis — venusta ...—— giübberula 25. — Argus — Argus (ob E. Textricula?) Climacidium Triodon Eunotia Cygnus Campylodiscus Clypeus Pinnularia gibba®? (efr. P. decurrens) Cocconema Lunula Pinnularia? Navicula fulva 35. Fragilaria pinnata _ vulgaris . Synedra Entomon — 533. Assula aspera umbonata — 39. Lithodontium emarginatum — 40-42. — Bursa — 43. — triangulum — 44. —_ Aculeus Fig.45. Lithodontium rostratum 46. —_ Furcatum 47-49. Lithostylidium annulatum 50 -52. — Amphiodon 53% E= Serra 54. 5. _ Clepsammidium 56 -58. n— biconcavum 59. _ Clepsammidium 60. _ clavatum 61. — curvatum 62. _ clavatum 63 - 65. _ crenulatum 66. Amphidiscus truncatus 67. —_ — # tenuis 68. _ — 2 dentieulatus 69. Lithostylidium Diceros n. sp. 70-72. — denticulatum 73. _ Diceros n. Sp. 74. —_ Rectangulum 75. — Emblema 76-78. — Formica 19. = Hemicyclus n. sp. 80. _ irrequlare 81. _ laeve 82. 83. — obligquum 34. Z— — 2 asperum 85. Lithostylidium Piseis (efr. L. Taurus) 36. _ Pes 87. — quadratum? 88. _ obliquum 89. —_ curvatum 9. — Rhombus 91. 92. — ventricosum 93. _ unidentatum 94. — Trabecula 95. E= rude 96.97. Lithomesites ornatus & 98. Lithostylidium unidentatum das von der Atmosphare unsichtbar getragene reiche organische Leben. 141 Fig. 99. 100. Lithostylidium sinuosum Fig. 115. Spongolithis flexuosa — 101. 102. _ Serra — 116. _ aspera? — 103. Textilaria globulosa — 11% — Rectangulum n. Sp. — 104. Rotalia aspera — 118. _ obtusa? — 105. Rotolia? — 119. Lithasteriscus? — 106. @uttulina meteorica n. sp. oben — 120. — irregularis — 10. — —_ unten — 121. Pflanzenzellgewebe — 108. Spongolithis septata? — 122. braune Pflanzenzellen — 109. —_— aspera — 123. Polythalamien-Fragment — 110. — Clavus? — 124. sternförmiges Pflanzenhaar — 11 — canaliculata — 125. poröse Fichtenholzfaser — 112. _ obtusa — 126. Kalkspath-Crystall — 113.114. — acicularis Apulien 1868. Text p. 83 und Tabelle. Fig. 1. Campylodiscus Clypeus Fig. 14. Lithostylidium Rectangulum — 2. Spongolithis aspera — 15. — conieum —E> _ fistulosa — 16. _ Securis — 4. Eunotia Argus — 17. —_ erenulatum — 59. — _ zebrina — 18. u Ossiculum (Amphid. — 6. Assula aspera umbonata truncatus) — 7. Sporangium? braun (Gliederfaser) — 19. Gallionella granulata — 8. Lithostylidium Rectangulum — 20. E= distans — 9. 10. = erenulatum — 21. _ procera — 11. Synedra®? Fragment — 22. _ decussala — 12. Cocconema cornutum (C. gracile) — 23. —_ lirata — 13. Eunotia Mosis? — 24. _ lenerrima Janina am 13. April 1870. Text p. 87 u. Tabelle. Fig. 1. Synedra Entomon Fig. 12. Campylodiscus Clypeus Fragm. — 2.3. Navicula Semen — 13. Lithostylidium Serra —_— 4 — undosa — 14. — crenulatum — 5. Stauroneis constrieta — 15. Lithodontium furcatum — 6. Gallionella granulata — 16. Spongolithis obtusa? ih — procera — 17. Lithomesites ornatus Ta [ei _ distans — 18. Spongolithis fistulosa Fragm. — 9.10. Discoplea atmosphaerica — 19 — acicularis 1l. Fragilaria? (Grammatophora?) 142 Eurengere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Isola di Sora 10. März 1869. Text p. 68 u. Tabelle. Fig. 1.2. Gallionella granulata — tenerrima — | Be Navicula dicephala _ — undosa _ Eunotia Argus? _ . Achnanthes? E= Eunotia amphioxys — | En un | e — 10. Pinnularia borealis E — 11. Campylodiscus? Fragm. —_ — 12.13. Lithostylidium Clepsammidium Schweiz am 15. Januar 1867. Fig. 14. Lithostylidium obliquum 15. Amphidiseus truncatus 16. Lithostylidium sinuosum lcie 18. 19-21. — 22. Lithodontium rostratum 23. dentieulatum Triceros? (Lyon 1846) ‚Securis Jurcatum 24. Lithomesites Pecten Die drei analysirten Örtlichkeiten dieses Staubfalles finden sich in der Tabelle und Text p. 72. Fig. 1. Discoplea atmosphaerica — 2. Gallionella distans — 14.15. _ — 3 —— procera — 16. — 4. Nawicula Semen — 17. — 5). — biceps — 18. — 6. Raphoneis? — 19. — 7. Fragilaria® (Sıymedra?) _ — 8. Tabellaria Venter —_ — 9. Eunotia amphioays — — 10. Synedra Ulna e— — 11. Lithostylidium angulatum (L. denti- — culatum) = — 12. = crenulatum — Verschiedene Passatstaubformen. 20.21. _ 22. 23. 24. 25. 26. 27: Fig.15. Lithostylidium Ossieulum Pes biconcavum Clepsammidium irregulare Fusiforme? erenulatum Lithodontium furcatum rostratum Lithostylidium sinuosum Serra Amphidiscus Marti weicher Pflanzentheil (Samenstaub?) Da es nicht nothwendig ist, dals von allen einzelnen Passatstaubverhältnissen sämmtliche Formen immer abgebildet werden und nur besonders auffällige und lehr- reiche Verhältnisse dies wünschenswerth machen, so sind von den neueren übrigen Staubfällen nur einige besondere Formen anschaulich zu machen, während die grolse Mehrzahl in den schon gegebenen Abbildungen mehrfach dargestellt ist. das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche orgamische Leben. 145 Fig. 1. Rhaphoneis? (efr. Surirella) vonPalma Fig. 9. Synedra Entomom. Rom 1864. — 2. Biblarium? Palma — 10. Naviceula biceps — 3. Gallionella granulata — 11. Eunotia Monodon — 4. — distans | — 12. Lithostylidium Cauda Draconis. Ningpo —5 — decussata Palma — 13. 14. Amphidiseus truncatus — 6 - lirata | — 15. — chinensis. Ningpo — 1. —_ procera — 16. Lithostylidium spiriferum — 8. @omphonema gracile. Palma — 17. Lithodontium furcatum Tafel 1. Die Abbildungen dieser zweiten Tafel sind aufser den beiden untersten grolsen Morpholithen und den schematischen Eisenformen schon in den Jahren 1848 bis 1859 von mir ebenfalls bei 300 maliger Diameter-Vergrölserung nach der Natur gezeichnet, nur die mikroskopischen Morpholithe sind jetzt unter meiner Anleitung hinzugefügt worden. Mikroskopische Baumfauna. Oberhalb sind von der Atmosphäre getragene und auf Baummoosen abgelagerte, nicht dem Passatstaub angehörige, unsichtbar feine Organismen von Venezuela und Berlin, besonders in ihren ausgezeichneten, öfter generisch neuen Formen dargestellt. A. Venezuela. Fig. 1. 2. Stauroptera dendrobates Fig. 27. Difflugia collaris — 3.4. Liparogyra circularis _ 23. — Dryas — 5-8. _ dendroteres _ 29. — squamata — 9. Einzelglied v. L. dendroteres —_ 30. — longieollis — 10. 11. Discoplea dendrochaera — 31. Arcella caudicicola — 12-16. Stephanosira epidendron — 32. Lithostylidium caraccense — 17-20. == Hamadryas — 33. 34. — spiriferum — 21-25. Porocyelia dendrophila _ 35. —_ hispidum — 26. Difflugia reticulata — 36. — apicatum B. Berlin. Fig. 1-3. Bursaria triquetra Fig. 7-10. COyelidium arborum — 4-6. — arborum — 11. Trachelius dendrophilus Die terrestrischen Arcellinen. Als zweite mittlere Gruppe ist eine Zusammenstellung zahlreicher Gestaltungen der Difflugien gegeben, welche ein reicher Bestandtheil der Polygastern-Classe und speciell 144 Eunenpera: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über der Arcellinen-Familie, als schaalenführende Amöbeen, von mir verzeichnet sind. Es sind im Ganzen in der Mierogeologie, in den Abhandlungen und Monatsberichten seit 1830 I15 Arten dieser Formen von mir beobachtet und namentlich aufgeführt. Von den Gattungen Arcella und Diflugia sind in den Passatstaubverhältnissen 1847 und 1871 1? Formen beobachtet worden. So schien es denn angemessen die auffälligsten dieser von mir verzeichneten Formenarten der ganzen Erdoberfläche vor Augen zu stellen, um die atmosphärisch getragenen dadurch zu erläutern. Von den 115 Formen-Arten sind fol- gende 23 in den verschiedenen Erdtheilen am zahlreichsten vertreten und können mithin, da mehrere von ihnen auch in dem Meteorstaube der Atmosphäre aufgefunden worden sind, als eosmopolitisch angesehen werden, wie folgendes Verzeichnils angiebt. Mg. — Microgeologie 1854. Ab. — Abhandlungen d. Akad. 1841. Inf. — Infusionsthierchen 1838 und * bedeutet die Abbildung. 5 & ae ce Se u ee En e | KR: 1. * Inf, Arcella aculeata . » . + + + ar Er 23, Mg mstrialanı Auen ld Ar + |) + + ar er 3, * nE — dental en —_ + _ uu + 4. * Mg 2 — HEnchelys (hyalina) . .| + + + a u I „<= 5. Na. — - 8 dilatata . .| — — + = ae 6. *Ng — veoms neo + 1 + os au .*M& 39 — M@lobulus. | + je Ar a 3... Ng 7 — gramlata . 2: 2. . | — | BER I Ne r SE ae 9,*Me. — Megastoma . » x. _ + + - 10. * Mg. — reticulata => + — 2r> ch EL 11. * Ma — valganis co. N + | + + ee a ul 12. * Mg Difftugia areolata . » | + | Fb | +1 + 13, * — assulata Taf. Il. Fig.4.5.| — | + — ur ‚A a — cancellata Taf. II. Fig.3.| — ers _— | + >] 15, ° — ciliata Taf, II. Fig. 26. .| + | + a, | ee u 16. * Ab. — Lagnma .» x ss sh — | + + | #+ | 17. Me. — laws. 2 22. .| + + + — + | 18. * Mg. — "TDiostonma , 2. N + + En I | 19. * Mg. — Dligedon . . 2... + + + => ar Su 20. * Inf. — proteiformis © x 2. .]| — + AN . 21. * Me. — Seminulum -.: x sh + + u | N a 22. Me. 3 — stridlata » x x... | + a Es lVE 3393 — tessellata Taf. Il. Fig. 32. | — | + rn + das von der Atmosphäre unsiehtbar getragene reiche organische Leben. 145 Aufser den hier verzeichneten 10 im Passatstaub beobachteten Formen gehören noch zu diesen Difflugia cellulosa, die nur in Asien und Amerika und Arcella costata, welche noch in keinem terrestrischen Oberflächenverhältnifs aufgefunden worden ist. Beide sind 1847 und in der Mierogeologie abgebildet. Die sämmtlichen hier abgebildeten Difflugien, mit Einschluls der in Venezuela vom Luftstaube getragenen, beziehen sich auf die in den Monatsberichten und in der Mierogeologie verzeiehneten Örtliehkeiten. Viele der hier nicht abgebildeten Arten der Arcellinen sind schon in der Mierogeologie 1854, in den Abhandlungen 1847, 1558 und 1869 und in dem Monatsberichte 1856 abgebildet, welche daselbst verglichen werden können. a Zugleich wird hierbei anschaulich, dals die unter dem Namen Assula bei den Phytolitharien verzeichneten Körperchen, deren Ursprung bisher unbekannt war, mög- licherweise als Bruchstücke von Difflugien-Panzern sich zu erkennen geben. Über die Systematik und speeielle Diagnostik der sämmtlichen Formen, welche hier zu umfangreich sein würde, ist mir vielleicht vergönnt in den Monatsberichten der nächsten Monate Weiteres mitzutheilen. Vielleicht finden auch meinen Anschauungen be- freundete Forscher in dem hiermit gegebenen Hinweis auf die übersichtliche Nutzbar- keit der Microgeologie einen weiteren Vortheil für ihre eigenen Studien. Da man, von meinen Anschauungen abweichend, die Difflugien auch Rhizopoden und loraminiferen genannt hat, so ist nur noch daran zu erinnern, dals mehrere Arcel- linen und auch Difflugien, als gepanzerte Amöbeen, durch Indigo-Futter in ihrem poly- gastrischen, von dem der Polythalamien sehr verschiedenen Bau erläutert worden sind. Von den hier abgebildeten ist nur Difflugia Schwartzii von der Insel St. Paul mit einer verschluckten Nasieula gesehen worden. 1838 (Infusionsthierchen) wurde Arcella vulgaris mit vielen Indigo Zellen und Navieulis und 1341 (Abhandl. Taf. IV Fig. 34 und 36) Dif- flugia acanthophora und Arcella hyalina (= Enchelys) mit verschluekten Navieulis abgebildet. Fig. 1. Difflugia Gillo. Costa Rica, Microg. p. 365. _ % u Lagena. Siwah, Libyen. Microg. p. 198 cfr. Okak, Labrador. Ab- handl. 1541. p. 415. —_ 3. _ cancellata. Libanon, Bischerre aus Polytrichum. Monatsb. 1848. p- 579. — 4.5. - assulata. Libanon, Bischerre aus Polytrichum. Mierog. p. 43. Fig. 5. auch aus Guyana Roraima. — 6.7. —_ Pila. Libanon, Harissa. Mierog. p. 41. 8. -- Cueurbitula. Altai aus Swertia. Mierog. p. 98. — 9 — Phiala. Cap Horn. Microg. p. 288. — 10. - hermitana. Cap Horn. Mierog. p. 238. — 11. — antarctica. Cap Horn. — 12-14. — Frauenfeldii, St. Paul. Süd-Ocean. Monatsb. 1861. p. 1102. — 15. _ Schwartzü. St. Paul. Monatsb. 1861. p. 1102. — 16. toberti Müller. St. Paul. Monatsb. 1561. p. 1102. ra — Battloggi. St. Paul. Monatsb. 1861. p. 1102. — 18. eylindrica. Nicobaren, Oatchull. Miecrog. p. 172. 241. — 19 — Fallax. Nicobaren, Catchull. Mierog. p. 172. — 20 missouriensis. St. Louis aus Myriophyllum. Mierog. I. 1856. p. 51. Phys. Kl. 1871. 19 146 Eurexgere: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über Fig. 21. Difflugia Carpio. Indien, Nilgherri. Microg. p. 119. (aus Süd-Amerika Mierog. p- 331.) — 22.23. — binodis. Guyana Roraima. Microg. p. 331. — HR, = purpurescens (roth). Guyana Roraima. Microg. 1854. p. 331. — 2. — Roraimae. Guyana Roraima. Microg. p. 331. = 2/68 _ eiliata. Indien, Canara. Monatsb. 1548. p. 379. — 27a.b. — Carpio. Indien, Canara. Microg. p. 117 und 121. — 28. — pilosa. Capverden, St. Antonio. Microg. p. 278. — 99: _ azorica. St. Micha@l, Azoren. Mierog. p. 278. — 380. - setigera. Indien, Pondichery. Mierog. p. 121. a3 — strigosa. Neuholland, Plantagenet. Microg. p. 12. — 32. — tessellata. Cap der guten Hoffnung, aus Eriocaulon. Mierog. p. 253. — 33. — capensis. Cap der guten Hoffnung, aus Wurzelerde von Scleria. — 34. _ Hartmanni. Sennäar. Reise des Baron von Barnim 1863. Anhang p- 79. Morpholithe, Schein-Örganismen. Pseudozoen, Bildsteine, Steinpüppchen. Die dritte Gruppe dieser Tafel stellt unorganische Morpholithe oder jene Schein- Organismen dar, welche 1840 (Monatsb.) von mir erläutert wurden und die der verdiente Physiker Parrot als grofse nackte Mollusken unter dem Namen einer /matra-Familie dem Thierreiche zuzugesellen sich veranlasst fand. Da auch von einem geübten mikroskopischen Beobachter 1851 mikroskopische Gestalten dieser, den Morpholithen zugehörigen Körper, im Meteorstaube von Jrkutzk als Polythalamien verzeichnet und abgebildet worden waren, so veranlafste mich schon 1854 diese Schwierigkeit die ganze Gruppe der Morpholith- bildungen am Schlusse der Mierogeologie auf besonderer Tafel in Übersicht zu bringen (vergl. den Abschnitt über die Morpholithe). Die hier gegebenen Abbildungen sollen jene Reihe nur in ihren ausgezeichneten Formen weiter vorlegen, besonders auf die Elementar- Substanzen aufmerksam machen, aus denen sie durch die morpholithische Naturkraft sich bilden und deren genetische Gestaltung erläutern. Es sind deshalb die beiden unteren, nicht mikroskopischen, grolsen Gestaltungen in halber natürlicher Gröfse zur Ver- gleichung zugefügt, welche sich denen in der Microgeologie auf Taf. XL in natürlicher Grölse abgebildeten anschliefsen. Dafs die morpholithischen Elemente der Schreibkreide im gröfsten Maalsstabe als Coceolithe von übrigens verdienten Zoologen zum Thierreiche gestellt worden sind, ist in Abschnitt VIII weiter erläutert. Im vorigen Jahre hat Prof. Vogelsang in Delft die Morpholithe als Globulite, Margarite, Longulite und als Crystallite wieder in Betrachtung gezogen und auch in der von mir 1540 angezeigten verlangsamten Bildungsmethode manchen Aufschlufs er- halten. Die von ihm in den Schlacken nachgewiesenen auffälligen dendritischen Gebilde, welche auch schon für Organismen angesprochen worden sind, lassen sich mit den Mor- das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche orgamische Leben. 147 pholithen nicht direct vergleichen, weil sie durch Feuereinwirkung zu Stande gekommen sind. Schon 1836 wurde von mir in Poggendorff’s Annalen Taf. I. Fig. IX. die durch die Porzellan-Ofen Hitze im Porzellan sich gestaltende, reihenweise Körnchenbildung be- sprochen und abgebildet, welehe wohl als genetische Grundlage solche Gestaltungen mit vermitteln mag. Bei den Morpholithen ist nur noch als characteristisch hervorzuheben, dals die- selben in ihrer Bildung als eine fortschreitende weiche Masse erscheinen, aber auch im frischen Zustande niemals an ihren Oberflächen weich, sondern stets überall so hart wie Crystalle sind, dafs aber von Crystallisations-Faserung noch niemals eine deutliche Vor- stellung gewonnen werden konnte, wodurch die bekannten strahligen Kugelgestalten sich von den nicht strahligen Morpholithen scheiden. 1. Meteorische, d.i. atmosphärisch getragene Morpholithe. A. Kalk-Morpholithe. Die Figuren I—1l1l sind unter meiner Anleitung aus dem Meteorstaube von Jrkutzk, in dem sie schon 1849 als solche angezeigt worden waren, in Abbildung darge- stellt worden. Zur Vergleichung sind die 5 mit Buchstaben verzeichneten Formen der unteren Reihe aus den Petersburger Bulletins 1851 copirt und hinzugefügt, welche bei Weisse die Vorstellung von Polythalamien erweckt hatten. Fig. 1—3. sind einfache, monomorphe, Kugel- und stärkmehlartige Augenbildungen. Fig. 4—8. sind doppelte, eladomorphe, Brillenbildungen, Fig. 4 und Fig. c. der unteren Reihe sind Kuastrum-artige Scheinorganismen, die Figg. 6. 7. zeigen einen stark welligen Rand, dessen massige, nicht hohle, Bildung nicht die Vorstellung einer Rotalie geben darf. Fig. 9—11. sind vielästige Kalkpüppchen und zeigen die Ränder mehr oder weniger wellig, Polythalamien-artig. Die von Weisse gezeichneten Formen sind folgende: Fig. a. Zwillingskugel, cladomorph oder ästig, mit unklar strahliger Mitte, mir aber nicht vorgekommen. Fig. b. Augenkette, Schein-Nodosaria, mit einer seitlichen Knospung. Fig. e. Schein-Zuastrum. Fig. d. Schein-Glandulina. Fig. e. Schein-Rotalia. Es ist unzweifelhaft, dafs diese, nach Art der verästeten Dendriten-Crystalle sich gestaltenden Fortbildungen alle Arten von Polythalamien in soliden unorganischen Massen- bildungen, welche niemals Zellen sind, nachahmen können, so dafs man Textilarien u. s. w. bei weiteren Forschungen zu erwarten hat. Auch mögen schon die als Amylum von verschiedenen Beobachtern im Luftstaube angezeigten, mit coneentrischen Ringen ver- sehenen ‚Körperchen genauer zu prüfen sein, ob sie durch Säure mit Blasenbildung auflösbar, also Kalk sind. 192 148 EurEnBErg: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen über B. Eisen. Es werden hier die 1856 meteorisch auf ein amerikanisches Schiff im Süd-Ocean gefallenen hohlen Eisenbläschen in ihren morpholithischen Gestaltungen in Erinnerung gebracht und auf ihre specielle Erläuterung in den Monatsberichten 1858 hingewiesen. Fig. 1. ist die natürliche Gröfse jenes, dem Magnete folgenden, schwarzen Eisenstaubes. Fig. 2. ist eine schaalenförmig gebildete Kugel, von denen die meisten einen in Fig. 3. sichtbaren, stachelförmigen Anhang führen, Stilkugel. Fig. 4. ist länglich, in der Mitte eingeschnürt, nach Art der Brillensteine. Fig. 5. ist nierenförmig, nach Art der Nierensteine. Fig. 6. ist flaschenförmig. Die letzteren 5 Figuren sind schematisch hier dem Raume angepafst, aber in dem Monatsberichte 1858 nach gemessener Vergröfserung abgebildet worden. Ob meine frühere Vergleicehung derselben mit den Kügelehen der im Sauerstoff Funken sprühenden Stahl- feder vergleichbar sind, wie Reichenbach später weiter ausgeführt hat, oder ob sie den vorigen meteorischen Kalkmorpholithen enger anzureihen sind, muls jetzt dahingestellt bleiben, verdient aber in Erinnerung gehalten zu werden. II. Terrestrische Morpholithe. A”. Feuersteinpüppchen von der Insel Pöhl bei Wismar, mit zwei gekreuz- ten Axen und schnabelartiger, rechtwinklig vortretender neuer Axenbildung. Die augen- artigen Punkte sind zufällige kleine Vertiefungen. An der Schnabelspitze und anderwärts ist zu sehen, dals die Masse eine schwarze, an den Bruchrändern durchscheinende Feuersteinmasse mit einem grauen Verwitterungsüberzuge ist, welcher mit Säure nicht braust. Die Gröfse der Abbildung stellt die Hälfte der natürlichen Gröfse dar. Die auf- fällige, etwas abenteuerliche Sphinx-Gestalt schliefst sich an ‚die vogelartige Gestaltung der Tunaberger Thonmergel-Morpholithe an. Belemnites mucronatus fand sich gleichzeitig. B*. Thonmergelpüppchen. Dieser 74 Zoll grofse Thonmergel- Morpholith wurde bereits im Jahre 1840 der Akademie mit vorgelegt (Monatsbericht p. 144), ist aber noch nicht abgebildet worden. Er ist deshalb hier dargestellt, um die Entwicklung soleher Formen aus mikroskopischen Elementen anschaulich zu machen, da die Figuren 6—8. der meteorischen mikroskopischen Kalkbildungen ihn augenscheinlich er- läutern. Derselbe ist aus 8—9 Bildungeentris a bis % dendritisch zusammengesetzt, ist an seiner Oberfläche rauh, sandig, von Farbe dunkelgrau und stammt nach Krantz aus Bergkalk in der Nähe von Dublin. — In den Passatstaubverhältnissen sind aulser den hier angezeigten mikroskopischen, noch scheibenförmige Kalkmorpholithe angezeigt, welche den Schreibkreide-Morpholithen verwandt, aber durch ihre Gröfse und völlig runde Gestaltung verschieden sind. Aufser diesen Kalkmorpholithen sind noch diejenigen Körperchen aus Kieselsubstanz in Erinnerung zu erhalten, welche als Lithasteriscus im Meteorstaube von 1803, 1330, 1846, 18347, 1848, 1349 und 1869 unter den Phytolitharien verzeichnet worden sind, wie auch die sämmtlichen das von der Atmosphäre unsichtbar getragene reiche organische Leben. 149 Spongolithe und auch viele Poolithe eine selbstständige Fortbildung, oft weit über die Gren- zen der Zellbildung hinaus, in gesetzmäfsigen Zwillingsbildungen erkennen lassen. Wer sich den Keppler’schen Poesien über die Weltwolken und die Coneretionen der Himmels- körper aus feinen materiellen Stoffen hingeben will, dem wird die Morpholith-Bildung, wozu erfahrungsmälsig der Luzerner Drachenstein und die pyramidalische Gestaltung der Meteorstein-Fragmente nach Schreibers gehören würden, ein Anhalten geben, von welchem die ruhige Naturforschung bis heut keinen Gebrauch machen kann. 150 EuresBer: Übersicht der seit 1847 fortgesetzten Untersuchungen ete. Imıhraulktz Jetziger Stand der Kenntnisse. pag. 1. . Historische Nachträge. pag. 14. . Neue Beobachtungen. pag. 60. . Tabellarische Übersicht aller organischen Formen des rothen, seit 1847 (1849) analysirten Staubes. pag. 93. . Über den beobachteten Gehalt des wirklichen, unsichtbaren selbstständigen Lebens der Atmosphäre. pag. 97. . Schädliche organische Atmosphärilien. pag. 105. . Sonderung der Atmosphärilien in schärfere Gruppen. pag. 110. . Über morpholithische Schein-Organismen der Atmosphäre. pag. 115. Über die atmosphärischen Grenzen des Passatstaubes und des organischen Lebens. pag. 120. Wünsche für weitere Forschungen. pag. 125. . Schlufs-Übersicht. pag. 129. . Erklärung der Abbildungen. pag. 139. His aliquid forma sentio majus inest. ? ren Jspahan 1870. E Tafıt ee 6; 1 mim l if N” 16 Ns se mn m nn m nn E Im. Ehrenberg:s Abh. Phys ilasse 1871. Jspahan 1870. Li ALLSLLUSL LEARN lt, aB 17 PN RN B3 N 5 ai %“ N 3 Zus ZN 16 Dardanellen bis Sieilien 1869. 9, Jsola di Sora 186! Janina 1870. . Gast e CR Weber Passatlormen. F Verschiedene Die terrestrischen Arcellinen. Mikroskopische Baumfauna. 4A. Venezuela. SSHKLRHARRKNAR N ETC RK KÜRR ALLEIN OR‘ Zu Hm.Ehrenbergs Abh.Phys-hlasse 1871. ne Tafeln Geste CE Weber A. Kalle en 2 nz Q x SI S S BD SZ S 3 — N S S u S Morpholithe IT. terrestrische I N S Ag = S I S En I IS Fe re un S = S I S rn ER RR DIOR Ulk/L2 5 unbergs Abh.Phyys.Klasse 1071. B. Eisen Gm. 0. 0.6.u.Gara Ehrenborg Über die Lehre vom Metamorphismus und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. Von v H= ROTH. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 15. December 1870 und am 6. März 1871.] Erster Theil. D. Lehre vom Metamorphismus gehört zu den in der Geologie am häufigsten abgehandelten, aber defswegen keinesweges zu den klarsten. Schon um defswillen, weil darunter die verschiedenartigsten Dinge zu- sammengebracht werden und dann, weil der Metamorphismus mit den letzten und schwierigsten Fragen der Geologie in inniger Verbindung steht, mit den Ansichten über die ersten Anfänge der Erde. Man hat häufig die Bezeichnung Metamorphismus auf die Verän- derungen ausgedehnt, welche das einzelne Mineral erfährt, so z. B. auf die Verkieselung der Gryphaeen, hier ist jedoch nur der Metamorphismus der Gesteine in Betracht gezogen. Auch bei diesem wird der Begriff bald in einen sehr weiten bald in einem engeren Sinne gebraucht. Nimmt ihn Durocher sehr weit (Bull. geol. (2) 3. 546. 1846), der darunter „ensemble des effets de transformation, de modification de nature ou de texture, qwont eprouves les roches“ begreift, so umfalst nach Studer (Lehrb. phys. Geogr. und Geologie 2. 116. 1847) „Metamorphismus im weiteren Sinne alle die Einwirkungen, welche durch andere Kräfte als Schwere und Cohäsion auf die Gesteine ausgeübt worden sind. — Meta- morphismus im engeren Sinne beschränkt sich auf die Umwandlungen der Gesteine, welche nicht durch Einwirkung der Atmosphäre oder des Wassers auf die zu Tage liegende Aufsenfläche, sondern, mittelbar oder unmittelbar, durch Thätigkeiten erzeugt werden, deren Sitz im Innern 152 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus der Erde zu suchen ist.“ Delesse (Etudes sur le metamorphisme Ann. min. (5) X1. 90. 1857) bezeichnet als Metamorphismus im weiteren Sinne alle die Veränderungen (alterations), welche die Gesteine erfahren; Nau- mann (Lehrbuch der Geognosie ed. I. 1850; ed. II. Bd. I. 406 und 718. 1858) nennt im Gegensatz zu den ursprünglichen Gesteinen diejenigen metamorph, welche seit ihrer ersten Festwerdung Veränderungen entweder ihrer Masse oder ihrer Struktur oder auch beider erlitten haben. Er ist jedoch geneigt nur die eigentlichen Umbildungen als Metamorphismus zu bezeichnen und die durch Einwirkung der Atmos- phärilien, der Gewässer und vulkanischen Exhalationen verursachten, mehr oberflächlichen Zersetzungen (Dialysen) auszuschliessen; Dialyse und Metamorphismus zusammen geben die Alläosologie. Daubree (Ztu- des et experiences synthetiques sur le metamorphisme et sur la formation des roches eristallines in Mem. presentes a l Acad. des sciences XV1. 1860) begreift unter der Lehre vom Metamorphismus die Lehre von dem An- theil, welchen bei der Bildung der festen Erdrinde das Wasser und das Feuer gehabt hat. Da sich so häufig die Wirkung beider neben ein- ander zeigt, so fragt es sich, ob beide Agentien gleichzeitig oder nach ein- ander thätig waren. Die Reactionen des Erdinnern gegen die Oberfläche treten in den Thermen, den Vulkanausbrüchen, den Erdbeben täglich her- vor; das Hervorbrechen der Eruptivgesteine, die Hebung der Bergketten sind weitere Beweise derselben. Aber aufserdem giebt es noch derartige Reactionen, welche nur langsame, verborgene, der unmittelbaren Beob- achtung wegen der Tiefe entzogene Veränderungen hervorgebracht haben und ohne Zweifel noch hervorbringen. Wahrschemlich nehmen diese Ver- änderungen mit der Tiefe zu, so dafs sie endlich dort überwiegend werden. Daubree zieht daher die Verwitterung, die Zersetzung und die Wirkung der Thermen in den Kreis seiner Untersuchungen über Meta- morphismus. Nach seiner Angabe hat zuerst Elie de Beaumont den normalen oder allgemeinen Metamorphismus vom anormalen, speciellen oder Contaktmetamorphismus geschieden. Daubree nennt den ersteren Meta- morphisme regional, den letzteren Metamorphisme de juxtaposition. Die Veränderung, welche bei diesem das Eruptivgestein erfährt, nannte Fournet (1847 Bull. geol. (2). 4. 243) Endomorphismus, die auf das durchbrochene Sedimentgestein ausgeübte Veränderung Exomor- und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 153 phismus. Virlet bezeichnet 1844 (Bull. geol. (2) 4. 845) als Roches d’imbibition die schiefrigen Gesteine, welche in Folge der Durchdringung mit eruptiven Serpentin- oder Feldspathmassen ihr ursprüngliches An- sehen verloren haben und jenen Eruptivgesteinen ähnlich geworden sind, ohne dals dabei immer Schmelzung stattfand. Sie gehen einerseits über in das Eruptivgestein, andrerseits in die schiefrigen Gesteine; dahin rech- net er gewilse Ophicaleite, den Verde antico u. s. w.!). Haughton?) unterscheidet Hydrometamorphismus und Pyrometa- morphismus. Bei dem ersteren werden ursprünglich geschmolzene und in diesem Zustande als Gänge und Adern in Vorhandenes ergossene Ge- steine später in Bezug auf specifisches Gewicht und Anordnung der Mi- neralien verändert, und zwar durch Wasser, das bei hoher, aber nicht zum Schmelzen des Gesteines hinreichender Temperatur einwirkt. Bei dem Pyrometamorphismus werden ursprünglich sedimentäre geschichtete Bil- dungen durch Hitze verändert und in die sogenannten metamorphischen Gesteine umgewandelt. Granit, obwohl im Allgemeinen ein hydrometa- morphisches Gestein, entsteht bisweilen auf pyrometamorphischem Wege. Dahin gehört der Granit von Donegal (Irland), Norwegen und vielleicht der schweizer Alpen. Nach Delesse (Ann. min. (5) 12. 1857, 13. 1858 und Mem. pres. a l’Acad. des sciences XVII 1861) charakterisirt sich der normale Meta- morphismus, der oft von unsichtbaren Ursachen herrührt und sich in srolsem Maafsstabe verbreitet, durch die mehr oder weniger vollständige Entwickelung der krystallinischen Struktur; dabei wird das Amorphe krystallinisch, neue Mineralien entstehen. Seine Ursachen sind hohe Tem- peratur, Wasser, Druck und vorzüglich Molekularwirkungen. Alle Ge- steine können ihm unterliegen, sie werden dabei bis zu einem gewissen (rrade plastisch. Am stärksten sind die ältesten Gesteine verändert. Der Contaktmetamorphismus, welcher von zufälligen, aber sichtbaren Ursachen herrührt und meist nur auf kleine Entfernungen wirkt, bezieht sich zu- nächst auf den Fall, wo das eine Gestein eruptiv ist und nicht in un- merklicher Weise in das durchbrochene Gestein übergeht, umfalst aber !) Über die Roches d’imbibition s. Fournet in G£ol. lyonnaise. 375. 1561. ?) Journ. geol. Soc. of Dublin IX. 335. 1862. Phys. Kl. 1871. 20 154 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus sowohl die Metamorphosen, welche im Augenblick des Ausbruches ent- stehen, als die, welche später eimtreten können, und zwar sowohl die Veränderungen in der physikalischen als in der chemischen Beschaffen- heit. Ähnlich werden nach Delesse die Wirkungen zweier eruptiven oder zweier sedimentären Gesteine auf einander sein. Seine reichen Beob- achtungen unterstützt Delesse durch zahlreiche Analysen. Mit Recht legt im Gegensatz zu dieser Ansicht Naumann Nach- druck auf die erst nach der Festwerdung ausgeübten Veränderungen. Nach Naumann (l.c. ed II. 1. 718) ist der normale Metamorphis- mus eine so allgemeine Erscheinung, dafs er oft garnicht beachtet wird. Er ist die durch eine ganz allgemein wirkende Ursache hervorgebrachte Umbildung eines Gesteins, welche dasselbe in seiner ganzen Ausdehnung betroffen bat und einer gesetzmäfsigen und nothwendigen Phase in der allmählichen Entwickelung des Gesteins entspricht. Sand und lose Ge- rölle, welche durch Cement zu Sandstein und Conglomerat umgebildet sind; Kalkschlamm, welchen eine durchgreifende innere Umkrystallisirung zu dichtem Kalkstein macht; stark comprimirte Pflanzenmassen, welche durch einen still und langsam vor sich gehenden Procefs zu Kohle oder Anthraeit werden; alle diese Massen und viele andere sind Belege für die Wirksamkeit des normalen Metamorphismus, der zu einer neuen, oft stärker als vorher krystallinischen Mineralbildung führt. Gegen den Ausdruck nothwendige Phase in der allmählichen Ent- wicklung eines Gesteins lassen sich nicht ungegründete Bedenken erheben. Wenn nothwendig nichts bezeichnen soll, als unsere Erkenntnils des cau- salen Zusammenhanges zwischen dem Verändernden und der von ihm ausgeübten Wirkung, so ist er gestattet. Aber nicht jeder Sand mufs durch ein eingeführtes Bindemittel Sandstein werden, er wird in dem Zu- stande des Sandes so lange verharren bis Bindemittel herbeigeführt ist, und wiederum wird jeder so entstandene Sandstein so lange ein festes Ge- stein bilden bis das Bindemittel wieder aus ihm fortgeschaftt ist. So wenig aber jeder Sand Sandstein werden muls, so wenig muls jeder Sandstein wieder Sand werden. Das Gesetzmälsige liegt nur in der Wiederholung derselben Wirkung bei Eintritt derselben Ursache. Ebenso erscheint die Einführung des Begriffes Entwickelung, der aus dem Einzelwesen der organischen Welt hergenommen ist, nicht unbedenklich. Während dort und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 15449) der Verlauf ein cyclisch vorgeschriebener, regelmäfsig und nothwendig bei jedem Individuum wiederkehrender ist, wird bei den Gesteinmassen, wenn man sie einmal als Individuen betrachten will, die Veränderung, die Erlangung neuer Eigenschaften je nach Umständen sehr verschiedenen Ablauf nehmen, dessen causalen Zusammenhang wir einsehen können, aber nicht die Nothwendigkeit des Zutretens der verändernden Ursachen. Man wird kaum von einer heutigen Torfmasse sagen dürfen, dafs sie einst sich zu Steinkohle entwickeln werde, da sich in dieser Umbildung weder eine Steigerung noch eine Abnahme der Eigenschaften erkennen läfst, sondern nur eine Veränderung. Als wichtigste Formen des abnormen oder lokalen, durch nach- weisliche Ursachen herbeigeführten Metamorphismus unterscheidet Nau- mann: 1) den durch Verbrennungsprocesse, 2) durch vulk. Gase und Dämpfe, 3) durch Contakt pyrogener Gesteine !), 4) durch Imprägna- tion mit Wasser und wässrigen Lösungen herbeigeführten; ferner unter- scheidet er die Verwitterung, d. h. die Einwirkung von Wasser, Sauer- stoff und Kohlensäure, dadurch von seinem Metamorphismus auf hydro- chemischem Wege (4), dafs mit der Verwitterung Verlust an Substanz, Consistenz und Form verbunden ist. Es erscheint Naumann (l. e. I, 692) zweckmälsig von den metamorphischen Gesteinen, bei welchen das ur- sprüngliche Gestein, die Übergänge und die metamorphosirende Ursache gekannt sind, diejenigen Gesteine als kryptogene abzutrennen, bei wel- chen diese Kenntnils fehlt, demnach Gesteine von zweifelhafter Entstehung (l.e. 1. 708) als kryptogen zu bezeichnen. Dahin rechnet er gewisse (mneilse, die Mehrzahl der Glimmerschiefer, den krystallinischen Thon- schiefer, die Hornblende-, Chlorit- und Talkschiefer, die mit Glimmer, Feldspath oder Hornblende gemengten Quarzite und die Kalke der kry- stallinischen Schiefer. Ich habe schon früher versucht die einfache Verwitterung, d.h. die Einwirkung von Wasser, Sauerstoff und Kohlensäure, von der com- plieirten Verwitterung zu trennen, welche durch Einwirkung der mittelst der Verwitterung gebildeten Lösungen bedingt wird, dabei das Verhalten des Gelöseten und des Restes unterschieden und auf den wesentlichen 1) Metamorphisme par incandescence Boubee 1344. 20* 156 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus Unterschied in dem Verhalten der thonerdehaltigen und thonerdefreien Mineralien hingewiesen. Ein Unterschied, der um so bedeutsamer wird, als der Rest der thonerdefreien Mineralien wesentlich alkalıfrei ist; für den Anbau von Erheblichkeit. Unter Zersetzung suchte ich die Verän- derungen zusammenzufassen, welche stärkere, dem Erdinnern entstammte Agentien, oft durch Wasserdampf und höhere Temperatur unterstützt, bewirken. Dahin gehören Bunsen’s pneumatolytische und zeolithische Metamorphosen (Pogg. Ann. 83. 1851). Nachdem Daubree (Bull. geol. (2) 16. 562. 1859 und 18. 109. 1861) gezeigt hatte, dafs Zeolithe sich schon bei einer Temperatur von 60—70° (Plombieres), selbst von 46° (Luxeuil) bilden, berechtigt ihr sonstiges Vorkommen zu dem Schlufs, dafs sie schon bei gewöhnlicher Temperatur entstehen können. Die durch Zersetzung entstandenen Lösungen üben ähnliche Wirkungen aus wie die durch Verwitterung und complieirte Verwitterung gebildeten. Alle diese Vorgänge sind chemische Procefse, deren Verlauf in den meisten Fällen klar vorliegt und z. Th. durch das Experiment nachgeahmt und wiederholt ist. Auf die Verwitterung, Zersetzung und auf Naumann’s normalen Metamorphismus, soweit er von bekannten Ursachen auf bekannte Ge- steine ausgeübt wird, ist hier gar keine, auf den abnormen Metamorphis- mus nur so fern es seine Erkenntnifs überhaupt und die Weite seiner Wirkungssphäre betrifft, Rücksicht genommen worden. Es handelt sich vor allen um die kryptogenen Gesteine Naumann’s. Der Darlegung mag eine historische Übersicht der Lehre vom Metamorphismus vorausgehn, obwohl Skizzen derselben schon von Oo- quand, Studer, Naumann, Daubree, Zirkel vorliegen, wenn auch nicht bis in die neueste Zeit fortgesetzt. Die chronologische Anordnung ist soviel als möglich beibehalten und Vollständigkeit angestrebt, wenn auch vielleicht nicht überall erreicht. Die Lehre vom Metamorphismus konnte erst sich bilden, seitdem man über die Entstehungsweise der Gesteine nach positiven Beobachtun- gen und daraus über die Entstehung der Erde begründete Ansichten auf- zustellen vermochte. Die Mineralogie, die an deren Fortschritt gebundene Petrographie, die geologische Beobachtung mufsten einen gewilsen Höhe- punkt erreicht haben, die Hülfe der Chemie mufste der Mineralogie se- und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 157 worden sein, bevor man an die Stelle der rein hypothetischen Behaup- tung den Induktionschlufs setzen konnte. Erst nach Werner, Füchsel, Saussure, Pallas, Scheele, Lavoisier u.s. w. war diese Möglichkeit gegeben. Mit der Erkenntnifs der normalen Lagerungsfolge begann der Versuch einer chronologischen Geschichte der Erde, mit der Erkenntnifs des Stoffichen die Frage nach dem Wie, nach der Entstehungs-, und Bildungsgeschichte. Die Induktion aus dem, was man geschehen sah, ward begreiflicher Weise, neben dem Experiment, so weit es ausführbar war, die Brücke zum Begreifen des Vergangenen. Liefs sich diese aus dem heutigen Geschehen nicht finden, selbst nicht mit Zuhülfenahme der durch die Induktion sicher festgestellten, älteren Zeiten angehörigen Vorgänge, reichte die Induktion nicht zu, so mufste die Hypothese aushelfen. Je weiter zurück in der Zeit die zu erklärenden Vorgänge liegen, je mehr die Gebilde abweichen von dem heute Entstehenden, je schwieriger und verwickelter wird die Induktion, und je vorsichtiger wird sie zu Werke gehen müssen, aber das erscheint nicht als hinreichender Grund um alle Discussion über die Anfänge der Erde abzuschneiden. Die Fortschritte der Naturwissenschaft gestatten der geogenetischen Lehre eine gröfsere Wahrscheinlichkeit zu geben als jemals vorher. Früher ein Theil des religiösen Mythos, dann ein Stück der Philosophie, später der Knecht- schaft der mittelalterlichen Theologie verfallen, aus welcher sie dann die neuere Philosophie befreite, ist, sie jetzt induktiver naturwissenschaftlicher Behandlung zugängig. Es ist ein eigenes Geschick, dafs die erste auf positive geologische Beobachtung gestützte Theorie der Erde, die von J. Hutton, ihn nur bis zu einer gewissen Stelle führen konnte; bis dahin, wo der leitende deduktive, teleologische Gesichtspunkt das Weiter verbot, so dals er zur Lehre vom Metamorphismus gedrängt wurde. Später spiegelt sich ın dieser die weitere geschichtliche Entwicklung der Geologie ab, in so fern jeder neue, in die Wissenschaft eingeführte Gedanke, der anscheinend eine Reihe bis dahin unerklärlicher Thatsachen erläutern konnte, in die Lehre vom Metamorphismus aufgenommen wird, — oder der rein be- schreibende Beobachter verzichtet auf eine genetische Theorie überhaupt. Neben der Annahme einer metamorphischen Entstehungsweise der kry- stallinischen Schiefer hat sich schon früh die Ansicht geltend gemacht. \ 158 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus die krystallinischen Schiefer seien die ursprüngliche Erstarrungsrinde der Erde, eine Ansicht, deren Gründe und Wahrscheinlichkeit später darzu- legen sind. Es lohnt sich wohl, das System etwas genauer anzusehen, welches von allen Seiten als Ausgangspunkt der Lehre vom Metamorphismus be- zeichnet wird. Schon defshalb, weil darin die Anfänge zu Lehren liegen, deren weitere Ausbildung z. Th. noch heute die geologischen Ideen be- herrscht. Wird eine gerechte Würdigung rückliegender Anschauungen schon aus dem Grunde schwierig, weil es nur mühsam gelingt sich die wissenschaftliche Atmosphäre jener Zeiten klar vorzustellen, so gilt dies für James Hutton doppelt. Playfair bemerkt in der Vorrede zu seinen Ilhıstrations of the Huttonian theory (1802, französische Übersetzung von Basset 1815), „die Dunkelheit der Schriften Hutton’s ist der Grund der geringen Aufmerksamkeit, welche man diesen scharfsinnigen und eigen- thümlichen Speeulationen zugewendet hat.“ In der That sind neben dem Original (Theory of the earth, zuerst 1785 in der Royal Society of Edin- burgh gelesen, in deren Transactions I. 209—304. 1788 erschienen, später erweitert in zwei Bänden 1795 herausgegeben) die Illustrationen Play- fair’s für das Verständnifs sehr nützlich. Viel bekannter und verbrei- teter als das Original, werden sie viel öfter benutzt als dieses.» Aber sie geben mehr als das Original, sie sind durch neuere Erfahrungen in man- chen Punkten ergänzt und verwischen daher in Etwas den Standpunkt Hutton’s. Von den vier auf dem Titel der Theory angegebenen Theilen enthalten die beiden Bände nur zwei, der Rest liegt als Manuscript in Edinburg. Die Worte am Ende des zweiten Bandes: „Es soll jetzt zu- nächst der mineralogische Theil der Theorie untersucht und es sollen die Einwürfe widerlegt werden, welche sich aus besonderen Erscheinungen ergeben“ erlauben einen Schluls wenigstens auf einen Theil des Inhaltes. Hutton geht von folgender Betrachtung aus: die Erde ist eine weise eingerichtete Maschine von eigenthümlichem Bau, welcher sie zu einem bestimmten Zweck geeignet macht, zu dem Zweck nämlich bewohn- bar zu sein für den Menschen und für Organismen überhaupt. „Die Erde ist sichtlich für den Menschen gemacht.*!) Daher muls 1) Theory of the earth I. 17. The globe of this earth is evidently made for man. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 159 das Gestein zerfallen (decay) zu einem für Organismen brauchbaren Bo- den, daher wird der gesammte Detritus in’s Meer geschafft, dort umge- wandelt und wieder auf die Oberfläche gebracht, um den Kreislauf von neuem zu beginnen. Die Zerstörung der jetzigen Continente bereitet die künftigen vor. Die Umwandlung des Detritus geschieht durch die hohe Temperatur des Innern, durch das unterirdische Feuer !), mag dessen (Quelle sein, welche sie wolle.“ Das unterirdische Feuer spielt in dem Haushalt der Erde eine so wesentliche Rolle, und doch ist es bis jetzt nicht in die Theorien der Erde aufgenommen. Es war vor und seit der Bildung der heutigen Erde vorhanden, besteht noch jetzt, sogar im Über- tluls für die Constitution der Erde, aber sehr weise ist gegen alle aus diesem Überschufs folgende, das System störende Wirkungen ein ge- eignetes Heilmittel eingeführt.?) Das unterirdische Feuer ist ein neuer Grundsatz, der als wesentlich in die Theorie der Erde eingeführt werden muls. ?)* Überall wird das Land, das harte und feste Gestein allmählich, wenn auch mit der äufsersten Oekonomie*#), vom Wasser und den At- mosphärilien mechanisch und chemisch zerstört; das so entstandene lose Material (Steine, Kies, Sand, Erden, Thone°) wird schliefslich in die Tiefen des Meeres geführt, ebenso der für die Organimen allein brauch- bare, aus der Zerstörung des Festen entstandene Boden (soll). Durch die fortschreitende Zerstörung des Festen würde der Zweck der Erde, be- wohnbar zu sein für Menschen und Organismen, verfehlt 6) werden, wenn ib. I. 4. Our sense of wisdom in its formation must depend of its fitness for this purpose (to be a habitable world) ef. I. 6. 223. II. 184. 546. ') 1.239: Internal heat, subterraneous fire or a certain cause of fusion, by what- ever name it shall be called, and by whatever means it shall have been procured. SE NZAAN CH. 12: 3) I. 280 und 12. *) 11. 153. 197. The land is naturally wasted, though with the utmost oeconomy. ch 12.197. ») 1. 95. ef. I. 15. The destruction of our land is inevitable ef. II. 97., I. 373. gradual decay of solid land. II. 557. necessary prineiple of dissolution and decay und sonst an vielen Stellen. %) Daher keine grofse Flut, bei welcher ohne ein Wunder das ganze System leben- der Wesen zu Grunde gegangen wäre I. 273 und II. 184. 160 Rorm über die Lehre vom Metamorplismus es nicht einen Compensationsprocels!) gäbe, welcher die Abnutzung der Maschine ausgleicht. Wir sehen aus den eingeschlossnen marinen Resten, dafs 7; oder 7,5 der uns bekannten festen Erdschichten auf dem Meeres- boden gebildet sind?), und zwar aus den losen, dorthin geführten Mate- rialien. Dort werden sie, weit ab von dem Bereich unserer Beobachtun- gen?) umgeändert (changed), sie werden fest, zu Gesteinen (consohdated), ihre Zwischenräume werden ausgefüllt, die poröse Struktur wird durch Schmelzung beseitigt, Bindemittel und fremde Substanzen werden einge- führt im geschmolzenen Zustand oder aus condensirten flüchtigen Sub- stanzen *), die Schichten werden mehr oder weniger erweicht oder ge- schmolzen und gelangen endlich durch die Ausdehnung (expansion), wel- che die unterirdische Hitze auf sie ausübt, auf die Oberfläche. Im Meeresgrunde unter Beihülfe eines ungeheuren Druckes?) wird durch das unterirdische Feuer und nur durch dieses das ursprünglich lose Material in harte und feste Schichten umgeändert. Alle Mineralien sind wirklich geschmolzen, alle lassen die Einwirkung der hohen Temperatur und des hohen Druckes erkennen: die Salzlager, die Kalke mit ihren „Verzahnun- gen“ (indentation) ®), die Feuersteine?), die Kohlen ®), die Bergkrystalle mit Wassertropfen®). Zwar ist es schwer von diesen Operationen eine deutliche Vorstellung zu gewinnen, weil wir sie auch nicht annähernd 2) I. 221. cf. I. 550. 2) I. 26. cf. I. 216 u. fgl. >) 11. 97. The strata are consolidated in the mineral regions far beyond the reach of human observation. ef. I. 389 Changed by operations proper to the mineral regions. #4) 1. 49. Foreign matter may be introduced into the open structure of strata in form of steam or exhalation, as well in the fluid state of fusion. 5) 1.140. Without attending to this great prineiple (such compression as shall prevent the decomposition of the constituent substances, by the separation of the more volatile from the more fixed parts) in the mineralizing operations of subterraneous fire it is impossible to conceive the fusion and concretion of those various bodies, which we examine when brought up to the surface of the earth. ef. I. 94. 6) 1.76, 101, 133. Brought into fusion by subterraneous heat without suflering cal- eination. ef. I. 159. 7) I. 58. s) I. 612. The production of coal from vegetable bodies — is made by heat and by no other means, as far we know. 2) :1993: und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 161 nachahmen können, aber man muls doch aus den Wirkungen, der Schmel- zung der Mineralien, der Bildung von Spalten und Gängen !), auf ein unterirdisches Feuer schliefsen. Es hebt, zerbricht, faltet, dislocirt durch die von ihm bewirkte Ausdehnung (expansıon) die nothwendiger Weise ursprünglich horizontalen oder doch fast horizontalen ?), auf dem Meeres- boden gebildeten Schichten und bringt sie endlich, je nach dem verschie- denen Material und dem Grade der Einwirkung des unterirdischen Feuers zu verschiedenen Gestenen umgewandelt, auf die Oberfläche. Zu diesem Zweck ist das unterirdische Feuer vorhanden, im Überflufs damit ein Zukurzkommen vermieden werde, aber es sind auch Mittel ausgedacht, den Überschufs abzuleiten®). Das sind unsere Vulkane. Sie dienen, ohne Selbstzweck zu sein, dazu, die unnöthige Hebung des Landes und die gefährlichen Wirkungen der Erdbeben zu hindern. (Greschmolzene Massen, den Laven der Vulkane analog, haben sich als unterirdische Laven #), als nicht ausgebrochene Laven ?) in die noch untermeerischen Ablagerungen ergossen und sich, bald der Schichtung parallel, bald als mehr oder weniger vertikale Gänge (dykes), in die Schich- ten eingedrängt, sie hebend und die Lagerung störend, und zwar ent- weder während die Schichten noch auf dem Meeresboden lagen oder wäh- rend der Vorgänge, welche die Hebung des Landes über den Meeres- spiegel bewirkten.®) Bei der späteren Hebung des Landes finden wir !) Die Erzgänge entstehen durch Dämpfe, welche sich gelegentlich in den Spalten des Gebirges verdichten (I. 162). Sie üben dabei eine ungeheure Kraft aus und bewirken Dislokationen und Zerbrechungen (Il. 132 und 135). Oder die Erzgänge entstehen durch Einpressen flüssiger Massen von unten her (1. 394); cf. II. 543. 2), 1. 127. 11. 544. >) 1.146. A vuleano should be considered as a spiracle to the subterranean furnace, in order to prevent the unnecessary elevation of land and fatal effects of earthquakes; and we may rest assured, that they, in general, wisely answer the end of their intention, without being in themselves an end. *) 1. 154. These subterraneous lavas. cf. II. 416 über die Formen derselben nach Abwitterung der Umgebung. >») 1. 160. Unerupted species of lava. °) U. 508. Unerupted lavas, which had been made to How among the strata of the earth, when either at the bottom of the sea, or during those operations, by which this land was erected above the level of the Ocean; cf. II. 520: Granite raising up the strata and bringing them to the light. Ferner „Monts granit* — invade in a fluid state the Phys. Kl. 1871. 21 162 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus - diese in das schon festgewordene und erhärtete Gestein eingedrungenen Massen entweder in die nicht gestörten Schichten einfach eingeschaltet oder als Gänge, welche die Schichten gestört und gebrochen haben. Zu den unterirdischen Laven!) gehören die Trappe, der Whinstone, der Basalt, die Porphyre, die Granite, welche alle in einander Übergänge bilden ?). Als Beweis für die hohe Temperatur der unterirdischen Laven dienen die in der Nähe des Whinstones verkoakten Kohlenlager 3) und die zu Ooak oder Cinder veränderten Steinkohlen, welche als Ein- schlüsse in Whinstone vorkommen #). Andere Einschlüsse in den unter- irdischen Laven sind vielfach geändert, gehärtet und geschmolzen. °) Demnach hat Alles denselben Ursprung, Alles, was wir jetzt von festen Theilen der Erde sehen, ist früher auf dem Meeresboden gewesen, Nichts ist in seinem ursprünglichen Zustand 6), Alles hat Änderungen er- litten, Alles ist in einem fortdauernden Kreislauf (salutary eireu- lation). Aber es ist auch Stabilität in den Gang der Maschine gebracht: für die gegenwärtige Ordnung der Dinge (present order of things) ist weder ein Anfang abzusehen noch ein Ende’). Die Maschine ist vollkommen, ihres Schöpfers würdig. Sie bewahrt sich selbst gegen strata from below, when they were under water; and which masses had served to raise the country above the level of the Ocean; ef. 1. 152: The strata appear to have been broken and the two correspondent parts of those strata are separated to admit the flo- wing mass of whinstone; cl. 1. 155: The strata are not broken, the whinstone is inter- jected in form of strata, having various degrees of regularity and being of different thickness. !) Da sie unter grolsem Druck erstarrt sind, so können sie (und ihre Mandelsteine) Zeolithe und Kalkspath enthalten, welche in den Larven der Vulkane nicht vorkommen 1.156. Die bei dem Aufhören des Druckes aus dem Kalk entweichende Kohlensäure bewirkt das Aufkochen (ebullition) in den Vulkanen und die Bildung der Bimsteine und Aschen. Der Kalk bedingt die Verglasung. I. 157. ?) 1. 317. They graduate into each other and may be considered as the same. >») 1. 604. burning without smoke. Wohl der erste Nachweis des Contakt- metamorphismus durch hohe Temperatur des Durchbrechenden. *) 1. 611. In the harbour of Ayr a whinstone dyke traverses the coal strata and includes some of that substance in the state of coaks or einder. 5) 1. 158. And this had been performed by heat or fusion. °%) 1. 254. There is nothing to be found in an original state, so far as we see, in the construction of this earth; ef. I. 3753. 11. 157. 560. °) 1. 200. We find no vestige of a beginning, no prospect of an end; cf. II. 469. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 163 jeden Unfall, welcher ihren Zweck vereiteln könnte !), sie arbeitet stätig und gleichmälsig mittelst des Systems von Zerfall und Erneuerung?) (system of decay and renovation), sie hat immer die Kraft der Jugend und die Vollkommenheit des reifsten Alters®). So ist also die Theorie der Erde auf die gröfsten Katastrophen gegründet, welche die Erde treffen können, nämlich Hebung vom Meeresboden aus bis zu den höch- sten Theilen der Continente, und Wiedereinsenken, Begrabenwerden unter das Wasser, aus welchem die Erde aufgestiegen ist. #) Über den Zustand der Dinge, bevor die jetzige Erde auf dem Meeresboden gebildet wurde und sich dann aus dem Meere erhob, spricht Hutton sich folgender Maafsen aus. „Ich erkühne mich nicht, den Anfang der Dinge zu beschreiben, ich nehme sie, wie ich sie jetzt finde?). Von dem Zustande ausgehend, in welchem die festen Theile der Erde jetzt gefunden werden, habe ich Zustände, in denen sie vorher gewesen sein müssen, zu verfolgen gesucht®). Die Beschaffenheit des jetzigen Landes lehrt, dafs es aus der Zertrümmerung eines ähnlichen hervorging; das Thierleben in der alten See war nicht verschieden vom jetzigen 7); die Steinkohle zeigt, dals eine Pflanzenwelt vorhanden war.®) Es mag unendliche Zeit gedauert haben, ehe unsere jetzigen Continente entstan- den, eine ebenso unendliche Zeit, bis die früheren Oontinente fähig wurden !) 1. 275. That wise construction, by which this earth is made to answer the pur- pose of its intention and to preserve itself from every aceident by which the design of this living world might be frustrated. 2) 11.563. 3) I. 539: +) 11. 445. cf. I. 198. We suppose a due proportion to be always preserved of land and water upon the surface of the globe, for the purpose of a habitable world, such as this which we possess. We thus, also, allow time and opportunity for the translation of animals and plants to occupy the earth. °) I do not pretend to deseribe the beginning of things; I take things such as I find them at present. I. 173. %) It is from this actual state in which the solid parts of the earth are found, that I endeavoured to trace back the different states in which they must have been. I. 234. ‘) Humphry Davy’s Kritik der Ansichten Hutton’s über die Bildung der Sekundär- ablagerungen in Consolation of travel. 8) 1]. 175 und 195. 21 164 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus Organismen zu beherbergen. Es folgt auch, dafs die von uns bewohnte Welt zusammengesetzt ist aus Materialien nicht der Erde, welche der jetzigen unmittelbar vorherging, sondern der Erde, welche wir von der jetzigen ausgehend, als die dritte betrachten !). Sie ging nämlich dem Lande voraus, welches sich, während unser jetziges Land noch im Ocean lag, schon über dem Meere befand. So folgt eine Reihe von Welten auf- einander, und es ist vergeblich weiter rückwärts zu blicken über den Ur- sprung der Erde, rückwärts hinaus jenseit des nothwendigen Fortganges der gegenwärtigen Ordnung?). So kommen wir zu einer Periode, hinter welcher wir keine andere entdecken können. Das ist die Grenze unserer rückblickenden Anschauungen ?). Eine Theorie der Erde, welche Wahr- heit anstrebt, kann nicht weiter zurückgehen #). Und wenn wir voraus- blicken, wie können wir das Ende des weisen Systems absehen, welches so vollständig die Zwecke seines Schöpfers erfüllt“? >) Über die sogenannten primitiven Gesteine äufsert sich Hutton in folgender Weise. „Man hat Granit, Gneils, Glimmerschiefer als primitiv ausgegeben, als Gesteine, welche einen anderen Ursprung haben als die übrigen. So weit sie geschichtet sind, liegt in der Schichtung (stratifi- cation) ein Beweis für den Absatz aus Wasser®). Wofern Granit massig ist 7) und ungeschichtet ähnlich wie Whinstone, Trapp, Basalt, ist er wie diese „im Innern der Erde geflossen und durch Änderung des Platzes sichtbar geworden“). Granitgänge sind von der nahen Hauptmasse in die geschichteten Schiefer als unterirdische Lava eingedrungen ®). Die wellenförmige (waved) Struktur der alpinen Schiefer zeigt, dafs diese Ge- steine, obwohl sie nicht in Fluls waren, doch solchen Grad von Weiche DEal199: \ 2) 1. 277. Necessary progress of actual things. ef. II. 257. °») I. 223 und 224. #) 1. 251. This present order alone is what we have to reason upon. 5) II. 564. „limitation of our retrospect as well as prospect.“ cf. I. 224. 6) I. 316. ?) 1. 316. Granite in mass or irregular in its construction. s) 1. 317. Having flowed in the bowels of the earth and thus been produced by the change of place. ») I. 318. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 165 erreichten, dafs die ursprünglich graden Schichtungslinien in die welligen, bisweilen sehr stark gekrümmten Linien umgeändert werden konnten !). Primitive Gesteine giebt es überhaupt nicht; alle Gesteine, die Granite, die verschiedenen Schiefer u. s. w. entstanden in der angegebenen Weise ?). Auch nachdem Hutton in Glen Tilt Granitgänge beobachtet hatte (1785), hielt er an dieser Ansicht fest (Trans. R. Soc. Edinb. Ill. 1794). Als Gründe für die Existenz des primitiven Gebirges werden an- gegeben: 1) der Mangel an Versteinerungen in den Kalken des primitiven Gebirges, 2) der Mangel an Schichtung, 3) die Vertikalstellung der ge- schichteten Massen ?). Enthalten die sogenannten primitiven Gesteine wirklich keine marinen Reste, so beweiset das nicht, dafs sie nicht im Meer gebildet sein können. Denn die Spuren der Organismen können durch manche nachfolgende Operationen der Mineralregion verwischt sein, und dafs solche Operationen, vielleicht mehr als ein Mal in demselben Gestein, vorgegangen sind, geht aus dem jetzigen Verhalten dieser Massen zweifellos hervor *#) Aufserdem wechsellagern (we find alternated) Sand- steine mit organischen Resten oft mit solchen, welche keine organischen Reste enthalten °). Besteht auch für die Reihenfolge der Dinge und für die Cireulation der Materie auf der Erdoberfläche eine bestimmte Ord- nung, so können doch auch heftigere Zerstörungen unsere Continente treffen, welche wie auf Pfeilern ruhen. Die unteren Massen können öftere und stärkere Veränderungen erfahren haben; ihre Struktur, ihre Lage, ihre Härte kann in höherem Grade verändert sein als gewöhnlich 6). Die stärker veränderten Schichten sind gewöhnlich stark geneigt, sie stehen oft vertikal. Hutton unterscheidet diese Bildungen als alpine strata, schistus mountains, elevated country, primary mountams?) von dem low oder flat country, den secondary strata. Als Drittes kommt hinzu, was in beliebiger 1) 10318. ?) I. 319. Nature has formed the granite upon the same principle with that of any other consolidated stratum. ef. I. 323 und 449. 3) 1.320. #) 1.325. 5) I. 364. 6) I. 371—376. 389. 7) 1.423. 427—438. 11. 47. 166 Rorn über die Lehre vom Metamorphnsmus Form oder Qualität später die Bildungen durchsetzt, sei es als Basalt, Porphyr, Granit oder nur als ein Metall, eine kieselige Substanz, ein Spath!). Manche Stücke des festen Erdkörpers können im Vergleich mit anderen weniger veränderten als früher gebildet betrachtet werden, als primär im Gegensatz zu den secundären ?); aber alle sind auf dieselbe Weise gebildet. Die Grenzfläche der gehobenen Schichten wurde vom Meer abgewaschen, denn die Hebung geschah ja unter dem Meeresspiegel, und nun konnten sich horizontale Schichten später auf die gehobenen auflegen. Oder die gehobenen Schichten konnten nach ihrer Hebung über den Meeresspiegel der Verwitterung unterliegen und wieder unter- sinken, wo dann die Auflagerung neuer horizontaler Schichten erfolgte ?). So liegen daher horizontale Schichten auf den gehobenen und oft Con- glomerate und Puddingsteme an der Grenze der gehobenen und gefalteten alpinen Schiefer und der horizontalen low country strata. Aber weder der Mangel an Schichtung, eine Wirkung des stärkeren Schmelz- processes, noch die Vertikalstellung der geschichteten Massen, ein Resul- tät der stärkeren Hebung, berechtigen für das sogenannte Urgebirge einen anderen Ursprung anzunehmen als für das übrige Gebirge. „Alles was wir an festen Theilen auf der Erde sehen, mit Ausnahme der lockeren, durch das Wasser jetzt entstehenden Absätze, ist auf dem Meeresboden gebildet, dort verändert und dann an das Tageslicht gehoben. Die der Zeit nach ältesten Bildungen mag man primär nennen, die folgenden se- eundär #), aber primitive Gebirgsarten giebt es nicht.“ 1) 1. 597. Thirdly, that which has been of posterior formation to the strata which it traverses, in whatever shape or quality; whether as a mountain or only as a vein; whether as a basaltes, a porphory or a granite, or only as a metal, a siliceous substance, or a spar. ? 2) 1.323. 371. >) 1.435. 449. 453. 470. !) Über die von Pallas (Observations sur la formation des montagnes 1777) als ter- tiär bezeichneten Ablagerungen (what, according to the present fashion of mineral phy- losophy, he has termed „montagnes primitives, secondaires et tertiaires* I. 360), spricht sich Hutton dahin aus, dafs die darin enthaltenen marinen Reste aus festen und ähnlich wie alle übrigen gebildeten Gesteinen ausgewittert sind und mit den Knochen und Skeleten der Landthiere zusammen vom Flufswasser gemischt wurden. Die tertiären Schichten von Pallas sind also Süfswasserabsätze und bilden keine Ausnahme von dem Gesetz. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 167 Die auffallenäste Erscheinung bei Hutton ist die starre Conse- quenz in der Durchführung der von ihm angenommenen Grundsätze. Sie bringt ihn zu einer bisweilen durchaus scholastischen Behandlung des Gegenstandes. Fern davon, dafs seine Theorie dem theologisch - ortho- doxen Interesse dienen sollte — er mulste sich (I. 222) gegen den Vor- wurf des Atheismus verwahren — ist der teleologische Gesichtspunkt!) der entscheidende und seine Methode wesentlich deduktiv ?). Hutton denkt von dem Experiment als Beweis für seine Theorie sehr gering. Er tadelt?) „die Männer, welche über die grofsen Operationen im Mineralreich ur- theilen, nachdem sie ein Feuer angezündet und auf den Boden eines kleinen Tiegels gesehen haben.“ Er glaubte nicht, dafs eine Schmelzung des kohlensauren Kalkes unter Druck, wie seine Theorie sie verlangt und wie er sie voraussetzt, herstellbar sei; er verwarf den Vorschlag Sir James Hall’s diesen Versuch anzustellen, der bei seinem nothwendigen Mifslingen die hinreichend festgestellten Sätze in Mifskredit bringen könne ®); der Beweis durch das Experiment schien ihm unnöthig. Dennoch ent- hält Hutton’s Theorie, verglichen mit den früher vorhandenen °), einen wesentlichen Fortschritt. Die Zeitgenossen nannten das neue System, im Gegensatz zu dem bis dahin fast allgemein geltenden neptunischen, das plutonische®). Die Einführung des unterirdischen Feuers und des Druckes in die Geologie, ohne die Mitwirkung des Wassers auszuschliefsen, ist Hutton’s Werk und sein grofses unbestrittenes Verdienst, wenn er auch dem Entstehen auf nassem Wege ein zu kleines Gebiet anwies. . Die fast ängstliche Scheu den Anfängen der Erde nachzugehen, 1) 1.161. Gold und Silber findet sich nicht überall, da sie für ein bewohnbares Land nicht nöthig sind, aber Eisen kommt überall vor und oft in der Verschwendung, welche seinem Nutzen entspricht. ef. I. 11. „der Zweck von Elektrieität und Magnetismus in der Oekonomie der Erde ist noch nicht entdeckt.“ ?) Die Theorie über den Granit war lange vorher fertig, ehe er die „Instantia erueis“ am Glen Tilt sah. Playfair Works IV. 73. 3) I. 291. ce 11.367. 4) Sir James Hall. Transact. R. Soc. Edinb. VI. 74. 75. cf. Playfair IV. 62. „In his view of the matter no other proof (als die Theorie) seemed necessary.“ 5) Hutton’s Kritik derselben s. I. 271. Seine Widerlegung der Werner’schen Ansichten ist in England als „final extinetion of that german romance“ bezeichnet worden. 6) Nach Playfair Works I. 145. rührt der Name von Kirwan her. 168 Korn über die Lehre vom Metamorphismus die gänzliche Negation der morphologischen Weltanschaung fällt um so mehr auf, als Kant schon 1755 „die Naturgeschichte und Theorie des Himmels“ veröffentlicht hatte und nach Playfair (Works IV. 61) die Theorie Hutton’s erst nach 1760, sicher vor 1783 datirt. Wahrschein- lich kannte (l. c. 88) Hutton!) die Monadenlehre von Leibnitz; ohne- hin konnten ihm nach seiner Investigation?) of the principles of know- legde and of the progress of reason from sense to science and philosophy (3 Bde. 1794) derartige Ideen nicht fern liegen. Hutton’s Theorie ist die letzte der zahlreichen, vor dem Auf- schwung der Naturwissenschaften entstandenen, geogenetischen Ansichten, aus welcher noch heute Anschauungen erhalten geblieben sind. Play- fair wendet die Bezeichnung osservatore oculatıssimo auf Hutton an, dessen geologische Untersuchungen in Schottland, England, Frankreich und in den Niederlanden den ausgezeichneten Beobachter beurkunden. ®) Er gebraucht das Wort metamorphosirt erst, nachdem er es (1. 501. 504) aus de Carosi (Sur la generation du sılex. 1783) als „de- gres de metamorphoses de la marne en stlex* citirt hat, aber ıhm scheint (1. 526) diese „chymical transmutation* höchst unverständlich, und das Wort kehrt defshalb später nicht wieder. Wenn Patrin (J. de physique 1791) von einer inneren Arbeit (travarl interne) redet, welche durch das in's Innere der Gesteine dringende und gewifs nicht reine Wasser be- wirkt wird, so nennt Hutton (l. 555) diese Voraussetzung eine phan- tastische ®). In die geltende Terminologie übertragen, sind also nach Hutton alle festen Gesteine ursprünglich Sedimente, welche durch hohe Temperatur unter hohem Druck und zwar auf dem Meeresboden ver- ändert wurden, sie sind also sämmtlich marin. Die Schmelzung kann dabei soweit gehen, dafs die untersten Schichten feurig flüssig in die dar- über liegenden, schon fest gewordenen eingetrieben werden, so dals sie 1) Playfair IV. 88. He paid little regard to authority in matters of theory. ?2) Playfair IV. 92. gibt eine kurze Übersicht des Inhaltes. 53) Hutton war der erste, der auf die Eindrücke der Krystalle bei plutonischen Gebirgsarten (zuerst bei Schriftgranit) hinwies und daraus auf Schmelzung schlols. 4) ef. 1. 529. „a mineral metamorphosis, which certainly is not found in any other part of the world.“ und die Entstehung der krystallimischen Schiefer. 169 als submarine Eruptivgesteine das Überliegende durchbrechen und durch ihre Temperatur verändernd einwirken können. Bei geringerem Grade der Erweichung und dem grofsen Druck wird die Schichtung in dem frü- heren Sediment erhalten bleiben; so in den krystallinischen Schiefern, Die krystallinische Bildung überhaupt kann nach Hutton nur durch Schmelzung bewirkt werden, nirgend durch Krystallisation aus wässriger Lösung. Es ist kein geringes Verdienst Hutton’s, dals er so grofsen Nach- druck auf die Wirkungen der jetzt vorhandenen Ursachen legt, wenn er auch einen Theil derselben verkennt, namentlich den bei der Bildung fester Sedimente, der Mineralien der Mandelsteine u. s. w. in Betracht kommenden. Die Lehre, dafs nur die noch heute wirkenden Kräfte (actual causes) zur Erklärung der geologischen Erscheinungen zu verwenden sind, der Actualismus, führt ıhn, wie seine Nachfolger, zwingend zum Meta- morphismus. Er lehnt es vollständig ab über den Ursprung des Central- feuers eine Ansicht zu geben, er nimmt es einfach als gegeben, da er es für seine Theorie nothwendig braucht. Die cycelische Reihe der Kata- strophen steht in einem merkwürdigen Gegensatz zu seiner teleologischen Anschauung. Ist es nach diesen Ausführungen gerechtfertigt in dem Ultraplu- tonismus Hutton’s die Grundlage der jetzigen Lehre des Metamorphismus zu sehen? Geht sie von Hutton aus, so hat er der Wissenschaft damit ein Danaergeschenk gemacht. Die Anschauungen der Erklärer und Nachfolger Hutton’s spricht Playfair in seinem Leben Hutton’s (Transaet. R. Soc. of Edinburgh Vol. V. 1805; Works 1822. IV. 50) dahin aus: „Hutton wollte nicht den ersten Anfang der Dinge erklären, für ein solches Wagnils (attempt) war er zu gut geschult in den kegeln einer gesunden Philosophie. Er beschränkte daher seine Speculationen auf die Veränderungen, welche die irdischen Dinge seit Eintritt der gegenwärtigen Ordnung erfahren haben.“ In seinem Bericht über den Compte rendu par Institut de France (Edin- burgh Review 1809; Works IV. 370) drückt er sich folgender Maalsen aus: „Wenn die Geologie den Ursprung der Dinge behandeln will oder rück- wärts gehen bis zu einer Periode, wo die Zusammensetzung der Mineral- körper verschieden war von der jetzigen, so stimmen wir damit überein, Phys. Kl. 1871. 22 170 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus dafs das Ganze eine unphilosophische Illusion ist; denn die Grundsätze, welche auf unsere Erfahrung der gegenwärtigen Ordnung der Dinge ge- gründet sind, können nicht auf das angewendet werden, was vor Her- stellung dieser Ordnung bestand.* Nachdem der lange und erbitterte Streit über die Entstehung zu- nächst der jüngeren Eruptivgesteine, besonders der Basalte, ob plutonisch ob neptunisch, ausgekämpft, die normale Lagerungsfolge der Sedimente genauer festgestellt war, und namentlich durch Cuvier und Brongniart, die erste bedeutungsvolle Verbindung eines Zoologen und eines Geologen, die Palaeontologie zu ungeahnter Höhe sich entwickelt hatte, waren die An- sichten über die Entstehung der plutonischen und vulkanischen Eruptiv- gesteine und über die Entstehung der Sedimente ziemlich allgemein an- genommen. Nur die Reihe der ältesten Sedimente, das Übergangsgebirge, bot durch seine Verbindung mit den krystallinischen Schiefern noch immer ein schwer zu erklärendes Problem, welches durch den engen Verband des Gneisses mit Granit noch verwickelter wurde. Die Veränderungen, die im Laufe der Zeiten durch genügend bekannte Ursachen ein Sedi- ment erfährt, waren von vielen Seiten untersucht; die Beschäftigung mit den Vulkanen hatte auf die Wirkungen hoher Temperaturen und auf den Einflufs der Gase und Dämpfe geführt; zahlreiche Versuche über Schmelzung der Gesteine, darunter die von Sir James Hall unter An- wendung hohen Druckes, die von Gregory Watt, Gerhard u. s. w. waren ausgeführt; die Lehre vom Centralfeuer war von vielen Seiten be- stätigt, erweitert und angenommen. Schon 1806 hatte Heim (Geol. Beschreibung des Thüringer Wald- gebirges Il. Abth. 5. 121) die Umänderung der Kalke in Dolomite von „elastischen Dämpfen und Gasen“ abgeleitet; Leopold von Buch sprach 18221) ähnliche Ansichten aus, nach welchen Dolomite Kalksteine seien, welche „durch Zutreten von kohlensaurer Magnesia aus dem Innern her- 1) Nöggerath. Das Gebirge in Rheinland-Westphalen III. 281. L. von Buch war 1814 vor der Reise nach den Canaren in England. Bei der Sorgfalt, mit welcher er die Litteratur verfolgte, kann man seine Bekanntschaft mit Hut- ton’s Arbeiten kaum bezweifeln. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 171 vor zu der neuen Form umgewandelt wurden. Augitgesteine bewirken diese Veränderung.“ Hier zum ersten Mal treten das plutonische Prineip der Gebirgs- theorie, die Hebungstheorie, und die Theorie des Metamorphismus im Zusammenhang auf, der später namentlich durch Elie de Beaumont so sehr erweitert wurde. Schon früher waren neben hoher Temperatur Gase als Agens ein- geführt. Nach Breislak (Instit. geol. Parıs 1818. I. 581—385) ist die Schieferung kein Grund gegen die Annahme eines feurigen Flusses, da entschieden plutonische Gesteine Schieferung zeigen. Die krystallinischen Schiefer sind ihm daher plutonischen Ursprungs!). Da die Erstarrung unter Gasentwicklung vor sich ging (I. 361), wobei die Gasströme plötz- lich eine grolse Wärmemenge entzogen, so konnten während der Erstar- rung die Lösungen des Zusammenhanges (separations de continwite) je nach den verschiedenen Umständen der Erkaltung und den verschiedenen Impulsen der Gasströme verschiedene Richtungen, die vertikale, geneigte, oder die horizontale, annehmen. Hier werden also die Gase zur Erklärung der Schichtenstellung der krystallinischen Schiefer verwendet. Breislak nimmt auch an, dafs etwa kaustisch gewordener Urkalk (l. 418) — der Urkalk ist ihm nach der Lagerung plutonischen Ursprungs — wiederum Kohlensäure aufnahm aus den bei der Abkühlung entwickelten Gasströmen. Die Verbindung der krystallinischen Schiefer mit mineralogisch ähnlichen und ebenfalls schiefrigen Gesteinen hatte um diese Zeit zu zwei gegenüber stehenden Ansichten geführt. Nach der einen sollten alle diese Gebilde rein neptunischen Ursprungs sein, nach der anderen die krystalli- nischen Schiefer den plutonischen Ursprung des Granites theilen. Der Entwicklung der Gase und ihrer Einwirkung auf Bildung, Beschaffenheit und Umänderung der Gesteine war vielfach gedacht worden. Der nächste Schritt lag also nahe: die neptunische Entstehung der krystallinischen Schiefer mit Werner festzuhalten und den Gasen und Dämpfen, welche schon Hutton in seine Theorie eingeführt hatte (s. S. 161), eine hervor- ragende Stelle bei der Bildung der krystallinischen Schiefer zuzuschreiben. 1) Ebenso die Granite 1. c. I. 360. 370. 3 Rormn über die Lehre vom Metamorphismus Diesen Schritt that Boue. Er hatte seine seit 1817 in Schottland, dem Vaterlande Hutton’s, angestellten Beobachtungen in dem Essar geologique sur TEeosse 1820 niedergelegt und brachte die Anschauungen Hutton’s nach Frankreich und Deutschland mit. Es war begreiflich, dafs er von Hutton das Centralfeuer und den Druck aufnahm, ohne jedoch das ganze System Hutton’s anzuerkennen, von welchem ein Theil durch die späteren Untersuchungen unhaltbar geworden war, ähnlich wie ein grofser Theil des Werner’schen Systems. Der Ansicht, dafs die krystallinischen Schiefer einfach plutonischen Ursprungs, die krystallinische Erstarrungsrinde seien, stehen nach Bou&!) vier Einwürfe entgegen: die Schichtung, welche sich bei keinem sicher plutonischen Gesteine wiederfindet; der Übergang der Gneifse und Glimmerschiefer (Urthonschiefer ist nach Bou&@ nicht vor- handen ?) in Zwischengesteine (roches intermediatres, Thonschiefer, talkige, quarzige, glimmerige Schiefer und Grauwacke); die Kalke der Urschiefer, welche Übergänge zeigen in fossilhaltige Kalke; endlich die Möglichkeit, alle Erscheinungen der krystallinischen Schiefer auf eine andere Weise zu erklären, welche zugleich den chemischen, physikalischen und geologischen Daten anscheinend genügt. Nach Bou&’s Ansicht ?) bewirkten die Agen- tien, welche die Ausbrüche der granitischen Gesteine vorbereiteten oder begleiteten, nämlich hohe Temperatur und Gasausströmungen aus dem Erd- innern, in den aus Trümmern der ältesten Gesteine oder der Erstarrungs- rinde entstandenen Schiefern allmählich und unter mehr oder minder hohem Druck eine Art feurigen Flusses, ähnlich wie ihn de Dr&e (Journal des mines No. 139. 1808 #) beschreibt. Die Elemente der Schiefer büfsten dabei einen Theil ihrer Cohäsion ein, ihre Gemengtheile entfernten sich von einander: in die so entstandenen Zwischenräume schoben sich die 1) Mem. geol. sur le Sud-ouest de la France. (Ann. d. sc. natur. II. 415. 1824) „la eroüte ignee oxidee et cristallisee des masses qui composent linterieur du globe ou l’enveloppe de ce noyau central.“ cf. Edinb. phil. J. 1823. Juli und Bull. soc. geol. 14. 417. 1843. und Essai sur l’Ecosse p. 455. 2) J. dephysique Bd. 94. 301. 1822. „Je nie qu’il y ait une formation de schiste argileux primitif.“ On doit regarder le schiste argileux comme un premier groupe du terrain intermediaire. ib. 401. 3) Ähnlich in Leonhard Taschenbuch f. d. gesammte Mineralogie. 21. II. p. 1. 1827. *) Textur und Vertheilung der Gemengtheile sind nach halber oder ganzer Schmel- zung unverändert erhalten. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 175 Produkte der Gasemanationen, die Sublimate ein. So konnten in gewissen durch die Cohäsion bedingten Grenzen chemische Verwandschaften in Wirkung treten und die Gesteine während der Schmelzung und langsamen Abkühlung kıystallinisch werden ohne wesentliche Zerstörung der ur- sprünglichen Blätterstruktur (structure fewlletee primitive). Nach dieser gewagten Theorie (theorie hardıe) „würde der Grad der Krystallinität von der Gröfse der genannten Einwirkungen abhangen und die Identität der Ge- mengtheile in Granit und krystallinischen Schiefern sich leicht erklären. Die Urkalke werden keine organische Reste enthalten, weil diese in die Masse eingeschmolzen wurden, die Mineralien der Urkalke von dem Grade der Reinheit der Kalke oder von ihrer Mengung mit Thonschiefer her- rühren, der Graphit von kohligen, durch hohe Temperatur veränderten Partien. Wollte man einwenden, dafs diese Theorie Gesteine als vorhan- den gewesen voraussetzt, von denen man keine Spur mehr findet, so ist zu erinnern, dafs ja auch die ältesten Sedimente Brocken von Gesteinen einschliefsen, welche man anstehend nicht kennt.“ Der zuweit getriebene Plutonismus Hutton’s hatte Bou& zu der wenn auch modifieirten neptunischen Ansicht zurück geführt, neben wel- cher er den feurigen Flufs der Eruptivgesteine beibehielt. Es war ein Ver-. mittelungsversuch, bei dem es sich zunächst um die krystallinischen Schie- fer handelt. Noch 1866!) spricht sich Bou& dahin aus, dafs der Meta- morphismus der krystallinischen Schiefer ein langsamer, lange fortgesetzter, chemischer Procefs war, welcher bei einem gewissen Druck vor sich ging. Im entschiedensten Gegensatz gegen alle geltenden Ansichten trat Keilhau auf, in der schärfsten Opposition gegen das bisher Angenommene. Selbstständige geologische Untersuchungen führten ihn zu einer Ansicht, die fast ganz isolirt geblieben ist, wie sie denn ihrer Natur nach keine Anhänger gewinnen konnte. Sie erinnert an die romantische Schule der deutschen Litteratur, der das Wunder gesetzmäfsiger und erklärlicher er- scheint als das gewöhnliche Geschehen. Keilhau (1823—1850?) gelangte zunächst durch die geologische ‘) Bull. geol. (2) 23. 302. 1866. 2) Aulser Aufsätzen im Magazin for Naturvidenskaberne und in Pogg. Ann. seit 1823 namentlich in „Darstellung der Übergangsformation in Norwegen“ 1824, Nyt. Mag. 174 Roru über die Lehre vom Metamorphismus Untersuchung von Norwegen!) zu der Ansicht, dafs sehr viele massige Gebirgsarten nur transmutirte — nach Substanz und Form umgewandelte — Sedimente sind, so dafs sich Übergänge zwischen beiden verfolgen lassen. Diese Transmutation fand durch eine ruhig fortschreitende Thätig- keit in den starren Massen statt ohne Mitwirkung eines ungewöhnlichen Wärmegrades oder von Gasen und Sublimationen; sie ist nicht an die Nähe ungeschichteter, sogenannter vulkanischer Gesteine gebunden. Da nach Keilhau Granit in Urgneils übergeht?), so ist dieser Granit um- gewandelter Gneils, so fern nämlich diese Gebirgsart damals in der Gneils- form vorhanden war; es brauchten nämlich damals nur die Massen vor- handen zu sein, aus deren Umwandlung später Gneils hervorging. Das für Gmeils Geltende ist auf alle krystallinischen Silikatschiefer und auf ihre Kalke auszudehnen; sie alle haben sich auf dieselbe Weise gebildet wie Granit, Porphyr u.s. w.; es wurden, wenn auch nicht nachzuweisen ist wie es geschah, auf hydrogenem Wege entstandene Absätze bei gewöhn- licher Temperatur transmutirt. Soweit die Transmutation chemisch un- erklärlich ist, folgt daraus nur, dafs die Chemie die zur Erklärung noth- wendige Entwicklungsstufe noch nicht erreicht hat?). „Der Thonschiefer, das zur ausdrücklichen Bekräftigung der Transmutationstheorie aufbe- wahrte Glied des Urgebirges, ist der Inbegriff der wenigen Schichten, welche in verhältnilsmälsig wenig verändertem Zustand erhalten wurden. Die Unterlage der Gmneilsformation kann möglicher Weise sedimentärer Ent- stehung, vielleicht auch wirkliches Urgebirge sein d. h. die Erstarrungs- rinde, zu welcher der Gmeifs nicht gehört.“ f. Nat. I. 1835; Gaea norvegica 1833—1S51, und Nyt. Magaz. IV. 1845. 267—331. In Professor B. M. Keilhau’s Biographie von ihm selbst. Christiania 18357. das Verzeich- nils der Schriften. !) Es ist kaum nöthig auf die späteren Arbeiten von Kjerulf hinzuweisen, durch welche die stratigraphischen Verhältnisse ihre genaue Darlegung erfuhren. 2) „Die Granitification, welche unstreitig hauptsächlich den Übergangsthonschiefer traf, ist doch an vielen Punkten sogar über die Grenzen jenes Schiefers hinaus in die nächsten Theile der Gneifsformation hinein geschritten.*“ Des Herrn Dr. von Dechen Gutachten mit Anmerkungen von B. M. Keilhau. Christiania 1840. 25. „Der Granit des Cheistiania-Territoriums ist hauptsächlich eine Epigenie des Übergangsthonschiefers“ ib. 64. 3) Ähnlich Coquand (Bull. geol 2. 335. 1841). und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 175 Niemals ist das Geheimnilsvolle der Transmutation bestimmter aus- gesprochen als von Keilhau. Er ıäfst sie physikalisch betrachtet durch einfache Molekularaktion bewirkt werden und ohne sich um das che- misch Unmögliche zu kümmern. Er nimmt an, dafs die chemischen Ele- mente nicht einfach, sondern zusammengesetzt sind, und dafs die wirk- lichen der Zahl nach geringen Elemente in andern Verhältnissen zu- sammentretend neue Körper erzeugen können. Weil ihm das Verständnifs fehlt, mufs die Wissenschaft irren. Dabei ist sein Ausgangspunkt eine lokale Untersuchung, eine allgemein gültige Theorie will er nicht auf- stellen. Berzelius, von Keilhau aufgefordert, spricht sich (Jahresb. eingereicht 1837. 396) sehr entschieden gegen Keilhau’s Hypothese aus und fügt (Jahresb. eingereicht 1841. 564.) hinzu: „Mit diesen Bemer- kungen ist es nicht meine Meinung geologische Metamorphosen zu läug- nen; ich habe damit nur auf die Nothwendigkeit aufmerksam machen wollen, dafs man sie nicht auf etwas ausdehnt, was nach unseren gegen- wärtigen Begriffen unreimbar ist, mit dem Vorgeben, dafs es in Zukunft ein Mal reimbar werden kann.“ Zu ganz ähnlichen Ansichten wie Keilhau gelangte Keferstein (1829—1834!). Nach ihm entstehen vermittelst innerer Thätigkeit der Erde durch Umbildung aus verschiedenartigen stratificirten Gesteinen die krystallinischen Schiefer, Granit, Porphyr, Basalt u. s. w., je nach dem Grade der Umwandlung. Dabei wird hohe Temperatur, Erweichung, An- schwellen der Masse und Erhebung erzeugt, die krystallelektrische Thätig- keit der Theilchen wird angeregt und diese ordnen sich anders. Auch Keferstein steht fast isolirt mit diesen Ideen. Die Untersuchungen der schweizer, savoyischen und französichen Alpen hatten um 1826—1828 Studer und Elie de Beaumont zu der An- sicht geführt, dals die Metamorphose zu krystallinischen Schiefern sich dort nicht auf die Umwandlung der ältesten Sedimente beschränke, sondern auch viel jüngere Gesteine betroffen habe. Sie kommt dort nach Studer entfernt von jedem krystallinischen Feldspathgebirge vor und es „lassen sich weder 1) S. auch Bull. geol. 7. 197. 1836. 176 Roru über die Lehre vom Metamorphismus durch Wärme des Erdinnern oder erhitzter Massen noch durch Dämpfe die Erscheinungen in den Alpen genügend erklären.“ 1) Die Sedimentgesteine der Alpen haben nach Studer?) durch Ein- wirkung der bei dem Hebungsprocels thätigen Agentien so viele und so grolse Veränderungen und Epigenirungen erfahren, dafs man beinah in Verlegenheit gerieth, wo man noch ein Sedimentgestein in einem ur- sprünglichen Zustand aufsuchen sollte. Nach Elie de Beaumont sieht man in den Alpen die Sekundär- schichten allmählich die von ihrer Bildungsweise herrührenden Charaktere verlieren und andere annehmen ohne jedoch die Schichtung einzubülsen: „ähnlich wie man an einem halbverkohlten Scheit die Spuren der Holzfasern weit über die Stellen hinaus verfolgen kann, welche noch die natürlichen Charaktere des Holzes zeigen. “?) Er schreibt *) die stark krystallinische Struktur im Innern der Granitmassen, welche im Gegensatz steht zu der fast vollständigen Dichte an ihren Berührungsstellen mit Sekundärgesteinen, einer trotz der fast vollständigen Starrheit eingetretenen Molekularbewe- gung zu (morumement interieur malgre leur solidite presque complete), welche während des langen Zeitraums bis zur vollständigen Erkaltung eintrat. Ähnliches zeigt eine lange Zeit bis zur Weifsglühhitze, also nicht bis zum Erweichungspunkt erhitzte Stange aus Schmiedeeisen: sie wird grob krystallinisch und brüchig, so weit sie erhitzt war, während das Übrige den ursprünglichen fasrigen Bruch behält. Auch die Umbildung von Se- dimenten jeden Alters zu krystallinischen Schiefern (zu Glimmer-, Talk- schiefer, zuckerkörnigem Kalk und oft selbst zu Gneils) kann ohne voll- ständige Schmelzung vor sich gehen, die Schichtung bleibt erhalten und der allmähliche Übergang zu dem nicht Umgeänderten sichtbar. 1) Lehr. phys. Geogr. und Geologie II. 119. 150. 1347. s. Zschf. Miner. 1827. 1. Jahrb. Miner. 1840. 546; 1844. 185; 1847. 176; 1866. 705. cf. 1855. 183. „Die aus- gezeichnet krystallinische Entwickelung von Silikaten in der Höhe deutet darauf hin, dafs die Umwandlung nicht von unten her, sondern von Aulsen nach Innen fortgeschritten sei.“ 2) Geologie der westlichen Schweizeralpen. 1334. 19. cf. 224. 228. 3) Ann. sc. natur. 15. 362. 18283. („Comparaison aussi claire que profonde.* Daubree). 4) Ann. min. (3) 5. 62. 1834. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. RT „Die innere Erdwärme und andere chemische Einwirkungen haben ohne vollständige Schmelzung zu bewirken unter Beibehaltung der Schich- tung die ältesten, über der Erstarrungsrinde liegenden Sedimente durch Metamorphismus krystallinisch gemacht und ihren mineralogischen Bestand umgeändert; so entstanden Glimmer- und Talkschiefer, körnige Kalke und oft selbst Gneils!).“ Noch 1847 ist Elie de Beaumont?) „sehr geneigt zu glauben. dals viele Glimmerschiefer und Gneifse metamorphischen Ursprungs sind. Das Sediment, aus dem gewisse metamorphische Granite und Gneifse ent- standen, kann von älteren Graniten herrühren, und der Ursprung der ersten Granite, der mit ihnen verbundenen alten Gneifse und Glimmer- schiefer ist nicht sehr verschieden. Um die metamorphische Entstehung der Gmneilse und Glimmerschiefer zu erklären, muls man zugeben, dafs hohe Temperatur bei der Entstehung der Granite eine wesentliche Rolle gespielt hat.“ Er spricht sich auch noch 1855?) für die metamorphische Entstehung der glimmrigen und talkigen Quarzite und Kalke aus. Diese Ansicht theilt auch Rozet*#). Ch. Sainte-Claire Deville und Gran- deau sprechen sich 1859 für die metamorphische Entstehung?) der slimmrigen oder chloritischen, Quarz- und Feldspathknauer führenden Schiefer des Massivs des St. Bernhard aus. Seit 1837 ist A. Sismonda®) der Ansicht, dafs viele für primitiv gehaltene Gesteine der Alpen (Gneils mit grofsen Quarzknauern, grüne Schiefer mit Quarz, und ähnliche, glimmerhaltige Kalke führende Gesteine) metamorphosirte Sedimente sind. Er nimmt an, dafs wenig primitives Terrain auf der Erdoberfläche erhalten ist. Noch 1867 erhält er?) durch einen Abdruck von Zquwsetum an einem diluvialen Gneilsstück von 1) Dufrenoy und Elie de Beaumont Explic. de la carte geol. de la France I. 41—42. 1341. s. auch 120, 316, 327. ?2) Bull. geol. (2) 4. 1301. 2) 1b: (2), 12.7563. 4) ib. 232 und 252. 5) ib. (2) 13. 136. 6) Bull. geol. (2) 12. 67. 1856. ”) Mem. Acad. Se. Torino (2) Tom. 24. 11. Der Infralias der Alpi acquapen- denti in Piemont ist in Glimmerschiefer und Gneils metamorphosirt. Phys. Kl. 1871. 23 178 torn über die Lehre vom Metamorphismus Rezzasco in der Brianza Bestätigung für seme Memung. Auch Credner!) betrachtet die krystallinischen Schiefer der Tauernkette als metamorphi- sche Gebilde. Stur?)läfst nach der Trias in den Centralalpen zwischen dem Hochgolling und dem Venediger eine metamorphosirende Kraft auf- treten, welche aus alten Schiefern und Grauwacken den Oentralgneifs und seine Schieferhülle bildet. Pichler?) nimmt die Tyroler krystallinischen Schiefer für umge- wandelte Sedimentschiefer. „Gneifs, Glimmerschiefer, Thonglimmerschiefer sind die Namen von Gattungen, denen wir nicht immer den der Species beifügen können; dies wäre nur dann möglich, wenn wir überall wülsten, aus welcher Formation sie durch Metamorphose entstanden.“ Volger®) gelangt vorzugsweise durch Studium der alpinen Vorkommen zu dem Satze „dafs aus emem und demselben sedimentären Kalkstein durch innere Umbildung hier ein Pyroxen- oder Amphibolgestein, dort ein Granat- oder Epidotgestem, dort wieder ein Quarz- oder Feldspathgestein sich ent- wickelt hat.“ In dem äufserst verwickelten Gebirgsbau der Alpen den Zusammen- hang der einzelnen, so vielfach gefalteten, verworfenen, über einander hin- veschobenen Schichten und Massen zu bestimmen wird noch lange eine der schwierigsten Aufgaben der Geologie bleiben. Ob es gerathen ist, serade von diesen verwickelten Erscheinungen ausgehend allgemein gül- tige Hypothesen aufzustellen, erscheint fraglich. Billigerweise mülste die Theorie die Gebirge mit einfachstem Bau als Ausgangspunkte nehmen. Ob es ferner nothwendig ist für die als metamorphisch bezeichneten, al- pinen Gesteine Umänderungen anzunehmen, deren Ursache eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Stein der Weisen hat, wird noch lange eine offene Frage bleiben. Nur eine wiederholte Untersuchung und Vergleichung mit anderen Gegenden wird entscheiden können, ob nicht einfache Zer- störung und Zertrümmerung wohlbekannter Gesteine das mineralogische Verhalten und einen Theil der Lagerungsverhältnisse erklären kann. 1) Jahrb. Min. 1550. 556. 2) Jahrb. Reichsanst. 5. 852. 1554. 3) Beiträge zur Geognosie Tyrols 1859. 133. +) Neue Denkschriften der allgem. Schweizer Ges. f. ges. Naturk. 14. 1859. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 179 Spätere Verwitterung, oft sehr complieirter Natur, mag dann in den Al- pen, wie überall, vielfache Veränderungen hervorgerufen haben, zu denen noch die Contaktmetamorphosen hinzukommen. Manche Gesteine wie Glimmer-, Chlorit-, Talkschiefer liefern nach ihrer Zertrümmerung und Zermahlung sedimentäre Gesteine, welche mineralogisch den ursprüng- lichen vollständig gleichen. Aufserdem mögen Eruptivgesteine, welche bekannter Maafsen keineswegs jedes Mal Oontaktmetamorphosen hervor- rufen, nebst ihren Tuffen, ferner schiefrige Granite, und in Folge der Faltungen ächte, ursprüngliche, krystallinische Schiefer eingeschaltet sein. Eine ganze Reihe von Mineralien entsteht auf mehr als einem Wege; manche sind als Contaktmineralien charakteristisch, treten vorzugsweise in Sedimentkalken auf und sind daher kalkhaltig. Eine Nothwendigkeit jedem grobkörnigen Kalk Metamorphosen zuzuschreiben, liegt nicht vor: dieser Ansicht huldigt auch Cordier!). Hier zum ersten Mal tritt der Metamorphismus zur Erklärung der Bildung jüngerer Gebirgsmassen auf; es handelt sich nicht mehr allein um die Umwandlung der ältesten Sedimente oder der krystallinischen be Schiefer. Wie die Lehre vom Metamorphismus der krystallinischen Schiefer in Deutschland wirkte, zeigt am besten Fr. Hoffmann. (Übersicht der orographischen und geognostischen Verhältnisse vom nordwestlichen Deutschland 1830). „Wenn wir es auch sebr begreiflich finden, wie sich Thonschiefer, Grauwackenschiefer u. s. w. in der unmittelbaren Nähe des Granites in Gesteine umwandeln können, welche dem Gmneifse und dem Glimmerschiefer sehr äbnlich sind, so behält es doch etwas selbst der lebhaftesten Einbildungskraft Widerstrebendes, auch die ungeheuer mäch- tigen und über tausende von (@uadratmeilen verbreiteten Gneilsgebirge, Glimmerschiefer-, Talkschiefermassen, in welchen die Granite oft nur sehr vereinzelt hervortreten, für Produkte eines ähnlichen Procefses zu halten“ (l. ec. 415). Zwischen Bräunsdorf und Riechberg (bei Freiberg, Sachsen) findet er „wirklich die sogenannten Schiefer der Urzeit mit deutlichen Conglomeraten des Übergangsgebirges in wechselnder Lagerung“ und ist nun „sehr geneigt, die zwischen Gmeilsschichten und Glimmerschiefer 1) Bull. geol. (2) 7. 67..1836. 180 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus eingelagerte Grauwacke für einen unversehrt gebliebenen Streifen vom Schiefergebirge zu halten, welcher unter günstigen Umständen von der Umwandlung, die die angrenzenden Schichten erfahren haben, verschont wurde.“ „Ja man wird vielleicht einst noch finden, dafs eine und die- selbe Schicht sich im Streichen aus Grauwacke in Gneifs übergehend ver- folgen läfst“ (p. 418). In emem Gebiete des Fichtelgebirges, „wo nichts an das Auftreten von Graniten, Syeniten, Porphyren oder verwandten Ge- steinen erinnert (p. 421), findet er „das merkwürdige Beispiel einer wenig- stens 4 Meilen lang zwischen zwei Gneifsverbreitungen von beträchtlicher Ausdehnung steckenden, unversehrt gebliebenen Thonschiefermasse des Überganggebirges, und durch alle sie begleitenden Erscheinungen erfährt wohl die Ansicht von der merkwürdigen Entstehungsweise der Gmneils- gebirge eine auffallende und erwünschte Bestätigung“ 1) (p. 426). Die Tyrannei, welche die herrschende Idee über einen eminenten Geist ausüben kann, ist wohl nirgend so stark ausgeprägt als in dieser Darstellung Hoffmann’s. Was zehn Seiten vorher „der lebhaftesten Ein- bildungskraft widerstrebt*, gilt nun als bewiesen. Das Wunderbare bei dieser Umwandlung, „die unversehrt gebliebenen Thonschiefer“, durch welche die metamorphosirende Kraft hindurchgeht ohne eine Spur zu hinterlassen, während sie das Darüberliegende in Gneils umwandelt, er- regt keinen Anstofs mehr. Noch in seiner italiänischen Reise?) (1829—32) ist Hoffmann geneigt, den dortigen krystallinischen Schiefern neptunische Entstehung zuzuschreiben und die Veränderung mit dem Auftreten der Granitgänge im Gneils in Verbindung zu setzen. In seiner Geschichte der Geologie (1834—35) tritt die Lehre vom Metamorphismus nur in einzelnen An- deutungen hervor. Sie war um diese Zeit noch nicht genug ausgebildet um einen grolsen Platz beanspruchen zu können. Sir Charles Lyell kehrt in seinen Principles of geology being an attempt to explain the former changes of the earth's surface by reference 1) Vergl. Naumann Jahrb. Min. 1863. 1. 531. und Lehrb. II. 159. 1862. und Gümbel Jahrb. Min. 161. 257. und 1863. 515. Gümbel erklärt die Erscheinung durch Überkippung, die sich bis ins Gebiet der Gneifsformation fortsetzt. ?2) Karsten und v. Dechen Archiv 13. 362. 1839. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 181 to causes now in operation (Bd. 1ll. 1833) zu der schottischen Doktrin, zu Hutton zurück. Den noch jetzt wirkenden Ursachen (restrieting us, in the first instance to known causes, p. 3; an anderen Stellen causes now in action, existing causes, actual causes of change) legt er das überwie- gende Gewicht bei. Er ist Hauptvertreter des Actualismus. Da ein Theil der ältesten, der sogenannten primären Gesteine geschichtet und geschie- fert ist wie die wohlbekannten Sedimente, so kann man — nach dem Satze, dals gleiche Wirkungen auf gleiche Ursachen schliefsen lassen (p. 367) — kaum bezweifeln, dafs sie ähnlichen Ursachen wie die Sedi- mente ihren Ursprung verdanken. Auf der bewohnbaren Oberfläche der Erde, so weit sie wenigstens der Beobachtung zugänglich ist, sieht man analoge Bildungen nicht entstehen (p. 11). Man mulfs also die Struktur der geschichteten primären Gesteine darauf zurückführen, dafs in grofser Tiefe unter der Oberfläche die geschichteten Sedimente durch geschmol- zene Gesteine, durch hohe Temperatur in einen halbflüssigen Zustand übergeführt, eine neue Anordnung ihres Materials erfuhren, wobei Schichtung und lamellare Struktur erhalten blieb, während die Spuren der Organismen verschwanden (p. 13). Trennt man die unveränderten Sedimente und die vulkanischen Gesteine ab, so bleibt eme dritte Gesteins- gruppe übrig, welche ihre jetzige Form und Struktur nicht auf der Oberfläche der Erde erhalten haben kann, und diese nennt Lyell nach ihrer Entstehnng hypogen (netherformed rocks). Sie umfalst die unge- schichteten plutonischen Gesteine (wie Granit) und die veränderten ge- schichteten (wie Gneils), welche von ihm als metamorphische Gesteine bezeichnet werden (p. 375). Denn Gneils und alle geschichteten Gesteine müssen ursprünglich an der Oberfläche oder auf dem jetzt mit Wasser bedeckten Theile derselben abgesetzt sein und wurden erst dann krystal- linisch, wenn sie unter Druck durch hohe Temperatur in den Regionen und unter denselben Bedingungen verändert wurden, wo die plutonischen Gesteine gebildet werden (p. 374). Will man die gesammten hypogenen (resteine nicht aus Schlamm, Thon, Mergel, Sand, Kies, Kalk und anderen jetzt noch entstehenden Absätzen sich bilden lassen, so mufs man zu der Hypothese greifen, dafs chemische Ursachen früher mit gröfserer Energie als jetzt wirkten und dafs durch ihren Einflufs stärker kry- 182 toru über die Lehre vom Metamorphismus stallinische Schichten niedergeschlagen wurden, welche Behauptung un- philosophisch und mysteriös ist (p. 377). Gneils und Glimmerschiefer sind nichts als durch Hitze umgeänderte Sandsteine; Thonschiefer ist umgeänderter Schieferthon; stärker verän- derter Schieferthon liefert Hornblendeschiefer; Kalkstein den körnigen Kalk. Weil fast überall die hohe Temperatur von unten nach oben wirkt, also die untersten Lagen am stärksten verändert, so liest Thonschiefer über Hornblendeschiefer, Glimmerschiefer, Gneifs. Sekundäre Schichten sind, wenn auch nicht oft, zu metamorphischen umgewandelt, und hypo- gene Gesteine, ungeschichtete wie geschichtete, entstanden stets während gleicher Zeit in gleicher Menge (p. 377). Da der Zerfall und die Wieder- erzeugung durch Wasser (process of decay and reproduetion by aqueous agency, Wiederholung von Hutton’s Worten) an der Oberfläche der Con- tinente und auf dem Meeresboden ein fortdauernder Vorgang ist, während die hypogenen Gesteine in der Tiefe gebildet oder nach und nach von den vulkanischen Heerden in die Höhe gehoben werden, so mufs das relative Alter der sichtbaren plutonischen und metamorphischen Ge- steine, verglichen mit dem der unveränderten Sedimente, durch das Ver- hältnils zwischen zwei Kräften bestimmt werden: der Kraft, welche die hypogenen Gesteine hebt, und der Kraft, welche durch das Wasser die Erd- oberfläche zerstört und erneuert (p. 380). Die metamorphischen Gesteine müssen also das Unterste jeder Reihe von Sedimenten bilden, da die Wir- kung der vulkanischen Hitze von unten nach oben geht; die hypogenen Gesteine einer Gegend können jedoch sehr verschiedenen Alters sein. Der grölste Theil der sichtbaren hypogenen Gesteine scheint älter zu sein als die Kohlenformation, weil in dieser Brocken von Granit, Gneifs, Glimmerschiefer, Thonschiefer liegen. Seit der Tertiärzeit sind die hypo- genen Gesteine, welche jünger sind als das Kohlengebirge, auf die Ober- fläche gekommen, und erst später werden dahin die der Sekundärzeit, noch später die tertiären und recenten Hypogengesteine gelangen, zu einer Zeit, wo die jetzt sichtbaren Sedimente entweder vom Wasser zerstört oder metamorphisch geworden oder niedergeschmolzen sind zu plutoni- schen und vulkanischen Gestemen (p. 382). „Wir finden keinen sicheren Beweis für den Anfang, obwohl die dafür aus der Analogie geschöpften Gründe unerschüttert bleiben. Wenn und die Entstehung der krystallimschen Schiefer. 185 auch das jetzige System der Veränderung (present system of change) nicht von Ewigkeit her gedauert hat, so liest darin kein Beweis für die Voraussetzung, dafs wir den Anfang entdecken werden. Die Annahme, dafs die Beweise für Anfang oder Ende eines so grofsen, harmonischen. für Myriaden lebender Wesen so zweckmäfsig eingerichteten Systems im Bereich unserer Untersuchungen oder selbst unserer Speculationen liegen, erscheint durchaus unvereinbar mit einer richtigen Schätzung des Ver- hältnisses zwischen der begrenzten menschlichen Einsicht und den Attri- buten eines unendlichen und ewigen Wesens“ (p. 385). Sehr wenig abweichende Ansichten spricht Lyell noch im Manual of elementary geology (Ed. V. 1855. 603) aus. „Eine im Innern der Erde in unbekannter Tiefe vorhandene, thermische, hydrothermische, elektrische oder anderweitige Einwirkung, analog der, welche sich in der Nähe in- trusiver Granite zeigt, hat im Laufe unbegrenzt langer Zeiten, bei Ab- lagerungen von vielen tausend Fufs Mächtigkeit Halbschmelzung (state of semifusion) hervorgebracht, so dafs die Schichten bei der Abkühlung krystallinisch werden konnten ähnlich wie Gmeifs; Granit entstand bei höherem Grade der Einwirkung, bei vollständiger Schmelzung, und so erklärt sich der Übergang von Granit und Gneifs.* Noch später 1871 in den Students elements of Geology nennt Lyell die Bildungsweise der metamorphischen oder geschichteten krystalli- nischen Gesteine dunkler als die der auf nassem Wege gebildeten, der pluto- nischen und der vulkanischen Gesteine. Er rechnet zu den metamorphi- schen Gesteinen Gneils, Glimmer- und Thonschiefer, Chloritschiefer, Horn- blendeschiefer, Marmor und Ähnliches. Er nimmt an, da sie geschichtet sind und aus Wechsellagerung von Gesteinen bestehen, welche in Farbe. Zusammensetzung und Mächtigkeit wechseln genau wie die Versteinerungen führenden Absätze, dafs sie der Hutton’schen Theorie entsprechend als Sedimente aus Wasser abgesetzt und dann durch unterirdische Hitze so verändert wurden, dafs sie eine neue Struktur annahmen. Versteinerungen führende Schichten sind bei Contakt mit Granit bis auf 1 Meile weit aus erdigen Gesteinen in entschieden krystallinische umgewandelt, Kalke mit Muscheln und Corallen in weilsen Marmor, harte Thonschiefer (clays) in Glimmerschiefer oder Hornblendeschiefer, wobei jede Spur organischer Reste zerstört wurde. 184 Roru über die Lehre vom Metamorphismus Kennen wir auch nicht genau die Art des umwandelnden Einflusses, so hat er doch gewisse Analogieen mit dem, welchen vulkanische Hitze und Gase hervorbringen. Der Procefs kann daher als plutonisch bezeichnet werden, weil er in den Regionen entstanden zu sein scheint, wo pluto- nische Gesteine gebildet werden, und bei ähnlichen Verhältnissen des Druckes und der Tiefe unter der Erdoberfläche. Stark erhitztes Wasser oder Dampf, welche geschichtete Massen unter hohem Druck durch- drangen, haben zweifellos Theil an der Bildung der krystallinischen Struk- tur, und es ist klar, dafs diese Einflüsse auf ganze Bergmassen eingewirkt haben (p- 8). Alle die 4 oben genannten Gesteinsgruppen sind gleichzeitig ge- bildet und ihre Bildung mag noch jetzt in grofsem Maafse fortgehen (They have all been produced contemporaneously, and may even now be in the progress of formation on a large scale (p. 9). Die Granite und metamorphischen Gesteine sind nicht die erst- gebildeten, nicht primitiv, wenn auch ein Theil älter ist als die ältesten Verstemerungen führenden Schichten (p. 100); die unteren Theile der Erdrinde sind oft modificirt und ganz verändert durch vulkanische und andere unterirdische Ursachen, während Darüberliegendes unverändert blieb: ähnlich wie der Pfeilerrost unter einem Hause erneut wird, wäh- vend das Haus selbst ungeändert bleibt.!) So ist es mit der bewohn- baren Oberfläche der Erde: sie bleibt oben dieselbe, während ın der Tiefe Festes flüssig wird und beim Erstarren eine neue Textur annimmt. In diesem Sinne sind die plutonischen und metamorphischen Gesteine zu- sammen hypogen, ein Name, der keine chronologische Beziehung enthält. Unter dem Huron, das wesentlich aus Quarziten und grünen chlo- ritischen Schiefern besteht und Geschiebe (pebbles) des Laurentian ent- hält, liest discordant das Laurentian, dessen oberer Theil wieder discor- dant auf dem unteren ruht. Das Eozoon canadense beweiset für metamor- phische Bildung des Laurentian, die jedoch vollendet sein mulste vor Absatz des Hurons, wie die im Huron vorhandenen Geschiebe beweisen (p. 476— 477). 1) Vergl. $. 165. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 185 Sir R. Murchison’s Fundamentalgneifs in Schottland, auf dem das Untercambrische und verschiedene metamorphische Gesteine discordant liegen, entspricht höchst wahrscheinlich im Alter einem Theil der srofsen nordamerikanischen Laurentiangruppe (p. 477). Der Einflufs der unter- irdischen Hitze reicht vom Krater jedes thätigen Vulkans in unbestimmt grolse Tiefen, so dafs je nach der Tiefe vulkanische und plutonische Ge- steine zugleich entstehen müssen, die ersteren an der Oberfläche, die an- deren in der Tiefe (p. 535 und 547). Zwischen der Krystallisation eines plutonischen Gesteins in der Tiefe und seiner Emporsteigung auf die Ober- fläche müssen gewöhnlich eine oder zwei geologische Perioden liegen. Recente oder pliocäne Granite sehen wir also nirgend auf der Oberfläche. „Flysch (oberer Theil der Nummulitenformation) wird von plutonischen Gesteinen durchbrochen und in krystallinische Schiefer der hypogenen Klasse umgeändert. Der talkige Granit oder Gneifs des Mont Blane ist geschmolzen oder plastisch gewesen, nachdem der Flysch im Meer ab- gesetzt war. Die Frage in Bezug auf das Alter dieses Granites ist nicht, ob er secundär oder tertiär, sondern ob er eocän oder miocän ist (P.552).“ Gregory Watt’s Versuche (Phil. Tr. 1804) zeigen, dafs ein Ge- stein vollständiger Schmelzung nicht bedarf um eine neue Anordnung der Gemengtheile zu bedingen. Die plutonische Umänderung wird be- wirkt nicht durch Hitze allein; Gase, Dämpfe und heifses Wasser mit Salzgehalt, hydrothermale Aktion helfen mit dazu (p. 568). (Heilse und kalte Quellen mit Kohlensäure beladen und besonders mit Flufssäure, die oft in kleinen Mengen vorhanden ist, sind mächtige Ursachen der Zer- setzung (p. 568): charged with carbomie acıd and specially with hydrofluorie acıd! Verwechslung mit Fluorsalzen!) „Die metamorphischen Schichten sind in einer Periode abgesetzt und krystallinisch geworden in einer andern (p- 581). Hitze, Dampf oder Wasser kann durchgängigere Schichten ver- ändern, so dafs die Gemengtheile sich neu ordnen, während die anliegenden Schichten dem heifsen Gas oder Wasser keinen Durchgang erlauben, oder auch defshalb ungeändert bleiben, weil sie weniger leicht schmelzbare oder zersetzbare Mineralien enthalten. Daher wechseln in den Alpen sandige und kalkige Schichten mit Bändern von granitischen, Gneils ähnlichen Gesteinen (answering in character to gneiss p. 582). Tertiärschichten können metamorphische Struktur erhalten nach Ebenen, welche parallel Phys. Kl. 1870. 24 186 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus der Schichtung sind (p. 582), aber der Metamorphismus ist in den Alpen nicht an die unmittelbare Nähe der Granite gebunden. Eine azoische Zeit nimmt Lyell nicht an (p. 587). Man sieht, wie eng Lyell’s Ansichten 1833 sich anschliessen an die von Hutton ausgesprochenen. Die zwei Grundgedanken Hutton’s sind beibehalten: der heilsame Kreislauf von neptunischer zu plutonischer Einwirkung, welche den periodischen Wechsel in der Beschaffenheit der Erdoberfläche bedingt, und der Grundsatz, dafs die Geologie keinen An- fang der Dinge zu erkennen vermöge. Die Ansicht Hutton’s, dals alle Sedimente erst durch plutonische Einwirkung auf dem Meeresboden zu festen Gesteinen werden, ist als unhaltbar aufgegeben, und die Umwand- lung auf die jedesmaligen untersten Schichten beschränkt, von denen ein Theil zu Eruptivgesteinen metamorphosirt wird. Neben der Abwehr der ultraneptunischen Ansicht fehlt jede Angabe über die Entstehung des Centralfeuers, das, wie bei Hutton, einfach als gegeben angenommen wird. Die Schwäche der Argumentation liegt namentlich in dem Satz, dafs gleiche Wirkungen auf gleiche Ursachen schliefsen lassen. Die Summe einer Reihe kann aber aus ganz verschiedenen Faktoren bestehen; eine Erscheinung, die bei der Vielheit der zu Einer Wirkung zusammentreten- den geologischen Ursachen überall wiederkehrt. Niemand wird in dem Satze, dals bei Nichtannahme des Actualismus die Voraussetzung einer früher anders gearteten chemischen Causation nothwendig werde, eine Stütze für den Actualismus erblicken können, da die chemischen Kräfte bei Änderung der Bedingungen, unter denen sie auftreten, eben andere Wirkungen üben. Es ist nur nöthig, an die Änderung der chemischen Verwandtschaften bei Änderung der Temperatur zu erinnern. Viel rich- tiger und sicherer als der Satz Lyell’s, dafs alle hypogenen Gesteine aus Thon, Schlamm, Sand, Mergel u. s. w. entstanden sein müssen, ist die Umkehrung dieses Satzes dahin, dafs alle Sedimente aus „hypogenen* Gesteinen entstanden sind, da sie Bruchstücke derselben enthalten und die Verwitterung alle Tage die Beweise für die Entstehung der Sedimente aus den „hypogenen* Gesteinen liefert. Nimmt man freilich mit Lyell die Sedimente als Ausgangspunkt und fügt daran die Lehre von Actua- lismus, so muls man auf irgend eine Weise, sei sie noch so künstlich, und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 187 aus ihnen die Eruptivgesteine und die krystallinischen Schiefer durch „Metamorphose“ hervorgehen lassen. Hatte Lyell 1833 die Sekundärschichten nur sparsam dem Meta- morphismus unterworfen gefunden, so läfst er ihn 1871 auch die tertiären Gesteine ergreifen. Die schwierige Deutung der alpinen Gesteine wird durch die kaum haltbare Theorie der Nichtpermeabilität beseitist oder richtiger umgangen. Die Theorie des Kreislaufes, ohne bestimmt aus- gesprochen zu sein, leuchtet durch die ganze, viel stärker als früher auf das Faktische beschränkte Darstellung hindurch, die jede Diskussion über Entstehung der Erde geflissentlich vermeidet. Edward Hitchcock (Feport on the geology of. Massachusetts. Amherst 1833) ist der Ansicht, dafs Granit die erste Erstarrungsrinde bildete!). Aus dem Detritus derselben und aus dem einiger anderer ebenso alter Gesteine entstanden die sogenannten primären geschichteten Gesteine (stratified primary rocks), die krystallinischen Schiefer, wie Gneifs Glimmerschiefer, Talk-, Hornblendeschiefer, Serpentin. Sie waren Sedi- ınente, welche durch hohe Temperatur ohne die Schichtung zu verlieren krystallinisch wurden oder sogar geschmolzen wurden und eruptive Form annahmen wie Serpentin?). Glimmerige, grobe, aus Zertrümmerung des Granites entstandene Sandsteme?) sind wahrscheinlich das Ursprungs- gestein des Gmeifses. Wo dieser mit Hornblendeschiefer wechsellagert, wechsellagerte ursprünglich Thonschiefer mit dem Sandstein; wo Glimmer- schiefer und Gmneils wechsellagern, fehlten in einem Theile des Sedimentes die Elemente zur Bildung des Feldspathes. Hiteheock betont im Gegensatz zu Hutton und Lyell die Ansicht vom Anfang und vom Ende. Wenn die der Erde innewohnenden chemischen Kräfte durch den Willen ihres Schöpfers losgelassen würden, so würden sie das Ende der Erde bewirken. Mit dem Maafse der heute thätigen Kräften allein sei die Geschichte der Erde nicht zu erklären. Also ein Protest gegen Hutton’s Fundamentalsätze, gegen Lyell’s eben entwickelte Theorie der actual causes, daneben die metamorphische nn 12c.29l10: 2) 1.c. 350 und 373. ’) „resulted from the disintegration of granite* 1. c. 409. 24* 188 Roru über die Lehre vom Metamorphrsmus Bildung der krystallinischen Schiefer, und eine aus feurigem Flufs erstarrte, aus Granit bestehende Rinde. Sedgwick und Murchison erklärten 18421), die krystallinischen Gesteine des Taunus seien durch plutonische Procefse umgewandelte Schichten der rheinischen Grauwacke, ©. F. Roemer (1844) und Du- mont (1848 und 1852) machten für die betreffenden Taunus- und Ar- dennengesteine dieselbe Annahme, während für die Taunusgesteine nach Sandberger und List (1850) die Metamorphose durch Umsetzung auf nassem Wegs erfolgte. Murchison?) hält seit 1851 die Thonschiefer, Chlorit- und Glimmer- schiefer der südlichen Hochlande Schottlands für metamorphosirtes Unter- silur, die Chlorit-, Glimmerschiefer und Quarzite von Anglesea und Westir- land für veränderte Grauwacke. Später (1858) unterscheidet er?), an der Nordwestküste Nord-Schottlands Fundamentalgneifs, gleichen Alters mit Logan’s Laurentiansystem und zwar dessen unterem Theil*), von den sicher metamorphischen, darüberliegenden, zuweilen in Gneils verlaufenden Glimmer- und Chloritschiefern. Noch später (1862) nimmt Murchison ) auch den Gneils von Böhmen und Baiern als Repräsentanten des Funda- mentalgneifses. Die nicht ganz leicht verständlichen Ansichten, welche seit 1833 Fournet vertrat, entnehme ich der Geologie Iyonnaise 1859. Ihm ist der Glimmerschiefer „compose impur et rebelle de l’ensemble des elements repousses de Tinterieur ü Vexterieur du globe*, die erste Erstarrungsrinde. Es mufste eine Art oberflächlicher Schlacke entstehen und sich beladen mit einigen der Elemente der glühenden atmosphärischen Hülle, in deren Berührung sie sich bildete; sie mufste schiefrig werden wie Alles, was das Wasser umlagert). Unter dieser Schlackendecke gingen in der Tiefe die regelmälsigen Krystallisationen vor sich, welche den Granit lieferten. Dieser alte, normale Glimmerschiefer besteht nur aus dunkelem Glimmer, 1) Angaben, entnommen dem Aufsatz Lossen’s in Zt. geol. Ges. 19. 523 u. flg. 1867. 2) Quart. J. geol. Soe. 7. 168. 1851. 3) Quart. J. geol. Soc. 15. 359. 1859. #) Geol. mag. 2. 101. 1865. 5) Quart. J. 19. 357. 1863: 8) 1. e. 170. cf. 210. „les mieaschistes — les produits de la grande &limination des heterogeneites chaotiques.” und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 189 dem höchstens Granat, vielleicht noch Kies und dünne Quarzhäutchen beigemengt sind. Die Quarzlinsen wurden später plutonisch injieirt. !) „Der wahre alte Gmeils ist ein exomorphosirter Glimmerschiefer; exomor- phosirt, unmittelbar oder später, durch den Granit, der sich ruhig unter der Glimmerschieferdecke entwickelte*?). Wie die Feldspathisirung ?) der Glimmerschiefer in der Nähe der Granite eintritt, so beladen sich die Gesteine in der Nähe der Syenite (oder ihrer degradations) mit Horn- blende #). Fournet setzt alle diese Erscheinungen in nächste Verbin- dung mit den bei der Cupellirung beobachteten, welche seinen Ausgangs- punkt bilden. Glimmerschiefer, wie der des St. Gotthard, mit wenig oder gar nicht gefärbtem, dünnblättrigem Glimmer nennt Fournet „micachistes nacres“?). Sie sind jünger als der normale Glimmerschiefer und bilden Übergänge in Chlorit-, Quarz-, Thonschiefer; sie lehren, dafs sie zu einer Zeit entstanden, wo die Tendenz zur Krystallisation und der Einflufs der hohen Temperatur sich sehr vermindert, der des Wassers sehr zuge- nommen hatte, so dafs die Rolle des letzteren der ähnlich wurde, die es seitdem in den sekundären und tertiären Bildungen spielt ®). Gewisse Melaphyre und ähnliche Gesteine hält Fournet für meta- morphische Bildungen, endo- und exomorpher Entstehung, gebildet aus dem Nebeneinander von Quarzporphyren und Syeniten einerseits, siluri- schen und cambrischen Thonschiefern andererseits ?). Den normalen Metamorphismus hält Fournet für eine beschränkte Erscheinung, die mit allen Wirkungen des Contaktes complicirt ist®). Virlet betrachtet (Bull. geol. 8. 306. 1837 und ähnlich in früheren Mittheilungen ?) den Granit als erste Erstarrungsrinde; auf diese schlu- 1) 1.c. 185—189. „epanchements plutoniques.* cf. 369 und Bull. geol. (2) 16. 256. 1359. 2), 1uc. 371. 3) =]. c. 69. 66. 5) beanldiE ya Nlilk SyFalesalkib. ”) 1.e. 369 cf. Bull. geol. (2) 16. 246. 1859. s) ib. 256. ”) Bull. geol. 6. 320. Er führt 1. ec. 316. elektrochemische Thätigkeit, vielleicht durch hohe Temperatur entstanden, als Agens der Transmutation auf, welche in dem festen Gestein thätig wird. 190 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus gen sich dann Sedimente nieder, welche durch das Centralfeuer in kry- stallinische Schiefer, Quarzit u. s. w. oder bei dem höchsten Grade der Umänderung in gewisse Granit- und Porphyrvarietäten, in Pegmatit, Pro- togin, Euphotid, Diorit, Amphibolit und andere sogenannte plutonische Ge- steine umgeändert wurden. Aufserdem findet sich in der Nähe oder im OContakt der feurigtlüssigen Gesteine eine Umänderung, entweder einfach be- ddingt durch die hohe Temperatur oder, wie gewöhnlich in der Nähe hoher Bergketten, verbunden mit längerer oder kürzerer Einwirkung chemischer Agentien wie Entwicklung von Gasen und flüchtigen Stoffen. Er bemerkt, dafs die Überlagerung durch spätere mächtige Schichtensysteme Steigerung der Temperatur in den ältesten Absätzen bewirken mulste. Später lälst er den Quarz gasförmig oder geschmolzen hervortreten (Bull. acol. (2) 1. 746. 1844) und fügt (l. ec. 829) hinzu, dafs der Grad der Metamorphose desto stärker wird je mehr Gänge aller Art an Zahl zunehmen. Noch später kommt Virlet!) zu der Ansicht, dals die Dauer oder die Stärke der Me- tamorphose die Umbildung der Sedimente zu Gneils oder Granit bedingt und dafs überhaupt keine primitiven Gesteine auf der Erdoberfläche vorhanden sein können d.h. keine, die nicht entweder chemische oder molekulare Umbildung seit der Erstarrung der Erdkruste erfahren haben. Diese Umänderungen gehen nicht nothwendig bei hoher Temperatur vor sich, es findet keine Erweichung statt, aber das Wasser spielt dabei eine grolse Rolle.?) Er nimmt an®), dals alle Quarzlinsen oder Quarzmandeln in Gmeils, Glimmer- und Thonschiefer späteren Injektionen ihren Ur- sprung verdanken, ähnlich wie schon (1845) Fournet angenommen hatte und Elie de Beaumont t) wenigstens für einen Theil der Quarzlinsen der Glimmerschiefer für wahrschemlich hält. Joh. Nep. Fuchs), welcher annimmt, dafs dem krystallinischen Zustand immer der amorphe vorausgehen muls, stellt sich der Urzustand der Erde, zu dem es jedenfalls gekommen sein mulste, bevor die Gebirgs- bildung beginnen konnte, folgender Maalsen vor. Während Kalk und 1) Bull. geol. (2) & 500 un. fg. 1847. 2) ib. (2) 15. 122—127. 1858. >) ib. (2) 1. S33. 1844. und 3. 15. 1846. t) Bull, geol. (2) 4 1307. 1847. 5) Gelehrte Anzeigen der Akad. d. Wissensch. in München. 1833. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 191 der gröfste Theil der Magnesia mit Kohlensäure verbunden (Kalkreihe) die Hauptmasse des aufgelöseten Theiles der Gebirge bildeten, bildete die Kieselreihe (Kieselsäure theils für sich als gelatinöse Substanz, theils mit den Basen verbunden) die unauflösliche Masse der Gebirge im amorphen und festweichen Zustande. Der Beginn der Krystallisation, durch die Er- scheinung des Lichtes bezeichnet !), machte Wärme frei, die bis zur Glut steigen konnte, und so entstanden aus dem amorphen Festweichen die Gebirgsarten, hier Granit und Porphyr, dort Glimmerschiefer und Quarz- fels u. s.w. Die älteren und gemensten, in einander verlaufenden Glieder der Kieselreihe sind nur Varietäten Einer Formation. Da das Gewässer bald ruhig bald bewegt war, so entstanden deutlich und undeutlich ge- schichtete Gebirgsarten. Als das Gewässer, nicht mehr durch die fest- weiche Masse gefesselt, sondern frei geworden, unruhig und stürmisch ward, konnten sich die späteren Glieder der Kieselreihe nicht mehr so vollkommen und deutlich ausbilden. Diese Unvollkommenheit beginnt beim Thonschiefer, der nichts ist als ein Granit mit sehr kleinen und undeutlichen Gemengtheilen. Was man sekundäre Gebilde nennt (Sand, Sandstein und Thon) ist gröfseren Theils auf ähnliche Weise wie die älteren Gebirge der Kieselreihe entstanden und eine Fortsetzung derselben. (Juarzsand, Sandstein und Thon, in der Regel mit einander gemengt vor- kommend, stehen oft in solchem Verhältnifs zu einander, dals sie bei günstigeren Umständen wahrscheinlich den schönsten Granit gegeben hätten, in den man sie zuweilen übergehen sieht. Die sogenannten Kry- stallkeller des Granitgebirges und die (Quarzkrystalle in den Mandelsteinen entstanden aus gallertartiger Kieselerde, daher sind die Einschlüsse im Bergkrystalle möglich. Berzelius bezeichnet diese Theorie als eine Dichtung, welche nur der Geschichte der Geologie angehören kann. (Jahresber. für 1838. 744.) Es ist die Theorie des nassen Breies, welche geologisch in den heutigen Laven, im Öontaktmetamorphismus, in den Gängen u. s. w. ihre Wider- lesung findet. ') „Die Erde war also damals ein selbstleuchtender Körper.* 192 Rorm über die Lehre vom Metamorphismus Der Metamorphismus bei Fuchs bezieht sich nur auf die Struktur, nicht auf die chemische Beschaffenheit, und der geologische Gesichtspunkt tritt hinter den chemischen vollständig zurück. Als ein sehr merkwürdiger Versuch die Erscheinungen des Meta- morphismus zu erklären ist Leopold von Buch’s Profil durch die „be- rühmten Westgothländischen, festungsartigen Berge,“ die Kinnekulle, den Billingen, Mösse-, Hunne- und Halleberg zu erwähnen. Er schreibt am I. März 1842 darüber an v. Leonhard (Jahrb. Min. 1842. 282.). „Ich war auf Halle- und Hunneberg, auf der Kinnekulle bei Lindkjöping und sah vor mir die vielen Basaltbedeckten westgothischen Berge und die Transitionsschichten unverändert darunter, und immer nur wo der Basalt sie bekrönt. Der Gneifs aber berührt diese Transitionsschichten nie, son- dern bleibt überall mit deutlichem Rande in der Entfernung zurück. Jeder Basaltberg aber, das wissen wir jetzt, denke ich, ziemlich gewils, ist das Ausgehende eines Ganges, eines Stockes, einer grolsen Masse, welche unter den bedeckenden Schichten sich ausdehnt. Sollte wohl dieser unter der Oberfläche sich fortziehende Basalt die silurischen Schich- ten vor dem überall weit umherwirkenden Metamorphismus beschützt und sie später unverändert zu Tage erhoben haben? Gewils ist das eher zu glauben, als an eine Weeführung einst zusammenhängender Schichten zu denken, welche uns doch keine Erklärung geben würde, warum denn eben der Basalt nur auf dem Gipfel solcher Schichten ruhen könne, warum niemals auf Gneils.*“ Den Grund, welshalb der Granit nicht auch die von basaltischen Formationen (Trapp) bedeckten Transitionsgebirgsarten in Gmeils umgeändert hat, findet L. v. Buch in der sogleich zu erwäh- nenden Abhandlung in Folgendem: „Die basaltischen Formationen, welche sich sogar weit unter dem Granit ausdehnen können, verhindern die ver- ändernden Stoffe, mit welchen der Granit hervortritt, auch auf die den Basalt bedeckenden Transitionsgebirgsarten zu wirken. Sie können daher nur dort aus den Transitionsschiefern Gneils bilden, wo der Basalt in der Tiefe aufhört und nicht mehr das Hervorbrechen des Granites hindert. Gmeilsgewölbe können also sich da erst wieder erheben, wo der Basalt in der Tiefe verschwunden ist und dem Granit Platz gemacht hat.“ Die am 15. December 1842 in dieser Akademie gelesene, 1844 gedruckte Abhandlung „Über Granit und Gneufs“ wiederholt dieselben und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 193 Anschauungen über diese Berge. Sie enthält (S. 7) die Worte: „dafs nämlich aller Gneufs, so weit er sich auch ausdehnen mag und wenn er auch, wie im Norden, grolse Länderstrecken einnimmt, dafs dieser Gneuls durch Einwirkung des hebenden Granites und der mit seiner Erhebung verbundenen Stoffe aus Schiefern entstanden sei, welche durch Ein- dringung der verändernden Stoffe umgewandelt worden sind ohne doch im Ganzen ihre schiefrige Forın zu verlieren, das ist jetzt eine allen Geo- gnosten so geläufige und von den Meisten als glücklich durchgeführte Hypothese angesehene Meinung, dals sie als völlig bekannt vorausgesetzt werden kann. Der Gneufs der kleinen Blasen und Hügel in Finnland würde hiernach vom Eismeer bis zum nördlichen Ufer des Finnischen Meerbusens aus silurischen Schichten der Transitionsformation entstanden und umgewandelt worden sein.“ L. v. Buch sieht bei Gothenburg und Stockholm den Oligoklas auftreten „in Gängen und Stöcken durch Gneufs und Granit und durch alle Gänge des Letzteren, welche in Gmneufs aufsetzen.“ Man sieht bei Ytterby „deutlich sein Erheben aus dem Boden herauf, man sieht das Aufwerfen des darüber liegenden Gneufses und das Eindringen der leicht- beweglichen Masse in alle Spalten, Klüfte, Schiefern und Risse des er- hobenen Gesteins. In der Mitte des mehr als 80 Fufs tiefen Bruches hängt noch jetzt eine wohl 20 Fufs hohe Masse von Gneuls, gänzlich von den darauf liegenden Gneufsschichten getrennt, und von allen Seiten vom weilsen Oligoklas umschlossen. Die Schiefer dieses Gneuls- blockes sind von unten herauf, wie dıe Blätter eines Buches, in Fächer- form von einander gerissen, und die Zwischenräume erfüllt, trennend und spaltend, das weilse Gestein. Oben hängen die Schiefer noch dicht an- einander und werden durch keinen Oligoklas von einander geschieden. So ungefähr hat man sich die Veränderung vorzustellen, welche aus silu- rischen Schichten Gmneufs gebildet hat. Wie hier der Oligoklas, so dringt der Feldspath aus dem Innern zwischen den Blättern der Schiefer und wird von der durch hohe Temperatur zu Glimmer veränderten Masse der Schiefer umwickelt.* Da diese ganze Oligoklas- Phys. Kl. 1871. 35 194 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus gebirgsart später als der Granit erschienen ist. so hat sie keinen Antheil an der Bildung des Gmeilses. !) Im Silur sind also die zur Bildung des Glimmers nöthigen Ele- mente und der Quarz als soleher vorhanden; damit Gmeifs entstehe, mufs der Feldspath herbeigeschaft werden. Er dringt also aus dem Innern auf. verliert dabei seine Continuität, zertheilt sich in einzelne Partien und wird umwickelt von dem zu Glimmer veränderten Silur. In dem Be- weisstück schiebt er sich freilich als eontinuirliche Lage in den Gneils hinein. ohne sich zu zertheilen. Und wie diese Einschiebung des Feld- spathes von unten her bei söhlig liegenden Gneilsschichten mit der söh- liveen Lage der Schieferung zu vereinen sein möchte, ist schwer ein- zusehen. Dasselbe gilt auch für „die verändernden Stoffe“. mit denen der Granit hervortritt. um das Silur in Gneifs umzuwandeln. Auch sie bilden den Feldspath immer der Schieferung parallel, nie bezeichnen sie den Weg, den sie genommen, durch die Bildung desselben. Gesteine von demselben Masnesiagehalt wie Trapp und Augitpor- phyr üben an verschiedenen Stellen ganz entgegengesetzte Wirkung aus. In den Alpen bewirken sie die Hebung und Dolomitisirung der Kalke; in Westgothland. wo sie so lange mit dem Silur in Berührung sind, dals sie es gegen die Granitemanationen schützen, heben sie nicht, sie lassen auch noch den Orthoceren-Kalkstein vollständig ungeändert, ob- wohl sie ihn durchbrechen. Der Schutz, den ein Eruptivgestein gegen des anderen Wirkung gewährt, ist wohl nie wieder in Anspruch ge- nommen worden, und er ist das Bezeiechnende ın diesem Aufsatz, der die Verbreitung metamorphischer Ansichten um das Jahr 1842 so ausdrück- lieh eonstatirt. J. D. Dana?), Anhänger der Theorie der gegenwärtig wirkenden Ursachen, sieht zwar in der Schieferung der Gneifse und Glimmerschiefer keinen Beweis für ihre sedimentäre Entstehung, schreibt jedoch gewilsen nicht schiefrigen Graniten sedimentären Ursprung zu und hält bei dem ) Mer mz19. 2) Sill. Am. J. 45. 104—129. 1848. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 195 Metamorphismus nicht für das Wirksame hohe Temperatur, sondern heifses Wasser !). Manche Gneifse und Glimmerschiefer, so wie gewisse Granite sind nach ihm metamorphisch, da thonige Sedimente bei erhöhter Temperatur Glimmer, Glimmerschiefer, Gneils liefern können. Wo Metamorphismus eintritt, wirkt die hohe Temperatur vermittelst des Wassers, das, durch die Eruption selbst erhitzt, als leicht beweglich weithin Wirkungen aus- üben kann, denn die Wärmeleitung der Gesteine ist viel zu gering als dafs eine etwas mächtige Schicht durch hohe Temperatur allein verändert werden könnte, man muls erhitztes Wasser zu Hülfe nehmen. Durch dieses entstehen aus den erdigen die körnigen Kalke, durch Magnesia- haltiges heifses Wasser die Dolomite und Serpentinlager, durch Wasser mit Magnesia- und Kieselsäuregehalt talkige und chloritische Gesteine; diese alle sind hydrometamorphischen Ursprungs. Von den in den ältesten Zeiten hervorgetretenen Eruptivgesteinen (Granit, Syenit u. s. w.) wurde durch das Wasser Sand abgespült und rund um die Eruptionscentren ausgestreut; das Wasser, durch dieselbe oder spätere Eruptionen erhitzt, änderte vermöge seines Gehaltes an Magnesia, Kieselsäure und anderen Substanzen diese Sande zu krystallinischen Massen um. Hier tritt die heilse Salzlösung zum ersten Mal als Hauptagens des Metamorphismus auf; von nun an wird sie häufig als wesentlich in die Lehre eingeführt. In dem Manual of Geology 18632) sind Granit, Gneifls, Glimmer- schiefer, Thonschiefer, Chlorit- und Hornblendeschiefer, Syenit, Hyperit, Diabas, Feldspathporphyr, Hornblendeporphyr, Euphotid metamorph, aber Feldspathtrapp, Porphyr, Melaphyr, Diorit und die jüngeren Eruptiv- gesteine sind „ıyneous rocks“ (p. 86); die azoischen Gesteine (krystallini- sche Schiefer zunächst) entstanden aus älteren azoischen Sedimenten, ursprünglich horizontal im Meere abgelagerten Trümmern der ältesten Erstarrungsrinde. „Diese ist jetzt zwischen den später krystallisirten, !) Nach Angabe von Dana hatte schon früher Silliman in der Americanischen Ausgabe von Bakewell’s Geology auf diese Wirkungsweise Rücksicht genommen. ?) Das sehr merkwürdige Capitel über Cosmogony beginnt p. 741. In zo) 196 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus den jetzigen azoischen Sedimenten so versteckt (disguised) oder so tief unter ihnen begraben, dafs man sie nicht erkennen kann“ (p. 143). „Der Ausdruck azoisch schliefst Abwesenheit von Organismen ein, aber nicht nothwendig der des niedersten Grades.“ Beweise dafür sind nach Dana die Kalke, der Graphit u. s. w.; „wahrscheinlich entstanden Pflanzen früher als Thiere“ (p. 146). Ursache des Metamorphismus ist unterirdi- sche Hitze und Wassergehalt, gewöhnlich, wenn nicht immer, verbunden mit Druck. „Feuchtigkeit ist wesentlich, weil trocknes Gestein ein Nicht- leiter der Wärme ist (wie die Ziegelsteine lehren) und auch wegen ihrer chemischen Wirkung bei höherer Temperatur“ (p. 707). Bei der Meta- morphose braucht Schmelzung nicht einzutreten, meist ist sogar nur eine verhältnifsmälsig niedere Temperatur nöthig, 300—1200° F., aber lange Dauer derselben erforderlich“ (p. 707). Nach Forchhammer!) ist der gröfsere Theil der skandinavi- schen Gmeilse offenbar so entstanden, dals eruptive Granitmassen Natron- und Kalidämpfe mit sich führten, welche die umgebenden erhitzten sedi- mentären Schiefer durchdrangen. So entstanden Alkalisilikate, welche bei hinreichend hoher Temperatur krystallisirten und je nach der Höhe derselben Granit oder Gneifs bildeten. Weiter entfernt von der Quelle der alkalischen Dämpte wird sich sehr wenig Feldspath bilden, da alles Kalı zu Glimmer sich umsetzt, welcher häufig weils ist, während das Eisen mit Thon- und Kieselerde zu Granat zusammengeht, der im Glimmerschiefer den Feld- spath des Gneilses vertritt. Noch weiter ab vom Granit wird nicht ein- mal mehr Glimmerschiefer sich bilden. da es an Alkalı fehlt, und das letzte Glied der Metamorphose wird ein glimmeriger, verhärteter Thon- schiefer sein. Forchhammer läfst auf diese Weise aus dem Alaunschiefer bei Bugten, Christiania, Gneils entstehen, dessen Kiese den Ursprung aus kiesigem Thonschiefer nachweisen. Die nächste Frage bei Annahme dieser Theorie würde die sein, weshalb nicht überall und stets der immer mit demselben Habitus auftre- tende Granit seine Umgebung mit Alkalisilikaten erfüllt, wefshalb gerade nur der skandinavische Granit reich gewesen sein soll an Alkalidämpfen. Aber selbst wenn man diese Ausnahmestellung für den dortigen Granit !) Rep. Brit. Assoc. for 1844. 166. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 197 zugiebt, wozu nur in der Theorie, nicht in der Wirklichkeit ein Grund vorliegt, so bleibt noch als sehr gewichtiger Einwurf die Thatsache übrig, dals der skandinavische Granit selbst keine Spuren der Entwickelung von Gasen und Dämpfen aufweiset, er ist dort ein ebenso compaktes Gestein wie überall. Die Ansicht, dafs der Granit, etwa wie geschmolzenes Glas, durch in der Hitze abgebenes Alkali die Metamorphose bewirkt habe, ist nicht haltbar, da er dann überall Umänderungen hervorgebracht haben mülste und diesem Verhalten entsprechend auch die ganze Reihe der an Alkalı reichen jüngeren Eruptivgesteine dieselbe Wirkung geübt haben müfste, wofür keine einzige Thatsache vorliegt. Nach Durocher!) findet sich der Metamorphismus vorzugsweise da, wo Sedimente und plutonische Gesteine einander nahe treten. Im Allgemeinen ist dabei die Temperatur nicht hoch gewesen, Halbschmel- zung oder Erweichung kommt nicht vor, in den festen (Gesteinen fand Molekularbewegung statt, ähnlich wie bei der Cementation des Eisens. Aber die Umänderung traf nicht alle Schichten einer Gegend gleichmälsig, wenig veränderte Schichten wechsellagern mit stark veränderten.?) Den einfachsten Fall bildet einfache Änderung der Textur, ein Blättrig- oder Körnigwerden, es entstehen keine neuen Mineralien. Oder die im Sedi- ment pulverig vertheilten Mineralien (wie Feldspath und Glimmer) zogen sich an und bildeten Krystalle, so dafs sich Feldspath- oder Glimmerhal- tige Gesteine entwickelten. Bei dem dritten verwickeltsten Fall entstan- den neue chemische Combinationen, entweder aus den im Sediment vor- handenen chemischen Elementen (so bilden sich Chiastolithe, Staurolithe, Öouzeranit, Dipyr) oder das metamorphosirende Gestein lieferte die fehlen- den Elemente selbst, wie z. B. Granit die zur Feldspathbildung nöthigen Alkalien #). Als nothwendige Bedingung ist zu betrachten lange Dauer der Erwärmung und des Druckes, wobei das Eindringen von Dämpfen nur conjekturalen Werth hat, aber die Mitwirkung thermo - elektrischer Ströme angenommen werden muls. Ist also der Metamorphismus die 1) Bull. geol. (2) 3. 546—657. 1846. 2), 1 e. 643. 3) 1. c. 625. On eomprend que tr&s souvent, dans la formation du gneiss, le gra- nit aura dü ceder la matiere alcaline necessaire & la regeneration du feldspath. 198 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus Wirkung langsamer Aktionen, so scheint doch höhere Temperatur nöthig, welehe Keilhau mit Unrecht ausschliefst. Sieht man die Thonschiefer und die feinkörnigen Grauwacken in der Nähe grofser Granitmassen allmählich. Glanz und blättrige Struktur annehmen bis endlich die Blättehen alle Charaktere des Glimmers, Talkes oder Chlorites zeigen, ohne dafs jedoch die Schichtung verloren geht, so mufs ınan schlielsen, dafs höchst wahrscheinlich die krystallinischen Schiefer meta- morphosirte Sedimente sind.t) Die Wechsellagerung und Übergänge von Gneils in Glimmerschiefer, die in beiden vorhandenen Kalke, Quarzite und Graphite zeigen, dals beide auf dieselbe Weise entstanden sind; das gilt wenigstens für einen Theil der Gneifse, nämlich soweit sie nicht schiefrige (ranite enthalten. Die Granitinseln mancher Gneils- und Glimmerschiefer sind zu unbedeutend, um ihnen die Umwandlung zuschreiben zu können; man ınufs also annehmen, sie sei bewirkt durch ein in der Tiefe liegendes (ranitbad (bamn de granıte?), welchem auch die vorhandenen Granitgänge entstammen. Es gibt also aufser dem lateralen Metamorphismus, dessen Produkte als Zone die sichtbaren plutonischen Massen umgeben, dessen Wirkung ausstrahlt von den plutonischen Massen, einen unterirdischen, von unten nach oben wirkenden vertikalen Metamorphismus, dessen Grund die hohe Temperatur des Erdinnern ist.) Die Wirkungszone der Granite, welche lateralen Metamorphismus hervorrufen, hat im Mit- tel in Norwegen 1200 Meter Breite, in den Pyrenäen erreicht sie eine Breite von 4000 Meter.*) „Wahrscheinlich ist der skandinavische Gneils das älteste Sediment, das aus der dünnen, wenig festen, granitischen Erstarrungsrinde entstand; daher senkten sich die Gmeilsschichten in die unterliegenden heilsflüssigen Massen ein, zerbrachen, falteten sich und wurden aufgerichtet, während der Granit sich überall injieirte. Es giebt in Skandinavien keinerlei Über- sang zwischen der Gmneilsformation und dem Silur, beide sind schnei- Danlzcs2oll. 2) 1. c. 612. 622 3) lac648. 4) 1urcaı6A6: und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 199 dend durch petrographische Beschaffenheit und discordante Lagerung ge- schieden, und wenn auch der Granit das Silur modifieirt hat. nie wird es dem Gneifs ähnlich.!) In Norwegen und Finnland liegt zwischen Gneifs und Silur die sogenannte Urthonschiefer-Formation, welche Thonschiefer. oft Glimmer- und Hornblendeschiefer, selbst Gneifs, aufserdem Grauwacke, Öonglome- rate (poudingues), Quarzite und Kalke einschliefst. Bald lagert sie con- eordant mit dem Urgneifs, welcher bisweilen Thonschiefer, Glimmerschie- fer und Quarzit enthält, bald lagert sie mit dem Urgneils discordant. Eine scharfe petrographische Trennung zwischen der Gneifsformation und dem nächst jüngeren Sediment ist daher nicht ausführbar; ein weiterer Beweis für den sedimentären und metamorphischen Ursprung des Gnei- fses.?) Bei dem Thonschiefer, welcher aus stärker zermahlenem und zer- setztem Detritus entstand als der Gneifs und seltner Granit aufweiset als dieser, ist daher der geringere Grad der Metamorphose erklärlich. Die Gneifse in Schweden und Finnland verdanken ihren Ursprung wohl den Granitgesteinen, „welche die Gneilsformation gebadet und sich nach alien Richtungen in dieselbe ergossen haben“; für die norwegischen Gneilse dagegen und die der Berggegend, welche Norwegen und Schwe- den trennt, mufs man, da in ihnen nur seltene und geringere Granitmassen zu Tage treten, den Einflufs unterirdischer Ursachen annehmen. Gadoli- nit, Orthit u. s. w. gehören nicht dem Gmeifs an, sondern den Gängen und Adern von grobkörnigem Granit. ?) Bei dem ÜOontakt eines massigen oder pyrogenen Gesteins mit einem geschichteten Gesten kann ein Theil der Elemente des ersteren !) 1. e. 620 u. 646. Nach Bayle (l. c. 538) führt der schwedische Gneils an manchen Punkten Spuren von organischen Stoffen und wird von Elie de Beaumont als stark metamorphosirtes Sediment betrachtet. Axel Erdmann hält (J. Min. 1864. 643) den von ihm Protogingneifs genann- ten Gneils der Provinz Dalsland für metamorphosirten Grauwackenschiefer. „Wenn wir grofse Strecken des sogenannten Terrain primitif mit regelmäfsigen Kalklagern erfüllt sehen, so ist das ein Beweis, dafs diese Strecken nicht primitiv sind.“ Kjerulf Geol. des südl. Norwegens 1857. 33. cf. 109. a)e 172621 ®) 1. ce. 623. 200 Rorm über die Lehre vom Metamorphrsmus sich in die letzteren einführen; nicht blos alkalische oder kieselige, sondern auch fertig gebildete metallische Substanzen !), wie Eisenglanz und Mag- neteisen, gelangen durch „Diffusion oder Transsudation“ in die geschich- teten Massen, wobei sie sich oft der Schichtung conform ablagern. Risenglanz, Magneteisen, Granat u. s. w. brauchen nicht Gasgestalt anzu- nehmen um die benachbarten Gangwände zu durchtränken. Manche Gmeilse in der Nähe der Granite entstanden wahrscheinlich durch Trans- fusion des Feldspathes in die schiefrigen Gesteine; ähnlich können, we- nigstens in einigen Fällen, Topas, Smaragd, Turmalin und andere Mine- valien, welche oft Nester in den Schiefern bilden, durch eine Transfusions- erscheinung entstanden sein Ihr Auftreten sieht eher nach einem Mole- eulartransport aus als nach einer Injektion. ?) Magnesiahaltige Emanationen scheinen seit den ältesten und bis in die neuesten Zeiten stattgefunden zu haben. In der Nähe der Eruptiv- sesteine, noch der Basalte der Auvergne und Südfrankreichs, sind die Kalke in Dolomite umgeändert. Wie die Magnesia in die Kalke einge- führt wurde, ist eine untergeordnete Frage, denn Cementation kann ent- stehen bei Contakt mit festen oder gasigen Cementen. Die scharfsinnige Hypothese des Eindringens der dampfförmigen Magnesia quer durch die Ge- steinsspalten hat nur den Vortheil, die Umänderung grolser Massen schnell vor sich gehen zu lassen.®) Die Ersetzung eines Theils des Kalkes durch Masnesia bleibt ein chemisches Problem, ein Räthsel.*) Die letzte, mit den Ursachen des Metamorphismus verbundene Erscheinung ist das Auftreten der Thermen, „die Thermalität der Quellen scheint mit der Zeit zu er- löschen; die nur in den ältesten Epochen gehobenen Gegenden, wie Skan- dinavien, Nord- und Westfrankreich, haben keine Thermen.“ °) An die Stelle plötzlicher und grofser Temperaturerhöhung setzt Durocher „die sekuläre Erwärmung, welche vielleicht nie die Dun- 1) „Les substanees metalliques ont chemine A travers les roches, sans que celles-ci aient eu besoin d’entrer en fusion. 1. c. 636. ce. 639641. e. 879580. ce. 644. ec. 641. a). )ı SE x h und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 201 kelrothgluth erreicht hat,“!) und erklärt die Umwandlung durch Öementa- tion in festem, nicht erweichtem Gestein, durch Ersatz von Molekul zu Molekul, betrachtet sie jedoch wesentlich als eine Oontakterscheinung. Wo der Contakt nicht sichtbar ist, wird eine unterirdische Berührung, ein „Granitbad“ angenommen, denn „der Granit ist es vorzugsweise, der in den geschichteten Sedimenten neue Mineralien hervorbringt.”) Durocher spricht an vielen Stellen aus, dafs man die Thatsachen annehmen müsse, wenn auch die vollständige Erklärung fehle. An vielen Punkten, wo sie Durocher vermilst,?) läfst sie sich wohl durch die Wirkung der Lösungen liefern, welche aus der Verwitterung und Zer- setzung hervorgehen, so z. B. bei der Verkiesung und Verkieselung der organischen Reste, an anderen Stellen durch den Satz, dafs dieselbe Wir- kung von mehr als nur Einer Ursache herrührt, wenn auch vollständige Erklärung bis jetzt nicht überall zu geben ist. Wie alle Metamorphiker bleibt auch Durocher betreffs der Entstehung der krystallinischen Schie- fer den Beweis schuldig, warum diese nothwendig metamorphisch sein müssen. Und wieder müssen die Versteinerungen führenden Quarzite der Bretagne, welche mit nicht veränderten Thonbänken (bancs d’argile) wechsellagern, metamorphe Sandsteine sein; freilich fügt Durocher vor- sichtig hinzu: „Es scheint, dafs, wenn der Metamorphismus, der diese Gesteine hervorbrachte, unter Wirkung der Hitze sich entwickelte, die Erhöhung der Temperatur eine sehr geringe war.“*) Durocher selbst ist weit entfernt davon, seine Theorie als alle Erscheinungen erklärend zu betrachten. Die Verschiedenheit der Einwirkungen der Granite in verschiedenen Gegenden entgeht ihm nicht, die Ursache derselben er- scheint ıhm geheimnilsvoll.®) Während in Norwegen der postsilurische, verhältnifsmälsig kieselsäurearme Granit zunächst Kieselsäure an die Schie- fer abgiebt, bringt der postsilurische Granit der Bretagne in den Schie- fern Glimmer und Chiastolithe hervor; in den Alpen veranlalst der Granit 1) 1. ec. 643. „flux de chaleur seculaire.“ 2) 1. ce. 629. 3) 1. ce. 644. +) 1. e. 604. 5), 12.0.2028; IV > Phys. Kl. 1871. 902 Rorm über die Lehre vom Metamorphismus weithin Bildung von Gneifs, Glimmerschiefer und talkigen Gesteinen, aber weder Verkieselung noch Chiastolithbildung. Wenn der norwegische Gra- nit Quarz abgegeben hätte, so mülste entfernter von den veränderten Schie- fern sein Quarzgehalt zunehmen, aber das ist nicht der Fall. Ähnliches gilt nach Durocher, wenn auch nicht so schlagend, für die übrigen plutonischen Gesteine.!) Durocher nimmt nicht an, dafs das Flülsigwerden des Granites durch seine geringe, weniger als 4 0 betragende Menge Wasser erleich- tert werden konnte.?) Aber ihm sind doch die eruptiven Gesteine feurig- flüssig aufgestiegen, er giebt sie nirgend für metamorphosirte Sedimente aus. Seine Theorie der Transfusion und Transsudation, den Erscheinun- sen der Öementation entnommen, erscheint zur Erklärung der Metamor- phose grofser Gebirgsmassen als eine sehr kühne Hypothese und ist unzu- länglich bewiesen. Man kann z. B. nicht die Feldspathe oder die Glimmer der Granite als Quelle der Alkalien für die Feldspathbildung in den Gneifsen in Anspruch nehmen, da die Analysen in ihnen keinen Mangel an Alkalien nachweisen, so lange man unverwitterte, frische Mineralien untersucht. Die zahlreichen Beobachtungen Durocher’s behalten trotzdem grofsen Werth. Den weitesten Umweg zur Erklärung der Bildung der krystallini- schen Schiefer schlägt G. Bischof in seinem Lehrbuch der chemischen und physikalischen Geologie (ed. I 1847 —1854; ed. 11. 3. Bd. 1863— 1866) ein. Der Verfasser der „Wärmelehre des Innern unsers Erdkörpers“ (1837) nimmt den feurigflüssigen als den Anfangszustand der Erde an. Es ergiebt sich ihm, dafs „aus der angenommenen Existenz eines primä- ren Feldspathgesteins die Bildung aller Gesteine, welche man zu den Ur- gesteinen zählt, abgeleitet werden kann. Durch Metamorphosen gingen aus diesem Muttergestein massige granitische Gesteine hervor, durch Ero- sion wurde aus demselben dem Meere das Material zur Bildung der Ur- schiefer zugeführt.“3) „Der Granit kann nur auf hydrochemischem Wege 1) ]. c. 629. 2) Bull. geol. (2) 4. 1033. 1847. Ausgesprochen im Gegensatz zu Scheerer's S. 205 angeführten Ansichten. 3) Ed. U. Bd. 3. 269. und die Entstehung der krystallimschen Schiefer. 203 entstehen“!); „auf dem Meeresboden kann keine Stelle gedacht werden, wo noch das ursprüngliche Gestein, welches vor allen sedimentären Bil- dungen existirt haben muls, zu finden wäre.“?) „Nur zwei Mineralien, Leueit und Augit, sind es, die auf plutonischem Wege gebildet werden können); die krystallinischen Gemengtheile der krystallinischen Gesteine sind ausschliefslich auf nassem Wege gebildet.“*) Sogar in den Laven wird der bei der Erstarrung etwa unkrystallisirt gebliebene Theil „durch die Durchdringung mit Meteorwassern krystallinisch. Es ist sogar denk- bar, dafs Krystalle, welche in der erstarrenden Lava unvollkommen aus- gebildet wurden, durch die später auf nassem Wege fortschreitende Kry- stallisation zur vollständigen Ausbildung kamen.“°) Wenn in Sedimen- ten in Folge der eingetretenen Krystallisation „ein Reinigungsprocels* stattfindet, d.h. „das ausgeschieden wird, was die Krystalle nicht brau- chen können,“ so wird das Ausgeschiedene, sofern es löslich ist, von den Gewässern fortgeführt. Was zur Bildung krystallisirter Mineralien fehlt, ergänzen die Gewässer.6)* Auf diese Weise wird es begreiflich, „wie an die Stelle der kohlensauren Kalkerde die Hauptgemengtheile des Gnei- (ses treten können“?) und „aus einem Kalkstein kann daher ein Granit oder Gneils werden.“ ®) Bischof’s ultraneptunische Ansicht, fast das genaue Gegenstück der ultraplutonischen Hutton’s, will nach Naumann’s Ausdruck „eine Hysterokrystallisation auf hydrochemischem Wege“: „lang dauernde Durch- wässerung der Gesteine (wobei das Wasser alles etwa Fehlende zuführt) bewirkt substanzielle Veränderung und Umkrystallisirung“, und zwar bei gewöhnlicher Temperatur. Folgerecht gehört es für Bischof „zu den unbegreiflichen Dingen, wie die Hypothese einer plutonischen Metamor- 1) ib. 270. 2) ib. 274. 3)» ib. 254. 4) ib. 262. 5) ib. 2. 304. ef. 107 u. Ed. I. Bd. 2. 2197: Für die Sanidine im Arsostrome, Ischia, würde sich eine Bildungsdauer von mehr als 500 Jahren ergeben. 6) ed. II. Bd. 3. 243. 7), »ib.88. 3) ib. 34. 26* 204 Roru über die Lehre vom Metamorphismus phose ganzer Gebirge in der Geologie Platz greifen konnte.) Die mei- sten der sogenannten Oontaktwirkungen rühren unzweifelhaft davon her, dafs da, wo sich zwei verschiedene Gesteine berühren, der Zutritt der Gewässer erleichtert ist.“ ?) Man darf als den Ausgangspunkt der Ansichten Bischof’s die Pseudomorphosen bezeichnen, welche der neptunischen Betrachtung geo- logischer Vorgänge so ausgezeichneten Vorschub leisten. Der Chemiker Bischof räumt jedoch der Erörterung der geologischen Thatsachen ®) einen viel zu kleinen Theil ein und gar keinen, wenn Widersprüche für seine Ansichten daraus folgen. Als die bedeutsamste Erscheinung tritt der Umweg zur Bildung der krystallinischen Schiefer hervor, der erst ein amorphes oder doch nur ähnlich wie die Lava mikrokrystallinisches Feld- spathgestein, dann dessen Umbildung zu Granit, dann eine Verwitterung des Granites fordert und endlich aus dem neu entstandenen Sediment die krystallinischen Schiefer ableitet. Dafs sich die Bildung derselben in spä- teren Epochen nicht wiederholt, schreibt Bischof dem Mangel an Alka- lien in den späteren Absätzen zu.*) Er läfst aus Thonschiefer Gneifs entstehen; wenn dann der gebildete Feldspath in Quarz und Glimmer zer- legt wird, entsteht Glimmerschiefer:; dieser kann daher aus Gneifs hervor- gehen, aber nicht umgekehrt. Wird 'Thonschiefer in Gneifs oder in Glimmerschiefer umgewandelt, so scheidet sich Kieselsäure aus, aber in letzterem Falle mehr als in ersterem, daher mehr Quarz im Glimmer- schiefer als im Gneils.?) Die mit beiden wechsellagernden Hornblende- schiefer entstehen so, dafs die ursprünglichen 'Thonschiefer vorzugsweise Kalk, Magnesia und Eisenoxydul enthielten. ®) 1) Bd. 3. 189. 2) ib. 188. >») Bd. 2. 736. „Wir können keinen einzigen volleültiven Beweis für die Entstehung x - {e} > auch nur eines einzigen Glimmerblättchens auf pyrogenem Weg finden.“ Und der Glimmer der Vesuvlaven? Uber Olivin vergl. Bd. 3. 286. 5 HABT. 8. 271: und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 205 Besteht Bischof’s grofses unbestreitbares Verdienst in dem Nach- druck, den er auf chemische Prozesse, besonders der Verwitterung und Zersetzung lest, so hat er diesen eine ungebührliche Ausdehnung gegeben, so weit, dafs er Ursache und Wirkung häufig umkehrt. Scheerer!), der die schon 1825 von Poulett Serope?) aufge- stellte Ansicht eines feurigwässrigen Flusses der Lava für Granit wieder- aufnimmt, läfst bei dem langsamen Erkalten endlich das Wasser mit sehr hoher Temperatur, aber doch flüssig, und unter sehr hohem Druck aus dem Granit hervortreten, beladen namentlich mit Kieselsäure und ande- ren gelöseten Substanzen. Diese Lösungen erklären z. Th. den Contakt- metamorphismus. Sieht man die Thonschiefer durch eindringenden Gra- nit wohl gefaltet, aber nicht zerbrochen, so spricht das für eine gewisse Plastieität in Folge ihres Wassergehaltes; sind sie durch Granit in Gneils und granitische Gesteine umgewandelt, so spricht das für Umänderung bei Gegenwart von Wasser, hoher Temperatur und entsprechendem Druck. Scheerer nimmt an, dafs die primitiven krystallinischen Schiefer unter Wasser und starkem Druck geschmolzen sind. „Die plutonische Theorie vermag mit Hilfe des polymeren Isomorphismus und des Para- morphismus ein Bild von der Entstehung der krystallinischen Urgebirgs- arten zu entwerfen, welches genauer mit den in der Natur angetroffenen geognostischen und petrographischen Verhältnissen übereinstimmt als dies bis jetzt von irgend einer anderen geologischen Theorie hat erreicht wer- den können.“?) „Man kann in Skandinavien eine Thonschiefer- und Kalksteinbildung von ihrem ersten Absatze an bis dahin verfolgen, wo sie als Gneils und krystallinischer Kalk mit mancherlei fremdartigen Mi- 1) Bull. geol. (2) 4. 494—495. 1847. ?) Considerations on voleanos p. 110: „aqueous vapour — which lava contains and to which alone its liquidity is owing.* Auch Elie de Beaumont nimmt für Granit nicht einen feurigen Fluls an. Bull. geol. (2) 4. 1311. 1847. Zu demselben Schlufs gelangt Sorby (Jahrb. Min. 18561. 771) und Gruner (Bull. geol. (2) 23. 110. 1866) hält Granit, Quarzporphyr, Trapp „für hydropyrogene Gesteine, in denen überhitztes Wasser als energisches Lösungsmittel oder mächtiges Flufsmittel wirkte.* 3) Der Paramorphismus. Braunschweig 1854. 69. 206 Rorn über die Lehre vom Metamorphrismus neraleinsehlüssen auftritt. Diese — uns nun nicht mehr als accessorisch, sondern als genetisch bedingt erscheinenden — Mineralien entwickeln sich aus Bestandtheilen, welche in der Kalk-Thonschiefermasse theils ursprüng- lich vorhanden waren, theils erst später hinzugekommen sind. Wärme ist jedenfalls, daneben Wasser bei der Metamorphose von Thonschiefer und Kalkstein zu Gmneils und Marmor thätig gewesen.“1) Scheerer ist jedoch geneigt einem Theil des skandinavischen Gneilses das Privilegium der Aboriginität zu wahren. Den grauen erzgebirgischen Gneils hält Scheerer 1853?) für ein an Ort und Stelle metamorphosirtes Gebilde, während der rothe, noch an den Granit sich anschlielsende Gneifs bei seiner Metamorphose zugleich mehr oder weniger eruptiv wurde. Die Entscheidung, ob die krystallinischen Schiefergesteine (Gneils, Glimmerschiefer), welche in den westlichen Alpen die Granite und Syenite zunächst umgeben, nur metamorphische oder zum Theil Urschiefer sind, hält Scheerer 1858 für schwierig.3) Später (1862) *) weiset Scheerer für die erzgebirgischen Gneilse die metamorphische Entstehung ab. „Sie bildeten eine vollkommen homogene, plutonisch flüssige Masse, die mög- licher Weise mehr Wasser enthielt als jetzt. Chemische und physische Wirkung von Wasser, hoher Temperatur und Druck sind die Hauptagen- tien, welche die chemische Masse dieser Gesteine in der Weise bearbei- teten, dafs dieselbe dadurch den Charakter des Gneilses annahm.“ In dem Aufsatz „über die chemische Constitution der Plutonite* 1866 rechnet Scheerer die Gneilse zu den Plutoniten, welche mit den Metamorphiten „als Übergangsstufen aus den wässrig sedimentären Gebil- den (Neptuniten) in die feurig eruptiven (Vulcanite) fungiren.* Plutonite und Vuleanite zusammen umfassen „sämmtliche ursprünglich geschmolzene und später zum Theil eruptiv gewordene Silikatgebilde.* „Selbst die Laven können nicht als rein vulkanische - feurige-Gebilde angesehen wer- 1) Zs. geol. Ges. 4. 45. 1852. et. Karsten und von Dechen Archiv 16. 134. 1342 und Paramorphismus p. 115. 2) Jahrb. Min. 1554. 44. ®) Berichte d. Kgl. Sächsischen Ges. d. Wissenschaften. 10. 91 u. fig. *) Zs. geol. Ges. 14. 119—120. 1862. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 207 den. Auch sie, als geschmolzene Massen, entstiegen dem Krater in einem wasserhaltigen Zustande; nur pflesten die Umstände nicht der Art zu sein, dals dieser Wassergehalt bei der Erstarrung der Laven als ein che- mischer Bestandtheil in ihnen zurückgehalten wurde.“ Die Plutonite, in dieser Beziehung genetisch von den Vulkaniten nicht trennbar, befanden sich, obgleich ursprünglich als geschmolzene Massen auftretend, hierbei unter der gleichzeitigen Mitwirkung des Wassers, welches noch gegen- wärtig als chemischer Bestandtheil in ihnen angetroffen wird. Scheerer hält also den wässrigfeurigen Flufs für alle plutonischen und vulkanischen Gesteine fest und bedingt den Unterschied zwischen ihnen durch die Art ihrer Erstarrung. Nachdem Scheerer seine 9 chemischen Gesteinstypen so gebildet hat, dafs er den dritten Theil des Sauerstoffs vom Wasser zum Sauerstoff der Basen RO addirt, weil 3 Atome Wasser in der che- mischen Rolle von 1 Atom MgO, FeO, MnO, CaO auftreten, gelangt er dahin, die Gneuse, Granite, Bunsen’s Normaltrachyt u. s. w. zu den Plutoniten zu rechnen, dagegen Augitporphyr, Bunsen’s Normalpyroxen- gestein, Gabbro-Hypersthenit, Diorit, Dolerit, Basalt u. s. w. als Vulcanite aufzufassen. Läfst sich geognostisch gegen diese Trennung sehr Gewich- tiges einwenden, so ändert sich auch, wenn man den Wasserstoff als Vertre- ter der einwerthigen Elemente (Kalium, Natrium u. s. w.) in manchen der früher als wasserhaltig betrachteten Mineralien auffalst, in anderen die Aufnahme des Wassers als Wirkung der Verwitterung anerkennt, das chemische Bild sehr bedeutend. Nach B. Cotta!) kann dichter Kalkstein oft durch Wärme stär- ker erweicht werden als die ihn einschliefsenden Gesteine und dann in diesem erweichten Zustande, der Form nach eruptiv, in die Umgebung eingeprelst werden, so dafs er aufser regelmäfsigen Lagern Gänge, Ver- ästelungen und stockförmige Massen zu bilden vermag. Damit ist kry- stallinisch körnige Erstarrung und die bekannte Contaktbildung verbun- den. Cotta hält es für möglich, dafs Thonschiefer und Schieferthon mit seinen Kalksteinen in glimmerhaltigen körnigen Kalk, welcher parallel der Schieferung liegt, umgewandelt wird. (Zaunhaus in Sachsen, Wunsiedel.) 1) Zs. geol. Ges. 4. 47. 1852 und schon früher seit 1834. (Jahrb. Min. 37 u. 329.) 208 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus Wo den thonigen Sedimentgebilden Kalk fein eingemengt war, entsteht Hornblendeschiefer. !) „Die krystallinischen Schiefer mit Ausschluls manchen Gneilses (schiefrigen Granites) sind das letzte Resultat jenes sehr allgemeinen Um- wandlungsprocesses, der alle diejenigen Sedimentablagerungen betroffen hat und noch fortwährend betrifft, welche durch neuere Ablagerungen mehr oder weniger stark bedeckt wurden. — Dadurch wurden die be- deekten Schichten nicht nur erhöhtem Druck, sondern auch erhöhter Temperatur ausgesetzt.“ — Druck und Wärme, vielleicht auch noch in Verbindung mit Wasser, bewirken die Umwandlung. Wo also krystalli- nische Schiefer die Erdoberfläche bilden, sind sie erst wieder gehoben und ihrer Bedeckung beraubt. In den Alpen sind nicht nur die alten Sedimente verändert, sondern auch noch Juragesteine z. Th. zu krystal- linischen Schiefern geworden und später durch sehr energische Hebungen blosgelegt. In den Alpen erscheint überhaupt die Skala der Umwandlun- gen gleichsam etwas höher heraufgerückt.?) „Die krystallinischen Schie- fer sind nicht durch erste Erstarrung der Erdmasse gebildet, so viel ist sicher. * ®) Die ersten Arbeiten über Metamorphismus von Delesse sind vom Jahre 1851.) Ich entnehme das Folgende seinen schon angeführten Etudes sur le metamorphisme des roches 1861. Er hält die krystallinischen Schiefer für metamorph; ihr Eisenglanz ist nicht durch Infiltration oder Dämpfe eingeführt, das Eisenoxyd des Sedimentes krystallisirte im Augen- blick des Metamorphismus, wobei die Blättchen sich nach der Schieferung orientirten. Ihr Magneteisen rührt von dem Eisenoxyd her, das nicht in die Masnesia-Eisensilikate einging, sondern reducirt und krystallinisch wurde.°) Aller Graphit stammt von organischer oder bituminöser Sub- stanz. Ihre KRalke sind ebenfalls metamorph und der Grad der Krystallini- tät hängt ab von dem Grade des Metamorphismus der sie einschlielsenden I) Jahrb. Min. 1851. 572. *) Jahrb. Min. 1562. 674. >) ib. 678. %) Sur l’origine des caleaires erystallins et notamment du calcaire du gneiss. Bull. &sol. (2) 9. 138. 5) Btudes p. $S u. 9. und die Entstehung der krystallimschen. Schiefer. 209 Gesteine.!) Da Delesse die Ausstolsung gewilser Substanzen und die Zufuhr aus nächst gelegenen Gesteinen im Augenblick des Metamorphis- mus für möglich hält (ohne freilich das Wie anzugeben), so wandern die Mineralien in einem Gestein oder in das nächste mit Leichtigkeit.?) Aus Magnesia haltigem Thon wird Talkschiefer; enthält er noch Eisen, Chloritschiefer; aus Thon mit Kalk, Magnesia und Alkalı wird Horn- blendeschiefer. _Amorpher thoniger Schiefer liefert Glimmerschiefer, bei Überschufs von Kieselsäure quarzreichen Glimmerschiefer; war reichlich Alkalı vorhanden oder wurde es zugeführt, so entstand Gmeils. Dieser, ein Zwittergestein zwischen geschichteten und eruptiven Gesteinen, mulste im Moment, wo er krystallisirte, mehr oder weniger plastisch werden und konnte daher als Eruptivgestein auftreten.?) Schliefslich sind nach De- lesse alle plutonischen Gesteine metamorphischen Ursprungs und auf Kosten der metamorphischen Gesteine entstanden, in welche sie Übergänge bilden. Diese gehen aus den Sedimenten hervor und werden zu plutoni- schen Gesteinen, wenn der Metamorphismus den höchsten Grad erreicht. *) Ein entsprechendes Sediment wird Hornblendeschiefer und dieser wird eruptiver Diorit, oder ein Sediment wird Gneifs und dieser wird erupti- ver Granit. Da es seit den ältesten Zeiten vulkanische Gesteine (wie Trachyt und Dolerit) gegeben haben muls, so erklärt Delesse ihr Fehlen oder ihre Seltenheit in den älteren Sedimenten durch den allgemeinen Meta- morphismus, der sie in die entsprechenden plutonischen Gesteine unter Ver- lust der zelligen Textur und des Glasglanzes ihrer Mineralien umgewan- delt hat.) So wurde aus Trachyt Granit, gerade umgekehrt wie L. von Buch aus Granit Trachyt entstehen liefs. Die plutonischen Gesteine entgehen dem allgemeinen Metamorphismus keineswegs, sie krystallisiren von neuem (ebenso wie die von ihnen durchbrochenen Gesteine), ändern ihre Struk- tur im Grofsen und Kleinen, es entstehen neue Mineralien, während an- I), SL ICT AT. 2) l. ec. 56. 3) 1.202,80: a kelke SIT 1.C. 27 WD | Phys. Kl. 1871. 2310 Rorm über die Lehre vom Metamorphismus dere verschwinden. Da sich die plutonischen Gesteine mit denselben Charakteren in allen metamorphischen Terrains wiederfinden, müssen sich die letzteren in allen geologischen Epochen gebildet haben.) „Sonach ergibt sich, die plutonischen Gesteine sind nicht die Ursache, sondern eine Wirkung des Metamorphismus,?) aber sie üben selbst wieder einen örtlich beschränkten Contaktmetamor- phismus auf ihre Umgebung aus.“ „Bei Annahme feurigflüssiger Entstehung der Erde muls die erste Erstarrungsrinde vulkanisch sein. Sie wurde zum Theil durch die heftige Einwirkung des econdensirten, ursprünglich dampfförmigen Wassers zer- stört und lheferte Sedimente von sehr grofser Mächtigkeit. Diese begrei- fen den ganzen unseren Untersuchungen zugängigen Theil der Erdrinde, wie sie auch alle Elemente zu den eruptiven und vulkanischen Gesteinen enthalten. In diesen ersten Sedimenten bildeten sich durch Wirkung des Wassers, Druckes, der Hitze und Molekularbewesungen die Mineralien, und je nachdem die krystallinische Struktur sich mehr oder minder entwickelte, war das entstehende Gestein Gneils oder Granit.“®) Als normale d. h. nicht metamorphosirte Gesteine gibt es also für Delesse nur Sedimente. Sie können z. Th. krystallinisch sein wie Anhydrit, Gyps, Kalk, Dolomit, Quarz; z. Th. amorph wie Thon, Mergel, Schieferthon, Thonschiefer, Eisenoxydhydrat. Aber alle Gemenge aus krystallinischen Silikaten, aller Kalk mit Silikaten, aller krystallinische Anhydrit, Gyps, Kalk soweit er in metamorphischen Gesteinen eingeschlossen ist, die Quarzschiefer, der Jaspis sind metamorphisch, mögen die ersteren als krystallinische Schie- fer, als eruptive oder als vulkanische Gesteine auftreten. Daneben ist noch die Ansicht von Delesse zu erwähnen, dafs Wasser schmelzbare und unschmelzbare Gesteine plastisch macht.*) „Un- ter Druck und Wasser kann im Innern der Erde Quarz erweicht und selbst plastisch werden.“5) „Damit sich die Mineralien des Granites ent- Dr 21176.728. EC. De 4) Bull. geol. (2) 15. 732. 1858. 5) Etudes. 52. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 211 wickeln konnten, ist nur ein wenigplastisches Magma nöthig. Wasser, unterstützt durch den Druck und sekundär durch nicht übermäfsig hohe, sicher unter der Rothglühhitze liegende Temperatur, hat diese Plasticität bewirkt.“ 1) Auch bei Delesse bilden die Sedimente den Ausgangspunkt trotz der Annahme einer feurigflüssigen Erstarrungsrinde. Daubree?) hält für wahrschemlich, dafs die erste, aus feurigem Fluls erstarrte, ohne Mithülfe flüssigen Wassers entstandene Erdkruste von dem bei Erniedrigung der Temperatur flüssig gewordenen Wasser, „dem Wasser des Uroceans“ (de cet ocean primitif) durchdrungen wurde, so dafs sich ihre Beschaffenheit durch metamorphische Thätigkeit änderte und krystallisirte Mineralien entstanden, ähnlich wie bei Daubree’s be- kannten Versuchen in den Röhren.?) „Der nasse Weg und der trockne Weg gingen also unter diesen extremen Bedingungen neben einander her, Lösung und Neubildungen wechselten, und so entstanden massige Gebires- arten — Granite — und Gebirgsarten mit Anzeichen von Sedimentirung — krystallinische Schiefer — welche im engsten Verband mit einander stehen. Ausschliefslich auf trockenem Wege entstandene Gesteine darf man auf der Erde nirgend zu finden hoffen. Die ersten Absätze blieben lange in einem weichen Zustande, sehr günstig zur Entstehung der Schie- ferung, welche vielleicht seitlichem Druck ihre Entstehung verdankt. Zweifellos geben die vorsilurischen krystallinischen Schiefer Kunde von der einstigen hohen Temperatur der Erdoberfläche und der später ertolg- ten Temperaturabnahme. Der Actualismus reicht nicht aus ihre Entste- hung zu erklären, sie sind ein Beweis gegen ihn.“ Sind also nach Daubre&e die krystallinischen Schiefer metamor- phischer Entstehung, zeigen sie sogar den Metamorphismus in seiner stärk- sten Wirkung, so sind sie ihm doch nicht umgewandeltes Silur. Ihre Umwandlung war vor dem Absatz des Silur vollendet. Der Weg Dau- 1) Bull. geol. (2) 15. 776. 1858. 2) 1. c. Etudes 1860. 121. Ebenso im Rapport sur les progres de la geologie ex- perimentale. 1567. 3) 1. e. 121. „de m&me que dans nos tubes.* Über Daubree’s Versuche s. Ann. min. (5) 12. 1857 und Bull. geol. (2) 15. 93. 1858. 6 1 2312 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus bree’s ist kürzer als der von Bischof, aber das Gelingen seiner Ver- suche, bei denen wasserfreie Silikate neben wasserhaltigen auf nassem Wege bei hohem Druck dargestellt wurden, verleitet ihn, dieselbe Ent- stehungsweise den krystallinischen Schiefern zuzuschreiben. Es ist eben so sicher, dafs bei hoher Temperatur ohne Gegenwart jeden Wassers kry- stallisirte Mineralien entstehen können, als dafs Gase und Dämpfe bei dem Erstarren der krystallinischen Schiefer (und des Granites) gegenwärtig waren; eine freilich ungeheuer geringe Menge von Gasen und Flüssig- keiten ist eingeschlossen in den Mineralien derselben. Aber daraus folgt nicht, dafs die krystallinischen Schiefer in der von Daubre&e angenom- menen Weise entstanden. Wenn Chloritschiefer mit Turmalın dafür spre- chen sollen, so bleibt die Möglichkeit oder richtiger die Wahrscheinlich- keit, dafs der Chlorit späterer Verwitterung seine Entstehung verdankt. Die hohe Temperatur, bei welcher er das Wasser abgibt, ist kein Beweis für das Gegentheil, da der sicher als Verwitterungsprodukt auftretende Speckstein dasselbe Verhalten zeigt. Wenn auch Augit auf nassem Wege bei hohem Druck sich bildet, so folgt daraus nicht, dafs aller Augit (Py- roxen!) auf diese oder auf ähnliche Weise entstanden ist.?) Daubrde nimmt an, dals grofse aus Sedimenten bestehende Mas- sen, in denen keine Eruptivgesteine auftreten, metamorphosirt sein kön- nen. Wenn silurische und devonische Thongesteine schiefrig werden, Chlorit führen oder Feldspath, Quarzadern zeigen, wenn die Sandsteine zu Quarziten werden, so sind sie metamorph, „denn sie können ursprünglich diese mineralogische Beschaffenheit nicht gehabt haben.“ 3) Noch stärker tritt die Metamorphose in den talkigen, grünen und Hornblendeschiefern, im Talkgneils, Quarzit und den glimmerigen Kalken der Alpen hervor. Sie und ähnliche krystallinische Gesteine sind metamorph, weil, ähnlich wie dem Contaktmetamorphismus, 1) die untergeordneten Gesteine in sicher sedimentären Gebirgsar- ten analoge Zusammensetzung zeigen wie die in den krystalli- nischen Massen: so Kalk, Dolomit, Gyps, Quarzit, Talk- und 1) Rammelsberg, Zs. geol. Ges. 20. 34. 1868. 2) Daubree l. c. 110. 3) 71.202260. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 213 Chloritschiefer. Ferner ist, wie Bischof gezeigt hat, die che- mische Zusammensetzung gewisser Übergangsthonschiefer nahe dieselbe wie bei Gmeils und Granit. 2) weil unbezweifelte allmähliche Übergänge vorhanden sind zwi- schen krystallinischen und geschichteten, Versteinerungen füh- renden Gesteinen. Besonders in den Alpen, wo in wenig ver- änderte Sedimente krystallinische Gesteine eingeschaltet sind. 3) weil bei der Contaktmetamorphose die Krystallisation nicht im- mer die Spuren der organischen Reste verwischt hat. (Granat, Hornblende, Epidot, Dipyr, Chiastolith, Axinit.) Die bekann- ten Silikatblöcke der Somma zeigen die Möglichkeit der Umän- derung. 4) weil man in sehr krystallinischen Feldspath- und Glimmerge- steinen Pflanzenreste findet. So in den feldspathhaltigen Grau- wacken von Thann, den Schiefern von Bussang, Vogesen, der „pierre carıde* der Loire.!) Gegen den ersten Grund ist der Satz anzuführen, dafs viele Mine- ralien auf nassem und trocknem Wege entstehen können. (Quarz, Epidot, Magneteisen, Flulsspath, Schwerspath sind Beispiele dafür. Gegen Bischof’s These ist zu erinnern, dafs die chemische Iden- tität oder fast vollständige chemische Identität eines Gemenges von Quarz und Thon mit einem Gestein aus Quarz und Feldspath doch nichts weiter beweiset, als dafs der verwitterte Feldspath wenig Alkalı und keine Thon- erde abgegeben hat. Aber diese chemische Identität ist sicher kein Be- weis für die physikalische und genetische. Wenn beı dem zweiten Grunde die Lagerungsverhältnisse unzwei- felhaft gleichzeitige und gleichgeartete Ablagerung beweisen, wenn nicht etwa spätere Einschiebung und Dislokation statt fand, so würde dort die Frage, ob Metamorphose vorliege noch zu erörtern sein. Immer bliebe dann noch zu entscheiden, ob das dort Gefundene auch für die grofse, überall gleichmäfsig und reich entwickelte Formation der krystallinischen Schiefer nothwendig Geltung haben mufs. 314 Rorm über die Lehre vom Metamorphismus Gegen den dritten Grund ist zu sagen, dafs, wenn in Sedimentge- steinen die genannten Mineralien bei der Contaktmetamorphose entstehen, damit ein Beweis für diese Entstehungsart geliefert ist. Aber der Schluls, dals Mineralgemenge, in denen jene Mineralien vorkommen, darum umge- ändert sein müssen, läfst für dieselbe Wirkung stets eine und dieselbe Ursache voraussetzen. Die Metamorphose kann erst dann als vorhanden angenommen werden, wenn die Möglichkeit der ursprünglichen Bildung, als der einfachste Fall, durch geologische und chemische Gründe ausge- schlossen ist. Der vierte Satz zeigt wiederum, dafs Mineralien, die oft auf feu- rigflüssigem Wege entstehen, auch auf nassem Wege entstehen können. Ob nicht Einsehlüsse für gleichzeitige Bildungen genommen wurden, könnte nur die genaueste Untersuchung jedes einzelnen Falles lehren. Hohe Temperatur allein kann nach Daubr&e so mächtige Ablage- rungen nicht verändert haben, schon die Gleichmäfsigkeit der ausgeübten Wirkung spricht dagegen; Gase und Dämpfe (Chlor-, Fluor-, Borverbin- dungen u.s.w.!), Druck und vor Allem überhitztes Wasser haben mitgewirkt. Daubree hat durch Behandlung von Klingenberger Thon mit Wasser von Plombieres bei hoher Temperatur und Druck perlmutterglän- zende, weilse, hexagonale, doppeltbrechende Blättchen dargestellt, die wie Glimmer aussehen. Sie sind schmelzbar, werden durch Salzsäure ange- griffen, welche Thonerde auszieht; zur quantitativen Analyse war jedoch die Menge zu gering. Es erscheint ihm sehr wahrscheinlich, dafs die Substanz ein „einaxiger Glimmer oder ein Chlorit ist.“?) Daubree drückt sich so vorsichtig aus, dafs man nach seinen Angaben nicht be- haupten kann, er habe wirklich Glimmer oder Chlorit dargestellt. Nach seinen Versuchen verliert sibirischer Kaliglimmer, behandelt wie der Thon, kaum seine Durchsichtigkeit. Daubree geht gewils zu weit, wenn er allen Quarz, den der eruptiven und der metamorphischen Gesteine, der Gänge, auf nassem Wege entstehen läfst,3) weil er ihn auf diese Weise 1) Vel.In C.R. 29. 227. 1849 u. Ann. min. (4) 16. 129—156. 1849, C. R. 32. 625. 1851 u. ©. R. 39. 153. 1854 die von Daubre&e angestellten Versuche zur künstlichen Nachbildung von Mineralien. )alatcE 93: 3) 1. c. 105. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 215 erzeugt hat. Die Quarze der Liparitlaven sind ein schlagender Beweis gegen diese Behauptung. Ebenso wenig beweiset die Gegenwart wasser- haltiger Silikate, Zeolithe u. s. w. in Basalt und Phonolith eine Mitwir- kung des Wassers bei Entstehung des Gesteines; die mikroskopischen Un- tersuchungen haben vielmehr mit Sicherheit gelehrt, dafs die Zeolithe Produkte späterer Veränderung sind. Wenn Daubree das Wasser bei den feurigflüssigen Eruptivgestei- nen „eine Art wässriger Schmelzung, die bisweilen durch den Druck blei- bend wurde,“!) bewirken läfst, wenn er sogar der Volumenvermehrung durch den Einflufs des Wassers eine Wirkung auf die Eruption der Pho- nolithe und Basalte zuschreibt,?) oder vom Constitutionswasser der Eruptiv- gesteine redet, so darf man diese Ansichten sicher als übertrieben und nicht in der Natur begründet bezeichnen. Dafs bisweilen Wasserdämpfe die Ausbrüche der älteren Eruptivgesteine begleiteten, während sie in den Vulkanen die gewöhnliche Erscheinung sind, läfst sich durch manche Er- scheinungen belegen (Predazzo u. s. w.), aber die hydroplutonischen Con- taktwirkungen der älteren Zeiten sind viel weniger zahlreich als die rein plutonischen.?) Wenn wie in gewissen Theilen der Alpen (Graubünden) die obe- ven Gebirgspartien metamorphosirt sind und die darunter liegenden nicht, 1) 1.c. 109 „sorte de fusion aqueuse rendue quelque fois persistante par la pression“. 2ytalike. N: 3) Das Vorkommen granatführenden Opals in der Nähe der Granitgrenze im west- lichen Theile von Elba bezeichnet vom Rath (Zs. geol. Ges. 22. 644) als „überzeugend für die hydroplutonische Contaktwirkung des Granites“. Der schwarze Opal verdankt seine Färbung der Einmengung einer rothbraunen Substanz (Nisenoxydbydrat). Eng mit diesem Vorkommen verbunden ist das Auftreten von Scrpentin (der grünen Schiefer) und Granatgestein. Der Serpentin führt „lichtgelbe Flecke, wahrscheinlich von zersetztem Granat herrührend.* Da Serpentin zu Opal verwittert, so erscheint die Herleitung d Opals aus verwittertem Serpentin [Studer (Bull. geol. (1) 12. 299. 1841) spricht dieselbe Ansicht aus] viel wahrscheinlicher als die aus einer hydroplutonischen Contaktwirkung de Granites. Aus dem analogen bekannten Vorkommen bei Meronitz, wo neben granatfüh- rendem Halbopal von Reuss noch „halb aufgelöseter, schmutzig olivengrüner Serpentin mit Pyrop und Talk* aufgeführt wird, ergiebt sich derselbe Schlufs, den überdies die Analysen von Wertheim (s. Rammelsberg Handb. der Mineralchemie. p. 134) bestätigen. Auch Reuss (Karsten u. v. Dechen Archiv 11. 308. 1835) „scheint bei Meronitz der Serpentin das Muttergestein der Pyrope zu sein.* 216 Rorm über die Lehre vom Metamorphismus so schreibt Daubrede diesen Unterschied der Verschiedenheit der Tem- peratur zu. „Wasserfreie Silikate erzeugen sich im Wasser leicht nur bei bestimmten Temperaturen; bei anderen werden sie zerstört, “1) In den Zecherches geologiques dans les parties de la Savore, du Piemont et de la Sursse vorsines du Mont-Blane, Paris 1867, Bd, 3. p. 317 schliefst sich Alphonse Favre bezüglich der Entstehung der krystallini- schen Schiefer vollständig den Ideen Daubree's an, „Alle krystallini- schen Gesteine sind unter dem Bintluls des Wassers auf Kosten der Lava gebildet, welche das erste feurigtlüssige Gestein war und ist (la seule roche ignde), Sie bildete die erste Hülle um den noch flüssigen Erdkern, sie hätte man immer als primitiv bezeichnen sollen.“?) Nach Favre's An- sicht hat man in den Savoyer Alpen die Rolle der geheimnilsvollen, Me- tamorphismus genannten Kraft, der man oft die Bildung der Krystallini- schen Schiefer zuschreibt, sehr übertrieben ,®) und mit Unrecht schreibt man dem Metamorphismus alle die Wirkungen zu, von denen man sich keine Rechenschaft geben kann.*) Kr findet jedoch Eozoon in den ser- pentinischen Kalken, welche dem Gneils im Mattenbach und den Abfällen der Jungfrau angehören, und nimmt daher an, da ferner Graphit stets und Kalk fast stets organischen Ursprungs ist und beide Mineralien in den krystallinischen Schiefern sich finden, dals diese jüngeren Ursprungs sind als man gewöhnlich annimmt. ®) T. Sterry Hunt®) nimmt den Metamorphismus im Sinne von Hut- ton und Boues alle keystallinischen schiefrigen Gesteine sind durch Um- änderung chemischer und mechanischer Sedimente entstanden, welche der Hauptsache nach aus Sandsteinen, Schieferthonen und Kalksteinen beste- hen. Auch alle eruptiven (intrusiven) Gesteine sind nach Hunt verän- derte und vom Platz gerückte (displaced) Sedimente und stammen her S) Lo 328 wm 329, La confusion qui a souvent et faite entre los grös houillors ot les roches ditos primitives a encore vomplique la question du mötamorphisme. ı) 10 880, N) ı o& 997, 8) Goologieal Survey of Canada 1857. 476 Ag, namentlich in Geology of Canada 1S68 und an anderen Orten. (Journal of Geol, Soc, of Dublin 1864) und die Entstehung der krystallinischen Schiefer, 217 von den unteren Partien der geschichteten Erdrinde, nicht unterhalb der- selben.!) Manche, wahrscheinlich alle bis jetzt als eruptiv betrachteten Gesteine (wie Granit, Gabbro, Serpentin, Hyperit, Diorit u. s. w.) sind nichts als an Ort und Stelle veränderte Sedimente, welche, zur Zeit ihrer Umbildung mit Wasser imprägnirt, durch dieses und unter Beihtilfe einer erhöhten Temperatur plastisch wurden, die überliegenden Schichten durch- brachen und die Form von intrusiven Gesteinen annahmen. Weil sie unter hinreichendem Druck erstarrten, behielten sie ihren ursprünglichen mineralogischen Charakter, im Gegensatz zu solchen Gesteinen, welche, wie die Laven, nahe der Oberfläche und unter schwachem Druck fest wurden.) Der Metamorphismus geht durch Wasser und hohe Tempera- tur vor sich, welche letztere, dem Erdinnern angehörig, tief begrabene Sedimente trifft.?) Der Metamorphismus ist, wofern er regional auftritt, nicht an die Nähe eruptiver Gesteine gebunden; er kann alle Sedimente, die tertiären eingeschlossen, *) treffen und erzeugt je nach ihrer Zusam- mensetzung und des im Wasser Gelöseten verschiedene Gesteine?) Intru- sive Gesteine rufen als örtliche Quellen hoher Temperatur lokalen Meta- morphismus hervor.®) Die Hauptrolle bei dem Metamorphismus, der Umwandlung der mechanisch im Sediment vertheilten Silikate zu krystallisirten Mineralien, denn gewisse chemische Kräfte waren früher in höherem Mafse thätig als jetzt,?) spielt im Wasser gelösetes Alkali-Carbonat, welches bekanntlich Kie- selsäure (auch die in Form von (Juarz auftretende) als Alkalısilikat in Lö- sung bringt. Die Lösung wirkt auf die erhitzten Gesteine ein, wird von den Oarbonaten der Erden zerlegt und bildet aus diesen Silikate der Er- den. Das wieder hergestellte Alkalicarbonat löset aufs Neue Kieselsäure und dieser Procefs wiederholt sich fortdauernd, so dafs wenig Alkalı- earbonat grolse Massen von Erdcarbonaten umwandeln kann. So entstehen 1) Sill. Amer. J. (2) 36. 218. 1863. ?) Geology of Canada 643. 3) ], c. 580 u. 585. “) ]. 6, 869 6) 1. c. 580 6) 1. c. 583. ?) Journal geol. Soc. of Dublin. t. 10. p. 2. 85. 1864. Phys. Kl. 1871. 28 218 Rorn über die Lehre vom Metamorphismus Augit, Hornblende, Olivin, Wollastonit und, wenn Thonerdesilikat in hin- reichendem Maafse zugegen ist, Feldspath, Glimmer, Labrador, Granat, Chlorit. In ähnlicher Weise bilden sich alle krystallmischen Mineralien, welche die geschichteten und ungeschichteten Gesteine zusammensetzen. „Das Problem, wie aus Sand, Thon und Erdearbonaten in den Sedimen- ten die verschiedenen Silikate entstehen, welche die krystallmischen Ge- steine zusammensetzen, ist also gelöset.“1) „Die grofse Laurentische Formation, die ältesten bekannten Ge- steine der Erdrinde enthaltend, ist nirgend in unverändertem Zustand ge- funden. Sie bedeckt in Canada ungefähr 200,000 Quadratmiles?) und besteht in ihrem unteren Theile aus Orthoklasgneifs mit Quarziten und Kal- ken, in ihrem oberen ungleichförmig aufgelagerten Theile hauptsächlich aus Anorthositgesteinen, Glimmer-, Hornblende-, Grünsteinschiefer, Serpen- tin, Syenitgneils und Syenit, auch Magneteisenlager fehlen nicht. Alle diese Gesteine sind evident veränderte Sedimente. Den indirekten Beweis dafür liefern die Lager von Graphit, Magneteisen, Eisenoxyd, Metallsulfureten und Apatit. In Europa kennt man als Äquivalent der grofsen Laurenti- schen Formation nur den primitiven skandinavischen Gneifs und Murchi- son’s schottischen Fundamentalgneifs; vielleicht gehören hierher auch die krystallinischen Gesteine Grönlands.“ ®) Hunt denkt sich die etwa wie Dolerit zusammengesetzte Erstar- rungsrinde der Erde durch heifse saure Regen in (relösetes zersetzt, das sich im Meer angesammelt hat, und in thonigkieselige Sedimente. Der Kern der Erde ist fest, darüber folgt plastisches sedimentäres Material und über diesem liegen die uns bekannten Sedimente. Durch feurig-wäls- ige Schmelzung wird das plastische untere Sediment in Eruptivgesteine und Lava umgeändert, welche die oberen Sedimente durchbrechen. Die gesammten vulkanischen Erscheinungen gehen also in dem unteren plasti- schen Sediment vor sich.*) Die Arbeiten von Dana und Bischof bilden die Grundlagen der 1) Quart. J. geol. Soc. 15. 489. 1859. 2) Geology of Canada p. 47. 3) Geology of Canada 586 u. fig. cf. 22—49. 4) Sill. Amer. J. 1861. (2) 31. 412. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 219 Ansichten Hunt’s, welcher die Erstarrungsrinde vollständiger Zersetzung überliefert, um dann die Sedimente zu metamorphosiren und zwar durch heifse Salzlösungen und erhöhte Temperatur, durch hydroplutonische Processe. H.0. Sorby!) gelangt durch die mikroskopische Untersuchung von Glimmerschiefern zu der Annahme, dafs sie früher Thonschiefer gewesen seien, welche bei Anwesenheit von Wasser und höchst wahrscheinlich bei erhöhter Temperatur durch einen Krystallisationsprocels umgewandelt wurden. Aus der von ihm „rippledrift“ genannten Erscheinung folgert Sorby 1563?) den mechanischen Absatz aus Wasser. Da er sie in Glimmer- schiefer findet, so mufs der Glimmerschiefer ein Sediment sein. Diese enthielt ursprünglich Sandkörner und war wahrscheinlich ein Absatz von mehr oder weniger unreinem Sand und Thon. Die krystallinische Struk- tur wurde erst nach dem Absatz gebildet, in manchen Fällen nachdem mechanische Bewegungen die Schieferung (slaty cleavage) hervorgebracht hatten. J. Geikie?) betrachtet die metamorphischen untersilurischen Ge- steine von Öarrick, Ayrshire, als gebildet durch hydrothermale Wirkung und leitet ihre mineralogische Verschiedenheit hauptsächlich ab von ur- sprünglicher chemischer Verschiedenheit, nicht von Infiltration fremder Substanzen zur Zeit des Metamorphismus. Bekanntlich treten manche Arten mehrerer Hauptabtheilungen des Thierreichs plötzlich in den ältesten bekannten, Versteinerungen führenden Schichten auf. Da Darwin) nach seiner Theorie der natürlichen Züch- tung durch Auslese (natural selection) „für zweifellos hält, dafs alle Arten derselben Thiergruppe von Einem Stammindividuum (progenitor) abstam- men, z.B. alle Silurtrilobiten von einem Kruster, der lange vor der Silur- 1) Edinburgh new phil. J. (2) 1856. 4. 339. 2) Quart. J. geol. Soc. 19. 461. 1863. 3) ib. 22. 534. 1866. *) On the origin of species by means of natural selection (ed. I. 1859. 306—309, ed. V. 1869. 373—383). cf. ed. V p. 572: „I believe that animals are descended from at most only four or five progenitors and plants from an equal or lesser number.“ YA 220 Roru über die Lehre vom Metamorphismus zeit lebte und wahrscheinlich von jedem bekannten Thier verschieden war, so muls vor dem Absatz der ältesten silurischen oder eambrischen Schich- ten eine lange, lange Zeit verflossen sein, während welcher schon Orga- nismen die Erde erfüllten.“ Er kann keine hinreichende Antwort auf die Frage geben, warum wir aus diesen von ihm angenommenen ältesten Zei- ten an Versteinerungen reiche Ablagerungen nicht finden. „Man kennt zwar nenerlichst monocotyle Pflanzen und einige andere organische Reste aus den untercambrischen Schichten; Phosphorsäure haltige Knauer und bituminöse Substanzen verrathen das organische Leben jener Zeiten; das Kozoon in den Laurentischen Schichten ist ein wichtiger Beweis dafür, aber dennoch bleibt die Schwierigkeit grofs. Es erscheint nämlich nicht wahrscheinlich, dafs die ältesten Ablagerungen gänzlich weggeschwemmt wurden (worn away by denudation) oder dals ihre Versteinerungen durch Metamorphismus ganz unkenntlich geworden seien, denn dann hätte man von den zunächst im Alter folgenden Bildungen nur geringe Überbleibsel gefunden und zwar in theilweise metamorphosirtem Zustand. Aber das russische und nordamerikanische Silur lehren, dafs nicht nothwendig der Grad der Denudation und des Metamorphismus mit dem Alter zunimmt.“ Dennoch kommt Darwin endlich zu dem Schlufs, „dafs die vorsilurischen Ablagerungen vollständig metamorphirt in den nackten, so grofse Land- striche bedeckenden, metamorphischen Gesteinen erhalten sind“ 1) oder „dafs sie noch im Meer begraben liegen.“?) Er spricht von den wenigen Geologen, welche in den metamorphischen Schiefern und plutonischen Gesteinen den ursprünglichen Erdkern sehen ,?) nimmt mit Lyell an, dals der Metamorphismus im Meer bei hoher Temperatur und unter gro- (sem Druck vor sieh ging, und rechnet zu den metamorphischen Gestei- nen aufser den krystallinischen Schiefern auch Granit, Diorit u. s. w.*) Die Theorie der Progenitors, so folgerecht sie erscheinen mag, zwingt Darwin seme Zuflucht zu nehmen entweder zum Metamorphis- mus oder zu einem im Meer verborgenen Unbekannten. Selbst wenn sie 1.0.8383. 3 l. c. 419. l. ec. 360 „primordial nucleus of the globe.* I . 0.860 u. 383. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 221 richtig ist, verkleinert sie das Räthsel der Entstehung der organischen Welt nur der Zahl nach, sie löset es nicht, aber der maafsvolle Ton der nicht dahin, sondern nur auf die historische Continuität der organischen Welt gerichteten Darstellung berührt überall höchst wohlthätig. Gäbe man selbst den Metamorphismus der krystallinischen Schiefer und das Vorhandensein der Progenitors in denselben zu, so würden diese Gesteine eine Unterlage, das Meer einen Boden voraussetzen, welche beide ohne Organismen wären, und die Entstehung der Progenitors nach dieser azoi- schen Zeit bliebe ein ebenso grofses Problem als das Aufhören des Me- tamorphismus vor dem Silur. Edw. Hiteheock!) bemühte sich 1861 zu zeigen, dafs gewisse Conglomerate durch Verlängerung, Abplattung und Metamorphose der Geschiebe und ihres Bindemittels in Talk-, Glimmerschiefer und Gmneils verwandelt werden. Mechanische Gewalt, Druck, hohe Temperatur oder eine andere die Schichten erweichende Ursache verbunden mit chemischer Einwirkung sollen diese Wirkung hervorbringen. Schon Rogers?) hat die Unwahrscheinlichkeit dieser Ansicht durch schlagende Gründe nachgewiesen. Nach Zirkel?) zeigt sich das vorzugsweise silurische Übergangsge- birge der Pyrenäen an den Granitmassivgrenzen oft mit sekundären Mi- neralien beladen oder vollständig zu Thonglimmerschiefer, Glimmerschie- fer, auch wohl Gmeifs metamorphosirt; die spärlichen Kalksteine sind kry- stallinisch körnig geworden. Weil krystallinische Schiefer nur da auftre- ten, wo Granite erscheinen, so ergiebt sich die Beziehung beider, aber an manchen Contaktlinien ist keine krystallinische Metamorphose erfolgt, an den Granit grenzt bisweilen Schiefergebirge mit echt sedimentärem Habitus. Unter den krystallinischen Gebilden waltet Glimmerschiefer weitaus vor, Talk- und Chloritschiefer fehlen fast ganz, Gneils ist spar- sam, Hornblendeschiefer wird erwähnt.*) Der metamorphische Ursprung mancher Glimmerschiefer wird durch Einlagerungen von (uarzsand und 1) Sill. Amer. J. 1861. 31. 372. 2) ib. 440. 3) Zs. geol. Ges. 19. 175. 1867. 4) ib...182. 222 Rorm über die Lehre vom Metamorphismus Kieselschiefer bewiesen.!) Die grölste Breite der Umänderungen beträgt 11 Kilometer; freilich sind in dieser Zone 12 bis 15 kleine Granitstöcke vorhanden, welche vermuthlich die Umwandlung weiter ausgedehnt haben als es das grofse, 13 Kilometer im Durchmesser haltende Granitmassiv vermocht hätte. An der Süd-, Ost und Südwestseite desselben erscheint keine Umwandlung. „In der Nähe des Granites enthält der Glimmerschiefer häufig zahlreiche oneilsartige, selbst granitartige Partien. An und für sich kann es, wenn man von dem Granit die umwandelnde Kraft ausgehen lälst, nicht auffallen, dafs dieselbe mnerhalb einer dazu fähigen Masse Produkte erzeugte, die ihm selbst ähnlich sind.“ ?) In seinem Lehrbuch der Petrographie (1866 Bd. 2. 508) lälst Zir- kel neben metamorphischen Gneifsen ursprüngliche Gneilse zu. „In allen Fällen, auch bei den ursprünglichen Gmneifsen, dürfte es wahrscheinlich das Wasser gewesen sein, welches sowohl die Ausbildung der Gneilsmi- neralien aus einem plastischen, vielleicht hydatopyrogenen Magma als ihre Umbildung aus klastischen Gesteinselementen bewirkt hat.“ (l. e. 509.) Für weitaus die meisten Glimmerschiefer und noch mehr für die Thon- glimmerschiefer nimmt Zirkel metamorphische Entstehung an, für die Hornblendeschiefer läfst er es unentschieden, die Chlorit- und Talkschie- fer scheinen ihm nur Sedimente oder umgewandelte Sedimente sein zu können. (l. e. 513.) Die Architektur der grofsen Schieferformation, die Wechsellage- rung, die überall constanten Zwischengesteine, untergeordneten Gemeng- theile und Übergänge lassen diese Auffassung als kaum zulässig erschei- nen, mindestens für die Hornblende-, Talk- und Chloritschiefer In dem „Westöstlichen Durchschnitt durch das nördliche Schott- land“ (Geol. Skizzen von der Westküste Schottlands) scheint Zirkel der Augenblick für ein endgültiges Urtheil über die genetischen Ver- hältnisse des dortigen Fundamentalgneilses noch nicht gekommen. Nur 1) vgl. auch Nogues: Note sur les sediments inferieurs et les terrains ceristallins des Pyrendes-Orientales. Bull. geol. (2) 20. 719. 1865. Nach Nogues sind auch die dorti- gen Melaphyre metamorph. 2 E90: und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 223 Ein Grund gibt nach Zirkel Anlafs, auch hier umgewandelte Sedimente zu sehen: die Einschaltung eines Lagers von körnigem Kalk. Dagegen macht der Titanitgehalt der Gneifse und die Thatsache, dafs die etwaige Metamor- phose schon vor Beginn der Cambrischen Periode beendigt gewesen sein muls, ihm die Umwandlung zweifelhaft.!) Soweit das Argument für die Metamorphose vom Kalk herrührt, ist schon früher seine geringe Tragweite erörtert. Der Titanitgehalt läfst sich als Beweis gegen die Metamorphose nicht gebrauchen, so lange alle Chloritschiefer für metamorphisch gelten, denn diese führen (s. Zirkel Petrographie I. 311) in den Salzburger Alpen und am Gotthard Titanit. Auch die sogleich zu erörternde Nothwendigkeit, zwei durch die Cam- brische Zeit getrennte Metamorphosen anzunehmen, könnte für einen Me- tamorphiker kaum in Betracht kommen. Nach Osten hin folgen über den steilen Schichten des Gneilses- von ihm getrennt durch nahezu horizontal gelagerte cambrische Conglo- merate und darüber discordant gelagerte untersilurische Quarzite und Kalksteine- quarzige und glimmerige Thonschiefer, welche je weiter man nach Osten vorschreitet, desto mehr unversehens krystallinisch slimmer- schieferartig werden. Darüber ruht discordant das Devon. Diese centralen gefalteten krystallinischen Schiefer hält Zirkel für die metamorphosirte hangende Partie des Untersilurs. „Keinesweges folgen allemal die kry- stallinischen Schiefer unmittelbar auf Quarzit und Kalkstein, sondern oft- mals stellen sich zunächst concordant gelagerte, gewöhnliche klastische Thonschiefer ein, welche, allmählich gegen Osten glimmerig werdend, in die Glimmerschiefer oscilliren; in letzteren kommen auch noch Schichten von ganz sedimentärem Habitus vor.?)“ Wie diese Umwandlung beschaf- fen war, vor Absatz des alleruntersten Devons mufste sie vollendet sein, denn die im Osten überlagernden devonischen Grundconglomerate enthal- ten Glimmerschiefer in seinem heutigen Zustand.>) „Die Metamorphose, welche sich sonderbarerweise im westlichen Theil nur auf einzelne Schichten erstreckte, hat weiter gegen Osten das I) Zs. geol. Ges. 23. 193. 1871. a), oc. 121. 3) .]. c. 122. 224 Rom über die Lehre vom Metamorphismus ganze Schieferterrain erfalst.1) Da das unterste Untersilur (Quarzit und Kalkstein) und die eambrischen Schichten vom Metamorphismus unver- sehrt gelassen sind, so schliefst Zirkel, die Metamorphose sei von Ost nach West vor sich gegangen ?); sie hat auch nach Zirkel mit Eruptiv- gesteinen keine Verbindung. Sieht man in Jona Thonschiefer (mit dolomitischem, Serpentin führendem Kalk) an den Fundamentalgneifs sich lehnen und dann jen- seit des Sundes in Mull dieselben Glimmerschiefer auftreten wie in den centralen Hochlanden (wo sie nach Zirkel aus Untersilur metamorpho- sirt sind), so kann man sich kaum des Gedankens erwehren, dafs man trotz aller Faltungen ein einfaches Profil vor sich habe: Glimmerschie- fer, Thonschiefer (mit Kalk) und die dazu gehörigen Hornblendegneilse und Hornblendeschiefer (wie gewöhnlich mit Kalk), denn der sogenannte Fundamentalgneifs ist überall reich an Hornblende und oft arm an Feld- spath. Dafs ein Theil der Thonschiefer und der „halben Glimmerschie- fer“ sedimentär sein mag, erscheint höchst wahrscheinlich. Vielleicht würde eine Vergleichung mit den Gesteinen von Donegal, Nordwestirland, wo nach Haugshton Glimmerschiefer mit Quarziten, Kalken und Titanit enthaltenden Gesteinen auftreten, und mit Norwegen, wo ganz ähnliche (resteine vorliegen, weiteren Anhalt gewähren. Nach ©. W. ©. Fuchs?) liest in den Pyrenäen zwischen Granit und den alten Sedimenten an vielen Orten ein schmaler bis breiter Saum von metamorphischen Schiefern. Die Umwandlung, deren Ursache unbe- stritten der Granit war,?) ist an der Granitgrenze am stärksten, nimmt jedoch nicht constant ab; weniger stark und stärker veränderte Schichten wech- seln oft mit einander ab, und die ersteren sind dem Granit oft näher als die letzteren. Die Produkte der Umwandlung sind Andalusit- und Chiastolithschiefer und Gneilse; die letzteren bilden zahlreiche Übergänge in Granit. Die Metamorphose bestand zunächst in Molekularumlagerung, die dann durch chemischen Stoffwechsel unterstützt wurde (Zufuhr von Kieselsäure und Alkalı durch Wasser von mälsig erhöhter Temperatur). 3) J. Min. 1870. 878. a) ce. 878, und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 225 Die Metamorphose der dichten grauen Kalke zu weilsen körnigen ergreift entweder das ganze Gestein gleichmäfsig oder geht nur von einzelnen Stellen aus. Diese Umänderung ist nicht durch molekulare Umlage- rung zu erklären, sondern durch Imprägnation mit kohlensäurehaltigem Wasser.!) In diesem letzteren Falle hätte wenigstens der Granit nicht viel mit der Metamorphose zu thun. Nach Fuchs ist der Granit selbst aus den am stärksten metamorphosirten Schichten hervorgegangen, da allmäh- licher Wechsel zwischen Gneils und Granit sich vielfach wiederholt; der Granit ist das Centrum der Umwandelung. Dies ist die Vereinigung der Theorien von Durocher und von Bi- schof, Molekularumlagerung und lange Durchtränkung mit Wasser, wel- ches alles Fehlende herbeiführt. Die Annahme, dafs „die Metamorphose sich nur in einer Tiefe des Erdinnern vollziehen kann, in welcher schon an und für sich die Temperatur eine mälsig erhöhte ist,“?) weicht ab von Bischof und weiset auf die älteren Hypothesen zurück. Von Contaktmetamorphose in dem Sinne, dafs hohe Temperatur des Eruptiv- gesteins die Umwandlung bedingt, kann nach Fuchs hier nicht die Rede sein, da der Granit der Pyrenäen (und des Harzes) nicht eruptiv ist. C. Lossen®) hält die krystallinischen Schiefer des Taunus für Sedimente, welche, aufgerichtet durch die gebirgsbildende Ursache des Rhei- nischen Schiefergebirges, auf wässerigem Wege umkrystallisirt wurden, wahrscheinlich unter gleichzeitiger Einwirkung zahlreicher heifser, Kiesel- säure und Basen zuführender Quellen. Er möchte es „als allgemeines Ge- setz aussprechen, dafs die meisten echten krystallinischen Schiefer — also nicht die schiefrig entwickelten Massengesteine — theils im Contakte mit Eruptivgesteinen, theils ohne solchen, immer aber in Folge der all- gemeinen dynamischen gebirgsbildenden Processe auf nassem Wege um- krystallisirte Sedimente seien.“ Im Gmeifs, nicht im Thonschiefer, scheint ihm die Grenze zwischen Sediment und Eruptivgestein zu liegen, aber oeoeben. doch die Möglichkeit einer Erstarrungsrinde aus feurigem Flufs ges Dr 1207808. 2) 1 c. 87% 3) Zs. geol. Ges. 19. 697—699. 1867. Phys. Kl. 1871. 29 226 Roru über die Lehre vom Metamorphismus Die Rinde zählt ihrer Bildung nach zum Granit, dessen schiefrige Form eben so Gneils genannt wird wie der feldspathhaltige Glimmerschiefer ; der Glimmerschiefer ist der Architypus der krystallinischen geschichteten Gesteine. Die Umwandlung hält gleichen Schritt mit der Grölse der Umwälzungskatastrophen der betreffenden Schichtensysteme. Das Alter der Sedimente kommt dabei nicht in Betracht, da die Umwandlungen in der Schweiz bis in die Ablagerungen der mittleren Tertiärzeit reichen. In dem Aufsatz „Metamorphische Schichten aus der paläozoischen Schich- tenfolge des Ostharzes“ (Zs. geol. Ges. 21. 321. 1869) bezeichnet Los- sen es „als eine festbegründete Wahrheit, dafs dieselben Gesteine, welche als krystallinische Oontaktschiefer an Eruptivgesteinen beobachtet werden, auch in den ausgedehnten, unabhängigen, krystallinischen Schiefergestei- nen vorkommen.“ „Die letzte Ursache dieser (nicht aller) Contaktmeta- morphosen war eine rein mechanische, welche sogleich oder späterhin von chemischen Folgen begleitet wurde.“1) „Das mechanische Eindrin- gen der Eruptivmasse hat einseitig einen chemischen Krystallisations- procefs in den durchbrochenen Sedimentschichten hervorgerufen oder eingeleitet.“ ?) E.Kayser?) findet „die Annahme der sogenannten hydatopyrogenen Bildungsweise der Diabase ganz geeignet, die Contaktmetamorphosen im Harz zu erklären.“ „Drangen aus dem durchwässerten Magma heilse, mit mannichfachen Stoffen, besonders mit Natronsilikat beladene Wasser unter hohem Druck in die angrenzenden, wahrscheinlich noch plastischen Sedimente ein, so scheinen alle Bedingungen selbst zu viel tiefgreifende- ren Veränderungen gegeben zu sein, als sie in den Harzer Diabascontakt- gesteinen vorliegen. Quellthätigkeit in Begleitung und als Nachspiel der Diabaseruption hat vielleicht durch lange Zeiträume hindurch gewirkt.“ Kayser nimmt an*), dafs die verschiedene Ausbildung der Con- taktgesteine des nördlichen und südlichen Zuges von körnigem Diabas im Harze vor Aufrichtung der Schichten erfolgte, d. h. als die Trennung in 2) ib. 324. 3) Zs. geol. Ges. 22. 161. 1870. ı Lie 12. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 227 eine Nord- und in eine Südhälfte noch nicht geschehen war. Diese Dif- ferenz wird erklärlicher, „wenn nach Aufrichtung der Schichten und Aus- bildung der Centralaxe — vielleicht in Folge des Auftretens des Grani- tes — noch bedeutende metamorphische Vorgänge allgemeiner Art statt hatten, die aber nur einseitig im Norden der Axe thätig waren.“ Das ist die Verbindung der Theorien von Scheerer, Daubree, Hunt. Die jetzigen Vorgänge in Island, wo heilse Quellen mit Gehalt an Kieselsäure und Natron mit Thon zusammentreffen, wo aber niemals in Folge dieses Zusammentreffens Feldspath, Chlorit, Glimmer entsteht, liefern keine Stützen für die von Kayser ausgesprochene Ansicht, frei- lich fehlt hier „der hohe Druck“! Die Theorie Kayser’s, aufgestellt zum Behuf der Erklärung eines einzelnen Falles, kann zunächst nicht einmal auf alle körnigen Diabase ausgedehnt werden. Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob nicht eine andere, weniger verwickelte und allgemein gültigere Erklärungsweise auch für die Harzer Vorkommnisse zulässig ist. Nach H. Credner!) liegen in der huronischen Formation der Oberen Halbinsel von Michigan zwischen 2 Diabaslagern, von denen das obere etwa 2300 Fuls mächtig und in seiner Westnordweststreichungs- richtung über 6 Meilen verfolgbar ist, etwa 300 Fufs mächtige Schiefer- porphyroide, Feldspathparagonitschiefer, Paragonitschiefer und Chlorit- schiefer. „Die Grenze dieser petrographisch so durchaus verschiedenen Gesteine fällt überall mit einer Schichtenfläche zusammen.“?) „Aus der Wechsellagerung und der Schichtung der Schieferporphyroide ergiebt sich der Schlufs auf sedimentäre Entstehung von selbst“,3) aber die Hypothese eines allgemeinen Durchwässerungsmetamorphismus erscheint darnach un- wahrscheinlich. „Zur Deutung devonischer und silurischer Schieferpor- phyroide darf man vielleicht die Einwirkung von Mineralquellen auf lockere noch schlammartige Meeresniederschläge annehmen.“*) Die (analysirten) Gesteine bestehen wesentlich „aus Orthoklas, Quarz und Natronglimmer.“ 1) Jahrb. Min. 1370. 972. 2), 12.02.9831. 3) 120.998 2) 21:0:0:984. 228 Rorm über die Lehre vom Metamorphismus Letzterer enthält freilich auf 7,2 & Kalk und 1,2 $ Magnesia nur 3,0 8 Natron, 0,3 2 Kalı und 1,5 9 Wasser, ferner nur 8,6 & Thonerde und 2,6 9 Eisenoxyd, zeigt also sehr geringe Übereinstimmung mit den bis- her untersuchten Natronglimmern. Ob sieh die so ungeheuer mächtigen Diabaslager, über deren Erup- tivität keine Beweise beigebracht werden, und „die Schieferporphyroide*“ nicht einfacher als Faltung der unterlagernden krystallinischen Schiefer auffassen lassen; etwa als Glieder der Anorthositformation des Laurentian ? Die Wechsellagerung verschiedenartiger Gesteine und die Schichtung spre- chen mehr dafür als dagegen. Die jüngste allgemeine Theorie des Metamorphismus von C. Mon- tagna!) schreibt der dynamischen Elektrieität?) «dem Blektromagnetismus und Blektrochemismus alle metamorphischen Erscheinungen zu. „Etwa 5 der Granite und Granitgesteine sind neptunischen Ursprungs und ge- schichtet, der Rest ist das Produkt aus alten metamorphosirten Laven; die organischen Reste im Granit sind um so deutlicher als die Gemeng- theile kleiner werden.“ „Die Zeichnung der Oberflächen von Sagenaria findet sich auf dem Glimmer des alpinen Gneilses; Gmeils, Glimmer und Thonschiefer zeigen auf Quarz, Feldspath, Glimmer Spuren von Pfllanzen- vosten, welche sich fast immer auf Lepidodendron beziehen lassen. Das- selbe gilt für Syenit, Porphyr, Serpentin, Diorit, Turmalinfels, für die Granaten der Gneilse u. s. w.“ Die Gänge von Granit?) u. s. w. ent- stehen so, dals, in Folge dynamischer Störungen in der Lagerung, zwei verschiedene Sedimente in einander eindringen, etwa in Spalten, und dann zu verschiedenen Gesteinen umgeändert werden, eins etwa in Granit, eins etwa nur zu Gmeils, Glimmerschiefer oder Serpentinschiefer. 1) Nouvelle Theorie du metamorphisme des roches fondee sur les phenomenes de tossilisation des animaux et des plantes de tous les Äges geologiques. Naples 1869, ?) p. 100, „Un geologue qui regarderait un depöt de grös ou de psammite trampe par la matiöre organique de milliards d’individus y venfermös, comme une assemblage d’un grand nombre de piles söches d'un nouveau ordre, ne pourrait &tre taxd de poöte, p. 102, cf p. 64. 74. 785, 88, 100. 107. ®) p. 80, und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. 229 Montagna’s Abbildungen zeigen, dafs er in den Erscheinungen, welche die Oberflächen verwitternder Mineralien bieten, Pflanzenreste ge- sehen hat. Dieser Theil seiner Theorie möchte sich am leichtesten er- ledigen. Wirft man über die Geschichte des Metamorphismus einen Ge- sammtblick, so sieht man ihn von Schottland ausgehen und durch Leo- pold von Buch und Boud nach Deutschland gelangen, während etw: gleichzeitig Keilhau in Norwegen ähnliche Ansichten aufstellt. In der Alpengeologie, in welche den Metamorphismus schon L. v. Buch einge- führt hat, gelangt er sodann durch Elie de Beaumont und Studer zu hervorragender Geltung, wie die Namen Rozet, Sismonda, Uredner, Stur, Pichler, Volger bezeugen; in Deutschland wendet sich Fr. Hoffmann der Lehre zu. Wenn L. v. Buch sie um 1842 als fast allge- ınein angenommen bezeichnet, so sind bis dahin und auch später vorzugs- weise englische, amerikanische und französische Geologen ihre Vertreter: Lyell, Fournet, Virlet, Dana, Durocher, Daubree, Delesse, A. Favre, Sterry Hunt, Darwin, Hitchcock. Erst mit G. Bischof, Scheerer und Ootta um 1847 beginnt sie in Deutschland Boden zu fassen und scheint sich seitdem dort auszubreiten. Ist der Ausgangs- punkt bei Hutton die teleologische Betrachtung, so heftet sie sich spä- ter vorzugsweise an höhere Gebirge mit verwickeltem Bau: Schottland, Skandinavien, Alpen, Italien, Pyrenäen, wo die Ungeduld den Beobachter, der aus Mineralogie, Chemie und Physik nicht schnell genug die Erklä- rung aller Thatsachen ableiten kann, zu der kühnen Theorie des Meta- morphismus treibt. Oder schwer zu deutende Beobachtungen in ein- zelnen Gegenden führen dahin wie bei Keilhau, Forchhammer, Zir- kel, ©. W. C. Fuchs, Lossen, Kayser, H. Credner. Nur Lyell als Actualist, Darwin als Vertreter der Evolutionstheorie der Organis- men und J. N. Fuchs als Vertreter des Amorphismus gehen von allge- meineren Standpunkten aus. Fast überall sieht man den Verband des Granites und der krystallinischen Schiefer (oder den Contakt von Erup- 230 Roru über die Lehre vom Metamorphismus tivgesteinen mit Sedimenten) als die Folie der Theorie durehschimmern, so dafs sich die Ansicht über die Anfänge der Erde und das Auftreten der Eruptivgesteine überhaupt fast überall als Hintergrund wiederfindet. Von diesem Gesichtspunkt aus erscheint eine Erörterung des allgemeinen Verhaltens der krystallinischen Schiefer der nächste Schritt sein zu müs- sen um die Frage zu erhellen. und die Entstehung der krystallinischen Schiefer. Inhalt. Begriff des Metamorphismus bei Durocher, Studer, Delesse, Naumann, Daubree Fournet Endo- und Tiomiorpiiieknen LEERE rn . 2 Normaler und abnormer er Haughton Hydro- a Pyromera morphismus h BR ohlindr. Mr ih Hutton 1795 (Pl aylair 1602) Uraplutonismns; Corkraltäuek: De Actualismus. ee) Heim 1506. Gase nd Dämpfe, ändern Kalke in Dolomite um. L. v. Buch 1322. Dolomitbildung und Hebungstheorie. Breislak 1818. Schieferung kein Grund gegen plutonischen an der krystallinischen Schiefer. Gasströme helfen die Schichtenstellung bedingen, Bou& 1822. Die krystallinischen Schiefer sind Sedimente, Bpachmoleen durch hohe Temperatur und Gasströme des Erdinnern. IR Erna 5 Keilhau 1523—50. Geheimnilsvolle Transmutation in starren ee eine Mitwirkung erhöhter Temperatur oder von Gasen. ES ET. Keferstein 1829—34. Umbildung vermittelst innerer Thätigkeit der Erde. . Elie de Beaumont 1826—56. Sedimente jeden Alters Studer 1326—56. | werden in den Alpen zu (Rozet, Sismonda, Credner, Stur, Kalter krystallinischen Schie- Volger). fern umgebildet. Fr. Hoffmann 1830—35. Krystallinische Schiefer sind umgewandelte Sedi- mente. Der unversehrt Be EBeDe zwischen Gneiss steckende Thonschiefer des Fichtelgebirges. : aha) wur isst. Harah Hauch; Lyell 1855—71. Rückkehr zu Hakton) Metamorphische Gesteine — verän- derte geschiehtete Gesteine. Actualismus. . ha Mer, # E. Hitcheock 1833. Erstarrungsrinde aus Granit. Krystallinische Schiefer sind durch hohe Temperatur umgeänderte Sedimente. Antiactualist. Sedgwick und Murchison 1842. (C. F. Roemer, Dumont, Sandberger, List.) Taunusschiefer sind metamorph. RO EIER? Fournet 1333—59. Erstarrungsrinde aus Glimmerschiefer. Gneiss ist exo- morpher Glimmerschiefer. Ausgangspunkt die Cupellirung. Jar Virlet 1836—58. Erstarrungsrinde aus Granit. Eleetrochemische Thätigkeit bei der Transmutation. a ee J. N. Fuchs 1838. Amorphismus. Kırystallisation des nassen Breies. L. v. Buch 1542. Aus Silur wird Gneiss; Aufdringen des Feldspathes aus dem Innern. Basalt der Tiefe schützt gegen Umänderung durch Granit. . 231 Seite 150— 152 152 176— 175 179 150 157 155 138 159 190 232 Roru über die Lehre vom Metamorphismus etc. J. D. Dana 1843—63. Heilse Salzlösung ist Hauptagens. Granit, Gneiss u. s. w. sind metamorph. . » .».. . ER OR: Forchhammer 1344. NE des Granie wandeln in Skandinavien Sedimente in Gneiss um. . . Sie © er ler et OBERE. Durocher 1846 (Bayle, Axel niünem Kjerulf). Comrentktiin in nicht er- weichtem Gestein bei säcularer Erwärmung und Druck. Das Granitbad. Transfusion des Feldspathes. . ». 2.2... s Same RS G. Bischof 1847—66. Feurigflüssiger Kifenrernsthnl Fiystarokryatallice- tion auf hydrochemischem Wege bei gewöhnlicher Temperatur. Das ‚Wasser (liefert, das ORehlende.urs aus ee sr > Scheerer 1847—66 (Sorby, Gruner). Feurigwässriger Fluls der Vulkanite und Plutonite. Nicht alle Gneisse sind metamorph. Wasser, hohe Tem- peraton, Druck, nu yes ae ve nn B. Cotta 1847—62. Die krystallinischen Schiefer sind Remo. Drake Wärme, vielleicht auch Wasser. . . .» RR r \ Delesse 1851—61. Die krystallinischen Schiefer und ale utonischen Ge steine sind metamorph. Wasser macht plastisch. . © 2 2 222... Daubr&e 1857—67 (vom Rath). Die krystallinischen Schiefer sind meta- morph, aber nicht aus Silur. Metamorphose bewirkt durch überhitztes Was- ser, Gase und Dämpfe. Antiactualist. 5 im. en era lenge Alphonse Favre 1367. Anschluls an Daubree. Die Erstarrungsrinde Lava. In den Alpen Rolle des Metamorphismus übertrieben. . . 2. 2... T. Sterry Hunt 1857—63. Ausgangspunkt die Sedimente. Heilse Salzlö- sung Hauptagens des Metamorphismus. . 2 2 2 nn. Sorby 1856. Glimmerschiefer ist metamorph. . . . . - 8 Geikie 1863. Untersilur von Carrick auf hydrothermalen ı We ege N Darwin 1859—69. Die Progenitors führen zur Lehre des Metamorphismus für. das. Vorsllurseter 0 0 0 DR RE a er E. Hitchcock 1861. Conglomerate liefern durch Metamorphose, Abplattung u. s. w. Talkschiefer, Glimmerschiefer und Gneiss. . 2 2 2 202002. Zirkel 1866—67. Metamorphose zu krystallinischen Schiefern in den Pyre näen durch Granit bedingt. In Nordschottland werden zwei Metamorpho- sen nöthikiens suhlaner Saint Hohe VER Ee BRENNT Re Er C. W. C. Fuchs 1870. Metamorphose zu krystallinischen Schiefern in den Pyrenäen durch Granit bedingt, der Granit selbst metamorph., . x... Lossen 1867—69. Die Taunusschiefer sind Sedimente, welche auf wässri- gem Wege umkrystallisirt wurden. Die nn paläozoischen Schichten des Ostharzes. » = 2 2 22.0. Ser: BERNER Tr Kayser 1870. Die hydatopyrogene Bildungsweise de Dinkase erklärt die betreffenden Contaktmetamorphosen des Harzes. . . IH. Kir H. Credner 1870. Das Huron der oberen Halbinsel von Michigan entstand aus.Sedimentens znark:, eulisl meist a Ann alte rd Montagna 1869. Organische Reste in Granit, Porphyr, Gneihs UN BIW. Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärilien. Von ee H”" EHRENBERG. [Vorgetragen am 19. Juni in der Sitzung der phys.-math. Klasse, durch Zusätze erweitert am 27. Nov. 1871.] l. Systematische und geographische Studien über die Arcellinen. ca die Meinungen über den thierischen Character der Bacilla- rien, der scharfen Characteristik ihres Ernährungssystems und der aus Mündungen ihrer Schalen hervorragenden einziehbaren Bewegungsorgane ungeachtet, immer von Neuem sich theilen, sind die Arcellinen des atmo- sphärischen Staubes und aller Oberflächen -Verhältnisse der Erde als un- zweifelhaft thierische, vielfach complieirte Organismen mit Übereinstim- mung der Beobachter im Thierreiche befestigt. Ich habe schon 1838 in dem Werke „die Infusionsthierchen“ ausgesprochen, dals der erste Beob- achter einer Form der Arcellinen, Leon Leelere, 1815 eine richtige An- sicht der systematischen Stellung dieser Formenart bei den Infusorien auszusprechen nicht verfehlte und dafs, wie es so oft geschieht, nur erst besonders diejenigen späteren Systematiker, welche ohne oder ohne reich- haltige eigene Beobachtung urtheilten, über die systematische Stellung dieser Formen in Uneinigkeit geriethen. Die Difflugien wurden zu den Anneliden (Richard), den Bryozoen (Lamarck), den Räderthieren (Oken bei Melicerta) und neuerlich zu den Foraminiferen gestellt. So sind bis in die neueste Zeit von einigen systematisirenden Schriftstellern die For- men der Arcellinen theils unter die Polythalamien als Foraminiferen, theils unter die Polygastern als Rhizopoden vertheilt worden, wie es besonders bei Claparede geschehen, während bei Pritchard nach M. Schultze Phys. Kl. 1871. 30 934 EHRENBERG: die kalkschaligen Cornuspiren, welche den Mangel von kalkschaligen Poly- thalamien im Sülswasser verwischen würden, bei den Arcellinen auf- geführt sind. Aulser der Difflugia von Leclere 1815 wurden schon in den Jahren 1820 bis 1825 von mir neue Materialien auch für diese Familie der Organismen in Afvıka gesammelt, welche aber viel später erst mit verzeichnet sind. Im Jahre 1829 wurde auf der sibirischen Reise mit Alex. v. Humboldt in Tobolsk Difflugia proteiformis Leclere und Ar- cella vulgaris in Tobolsk und Catharinenburg Sibiriens beobachtet und 1830 als erste asiatische Formen mit den beiden europäischen Formen Arcella dentata und A. aculeata in den Abhandlungen der Akademie ver- zeichnet. Hierauf hat ein sehr fleilsiger Beobachter in Paris, Felix Du- jardin, im Jahre 1836 und 1837 in den Annales des Sciences natur. die neue Difflugia globulosa‘) Duj. und eine neue Gattung Trinema?) ver- zeichnet. Letzteres dürfte jedoch kaum von Arcella hyalina abweichend sein, wie bereits in den Abhandlungen von 1841 p. 444 von mir ange- deutet worden. Auch die Arten der Gattung Gromia Duj. des Sülswassers mögen den Arcellen angehören, da ihr Ernährungsapparat nicht erläu- tert Ist. Im Jahre 1838 wurden in dem Buche „die Infusionsthierchen als vollendete Organismen“ 9 bis 10 Arten der Arcellinen von mir beschrie- ben und abgebildet, die Ernährungsorgane bei allen Arten von Arcella übereinstimmend mit dem polygastrischen Typus ihrer Organisation dar- gestellt und die Anwesenheit einer contractilen Blase angezeigt. Im Jahre 1840 habe ich in den Monatsberichten mitgetheilt, dafs der glückliche und reichhaltige mikroskopische Beobachter jener Zeit, Werneck, bei Salzburg eine Difflugra Ampulla in seinem Briefe an mich unter dem Namen Ampullaria als neues Genus angedeutet und mir durch Zusendung lebender Formen im Sumpfwasser Gelegenheit gegeben, die Charactere bis auf den Speiseinhalt selbst zu betrachten, was mich ver- anlalste, sie 1840 a. a. OÖ. p. 199 nicht als besonderes Genus, wohl aber als besondere Species anzuzeigen und auch die bei Berlin von mir auf- 1) Annales des Seiences 1837 Serie II. Taf. 9. Fig. 1. 2) Annales des Sciences 1836 Serie 11. Taf. 9. Fig. A. Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärilen. 235 gefundene Drfjlugia spiralis fester zu begründen. In dem Vortrage über die Süd- und Nordamerikanischen kleinsten Formen !) sind noch andere neue Arcellen und Difflugien von mir namhaft gemacht worden. Unter 16 amerikanischen Arten, 9 Arcellae und 7 Difflugiae waren neue Arten: Arcella americana, A. constriela, A. ecorns, A. disphaera, A. huınata, A. Nidus pendulus und A. Pileus; Difflugia areolata, D. acantophora, D. denti- eulata, D. Lagena, D. laevigata und D. striolata. Im Jahre 1841 hat Dujardin in der Suite de Buffon „Infusoires“ 9 Arten Arcellinen, sämmtlich aus Europa, verzeichnet, darunter auch die Gattung Euglypha specieller festgestellt. Von Neuem besonders anregend wurden im Jahre 18452) die Beobachtungen Schlumberger’s, welcher 7 Arten der Arcellinen aus den Wässern des Jura und der Vogesen beschrieben, von denen er zwei zur Gattung Difflugia, 1 zur Gattung Gromia und 4 in vier neue Genera vertheilt hat. Die beiden Difflugien, D. depressa und D. gigantea haben angeblich zahnlose Mündungen, aber sgetäfelte Schalen. Es bleibt im Zweifel, ob die Zähnchen an der Mundöffnung im frischen Zustande viel- leicht wegen Durchsichtigkeit und Schleimumhüllung übersehen wurden, da sie im abgetrockneten Zustande oft deutlicher hervorzutreten pflegen Die Erfüllung mit vegetabilischen Speisetheilchen ist bei D. depressa an- gezeigt. Gromia hyalina scheint die von mir 1838, Infusorienwerk Taf. IX Fig. VI, als Arcella hyalına abgebildete Form. Die vier neuen Genera Schlumberser’s sind: 1. Lecquereusia jurassica, durch kleine, in die Schale verwebte Bacillarien characterisirt, sonst der Difflugia proterformis bis auf einen verdünnten und gekrümmten Hals ähnlich. Da aber bei Arcella aculeata ‘xemplare mit und ohne eingewebte Bacillarien vorkommen, so ist die Sicherheit des Gattungs-Characters zweifelhaft und die Form würde zu der Abtheilung Cortieella gehören. Auch hier sind verschluckte Bacillarien und Pflanzentheilchen im Innern beobachtet. !) Abhandlungen der Akademie 1341. ?) Annales des Sciences nat. 1845 T. III Ser. III p. 254. 50% 236 EHRENBRRE: 2, Ovphodena marganitacea Schl. Die kleinen Perlreihen der Schale dieser Form erinnem einzeln an Assula umdonata. Sie würde in die Ab- theilung Zuglypha (edentata) gehören, wenn man nicht aus den perlarti- gen Kunötchen noch eine besondere Gattung festzustellen geneigt ist, Die von mir Cyphrdiem aureolum genannte, ebenfalls gelbe Form scheint von dieser verschieden zu sein, Eine Abbildung von Uyphoderia margaritacea ist von Schlumberger nicht, aber 1856 von Fresenius!) gegeben, welche eine Frankfurter Form betrifft, die er mit der aus den Vogesen für einerlei hält, Die Gestalt dieser Art schlieist sich sehr nahe an die von mir beobachtete und 1856 verzeichnete Diflugia uneinata aus Texas an, deren Zellseulptur der Oberfläche zwar bei stärkerer Vergrölserung nicht deutlich sechseckige Zellen zeigt, aber unter günstigeren Verhältnissen sich vielleicht doch als gleich gebildet ergiebt. 3, Dreudodiiiluna graecilis ist eine mit sandartigen Theilen durch- webte Schale mit runder ungezahnter Öffnung. Diese Form gehört zur Abtheilung Corticella. 4 Sphenodena lenta ist neben reihenweis getäfelter Oberfläche durch eine kammartig zusammengedrückte Mundöffnung characterisirt, wie sie bei Difklugta Carpro und D. binodis von mir beobachtet worden ist, die aber beide nicht reihenweise sondern netzartige Täfelchen, eine mit, die andere ohne Zähnchen am Munde zeigen. Aus dieser Verschiedenheit der Steuetur geht hervor, dals der zusammengedrückte Mund nicht wohl der Character einer besonderen Gattung sein kann, zumal es bei fast allen gezahnten Formen sehr schwer ist eine Aufsicht des Mundes zu erlangen, wodurch der Mangel einer vollen Rundung oft annehmbar wird. Sphe- noderia lenta gehört zu Zuglypha. Im Jahre 1845 wurde von Weilse im Bull. d. St. Petersd. T. IV Arcella uneimata und dieselbe Form gleichzeitig von mir im Monatsber. 1845 verzeichnet. Im Jahre 1847?) (1844—1849) wurden von mir 4 Arcellae und 2 Dirflugiae, darunter die fragliche neue Form A. costata im Passatstaub verzeichnet. Im Jahre darauf 1848 habe ich aus dem niederen Luft- 1) Abhandl. der Senkenb. nat Gesellsch. Bd 2 Taf, NH Fig. 3— 36. 2) Abhandl, der Akad, 1S47, Nachtrag zur Übersicht der organischen Amosphärilien. 237 staube von Europa, dem Libanon und Venezuela 18 verschiedene Arcel- linen, 11 Difflugien, 7 Arcellen, angeführt, darunter als neue Arten: Ar- cella comdieieola, A. constrieta, A. granulata, Diffluyia Bructeri, D. can- cellata, D. cilata, D. collarıs, D. Dryas, D. retieulota, D. squamata. Im Jahre 1849) ist eine Reihe hierher gehöriger Untersuchungen von Perty publieirt worden, welche die in der Schweiz bis in die Hoch- gebirge und in Öberitalien vorkommenden etwa 11 Arcellinen betreffen, neue Namen waren: Difflugia acaulis?), D. pyriformis, D. Bocillariaorum, Arcella stellaris, A. wirıdis, Euglypha loevis und E, setigera. In dem Aus- zuge?) aus seinem 1852 publieirten Werk: „Zur Kenntnifs mikroskopischer Lebensformen u. #. w.* Bern 1852, sind noch als weitere neue Arten der Schweiz von ihm hinzugefügt: Arcella hemisphoerica, A. Okenn, Difflugio curvata und D. minime, Im Jahre 1852 %) haben Felix Dujardin in Paris und ihm zufolge Boulengey in Rennes verschiedene Difflugien, Arcellen und Euglyphen in feuchten Moosen am Fufse der Bäume, also wohl aus dem niederen Luftstaube, in Frankreich beobachtet, welche die von mir 18487) aus Venezuela, Berlin und vom Libanon angezeigten ähnlichen Erfahrungen weiter bestätigen und speciell auch auf die Arcellinen hindeuten, 1853 habe ich in den Monatsberichten aus den Alpen der Schweiz und Baierns 15 meist bekannte Arten Arcellinen, 7 Arcellen, 8 Diffiugien, verzeichnet. In demselben Jahre theilte Ferd. Cohn®) seine Beobach- tung der Oopulation zweier Schalen mit der Mundöffnung bei der neuen Difflugia Heliv Cohn mit, während Schneider 18547) eine Knospung bei Difflugia Enchelys zu erkennen glaubte. Im Jahre 1854 wurde die Mierogeologie publicirt, in welcher von mir 48 Arcellinen, 23 Arcellen, 25 Difflugien, aus Asien, Afrika, Amerika !) Naturf, Gesellsch. zu Bern 1849. 2) Der Name „ocaulis“ ist nicht glücklich gewählt, da von einem Stengel bei Arcel- linen überhaupt keine Rede sein kann. #) Mittheil. d. naturf. Gesellsch. in Bern 1852 p. 60. #) Annales d. Sciences nat. Vol. XVIII 1852 p. 240, 5) Monatsb. d. Berl. Akad. 1848. €) Siebold u. Kölliker’s Zeitschr. Bd. 4. 1853 p. 261. 7) Müller’s Archiv 1854 p. 205. 238 EHRENBERG: und Australien verzeichnet und 21 Formen, 10 Arcellen, 11 Difilugien, abgebildet wurden, In dem nämlichen Jahre 18541) hat Max Schultze bei Gelegen- heit der interessanten Beobachtung der von ihm Zagynis baltiea (I. e. Taf. I Fig. 7. $) genannten Meeresform von Greifswalde eine neue Familie der Lagynıda unter den Monothalamien der Rhizopoden p. 56 beschrieben, wozu er eine grölsere Anzahl anderer schon bekannter Genera gezogen hat. In diese Familie rechnet er auch kalkschalige Formen, wie seine neue Gattung Squamulıra, Ovulina D’Orbigny und ähnliche. Es hat aber dieses Verfahren die Schwierigkeit, dafs hierdurch kalkschalige mit kiesel- schaligen und häutigen Formen in ein und dieselbe Familie vereinigt werden, wodurch die Gestaltungen der Meeres-Polythalamien (Foraminiferen) auch eine Stelle in den Sülswasserbildungen, von denen sie bis dahin durch ihren Mangel in der Schreibkreide u. s. w. ausgeschlossen waren, erlangen würden. Im sleichen Jahre 1854 habe ich versucht im den Monatsbe- richten und 1855 in den Abhandlungen der Akademie bei Gelegenheit der Erläuterung der Grünsande über den Organismus der Polythalamien im Gegensatz zu den Polygastern meine Erfahrungen mit mir noch jetzt berechtigt erscheinenden Gründen unterstützt auszusprechen, welche in den Abhandlungen 1852 p. 216 ausführlich zusammengefalst sind. Ziehe ich aber die blos chitinhäutigen und kieselschaligen Formen der Arcelli- nen ab, so bleibt auch die Gattung ZLagynıs so nahe bei Difilugia der Arcellinen stehen, dafs ich Bedenken trage sie davon zu entfernen. Sehr leicht und ohne Zwang reiht sich auch diese Zagynıs baltica dureh structur- lose Haut und zahnlosen Mund an die Abtheilung Zrassula an und ihr Vereinigen mit Schlumberger’s Üyphoderia durch Stein und Frese- nius ist behindert durch den Mangel einer Structur der Schale. Im Jahre 1856?) hat Carter, damals Assistenzarzt in Bombay, eine gröfsere Reihe sehr verdienstvoller Untersuchungen über die west- asiatischen mikroskopischen Organismen veröffentlicht, in denen beson- ders die Amöbeen und Arcellinen intensiv beobachtet sind. Diffluga in- euspis Carter, 1. ec. Tab. VO Fig. SO, hält Fresenius für D. oblonga 1) Max Schultze, über den Organismus der Polythalamien. Leipzig 1854. 2) Annals and Mag. of nat. hist. Tome XVII 1856 p. 221. Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphänrilen. 239 Ehrb., was ich nicht unbedingt anzunehmen veranlafst bin, da ich eine dreilappige Mundöffnung, welche nicht glücklich dreispitzig (trieuspis) ge- nannt worden ist, bei D. oblonga nicht erkannt habe und welshalb die asiatische, auch in der Gestalt eisenthümliche Form vielleicht doch eine besondere ist. Was Kuglypha alveolata Carter anlangt, so erscheint mir auch diese Form, deren innere aber noch unklare Organisation von Carter reichhaltiger dargestellt ist, l. c. Tab. V Fig. 25—36, defshalb von der europäischen wesentlich verschieden, weil die Täfelung nur am Halse in vielen Zeichnungen angegeben ist und am Körper fehlt. Besonders wichtig wäre seine Beobachtung einer angeblichen, noch zu bestätigenden, vielleicht doch nur scheinbaren Copulation. In demselben Jahre 1856 hat Bailey!) die ersten zwei oceani- schen Formen dieser Familie an den nordamerikanischen Küsten ver- zeichnet, Diffugia marima Bailey und Cadium marınum Bailey. Letz- teres ist hier als Difflugia (Lirella) Baileyi nach meinen eigenen 1861?) veröffentlichten Untersuchungen aus der Davisstralse aufgenommen und auch die Zahl der oceanischen Formen durch die Difflugia membranacea daselbst von mir vermehrt worden. Im Jahre 1857 hat Professor Stein in den Sitzungsberichten der Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften neue Beobachtungen über die Sülswasser-Rhizopoden veröffentlicht, welche er in Gymnica, Monocyphia und Arcellina abtheilt. Zu den ungepanzerten Gymnicıs rechnet er als Amöbeen Amoeba und ÜUhaetoproteus und als Actinophryna Actinophrys und Actinosphaerium. Zu den Monocyphien als Coryeinen Corycia Duj. und als besondere Abtheilungen der Difflugien: Gromia D uj., Difflugia Leelere, Euglypha Duj., Sphenoderia Schlumb., Hyalosphenta Stein et Grunow, Uyphoderia Schlumb. Zu den Arcellinen rechnet Stein Trinema Duj., Arcella Ehrb. und Centropyzis Stein. Die noch wenig beobachtete, aus Lebermoosen 1852 entwickelte Gattung Coryeia Duj. ist vielleicht als Pam- phagus von Bailey in dem Americ. Journ. Vol. XV. Serie Il 1853 ausführ- licher dargestellt, und gehört zu den schalenlosen Amöbeen. Lieberkühnta Ölap. u. Lachm. 1859, vielleicht auch Pelobrius Greef 18703) scheinen 1) Amer. Journ, of Sc. and Arts. Serie 2. Tome XXII p. 3. Taf. I Fig. 2. 7. 2) Monatsbericht der Berl. Akademie 1861 p. 280. 3) Sitzungsb. niederrh. Ges. 240 EHRENBERG: sich als amöbenartige grofse Formen hieran anzuschliefsen. Die Einrei- hung der Gattungen Gromia und Uyphoderia (Lagynis) zeigen an, dals der Verfasser die zu den Foraminiferen gestellten Formen richtiger in der Nähe der Difflugien stehend sich vorstellt und durch die Gattung Aya- losphenia vermehrt er diesen Kreis verwandter Formen. Was seine Ab- theilung Arcellina anlangt (ich übergehe das Übrige), so ist es schwer einen wichtigen Unterschied aufzufinden, welcher die Vorstellung dieser Abtheilung als wesentlich von Monocyphia verschieden begründet. Auch hier hat der Verfasser einen eigenen generischen Namen für die von mir aufgestellte Arcella aculeata als Centropyxis eingeführt, während die Rand- stacheln dieser Form zuweilen sehr zahlreich und wieder bei einzelnen Exemplaren sehr unregelmäfsig in Gestalt, Länge und Zahl sind, ja nicht selten als ganz fehlend (Arcella ecornis?) sich zu erkennen geben. Im Jahre 1858 wurden von mir in den Abhandlungen der Aka- demie p. 426 bis zu den höchsten Pässen des Himalaya (bis 20,000 Fuls Höhe) 7 Arten Arcellinen beobachtet, 3 Arcellen, 4 Diflugien, darunter als neue Art Difjlugia alpieola. In demselben Jahre 1858 haben Claparede und Lachmann neue Studien über diesen Gegenstand veröffentlicht. Die Arcellinen sind von ihnen als mit einer Schale versehene Amöbeen meinen frühesten Vor- stellungen gleich aufgefalst worden, allein sehr abweichend von meinen Auffassungen sind die Polythalamien und Polyeystinen mit den Polygastern als Rhizopoden zusammengefafst und die Bacillarien ausgeschlossen wor- den. Beide Beobachter stimmen darin mit meinen Darstellungen überein, dafs an Einfachheit der Substanz dieser so oft Sarcode genannten Thier- körper nicht zu denken sei, vielmehr die von mir in Steinkernen der Polythalamien-Kalke und im Grünsande der Vorwelt 1839 und 1846 be- sonders 1847 in den Monatsberichten nachgewiesene, sehr zusammenge- setzte, auch von Carter zum Theil berichtete Structur anzuerkennen sei (Etudes sur les Infusoires p. 420). Die Arcellinen theilen die obigen Verfasser als Abtheilung der Amöbeen der Rhizopoden in 3 Genera: Arcella, Echinopyxıs und Difflugra. Unter Arcella verzeichnen sie 2 Arten, Arcella vulgaris und A. patens, letztere als neue Art. Die Zerspaltung der Arcella vulgarıs durch Perty in mehrere Arten, sowie die beiden neuen Arten von Perty, A. hemi- Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärilien. 241 sphaerica und A. viridis und auch A. uneinata von Weilse werden von ihnen als Varietäten der Arcella vulgaris besprochen und zu diesen Varie- täten auch die 1838 als A. dentata von mir abgebildete Form gerechnet. Die besondere Gattung Cyphridium aureolum ist von ihnen unbeachtet ge- blieben. Was die Kehinopyxis aculeata der Verfasser anlangt, so ist diese schon vor ihnen von Stein Üentropyxis genannt worden. Ich selbst halte beide Namen für generisch ungerechtfertigt, weil die Randstacheln meist sehr unregelmälsig an Grölse, Gestalt, Abstand von einander und an Zahl niemals übereinstimmen, oft abgebrochen, daher geöffnet, zuweilen nur als geringe Knötchen vorhanden sind, sowie sie auch ganz zu fehlen schei- nen, wo dann nur die Unregelmäfsigkeit der Gestalt sammt der Structur der Schale diese Art von A. vulgarıs verschieden erscheinen läfst. Was die von mir 1838 (Infusionsthiere) beschriebene und abge- bildete Arcella hyalina anlangt, so sind öfter die Vorstellungen von neue- ren Beobachtern, auch die von Fresenius, auf die von mir umständlich beobachtete Form, wo sie abweichen, in keiner Weise anwendbar, und diese Besonderheiten von Lokalformen mögen vielmehr Verwechslungen mit der Gattung Gromia hervorbringen. Dagegen ist eine einflufsreiche Beobachtung von Claparede und Lachmann mit besonderer Theil- nahme festzuhalten, zufolge welcher die Arcella vulgaris ihre Schale wechseln soll, wodurch sie die grofse Variation dieser Art erläutern. Es mag dies eine jener Oysten-Umbildungen sein, deren weitere Beobachtung die Systematik der Arcellen und Diftlugien, wenn sie stattfindet, noch sehr wesentlich umändern kann, mir aber nicht vorgekommen ist. Von Difflugien erwähnen die Verfasser aufser den von mir aufge- führten D. proterformis Leel., D. acuminata, D. oblonga, D. spiralis, D. Ampulla, D. Enchelys und D. Lagena noch D. pyriformıs Perty, D. Ba- cillariarum Perty, D. Heliw Cohn, D. depressa und D. gigantea Schlum- berger. Aulser den nach ihnen bei Berlin häufigen D. proteiformis, D. acumanata und D. pyriformis haben die Verfasser keine der Formen selbst beobachtet und halten D. oblonga wohl mit Unrecht für eine ihrer Schlamm- hülle beraubte D. pyriformis. Der Charakter der Gattung Difjlugia wird in der constanten Bedeckung der Schale mit Schlamm erkannt. Eine grofse Zahl von nahe verwandten Formen wird unter dem Namen Zuglypha in der ganz anderen Abtheilung der Schalen führenden Actinophrynen ver- Phys. Kl. 1871. öl 949 EHRENBERG: zeichnet, von denen Claparede nur die eine Art Euglypha tuberculata Duj. 1841!) gesehen hat. Einige von Claparede und Lachmann zur Familie der Actinophrynen gestellte Formen sind Pleurophrys und Trı- nema. Trinema Acinus Duj. 1836 wird für einerlei gehalten mit der von mir 1838 beschriebenen und abgebildeten, 1835 beobachteten Difflugia Enchelys. Die mir etwas zu spät bekannt gewordene Gattung Trinema wülste ich auch jetzt von jener Difflugia Enchelys, die aber später doch durch seitliche Öffnung den Charakter und Namen einer Arcella erhalten hat, nicht zu unterscheiden. Eine Bemerkung der beiden Verfasser, dafs Trinema Acinus Duj. = Difflugia Enchelys Ehrbg. im Jugendzustande die Öffnung vorn und im Alter seitlich habe (pag. 456), enthält eine für die Systematik wichtige, aber noch nicht weiter bestätigte Ansicht. Die im Jahre 1863 erschienene Systematik in Carus und Ger- stäcker’s Handbuche der Zoologie verzeichnet die Arcellinen bei den Amöbeen der Infusorien und enthält nur die Formen der früheren Beob- achter, hat aber die Gattung Cyphidium wie seine Vorgänger ganz weg- gelassen. Die Einreihung der Lagynis bei den Foraminiferen als Rhizo- poden und deren weite Entfernung von den Difflugien schliefst sich an die Vorstellungen von Clapar&de und van der Hoeven an. Bei den grolsen Schwierigkeiten der verschiedenen Beobachtungs- methoden und besonders der verschiedenen Ansichten über die einfache Grundsubstanz oder grolse Organisation der hier in Betracht kommen- den Naturgegenstände, habe ich für nützlich gehalten zur geographi- schen Übersicht und zur Erläuterung des von der Atmosphäre getragenen organischen Lebens von allen den Zerwürfnissen der Systematiker Ab- stand zu nehmen und vielmehr in der Abhandlung vom Februar genaue, von mir selbst in früheren Jahren gezeichnete Abbildungen der zu beur- theilenden Formen mitzutheilen und allesammt unter den einfacheren Na- men Difflugia und Arcella zusammenzustellen. Auf der beigehenden Tafel ist diese Charakteristik anschaulich gemacht. Die neuesten Fortentwicklungen der sich immer zusammengesetzter gestaltenden und auffällig zierlich gewebten Struetur der für einfach ge- haltenen Bacillarien-Schalen durch Otto Müller, wie es im Sitzungsber. 1) Dujardin, Suite de Bufon Infusoires p. 251 Pl. 2 fig. 7. S. Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärilien. 245 der Berliner naturf. Gesellschaft vom Oktober d. J. dargestellt ist, zeigt deutlich an, dafs eine grolse Berechtigung vorliegt, in allen diesen mikro- skopischen Formen die Grenzen der Organisation ihrer Substanzen einer noch immer tiefer gehenden Forschung zu empfehlen. Nach den historischen, so viel als mir möglich war, vervollstän- disten Bemühungen vieler Beobachter ist das folgende, die gegebenen und mir bekannt gewordenen Specialnamen zusammenstellende Verzeichnifs der sämmtlichen, auf der ganzen Erdoberfläche in Erfahrung gebrachten For- men-Arten der Arcellinen in Übersicht gebracht worden. Eine einge- hendere Kritik der Synonymie für Europa mufs ich späterer Bemühung überlassen, da die Beobachter sich bis jetzt noch nicht über die Stärke der anzuwendenden Vergröfserungen oder auch des anwendbaren Organi- sations-Typus geeinigt haben. Nur die von mir selbst stets bei 300 mali- ger Diameter-Vergröfserung betrachteten und durch Präparate zur wieder- holten Prüfung festgehaltenen und benannten Formen erlauben bisher eine gesicherte Vergleichung, wenigstens der Schalen der in verschiedenen Erdgegenden und in der Atmosphäre vorhandenen Arten. Die bisherigen systematischen Anordnungen der Arcellinen leiden an dem Mangel einer physiologischen Einsicht in den Bau des Organis- mus ihrer Weichtheile. Es soll dies kein Vorwurf für mühsame Beob- achter sein, da auch ich selbst eine nur erst theilweise Erkenntnifs erlangen konnte, vielmehr mag es auf die noch vorliegenden Schwierig- keiten bei Schalthieren hindeuten, welche eben eine befriedigende Syste- matik noch nicht erlauben. Hauptsächlich fehlt noch meist der Nach- weis, ob das Ernährungssystem sich dem vielzelligen Bau der Polygastern oder dem einfachen schlauchartigen Bau der Polythalamien anschlielst, was bei lebenden, durch Farbenahrung am sichersten allgemeiner festzu- stellen sein wird. Erst nach Feststellung dieses am wenigsten schwieri- gen und feinen Organsystems werden sich die schon hier und da erkann- ten, aber noch unklaren vielen Complicationen ordnen lassen, welche auch Schultze bei Lagynis, Carter bei Euglypha alveolata u. A. an- gezeigt und abgebildet haben. Ob die vier bandartigen Organe im Grunde bei Lagynıs mit den vier Spiralbändern bei Diflugia spirigera des bairi- schen Hochgebirges gleiche Functionen haben, ist weiter zu ermitteln. Das oft behauptete Ineinanderfliefsen der Pseudopodien gleich einer haut- 31” 244 EHRENBERG: losen Flüssigkeit hat mir auch in der neueren Zeit, ungeachtet der Strö- mungsanzeigen, nur stets den Eindruck einer optischen Schwierigkeit ge- macht, welche durch das erfolgende Entwirren und Zurückziehen der einzelnen Theile mir stets unzweifelhaft wurde. Versuch einer systematischen Anordnung der Arcellinen nach eigenen Beobachtungen. I. Arcella (Kapselthierchen). Loricae apertura laterali aut media, infera, pseudopodio simplici aut multiplici plano aut tıliformı. 1. 4A. Homoeochlamys. Loriea inermis suborbieularis aut oblonga, laevis aut subtiliter sine ordine punetata, aut nebuloso-maculata, interdum costata. a. orbiculares. b. oblongae. A. Homoeochlamys angulosa A. Homoeochlamys americana == —— dentata — = constricta —— —_ discoides — — costata -- En ecornis _ — Disphaera — _ Globulus — — Einchelys — — hyalına 1838 = — — gramulata Gromia hyalina Schl.; an Gromia — — lunata oviformis Duj., Gr. Jhumatılis Duj., — — patens Gr. Dijardın! Schultze, Trinema — _ rostrata Acinus Duj.)? En — uncinata. 2. 4. Sticholepis. Lorica inermis orbieularıs aut oblonga, areolarum aut assularum seriebus ornata. a. orbieulares. b. oblongae. A. Sticholepis Prleus A. Sticholepis caudicreola — — stellarıs _ _ Megastoma — Eugly- — —_ vulgaris pha pleurostoma? Carter — —- Nidus pendulus — — retreulata. — — serlata LO ng og Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärtlien. 3. 4A. Centropyzis Stein 1857. Lorica varıa aculeata aut setosa. A. Centropyxis aculeata = Echinopywis Clap. 1859 _— — cirrhosa — — Diadema. 4. 4A. Heterocosmia. Lorica inermis, superficie areolis sine ordine caelata, suborbieularis aut oblonga. a. orbiculares. b. oblongae. A. Heterocosmia cellulosa A. Heterocosmia Arctiscon — — Mierostoma _ — guatimalensis — = peristieta — _ Nigritarım — — stellata? (imcerta) — — Pyrum. 5. 4A. Oyphidium. Lorica inermis non areolata, tuberculis obsita, pseudopodio sim- plice dilatato nee filiformi. A. Cyphrdium aureolum = Arcella aureola Griffith. II. Difflugia (Schmelzthierchen). Lorica varia urceolari aut lageniformi, interdum curvata et unci- nata, non numquam limo incrustata, apertura frontali, pseudopodio sım- plice aut multiplice attenuato, filiformi aut ramoso. 1. D. Exassula. Lorica inermi oblonga, ovata aut subglobosa, varia, superficie laevi simplice aut irregulariter punctata, apertura dentata aut edentata. a. edentatae. Lagynis. b. dentatae. Ürossopyxis. D. Exassula Aretiscon D. Exassula azorica — — baltiea(LagynisSchultze) — — Zattloggi — — globulosa — — dentieulata == — granulata — — fallax R Ba = # BER: 17,2 Bi. en D. Exassula hyalina BT — 0 — lamıs ae — — _ lrostoma _ N ü — ..— membranacen — .— prorolepta u‘ i — — oblonga — — Pirurson — .— paocifica — .— Sehwartzü 3 i 5 — — Phiala — — Roraimae | r — 0 pingera dot PoR — .— tmeuspis 2%. .D. Assulina, Loriea inermi oblonga ovata aut subglobosa, varia, apertura laevi aut dentata, superficie areolarum aut assularum seriebus ornata. @ odentatao, Hologlypka. d. dentatae. Zuglypha. D. Assulina adunca D. Assulina alpicola — 0 — alabamensis — — alveolatalarternecDuj. — .— Ampulla — .— Amphora — — assulata — .— antarchea — .— carolinensis — .— reolata — Eugl. ale. — — Öyrtocora Duj. ex parte — — depressa — ..— capensis — .— Dryas — — Qteurbitula — — Harman — — eylindırea — — lenta (Sphenodera — — @üe. Schlumb. 1845) — — Floridae — — Lepteolepis — .— moluccensis — — Tieata — — 0Oligeodon — — Maerolenis — — rectangularıs — .— margarltacea (= Üy — — Robert Müller - phoderia Schlumb) — — Seelandica — .— manıma — .— Semimulum — .—. squamala — 0 — tessellata. — — wnemnata — .— tubereulata Duj- Nachtrag 3. D. Setigerella. zur Übersicht der orgamischen Atmosphärihen. 247 Loriea setosa aut aculeata, oblonga ovata aut suhglobosa, super- ficie varia, dine assulis areolıs aut cellulis retieulata. D. Species notae omnes dentatae. Setigerella acantophora _ eihiata _ prlosa —_ sehgera — strigosa. 4. D. Reticella. — KEuglypha alveolata Duj. ex parte — Kngl. setigera? Perty Lorica inermis oblonga, ovata aut subglobosa, superfieie sine or- dr edentatae, Allodietya. D. Reticella asterophora? annlata Bructeri Carpio cellulosa collaris Lagena las missouriensis 5. D. Cortieella, b. dentatae, Odontodietya. D. Retieella binodis cancellata globularis hispaniea longieollis Pıla reheulata, Lorica inermis oblonga, ovata aut subglohosa, simplex aut spiralis, erusta aliena mutabili obducta. D, da. edentatae. Leequereusia, Cortieella acıminata gigantea gracilis ( Pseudodifflu- ga Schlumb.) Jurassica (Leequereusva Schlumb. D. curvata Perty) proteiformis pyriformis spiralis b. dentatae, D. Corticella caucasiea, 248 EHRENBERG: 6. D. Lirella. Lorica inermis oblonga, superficies Iiris longitudinalibus ornata. a. edentatae. (adium. b. dentatae. Fucadium. Cadium D. Lirella serrata marınum AN N - striolata — b. atlantıc «| Bailey D. Lirella Barleyı a. polarts Diagnostik der bisher noch nicht speciell characterisirten Arcellinen. 1. Difjlugea adunca. Lorica lageniformis, anteriore parte curvata attenuata, apertura terminali obliqua edentata, postica parte turgida parum umbonata. Assularum minimarum seriebus angustis in diametro maximo transverso 19—24 conspieuis. Long. z5” lat. 15". Icon in Tab. Il ı Fig. 8.9. E Tscharbuhur Su Caucasi, cefr. Mierog. p. 108. Diffl. aduncae in Oası Hammonis libyca frequentis Icon in Tab. II Februario mense D. Lagenae nomine designata est. D. Lagena vera nus- quam nisi in Nova Fundlandia Americae borealis reperta est. D. adunca, praeter Libyam in Caucaso, Kurdistania et in Himalayae montibus frequens oceurrit. Caucasica forma fig. $ hujus tab. exarata est et lineamen- tum speeiminis ex Himalayae montibus in eadem Tab. Fig. 9 addı- tum est. 2. D. alabamensis. Lorica ovato-oblonga, utrinque subaequaliter attenuata, antica parte truncata, ibique apertura lata edentata insignis. Superficies subtiliter seulpta punetorum, an squamularum, subquadrata- rum subtilium seriebus obliquis longitudinaliter ornata. Series fere 20. Longit. z", lat. 25". Icon in Tab. Ill ı Fig. 10. In Alabamae Settilliby Creek, limo, efr. Mieros. Il 1856 p. 18. 3. D. Amphora. Lorica oblonga, media parum turgida, postica parte rotundata, fronte parum contracta truncata, apertura lata dentata. Superficies seriebus longitudinalibus et transversis im quincuncem positis subtiliter tessellata. Seriebus longitudinalibus 14 conspieuis. Dentes in ambitu oris 14. Longit. 745”, latit. 4". Icon in Tab. IH ı Fig. 17. Ex Insulae Celebes Moluecensis humo. Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärilien. 249 4. D. anmulata. Lorica ovata pyriformis, anteriore parte m col- lum breve, plicis transversis 6—7 annulatum producta, frontis apertura late truncata edentata, corpore extra collum subgloboso. Superficies laxe et irregulariter retieulata. Long. 5" lat. 5". In insulae Porto- rico filicum humo semel cum D. /awa frequentiore observata. Icon in Tab. Il ı Fig. 19. Ofr. Mierog. p. 355. 5. D. antarctica. Lorica elliptico oblonga, postico fine rotundato, ostio antico late truncato, dentium obtusorum serie numero 8 conspicuo- rum (16?) ornato. Superficies dense areolata, seriebus quineuncialibus. Long. 51." latit. 745". In longitudine 15 numerantur series. Habitat in terra humida Americae Australis Cap Horn. Icon in Tab. II Fig. 11. 6. D. Arctiscon. Lorica majore oblonga areis irregularıbus saepe turgidis aegre conspicuis Jaxe reticulata, postica parte late rotundata, an- tica parte late aperta lacera, dentibus 4 latis irregularıbus magnis lobata. Long. 15" lat. 4" Icon in Tab. IH ı Fig. 2. Incerta species, cfr. Microg. p. 108. . Ex Himalayae Asiae regione superiore 6—8000' alta. 7. D. assulata. Lorica pyriformis, postica parte late rotundata, frontem truncatam versus sensim attenuata, apertura frontalı edentata. Superticies late assulata, seriebus fere 5 longitudinalibus et fere 13 trans- versis prope aperturam angustioribus. Longit. Z" latit. 47". E monte Libano in Polytrıcho ad pagum Bischerre. Icon in Tab. II Fig. 4. Ejusdem Tabulae figuram 5 ad eandem speciem cujus assulae fron- tales valde differunt, revisa D. carolinensi referre non haesito. Difflugiam carolinensem a libanotica altera parum recedere certum est hine eam ad D. carolinensem nune adlegavi. Ufr. Microg. p. 49. 331. 8. D.? asterophora. Lorica urceolaris parum altıor quam lata, apertura maxima frontali margine edentato suberenulato. Superficies laevis. Fundus internus corpusculis stellatis globosis plurimis faretus. Long. 514" latit. 75”. Ex insula Trinidad Antillarum. Icon in Tab. Il ı Fig. 18. Incertae speciei 3 specimina vidi. Lorica cum corpuseulis luce polarisata non colorantur. Cf. Microg. p. 355. 9. D. azorıca. Lorica ovata, altero fine rotundato, altero fron- tali truncato. Superficies irregulariter et subtiliter punctata, ostio frontali lato edentato. Longit. „," latit. 25". Ex insula San Michael Azorica. Icon Tab. II Fig. 29. Ofr. Microg. 1854 p. 278. Phys. Kl. 1871. 32 m . 250 EHRENBERG: 10. D. Badleyi. Loriea ovata, altero fine rotundato, frontali fine brevi collo intlexo uneinato, apertura rotunda laevi terminali subimfera parva. Superficies liris longitudinalibus angustis fere 12 (24). Longit. zu" latit. 345”. E maris Groenlandiei fundo Davisstralse vocato, Monatsber. 1861 p. 280. Icon in Tab. Il ı Fig. 29. Hane speciem Bailey detexit et Cadır marin! nomine et icone illu- stravit (Americ. Journ. 1856 p. 3 Tab. I Fig. 2). Eodem 12 (24) lirarum numero instructam e Kamtschatiko 900—2700 fath. (5400 —16,200 ped.) alto fundo. Similem formam in atlantici maris (Golfstrom) fundo 24 (48?) lineis angustioribus instructam notavit. Equidem in maris Groenlandiei (Davisstralse) fundo 6000—9240' alto 5 specimina eum Kamtschatieis bene convenientia observavi. Hine duae formae ejusdem speciei in memoria tenendae sunt, quarum una varietas a. polarıs in Groenlandico et Kam- tschatico mari, altera b. atlantica in mari ad Floridam? desit. 11. D. Battloggi. Lorica elliptico-ovata, utrinque aequaliter ro- tundata, laevis, apertura frontalis lata, dentieulis raris cire. 4 conspieuis insignis. Longit. 34”, latit. 44”. Ex insula St. Paul Oceani Australis. Icon in Tab’ II Fig. 17. Cr. Monatsber. 1861 p. 1102. 12. D. binodis. Lorica elongata lageniformis, postica parte rotun- data turgida, antica parte attenuata recta, colli lateribus utrinque nodulo insignibus, apertura compressa edentata. Superficies inaequaliter distinete reticulata, areolis in direetione transversa media eire. 11. Longit. Zu”, latit. „15 — 715”. E Guiana angliea Americae meridionalis. Icon in Tab. II Fig. 22.25. Cfr. Mierog. 1854 p. 331. 13. D. capensıs. Loriea gracilis lageniformis, postica parte rotun- data, collo longo sensim valde attenuato truncato. Apertura frontalis denti- eulis eonspieuis 3 (an igitur 6). Superficies in seriebus obliquis eleganter assulata, assulis prope aperturam minoribus, series assularum utrinque in longitudine 14, in maxima latitudine obliqua 6. Longit. 54" latit. 24". Icon in Tab. II Fig. 33. In humo Sclerrae ex Afrika australi capensi. 13. D. carolinensis. Lorica pyriformis oblonga, frontem versus attenuata truncata, postica parte turgida late rotundata, frontis apertura medioeri edentata. Superficies assularum quadratarum seriebus longitu- dinalibus 3—5 ornata, in transversa directione 11 series numerantur, fron- tem versus parum angustiores. Longit. „,” latit. „JL”. Icon in Tab. IH ı Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärilien. 251 Fig. 14. E Carolinae australioris (Americae borealis) humo. Öf. Mierog. II 1856 p. 69. Haec forma cum asiatica Libani, D. asswlatae varietate, Tab. II Fig. 5 adeo convenit ut conjungendae videantur. D. assulata Libani colli assulis multo tenuioribus specie differre nunc censeo. Elongatus habitus americanae formae levioris momenti videtur. 14. D. Carpio. Lorica ovata plus minus turgida, ad aperturam breviter attenuata ostiolo compresso inermi. Superficies irregulariter reti- culata, areolis utrinque in Z" fere 5—8. Long. 4, — 25" latit. ,— 4". Icon in Tab. II Fig. 27. 21. Habitat fig. 27 in Canara Indiae orientalis (efr. Microgeologia p. 119 et 121 —= Diff. Lagena B Carpio) et fig. 21 in Nilgherri Indiae orientalis humo (ef. Mierog. p. 117 D. Lagena B steno- stoma = D. Lagena 3 Carpio) in enumeratione generali ibid. p. 121. 15. D. caucasica. Lorica ovato-pyriformis, fronte in collum breve producta late truncata, aperturae dentibus 6 conspieuis, postico fine late rotundato. Corporis tota superficie particulis irregularibus arenaceis an- gulosis obsessa. Semel observata forma ex Tscharbuhur Su, Turkestaniae. Longit. Z5" latit. 45". Icon in Tab. IIl ı Fig. 28. 16. D. cellulosa. Lorica subrotunda, apertura parva subeonstrieta edentata. Superficies cellulis amplis irregulariter areolata, lineis singula- riter erenulatis. Longit. 7/5" latit. 5”, 6 cellulis in longitudine, 5 in latitudine. Ex pulvere atmosphaerico silesiaco 1848. Of. Abhandl. 1847. Icon 1847 Abh. Tab. VI ım Fig. 70, Mierogeologie 1854 Tab. XXXIX u Fig. 26. 17. D. Oueurbitula. Lorica fusiformis, media turgida utrinque ob- tuse attenuata, apertura frontali dentieulis 6 conspieuis insigni. Super- ficies ubique laevis. Longit. 54" latit. 71,”. Ex alpe Altaica Prochodnoi prope Riddersk in Swertiae a me ipso collectae humo cum 5 aliis Dif- Jlugus Berolini observata. fr. Mierogeologie 1854 p. 94. Icon 1871 Tab. II Fig. 8. 18. D. eylindrica. Lorica eylindrica utrinque subtruncata, aper- turae frontalis eoaretatae denticulis conspieuis 7. Superficies areolarum seriebus angustis longitudinalibus et obliquis instructa, areolae longitudi- nales conspieuae 10. Longit. Z;" latit. 5”. Ex insula Catschull, maris 997% I) 352 EHRENBERG: Nieobariei Indiae. Chr. Mierogeologie p. 172 et 241. Icon 1871 Tab. II Fig. 18. 19. D. Oyrtocora. Loriea elongata, erassitie subaequali, fronte in- eurvata obtusa, apertura ampla inflexa sublaterali, dentieuli nulli. Super- fieies irregulariter areolata, areolae conspieuae in 15” fere 6. Long. 35" latit. 915”. Habitat in Guiana anglica ad fuvium Barımam. lcon in Mierogeologie 1854 Tab. NXXIV v Fig. 7. fr. Mierog. 1854 p. 331. Arcellae habitum prae se fert sed apertura frontalis obliqua reetius diei videtur quam infera, 20. Difplugia fallax. Lorica ovata urceolaris postico fine sub- aeuto, fronte late truncata, aperturae latae 6 (12?) dentieuli eonspieui acuti. Superficies laevis. Long. 45” lat. 515”. Icon in Tab. II Fig. 19. Cfr. Mierog. 1854 p. 172. D. Cueurbituelae alpestri aftınis forma ex insula Nicobarica Cat- schull Indiae aequatorialis. 21. D. Floridae. Loriea oblonga urceolaris parva subeylindrica, postica parte rotundata, fronte truncata, dentieulis 6 conspieuis acutıs. Superticies subtiliter areolata, in seriebus conspieuis 8 longitudinalibus, areolae 6 in quavis longissima serie. Long. 54” lat. 515”. Icon in Miero- geologie 1854 Tab. NXAIV vı Fig. 3. Cfr. Monatsb. 1853 p. 266. Ha- bitat in Florida Americae septentrionalis. 22. D. Frauenfeld. Loriea lageniformis amplior adunca, collo eur- yato tereti valde attenuato, apertura truncata orbieulari edentata. Super- leon mn Tab. II 1871 m fieies laevis plicatilis. Longit. 515” latit. bh Fig. 12—14. Collum aduneum interdum hamiforme, color loricae flavus, collo fusco nigricante. Habitat in insula St. Paul oceani australis (cfr. Mo- natsbericht 1861 p. 1102). 23. D, Gillo. Loriea ampla lageniformis, ventre subgloboso, collo erasso eylindrico truncato, apertura ampla edentata. Superficies obsolete assulata, assularum seriebus latis aegre conspieuis in collo aperturam versus distinetioribus obliquis, in longitudine 17, in direetione transversa 5. Longit. 1y” latit. 715”. Icon in Tab. II Fig. 1. Habitat in Americae centralis Costa Rica, efr. Mierog. 1854 p. 36. Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärtlien. 253 24. D. globularıs. Lorica ovato-globularis, apertura frontali lata dentata, dentieulis 4.. Superfieies tenuiter in seriebus transversis tabel- lata praeter primas aegre conspieuis. Conspieuae in serie transversa fere 4—5 numerantur. Longit. „4 latit. 45". Icon in Tab. II ı Fig. 24. Cfr. Mierog. 1854 p. 339. D. Pila Tab. Il Fig. 6. 7 libanotica areolis distinetis et dentium numero majore dilfert. 25. D. granulata, Lorica amplissima ovata, postica parte latissime rotundata, frontalı breviter attenuata truncata, apertura eireuları edentata lata. Superfiecies dense et irregulariter subtilissime punctato-granulata. Longit. 15" latit. 51”. E Norwegia. Similes formae ex Armeniae mon- tosis a me in Micrologia 1854 p. 26 indicatae sunt. 26. D. Hartmann. Lorica elongata pyriformis, aperturam versus sensim attenuata, ostiolo constricto, aspero? non dentato. Superficies assu- larum aegre conspieuarum seriebus longitudinalibus et obliquis ita notata, ut series obliquae tamquam dentieulatae appareant. Assulae longiores quam latae parum distinetae superficiem eleganter vestiunt. Haee forma inter characteristicas Africae notabilis est. Longit. „1,", latit. maxıma posterior 15", ostioli 545". Unieum speeimen. Haec diagnosis priori praeferenda est Zleisebericht des Baron v. Barnim, Berlin 1863, Anhang p. 79. Icon in Tab. II 1871 Fig. 34. D. Helix Cohn a D. spirali spirae ambitu quadrupliei differre legitur. 27. D. hermitana. Lorica ampullacea parte posteriore subglobosa, frontem versus in collum longius attenuata, fronte truncata apertura lata inermi. Superficies irregulariter et subtiliter granulata. Longit. 54" latit. 35". D. gramulatae affınis. Icon in Tab. II 1871 Fig. 10. Habitat in Americae australis promontorio Cap Horn vocato, cfr. Mierogeologie pag. 288. 28. D. hyalina. Lorica oblonga utringue rotundata, apertura parva in fronte media rotunda edentata. Superfieies laevis. Longit. 5," latit. 55”. Icon in Tab. IlLı Fig. 3. Habitat in Venezuela (Monatsb. 1848 p. 215). Similis forma ex Australiae insulis Sandwich (Mierog. p. 10). 29. D. laevıs. Lorica linearis, gracilis, leviter elavata, postica parte rotundata sensim in frontem truncatam attenuata, apertura terminali 254 EHRENBERG: laevi edentata. Superficies tota laevis. Longit. Z" latit. 15". E Te- nesse ad Mississipi fluvium Americae borealis, cf. Miron og. p. 12. 33. D. Lagena Libyae Ehrb. cf. D. adunca. 30. D. laxa. Lorica ampullacea pyriformis, media turgida, parte postica rotundato -attenuata, frontem versus sensim constrieta, ore trun- cato edentato. Superficies laxe et irregulariter cellulosa, cellulis angu- losis in media transversa linea fere 14. Longit. 5", latit. „4. Fre- quens in Hemionitidis humo in Portorico. 9 specimina observata. D. an- nulatae , en rotunda etiam, valde affınis esse videtur. Icon in Tab. III ı Fig. 22. 31. D. Leptolepis. Lorica ovata, frontem versus attenuata trun- cata, apertura laevi. Superficies assularum minorum, seriebus obliquis ım Al DR eleganter sculpta, in „15 5—6 assulae quadratae, laeves. Longit. latit. „]/”. E Canara Indiae et ex Roraimae Guianae Americae esimlke humo. Utraque forma in Microgeologia 1854 p.121. D. tessellatae B no- mine notata est, de quo ulteriores observationes decident. 32. D. lineata. Lorica ovata parva D. Ohgodontis habitu, aper- tura frontali obliqua edentata. Superficies lineis obliquis subtiliter assu- lata, assulae quadratae, in zona media distinctiores, in reliqua parte ob- soletae (muco involutae?), in directione transversa recta fere 7. Longi- tudo 15”, latit. 745". Unicum servatum speeimen. Ex insula St. Paul Oceani australis, efr. Monatsb. 1861 p. 1002 Tabelle. 53. D. Liostoma. Lorica oblonga non ventricosa, fronte Ran apertura frontis latitudine. Superficies laevis. Longit. „4, latit. 15" Cfr. Mierog. 1854 p. 233. Icon in Microg. Tab. XXXVII xxı Fig. 3. Cfr. Diffl. hyalinam apertura parva differentem, a Diffl. laevi ha- bitu differt. 34. D. longreollis. Lorica elongata clavata frontem versus sensim in eollum longius attenuata, fronte truncata, denticulis rotundatis 6 con- spieuis. Ostii areolae lineares 6 in totidem dentes An a areolis amplis irregularibus diffusis notata. Longit. „-", latit. 514”. Icon 1871 in Tab. II Venezuela Fig. 530. Habitat in Venezuela Re australiai cfr. Mierog. 1854 p. 33 35. D. Macrolepis. Lorica ovata suborbicularis parva, frontis trun- catae apertura lata edentata. Superficies areolis paucis magnis, in longi- Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärilien. 255 tudine et in latitudine 3 ornata. Longit. 15" latit. -45”. Habitat sub muscis in humo Terrae del Fuego Americae. Icon in Tab. III ı Fig. 12. Cfr. Microgeologie 1854 p. 289. 36. D. missouriensis. Lorica amplior oblonga, fronte uncinata, apertura suborbiculari edentata terminali, sed ob curvaturam lateralı. Superficies irregulariter cellulosa, cellulis magnis forma varia, in 514" fere 6. Longit. „4" latit 75". Icon in Tab. II Fig. 20. Habitat in America septemtrionali ad fluvium Missouri prope St. Louis in Myriophyllo, ef. Mierog. 1856 Bd. II p. 51. In medio speeimine pieto assulae nonnullae dilapsae sunt. Haec species cum D. Frauenfeldü, D. Baileyi, D. Cyrtocora aliisque Arcellae characterem mentitur. D. oblonga Novae Fundlandiae in Abhandlungen 1841 enumerata ad D. collarem referenda est, de qua iconem in hac tab. UI r fig. 21 Na- viculis repletam offero. 37. D. pacrfica. Lorica amplissima ampullacea, postica parte tur- gida rotundata, collo longo latoque in frontem truncatam abeunte, apertura latissima laevi. Superficies ubique laevis. Valde pellueida luce permeante flavicans. Longit. „4 latit. Z-". Ex insulis Chonos Americae australis in mari pacifico. Icon in Tab. Il ı Fig. 7. Cum D. Arctisco omnium cogni- tarum specierum longissima forma. Üf. Microg. 1854 p. 294. 38. Diffl.? paradoxa. Incerta ulteriori examini subducta species hine delendum nomen. Üfr. Microg. 1854 p. 355. 39. D. Phriala. Lorica ampla subglobosa, collo subito constrieto amplo tamquam stipitata, fronte truncata, apertura lata terminali eden- tata. Superficies ventris dense irregulariter granulosa, collo laevi. Lon- gitudo Z5", latit. Z", longit. colli „". Icon 1871 in Tab. I Fig. 9. Habitat in humo Americae antarctici Cap Horn vocati promon- torii. Cfr. Mierog. 1854 p. 288. In uno specimine granula superficiei majora oblonga et minus crebra erant. 40. D. Pila. Lorica globosa parva, apertura frontali ampla acute dentata, dentibus in toto ambitu I—10. Superficies areolata, areolis diseretis rotundis in series 5 transversas dispositis. In quavis serie media cellulae 5. Longit. et latit. 35”. Icon in Tab. II 1871 Fig. 6.7. Ha- bitat in monte Libano ad Harissam, cfr. Mierog. p. 41. Haec species 256 EHRENBERG: propter frontem non productam ad Arcellas proxime accedit sed ostio dentieulato et eellulis Difflugus affınior est. Huie similis species americana D. globularıs nomine enumerata et pieta est. 41. D. pilosa. Lorica oblonga frontem versus sensim leviter atte- nuata, fronte truncata, aperturae latae dentibus 6 (12) acutis. Super- fieies eleganter assulata, assulis oblongis quadratis in series longitudi- nales 8 (16) et transversas reetas 9 dispositis. Ommnes assulae umbilico parvo medio insignes sunt, pars lorieae postica late rotundata, setis in- aequalibus eiliata. Long. zZ” latit. 245”. Icon in Tab. II Fig. 28. Habitat prope St. Antonio insularum promontorü viridis, Capverden vocati Africae, Ufr. Mierog. 1854 p. 278. 42. D. prorolepta. Lorica elongata stiliformis, postica parte rotun- data, antieca parte sensim levissime attenuata, fronte truncata, aperturae dentibus 4 (8). Superficies laevis. Longit. 4” latit. 45". Icon in Microg. Tab. NXXIV vu Fig. 3. Ex Japonia, efr. Mierog. p. 152. Tria speeimina, forma congruunt. 43. D. purpurescens. Lorica ampla ovata, frontem versus sensim attenuata truncata, apertura lata edentata. Superficies eolore purpures- eens, subtilissime granulato-nebulosa. Longit. 5" latit. 4". Icon 1871 in Tab. II Fig. 24. Habitat in America australi ad Roraimam fluvium Guianae anglicae, ef. Microg. 1854 p. 331. D. pyriformis Perty 1852 (Zur Kenntnils ete. p. 187 ob. Abth. Fig. 9). Si revera D. oblonga inerustatione detersa ex D. pyriformi ori- retur, quod Claparöde et Lachmann affırmant, D. pyriformis nomen delendum esset. 44. D. reetangularıs. Lorica ovato-oblonga, postica parte rotun- data, fronte late truncata, aperturae latae, dentes 9 conspieul. Super- fieies areolarum seriebus angustis longitudinalibus 18, areolis in quincun- cem dispositis. Longit. 75" latit. 715”. Ex Americae centralis Costa Rica et Veragua in /ilicum humo. Icon in Tab. II ı Fig. 16. Cf. Mierog. 1854 p. 365. 45. D. Robert! Müller. Lorica ovata subglobosa, frontem versus attenuata truncata, apertura lata, dentibus 5—6 (10—12) insignis. Super- Nachtrag zur Übersicht der orgamischen Atmosphärtlien. 257 fieies in seriebus curvis eleganter tessellata, assulis rhomboidibus, seriebus eurvis 12—13. Longit. 715" latit. 74". Icon 1871 in Tab. II Fig. 16. Habitat in insula St. Paul maris anta.tetiei, ef. Monatb. 1861 p- 1102. 46. D. Roraimae. Lorica permagna clavato-lageniformis, ventre oblongo sensim in collum longum abeunte, frontis truncatae apertura ampla edentata. Superficies simplieiter nebulosa. Longit. 1; latit. 44". Icon 1871 in Tab. II Fig. 25. Habitat in America meridionali ad Roraimam Guyanae, cf. Mierog. 1854 p. 321. 47. D. Schwartzü. Lorica urceolaris ovata brevis, fronte late trun- cata, aperturae marginae aspero edentato. Superficies subtilissime nebu- losa et rugulosa. Longit. 745" latit. zZ". Icon 1871 in Tab. I Fig. 15. Habitat in insula St. Paul maris antaretiei, ef. Monatsber. 1861 p- 1102. In uno specimine devorata Naweula observabatur. 48. D. Semen. A D. Seminulo alpium aperturae dentium defeetu differre visa est. Semel observata. Dentium observationis diffieultate in- certa species. Sub graminibus in Americae australis Terra del Fuego, efr. Mierogeologie 1854 p. 289. 49. D. seriata. Lorica obtusa elongata, postica parte rotundata, fronte late truncata, aperturae dentibus in ostii ambitu 15. Superficies lineis angustis 18 in series longitudinales exarata, septis transversis non eonspieuis. Long. 1," lat. 51". Valde affınis est D. striolatae. E Libano Syriae ad Haddet in museis, efr. Microg. p. 42. Icon in Tab. II ı Fig. 30. 50. D. setigera. Lorica subeylindrica, postico fine rotundato, ibi- que setis crassis inaequalibus flexuosis (5) insigni, frontis truncatae aper- tura lata subobliqua, dentieulis 11 subacutis. Superficies eleganter areo- lata, assulis subquadratis umbonatis tamquam granorum, seriebus obli- quis reetisque longitudinalibus ornata. Series longitudinales 9, series obliquae 11. Longit. 54," latit. 215". Icon 1871 in Tab. II Fig. 30. Habitat in Pondichery Indiae, ef. Microg. 1854 p. 121. Cum areolae parum distinete sint non distingui potuit utrum setae ex mediis assulis an ex interstitis assularum originem ducant. D. striata = D. striolata. 51. D. strigosa. Lorica ovato-urceolaris, frontem versus sensim attenuata, frontis truncatae apertura lata dentata. Superficies setis ap- Phys. Kl. 1871. 33 958 EHurENBERG: pressis ubique sine ordine strigosa, setae reetae subaequales diseretae acutae in latitudine maxima fere 19. Longit. 515" latit. 5. Icon 1871 in Tab. II Fig. 31. Habitat in Novae Hollandiae Plantagenet, ef. Mierog. 1854 p. 12. 52. D. tessellata. Loriea ovato-pyriformis, frontem versus sensim attenuata, apertura frontis truncatae lata, assularum termimalium angulis dentieulata, dentieulis 5 (10). Superficies elegantissime tessellata, tes- sellae seu assulae majores quadratae et in seriebus omnibus longitudinali- bus et transversis subobliquis, laeves. Series longitudinales 17—18, in serie transversa maxima 10. Longit. 74", latit. 34”. Icon 1871 in Tab. II Fig. 32. Ex Africae Cap. bonae spei in Prieaudli humo, ef. Miero- seologie p. 253. Difjlugiae asswlatae Montis Libanı affınis species, aperturae den- tibus differens. Quae in Mierogeologia nominata est Indiae Diff. tessel- lata ß praeter dentium defeetum assularum minore magnitudine et majore numero differt, hie peeuliari D. Leptolepidis nomine designata est. 53. D. uneinata, Loriea ovata eurvata utrinque attenuata, postico {ine attenuato obtuso, antico in eollum eurvatum abeunte subuneinato. Prontis truneatae apertura rotunda edentata, Superfieies subtiliter in se- riebus obliquis angustis areolata, areolis quadratis, areolarum seriebus 11 in nl”. Longit. ty" latit. 41”. Ad Friedrichsberg Status Texas Ame- ricae borealis in humaik leon in Tab. Ill ı Fig. 18. 54. Arcella Aretiscon. Loriea erassa oblonga, utrinque late rotun- data, apertura ampla sub fronte posita ovali integra. Superficies laxe et irregulariter retieulata in 51” 3—4 cellulae retis. Longit. 5L" latit, 14". E Comorta insula Nieobariea, ef. Mierog. 1854 p. we; 17 1. Eadem in Himalaya obvenisse videtur. Icon in Tab. Ill ı Fig. 55. A. cellwlosa. Lorieca orbieularis, apertura nn rotunda pa- rum extra mediam sita, tertiam diametri partem aequans. Superficies laxe et irregulariter Re cellulis amplis. Diam. „1. Nilgherri Indiae. Icon in Tab. Il ur Fig. 56. A. a = en eonico-ovata, apertura sub fronte late truncata transverse ovalı, integra. Superficies irregulariter cellulosa dense {imbriata eirrhosa. Longit. et latit. „1. Ex Oasis Siwanae Libycae Confervis, ch. Microg. p. 199. Icon in Tab. Il u Fig. 9 oO Nachtrag zur Übersicht der onganischen Atmosphänllien. 259 57. A. costata. Lorica oblonga turgida prope aperturam con- strieta, apertura ampla edentata sub fronte infera, margine tumidulo. Superficies laevis costis duabus (4?) longitudinalibus in ventre. Longi- tudo 5” latit. 41”. E pulvere atmosphaerico rubro 1803, Abhandlungen 1847 in conspeetu et Tab. Ir Fig. 52 58. A. Diadema. Loriea suborbieularis complanata, margine den- tibus inaequalibus obtusis irregulariter ornato, apertura excentrica rotunda, integra. Superficies laxe et irregulariter cellulosa. Diameter 14," (sine dentibus). Ex insula Borneo. Icon in Tab. II ıı Fig. 7. 8. Specimina edentata simul observata sunt, forma suborbiculari eonvenientia, quae ad Arcellam ecornem eui affınia sunt adlegari possent, efr. Fig. 8. 59. A. discordes. Lorica diaphana orbieularis amplior, apertur: media dimidium diametrum subaequante eirculari simpliei. Superficies integerrima laevis, eibo Bacrllarias multas offerente intus repleta. Dia- meter 5". Uanning River, Novae Hollandiae, ef. Monatsb. 1843 p. 139. Icon in Tab. III ur Fig. 60. A. galeata e Oapite bonae spei Afrieae in Mierog. p. 288, A. rostratae affınis, ulterius examinarı non potuit. 61. A. guatimalensıs. Lorica ovata frontem versus attenuata, aper- tura sub fronte ampla sub-semilunari integra. Superficies irregulariter laxe retieulata. Longit. "5" latit. 715". E Costa Rica et Veragua Ame- ricae centralis, cf. Mierog. 1854 p. 364. Icon in Tab. III ır Fig. 16. 62. A. lunata. Lorica oblonga, aut ehbElobosn utrinque late ro- tundata, apertura sub fronte semilunari ampla integra. Superficies nebu- losa aut irregulariter laxe retieulata. Longit. ZI," latit. u”. E Nova Fundlandia Americae borealis. Icon in Tab. II u Fig. 3. 4. Diagnosis 1841 Abhandl. p. 410 publieata novis observationibus parumper mutata est. 63. A. Macrostoma. Inter animaleula mieroscopica cum Proteo (Hypochthon Laurent!) in caveis Oarinthiacis viventia incerti characteris Arcella 1859 Monatsbericht p. 772 enumerata est. Haee forma ulseriori examini se subduxit. 64. A. Megastoma. Lorica oblonga hyalina, Arcellae Enchelydis ha- bitu, apertura sub fronte ampla quartam fere longitudinis partem aequante rotunda inermi. Superficies assularum obsoletarum seriebus obliquis (7) 33* I60 EHRENBERG: insignis. Ab ore ad finem posteriorem assulae singulae in 515". Longit. 745” latit. 915”. leon in Microg. Tab. XXAIV van Fig. 1. E y terris Japoniae, ef. Mierog. p. 241. 65. A. Mierostoma. Lorica orbicularis turgidula, apertura media quartam fere diametri partem aequante rotunda. Superficies irregulariter eellulosa, eellulis 15 wi hr diametro, diameter 715". leon in Microgeol. Tab. XXXVIII xxı Fig, EB pulvere Bin. insulae St. Vincent 1. Mai 1812, cf. Miero- seologie p. 361. A. mierostoma e Kerguelensi insula antarctica apertura sextam ad oetavam usque partem diametri aequante et superficie fHlava non cellulosa adeo differt, ut Arcella Kerguelensis pro alıa specie haberi possit. 66. A. Niyritarım. Lorica orbieularis, apertura media ampla hya- lina, tertiam diametri partem aequante. Superficies subtiliter cellulosa, eellulis diseretis, maculis nebulosis in toto margine pieta. Diameter 5". Cf. Monatsbericht 1856 p. 333 fig. 5. E lacu Tschad centralis Libyae. Ab Arcella Microstoma apertura majore et superficiei cellulis differt. 67. A. peristieta. Lorica orbieularis fusca subtilissime irregula- yiter punetata, apertura media suborbieulari diametri quartam partem referente, poris 12—15 simplice ordine eireumdata. Diameter 5". In Roraimae Guianensis humo 5 specimina obvenerunt, quorum tria pro A. vulgar! habebantur. Iterato examine haec etiam ad A. peristietam per- tinent. Of. Mierog. p. 331. Icon in hujus Tab. Il n Fig. 11. 12. 68. A. Pyrum. Loriea parva ovato-pyriformis, frontem versus attenuata, apertura sub fronte subtriquetra lunata. Superficies subtiliter punetata nee retieulata, A. guatimalenst affınis. Longit. 4" latit. 4". BE limo Nili Aegypti, prope Gerf Hussein, cfr. Mierog. p. 192. Icon in Tab. Il u Fig. 15. 69. A. reticulata. Lorica oblonga a A. Enchelidis habitu, apertura rotunda medioert sub {ronte. Superficies cellulis magnis sine ordine reti- eulata, cellulae 5 in Tab. Ill ır Fie. 5 Id. 6 in linea transversa. Longit. 51” latit. 15”. Icon Habitat ad Auviam Avon River Novae Hollandiae, cf. Mierog. p. 6. Arcella reticulata in Mierologiae Tab. AXAIV ı 3 Fig. 1 ad Difflu- giam reteulatam pertinet. Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärtlien. 261 70. A. scabra e limo lacus Tschad centralis Africae. Denuo exa- minando dubia forma. Cf. Monatsbericht 1860 p. 157 in conspeetu 3. 71. A. seriata. Loriea oblonga, apertura sub fronte longitudi- naliter ovata, superficiei areolae in series obliquas dispositae. Long. 41" latit. 7". Icon in Tab. Il u Fig. 6. Habitat ad Port Jackson Australiae, ef. Mierog. p. 12. Fragmen- tum ejusdem in insulis Mariannis a me repertum. 72. A. squamata —= Difflugra sguamata. 73. A. stellata. Lorica orbieularis depressa eleganter stellata, mar- ginis dentibus et costis levibus 8 aequalibus. Apertura media eireularis ampla fere 4 diametri. Superficies irregulariter granulata undulata. Dia- meter cum dentibus 515". Icon in Tab. Il ı Fig. 10. E lacu Birket el Kerum provinciae Fajum Aegypti, ef. Mierog. p. 192. A. stellaris Perty Helvetiae ad A. dentatam Berolinensem pertinere videtur. 74. A. uncinata. Lorica eurvata fronte subuneinata hanc ab A. Enchelide distinguit. A. Enchelys apertura sub frontis margine laterali et forma reeta cognoseitur. A. Enchelys (= D. Enchelys 1838) = A. hya- Ina —= Trinema Acinus? Duy. An diese, eine Übereinstimmung und Kürze im Ausdruck bezweckende, daher lateinische Diagnostik der Arten sind noch folgende Betrachtungen anzuschliefsen. Die gröfseren getäfelten Formen der Arcellinen zeigen im todten Zustande öfter Verletzungen ihres Panzers, welche bemerkbar machen, dafs dıe Täfelchen einzeln sich abtrennen können. Da nun der- gleichen mikroskopische Körperchen theils im Passatstaube, theils in den Pflanzenerden nicht selten erkannt werden und von mir schon vielfach unter den Phytolitharien, zuerst 1847 (Abhandlungen) als Kieseltheile unter dem Namen Assula laevis nnd A. umbonata oder auch A. aspera, A. hewa- gona verzeichnet worden sind, so scheint es zweckmälsig, dieser Formen hier zu erwähnen. Es sind von mir bisher 14 Arten solcher Körper- chen mit Namen unterschieden worden, von denen wohl die Mehrzahl auf bestimmte Arten von Arcellinen zurückzuführen sein könnte. Die Namen sind folgende: 262 EHRENBERG: 1) Assula aspera umbonata Mikr. 1854; 2) aspera B umbili- cata ibid.; 3) Clypeolus ibid.; 4) heptagona ibid.; 5) hexagona um- bonata Abh. 1847; 6) laevis lobata 1854; T) laevis umbonata Abh. 1871; 8) Zacera Monatsb. 1861 p. 452; 9) lacintata 1854; 10) lobata Monatsb. 1861; 11) mucronata; 12) peltata Monatsb. 1861; 13) Poly- stigma 1854; 14) Turbo Monatsb. 1861. Noch ist es nicht rathsam, diese Assulas auf Grundformen zurück- zuführen, dagegen dürfte es wohlgethan sein, sie auch späterhin nicht zu vernachlässigen. Assıla Polystigma würde eine sehr grofse unbekannte alpine Form der Arcellinen verrathen. Die von mir gegebenen Namen mögen als kurze Diagnosen vorläufig hinreichen, da direete Beziehungen durch das Gröfsenverhältnifs der betreffenden Formen noch Schwierig- keiten bilden. Die gesperrt gedruckten 9 Formen der Assulae sind in der Mikrogeologie und in den Abhandl. 1847, 1858 und 1871 abgebildet. Die Gröfse der 1858 vorgelegten Assula Polystigma erweckte die Vorstel- lung, dafs dieselbe wohl eine kieselerdige Pflanzenoberhaut sein könnte. Die sich hier anschliefsende geographische und literarische Über- sicht aller mir bekannt gewordenen Namen giebt nur im Allgemeinen die betreffenden Welttheile und die Atmosphärilien dieser Abtheilung an. Eine noch speciellere geographische Bezeichnung nach den Breiten und Län- gen, den Polen, den Alpen und dem Tiefgrunde der Meere sind Gesichts- punkte, welche in der hier befolgten Methode der Mittheilung ihre Be- rücksichtigung auch schon gefunden haben und der späteren Forschung leicht zugänglich gemacht sind. Nur folgende Angaben mögen einen Blick in die noch specielleren Verhältnisse werfen lassen. — Die Arcellinen sind bisher von den systematisirenden Schriftstellern von den die Atmosphäre am reichhaltigsten erfüllenden Bacillarien weit abgesondert und letztere oft in ein anderes Reich der Organismen, das Pflanzenreich, verwiesen worden. Mögen die hier reichhaltig mitgetheilten vergleichbaren An- schauungen der Gesammtheit dieser Formen der Erde erkennen lassen, dafs diese Kluft zwischen Arcellinen und Bacillarien als Thieren und Pflan- zen fehlt und dafs sie sich in auffälligster Weise durch die mannigfach ähnliche, sehr künstlich getäfelte Structur kieselhaltiger Schalen überaus nahe stehen, so dafs mehr die subjectiven, oft höchst complieirten Vor- stellungen der Schriftsteller als die objectiven Verhältnisse diese Natur- Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärilien. 265 körper scheiden. In ganzer Zahl sind hier 148 Formen verzeichnet wor- den, diese sind in folgender Weise auf die Welttheile vertheilt: Australien. Asien. Afrika. Amerika. Europa. Atmosphäre. 24. 53. 32. 78. 60. 192; Die grofse Mehrzahl dieser Formen ist von mir selbst beobachtet, nur in Europa sind von den 60 Arten etwa 24 von Anderen benannt. In Amerika waren 3 Formen von Bailey, in Asien 3 von Oarter an- geführt worden. Nur wenige der von mir benannten Arten sind durch zufälliges Verlorengehen der aufbewahrten Speeimina ohne Abbildung und Diagnose geblieben, somit gründen sich die hier gegebenen Darstellungen nicht auf vorübergegangene Eindrücke, vielmehr auf seit langen Jahren aufbewahrte Specimina. Nur 5 Formen gehören dem Meere an, Drfflugia Baileyı a. polaris b. atlantica, D. marına Bailey, D. membranacea Ehrbg. und Lagynıs baltıca Schultze und sind nach Bailey aus bis 16,000 Fufs Tiefe, nach meinen Untersuchungen aus 6000— 9240 Fuls, nur Lagynıs baltica ist von der Küste. Die entferntesten Polarformen sind die der Falklandsinseln, des Cap Horn, der Chonos-Inseln, sowie von den Kergue- lens-Inseln und St. Paul gegen den Südpol und die von Grönland und Kamt- schatka gegen den Nordpol. Rücksichtlich der verticalen Erhebung sind die Formen des Himalaya bis zu 18,000 Fufs Alpenhöhe zu bemerken. Unterscheidet man noch solche Formen, welche gleichartig in allen Welttheilen vorkommen, so sind deren 10, nur in 4 Welttheilen 5, nur in 3 Welttheilen 12, so dafs 122 Formen mehr vereinzelt sind. Solche Formen, die nur in einem Welttheile aufgefunden sind und somit den Welttheil bis jetzt characterisiren, sind folgende: Australien: Drfflugia Battloggi, D. Frauenfeldü, D. lineata, D. Roberti Müller, D. Schwartzü, D. Seelandica, D. strigosa; Arcella dis- cordes, A. seriata. Asien: D. alpieola, D. alveolata Carter, D. Amphora, D.? caucasica, D.Cueurbitula, D. fallax, D. moluecensis, D. prorolepta, D. seriata, D. trieuspis; Arcella Arctiscon, A. cellulosa, A. Diadema, A. pleurostoma, A. rostrata. Afrika: D. azorica, D. capensis, D. Hartmanni, D. pilosa; A. cir- rhosa, A. Enchelys B vulgaris, A. Nigritarum, A. Pyrum A. scabra, A. stellata. Amerika: D. alabamensis, D. annulata, D. antarctica, D.? astero- phora, D. Baileyi a. polaris, b. atlantica, D. binodis, D. Cyrtocora, D. 964 EHRENBERG: dentieulata, D. Dryas, D. Floridae, D. Gillo, D. hermitana, D. lawa, D. longı- colis, D. Macrolepis, D. marina, D. membranacea, D. missouriensis, D. pacı- fica, D? paradowa, D. Phiala, D. purpurescens, D. rectangularıs, D. Roraimae, D. uneinata; Arcella americana, A. caudieicola, A. Disphaera, A. galeata, A. quatimalensis, A. Nidus pendulus, A. peristieta. Europa: D. acaulıs, D. Ampulla, D. Bacillariarum, D. (Lag.) baltica, D. Bructeri, D. eurvata, D. depressa, D. gigantea, D. globulosa, D. (Pseudo- hf.) gracilis, D. Helix, D. hispanıca, D. (Lecqu.) jurassica, D. (Bugl.) laevıs, D. (Sphenod.) lenta, D. margaritacea, D. minima, D. Proteus, D. pyrıformas, D. (Eugl.) setigera, D. spirigera, D. (Eugl.) tuberculata; Arcella angulosa, A. hemisphaerica, A. Maerostoma, A. Okenxi, A. patens, A. stellaris, A. vindıs, Uyphrdium aureolum. ll. Historische und analytische Zusätze. A. Über einen dreitägigen starken Staubnebel bei Semipalatinsk in Sibirien. Da historische mehrtägige Verdunklungen der Atmosphäre, welche das Sonnenlicht schwächen oder verdecken, stets eine grölsere Geltung für kosmische Einflüsse gewonnen haben, indem sie durch ihre Dauer die Vorstellung von Sonnenfinsternissen ausschlossen, wie es auch im Kosmos dargestellt ist. so halte ich für nützlich den Staubnebel von Semipalatinsk zu erwähnen, welcher im Jahre 1856 vom 16. bis 18. Februar stattge- funden hat. Besonders günstige Verhältnisse haben damals einen kennt- nilsreichen und zu umsichtiger Auffassung geeigneten Beobachter der Er- scheinung in dem russischen Lehrer Herrn Abramof gefunden, welcher in der „Wesnik“ genannten geographischen Zeitschrift in Petersburg 1857 Abth. I p. 5 in russischer Sprache eine ganz ausführliche Mittheilung über die verschiedenen Nebenumstände publieirt hat. Besonders erhöht und völlig befriedigend werden diese günstigen Verhältnisse durch den Um- stand, dals mir eine von demselben gesammelte Probe der Substanz des damals gefallenen Staubes übersandt worden ist. So gebe ich denn im Auszug diesen Nachtrag zu weiterer Beurtheilung Bei Semipalatinsk am Irtisch zeigte am 15. Februar um 6 Uhr Morgens das Thermometer — 20,5 Grad, bis Mittag war es wolkig, aber die Sonne schien. Um 2 Uhr Nachmittags hob sich bei südlichem Winde Ban ne a LE NE ar rar WE Abe Ku BIER TER H RT ze 2 a} 1 5 4 ee 2 IE Dee “ 4 er fe b oa ss A um? | 1a m A‘ Ara vs v | r Inc] . He 7 v ' # } nl { u Ben - 1 4 . I mw { i in) 1 D 4 ' ı Ba DI no, N ga ra na W7 Due IR EEE Rn RR 36 h wi en F u i j a j ae IE"? 2) ws e a Ep Au MT 1 Ü ‚202 7 nr) I; j | ERLITT 4 IE Ta ’ Fr ö I 17 j . 4 “ pe} nz ‚. | | | 3 } \ N gr ö I 0 ae DE DET BeLa® a N hab ya Der? Lan IE | Dt 5 U Te N mar” u WE FBLIHN zn) vr ran N) ad Ir pe wir u Ey ” f | v ) D ] f 0 ı PR 7 ir [2 7% Era ir | i Vr ea E \ | Ki 1,9 0A "1 i L.W ’% er m h » 1 7 1 TEN AM t 12 { »yu 44 [ N td “I I i 1 { 1 i ji 1 j 1 N j Ivy ' j Ä ’ „ } I GE pr A a r. ; ıng der Abkürzungen. Ab.: Abhandlungen der Berliner Akademie der Wi Mg.: Ehrenberg, Microgeologie 1854. A. d. Se.: Schlumberger, Annales des Sciences natur. S Carter: Annals of nat. history. Vol. NVIIL P Duj. 1937: Annales des Sciences naturelles. S. umv. ie 2 p. l- Daj. 1841: Suite de Buflon Infusoires 1841. Sieb, u. K.: Zeitschrift f. wissensch, Zoologie von Siebold und 1; Ehrenberg, Infusionsthierchen 1838. Mb.: Monatsbericht der Akademie zu Berlin, ©. L.: Claparöde et Lachmann 1858-1859. Etudes tes I Bern: Mittheil. der naturf. Gesellsch. " Fresenius: Senkenb. nat. Gesellsch. Ahh. Bailey: Americ. Journ. of Science and urts 1856 Vol xx Schultze: Über den Organismus der Polythalamien 1854 — & . 3 Abbildung 3 |a| E R G} 3 E | sjs|®| e 3 Ort and Zeit der Abbildung a 2 | Ort und Zeit der EIEBEIEIEIE: B a. / = Dann. 78.| Mg. T. XXXVIII vor F. 3. Difflugia prorglepladFhrb. 1854 Ihe® ale Ab. 1871 p. 256. 1.| Ab. 1841 TU IV ı R. 36. Difkugia acanthophora Ehrb. 1841 — » Me Fe a a Aa ln acit Eualyph Se | a 2 — Proteus Perty 1849 (= D. i _ area. ;| > |+1+) [une a a - en * e s + Bern u p. 167. ei Ab. 1871 T. II F. 24. _ a 1854 £ en ers 7 Ab. 1871 p. 266. —_ vella acul, Ehrb. — Centro- 83.| Ab. 171 7.11 Fr. 16 z e.. Melle I: A eg is Stei Ye 7 R a zZ R len Ab, 3.| 1. 1838 T.IX F. IT, - Be Ehre 1838 I -[ ef] el.) 0» [Bem p4. 84. | Ab. 1871 T.IT F. 26 Venezuela. — retieulata Ehrb. 1848 R BERIEE Mb, nr N D m u; gewsstege I: 1. |+| +] . [1 1saupamm 85.| Ab. 1871 T. II F. 16. — Roberti Müller Ehrb. 1561 | + : Er nse. ee SR an ale Ma a u a a PT 86.| Ab. 1871 T. IL F. 25. — Roraimae Ehrb. 1854 : + Kos EDS: 8.| Ab. 1858 T. m F. IV. = ee a . e: . | a= - [| Ab. 1800 p. 248. 87.| Ab. 1871 T. II F. 15. — Schwartzül Ehrb. 1861 ra E« Ab. ee 5 er oh. ET u. -| | 2) > Jan. 16 p460. | 8%] AB. 1869 To I0o Fr. 23. — Serlandica Ehrb. 1869 = 5 nee ee & em 2 1841 | | Dj. 1841 p. 2Ö1. 89. | Mg. T.XXXV ZB An R.l. hrb. 1848 35) N re an a P- an 4 = D. acan- . 379. 7.| Carter 1866 tophora | | [ — (Semen Ehrb. 1854 — D. 8e- 23 «| Carter TV R.2—36. aloeolaie G) | minulum) E 8.| Ab. 1871 T. 01 R. 17. Er 2 2) + [Coriert866 p. 243. || 90.| Ab. 1871 T. Utz F. 30, — erfata Ehrh. 1854 A ELBA, 9.| Ab. 1871 T. IITı FR. 11. — Ampulla Werneck 1840 ; ae b | 5 «| Ab. 18207p. 248. 91.| Ab. 1871 T. IT F. 30. — setigera Ehrb. 1854 ar + AED: N ee En 7 92, 23 r | Ab. 1871 p. 257. BR 71 DIE R. 19. — anmulata Ehrb. 1854 + Ab, R. En setigera (Buylypha) Perty1849 | .[ Ab. 1871 TI FR. 11 re Zn [A = D. oliatat | “11. _ Ehrb. 187 EN er 1 te lc - N 12.| Av. 1871 5 EN Ei en 4 F “| > Jan ıup2a. || 99] Ab. 87a 2.07 8.29 Venezueh. — sguamata Ehrb. 1848 Aha Mi Bera1 BA0fENIUE- 18.| Ab. 1841 Erholen Erbe Big || | = [au ı0rpaa. || 9| As. 1871 7. 00 FR. 25-27. — _ spiralis Ehe. 1840 cfr. Spi- An. Te2Sinanlz- ; ae Kugl. rillina Ab. 1841 p. 412 Pare 2 ERST RE | a ürnte4 — spirigera Ehrb, 1808 ER MRISAO NR: h in + + | an. 10 "BR 22 5 26 1. ; 18 p. 413. en. rich, Mb. 1853 p. 526, — n ED. ztrioläk 15. A. 1 mu Ra q A + y) 96.| Ab. 1871 T. II F. 31. — strigosa Ehrb He. 5 ae 16.| Ab. 1871 7. IR. ı8. anein.es 3 Kt - [an 1870 p.240. || 97.) Me. T.XXxIv av s. | — striolata Ehrb. 1841 2 las } EB SST: 17.| Ab. 1871 T. IT R. 29. ESS N- Ka ea a 2 BE ee UST 7 71,7 98.| Ab. 1871 T. IL F. 32. > TR ++ +[ + [Av 1841 p.43. _ azorica Ehrb. tessellata Ehrb. 1854 18. en: jee3 |. 1#+| | | - [a0 160m BD, Bi a rt | Ab. 1871 p. 208. 19.| Bailey 1856 DT F. 2. a BT PELSALENE || 2 [#1 > [Dem Minimar, 99.| Carter 1856 T. VIL F. 80. | - Arieuspie @.. a ? a — Baileyi a. re ve 0 Pe ze | 100.| Dyj. 1841 T. 10 F. 7.8 . REN Sara 161.327, j = ; n TE 7. 8, | — ‚tler Zug ! . 247. 21.| Schulze T.1 RT. 8. beatlanticafrimmBaileyl » | | | + | | - lerI8öß p. 3. || 101.| Av. 1571 T. m 8. 13. Be: -: Be KEuglypkaeDugs 17 1 EEE Duj. 1841 p. 251. 39.| Ab. 1871 Tr F.ı7 — baltica(Lägynis)Schultzelssd| » | » | - | =) + | - [Schuizep 56. jnata Ehrb. 1856 EA IRRE Be I Ab. 1871 p. 258 ab |/Ab, 1871 TI Fi 99.99. 7 Beeegge Elırb. 1861 ea alle 5 |» [Ab. 1870 p. 250. 94.| Ab. 1871 T. IL F. 20. a = ae | Er Ab. 10250 Ancnurap 47 36.| Ab. 187ı .ır mW. 3. -_ 'ructeri Ehrb. 1848 . . =} Mb. 1848 p. 379. 102.| 1. 1838 T.IX F.V 4 ; E 36.| Ab. 1871 TIL R. 33. ee Et 2848 Ale |er Mb. 144B/p. 970. ern Ya Be ei 1000 97.| Av. 1871 TIER. 1. capensis Ehrb. 1854 re Ab. 1891,p.250. || 103.| Av. 1841 T. Im F. 100. = Bu Si 108 1. 1838 p. 133 FEN Ehrb, 4 + er ameriwana Ehrb,. 1841 p- 133. 28.| Av. 1871 7. Ir 8.21.97 = jensis Ehrb. 1856 . - | Ab. 18710 p. 250. 104, een u Ab. 1841 p. 410, TI F.2 a GERRESTrZIAE ö ++] - | Av. 10Ep 21. anne 2. Vz ne: dentata Ehrb 29.| Ab. 1971 7. I R. 28. 105.| Ab. 1871 7. 7 } H r - Aa ee = nen a goevansien Bhrb, TRTI er ir, lan b. 1871 T. 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Ilm F. 7. 8. - Diadena ar 30. | Av. 1871 7.118,98 Venen. — depressa Schlumb. 1845 |.» | + | +» [A.a.se1s45p.254, || 119. | Ad. 1871 7. 10 Fr. 1. es 1. 1838 p. 134. 1. 1898 D.IX RL IV. —" Dryas Ehrb. 1848 let e| - [n.1848 page, || 114 | An. 1841 TVo er. 12 = Ab. 1871 p. 259. — Enchelye Ehrb. 1898 = Ar- len... Er Düphaera Ei Ab. 1871 p. 259. 40.| Au. 1871 T.10 8. 10. 4 Fear | ea |; 1. 1838 p. 132. 116. | Mg. T. XXXIX an F.4 Be... Be 1 Ab. 1841 p. 410. “ BEN nr. S. — Floridae Ehrb. 1858 + BE nn Enehelye El UN: “| Ab. I = m Se Sr | * [Ab.1871 p. 252, 7. 2 : aan 1m Tan Rnn. — Frauenfeldi Ehrb. 1801 El a |... Pre 1 18 a enmuı. = m Mae 1845 . | . H +| > [Audısı.1845 p.954. || 119. = 8 Basen } 45.| Ab. ı871 T. IItı F. 24. — Tobut ei Fr :E a Er Ab. 1871 p. 252. 120. = x Be «188 40.| Dyj. 1837 7.8 r. 1. ee HR er K Ab. 1871 p. 259. 121. de hs. m — IT e Br — galcata Khrb ! Duj. 1837 p.3 192. | Mg. I. XXX r i — _ gracilia(Pseudodiff.) Schlamb. | "ü 123 et a gaulus Ehrög 1845 | F ) AB. | Ab. 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IE R. 19. j Ab. 1871 p. 250. — lavis (Euglypho) Perty 1849 "A 1 n280, || 131.| A. 18a 1.00 mas. — Nidus Pendulu Ab. 1871 p. 260 - ge ! 132. | Mb. 1856 F. 5. — Nigritarum Eh 35 57. | Ad sa nv r.n. FU rn gr BE ..10 nutans Khrb. MR ». 1841 p. 410. | 58.| Ab. 1871 T. I ı R.22. ‚agena Ehrb. 1841 let > ara 12 er: Ab. 1871 p. 260. Fr — fazar Ehe, 1854 Aral se 1 p. 418. || 128. — Okenii Perty 1 h | e Yen (Sphendeni) en . Ab 181 p- 254, in ©. L. 1859 T. XXI F. 7. paima C. 1. I «o.| av. ısrı 7. , EZ 4 |] 185. | Ab. a8rı Ton Ron. 12. — peristicta Ehrd Bea - | ur FR. 18. _ ni Ehe, 1871 = D. +| » [Ardisc 1345 p-26. || 136.| Ab. 1841 T. Tr FR. 47. 5 ee 3 ei. + [C.L.1869v.Ip-448. 'ata B 1864 137. Al. 1871 60. el. — _ finenta Ehrb. 1861 +. I#+1.) .[Abasrı p. 254. Ar ‚or A 5 TONXNVIN ae HR. 5, — Liostoma Ehrb. 1854 EN ea ER Ab. 1871 p. 254, 138 1871 T. Ifu F. 16 lee 1871 S man . „IE F. 16. - a en Il > Beweeita Man. 1004 ++ ++). | . [Aması 2.254 || 199.| Ad. asmı Ten RS. 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Weiter 184 Ab. 1871 p. 261 x 7] Us + [Mb us p. 287 e = < ae « [Abe Lafea. 146. riridin Perty } = % Aa p- 258. garis Ehırb, Mb. 1845 p. 361. pe Ei: [Asa 25. | aer.|ı 1008 21x r.v. — vulgaris Ehrb- I+ E h 1 Be Li Bern 1849 p. 167. los BT, 1 p- 256. 1. 1835 T. IX F. IX. Cypkidium aureofum EB 1. 1838 p. 193. 1. 1838 p. 195. p- 132. a " ae ns “ ei Den vankın I | DE BE Tau 2? a Ra hi em Mh Dh PROF we Ken hai j alt, j a r Rn h \ Ki j nö AV BL u EN Im Wh, = HER ge jr al ai € “) A ak ur nl ck wi DRM # h Al; ir Rah 7 in E05) Seth UNS MR: ’ Fr A ee Du i ur Be * Kae! In u “ VAR Gr, ihr N Ai M H . | An‘ AR; N er au Jr “ a j 1 j a. Ä ht a Le u N u m ae) I er 4 I abi ı | 4 ne ie # A no 2 Ss" h ; I u lin ‘ a Man EN Tale " q h “ nee, 1% M BL Te NUR dA Al j | war u Na N er a N vi x leht‘ ch yo ‘ im H RATE [AN Mar PORN a l i Wr ur u war RE le A | | way \\ ART An u j nn 4 f j f iQ Mr! i “ Aylnan), ve ' ARTE De; N ‚N sh i B Kr Y ie; RU Y nt # nF A ", i ir alu Re im, u 3 al Aue IN En. SALAT j A LE HEN TR, Ar re En TE BET IE ER LEN 0 | ia Ya Kıywenr # ’ ! 0 j | au u EE ’ ET Oz | A oh ir j Alk w arııı j h N en i Zr A FT { ; { sr EM. f #x M | wa “ Da vrby nd 5 \ Rn voleı "re alheh N Pine Br esr WET ITNT vs } IE \ i ss Flaggen A ae R | ( en .s r ' nd. En \ 11,7 [Wie I N us 1 i I N 5 Al | is 1 \ wu‘ j 4, l i kun 7 5 u Ik | ix #1 u ö 1 \ {} ! L J F i I ' N i j AT, | ’ 70 “a T7l l i Lan: L | u P \ Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärilen. 265 das Thermometer bis — 5,0%. Darauf fing ein Südostwind an, der all- mälig stärker wurde, und die Luft sättigte sich so zu sagen mit Dämpfen (parani pressyltschalssja wosduch). Darauf zeigten sich mehr und mehr Wolken. Gegen Abend bedeckte sich der Himmel mit geschichteten grauen Wolken und von Südosten jenseits des Irtisch aus der Kirgisen- steppe zog langsam eine dunkle Wolke heran. Der Wind blieb südöstlich, war aber schwach, und der Himmel überzog sich mit einer einförmig zusammenhängenden Trübung. Die Farbe der Luft war gelblich und nicht durchsichtig, so dals es schwer war auf 20 Ssaschehn Contouren zu unterscheiden und auf 50 überhaupt nichts sichtbar war. Das Thermo- ıneter zeigte am 16. Febr. 6 Uhr Morgens — 8°, um 2 Uhr Nachmittags — 2° und um 10 Uhr Abends — 5°. Die Dichtigkeit, Schwere und der Druck der Luft nahmen allmälig zu, daher beständiges Schwanken des Barometers. Um 9 Uhr Morgens 579,50"" bei + 13,0° Correctur 579,34 3 vNachmitt: 581.00 and I 580,05 „10 „ Abends 581,00 „ +135 „580,98. Am 17. zeigte das Thermometer 6 Uhr Morgens — 7,5° 2 „ Nachmitt. + 0,7 10 „ Abends —-2,0 Am 18. zeigte das Thermometer 6 Uhr Morgens — 3,5° 2 „ Nachmitt. + 2,7 108.22. Abends —-.055 Da die Landschaft mit Schnee bedeckt war, so färbte ein herabfallender grau gelblicher (siaro djoltowataja) Staub den Schnee und gab demselben, wo er häufiger war, eine schwärzliche Farbe. Der Umfang dieser Er- scheinung war oberhalb und unterhalb von Semipalatinsk zu beiden Seiten des Irtisch bekannt, nach Nordosten 70 Werst und nach Südosten über 160 Werst. Die Sonne stand am graugelben Himmel sichtbar, strahlenlos, gleich bleichem, hinter Nebel verborgenen Monde. — Die mir zugesandte Staubprobe von graugelblicher Farbe ergab kein Brausen mit Salzsäure, war mithin ohne kohlensauren Kalkgehalt. Der feine Staub ergab bei der mikroskopischen Untersuchung vorherr- schend feine unorganische Sandtheilchen, während etwa -!; der Masse als Phys. Kl. 1871. 34 266 EHRENBERG: Beimischung feiner organischer Theilchen sichtbar wurde und folgende Bestimmung erlaubte. In 20 Analysen 4 Cubiklinie grofser Mengen fanden sich 13 Polygastern, 31 Phytolitharien und 6 weiche Pflanzentheile, was mit 6 unorganischen Theilchen die Summe von 56 namhaften Mischungs- Elementen ergab. Polygastern 13. Lithostylidium dentieulatum Arcella Mierostoma —_ Fusiforme — lt — laeve Erumotia amphioxys — obliquum — Dianae e— ovatım — gıbba - oblongum — Librile — quadratum — rostrata _ Serra — zebrina - sinuosum — 2? (singularıs dubia forma) — Trabecula Pinnularia borealis _ ventricosum — Legumen — unidentatum — viridhs — ? Surirella Cratieula Spongilithis acieularıs Phytolitharien 31: — aspera Lithodontium Aculeus — canalicularıs _ Bursa weiche Pflanzentheile 6. _ Furcatum Parenchyma plant. — nasıutıum Pilus laevıs simplex — Platyodon — yezir base Bulbosus — rostratum — — hispidus — Scorprus — — Ormithorrhamphus Lithosphaeridium vürregulare — — faseieulatus Lithostylidium Amphrodon Unorganisches 6. — angulatum Glimmer _ Bidens Säulen-Crystalle grün — clavatum _ _ braun —_ erenulatum = — weils — eurvatum Strahlendruse kuglich —_ decurrens Quarzsand. Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärilien. 267 Aus diesem Verzeichnils geht hervor, dafs der Staub sich an die sogenannten Passatstaubarten nicht unmittelbar anschliefst, indem die Gallionellen sowohl, als der reichere Eisenstaubgehalt fehlen. Von den Polygastern sind Eunotia amphioxys und E. rostrata sehr zahlreich, alle übrigen Formen selten. Von Phytolitharien sind Lithostylidien überwie- gend, Spongolithen selten, kein L. Olepsammidium. Alle sind Sülswasser- formen. Kein Bimsteinfragment. Obwohl die Characterformen des Passatstaubes diesem lange dauern- den und massenhaften Staubnebel fehlen, so ist doch andererseits nicht zu übersehen, dals eine auffallende Übereinstimmung massenhafter orga- nicher Elemente ihn an die Passatstaubarten anschliefst. Man kann sich nun wohl vorstellen, dafs die ostasiatische Erdoberfläche sehr überein- stimmend mit den Bacillarien und Phytolitharien des westlichen Europas sei, ja man kann die hier gegebene Analyse geradehin als ersten spe- ciellen Beweis für solche Übereinstimmung ansehen, allein der auffällige Mangel von asiatischen localen Character-Formen, wie sie von mir für viele Erdgegenden nachgewiesen worden sind, setzt dieser scheinbaren Übereinstimmung eine andere Schwierigkeit entgegen, zumal es bekannt ist, dals die östliche Kirgisensteppe im Monat Februar und wohl auch der Südosten eine Schneedecke trägt. Abramof hält die Erscheinung für einen in den fernen östlichen Kirgisensteppen durch Sturm aufgewühlten Oberflächenstaub, dessen feinste Theile so weit fortgetragen sind. Ob die Jahreszeit und die nach ihm selbst mit Schnee bedeckte Oberfläche nieht in südlicher sondern in süd- östlicher Richtung in jener Gegend eine solche Vorstellung erlaube, mufs dortigen Reisenden zur Beurtheilung vorgelegt werden. Die von mir ge- fundenen Elemente des Staubes würden kein wesentliches Hindernils sein, obschon der Staub unverkennbar viele mit dem Passatstaub übereinstim- mende Elemente hat. Die von der Kaiserlichen Akademie der Wissen- schaften für die centralasiatischen Länder im Jahre 1866 meinem Wun- sche gemäfs der weiteren Theilnahme empfohlenen Nachforschungen haben in der Behandlung des Gegenstandes durch Abramof ein so glück- liches Vorbild erhalten, dafs ähnliche Mitwirkungen für Oentral-Asien weitere Aufschlüsse in schneller Folge erwarten lassen. Ob die durch gewaltsame Stürme verrufenen Gegenden der Gobi-Wüste, des Lop Noor 34* 2368 EHRENBERG: Bogdo Oola oder des westlichen, ebenso stürmischen Bolor Dagh diesen Staubnebel von seinem eigentlichen Ursprunge abgelenkt haben, welche Möglichkeit schon 1847 in der Abhandlung über den Passatstaub p. 388 angedeutet worden, ist hier nicht weiter auszuführen. Bereits im Jahre 1854 wurden in der Mikrogeolosie 80 Polygastern, 19 Phytolitharien und | weicher Pfilanzentheil aus dem östlichen Sibirien verzeichnet und auch aus den atmosphärischen Verhältnissen wurden im Monatsbericht 1851 p- 317, und darnach in den Abhandlungen 1871 33 Polygastern, 39 Phy- tolitharien und 8 weiche Pflanzentheile verzeichnet, welche hierbei in Ver- gleichung zu nehmen sind. Auffällig und erwähnenswerth ist noch der schnelle grofse Tem- peraturwechsel beim Eintritt des Staubfalles in Semipalatinsk. Da es dort im Februar an einer libyschen Sahara unzweifelhaft fehlt, aus welcher die Wärme des Staubsturmes abgeleitet werden könnte und da bis auf sehr weite Entfernungen hin der Steppenboden mit Schnee dicht bedeckt ge- wesen sein mag, so dient diese Erscheinung wohl dazu, die Wärme nicht den dortigen trocknen und wenig eulturfähigen Landstrichen, als vielmehr den Staubmassen selbst durch Frietion bei der Fortbewegung, oder an- deren Einwirkungen zuzuschreiben. Um so mehr ist die umständliche Beobachtung des Herrn Abramof dankbar anzuerkennen. fe} B. Uber einen Staubfall im Indischen Ocean bei den Malediven. Ich habe bereits im Jahre 1857 in den Monatsberichten p. 403 über einen besonderen Staubfall auf ein amerikanisches Schiff zwischen Ceylon und den Malediven-Inseln in 4° 40’ nördl. Br. und 93° östl. L. eine kurze Anzeige gemacht. Nach Capitain Maury’s Mittheilung hatte der amerikanische Schittscapitain F. A. Bursley vom Schiffe Alact unter dem 27. Februar 1856 folgende Nachricht gegeben: „Ich habe heute eine Probe eines weilsen Staubes gesammelt, welcher während des Nachmittags auf mem Deck fiel. Er fiel aus der Luft gleich Schneetlocken hernieder, und habe ich Derartiges niemals vorher gesehen.“ — Die mir von Maury zugesandte Probe war ein feiner weilslicher Luttstaub, welcher mit Salzsäure berührt ein wenig brauste und fol- sende mikroskopische Elemente in 20 Analysen von je 4 Cubiklinie der Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärihen. 269 Masse erkennen liefs: Pinnularıa wiridis, Lithostyhdlum angulatım, L. denti- culatum, L. rude, Spongolithis acieularıs Fragment, Dietyolithis?, Litho- sphaeridium?, Pflanzenparenchym, Faserzellen, Spiralgefäfse, dicotylischer Pflanzentheil, dieotyle Strahlenzellen, Spaltöffnung einer Epidermis, ein- faches Pflanzenhaar, Mäusehaar?, blaues Wollhaar, Glimmer, langzellige Bimsteintheilchen, Schaumsteinsplitter, rauchfarbiger Crystall, smaragderüne Orystallsplitter. — Die Hauptmischung war deutlich ein feiner Sand, aus kurzzelligen, Schaumstein- und oft auch langzelligen Bimstem -Splittern bestehend, mit vielen eingestreuten Glımmerblättchen von goldselber Farbe, oft in sechsseitigen Täfelehen. Viele Sandkörnehen erschienen als einfach liehtbrechende, scharfkantige Tafeln von unregelmäfsisem Umrils. Es geht aus diesen Mischungs-Elementen unzweifelhaft hervor, dafs dieser weilsliche Staub ein vorherrschend vulkanischer Bimsteinstaub ist. Die übrigen sandigen unregelmäfsigen Theilchen, welche glasartig durch- sichtig sind, zeigen bei polarisirtem Lichte vorherrschend prismatische Farben. Diese sind mithin keine Obsidian- oder Glassplitter sondern Quarz- theilchen. Zwischen dieselben eingestreut sind noch viel schwarze, als Magneteisen erscheinende Sandkörnchen. Die beisemengten organischen Theilchen sind in sehr gerinsfüsiger Zahl vereinzelt und können als zu- fällig bei der Fortbewegung der Masse über das Festland hinzugetretene Elemente angesehen werden. Sehr entschieden bestärkt wird diese Vor- stellung durch das beigemischte Mausehaar und die blau gefärbte Woll- faser. Letztere beiden Elemente könnten auch vom Schiffe selbst beim Einsammeln hinzugekommen sein. ©. Über den am 30. August 1870 auf dem St. Gotthardt gefallenen Salzhagel, Da sich in der Schweiz eine grofse Theilnahme gewichtiger Aucto- ritäten an einem Hagel von Steinsalz und erystallisirtem Kochsalz gezeigt hat und derselbe wieder auf afrikanischen Ursprung zurückgeführt worden ist, so möge dieser Gegenstand sich hier zu weiterer Erläuterung kurz anschliefsen. Es ist zuerst von Professor Kenngott in der Züricher Zeitung vom 25. Sept. 1870 eines bei lebhaftem Nordwind (Bise) in der Nähe des Gotthardt Hospiz bei bewölktem Himmel gefallenen Salzhagels Erwähnung geschehen. Die Beobachter waren der Fourgon-Condueteur 970 EHRENBERG: Pedrina aus Airolo und mehrere seiner Begleiter. Das erregte Interesse hat auch Professor Escher von der Linth veranlafst, weitere Nachfor- schungen bei dem Fürsprech Müller in Airolo zu machen. Die Resul- tate sind in der Vierteljahrsschrift der Naturforsch. Gesellsch. in Zürich Jahrg. 15. 1870 p. 377 niedergelegt. Daselbst heilst es p. 379: „Die dem ersten Schreiben des Herrn Müller an mich beigegebenen Stücke, von denen das eine $ Gramm wiegt, sind Chlornatrium oder Steinsalz, wie es in Nord-Afrika als sogenanntes Wüsten- oder Steppensalz vorkommt. Es sind hexaödrische weilse Crystalle oder Bruchstücke solcher Urystalle. Einzelne Crystalle sind an den Ecken und Kanten abgerundet, an ein- zelnen sind die Kanten und Eeken ziemlich scharf, auch zeigt sich zum Theil treppenförmige Bildung. Kein Crystall ist rundum ausgebildet, son- dern man sieht deutlich, dafs sie von einer Fundstätte herkommen, wo sie aufgewachsen waren, doch sind fremde Mineraltheile nicht zu bemer- ken. was auch bei einem Salz nicht zu erwarten ist, welches auf einer Bodenoberfläche als lockerer Überzug vorkommt, als so lockerer, dals die einzelnen Individuen durch starken Sturm aufgehoben und fortgetragen werden können.“ — Rücksichtlich dieser auffälligen Nachrichten finde ich mehrere grolse Schwierigkeiten, deren Erwähnung bei Besprechung des Passatstaubes an ihrer Stelle ist. Eine dieser Schwierigkeiten besteht darin, dafs ungeachtet meiner eigenen vielfachen Kenntnifs der Sahara-Wüste in den sechs von mir in ihr und neben ihr mit Dr. Hemprich zugebrachten Jahren bei vielen Stürmen und erlebten Typhonen niemals ein Salzhagel oder Salz- staub, auch niemals eine mit Chlornatrium -Crystallen bedeckte Oberfläche in Erfahrung gebracht worden ist. Auch sind die vielseitigen, aus zahlreichen Schriftstellern als Reisenden von mir im Jahre 1868 in der Abhandlung „über die rothen Erden als Speise der Guinea-Neger“ in Übersicht gebrach- ten Nachrichten ohne jede Spur von Salz-Crystallen als Oberfläche der Wüstenebenen geblieben. Zwar giebt es im Westen der Sahara Steinsalz- lager (Kochsalz) mit Tagebau, aber auch diese haben durch Wirbelstürme bisher nicht einmal ihre Existenz erkennen lassen, aber am Küstensaume giebt es Seesalz-Fabricationen. Das seit ältester Zeit schon Plinius bekannte und als Nitrum lapt- descens zu vielfachem Seifen- und Waschgebrauch verwendete Wüstensalz Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärilien. 271 der Sahara ist kein Kochsalz (Chlornatrium) sondern das natürliche strah- lige Natron (Soda), welches Klaproth (Beiträge z. chem. Kenntn. d. Mi- neralkörper 1802) p. 81 nach den vom schwedischen Consul Bagge aus Tripolis mitgebrachten Proben der Oase Fezzan specieller analysirt hat. Die von mir selbst vielgekannten weifsen Überzüge der ausgetrockneten Sumpferden in den Oasen waren immer nur staubige oder dendritisch wollige Effloreseirungen solchen Natrons mit stumpfem Salz-Geschmack, das nicht selten, wie im Thale der Natronseen und auch in Fezzan, zu jenen zolldieken strahligen Krusten erhärtet, welche die Ägyptier als Naschwerk kauen und deren Bruchstücke eine grofse Ausfuhr von Fezzan nach Tri- polis bilden. Über die Salzerden von Fezzan habe ich in der Mikrogeologie 1854 p. 198 kurze Mittheilungen gemacht und ihre organischen feinen Ele- mente, deren mehrere auch im Passatstaube gefunden sind, verzeichnet. Diese Erden sind von Farbe lichtgrau oder gelblich grau, gehören nur den localen ausgetrockneten Sümpfen der Oasen an und würden, vom Winde bewegt, niemals einen Blutregen oder rothen Schnee veranlassen können, so wie auch ıhr Massenverhältnifs ein kleineres ist. Eine andere Schwierigkeit für den obigen Hagel wird auch immer bleiben, dafs der- gleichen grobe Theile als Oberflächensand der Sahara nicht, dem unfühl- baren feinen Staube gleich, durch geringe Bewegungskraft des gewöhn- lichen Luftzuges fortgetragen werden könnten, sondern stets eines starken und andauernden Sturmes bedürften, um nicht rasch zu Boden zu sinken, auch würden solche Sande nothwendig Quarzsand, Kalksand und andere sröbere Stoffe beigemischt enthalten. Betrachte ich diese Gründe meiner Vorstellungen, so würde ich weit wahrscheinlicher finden, dafs der aus Norden kommende Sturm (Bise) aus irgend einem Salzdepot in der Schweiz durch einen plötzlichen star- ken Wirbel das reine aufgehäufte Salz fortgeführt haben möge, zumal die grofsen Steinsalz- und Salzgebirgs-Lager im Osten und Westen der Schweiz nicht fehlen, wie sie nach Charpentier durch Heer 1865 in der „Urwelt der Schweiz“ p. 40 u. s. f. übersichtlich geschildert worden sind. Dasselbe Buch wird auch die früher in der Schweiz für afrikanısch gehaltenen Gypstheile des Schweizer Sciroceo-Staubes nicht als afrika- nisch sondern durch den Umstand, dafs der Gyps als Dungmittel auf die 272 EHRENBERG: Culturflächen häufig in der Schweiz verbreitet wird, als Local -Erschei- nungen, (s. p. 60) erläutern. Mögen diese objeetiven Betrachtungen die so verdienstlichen Be- mühungen localer Naturforschung nicht zu schmälern scheinen, vielmehr anschaulich machen, dafs noch immer die vielseitigste Beachtung des Sci- rocco und jeder ähnlichen Erscheinung, welche sich näher oder ferner auf kosmische Verhältnisse beziehen könnten, weiterer intensiver Pflege bedürftig und werth sind. D. Nachtrag zur Diagnostik. 1. Difflugia hrspantca. Lorica ovata, frontem truncatam versus breviter attenuata. Aperturae frontis dentes conspieu 4 (8?) acuti. Superticies irregulariter reticulata, cellulis diseretis in linea transversa media fere 9. Longit. „5 latit. 2;". Ex Hispaniae Sierra Nevada. In Alsa Nostochinea a Boissier sub aqua lecta. Kuntze Lipsiensis Algam sieccam mihi misit, in qua hanc speciem nidulantem inveni. Icon in Tab. II ı Fig. 23. 2. Arcella rostrata. Lorica oblonga in rostrum acutum frontale prolongata. Apertura sub fronte cucullari retracta subtriquetra. Super- ficies laevis. Longit. „4 latit. -4", rostrum fere 4 totius. E Nilgherry Indiae. Icon in Tab. III ır Fig. 2. Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärilien. 273 Erklärung der Abbildungen. (Vergröfserung 300 Mal im Durchmesser, Maafsstab nach Paris. Linien, wie auf Taf. I.) Diese Tafel betrifft die Ergänzung der auf Taf. II im Januar in Über- sicht gebrachten Arcellinen und stellt alle besonders in der Mikrogeologie zahl- reich genannten Gestalten zu weiterer Vergleichung dar. Zu den 40 neueren Abbildungen auf Taf. II kommen hier noch 47 Arten hinzu, wodurch, sammt den in der Mikrogeologie, in den Abhandlungen und Monatsberichten gegebenen (wie es auf der geographischen Tabelle ausführlich verzeichnet ist) auch das bis jetzt vorhandene Material der über die Erdoberfläche aller Zonen verbreiteten Formen erschöpft ist. Mehrere der Abbildungen auf Taf. III sind in früherer Zeit von mir selbst, viele neuerlich unter meiner Leitung nach aufbewahrten, oft schon 30 Jahre alten, gut erhaltenen Präparaten gefertigt und mithin weiterer Vergleichung zugänglich. Die Abbildung der lebenden Difflugia spiralis ist bereits im Jahre 1840 gefertigt und zeigt die Verästelung und mannigfache Veränderung der Pseudopodien. Auf Taf. II des ersten Vortrages wurden die Abbildungen meist nach dem geographischen Zusammenleben neben einander gehalten. Auf dieser Tafel ist die systematische Verwandtschaft in den Vordergrund gestellt. Selbstverständlich ist auf diese Systematik, als eine stets mit neuem Material veränderliche, kein Ton gelegt. Da aus einer der vorn mitgetheilten Abtheilungen (Setigerella der Dif- flugien) kein neuer Repräsentant vorgefunden worden, so ist diese Abtheilung deshalb hier übergangen. f Das am Schlusse zugefügte Cyrtidium antediluvianum aus Bacillarien - Kieselguhr unter der Blätterkohle von Pfannenschoppen im Siebengebirge (Mo- natsbericht 1846 p. 170 Tabelle) gehört nicht sicher zu den Arcellinen, allein sein Fragment Fig. 18 wird leicht irgend einen Beobachter veranlassen, diese Form zu Lirella zu ziehen. Der bei jedem Namen stehende Welttheil bezieht sich auf den Fundort des abgebildeten Exemplares. Phys. Kl. 1871. 35 274 > SR b. D. EHRENBERG: Il. Difflugia. Exassula. odentatae. Lagynis. membranacea. Davisstralse. Asien. Stid-Amerika. spönigera. Buropa. Nord-Amerika. Europa. Süd-Amerika. Arctiscon. hyalina. laevis. granulata. pacifiea. Assulina. Hologlypha. odentatne, adunca. Asien. adunca (im Umrisse). Ilimalaya. alabamensis. Nord-Amerika. Ampulla. Wuropa. Sitd-Amerika. Nord-Amerika. Nord-Amerika. Süd-Amerika. Macrolepis. uncinata. carolinensis. Leptolepis. dentatao. ‚Euglypha. rectangularis. Central-Amerika. Amphora. Asien. Homoeochlamys. orbioulares. discordes. Australien. oblongae. rostrata. Asien. lunata. Nord-Amerika. Sticholepis. oblongae. retteulate. Australien. serrata. Australien. Centropywis. Diadema. Asien. Diadema? (A. ecornis?) Asien. eirrhosa . A {rika. Reticella. edentatae. Allodietya. 18. D.? asterophora. Süd-Amerika. 19. — annulata. Central-Amerika. 20. — Bructeri. Juropa. 21. — collaris. Nord-Amerika. 22. — lawa. Oentral-Amerika. dentatae. Odontodietya. 23. — hispanica. Buropa. 24. — globularis. Süd-Amerika. Corticella. odentatne. Lecquereusia. 25—27. .D. spüralis. Europa. dentatae. 28. D. caucasica. Asien. Lirella. edentatae. Cadium. 29. — Baileyi. Davisstrafse. dentatae. Kucadium. 30. — seriata. Asien. Arcella. Ileterocosmia. orbiculares. 10. 4A. stellata. Afvıka. 11.12. A. peristieta. Süd-Amerika. 13. — mierostoma. Australien. 14. cellulosa. Asien. oblongae. ikay Pyrum. Afrika. 16. guatimalensis. Süd-Amerika. 17. — Arctiscon. Asien. 18— 20. Oyrtidium antediluvianum. Eu- ropa. Fig. 19. 20 (Fig. 18 Fragment, ganze Formen.) Nachtrag zur Übersicht der organischen Atmosphärilien. 275 Die Abbildungen dieser nachträglichen dritten Tafel sowohl als sämmt- licher Arcellinen, wie sie in ihrer Verbreitung über die ganze Erdoberfläche nun vorgelegt sind, lassen erkennen, dafs weder eine Selbsttheilung der Schalen, wie sie bei Bacillarien gewöhnlich ist, noch auch eine Knospenbildung oder Ver- schmelzung anschaulich geworden ist. Dagegen ist die schon 1838 („Infusions- thierchen“ p. 130) als wahrscheinlich angedeutete Selbsttheilung der inneren weichen Körper, wie sie bei den panzerführenden Vorticellinen, Vaginicola, Ophrydium u. A., erwiesen worden und bei den panzerlosen Amöbeen erkannt ist, höchst wahrscheinlich. Wirklich beobachtet ist sie noch nicht. Die Frage ob die Arcellinen wohl ein Jugendzustand der Difflugien sind und ob es eine nachweisliche Umwandlung der Formen irgend einer Art giebt, scheint durch die vorliegende Menge und Vielartigkeit constanter Grestaltungen negativ erledigt. Spirillina vivipara Abh. 1841 p. 412 Taf. III vu Fig. 41 zeigt innere Junge. Auffällig bleibt, dafs die Gestalten so sehr übereinstimmend überall in ausgewachsenen Gröfsen entgegengetreten sind, so dafs die kleinen Jugendzu- stände vermilst werden. Dieser Umstand läfst fast nothwendig erscheinen anzu- nehmen, dafs die Vermehrung vorherrschend durch Selbsttheilung und also der inneren Weichtheile vor sich gehe, deren schalenloser Zwischenzustand durch seine leichte Zerstörbarkeit sich der Nachforschung bisher entzog. Durch die zerstreuten Bacillarien im Innern mehrerer der abgebildeten Arten als aufgenommene Nahrung (wie Taf. III m Fig. 1 aus Australien) läfst sich der Mangel eines schlauchartigen Nahrungs-Canales und mithin die An- wesenheit des polygastrischen Baues auch im todten Zustande selbst aus anderen Welttheilen erkennen. Dafs aufser dem fraglichen Cyrtidium der Tertiärzeit unter den vielen Bacillarien - Lagern der Urwelt keine fossile ähnliche Gestaltung bisher vorge- kommen, dürfte der Bemerkung werth sein. Auf diese beseelten, aus dem Humus der Oberflächen und den Nebeln der Atmosphäre der Erde hervortretenden selbstständigen Lebensfunken wird die Naturforschung ihr Auge zu richten künftig immer mehr Veranlassung haben. Die Mikrogeologie hat seit 1854 der ruhigen Forschung noch mannigfache ähn- liche Übersichten schon vorbereitet. i ’ f% N dor 1) nntaaukaahlR ala | a vobuanlitien In vaudan 09 him A.amnolgaurng Mi Kin NR, ao Se Ei RN EN Drntonshnpgut ia, f lag Am barsgui ee m) A | Keane uanahittän iadgitrab bus Mia Id ge "l A ME AT a ‚IRA, u 1 fügt I Kara Ki zufaa EN | pe ia a 5 he TER TEN 3 ook ch, gt ua silnwesa Yan SHE DrrntanktT nasill A ‚oh, ala nr Seite a ıyrub- busdaarmekten Sn si al '% „Hous Dur sub Arte EN Aa Pi ale ‚ul Be dia av los trat ol LE mamma: ni and oh Maier TONER SEN ahlai .s dene RE NE, mi Hultiouf &) nsluagihung Sb daamtl Bm: U Eat 1 SEREI EETTL Den; A a re SRIERTNA al Yu arlart anna yalan Ne dom ar Nnb hai lern.) engem SPIELORTE PErdER) lan ur al dor ‘ arhne andere a ie ae Bo Äh Kailnainanggl a5 Er laser s) nn | ER 1172). oki biete oh: aler Hortiiint- ah PEN 3 auto‘ fanit meh. +Ss ld. slalt En aa well LTE Hella) a Here Yo ursondz anizalfiandl Baal. 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Erde, u Hasen: Über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des strömenden Wassers mit der Entfernung vom Boden sich vergröfsert . . . .... 21 y re u ihenwM ne M 5 ‘ ERS un Ay allen 0) sh a ee \ L i \ n n h A R “ Kr F x } . EN a “i 1 Ri Seitendruck der Erde. Von H” HAGEN. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 16. März 1871.] D. Bestimmung des Drucks, den eine Sand- oder Erdschüttung gegen eine Mauer ausübt, an welche sie sich lehnt, ıst für die Technik von srolser Bedeutung, und man findet daher in allen betreffenden Lehr- büchern die Lösung dieser Aufgabe. Nichts desto weniger giebt die da- bei gewählte Zerlegung der Kräfte zu wesentlichen Bedenken Veranlassung, und es ist bisher noch nicht geglückt, durch Experimente nachzuweisen, ob die Resultate jener Rechnung richtig oder falsch sind. Eine Reihe Versuche dieser Art, die, wie sich im Folgenden ergeben wird, ganz besondere Vorsicht erfordern, habe ich in neuster Zeit angestellt. Sie zeigen aber, dafs die allgemein übliche Auffassung der Aufgabe nicht richtig ist, vielmehr diejenige Änderung eingeführt werden mufs, die ich schon im Jahr 1833 empfohlen hatte 1). Historisch mag bemerkt werden, dafs die erwähnte Theorie von Coulomb herrührt, der sie 1773 der Pariser Akademie vorleste. Eytel- wein, wie auch Prony nahmen dieselbe als richtig an, während Letz- terer sie in mancher Beziehung erweiterte, und zugleich den betreffenden analytischen Ausdrücken, zu denen sie führte, möglichst elegante Formen gab. Dasselbe ist auch später und namentlich in der Anwendung auf fortificatorische Anlagen durch Poncelet geschehen. Indem ich von dem einfachsten Falle ausgehe und annehme, dafs die Schüttung horizontal abgeglichen ist und sich gegen eine lothrecht stehende, ebene Wand lehnt, so können sich in der Schüttung wegen des fehlenden Zusammenhanges der Masse unendlich viele Bruchflächen bilden, sobald die Wand dem Drucke nachgiebt. Coulomb nimmt an, dafs die 1) Poggendorff’s Annalen. Bd. 28. Math. Kl. 1871. 1 >) HAGEn: Trennungen in Ebenen erfolgen, also dreiseitige Prismen sich lösen, deren untere Kanten in den Fufs der Wand fallen, da nur in diesem Falle der stärkste Druck eintritt. Die Höhe der Wand bis zur Oberfläche der Schüttung sei h, die Breite d, das Gewicht der Raumeinheit der Schüttung y und der Winkel, den die Bruchebene gegen die lothrechte Wand bildet $, alsdann ist das (rewicht des gelösten Prismas Irby.tgto Wenn aufserdem der Reibungs-Coefficient der Schüttung CotgY genannt wird, so ist der Druck, mit welchem das Prisma herabzugleiten strebt, Der gegen die Wand ausgeübte Horizontal-Druck, dem der nöthige Widerstand entgegengesetzt werden mufs, würde in einfachster Weise sich hieraus ergeben, wenn man diesen Ausdruck mit Sin 9 multiplieirte. Cou- lomb wählt dafür aber einen andern Weg. Den sesuchten Horizontal- Druck zerlegt er in eine Kraft parallel zur Bruchebene und in eine normal gegen diese, er nimmt an, dafs letztere aufs Nene eine gewisse Reibung veranlafst, die er von der ersten Kraft abzieht, während er den Rest dem schräge abwärts gerichteten Drucke des Prismas gleich setzt. Dieses Ver- fahren würde sich ungefähr rechtfertigen, wenn man die Kraft suchte, welche das gelöste Prisma auf der Bruchebene aufwärts zu schieben im Stande wäre, aber auch in diesem Falle dürfte man die Reibung nicht zweimal in Rechnung stellen. Nach vorstehender Auffassung findet man den gesuchten Hori- zontal - Druck H=!bh’y.tet (d—9) tst ® Der Winkel X, der die Reibung bezeichnet, läfst sich durch einen leicht anzustellenden Versuch bestimmen, man schütte nämlich den Sand oder die sonst benutzte Erdart auf und bemühe sich, ihr die möglichst steilste Böschung zu geben. Diese steilste Böschung, gegen das Loth gemessen, ist der Winkel &, weil für sie das Gleichgewicht zwischen dem schräge abwärts gerichteten Druck und der Reibung eintritt. Seitendruck der Erde. 3 Der Winkel $ bestimmt sich aber dadurch, dafs H ein Maximum sein muls. Wenn nämlich die Wand stabil genug ist, um dasjenige Prisma zurückzuhalten, welches den stärksten Horizontal-Druck ausübt, so wird sie auch allen übrigen den nöthigen Widerstand leisten. Dieser Druck wird aber am grölsten, wenn die Bruch-Ebene sich unter dem Winkel P—=4\ bildet. Gegen die vorstehende Behandlung der Aufgabe läfst sich zunächst das Bedenken anregen, ob die Trennung wirklich in einer Ebene er- folst. Coulomb war hierüber schon zweifelhaft, erklärte aber, es sei ıhm nicht geglückt, den Beweis dafür zu geben. Prony stellte bei seiner Untersuchung einen solchen Beweis in Aussicht, doch hat er, soviel mir bekannt, denselben nicht geliefert. Meines Erachtens rechtfertigt sich die Voraussetzung, dafs beim Eintritt der ersten Bewegung, auf welche es hier allein ankommt, da nur sie den Druck bedingt, ein in sich zusammen- hängender Theil der Masse sich trennen wird. Sollte dieser schon im ersten Momente der Bewegung in Unterabtheilungen zerfallen, so würde dadurch die Reibung vermehrt oder der Druck gegen die Wand vermin- dert werden. Der stärkste Druck bildet sich also nur, wenn die gelöste Masse im Zusammenhange bleibt, und da diese in allen Theilen der Tren- nungsfläche Unterstützung finden mufs, weil jene Bedingung sonst nicht erfüllt würde, so ergiebt sich, dafs die Trennung nur in einer Ebene oder in einer eylindrischen Fläche erfolgen kann. Die Entscheidung zwischen beiden ist aber wesentlich durch die Art der Befestigung der auswei- chenden Wand bedingt. Nimmt diese beim Vorrücken eine geneigte Stel- lung an, oder dreht sie sich um eine horizontale Achse, so mufs die ge- löste Sandmasse in den verschiedenen Höhen verschiedene Bewegungen machen und dieses ist nur beim Herabgleiten von cylindrischen Flächen möglich. Entfernt sich dagegen die Wand, ohne ihre Neigung zu ver- ändern, so verschwindet diese Ungleichmäfsigkeit und die Trennung ge- schieht in einer Ebene. Man darf auch annehmen, dafs im letzten Falle die Trennung leichter, als im ersten erfolgt, weil dabei die Neigung und sonach auch die Reibung überall dieselbe bleibt, während im ersten Falle ein Theil der Masse sich nur in Folge des Impulses, den er von einem andern erhält, sich über eine flachere Dossirung fortschieben mülste. Ob- wohl unter diesem Gesichtspunkte die Trennung in eylindrischen Flächen 1* 4 HAGEN: möglich bleibt und auch wahrscheinlich eintritt, sobald die Wand sich überneigt, oder auch die Schüttung in mäfsiger Entfernung von der Wand partiell stark belastet ist, so ergiebt sich hieraus dennoch, dafs der stärkste Seitendruck bei der Trennung in einer Ebene erfolgt, und man sonach in der Bestimmung der nöthigen Stabilität der Wand sicher geht, wenn man diese voraussetzt. Wichtiger ist das andere bereits erwähnte Bedenken, welches sich auf die Herleitung des Horizontal-Druckes aus dem schräge abwärts ge- richteten bezieht. Unbedingt ist es wohl unstatthaft, aufser der Reibung, die das herabgleitende Prisma erfährt, noch vorauszusetzen, dals der ge- suchte Horizontaldruck durch eine zweite Reibung in seiner Wirksamkeit geschwächt wird. Was aber die Zerlegung des schräge abwärts gerich- teten Druckes betrifft, so ist die Richtung der zweiten Kraft, die in Ver- bindung mit dem Horizontaldruck das Gleichgewicht darstellen soll, so zu wählen, dafs letzterer dadurch nicht verstärkt wird. Dieses mülste freilich geschehen, wenn in lothrechter Richtung keine genügende Unter- stützung sich finden liefse. Hier ist eme solche aber vollständig vor- handen, indem die Schüttung dieselbe bildet, die überall sicher aufliegt. Es ist daher kein Grund vorhanden, die zweite Kraft normal gegen die Bruchebene zu richten, wobei sie dem gesuchten Horizontaldruck ent- gegenwirken und für ihn einen gröfsern Werth bedingen würde, als zur Darstellung des Gleichgewichts nöthig wäre. Wenn P den schrägen Druck und // den horizontalen bezeichnet, so genügt für den Zustand der Ruhe HZ Pr SnG wogegen Coulomb annimmt met: Sin ® Aus Vorstehendem ergiebt sich also in beiden Beziehungen für 4 ein bedeutend gröfserer Werth, als das Gleichgewicht erfordert und es muls befremden, dafs diese unrichtige Auffassung nahe ein volles Jahr- hundert hindurch als richtig angesehen ist. Ein Zweifel dagegen wurde freilich schon im Jahre 1794 durch Woltman angeregt. Als derselbe sich mit dieser Aufgabe beschäftigte, fragte er seinen Lehrer Kästner in Göttingen, in welcher Weise wohl in diesem Falle die Kräfte zerlegt werden Seitendruck der Erde. > mülsten. Kästner sprach sich unbedingt für die Form H = P. Sin aus, und liefs durch Brandes hiernach die Rechnung ausführen. Woltman nahm indessen Anstand, der von Coulomb gegebenen Herleitung, der sich auch bereits Prony angeschlossen hatte, entgegenzutreten und bat daher noch seinen Freund, den bekannten Niederländischen Ingenieur Ö. L. Brünings um dessen Urtheil. Dieser antwortete, dafs Coulomb unbedingt Recht habe, und es sei unbegreiflich, wie „der verehrungs- würdige Kästner ein Resultat nicht anerkenne, welches in allen stati- schen Theorien von Archimedes bis zu de la Grange seine Begrün- dung fände.“ Woltman versuchte nun durch Messung des Seitendrucks, wel- chen Sand, Erde und Getreide ausüben, die Entscheidung herbeizuführen, doch auch dieser Weg blieb erfolglos, weil die Resultate der Beobach- tungen sowol gegen beide Theorien, also auch unter sich zu grolse Ab- weichungen zeigten, doch schlossen sie sich etwas besser an Kästner’s, als an Coulomb’s Theorie an. Verschiedentlich hat man seitdem in gröfserem Maalsstabe Beob- achtungen dieser Art angestellt und m ihnen anscheinend Coulomb’s Theorie sehr befriedigend bestätigt gefunden. Abgesehen von manchen willkürlichen Auslassungen, wodurch diese Übereinstimmung dargestellt wurde, und die sich namentlich in den Wiener Beobachtungen nachweisen lassen, liegt der Grund dafür darin, dafs bei höheren oder auch bei an- gestampften Schüttungen ein sehr bedeutender Seitendruck aus der Compression des Bodens entsteht. Die lockere Masse behält ihre ursprüngliche Ablagerung nicht bei, sondern die einzelnen Körnchen drän- gen sich unter der stärkeren Belastung, und namentlich wenn Erschütte- rungen stattfinden, fester gegen einander und veranlassen hierdurch einen sehr starken Seitendruck, den die in Rede stehende Theorie gar nicht berücksichtigt. In der so comprimirten Masse tritt sogar eine stärkere Reibung ein, der Seitendruck sollte also geringer werden, während er in Wirklichkeit sich in hohem Grade vergröfsert, wie ich dieses aus meinen Beobachtungen nachweisen werde. Hierin liegt die Erklärung, weshalb die Theorie von Coulomb, die für lose Schüttungen einen zu grolsen Seitendruck ergiebt, sich an die Beobachtungen mit comprimirten Schüt- tungen besser anschliefst, als die richtige Zerlegung der Kräfte, wobei 6 HAGEN: gleichfalls auf die Compression nicht Rücksicht genommen wird. Eine Vervollständigung in dieser Beziehung würde für die Technik gewils nütz- lich, aber insofern auch sehr schwierig sein, als ein Maafls für die Com- pression sich kaum bezeichnen läfst. Die Vergröfserung des specifischen (Gewichtes entspricht nicht entfernt der Verstärkung des Seitendruckes. Aufserdem würde auch der Erfolg für jede Erdart und für jeden ver- schiedenen Wassergehalt in derselben ein anderer sein. Zur Zeit fehlt es hierüber noch vollständig an Erfahrungen, doch gewils ist es von Nutzen, in solehen eomplieirten Erscheinungen die einzelnen Umstände, die darauf !influls haben, von einander zu trennen, und in diesem Sinne habe ich die Beobachtungen in der Art anzustellen mich bemüht, dafs darin nur diejenigen Kräfte wirksam sind, welche die vorliegenden Theorien berück- sichtigen. Ich mufs zunächst erwähnen, dafs, wenn man die schon oben er- wähnte richtige Zerlegung der Kräfte wählt, und den Horizontaldruck H=P.Sin oder Sin p.tetp. Sin (db —p) Sin’ H=!bh’y setzt, dafs alsdann die Bedingungs-Gleichung für den gröfsten Werth von MH sich nicht so einfach, wie im ersten Falle, herausstellt. Die Be- dingung 0 [Sin 9 .tgt $ . Sn P —p)] = 0 führt nämlich zu einer Gleichung dritten Grades 0=tatp’ +3. —2.tgtV woraus sich ergiebt 3 3, tst ® = Ytgt (45°+ 4 V) — Y Cotg (45° +4) Indem man den Winkel W durch directe Messung, wie bereits erwähnt worden, finden kann, und daraus $ zu berechnen ist, so hat der Factor Sinp.tstp.SinY—d) __ N Sin’ Zu: für jedes W einen bestimmten Werth. Ich habe diese Werthe A für die verschiedenen Y von 0 bis 90° berechnet und in jenem Aufsatze in Seitendruck der Erde. 7 Poggendorff’s Annalen mitgetheilt. Mit Benutzung dieser Tabelle ist die Ermittelung des Horizontaldruckes nicht mühsamer als nach Cou- lomb’s Methode. Indem ich nunmehr zu den von mir angestellten Versuchen über- gehe, bemerke ich zunächst, dafs ich zu den Schüttungen feinen Kies benutzte, wie die Ostsee solchen an manchen Stellen der Pommerschen Küste sehr rein und gleichmäfsig auswirft. Nachdem durch Sieben sowol die gröberen, wie die feineren Körnchen daraus entfernt waren, fanden auf 1 Zoll Länge nach mehrfachen Messungen 15 derselben Platz, wenn sie sich unmittelbar berührten. Der Durchmesser jedes einzelnen beträgt also 0,8 Linien. Sie bestanden grofsentheils aus reinem (Quarz und waren mehr oder weniger abgerundet, während einzelne auch scharfe Kanten und Ecken hatten. Bei möglichst vorsichtiger Schüttung, wie solche bei den Versuchen jedesmal ausgeführt wurde, wog der Gubikzoll 1,944 Loth. Das specifische Gewicht der Körner fand ich aber gleich 2,626. Es er- siebt sich hieraus, dafs die Zwischenräume zwischen den Körnern mehr als den dritten Theil des ganzen Raumes einnahmen. Um die gegenseitige Reibung der Masse zu bestimmen, mafs ich wiederholentlich die steilste Böschung, welche sich bei freier Schüttung darstellen liefs. Dieselbe betrug gegen das Loth 54°. Dieses war also die Gröfse des Winkels X, und hieraus ergab sich der Reibungs-Coefficient Cotg Y = 0,7265 Die Schüttungen mufsten bei jedem Versuche mit gröfster Vorsicht ausgeführt werden, um jedesmal eine gleiche Dichtigkeit der Ablagerung und zwar eine möglichst lockere darzustellen, wobei also durch das Zu- sammendrängen der Körnchen nicht schon ein merklicher Seitendruck ver- anlafst wird. Beim freien Einschütten des Kieses war es unmöglich, über- einstimmende Resultate zu erhalten, wenn dieselbe Messung wiederholt wurde. Als ich dagegen mit einem kleinen Becher, aus welchem der Kies nur etwa 1 Zoll tief herabflofs, den Kasten füllte, war der beob- achtete Seitendruck merklich geringer und die Übereinstimmung besser. Dabei war jedoch augenscheinlich noch nicht die lockerste Ablagerung erreicht, diese liefs sich nur darstellen, wenn die Kieskörnchen einzeln und zwar aus sehr geringer Höhe herabfielen. Zu diesem Zweck benutzte 8 Hasen: ich einen Trichter, dessen Ausflufsöffnung 24 Linien im Durchmesser hielt. Durch diese trat continuirlich ein feiner Kiesstrahl aus, doch traf der- selbe nicht unmittelbar die bereits dargestellte Schüttung, vielmehr eme Scheibe von 7 Linien Durchmesser, die mittelst dreier feinen Drähte 4 Linien tief unter dem Triehter schwebte. Indem der Strahl auf diese fiel, vertheilten sich die Körnchen nach allen Seiten und sprangen einzeln herab. Indem aber der Trichter stets so niedrig gehalten wurde, dafs die Scheibe nur etwa einen halben Zoll von der jedesmaligen Oberfläche der Schüttung entfernt war, so wurde der Stofs, den die einzelnen Körn- chen ausübten, so geringe, dafs sie die bereits erfolgte Ablagerung nicht weiter affıeirten. Dafs die Schüttung immer möglichst horizontal gehalten wurde, um das Abstürzen steilerer Böschungen zu vermeiden, darf kaum erwähnt werden, ich überzeugte mich aber auch bald, dafs selbst das schliefsliche Ausebnen der Oberfläche durch Abstreichen schon eine merk- liche Compression veranlafste, und daher unterbleiben mufste. Die Schüt- tung mit dem Trichter durfte daher nur so weit fortgesetzt werden, dafs sie noch überall unter den Rändern des Kastens blieb. Alsdann wurde über die letzteren ein Lineal gehalten und der dazwischen befindliche Raum durch sehr geringe Quantitäten Kies mittelst eines kleinen un- mittelbar darüber gehaltenen Löffels ausgefüllt und in dieser Weise die oanze Oberfläche in der angemessenen Höhe ungefähr ausgeebnet. In grolser Schärfe war dieses unmöglich, aber die dabei noch bleibenden Abweichungen von etwa 1 Linie Höhe waren vergleichungsweise gegen die sonstigen unvermeidlichen Beobachtungsfehler ohne Bedeutung. Es mag erwähnt werden, dals der Seitendruck solcher mit aller Vorsicht darge- stellten Schüttungen sich durchschnittlich um den dritten Theil geringer herausstellte, als früher beobachtet war, während der Kies noch mit Bechern eingefüllt und in der Oberfläche abgestrichen wurde. Die Beob- achtungen ergaben sogar schon eine merkliche Zunahme des Seitendruckes, wenn die Scheibe unter dem Trichter zufällig den Kies berührt hatte. Es wurde daher die Schüttung sogleich unterbrochen und beseitigt, wenn irgend eine Berührung oder Erschütterung vorgekommen war. Woltman hatte die bewegliche Wand an eine horizontale Achse befestigt, um welche sie sich drehte, sobald sie durch den Druck der Erde zurückgedrängt wurde, da aber, wie bereits erwähnt, in diesem Seitendruck der Erde. 9 Falle das Prisma über eine Bruchfläche nicht herabgleiten kann, ohne sich in verschiedene Theile aufzulösen, so stellte ich die Wand auf einen leichten Wagen. Ein starker Seidenfaden drückte sie vermöge des ange- hängten Gewichtes gegen den Kasten, und indem dieses Gewicht sich nach und nach verminderte, so trat endlich der Moment ein, in welchem es dem Seitendrucke nicht mehr das Gleichgewicht hielt und der Wagen zurückwich. Der Druck bestimmte sich durch das alsdann anhängende Gewicht, doch mufste dabei noch die Reibung des Wagens berücksichtigt werden. Der Faden, der über zwei feste Rollen geführt war, liefs sich sowol mit der vorderen, wie mit der hinteren Seite des Wagens verbinden, und so- nach liels sich auch mittelst angehängter Gewichte, während die beweg- liche Wand dem Druck der Schüttung nicht ausgesetzt war, die Reibung des Wagens sowol in der einen, wie in der andern Richtung bestimmen, und wenn beide nicht gleich waren, so wurde die Platte, auf welcher der Wagen stand, mittelst einer Schraube an einem Ende so lange ge- hoben oder gesenkt, bis die Reibung in beiden Richtungen gleichen Werth annahm. In dieser Weise fand ich die Reibung gleich 0,47 Loth, und zwar konnte ich keine Vergröfserung derselben bemerken, wenn ich auch den Wagen etwas und zwar bis nahe mit 1 Pfund belastete. Zur Ermittelung dieser Reibung war an den Faden ein leichtes (refäfs aus Papier gehängt, in welches ich einen Strahl sehr feinen, trocke- nen Sandes einfliefsen liefs. Letzterer fiel aus einem Trichter herab, dessen Ausfluls- Öffnung 4 Linie im Durchmesser hielt. Der Strahl, der durch dieselbe ausflofs, gab in der Seeunde 0,01 Loth, das Gewicht vergröfserte sich also so langsam, dafs es sich sehr genau bestimmen liefs, indem der Triehter fortgezogen wurde, sobald der Wagen in Bewegung kam. Die Schüttung, deren Seitendruck gemessen wurde, befand sieh in einem hölzernen Kasten, dessen eine Seite die bewegliche Wand bildete. Dieselbe liefs sich scharf schliefsend gegen beide Seitenwände stellen, in- dem der Wagen nicht auf einer Bahn, sondern frei auf der Bodenplatte stand. Er wurde während der Füllung des Kastens und bis zum Beginn der Beobachtung durch eine Schraube gehalten. Die freie Öffnung des Kastens war ungefähr 94 Zoll breit und 43 Zoll hoch. Math. Kl. 1871. 9 10 HAGEN: Es ist bereits erwähnt, dafs der Seitendruck der Kies-Schüttung dureh die Spannung eines Fadens gemessen wurde, der die bewegliche Wand mit dem Wagen gegen den Kasten drückte. Dieser Faden bestand aus ecordonnirter Seide und war so leieht, dafs 10 Fufs desselben nur 0,04 Loth wogen, während er mit Sicherheit 5 Pfund tragen konnte. Sein Gewicht durfte daher gar nicht berücksichtigt werdeu. Derselbe trug am [reien Ende eine Messing-Scheibe, worauf die gröfsern Gewichte gestellt wurden, die jedoch um einige Lothe geringer waren, als der jedesmalige Seitendruck. An der untern Fläche der Scheibe befand sich eine Öse und hieran wurde ein Triehter gehängt, dessen Mündung 1 Linie im Durchmesser hielt. Indem dieser Trichter vor dem Lösen der Schraube mit feinem Sande gefüllt wurde, so flofs letzterer ohne irgend eine Er- sehütterung zu veranlassen, ab, und zwar ergaben wiederholte Messun- ven, dafs in 2 Minuten 3,43 Loth, also in der Secunde nahe 0,03 Loth austraten. Indem es nur darauf ankam, die erste Bewegung des Wagens zu beobachten, so entfernte ich die Schraube jedesmal nur um 14; Linien, oder beschränkte auf diesen kurzen Weg die Bewegung des Wagens, so- bald aber diese Bewegung eintrat, zog ich mittelst eines Fadens einen kleinen Kasten unter den Triehter, der nunmehr den noch weiter aus- Hiefsenden Sand aufnahm. Der hier aufgefangene Sand im Verbindung mit den aufgestellten Gewichten, sowie mit dem Gewichte der Scheibe und des Trichters und der erwähnten Reibung ergab sonach den Seiten- druck, den die Schüttung ausgeübt hatte. Die Bewegung des Wagens mit der Wand trat indessen so langsam ein, dals der Beeinn derselben sich nicht scharf beobachten liels, der Druck der Schüttung war also wirklich etwas gröfser, als jene Gewichte. Unter Berücksichtigung der in Bewegung gesetzten Massen, der Reibung und der Verminderung des Gewichtes ergab sich, dals der Wagen 6,3 Se- eunden nach dem Beginn seiner Bewegung den Weg von 14 Linien zurück- gelest hatte, es wurden daher jenen Gewichten noch 0,18 Loth zugesetzt. Der mit diesem Apparate gemessene Seitendruck der Schüttung ist noch von der Reibung derselben gegen die festen Seitenwände abhängig. Man hat bei allen Messungen dieser Art hierauf nicht Rücksicht genom- men, auch bei den in Osterreich angestellten Beobachtungen ist dieses nicht Seitendruck der Erde. 11 geschehen, wiewohl nach den Zeichnungen, die Martony de Köszegh mittheilt, neben den Seitenwänden meist gröfsere Massen zurückgeblieben waren, woraus sich also augenscheinlich ergab, dafs an beiden Enden das abbrechende Prisma sich nicht in seiner vollständigen Ausdehnung löste. Um den Einflufs dieser Reibung aus den Messungen mit Sicher- heit herleiten und darnach das Resultat berichtigen zu können, wurden Zwischenwände vorbereitet, durch welche ich der Schüttung verschiedene Längen geben und dieselbe von 94 auf 6% und 44 Zoll reduciren konnte. Aufserdem wurden die Beobachtungen noch insofern verändert, als ich in den Kasten noch einen Zwischenboden einleste und die Höhe der Schüttung von 43 auf 34, Zoll verminderte. Es bleibt fraglich, ob die Schüttung auch gegen die bewegliche Wand eine gewisse Reibung ausübt, oder ob solche nicht eintritt. Cou- lomb, sowie auch Prony und Eytelwein, haben das Letzte voraus- gesetzt, dagegen hat man in neuerer Zeit die Theorie wesentlich dadurch zu verbessern gemeint, dafs man diese Reibung berücksichtigte. Gewils bleibt es schwierig, sie mit ihrem richtigen Werthe einzuführen, da der Sand, sobald die Bewegung eintritt, nicht parallel zur Wand fortrückt. Wenn die Schüttung sackt oder angestampft wird, so stützt sie sich sewils nicht nur horizontal, sondern auch vertikal gegen die Wand, ein Theil ihres Gewichtes überträgt sich daher auf diese, und ohne Zweifel tritt alsdann die Reibung ein. Wenn dagegen, wie in meinen Beobach- tungen, die Kieskörnchen beim sanften Herabfallen sich nur in horizon- taler Richtung gegen die Wand lehnen, so ist wohl nicht anzunehmen, dafs das horizontale Fortschieben der Wand, womit die Bewegung beginnt, durch Reibung gegen diese Wand gehemmt werden sollte. Nachdem eine grofse Anzahl von Beobachtungen gemacht war, die nur dazu dienten, die Methode nach und nach zu verbessern und eine sröfsere Übereinstimmung der Resultate herbeizuführen, wurden schliefs- lich die folgenden Messungen gemacht. 5 bedeutet die Breite, h die Höhe der Schüttung, G@ die Summe der auf die Scheibe gestellten Gewichte mit Einschlufs des aufgefangenen Sandes und D das arithmetische Mittel aus den je drei Gewichten mit Einschlufs der vorerwähnten sonstigen Üorrectionen. y% p 12 Hagen: BLEI. am tue | Bemerkungen 4,667 9,335 9299 23,58 28,17 4,667 | 6,675 | 14,32 | 19,20 14,61 15,78 4,667 |4,117 | 5,72 |10,6: 5,6! 5,61 3,500 | 9,333 | 10,69 | 15,32 10,16 10,22 3.500 | 6,675 | 6,40 | 10,99 5,78 5,92 3,500 | 4,117 5,82 6,02 | bei dieser letzten Mes- 5,55 sung mulste die Scheibe 5,32 beseitigt werden. Dürfte man voraussetzen, dals die Seitenwände keinen Einfluls auf den Druck der Schüttung ausüben, so würden die beobachteten Pressun- sen D den Breiten b proportional sein. Dieses ist indessen nicht der all. Man kann aber mit Sicherheit annehmen, dals bei gleicher Höhe der Schüttung jener Binflufs der Seitenwände bei allen Breiten d derselbe bleibt. KHliernach rechtfertigt sich der Ausdruck D — Dr —s wo r den Druck auf die Breite von 1 Zoll und zwar unabhängig gig von der Wirkung der Seitenwände bezeichnet. Aus den drei ersten Beobachtungen ergeben sich die wahrscheinlichsten Werthe 3,3792 Y und S==.8,3012 Führt man dieselben in die vorstehende Formel ein, so findet man die Pressungen D gleich 28,24 ... 19,25 ... und 10,61 Seitendruck der Erde. 13 Die wahrscheinlichen Fehler sind für D gleich 0,0416 für r gleich 0,0112 für s gleich 0,0793 Aus den drei letzten Beobachtungen findet man dagegen die wahrschein- lichsten Werthe r = 1,1835 und s = 1,1871 Hieraus ergeben sich die betreffenden D gleich 15,45 2.107200 , und. 615 und die wahrscheinlichen Fehler für D gleich 0,2203 für r gleich 0,0597 für s gleich 0,4203 Die letzten Beobachtungen sind sonach auffallend weniger genau, als die ersten, was vielleicht davon herrührt, dafs der Zwischenboden etwas nachgab. Zunächst kommt es auf die Untersuchung der Constante 7 an. Vergleicht man die beiden vorstehenden Werthe derselben, so bemerkt man, dafs sie nahe den @Quadraten der Höhen Ah proportional sind. Die r CP : N - ö Gröfse ; ist also constant und bezeichnet den Druck, den eine Schüttung t von 1 Zoll Breite und 1 Zoll Höhe auf die bewegliche Wand ausübt. Da indessen der wahrscheinliche Fehler der zweiten Bestimmung ungefähr 5mal so grols, als der der ersten ist, so gebe ich der ersten das dreifache Gewicht der andern und finde Aus den Beobachtungen bestätigt sich aber auch die Annahme, dals, ab- sesehen von der Einwirkung der Seitenwände, der Druck dem Produete bh? ie} Do ’ proportional ist. Für das zur Schüttung benutzte Material ist sonach der gesuchte Druck gleich 0,15275 . bh? 14 Haıern: Vergleicht man dieses Resultat mit dem der obigen Herleitung D— 1, inp Beatake Bin Ge) a Sin =4y.bh’.A indem man für y den durch direete Messung gefundenen Werth 1,944 Loth einführt, so ergiebt sich A = 0,1640 Nach der von mir berechneten Tabelle ist für w=5°... 8 =a9 532... A —10,14938 V = 53° $ = 36° 43}8 A == 0,15655 L = 54° $ = 37° 29,5 A = 0,16399 558 $ = 38° 15/6 A = 0,17171 Aus vorstehendem Werthe von A ergiebt sich also P = 36° 47,6 und V = 53° 51 Die direete Messung des Reibungswinkels hatte ergeben V = 54° Die Differenz beträgt also nahe 1 Grad, doch darf nicht unbeachtet blei- ben, dals die direete Messung niemals mit grolser Schärfe ausgeführt wer- den kann, auch in der freien Oberfläche durch die wiederholte Aufbrin- sung kleiner Massen eine vollständigere Ausebnung, als im Innern der Schüttung erfolgt und sonach die Reibung geringer oder der Winkel X oröfser gefunden wird, als er in der Bruchebene wirklich ıst. Hiernach dürfte die Übereinstimmung als befriedigend angesehen werden. Vergleicht man dagegen das Resultat der Messung mit Coulomb’s Aullassung, wonach D—=4ybh’tgt4Y? so ergiebt sich YV —= 42° 14,9 oder 11:5; Grade kleiner, als nach der direeten Messung. Auch der Winkel 9, unter dem der Bruch erfolgt, bietet Gelegen- heit zur Vergleichung beider Auflassungen. Obwohl bei dem beschriebe- nen Verfahren die Trennung der Oberfläche sich nicht deutlich erkennen oO Seitendruck der Erde. 15 liefs, so stellte sich solche doch schärfer dar, wenn die bewegliche Wand plötzlich etwas zurückgeschoben wurde. In dieser Art ergab sich $ gleich 38 Grad, also um 14 Grad von dem Resultate der Rechnung ver- schieden, während nach Coulomb’s Theorie der Winkel um 164 Grad kleiner gewesen wäre. Die zweite Constante s bezeichnet augenscheinlich die Reibung, welche an beiden Enden des sich ablösenden Prismas gegen die festen Seitenwände stattfindet. Die Reibung von jeder Seite ist also gleich %s, und diese berechnet sich aus dem Druck, den die Schüttung gegen die Wand ausübt, da jedoch wegen der schrägen Richtung der Bruchebene die Höhen verschieden sind, so mufs man die Pressungen berücksichtigen, welche unendlich schmale Vertikalschichten ausüben. Bezeichnet f den Reibungs-Üoefficient des Kieses gegen die Wand, so hat man ls == EV h tgt { A h her Vergleicht man die beiden für die verschiedenen A gefundenen Werthe von s mit einander, so bemerkt man, dafs sie annähernd den dritten Po- tenzen von Ah proportional sind, wie dieses auch der vorstehende Aus- druck fordert. Der wahrscheinliche Fehler der zweiten Bestimmung ist an sich so grofs, dafs die Abweichung nicht befremden kann. Aus den drei ersten Beobachtungen ergiebt sich f == 0,4086, aus den letzten da- gegen f = 0,3483, also ist die Reibung des Kieses gegen die ziemlich ebene Wand viel geringer, als im Innern des Kieses. Aulser den erwähnten Beobachtungen stellte ich mit demselben Apparat noch eine andere Reihe Messungen an, die sich von jenen dadurch unterschieden, dafs die Schüttung nicht horizontal abgeglichen war, vielmehr von der Wand ab unter dem Winkel von 25 Graden gegen den Horizont anstieg. Durch Einfügen von Zwischenwänden liefsen sich auch hierbei die Breiten verändern, doch mufs ich bemerken, dafs diese Versuche unter einander weniger übereinstimmten, als die frühern, was vielleicht davon herrührte, dafs auf der stark geneigten Oberfläche das Herabfallen kleinerer Kiesmassen sich nicht immer verhindern liefs, und diese geringe Bewegung schon eine festere Ablagerung veranlalste. Die Resultate waren, wenn die frühere Bezeichnung beibehal- ten wird 16 HAGEN: | h b G | D 1. 14,667 |8,942 | 33,50 | 38,00 32,57 9. |4,667 | 6,333 | 19,39 | 23,68 18,06 3..|4,667 |3,833 | 6,08 | 11,07 6,13 Indem sich aus der ersten Beobachtungsreihe schon ergiebt, in welcher Weise die Gröfsen h und b in die beiden Glieder des Ausdrucks für D eintreten, so setze ich D=bh’.r—#.s wodurch 7 und s eine andere Bedeutung erhalten, als sie früher hatten. Es ergiebt sich daraus r = 0,24194 und s — 0,09162 Auch in diesem Falle trennt sich ein dreiseitiges Prisma und gleitet auf der Bruchebene herab, die unter dem noch unbekannten Winkel $ gegen das Loth geneigt ist. Wenn die Schüttung in ihrer Oberfläche unter dem Winkel $ gegen den Horizont ansteigt, so ist der Querschnitt des Prismas 192 Cos >. Sin $ 2 Cos(P +7) und man findet den Horizontal-Druck, den es gegen die bewegliche Wand ausübt, Cos S' Sin $p? . Sin (dv — P) Cos(p+°).Sin J D=}bh:y wobei, ebenso wie früher, der Reibungs-Coeffieient durch Cotg W aus- gedrückt ist. Setzt man den letzten Factor, der die trigonometrischen Funetionen enthält, gleich B, so hat man 2 2 D=!bh’y.B Unter allen Prismen übt dasjenige den stärksten Druck aus, für welches B ein Maximum ist, da aber Y und $ constant sind, so kommt es darauf an, dasjenige $ zu bestimmen, für welches Seitendruck der Erde. 17 Sinp?.Sin(b —p) Cos (+7) den gröfsten Werth annimmt. Dieses geschieht, wenn 2Cotg — Otg Y—P)+t +9) = 0 Der Winkel $ läfst sich hieraus nicht direct berechnen, wenn man aber dafür willkürliche Werthe einführt, so sind dieselben leicht zu berichtigen, und nach drei oder vier Proben gelingt es immer, diesen Winkel mit hin- reichender Genauigkeit zu bestimmen. In dieser Weise fand ich für . A sl. = 3803115, 258 BD 012199 ap & = 39° 31,9 B = 0,2340 UV = 53° & — 40° 34/2 B = 0,2498 V = 54° 6, —- 41213816 B = 0,2670 Der aus den Beobachtungen gefundene Werth r = 0,24194 ist nichts anders, als 4y. >, und hieraus ergiebt sich B = 0,2484 woraus man nach vorstehender Tabelle findet 52507 und Dr 400 .98,7 Der Winkel V stimmt bis auf 10 Minuten mit demjenigen überein, der aus den Beobachtungen mit horizontal abgeglichenen Schüttungen her- geleitet wurde, und ist nur um 65 Minuten kleiner, als die direete Mes- sung ergeben hatte. Wenn man dagegen in diesem Falle die Kräfte in der Art zerlegt, wie Coulomb gethan hat, und in gleicher Weise die Reibung zweimal einführt, so findet man Y gleich 47° 16,7, also nahe um 7 Grade kleiner, als nach der direeten Messung. Dieser Winkel stimmt aber auch nicht mit demjenigen überein, der nach gleicher Methode aus den Beobachtungen mit horizontalen Schüttungen hergeleitet wurde, son- dern ist um 5 Grade gröfser. Beide Beobachtungsreihen schliefsen sich also nicht an die von Coulomb gewählte und allgemein als richtig angenommene Zerlegung der Kräfte an, wohl aber zeigen sie hinreichende Übereinstimmung mit derjenigen Auffassung, die zuerst Kästner empfohlen hatte. Das Experi- ment hat also gleichfalls für die letzte entschieden. Math. Kl. 1871. oo 18 Hacken: Bisher war nur von dem Druck gegen vertikale Wände die Rede, man giebt den Wänden aber vielfach, und namentlich wenn es hölzerne sind, eine gewisse Neigung und zwar so, dals sie auf der innern Seite, oder der Schüttung zugekehrt, mehr oder weniger überhängen. Dieses geschieht, um den Erddruck zu vermindern, also um die Wand zu sichern. Es fragt sich, in wie weit diese Absicht hierdurch erreicht wird. Die Neigung der Wand gegen das Loth sei «, während die übrigen früher gewählten Bezeichnungen ihre Bedeutung behalten. Der Druck, den das abbrechende Prisma normal gegen die Wand ausübt, ist in diesem Falle y zei) 2 Cos p. Cos«. Sin —= }bh’y.C Dieser Druck wird aber ein Maximum, sobald 2 .tstW . Cos 9° — Sin 29 — tgt (P —a) — 0 Aus nachstehender Tabelle ergiebt sich, wie sehr die schräge Stellung der Wand zur Verminderung des normal gegen sie gerichteten Druckes beiträgt. Dabei ist der Reibungswinkel, oder X gleich 53 Grade angenommen, weil diese Grölse sich sowol aus den vorstehenden Rech- nungen ergiebt, als auch aus manchen Erfahrungen, die an Steinschüttun- gen und zwar eben sowol über, wie unter Wasser gemacht sind. Es muls aber bemerkt werden, dals die vorliegende Aufgabe besonders beim Hafen- bau von grolser Bedeutung ist, wenn eine Steinschüttung, die den Hafen- damm bildet, von zwei Pfahlwänden eingeschlossen ist. 6 ) (6 - [03 | d | A 0° | 36° a3!s | 0,15655 | 1,00000 5° | 38° 21,8 | 0,12251 | 0,78253 10° | 399 56.5 | 0,09334 | 0,59620 15° | 41° 28!1 | 0,06870 | 0,43882 20° | 42° 57.9 | 0,04830 | 0,30852 235° | 44° 26,6 | 0,03190 | 0,20378 30° | 45° 55/2 | 0,01927 | 0,12311 35° | 47° 23!6 | 0,01016 | 0,06491 40° | 48° 53’6 | 0,00426 | 0,02718 45° | 50° 25/7 | 0,00112 | 0,00713 50° | 52° 0,9 | 0,00007 | 0,00043 Seitendruck der Erde. 19 Es ergiebt sich aus der letzten Spalte, dafs allerdings eine sehr bedeutende Verminderung des Drucks auf diesem Wege erreicht werden kann, wenn zum Beispiel die Wand nur in dem Verhältnifs von 1 zu 12 geneigt ist, so vermindert sich der Normaldruck gegen dieselbe schon um den fünften Theil, und entspricht die Neigung dem Verhältnifs 1:4, was ohne Unbequemlichkeit in der Ausführung sich darstellen läfst, so redu- eirt sich der Druck schon auf weniger, als auf die Hälfte desjenigen Werthes, den er gegen eine vertikale Wand ausübt. Schliefslich mag noch eine Erscheinung erwähnt werden, die bei oberflächlicher Auffassung der Verhältnisse in hohem Grade überraschend ist, und bei Ausführungen im Grolsen vielfach sehr unangenehm sich zu erkennen gegeben hat. Wenn nämlich die Rückwand so nahe an der vordern oder der beweglichen Wand steht, dafs das dreiseitige Prisma des stärksten Druckes sich dazwischen nicht vollständig ausbilden kann, so bleibt dennoch der Druck auf die letztere beinahe ebenso grols, als wenn beide Wände viel weiter von einander entfernt wären. Nach meinen Beob- achtungen betrug der Druck der horizontal abgeglichenen Schüttung bei der Höhe von 4,667 Zoll und der Breite von 9,533 Zoll, während die Rückwand weit entfernt blieb 28,27 Loth. Sobald ich die beiden Wände aber einander bis auf 2,24 Zoll näherte, wobei schon ein bedeutender Theil des frühern Prismas fehlte, so blieb der gemessene Druck unver- ändert derselbe, er stellte sich sogar zufällig um einige Hunderttheile eines Lothes gröfser als früher dar. Verminderte ich die Entfernung der Wände auf 0,754 Zoll, so verminderte der Druck sich allerdings um einige Lothe, doch nicht entfernt in demselben Verhältnifs, wie das Gewicht des Prismas geringer wurde. Er betrug noch 25,19 Loth. Unter der gün- stigsten Annahme des Trennungswinkels ® konnte in diesem Falle der Seitendruck nur 13,50 Loth sein, falls das gelöste vierseitige Prisma noch ebenso, wie früher das dreiseitige, ohne weitere Formveränderung der ausweichenden Wand folgte. Diese Bedingung kann aber augenschein- lich nicht erfüllt werden, denn beim Abgleiten des Prismas würde zwi- schen diesem und der Rückwand ein leerer Raum bleiben, was bei dem vorausgesetzten Mangel an Zusammenhang in der Masse der Schüttung undenkbar ist. Sobald daher das ganze Prisma der ausweichenden Wand folgt, so löst sich davon gleichzeitig ein anderes Prisma ab, welches den DE; > 90 Hasen: Seitendruck der Erde. Yo Horizontal-Druck gegen die Rückwand ausübt. Indem letztere aber als absolut fest gedacht wird, so ist die Wirkung dieses Druckes keine andere, als dafs die Schüttung von der Rückwand fortgedrängt, oder der Druck auf die bewegliche Wand verstärkt wird. Sollte die zweite Bruchebene noch nicht die freie Oberfläche der Schüttung, sondern wieder die beweg- liche Wand treffen, so löst sich ein drittes Prisma, welches aufs Neue diesen Druch verstärkt. In dieser Weise kann es geschehen, dafs die Bruchfläche vielfach ım Ziekzack von einer Wand zur andern übergeht, bis sie endlich die freie Oberfläche trifft. Der durch diese sämmtlichen Prismen veranlafste Druck stellt sich aber, wenn man von der vergrölser- ten Reibung gegen die Wände absieht, ebenso grols heraus, als wenn in einer weiteren Schüttung das dreiseitige Prisma sich vollständig ausge- bildet hätte. Dieser Auffassung liegt die Voraussetzung zum Grunde, dafs derselbe Theil der Schüttung in Bezug auf die verschiedenen Prismen, denen er angehört, auch ebenso viele verschiedene Pressungen ausüben soll. Diese Annahme widerspricht aber nicht den Gesetzen der Mechanik, insofern bei jeder dieser Wirkungen eine entsprechende Senkung des Schwerpunktes erfolgt. Aus diesem Grunde zeigt sich auch in dem Ver- halten der freien Oberfläche eine wesentliche Verschiedenheit von dem- jenigen bei breiteren Schüttungen. Während bei letzteren das geringe Ausweichen der Wand kaum die Senkung der Oberfläche bemerken liels, so sank dieselbe nunmehr um einige Linien herab, wie dieses mit Rück- sieht auf die räumlichen Verhältnisse auch nicht anders sein konnte. Uber das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des strömenden Wassers mit der Entfernung vom Boden sich vergröfsert. a Von H" HAGEN. [Gelesen in der Klassen-Sitzung am 27. November 1871.) I: einer früheren Untersuchung über die Bewegung des Wassers in Strömen (mathematische Abhandlungen der Königl. Akademie der Wissen- schaften 1868) hatte ich mich bereits bemüht, das Gesetz zu bezeichnen, nach welchem in derselben Lothlinie die Geschwindigkeit des Wassers von der Oberfläche nach dem Boden sich vermindert. Ich gelangte dabei zu einem Ausdruck, der zwar an die aus der Erfahrung hergeleiteten Bedingungen sich anschlofs, der jedoch nicht weiter begründet war. Bei näherer Untersuchung der Verhältnisse ergab sich aber, dafs dieser Aus- druck aus einem allgemein als richtig angenommenen Lehrsatz der ange- wandten Hydraulik sich erweisen läfst, auch dafs er durch die zuver- lässigsten bekannt gewordenen Geschwindigkeits-Messungen bestätigt wird. Die Kenntnils dieses Gesetzes ist für den Wasserbau von grofser Wich- tigkeit, da Projeete zu Strom-ÜÖorrectionen und Entsumpfungen von Niederungen sich nur aufstellen lassen, wenn man weils, welche Wasser- mengen die betreffenden Ströme und Flüsse bei verschiedenen Wasser- ständen abführen. Zu diesem Zweck pflegt man in mehreren Lothlinien desselben @Querprofils eine grolse Anzahl von Geschwindigkeiten unter einander zu messen, und aus diesen die mittlere jeder einzelnen Lothlinie zu berechnen, Bei der bekannten Tiefe der letzteren ergiebt sich alsdann die durch sie abgeführte Wassermenge. Dieses Verfahren würde sich wesentlich erleichtern, wenn das ın Rede stehende Gesetz bekannt wäre, und man unter Zugrundelesung desselben vielleicht aus einer einzigen Geschwindigkeits - Messung in bestimmter Tiefe die mittlere finden könnte. 22 HaGen über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des Trägt man die Geschwindigkeiten und zugehörigen Tiefen als ÖOrdinaten und Abseissen auf, so stellen die äulseren Punkte der Ge- schwindigkeiten Curven dar, die man in der Technik Geschwindigkeits- Scalen nennt. Legt man dabei den Anfangspunkt der mit A bezeichneten Abseissen in den Fufspunkt des Perpendikels, also in die Sohle des Flufs- bettes, so darf man voraussetzen, dafs die Abnahme der Geschwindigkeit v in gröfserer Tiefe durch die Annäherung an die Sohle veranlalst wird, also im umgekehrten Verhältnifs zu einer noch unbekannten Potenz des Abstandes h steht. Man hat alsdann dv k dh m wo %k einen oleichfalls unbekannten constanten Factor bezeichnet. Ich war zu dem Resnltat gelangt, dafs die verschiedenen maafsgebenden Be- dingungen am einfachsten erfüllt werden, wenn x = 4 gesetzt wird. Hieraus ergiebt sich, dafs die Geschwindigkeits-Scale eine gewöhnliche Pa- rabel ist, deren Axe jedoch nicht in diejenige Lothlinie zu fallen braucht, von welcher ab die Geschwindigkeiten aufgetragen sind. Die in der Höhe % über dem Boden gemessene Geschwindigkeit » wäre also v—=C-+yp.yh wenn ( die Geschwindigkeit an der Sohle des Flufsbettes und 2p den Parameter der Parabel bezeichnet. Dieser Ausdruck lälst sich indessen, wie erwähnt, auch aus dem bekannten Gesetz über die gleichförmige Bewegung des Wassers in Strö- men herleiten, wonach bei gleichem relativen Gefälle, wie solches unbe- dinet in allen Tiefen jedes einzelnen Querprofiles und jeder einzelnen Lothlinie in demselben stets stattfindet, die mittlere Geschwindigkeit der (Juadratwurzel aus der mittleren Tiefe des Flufsbettes an der untersuchten Stelle proportional ist. Dieses Gesetz ist seit seiner ersten Aufstellung durch den Oldenburgschen Hydroteeten Brahms vor 120 Jahren immer als richtig angesehn, bis vor Kurzem ein französischer Ingenieur es dahin abzuändern versuchte, dafs er statt der Quadratwurzel die Oubikwurzel einführte. Ich habe indessen bereits anderweitig nachgewiesen, dafs selbst die zur Begründung dieser neuen Theorie benutzten Beobachtungen >) er bei Vergleichung der Summen der Quadrate der übrig bleibenden Fehler strömenden Wassers mit der Entfernung vom Boden sich vergröfsert. 23 sich besser an denjenigen Ausdruck anschliefsen, der die Quadratwurzel enthält, als an den vorgeschlagenen. Ist der Strom so breit, dafs die Einwirkung der Seitenwände auf die Bewegung des Wassers vergleichungsweise gegen diejenige der Sohle als verschwindend klein angesehn, oder der benetzte Umfang des Quer- profils mit der Breite desselben verwechselt werden darf, so findet das Gesetz, welches für das ganze Querprofil gilt, auch auf jeden durch senk- rechte Linien begrenzten Theil desselben und sonach auch auf jede ein- zelne Lothlinie Anwendung. Die mittlere Geschwindigkeit c aller Wasserfäden, die unter ein- ander und zwar in der ganzen Tiefe ? sich befinden, ist nach meiner früheren Untersuchung, wenn Rheinländisches Fulsmaafs zum Grunde gelegt wird, 6 e=433.ye.yt wobei « das relative Gefälle des Stroms an dieser Stelle bezeichnet. In Bezug auf diesen Ausdruck mufs ich erwähnen, dafs ich später noch Gelegenheit hatte, denselben mit andern Beobachtungen zu ver- gleichen. Diese wurden im vorigen Jahre an der Elbe unterhalb Arne- burg bei drei verschiedenen Wasserständen ausgeführt. Sie zeichnen sich vor den meisten übrigen dadurch aus, dafs die Gefälle des Stroms an dieser Stelle jedesmal mit Sorgfalt gemessen sind. Aus diesen ergab sich bei Einführung verschiedener Potenzen von «, wie auch schon in einigen der früher benutzten Beobachtungen sich gezeigt hatte, dafs für die Tte Wurzel des Gefälles die Summe der Fehlerquadrate zwar am klein- sten wurde, dafs jedoch der Unterschied gegen diejenigen der 6ten Wurzel nur sehr geringe blieb. Wenn mit Rücksicht auf andre Messungen die sechste Wurzel gewählt wurde, so ergah sich aus diesen Messungen der wahrscheinlichste Werth des constanten Factors sehr nahe eben so srols, gr wie der vorstehend bezeichnete, nämlich 4,314. Endlich verglich ich auch noch mehrere an kleinen Entwässerungs- Gräben ausgeführte Messungen unter einander. Indem dieselben jedoch sehr steile und zum Theil sogar senkrechte Seitenwände hatten, so durfte nicht mehr der benetzte Umfang des Querprofils der Breite desselben gleich gesetzt werden, vielmehr schien es angemessen, statt der mittleren 34 Haczn über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des Tiefe den Quotient aus der Profil-Fläche dividirt durch den benetzten Umfang einzuführen. Auch hier trat die gröfste Übereinstimmung der Messungen ein, wenn der Exponent von « zwischen } und 4 war. Der constante Factor wurde in diesem Falle aber ansehnlich gröfser als früher, und sein wahrscheinlicher Werth stellte sich auf 5,14. Dieses erklärt sich wohl dadurch, dafs der benetzte Umfang in den tiefen Kanten zwi- schen den Seitenwänden und Sohlflächen nicht in gleichem Maafse die Verzögerung des Wassers veranlassen konnte, wie ım Querprofil eines Strombettes, wo nur flache Krümmungen vorkommen. Hiernach bestä- tigen auch diese neueren Beobachtungen den früher gefundenen Ausdruck für die mittlere Geschwindigkeit, und derselbe darf daher mit um so gröfserer Sicherheit in der vorliegenden Untersuchung benutzt werden. Die mittlere Geschwindigkeit ce der sämmtlichen Wasserfäden in einer Lothlinie von der Tiefe t ist eine constante Grölse, so lange man allein diese einzelne Geschwindigkeits-Curve betrachtet. Eben so ist in diesem Falle auch die an der Sohle des Flufsbettes stattfindende Ge- schwindigkeit Ü und folglich auch der Quotient ARE [4 constant. Multiplicirt man die vorstehende Gleichung mit ı — ß so erhält man ce=Ü-+ 43 G—O)ya.yt e=C+kyt wenn man die Factoren, die für diese Curve constant sind, zusammen- oder falst und mit %k bezeichnet. Die in der Höhe A über dem Boden stattfindende Geschwindigkeit v setzt sich zusammen aus Ü und einem von A abhängigen Theile, der gleich x sei. Also v=Üe+r Der mittlere Werth der sämmtlichen zwischen A = o und h=!E vor- kommenden Geschwindigkeiten ist sonach Sa dh ce=C0-+ : strömenden Wassers mit der Entfermung vom Boden sich vergröfsert. 25 Vergleicht man diesen Ausdruck für e mit dem vorstehenden, so ergiebt sich adh t kyi=! Wenn man die Differenziation ausführt, wobei das constante f in das variable h übergeht, und dh auf beiden Seiten fortfällt, so findet man 3kyh=& folglich v=Ü+2kyh 6 =(0+65(1— P)ye.yt Die im obigen Ausdruck v=(C-+yp.Yyt mit Yp bezeichnete Constante ist sonach Vp = 6555 (: — ) Va Bevor dieses Resultat mit den Beobachtungen verglichen und der Nachweis geführt wird, dafs dasselbe in diesen seine Bestätigung findet, müssen zunächst einige Bedenken beseitigt werden, welche nach manchen Erfahrungen dagegen erhoben werden könnten. Der Umstand, dafs unmittelbar über der Sohle des Bettes die Geschwindigkeit schon eine ansehnliche Gröfse hat, kann nicht befremden, da im entgegengesetzten Falle eine Einwirkung des Stromes auf das Bette, wie solche fast immer, und oft sogar sehr auffallend sich zu erkennen giebt, unerklärlich wäre. Man sieht nämlich, dafs nicht nur Sand, son- dern bei heftiger Strömung auch gröbere Kiesel in Bewegung gesetzt werden, während bei sehr starkem Gefälle sogar Felsblöcke forttreiben. Diese letzte Erscheinung gehört freilich nicht hieher, weil sie nicht allein von der Einwirkung der untersten Wasserschichten herrührt. Von der ununterbrochenen Bewegung des gröberen Kieses kann man sich aber leicht überzeugen, wenn man auf Strömen, die solche führen und grölsere Geschwindigkeit haben, das Boot, auf dem man sich befindet, ohne An- wendung der Ruder frei treiben läfst. Man hört alsdann deutlich das Rollen der kleineren Steine auf dem Grunde. Ich habe dieses namentlich auf dem Oberrhein unterhalb Stralsburg bemerkt. Math. Kl. 1871. 4 % Hack über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des Bedenklicher könnte es erscheinen, dafs nach vorstehender Ent- wieckelung die Geschwindiskeiten mit der weitern Entfernung vom Grunde stets zunehmen, und bei unendlich grofser Wassertiefe, in den obern Schichten sogar unendlich grofs werden sollen. Hiermit tritt zunächst die vielfach gemachte Erfahrung in Widerspruch, dafs die Geschwindigkeit im Wasserspiegel selbst und nahe darunter geringer ist, als in gröfserer Tiefe. Die Veranlassung dieser Erscheinung beruht indessen allein in dem Verfahren bei Anstellung der Beobachtungen, und namentlich in dem Umstande, dafs man auf einem vor Anker liegenden Boote in unmittel- barer Nähe desselben die Messungen ausführt. Die Oberfläche des Was- sers besitzt nämlich, wie sich vielfach und besonders in den sogenannten Capillar-Erscheinungen zeigt, nicht die Beweglichkeit der darunter befind- lichen Masse, sie bildet vielmehr eine festere Decke, die an allen Gegen- ständen, die sie berührt, mit einer gewissen Kraft haftet, und deshalb nicht frei sich bewegen kann. Die Verzögerung, die sie erfährt, überträgt sich aber auch auf die nächst darunter belegenen Schichten, indem sie selbst, und eben so auch das Boot oder der Brückenpfeiler in ähnlicher Art, wie das Ufer und die Sohle des Flufsbettes wirkt, und die Geschwin- diekeit der nächst vorbeiströmenden Masse vermindert. Brünings, der bei seinen vielfachen Messungen, von denen im Folgenden ausführlich die Rede sein wird, die Abnahme der Geschwindigkeit in der Nähe der Ober- fläche beinahe jedesmal bemerkte, erklärte sie durch die Adhäsion der Luft. Dieser Ansicht haben sich in neuerer Zeit auch Humphreys und Abbot angeschlossen, wiewohl solche Einwirkung an sich kaum denkbar ist, und aufhören mülste, sobald die Richtung des Windes mit derjenigen der Strömung zusammenfällt, was nicht geschieht. Aufserdem aber geben flache Schwimmer, die auf der Oberfläche treiben, im freien Strome dieses nicht zu erkennen, so lange nicht etwa ein stärkerer Gegenwind sie trifft, oder sie in der Nähe der Ufer oder neben festliegenden Fahrzeugen sich befinden. Auch mufs der Wasserlauf eine gewisse Breite haben (bei langsamer Bewegung wohl von etwa 2 Ruthen), weil sonst die Einwirkung der beiderseitigen Ufer sich über die ganze Oberfläche ausdehnt, während bei frischer Strömung diese schon in geringeren Abständen aufgehoben wird. Sehr deutlich kann man in kleinen Canälen, die mit Glaswänden versehn und nur wenige Zolle breit sind, die Verzögerung der Oberfläche strömenden Wassers mit der Entfernung vom Boden sich vergröfsert, 27 bemerken, wenn man einen mit Tusche gefüllten Pinsel momentan ein- taucht. Es bildet sich alsdann ein gefärbter Wasserfaden, der sich lang- sam herabzieht, und sich im Allgemeinen in der Richtung der Strömung fortbewegt. Man sieht aber, dafs er bis zur Tiefe von einigen Linien der Oberfläche voraneilt, im obern Theile also von dieser zurückgehalten wird, während er weiter abwärts die entgegengesetzte Neigung annimmt und dadurch zu erkennen giebt, dals die Geschwindigkeit der Wasser- schichten bei gröfserer Annäherung an die Sohle sich vermindert. Bei gröfserer Breite des Wasserlaufes verschwindet dagegen in einiger Ent- fernung von den Ufern die Wirkung derselben vollständig und es ist alsdann undenkbar, dafs die obern Schichten nicht wenigstens die Gre- schwindigkeit der darunter befindlichen annehmen sollten, auf welchen sie aufliegen. Durch Versuche, die ich mit einem zu diesem Zweck be- sonders eingerichteten Apparat auf mehreren gröfsern Stömen und Flüssen angestellt habe, überzeugte ich mich auch, dafs solche Verzögerung der Oberfläche im freien Strome niemals stattfindet. Die Vorrichtung bestand in einer dünnen Latte von etwa 3 Fuls Länge, welche auf dem Wasser frei schwamm. An ihren beiden Enden befanden sich je zwei sich kreuzweise überschneidende hochkantig ge- stellte Flächen, die bei jeder Richtung der Latte den Stofs des Wassers aufnahmen. Das eine Paar derselben reichte bis zur Oberfläche herauf, während das andre beliebig 1 bis 2 Fuls tiefer gestellt werden konnte. Augenscheinlich bewegt sich der Apparat mit der mittleren Geschwindigkeit derjenigen beiden Wasserschichten, welche die beiden Flächen-Paare treffen, die gröfsere Geschwindigkeit treibt ihn voran, während die geringere ihn zurüickhält. Aus seiner Richtung lälst sich also sicher entnehmen, welche der beiden Geschwindigkeiten die gröfsere ist. Um dieses aber aus wei- terer Entfernung, wie etwa vom Ufer aus, sicher wahrnehmen zu können, war in der Mitte der Latte noch ein aufrecht stehender dünner Arm an- gebracht, der nach demjenigen Ende sich neigte, wo der Stols der obern Wasserschichten aufgefangen wurde. Das Resultat war nun, dafs bei mälsigen Tiefen, etwa bis zu 12 Fufs, die Geschwindigkeit der Oberfläche entschieden die gröfsere blieb. Sobald die Tiefe bedeutender wurde, wo- bei nach der obigen Entwickelung die Zunahme der Geschwindigkeit ge- ringer wird, übte in Folge der innern Bewegungen bald die obere, bald 4* 28 Hacun über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des die tiefer belegene Schicht den stärkeren Stofs aus und der Apparat nahm eine drehende Bewegung an. Nur beim Vorbeitreiben neben einem fest- liegenden Flofs gab er die Verzögerung der Oberfläche zu erkennen und dieses war augenschemlich derselbe Fall, der beim Messen der Geschwin- diekeiten auf einem vor Anker liegenden Boote sich wiederholt. Endlich dürfte es auch zweifelhaft erscheinen, dafs die Geschwin- dickeit bei zunehmender Tiefe sich fortwährend vergröfsern, und bei unendlicher Tiefe, wenn auch das Gefälle nur mäfsig ist, in den obern Schichten sogar unendlich grofs werden soll. Man muls indessen darauf Rücksicht nehmen, dafs das in Rede stehende Gesetz sich nur auf die sleichförmige Bewegung bezieht, also auf eine solche, wobei das Wasser seine Geschwindigkeit nicht ändert, vielmehr nur die dem Gefälle entsprechende Beschleunigung so eben durch die Widerstände aufgehoben wird. Hiernach wird an der untersuchten Stelle des Stromes keineswegs die Geschwindigkeit erzeugt oder vermehrt, sondern nur unverändert er- halten. Wenn sie also bei einer Wasser-Tiefe, die in der Wirklichkeit niemals vorkommt, schon überaus grofs und selbst unendlich grofs wäre, so würde sie, da die störende Einwirkung des Bettes in den höheren Schichten immer geringer wird, und endlich ganz aufhört, hier auch eben so grofs bleiben, wie sie war. Indem es nunmehr darauf ankommt, das entwickelte Gesetz mit zuverlässigen Geschwindigkeits-Messungen zu vergleichen, so eignen sich hierzu vorzugsweise die zahlreichen Beobachtungen, die in den Jahren 1789 bis 1792 theils von Brünings selbst, theils unter seiner Leitung von andern namhaften Niederländischen Hydrotecten, am Rhein, an der Waal, am Leck und an der Yssel angestellt sind. Diese Messungen wurden ausgeführt, um ein sicheres Urtheil darüber zu gewinnen, wie die Wassermenge des Rheins bei verschiedenen Wasserständen auf die benannten Flüsse sich vertheilt. Die Beantwortung dieser Frage war aber zur Bestimmung der erforderlichen Höhe und Stärke der betreffenden Deiche, so wie auch zur richtigen Behandlung der Flüsse selbst noth- wendig, um einen grofsen Theil der Niederlande gegen Inundationen sicher zu stellen. Bei der Wichtigkeit dieses Zweckes begründet sich die ungewöhnliche Ausdehnung, die man diesen Messungen gab, so wie die Sorgfalt, mit der sie angestellt wurden. te) strömenden Wassers mit der Entfernung vom Boden sich vergröfsert. 29 An 9 verschiedenen Stellen in den benannten Strömen, so wie auch im ungetheilten Rhein wurden bei hohem, bei mittlerem und bei niedrigem Wasserstande in 17 Querprofilen die durchfliefsenden Wasser- mengen ermittelt. Dieses geschah, indem in jedem dieser Profile in Abständen von 2 bis 3 Rnthen Lothlinien ausgewählt, und in jeder der letzteren von 6 Zoll unter der Oberfläche bis etwa 1 Fufs über der Sohle in Abständen von 6 Zoll die Geschwindigkeiten gemessen wurden. Es ergaben sich hieraus 117 Beobachtungs-Reihen, von denen mehrere einige vierzig einzelne Messungen enthalten. Brünings bediente sich dabei eines von ihm angegebenen Instru- mentes, welches er Tachometer nannte, das aber nicht wie der Wolt- mansche Flügel unmittelbar die Geschwindigkeiten erkennen liefs, vielmehr nur den Druck angab, den eine quadratische Metall-Scheibe von 6 Zoll Seite erfuhr, die dem Strom entgegengekehrt war. Die vorhergehende Vergleichung der abgelesenen Pressungen mit den Geschwindigkeiten, welche Schwimmer in gleichen Tiefen annahmen, dienten zur Aufstellung od von Tabellen, die für jeden gemessenen Druck die entsprechende Ge- schwindigkeit entnehmen liefsen. Nach der Beschreibung des ganzen Verfahrens, welche Brünings zugleich mit den sämmtlichen Messungen im Jahre 1794 den General-Staaten vorleste, begründet sich kein Zweifel gegen die gefundenen Resultate, und dieses um so weniger, als die Ab- weichungen und Fehler, die bei diesen Beobachtungen unvermeidlich sind, deutlich hervortreten. Man ersieht also hieraus, dafs willkürliche Cor- rectionen, wie solche in ähnlichen Fällen zum grofsen Nachtheil der Sicherheit nicht selten vorkommen, hier unterblieben sind. Wiebeking hat die erwähnte Denkschrift sehr vollständig in seine Wasserbaukunst (I. Band, erste Ausgabe 1798. Seite 331 bis 382) aufgenommen, und seine Mittheilung liegt der nachstehenden Untersuchung zum Grunde. Wolt- man hat gleichfalls einen Theil dieser Messungen veröffentlicht (Theorie und Gebrauch des hydrometrischen Flügels. 1790), derselbe konnte in- dessen nur die im ersten Jahre angestellten Beobachtungen angeben. Die in Rede stehenden 17 Profile befinden sich in der Reihenfolge, wie sie gemessen wurden: oO I. im ungetheilten Rhein, und zwar bei höherem Wasser, In den 5 Perpendikeln waren die Tiefen 8 bis 15 Fuls. 30 Hacan über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des Il. in der Yssel. Bei dem höheren Wasser waren die Tiefen der 3 Perpendikel 104 Fuls. III. im Rhein unterhalb der Ysselmündung. Die Tiefen der 4 Per- pendikel betrugen bei gleichem Wasserstande 9 bis 14 Fufs. IV. im ungetheilten Rhein. 12 Perpendikel bei kleinem Wasser 7 bis 16 Fuls tief, V. in der Waal. 8 Perpendikel bei kleinem Wasser, 63 bis 164 Fuls tief. VI. im Pannerdenschen Canale. 5 Perpendikel bei kleinem Wasser 84 bis 10 Fuls tief. Vll. an derselben Stelle, wie Profil I. 7 Perpendikel bei kleinem Wasser 84 bis 11 Fuls tief. VIll. an derselben Stelle, wie Profil 1. 4 Perpendikel bei kleinem Wasser 33 bis 44 Fuls tief. IN. nahe oberhalb Profil Il, jedoch noch hinter der Ysselmündung. 6 Perpendikel bei kleinem Wasser 7 bis 9 Fuls tief. X. an derselben Stelle, wie Profil IV. 14 Perpendikel bei Mittel- Wasser 12 bis 23 Fuls tief. Xl. an derselben Stelle, wie Profil V. 10 Perpendikel bei höherem Wasserstande 124 bis 204 Fuls tief. Xll. im Pannerdenschen Canal, etwas unterhalb Profil VI. Nachdem die Messung einiger von den 7 Perpendikeln ausgeführt war, sank das Wasser von einem höheren zum mittleren Stande, was jedoch auf die einzelnen Beobachtungsreihen keinen störenden Kinflufs hatte. Die Tiefen waren 10 bis 14 Fuls. XIII. an derselben Stelle, wie Profile I und VIl. 7 Perpendikel bei mittlerem Stande 10 bis 134 Fuls tief. XIV. im Rhein zwischen den Abzweigungen der Waal und Yssel. S Perpendikel bei hohem Wasserstande 15 bis 20 Fuls tief. XV. an derselben Stelle, wie die Profile Il und Vlll. Die Tiefen der 5 Perpendikel waren bei dem höheren Wasserstande 10+ bis 11 Fuls. XVI. an gleicher Stelle, wie vorstehendes Profil bei Mittel-Wasser. 5 Perpendikel von 7 bis 74 Fuls Tiefe, endlich XVII. an derselben Stelle, wie Profil IN. 7 Perpendikel bei höherem Wasser 104 bis 21 Fuls tief. strömenden Wassers mit der Entfernung vom Boden sich vergröfsert. 31 Zunächst stellte ich diese 117 in den einzelnen Perpendikeln aus- geführten Beobachtungsreihen graphisch dar. Einige derselben liefsen regelmäfsig gekrümmte Linien deutlich erkennen, die sich parabolischen Formen ungefähr anschlossen. In der Nähe der Oberfläche zeigten sich jedoch mit wenig Ausnahmen sehr auffallende Abweichungen, indem aus dem bereits angeführten Grunde die Geschwindigkeiten sich hier vermin- derten. Auch in der Nähe der Sohle wiederholte sich vielfach dieselbe Erscheinung, so dafs der Scheitel der Parabel nicht in den Fufs der Lothlinie oder in die Sohle des Strombettes zu fallen schien. Brünings erwähnt, dafs in den untern Wasserschichten das Sandtreiben zuweilen so stark gewesen, dafs man die Messungen in der Tiefe nicht habe aus- führen können. Ich mufs bemerken, dafs dieselbe Wahrnehmung auch an der Elbe gemacht ist, es erklärt sich aber, dafs der Sand, der in die Führung drang, welche den Stiel der Scheibe umfalste, die Beweglichkeit der letztern vermindern und sonach zu falschen Resultaten Veranlassung geben mulste. Die grofse Mehrzahl der Reihen stellte sich in der Zeichnung so unregelmäfsig dar, dafs der Versuch, sie an gewisse Ourven anzuschliefsen zwecklos erschien, doch ist zu erwähnen, dafs sie ohne Ausnahme er- kennen liefsen, wie die Geschwindigkeit im Allgemeinen bei zunehmendem Abstande von der Sohle gröfser wird. Abweichungen, denjenigen ähnlich, welche die Amerikanischen Messungen mehrfach zeigen, kommen hier nicht vor. Das Maals der Zunahme der Geschwindiskeiten, oder der Parameter der Parabel, war indessen überaus verschieden, indem die zwischen den Beobachtungs-Punkten hindurch gezogenen Mittellinien bald steil anstiegen, bald aber in sehr flacher Neigung sich erhoben. Besonders auffallend war es, dafs diese Verschiedenheit zuweilen zwischen zwei Beobachtungs-Reihen sich zeigte, in welchen sowol die mittleren Ge- schwindigkeiten, wie auch die Tiefen nahe dieselben waren. Man dürfte vermuthen, dafs die Verschiedenheit des Gefälles dieses veranlafst hätte, in diesen sämmtlichen Beobachtungen waren die Gefälle indessen nur wenig verschieden, indem sie zwischen 0,0001008 und 0,0001308 fielen. Die sechsten Wurzeln derselben verhalten sich also zu einander, wie 22 zu 23, und dieser geringe Unterschied konnte unmöglich so starke Ab- weichungen veranlassen. 32 Hasen über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des Bei der auffallenden Verschiedenheit der Curven in ihrem ganzen Zuge darf man auch nicht annehmen, dafs die unvermeidlichen Beobach- tungs-Fehler dieses verursacht hätten, obwohl dieselben bei diesen Mes- sungen immer so grols zu sein pflegen, dafs man bei Wiederholung der- selben Beobachtung meist ein merklich abweichendes Resultat findet. Diese Verschiedenheit rührt ohne Zweifel von den stets wechselnden innern Bewegungen her. Wenn aber die Neigung der ganzen Curve unter scheinbar gleichen Verhältnissen sich wesentlich anders darstellt, so muls man den Grund dafür in andern Umständen suchen und dieses sind wahrscheinlich die Unregelmäfsigkeiten des Strombettes, welche bald grölsere bald kleinere Wassermengen den untern Schichten zuweisen. Steigt nämlich das Bette an, so vergrölsert sich die Geschwindigkeit, senkt es sich, so erfolgt das Gegentheil. Die Curve wird also aus diesem Grunde in beiden Fällen sich ganz verschieden gestalten, indem die plötzlich veränderte Geschwindigkeit unmittelbar über dem Boden zunächst den untern Schichten sich mittheilt. Es war indessen nicht möglich, diese Verhältnisse näher aufzuklären, und die Beobachtungen mulsten benutzt werden, wie sie vorlagen. Unter diesen in der Zeichnung dargestellten Beobacbtungs-Reihen suchte ich diejenigen aus, in welchen die einzelnen Geschwindigkeiten sich ziemlich übereinstimmend gruppirten und eine möglichst zusammen- hängende und regelmäfsig gekrümmte Linie bildeten. Dieses waren 24 Reihen, für welche die beiden Constanten Ü und yp, also die Ge- schwindigkeiten unmittelbar über dem Boden und die Parameter der Parabeln zu bestimmen waren. Von dem Versuche, diese Aufgabe aus der Zeichnung zu lösen, mulste ich absehn, weil dieses Verfahren zu unsicher, und dabei auch einige Willkühr nicht zu vermeiden war. Auf durchsichtiges Papier hatte ich nämlich in demselben Maafsstabe, in wel- chem die Beobachtungen aufgetragen waren, verschiedene zu derselben Axe gehörige Parabeln gezeichnet, denen die Werthe Yp=?2...2,5... 3... 0.8 w. bis = 9 zum Grunde lagen. Indem ich dieses Papier über die Zeichnungen der Beobachtungs-Reihen legte und es unter Innehaltung der Höhe des Scheitelpunktes soweit verschob, bis die Übereinstimmung mit einer von diesen Parabeln anscheinend am größten wurde, so lielsen sich die Werthe beider Constanten unmittelbar ablesen. Die Unsicherheit strömenden Wassers mit der Entfernung vom Boden sich vergröfsert. 33 war dabei indessen so grofs, dafs ich gewöhnlich zweifelhaft blieb, ob der Werth von Yp um eine Einheit vermehrt oder vermindert werden solle. Ich entschlofs mich daher, für jede dieser keihen die Oonstanten nach der Methode der kleinsten Quadrate zu berechnen. Die wahrschein- lichen Fehler blieben dabei freilich noch sehr bedeutend, da beide Gröfsen in solcher Beziehung zu einander stehn, dafs für dieselbe Beobachtungs- reihe, eine sich zu grofs darstellt, sobald der Werth der andern zu klein angenommen wird, doch wurde bei diesem Verfahren wenigstens jede Willkühr vermieden. In der am Schlusse beigefügten Tabelle A sind neben der in Rhein- ländischem Fulsmaafs angegebenen Tiefe t jedes Perpendikels und der in Zollen ausgedrückten mittleren Geschwindigkeit ce, die Werthe dieser Constanten in den mit C und yp überschriebenen Spalten mitgetheilt, wie sich dieselben aus der Rechnung ergaben. Dabei mufs jedoch er- wähnt werden, dafs die in die Nähe der Oberfläche fallenden Messungen, sobald sie merklich kleinere Geschwindigkeiten, als weiter abwärts ergaben, nicht in Rechnung gestellt sind. Eben so sind auch die nahe über der Sohle gefundenen Geschwindigkeiten verworfen, wenn sie plötzlich un- verhältnifsmäfsig grofs oder klein wurden. Die früher angegebenen Gründe dürften Beides rechtfertigen. Die dazwischen liegenden Beobachtungen sind jedoch sämmtlich und zwar jedesmal mit gleichem Gewichte in Rech- nung gestellt, wenn sie sich auch von den zunächst darunter und darüber befindlichen weit entfernten. Die mittleren Geschwindigkeiten c, die bei dieser Untersuchung von grolser Bedeutung sind, hat Brünings für jede Beobachtungsreihe berechnet, doch stimmen die dafür angegebenen Werthe nicht genau mit den arithmetischen Mitteln aus den einzelnen Beobachtungen, die bis auf Hunderttheile von Zollen mitgetheilt werden, überein. Woher diese Ab- weichungen entstanden sind, die mehrfach 0,2 und selbst 0,3 Zoll betra- gen, ist nicht ersichtlich, da ich jedoch die einzelnen Beobachtungen, wie sie vorliegen, benutzen mufste, so schien es auch angemessen, die aus ihnen hergeleiteten Mittelwerthe e in Rechnung zu stellen, und dieses ist in der Tabelle geschehn. Es war nunmehr zu untersuchen, ob die vorausgesetzten Be- ziehungen zwischen den Geschwindigkeiten, den Tiefen und den Gefällen Math. Kl. 1871. 5 34 Hasen über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des wirklich stattfinden. Aus der Formel für die gleichförmige Be- wegung 6 0433. V@. yet ergiebt sich, wenn man den Zahlen-Coeffieient auf %* verändert und ihn auf Zollmaafs redueirt, während ? im Fufsmaafs ausgedrückt bleibt, SEEN & vi EEG Ve Führt man diesen Werth in die Gleichung c=ÜC-+ 3Yyp.Yt ein, so erhält man Ce ge Salt Yp Oleh ieh USE. 68 y« Die Tabelle enthält in der mit 8 überschriebenen Spalte die Werthe von 5 in der mit 2’ bezeichneten, Spalte die Resultate der Rechnung nach vor- stehender Formel angegeben. Dabei zeigen sich freilich sehr bedeutende ,‚ wie sie sich durch unmittelbare Division ergeben, und daneben sind Abweichungen, doch ist in der grofsen Mehrzahl die Übereinstimmung so befriedigend, wie man sie bei der Unsicherheit dieser Messungen nur erwarten durfte, und unbedingt ergiebt sich hieraus der innige Zusam- menhang zwischen den Constanten der Parabeln und der in ganz ver- schiedener Weise hergeleiteten Constante der mittleren Geschwindigkeit bei gleichförmiger Bewegung. Die wahrscheinliche Abweichung zwischen ß und ®' stellt sich auf 0,071 oder auf 10% Procent des mittleren Wer- thes von £, der gleich 0,665 ist. Die gröfsten Differenzen, die sämmt- lich negativ sind, würden sich etwas kleiner herausstellen, wenn man den constanten Factor im Ausdruck für die gleichförmige Bewegung vergröfsern könnte. Dieses ist jedoch nicht statthaft, da derselbe nicht nur aus den vorliegenden Messungen, sondern auch aus mehreren andern hergeleitet wurde, die eben so zuverlässig sind, wie diese. Nichts desto weniger schien es wichtig, denjenigen Werth des constanten Factors zu kennen, der diesen Beobachtungs-Reihen am meisten entspricht. Aus den so eben angeführten Bedingungs-Gleichungen er- strömenden Wassers mit der Entfernung vom Boden sich vergröfsert. 835 giebt sich dieser Factor k, für den bisher der Zahlenwerth 4,33 unter Zugrundelegung des Fulsmaalses angenommen war k— ii sn 3 yr) Unter Benutzung der in der Tabelle A angegebenen Werthe von «a, Ü, t und yp erhält man für % diejenigen Zahlen, die in der mit demselben Buchstaben überschriebenen Spalte der Tabelle B angegeben sind. Durch- schnittlich stellt es sich auf 56,12 und weicht von dem früher gefun- denen Factor, der auf Zolle reducirt, gleich 52 ist, um 4,12 oder um 8 Procent ab. Von besonderer Wichtigkeit ist noch die Frage, in welcher Be- ziehung die Geschwindigkeiten am Boden zu den Parametern der Para- beln, und beide zu den mittleren Geschwindigkeiten stehn. Man darf im Allgemeinen annehmen, dals bei Vergröfserung einer derselben auch die beiden andern gröfser werden. Durch einfache Zahlen-Verhältnisse lassen sich jedoch diese Beziehungen nicht vollständig ausdrücken, da bei grö- (serer Tiefe die mittlere Geschwindigkeit zunimmt, wenn auch die beiden ersten Gröfsen, nämlich © und yYp gleiche Werthe behalten. Dafs yp von den Geschwindigkeiten e und Ü abhängig, oder dals der Parameter der Parabel nicht in allen Fällen dieselbe Gröfse hat, bedarf keines wei- tern Beweises, weil sonst in tiefen Strömen niemals kleine Geschwindig- keiten vorkommen könnten. Solche stellen sich aber wirklich, besonders ohnfern der Mündungen in die See, sehr häufig ein, indem die Strömung daselbst sogar oft rückläufig wird. In dem Pregel unterhalb Königsberg maals ich einst die Geschwindigkeit. Ich fand dieselbe nahe unter der Oberfläche gleich 2 Zoll. Diese Gröfse behielt sie aber soweit ich die Messung fortsetzen konnte, nämlich bis zur Tiefe von 15 Fufs, während die ganze Tiefe 25 Fuls betrug. Hätte sie sich in gleichem Maafse, wie sonst, vermindert, so wäre sie bald negativ geworden. Aus dem vorstehend entwickelten Gesetz der Curve lälst sich die Beziehung zwischen dem Parameter und der Geschwindiskeit am Boden nicht herleiten. Weils man, wie grofs die mittlere Geschwin- digkeit in einer Lothlinie ist, und kennt man auch die Länge der letz- teren oder f, so ist dadurch freilich ein Punkt in der Curve I” gegeben, 36 Hagen über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des weil die mittlere Geschwindigkeit, wie später gezeigt werden wird, in der Höhe h=atL sich darstellt. Aufserdem trifft auch der Scheitel der Parabel in die Sohle des Flufsbettes und ihre Axe ist lothrecht gerichtet. Hierdurch ist aber keineswegs die Curve vollständig gegeben, vielmehr kann Ü noch jeden beliebigen Werth zwischen Null und der mittleren Geschwindigkeit annehmen, wobei sich der Parameter stets passend anschlielsen läfst. Letzterer wird gleich Null, oder die Parabel geht in eine gerade Linie über, sobald Ü = e wird. Die Beziehung zwischen Ü und yYp ist ohne Zweifel durch die Einwirkung bedingt, welche die Sohle des Flufsbettes auf die darüber befindlichen Wasserschichten ausübt. Es ist mir indessen nicht geglückt, hierüber zu einem sichern Resultat zu gelangen. Man darf wohl voraus- setzen, dals wenn die Sohle weder ansteigt, noch sich senkt, und über- haupt alle Wasserfäden sich parallel zu einander bewegen, dafs alsdann bei gleichen Geschwindigkeiten am Grunde auch jene Einwirkungen, also die Parameter der Parabeln dieselben bleiben, und von den verschiedenen Tiefen ganz unabhängig sein werden. Aufserdem liest die Vermuthung nahe, dafs bei der Zunahme von. Ü auch Yp in entsprechender Weise sich vergrölsert, und dafs Beide in constantem Verhältnifs zu einander stehn. Es schien wichtig zu untersuchen, ob die Beobachtungen solcher Voraussetzung widersprechen. In der Tabelle Litt. 3 sind die aus jenen 24 Beobachtungs-Reihen berechneten Werthe von z zusammengestellt. Sie weichen allerdings sehr bedeutend von einander ab und ergeben sich keineswegs als con- stant, die Abweichungen vom arithmetischen Mittel, welches sich auf 0,225 stellt, betragen sogar in ihrem wahrscheinlichen Werthe 0,048, also etwa 22 Procent. Der wahrscheinliche Fehler des Mittelwerthes ist sehr nahe 0,01. 17 Ich untersuchte ferner, ob die gefundenen Quotienten z vielleicht von den Tiefen £, oder den mittleren Geschwindigkeiten c abhängig wären. Eine Beziehung zu £ gab sich dabei gar nicht zu erkennen, da- even schienen die Quotienten bei erölseren ec etwas zu wachsen, und folk >) u > ) strömenden Wassers mit der Entfernung vom Boden sich vergröfsert. 37 mit Berücksichtigung dieser unbedeutenden Änderungen ergab sich der Ausdruck = 0,0393 + 0,00426 . € Der wahrscheinliche Fehler blieb indessen noch sehr grofs, nämlich 0,0432 oder relativ 19 Procent. Diese Verbesserung schien so gering- fügig, dals sie keine weitere Beachtung verdient. Die unmittelbar aus den berechneten C und Yp hergeleiteten Werthe zeigen ohne Zweifel aus dem Grunde so grolse Abweichungen, weil selbst geringe Fehler in einzelnen Messungen das Verhältnifs dieser beiden Gröfsen zu einander leicht wesentlich ändern. Sobald die eine zu grofs angenommen wird, ergiebt sich für die andre ein um so geringerer Werth, und in beiden Beziehungen wird der Quotient in gleichem Sinne entstellt. Wie wenig indessen diese Vergleichung mit den Beobachtungen auch befriedigt, so schliefsen sich dennoch die Folgerungen, die man aus vorstehender Untersuchung in Betreff der Eingangs angeresten Frage ziehn kann, sehr vollständig und zum Theil sogar in überraschender Weise den ausgeführten Messungen an. Der Grund dieser Übereinstim- mung beruht in dem Umstande, dafs dabei die vorstehenden, durch un- vermeidliche Beobachtungsfehler entstellten Resultate nicht mehr an sich betrachtet werden, sondern nur zur Berichtigung derjenigen Geschwindig- keiten dienen, welche aus mehreren Messungen hergeleitet sind. Die Bestimmung der Wassermenge, welche ein Strom abführt, würde wesentlich erleichtert werden, wenn man aus einer einzigen Ge- schwindigkeits-Messung in einer Lothlinie, deren Tiefe man kennt, unmit- telbar die mittlere Geschwindigkeit in dieser Linie finden könnte. Indem die Geschwindigkeit von der Sohle des Flufsbettes bis zum Wasserspiegel stätig zunimmt, und die mittlere Geschwindigkeit zwischen beiden Grenzen liest, so mufs in irgend einer Tiefe diese sich schon darstellen, so dafs sie hier unmittelbar gemessen werden kann. Die Entfernung dieser Stelle von der Sohle des Flufsbettes ergiebt sich leicht aus der para- bolischen Form der Curven. #4 sei diese gesuchte Höhe, so wird in der Gleichung v—= (| + vr . yh 38 Hagen über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des die variable Geschwindigkeit v sich in die mittlere c verwandeln, und man hat C+3yp:Yt=C-+yp.yHR woraus sich ergiebt "= #t Nachdem für jene 24 Beobachtungen die Constanten C und Yp gefunden, und dadurch die Parabeln gegeben waren, welche sich den einzelnen Beobachtungen am besten anschliefsen, war es leicht, für jedes gegebene A das zugehörige » zu berechnen. Indem ich A=#t setzte, fand ich die in der Tabell 3 in der mit c’ überschriebenen Spalte ange- gebenen Werthe. Vergleicht man diese mit den aus allen Beobachtungen jeder Reihe unmittelbar berechneten arithmetischen Mitteln ce, die zur leichteren Übersicht in der folgenden Spalte wiederholt sind, so über- zeugt man sich, dafs sie mit diesen bis auf Theile eines Zolles überein- stimmen. Obgleich die Geschwindigkeiten zwischen 28 und 56 Zoll betra- gen, so erreicht die Abweichung doch nur einmal die Gröfse von 1 Zoll. Die wahrscheinliche Abweichung (dem wahrscheinlichen Fehler entsprechend) beträgt aber nur 0,272 Zoll. Ich untersuchte in dieser Beziehung auch die übrigen 93 Beob- achtungs-Reihen von Brünings, die so unregelmäfsig ausgefallen waren, dals der Zug der ganzen Curve sich daraus nicht sicher erkennen lief, doch war es möglich, in der graphischen Darstellung der einzelnen Ge- schwindigkeiten, und zwar im mittlern Theile derselben, Linien zu ziehn, die nach dem Augenschein sich den zunächst liegenden gemessenen Punk- ten ungefähr anschlossen. Die Abweichung der unmittelbar berechneten mittleren Geschwindigkeit gegen die in der angegebenen Höhe aus den Zeichnungen entnommene betrug in einem Falle nahe 3 Zoll, während sie 22mal gröfser als 1 Zoll war. Die wahrscheinliche Abweichung stellte sich aber nur auf 0,645 Zoll. Endlich prüfte ich in derselben Art auch die im vorigen Jahre an der Elbe ausgeführten, bereits oben erwähnten Geschwindigkeits-Messungen. Dieselben sind in weiteren Abständen unter einander, nämlich von 1 zu 1 Fufs, und zum Theil von 2 zu 2 Fufs gemacht, und lassen daher den Zug der Mittellinie weniger scharf erkennen. Es waren, abgesehn von den in sehr geringen Tiefen angestellten Messungen, 18 Beobachtungs- strömenden Wassers mit der Entfernung vom Boden sich vergröfsert. 39 reihen vorhanden. In denselben betrugen die mittleren Geschwindigkeiten einmal 6 und einmal 8 Zoll, im Übrigen stellten sie sich auf 22 bis 50 Zoll, und die Abweichungen waren dreimal gröfser als 2 Zoll, während sie einmal sogar 3 Zoll überschritten. Ihr wahrscheinlicher Werth stellte sich aber auf 0,937 Zoll. Bei allen diesen Versuchen, die aufgestellte Regel an wirklichen Messungen zu prüfen, waren die Abweichungen bald positiv und bald negativ, sie erregten also kein Bedenken gegen das Prineip, und hier- nach dürfte es sich empfehlen, statt der vielen Beobachtungen, die man bisher zur Affindung der mittleren Geschwindigkeit in verschiedenen Tiefen auszuführen pflegte, nur eine einzige mit möglichster Sorgfalt in der bezeichneten Tiefe anzustellen, diese aber der Sicherheit wegen noch einmal zu wiederholen. Dabei würde nicht nur die Operation wesentlich erleichtert, sondern auch der Einflufs der Verzögerung in den obern Wasserschichten beseitigt, und zugleich diejenigen Fehler vermieden werden, welche bei den Messungen in der Nähe des Grundes vor- kommen. Die Beobachtungen in einer gewissen Tiefe bieten indessen immer einige Schwierigkeiten. Zunächst mufs man mit einem dazu geeigneten Instrument, also vorzugsweise mit dem Woltmanschen Flügel versehn sein, für den man den Werth der Umdrehung sicher bestimmt hat. Aufserdem erfordert die Anstellung der Messung auch grofse Vorsicht, und das Boot, von dem aus diese ausgeführt wird, mufs nicht nur fest verankert, sondern auch gegen das Seitwärts- Treiben gesichert sein. Man kann sich dabei freilich auch eines Schwimmers bedienen, an welchem in der gehörigen Tiefe ein gröfserer Körper hängt, der den Stofs des Wassers in höherem Maafse aufnimmt, als der Schwimmer selbst, doch darf dabei der Einflufs des letzteren nicht unberücksichtigt bleiben, viel- mehr mufs von diesem noch Rechnung getragen werden. Viel leich- ter würde die Bestimmung der mittleren Geschwindigkeit sein, wenn man sie aus der an der Oberfläche mittelst eines einfachen Schwim- mers zu messenden Geschwindigkeit sicher herleiten könnte. Nach den vorstehenden Untersuchungen bietet sich hierzu in der That Ge- legenheit. 40 Hasen über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des Die Geschwindigkeit in der Oberfläche sei «, alsdann hat man, . I . . . wenn die Constante Y? mit a bezeichnet wird, C u=(1+ay)C und die gesuchte mittlere Geschwindigkeit c=(i+2ayt)C Die Constante © fällt bei der Division fort, und man erhält 1+ 2a yt ek l+ayt Führt man für « den oben gefundenen mittleren Werth 0,225 ein, so ergiebt sich 1 + 0,15. yt ER Um diesen Ausdruck an jenen 24 Beobachtungs-Reihen zu prüfen, habe ich zunächst für jede derselben unter Zugrundelegung der gefun- denen Constanten Ü und yYp die Geschwindigkeiten in der Oberfläche berechnet. Diese sind in der mit u überschriebenen Spalte der Tabelle 5 angegeben. Die folgende mit c" bezeichnete Spalte enthält aber die nach vorstehender Gleichung hieraus hergeleiteten mittleren Geschwindigkeiten. Diese schliefsen sich wieder sehr befriedigend an die unmittelbar berech- neten Werthe von ce an. Aus der Summe der Quadrate der Differenzen zwischen beiden ergiebt sich der wahrscheinliche Fehler gleich 0,801 Zoll. Diese Übereinstimmung ist um so bemerkenswerther, als in der Ober- fläche selbst gar keine Geschwindigkeiten gemessen waren, und die nächst darunter gefundenen als unbrauchbar verworfen werden mulsten, so dafs die Werthe von vu nur aus dem Zuge der Curve in den tiefer belegenen Schichten hergeleitet werden konnten. Zur Erleichterung der Rechnung ist die mit Litt. C bezeichnete Tabelle beigefügt, woraus für die verschiedenen Tiefen von 1 bis 40 Fuls die Zahlenwerthe des Bruches 1 + 0,15. yt 10,225... yR unmittelbar entnommen werden können. Es ergiebt sich aus derselben, dals diese Werthe ziemlich constant sind, wenn die Tiefen sich nicht ’ strömenden Wassers mit der Entferming vom Boden sich vergröfsert. 41 bedeutend ändern, und hiermit hängt die Erfahrung zusammen, die man sowol an der Elbe wie auch am Ober-Rhein gemacht hat, dafs bei den dort ausgeführten Messungen die nächst unter der Oberfläche beobachtete Geschwindigkeit in constantem Verhältnifs zu der mittleren der ganzen Lothlinie steht. Bei unendlich grofser Tiefe würde dieses Verhältnifs sich auf 3 zu 2 stellen. Über die Anstellung der Geschwindigkeits-Messungen in der Ober- fläche wäre noch zu erwähnen, dafs der Schwimmer, dessen man sich dabei bedient, möglichst wenig Masse, aber dagegen grofse räumliche Ausdehnung haben mufs. Die Kugel, die man gewöhnlich anwendet, ist in beiden Beziehungen nicht vortheilhaft, weit mehr eignet sich hierzu ein Apparat, der aus zwei etwa 2 Fufs langen und 6 Zoll hohen recht dünnen Brettchen besteht. Letztere werden in ihrer Mitte zur Hälfte eingeschnitten und in einander geschoben, während ein kreuzweise ein- geschnittener Stiel sie umfalst und der Verbindung die nöthige Festigkeit giebt. Der Stiel, der über die Ränder der Bretter etwa neun Zoll vor- ragt, ist in weiter Entfernung sichtbar und giebt Gelegenheit, den Durch- gang des Schwimmers durch die abgesteckten Visirlinien genau zu beob- achten. Die vier Arme des Kreuzes, deren jeder eine Fläche von einem halben Quadratfuls dem Stofse darbietet, nehmen in jeder Stellung des Apparates die Geschwindigkeit des Wassers sehr schnell an, so dafs es nicht erforderlich ist, den Schwimmer weit oberhalb der ersten Visirlinie auszulegen, man darf ihn vielmehr nahe vor derselben aussetzen, wodurch noch der wichtige Vortheil erreicht wird, dafs er diejenige Linie durch- läuft, in welcher man die Messung anstellen will. Aufserdem glaubt man mehrfach bemerkt zu haben, dafs sowol die Kugel, wie auch der Cabeo- sche Stab nicht die wirkliche Geschwindigkeit des Wassers angeben, sondern mit einer etwas gröfseren herabtreiben. Bei sehr grofsen schwim- menden Massen findet dieses gewils statt. Schiffe, welche ohne Segel und Ruder den Strom herabfahren, eilen, wie man bei frischer Strömung jedesmal bemerken kann, dem Wasser etwas voran, und folgen daher auch in gleicher Art dem Steuer, als wenn sie durch Wind, oder in andrer Weise getrieben würden. Die Veranlassung zu dieser Erscheinung liegt ohne Zweifel in den innern Bewegungen des Wassers, die einen Theil der aus dem Gefälle entspringenden Beschleunigung aufheben. Math. Kl. 1871. 6 42 HAGEN über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des Betrachtet man eine Wassermasse, die in ihrer Form und räumlichen Ausdehnung dem eintauchenden Theile des Schiffes gleich ist, so zerstört sich in dieser durch die innern Bewegungen ein Theil der Beschleunigung, während im Schiffe dieses nicht geschieht, woher letzteres eine gröfsere Geschwindigkeit annimmt, die ihre Grenze findet, sobald der Widerstand den es in Folge der schnelleren Bewegung erfährt, den Überschufs der Beschleunigung aufhebt. Wenn in der kleinen Kugel, die gewöhnlich nur 6 Zoll Durchmesser hat, die aber bemahe vollständig eintaucht, ein sol- cher Erfolg sich auch nur in beschränktem Maalse zeigen kann, so wird er bei dem beschriebenen Apparate wegen des geringeren Gewichtes und der viel grölseren Ausdehnung der Flächen, die dem Stols des Wassers ausgesetzt sind, unbedingt noch mehr vermindert. strömenden Wassers mit der Entfernung vom Boden sich vergröfsert. Tabelle 4. 43 | E | c. | @. | (68 | Vp- B= @ ß' IVRARS 13 44.52 | 0,000 1030 | 32,10 5,017 0,720 0,703 Vera 16 40,40 | 0,000 1219 | 23,89 6,285 0,585 0,638 va ısi 10 39,34 | 0,000 1033 | 28,35 4,969 0,719 0,706 VI 5 9,5 42,11 26,02 7,536 0,615 0,554 Ver 11 28,37 | 0,000 1198 | 22,29 2,586 0,784 0,851 vauß 8,5 32,11 21,90 5,228 0,681 0,698 VITA 10 37,67 25,83 5,545 0,684 0,680 VIT@r7 11 38,25 21,82 6,956 0,568 0,598 VII. 4 4 31,12 | 0,000 1010 | 24,07 5,182 0,769 0,692 18:72! 8,5 40,78 | 0,000 1198 | 30,29 5,362 0,742 0,690 IX 7,5 40,03 30,52 5,241 0,758 0,697 Ro kl7 12 50,23 | 0,000 1136 | 27,14 9,787 0,537 0,430 Krug 13 48,48 27,30 8,620 0,559 0,498 XE012 20,5 55,57 31,50 7,985 0,565 0,535 X. 14 23 55,77 28,74 8,351 0,513 0,513 X 18 41,39 | 0,000 1308 | 32,59 3,141 0,786 0,821 XI 2 19 49,12 29,95 6,456 0,608 0,633 XI 4 20 53,52 31,39 7,377 0,583 0,580 XI. 6 17 49,04 32,19 6,040 0,654 0,656 KIT. 077 12 49,70 | 0,000 1100 | 33,49 6,808 0,671 0,601 XI. 23 12,5 48,14 | 0,000 1253 | 30,06 7,553 0,621 0,567 XIII. A6 11 45,42 25,32 8,855 0,554 0,493 ERTIT Br 7 || 210 46,22 32,88 6,396 0,708 0,634 XVD. 6 a 37,94 | 0,000 1233 | 23,24 4,673 0,968 0,725 Die 1te Spalte bezeichnet die Nummern der Quer-Profile und der in denselben gemessenen Lothlinien, die 2te die Tiefen in Rheinländischen Fufsen, die 3te die mittleren Geschwindigkeiten in Zollen, die 4te die relativen Gefälle, die öte und 6te die aus jeder Beobachtungs-Reihe berechneten Geschwindigkeiten am Boden und die Wurzeln der halben Parameter, die 7te die Quotienten der Geschwindigkeiten am Boden dividirt durch die mittleren Geschwindigkeiten, und die $te Spalte dieselben Quotienten, wie sie sich aus den Parametern und den relativen Gefällen ergeben. [oz] E 44 Hagen über das Gesetz, wonach die Geschwindigkeit des Tabelle 2. | k. Re | Eile, zLUR Sch ME Ce TV@2.08 56,6 0,156 44,16 44,52 50,19 42,71 Wo 45,6 0,263 40,65 40,40 | 49,03 41,29 organ 5 Jo,lTs 38,7 39,34 44,06 37,93 vo 5 | eı | 028 | 4,sı | azı1 | 4995: | 4351 VIE 38,0 0,116 28,01 | 28,37 30,87 26,48 vIv2 49,5 0,239 32,06 32,11 | 37,14 32,22 VIR2 4 534 | 0215 37,52 37,67 43,37 37,35 VIR‘ 7 505 | 0,319 37,20 38,25 44,89 38,49 VII. 4 | 71,8 | 0,215 30,97 31,12 34,42 30,85 IX 6 | WATT || 0A0,TL 40,78 45,92 39,85 IX%s1 5 659 | 0,172 40,09 40,03 44,87 39,17 Rum 652 | 0861 ! 49,74 50,23 61,04 52,14 X. 9 | 605 0,316 48,03 48,48 58,39 | 49,68 Rue | 55,8 0,253 55,61 55,57 | 67,66 | 56,26 REESIH I 1585 0,291 | 55,45 55,77 68,80 56,90 XEra 43,4 0,096 | 41,47 | 41,39 | 45,91 | 38,42 XI9.,2 49,6 0,216 48,70 49,12 | 58,08 48,49 RIRAM 53,0 0,235 | 53,38 | 53,52 | 64,38 | 53,64 AI 6 52,5 0,188 | 48,79 | 49,04 | 57,09 | 47,90 XI:9:7 || 649 0,208 | 49,21 | 49,70 | 5zor | 48,75 XIM. 3 605 | 0251 47,37 || 48,14 | 56,78 48,38 RIM. ‘6 60,5 0,350 44,90 | 4542 | 34 5 0,194 | 46,37 ‚o 0,127 °10037, 56,12 0,2257 | | | | | | | | | Die 2te Spalte enthält den constanten Factor im Ausdruck für die mittlere Ge- schwindigkeit bei gleichförmiger Bewegung, wie sich derselbe aus jeder Beobachtungs- Reihe ergiebt, die Ste den Quotient aus der Wurzel des halben Parameters dividirt durch die Geschwindigkeit am Boden, die 4te die für $ der Tiefe berechneten Geschwindigkeiten. In die öte Spalte sind zur bequemeren Vergleichung die aus den einzelnen Messungen sich ergebenden mittleren Geschwindigkeiten nochmals aufgenommen, die 6te enthält die berechneten Geschwindigkeiten in der Oberfläche und die 7te die aus diesen hergeleiteten mittleren Geschwindigkeiten. strömenden Wassers mit der Entfernung vom boden sich vergröfsert. 45 Dabelle ‘GC. t | n. t n. 1 0,939 21 0,831 2 0,920 22 0,829 3 0,907 23 0,827 4 0,896 24 0,825 5 0,888 25 0,823 6 0,881 26 0,822 7 0,876 27 0,820 8 0,870 28 0,819 0,866 29 0,817 10 0,861 30 0,816 11 | 0,858 31 0,814 12 0,3854 32 0,813 13 0,851 33 0,812 14 0,348 34 0,811 15 0,845 35 0,810 16 0,842 36 0,808 17 0,839 37 0,807 18 0,837 38 10,806 19 0,835 39 | 0,805 20 0,833 40 0,804 n ist der Factor, womit bei der gemessenen Tiefe t die Geschwindigkeit in der Oberfläche zu multiplieiren ist, um die mittlere Geschwindigkeit darzustellen. We \LU EEE... mn, I es «ı® Hi Zar oe» ü iA % A rd N \ f 77 F y ö ur ir - aM KURT ’ 0 Kr a3 7 A - 5 F an LI 7N 3 ’ Zi TER ih: & Ya | ? BP Very a R Pr Kino Pie : Mi LER RU N u i Mr | # PT. (93° Alan a a Min ö Hal lee u arten ee Benachrichtigung: Die an der Akademie enthalten in den Jahrgängen 1852, 1853, 1862, 1864, 1870 keine mathematischen Klasssen. . In nalen imma, nayaulianndk a) HULPT nlahılsaaah i Y san AUTENIT IA ITAN) u mn Ya EI erringen scale in ) Ka van ee MWERTEN PHILOLOGISCHE UND HISTORISCHE ABHANDLUNGEN DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. AUS DEM JAHRE 1871. BERLIN. BUCHDRUCKEREI DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) UNIVERSITÄTSSTR. 8. 1872. IH COMMISSION BEI FERD. DÜMMLER'E VERLAGS-BUCHHANDLUNG. (HARRWITZ USD GOBSMASM.) nk US ara Wit AUA ‚ITal Alle ET RUE Inhartt. Lersius: Über einige Aegyptische Kunstformen und ihre Entwiekelung Lersıus: Die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. (Mit 2 Tafeln) Zweite Abtheilung. ScHorE:, Altajische Studien. aan RER Kırcnuorr: Nachträgliche Bemerkungen zu der Abhandiune über die Altassunge zeit des Herodotischen Geschichtswerkes : WEBER: Über ein zum weissen Yajus gehöriges phonetisches Compendiai, ae pratijndsütra Seite 47 69 PR DEETEN ta Dre er te. (nat Em) 'nerti tlg ar ulisı tik am N Fin j _ ’ A PER iılaild en IT Dee VE ee a { EITHER em, ı TU SEr IL aluwlellnerft Syroz j j ee laaininslE en Has als ‚ulm di Aue Ar Pe | Bun; op WulA rein ae ir rl u 3 6 x Der a a kabalaihi Über einige Aegyptische Kunstformen und ihre Entwickelung. Von al PSIUS. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 3. December 1868.] D.: Kunst der Griechen, welche für immer den Mittelpunkt und Mals- stab für Kunstgeschichte und Kunstbetrachtung abgeben wird, sprang nicht fertig und vollkommen, als ihre Zeit gekommen, aus einem dazu prädisponirten Volksgeiste hervor, so wenig wie ihre Wissenschaft oder irgend ein andrer Theil ihrer Geistesbildung. Ihre Entwicklung würde nie in so raschen Schritten sich zu ihrem Gipfelpunkte erhoben haben, wenn ihr nicht andre Völker Jahrtausende lang vorgearbeitet und ihr die Vorstufen dadurch erspart hätten. Unsere weit fortgeschrittene Kennt- nils der alten Völkergeschichten hat in neuerer Zeit auch den Griechen einen richtigeren Standpunkt in der erweiterten Weltgeschichte angewiesen. Wir können jetzt weit über sie zurückschauen und ihre Verbindung mit den früheren und den Nebengliedern in dem Strome der menschlichen Volksbildungen deutlicher erkennen. Die alte Welt in ihren frühen Asia- tischen Kulturstätten und an den Küsten des Mittelmeeres erweist sich schliefslich als ein Ganzes, dessen einzelne Glieder eng unter einander verbunden waren, volle gegenseitige Kenntnils von einander besaflsen und sich daher auch den gegenseitigen Einwirkungen nicht entziehen konnten, soweit ein jedes Volk nach seinem Standpunkte, seinen geschichtlichen Bedingungen, und seiner angestammten Eigenart denselben überhaupt zu- gänglich war. Philos.-histor. Kl. 1871. j 2 LEPSIUS: Die Griechen namentlich, dieses bewegliche, seekundige, wilsbegie- vige Volk, hatten lange vor der Blüthezeit ihrer einzelnen Stämme auch die südlichen Küstenländer befahren und ihre Vorposten in das Innere jener hochgebildeten Staaten gesendet. Herodot fand nicht nur im Delta sondern auch in Oberägypten und in den Oasen bereits griechische An- siedelungen und auf den altägyptischen Denkmälern der grofsen Theba- nischen Dynastieen wird schon der Name der Ionier d.ı. der Griechen, häufig genug als der eines wohlbekannten wenn auch noch nicht von ihren Nachbarn klar ausgeschiedenen Volkes genannt. Wie wäre es daher denkbar, dafs die Griechen nicht auch die uralten Kunstschöpfungen der Aesypter gekannt und bewundert haben sollten, und, wenn dies der Fall war, dafs sie ihre ersten Kunstversuche von dem Einflufse dieser imponirenden Anschauungen hätten frei halten können. Dieser Einflufs ist aber auch jetzt noch überall zu erkennen und nachzuweisen. Es ist nur nöthig jene Quellen selbst genauer als bisher und in ihrem eigenen Organismus kennen zu lernen. Wenn es daher von Interesse ist in der ägyptischen Kunst eine Vorstufe der Griechischen Kunst wiederzufinden, so hat sie doch einen noch begründeteren Anspruch auf nähere Betrachtung, der in ihr selbst, in ihrem eigenen Werthe liest. Denn wir besitzen in ihr ein eigenthümliches scharf ausgeprägtes Bild von der künstlerischen Entwickelung eines Volkes, welches Jahrtausende hindurch an der Spitze der civilisirten Welt stand oder diesen Vorrang doch nur mit wenigen Asiatischen Völkern theilte, deren Kultur wir zum Theil selbst erst im Spiegel der Aegyptischen Geschichte einigermalsen zu er- kennen vermögen. Allerdings hatte sich auf den alten Kulturstätten von Babylon und Ninive gleichfalls eine Kunst ausgebildet, die den Griechen wohl bekannt war und nicht ohne Eimflufs auf sie geblieben ist. Aber das Wenige was uns von dieser Kunst übrig ist, zeigt sie auf einem wesentlich niedrigeren Standpunkte als die Aegyptische, obgleich sie in den verhältnilsmäfsig späten aber glänzenden Zeiten, in welche uns die erhaltenen Reste zurück- führen, ohne Zweifel ihre höchste Ausbildung erreicht hatte. Denn das ist ein anderer unschätzbarer Vorzug der Aegyptischen Kunst, dafs wir ihre Entwickelung weit über die frühesten Spuren aller übrigen Civilisationen, mit voller geschichtlicher Sicherheit bis über 3000 über einige Aegyptische Kunstformen und ihre Entwickehung. 3 Jahre vor Chr., zurückverfolgen können, in eine Zeit, in welcher das Aesyptische Volk, wie räumlich, so auch zeitlich als eine einsame Oase in der Weltgeschichte erscheint, ohne Rivalen und ohne Nachbarn, von denen uns irgend eine Kunde geblieben wäre, aufser soweit es durch die Aesypter selbst geschieht. Und zwar bricht der Strom lehrreicher Zeugnisse von der Kunst- thätigkeit dieses Volkes gleich von Anfang an, so reich und manigfaltig hervor, als ständen wir uicht im Beginn, sondern bereits am Ende einer langen Entwickelung, die diesen Zuständen vorausgegangen sein mulste. Und so war es in der That. Eine unberechenbar lange Zeit intensiver Volksbildung ging ohne Zweifel derjenigen voraus, die wir zuerst in ihren Monumenten geschichtlich bestimmen können. Manches Denkmal ist uns vielleicht aus noch früheren Zeiten übrig geblieben und mag einst auch für uns noch bestimmbar werden. Aber schon die jetzige Grenze unsrer Kenntnils setzt es aulser Zweifel, dafs die ägyptische Kunst für immer die weitaus älteste bleiben wird, die unserer Forschung zugänglich ist. Damit ist nicht gesagt, dals Aegypten die Wiege höherer Geistesbildung überhaupt unter allen Ländern gewesen sein müsse. Vielmehr geht schon aus der Betrachtung der ägyptischen Sprache mit Sicherheit hervor, dafs das ägyptische Volk einem der drei unter sich näher verwandten Sprach- kreise angehörte, deren gemeinschaftlicher Ursprung auf Asien zurück- weist; und es ist daher anzunehmen, dals das Nilvolk sein ursprüngliches Erbtheil einer urgeschichtlichen Kultur bereits aus Asien mitbrachte. Ob aber zu diesem Erbtheile schon eine irgend wie organisirte Kunstübung gehörte, bleibt ungewils, ja es ist sehr unwahrscheinlich. Die durch- gängige Eigenartigkeit der ägyptischen Kunst, die in allen Theilen auf das engste mit der besondern Natur des Landes und seines Stromes ver- webt ist, würde wenigstens eine gänzliche Umbildung jener mit dem Volks- stamme selbst eingewanderten Kunstelemente in dem Nilthale voraus- setzen. Auch wird diese Frage nie thatsächlich gelöst werden können. weil, wenn je eine solche urasiatische Civilisation sich in Kunstgebilden ausgeprägt hätte, doch alle Reste derselben für immer untergegangen sind und wegen der klimatischen und andern lokalen Verhältnisse in Asıen untergehen mulsten. Nur in Aegypten waren alle äufseren und inneren Bedingungen zugleich vorhanden, welche nicht nur zur frühen Entstehung 1* 4 Lersıvs: und glücklichen Entwickelung der Kunst, sondern auch zu einer fast un- vergänglichen Dauer ihrer Schöpfungen die geeignetsten waren. Dazu ge- hörte einerseits eine Fülle des manigfaltigsten und vorzüglichsten Mate- vials für Denkmäler jeder Art an Stein, Erde, Holz, Papyrus, andrerseits (das conservativste Klima, welches irgend ein fruchtbares und bewohntes Land auf der Brde besitzen kann, nämlich das einer gänzlich regenlosen Zone, in welcher eine völlig trockne Luft und, soweit nicht das Nilwasser künstlich verbreitet wird, auch ein eben so trockner Boden alle Stoffe, sogar die vegetabilischen geschweige die mineralischen unverändert er- hält; denn es ist bekannt, dafs es vor allem die Feuchtigkeit der Luft und des Bodens ist, welcher auf die Länge keim Körper zu widerstehen vermag. Dazu kam aber eine ursprüngliche innere Befähigung des ägyp- tischen Volkes zur Kunst, die aus keinen äufserlichen Verhältnissen ab- seleitet werden kann, sondern welche dem Volkstamme als solchem von Anlange an innewohnte. Von den drei grolsen weltgeschichtlich bevorzugten Völkerstämmen, dem Semitischen, Hamitischen und Japhetischen oder Indogermanischen, welche vor ihrer Trennung als ein neuer Keim, ja wie eine neue Schöpfung, aus dem ältesten breiten aber geschichtslosen Völkerstratum hervorgingen, und dureh ein höheres Volksbewulstsein gehoben, den ersten Faden wirk- licher Menschengeschichte spannen, den sie nachher abwechselnd in ihren Händen hielten, — von diesen drei Völkerstämmen sehen wir den Se- mitischen am wenigsten zu höherer Kunstthätigkeit geneigt und ange- lest; er giebt sich mehr theils dem praktisch zweckvollen, theils dem ab- strakten Gedanken hin. Der Hamitische Stamm, der sich am voll- kommensten im Nilthale entfaltete, zeigt daneben, schon in frühester Zeit, ein stätiges Bestreben, seine Gedanken und Gefühle in einer entsprechen- len äufseren Form auszuprägen und zu vereinigen, was ihn mit innerer Nothwendigkeit zu einer frühen Ausbildung der Kunst führte; während erst der dritte Stamm, der unsrige, beides zu vereinigen und durch die innioste gegenseitige Durchdringung von Idee und Form, durch die volle Versinnlichung des Gedankens und Vergeistisung der Form, die Kunst zu ihrer höchsten Blüthe zu führen vermochte. Es ist nicht zu verkennen, dals im Vergleich mit der Griechischen Kunst die Aegyptische eme noch vielfach gebundene war. Sie war ge- > über einige Aegyptische Kunstformen und ihre Entwickelung. y bunden durch die Technik, trotz der hohen Meisterschaft, die sie gerade darin erreicht hatte, gebunden durch die Tradition des Bedürfnisses, der sich der Einzelne nicht entziehen durfte, gebunden durch die Unterord- nung der einzelnen Künste unter einander, welche nicht einer jeden sich in voller Selbständigkeit zu entwickeln erlaubte, vor Allem aber gebun- den durch die Volksanschauung selbst, welche sich der ganzen Würde der Kunst noch nieht bewulst geworden war, welche noch keinen schär- feren Werthunterschied machte zwischen Kunst und Handwerk, zwischen Nachahmung und Idealisirung der Natur, welche zu Gunsten untergeord- neter Prineipien in der Darstellungsweise wesentlichere Forderungen eines höheren Kunstgefühls aufopfern konnte, wie z.B. der Verständlichkeit die Harmonie der einzelnen Theile; der Symbolik die Naturwahrheit; eine Darstellungsweise, die sie auch dann noch im Wesentlichen unverändert beibehielt, nachdem sie längst die ersten Stufen der Entwickelung, denen jene Art angemessen und Bedürfnifs gewesen war, überschritten hatte. Von allen diesen Banden, von diesen Urreminiscenzen die der ägyptischen Kunst von ihrer Geburt her noch anklebten, müssen wir ab- sehen, wenn wir die Kunststufe richtig würdigen wollen, welche trotzdem in Aegypten erreicht wurde. Wie in einem fremden Lande, wenn wir seine Sprache zuerst um uns herum sprechen hören, anfangs gewisse unge- wohnte Laute und die gleichklingenden Endungen der Worte unser Ohr ge- fangen nehmen, so dafs sie die viel wesentlicheren Unterschiede der Wort- stämme zu verdunkeln vermögen, so erscheinen dem unerfahrenen Auge, dem zum erstenmale Aegyptische Darstellungen begegnen, alle Menschengestalten der ägyptischen Kunst gleich seltsam und unbeholfen. Es ist nicht zu verwundern, wenn unser gewöhnliches, künstlerisch gar nicht oder höch- stens modern gebildetes Publikum, bei der Betrachtung einer ägyptischen Statue nichts als kindische Unvollkommenheiten, die steife Haltung, die anliegenden Arme, die parallelen Füfse sieht und sich von einem Bas- relief oder einer Zeichnung abwendet, wo ihn das langgezogene Auge und die breiten Schultern, zwischen denen der Kopf rechtwinklig im strengen Profile sitzt, abwendet. Schlimmer ist es, wenn selbst Kunst- literaten, die sich zu Führern und Lehrern des Publikums berufen fühlen, den ägyptischen Künstler nur zu bemitleiden wissen, der die wahren Naturverhältnisse nicht besser sehen und richtiger wiedergeben konnte, 6 LEePpsıus: die Hauptsache aber schweigend übergehen, weil sie eben selbst nichts davon sehen. In einem der Leitfaden, dıe an der Thüre des Berliner Museums den Eintretenden zu ihrer Belehrung verkauft werden, besinnt ein Hauptabschnitt mit den Worten: „Wenn wir das alte Aegypten ver- lassen, so haben wir nur den Vorsaal zu überschreiten und wir sind im Bereiche des alten Nordens, der skandinavischen Götterlehre. Wir ver- tauschen also ein Reich der Häfslichkeit mit dem andern. Nur dafs das uralte Aeeypten in der Bildung seiner unförmlichen Gestalten die Anciennetät für sich hat.“ Aber auch von den höher und klassischer gebildeten Schriftstellern wird nicht viel Richtigeres gesagt. Man stellt sich auf den Standpunkt der Griechischen Kunst, und sucht die Klimax der Vorstufen nicht nach dem zu bestimmen, was auf diesen erreicht, sondern was auf ihnen nicht erreicht wurde, und es ist bemerkenswerth, dafs die Kunstgelehrten für das Positive in der Aegyptischen Kunst meist noch weniger richtige Auffassung zeigen, als bedeutende Künstler, von denen hier nur der feinsinnige und kunsterfahrene Rauch als eine hervor- ragende Ausnahme aufgeführt sein mag, der mit vollem Verständnils und gröfster Bewunderung die ausgezeichneteren ägyptischen Kunstdenkmäler zu beurtheilen pflegte. Die Vertreter jener rohen Betrachtungsweise, welche in der Aegyp- tischen Kunst nur das Abweichende von unserer Kunstgewöhnung sieht und dann das Ganze verurtheilt, würde man vielleicht mit einigem Erfolg daran erinnern können, dafs wir auch noch in unsrer Zeit die Unnatur in der Darstellung unter Umständen erlaubt, ja gefordert finden. Denn woher kommt es, dafs niemand den heraldischen Künstler für einen kennt- nifslosen Barbaren hält, der seinem Adler Kopf, Schwanz und Flügel giebt, wie sie kein Sterblicher je lebendig gesehen, oder seinen Löwen gegen alle Natur auf zwei Beinen einherschreiten läfst? Der einfachste Mann ist darüber nicht verwundert, und der Kenner würde im Gegentheil ge- rechten Anstofs daran nehmen, wenn der Künstler statt dessen emen Adler aus dem zoologischen Garten oder einen Canova’schen Löwen in das Wappenschild gesetzt hätte. Er würde einen ungeschickten Rebus, kein heraldisches Emblem zu sehen glauben, wenn diese von Alters her ererbten Unnatürlichkeiten nicht beibehalten worden wären. Denn auch der heraldische Stil hat jetzt seine Berechtigung und ist eine con- über einige Aegyptische Kunstformen und ihre Entwickelung. 7 ventionelle, aber nicht unverständige oder barbarische Auffassung von der sich der Einzelne beliebig lossagen dürfte. Auch diesen Stil würde der wahre Künstler an der rechten Stelle nicht verschmähen, sondern auch ihm vielmehr seinen für den wahren Kenner verständlichen Kunst- stempel aufdrücken. Das Conventionelle, wenn auch nicht immer so greifbar wie hier, war zu allen Zeiten und ist noch heutzutage ein wich- tiges, ja unentbehrliches Element in der Kunst. In der Gegenwart mei- stens ganz unerkannt, je ferner um so deutlicher hervortretend, ist es doch so wenig unverträglich mit der ächten Kunst, dafs es nicht selten zu einer wesentlichen Anregung oder zu einem liebgewordenen Hintergrunde für sie geworden ist. Wie wenig oft das künstlerische Auge treuer Natur- nachahmung bedarf, und wie selbst in den Naturwidrigkeiten der Dar- stellung Gesetz und Regel Platz greifen können, das lehrt uns nicht nur die Schaubühne des Theaters, sondern auch der ächte Kunstzweig des Basreliefs, das, obgleich körperlich hervortretend, doch in keinem Punkte den natürlichen Erhebungsflächen der Körper entspricht und nach unserm Kunstgefühl entsprechen darf. Ähnlich, aber im ungleich gröfseren Zusammenhange der allge- meinen Kunstentwickelung, verhält es sich mit den conventionell festge- haltenen Abweichungen von der Natur in der Aegyptischen Zeichnung. Sie sind aus der Kindheit der Kunst, wo sie ihre volle unmittelbare Berech- tigung hatten, in die späteren immer höheren Entwicklungsphasen mit herüber genommen, ohne diese Entwickelung selbst aufzuhalten. Wenn der Anfänger im Zeichnen, der schon den Griffel zu führen und vorgezeichnete Linien nachzuziehen versteht, sich zum erstenmale der lebendigen Natur gegenüber sieht und sie auf der Fläche nachzuahmen strebt, wird er zunächst durch die unendliche Manisfaltigkeit und Ver- wobenheit der Conturen verwirrt. Um sie für die Reproduktion zu ver- einfachen und sie zu beherrschen wendet er sich dem Einzelnen zu und sucht jedes Ding in seiner möglichst erkennbaren und charakteristischen Lage zu sehen und wiederzugeben. Die meisten Gegenstände, nament- lich die Thiere, wird er im Profil nehmen. Bei der menschlichen Figur unterscheidet er die einzelnen Glieder. Der Kopf wird natürlich im Profil aufgefalst, ebenso Beine und Füfse. Die charakteristische Form des Auges aber ist von vorn; ebenso bietet sich die Brust zunächst in s LEpsıvus: ihrer Breite von vorn dar; ebenso die Hand um die 5 Finger sichtbar zu machen. Das ist der Grund warum von den Aegyptern auf die Beine im Profil der Oberkörper en face mit beiden Schultern, und auf diese wieder der Kopf ım Profil, innerhalb desselben aber das volle Auge en face gesetzt wird. Diese für die einzelnen Theile natürlichste, in ihrer Verbindung aber unnatürliche Darstellung, welche was na- mentlich die Stellung des Auges betrifft — ebenso auf den Münzen, Vasen und Basreliefs der ältesten Griechischen Kunst, wie in allen übrigen Kunstanfängen wiederkehrt, darf uns daher in der ägyptischen Kunst, dieser erstgebornen unter den Künsten des Alterthums, nur inso- fern auffallen, als sie, selbst bis in die höchsten Phasen ihrer Entwicke- lung, mit unwandelbarer Zähigkeit festgehalten und mit den vollendetsten Formen wahrer Kunst zu einem test geregelten und allmählich unauflös- lich gewordenen Ganzen verschmolzen wurde. Gerade in diesem zähen Festhalten so primitiver Unvollkommen- heiten, das weder in der Griechischen noch in irgend einer späteren Kunst so auffallend wiederkehrt, müssen wir aber zugleich den stärksten Beweis dafür finden, dafs die Aesyptische Kunst allein unter allen eine ursprüng- liche, nur aus ihrer eigensten Wurzel hervorgegangene war. Denn nur deshalb, weil diese kindliche Anschauung beim ersten Erwachen des Kunst- triebes gleichsam selbst noch mitwirkte, blieb sie für alle Zeiten unver- tilgbar. Erst die Griechen vermochten sie abzuschütteln, als sie mit Überspringung der ersten Entwickelungsstufen ein neues Prineip an die Stelle des alten ägyptischen setzten. Der Gegensatz dieser beiden Principe läfst sich, zunächst für die Zeichnung, die Grundlage der bildenden Künste, am kürzesten vielleicht so bezeichnen, dafs es die Aufgabe der Aegyptischen, als der zuerst aus dem angeborenen Geistesbedürfnils der Völker aufkeimenden Kunst, war, die in ihrer eonereten Überfülle der künstlerischen Nachahmung spottende und sie verwirrende Natur der Sonderung und Vereinfachung zu unter- werfen. Die Aufgabe der Griechischen, die sich als reiche Erbin bewährter Kunstwaffen bald nach ihren ersten Schritten in sicherem Macht- besitze der Natur gegenüber fand, die unterworfene wieder zu befreien. Der ägyptische Künstler begann damit, dals er jeden Gegenstand, dessen er sich für die Darstellung bemächtigen wollte, mit einem Netz über einige Aegyptische Kunstformen und ihre Entwickelung. 9 von Quadraten überzog. Die Durchsehnittspunkte der Haupteonturen trug er auf dem gleichen, vor ihm auf die Tafel gezeichneten, Netze ein, und gewann so durch eine fliefsende Verbindung dieser Punkte einer Durchschnitts-Contur, der ihn sogleich der unendlichen Detaillirung überhob, und ihm das einfachste und zugleich charaktertreueste Abbild des Gegenstandes verschaffte. Jede Stellung des menschlichen Körpers und seiner Theile, jedes Thier bis zu den Insekten und Gewürm herab, jede Pflanze oder andrer Gegenstand, erhielt in dieser Weise von den be- deutendsten Künstlern ihrer Zeit, seinen besondern in diese (Juadrate ein- gezeichneten Kanon der Proportionen. Ebenso wurde jede runde Skulptur, Statuen, Thiere, selbst Säulenkapitäle, nach Quadraten gear- beitet, von denen uns viele halbfertige Proben noch vorliegen. Wir sehen diesen Kanon der Proportionen für die menschliche Gestalt, von kleineren Abweichungen abgesehen, im Laufe der ägyptischen Kunst- geschichte zweimal erheblich sich verändern, je nach den veränderten An- sichten der ihren Zeitgenossen das Gesetz vorschreibenden Künstlerautori- täten, einmal im Beginn der zweiten, dann der vierten Kunstblüthe. Dieser Kanon, von dem sich nur die ersten Meister ihrer Kunst Ab- weichungen erlauben durften, und Portraitkünstler ihrer Aufgabe nach er- lauben mufsten, diente doch dem übrigen überaus zahlreichen Künstler- trols, der sich kaum über das Handwerk erhob, als Norm und Anhalt. Daher die ziemlich durchgängige Correktheit der Zeichnung auch in untergeordneten und Dutzend-Arbeiten. Portraitdarstellungen, die man früher für eine Erfindung der Griechen hielt, finden wir in Aegypten, in Folge ihrer Vorliebe und scharfen Beobachtungsgabe für alles Charak- terische in der Natur, in überraschender Vollendung bis in die frühsten Zeiten ihrer Geschichte zurück. Man betrachte nur die Reihe der Por- traitköpfe alter und ältester Pharaonen und vornehmer Privatleute, die unser Museum in Abgüssen, zum Theil auch in Originalen, in gröfserer Fülle als irgend ein andres Museum besitzt. In dieser früh und viel geübten Kunst des Protraitirens in Zeich- nung, Basrelief und runder Skulptur, liegt aber schon allein ein voll- wichtiges Zeugnils, dals die Aegypter über die technische und conven- tionelle Kunstübung hinaus, einem höheren idealeren Ziele nachzustreben suchten und vermochten. Man betrachte die Portraitköpfe des Königs Philos.-histor. Kl. 1871. 2 10 LEPSIUS: Chephren, der um 3000 vor Chr. die zweitgrölste Pyramide sich zum Grabe erbaute, und die ganze Reihe der Pharaonen aus den mächtigen Thebanischen Dynastieen, die Büsten der Amenophns, Tuthmosis, Horus, Sethos, Ramses, u. a., die wir in Stein oder Gyps besitzen, und man wird abgesehen von der bewunderungswürdigen Technik, anerkennen müssen, dafs sie die Werke ächter, hochausgebildeter Kunst sind. Die Züge, in- dividuell und lebensvoll, sind über die blofs naturalistische Behandlung hinausgerückt und tragen bei aller persönlichen Verschiedenheit nur den gemeinschaftlichen Ausdruck wohlthuender Hoheit und Milde. Selbst göttlicher Verehrung theilhaftig und in oder vor Tempeln an architekto- nisch gewählter Stelle thronend oder aus Pfeilern sei es aus wirklich tra- genden, sei es aus losgelösten Rückenpfeilern hervortretend, und meistens in übergrofsen Proportionen, trägt ihre Gesichtsbildung mit richtigem Ver- ständnifs den Charakter derselben monumentalen Ruhe wie die der Tempel- götter selbst, unter denen sie wohnen, ohne dafs gleichwohl ihre mensch- liche Individualität mit den allgemeinen typischen Zügen der Götter- bildung verwechselt werden könnte. In wie ächt künstlerischer Weise die Aegypter individuelle Naturtreue mit dem richtigen Mafs von Ideali- sirung zu vereinigen wulsten, dafür bietet eine kleine meisterhaft gear- beitete sitzende Statue des Königs Amenophis IV, jenes merkwürdigen zum Throne berufenen Sonnenpriesters der die ganze ägyptische Religion auf den Sonnenkultus zurückführen wollte und seinen eigenen Namen in Chu-en-aten, Diskusverherrlicher, veränderte, einen augenfälligen Beweis. Das Original im Louvre ist von ägyptischem Alabaster; und hatte ur- sprünglich, aus demselben Blocke gearbeitet, seine Gemahlin neben sich, von welcher jetzt nur noch der den Leib des Königs umfassende Arm erhalten ist. Die Statue ist ohne Inschrift; vergleicht man aber in unserer Gypssammlung den unberührt erhaltenen Kopf derselben mit den ver- schiedenen in den Felsengräbern von Tel-el-Amarna abgegossenen Relief- portraits des Königs Chu-en-aten, so bedarf es deren nicht, umsogleich denselben König wieder zu erkennen, obgleich er in den Darstellungen jener Privatgräber durchgängig eine abschreckend häfsliche Kopf- und Gresichtsform, wie sie von untergeordneten Künstlern wahrscheinlich nur zu realistisch treu der Natur nachgeahmt war, in der Statue aber über einige Aegyptische Kunstformen und ihre Entwickehing. 11 weiche und wohlgefällige, ja geistreich veredelte Züge darbietet, welche gleich- wohl unverkennbar von derselben lebenden Person hergenommen wurden. Aber nicht blofs auf diesem einzelnen Kunstfelde der Portraitirung tritt in der ägyptischen Kunst die Seite hervor, welche sie zur wahren Kunst erst macht, nämlich die scharfe Auffassung des Charakteristischen in der realen Natur und seine Wiedergabe in idealer Form. Vielmehr entwickelten die Aegypter zuerst unter den Völkern in allen Zweigen der verschiedenen Künste den Stil im engern und höheren Sinne, dieses sicherste Kennzeichen wahrer Kunstentwickelung bei einem Volke, zu einer oder zu mehreren Zeiten seiner Geschichte. Sie kannten und be- achteten bei ihrer Kunstübung die Eigenthümlichkeiten und Forderungen der Stoffe, die sie anwendeten, sie blieben den historisch vorgezeichneten Wegen ihrer Kunstentwickelung treuer als vielleicht irgend ein andres Volk, und sie wufsten auf den Höhepunkten ihres Kunstlebens eine Ob- jeetivität, eine Grofsartigkeit und Würde in der Conception und Ausfüh- rung grofser Kunstschöpfungen zu erreichen, welche uns berechtigen ihnen eine vorzugsweise stilvolle Kunst im besten Sinne des Wortes zuzu- schreiben. Je höher sich aber der Genius der wahren Kunst in Aegypten zu erheben strebte, um so schwerer trug er an den von ihm selbst geschmie- deten erst nothgedrungen dann conventionell der Natur auferlesten und nie gelockerten Fesseln, die schliefslich zu seiner eignen Fessel wurden. Es war den Griechen vorbehalten, diese zu sprengen und dadurch einen neuen Anfang zu gewinnen. Was die Aegypter durch ihre strengen Kunst- gesetze sich allmählig in Jahrtausenden mühsam errungen hatten, nahmen die Griechen sobald sie sich tüchtig und aufgelegt fühlten aus dem Hand- werk herauszutreten, unmittelbar und mühelos von ihnen durch die le- bendige Anschauung in ihr Kunstgefühl auf. Die rhythmische Hal- tung, der geläuterte Stil gewann in ihnen auch ohne die beschränkende Stütze des quadratischen Kanons, unmittelbares Leben. Mit sicherem, unverwirrtem Auge konnten sie sich nun von neuem der Natur bis in ihre individuellsten Züge zuwenden, und durften es unternehmen, statt sie zu fesseln, ihr entgegenzukommen und sie in eine höhere Ordnung der Dinge, in das Reich des Idealen, emporzuheben. So entstand mit der unentbehrlichen Hülfe, und doch im Gegensatze, zu der beı aller Ent- I* - 12 LeErpsıus: wickelung noch gebundenen Kunst der Aegypter, die wahrhaft freie Kunst der Griechen. Von den verschiedenen Künsten ist die Architektur die unab- hängigste, die Urkunst gleichsam, an welcher sich die übrigen heranbilden, der sie sich unterordnen und von der sie sich in Aegypten niemals zu voller Selbständigkeit gelöst haben. Die Skulptur namentlich bildete ur- sprünglich gewissermalsen nur einen Theil der Architektur, fand nur in Verbindung mit ihr ihre eigentliche Stelle und nahm deshalb von Anfang an selbst eine gewisse architektonische Haltung an, die dann auch da wo sie etwa getrennt von ihr erschien, nie ganz aufgegeben wurde. Ebenso und in noch engerem Verhältnifs standen die Wandbilder zur Architektur. Auch in dieser Kunst waren die Aegypter nicht nur Meister und Lehrer für alle mit ihnen in Berührung kommenden Völker, sondern wir dürfen sie noch bestimmter geradezu ihre Erfinder nennen. Dafür spricht nicht allein der äufsere Umstand laut genug, dals wir in Aegypten mächtige Architekturwerke und fast schon alle wesentlichen Architekturglieder aus- gebildet zu einer Zeit vorfinden die an 2000 Jahre jenseit der ältesten Baureste aller andern Völker zurückliegt, sondern es zeugt dafür vornehm- lich auch wieder die Art der ägyptischen Architekturentwicklung selbst. Denn, während wir in allen andern Architekturen entweder den fremden Ursprung im Ganzen erkennen, oder doch im Einzelnen auswär- tige Einflüsse und überkommene Elemente vielfach nachweisen können, weist in der ägyptischen nichts nach aufserhalb des Landes, und während bei allen andern die eigentlichen Anfänge fehlen, und wir durch Umbil- dung und Verschmelzung einheimischer und eingewanderter Typen all- mählig ein neues Ganzes entstehen sehen, welches erst nach völliger Assi- milirung des fremdartigen durch die Macht eines neuen eigenen Prineipes zu der Einheit und Vollendung gelangt, deren es fähig ist, sehen wir hier von Anfang an eine durchaus einheitliche nationale Entwicklung, die an Durchsichtigkeit bis zu den ersten Wurzeln hinab nichts zu wünschen übrig lälst. Versuchen wir dies durch den Nachweis der genetischen Entwicke- lung einiger der wichtigsten Glieder und Formen derAegyptischen Archi- tektur in ihren Hauptrichtungen deutlich zu machen. über einige Aegyptische Kunstformen und ihre Entwickelung. 13 Die Stilunterschiede innerhalb der Architektur, wie noch ebenso in der griechischen, finden ihren prägnantesten Ausdruck in der Form der Säule. Bleiben wir bei diesem in vieler Hinsicht wichtigsten Archektur- gliede zunächst stehen, so finden wir in Aegypten zwei von einander scharf getrennte Säulenordnungen. Diese unterscheiden sich in ihrer Anwendung nicht landschaftlich, so dals die eine etwa in Oberägypten, die andere in Unterägypten vorgewaltet hätte, ähnlich wie sich die grie- chischen Säulenordnungen nach den Volksstämmen unterscheiden. Denn beide wurden gleichzeitig in ganz Aegypten gebraucht, und erscheinen sogar nicht selten in ein und demselben Tempel. Ihre zu allen Zeiten fest- gehaltene Trennung beruht vielmehr in ihrer verschiedenen Genesis. Sie gehören zwei gesonderten von Anfang an neben einander herlaufenden Bauweisen an, die eine dem Felsenbau, die andere dem Quaderbau; die eine hat kanelirten Stamm ohne Schwellung, ohne Kapitäl und ohne Bänder, auf keiner oder einer sehr niedrigen Basis stehend, die andere ist nie kanelirt, sondern im Gegentheil aus convexen Säulchen zu einem Stamme verbunden, der auch glatt sein kann, mit einer Schwellung am untern Theile, oben in ein Blüthenkapitäl auslaufend, unter welchem 5 Bänder um den Stamm laufen, auf einer engen dicken Basis stehend, das ganze ein Bündel Papyrusstengel darstellend, das unter den Köpfen zusammengebunden ist. Sehen wir, wie sich diese durchgängige Verschiedenheit aus der beiderseitigen Bauweise erklärt, der diese zwei Säulenordnungen ursprüng- lich ganz ausschlielslich angehörten. Felsbau ist in Aegypten fast gleichbedeutend mit Gräberbau. Die Ausnahmen von Bedeutung sind fünf mächtige Felsentempel, die in den Sandfels von. Unternubien eingehauen sind, alle durch Ramses 1. Miamun, hergestellt. Daran schliefsen sich noch einige andre geringere Ausnahmen, die ich hier nicht aufzuführen brauche. Alle übrigen Fels- bauten in Oberägypten, wie in Unterägypten, im Alten wie im Neuen Reiche, von der einfachen kleinen Kammer bis zu den unterirdischen ko- lossalen Todtenpalästen der Thebanischen Könige und der Millionäre der Psametichzeit, und bis zu den mächtigen Katakomben der Apissarkophage bei Memphis, gehörten dem Gräberbau an. 14 Leprsıus: Seine einfachsten Formen finden wir im Alten Reiche und seine lehrreichsten Beispiele in den Gräberreihen von Benthassan aus der zwölften Manethonischen Dynastie. Die Sarkophagkammern der Pyramiden, soweit sie uns zugänglich geworden sind, waren in der Regel mit einigen be- kannten Ausnahmen, in den Fels gehauen, über dem sich die künstlichen Berge des Mauerwerks, erhoben. Ebenso besals fast jedes bedeutendere Privatgrab in den ausgedehnten Metropolen von Memphis eine Felsen- kammer für den Sarkophag. Sehr häufig waren aber auch die für den Todtenkult der nachgelassenen Familie bestimmten, von der Sarkophag- kammer getrennten Räume in den Fels gehauen, wurden nicht wie jene für immer geschlossen, sondern blieben zugänglich. Sie sind daher meist mit Bildern und Inschriften auf den Wänden geschmückt, die der Besitzer auf dessen Lebensverhältnisse sie sich bezogen bei seinen Lebzeiten aus- führen hiels. Diese Räume waren es auch, für welche allmählig von den reicheren Leuten das Bedürfnis nach gröfserer Ausdehnung und dem gemäls nach einer reicheren Entfaltung der Architektur empfunden ward. Hier können wir diese nun Schritt vor Schritt verfolgen, und in einer grolsen Auswahl von den frühesten bis zu den spätesten und unter den gleichzeitigen von den einfachsten und ärmlichsten bis zu den durchge- bildesten Formen in der lehrreichsten Weise zu einem besondern Bau- stile sich entwickeln sehen. Den Anfang bildet eine kleine viereckige Kammer, die in eine frei- seleste Felswand führt, mit niedrigem Eingange, dessen Thür von innen an den die Öffnung oben abschlielsenden runden Thürbalken schlug. An der Westwand der Kammer befindet sich eine Blendthüre, welche sym- bolisch die Grabesthür vorstellt, und vor welcher, das Gesicht nach Westen, in der Richtung der ägyptischen Unterwelt, gerichtet, die Todten- opfer gebracht wurden. Der Raum ist oft so klein, dals sich kaum mehr als zwei Personen darin bewegen können. Er wird aber gröfßser und wächst namentlich, wenn sich mehrere Blendthüren darin befinden, ein Zeichen dals auch mehrere Verstorbene darin verehrt werden sollten. Wenn ein Raum zu wenig schien, wurde, ‚durch eine Thür verbunden, ein zweiter dahinter angelegt, auch ein dritter und mehr. Die Ausdeh- nung der einzelnen Räume, die nun auch an Höhe zunahmen, hatte ihr Mails zum Theil in der Gefahr, dafs, falls die Qualität des Felsens nicht über einige Aegyptische Kunstformen und ihre Entwickehung. 15 sehr fest und gleichmäfsig war, zu weit gedehnte Decken leichter durch- brechen oder sich theilweise ablösen und herabstürzen konnten. Selbst in Steinbrüchen läfst man deshalb von Zeit zu Zeit Wände oder Pfeiler stehen. Aber nur der vorderste Raum hatte den Vortheil des durch die Thür einfallenden Tagesliehts, von dem nur wenig durch die zweite Thür in den folgenden Raum nachdringen konnte. Um diesem Nachtheile mög- lichst zu begegnen, kam man bald darauf, die Hinterwand mehrmals zu durchbrechen und aus der Wand schliefslich eine Pfeilerreihe zu machen, welche den Raum noch immer absonderte, wenn dies aus Kultus- oder andern Rücksichten erfordert wurde, aber auch als Erweiterung des ersten taumes gelten konnte, und seine Beleuchtung theilte, ohne doch der Decke ihre Unterstützung zu entziehen; dem Auge aber mulste das Ganze nur um so reicher und gefälliger erscheinen durch den Zuwachs der neuen Gliederung statt eines grolsen einförmigen Saales. Das Wandstück tiber der Thür bis zur Decke, das sich bei jedem neuen Durchbruche wieder- holte, blieb stehen, und wurde in seiner Continuität unmittelbar zum Architrav, der sich nun in gleicher Höhe über den Pfeilern unter der Decke hinzog, in der Dicke der früheren Wand, die dadurch dem am Gewohnten gern haftenden Blicke, trotz der Neuerung, völlig erkennbar blieb. Zugleich vermehrte der durchgehende Steinbalken die Unterstützung der Decke, und bildete endlich für das symmetrische Bedürfnifs des Be- schauers die natürlichste Formvermittelung zwischen dem viereckig auf- steigenden Pfeiler und der in doppelter Richtung sich ausspannenden Decke, deren eine der Richtung des Architravs entspricht. Dafs dies die Ent- stehung des Architravs in dieser Felsenarchitektur ist wird dadurch augen- fällig bestätigt dafs die Pfeiler ohne jede Ausdehnung oder Einziehung unmittelbar und glatt in den Architrav übergehen, so dafs das Ganze noch immer wie eine ausgeschnittene Wand aufgefalst werden kann. Das Bedürfnifs nach möglichst viel Licht für den Raum hinter den Pfeilern führte dann aber weiter zur Abstumpfung der 4 Ecken des Pfei- lers. Das ergab die achtseitige Säule, wie sie im ersten Grabe von Benihassan erscheint. Auch hier befolgte man aber dasselbe Princip wie bei der Durchbrechung der Wand. Man führte die vier hinzukommen- den Seiten des veränderten Pfeilers nicht bis zum Architrave fort, sondern wahrte den ursprünglichen Charakter desselben dadurch dafs man zu 16 LEPSıus: oberst ein Stück des vierseitigen Pfeilers stehen liefs. Dadurch erhielt man wieder, aufser der Reminiszenz, den Vortheil eines durchaus sach- gemälsen, daher bedeutungsvollen und zugleich formgefälligen, den Orga- nismus bereichernden Verbindungsgliedes, den Abakus. Dieser bleibt zum Architrav in demselben Verhältnils wie früher der vierseitige Pfeiler; die Vorderseiten gehen glatt in den Architrav über. Dagegen trennt sich nun die beginnende Säule als eine neue Form dadurch noch bestimmter vom Abakus, dafs unter ihm sämmtliche Flächen leicht eingezogen werden, ein Fall der vereinzelt auch beim Pfeiler sich schon findet. Der nächste Schritt war die nochmalige Abschneidung der acht Ecken, wodurch eine sechszehnseitige Säule entstand, wie sie das zweite Grab von Dbenthassan zeigt. Schon die technische Schwierigkeit sechszehn Seiten in so stumpfen Winkeln mit einander scharf und regelmäfsig zu verbinden, noch mehr aber der Wunsch diese feine sechszehnseitige Gliederung des Säulenstammes für das Auge schärfer hervorzuheben, und diesem immer bedeutender sich gestaltenden Architekturgliede ein lebendigeres Spiel von Licht und Schatten zu verleihen, führen nun darauf, die einzelnen Seiten leicht auszuhöhlen, sie zu kaneliren, und aus den stumpfen Ecken scharfe Gräten zu machen. Die Ähnlichkeit die der Stamm dadureh mit der Dorischen Säule erhält, veranlafste Champollion, als ihm diese Form zuerst be- gegnete, sie protodorische Säulen zu nennen. T Die Entstehung aus dem viereckigen Pfeiler blieb aber auch hier noch immer, offenbar absichtlich, angedeutet, dadurch dafs man von den sechszehn glatten oder ausgehöhlten Seiten stets vier mit den vier Seiten des Abakus parallel laufen, nie Kanten auf die Mitten der Abakus Seiten stolsen liels, und ferner dadurch, dals man alle vier parallelen Streifen, oder die beiden der Vorder- und der Hinter-Seite oder zum wenigsten den der Vorderseite, nicht aushöhlte, sondern als gerade Flächen, die als solche gleichsam noch ungeänderte Theile des früheren Pfeilers selber waren, bestehen liefs. Diese flachen Streifen gewährten zugleich will- kommenen Raum für hieroglyphische Inschriftenkolumnen, die mit ihren bunten Farben und bedeutsamen Zeichen ein neuer Schmuck der Säulen wurden; daher sie auch nicht selten über das ursprüngliche Breitenmals der übrigen kaneliren verbreitet wurden. über einige Aegyptische Kumstformen und ihre Entwickelung. 17 Mit der Hervorbildung der Säule aus dem Pfeiler erscheint endlich in richtig empfundener Weise zugleich die runde Basis, welche sie mit dem Fufsboden vermittelt. Der viereckige Pfeiler bedurfte so wenig wie die Wand einer Vermittelung mit dem viereckigen Boden des Zimmers. Die für sich bestehende immer feiner gegliederte runde Säule aber er- schien nach unten zu kahl wenn sie unvermittelt, und zu sehr einer un- vorsichtigen Berührung exponirt ohne Schutz mit ihren zarten leicht ver- letzten Kanten der Kaneliren unmittelbar aus dem Fufsboden aufstieg. Die ziemlich weit aber niedrig vorspringende am Rande abgeschrägte, runde Basis schützte sie zugleich und leitete sie zum Fufsboden über. Auch hier war die Bedeutung der Basis als Vermittelungsglied nach beiden Seiten hin in ihrer Gestalt ausgedrückt. Ihre wesentlichere Beziehung war die zur Säule, von der sie die runde Peripherie annahm. Das Motiv der niedrigen Erhebung über den Fulsboden war aber von diesem letz- teren hergenommen; denn sie wurde der Höhe der Schwellen gleich- gesetzt), welche des Thüranschlags wegen die einzelnen Räume von ein- ander schieden. Wie man nämlich die niedrigen Basreliefs der Wände von jeher dadurch über die Grundfläche erhob, dafs man die vorher bis zu den Höhepunkten der Figuren hervortrende glatte Wand in ihrer ganzen Ausdehnung, so weit sie als Fond dienen sollte, abarbeitete und in eine tiefere Fläche verwandelte, so höhlte man den ursprünglichen Fulsboden, um die Erhebung für die Schwellen und Basen zu gewinnen, um so viel aus, als jene an Höhe gewinnen sollten. Von dieser architek- tonischen Anschauung aus, waren nicht nur die Schwellen, sondern auch die Basen stehen gebliebene Theile des ursprünglichen Fufsbodens, wie er in dem gröfsten Theile der einfachen Felskammern erscheint, die noch keine Schwellen zeigen. Hiermit sind alle einzelnen Momente, die bei der ägyptischen Felsen- säule in Betracht kommen, erschöpft. Die Entwickelung ist so durch- sichtig und unmifsverständlich, und kann bei jedem Schritt so vollstän- dig durch die vorhandenen Beispiele belegt werden, dafs wir an ihr zu- gleich einen festen Anhaltspunkt für fernere Vergleichungen finden, und !) Denkmäler I, 59, Durchschnitt nach c d. Philos.-histor. Kl. 1871. 3 18 Lersıus: z. B. gelegentliches Vermischen mit fremden Elementen mit Leichtigkeit erkennen und diese ausscheiden können. Wir gehen zu der zweiten complieirteren Säulenordnung über, die wir bereits, im Gegensatz zum Felsenbau, dem Quaderbau zugewiesen haben. Während im Fels- oder Gräberbau die einfachsten mathematischen Linien fast allein dominiren, und ihr trockner Ernst nur durch die un- melsbaren Abwägungen eines ausgebildeten Sinnes für die Symmetrie in der Gliederung gemildert wird, begegnen wir hier in dem freien, über- irdischen, dem Leben gewidmeten Quaderbau einer Säulenordnung, welche ihre bewegteren, weniger nach dem Richtscheit als nach der freien Ent- scheidung des Auges gezogenen Linien dem Wuchs und der Gliederung der lebendigen Pflanze entnimmt. Sehen wir von den symbolisirten Säulenformen ab, wo Pflanzen- schafte Götterköpfe statt der Kelche als Kapitäle tragen, wie auch von der grolsen Manigfaltiskeit der Pflanzenkapitäle, die in Ptolemäischer Zeit auftreten, so bleiben uns für das ganze Neue Reich nur zwei Pflanzen, deren Formen in den Säulen nachgeahmt wurden, die Palme, deren Stamm nach oben in eine regelmäfsig geordnete Blätterkrone ausläuft, unter welcher sich fünf Bänder finden, aus denen zuweilen aulser den genannten Blättern auch flachgehaltene Dattelbüschel hervorquellen, und die Papyruspflanze, welche als ein starkes Bündel von Stengeln dargestellt wird, deren oberster Theil mit fünf Bändern zusammengebun- den ist, über welchen die blüthentragenden Haarköpfe als Kapitäle hervor- treten. Die letzteren aus unzähligen feinen Stengelchen bestehend er- scheinen dann entweder nochmals besonders eingebunden in Form von grofsen Blüthenknospen, oder auseinander gefaltet, als ob sie einen einzi- sen grolsen Kelch bildeten. Die geschlossene und die oflene Form wer- den nicht unmittelbar mit einander verbunden, aber doch gleichzeitig in verschiedenen Räumen ein und desselben Tempels angewendet, die erstere sern in geschlofsneren die andre in offneren Räumen. An den Stämmen treten entweder die einzelnen Stengel, meist acht an Zahl, aus der Run- dung hervor, und ahmen dann auch die eigenthümliche Form der drei- kantıgen Papyrusstengel nach, oder sie werden alle in eine einzige glatte Säule verbunden gedacht, deren fünf Bänder allein das Bündel verrathen; über einige Aegyptische Kumstformen und ihre Entwickelung. 19 denn die Oberflächen der runden Säulen pflegen mit Darstellungen ver- schen zu sein, welche die Stengel auch nicht gemalt sichtbar werden lassen, während da, wo die Stengel körperlich heraustreten, nur klirzere Inschrifttafeln einen Theil der geschwungenen Flächen bedecken. Der untere Theil des Schaftes wird, unmittelbar über der Basis, stark eingezogen, so dals dieser im untern Viertel eine starke Schwellung erfährt, und sich dann nach oben bis zu den Bändern allmählich verjüngt. An die sich ausdehnende unterste Rundung legen sich grofse spitze Blätter an, ein Motiv das gleichfalls den lebendigen Pflanzen entnommen ist. Aus dem Alten Reiche sind uns überaus wenig Reste von freiste- henden Säulen erhalten, weil sich kein einziger Tempel auch nur in an- sehnlicheren Bruchstücken aus der Zeit vor dem Einfalle der Hyksos erhalten hat. Um so sorgfältiger habe ich einige Fragmente kolossaler Säulen untersucht und zeichnen lassen, die sich vor der Labyrinth-Pyra- mide des Königs Amenemha IH. im Schutte zerstreut fanden. Ihre Zu- sammenstellung ergab die sichere Form einer geschlossenen Papyrussäule mit vorspringenden Stengeln, genau so, wie sie im Neuen Reiche erscheint. Auch die offene Papyrusform kann ich wenigstens aus einem Wandbilde der Felsengräber von Berscheh nachweisen, von wo ich ihren Papierab- druck mitgebracht habe. Ebenso ist mir eine Darstellung mit Palmen- kapitäl vorgekommen.!) Dagegen findet sich im Alten Reiche auch eine im Neuen Reiche meines Wissens nicht mehr vorhandene Form, nämlich die Lotussäule. Sie erscheint mit Knospenkapitäl aus Stein gehauen in einem der Gräber von Bemihassan?) in schlanker überaus gefälliger Form. Unter dem Ka- pitäl die fünf bunten Bänder. Der Stamm wird aus vier gekuppelten runden Stielen gebildet, die sich durch ihre genau runde Form von den mit einer nur abgerundeten Ecke vortretenden Papyrusstengeln unverkenn- bar unterscheiden. Sie treten als in beliebiger Länge abgeschnittene Stiele der Lotusblume ohne Schwellung, doch nach oben sich verjüngend, aus der niedrigen, schon oben beschriebenen Basis heraus. Über dem abge- stumpften Knospenkapitäl liegt der wenig übergreifende Abacus. Der ) Denkm. II, 127. ?) Denkm. I, 60. 1 20 Lersıvs: über dieser und zwei andern gleichen, jetzt ausgebrochenen, Säulen hin- laufende Architrav ist nach unten geradlinig, nach oben folgt er der Decke, die sich dachförmig ein wenig nach der Mitte zu erhebt, so dafs der Architrav selbst eine leise ansteigende Giebelform erhält. Mit dieser Säule sind andere Beispiele in Wanddarstellungen leich- ter aus Holz gezimmerter Gartenarchitektur zusammenzustellen, welche das Lotuskapitäl theils wie in Benihassan knospenförmig, auch mit einge- bundenen jungen Knöspchen zeigen, theils mit offenem in viele Spitzen auslaufendem Lotuskelche, auf deren mittelster Spitze der Abacus aufge- setzt ist. Auch hier fehlen die Bänder nicht und der gekuppelten Stiele sind wieder 4, von denen aber nur 2 sichtbar werden. Es ist ohne Weiteres klar, dafs die Lotussäule von Benthassan der Felsarchitektur, der sie hier einverleibt ist, nicht organisch angehört. Sie ist einfach aus der Quaderarchitektur herüber genommen; das Grab ist in dieser Beziehung wie ein freier Tempelraum behandelt. Eine solche Verbindung beider Stile erscheint auch sonst, und zwar begreiflicher Weise noch leichter, in dem ebenso weit verbreiteten Quaderbau der Grä- ber, der sich einerseits dem den Gräbern eigenthümlichen Felsbau, ande- rerseits dem Quaderbau der Tempel anschliefsen konnte. Ebenso finden wir aber auch nicht selten die kanelirte Säule des Felsbaus in den Tem- peln angewendet, wovon der Grund lediglich das Gefallen an der einmal gewonnenen in sich ausgebildeten Form sein konnte, Dagegen findet sich nie eine Vermischung der einzelnen in ihrer nothwendigen Entwickelung nachgewiesenen verschiedenen Glieder der beiden Säulenordnungen. Das Gefühl für die Bedeutung und Genesis des hier Zusammengehörigen ging zu keiner Zeit verloren. ° Anders in Griechenland, wo wir die einzelnen Elemente der ägyptischen Säule sämmtlich wiederfinden, Basis, Stamm, Kapitäl, Aba- kus; der Stamm $seitig, auch 16seitig; mit 16, auch 20 Kaneliren — diese Zahl kommt auch in Aegypten vor — oder endlich ganz rund; dazu die Schwellung gewisser Dorischer Säulen, und was besonders be- zeichnend ist, selbst die Bänder unter dem Kapitäl kehren wieder, theils als annuli am Anfange der Ausladung, theils als Einschnitte am obersten Theile des Stammes, in der Anzahl von 3, aber auch, wie in Aegypten, von 5. Es kann also nicht zweifelhaft sein, dals wir hier dieselben Ele- über einige Aegyptische Kunstformen und ihre Entwickelung. 21 mente wie in Aegypten vor uns haben, und dafs hier nicht von einer neuen zweiten Schöpfung die Rede sein kann, sondern von einer Kennt- nils der in Aegypten vorhandenen Formen und Übernahme derselben sei- tens der Griechen, wobei nicht zu vergessen ist, dafs die kanelirten Säu- len von Benihassan aus dem ten Jahrtausend v. Chr. herrühren. Aber in welcher Verbindung treffen wir einzelne dieser Elemente in der griechischen Säule. Es ist gerade die kanelirte Dorische Säule, welche nicht nur zuweilen die Schwellung zeigt, sondern auch einen Hals mit Bändern und einen das Kapitäl vertretenden Wulst. In Aegypten war dies unvereinbar. Die Kaneliren gehören ausschliefslich der aus- höhlenden, abschneidenden Felsarchitektur an, der Kopf, auf dem der Abakus aufliest, ausschliefslich der Pflanzensäule; noch entschiedener die Halsbänder, deren Motiv nur in dem unter dem Kelch zusammengeschnür- ten Bündel von Stengeln liegt, von dem die griechische Säule nie eine Andeutung hat; und ebenso die Schwellung, die nur von der Pflanze, nicht vom Pfeiler herrühren kann. Ebensowenig zeigen die übrigen griechischen Säulenordnungen eine Anordnung der Elemente, wie sie nach ihrem Ursprunge in Aegypten (der auch den lonischen Voluten zuzusprechen ist) und nach ihrer dort klar vorliegenden genetischen Bedeutung, zu erwarten wäre. Die griechi- sche Säule ist eben durchweg ein ganz neues Gebilde geworden, von einem eigenen neuen Prinzipe beseelt, welches die Heterogenität der von aufsen überkommenen Elemente vollständig überwunden, und zu einer neuen Einheit verbunden hat. Wenden wir uns nun aber zurück zu der Ordnung der Pflanzen- säule auf ihrem heimischen, dem ägyptischen, Boden, um zu sehen, ob wir auch diese Form, ähnlich wie die Felsensäule, höher zurück nach ihrem Ursprunge verfolgen können, so steht uns hier zunächst der schon erwähnte Mangel an erhaltenen Beispielen, die uns in der Felsenarchitek- tur so vollständig vorlagen, hindernd entgegen. Doch wird dieser Man- gel einigermafsen durch die Wandbilder ersetzt, aus denen wir überhaupt auch im Neuen Reiche, eine ganze Seite der ägyptischen Architektur al- lein kennen lernen, nämlich die Profanarchitektur. Wir besitzen aus dem alten Aegypten, mit Ausnahme einiger Grundmauern und Häuserpläne, keine Reste der Profanarchitectur, 9 LEPSIUS: -.- selbst nicht von den Palästen der Könige, wenn ich von dem Vorderge- bäude des Tempels von Medinet Habu zu 'Theben absehe, das allerdings gegen alle sonstige Sitte, zu einer Privatwohnung des Königs eingerichtet war. Es ist unrichtig, wenn man so oft von den Tempeln und Palästen der ägyptischen Könige redet; Alles was von grolsen massiven Gebäuden erhalten ist, war nur zu Wohnungen für die Götter, nicht für die Men- schen, bestimmt. Und doch hatten die Könige ohne Zweifel ihre Paläste ebenso nothwendig, Sitte gewesen zu sein, dals nur die Tempel massiv aus Steinquadern auf- wie jeder Privatmann sein Haus. Es scheint aber allgemeine geführt wurden; die Wohnungen der Menschen waren wesentlich Ziegel- und Holz-Bau, dessen Wände, wo Luxus entfaltet werden sollte, mit auf- selesten Steinplatten bekleidet und mit reichen Darstellungen versehen wurden, so wie uns dies z. B. von dem Palaste des Labyrinthes aus- drücklich berichtet wird. Daher der gründliche Untergang dieser Profan- architektur. Von der alten Berırsıa zu Memphis, von dem Palaste der Dodekarchen, von den gewils kostbaren Wohnungen der Thebanischen Könige und ihrer Aristokratie, sind nichts als Schuttberge von Nilziegeln noch vorhanden. Die leicht beweglichen Steinplatten wurden weggetra- sen, anderwärts verbaut oder zerschlagen; wir finden von ihnen nur noch den Abfall, kenntlich an der Manigfaltiskeit und Kostbarkeit der Stemarten; das Holzwerk ist verbrannt und verwest. Bei der grofsen Ausdehnung und Ausbildung, welche die Profan- architektur ohne Zweifel in Aegypten neben der Tempelarchitektur erlangt hatte, ist es natürlich anzunehmen, dafs auch die gegenseitige Einwirkung eine erolse und durchgängige war; ja sie mulste, wiederum im Gegen- satze zur Felsenarchitektur, offenbar einen gemeinschaftlichen Ursprung gehabt haben. Erst die verschiedenen Zwecke der Götterhäuser und der Menschenhäuser schieden die beiden Architekturen und verlangten z. B. verschiedene Dispositionen der Räume. Dies hatte aber auf die Archi- tekturformen selber weniger Einfluls. Entscheidender würde in einer ge- wissen Zeit der Entwickelung die Verschiedenheit des Materials, welches eine verschiedene Technik verlangte, gewesen sein. Aber auch hierbei wog die, bei einer ungestörten Entwickelung aus eigenen Elementen, sehr über eimge Aegyptische Kunstformen und ihre Entwickelung. 23 natürliche Neigung zu geschichtlicher Continuität in der Entwickelung der einzelnen Architekturtheile entschieden vor. In der That lassen sich fast alle einzelnen Architekturformen und Vieles in ihrer Verbindung mit Evidenz auf den Holzbau, der dem Steinbau auch zeitlich vorausgehen mulfste, zurückführen. Von diesem Holzbau mufs man erst eine genauere Kenntnils haben, ehe man die Glie- der des Steinbaus in der Bedeutung und den Motiven ihrer Formen rich- tig beurtheilen kann. Diese Kenntnils können wir aber sehr vollständig theils aus einzelnen direkten Zeugnissen, theils und vornehmlich aus Rückschlüssen von der nachahmenden Steinarchitektur, gewinnen. Der Holzbau der Privathäuser mufste sich von Anfang an mit dem Ziegelbau verbinden. Das Land war zu holzarm, um etwa ganze Häuser aus Balken und Bretern zu zimmern. Auch wäre dies in dem heifsen Lande durchaus unzweckmälsig gewesen. Die allgemeinen Verhält- nisse eines Landes in Bezug auf Klima, Boden, Baumaterial u. dgl. ver- ändern sich nicht oder unwesentlich. Dieselben Bedingungen, denen heut- zutage der Fellah folgt, wenn er sich seine Hütte oder auch sein grölse- res Haus aus getrockneten Nilziegeln mit Schlamm verbunden aufbaut, und Thür und Fenster und Decke aus Holz zufügt, hatten sich ebenso vor 5000 Jahren geltend gemacht und im Wesentlichen dieselbe Bauart hervorgerufen. Vor der regelmälsigen Ziegelformation baute man die Wände ohne Zweifel unmittelbar aus dem feuchten zähen Nilschlamm, etwa mit eingemischtem Stroh, wie es bei unsern Lehmhäusern ge- schieht. Aus dieser Urzeit schon scheint die für alle Zeiten festgehaltene Sitte zu stammen, die Aulsenwände der Häuser, wie aus den Nekropolen und von den Tempelpylonen bekannt ist, nicht senkrecht, sondern nach hinten geneigt anzulegen, um ihnen dadurch eine gröfsere Festigkeit zu geben. Die 4 schiefen Wände des einfachsten Wohnungsraums wurden an der Vorderseite durch die Thür unterbrochen, deren Flügel in der Flucht der inneren senkrechten Wand lagen. Ihr oberer Anschlag wurde durch einen in die Seitenwände gebetteten Palmenstamm gebildet, dessen Ober- seite bis zur Höhe der Wände reichte. Dadurch wurde die Oberseite der 4 Wände wieder vollständig, so dafs die aus Palmstämmen gebildete 24 LEPsıvs: Decke von hinten nach vorn über die schmale Seite der Kammer gelest, überall aufliegen konnte, ganz so wie wir die Decken in einigen Felsen- gräbern nachgebildet sehen.) Die Decke wurde dann mit Sand und Erde bedeckt, auch die Vorderseite der Balkenköpfe gegen die Witterung verkleidet. Dadurch erschien die vorspringende Decke von vorn als eine rundum laufende Bekrönung, die jedoch auch auf einem mauerbekrönen- den Balken aufliegen konnte. Aber auch die unbedeckten runden Bal- kenköpfe finden sich gelegentlich als Ornament wieder.?) Wollte man dann die Decke im Innern höher haben, ohne die Thür unverhältnifsmäfsig und unnöthig hoch zu ziehen, so mufste man den Thürsturz von der Mauerbekrönung trennen und die Mauern höher führen. Hob man das Gebälk noch höher, so konnte man zwischen Thür- wulst und Mauerkrönungsbalken noch ein schmales Fenster über der Thür, zum Vortheil der Helligkeit im Innern, gewinnen, das wir zuweilen in den Blendthüren der Grabkammern angedeutet finden; oder, was der gewöhnlichen Bildung der Blendthüren noch näher entspricht, man be- hielt die alte Thürbekrönung bei, d. h. den alten Mauerabschlufs durch einen Balken über dem Thürwulst, welcher Balken die ursprüngliche Lage der Decke anzeigt, und hob nun die Decke um einen ganzen Dachstuhl in die Höhe, wodurch man zwischen der Höhe der ursprünglichen und und der gehobenen wirklichen Decke einen breiten Fensterraum erhielt, welcher dem Thürfelde der Blendthüre entspricht. Dies war der Typus des einfachen Zimmerbaues in Ziegel und Holz. Daneben aber bildete sich ein reiner Holzbau aus, ganz frei und ohne Verbindung mit dem Ziegelbau, in Landhäusern und Gärten, wo man nur luftige, aber beschattete Räume, Lauben und Veranden suchte. Auch diesen Bau lernen wir aus zahlreichen Abbildungen kennen. Hierher gehören namentlich leichte Bedachungen, die auf schlan- ken Säulen ruhen, und unter welchen die Besitzer auf Stühlen auszuru- hen pflegen. Die Säulen tragen z. B. in der Abbildung eines Grabes 1) Denkm. I, 2) Denkm. III, 208. über ewige ägyptische Kunstformen und ıhre Entwickelung. 25 von Kafr el Batraän (n. 16. Denkm. II, 52) als Kapitäle offene Lotusblü- then und die dünnen Schafte, einfach oder vierfach gekuppelt, ruhen auf einem Fulse. Unter dem Kelch liegt ein einfaches Band; auf den Spitzen des Kelches ruht der niedrige Abacus; dieser trägt unmittelbar die Decke in Gestalt eines flachen Balkens, den man sich zur Fläche fortgesetzt den- ken muls. In derselben Darstellung bilden 4, aber verdoppelt zu den- kende Säulen eine Art Gartenhaus. Die letzte Abtheilung rechts, in wel- cher der Herr desselben, eine Lotusblume in der Hand haltend, sitzt, enthält auch eine Andeutung von 3 Wänden (die vierte ist für den Beschauer vorn weggenommen) und von der darüber liegenden Deckenfläche. Zwei Lotussäulen mit Abacus und verstärktem Fulse tragen aufserdem die Decke. Zweı Fenster in der Hinterwand scheinen durch Gitterwerk verschlossen zu sein, Aus dem hier in einigen Hauptzügen geschilderten Hausbau einerseits und Laubenbau andrerseits entwickelte sich nun ohne Zweifel der immer weiter fortschreitende Palast- und Tempelbau, sowie der Grä- berbau, soweit er im Quaderbau nicht den Stil des Felsbaus annahm. Alle bedeutsamen Motive des Quaderbaus finden hier ihre Erklärung. Na- mentlich ist die Form der Pflanzensäule ersichtlich aus der leichten, hei- tern Holzarchitektur der sich der ländlichen Natur anschmiegenden Land- und Gartenhäuser entlehnt, auf welche ihre Symbolik unmittelbar hinweist. Zu weit aber würde man ohne Zweifel gehen, wenn man nun des- halb voraussetzen wollte, dafs ın jenen prototypischen Construktionen etwa auch Papyrusstengel, in Bündel vereint, zu Stützen wirklich irgendwo angewendet worden wären, die man dann in Holz und Stein nachgebildet hätte. Dem würde, wenn es dessen bedürfte, schon die älteste Form dieser Säulenbündel, die aus 4 Lotusblumenstengeln gekoppelten Säulen, entgegenzuhalten sein, da sich offenbar auch die leichteste Last nicht auf Blumenstile stützen konnte. Vielmehr ist die Blumensäule, auch in die- ser Beziehung gegensätzlich zur kanelirten Säule, nicht allmählich, son- dern gleich als Ganzes ın die architektonische formbelebende und bedeut- same Symbolik aufgenommen worden. Nur Basıs und Abakus sind hier unverhüllte reine Architekturglieder, zwischen welche die eigentliche Säule als nur in der Ausdehnung den Pfeilern analoge, gefällige Naturform ein- Phrlos.-histor, Kl. 1871. 4 26 Lersıus: über einige ägyptische Kunstformen etc. geschoben wurde. Hier entschied aufserdem nur noch das symmetrische Gefühl. Daher wurde der Blüthenstengel, da seine wirkliche Proportion nieht unmittelbar beibehalten werden konnte, vervierfacht oder veracht- facht, um ein richtiges Verhältnils der Dicke zur Höhe zu gewinnen. Dazu fanden sich dann die das Bündel zusammenhaltenden Bänder von selbst. Die Gliederung der Pflanzensäule beruht wesentlich auf dem Ge- fühle für architektonische Gliederungs-Verhältnisse überhaupt. welches von den Griechen zum eigentlichen Prinzip ihrer Kunstschöpfungen erhoben wurde, aber auch bei den Aegyptern bereits hoch ausgebildet war. Dieses näher nachzuweisen, würde uns aber in ein anderes weites Grebiet der ägytischen Kunstanschauung führen, das wir für diesmal nieht zu be- treten vorhaben. Die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. Von H" LEPSIUS. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 23. Januar und 27. April 1871.] D« edeln Metalle und die edeln Steine standen bei den alten Aegyptern in grolsem Werth und Ansehn. Die Metallurgie, wie auch die Kunst, Edelsteine zu schleifen, zu schneiden und zu den mannigfaltigsten Ver- zierungen anzuwenden, war früh ausgebildet und zu einem hohen Grade vervollkommnet; ebenso war die Glasbereitung und die Färbung der Glas- tlüsse zur Nachahmung der Edelsteine in durchscheinenden oder undurch- sichtigen Massen, zur Herstellung aller Art von Glasarbeiten, zu mannig- fachem Schmelzwerk und zur Verglasung von Figuren und andern Gegen- ständen aus Erde oder aus gewissen dazu geeigneten Steinarten, allgemein verbreitet und beliebt. Um sich davon zu überzeugen, bedarf es nur eines Blickes auf die Schätze, welche im Tempel von Karnak Thutmosis III vor Ammon aufgehäuft hat!), oder auf die Reichthümer an Gold und Silber und kostbaren Mineralien aller Art, welche von den Völkern des Nordens und des Südens demselben Könige in dem Grabe des Reymara?), oder auf die, welche dem späteren Könige Tutänyamun von einer nörd- lichen und südlichen Gesandtschaft überbracht werden, beide in thebani- schen Gräbern abgebildet?). Die Schätze an Waffen aller Art und kost- barem Geräth, welche Aamses III, der reiche Rhampsinit des Herodot, in seinen Schatzhäusern verwahrte, sind in grofser Menge in einem Gemach ?) Von Hoskins, Trav. in Ethiopia p. 328 ff. pl. 46—49. in Farben, von Wil- kinson Mann. & Cust. vol. I in Zeichnung wiedergegeben. 3) Denkmäler der Preufsischen Expedition III, 115—118. 28 DEPSIUS: seines Felsengrabes abgebildet !). Was man in Anfertigung von grolsen kunstreichen Vasen von Gold und Silber mit Schmelzwerk ausgelegt in den elegantesten Formen, mit Henkeln und Deckeln versehen, mit Menschen- und Thierfiguren, mit Blumen und Laubwerk verziert, zu leisten vermochte, zeigt die reiche Zusammenstellung, meist in den Originalfarben, bei Ro- sellini ?). Einen Besriff von der unermelslichen Kriegsbeute an edeln Mineralien, in rohem und in verarbeitetem Zustande, welche unter den mächtigen Pharaonen der grofsen Thebanischen Dynastieen von ihren Siegeszügen nach Asien und Aethiopien in Aegypten zusammenströmte, gewähren die Inschriften, welche auf den Wänden um die vordere ÜCella des Tempels von Karnak die Feldzüge Thutmosıs III vom 22. bis 42. Jahre seiner Regierung verzeichnen. Aechnliche zum Theil noch erhaltene In- schriften aus der Zeit Ramses II wurden nach Tacitus Bericht dem Ger- manicus von den Thebanischen Priestern erklärt. „Legebantur“, heilst es da, „et indieta gentibus tributa, pondus argenti et auri. numerus armo- rum equorumque, et dona templis, ebur, atque odores, quasque copias frumenti et omnium utensilium quaeque natıo penderet, haud minus magnı- fica, quam nune vi Parthorum aut potentia Romana iubentur.* Aber auch aus spätern Zeiten besitzen wir Berichte über reiche Beute an edeln Metallen, z. B. auf den äthiopischen Stelen von Berg Barkal: und auf den späten Denkmälern der Ptolemäer, und selbst aus Römischer Zeit werden uns lange Listen der Orte und Länder aufgeführt, welche sewisse Metalle und andre edle Mineralien, nach ihrem Werthe geordnet, in die Tempelschätze zu liefern hatten. Bei so reichem Stoffe für unsre Kenntnifs der von den Aesyptern gekannten und geschätzten Minerale und bei dem grofsen Fortschritt der hieroglyphischen Entzifferungen in neuester Zeit ist es auffallend, dafs gerade über die Bezeichnung nicht nur der Edelsteine, sondern auch der Metalle noch so viel Ungewifsheit bei den Aegyptologen herrscht. Die Ungewilsheit ging zunächst von dem Zeichen aus, welches Champollion und nach ihm Andre, ich weils nicht aus welchem Grunde, für eimen Schmelztiegel hielt. Er kannte die Aussprache des !) Champ. Mon. pl. 258—264, Rosellini Mon. Civ. 59. 60. 91. 2) Mon. Civ. tav. 58—62. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 29 Zeichens nicht, übersetzte es aber durch Eisen. Jetzt wird es meistens ba gelesen und von de Rouge für Eisen oder Stahl gehalten; Birch!) liest ba, wood, iron or brass; Chabas?) giebt keine Aussprache, über- setzt aber bronze ou fer. Brugsch schwankt gleichfalls zwischen Eisen und Zrz®); Dümichen *) giebt die Gruppe 92», wieder durch „schwarzes Metall“. Dieses Schwanken zwischen zwei so wichtigen Metallen wie Kupfer und Eisen hatte hauptsächlich darin seinen Grund, dafs man in den In- schriften eine feststehende Reihe fand, in welcher das zweifelhafte ıdeogra- phische Zeichen zwischen zwei phonetischen Gruppen stand, von denen die ihm nachfolgende taht lautete und folglich dem koptischen raor, plum- bum, entsprach, die ihm vorhergehende mafka-t, für welches sich kein entsprechendes Wort im Koptischen vorfand. Nahm man nun, wie Cham- pollion that, mafka-t für Kupfer, das zweifelhafte Zeichen für Eisen. so schien alles in der Ordnung zu sein; man hatte: Kupfer, Eisen, Blei. Vom Zinn konnte hier nicht gut die Rede sein. Dieser Ordnung schien es dann aber nicht zu entsprechen, dafs mafka das Kupfer, nirgends genannt wird, wenn es sich um Vasen, Waffen und Geräthschaften aller Art handelt, sondern nur das Zisen, während wir doch aus den Grä- bern fast ausschliefslich nur kupferne Geräthschaften kennen, eiserne so gut wie gar nicht. Wollte man aber das unbekannte Zeichen D für Kupfer nehmen, so fehlte das Eisen in der Reihe gänzlich, und für mafka mulste eine andre Bedeutung gesucht werden, die sich schwer ermitteln liefs. Allerdings hatte Brugsch ?) aus dem Umstande, dafs der Engländer Mac- donald in den Mafka-Minen der Sinai-Halbinsel Türkise in das Gestein eingesprengt gefunden und sie förmlich ausgebeutet hatte, geschlossen, dafs diese Türkise das eigentliche Ziel der uralten bergmännisehen Kolo- nieen der Aegypter auf der Halbinsel gewesen seien, und dafs mafka daher nicht das Kupfer, sondern den Türkis bedeute; somit wäre das folgende Zeichen D in der Reihe der Minerale für die Bedeutung Kupfer 1) Bei Bunsen, Egypt., vol. I, 2. ed. p. 555. ?2) Pap. Harris. 3) Wörterb. p. 23. 50. 91. 618. 751. &) RecueilIV, 99.96. 97. u.a, Text p.7. >) Wanderung nach den Türkis-Minen und der Sinai-Halbinsel. 1866. p. 80 #. 30 LEPsıvs: wieder frei gewesen. Die Vermuthung erschien um so annehmlicher, da in der feststehenden Reihe unmittelbar hinter Gold und Silber und vor mafka ein Mineral yesbet eingeschoben war, welches gleichfalls nach allgemeiner Annahme nicht ein Metall, sondern einen edeln Stein, den /apıs lazuli bedeutete. Dennoch fand diese Vermuthung, dafs mafka der Türkis sei, die wir weiterhin näher prüfen werden, bei den Aegypto- logen wenig Eingang, wird aber von Brugsch in seinem Wörterbuche noch festgehalten. Es blieben also aus diesen und andern Gründen die Zweifel über die Bezeichnungen von Kupfer und Eisen in den hieroglyphischen In- schriften bestehen. Da sich nun auch noch andre Gruppen für Metalle, wie wir nachweisen werden, nicht selten finden, die bisher allgemein verkannt worden zu sein scheinen, und bei der Erklärung der ägyptischen Mineral- reihe auch die wichtige Bereitung ihrer Farben eine grofse Rolle spielt, so schien es der Mühe werth, alles hierher Eimschlagende einer näheren Untersuchung im Zusammenhange zu unterziehen. Diese habe ich vorge- nommen, ohne mich zu weit auszudehnen, und lege die Ergebnisse der- selben hier vor: zunächst die über die edeln Metalle: Gold, Elektrum und Silber. Es existirt eine natürliche Reihenfolge der Hauptmetalle, geordnet nach ihren Eigenschaften und ihrem nach Seltenheit und Nutzbarkeit be- stimmten Werthe, die sich daher schon bei den alten Völkern fast überall gleich bleibt. Wir pflegen die Metalle in edle, zu denen Gold und Silber gehören, und unedle, wie Kupfer, Eisen, Blei, einzutheilen. Ebenso folg- ten sich bei den Griechen und Römern die Metalle, und bei den Hebräern kommt dieselbe Ordnung bereits im 4. Buche Mosis vor (31, 22), wo auch das Zinn (wenn das Wort bedil so zu übersetzen ist) schon genannt wird: Gold, Silber, Erz, Eisen, Zinn und Blei. Nur wird nicht selten das Silber vor das Gold gesetzt. In einer solchen festen Ordnung erscheinen nun die Metalle, wie schon erwähnt, auch in den hieroglyphischen Inschriften, jedoch mit einer auffallenden Abweichung. Hinter Gold und Silber nämlich erscheint regel- mälsig, und zwar von der alten Zeit bis in die Griechischen und Römi- schen Zeiten herab, das Mineral yesbet, oder wie es später meist ge- schrieben wird yesteb, und dann die vorläufig schon erwähnten bestrittenen die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 31 beiden Gruppen, welche meist, nach Champollion’s Vorgang, durch Kupfer und Eisen erklärt werden, zuletzt das Blei. Aufserdem erscheinen hin und wieder noch zwei Gruppen, im asem, und | men, von denen die erste das Zeichen des Goldes, die zweite das unbekannte Zeichen o zum Determinativ hat, und die sich daher am natürlichsten diesen beiden Metallen anschliefsen. In dieser Ordnung werden wir nun die einzelnen Gruppen erör- tern und beginnen mit dem Golde. m, nub, nork, das Gold, xgurcs, aurum. Das figürliche Zeichen, welches das Gold bedeutet, wurde von Champollion!) für eine Art von creuset gehalten. Richtiger wurde es wohl von Rosellini?) erkannt als der längliche Sack oder das zusammen- gelegte Tuch mit zwei Zipfeln, in welchem die Goldkörner durch Schwen- ken gewaschen wurden. Es ist dies eine der Manipulationen bei den Goldarbeiten, welche in Benihassan und in Thebanischen Gräbern abge- bildet sind. In Benihassan ?) erscheint das Zeichen noch in seiner ur- sprünglichen Gestalt ; aus dem Sack träufelt das Wasser ab: und in Theben wird der Sack von zwei Leuten in der Luft geschwenkt #); dar- über steht Am „Bereitung des Goldes“. (Quod eflossum est, sagt Plinius °) bei der Beschreibung der Goldgewinnung, tunditur, lavatur, uritur, molitur in farmam, ac pilis eudunt. Unser Zeichen bedeutet also die Goldwäsche. Im neuen Reiche scheint die figürliche Bedeutung dieses, wie so manches andern Zeichens, vergessen worden zu sein; denn es wird nicht selten wie ein Halsband dargestellt ©). Als Determimativ des Zeichens erscheinen in der Regel die drei Körner, welche auch hinter Steinen, Erde, Farben und vielen körnigen Gegenständen auch des Pflan- zenreichs gebraucht werden. Während aber die Steine statt durch Körner 1) Diet. hierogl. pag. 410. 2) Mon. Civ. tom. II, p. 282. 3) Rosellini, Mon. Civ. tav. 5l, 4. 4) Ibid.> 51,122: 5) H. N. 33,4, 69. 6) De Rouge, Aahmes p. 66 und pl. 11. 32 LEPSIUS: auch durch den Stein determinirt werden, führen die Metalle ausschliefs- lich die Körner. In andern Bedeutungen desselben Zeichens mm ohne die Körner wird das phonetische Complement durchgelegt oder nach- gesetzt =]. wodurch die Aussprache »ub, die sich unverändert ım koptischen ıı stov&, erhalten hat, festgestellt ist. Es findet sich gelegent- lich die rein phonetische Variante ji: Y). In Römischer Zeit wird die - [eo] - Kuh mit den Körnern &ne mit der Aussprache neb, nub für das Gold gesetzt ?). Auffallender sind noch andre Bezeichnungen des Goldes in später Zeit, welche auf ganz verschiedene Worte führen, nämlich TINO) saut, welches gelegentlich auch das Zeichen des Goldes als Determinativ an- 1 . NS Seczapı pe? 2 2 6 nimmt TEN BEN ) und °®), me neb(?) woraus auch 11%) und SE R h : = R N 3 Ion °) verschrieben zu sein scheinen. Vielleicht ist auch die Gruppe 000 = an 2 1 ketem, nur eine andere Bezeichnung des Goldes ın den Inschriften von Edfu. Man liebte es seit den Ptolemäi- schen Zeiten seltene und gesuchte Ausdrücke hervorzuziehen um Gelehr- samkeit zu zeigen sowohl ın der Wahl der Worte als der Zeichen, was die Erklärung für uns oft schwierig macht. Wir haben es hier offenbar nicht mit später allgemein eingeführten Worten zu thun, sondern vielleicht mit Beiwörtern, die etwa von alten Poeten gebraucht worden waren. So könnte saur wohl auf den Stamm des koptischen cat, case, caıwor pul- cher, führen, also „das schöne Metall“. Die zweite Gruppe, deren Aus- sprache unsicher ist, bedeutet für gewöhnlich 2, und ist nur in der An- wendung auf das Gold unverständlich. Das Gold wird in den Abbildungen in verschiedenen Formen dar- sestellt, kenntlich durch Beischrift und Farbe. Es wird in Haufen dar- !) Aegypt. Zeitschr. 1870 p. 20. 2) Dümichen, Recueil IV, 75, 2. 3) Düm., Rec. IV, 69, 2. 71, 2. 73, 2 u.a. Tempelinschr. I, 90, 15. 4) Düm., Tempelinschr. II, 24, 3. 42, 39. 5) Düm., Tempelinschr. 73, 2. 6) Düm., Ree. IV, 66, 2. Dr Tbid. IV, 6972. ») Düm., Kal. Inschr. 119, 4. 9) Ibid. 111, 12. Rec. IV; 69, 2. 10) Ibid. 118, 14. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 33 gestellt!). Das sind ohne Zweifel die rohen Goldstückchen, wie sie in den Bergwerken gewonnen wurden. Ferner in Beuteln ?), welche das Gold in kleinen Körnern oder in Stückchen, die vom Gestein gesäubert waren, enthielten, oder auch das Waschgold, welches in kleinen Schüpp- chen aus dem Sande der Bäche ausgewaschen wurde, wie dies noch heutzutage von den Negern in Fazoglu am blauen Nile in Federspulen gesammelt und Tibber genannt wird. Ferner auch häufig in Platten °), Stangen oder Ziegeln®), in welche das Gold zusammengeschmolzen wurde, oder endlich in Ringen ?), welches die gewöhnlichste Form ist, namentlich beim Abwägen des Goldes. In diesen verschiedenen Formen wurde es dann in Kisten von folgender Gestalt oder verpackt und im Schatze oder der Silberkammer Ar =), per hat, deponirt. Die meisten dieser Formen können wir nun auch in den Inschriften nachweisen. : er N - N Gold in Beuteln heilfst —=D1) nub em äref-u, 000 x Ill 000 ne x, Ben zn Ben, ee, = 8) nub äref-u, vn ss, >Dd, =>%?), äref, kopt. wpty, A000 x Au u ve op&, includere, ceonstrietum tenere. rr AR ö £ Gold in Ringen IN xpo10), nub em ses-u, was mit F = ooo MNDII , dem koptischen worwr, aspicere, fenestra, foramen zusammengebracht worden ist, dessen Begriff aber vom „Durchsehen“* auszugehen scheint, oder auch vom „Oeffnen“, was gleichfalls nicht auf.den „Ring“ führt, der doch als das Determinativ zu sesu erscheint. Es wird dann öfters noch Gold oder Silber in =, 11), tete-t, erwähnt, wobei man das 1) Dümichen, Histor. Inschr. Taf. 32. 34. — S. unsre Tafel n. 1. 2) Ibid. Taf. 32. — Tafel n. 2. 3) Hoskins, Trav. in Eth. p. 330, Taf. #) Champ., Not. p. 508. 5) Denkm. III, 39, d. 6) Düm., Histor. Inschr. I, 30. 7) Ibid. XXXIV. 8) Denkm. III, 118. 9) Düm.. Kal. Inschr. 49, b, 3. 10) Auswahl der wicht. Inschr. XII, 31. 51. Denkm. III, 32, 29. 11) Denkm. III, 31, a, 11. 30, a, 14. 32, 28, 29. 34. Philos.-histor. Kl. 1871. 5 34 LEPsıvus: koptische rwre, fimbria, brachiale, armilla verglichen hat. Indessen palst hierzu wenig das Determinativ, welches eher einer niedrigen Tasse mit einem schmalen Fufse gleicht; auch folgt in der Regel ein andres Gefäls. a x=_1), nub hi set-f?), „Gold mit seinem Gestein“ sind die rohen unverhütteten Goldklumpen der Bergwerke, die zu Haufen ge- schichtet abgebildet werden. Brugsch ?) übersetzt zwar die Phrase „aus seinem Lande“, und ebenso falst es Gensler*); dafs der Beisatz aber die Bezeichnung einer bestimmten Form des Metalls ist, geht daraus her- vor, dafs er nur bei Metallen vorkommt, und zwar nur bei Gold und Kupfer, welche gediegen gebrochen werden; vom Silber ist er mir noch nicht vorgekommen. Wenn von der Herkunft eines Minerals aus einem bestimmten Lande die Rede ist, so wird nicht ® hi gebraucht, sondern ag) U öl NOS 000, en la RN IR „Gold aus der Landschaft oder aus den Bergen von NUMO a EA R z ve 6 j BE ER N Ex Koptos*; NS „Gold von Kus“ 6), u. a. Ueberdies gab es kein besonderes Land, worauf man das Gold oder das Kupfer „seines Landes“ wm Be aus; z. B. „Gold, Geräth aus diesem Lande“ °); beziehen könnte, da beide Metalle, besonders aber das Gold, aus vielen verschiedenen Ländern kamen. Dals O4 hier der Fels, das Gestein, heilst, 1) Düm., Tempelinschr. I, 30. 31. 32. Histor. Inschr. II, 47. 2) Die Aussprache set für Sn Berg, Fels, Land scheint noch unbekannt zu sein. Champollion las xag, das aber mase. ist. Chabas, pap. Harris p. 247: phonet. in- connn. Bireh hat es unter seine ideographischen Zeichen nicht aufgenommen. Brugsch, Wörterb. p. 1331 giebt = in der Bedeutung „das untere, unten gelegene Land, das Grab“ und vergleicht echt, m, pars inferior; p. 154. 1336. 1690 vermuthet er die IN ER Na BN= v4 Lautung an; aus Varianten wie ur a „ Penkm. II, 143, g, St] II, 124, 17: mur set-u abt, „Statthalter der Länder des Ostens“ geht Ta ErrtınE SE en » x —oa | » “11 wsetfür Land, Landstrich, deutlich hervor; daher später auch X a I1ı „die Südländer“ vorkommt. In ältester Zeit wurde &o42 auch selbst als phonetisch angesehn und konnte Be Anz FErER die Aussprache —— vor sich nehmen; daher wechseln S , NY, N“ Denkm. Il, 3. B Y .n U“ “ N‘ on i 34. In unserem Falle heilst aber I ], set, der Fels, das Gestein; daher die Gruppe a = 2 r 5 SE 3 5 5» set, Fels (Champ., Gr. 98) auch mit dem Stein determinirt wird. 3) Wörterb. p. 1629. +) Zeitschr. 1870. 5) Auswahl XII, 6) Chabas, Rev. Arch. 1861, I, 16. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 35 nicht das Land, geht ferner daraus hervor, dafs man auch N nub en set, „Gold des Felsen“, Berggold, allein findet, und zwar im Gegen- satz, weil unmittelbar daneben MN x, nub en mu, „Gold des Wassers“, d. i. aus dem Flufssande gewaschenes (old, Tibber steht. Es werden näm- lich im Tempel Ramses III von Medinet Habu in einem der Zimmer der Silberkammer auch 8 grofse Beutel abgebildet, von denen die 7 ersten Gold enthielten, und zwar mit folgenden Aufschriften : ee nub en Kus, Gold von Aethiopien m] nub ten 1000, Gold 1000 ten er nub en set, Gold des Berges mm mm | mub en mu, ten 1000, Gold des Wassers, 1000 ten Ä J um nub en Teb, Gold von Apollinopolis magna (Edfu) DE am I, nub en Nubrit, Gold von Ombos Er ig nub en Kebt, Gold von Koptos. Der letzte Beutel enthält ‚resteb. Wahrscheinlich enthielten alle vier ersten Beutel Aethiopisches Gold, da in diesem durch seinen Goldreichthum berühmten Lande in der That das Gold sowohl aus dem Felsen als aus dem Wasser gewonnen wurde. Die drei folgenden Beutel enthielten Gold aus Oberägypten, nämlich aus Apollinopolis magna (Edfu), Ombos (Kum Ombo) und Koptos (Quft); also im Ganzen von Süden nach Norden geordnet. Natürlich wurde das Gold nicht in oder bei diesen Städten selbst gewonnen, sondern in dem Arabischen Gebirge in Minen, welche von diesen Orten am nächsten zu- gänglich waren. Nach Plinius lag die goldreichste Gegend Aethiopiens zwischen Napata und dem rothen Meere, eine sehr unbestimmte Angabe, die sich aber nur auf die Gegenden des Bega-Landes östlich vom Wege von Assuan oder Korusko nach Abu Hammed beziehen kann, wohin von Abulfeda die Goldminen von Ollagi gelest werden. Diese wurden nach- weislich noch im 10. Jahrhundert und noch später von den Arabern aus- gebeutet, endlich aber, weil sie die Kosten nicht mehr lohnten, verlassen und vergessen, bis ihre Lage in den Jahren 1831 und 1832 von Linant m J 36 Lepsıvs: Bey und Bonomi wieder aufgefunden wurde!). Ohne Zweifel bezieht sich auf diese Gegend auch der Inhalt der Stele von Auban, welche von Birch?) und Chabas®) erklärt worden ist; denn Auban ist, wie bereits Prisse, der die Stele entdeckt hat, richtig hervorgehoben hat, der Aus- sangspunkt der bedeutendsten Thäler des Etbaye-Distriktes, in welchem die Minen liegen. Es wird darin gerühmt, dafs es Aamses II gelungen sei, was sein Vater Sethos I vergeblich erstrebt habe, nämlich Wasser- brunnen in dem Lande Akrta auf dem Wege durch die Wüste zu den Minen herzustellen. Dagegen kann ich der Meinung nicht beipflichten, dafs auch die Inschriften des Wüstentempels von Redeszeh sich auf das Aethiopische Gold bezogen. Ich habe diesen Tempel in den Denkmälern der Preuls. Expedition nach Redesteh benannt, weil dies jetzt der nächste Ort am Nile ist, von dem aus man den Tempel zu besuchen pflegt, wie man die Pyramiden von Gizeh so nennt, weil die Reisenden von Gizeh aus, das 14 Stunden entfernt am Nile liegt, dahin abgehen. Die alte Stralse zum Tempel ging aber von Apollinopolis magna oder östlich vom Flusse von Contra Apollonos aus. Diese Stralse führte keineswegs nach den weit entfernten Aethiopischen Minen, sondern auf dem kürzesten Wege zum Arabischen Gebirge und in der Nähe des Rothen Meeres zum @ebel Ze- bara. Man hat hier die alten Smaragdgruben wiederzufinden geglaubt, welche nach Plinius #) eruuntur circa Copton oppidum Thebaidis, in col- libus, ex cautibus. Das hat sich nicht bestätigt?). Aber der Berg hat viele und tiefe meist verschüttete Minengänge, in welchen offenbar ein kostbares Mineral gewonnen wurde. Da wir nun in den erwähnten In- schriften unter T’hutmosis III ausdrücklich neben dem Aethiopischen und 1) Die Orte der Goldgruben sind einzeln verzeichnet von Linant auf seiner Carte de l’Etbaye ou pays habite par des Arabes Bisharis, comprenant les contrees des mines d’or connues des anciens sous le nom d’Olaki, publiee par le depöt de la guerre 1854. 2) Upon an historical tablet of Ramses 1! relating to the gold mines of Aethiopia (from the Archeologia vol. NXXIV pp. 357—391.) Lond. 1852. 3) Les inseriptions des mines d’or Chalon s. S. Paris 1862. Die Stele befindet sich jetzt in dem Schlosse Uriage bei Grenoble, wohin sie der Besitzer Comte St. Ferriol transportirt hat. 4) H.N. 37, 65. 5) Allgem. Augsb. Zeitung 1844, no. 347 Beilage. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 37 anderm Aesyptischen Gold auch „Gold von Apollinopolis magna“ angeführt finden, und da wir in den Inschriften des Tempels von Rede- steh lesen, dafs dieser von Set! I sesründet wurde, weil er auf dieser Station des Wüstenwegs zu den Goldminen durch Anlegung eines Brun- nens Wasser gefunden hatte, so kann es wohl nicht zweifelhaft sein, dafs die hier erwähnten Goldbergwerke wirklich in den Bergen, zu welchen die Strafse über den Tempel führte, lagen, also nicht in Aethiopien, son- dern auf dem alten Wege nach Gebel Zebära, wenn nicht in diesem viel- durchhöhlten Berge selber. Ebenso müssen wir die Minen des Goldes von Ombos, welche Stadt 8 bis 10 Meilen südlich von Apollinopolis auf dem Ostufer des Nils lag, gleichfalls in der Richtung der Strafse suchen, welche von hier ihren Anfang nehmend am direktesten in das Arabische Gebirge führte. In der That münden bei Ombos die Hauptthäler, welche in wenig südlicher Ab- weichung gerade auf Berenike und die über demselben gelegenen Berge zuführen. Spuren von alten Stationen dürften sich bei näherer Nach- forschung auch auf diesem Wege noch finden. Endlich kam auch das Gold von Koptos ohne Zweifel aus dem Theile des Arabischen Gebirges, auf welchen die grofse Karavanenstralse von Kuft (Koptos) nach Kosser (Leukos hormos), jetzt derb e' Rossafa ge- nannt, zuführt. Wir kennen jetzt zwar unmittelbar an dieser Strafse nur die alten Steinbrüche von Granit und Breccia bei Hamamaät mit seinen zahlreichen Felseninschriften, die bis in die vierte Dynastie unter Yufu (Cheops) zurückreichen. Indessen finden sich in jener Gegend noch viele Spuren alter tief eindringender Minen, besonders in dem nahe gelegenen Wadi Fauayer, deren ursprüngliche Bestimmung noch nicht ermittelt ist, und welche sehr wohl Goldminen sein konnten 1). Von hohem Interesse ist der Turiner Papyrus, welcher einen Situa- tionsplan aus der Zeit Ptamses II, den.ältesten, den wir kennen, enthält, und den ich deshalb schon in meiner „Auswahl“ 1842 publicirt habe ?). r rk \YY on a r . 1) Gold von Koptos und zwar u zZ 15 Ja\ „Felsgold von Koptos* wird auch in dem Papyrus des Mr. Harris auf Ramses III bezüglich erwähnt neben dem Golde von Kus. S. Chabas, Rev. Arch. 1861, I, 16. ?) 1547. Taf. XXII. Die damit zusammen gefundenen Grundpläne von Königsgräbern liefsen mich damals vermuthen, dafs die Situation in den Thebanischen Bergen zu suchen sei. 38 LEePpsıus: Diese mit Farben ausgeführte Zeichnung von Bergen und Wegen, wurde von Birch!) als ein Terrain von Goldminen erkannt; später wurden sie nochmals publieirt mit den Originalfarben von Chabas?). Auch diese Goldminen werden für die Aethiopischen von Gebel Ollaki gehalten. Es können aber ebenso gut ägyptische Minen sein, und da wir auf dem Plane eine Stele von Sethos I neben einem Wasserbrunnen verzeichnet finden, so ist es wahrscheinlicher, dafs es die Minen von Apollinopolis magna waren, für welche Sethos schon mit glücklichem Erfolg eine Wasserstation, „Brun- nen des Seti* genannt, angelegt und einen Tempel daneben gebaut hatte, während der in der Stele von Auban erwähnte Brunnen des Set auf dem Wege nach den Aethiopischen Goldbergen ein gleich allen frühe- ren Versuchen verfehltes Unternehmen gewesen zu sein scheint, so dafs erst seinem Sohne Ramses der Ruhm zufiel, auch dort Wasser geschafft zu haben. Während nun aber die Aethiopischen Goldminen noch den Arabern eine Ausbeute gewährten, müssen die Aegyptischen wohl schon früh er- schöpft und verlassen worden sein, was sich, auch bei gleicher Ergiebig- keit, gerade aus der gröfsern Nähe Aesyptens erklärt. 1) Upon an historical tablet of Ramses II p. 26. ?2) Les inscriptions des mines d’or p. 301. Zu diesen Fragmenten gehören noch andre, die von Lieblein in seiner Schrift: Deux papyrus hieratiques du musee de Turin. Christiania 1868 pl. V publieirt worden sind. Diese enthalten zwar zu beiden Seiten der Wege nur schwarze, keine rothen Berge; aber auch das vereinzelte Fragment bei Chabas enthält eine Bergspitze, die im Original nicht braun, wie sie hier, ähnlich dem braunen Mittelfelde und einigen Streifen am Berge darüber, erscheint, sondern ganz schwarz, wie die Berge des Lieblein’schen Papyrus, gemalt ist. Auch ist die Behandlung sämmt- licher Fragmente so gleichartig im Mafsstabe und in der Behandlung der Wege und der Inschriften, dafs sie auf denselben Zeichner hinweisen. Dann gehört ihre Anfertigung aber nicht in die Zeit Sethos I, sondern frühstens in die Ramses II, vielleicht gar erst Ramses III, da auch die Pläne der Königsgräber der gleichen Zeit anzugehören scheinen. In den Inschriften der schwarzen Berge findet sich öfters die Legende: x, En Fr eh bald mit, bald ohne das Determinativ des Auges, das auch hinter der Gruppe a „das Ostland“ erscheint, s. Brugsch Wörterb. 415. Das Determinativ des Steins deutet aber darauf, dafs Beyni hier der Name des einzelnen Berges ist, nicht des Landes oder der Landschaft. Derselbe Name scheint auch in einer Inschrift von Hamamät (Denkm. III, 223, c) vorzukommen, wenn das zerstörte Ende so ergänzt werden darf: SIE ss I Damm NIC die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 39 Aufser den erwähnten Bezeichnungen verschiedener Arten oder Formen des Goldes findet sich auch noch el, nub nofre, „gutes Gold“. Es ist dies nicht ein allgemeiner Ausdruck des Rühmens, denn es wird anderem Golde gegenüber gestellt. In dem schon erwähnten Papyrus Harris wird aufgezählt: SEINEN ul Gutes Gold 217 ten 5 ket o oa a > > a a an am j| a Berggold (von) Koptos 61 ten 3 ket mummDoO Oo r m 8a woon & ann 1 = Gold von Aus 290 ten 84, ket vo 5, scene _ Zusammen Gutes Gold (und) Berg- Da | nen Slam E gold 569 ten 64 ket Vom Golde von Äus ist nicht gesagt, ob es gutes oder Berggold war; im ersteren Falle würde es aber sicher gesagt und dem Koptischen Golde vorangesetzt worden sein; die einmalige Bezeichnung Berggold galt zu- gleich mit für die folgende Rubrik. Immer bleibt der Gegensatz von „gutem“ und von „Berggold“ stehen, da die Gesammtsumme nur diese beiden Qualitäten nennt. Da das Gold meist mehr oder weniger mit Silber versetzt gefunden wird, so wird das Berggold, welches hier offen- bar die geringere Qualität ist, das rohe Gold sein, von welchem die an- dern Bestandtheile noch nicht ausgeschmolzen sind, das gute Gold ist aber das reine, das unvermischte Gold, das aurum obrussum oder obri- zum, das probehaltige, welches auch von den Hebräern oft vom gewöhn- lichen legirten Golde als 3 a71, zahab sagür, oder = ar2, ketem paz, noch unterschieden wird. So erklärt sich, wie auch NE D, nub nofre en set, „gutes Berggold* vorkommen kann, welches in eimen Haufen aufgeschüttet dargestellt wird, also in rohem Zustande, aber solches, dessen Qualität als feines unvermischtes Gold, wie es auch gediegen gefunden wird, bekannt war. In den Abbildungen und Inschriften erscheinen die Aethiopen (Kus) und die Südländer überhaupt, welche aufser den rothen Aus auch die schwarzen Neser umfassen, besonders häufig als die Völker, von denen Gold, besonders in Ringen und Beuteln, auch in Ziegel- oder Stangenform, dann aber auch in Vasen und besonders kunstreichen Arbeiten, theils als 1) Düm., Histor. Inschr. XXXIV. 40 LEPSIUs: Kriegsbeute theils als Tribut nach Aegypten gebracht wird. In dieser Beziehung sind namentlich die Darstellungen im Grabe des Reymära@ unter Thutmosis III!) und des Hz unter Tutänyamınm ?) sehr lehrreich. Aber auch die übrigen Nachbarn Aegyptens müssen reich an Goldproduktion gewesen sein, nach dem zu schlielsen, was sie an Aegypten liefern mufs- ten. Das gilt namentlich von den Assyrern (Fotennu)?), welche Gold in Ringen, in Platten und verarbeitet in Vasen aller Art*) in grolser Menge bringen; ebenso von den Tahr im nördlichen Syrien, von welchen in Karnak die Beute an Gold, roh und in Ringen und besonders auch als Schmuck der Wagen angeführt wird; und von den Chetitern (eta) und dem Volke zu Megiddo (Maketa), südlicheren Völkern der Syrischen Küste, welche Gold in Ringen und vergoldete Wagen ausliefern müssen. Wir dürfen wohl daraus abnehmen, dafs das Libanon-Gebirge damals an- sehnliche Goldminen enthielt. Da die Aegypter bekanntlich keine Münzen hatten, so wurde das Gold gewogen, eine Operation, die häufig auf den Monumenten darge- stellt ist). Da dies gewöhnlich mit gröfseren Massen geschieht, so er- scheint das Gold auf der einen Wagschale meist in Ringen oder in Schei- ben, die ein Loch in der Mitte haben ©). Auf der andern liegen die Gewichte, die in sehr verschiedenen Formen gestaltet sind, namentlich in Form von Stieren oder Stierhäuptern, was an die älteste Römische pecunia erinnert; aber auch Gazellen, Nilpferde und andere Thiere kommen vor; die bedeutungslosen Formen der ägyptischen Gewichte sind unten flach und oben kreisförmig gewölbt. Es finden sich jetzt zahlreiche grofse und kleine Gewichte in den Museen, meist von hartem Stein, von denen bei weitem der gröfste Theil die Form &> ©) hat. Es ist namentlich die Sammlung des in Alexandrien verstorbenen Mr. Harris reich an solchen 1) Hoskins I. |. 2) Denkm. III, 115—11S. 3) Im Dekret von Kanopus 1.1. wird das Land der „östlichen Rotennu* durch Zuge, d. i. Assyrer, übersetzt. 4) S. die reichen Vasenformen, die Seti ] dem Ammon als Beute der Assyrer vor- führt. Denkm. II, 127, b. 5) Denkm. III, 29, d. 6) Denkm. III, 39, a. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 41 Gewichten, von denen eines eine Inschrift trägt ‚ „> ket, Schatz- kammer von Heliopolis“. Aus dem Vergleich ap! Angabe mit dem Gewichte des Steins hat Ohabas berechnet, dafs das a kite (sıte) 9,0717 grammes wog. Nach meinen, wie ich glaube, noch genaueren Untersuchungen und allgemeineren Vergleichungen, die ich noch nicht veröffentlicht habe, würde das Arte noch eine Kleinigkeit höher anzusetzen sein, nämlich 9,09591. Da nun 10 Aıte auf 1 ten oder tennu gehen, so wiegt hiernach 1 ten 90,9591 Gramm. Es ist dies das gröfste Gewicht, das wir bei den edeln Metallen angeführt finden; es werden Summen bis zu 36692 tennu!)) damit ausgedrückt, also bis zu 67 Oentnern (6674 Pfd.). Da aber 1 kite = e. 54, Quentchen (1 Zollpfd. = 30 Loth zu 10 Qu.) ist, so sieht man, dafs diese Einheit für den Werth des Goldes im einzelnen Verkehr viel zu grofs ist. In der That findet sich auf einer Stele von Barkal, ım Museum von Dulag, deren Abdruck 1866 von Mariette ge- stattet wurde, die Angabe: TTS ‚nub ten 40 iri-u nub pek-u 5120, „Gold 40 ten machend Gold 120 pek“. Hier ist pek ohne Zweifel ein kleines Theilgewicht von dem ten, kopt. nwse, boss, rumpi, separari; "baxı, fractum, pars (Hesek. 24, 4)?). Nach dem Verhältnifs von 40 zu 5120 gehen 128 pek auf 1 ten. Nun enthielt nach meiner Bestimmung 1 ten 90,9591 Gramm, folglich wiegt 1 pek 0,7106 Gr.; das ist bis auf „1, genau das Gewicht des Attischen Obolos, wenn wir dieses nach Hultsch auf 0,727 Gr. annehmen. Da auch bei den Grie- chen im gewöhnlichen Gebrauch der Obolos das kleinste Gewicht war, Bl ungefähr der dritte Theil eines Quentchens, so stimmte dies also genau mit dem Aethiopischen. Um so bemerkenswerther ist es, dafs diese Gold- eintheilung nicht mit der ägyptischen identisch war; denn wenn auch die Aesypter ohne Zweifel ein noch kleineres Gewicht hatten als das ket, welches ungefähr 54; Quentchen wog, so palst doch dieses ket selbst nicht 1) Denkm. IH, 39, d. — Ich finde Gold in Summen angeführt von 12 ten, 45 ten 4 kite, 501. 8k., 551. 8k., 70t. 1%, 100, 100 t., 1441. 3 k., 300. +xk., 2374 t. 1 k., 31441. 3 k. 2) Dasselbe Wort ui mit dem Determinativ der Vase wird auch vom Honig ge- braucht (Denkm. III, 30, b, 31), während sonst der Honig wie der Wein, Weihrauch, u.a. nach za gemessen zu werden pflegt. Also pek, Stück Honig, wie wir auch „Stück Wein“ sagen als ein grofses Hohlmafs. Philos.-histor. Kl. 1871. 6 42 LEPSsIvUS: in das Aethiopische System. Denn da das ten 10 ägyptische ket und zu- gleich 128 äthiopische pe: enthielt, so war das ket gleich 124 pek, konnte also für Aethiopien keine Theileinheit sein. Andrerseits ist gewils nicht anzunehmen, dals die Aethiopier zwischen dem ten und dem pek keine Zwischenstufe gehabt hätten. Sie mufsten deren wohl mehr als eine ha- ben. Und dann liegt es nahe anzunehmen, dafs sie das Zen nicht in 10, sondern in 8 ket theilten, deren jedes 16 pe% enthielt; vielleicht auch noch ein besonderes Gewicht von je 2 pek hatten, deren 8 auf das ket gingen. Diese Theilung nach 8 findet sich im Griechischen System in der Unter- abtheilung des Obolos, der 8 Chalkus enthält. Dagegen stimmt das ägyp- tische Äxte, deren 10 auf das ten gingen, ziemlich genau mit dem griechi- schen &idgayuev oder rarıg. Es wäre freilich auch möglich, dafs die Aethiopen gar kein dem ägyptischen Arte entsprechendes Gewicht hatten, und das Zen in 16 Theile zu je 8 pe4 theilten. Andrerseits schliefst die Theilung des ten in 10 Arte bei den Aegyptern ein Gewicht gleich dem äthiopischen pek aus. Wenn wir aber annehmen, dafs bei ihnen nicht nur das Zen in 10 Arte, sondern auch das Arte in 10 andere Theile ge- theilt war, so würde dieses kleinste ägyptische Gewicht nicht mit dem attischen Obolos, aber ebenso genau mit dem attischen %arzsüs überein- gestimmt haben. Es würde nämlich gleich 0,090 Gramm gewesen sein; der xaAzevs aber wog nach Hultsch 0,094, also nur 4, mehr; für diese decimale Weitertheilung des ägyptischen Axte läfst sich vielleicht auch eine Stelle der Annalen des T’hutmosis III anführen !), in welcher 45 ten und 4 Äxte gezählt werden. Angaben wie 70 ten und 1 Aute Gold, oder sogar 2374 ten und 1 Arte zeigen, dals man genau wog. Wenn man nun, wie es den Anschein hat, absichtlich vermied, bis zu dem Ge- wichte von 1; Aite herabzugehen, so war für einen exakten Wäger doch nicht ausgeschlossen, dals er gelegentlich bis zu 4 Arte genau wog, weil er damit noch nicht das nächst kleinere Gewichtsmaß erreichte. Nachweislich sind bis jetzt auf den Monumenten als Goldge- wichte nur 1) Lepsius, Auswahl der wichtigsten Urkunden Taf. XII. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 43 1) ww, das ten, 90,959 Gramm oder ungefähr 54 Loth schwer. | 2) 12 das kite, der 10te Theil des ten, also —= 9,0959 Gr. oder etwas über 3 Loth, dem attischen axuev entsprechend. 3) ot das äthiopische pek, der 128te Theil des zen — 0,7106 Gr., etwas mehr als 4 Quentchen, sehr genau dem attischen Obolos entsprechend. Schliefslich sei noch erwähnt, dafs die alten Aegypter auch die Vergoldung vortrefflich verstanden und viel geübt haben. Unsre Mu- seen weisen noch eine grolse Menge von Gegenständen auf, die mit voll- kommener Haltbarkeit vergoldet wurden, und zwar aus den verschieden- sten Stoffen. Sehr häufig wurden Steine vergoldet und zwar so dünn, dafs das Gold wie eine aufgetragene Farbe erscheint, öfters auch in stär- keren Goldblättchen. Sogar so kostbare Steine wie der lapis lazuli wurden RSS Do N . 0 vergoldet „o,nub her yesbet!); es finden sich dergleichen Proben { 8 Scorer im Berliner Museum, z. B. ein vergoldeter Skarabaeus aus Lasurstein. Auch on DE, Wagen 2 looo|Aooo Pr / ne \ vergoldet wurde, pflegte man es mit einer Unterlage von feinem Gyps ) von vergoldetem Silber. Wenn Holz oder Pappe oder andrer Masse zu thun. Plinius (33, 64. 35, 36) sagt, dafs man das Bindemittel um Holz zu vergolden leukophoron nannte. f ° . =1 By en, asem, das Elektrum, 0 nAerrges, electrum. ° Die Gruppe hat schon in Bezug auf die Aussprache Schwierig- keit gemacht. Champollion 3) las 1or& pwSı und übersetzte or pur oder poudre d’or. Er nahm also ®\ für ideographisch, | als Beiwort. Beide kommen aber häufig getrennt vor, und dann steht | vor mm. Das letz- tere kann also nur Determinativ sein. Das Scepter konnte auch nicht pwöı lauten, weil es häufig mit semem Komplemente IN geschrieben wird: IN Birch®) nebst Andern las es nun Zam, pure gold, 1!) Düm., Teempelinschr. I, 76, 1. 2) Denkm. III, 32, 15. 17. 18. 3) Gramm. p. 90. *) Bei Bunsen, Egypt. vol. I, 2. ed. p. 576. 44 LEPSIUS: weil das Scepter mit der Aussprache DIN: täm, einmal auch AV )); tem, geschrieben vorkommt. Chabas?) las es num und hielt es für eine andere Schreibung von nub, Gold, dem er es auch in der Bedeutung gleich setzt, führt aber auch Zum als mögliche Aussprache an. Brugsch im Wörterbuche las es erst zasem und erklärte es als „Kupfer“ (p. 351. 768), später (p. 1021) @s und liefs das Metall unbestimmt. Er ging aus von der Gruppe NUDE was, oder END us, und den Varianten der Gruppe en, Modtb.s e.s19,19 1b N Fe INT Das Zei- chen ] ist polyphon. Es gab zwei schembar gleiche Scepter, die öfters ! A o nebeneinander dargestellt werden, und von denen das eine ] , das andre, öfters mit gewundenem Stabe, EN geschrieben wird ?). Aufserdem ®) determinirt dasselbe Scepter noch die Gruppen £ N und 119,» aber auch Ma >). Die Aussprache us hat ohne Zweifel auch das Scepter in der bekannten Variante des Osiris-Namens . >). Entscheidend sind hier aber immer nur die Varianten zu o im Todtenbuche, und da auch der von de Rouge publicirte hieratische Papyrus an jener Stelle MN giebt, und das |, auch wo es vorn abfallen kann, doch als ursprünglich anzusehen ist, so müssen wir unsere Gruppe dsem lesen, oder, nach der allerdings vereinzelt stehenden Variante ET 10), mit nachschlagendem ı, asımıu. Dieses Metall nun wird häufig zugleich mit dem Golde genannt. Es kommt auch wie dieses Beuteln vor, abgebildet mit der Inschrift en 0000 in dem Grabe des Reymara (Hoskins p. 330) und gleichfalls ın ) Denk. II, 148. ) Pap. Harr. p. 226. 3) Denkm.II, 112, e. 113, b. Todt. 125, 50, 51. ) In Bab el meluk, und Denkm. III, 79, b. 5) Aeclteste Texte Taf. 37. Vgl. T.10. 26. Denkm.III, 79, a. 225. am ist femin. =) In > ist nicht, wie Chabas (Nom de Thebes p. a meint, gleich INN: weil das letztere ein Maseulinnm, das erstere ein Femininum ist. 7) Denkm. II, 125, 143. 85) Denkm. II, 58. III, 260 u.a. °») Der Ringel ist hier nicht ©, die Sonne, wie man es aufgefafst hat, sondern der Augapfel, öri, für <>. 10) Denkm. IIl, 194, 10. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 45 Ringen !). In Ringen wird es ebendaselbst abgewogen in der schon oben angeführten Menge von 36,692 ten. Es kann dies nun aber nicht eine feinere Qualität des Goldes gewesen sein, de l’or pur, wie Champollion 5 ’ ji und mit ihm die übrigen Aegyptolosen glauben, im Gesensatze zum un- Oo ko) oO o© ’ oO geprüften und ungereinigten Golde, weil es überall, wo es zugleich mit dem Golde genannt wird, hinter ihm m in zweiter Stelle erscheint. So heilst die Isis in Philae?) © len: 2 mo Si. „Gold der Götter, ) asem der a mafka aller la Götter“, und die Hathor a Prdmm ST „Gold *) der Götter, und dsem * Göttinnen.“ In Dendera 5) IN es Ya dm I AUS N ZART IR B: Am: ‚uut en tef Amon hetz aäat makut em nub nofre ... bei Om asem seperu em hat, „beschlossen dem Amon eine grofse Halle, überzogen mit gutem Golde, die Säulen gearbeitet in dsem, die Seitenwände (?) mit Silber“. Auf der Aethiopischen Stele aus Dongola®) werden zuerst Geräthschaften aus Gold, dann solche aus äsem, dann eherne aufgeführt, so dafs hier das äsem geradezu für Silber, das sonst gar nicht erwähnt wird, eintritt. In den Inschriften des Wüstentempels von Redeszeh Ru sich die Stelle: 7) Eye Dan Slim Bere. INN ZEIT 000_4..0900 SI 00 nek set-u nub-u tu-u hi erta nek am-s em äsem yesbet mäfek-t ‚ ti-n „Ich gebe dir die Goldländer und die Berge, indem ich dir verleihe, was in ihnen ist an dsem, xesbet und mäfek.“ Hier steht also das ädsem vor dem yesbet, dem sonst nur Gold und Silber voranzugehen pflegen. Diese Stellung, wie auch die Form in Beuteln und Ringen, hindert, das äsem 1) Ebendaselbst. Bei Hoskins fehlt die Inschrift; bei Champ. Not. p. 506 ist sie angegeben. Bei den weifsen Ziegelformen steht bei Hoskins fälschlich I. bei Champollion richtig Im. 2) Champ. Not. p. 180. 3) Denkm. IV, 36. *) Zugleich neb-t, „die Herrin“, aber mit der deutlichen Anspielung auf das Gold. 5) Düm., Histor. Inschr. II, Taf. 56. 6) Denkm. V, 16, 10. ?) Denkm. III, 141, b. 46 LeErsıus: für Kupfer zu nehmen, auch abgesehen davon, dafs wir für das Kupfer eine andere Bezeichnung finden werden. Zugleich aber lernen wir aus dieser Stelle, dals das asem direkt aus den Bergen gewonnen wurde, also kein künstliches Produkt, auch kein gereinigtes Gold sein konnte. Das- selbe geht aus einer Stelle der Inschriften von Medinet- Habu hervor !), in welcher Ramses III dem Amon-Ra kostbare Vasen darbringt. Dazu heifst es: , © ne ee SG inet ee re xerp-a — De. 261616) === olallloe Mia! nek men er hat-k nuter dsem nu set-u nub-u hi set-f, „ich bringe dir dar die Ausstattung zu deinem Tempel in «sem der Goldländer von seinem Gestein“ ?). Also in den Goldländern, d.ı. in den Aethiopischen Bergen wurde auch dsem, xesbet und mäfek gewonnen. Ebendarauf ist auch zu beziehen, wenn von König Sethos I in Redesieh®) gesagt wird: „Sein Herz verlangte die Bergwerke zu sehen, aus welchen das asem ge- bracht wird.“ Brugsch, der diese Stelle eitirt (Wörterb. p. 351) schliefst daraus, dafs es „keine Metallmischung, wie z. B. das Römische aurichaleum * gewesen sein könne. Indessen wurde auch das Messing, aurichaleum, egeı- %arros, in den Bergwerken direkt gewonnen, und ebenso verhält es sich mit dem eleetrum, welches durch eine Mischung von Gold und Silber erzeugt werden kann, aber auch schon vereinigt in den Minen selbst ge- wonnen wird. Omni auro, sagt Plinius (33, 23), inest argentum vario pondere, alıbi nona, alibi octava parte. Ubieumque quinta argenti portio est, elec- trum vocatur; scrobes eae reperiuntur in canaliensi. Fit et cura elec- trum argento addito. Und Strabo p. 146 sagt, dals das Gold theils ge- graben, theils gewaschen werde; bei dem Schmelzen werde eine gewisse Alaunerde hinzugethan und das so gereinigte Metall erscheine dann zuerst als Elektrum, welches eime Mischung von Gold und Silber sei; erst beim nochmaligen Schmelzen verbrenne das Silber, das Gold aber bleibe zurück: &# de reü XureU ibeusvev al 2aTwupovnercu Orumrngnds Ti yn To 1) Düm., Histor. Inschr. 31. 2) ? weil die Metallkörner als Plural gelten, daher auch oft nr geschrieben; das hindert nicht set-f wieder in den Singular zu setzen, da sich diese Worte auch nur auf SER n B N £ “ ° nicht auf das unmittelbar vorhergehende „”7j] beziehen können. ° 3) Denkm. III. 140, b, 2, die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 47 naSapua NAenroov eva, mar de reurev naserbousvou, Miyua Ey,ovres ügyvgeu nal Ypusob, TEv Ev apyupov dmoxuen Sau, Tov ÖE Ypurcv Urousvew, wobei er sich nur in Bezug auf das Verflüchtigen des Silbers irrt, worauf es uns hier aber nicht ankommt. Auf dieses Elektrum pafst allein, was oben über das dsem angeführt wurde. Es ist seinem Werthe nach geringer als Gold, weil es Silber enthält, näherte sich in der Farbe dem Silber und konnte daher dieses in noch veredelter Qualität vertreten. Gewisse Eigen- schaften gaben ihm sogar partielle Vorzüge vor dem reinen Golde, indem die Beimischung von Silber dasselbe lichter, leichter und härter macht !). Herodot (1, 50) nennt es xgurös Asuxcs und stellt es dem Aaures awepIecs, dem ausgekochten, geläuterten Golde gegenüber, also auch als die gerin- gere Qualität. In den oben angeführten Stellen wird in den Aethiopi- schen Minen, wenn das Elektrum genannt wird, weder Gold noch Silber erwähnt; nur ‚yesbet und mafka erscheinen daneben. Das Elektrum ver- trat eben Gold und Silber zugleich, weil beides in ihm verbunden war. Ja das Elektrum war in seiner Mischung sogar das ursprüngliche Metall, aus welchem erst das reine Gold und das reine Silber durch schwierige Scheidungsprocesse gewonnen werden mulste, und es ist kaum zu bezwei- feln, dafs in vielen Fällen von Gold, dem edleren Bestandtheile, allein gesprochen wurde, wo man genauer von Elektrum hätte sprechen müssen. Es erklärt sich daher andrerseits auch die Angabe von so ungeheuren Summen wie 67 Centner Elektrum in einem schon oben angeführten Grabe unter Thutmosis III. Gold und Silber kommen in allen Proportionen ge- mischt vor. Wenn das Silber zwischen 20 und 50 Proe. beträgt, nennt man es jetzt Elektrum, wobei man bei der Grenze von 20 Proc. ohne Zweifel von der Stelle des Plinius ausgegangen ist. Seine Farbe ist licht messing- gelb und von 40 Proc. an schon mehr oder weniger in das Silberweilse fallend; Kupfer und Eisen pflegen in sehr geringer Menge beigemischt zu sein. Ganz reines Gold ist weder zu Münzen noch zu Geräthen tauglich, weil es zu weich ist; daher die besondere Achtung, in welcher das Elek- trum neben Gold und Silber blieb, auch nachdem man beide zu scheiden längst gelernt hatte. Es wird in losen Stücken und in Körnern gefun- den; eignete sich also in Beutel verschlossen zu werden. In der an- 1!) Quenstedt, Handbuch der Mineralogie p. 469. 48 Lrerpsıvs: geführten Stele von Dongola werden hinter den goldenen Gegenständen aufgeführt: zusammen 13 Vasen im Berna # von 134 ten. In den Annalen Thutmosis III in Karnak (Denkm. III, 52, 14. 33) werden Wagen genannt, die aus diesem Metall gefertigt waren a den Assyrern abgenommen wurden, wie auch goldene Wagen ebendaselbst (1. 25) in der Beute der Rotennu aufgeführt werden. Durch seine hellere messingähnliche Farbe wurde das Elektrum noch glänzender als das reine Gold. Dies war vielleicht der Grund, warum die Pyramidien der Obelisken mit Elektrum überzogen wurden. Thutmosis III weiht unter andern grofsen Geschenken dem Ammon zu Theben zwei Obelisken. Zu dieser Darstellung ın Karnak!) heifst es: BR MIS UA] s-hä-nef teyen-ut ur-ur em met-ab beben-t m asem er ruti hat-nuter, „er errichtete ihm zwei grolse Obelisken in rothem Granit, die Pyramidien von Elek- trum vor den Pylonen des Tempels.“ Auch wurden Thürflügel der Tempel aus Elektrum gefertigt oder damit überzogen, wie deren Ramses II im Tempel von Abydos dem Osiris weihte ?). Es ist wohl nicht zufällig, dafs das Elektrum fast nur in alter Zeit vorkommt. Schon in der Zeit der Psammetiche ist es kaum noch nach- zuweisen, und wenn es an einer Stelle im Turiner Todtenbuche (e. 15, 9) erscheint, so ist diese eben aus älterer Zeit überkommen. Ebenso mag der Titel der Hathor in Philae „Elektrum der Göttinnen“, wo man „Sil- ber“ erwarten sollte, aus alter Zeit stammen. Die Ausscheidung des Silbers aus dem Golde und des Goldes aus dem Silber war je später je bekannter und leichter geworden. Daher wurde das Mischmetall seltner in Anwendung gebracht und wurde schliels- 1) Champ., Mon. pl. 316. 2) Brugsch, Recueil I, 12, 1. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 49 lich mehr zu einem ziemlich willkürlichen mineralogischen Begriffe, wie auch heutzutage, wo die Mineralogen nicht nur Gold, welches 20—50 Proc. Silber enthält, Elektrum oder „Silbergold“, sondern auch Silber, das zwi- schen 20—50 Proc. Gold enthält, „Goldsilber* nennen. Man unterschied Bronze und Messing nicht durch besondere Metallnamen, obgleich ihre Eigenschaften viel wichtiger von denen ihrer einzelnen Bestandtheile ab- weichen. Der Grund für die Bezeichnung des Elektrum lag also ohne Zweifel vielmehr in der historischen Entwicklung der Metallurgie. m, hat, gar, das Silber, agyuges, argentum. Wie beim Elektrum ist auch in der Gruppe des Silbers das Zeichen des Goldes nur Determinativ und ist folglich nicht auszusprechen, wie auch der koptische Name nur 9a, ı, ist. Gleichwohl ist ursprünglich wohl das „weilse Gold“ gemeint gewesen, wie Herodot das Elektrum nannte; denn hat 2) ; im heifst zunächst nur das Helle, Weilsglän- zende (cf. dgyes, @gyvgs-). Beide edle Metalle, Gold und Silber, die noch überdies meist vermischt vorkamen, schienen ursprünglich wohl dasselbe, nur durch die Farbe geschieden, zu sein. In den griechischen und römischen Zeiten findet sich, wie neben nub, Gold, auch für das Silber häufig noch ein anderer Name M:: oo EN FR j s . |, |S|!). Das Zeichen ist polyphon und kommt mit der Aus- p94y} 000 oo0l = wi : — sprache N | |. seh, oder Ned] E seht?) vor,aber auch —| DE ärk. Brugsch, der diese Stelle anführt (Wörterb. p. 1273), liest daher unsere Gruppe ärk-ur (p. 1018) und hält sie für eine Aegyptisirung des griechi- schen agyvg-ss, ein Fall, der freilich seltsam wäre und ganz vereinzelt 1) Dümichen, Rec. IV, 66, 3. 71, 1. 77, 2, a. 2) Birch bei Bunsen V, 475. Brugsch, W.B. p. 1272. Denkm. III, 195, a, 22. 3) Düm., Tempelinschr. II, 18, 1. — Es ist zwar bis jetzt nur diese Stelle für die Lautung ärk bekannt; aber die Vergleichung derselben mit 14, 2 und 12, 2. 14, 11 . | setzt sie aulser Zweifel. Der Sinn ist „vollenden“ von — ärk,„der letzte*. Phrlos.-histor. Kl. 1871. 7 50 Lersıvs: stände. Für jetzt müssen wir es dahingestellt sein lassen, ob die Gruppe seh-ur oder ark-ur zu lesen ist; doch wird das letztere einigermafsen \ \ SR ei Smes auch durch eine Stelle in Dendera !) bestätigt, wo es heilst: IR hrs o D lan Feie le (1 & ) —=a]]. an-f net yent yer ärk-ur er ärk hat, „er (der König) bringt dir das Land ent mit (seinem) Silber, um zu vollenden den Naos“ ete. Die Aecgypter liebten solche Lautwiederholun- gen ganz besonders. Noch ein dritter Name des Silbers findet sich in dieser späten Zeit (wie dies gleichfalls beim Golde der Fall war) nämlich <>) <>o 3\ = ı 1 ı2) oder De Yan) ar BA oder Ud. Das Silber kommt, wie das Gold, in grolsen Haufen abgebildet vor mit aufgeschriebener Inschrift #), ohne Zweifel auch hier die rohen Silber- stücke, wie sie in den Bergwerken gewonnen wurden. Ebenso wurde es \ Re: Da ng in Beuteln aufbewahrt, wenn die Worte — = 35), hat, nıb em j er { x > „oo Ill vn Re ärefu, „Silber und Gold in Beuteln“, wie es wahrscheinlich ist, auf beides ochen. Sicherer ist, dals es in grolsen Platten eingeschmolzen wurde, denn diese tragen die Aufschrift ®). Aber auch in Ziegelform?) er- scheint es oder in kleineren in Körben aufgeschichteten Platten von weilser Farbe mit Ueberschrift, so wie in Ringen °), die bei Hoskins un- richtig gelb gemalt sind, während die Ueberschrift und die Erwähnung bei Champollion ®) lehren, dafs sie weils gemalt waren. Silber in Rin- v Eur j Se (@) ” f u. f" Ss sen, setw, __ O1), N I) oa1?) werden öfters in den Annalen Thutmosis III erwähnt. Auch in = 2,13), tete, die beim Golde besprochen wurden, wird das Silber aufgeführt, und m „AAN D ) Dümichen, Rec. TV, 71, 1. 2) Düm., Rec. IV, 73, 1 (ef. 69, 2.) Kal. Inschr. 104, 9. ) Düm., Rec. IV, 66, 3. 4%) Düm., Histor. Inschr. 3: ) Düm., Histor. Inschr. 34. 6) Düm., Histor, Inschr. 34. — Auch bei Hoskins weils abgebildet. LE °) Hoskins LI. s) Ibid. 9) Not. p. 507. 10) Denkm. III, 31, a, 11. 11) Denkm. ibid. Ausw. XI, 26. 12) Denkm. III, 3 15) Denkm. 111, 3 14) Denkm. ibid. ‚33. — Mariette in d. Rev. Arch. 1860, II, pl. XVI, 5. - die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 5l d.h. als gestolsenes Silbererz. Aus Silber gefertigt erscheinen nament- lich viel grofse kostbare und kunstreiche, auch mit Gold und Emaille verzierte Vasen !), die auch in den Inschriften öfters genannt werden 2). Eine Menge einzeln genannter Vasen und andrer Geräthe aus Silber wer- den in den Aethiopischen Stelen zu Bulaq aufgeführt, nämlich: Rn Lamitle N, miles Nr, 1! INT, mil Nm IS WYmiine Wagen aus Silber oder aus Silber und Gold der feindlichen Heer- führer werden in der Beute T’hutmosis III erwähnt ?). Das Silber wurde wie das Gold nach ten und Kite gewogen, sei es roh oder verarbeitet #). Die Massen sind ungefähr gleich, die in der Beute oder als Tribut erscheinen. Ueberhaupt scheint der Werthunterschied zwischen Gold und Silber in frühen Zeiten viel geringer als jetzt gewesen zu sein. Daher kommt es, dals gar nicht selten bei der Aufzählung das Silber dem Golde voran- gesetzt wird). Dasselbe geschieht sogar noch in späten Inschriften wie in Dendera, die aber häufig nur älterer Sitte folgen ®). Dafs dies nament- lich in Aethiopien der Fall war, ist wegen des dortigen Goldreichthums um so begreiflicher; daher auf den Stelen von Barkal in Bulaq die um- gekehrte Folge fast die gewöhnliche ist. 1) 8. Hoskins l.]. ?) Ausw. XII, 31. Denkm. III, 30, 18. 3) Ausw. XII, 31. #) Es kommen Summen Silbers vor von 56 ten; 100 t.; 104. 5 k.; 153 6; 301 t.; A3lt. 2%; 7611. 2%35 14951. 1’%.5 28216 3. 5) Unter Thutmosis III Ausw. XI, 3. 31. Brugsch, Ree. I, 26, 3. &)/ Düm:, Rec. IVa71sal22. 73122:975)1: 5; 52 LEPSsıvUsS: Von Silberwerken in den ägyptischen Bergen wird nichts gemeldet. Auch wird im Tribut oder der Beute der Südländer das Silber kaum er- wähnt, während Gold von dort in Fülle kommt. Indessen wurde schon oben nachgewiesen, dafs das Elektrum in den Goldländern des Südens in grolser Menge gefunden wurde, folglich auch das Silber, wenn man es ausschmelzen wollte. In den Gräbern von Theben, die wir schon oft angeführt haben, sind es aber vornehmlich die Rotennu oder Assyrer und die Kefa des Westens, welche Silbergefäfse und rohes Silber in verschiedener Gestalt als Tribut überbringen. In ihren Ländern waren also damals die ergiebigsten Silberminen, nicht im Süden und nicht bei den Punt in Arabien. Nachdem wir die edeln Metalle, Gold, Elektrum und Silber, näher betrachtet haben, von denen das Rlektrum in den Inschriften bisher noch unbekannt, die beiden andern aber um so unbestrittener in der Bedeu- tung waren, muls die Untersuchung zunächst einen andern Gang nehmen. Es ist nämlich schon erwähnt worden, dafs die Aegypter eine feststehende Ordnung hatten, in welcher sie die kostbarsten mineralischen Stoffe auf- zuführen pflesten, wie dies auch bei den übrigen Völkern der Fall war. Die ägyptische Ordnung unterscheidet sich aber von allen andern dadurch, dals mitten unter die Metalle, die sonst von den Steinarten streng geson- dert zu werden pflegen, wenigstens ein Mineral mit aufgenommen ist, wel- ches kein Metall ist, sondern schon von Champollion für den Lasurstein, lapis lazuli, hieroglyphisch yesbet genannt, erklärt wurde. Ein zweites Mineral mafek, welches Champollion für Kupfer hielt, ist seitdem be- zweifelt, neuerdings aber wieder für solches ausdrücklich erklärt worden. Es wird daher zunächst zu untersuchen sein, welche Namen in der her- kömmlichen Reihe Metalle, und welche andre Mineralien bezeichnen. Die Reihe ist folgende: 1) Gold, dem sich 2) das Elektrum an- schlielst, 3) Silber, dann 4 Stoffe yesteb, mafek, yomt und men, welche sämmtlich näher zu bestimmen sind, und endlich 8) taht, welches unbezweifelt Blei ist. Aufserdem werden noch vereinzelt genannt teha- set und Zehen, die wir als Metalle erkennen werden. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 53 Die Reihenfolge findet sich sowohl auf den Monumenten der The- banischen Dynastieen, als aus allen folgenden Zeiten bis zur Römischen herab. In den Annalen der Feldzüge Thutmosis III in Karnak werden öfters unter den heimgeführten Tributen Reihen der genannten Pretiosen nach ihrem Gewicht oder ihrer Zahl aufgeführt. In seinem ersten Feld- zuge, im 23. Regierungsjahre nach seiner Zählung, erhält er von den Rotennu oder Assyrern Silber, Gold, xesbet, mafek '); im fünften Feldzuge vom Lande Tahr (Syrien): Silber, Gold, yesbet, mafek und Geräth von men, und in demselben 29. Jahre auch yomt?) und Blei. Auch im neun- ten Feldzuge (Jahr 34) yomt und Blei. Ebendaselbst 1. 35 folgt sich: xomt, Blei, und dann erst yesbet nebst Elfenbein. In einer andern In- schrift desselben Königs ?), wo die Geschenke desselben an Ammon auf- geführt werden, lautet die vollständige Reihe: Gold, Silber, yesbet, mafek, xomt, men, Blei, Farben und asmera; und in einer andern Stelle: Silber, Gold, yesbet, mafek. Dieselbe Reihe: Silber, Gold, yesteb, mafek wird unter dem spätern König der XVII. Dyn. Amontutäny genannt; während unter Jtamses III in Medinet Habu*) die Reihe lautet: Silber, Gold, ‚romt, xesbet, mafek, wo also yesbet und mafek ausnahmsweise hinter yomt ge- setzt sind; an einer andern Stelle werden nur die 3 Metalle: Silber, Gold, xomt erwähnt), und in einer Darstellung ebendaselbst ©) werden 3 Körbe mit Gold, resbet, mafek und 3 Haufen Platten von Silber, yomt und Blei abgebildet. Auf der Stele des Aethiopischen Königs Pränyi, eines Nach- folgers des Taharka, erscheint die Reihe: Silber, Gold, ‚resbet, mafek, men und edle Steine. In Ptolemäischer und Römischer Zeit werden häufig die von den abhängigen Völkern gebrachten Gaben aufgeführt. Auch diese folgen sich stets in derselben Ordnung und die 4 ersten bringen: Gold, Silber, ‚resteb, mafek?). Unter den vielen Stoffen, aus denen eine heilige Substanz, die man für das Kyphr hält, zusammengesetzt wurde, finden 1) Denkm. III, 32, 24. ?2) Auswahl XII, 3. 6. 3) Denkm. III, 30, b, 10. +) Düm., Histor. Inschr. 33, 8. 5) Ibid. 33, 1. 6) Ibid. 34. ”) In Edfu, Düm. Rec. IV, 63. 66. 69; in Philae 64; in Dendera 71. 73.75. 54 . LEPsSıvus: sich als erste aufgeführt: in Dendera!): Gold, Silber, ‚resteb, mafek aus Xal (Arabien), mafek en är, ete.; oder auch ?): Silber, Gold, ‚resteb, ma- fek en mä, mafek in Stücken. Die 8 Minerale, welche man zur Bereitung eines andern heiligen Gegenstandes mischte, heifsen in Edfu: Gold, Silber, ‚resteb en mä, Yenem en md, nesemem en ma, mafek en md, hertes en mä. Was mä und är bedeuten, werden wir unten zu bestimmen suchen. Von den vier Prropheten in Dendera trägt der erste ein Räuchergefäfs von Gold und Silber, der zweite ein solches von yresteb, der dritte von mafek, der vierte von tehen ?). Es geht aus diesen Anführungen hervor, dafs Silber und Gold in dem Vorrange streiten und in früherer Zeit das Silber sogar häufiger voransteht. Unter den übrigen steht yomt, das seinen Platz hinter yesteb und mafek hat, einige Mal diesen voran. Das men erscheint am selten- sten, und dann erst gegen Ende der Reihe. Wir gehen nun zu dem Nachweis über, dafs die beiden Namen vesteb und mafek nicht Metalle, sondern andre Mineralien bezeichnen. Beide stehen unter sich in einem näheren Verhältnils. Denn sie erschei- nen fast überall verbunden, entweder unmittelbar oder doch so, dafs von beiden Achnliches ausgesagt wird. Gröfsere aus ihnen verfertigte Gegen- stände, die entweder aus Metall oder aus Haustein verfertigt werden mulsten, kommen nicht vor. Dagegen werden sie gern als Farben gebraucht. Daher kommen auch beide zu Göttinnen personificirt vor, und zwar beide als Bezeichnungen der Hathor, d. i. Aphrodite, der „vielfarbigen“ #). Endlich sind die Metalle durchgängig männlichen Geschlechts, wie noch im Koptischen nıı nov&, das Gold; ss gar, das Silber; nm gomr, das Kupfer; rn beuins, das Eisen; nı epaıt, das Zinn; su ragt, das Blei; während ‚resbet und mafek weiblich sind; wie auch im Griechischen die Metalle sämmtlich männlichen, die Steine meist weiblichen Geschlechtes sind. Dasselbe wird sich aus der einzelnen Betrachtung der beiden Stoffe ergeben. 1) Dümichen, Rec. IV, 24, 139. 2), Diüms, Rec. lv, #9: 3) Düm., Kal. Inschr. 82. 83. 100. 109. 113. +) Einer der vielen Namen der Hathor in Dendera N S- } or die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. b * J — resbet. u oo0o0 Farpeıgcs, zVavcs; sapphirus, (cyanus), caeruleum; der Lasurstem und der Ultramarin; Kupferlasur und Bergblau; Smalte und die daraus bereitete Farbe; Kobalt-Smalte, Kobaltblau; Kupfer-Smalte, Kupferblau. . . e% . er . =>-F Der Name wird in früherer Zeit gewöhnlich ol] 1), = J 000 BEA. s ($) r : 2), auch J Bub also resbet, geschrieben; doch kommt auch o . . — ]: *), resteb, vor. Auch im Turiner Todtenbuche kommt sowohl o° die eine?) als die andre) Schreibart vor. Dagegen findet sich in Ptole- So, mäischer und Römischer Zeit ausschliefslich An geschrieben: ® 3) D), rg Fr) = ee] = 8), auch mit den Varianten m. neo ”)> zZ ne en; o0o0 a FIR 11) und Bi NÄ 12), in welcher letzteren die Silbe ted durch das eine Zeichen ausgedrückt ist. Der Wechsel der Schreibung ‚yesbet oder ‚resteb erklärt sich oft durch die dem Schreiber bequemere Anord- nung der Zeichen, auf welche früher mehr Rücksicht als später genom- men wurde. Dennoch beweisen Stellen, wie Dümichen, Histor. Inschr. 32 unter Pamses III, wo die Zeichen ganz vereinzelt so geordnet werden $) = olll, a wie die hieratische 13) Orthographie des Wortes, wel- che gleichfalls Be: Br „resbet giebt, dafs die alte Lesung wirklich für gewöhnlich ‚esbet Sn obgleich es ebenso sicher ist, dafs man in griechischer Zeit resteb ausschliefslich zu schreiben pflegte. Die ur- 1) Auswahl XII, passim. Denkm. III, 30. 32. 2) Dümichen, Hist. Inschr. 31. 32. 3) Düm., Hist. Inschr. 34 4) Denkm. III, 32, 32. 32, 34. 31, 5. Düm., Hist. Inschr. 28. 29. 5) c. 64, 31. 110, a, 2. 6) "ce. 106, 2.165, 12. Dr Diimsolec. IV, «1,4. 134075, 2% 8) Düm., Tempelinschr. ], 7, c. ») Düm., Rec. IV, 25, 149. 1.0) ‚Daum... Rec. IV. 73, 4. 11) Düm., Rec. IV, 64, 4. 12) Düm., Tempelinschr. 1, 109, 6. Rec. IV, 63, 5. 15) Select Pap. of the Brit. Mus. pl.23, 2: 8 JZ eerzanlllT 56 LEPsıvs: sprüngliche Lautung ‚yesbet geht aber auch aus der Chaldäischen Form, von welcher wohl das ägyptische Wort hergenommen ist, hervor, und diese war, nach J. Oppert, 227 und rar, yisb und Yasbat. In später Zeit wurde der Stoff, nach damals beliebter Art, auch noch durch ganz neue Zeicheneombinationen und Worte ausgedrückt, wie a) und —nIo 5 (43, rept?). Unter den angeführten Varianten findet sich auch eine, welche aulser den 3 Kugeln, welche die Minerale überhaupt determiniren, auch den Stein I als Determinativ führt, der sich nie hinter Metallen findet, sondern nur hinter Steinen. Als Femminum aber ist das Wort bezeich- a in einem hieratischen Papyrus Sallier, wie auch die Bezeichnung ie = 3 OS , „künstliches ‚yesbet“ als femininisch zu gelten hat. 7" Die Farbe des Stoffes war blau. Das geht aus einer Darstellung in einem Grabe zu Qurnah aus der Zeit Thutmosıs III hervor. in Farben abgebildet von Hoskins ®), schwarz von Wilkinson #) publieirt und be- schrieben von Champollion®). In der zweiten Abtheilung von oben steht unter andern Kostbarkeiten ein Korb mit einer blauen Masse ge- füllt, von welcher Champollion sagt: une corbeille pleine de matiere bleue de ciel > Kr. Er las also diese Aufschrift noch, die in den genannten Abbildungen freilich nicht erscheint. Körbe mit derselben blauen Masse in rundlichen Stücken sind in einem Grabe von Qunnet Murai zu 'Theben aus der Zeit des Königs Tutänyamon abgebildet und den „Denkmälern der Preufsischen Expedition“ farbig wiedergegeben. Daneben stehen Gefälse von Gold und Silber und Körbe mit einer rothen Masse. In der zugehörigen Inschrift werden die dargebrachten Erzeug- nisse der Tribut bringenden Völker an Silber, Gold, resbet und mafek genannt. Nicht selten wird ‚resbet geradezu als Farbe, also die blaue Farbe gebraucht. Im Todtenbuche (K. 165, 12) wird Ben einer combi- o@ mm Dale n Göttergestalt gesagt, sein Leib sei RZ ES ENGE 0° am -_, ob am RN 3, ‚reperer an em ‚yesteb hi mu en komi, „ein in SE arabäus 1) Dümichen, Rec. IV, 63, 5. 64, 4. 66, 4 ws. w 2) Mariette, Dendera I, 71, 4. 3) Travels in Ethiopia, Tafel zu p. 330. 4) Mann. et Cust. vol. I pl. IV. 5) Notices p. 506. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 57 gemalt in Yesbet (aufgelöst, flüssig gemacht) mit Wasser von Komi (Gummi), also blau gemalt. Die Nachschrift von K. 64. besagt 1. 31, dals dieser Text vor Alters gefunden worden sei auf einem Ziegel aus dem Steine kes (den man für Alabaster hält) „gemalt in yesbet. In den 2 © 20 b Inschriften von Dendera!) wird erwähnt ein O5 Mn ° „ein Ring von der Farbe des ‚resbet; ebendaselbst ?) EN if FR: seret-Szepter, dessen Farbe in ächtem ‚resbet.“ ss u „ein Aus ‚resbet gearbeitet werden eine Anzahl von Amuleten und Schmuckgegenständen angeführt. In einem Todtenpapyrus des Herrn no wird hinter K. 155 ein andres eingeschoben mit dem Titel ”T” ® NEaE „Kapitel vom Tet-Amulet in ‚resbet.* Im Todtenpapyeis BR im Berliner Museum lautet der Titel des K. 26: “TO | ‚ „Kapitel des Herz-Amulets von resbet.* Öfters wird das a Baer Auges uta von vesbet erwähnt, Todtb. K. 140, 11: IENZ Re rel I DNET „Auge von ächtem yesbet oder von Karakar): und in Dendera*) unter andern Amuleten dasselbe gleich- falls von ächtem resbet; kurz vorher ein To :_ ‚ „ein Tet von äch- tem ‚resbet.* Ebendaselbst ?) Ru FR ‚ und weiter hin €) Ne AmMmMA AM —, == — E82 „zwei Halsbänder mit Blumen (gprpe) von yesbet.“ In ae Kriegsbeute, die Thumosis III. auf seiner dreizehnten Expedition den 1) Dümichen Ree. IV, 25, 145. 2) Ibid. 22, 127. ?) Der Turiner Text liest mak, und es steht mir keine Vergleichung der Stelle mit andern Exemplaren zu Gebote. Es ist aber wahrscheinlich hemak zu lesen, vielleicht —— statt os. Der Stein hemak wird öfters erwähnt, s. Düm. Ree. IV, 9, 49. 24, 141. 63, 15. 70, 10; und in dem oben erwähnten Thebanischen Grabe unter Thutmosis III. (Hoskins Taf. zu p. 330) bringen die Südvölker IE von rother Farbe. Es kann daher nicht, wie Chabas (Melanges II, 198) vorschlug Malachit gewesen sein. Cham- pollion (Gramm. p. 90) erklärt gemme rouge sombre, vgl. Notices p. 508, wo IN statt » zu lesen ist. Vielleicht war es der rothe Jaspis, aus dem häufig Amulete gearbeitet sind. 4) Düm. Ree. IV, 9, 93a. °) Düm. Rec. IV, 4, 24a. 5372127.,690: Philos.-histor. Kl. 1871. 8 58 LErsıus: Anaukasa abnahm!) wird gleichfalls ein Halsband von ächtem yesbet er- wähnt: © — IMS; in Dendera?) eine Halskette von ächtem 000 N) 8 Amm a E ‚resbet: == = är-yey em yesbet en mät“ und in dem unter o PEN [=) % Sethos II. verfalsten Märchen des Pentaur trägt der König sein „grolses Halsband von ‚resbet“ 3). An einer andern Stelle dieser Annalen #) wird ein Widderkopf von ächtem ‚resbet, a Su SE = Nn°] 5°, ohne Zweifel auch als Beutestück, also wahrscheinlich von besonderer Gröfse, erwähnt. In Dendera5) trug der zweite von den vier Propheten aufser dem Sistrum oder der Klapper aus Gold und Silber auch ein kleines Gefäls von der Form X aus ‚resteb gefertigt, während das des ersten Propheten aus Gold und Silber bestand. Die Stelle lautet Na 100: 16) 8 187 Sees idö Sz=Zyo= le ne Bo i BES NDAE .0S sopenäaen x resteb maydfa en seyet shotep _ ‚yesteb Träger des Ge- von este, Träger der Klap- erfreuend die blaue fälses per Göttin (Hathor) und Taf. 109: Sr a en am seyet yefü en xyesteb s-ab senen em mer Träger der Träger des Yesteb- lustrirend das Bild mit den Händen. Klapper (Gefälses) Auf der Pranyr-Stele von Barkal 1. 58 Balye es: I N Se yE es] Doro 000 an-nef htor em unam, seses em abt, seses ente nub xYesteb er bringt dir ein in der einSist- in der das ist von Gold (und) Yesbet. Pferd Rechten): rum Linken, Sistrum 1) Denkm. III, 31, a. d. ?) Düm. Hist. Inschr. II, Taf. 56. 3) Mariette, Rec. Arch. 1860, II. pl. 16, 25. *) de Rouge, Rec. Arch. 1852. p. 395. 5) Düm. Kal. Inschr. 100. 109. Vel. Taf. 82, oberer Rand. 6) Man liebte denselben Begriff durch verschiedene Wörter auszudrücken. Es ist = 2er i ug nen °) Gleichwohl führte König Nimrot in der Darstellung das Pferd in der Linken, hier >= =UD, für „ergreifen, in der Hand halten.“ das Sistrum in der Rechten. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 59 Hier war ohne Zweifel der Griff und das Hathorgesicht mit resteb eingelegt. Ebenso ist es zu verstehen, wenn Sethos ]. in Karnak dem = . N ES © a c R Amon-ra weiht 215 EN 2 J I), eime Prozessions- 000 nd ra 000 bari em nub bek em Aesteb barke in Gold, gearbeitet (d. ı. eingelegt) mit ‚resbet. In den Annalen des Thuthmosis?) wird ein ausländisches Prachtstück von Gold in der Assy- rischen Beute genannt N Ki Ne none —]: „ein solde- ner Stab(?) reich verziert (leihen gesättigt) mit resteb. In Edfu ?) werden erwähnt: N) ıT 2° 72, Vasen in Gold auf ‚resteb. o0o0 HUT Das scheint „vergoldetes a zu sein, wie wir oben „Gold auf Silber“ für vergoldetes Silber gefunden haben. Und in der That enthält das Berliner Museum einen grolsen Skarabäus in imitirtem Lasurstein, der vergoldet war, wie die Spuren zeigen; auch einen Mund von vergoldetem Silber. Das yesbet wurde wie Gold und Silber gewogen nach Zen, ein Ge- wicht, das wir oben auf ce. 91 Gramm oder 54 Loth angegeben haben. Wir finden in der Beute T’huthmosıs II1.*) 110 ten Yesteb angegeben d. ı. über 20 Pfd., und an anderer Stelle?) 24 ten künstliches ‚resteb, über 4 Pfd. Es werden aber auch einzelne grofse Stücke aufgeführt; so in den Kriegs- [= 8 I ar ER Zu e) annalen 6) — IE — Ni l Tee eo] num eh N ächtes yesteb 1 grolser Stein betragend Z20ten Yket ächtes Yesteb 2 Steine Be ee az Dana Er NEL ee II zusammen (and) gestolsenes 30ten zusammen Ö0 ten und 9 ket vorzügliches (Xesteb) ‚Xesbet > em ® o ı1j Hier wog also der erste grolse Stein allein an oa oO Be 3 hetet 1) Champ. Gramm. p. 520. 2) Denkm. III, 32, 34. ef. >7%, magel, baculus, pedum. ®») Dümichen Temp. Inschr. I, 76,1. *) Auswahl, XII, 35. 5) Ibid. 1. 25. 6) Denk. III, 32, 32. Sg 60 LeEPrsıus: % ten oder gegen 4 Pfd., die beiden andern kleineren zusammen mit einer Quantität gestolsenen yesteb wogen 35 ten oder 54 Pfd. Es geht nun aus dem Aufgeführten bereits hinreichend hervor, dafs das ‚resbet kein Metall war, sondern in seiner ursprünglichen Form ein Stein. Darauf weist das Geschlecht des Namens hin, wie auch die blaue Farbe; denn diese hat kein Metall aufser dem blau angelaufenen Stahl den die Alten nicht kannten; ferner deuten darauf die oft ange- führten Amulete, die in Stein aber nicht in Metall gearbeitet zu werden pflesten, und endlich die gewogenen grofsen Stücke, die geradezu Steine, äner, genannt werden. Unter den Steinen ist aber wieder nur an den Lasurstein oder /apis lazuli zu denken, dessen schöne blaue Farbe zu allen Zeiten hoch geschätzt wurde. Die andern blauen Edelsteine an die man noch denken könnte, wie unser Sapphir, Cyanit, Türkis, kommen in zu geringer Menge vor um als Farbestoff zubereitet zu werden, und finden sich nicht in Form von Amuleten oder sonst wie in unsern ägyptischen Museen, während sich der Lapis lazul sehr häufig verarbeitet findet. Wir besitzen an solchen Gegenständen allein in Berlin an 100 Stück. Auch kommt keiner von den andern Steinen in der Gröfse von mehreren Pfund vor, wie wir dies vom resbet angeführt gefunden haben. Es ist daher unrichtig wenn Quenstädt (p. 250) den Sapphirus der Alten in unserm Saphir wieder finden will. Dafs nun aber ‚resbet dennoch aufser dem Lasurstein auch noch Anderes bezeichnete, geht gleichfalls schon aus den angeführten Stellen hervor. Denn wir finden noch besonders yesbet-ma, das „ächte ‚resbet“ unterschieden. Es gab also auch ein nachgemachtes künstliches und ob- gleich man dieses oft zu verstehen haben wird, wenn von ‚resbet ohne Zusatz gesprochen wird, so haben wir doch bereits eine Stelle aus den Annalen Thutmosıs III. angeführt, in welcher dem ächten das künst- liche ausdrücklich gegenübergestellt ist!). Hier werden nämlich 3 nz aufgeführt: en = 11112 )\0 N] Tl oO une en o0o0 _L 111 o0o Xesbet mä an Xesbet iri-t ten 24, Yesbet Bebelo |Ill ächter Lasurstein ten..., Künstlicher Lasursteinten 24, Lasurstein von Babylon... NN 1) Auswahl XII, 25. die Metalle in den ägyptischen Inschriften. 61 Wir finden aber auch wesentliche Verschiedenheiten der Form, in welcher das yesbet m den Wandbildern dargestellt erscheint. Es wird nämlich entweder aufgehäuft in Körben, oder in Beuteln, oder in läng- lich viereckigen regelmälsig aufgeschichteten Steinen, den Ziegelsteinen ähnlich, abgebildet. Dafs die resbet-Masse in den Körben blau gemalt wird, ist schon erwähnt; der Name stand darüber. Diese Form kehrt am häufigsten wieder !). In derselben Haufenform erscheint im Tempel von Medinet Habu?) das resbet mä, das ächte yesbet, mit aufgeschrie- benem Namen. Diese Form weist wohl mit Sicherheit darauf hin, dafs es die rohen Stücken des ächten Lasursteins sind, die hier aufgehäuft erscheinen, und dafs wir, wenn der Zusatz „ächt“ fehlt, dieses doch hier dabei zu verstehen haben. Diese Stücke wurden nun zu allerlei kleineren Gegenständen, wie Skarabäen, Augen und andern Amuleten, oder auch zu Perlen, Cylindern und ähnlichen Theilen von Halsbändern und Brustgeschmeiden verarbei- tet, oder sie wurden in noch kleinere Theile zerpocht, aus welchen dann die weilsen Stückchen herausgesucht und entfernt wurden, um den rein blauen Rest zum Farbstoff, nämlich zu unserm ächten Ultramarin, zu pulverisiren. In den Handel und zur Versendung und längeren Aufbe- wahrung in den Schatzhäusern, kam es schwerlich in Pulverform, sondern entweder im rohen Zustande, wo dann die gröfsten Stücke natürlich be- sonders hohen Werth hatten, oder in kleinen für die Farbe bestimmten Stücken. Jene sehen wir in Haufen abgebildet; diese füllten ohne Zwei- fel die Beutel, wie wir sie im Schatze Ramses I/1.3) neben den ‚resbet- Haufen und in Gemeinschaft mit andern ganz gleichen Beuteln, welche nach ihrer Aufschrift Gold enthielten, abgebildet sehen. Auch die Gold- beutel enthielten natürlich nicht Goldklumpen sondern entweder Goldstaub, d. h. Gold in kleinen flachen Stückchen, wie sie aus dem Sande der Flüsse und Bäche ausgewaschen wurden, und welche die Araber des obern Nils jetzt fibber nennen, oder das zerpochte und vom Gestein gesonderte, aber noch nicht ausgeschmolzene Berggold; denn dafs beides in Beuteln auf- !) Denkm. III, 115. 117. 118. Hoskins, p. 330. 334. ?) Dümichen Hist. Inschr. 34. 3) Düm. Hist. Inschr. 32. 62 LEPSIUS: bewahrt wurde, lehren die Aufschriften der Goldbeutel. Diese zerkleinerte, aber wohl noch nicht pulverisirte Form des Lapıs lazuli ist es ohne Zwei- fel, die in der oben angeführten Stelle kenkenu hiels, denn „A, AST; bedeutet!) „zerschlagen, zerstofsen“, und wird zwei Kolumnen weiter ebenso vom Silber gebraucht, welches auch gediegen gefunden und wie das Gold behandelt wurde. In der letztern Stelle ist das Wort voll- ständig erhalten das beim ‚resdet halb zerstört ist, aber nun mit Sicher- heit wieder hergestellt werden kann. Es bleibt noch die dritte, die Ziegelform des yYesbet, zu erklären übrig, die sich gleichfalls unter den Schätzen Ramses Ill. abgebildet findet?). Es ist bereits früher erwähnt worden, dafs auch die edeln Metalle, Gold und Silber, in der gleichen Form von Ziegelsteinen er- scheinen ®), nur sind sie zuweilen etwas dünner, mehr barrenähnlich ge- zeichnet, zuweilen aber ganz wie das yesbet in Ziegelform. Bei den Me- tallen erklärt sich diese Form leicht; es ist die Form die dem geschmolze- nen Metalle gegeben wurde, wie wir es noch jetzt ähnlich in Barren, Stan- gen oder Ziegeln giefsen. Silber, Kupfer und Blei erscheint ebendaselbst (Taf. 54.) auch in gröfseren und dünneren Platten die an einander ge- lehnt wurden, und andere Platten dieser Art (Taf. 32), die keine Auf- schrift haben, sind vielleicht für Goldplatten zu nehmen. Wie aber konnte der Zapıs lazull in regelmäfsig viereckiger Gestalt erscheinen, wel- che wohl gegossen, oder wie die Nilziegel aus nasser Erde geprelst werden, aber nicht aus einem Stein hergestellt werden kann, er mülste denn, wie ein Baustein so zugehauen werden, was bei dem kostbaren und nur in kleinen Stücken vorhandenen Lasurstein keinen Sinn hat. Wenn es daher unmöglich sein dürfte, diese Gestalt auf den Lasur- stein zu beziehen, so müssen wir darin eine Form des unächten künst- lichen ‚reset erkennen, und zunächst untersuchen woraus dieser Stoff be- stand, wie er hergestellt und wie verwendet wurde. Da uns hierüber die Inschriften und Darstellungen nichts lehren, als dafs das künstliche yesdet schon in früher Zeit unter Thuthmosis II. erwähnt und unter Ramses III. in Ziegelform abgebildet wird, so muls- 1) Brugsch, Wörtb. p. 1463. °) Dümichen Hist. Inschr. 32. 5) MHoskins, p. 330, Tat.; Champ. Notices p. 507. 508. Die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 63 ten die der Lasur ähnlichen Stoffe selbst näher untersucht werden, die uns in den Museen vorliegen, also die blauen Glasflüsse und die von den alten Malern gebrauchte blaue Farbe. Ich habe dies, soweit mir Proben zu (Gebote standen, mit der freundlich gewährten Hülfe meiner sach- gelehrten Herren Collegen gethan. Dabei hat sich folgendes ergeben. Blaue Glasflüsse finden sich in Menge, theils mehr oder weniger durchsichtig oder opak; theils so dafs 50 Gegenstände von gebrannter Erde oder geeignetem Steine mit einer Glasur überzogen sind. Die Nüancen gehen von sehr dunklem Blau bis zum schönsten Hellblau des orientalischen Türkis. Eine Menge in meiner Gegenwart von Herrn Dr. Hertzog mit dem Löthrohr durch Auflösung mit Borax gemachten Versuche, ergaben das unzweifelhafte Resultat, durch den grünlichen Schimmer der Flamme, die blaue nach dem Grün sich neigende Färbung der Perle und die opak rothe Färbung derselben bei einer Zuthat von Zinn, dafs die bei weitem grölste Menge aller Arten von blauen Glasflüssen als färbende Basis Kupfer enthielten. Im Berliner Museum befindet sich eine Quantität von blauem Pulver, welches in einem ägyptischen Grabe so präparirt in einer Schale gefunden wurde. Es war offenbar zum Malen bestimmt. Die Analyse des Mr. Vauguelin, welche in dem Katalog Passalacqua!) mitgetheilt ist, wird durch die folgende die ich Hrn. Prof. Rammels- berg verdanke, im wesentlichen bestätigt. Vauguelin Rammelsberg Silice 70 Kieselsäure 70,5 Chaux 9 Kalk 8,55 Oxide de cuivre 15 Kupferoxyd 13,00 Oxide de fer 1 Eisenoxyd BEN Soude me&lee de potasse 4 Magnesia 4,18 Auch hier ist also das Kupfer das färbende Element. Endlich hat sich auch bei einer Untersuchung der von Denkmälern des Alten wie des Neuen Reichs sowohl von Stein als von Holz abgeschabten blauen Malerfarben vor dem Löthrohre ergeben, dafs sowohl die helleren als die dunkleren Kupfer als das fürbende Element enthielten. 1) Catalogue raisonne. 1826. p. 239. 64 LEPsıvus: Die untersuchten Farben waren allerdings sämmtlich breit und dick autgestrichene Farben. Von feineren Malereien kleinerer und kost- barer Gegenstände lies sich die Farbe nicht untersuchen. Es hindert daher nichts anzunehmen, dafs man sich dennoch im letzteren Falle auch hin und wieder der ungleich kostbareren Farbe des zerriebenen Lasur- steins bedient habe. Von Wichtigkeit ist es aber, dafs sich unter den Glasflüssen auch mehrere Beispiele streng nachweislich gefunden haben, in welchen man sich als fürbenden Elementes des Kobalts bedient hat. Die Kenntnils des Kobalt pflegte man den Alten überhaupt ab- zusprechen!) und der gelehrte Joh. Beekmann, der auf diesem Felde eine so berechtigte Autorität hat, glaubte dies noch besonders nachweisen zu können ?). Die Analysen einer Anzahl von Glasflüssen des Berliner Museums haben aber die Kenntnils und den Gebrauch des Kobalt um dem Glase eine dem Lasursteine sehr nahe kommende schöne blaue Farbe zu geben aulser Zweifel gesetzt. Ein kleines viereckiges Amulet, welches im Katalog Passalacqua ®) als aus lapis lazul! aufgeführt ist, und welches auf der einen Seite die Zeichen IS, auf der andern eine Katze über dem Zeichen des Goldes, in gutem alten Stiele eingegraben enthält, hat sich bei der Untersuchung in meiner Gegenwart als mit Kobalt gefärbter dunkelblauer opaker Glas- fluls vor dem Löthrohre ausgewiesen. Eine fast anderthalb Zoll lange dunkelblaue Glasperle, welche zu einem Halsbande von gleichen Perlen in sehr verschiedenen Farben gehört, wurde von den Herren Clemm und Jehn in dem Labortorium des Hrn. Prof. Hofmann, untersucht und ergab die folgende quantitative Analyse: ‘) Quenstädt, Handb. der Mineral. Tübingen 1855. p. 250. Doch soll es von Mr. Davy gefunden worden sein, wie Rosellini (Mon. Civ. vol. II. p. 194) mittheilt. ”) Beiträge zur Geschichte der Erfindungen. 3. Band. p. 204 fl. S) ep: 15.20.2607. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 65 Kieselsäure 74,308 74,418 Cobalt Oxydul 2,86 2,82 T'honerde 0,95 1,01 Eisenoxyd 1,81 1,78 Kalk 8,50 8,47 Magnesia 2,81 2,83 Natron 3,63 =— Kalı 5,45 — 100,348 Auch hier ist also der Kobalt die färbende Substanz. Die andern Ele- mente sind soweit sie nicht zur Glasbildung gehören wohl nur zufällige Beimischungen. Eine grolse etwas lichter blaue Glasperle, welche 07046 lang und 0%032 in der Mitte breit ist, von der Preufsischen Expedition zurückgebracht, wurde von Hrn. Clemm untersucht und ergab folgende Bestandtheile: !) Kieselsäure 67,078 Kobaltoxydul 0,95 Thonerde 1,24 Eisenoxyd 4,91 Kalk 5,61 Magnesia 0,91 Natron 2a Kalı 12515 Manganoxyd 1,37 Zinnoxyd 0,58 Bleioxyd 3,66 100,56. 1) Dazu die Notiz des Hrn. Hofmann: „Man kann nicht daran zweifeln, dafs das Kobalt in Gestalt irgend eines Kobaltminerales den Glasflüssen zugesetzt worden ist. Es läfst sich nicht bestimmen, welches Kobaltmineral das gewesen ist. Sämmtliche Bestand- theile, welche möglicherweise als Begleiter des Kobalts in den Glasfluls gekommen sein können sind auch sehr häufig in den wesentlichen Materialien des Glases, Kieselsäure, Kalk, Kali und Natron enthalten. Interessant ist es, dafs die grofse Perle Blei enthält. Ein Philos.-histor. Kl. 1871. 9 66 LErsıvs: worin also die drei letzten Bestandtheile Manganoxyd!), Zinnoxyd und Bleioxyd mehr als in der vorhergehenden Analyse enthalten sind. Kobalt hat sich auch bei der Untersuchung eines falst 14” langen flachen Skara- bäus aus Glasfluls ergeben, der nicht durchbohrt ist, sondern auf eine Unterlage, wahrschemlich ein gröfseres componirtes Amulet, aufgekittet war, dessen Mitte er bildete; desgleichen in den gröfseren und in den kleinen dunkelblauen Perlen, welche Theile eines Halsschmuckes bildeten, und mit den übrigen Schätzen einer Aethiopischen Königin ?) von Ferlini in einer Pyramide von Mero& gefunden wurden. Auch ein sehr kleiner aber vortreffllich in Glas geschnittener liegender Löwe hat genau die Farbe, welche auf Mischung mit Kobalt hinweist. Auch eine kleine Mumienfigur von weilslichem Porzellanüberzug mit violetten Hieroglyphen wurde ®) qualitativ analysirt, und ergab folgende Bestandtheile: Kieselsäure, Eisen- oxyd, Thonerde, Kalk, Magnesia, Kali, Natron, für den weilsen Überzug ZH seltner vorkommender Bestandtheil des Glasflulses ist das Zinnoxyd. Ein in den meisten Kobaltmineralien vorkommender Bestandtheil ist das Nickel; von diesem Metall hat man weder in der einen noch in der andern Perle eine Spur auffinden können. 1) Russegger, Reise in Unterägypten, auf der Halbinsel des Sinai, ete. 1547. p- 225 ff. fand im Wadi Nasb alten Bau auf Eisenstein und Braunstein, in Verbindung mit Manganerzen. ?) Sie wurden im Jahre 1842 von mir in London für das Berliner Museum ange- kauft und sind die einzigen bisher bekannten Bijou’s Aethiopischer Kunstarbeit. P + > 2 r ——) 3) Name der Frau | 5 +) „Die Glasur der Figur hat die grölste Ähnlichkeit mit der Salzglasur, welche noch heutzutage bei der Steinzeugfabrikation in Gebrauch ist. Dieselbe wird einfach durch Einwerfen von Kochsalz in die Öfen hervorgebracht, in welchen die Thongefälse gebrannt werden. Das Kochsalz verflüchtigt sich und der Dampf desselben zerlegt sich zumal mit dem Eisenoxyd des Thones in Eisenchlorid, welches verdampft, und Na- tron, welches mit der Kieselsäure zusammentretend die Thongefäfse mit einem leicht schmelzbaren Glase umfängt. — Von besonderem Interesse ist die Art und Weise, wie die violetten Hieroglyphen auf der Figur erzeugt sind. Man erkennt deutlich, dals die- selben durch besonderes Auftragen des Farbmaterials entstanden sind, indem die Zeich- nung an einigen Stellen hoch über die Fläche der Figur hervorragt. An diesen Stellen gelang es olıne Schwierigkeit eine hinreichende Menge der violetten Substanz von der Masse der Figur abzulösen und die Natur des färbenden Prineips mit vollkommener Sicherheit zu constatiren. Die Farbe ist durch ein leicht schmelzbares Mangansilikat hervorgebracht. Zum Nachweis des Mangans wurde das abgelöste Farbmaterial mit Natriumkarbonat und Kaliumnitrat vor dem Gebläse auf einem Platinbleche geschmolzen. Alsbald entstand die smaragdgrüne Farbe des mangansauren Alkalis.* die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 67 Die violette Farbe der Hieroglyphen war durch Mangan hervorgebracht. Dafs der Mangan (Braunstein), welcher der Ähnlichkeit wegen mit dem Eisenstein magnes verwechselt wurde, den Alten bekannt war und zur Ent- färbung des Glases gebraucht wurde, geht aus einigen Stellen des Plinius !) hervor; dafs er auch zum Violettfärben des Glases durch etwas stärkeren Zusatz benutzt wurde, war zu vermuthen, aber wohl noch nicht nach- gewiesen. Diese hier mitgetheilten Analysen von Stoffen, welche entweder alle unter den Namen eines künstlichen ‚resbet gefalst werden konnten, oder unter denen sich dieser wenigstens mit befunden haben wird, erklären aber doch noch nicht für sich allen die Ziegelform, in der wir ihn abgebildet sehen. Amulette daraus umzugiefsen statt aus den Urstoffen direkt zu verfertigen hätte keinen Sinn gehabt, und die Malerfarben konn- ten gleichfalls durch unmittelbares Pulverisiren der Kupferlasur, wenn dieses viel weniger kostbare Mineral dem lapis lazul substituirt werden sollte, gewonnen werden. In der That hat sich eine solche Substitution in der neueren Zeit gerade so ereignet. Beckmann?) theilt aus den Reisen von Tavernier (vol. I, 242), der selbst ein Händler mit Edelsteinen war und daher ihre Herkunft und Handelswege genau kannte, mit, dals in Persien früher als gute blaue Farbe nur die ächte Lasur gebraucht wurde, welche aus der grolsen Tartarei kam. Als man aber in den Persischen Kupfergruben auch Kupferlasur fand, welche gerieben und gesiebt, wie man es mit dem ächten Zapıs lazuli that, eine feine und schöne Farbe gab, so nahm man diese statt der ächten; ja es wurde geradezu den Malern verboten, sich der theuern fremden Farbe ferner zu bedienen. Nach einiger Zeit aber fand sich, dafs die Persische Kupferlasurfarbe sich nicht in der Luft für lange Zeit hielt, sondern allmählig nachdunkelte und ihren Glanz verlor; und so kehrte man bald wieder zu der ächten Farbe zurück. Diese Vergänglichkeit der künstlichen yesbet-Farbe fand nun aber in Aegypten nicht statt, obgleich hier wie dort, wie wir gesehen haben, Kupfer das färbende Element war. Es ist überraschend wie frisch und unverändert sich das Blau in den Tempeln und Gräbern und auf Gegen- 1) H. N. 36, 66. ?) Beiträge ete. IH, 179. 68 LeEPpsıus; ständen erhalten hat. Allerdings ist zuweilen, da namentlich die Farbe sehr dick aufgetragen war, das Blau im Laufe der Jahrtausende dunkler geworden, aber auch dann nur unmittelbar an der Oberfläche. Schabt man diese ab, so liegt meistens das ursprüngliche frische Blau noch un- verändert darunter. In andern Fällen, und gerade auf Monumenten des alten Reichs, ist auch die Oberfläche vollkommen hellblau geblieben. Die Entdeckung eines so wirksamen Konservirungsmittels mufs für Aegypten, welches alle seine Denkmäler grofs und klein, im freien wie in den ver- schlossenen Gräbern mit einer Fülle der glänzendsten Farben zu bekleiden liebte, ein überaus wichtiges Moment gewesen sein. Und so wird uns denn auch berichtet, dafs die alten Annalen den Namen des Königs auf- bewahrt hatten, welcher die Vorzüge des ächten Lasurstein durch eine künstliche Bereitung zu erzielen wulste. Leider ist uns der Name selbst weder von Theophrast, noch von Plinius, die der Sache Erwähnung thun, überliefert worden. Worin aber diese Entdeckung bestand, das dürfte sich noch aus den Untersuchungen der erhaltenen Farbstoffe mit Sicherheit bestimmen lassen. Es ergiebt sich nämlich aus der mikroskopischen Betrachtung sämmtlicher blauen Farbestoffe, dafs sie aus Glassplittern, also aus pulve- risirtem Glase bestehen. Ich habe sowohl das erwähnte alte Pulver, als die abgeschabten Farbenproben noch besonders mit pulverisirter Kupfer- lasur und Bergblau unter dem Mikroskop verglichen, und den Unterschied der einzelnen Partikeln deutlich erkannt, der sich auch dadurch noch be- merkbarer macht, dafs den blauen Glassplittern öfters auch weıilse bei- gemischt sind; offenbar um durch das farblose Glas der Farbe einen helleren und glänzenderen Ton zu geben. Es ist nun begreiflich, dafs die im Glase gebundene Farbe ungleich dauerhafter sein mulste als die des gestofsenen Kupfererzes selbst, wenn sie auch die Unveränderlichkeit des gestolsenen Lasursteins nie vollstän- dig erreichen konnte, weil in dem letzteren gar kein Kupfer, welches sich durch den Sauerstoff der Atmosphäre verändern könnte, vorhanden ist, sondern die Farbe des Lasursteins, wie die neuesten Untersuchungen lehren, hauptsächlich durch eine Eisen- und Schwefelverbindung entsteht. Dieser Umweg der Farbenbereitung durch das Glas erklärt nun aber auch die Ziegelform des yesdet in den alten Abbildungen, die auf die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 69 keinem andern Wege zu begreifen ist. Die Glasmasse wurde in diese Form gegossen, um so selbst wieder als Rohmaterial für die Farbe zu dienen, so kam sie in den Handel und Verkehr und wurde so unter den übrigen werthvollen Dingen in den Schatzhäusern aufbewahrt. Was von jeher bei den Aegyptern einen so hohen Werth hatte, von fremden Völkern eingeführt wurde und eine so allgemeine Verwen- dung fand, wie das resbet, mufste nothwendig auch den Griechen unter einem bestimmten Namen bekannt sein und von ihnen geschätzt werden. Bei Theophrast, der hierbei unsre Hauptquelle ist, finden wir zwei Namen, die hierher gehören. Im $. 23. nennt er unter den Steinen, die für Sigel- ringe geschnitten werden auch den Stein FamBeıgc, und sagt von ihm: arm derriv YoUccrarrtes; er sei wie mit Gold gesprenkelt. An einer andern Stelle ($. 37) sagt er von demselben «urn ueruwa cur ayav meggw Tel Kud- vev rev «pgevcs, „er sei schwarz (d.h. dunkelblau) ähnlich dem männlichen zvaves. Dies reicht hin, um den Lasurstein darin zu erkennen. Unser Saphir kann darunter nicht gemeint sein, da dieser jederzeit nur eine voll- kommen gleiche Farbe hat, während der /apts lazuli der einzige edle blaue Stein ist, der ebenso constant mit kleinen Punkten von Schwefelkies gezeich- net ist, welche für den Anblick vom Golde nicht zu unterscheiden sind. Sie wurden auch vielfach dafür gehalten; auch von Theophrast selbst. C. Schneider zwar, in seiner deutschen mit guten sachlichen Anmerkun- gen versehenen Ausgabe der Schrift „von den Steinen“, meint dafs WITwEg vor ygurorasres lehre, dafs Theophrast die Punkte nicht für Gold gehalten habe; dieses örzeg bezieht sich aber offenbar auf die zweite nicht auf die erste Hälfte von xgurererres. Plinius (37, 120) drückt sich noch be- stimmter aus, wenn er vom cyanos sagt: inest aliquando et aureus pulvis qualis in sapphiris; in 1is enim aurum punetis conlucet!). In dieser Stelle muls es nur auffallen, dals von dem sapphirus noch ein zweites Mineral, der eyanos, unterschieden wird, dem gleichfalls Goldpunkte zu- geschrieben werden. Vom zviaves spricht schon Theophrast aus dessen Worten aber hervorgeht, dafs auch hier Plinius ihn mifsverstanden und die Dinge in Verwirrung gebracht hat. Der zueves der nie ein Metall bezeichnete, also 1) C£. 37, 139. 33, 68. 70 LeEPsıvus: auch nicht den Stahl, den man in Homerischen und Hesiodischen Stellen hat finden wollen, umfafst bei Theophrast verschiedene Steine oder mi- neralische Stoffe, welche nur die gemeinschaftliche Eigenschaft hatten, dals aus ihnen eine blaue Farbe bereitet wurde. $.50. geht er zur Anführung derjenigen Minerale über, deren sich die Maler zu Farben be- dienten. Man finde sie in den Gold- und Silbergruben, einige aber auch in den Erzgruben; unter denen er auch den xv«vcs aufführt. Die ver- schiedenen Arten des xzvavcs stellt er $. 55. zusammen und sagt hier fol- gendes: "Eorı d&, uTmEg zul miATeS A uv aurouaTes, 7 de Teyvıny, nal HUavos 6 nv aurohbuns, 6 de OneuaTros, urmep &v Alyumrw. Tevn de nuaveu Tod, 6 Alyumrıos, zal SauIys ui rgires 6 Kumgıos. BeArıoros 6’ 0 Alyumrios eis Ta angarı Asıwuara, 4 d8 EruSns Eis Ta Üdagerrega. Nnevanros d’ 6 Alyum- rıos. Kal ci Yodpovres 7a megi Tels Aarırels xal roüro ypabeusı, Tis meWres Basırels Emomoe yyurov xUavov MIuNTameEvos rev auroduN, Öduga TE REUmEr Sa mad arruv de Hal Er bowiens bogov Kuavcl, TOD Ev dmugov Tou de TErvoR- evcv. „Wie der Mennig theils natürlich theils künstlich ist, so ist auch der zvavos theils selbstgewachsen theils zubereitet wie in Aegypten. Es giebt aber drei Arten des xvarce, den Aegyptischen, den Skythi- schen und drittens den Cyprischen. Der beste für die tieferen Farben ist der Aegyptische, für die helleren der Skytische. Der Aegyptische aber ist künstlich zubereitet; und welche über die Könige geschrieben haben, melden auch, welcher König zuerst den geschmolzenen zuavcs bereitete und damit den natürlichen nachahmte, und sagen, dals nebst andern auch Phönizien einen Tribut von xvarss sende, theils von unge- branntem theils von gebranntem.*“ Diese klassische Stelle über den zuavos lehrt uns Alles was wir darüber wünschen können. Er theilt die verschiedenen Arten zuerst in natürlichen und künst- lichen zvavcs, was namentlich in diesem Abschnitt über die Farben, sich nur auf die ächte oder unächte Farbe beziehen kann. Der künstliche, sagt er ausdrücklich, sollte den natürlichen nachahmen. Es ist daher klar, dafs der ächte zvavos kein andrer als der Lasurstein und die aus ihm gewonnene Farbe sein kann, ebenso wie in den Hieroglyphen das ächte yesbet Lasurstein ist. Man hätte dies auch aus einer andern Stelle bei Theophrast ersehen können, wenn diese jetzt in allen Ausgaben nicht anders lautete als Theophrast ohne Zweifel geschrieben hatte. Wir die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 71 lesen jetzt $. 39.: »vavos auropuns, Eymv Ev Eaurs YourcroAAav. Nun heilst xavrererr« nichts andres als Goldloth, und weil man zum Goldlöthen hauptsächlich Kupfergrün nahm, wie Plinius (33, 86. 29.) ausführlich erzählt, so benannte man letzteres mit demselben Namen, wie dies schon von Theophrast ($. 26.) geschah. Dafs nun der xvaves aursbuns Kupfer- grün enthalten soll, hat keinen Sinn; auch will er von Steinen sprechen, die Metalle enthalten. C. Schneider meint daher, dafs xgur>zeAr« hier eine andere Bedeutung als an den übrigen Stellen haben müsse und viel- mehr die sogenannte „Krätze“ bezeichnen solle, welche den Hauptgemeng- theil des Goldlothes der Alten ausgemacht habe und darin am meisten sichtbar gewesen sei. Wir bedürfen aber dieser künstlichen Erklärung nicht; es ist vielmehr gar nicht zu zweifeln, dafs Theophrast nicht xgure- z>AAav, sondern xgur>zeviav schrieb. Die Striche von AA und NI sind ganz dieselben und mufsten nur richtig gelesen werden. Man las gedankenlos xguToroAAav, weil das Wort schon häufig in derselben Schrift vorgekommen war, während %gurozovie ein ganz richtiges, sonst aber nicht vorkommen- des Wort für „Goldstaub“ ist; nur das in Prosa seltenere xcvis erscheint statt zovie zu AguTorovis zusammengesetzt. Plinius las hier noch ganz richtig xgurezeviev, denn die oben angeführte Stelle über den eyanos, von dem er sagt, inest aureus pulvis, ist gerade die Übersetzung von den Worten des Theophrast. Nur mifsversteht er ihn darin, dals Theophrast die Worte exuv Ev Euurs Ypurexeviev auf den zvavos durepuns beschränkte, worunter er eben den sarpegss selbst versteht, während Plinius durch den Zusatz qualis in sapphiris, zeigt, dafs er es hier mit zwei verschie- denen Steinen zu thun zu haben glaubt. Jetzt erst werden die verschiedenen Bedeutungen des zvavcs klar. Theophrast unterscheidet 1.) den xvavos aürspuns, den selbstgewachsenen, d.h. den ächten Lasurstein, dessen Farbestoff nicht präparirt zu werden brauchte, sondern aus gestolsenem Lasurstein selber bestand. 2.) zvavcs OREUATTOS MunTausvos rev atrohvg. Das ist die unächte Lasur, deren künst- liche Herstellung theils den Zapıs lazuli selbst, theils den ächten Ultrama- rin ersetzen sollte. Diese wichtige Erfindung, welche darin bestand, dafs man statt des Zapis lazul! ein Kupfererz nahm, mit ihm einen Glasflufs blau färbte und dann erst das pulverisirte Glas als blaue Malerfarbe ge- brauchte, war, wie berichtet wird, von einem alten ägyptischen Könige 72 LEepsıuvs: gemacht worden, dessen Name in den Königsannalen verzeichnet war. Uns ist er unbekannt; er muls aber in die frühsten Zeiten des Alten Reichs gehört haben, da sich bereits die blaue und grüne Farbe der alt- memphitischen Dynastieen als aus gepulvertem Glase bestehend bei näherer Untersuchung erwiesen hat. Diese Lasur mulste also durch das Feuer, es war wie Theophrast sagt ein xvaves yures ein durch Feuer geschmol- zener der, wie wir auf den Monumenten sehen, in Ziegelform gegossen wurde. Davon wurde dann aber 3., der unächte und ungebrannte zvaves unterschieden, den er als @ruges dem rervgwueves gegenüber stellt. Das war die rohe blaue Kupferlasur, die pulverisirt auch eine schöne blaue Farbe!) aber von geringer Haltbarkeit ergab wie dies in neuerer Zeit die Perser erfuhren, die deshalb zum ächten Lasursteine zurückkehren mufsten, weil sie die ägyptische Erfindung das Kupferblau durch das Glas hindurch- sehen zu lassen, nicht kannten. Wenn es nun heifst, dals die Phönizier den Aegyptern sowohl ungeschmolzenen als geschmolzenen zvaves lieferten, so wurde der erstere wohl in Aegypten noch nachträglich geschmolzen und nur aus Versendungsgründen in der compendiöseren Form, statt in Glasform, obgleich deren Bereitung in Phönizien, wie begreiflich, auch bekannt geworden war, geliefert. Diese drei Arten des zUVavss oder yesbet wurden nun auch nach den verschiedenen Ländern aus denen sie stammten, benannt. Theophrast nennt zuerst den Aegyptischen; dieser sei sagt er der künstliche, dessen Bereitung in Aegypten erfunden sei. Das Material dazu erhielten sie aber von auswärts. Dieser lieferte das tiefste Blau, r« axgar« Aeımuara. Da das weilse Glas schon mit 15 bis 20% Kupferoxyd tief blau gefärbt wird, so liefs sich leicht jede Nüance hervorbringen. Erst in zweiter Stelle nennt er dann den Skythischen ztavcs welcher für die helleren Farben der vorzüglichere sei. Plinius nennt dagegen als beste Qualität die Skythische, läfst dann die Cyprische und zuletzt die Aegyptische folgen. Ich zweifle nicht dafs der Skythische zvavss der ächte lapis lazuli, und der ächte aus ihm bereitete Ultramarin war. Denn es scheint dafs von jeher das rechte Vaterland des Lasursteins, wie im Mittelalter und noch heutzutage, die Tartarei war, namentlich das heutige Badakschan im alten I!) Quenstädt, Mineral. p. 406. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 75 Baktrien, mitten in jenen östlichen vom Kaspischen Meere sich weit hin streekenden Ländern, die in den nach-herodotischen Zeiten mit dem all- gemeinen Namen Skythien umfafst wurden!). Von dort kam der kostbare Stein über Parthien und Medien nach Babylon und zu den Küsten des Mittelmeers. Unter den Kostbarkeiten, welche T’hutmosis III. in seinem 37. Regierungsjahre aus Mesopotamien den Rotennu oder Assyriern ab- nimmt, bringt der Fürst von Sankaro eine Quantität (die Zahl ist abge- brochen) von „ächtem yesbet;“ ferner 24 ten künstlichen yresbet und dazu ein andres Gewicht (die Zahl fehlt wieder) resbet von Babylon. Diese letzte Sorte wird auch an einer andern Stelle unter der Assyrischen Beute des Jahrs 24. erwähnt, indem der Fürst von Assur einige Bl un von seltner Gröfse, ferner zerkleinerten ‚resdet und endlich I]: N MMM— „guten yesbet von Babylon“ darbringt. Ohne Zweifel war dies Alles ächter /apıs lazulı, nur in verschiedener Form, und kam sämmtlich aus dem fernen Baktrischen Gebirge. Dafs die letzte besonders gerühmte Qualität nach Babylon benannt ist, beweist nicht dafs er in diesem Flach- lande gefunden wurde. Vielmehr wird man in Babylon nur den einge- führten Stein besonders behandelt, vielleicht mehr gesichtet oder bereits zu guter Farbe pulverisirt und zum Gebrauche der Maler geschickt ge- macht haben. Auf dem Beutel im Schatzhause Aamses 11I?), in welchem sich nur pulverisirter oder doch zerkleinerter /apıs lazulı befinden konnte, steht ° ee I „resteb von Teflel“ oder „Tefrer.* Auch 1 Ia_ sl Al , dies mulste ächter Lasurstein sein. Der Ort Teflel aber wird eben so wenig der wirkliche Erzeugungsort des Lasursteines gewesen sein, sondern wie Babylon der Name einer Zwischenstation, von wo der ächte resbet bezogen wurde, wahrscheinlich an der entferntesten Grenze des ägypti- schen Verkehrs, da der Name meines Wissens nie anders als in Verbin- dung mit dem yesbet vorkommt. In der a wird dieser in den hiero- = > _—Z—2 an PLL wi glyphischen Varianten: >) EYE wu #), ” am), Ze MM DR 1) Nach Plinius (33, 68) kam der goldschimmernde sapphirus, also der Lasur- stein, aus dem „Orient.“ ?) Dümichen Hist. Inschr. Taf. 52 SE DiümseRecBVar752227l, A 2), 1Ibid:769, 4. 2); Ib..63,.5 Philos.-histor. Kl. 1871. 10 74 Lresrus: PURE DE UM Ptolemäer und Römer genannt in den Listen, in welchen die Länder )h a 2), regelmäfsig als das Land des ‚resbet zur Zeit der aufgeführt werden, aus denen die Aegypter ihre kostbaren Mineralien bezogen. Nur einmal finde ich den Ort Teflel?), durch den andern FH nn, yentset*), vertreten, welchen Brugsch®) nicht ohne Gründe onacao nach Palästina zu legen geneigt ist, weil von dort auch Holz vom Baume a$ bezogen wurde®). Vielleicht war dies der Palästinische Speditionsort des Skythischen ‚resbet. Die dritte Art des »vavos bei Theonhrast wird die Cyprische genannt. Cypern war bekanntlich von je das Kupferland, und hat selbst auf uns noch den Namen des Kupfers vererbt. Dafs in Öypern auch der kostbare Lapis lazuli gefunden worden sein sollte, dessen Bestandtheile und Farbe gar nichts mit dem Kupfer zu thun haben, ist sicher nicht anzu- nehmen; es würde uns sonst berichtet worden sein; auch jetzt wird er dort nicht gefunden. Es wird also der Cyprische zUavos nur von der Kupfer- lasur verstanden werden können und von der aus Kupfererzen gewonnenen Farbe des gegossenen und dann gepulverten Glases. Der zuavcs also, von welchem Theophrast ausdrücklich sagt, dafs er in Kupferbergwerken gefun- den werde ($. 51.), ist der Cyprische. Er sagt von diesem in der angeführ- ten Hauptstelle nichts besonderes, wie vom Aegyptischen und vom Sky- thischen, deshalb wohl, weil der Aegyptische sxevarros im Rohmaterial selbst vornehmlich Oyprischer »vavos war. Wenn der Letztere ungebrannt gestolsen wurde, so gab er eine zwar wohlfeile aber unhaltbare, also wohl nur wenig gebrauchte Farbe. Dafs er aber auch ungebrannt versendet 1) Dümichen 71,4. 73,4. 63,5. 2). 1b. 69,4. 3) Man könnte an einen der wichtigen Knotenpunkte des Handels zwischen dem östlichen und westlichen Asien Tiflis oder Tebris südlich von Caspischen Meere denken, wenn sich ein alter Ursprung dieser Städte und die Identität der einen oder andern mit dem Tephlis des Cedrenus in der Nähe von Medien, oder mit Tephrike desselben in der Nähe von Armenien nachweisen liel[se. 2) 173,4. >) Geographie III, p. 72. 6) Düm. Hist. Inschr. II, 56. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 03 wurde, sagt dieselbe Stelle ausdrücklich. Da es aber Kupfererze nicht nur in Cypern, sondern, wenn auch in geringerer Quantität und Qualität auch in andern Ländern gab, so darf es nicht verwundern, wenn wir xesbet in blauen Haufen und im blauen Smaltvasen auch von südlichen und westlichen Völkern dargebracht sehen 1), und bei Aristoteles?) lesen, dafs der zvaves und die KouToroAAa auch auf der Insel Ayuovyres, d.i. Chalkitis in der Propontis, die sich auch durch ihren Kupferreichthum auszeichnete, gefunden wurden. Wir haben nun aber gefunden, dafs die Aegypter auch den Ko- balt kannten und Glas damit färbten. Auch dieses scheint Theophrast im Gegensatz zum kupfergefärbten ‚resbet anzudeuten. Er sagt $. 31., nachdem er von dem cagdıss oder Karneol und dem bernsteinartigen Auykougiov berichtet hat, dafs diese sich in eine dunkle und eine hellere Art theilen, welche aponv und S7Avs genannt werden: zaneiraı de zai zU«- vos 6 ev aoonv, 6 de -SNAus MERavregos de 6 agenv. Wenn er vom zuavss ohne nähere Bezeichnung spricht, so meint er den gewöhnlichen Aesyp- tischen in Glasform, nicht den «urepugs, oder Skythischen, dessen eigent- licher Name sargeıpes war. Dals dies namentlich hier der Fall war, geht aus den Worten in $. 37. hervor, wo er den s&r@eıg0s ausdrücklich vom »Vavcs @poyv unterscheidet; denn er sagt: «urn yag (A vampsıyos) uerawa cur dyav moppw ToV zuavov ro aogevos. Der Lasurstein sei dunkel nicht sehr entfernt (in der Farbe) vom „männlichen“ xtaves. Es kann hier also nicht von einer dunkleren und helleren Sorte des Lasursteins selber die Rede sein, der zwar auch in der Regel mit mehr oder weniger Quarz durchsetzt ist und danach dunkler oder heller erscheint, aber in so all- mähligen Übergängen, dafs hier von verschiedenen Arten nicht wohl die Rede sein kann. Ebenso wenig palst hierher, wenn er sagt (s. oben), der ägyptische zieves, also das blaue Glaspulver sei geigneter für die dunkleren Farben, der skythische, also der gepulverte Lasurstein für die helleren, denn hier ist eben nur von den Farben, nicht von den Steinen die Rede; und ebensowenig, wenn er gleich darauf (in demselben $. 55.) sact, dafs die Farbenreiber aus ein und demselben »vavos 4 verschiedene te) 2, Hoskins, p. 830. ?) de mirab. auscult. 58. 10° 76 LEPSIUS: dunklere und hellere Nüaneen zu reiben verstehen. Dagegen liest es sehr nahe daran zu denken, dafs der mit Kobalt gefärbte Glasflufs — denn nur von dem Glase kann die Rede sein — «geyv, der mit Kupfer ge- färbte S7?Aus genannt wurde. Beide unserscheiden sich in der That augen- fällig. Der Kobalt färbt immer mehr dunkelblau, und nähert die Glas- farbe in überraschender Weise dem tiefen Saphir-Blau des reinen nicht mit Quarz versetzten Lapis lazuli, so dafs beide Stoffe, besonders wenn das Glas mehr opak gehalten ist, in kleineren Amuleten, wie deren das Berliner Museum besitzt, kaum zu unterscheiden sind. Das Kupferblau neigt aber zum Helleren und geht bis zur Türkisfarbe, oft auch mit einem Stich ins Grünliche, und auch die dunkleren Sorten täuschen nicht leicht über ihren Ursprung. Dafs wir in den aufgestrichenen Farben selbst bisher nur Kupferglas, kein Kobaltglas gefunden haben, kommt ohne Zweifel daher, dals die zum Färben verwendeten Kobalterze weniger ge- kannt waren. Das kostbare Kobaltglas wurde daher meist nur zu Amu- leten oder Perlen verwendet. So stimmen alle Angaben des Theophrast verständlich mit dem was uns die ägyptischen Denkmäler lehren überein; und erklären sich gegenseitig. Dagegen sind die Irrthümer des Plinius mehrfach zu berich- tigen, wie dies zum Theil schon geschehen ist. Sapphirus hiefs auch ihm der Lapis lazuli, da er der Goldpunkte erwähnt!), und seiner orientali- schen Heimath. Was er aber vom eyanos sagt?) ist nur aus Theophrast D oO genommen, den er auch hier mifsverstanden hat. Wenn er dann (120) noch vom sapphirus hinzufügt: optumae apud Medos, nusquam tamen perlucidae, praeterea inutiles sealpturis, intervenientibus erystallinis centris, so schöpft er dies aus einer andern Quelle, in welcher Medien, das Zwi- schenland, statt Seythien als Heimath des Lasursteins angegeben wurde, wie von den Aesyptern Babylon. Der Benutzung zu feinem Gemmen- schnitt stand allerdings die häufige Durchsetzung von Quarz einigermalsen entgegen; dals er aber dennoch vielfach in Aegypten zu feinen Arbeiten benutzt wurde, war ihm unbekannt. Zuletzt fügt er noch hinzu: Quae sunt ex lis cyanei coloris mares existumantur. Dies ist wieder aus Theo- die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 77 phrast genommen, aber unrichtig auf den Lasurstein, statt auf die blaue Smalte bezogen. Überhaupt aber ist der Name eyanos und was er von ihm sagt, geradezu nur aus griechischen Quellen ungeschickt übernommen. Der richtige lateinische Name dafür war caeruleum, welches er wieder an einer ganz andern Stelle für sich besonders behandelt, ohne des sap- phirus und des cyanos dabei zu gedenken, obgleich auch das hier Ge- sagte grolsentheils indirekt auf Theophrast zurückgeht. Hier sagt er (33, 161): In argenti et auri metallis nascuntur etiamnum pigmenta sil et caeruleum. .... Caeruleum harena est. Huius genera tria fuere antiqui- tus: Aegyptium maxume probatum; Seythicum, — hoc diluitur facile et cum teritur in quattuor colores mutatur, candidiorem nigrioremve et crassiorem tenuioremve; — praefertur huie etiamum Cyprium. Bis hierher nimmt er aus Theophrast, nur dafs er von den Bergwerken gerade die Erzgruben, in denen das Cyprische caeruleum gefunden wurde, aus- läfst. Die drei Arten, die er beim cyanus umgeworfen hatte, giebt er in der richtigen Ordnung des Theophrast, fügt aber der letzten, der Oypri- schen, hinzu, was offenbar gegen den Sinn des Theophrast war, dafs diese der Sceythischen Art vorgezogen werde. Dann aber fährt er fort: Accessit his Puteolanum et Hispaniense, harena ibi confici coepta, und geht dann auf die Bereitung der Farben zu seiner Zeit und auf die verschiedenen Preise über, was nicht hierher gehört. Fassen wir jetzt unsere Resultate über das hieroglyphische ‚resbet übersichtlich zusammen, so hat sich folgendes ergeben. 1.) Das Wort bedeutet ursprünglich den Lasurstein, lapıs lazulı, der wie noch jetzt aus dem fernen Osten über Medien nach Babylon ein- geführt wurde, dort seinen Namen erhielt, und mit ihm nach Aesypten kam. Hier wurde er zum Theil benutzt um kleinere Amulete daraus zu schneiden. Er wird nicht selten als jresbet en mä, als „ächter yesbet“ in den Inschrif- ten unterschieden, und in besonderer Qualität auch ‚resbet nofre en Bubero „guter yesbet von Babylon“, oder auch nach einem sonst unbekannten Orte xesbet en Teflel, „yesbet von der Stadt oder dem Lande Teflel* ge- nannt. Er wird theils in einzelnen besonders grofsen Stücken, theils in zerkleinerter zur Ultramarinbereitung vorbereiteter Form, wie Gold, Sil- ber und andere kostbare Stoffe nach dem ten-Gewichte abgewogen. Auf 7s LEPSIUS: den Monumenten wird er in Haufen aufgeschüttet, oder auch als Farb- stoff in Beutel verschlossen abgebildet. Die Griechen nannten ihn mit einem wahrscheinlich semitischen Namen den goldgesprenkelten s&rssıgos, und als Ultramarinstein zvavos aüreduns, den natürlichen Blaustein, oder zvaves NxuSinos; die Römer nannten ihn als Stein gleichfalls sapphirus, als Farbe caeruleum Seythieum. 2. Bedeutet ‚yesbet die Kupferlasur, auch Kupferblau oder Berg- blau genannt, das sich in Krystallen oder in mehr erdiger Form meist in der Nähe von Kupfererzen findet, und daher auch vornehmlich in Cy- pern gefunden wurde. Aus dieser Kupferlasur, die sich zum Schneiden von Amuleten nicht eignete, konnte aber eine schöne blaue Farbe ge- pulvert werden, die nur wenig haltbar war. Quenstädt!) sagt: „früher war die Bereitung des Bergblaus aus Krystallen wichtig, weil man keine andre feine blaue Farbe hatte.“ Es ist der »Vevos Kurgıcs des Theophrast, das caeruleum Cyprium der Römer. Sie diente aber, so gut wie andre Kupfererze vorzüglich zur Anfertigung von blauem Glase. 3. nämlich bedeutet ‚resbet alle Arten von Smalte oder blauem Glasflufs, so wie die aus diesem Glas gepulverte blaue Farbe. Durch diesen Glasprozels wurde die sonst unhaltbare blaue Kupferfarbe eine sehr dauerhafte, und vollkommen geeignet den ächten Ultramarin des Lasur- steins zu ersetzen. In den ägyptischen Annalen war der alte König ge- nannt, welchem diese wichtige Erfindung zugeschrieben wurde. Sie ging in die ersten Zeiten des alten Reichs zurück. In den Inschriften wird die- ser Glasfluls ausdrücklich als yesdet irit, „künstliches yesdet“ bezeichnet, im Gegensatze zum „ächten“, und in den Abbildungen erscheint diese Masse in Ziegelform aufgeschichtet und so neben dem ächten yresbet in den Schatzhäusern aufbewahrt. Es wurde aber nicht allein die Farbe des Lasursteins, sondern auch der Stein selbst durch blaues Glas nachgeahmt und zahlreiche Amulete oder Schmuckgegenstände daraus gegossen und zuweilen geschnitten. Besonders häufig war es aber Gebrauch, kleinere, und auch grölsere aus Thon oder Stein gefertigte Gegenstände mit blauer yesbet-Masse porzellanartig zu überziehen. Theophrast nennt dieses Glas zUevos xures, oder auch rerugwusves, im Gegensatze zu der rohen 1) Mineral. p. 406. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 179 Kupferlasur die er »vavos @ruges nennt. Und weil diese Erfindung in Aegypten, wo auch der ausgedehnteste Gebrauch davon war, gemacht worden war, wurde dieses Glas und die daraus gepulverte Malerfarbe »Vavos Alyurrıcs, von den Römern caeruleum Aesyptium, genannt. Dafs man aber diese ägyptische Smalte auch in Phönizien und in Assyrien zu bereiten gelernt hatte, geht daraus hervor, dafs unter den Tributgaben der Assyrer unter T’hutmosıs III das „künstliche“ resbet neben dem ächten erscheint, und dafs bei Theophrast die Notiz aus ägyptischen Annalen erhalten ist, dafs auch die Phönizier theils ungebranntes d. h. Öyprisches theils gebranntes ‚resbet nach Aegypten sendeten. Obgleich nun das all- gemeine Färbemittel dieser Glasflüsse das Kupfer war, so lassen sich doch eine Anzahl von kleinen Amuleten und Perlen verschiedner Gestalt und Gröfse nachweisen, deren dunkelblaue Färbuug auf Beimischung von Kobalt beruht. Die sich darnach sondernden Farbennüancen werden bei Theophrast durch xzveves @gpeyv und SrAus, mas und femina bei Plinius, unterschieden. Wir gehen zu dem folgenden Mineral der ägyptischen Reihe über. x_ 5 IN >, mafek; ee “ Fucgaydes, Agvrozerra; smaragdus, molochites, chrysocolla; Smaragd, Malachit, Kupfergrün; Berggrün; grünes Glas; grüne Farbe. Das mafek steht mit dem vorhergehenden ‚resbet in steter Ver- bindung, und ihr Vorkommen ist in jeder Beziehung so gleichartig, dals wir schon deshalb auf ähnliche Stoffe für beide schliefsen müssen. Auch der Name mafek schliefst sich dem des ‚yesbet insofern an, als er femi- ninisch ist, und dadurch nicht auf ein Metall, sondern auf einen Stein schliefsen läfst. Die älteste Schreibung, die wir auf den Felsenstelen von Wadi Mayara und Sarbut el yadem auf der Sinai Halbinsel finden, war con- s0 LEPSIUS: In LIT OIR Ar N NT =: R An oh stant au Se ), mefke-t, oder auch na ), mefaket, aber ohne den Arm __ı, der sich später häufig mit IN verbunden findet: RENTE 0 . . . R R 3), N Ss *). Dieser ist hier aber nicht @ zu lesen, 000 le . . . UI TZ5 VEREIN 4° ® wie auch die Varianten «000 ” a n—a3°) bestätigen, sondern ist nur sehr häufig, phonetisches Determimativ zu N statt a—n.7) Wie für die früher behandelten Mineralien wurde auch für mafek in Ptolemäischer Zeit noch ein andres Wort gelegentlich substituirt, näm- lich 8), 7°), heb, ohne dals uns der Grund bekannt wäre. Das Determinativ des Steins findet sich sowohl hier, als schon in frühster Zeit (s. oben), neben den drei Kügelchen. Die Farbe des mafek war grün. So ist ein Haufen dieses Stoffes, mit der Überschrift Si u° in dem schon öfters angeführten Thebani- schen Grabe gemalt, wie Champollion Notices, p. 509 ausdrücklich bezeugt: grande corbeille pleine de masses vertes, obgleich er bei Hoskins durch ein leicht begreifliches Versehen blau gemalt ist und auch die Überschrift, die sich bei Wilkinson jedoch findet, weggelassen ist. Daher ist im Todten- - . 17 ’ <> I buche!0) ein Baum zu dem der Verstorbene kommt von mafek: © % MMAM NM a Er R s P vp ESS | AN —& „ich kenne diesen Baum von mafek.“ An Da a 000 s einer andern Stelle!) wird von einem Wasserbassin von mafek gesprochen. Amulete von mafek finde ich nicht erwähnt. Doch erscheint es als Ver- 1) Denkm. II, 116,a. 137, c.d. f. °) Denkm. Il, 137, ..9. h. s) Todtb. c. 39, 13. 109,3. Düm. Rec. IV, 9. t) Todtb. e. 80, 7. und Psametich Zeit. 5) Düm. Rec. 9, 49. 6) Denkm. III, 127,5. Düm. Rec. IV, 21, 126, a. °) Der Zweck war, die Lautung me, ma, wie in ma, dare, von der Lautung, em, M, zu unterscheiden. 2) Düm.- Rec. IV;r 038. 9) 1b. 75,6. 10) Todtb. c. 109, 3. U) 0.839, 13. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 81 zierung z. B. an einer Harfe; gefertigt von Silber, Gold, ‚resbet, mafek und allerhand edeln Steinen.“ 1) Champollion hielt mafek für Kupfer und N für Eisen, weil er in der gewöhnlichen Reihe vor dem Blei das Eisen und vor diesem das Kupfer finden zu müssen glaubte. Seine Ansicht schien später dadurch bestätigt zu werden, dafs die Landesgöttin der Sinaihalbinsel, Hathor, auf den Felsentafeln von Wadi Maghara und den Stelen von Sarbut el Chadem?), und ebenso auch in späten Inschriften zu Dendera „Herrin des mafek“ und „Herrin des mafek-Landes“ genannt wird), und es bekannt ist, dafs die Halbinsel viel Kupfer und alte Kupfergruben enthält. Als dann ein Englischer Major Macdonald im Wadi Maghara an den Wänden der Felshöhlen kleine in den Sandstein eingesprenste Tür- kise entdeckt hatte, glaubte Brugsch #), die alten Aegypter hätten hier auf diesen Edelstein gegraben und übersetzte mafek durch Türkis. Diese Meinung hat vor kurzem Gensler®) zu widerlegen gesucht. Er hebt her- vor, dafs Macdonald selbst die sehr kleinen Türkise die er im Wadi Ma- ghara fand als ziemlich unbrauchbar schildert, weil sie nach kurzer Zeit sich entfärben, und dafs die ächten Türkise sich nicht im Sandstein, son- dern im Porphyr und Kieselschiefer finden. Hierzu kommen aber noch andre Gründe. Wäre ein so bedeutender Bergbau auf Türkise auf der Halbinsel getrieben worden, der es nöthig machte, dafs ganze Colonieen von Aesyptern in diese Wüste geschickt und lange Jahrhunderte hindurch, im Alten Reiche von der 4ten bis 12ten Dynastie und wieder im Neuen Reiche während der grolsen Thebanischen Dynastieen dort erhalten wur- den, wo eine grolse Menge von Felsentafeln, freistehenden Stelen und selbst ein kleiner Tempel von ihrer Thätigkeit zeugen: wo ist dann die ganze Ausbeute dieses edlen Steines hingekommen? Denn weder im Ber- liner Museum, noch im Brittischen Museum, sind wie es scheint Gegen- stände von Türkis vorhanden. Auch in andern Museen ist er, wenn über- 1) Brugsch, Rec. I, 26, 3. ?2) Denkm. II, 137. 3) Düm. Rec. IV, 34, 3 a. *) Wanderung nach den Türkis-Minen und der Sinai-Halbinsel. Leipz. 1566. p. 66 ff. 5) Aeg. Zeitschrift 1870. p. 137. ft. Philos.-histor. Kl. 1871. 11 82 Lersıvs: haupt, doch sicher nur in sehr geringen Proben zu finden. Verblassende Türkise würden auch für die Aegypter, welche gerade auf die Haltbar- keit der Farben das gröfste Gewicht legten, überhaupt keinen Werth ge- habt haben. Ferner aber ist der ächte und allein geschätzte Türkis blau; mafek-Farbe aber grün, und alle blaue Farbe wurde vielmehr unter dem Namen yesbet, xvavos, begriffen. Wenn dann aber Gensler weiter zu beweisen sucht, dafs mafek, das metallische Kupfer oder die Bronze bezeichne, und demnach auf die Meinung von Champollion, die ich früher gleichfalls theilte, zurückkommt, so kann ich ihm darin jetzt nicht beipflichten. Dals mafek überhaupt kein Metall, sondern ein Stein oder stein- artiges Erz war, geht zunächst daraus hervor, dals es zuweilen das spe- eielle Determinativ des Steins m hat, und nicht wie die Metalle maskulı- nischen, sondern feminischen Geschlechts ist, in beiden Punkten mit dem ‚resbet übereinstimmend. Auch darin gleicht es dem ‚yesdet, dals es nicht selten eine Farbe (nämlich die grüne) bezeichnet, wie wenn die Hathor nicht allein die resbetlarbige, sondern auch die mafekfarbige | N), und F he 5 2 od i N a IS, un a ——] — Denen a >) heilst, und wenn gesagt wird ®): IT „der ‚IS $ h 5 ne Fan 00,0 Himmel ist festlich (strahlend), die Erde erfreut (grünend)*; oder SIR ra sus 0 x or . si nr ne . er . Nut x re a Pl ’) „der Himmel ist glänzend (gelb), die Erde in Freude (srün).“ In der That wird die Hathor öfters blau, noch öfter grün dargestellt. Ein schöner aus Stein gearbeiteter grün glasirter Kopf der Hathor ist im Brittischen Museum ®). Es wird ferner wie beim yesbet auch ein „ächtes“ mafek unter- schieden. Unter den sechs „ächten Stoffen“ die aufser Gold und Silber als gewisse zusammengehörige Jngredienzen in Dendera aufgeführt werden, wie oben erwähnt wurde, ist yesdet der erste und mafek der zweite in der Reihe. Im Schatzhause Aamses ZI! sind drei Haufen aufgeschich- 1) Dümichen Temp. Inschr. Il, 18, 17. ?) Dendera. >) Brugsch, Wörterb. p. 604. #) Düm. Hist. Inschr. II, 57a. °) Gallerie of antiquities, sel. from the Britisch Museum. Plate 11, no. 34. p. 21. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 83 tet;!) auf dem einen steht a ie nub nofre en set, „gutes Gold [} ...® x } des Landes; auf dem zweiten Ja xesbet mä, „ächtes yesbet“; au . ea «) ’ = = „ 7 . auf dem. dritten =, m} mafek mä, „ächtes mafek.“ Und wenn wir das yesbet auch in der Form von kenkenu d.h. in kleinen Stücken er- em )e BBEBEN ı = DO “m.000 De zu entsprechen, denn är, welches mit dem Determinativ des Steins ver- wähnt fanden, so scheint dies dem 2), mafek en ar, sehen ist, kann nur das koptische AA, ı., Japıs, calceulus, grando sein, also „mafek in kleinen Steinen.“ Am bezeichnendsten ist aber für den Parallelismus mit dem yesbet, dafs auch das mafek in Ziegelform aufgeschichtet abgebildet wird ®), neben den Ziegelschichten von ‚yesteb im Schatzhause Pamses III. Wenn wir nun gefunden haben, dafs dieses eine klinstliche, gegossene Form sein mulste, so geht daraus augenfällig hervor, dafs auch dafs mafek, um die haltbarste grüne Malerfarbe zu gewinnen, zu grünem Glase ge- schmolzen, und dann pulverisirt wurde. Damit stimmen nun die Untersuchungen an den altägyptischen Originalen überein. Die verschiedenen grünen Malerfarben von den Wän- den der Thebanischen Königsgräber, wie von Stein- und Holzsarkophagen zeigten mir unter dem Mikroskop kleine grüne Glassplitter, zuweilen untermischt mit etwas weilsem Glase. Sehen wir uns nun nach Mineralien um, welche sowohl in unge- brannten als in gebranntem Zustand eine schöne grüne Farbe geben, so ist hier wieder eine Wahl kaum vorhanden. Das grüne Glas weist ent- schieden auf eine Färbung durch ein Kupferoxyd hin, und so enthal- ten denn auch alle grünen Glasflüsse die untersucht wurden, deutlich den nothwendigen Kupfergehalt; und ebenso die grüne Farbe selber die von den Monumenten genommen ist. Die reducirte und unreducirte Boraxperle wenn sie damit geschmolzen wird, erscheint in den zu erwar- tenden Farben. 1!) Düm. Hist. Inschr. Taf. 34. ?) Düm., Rec. IV, 9. °) Düm., Ilistor. Inschr. Taf. 32. 11* 54 Lepsıvs: Ebenso unverkennbar ist aber auch als der zum Grunde liegende ungebrannte grüne Färbestoff: der gepulverte Malachit in seiner com- pakten Form, oder das mehr als erdiger Beschlag häufig vorkommende Kupfergrün. Vom Malachit sagt Quenstädt!): „Wegen der pracht- vollen Farbe und Proliturfähigkeit ist das Mineral aufserordentlich ge- schätzt zu Fournirarbeiten; gestofsen dient es auch als grüne Farbe (Berggrün), die haltbarer ist als Bergblau, indem sich die Kupferlasur leicht in Malachit verwandelt.“ Die blaue Kupferlasur und der grüne Malachit sind die beiden wichtigsten Kupfererze, weil sie von Schwefel und Eisen, welche den Schmelz- und Reinigungsprocefs sehr erschweren, frei sind. Sie finden sich in der Regel in der Natur ebenso nahe zu- sammen, wie yesbet und mafek in den Inschriften. Nur ist das erstere kostbarer, weil es seltner gefunden wird, und wo es vorkommt durch eine ganz unbedeutende Atomveränderung in das letzere oft übergeht. Daher der Vorrang des resbet vor dem mafek. Es ist daher auch nicht auffallend, dafs beide Minerale, vornehm- lich aber das letztere, auf der kupferreichen Sinaihalbinsel vorkamen, und hier von Alters her gewonnen wurden, theils um zu Kupfer, theils durch eine besondere Procedur zu den beiden schönsten und kostbarsten Glas- flüssen und Farben verarbeitet zu werden. Der beste Beweis aber, dafs dieser Bau wirklich der Zweck der alten Minen auf der Halbinsel war, ist der, dafs ich selbst vor den Höhlen im Wadi Maghara em kleines traubenförmiges Stück Malachit im Stein-Schutt gefunden und nach Berlin zurückgebracht habe. Erst bei der jetzigen Untersuchung habe ich dieses der Königl. Sammlung einverleibte Stück näher unter- sucht, wobei sich das Innere als Malachit erwies. Es bildet jetzt die authentische Probe des altägyptischen mafek, nach welchem die Halbinsel den Namen des Mafek-Landes erhielt. Bei einiger Aufmerksamkeit wird man an Ort und Stelle ohne Zweifel noch viele andre Proben dieses Minerals, von denen mir eine zufällig ins Auge fiel, auffinden können. Der griechische Name für das Kupfergrün war xgusexeAAa, und auch in den griechischen und römischen Autoren wiederholt sich der enge Zusammenhang und die gleichartige Besprechung von zvaves und 1) Mineralogie, p. 407. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 85 xguroxcAAa wie in den hieroglyphischen Inschriften zwischen resbet und mafek und in der Natur zwischen Kupferblau und Kupfergrün. Das Wort xgurore2A« bedeutet zunächst das Goldloth, weil man sich des Kupfergrüns zum Löthen des Goldes bediente. Nach Plinius (33, 95) rieb man es mit etwas Gold und dem siebenden Theil Silbers in einem kupfernen Mörser mit Knabenurin (wegen des Salmiaks darin) zusammen und erhielt so eine Mischung, die etwas leichtflüssiger als Gold und daher geschickt war Gold zu löthen. Theophrast nennt $. 51. die Xgurexeara und den zVeves unter den Farbestoffen die er in einer besondern Kategorie zusammenstellt; und $. 25. 26. sagt er nach einer langen Auseinandersetzung über die ver- schiedenen Arten des Smaragd, von dem „falschen Smaragd“ beudns rua- gaydec, dals er in den Erzgruben von Kypros gefunden werde, aber in so kleinen Stücken, dals er nur zum Goldlöthen gebraucht werde; denn er eigne sich dazu ebenso gut wie die xgurexAra« und nach Einigen sei er von demselben Stoffe wie diese; denn auch die Farbe sei die gleiche. Die xguroxcAra sei aber reich vorhanden in den Goldgruben, und noch mehr in den Kupfergruben und deren Nachbarschaft. Diese Worte beziehen sich unverkennbar auf den Malachit und das mehr erdige Kupfergrün. Das letztere war das eigentliche Gold- loth; das erstere aber erschien zwar in seiner dichten krystallischen Form als ein andrer Stoff, wurde aber doch als wesentlich identisch mit dem Kupfergrün erkannt, und diente, wenn man die kleinen Stücke, die zu nichts weiter gut waren, vollends zerrieb ebenso gut zum Goldlöthen wie jenes. Plinius (33, 80) sagt, dafs die Chrysocolla sich in Gold- und Sil- bergruben, die beste aber in Kupfergruben finde; dort bereite man sie auch künstlich, indem man den Winter hindurch bis zum Juni Wasser in den Schacht laufen und dann im Juni und Juli wieder austrocknen lasse; daraus sehe man, dafs die chrysocolla nichts anders als oxydirtes Erz sei (vena putris). Die natürliche (nativa) ist bedeutend härter und heifst uva, Traube. Aber auch sie wird noch mit dem Kraute lutum ge- färbt. Sie wird in einem Mörser gestolsen, fein gesiebt, gemahlen und feiner gesiebt, das Zurückbleibende nochmals gestofsen und gemahlen; das Pulver dann in Essig erweicht, wieder gestolsen, gewaschen, getrock- 36 LePpsıvs; net; dann mit Alaunschiefer und dem genannten lutum getränkt. Diese gefärbte Masse nennen die Maler orobitis und machen 2 Arten daraus, eine ausgewaschene (trockne) und eine flüssige (feuchte). Beide werden in Cypern gemacht; die geschätzteste aber in Armenien, die nächstgute in Macedonien, die meiste in Spanien. Das höchste Lob ist, wenn sie eine Farbe giebt, welche am meisten der eier frisch grünenden Saat gleicht. Man reibt auch das lutum mit caeruleum an und trägt es statt chrysocolla auf; was aber die schlechteste Art giebt.“ Dies ist das Wesentliche der ausführ- et er noch (95), dafs nach lichen Beschreibung des Plinius; weiterhin sag der chrysocolla die zunächst von den Goldarbeitern in Anspruch genom- men werde, auch alle ähnlich grünen Stoffe chrysocolla genannt wer- den; und 35, 48 dafs die Farbe der chrysocolla auch durch andere Stoffe nachgeahmt werde, was aber eine weit schlechtere Sorte giebt. Aus dem hier Angeführten geht hervor, dals die chrysocolla von allen grünen Farben die beste und geschätzteste war, wie die mafek-Farbe in Aegypten, und da sie vorzugsweise eine Kupferoxydfarbe war, wie die ägyptische gleichfalls, so muls jeder Zweifel schwinden, dafs die chryso- collaim Wesentlichen mit dem ägyptischen mafek identisch war. Allerdings kann es auflallen, dafs wir in der ausführlichen Be- steht, schreibung die uns Plinius von der Bereitung der Chrysocolla-Farbe & nichts von einem Glasprocesse finden, den wir doch für das ägyptische mafek voraussetzen mulsten. Auch Theophrast sagt nichts davon; wäh- vend er beim waves als wures und ervgwuevor deutlich darauf hindeutet. Dies berechtigt uns aber nur zu dem Schlulse, dals diese sorgfältigste und kostbarste Art der Bereitung der grünen Farbe bei den Griechen und Römern nicht eingeführt war. "Theophrast behandelt überhaupt die xgusoreAAe nicht so ausführlich wie den zvavos, sondern fast nur im Vor- beigehen; sonst würde er wohl auch hier der ägyptischen NOUTORCAAR, wie des ägyptischen xvevos, Erwähnung gethan haben; aber auch beim xvaves sagt er nicht, dals man in Griechenland die ägyptische Erfindung der Glastfarbe benutzt habe, und seine Anführungen aus altägyptischen Anna- len über den Pharao der die Erfindung gemacht habe und über den Tri- but der Phönizier an die Aegypter deutet darauf hin, dals er diese Be- reitung durch Glas nur ägyptischen Berichten entnommen habe. Es wür- den wenigstens erst noch Versuche mit altgriechischen Farberesten selbst die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 87 angestellt werden müssen, was ich nicht gethan habe, um über eine An- wendung der Glasfarbe bei den Griechen zu entscheiden. Dafs diese bei den Römern auch in der Benutzung des caeruleum nicht üblich war, geht aus Plinius deutlich hervor. Denn er erwähnt derselben nicht nur nicht, sondern sagt auch (33, 162): huius genera tria fuere antiquitus: (nämlich Aegyptium, Seythieum, Öyprium) und fügt dann, wie es scheint nur auf das Cyprium bezogen, hinzu: reliqua confectura eadem quae chrysocollae; diese confeetura die er vorher beschrieben hatte ent- hält aber gerade nichts von Glasfärbung. Es bleibt noch zu beantworten, was die Aegypter unter dem „ächten“ mafek verstanden, den sie vom gewöhnlichen mafek noch unter- scheiden. Auch hierin wird uns die Analogie des „ächten“ yesbet leiten dürfen. Der gewöhnliche yesbet war, wie wir gesehen haben, das blaue Glas und die daraus bereitete Farbe. Der Lasurstein war davon ganz verschieden und wurde vorzüglich als Edelstein zum Schneiden von Amu- leten benutzt. Dafs er auch zur Farbe gestofsen wurde ist zwar sehr wahrscheinlich; aber es wird uns nicht direkt gesagt und eine Probe von solcher Farbe läfst sich bis jetzt nicht nachweisen. Wenn die Aegypter unsern modernen Sapphir und den Türkis kannten, so werden sie ıhn wahrscheinlich auch ‚resbet genannt haben durch Übertragung des Namens des ihnen vorzugsweise und zufrühst bekannten Lasursteins. An die Kupferlasur, die sie als Blaustein auch ‚resbet nannten, dachte man wahr- scheinlich wenig, weil die harten blauen Krystalle selten waren, und das blaue Glas auch durch andere Kupferoxyde, wie auch durch Kobalt, ge- färbt werden konnte. Das Entscheidende für die Namengebung war immer die blaue Farbe. Ähnlich war es ohne Zweifel mit der grünen Farbe mafek; und auch hier giebt uns wieder Theophrast den richtigen Fingerzeig. Ich habe oben schon angeführt, dals er in $. 25. von einem „unächten Smaragd,“ Devöns ouagaydes, spricht, der in Cypros und auf einer Insel bei Karthago gefunden werde. Auf dieser Insel werde er in gröfseren Massen gebrochen, in Cypern komme er nur in kleinen Stücken vor, und werde hier wie die Chrysokolla zum Löthen des Goldes gebraucht; woraus hervorgeht, dafs er darunter festen Malachit im Gegensatz zum erdigen Malachit oder Kupfergrün versteht. Den festen Malachit den wir oben schon als com- ss LeErpsıus: paktes Kupfergrün in seiner traubenförmigen Gestalt uva genannt fanden, erwähnt Plinius in einer andern Stelle (37, 114) die er offenbar einer griechischen Quelle entlehnt, noch unter dem besondern Namen molochi- tis und sagt von diesem sehr bezeichnend: Non translucet molochitis, spissius virens et crassius quam zmaragdus, ab colore malvae nomine ac- eepto; nascitur in Arabia. Wenn hier, wie vorauszusetzen, die Peträi- sche Halbinsel gemeint ist, so ist hier von dem eigentlichen altägypti- schen mafek die Rede, dessen Sinaitische Probe wir besitzen, und so wird auch diese Stelle, wie die über den „künstlichen xvavos“ auf eine ursprünglich ägyptische Quelle zurückgehen. Auch hier wird also der Malachit zunächst mit dem Smaragd zusammengestellt, wie er von Theo- phrast geradezu Weudns Suagaydes genannt wird. Wenn demnach das gewöhnliche mafek, d.i. der Malachit oder Kupfergrün und der aus demselben bereitete grüne Glastluls auch Sma- vagd, aber falscher Smaragd, genannt wird, so folgt daraus, dafs das mafek-en-md, oder ächte mafek auch der ächte Smaragd war. Damit haben wir also ohne Zweifel den wirklich entsprechenden griechischen Namen suagaydes für das ägyptische ächte mafek. Da aber dieser griechiche Name selbst auf sehr verschiedene Steine angewendet wurde, und vielleicht schon der ägyptische Name mafek auf mehr als einen grünen Stein übertragen worden war, so ist die Entscheidung für einen modernen Namen noch immer schwierig. Theophrast nennt $. 8. den Smaragd, zusammen mit dem Sapphir d.h. dem Lasursteine, unter denen die zu Siegelsteinen (Pgayidır) ge- braucht wurden. $. 4. und 23. spricht er in einer mir ganz unverständ- lichen Weise von einer Eigenthümlichkeit des Smaragd, dem Wasser bald mehr bald weniger seine Farbe mitzutheilen, und dafs seine Farbe den Augen wohl thue. Dieser Stein werde nur selten und in geringer Grölse gefunden. Hier können wir also nur an unsern edeln Smaragd oder Be- ryll in seinen verschiedenen Qualitäten oder auch an unser Plasma oder grünen Chalcedon denken, die auch den Alten schwerlich unbekannt waren. Ich finde von Hausmann!) angeführt, dals Irenaeus, contra hae- ' veses von der Nachahmung des Smaragdos durch grünes Glas spricht. !) Mineralogie, 1847. I, p. 608. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. | 89 Auch unter den ägyptischen Schmucksachen finden sich dunkelgrüne, leuchtende Glasperlen, die man wohl für imitirten Smaragd halten könnte. Theophrast fährt jedoch fort: „Wenn wir aber den Berichten über die ägyptischen Könige Glauben beimessen wollen, so wäre einst vom Könige von Babylon ein Smaragd 4 Ellen lang und 3 Ellen breit unter den Ge- schenken überbracht worden; und im Tempel des Zeus (d. i. des Amon zu Theben) seien 4 Smaragden aufgestellt worden von 40 Ellen Länge und von 4 zu 2 Ellen Dicke!). So steht es wenigstens in jener Schrift. Von den sogenannten Baktrischen(?)?) Smaragden sei aber der gröfste in Tyros, nämlich eine sehr grofse Stele im Tempel des Herakles, wenn dies nicht ein falscher Smaragd sei; woran sich die schon oben angeführte Stelle über diesen, den wir für Malachit halten mufsten, anschliefst. Plinius widmet (37, 62ff.) dem Smaragd den längsten Artikel unter allen Edelsteinen. Er zählt unter diesem Namen 12 verschiedene Arten auf; unter diesen als die vorzüglichsten den Skythischen und Baktri- schen, die wohl zusammengehören, und dann den Aegyptischen, der aus den Hügeln bei Koptos gegraben werde. Alle übrigen Arten finde man in den Kupfergruben, unter denen daher der Oyprische der beste sei. Unter den letzteren nennt er auch einen Aethiopischen, der 25 Tagereisen von Koptos gefunden werde, und schliefst mit den Angaben des Theophrast über die grofsen Massen einer Smaragdart, welche aber vielmehr für den auch vorkommenden falschen Smaragd zu halten sei. Später (37, 113) kommt er nochmals auf die grünen Steine zu- rück, und nennt darunter den Arabischen molochitis und den grünen vaspıs, worauf er dann unmittelbar zu den drei Arten des cyanos, den Skythischen, Aegyptischen und Cyprischen übergeht. 1) Wie jetzt der Text lautet: avazeır Sa Ö2 zur Zu Fu) FoU Ars eßeriszu Fuugaydovs 7ir- Fuguc, WNROS 1aEv Ferragerovre RryaV, eÜgas Ö2 N 1asv TETFaRES, N Ö8 öde giebt er keineu Sinn; für ößerirzw ist iego zu lesen. Die obeliskenartig geformten Steine veranlafsten die Glosse ößerirzovs zu swegeydovs. Schon Plinius fand übrigens die Stelle verderbt; denn er spricht (37, 74) indem er den Theophrast anführt, von einem Obelisken, der aus vier Smaragden bestanden habe und 40 Ellen hoch gewesen sei. Obelisken und ähnliche Monu mente waren in Aegypten immer monolith, und pflegten zu zweien aufgestellt zu werden. ?) Die Lesart ist unsicher. Philos.-histor. Kl. 1871. 12 90 LEPSsIvs: Es ist nun klar, dafs wir es hier mit sehr verschiedenen Steinen zu thun haben. Von diesen sind sicher die in grolsen Massen anstehen- den Steinarten, wenn von ächtem mafek die Rede ist, auszuschlielsen. Dafs dieser, wie der Lasurstein, nur in kleinen Stücken vorkam, lehrt auch die Darstellung in Medinet Habu, wo der ächte mafek-Stein ebenso, wie Gold und ‚yesbet in mälsigen Haufen abgebildet ist; auch der in einem Korbe aufgeschüttete grüne als mafek bezeichnete Haufen in dem Theba- nischen Grabe war ohne Zweifel ächtes mafek, und zwar wahrscheinlich Skythischer Smaragd, da es von den Assyrern dargebracht wird, wel- che für den fernen Osten die Zwischenstation bildeten. Es ist nicht un- wahrscheinlich, dafs die Aegypter auch die wirklichen grünen Edelsteine, unsern Smaragd, den grünen Beryll, grünen Jaspis und andre kannten und aus der Ferne erhielten. Welche sie davon vorzugsweise mafek m& nann- ten, und ob sich dann in unsern Museen noch Einiges nachweisen läfst, bedarf näherer Untersuchung. In den Museen finden wir von grünen Steinen am häufigsten grünen Feldspath für kleinere Amulete verarbeitet. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dafs wir etwa in diesem Steine dessen weilslich grüne Farbe wenig schön und intensiv ist, das ächte mafek zu er- kennen hätten. Vielmehr scheint es, dafs dieser grüne Feldspath Ik uat', hiefs. Schwerlich wurde der ächte Smaragd zu Amuleten verarbeitet, dazu war er zu hart; er mochte nur polirt und etwa in Ringen getragen werden. Dafs man wenn auch aus geringeren Sorten ein Farbenpulver gewonnen habe, ist für Aegypten um so unwahrscheinlicher, da man die vortreffliche mafek-Farbe des grünen mit Kupfer gefärbten Glases hatte. Wenn nun aber, nach ägyptischen Nachrichten, von 40 Ellen langen Smaragdblöcken, die Rede war, so scheint daraus hervorzugehen, dafs man den Namen mafek eben auf ganz andre grüne Steinmassen gelegentlich anwendete, z. B. auf den schmutziggrünen einfarbigen Granit, dessen man sich in den Zeiten der 26. Dynastie nicht selten zu den Obelisken und grofsen Sar- kophagen bediente. Es stimmt übrigens zu dem jedenfalls viel häufigeren Gebrauche des Lasursteins, dafs das ächte yesbet auch in den Inschriften ungleich häufiger erwähnt wird, als das ächte mafek, welches mir überhaupt nicht öfter als zweimal vorgekommen ist. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 91 Viel wichtiger für Aegypten als das ächte ‚resbet und das ächte ma- fek, war, das ist nie zu vergessen, die künstliche Fabrikation beider, das blaue und das grüne Glas und die daraus bereiteten Farben. Diese Glasbereitung war offenbar in alter Zeit ebenso wichtig für Aegypten als schwierig und kostbar, nieht der Ingredienzen, sondern des Schmelzpro- zesses wegen, daher er auch von den Griechen und Römern für die Malerfarben wenigstens wieder aufgegeben wurde. Dies allein kann auch der Grund gewesen sein, warum man diesen beiden Stoffen, in alter Zeit einen so vornehmen Platz unmittelbar hinter dem Gold und Silber, und vor den übrigen Metallen, zuerkannte. Diesen Platz behaupteten sie dann bis in die spätesten Zeiten, obgleich sich das Verhältnils und die Ansicht darüber wesentlich verändert haben mochten, dennoch bei, wie dies mit allen ähnlichen gleichsam geheiligten Satzungen in Aegypten der Fall zu sein pflegte. o r > ’ m as ” yaAxXos 733 Do, yomt, YOMT, das Kupfer, YaAzos, aes Das Zeichen für dieses Mineral findet sich in ältester Form, wie es scheint in Wadi Mayära!), nämlich I. Gewöhnlich aber hat es in der älteren Zeit des Neuen Reichs die Form D, und seit der Griechischen Zeit meist, doch nicht immer, 2. Bei Dümichen Tempelinschr. Il, 13, 3. finde ich auch einmal DI. Dazu kommen in den Aethiopischen In- schriften von Barkal die Formen \, d, %- Champollion und Birch?) hielten D für einen Schmelztiegel (creuset, crucible); dem könnte viel- leicht die älteste Gestalt I gleichen; für die späteren Formen sehe ich dafür wenig Anhalt. Die Aussprache war bisher schwierig zu bestimmen, weil das Zei- chen in seiner ursprünglichen Bedeutung bis jetzt nur ideographisch nicht phonetisch gefunden worden ist. Als Determimativ dagegen kommt es hinter vielen verschiedenen Worten vor, deren metallische Eigenschaft 1) Denkm. II, 137 e. ?2) Bei Bunsen, Egypts place vol. I, 2d ed. 1867. p. 559. 92 LeEPsıvs: es anzeigen soll, ohne dafs wir berechtigt wären daraus auf die Aussprache des ideographischen Zeichens selbst zu schliefsen. Champollion, der dureh Eisen übersetzte, legte ihm das koptische Wort &enme, ferrum, unter, ohne jedoch über die hieroglyphische Aussprache zu entscheiden. Auch E. de Rouge !) nahm D° für „fer ou acier“ und las es ba; ebenso Birch (l. 1.) da, wood, iron, or brass. Chabas?) giebt keine Ausprache und übersetzt „le bronze ou le fer“. Dümichen ®) giebt es ohne Aussprache durch „Metall“ wieder. Brugsch im Wörterbuch schwankt auch zwischen verschiedenen Lesungen; p. 51. 581. 618. ist er geneist dpot zu lesen und darunter Eisen (Ben-ım) zu verstehen; p. 751. übersetzt er „Erz“ und liest dieses p. 1592. Zehset; schliefslich aber kehrt er*) zu der frühe- > o0o0 „das heilise Risen“, in den Inschriften von Edfu, welche Naville 5) heraus- te) h) ren Meinung zurück, liest da und übersetzt „Eisen“ (Eisenspeer), geeeben und erläutert, Brugsch theilweise mit Erklärung übersetzt hat. Diese Inschriften von Edfu sind es aber, aus denen hervorgeht, dafs das Zeichen D gleich ist dem Zeichen 9, dafs beide für sich allein die Aussprache yomt hatten, und dals sie das Kupfer oder Erz bedeuteten. Horus und der König sind an jenen Tempelwänden von Edfu vielmal dar- gestellt, wie sie den Typhon in verschiedenen Gestalten, besonders unter dem Bilde des Nilpferdes mit eimem Speere durchbohren. Der Name dieses Speeres ») Textes relatifs au mythe d’Horus. 1870. fol. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 93 des Zeichens. Zu der Annahme, dafs wir es hier ausnahmsweise mit einem polyphonen Zeichen zu thun hätten, liegt kein Grund vor, denn wir finden das Zeichen mit keiner andern phonetischen Gruppe wechselnd. Dagegen kommt der Speer ir seiner phonetischen Lautung yromt wegen, auch geradezu für p als Metall vor, selbst ohne Determinativ, z. B. Düm. Hist. Inschr. II, 56, col. 1.: Poask xomt en Seti „Erz von Asien“: wie wiederum D> auch ohne das Determinativ des Speeres für den Speer gebraucht wird!). Die Lautung yomt ist zugleich die der Zahl 3, für welche ganz dieselbe hieroglyphische Gruppe vorkommt en (woraus dann milsverständlich a geworden ist); daher ist es auffallend auch die Variante NN dafür zu finden, welche nicht 3 sondern 30 bedeuten sollte. Es erklärt sich das vielleicht dadurch dafs in alter Zeit die Stämme für 3 und für 30, welche im Koptischen verschiedene sind, womt und maß, ebensowohl identisch waren, wie für 5 und 50, 6 und 60, 7 und 70, 8 und 80, 9 und 90. Dann würde in Ptolemäischer Zeit dieser Zeichen- wechsel (n für - nicht auffallend sein. Wir finden aber für den Speer auch die Gruppe xoms ganz ebenso geschrieben wie N} die Aehre, Semc, gmc spica. Hier nöthigt”uns die verschiedene Endung zwei ver- schiedene Wörter anzunehmen, was sich, wie wir sogleich sehen werden, leicht erklärt. Wenn wir nämlich zu dem Metall zurückkehren, dafs wir in „I. wiederzufinden haben, so können wir nachdem Av: mafka von den reinen Metallen ausgeschieden ist, nach der Reihenfolge der ägyptischen edlen Minerale hinter Gold, Elektrum und Silber, n „I, nur das Kup- fer zu finden erwarten. Dieses heifst aber auch noch im Koptischen rıs 90MT, welches mit bekannter Erweiterung auch gomstr geschrieben wird (wie ıyomirt, tres, neben WOMT, Mitt, decem, neben MHT u. v.a.). Dals aber yomt das Kupfer mit dem Koptischen gomT, aes, ein und dasselbe Wort ist, kann nicht bezweifelt werden, obgleich wir im Koptischen kein 3omt mehr nachweisen können neben gomt. Die Lanze des Horus wurde nun ohne Zweifel aus Erz gedacht, oder wenigstens ihre Spitze. Dafür konnte in jeder Sprache auch einfach „das Erz“ gesagt werden, das er 1) Düm. Temp. Inschr. I, 102, 18. 94 LeErpsıuvs: dem Typhon in den Leib stiels. Wenn aber dafür zuweilen auch ‚rems oder yoms gebraucht wird, so war dies der genauere Ausdruck für den „Speer,“ der entweder von demselben Stamme abgeleitet war, oder auch ein ganz andres Wort sein konnte, hergenommen von ns Seme Teb. Jemc, spica, mit dem es wenigstens auf einen gemeinschaftlichen Grund- begriff des Spitzigen zurückgehen konnte. Dafls yomt oder yoms, die Lanze, von yomt, womt, tres, abgeleitet sein sollte, als tricuspis, ist mir nicht wahrscheinlich, da weder die Lanze des Horus in Edfu, noch meines Wissens irgend ein andrer Speer mit drei Spitzen abgebildet wird, man mülste denn die beiden Widerhaken der Lanzenspitze, was unstatthaft ist, mitzählen wollen). Auf die Verschiedenheit von hierogl. yemt und xems dürfte auch zu beziehen sein, dafs hinter yems das Zeichen D als Determinativ nicht fehlt, hinter dem phonetischen yemt aber für unnöthig gehalten wurde und in jenen Inschriften nie gesetzt wird; ‚yems nämlich würde ohne Determinativ die Aehre bedeuten, und aufserdem war es die Gewohnheit alle ehernen Geräthe oder Waffen durch D zu determiniren. Natürlich konnte auch yemt durch op determinirt werden, und so findet sich aush Sn neben „P,, für das Erz als Waffe, in einem späteren Zusatze des Todtenbuchs, Kap. 115, 4. 5. Im Koptischen giebt es aulser ııı gomTt noch eine andre Bezeich- nung für das Kupfer mn sapor (bapor), und zwar scheint das letz- tere die speciellere Bezeichnung des Kupfers zu sein, während jenes eine allgemeinere Bedeutung hat, wie unser „Erz.“ Das scheint daraus hervor- zugehen, dafs in der Zusammenstellung mit andern Metallen &apwr ge- sagt wird, z. B. Zoega p. 600: sn novk at sm gar un bapor, Gold, Sil- ber und Kupfer; T sımpgw& en &apwr metallurgia, kommt vor wie ca U goAur, aerarius faber; sonst kommt gomTr namentlich auch für pecunia vor. Auffallend ist die Verbindung gomnrt st hapor was durch Yarxerı- Bavcs übersetzt wird, während es zunächst eher Kupfermetall, oder Kupfer- erz zu bezeichnen scheinen würde, wobei aber &apor jedenfalls wieder das Speciellere von beiden sein muls. 1) Von einer Gabel mit drei Zaeken wird ausdrücklich gesagt: 0% wAıs ıı wyoam ı rap. Zoega, Catal. 334. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 95 Hieroglyphisch kommt das Wort &apor für ein Metall nicht vor; es mufs sich daher erst später gebildet haben, und scheint in seinem ersten Theile dem hieroglyphischen RN baa hartes Mineral, Ge- stein, zu entsprechen. Es vertrat also D% homt das Erz im engern und weiteren Sinne. Im Decret von Kanopus lin. 37 wird JUN/BRZE— Di ut en aner ropu homt, übersetzt durch orman rıSın 9 Yarın. En Das Kupfer wird wie das Silber und Blei in srofsen Platten, die an einander lehnen, abgebildet!) in der Schatzkammer Ztamses III. im Tempel zu Medinet Habu. Unter den Tributgaben, welche die Völker Syriens und Assyriens, die hotennu, Anaukasa, Asi u. a. Thutmosis II. bringen ?) wird vornehmlich auch Kupfer und Blei erwähnt, und zwar . D 2 u ersteres immer als Br x—_, Kupfer in semem Gestein, wie wir oben das „Gold in ln Gestein“ gefunden haben, d.h. Kupfer (oder Gold) in rohen Klumpen, massiv aber nicht rein geschmolzen. Nur Eat) fehlt der Zusatz, ist aber wohl der Bedeutung nach zu er- gänzen. Denn es ist kaum zu bezweifeln, dafs diesen rohen Kupfer- AVMMN a N Das womt sotefu, „das geschmolzene oder ge- oool Au reinigte Kupfer“ (kopt. cortj), core), Teb. purus, purgatus; core Memph. klumpen das effundere) gegenübergestellt wird, welches in der grolsen Inschrift von Karnak*) von den Asiatischen Asz geliefert wird. Das rohe Kupfer wird wie das Blei, immer nach = tob, d.ı. nach Ziegeln (kopt. rohe, T. later) gemessen. So finden sich Massen von 40 tob (Auswahl, XH, 11.) 80 tob (ibid., 53), 40 tob (Denkm. III, 30, a, 1.), 2 {od (II, 31, a, 8), 76 to6 (III, 31, a, 6). Von Wichtigkeit ist nun hierbei die oben erwähnte Stelle vom In D = nun gereinisten ı Diese lautet: II - a a N ui Avon gen ”» tob 108 em yomt sotefu ten 2040 d.ı. „108 Ziegel von sereinigtem Kipier (im Gewicht von) 2040 ten.“ Hiernach wog durch- schnittlich jeder Ziegel 188 ten. Das ist offenbar so zu verstehen, dafs das ausgeschmolzene flüssige Kupfer in Formen gegossen wurde, welche, 1) Düm. Hist. Inschr. Taf. 34. ?2) Auswahl XU, 11. 33. Denkm. III, 31, a, 6. 8. III, 30, a, 17. 3) Denkm. III, 30, a, 1. 4) Auswahl XII, 96 LEPSIUS: wenn ganz voll gegossen, wahrscheimlich die runde Zahl von je 20 ten = c. 1818 Gramm = c. 34 Zoll-Pfund enthielten. Da aber die Formen meistens nicht ganz vollgegossen wurden, um das Überlaufen zu vermeiden, so blieb der Ziegel etwas unter seinem vollen Gewichte. Es kam auch dar- auf wenig an, da die niemals ganz gleichen Ziegel, wenn sie erkaltet waren, doch wieder nachgewogen werden mufsten. Ganz dieselbe Praxis, auch in ungefähr gleichen Massen und Formen, wird noch heutzutage in Silber- schmelzwerken, die ich vor kurzem besucht habe, befolgt. Bei dem rohen Kupfer oder Kupfererze konnte natürlich keine Ziegelform vorhanden sein. Wenn wir nichts desto weniger auch das rohe Kupfer nach tob gemessen finden, so war hier tod ohne Zweifel nur als das gröfsere und gröbere (rewicht von 20ten gemeint, weil es hier auf die feinere Messung nach {en nicht ankam. Das Gold, Elektrum und Silber wurde beim Aus- schmelzen zwar auch zuweilen in Ziegelform gegossen, wie wir oben ge- sehen haben; hier aber wurde des hohen Werthes wegen nie nach Zob sondern gleich nach ten und kite gemessen. Das Kupfer hatte weniger Werth, daher man es wohl auch im gegossenen Zustande nicht immer nach ten, sondern auch nach tob abzumessen pflegte, wie man auch das sesossene Blei — denn in diesem Zustande ist Blei wohl immer zu denken wenn es als Tribut erscheint — stets nur nach der Anzahl der Ziegel, nie nach ten, mals. In jener Stelle sind nun aber einmal beide Malsangaben verzeichnet, woraus wir lernen, dafs der volle Ziegel Kupfer 20 ten wog. Ob die Ziegel der edleren Metalle dieselbe Schwere hatten und daher an Umfang kleiner waren, oder von gleicher Grölse und schwe- rer waren, darüber läfst sich jetzt nichts entscheiden. In spätern Inschriften z. B. in Dendera!) kommt öfters vor R $ Ban TI, , .pomt keme, schwarzes Kupfer. Dieses ist namentlich eins von den verschiedenen Metallen, aus welchen die 14 einzelnen Glieder des Osiris zu heiligem Gebrauche gefertigt werden sollten, nämlich aus Gold, Silber und Schwarzkupfer?) aus letzterem wurde die Brust, der Bauch (nach Dümichen’s Vermuthung) und die Ohren gemacht. Es ist klar, dafs auch 1) Düm. Rec. IV, 3,17a. 10,55a. 56.57a. 17a. ?) 8. Dümichen, 1.1. Text p. 7. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 97 hier nur von ausgeschmolzenen Kupfer die Rede sein kann, da es ver- arbeitet ist. Auch jetzt noch heifst das einfach geschmolzene Kupfer zuerst „Schwarzkupfer“*!) und in derselben Bedeutung sprachen schon die Griechen von xaAros ueras. Es heifst dunkel oder schwarz im Gegen- satz zu den vielen helleren Mischungen von Bronze, Prinzmetall („arzes Aeuxoc), Messing (euivre jaune), deren einer Theil Kupfer ist. Da man, wenigstens in späterer Zeit, das reine Kupfer durch die besondere Bezeichnung „Schwarzkupfer* unterschied, so scheint daraus hervorzugehen, dafs yomt für sich allein nicht nur dieses sondern auch die verschiedenen Mischungen von Bronze bezeichnete, wie sie häufig bei der Verarbeitung zu Gefälsen, Instrumenten und kleinen Statuen an- gewendet wurden. In der That bestehen viele Gegenstände in den Europäischen Museen die hierher gehören nicht aus reinem Kupfer, das sich namentlich für den Gufs weniger eignet, sondern aus mannigfalti- gen Legirungen, an denen man onne Zweifel auch die helleren Farben schätzte. Es finden sich zuweilen Gegenstände von fast messingähnlicher (Gelbheit. Einzelne Stücke des Berliner Museums sind von Vauguelin analysirt worden. Ein Spiegel den er untersuchte enthielt 852 Kupfer, 14 Zinn und 1 Eisen. Wenig verschieden ist die Komposition eines andern Spiegels und die zweier Instrumente, während ein Dolch nur wenig Zinn enthält aber mit einer harzigen Substanz gemischt ist, welche wohl den Rost abhalten sollte?). Aus den Gräbern und Tempeln sind uns vornehmlich eine grofse Anzahl von Göttern, heiligen Thieren und Emblemen erhalten von sehr verschiedenen Gröfsen. Unter den Göttern ist namentlich die Triade von Abydos: Osiris, Isis und Horus besonders häufig vertreten. In dem Berliner Museum befinden sich zwei Osiris- statuen, die eine von 19 Zoll Höhe mit Spuren von Vergoldung, die andere von 164 Zoll. Eine schön gearbeitete weibliche Figur, die aber ihre Attribute leider verloren hat, ist 214 Zoll hoch, und eine Bronze- feder mit Horn und Uräus, welche zu einem Kopfputz des Osiris oder eines Königs in Osirisform gehörte, hat eine Proportion, nach welcher !) Hausmann, I, 36. Quenstedt, p. 617. 2) Passalacqua, Catalogue, Paris 1326. p. 258. Philos.-histor. Kl. 1871. 13 98 Lersıvs: sie zu einer lebensgrolsen Statue von c. 5’ 9" gehört haben mülste. Bei weitem die gröfste Anzahl der in den Museen befindlichen Bronzefiguren gehört in die Zeiten etwa der Psametiche. Doch kommen auch ältere vor, und das Berliner Museum besitzt eine besonders interessante Statuette in Kupfer oder Bronze des Königs Ramses II. in Osirisform, also wohl aus seinem Grabtempel zu Theben, von feinster Arbeit mit der Inschrift die den Namen des Königs nennt. Diese, jetzt etwas platt gedrückte Statuette, war hohl gegossen, eins von gewils wenigen Beispielen von Bronze- hohlgufs aus so früher und fest bestimmter Zeit des 14. Jahrh. v. Chr. Aufserdem finden sich in den Museen noch Instrumente aller Art, wie Sistren, Schlüssel, Schlösser, Löffel, Nägel, chirurgische Instrumente; Watlen, wie Dolche, Beile, Messer, Lanzenspitzen; ferner Spiegel, Span- gen, u. v.a., namentlich aber auch Gefälse, besonders heilige Schöpf- gefälse mit ihren langstieligen Löffeln, Schalen, Näpfe u. dgl. In den alten Inschriften, namentlich in den mehrerwähnten von Karnak !) werden ACH hummu von Bronze erwähnt. Das Wort ent- spricht dem koptischen gmaar, oo vas, supellex, instrumentum quodvis also zunächst „Gefälse* worauf auch das Determinativ führt, dann aber jedes Geräth oder Instrument. Dem gemäls werden dann auch eine grofse Menge von einzelnen Geräthschaften, Waffen, Vasen genannt, welche alle o zum Determinativ haben. Es ist dieses dann nicht als ein besonderes Wort zu nehmen und etwa durch „ehern“ zu übersetzen, sondern es zeigt nur an, dafs der (regenstand zu der Klasse der ehernen, vielleicht auch der metallenen Geräthe überhaupt gehört; denn auffallender Weise wird zuweilen aus- drücklich angegeben, dafs ein Gegenstand aus einem andern Metall, z. B. aus Gold bestehe und dennoch wird D als Klassendeterminativ, denn als solches ist es dann anzusehen, noch hinzugefügt. So Sp in Karnak ? unter den Beutestücken der Assyrer angeführt: UN Em vw [of e} NN T? nub: mekrotina sam em ‚yesteb . Rn ein Stab&) ai aus- 1) Rev. Arch. nn IT, DISS, 1. 38: >) Denkm. III, 52, 34. >) Wohl oe auf >p2, pl. ni>>2, baculus, pedum; => =p% hasta. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 99 gelegt(?) mit Lasurstein (oder ausgegossen mit blauem Schmelz). Und ebendaselbst !) I: A UeR men: meses en Yer, (aus) Men-Metall (worüber Be ein Kriegshelm, wofür auch ]: A UlEar ) mit dem Determina- der Thiere, hier des Leders, geschrieben wird, weil der Helm aus u oder aus Leder oder aus beiden gefertigt war. In Pal ” ist ng ine Ss ‘ol 7 ir © NISS vredi ze lie a de 722 ar für gewisse Ingredienzen die Rede % x mes En me). beti en hat nub, ein Metallschrein von Silber und Gold. [=} d 5 D ebenso in Dendera. Es findet sich ferner #) IE d apet, NOT, Arbort, 000 o NN 0 no calıx, seypha, von Gold: Be 2: Aufserdem werden genannt: IN [Y] mwN TURN ’), tarona, der Hansech, auch I ll hm) Faroina mit ara Determinativ des Leders versehen, aus gleichem Grunde wie meses der Helm; von Rouge ohne Zweifel richtig erklärt und mit row, 7772, der Harnisch, zusammengestellt. =BD% ein Gegenstand, wohl eine Waffe, die de Rouge?) für Bein- schienen nımmt, obgleich sie dann aufrecht abgebildet sein würden ®). Die richtige Form scheint die eines Dolches in der Scheide zu sein —e=?). a 10 ) —> 11 a ar: x 5 Bar FON Te WE NDPEE ), märek, nach Brugsch kopt. mepes(?) spi- culum, lancea, dann ein Gefäls. D, 1@, die Kopfbedeckung, der Helm, kopt. ww, pars superior, nach Brugsch Wörterb. p. 1055. Besnupe Waffen: ohne Zweifel dasselbe Wort, wie 4 SL el 1) Denkm. III, 30,a, 15. ?) Denkm. III, 32, 27. 3) Düm. Ree. IV. 90, 6. 92,18. Text p. 5l. cf. ibid. 10, 54. 59, wo beti ebenso determinirt maskulinisch ist. *) Düm. Rec. IV, 24, 14. Brugsch, Wörterb. p. 50. 51. 1373. °?) 5. de Rouge, Rec. Arch. 1867, II, 96. %) Brugsch, Ree. II, 54,-2. 4. 6. Wörterb. p. 1706. 7) Rev. Arch. 1.1. °) Pleyte, Aegypt. Zeitschr. 1871, 16. 9) Düm. Hist. Inschr. 5, 61. 10) Brugsch Wörterb. p. 608. 11) Derselbe Aeg. Zeitschr. 1865, 68, 100 Lersıvs: BEER ee unve == p, uten, ein Metallring, nach Brugsch p. 306. A 05, malot, nach Brugsch Wörterb. p. 609 emi, ein 'Thürtheil. IND !am, ein metallenes Scepter. Todtenb. K. 30, 3. 2 Da, Stadt $enteb, nach Pleyte, Papyr. de Turin 1871. p. 16. MMM eSp, She) ut; „ein Kessel, Pfanne“ nach Brugsch Wörterb. p. 1685. In andern Fällen, wo das Zeichen po mit dem Determinativ ° ver- ° sehen ist, müssen wir dieses nicht selbst als Determinativ ansehen, sondern als besonderes Wort für „ehern,“ z. B. 9% DD, utk, ein eherner Schöpfkrug, kopt. ovorge, haustrum; Brugsch, c=-aNA000 es u = Wörterb. p- 300. —— > N J» \ R ® tab, nach Pleyte!) ein (ehernes) Gewicht, = — jo Ferner gewisse cherne Gefälse, deren Namen in der Aethiopischen Stele von et erwähnt werden, Aa a | oo. : , . » Ne= er, Ei |’ sonuter kalere yomt da-u 3, drei grofse eherne ka- oo ul lere-Gefälse voll Weihrauch. Real sane> i 3 IE a > 398 „ zwei kalere-Gefälse von Erz. Vel. ao <>! o 1 > S <—>||| 1 — N RS s : Bu und \R& U , , Auf einer Stele von Barkal in Bulagq. IR RT a 0 „ dreizehn Milchgefälse von Erz. ®) 4 & 843 N zwei Trinkgefälse von Erz. od NM 000 ENGE S TE sechs /lal-Gefälse; cf. Brugsch, Wörterb. a u Henkel- OA m) fe vefüls, und a ) ‚ Hen-Gefälse von Blektrum; und E NW I 000 ro NT em, 9 a ein Zlaro-Gefäfs von Silber, Stele Barkal. LI 13982 kes-Gefälse von Erz. > | r I (t . NE FA CR ,‚ sechs Waschgefälse, emseti, von Erz. 1) Aeg. Zeitschr. 1871, p. 17. 2) Denkm. V, 16, b, 9. : N a S — . f R . >) cl. Brugseh, Wörterb. p. 609: re. yarazrohogos; N m ro a ein PRRERER. 3 Mahen-Gefäüls von Silber auf einer Stele von Barkal in Bulaq. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 101 Söden, “ sechzehn Rolet-Gefälse von Erz. I o [=} l 2 u ) 39: zwei Teytet-Gefälse von Erz. sa ol 4 — ]} ) on zehn Reb-Gefälse von Erz. o ea ER J 12 0 iR zwei Bäl'a-Gefälse von Erz. ee) ol los .},, zwei Ap-Gefälse von Erz. Eine andere Reihe von acht verschiedenen ehernen Gefäfstormen findet sich auf der schon angeführten Stele von Barkal in Bulaq, vom 16. Jahre des Königs Hor-si-atef. Dabei fällt namentlich der grofse Reichthum an besonderen Namen für die verschiedenen Arten derselben auf, woraus auf eine grofse Entwickelung dieses Knnstzweiges und der Erzbildnerei überhaupt zu schliefsen ist. Auch liegt darin eine neue Be- stätigung, dafs hier nicht etwa von Eisen, sondern nur von Bronze oder Kupfer die Rede sein kann. In den alten Inschriften wird das Kupfer und die kupfernen Ge- räthe immer von Asiatischen Völkern gebracht, namentlich Kupfer (ohne Beisatz), Blei, yesbet und I: wat von den Taht in Syrien, Rohkupfer von denselben oder von den Assyrern (Rotennu), das gereinigte Kupfer von den Asz. Dafs Kupfer und Kupfererz (mafka) seit ältester Zeit auf der Sinaihalbinsel durch Kolonien der Aegypter selbst gewonnen wurde, ist schon oben gesagt worden. Kostbare Thüren pflegten aus dem festesten Holze gemacht und mit Erz beschlagen zu werden. So heifst es unter Ramses III. in Me- . —_— IA D & = yihhe N“ dinet Habu!) I— a a ä em äs änhe em yomt „Thür DIT MU mMACTTZO00 x . . . . F IT ww in Cedernholz emgerahmt mit Erz; unter Sethos I. in Abydos ?) = A D Er, DI e Ma N am ein? ä-ul nebt em yomt, nub em dsem „die Thürflügel 0o00 I ° i x beschlagen mit Erz, verziert mit Elektrum.* Das Erz wird dann nicht selten noch besonders als Asiatisches geschätzt war. In The- ben unter Taharka®) werden erwähnt: (Thüren aus gutem Sykomoren- Erz bezeichnet, welches ohne Zweifel vorzüglich 1) Düm. Hist. Inschr. II, 47, c, 16. Vgl. I, 87, 2. in Edfu. 2) Brugsch, Rec. I, 12, 3. 3) Düm. Hist. Inschr. II, 48, 8. 102 LEePsıus: holze) Yol!z nebt em yomt Seti „beschlagen mit Erz aus Asien,“ und in Edfu!): (Thüren aus ächtem Au Holze von Tepyet) ae D12% „verziert mit Asiatischem Erze* und ebendaselbst ?) BE & 0000 ZA I —: er SEEN == „Cedernholzthüren, eingerahmt mit Asiatischem 6 ° oxo=A Erze“, also ganz wie oben in Medinet Habu bis auf den Zusatz der Asia- tischen Herkunft. [e} D oD 1°. | J IE men, Yo Vooo 0000 und Il =, = d —)®, tehäset, tehsett, tehset, ııı besune, oo orte” das Eisen, der Stahl, © otönges, ferrum. In Karnack ?) findet sich die end Aufzählung von Tributgaben: el en eis M%: IR. _ı \ o 0000 o00 o0o0 =aleloroo Ssla n 0000 [o} „Gold, Silber, Lasurstein, Smaragd, Kupfer, men, Blei, Farben, Smirgel.* Hinter men würde nochmals das Kupfer folgen, wenn das dop- pelte Determinativ streng zu nehmen und auf zwei Wörter daraus zu schliefsen wäre. Das ist aber nıcht der Fall. In andern Stellen steht or 5 DIR x 3 entweder ]°5) allein, oder es): In der letzteren Schreibung kann yo — . » . . = p nur Determinativ zu men sein. Dafs man oben die drei Körner nochmals vor dem Determinativ D gesetzt hat, könnte darin für den Schreiber einen Grund gehabt haben, dafs die Silbe men gar zu viel- deutig war und man daher lieber zu viel als zu wenig determiniren wollte, I) Düm. Temp. Inschr. I, 87, 2. ?) Düm. Temp. Inschr. I, 102, 14. >) Denkm. III, 30, b, 10. +) Brugsch, Rec. I, 45, 10. giebt statt dieser Gruppe DS: der Papierabdruck, den ich besitze, läfst aber keinen Zweifel über die richtige Lesart; en kommt auch sonst nie als Femininum vor; das Determinativ des Steins CI ist vereinzelte Ausnahme, viel- leicht zur Unterscheidung von dem gleich darauf folgenden Determinativ D. 5) Auswahl XII, 32. 40. 41. Denkm. III, 32, 26. 27. 65, a, 14. 30, 15. 32, 31. 34. ») Düm. Hist. Inschr. I, 4, 36. II, 48, a, 15. Stele des Pianri von Barkal lin. 57. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 105 ein Pleonasmus der nicht ungewöhnlich ist und in unsrer Gruppe selbst mir noch zweimal vorgekommen ist 1). Aus men wurden vorzugsweise Geräthe gefertigt N U o >, i ” hunnu, wie wir deren auch aus edlern Metallen, aber seltner, gefunden haben. So werden in der Beute Thutmosis 111.2) aufgezählt: „100 ten Sil- ber, 100 ten Gold, ‚yesbet, mafek, Geräthe von men“; und unter demsel- ben 3): „Stiere, mafek, Geräthe von men“; unter Menephthes t): „Silber, (old, Geräthe von men.“ Ferner im Tempel von Amada unter Ameno- phıs II®): Geräthe von Silber und men“; unter Taharka in Theben 6): Opfertische von Silber, Gold, und men“; auf der Stele des Pranyi: „Sil- ber, Gold, ‚resbet, men und allerlei edle Mineralien. * Aufserdem wurden gewisse Waffenstücke aus men gefertigt, oder doch zum Theil damit versehen, namentlich die meses en xer ij N N AR N”), die ich für Kriegshelme halte, eine Gruppe, welche bald mit dem Determinativ des Leders N N N Erg 0A 548), bald mit dem des Kupfers anf . DNA) geschrieben wird, oder gar keins erhält, offenbar. weil die Kriegshauben meist aus Leder bestanden, aber auch mit Metall überzogen wurden. Denselben Wechsel fanden wir oben bei den Pan- zern Farona, welche theils aus Leder, theils aus Metall bestanden. Noch W, ISYT renel, yenru, worin Brugsch 10) das koptische rm wap pellıs, vestis pellicea, erkannt hat. wird in den AIAMAN ein andres Kriesswams I von ihm angeführten Stellen nur als Leder determinirt. findet sich aber in der grolsen Inschrift von Karnak !!) ausdrücklich als aus men ze- fertigt und mit Gold verziert. Endlich wurde auch die bekannte Waffe !) Auswahl XI, 3. Brugsch Rec. II, 56. ?) Auswahl XII, 3. Vgl. Denkm. III, 32, 31. ?) Brugsch, Ree. Il, 56, 7. *) Düm. Hist. Inschr. I, 4, 36. 5) Denkm. III, 65, a, 14. %) Düm. Hist. Inschr. II, 48, a, 13. ‘) Denkm. III, 32, 26. °) Ausw. XII, 41. Denkm. III, 32, 26. 9) Denkm. HI, 30, a, 15. 10) Wörterbuch p. 1105. 11) Denkm. III, 32, 34. 104 LEePSIvsS: cm \ Dir, “Ys v (Qurnaht) werden 360 yops aus men erwähnt. ‚Yops, vorzugsweise aus men gearbeitet. In einem Grabe von In der Beute kommt das men entweder nur in ganz allgemeinen Autzählungen nach den Stoffen, oder verarbeitet vor, nicht nach bestimm- ten Quantitäten in tob oder ten gewogen. Ks ist nun aber wohl zu bemerken, dafs alle hier angeführten In- schriften, in welchen das men vorkommt, ausschliefslich der früheren Zeit angehören. Die späteste Erwähnung ist unter dem Aethiopen Taharka und unter dem der Zeit nach nicht fern stehenden Könige von Aethio- pien Pränyi. Dagegen tritt in der späteren Zeit eine andre Gruppe an die Stelle, tehset, welche wiederum in den frühern Dynastien bis jetzt nirgends er- sehienen ist, und sich schon dadurch als die Stellvertreterin des älteren men zu erkennen giebt, dals auch sie bald ohne andres Determinativ als die Körner, bald aufserdem mit dem besondern Determinativ des Kupfers » erscheint. Brugsch ?) hielt es daher für identisch mit dem d5 Metall, und gab diesem die Aussprache Zehest. Dem widerspricht aber, dafs, wie wir oben gesehen, die besondere Gruppe D° mit seiner Aussprache Jomt in der Griechischen Zeit keineswegs verschwindet, sondern nicht selten, sogar in ein und derselben Inschrift, neben jener erscheint ®). Geräthe und Waflenstücke aus tehäset kommen zufällig nicht vor, weil die Inschriften keine Gelegenheit dazu bieten: dagegen werden be- sonders Thürschlösser, Beschläge, Thüreinfassungen und ähnlicher Bedarf in den Tempelräumen aus diesem Metall angeführt #). Man erhielt es aus Asien ®) und insbesondere aus an Au) = ans Ra . 0 = n . 3 N z ‘ Persien, ent p-@-en-mas?), die Insel Mas) (Cypern?), und einem ANA t) Brugsch, W. B. p. 1710. ®) Ibid. p. 1591. 3) Düm. Rec. IV, 67, 8. Hist. Inschr. II, 56, col. 1. 2. !) Düm. Rec. IV, 72, 10. 67, 8. Hlist. Inschr. II, 56. ;) Düm. Hist. Inschr. I, 111, 2, Rec. IV, 74, 10, u.a. ) Düm. Rec. IV, 67, 8. ’) Ibid. *) Uber die Aussprache 3. Pleyte, Aegypt. Zeitschr. 18065, p. #8. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 105 Orte oder Landschaft n®, a) os Bektot!). Von dem letzteren heilst i k ee ı IHN oO mm es in Dendera : AD. 3 ale En vu Zu 2, IT IRRE EA—YYY EIS —| G ZZ? SW RT, ,„ Nen-f net Bektot (ver) —LC[]ID mm HD YG I o Dom o tehaset em rer-f em ba nu 1o-Nati er xeker heken,» nu ä-u en äl-et er anhe N (kera) nu ät-et tum tehaset er terit-et, „Er (der König) bringt dir (der Hathor) das Land Bektot versehen mit tehäset in seiner Natur aus den Minen Asiens um anzufertigen die Schlösser der Thüren deiner Wohnung und um einzufassen die (Schreine?) deiner Wohnung, darbringend das te- häset zu deinem Hause.“ Überblicken wir nun, was hier über die Gruppen men und tehset zusammengestellt ist, so könnte man zunächst wohl versucht sein, das so bezeichnete Metall für Bronze zu halten. Es führt darauf das Deter- minativ des Kupfers, welches immer der Hauptbestandtheil der Bronze ist. Alle Waffen oder Geräthe die wir daraus gearbeitet finden, kommen entweder auch aus Kupfer vor, oder eignen sich doch sehr wohl aus Bronze hergestellt zu werden. Auch die allgemeine Herkunft der besten Sorte aus Asien stimmt mit dem Kupfer überein. Die zahlreichen Gegen- stände endlich die sich aus Bronze in den Gräbern erhalten haben, lehren die frühe Kentnils dieser so wichtigen Legirung, welche gewöhnlich gegen 12 bis 14 Procent Zinn enthält, aber auch grölsere Verschiedenheiten, wie schon die Farbe lehrt, darbietet. Dennoch müssen wir uns, wie mir scheint, unbedenklich dafür ent- scheiden, dafs men und tehset nicht die Bronze sondern das Eisen be- zeichneten. Zwar finden wir in den Gräbern überaus wenig Gegenstände aus Eisen, und was sich bis jetzt gefunden hat, ist entweder nachweis- lich aus sehr später Zeit oder läfst sich doch seiner Herkunft nach nicht sicher bestimmen, oder ist überhaupt nicht antik. Aber es hat sich auch aus dem Griechischen und Römischen Alterthume sehr wenig Eisen er- halten, und die Hauptursache davon ist ohne Zweifel überall die, dafs sich alles Eisen, wie es ın der Natur mit Ausnahme des Meteoreisens nie massiv angetroffen wird, so auch stets durch den Sauerstoff in der Luft oder in der Erde wieder auflöst und im Laufe der Zeit gänzlich ver- 1) Düm. Rec. IV, 76, 11. Vgl. 72, 10. 74, 10. {e} Phalos.-hist. Kl. 1871. 14 106 LEePrsıvs: schwindet. Dafls aber das Eisen den Aegyptern schon früh bekannt und in gewöhnlichem Gebrauche war, kann nicht dem mindesten Zweifel unterliegen. Es ist nicht zu vergessen, dafs Aegypten Jahrtausende hin- durch zu den eivilisirtesten Völkern des Alterthums gehörte, wenn nicht an ihrer Spitze stand, und dafs alle für das Völkerleben wichtigen Ent- deekungen so weit sie nicht von ihnen selbst ausgingen, doch durch ihre ununterbrochenen ‘engen Beziehungen zu den übrigen Culturvölkern der alten Welt ihnen sogleich zuflossen und von ihrer hochgebildeten Tech- nik und Industrie ausgebeutet wurden. Der wichtige Fortschritt in der Metallurgie der mit der Gewinnung des Eisens verbunden sein mulste, konnte sehr wohl von Aegypten ausgehen, denn das Material dazu findet sich überall verbreitet, und auch in Aegypten ist wenigstens eine alte Eisenerzmine noch jetzt nachgewiesen worden). Wenn die Entdeckung aber von einem andern Lande der alten Welt ausging, so mulste sie doch alsbald den Aegyptern bekannt werden, und das Eisen würde von ihnen nöthigenfalls aus grolser Ferne, wie andre Stoffe bezogen worden sein, bis sie zur eignen Fabrikation nähere Gelegenheit fanden. Nun aber war das Bisen den Griechen schon von frühster Zeit her ein viel verwendetes Metall, das von Homer häufig genannt wird. Auch das Härten des Eisens durch Eintauchen in kaltes Wasser war bekannt, wie aus der Erzählung von der Blendung des Polyphem hervorgeht?). Ebenso geht die Erwäh- nung des >72, barzel, im Alten Testament bis m die Bücher Mosis zu- rück, und das im +Jeremias (15, 12) erwähnte „Nordische Eisen“ war ohne Zweifel ein besonders vorzügliches; man nimmt es für gehärteten Stahl. Die alte Tradition ®), dals das Eisen später aufkam als das Kupfer hat darum nicht weniger Wahrscheinlichkeit, weil jenes nie, wie dieses, ge- diegen gefunden wird und die technische Behandlung um es zu schmelzen und bearbeitungsfähig zu machen weit schwieriger ist als bei diesem. Daher mag es auch gekommen sein, dafs das Eisen früher geschätzter 1) Wilkinson, Mann. u. Cust. III, 246. 2) 04.9, 39. *) Hesiod. Op. 151. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 107 war, namentlich in verarbeiteten Zustande !), als später, und dafs es, auch abgesehen von seinen übrigen ihm eigenthümlichen guten Eigenschaften, noch bis in späte Zeiten bei verschiedenen Völkern dem Kupfer an Werth nicht viel nachstand. Für dieselben Geräthe war bald Kupfer bald Eisen im Gebrauche, so namentlich für Waffen aller Art, für welche bald das eine bald das andre vorgezogen wurde. Bei den Israeliten gehörten zu den Tempelschätzen nicht nur Gold und Silber, sondern auch eherne und eiserne Geräthe?). Zum Salomonischen Tempelbau wurde Gold, Silber, Kupfer, und hunderttausend Talente Eisen gegeben; ?) das letztere nament- lich zu Nägeln und Thürbeschlägen, #) wie das tehset in den Aegyptischen Tempeln. Die Lanzenspitze des Goliath war von Eisen’), während Helm, Panzer und Brustschienen von Erz waren. Es ist klar, dafs, wenn die umwohnenden Völker das Eisen so früh im gewöhnlichen Gebrauche hatten, auch die Aegypter es noch viel früher als bei jenen nachzuweisen ist gekannt und allgemein angewendet haben werden. Es mulste daher auch in entsprechendem Malse in den Inschriften vorkommen, namentlich da, wo die übrigen Metalle genannt werden, und bei Erwähnung der Gegenstände, die aus Eisen verfertigt zu werden pflegten. Eine andre Gruppe für das Eisen als men in den früheren und das entsprechende tekset in den späteren Inschriften bietet sich nun aber entschieden nicht dar; wenn daher in Bezug auf die ein- zelnen angeführten Stellen in der That sehr wohl ebensowohl an Bronze wie an Eisen bei jener Gruppe gedacht werden könnte, weil der Ge- brauch beider Metalle ein gleichartiger war, so sind wir doch aus all- gemeinen Gründen genöthigt, uns für das Eisen zu entscheiden, bis etwa das letztere anderweitig unzweifelhaft nachgewiesen wird. Diese Gründe vermehren sich dadurch, dafs Kupfer und Bronze zwar an sich und nach unserm Sprachgebrauche sehr wohl getrennt wer- den können, sich aber anderseits auch so nahe stehen, dafs sie auch von den übrigen alten Völkern nicht getrennt wurden; die Griechen Hesek. 27, 19. ?) Josua, 6, 19. 24. ») I. Chron. 23, 14. 30, 7. 4) ]. Chron. 23, 3. 25 LuBam.ılı,T. 4 14" 108 LEPsıuvs: sagten für beides yarros, die Römer aes, die Hebräer rn; neyset. Daher werden es auch die Aegypter für gewöhnlich nicht unterschieden haben. Auffallend scheint allerdings zunächst, dafs das Wort für Eisen durch das Zeichen des Kupfers determinirt worden sein soll. Doch braucht man sich nur zu erinnern, dafs hier genau derselbe Fall eintritt wie beim Silber, welches durch seine Farbe und sonstigen Eigenschaften ebenso vom Gold unterschieden ist, wie das Eisen vom Kupfer, und denn- noch durch das Zeichen des Goldes determinirt wird, wie auch ebenso las Blektrum. Von den vier Metallen die ursprünglich allein eine Rolle spielten, stellte man die beiden edeln den beiden unedeln gegenüber, je zwei durch dasselbe Determinativ zusammenfassend. Das Sılber hat hiefs eigentlich „das weilse“ (nämlich Gold) und men bedeutete ursprünglich vielleicht „das dauerhafte, starre, harte“ (nämlich Erz) im Gegensatze zu em weicheren dehnbareren Kupfer. Das Gold das die Flüsse mit sich führ- ten und das ım Sande blinkte, wurde leichter, daher auch wohl früher, sefunden und benutzt, als das Silber, und wiederum das Kupfer leichter und früher als das Eisen; daher man von nub und yomt ausging, hat und men als ihre Nüancen betrachtete und demgemäls determinirte. Nun haben sich allerdings nub, hat und ‚yomt auch im Koptischen erhalten als tovß, gar und gomt. Das Eisen aber heifst im Koptischen nieht men Banden beitimte. Dieses Wort hat Brugsch !) m der Gruppe INN reis ,‚ baa en pe-t wiederzufinden geglaubt, was er für „Meteor- D 51 l . m ba en to, „das ın der Erde Mer: gefundene Eisen.“ In Sn Stele zu Abusimbel vom 35. Jahre aan UL ft ee ar Su [R] 11 u NW Rn ent& U nubu hau-k em äsemu, äb-u-k em yomt, tot-ek baa en pe-t Eisen“ rn im Gegensatze zu mm £ „gebildet sind deine Glieder aus Elektrum, dein Gebein aus Erz, dein Arm ist ein Himmelsbaum.“ Hier ist da en pe-t nicht als Metall, iiberhaupt nicht als Stoff bezeichnet aus dem der Arm gemacht sei, denn dann mülste hier ON „aus“ dabei stehen; sondern sein ausgestreckter Arm ist mit eimem Baume verglichen der in den Himmel reicht oder vom Himmel stammt. Die andre Puppe aber findet sich in einer dunkeln 1) W.B. p. 1722. ?) Denkm. III, 194, 10. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 109 Stelle, welche sich an eine oben bereits angeführte anschliefst '), nämlich 5 ° ® [S) = 98 2 um D De Saale wie jetzt gelesen wird: nam | — äryey-sen oO De © 000 0, 0,0, em yesteb en mä yomt-es em ba en to „die Ketten derselben (der Schlösser) in ächtem Lasursteine, ihr (der Thür) Kupfer (oder Spiefs, vielleicht ein Theil des Schlosses?) von bä en to. Das Wort b& bezeichnet „Mineral“ im Allgemeinen, meist „Stein, Gestein“; als Metall scheint es mir noch nicht nachgewiesen. Das koptische benume ist sicher ein zusammengesetztes Wort: doch dürfte das genitivische \t, das in griechischer Umschrift gelegentlich als ve oder vo auftritt, im Koptischen nicht als in us übergegangen nachzu- weisen sein, wie dies vorausgesetzt wird, wenn beimte auf ba-en-pe zurück- gehen soll. Vielmehr liegt es nicht fern in der zweiten Hälfte des Wor- tes das koptische sone, esorte, aes, opus artificis, sis seh, opera fabrilia, utensilia, wiederzufinden. Der erste Theil des Wortes aber, ben, könnte füglich auf das alte men zurückgehen, da der Übergang von m in b im Aegyptischen mehrfach vorkommt, wie in men die Schwalbe ?), koptisch ben; zemnorT, cehmmmtos, Neßevvuros, u.a.3) Wir würden sonach beu- ıne durch ferrum fabrile, operarium zu erklären haben. als das Metall, welches am meisten zu Geräthen aller Art verarbeitet wurde, und wür- den im ersten Theile den ägyptischen Namen erhalten finden, dessen Bei- satz wiederum der Vieldeutigkeit des Wortes men seinen Grund verdan- ken könnte; ıme würde gleichsam ein sprachliches Determmativ sein zu dem für sich allein veralteten men, ben. Ob das in der Zwischenzeit aufgekommene Wort Zehset wirklich ganz identisch war mit men und nicht etwa das gehärtete Eisen, den Stahl bedeutete, so dals men daneben fortbestanden hätte und nur zufällig im den auf uns gekommenen Inschriften nicht vorkam, ist jetzt nieht zu entscheiden. Auch dieses Wort ist unstreitig em zusammengesetztes: und so mag hier wenigstens daran erinnert werden, dafs die Aegypter ?) Über diese Bedeutung kann kein Zweifel sein, nach Todtenb. K. 86, trotz des Geschlechtswechsels im Koptischen. Vgl. Brugsch, W. B. p. 642. P- 3) ie , mesenti, stellt Brugsch, W.B. p. 704. mit dem Koptischen &ectt, Sn faber, zusammen. 110 Lersivs: des Set (Typhon), und daher teh-set in seinem zweiten Theile den Namen des Set, Set! wirklich oder nach einer mystischen Auslegung enthalten könnte, Wir haben schon gesehen, dafs die meisten Metalle in Ptole- mäischer Zeit auch mit anderen nicht in den Volksgebrauch, wenigstens nicht in das Koptische, übergegangenen Worten bezeichnet wurden. lis bleibt noch übrig einiges über die farbigen Darstellungen aul Monumenten zu sagen, aus welchen auf den Gebrauch des Eisens zu schlielsen wäre. In den Darstellungen der Tributschätze in dem mehr- lach angeführten Grabe des Aeymarä kommt kein Eisen vor, das durch den Namen oder die Farbe kenntlich wäre; ebenso wenig unter den Gaben die dem Könige Tutänyamon überbracht wurden; noch findet sich der Name unter den Schätzen die im Tempel von Medinet Habu dargestellt sind. Dagegen sind eine Anzahl sehr wohl erhaltener bunter Darstellun- gen in Gräbern und Tempel vorhanden, in welchen viele einzelne Ge- väthe und namentlich Watlen abgebildet sind, deren Farben das Mate- vial, aus denen sie gearbeitet sind, nicht verkennen lassen. Die Aegyp- ter hatten nur wenige meist sehr entschiedene Farben, unter welche sie «die unzähligen Nüancen der Naturfarben vertheilten. Das erschwert nicht selten die Entscheidung über den Stoll. Auch sind die Publica- tionen nicht immer ganz zuverlässig, da das Copiren bei Licht nicht nur Blau und Grün, sondern auch andre Farben leicht verwechseln lälst, und nicht selten einzelne verblichene oder sonst zerstörte Farben in grolsen Gemälden nach Vermuthung restaurirt wurden. Doch thut dies der Beurtheilung im Ganzen selten Eintrag. Gold und Silber ist leicht zu unterscheiden, wo es überhaupt als Metall zu erkennen ist; jenes wird gelb, dieses weils gemalt. Ebenso sicher wird aber auch das rothe oder rothbraune Kupfer vom Eisen oder Stahl unterschieden, indem das letztere zwar nicht, wie wir es wohl vorziehen würden, grau gemalt wird, aber blau, welches auch sonst in der Regel dem Grau substituirt wird. Für kleinere Gegenstände kommt Grau überhaupt nicht leicht vor, aber selbst grölsere graue Thiere werden meist blau statt grau gemalt, z. B. Fische stets mit deeidirt blauem Rücken, Bauch und Floisen weilsgelb oder röthlich !); Gänse und Reiher blau ?); die Hunde in allen Farben, t) Rosellini, Mon. Civ. 24. 25. 2) Ibia 7. % die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 111 nur nicht grau, doch gelegentlich blau!); die Mäuse und Fledermäuse röthlich ?); der Elephant gleichfalls liehtroth®?). Nur der Esel macht eine Ausnahme. Das Wasser wird ausnahmlos entschieden blau gemalt. Unter den bunt gemalten Hieroglyphen wird die graue Farbe nie ange- wendet. Es ist daher nicht zu verwundern, wenn auch das meist blanke und dann etwa wasserfarbige Eisen blau gemalt wurde. Wenn wir daher auf den Monumenten die Geräthe und Waffen bald roth bald blau gemalt finden, so müssen wir voraussetzen, dafs damit theils Kupfer theils Eisen gemeint war, um so eher, da das vehärtete Eisen so leicht wirklich eine bläuliche Farbe annimmt. Der Kriegshelm der Könige wird immer blau gemalt #). (v. Tat. Il, 1.) Die eigenthümliche Gestalt desselben lehrt schon, dafs er aus Metall war; die äufsere Oberfläche bestand wie es scheint aus kleinen stählernen Ringen, welche leicht und fest den inneren wahrscheinlich ledernen Stoff panzer- artig bedeckten. Der Wagen einer Aethiopischen Königin zur Zeit des Tutänyamım ıst gelb, also wohl mit Gold überzogen: die Räder blau, also wohl von Eisen. In dem Grabe von Ramses III. sind die Waffen und andre Reichthümer seines Schatzes dargestellt’), darunter blaue Schwerter mit goldenen Griffen (Taf. II, 2.); Kriegsbeile deren echankrirter Kopf blau, also von Eisen, an hölzernen Stielen befestigt ist (Taf. II, 3.). Hölzerne Lanzen tragen abwechselnd rothe und blaue Spitzen, also von Kupfer oder von Eisen (Taf. II, 4.). Wenn dunkelblau neben hellblau gemalt wird, so erscheint das erstere oft grünlich und die alte blaue Farbe kommt erst zum Vorschein. wenn man etwas von der Oberfläche abkratzt. Ich vermuthe daher, dals in der Französisch-Toskanischen Publication öfters dunkelgrün statt dunkelblau wiedergegeben worden ist. Daher bin ich geneigt die abwechselnd roth und dunkelgrün gemalten Kriegshauben (Taf. II. 5.) gleichfalls für kupferne und eiserne zu halten. Ebenso wechseln rothe und grüne Dolche mit gold- nen Griffen (Taf II, 6.). Die Walfe yops wird mit blauer eiserner Klinge gemalt (Taf. II, 7.), in Übereinstimmung mit der oben (p- 104.) erwähnten An- 1) Ibid. 20, 7. 2) Ibid. 14. 21, 5. 3) Ibid. 22. +) Denkm. III, 115 und ff. °) Rosellini, Mon. Civ. 121. Champoll. Mon. 262 #f. 112 LEPSIUS: gabe der eisernen ‚Yops in einem Grabe von Qurnah. Doch läuft das Gold aus dem der Griff besteht am eoncaven Rücken der Klinge hinauf; das Eisen war also in Gold eingelassen oder am Rücken vergoldet. In an- dern Fällen war das yop3 der Könige ganz von Gold (Taf. II, 8.), oder wie andere Schwerter ganz von Erz!). Auch in einer andern ähnlichen Waffe war Erz und Eisen in der Klinge verbunden ?) (Taf. II, 10). Bei der häufigen Bearbeitung des Granits in grofsen Massen, wie sie bereits seit der vierten Manethonischen Dynastie nachweislich ist, kann es wohl nicht zweifelhaft sein, dafs man seit jener Zeit und schon früher das isen und seine Härtung kannte. Doch ist es sehr bemerkenswerth, dafs in allen Darstellungen des Alten Reichs blau gemalte Instrumente kaum nachzuweisen sein dürften. Überall sehen wir das Metall der Waffen und der Arbeitsgeräthe roth oder auch hellbraun gemalt, z. B. echankrirte Beile3) (Taf. I, 11.), Pfeilspitzen *) (Taf. II, 12.), Sicheln®) (Taf. II, 13), Sägen 6) (Taf. II, 14.), Schabeinstrumente der Lanzenschäfter ?) (Taf. I, 15.), Schlägel $) (Taf. II, 16.), Meifsel?) (Taf. II, 17.), Wagebalken und Gewicht an der Wage!P) (Taf. II, 18.), Rasirmesser!!) (Taf. II, 19), Spiegel!?) (Taf. II, 20.), Schlächtermesser 3) (Taf. II, 21.), Harfensaiten 1%) (Taf. II, 22.) u.a. Daraus geht wenigstens hervor, dafs das Eisen im Alten Reiche sehr viel weniger im Gebrauche war, und überall, wo es nicht seiner Härte wegen unentbehrlich war, durch das Erz ersetzt wurde. m ih ; M teht, tehti, tehtu, ns tagt, das Blei, nerußdes, plumbum. Bei der Übereinstimmung des hieroglyphischen mit dem koptischen Worte kann über die Bedeutung desselben kein Zweifel sein. Im Kopti- ) Champ. pl. 15, a. 11. ) Ibid. pl. 11. >) Denkm. Il, 141. +) Denkm. II, 133. 141. Roc. M. C. 16. SA Ros: 1. 1. 36. 6) ibid. 43. 44. ") ibid. 43. 44. ) ibid. 45. ?) ibid. 45. 10) jbid. 52. ZUR ibid. 6. 12) ibid. 81. 13) ibid. 83. 14) 7 nbid.598: die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 113 schen kommt auch die Umsetzung arg vor; hieroslyphisch auch die Schreibung fa ol), Vaht, IE 7 tahti?). Im Tempel von Medinet Habu wird das Blei, wie das Silber und Kupfer, in grofsen Platten dargestellt, mit der Aufschrift — = _° S). Unter den Tributgaben wird es wie das Kupfer in der Regel nach Zie- geln, tob, gemessen, davon 1, 5, 11, 20, 47 erwähnt werden Be merkenswerth ist es, dafs in Karnak (Denkm. III, 30, a, 15) vorkommt: EIS NL. le „Blei 47 000, Blei 1100 ten; denn obgleich das Vorausgehende sammt dem beginnenden — abge- brochen ist, so ist doch keine andre Ergänzung möglich; auch ist es gleichgültig dafs erst tahtı, dann taht steht. Wir haben nun oben bei dem Kupfer gefunden, dafs der Ziegel, fob, ungefähr 20ten wog; wenn nun hier gemeint wäre, dals die 47 tob 1100 ten wogen, so würden auf einen Ziegel 232 ten kommen. Dann würde man aber nicht das Wort taht wieder- holt, sondern nichts, oder wie in analogen Fällen =, dazwischen ge- setzt haben. Vielmehr müssen wir annehmen, dafs hier Blei in zweierlei Form vorlag, in der gewöhnlichen gegossenen Ziegelform und in irgend einer andern unregelmäfsigen Form, die nach dem Zen-Gewichte bestimmt wurde. In einer andern Stelle ?) folgt hinter dem Kupfer: =), in) °o sııı Somm _B SE, A 1 Wien. BE Ye Er dann folgt noch yesbet und Elfenbein. Auch hier werden wir annehmen müssen, dafs die nenus eine andre Form waren, in welcher das Blei versendet wurde, etwa in kleinen Scheiben, den Honigscheiben ähnlich; vgl. sun, favus mellis. Dafs yesbet erst hinter dem Blei erscheint kehrt auch sonst®) wieder; man falste die Metalle zusammen, und liefs sie den Steinen vorausgehen. 1!) Denkm III, 31, a, 6. 2) Athiop. Stele in Bulaq lin. 22. Die Form —/$ oder Ib 1 Brugsch, W. B. p. 1656. 1592. habe ich nicht auffinden können. 3) Düm. Hist. Inschr. I, 34. 4) Denkm. III, 30, a, 1. Auswahl XII, 35. 33. Denkm. III, 31, a, 6. 30, a, 15. 5) Ausw. XH, 35. 6) Ausw. XII, 6. Philos.-histor. Kl. 1871. 15 114 LEersıus: Das sind die Metalle, die sich bis jetzt auf den ägyptischen Denk- mälern nachweisen lassen. Das Zinn ist nicht darunter, obgleich es kaum zu bezweifeln sein dürfte, dals es den Aegyptern bekannt war; denn wir finden es in der Bronze, aus welcher Spiegel und andre Instru- mente gemacht wurden, in zu grolser Menge, ec. 14 Prozent, um es. nicht als einen absichtlich beigemischten Bestandtheil anerkennen. zu müssen !). Freilich läfst sich für Aegyptische Bronzen nicht leicht ein bestimmtes Alter angeben, also auch nicht die Zeit; wann das Zinn zur Kenntnils der Aegypter kam. Sicher aber dürfen wir annehmen, dals sie wenig- stens ebenso früh wie die Hebräer, Griechen und Römer ein Metall kann- ten, welches dem >72 bedil, zarsırsges, stannum entsprach, mag dieses nun das wirkliche Zinn, oder, wie Beckmann ?) wahrschemlich gemacht hat, die Mischung von Silber und Blei gewesen sein, die man jetzt Werk nennt. Es ist wohl möglich, dals man das Zinn, wenn man es kannte, nicht selbständig zu verarbeiten pflegte, wenigstens nicht zu Watlen und solehen Geräthen, denen wir in den Inschriften begegnen, wie es sich denn in der That auch wenig dazu eignet; und dals wir es deshalb nicht aufgeführt finden. Eher würde man erwarten dürfen es unter den Tribut- segenständen und Handelsartikeln zu sehen, deren Listen wir in Ptole- mäischer Zeit finden. Man würde auf das tehset fallen können, wenn man unsere Vermuthung verwirft, dals dieses ein zweiter Name für das Eisen gewesen sel. Doch würden schon die aus tehset gefertigten Gegen- stände gegen die Annahme sprechen, dals dieses Zinn sei. Auch würde das koptische Wort für Zinn Gactes ebensowenig wie benine mit tehset zusammen gebracht werden können. i Noch weniger dürfen wir erwarten ein hieroglyphisches Wort für das Zink zu finden, da dieses in seiner reinen metallischen Form dem Alterthum überhaupt nie bekannt worden zu sein scheint. 1) S. die Untersuchungen von Vauguelin bei Passalacqua, Catal. rais. p. 238. 2) Beiträge, IV, p. 3211R E die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 115 Wir fassen nun die Hauptresultate unserer Untersuchung noch ein- mal übersichtlich zusammen, indem wir zugleich auf die beigefügten Tafeln für die Abbildung der verschiedenen Formen verweisen. Das Gold. De nub; in Ptolemäischer Zeit auch TaN NA sam }) oder 0, ınosh, art zahab, 5 Zgvres, aurum. Es wurde theils im Ri gefunden, wenigstens in früherer Zeit, theils aus Aethiopien und aus verschiedenen Theilen Asiens eingeführt. Es wurde in Haufen aufgeschichtet, Denkm. IH, 117. (Taf. I, 1.) Dümichen, Histor. Inschriften I, 32. (Taf. I, 2. 3.) ibid. 34. (Taf. 1, 4.); oder in Klumpen; Champollion, Mon. pl. 316. (Taf. 1,5.). Es ist dies das rohe, mehr oder weniger gediegene ungereinigte Gold, «arvgss Yauces (Diod, Fe Ze 2, 50.), wie es in den Minen gewonnen wurde, und heilst ’ ’ Do ? ooola| nub her set-f „Gold auf, oder von BOHRER Gestein.“ Pk \ In Beutel verschlossen a v nub em äref-u „Gold Beuteln,* wurden theils die kleinen u Fels gewonnenen Goldstück- (em ren chen ‚ theils das aus dem Sande gewaschene Flufsgold RE PINIEN PAAAEAIDBRNEN das Ynyua eu ygurod (Diod. 3, 14.), Inyua (Herod. 3, 94.), der thber der Araber. Denkm. III, 117. (Taf. I, 6.). Düm. Hist. Inschr. I, 30. (Taf. I, 7.), ibid. 32. (Taf. ], 8.) (Greschmolzen wurde es meistens zunächst in Ringe N 000 OXT oO, nub em sesu, wie der Tibber der Nilzuflüsse auch jetzt meist in tinge geschmolzen wird für den Handel. Denkm. III, 117. (Taf. I, 9.). Hoskins, Trav. in Ethiopia pl. 47. (Taf. I, 10.) Aber auch in gröfseren viereckigen Platten, erscheint es nicht selten. Hoskins, pl.46. (Taf. I, 11.), ibid. 47. 48. 49. (Taf.I, 12.) Champ. pl. 316. (Taf. I, 13.) oder auch in Scheiben. Champ. pl. 316. (Taf. I, 14.) Endlich wurde es auch in Form von Ziegeln „| bb, ge- gossen. Hoskins pl. 47. (Taf. I, 15.) Champ. Not. p. 508; eine Form die auch in andern Ländern gebräuchlich war, wie die #AwSa gurai in Ek- batana (Polyb. 10,27.) zeigen. \ Do x !) Vgl. Aeg. Zeitschr. 1871, p. 20: IS 9 Er ‚ba sau „das schöne Mineral,“ d. i. das Gold, 15* 116 LeErsıvs: In Son Sehatzhäusern wurde es dann in besonderen Kisten auf- AS bewahrt, lk sebyet, Champ. 316. (Taf. I, 16. 17.) oder DO tep-u genannt. Düm. Hist. Inschr. 1,:30.1C£. "Dümi Rec. IV) TI, ULeRafale8)) Das Gold wurde nicht gemünzt, sondern als Tauschmittel und zur Werthbestimmung abgewogen nach ten und krte,;, so namentlich in Form von Ringen oder Scheiben. Denkm. III, 39, a. (Taf. I, 19.); in Aethio- pien auch nach der kleinsten Einheit pek. Das Elektrum. o [Bug vez= ® . R : \ + o, ] A N, asem, asemu, >RWT, xasmal, ö Niex- o° 2 oo @ eat 7) raos, electrum; eine Mischung von Gold und Silber, wie sie in verschie- denen Mischungsproportionen meistens in den Bergwerken oder ebenso als Flufsgold gefunden, später auch durch künstliche Legierung hergestellt wurde; nach Plinius hiefs das Gold eleetrum, wenn es 20 Procent (oder mehr) Silber enthielt. Von den Griechen wurde der Name dieses Metalls als ö AAszrecs von dem des Bernsteins r& NAERTgoV unterschieden; die Rö- mer nannten beides electrum, weil alle Metalle lateinisch Neutra sind. is wird in Beuteln abgebildet. Hoskins pl. 47. (Taf. I, 20. 21.) oder auch in Ringen. Diese letztern werden abgewogen bis zu Massen von 36692 ten. (1 ten = 90,9591 Gramm). Denkm. II, 39, d. (Taf. I, 22.) Das Silber. m) . RO . h: 5% } ‚ hat: in Ptolemäischer Zeit auch IS)» ärk-ur, und o00 © 000 SR: ua; 11 9AT; 202, kesep; © voos, argent Es dl ET E ru, rud;z 9: 209, kesep; 6 agyup argentum. Es wurde hauptsächlich von Asien, aber auch von den westlichen Kefa bezogen. In früheren Zeiten war der Werthunterschied zwischen Silber und Gold geringer als später. Es wird abgebildet als ungereinigtes Silber in Haufen, Düm. Hist. Inschr. I, 32. (Taf. I, 23.) und in kleinen Stückchen wie das Gold in Beuteln. Düm. Hist. Inschr. I, 34. In Ringen wird es dargestellt bei Hoskins pl. 47., (Taf. I, 24.) welche hier zwar gelb gemalt sind, aber wie aus Champ. Not. p. 507. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 117 hervorgeht, im Original weils gemalt waren, wie es die Überschrift 1 verlanst. Vel. Wilkinson 1.1. In weifsen Ziegeln erscheint das Silber bei Hoskins pl. 47. (Taf. I, 25. 26.); AI dgyupar (Polyb. 1. 1.) Auch in Platten bei Düm. Hist. Inschr. I, 34. (Taf. I, 28.) und Hoskins pl. 47. (Taf. I, 28.) Die kunstreichen Vasen in den verschiedensten Formen aus Gold, Fi oO, fe) Silber und andern kostbaren Stoffen sind in den angeführten Abbildun- sen bei Champollion, Hoskins und in den „Denkmälern“ nachzusehen. tesbet. a Bu So 8 DO este , resbet, später nur 32 a | xesteb ge eschrie- rn — —ı— ben; ın a Zeit auch af und ll: repi; TED, sappar, 7 Fampeıgos, sapphirus; 5 zvavos, caeruleum; der Lasurstein (lapis lazuli), Ultramarin; Kupferlasur und Bergblau; blaue Smalte und die daraus be- reitete Farbe; Kobaltsmalte, Kobaltblau; Kupfersmalte, Kupferblau. 3 rt im Wesentlichen drei verschiedene Stoffe zu unterscheiden 1: 0 resbet mä, das ächte ‚yesbet. Das ist der Lasur- stein, | lapis lazuli, auch ‚yesbet nofre en Babelo oder en Tefrer; „gutes xesbet aus Babylon oder aus Tefrer; von den Griechen Fampeigss oder nach der Farbe zvavos Blaustein genannt, bestimm- ter »Vavos aurepuns, nach der Herkunft xvaves XzuSys, sapphirus oder caeruleum Seythicum, namentlich als Farbestoff für das Ultra- Tag. le E vesbet irt-t, das künstliche, nachgemachte yesbet, LUD zUavos Yuros oder FERURWMEVES , der geschmolzene oder gebrannte Blaustein, auch zyaves Aiyvrrıss genannt, weil diese Kunst in Aegypten erfunden worden war. Es wurde ein blauer Glasfluls hergestellt, welcher den Lasurstein nachahmen, und gepulvert den Ultramarin ersetzen sollte. Zur Färbung des Glases bediente man sich fast durchgängig der Kupfererze, zuweilen aber auch des Kobaltes. Beide Nüancen werden schon bei Theophrast unter schieden, welcher 118 LEPSIUS: a. Das Kobaltblau xvavos apenv b. das Kupferblau zvaves SyAvs nennt, jenes als das dunklere, dem Lasursteine ähnlichste, dieses als das hellere. 3. Unter dem allgemeinen Namen yesbet wurde endlich ohne Zwei- fel auch der zuavos arugos oder xvaves Kurgıos begriffen, die rohe blaue Kupferlasur, welche pulverisirt eine schöne aber wenig haltbare blaue Farbe giebt, von den Aegyptern aber nur als Rohstoff für ihre blauen Glasflüsse und die daraus bereitete blaue Malerfarbe gebraucht worden zu sein scheint. Das yesbet wird dargestellt in Haufen, blau gemalt, Hoskins pl. 47. (Taf. I, 29.) Vgl. Champ. Not. p. 506. Denkm. II, 117. (Tat. I, 30.) Vgl. 115. 118. Hoskins 49. In Medinet Habu trägt der Haufen die In- schrift ‚resbet mä& „ächtes ‚resbet.* Düm. Hist. Inschr. I, 34. (Taf. I, 31.) Es erscheint m Beuteln, also in kleinen Stücken oder zu Farbe sepulvert. Diüm. Hist. Inschr. I, 32. (Taf. I, 32.) mit der Aufschrift yesbet en Tefrer „Chesbet aus Tefrer oder Teflel.* In Ziegel gegossenes ‚yesbet als blaue Smalte, abgebildet in Me- dinet Habu. Düm. Hist. Inschr. I, 32. (Taf. I, 33. Mafek. 3, L Nm mafek-et; in Ptolemäischer Zeit auch = ; 7, heb genannt; rr72, bäreget, A auagaydes !), smaragdus; (MeAoxirns), molochites; Xgurexeara, chrysocolla; Smaragd ?), Beryll; Malachit, Kupfer- erün; Berggrün; grüne Smalte und die daraus bereitete grüne Farbe. Auch hier sind wie beim yesbet drei Stoffe zu unterscheiden. 1 a mafek mä, das ächte Mafek, der edle grüne aus fernen Ländern Asiens berbeigeführte Stein, welchen die Alten Smaragd nannten, unser Smaragd oder der ihm nahe stehende srüne Beryll. !) Die Namen s-uegeydos und bareget sind ohne Zweifel ein und derselbe. 2) Ich habe vor kurzem (Ende 1371) einen kleinen sorgfältig in bestem Stile ge- schnittenen Skarabaeus gesehen, den ein Mr. Henry V. Burgy neuerdings in Aegypten für eine geringe Summe gekauft hatte, und der mir aus ächtem Smaragd oder Beryll ge- schnitten zu sein schien. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 119 2 alle), mafek vri-t, der nachgeahmte Smaragd, ein grüner mit Kupfer gefärbter Glasfluls der zerstofsen die beste srüne Malerfarbe gab. 3. Ohne Zweifel wurde unter demselben Namen mafek auch der Roh- stoff einer schönen grünen Malerfarbe begriffen, der aber in Aegyp- ten hauptsächlich zum Färben des grünen Glases diente, nämlich der Malachit, welcher von Theophrast Yeudrs auagaydes genannt wurde, so wie das besonders als Goldloth benutzte und daher WousonorAa genannte Berggrün. In den Abbildungen wurde das mafek m Haufen dargestellt und grün gemalt. Bei Hoskins, pl. 49, (Taf. I, 34.) ist es irrig blau gemalt und ohne Beischrift. Beides ist richtig angegeben von Champollion Not. p. 509. Vgl. Wilkinson 1.1]. Düm. Hist. Inschr. I, 34. (Taf. I, 35.) Auch in Ziegeln, folglich als in diese Form gebrachter grüner Glas- flufs, erscheint es in Medinet Habu. Düm. Hist. Inschr. I, 32. (Taf. I, 36.) Kupfer. D . a8 . . N ‚ in Ptolemäischer Zeit meist, d „» Aomt, 15 90MT, gOMMT; ° ° a -Vv e ’ um, neyüs, 6 xaAucs, aes. Es wurde in Aegypten hauptsächlich aus Asien eingeführt. D 28 ooola seinem Gestein“ erwähnt, wie wir den Zusatz auch beim Gold gefunden Es wird besonders oft x romt her set-f „Kupfer auf haben. Es sind dies ohne Zweifel die rohen Klumpen Kupfer, die noch nicht rein ausgeschmolzen sind. Diesem wird gegenüber gestellt ii ES ‚yomt sotefu, „das geschmolzene oder gereinigte Kupfer, ‘wie es ın Ziegelform vertrieben wurde. Da die Ziegel von ce. 20 ten Schwere doch kein genaues Mafs waren, so finden wir bei dem gegossenen Kupfer aufser der Anzahl Ziegel, tob, auch das Gesammtgewicht in ten angegeben. In Platten erscheint das Kupfer oder Erz in Medinet Habu. Düm. Hist. Inschr. I, 34. (Taf. I, 37.) Kupfer und Bronze wurden im Allgemeinen nicht durch besondere Namen unterschieden. Doch scheint die Bezeichnung 2 an, „schwar- zes Kupfer,“ die sich gelegentlich findet, vom ungemischten Kupfer zu 120 Lersıus: verstehen zu sein, im Gegensatz zu dem helleren legirten Kupfer, der Bronze. Verarbeitet wurde das Erz hauptsächlich zu Gefäfsen, Geräthen und Instrumenten aller Art. Auf den Monumenten ist dieses Metall in der Regel an seiner rothen Farbe zu erkennen; s. unsre Taf. II. Eisen. I: er in Ptolemäischer Zeit X. —)p: 1.2. te- haset, tehset; su heine; 5772, barzel; © riönges, ferrum. Die Gruppe men ist bis jetzt in Ptolemäischer Zeit noch nicht nachgewiesen worden und teheset noch nicht vor dieser Zeit. Vereinzelte Fälle mögen sich später noch finden; für gewöhnlich aber hat seit Psa- metichzeit das eine Wort das andre ersetzt. Das koptische &en-me geht im ersten Theile vielleicht auf men zurück. In »men werden besonders Geräthe und eine Anzahl Waffenstücke erwähnt; in Zeheset Thürschlösser und Beschläge. Abgebildet mit seinem Namen ist das Eisen bis jetzt noch nicht sefunden worden. Dagegen kommen auf den Monumenten häufig Geräth- schaften, Waffen, Instrumente aller Art vor, welche theils roth, theils blau gemalt sind. Durch die rothe Farbe wurde das Kupfer, durch die blaue das blanke, wasserfarbige, Eisen ausgedrückt. Wir haben auf Tatel Il. eine Anzahl dieser Gegenstände mit ihren Monumentalfarben zusammengestellt, die wir bereits oben (p. 111. 112.) einzeln verzeichnet haben. Blei oo f o k : £ : —i 0, N 5 R tehtt, teht; TI TAOT, nd), soperet, [) uorulades, ANNO alla Yar NN plumbum. Das Blei wird in Medinet Habu in grofsen Platten dargestellt. Düm. Hist. Inschr. I, 34. (Taf. I, 38.) Es wird gewogen nach Ziegeln (tod); aber auch nach ten. u die Metalle in den ägyptischen Inschriften. 121 Nachtrag. Zu p. 33. J. Brandis in seinem gehaltreichen Werke. „Das Münz- Mafs- und Gewichtswesen in Vorderasien. Berlin 1866. p. 80. ver- muthet, dafs die in den Kriegsannalen Thutmosis III. zu Karnak als Asiati- scher Tribut erwähnten Metallmassen ein ursprünglich asiatisch normirtes Gewicht gehabt hätten das erst nachträglich in Aegyptische ten übertra- gen wurde. Er leitet das namentlich aus zwei Angaben ab, die er in den Übersetzungen jener Inschriften gefunden hat, nach welchen 108 Ziegel gereinigten Kupfers 2040 ägyptische ten und 8 Silberringe 301 ten wogen. Das ergiebt auf den Ziegel 18,88, auf den Ring fast genau das Dop- pelte nämlich 37,62 d. ı. 2 mal 18,80 ten. Nun ist es aber schon an sich unwahrscheinlich, dafs wenn man das Kupfer in Ziegel- oder Barren- form von ce. 34 Zollpfund in den Handel brachte, man das Silber in riesenhafte Ringe zu einem bestimmten Gewichte von c. 7 Zollpfund ge- gossen und so zu Tausch und Berechnung ausgegeben haben sollte, wäh- rend man den Werth der edeln Metalle so hoch schätzte, dafs man sie bis zu 4 Quentchen genau abwog. Hätte man aber dennoch aus irgend einem Grunde so mächtige und kostbare Silbergewichte anfertigen wollen, so würde man das Gewicht wenigstens in Minen haben aufgehen lassen und statt 63 lieber ein Gewicht von 6 oder 7 Minen gewählt haben. Die Inschrift berechtigt aber auch nicht zu einer solchen Annahme. Die Über- setzungen sind allein nach dem von mir 1847 publicirten Texte gemacht worden; in diesem ist aber deutlich angegeben (Auswahl 12, 26), dafs über der von mir ergänzten 8 der Stein abgebrochen ist, und folglich beliebig viel Zehner oder auch Hunderte vorhergehen konnten. Die Stelle giebt end eine Berechnung. Ich kann aber auch den also keinen Anhalt für irg 8. übrigen Rückschlüssen aus den Summenangaben in Karnak auf ein Asia- tisches Normalgewicht nicht beistimmen. Ohne hier näher auf das Ein- zelne einzugehen bemerke ich doch, dafs man zwar in Aegypten die edeln Metalle nie nach höheren Gewichten als nach dem ten-Gewichte wog, wie wir gesehen haben, wohl aber in Asien nach höheren Gewichten als 60stel oder 45stel-Minen, welche als Einheit hierbei angesehen werden. Man rechnete vielmehr nach vollen Minen, die nach Brandis entweder kleine zu 505 oder grofse zu 1010 Gramm waren, wie auch nach Talenten zu 30300 Gramm. Beides findet sich in den Hebräischen und den Assyri- Phlos.-histor. Kl. 1871. 16 122 LEepsıus: schen Berichten oft und als das Gewöhnliche. Wenn also die ägyptischen Zahlen auf asiatische normirte runde Summen zurückzuführen wären, so würde man diese nicht auf sechzigstel oder fünfundvierzigstel, sondern auf ganze Minen abgerundet finden müssen; man würde nicht 7800, 6200, 1250 fünfundvierzigstel = 1757, 1374, 277 Minen, oder 780, 485, 550 Sechzigstel = 13, 8-5, 94 Minen, als Tribut ausgeschrieben haben (s. Br. p. 92.), sondern 180, 140, 30, 12, 8, 10 Minen. Eine Abrundung grofser Summen in jenen kleinen Theilen bis auf Zehner oder sogar Fünfer (wie 485) wird man bei einem Spielraum von 8,35 bis 8,45 Gramm für das Sechzigstel (Br. p. 92) immer leicht finden, daher dies schwerlich beweisend sein kann. Mir scheint, die überwundenen Völker brachten auf, wieviel und m welcher Form sie eben konnten, um den ägyptischen Forderungen möglichst zu genügen; die edeln Metalle theils verarbeitet in Gefäfsen und andern Kunstwerken theils in Ziegeln, Plat- ten, Ringen, Stücken oder Sandform. Wurden dann die Kostbarkeiten für die Schatzkammern verzeichnet, so wurden sie auch dann erst genau abgewogen. Auch die kleinen Goldringe im ägyptischen Museum zu Ley- den (Br. p. 83) müfsten meines Erachtens, da sie nicht so leicht wie Münzen abgenutzt wurden, genauer zu dem angenommenen Gewichts- systeme passen, wenn sie Gewichtstheile darstellen sollten, und zwar nicht ägyptische, sondern babylonische. — Die beiden zu Nimrod gefundenen Erz- würfel (Br. p. 76) mit einem eingelegten goldenen Skarabäus sind schwerlich ägyptische Gewichte. Ob sie überhaupt ägyptischer Arbeit sind, mülste erst am Stil des Skarabäus geprüft werden. Der Verlust von c. 8 Gramm ist nicht unbedeutend wenn die Erhaltung gut ist; der Skarabäus wäre unverständlich auf einem Gewichte, und die constante Form der ägyp- tischen Gewichte (s. oben p. 40) ist eine andre. Zu p. 44. Über äsem, das Elektrum, ist noch zu bemerken, dafs dieses Wort wohl ein und dasselbe ist mit dem Hebräischen =2Wn, ‚rasmal, Das hebräische 7 y wechselt öfter mit s, (Gesenius, Thesaur. p. 2. 436.) welches genau dem hieroglyphischen | a entspricht und -/ ist eine im Hebräischen nicht ungewöhnliche Nominalendung, die z. B. gern Diminu- tiva bildet. Das Wort kommt nur bei Hesekiel 1, 4. 8, 2. vor, wo der Goldelanz einer Feuerwolke damit verglichen wird, was damit überein- stimmt, dafs der Glanz des Elektrum selbst den des Goldes überstrahlen sollte. Die Erklärer nahmen ‚rasmal bald für orichaleum, also Messing, die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 123 bald für aurum purum nativum, oder =2 Wr aes laeve mit abgefallenem >, oder für das in der Apokalypse in ähnlicher Verbindung gebrauchte yarrort@avov. Ohne Zweifel hatten aber die LXX. recht, welche es durch Aerrgos libersetzten. Zu p. 47. Aus den Angaben bei Herodot 1, 50, dafs in dem Weihgeschenk des Kroesus ein goldner Ziegel 23, ein elektrischer von gleicher Dimension 6x3 x1 Palm zu 00875) 2 Talente wog, lälst sich bestimmen, dafs das Elektrum hier ce. 30% Silber enthielt, wenn man das specifische Gewicht des geschmolzenen Goldes nach G. Rose zu 19,28, das des Silbers zu 10,48 annimmt !). Vergleicht man dann das Gold- gewicht mit dem überlieferten Volumen der zwirrwSıa, so findet sich dafs, wenn sie massiv gewesen wären, der einzelne Halbziegel 232722 Gramm gewogen haben würde, was ein Talent von 93089 voraussetzen würde. Da aber das Persische Goldtalent, welches bei der runden Zahl von 2 und 21 Talenten angenommen werden muls, wie das Attische nur 26196 Gramm wog, so geht daraus hervor, dafs es Hohlziegel waren, deren Wände noch keinen Oentimeter 0,00872 diek und ohne Zweifel auch nicht gegossen sondern getrieben waren, wie der von Herodot gebrauchte Aus- druck &£rAavve auch allein anzunehmen erlaubt. Zu p. 52. Die Worte „und Zehen“ sind zu streichen. Zu p. 69. Auch das Hebräische "22 sappir kann nur der Lasur- stein sein, da ausdrücklich seine Goldpunkte erwähnt werden. Hiob 28, 6: YES Dipn 5 an nhenı mas „ihr (der Erde) Gestein ist der Sitz des Sa- phir, und Goldstaub ist darauf.“ Pag. 69., lin. 12. ist zwischen &rriv und xguserasrss einzuschieben Zu p. 79. Auch im Alten Testament wird der Saphir und Sma- vagd, yesbet und mafek, mit einander verbunden; so Tobias, 13 16: „Je- rusalem wird gebaut werden mit Saphir und Smaragd.“ Zu p. 82. In Dendera?) werden die 8 kostbarsten Mineralien die man kannte unter der gemeinschaftlichen Bezeichnung aufgeführt: Fr Een d-t neb em mä em ran-sen, „alle ächten Edel-Mine- el ,z7 rale mit ihren Namen. !) Quenstedt p. 557. 565. 2) Düm. Rec. IV, 9. 10% 124 LEPSIUS: Diese lauten: © MW £ MA v Gold 5 ächtes nesemem ae vs) o 111000 & al nom = ) N Silber 3 ächtes mafek 000 Q o0o0o0 num ISSN ——| ächtes ‚resbet 1 l 1 = ächtes Zehen PommiL) ächtes yenemem SE ächtes hertes Unter diesen kennen wir bereits das ächte ‚resbet und das ächte mafek, den Lasurstein und den Smaragd. Ohne Zweifel waren auch die andern Minerale ächte Edelsteine; denn nur diese wurden nachgeahmt, nicht Metalle, daher auch bei Gold und Silber der Zusatz en md „ın Wahrheit, ächt,“ weggelassen ist. Wie nun bei dem Lasurstein und Sma- 'agd die Nachahmung in einem ebenso gefärbten Glasfluls bestand, so müssen wir dies auch bei den andern Edelsteinen voraussetzen; und in der That finden sich in den Museen auch noch andre als blaue und grüne Glasflüsse; fast alle entschiedenen Farben der ägyptischen Palette sind in schönen tadellosen Glastlüssen, in Form von Perlen oder kleinen Amu- letten, oder auch inkrustirt vertreten. Eine specielle Untersuchung aller noch vorhandenen ächten und wunächten altägyptischen Edelstein- und Glasimitationen würde reiches Material finden und von manigfaltigem Interesse sein. Es ist hier nicht der Ort darauf ausführlich einzugehen: doch bemerke ich in Bezug auf jene vorzugsweise „ächt“ genannten Steine, dafs sie zugleich die Typen der Hauptfarben abgegeben zu haben scheinen. Das yenem oder yenemem!) war roth; denn so wird ein Haufen dieser Edelsteine mit der Beischrift > = in Theben dargestellt ?), zu- sleich mit gelben, blauen und grünen Haufen, d.h. mit Gold, Lasurstein und Smaragd. Wir müssen daher den avSg«£ des Theophrast den car- buneulus des Plinius, wie es scheint unsern Rubin, darin erkennen, ohne Zweifel emen der werthvollsten aller Edelsteine, die den Alten bekannt waren. Es werden gewisse Amulette aus Rubin erwähnt®), wie 8. , ik 8 die sich in der That zum Theil noch jetzt in den Museen zwar nicht aus Rubin, aber in andern rothen Steinen namentlich rothen 1!) Beide Schreibarten wechseln. Mariette, Dendera, I, 71, 5. Auch senem wird nach späterer Aussprache geschrieben. ?) Denkm. III, 117. 3) Todtb. 156, 1.140, 12. 'Düm. Rec. IV, 9, 53 OST num 000 die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 125 Jaspis oder on die ıhn vertreten, finden. In Ptolemäischer Zeit kommt dafür "7 , heken vor!). Schwieriger ist das nesem zu bestimmen, welches auch sonst sehr selten genannt wird; doch werden auch aus diesem Steine im Todten- buche gewisse Amulette erwähnt, I NG: c3199,322 1605 13% und in dem Papyrus des Nertuamon in Berlin eines der vier verschieden- farbigen Herzamulette: VIER © °, Ich halte seine Farbe für hell- num DIT 1 blau, im Gegensatze zu dem viel dunkleren resbet. Es giebt im Berliner Museum ausnehmend schöne hellblaue Glasflüsse, welche den ächten Tür- kis, den man in dem iaspis Persarum aeri similis des Plinius (37, 37) zu erkennen glaubt, täuschend nachahmen. Das tehen war ohne Zweifel ein gelber Stein, also unter den edeln Steinen wahrscheinlich der gelbe Topas oder auch der gelbe Jas- pis. Der Name bedeutet überhaupt glänzend, hell, dann gelb, und er- hält das Determinativ der Kügelchen nicht nur als Mineral, sondern auch als Farbe. So ist es schon im Alten Reiche gebraucht, z. B. in einer Stelle, welche de Rouge?) anführt. So heilst es auch in Edfu®) von einem Holze = TIT «nem-f tehen „seine Farbe ist gelb,“ und die Hathor, die vielfarbige (s. oben) heifst in Dendera*) die tehen-farbige d. i. die gelbe, wie sie auch „die goldene, die elektrische, die esbet-far- bige (blaue), die mafek-farbige (grüne) Göttin“ genannt wird. In Den- dera heist es + „?® GEN! 3: haa mum em tehen, to > 00 LE o em mafek „es strahlt der Himmel in Gelb, die Erde in Grün.“ In einer Götterprozession zu Medinet Habu) wird ein gelber Thot und ein rother Thot unterschieden TATEN und so wird der Kynokephalos als Symbol und mit der Beischrift des Thot bald gelb bald roth gemalt ®). Im Todtenbuche a erscheint Zehen als Mineral; da heilst es nämlich ?): N AN a, EN > alkazs „ich bin gegangen gleich der Sonne durch eine Pforte aus Zehen,“ wodurch der Horizont des gelben Morgenhimmels bezeichnet wird; und ein säulenförmiges Amulet wird 1) Mariette, DenderaI, 70, 5. Düm. Rec. IV, 73, 5. ?) Rech. sur les prem. dyn. p. 69. ®) Düm. Rec. IV, 88, 28. *) Düm. Kal. Inschr. 109, 7. 5) Denkm. III, 37, b. 6) Champoll. Panth. Eg. pl.30. F. G. 7) 146, 26. 126 Lerstus: x e 1 AmmMA g aus tehen gefertigt I wo ual' en tehen‘). Auch das tet-Symbol 2 - a] o0o0 » . c 2 Ne) . kommt aus Zehen geiertigt vor?), I, le Beide Amulette kom- . ‘ . ) N N ." men in gelbem Stein oder in gelbem Glastlusse ın den Europäischen Mu- seen vor. In Dendera fungirten vier Propheten der Hathor, welche in den Prozessionen Vasen von kostbarem Material trugen. Sie sind auf der östlichen und westlichen Treppe, diese Vasen, welche klein waren und die Gestalt X) hatten, und Hathorsymbole tragend, abgebildet. In der a a dr DR I PEN I —— Inschrift die über der Darstellung hinläuft heifst es ®): in u al Ze I | A En: > ati ?L | 8 09 U Sem Y Yys u, Kap honuter aft yer dä nu ä-tu em hat, oL Leh tet TEE | nub, er yesbet, Be tehe n du $- Sn her-s hik-t in ra yent Ant, seses en tehen seyem en nub ter tenten en un-t em hat-seyem. „Die 4 Propheten, tragend Gefälse von edlem Mineral in Silber und Gold, nebst ‚resbet, ma- fek und tehen, zu erfreuen das Angesicht der Fürstin, des Sonnenauges, Dendera, und Sistren von tehen und Klappern von Gold, welche ab- halten das Übel von der grolsen Göttin von Dendera.* Von diesen vier Propheten trug der erste ein Gefäls von Gold und Silber und ein Sistrum;: der zweite ein Gefäls von yesbet und eine Klapper von Gold und Silber, der dritte ein Gefäls von mafek nebst einer Klapper, und der vierte eine Klapper und ein Gefäfs von ac 4), In einer andern Stelle zu Dendera RR En es are) x Boun_m at ) Ba heilst es: >60 0 aa ET u wm 900 000 OOX&_.000 elle m # H lat Sen xer annu uru em ba en nub, ärkur, yesbet, mafek SS yu ” . N ” x . B en Lesut, „rs tehen. „Asien versehen mit srofsen Gaben in Massen von Gold und Silber, ‚yesbet, mafek von Lesut und Tefrer, und tehen.* Also auch das Zehen kam wie die übrigen kostbaren Edelsteine aus Asien. An einer andern Stelle ®) wird — Yu pam, Tehen aus dem Lande Bey erwähnt, das auch im Osten von Acoypten las. Gleichfalls in Dendera bringt der König der Hathor eine Tafel auf welcher eine Anzahl von Ziegeln aufgeschichtet zu sehen sind. Dar- 1) Todtb. c. 125, 49. 52. 149, 39. 2) Brugsch, W. B. p.1589. >) Düm. Kal. Inschr. 82. t) Düm. Kal. Inschr. 100. 109. 113. Vgl. 88. 5) Düm. Resultate, Taf. 44. °%) Düm. Kal. Inschr. 82. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 127 ' j , i > | um pam % unter besinnt die zugehörige Inschrift !): mm? 1 ä E Sl | @ooo 00o00_.. © nn 2 es: o 0 räü tob-u nu nmub, ok tehen, Sesteb, mafek, senemem, hers, d-tu neb Darbringung von Ziegeln von Gold, Silber, tehen, ‚resteb, mafek, $enemem, hers und allerlei Edel-Mineralien.“ Hiernach wäre zunächst vorauszusetzen, dafs nicht nur das Gold und Silber, sondern auch die andern Stoffe in Ziegelform gebracht wurden, und in diesem "alle würden wir nur an die Nachahmung der genannten Edelsteine in Glasflüssen denken können. Dafs dergleichen vorhanden waren, seht schon daraus hervor, dals es dieselben kostbaren Minerale sind, die wir mit dem besondern Prädikate „ächt“ bezeichnet finden, die also auch „unächt, künstlich nachgeahmt“ vorhanden sein mulsten, wie das von resteb und mafek nachgewiesen worden ist. Nur das nesem, das auch sonst am seltensten vorkommt, fehlt hier von den sechs ächten Edel- steinen. Die gelbe Farbe des teken wird endlich auch darin bezeugt, dafs sich das Wort noch im Koptischen ern erhalten hat, welches sulphur und fulmen bedeutet, offenbar von der Farbe hergenommen. Thebanisch kommt auch os für sulphur vor ?), wohl mifsverständlich aus ronm ent- standen, welches der Schreiber für ein Femininum r-orm nahm ?). Das hertes wird als letzter der sechs ächten Edelsteine genannt. Es ist ohne Zweifel derselbe Stein, den wir so eben in Dendera 7, hers geschrieben fanden, und der auch 2= herset geschrieben wird #). In dieser Form finden wir den Stein auch unter den Bestandtheilen einer eisenthümlichen aus 24 mineralogischen Stoffen bestehenden Mischung, welche in Dendera beschrieben wird®). Und zwar wird hier „weilser“ und „rother hers“ unterschieden. Doch scheint die eigentliche und ge- schätzte Farbe die weilse gewesen zu sein. Denn wir finden eine Sub- stanz, wahrscheinlich ein wohlriechendes Harz, Namens beses, angeführt ©), von welcher gesagt wird Dt 2 inrt anem-f em herset „seine Farbe nn in herset;“ es mulste dies Adam: eine bestimmte bekannte Farbe sein. Das 1) Mariette, Dendera I, 22. ?) Zoega, Cat. 630, 48. 3) Tattam in seinem Lexicon führt den Irrthum durch, indem er os, sulphur, zum Femininum macht. #) Düm. Rec. IV, 86, 5. 5) Düm. Rec. IV, 9, 50. 24, 139, a. 6) Düm. Rec. IV, 86, 5 128 IDEIPISINUISE „weilse“ hertes wird auch noch öfter angeführt, z. B. in Dendera!), wo das weilse hertes von dem Lande == Setet gebracht wird, welches in Aethiopien lag; denn die Inschrift beginnt, IK Su less | = SE —Se=spoloro NE „er bringt dir Aethiopien (Kusch) versehen mit weilsem hertes.“ Ebenso in Edfu ?). Es scheint dies nur eim besonders schöner milchweifser Quarz gewesen zu sein, wie er jetzt im südlichen Schwarzwalde vorkommt 3), und wie man ihn unter altägyptischen Schmuckgegenständen theils ächt, theils in vortreftlicher Nachahmung als Glastlufs nicht selten antrifft. Wir erhalten demnach die folgende Reihe von ächten, oder ın Glasflufs nachgeahmten Steinen, in der oben angegebenen Ordnung: S =) 5 il J; ur ‚xesbet, dunkelblauer Lasurstein © ° a 2. N: xenem, vrother Rubin wm ° Fr INVMN o \ Ni r AN 3. o, nesem, hellblauer Türkis (?) ZI] [e) Au_o a .. al 4. AN o, mafek, grüner Smaragd N III oO 5 = 7 5. 192, tehen, gelber Topas 9. Res, tehen, gelber Lopas N io, . . 6. o, hertes, milchweifser Quarz. <> — 0 n Man kann jetzt noch fragen woher es kommt, dafs in dieser Ord- nung das Mafek seinen alten Ehrenplatz unmittelbar hinter dem yesbet verloren hat und in die vierte Stelle verwiesen worden ist. Darauf giebt vielleicht eine Palette die Antwort die sich im Berliner Museum befindet. Diese enthält 7 Farben vom: Dunkeln nach dem Hellen seordnet. Die beiden obersten Vertiefungen enthalten jetzt beide Schwarz, und sind vom Pinsel durch Hin- und Herfahren verschmiert worden. Wahrscheinlich enthielt die zweite ursprünglich nicht Schwarz sondern Dunkelblau, die eigentliche resbet-Farbe. Die andern Vertiefungen enthielten, wie ich mich überzeugt habe: Roth, Hellblau, Grün, Gelb, Weifs; also genau die Reihenfolge, nach welcher oben die Edelsteine geordnet sind; d.h. die Steine wurden hier in eine bestimmte Ordnung gebracht, nicht nach dem Werthe oder einer andern Regel, sondern nach der Farbe. 1) Düm. Ree. IV, 72, 12. *2) Düm. Rec. IV, 65,7. cf. 64, 5. 70, 3. (herset) 74, 12. 3) Quenstedt p. 169. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 129 Anhanse. Über & #Aerrgos das Silbergold, 4 1Aexrgos (-«) die Bernsteinverzierung, Le) NAenTgoV der Bernstein. Was oben (p. 43 ff.) über das altägyptische Goldsilber An?, äsem, gesagt worden ist, wirft vielleicht auch ein neues Licht auf das Griechi- sche und Römische electrum in seiner doppelten Bedeutung von „Silber- gold“ und „Bernstein“. Ich füge daher dem obigen Abschnitte anhangs- weise die folgenden Bemerkungen hinzu. Das Resultat der bisherigen Untersuchungen, wie es am kürzesten etwa in dem Artikel Aexrgov bei Passow zusammengefalst ist, läuft we- sentlich darauf hinaus, dafs die Bedeutung von eleetrum #nAerrgov als Bern- stein die ältere, und von ihr die des Mischmetalls später hergenommen sei. Man hat die drei ältesten Stellen über das Elektrum die sich in der Odyssee finden, ebenso die im Hesiodischen „Schilde des Herakles“ und in der Homerischen Kiresione, sämmtlich vom Bernstein verstan- den. Dafür ist hauptsächlich die Rolle geltend gemacht worden, welche der Bernstein in der griechischen Mythologie spielt, wie auch die Etymo- logie des Wortes, welches namentlich Buttmann !) in seiner Abhandlung über das Elektrum als eine abweichende Form für EAnrgov, „das an sich Ziehende“, zu erklären gesucht hat. Die eine Stelle in der Odyssee 4, 73 lautet: dgades ... MAaARCU TE Gregomnv za0 dwnara Aytevra Keuseu T NAERTOSU TE za agyugev A” Erebavros. wo von der Pracht im Palaste des Menelaos dıe Rede ist, von dem Schim- mer des Erzes und des Goldes und Elektrums und Silbers und Elfen- beins. Das Geschlecht, welches bei diesem Worte wie wir sehen werden, 1) Abh. der Berliner Akad. d. W. 1818. Philos.-hist. Kl. 1871. 17 130 Lersıus: 5 von Wichtigkeit ist, bleibt ungewils. Ebenso in den andern Stellen 15, 459: MUT dmg (Bdowi£) .... MoUTEov opuov Eywv, MErE 0’ MAenrgomiv Eepro. „Es kam ein (Phönizischer) Mann ein goldnes Halsband habend, welches mit „NAERTIOIS durchreiht war“, und 18, 295: oplov 2. ToAUdaldeAoV ... EVEIHE Wolweov, MAdergomıv depmevov, Aerıov ws. „ein kunstreiches Halsband golden mit AAerrgoıs aufgereiht, sonnengleich.* In der Homerischen Eiresione (v. 10.) heifst es dals die Braut am Webstuhl arbeiten möge &#’ erw Beßavi« „auf Electrum stehend,“ ein Bild des Reiehthums. Auch hier ist das Geschlecht des Wortes nicht zu erkennen, und ebenso wenig bei Hesiod v. 171, wo das Schild seinem Stoffe nach so beschrieben wird: mav nv Yap nunAm Tıravw AcunW T EAedavrı ArEnrow S ÜmoAaumss ev, YvcW TE hazıyd Aaumrouesvov nuavov OE due TTUXES NAnAavro. „Alles war ringsum von titanos und lichtem Elfenbein und Elektrum olänzend und von Golde strahlend; dazwischen aber waren Ayanos-Flächen gelegt.“ Um diese letztere Stelle richtig zu verstehen, müssen wir erst zwei Elemente entfernen, die, soviel ich sehe, bisher nicht richtig erkannt wor- den sind. Unter »vevov rrUyss versteht man Streifen von blauem Stahl. Theophrast aber, der einen besondern Abschnitt über den zvaves und seine Arten hat, weils nichts von einem Metalle dieses Namens. Der »vavos ist nie und nirgends etwas anderes, als ein blauer Farbestoff den man meist aus Kupferblau direkt oder dadurch herstellte, dafs man einen blauen Glasfluls daraus machte und diesen pulverisirte. Dieser Glasflufs, dessen Erfindung auf einen altägyptischen König zurückgeführt wurde, ahmte täuschend den /apıs lazulÜ nach, daher der Name KUÜG- vos auch auf diesen, der sonst arpeges genannt wurde, als auf einen xvavos avropuns übertragen wurde. Der Stahl heilst bei Hesiod selber (Seut. 137) «denas, später XaAup; denn unter einer zuven adanavres lälst sich in der That nichts anderes als gehärtetes Eisen verstehen. Für #ve- vos als Stahl wird allerdings unter andern auch der Harnisch des Aga- memnon (21. 11, 24) angeführt, von dem es heilst: die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 131 re) Ö’ Arcı dena clucı Erav WMeAavos KUavoro, Öwdera dE wgureis, nal einonı nansırepon. Hier sind die euer verschiedenfarbige Streifen, und zwar so angeordnet, wie auch die ägyptischen Farben in solehen Fällen angeordnet zu werden pfle- sen, nämlich dafs eine Farbe doppelt so oft vorkommt, als jede der beiden andern. Es waren ohne Zweifel ähnliche einfache Streifen, wie sie bei den Schuppenpanzern Ramses III. in seinem Grabe zu Theben zu sehen sind!), wo sich die Farben so folgen: roth, gold, roth, blau; roth, gold, roth, blau, u.s.f., oder: gold, blau, gold, roth; gold, blau, gold, roth, u.s.f., oder endlich: blau, roth, blau, gelb; blau, roth, blau, gelb, u. #8. f. Nur sind hier die Streifen quer, während sie bei Agamemnon, was viel- leicht noch nicht bemerkt worden ist, Längstreifen waren; denn das geht aus der Anzahl derselben hervor. Von den 42 Streifen waren 20 von »agsiregos, also weils, 12 von Gold, und 12 von xveves also blau. Wäre der Panzer Aemidwres gewesen, so wären die Aerides ohne Zweifel ge- nannt worden. Er war also glatt und bestand aus zwei Theilen, einem Brusttheil und einem kückentheil, von denen jeder 21 Streifen hatte, welche so geordnet waren: gold, weils, blau, weils, gold, weils, blau, weils, gold u. s. f., zuletzt wieder mit gold schliefsend, so dafs an beiden Seiten je zwei goldene Streifen zusammenstielsen. Dann findet sich die Anzahl der Streifen im Ganzen und im Einzeln richtig und natürlich an- geordnet. Soll man sich nun aber wirklich diese schmalen etwa zwei Finger breiten Streifen abwechselnd aus Gold, Silberblei (wie hier zarei- regos wohl zu übersetzen ist) und Stahl oder irgend einem andern Metall gefertigt und in ihrer ganzen Länge den Bewegungen der Körperfläche folgend zusammengelöthet denken? Nimmermehr. Der Dichter verlor sich nie in phantastische Beschreibungen willkürlicher oder gar unmöglicher Formen bei Dingen des gewöhnlichen Lebens. Hesiod konnte wohl das Geschrei der Schlacht, zitternde Fische und Ähnliches als abgebildet be- schreiben, aber von dem Zuhörer nicht verlangen, sich eine unmögliche Technik des Metallurgen vor Augen zu zaubern. Was haltbar sein sollte, konnte nur als aus einer Masse gebildet gedacht werden, und in der That wird einige Verse vorher die ganze Rüstung aus %aAzos bestehend genannt: ') Champollion Mon, pl. 262. 7° 132 Leersıus: &v d° aurds Edvraro vwgora« xaAzov, wobei man sich unter xeArcs nicht Me- tall im allgemeinen vorzustellen hat, sondern wirkliches Erz, aus dem damals vorzugsweise alle Waffen gefertigt wurden. Die Streifen waren also nur mit Gold, stannum, und zvaves dünn auf das Erz aufgetragen. Die Vergoldung und Versilberung des Kupfers verstand man vortrefflich und ebenso das haltbare Auftragen der kostbaren dunkelblauen Farbe, die man xvavcs nannte, und von welcher, als dem ägyptischen ‚resbet entsprechend, oben ausführlich geredet worden ist. Von einer Verstäh- lung des Kupfers ist nirgends die Rede, wenn eine solche überhaupt mög- lich ist. Dagegen ist hier noch zu erwähnen, dafs der nächst dem ägyp- tischen beste xvavos, das caeruleum des Plinius, in Cypern!) (nämlich in den dortigen Kupferbergwerken) gewonnen wurde, und aus Öypern hatte Kinyras dem Agamemnon jenen Harnisch als Gastgeschenk ge- sendet. Kehren wir jetzt zu unsrer Hesiodischen Stelle zurück, so ist nun ersichtlich, dafs auch hier der xvaves kein Metall sein kann, sondern die bekannte kornblumblaue Farbe. Dieselbe Bewandnifs hat es mit dem riravcs. Die hergebrachte Bedeutung von riraves ist der Kalk. Da man aber wohl einsah, dafs das Schild nicht aus Metallen und Kalk bestehen konnte, so schob man dem Kalk ganz willkührlich den Gyps unter; oder auch wohl „weifsen Schmelz.“ So Buttman, Vofs, Ukert, u. A. Aus Gyps formte man aber wohl, wie zu allen Zeiten Figuren ab, machte auch architektonische Ver- zierungen daraus; dafs aber der Gyps auf einem kostbaren Schilde neben Gold und Elfenbein zu feinen Darstellungen gebraucht worden sein sollte, ist gerade ebenso unmöglich, wie dafs man Kalk dazu genommen hätte. Übrigens hat ja Gyps sein altes Wort yuWes, neben riraves der Kalk. Nun war aber riravos nicht einmal der Kalk als Stein, der xaA:£& hiels, sondern der gelöschte und geschlemmte, mit dem man Wände überzog und weilste; rıravo glei, Erıygieiv sagte man für „weilsen‘“* In der älte- sten Zeit hatte man keine andre weilse Malerfarbe, als dıe man aus der feinsten Kalkerde?) oder Kreide anfertigte, und die alten Aegypter wuls- 1) Plin. 33, 161. ?) Rosellini, Mon. Civ. vol. II, 184. Wilkinson, Mann. u, Cust. II, 302. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 133 ten diese Farbe so vortrefflich herzustellen, dafs sie sich auf den Monu- menten überall wo sie angewendet wurde, vier und fünf Jahrtausende hindurch bis auf uns völlig unverändert in hellster Weifse und Reinheit erhalten hat. Es ist das paraetonium des Plinius (35, 36. 33, 90), wel- ches von dem Hafen gleiches Namens westlich von Alexandrien seinen Namen hatte. Dort fand sich der vorzüglichste Stoff dazu, von dem er sagt: e candidis eoloribus pinguissimum et tectoriis tenacissimum propter laevorem. Ich zweifle nicht, dafs riraves in unserer Stelle ebenso der weilse Färbestoff, wie zvavos der blaue Färbestoff war, mit welchem ein- zelne Flächen, und zwar die vertieften Flächen des allgemeinen Grundes überzogen waren. Wir behalten demnach nur drei Elemente übrig, aus denen das Schild gefertigt war, Gold, Elfenbein und Elektrum. Aus eben denselben bestanden auch die Schilde die als AaurehebavrnAerrgor asmıdes bei Plu- tarch!) erwähnt werden. Dieser erzählt im Leben des Timoleon, dafs die griechischen Söldner, welche dieser aus Syrakus gegen Mamerkus den Tyrannen von Katana schickte, geschlagen wurden, obgleich sie früher unter Timoleon’s eigner Führung stets siegreich gewesen waren. Mamer- kus liefs die erbeuteten Schilde in den Tempeln aufhängen, und den Spott- vers darüber setzen: Tas 0° öorgeioygabeis nal YguserebavrnAerrgous asmıdas drmidicıs eiAcuEv EÜrEREnL: „Diese purpurgemalten chryselephantelektrischen Schilde erbeuteten wir mit ärmlichen Schildehen.* Waren dies nun wirklich Schilde aus Gold, Elfenbein und Elektrum gefertigt, wie dies bisher z. B. auch von O. Müller?) und Ukert?) angenommen worden ist? Sicher nicht. Sondern Mamerkus wollte sich über die wohlgerüsteten und hochmüthigen weil früher nie besiegten Söldner lustig machen, indem er jeden als einen Herkules mit seinem chryselephantelektrischen Schilde pries. Ich führe dies als ein indirektes Zeugnils an, dals schon Mamerkus in der Beschreibung des Hesiodischen Schildes nur diese drei Stoffe, Gold, Elfenbein und Elektron, 1) Plut. Timol. 31. ?) Handb. der Archäol. $. 312, 1. 3) Über das Elektrum, Zeitschr. für Alterthumswiss. 1838. nr. 52. p. 427. 154 LEPSIvUS: aus denen er geformt war, anerkannte. Die Farben zvavce und riravcs ignorirte er dabei und konnte aus ihnen auch nicht einmal ein zweites Beiwort bilden, weil die erbeuteten Schilde nicht blau und weils, sondern purpurn waren, orrgeioygabeis. Als ein ferneres noch bestimmteres Zeug- nifs für unsre Auffassung darf ich ohne Zweifel auch den Virgil!) an- führen. Dieser läfst, in Nachahmung seiner Vorbilder, die Waffen des Aeneas von Vulkan aus Eisen, das hier das Erz vertritt, und Elektrum schmieden; und damit ja niemand zweifle, dafs er hier nicht vom Bern- stein, sondern von Gold und Silber reden wollte, drückt er sich aus: Quod tieri ferro liquidoque potest electro. und weiterhin: Tum leves ocreas electro auroque recocto (miratur). Von den drei übrig bleibenden Elementen nun darf uns das Elfen- bein nicht überraschen. Es ist bekannt, wie beliebt bei den Griechen die Verbindung von Gold und Elfenbein war und dafs ems der berühmtesten Werke des Phidias die chryselephantine Kolossalstatue der Athene im Parthenon war. Man soll es, wenigstens in späterer Zeit, verstanden haben, das Elfenbein zu erweichen, und durch geschickte Behandlung Platten von 12 bis 20 Zoll Breite zu gewinnen. Das Material ist fest und zähe, mulste aber in jedem Falle eine Unterlage haben, auf der es befestigt werden konnte. Ebenso mulsten alle getriebenen wenn nicht eimgelesten Metallarbeiten auf einer gleichmäfsigen Fläche ruhen, über die sie sich leicht erhoben oder in der sie lagen. Diese feste Unterlage war nun auch hier ohne Zweifel Erz, wie alle Waffenrüstung aus die- sem zugleich dehnbarsten und festesten Metall bestand. Dieses Erzschild dürfen wir uns vielleicht mit eimem elfenbeinernen Rande umgeben den- ken, so dals die eigentliche Füllung der Fläche allen aus Gold und Elek- trum bestand, in niedriger Relief Arbeit, die auf einem theils weils, theils, wo der Himmel dargestellt werden sollte, blau gemalten Grunde ruhte. Was hat man sich nun aber schliefslich unter dem, neben dem (rolde, allein noch unerklärten Elektrum zu denken? Ist es irgendwie möglich hierunter den Bernstein zu verstehen? Eine Verbindung von 1) Aen. 8, 402. 624. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 135 Gold und Bernstein wäre schon der Farbe nach ungeschickt gewählt. Die Farben stehen sich zu nahe und würden sich gegenseitig nur ge- schadet haben für jedes unbefangene Auge, besonders da der Bernstein nicht frei und durchscheinend gearbeitet sein konnte, sondern auf einer Unterlage ruhen mufste. Ebenso aber der Stoff. Wie pafst der Charak- ter des festen zähen widerstandsfähigen Metalls zu dem spröden, brüchi- sen, unsoliden Bernstein? Man denke sich irgend eine Gruppe von Gold neben einer andern von Bernstein, hoch oder niedrig; nach welcher Wahl könnte sie geordnet gewesen sein? Dazu kommt, dafs der Bernstein zu allen Zeiten und an allen Orten, wo er gefunden wird, in kleinen rund- lichen Massen erscheint, ganz geeignet um Kugeln, Gehänge aller Art, runde kleinere Gegenstände daraus zu schneiden. Hier aber waren Flächen, mit niedrigen Basreliefs nöthig um die Schildfläche zu bedecken; also flache Platten die der Bernstein nicht hergiebt, oder für welche jeden- falls die rundlichen Knollen, die man gern so grofs wie möglich verar- beitet, nur sehr unvortheilhaft hätten verwerthet werden können. Ebenso ungeschickt wäre daher der Bernstein etwa zur Grundfläche zu gebrau- chen gewesen, die in kleinen glatten in der Farbennüance wechseln- den also unruhigen Platten hätte bestehen müssen, von denen sich über- dies das im ganzen gleichfarbige Gold schlecht abgehoben hätte. In der That bin ich nicht im Stande mir irgend eine zweckmälsige Anwendung des Bernsteins zur Verzierung eines Metallschildes zu denken. Selbst aus Römischer Zeit, wo der Luxus in Bernstein zu arbeiten eine Zeit lang namentlich unter Nero überhand nahm und man allerhand Geräth, be- sonders aber Gefälse und sogar Büsten und kleine Statuen daraus ver- fertigte, dürfte sich ein solcher Gebrauch nicht nachweisen lassen. Sobald wir aber unter Elektrum die Metallmischung verstehen, die Herodot Asuzes WIUToS „weilses Gold“ nannte, so ıst Alles leicht ver- ständlich. Im Verlauf der Beschreibung des Schildes wird im Einzelnen öfters auch Silber genannt. Silbern waren die Lapithen mit goldenen Waffen dargestellt; silbern ebenso die Öentauren, welche goldne Tannen in den Händen trugen. Perseus war aus Gold gebildet, die Tasche die er trug aus Silber mit goldenen Quasten versehen. In einem goldnen Rebengarten (&g2xes) sind silberne Weinpfähle mit dunkeln Trauben be- 136 LEePsıus: lastet, ganz wie auf dem Schilde des Achilles!), die also wohl mit xvavos gemalt waren, wie die »vavea vera der Schlangen (V. 167). Wenn die Athene einen goldenen Helm, Apollo eine goldene Harfe trug, so haben wir ihre Gestalten selbst gewils aus Silber getrieben zu denken. Von andern Metallen wird dann nur noch an einer Stelle ein fisch- reicher See erwähnt, aus »arsiregos ravedIos bestehend, aus gereinig- tem stannum, d.i. bei Homer und noch später nicht Zinn, sondern wie das lateinische stannum, eine ungeschiedene Mischung von Silber und Blei, die sich, wie die von Gold und Silber (das Elektrum), in den Blei- Minen stets verbunden finden ?). Offenbar sollte die grauere Wasserfläche von dem umgebenden Silber noch unterschieden werden. Woher kommt es nun, dafs im Beginn unter den für das Schild verwendeten Stoffen das Silber, welches neben dem Golde, vielleicht mehr noch als das Gold, der Hauptstoff des ganzen Kunstgebildes war, gar nicht genannt wird? Es wäre dies gewils sehr auffallend, wenn wir nicht eben im Elektrum, das sonst in der Einzelbeschreibung gar nicht wieder er- wähnt wird, den Stellvertreter des Silbers erblicken müfsten. Das kostbarste Silber war gerade das mit Gold gemischte, das Goldsilber, wel- ches mit seinem gelblichen Anhauch einen sanfteren Übergang zum reinen Golde bildete und doch zu ihm in den erforderlichen Gegensatz der Farbe trat, während es sich um so bestimmter von dem umgebenden Elfenbein, dem zassıreges und dem weils gemalten Untergrunde abhob. So finden wir denn in dem Schilde des Herakles genau dieselben Bestandtheile, wie in seinem Vorbilde dem Schilde des Achilles, welches Hephästos ebenfalls aus dem „unbezwinglichen“ Erz, aus nanTireges, aus dem gespriesenem Gold und Silber verfertigt hatte: Yamnov Ö’ Ev ugl Berne areıpea nanTiregov TE al Yguoov TIUMVTa nal dpıyupov. Nur das Elfenbein fehlt hier, so wie die Farben des riravos und des zua- vos, obgleich weiterhin doch auch eine zuaven »ameros, ein blauer Graben der um den Weingarten geführt ist, erwähnt wird. Was aber hier «gyu- g05 heifst, wird bei Hesiod durch den noch kostbareren NAERTOoS vertreten. 1) Ilias, 18, 561. ?) Beckmann, Beitr. zur Gesch. der Erfindungen IV, 321 fi. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 157 Denn NAexrgos, nicht 7Aezrgov haben wir den Nominativ zu bilden, sobald es feststeht, dafs wir es nicht mit dem Bernstein, sondern mit dem Silbergolde zu thun haben. Das geht nämlich aus der für uns wichtigen Stelle des Sophokles hervor, wo Kreon dem Tiresias, den er bestochen glaubt um gegen ihn aufzutreten, zuruft: 1) eFeurernuau nürmedegriTuu rarar nepdawer, EumoAdre Tov Moos Zapdewv NAenroov, ei QovrerSe, nal rev Ivdinov wousev: rabw Ö’ Enelvov cüyı »gunbere. „(von diesen Leuten) bin ich längst verrathen und verkauft; zieht nur euern Gewinn, erhandelt euch, wenn ihr wollt, den Sardischen #Aezrgos und das Indische Gold, jenen werdet ihr doch nicht im Grabe bergen.“ Die reichsten und bekanntesten Goldquellen waren damals Indien und der durch Sardes fliefsende goldführende Paktolus. Sicherer kann also keine Stelle vom Elektrum als Silbergold sprechen. Dennoch meint Passow, es sei nicht unwahrscheinlich dafs auch hier der Dichter an den Bernstein gedacht habe, für welches Sardes ein wichtiger Handelsplatz gewesen sein könne. Aber, auch abgesehen vom Paktolus, mit Bernstein besticht man nicht, sondern mit Gold. Das Sardısche Gold hatte, wie jedes andre, ohne Zweifel auch einen Bestandtheil von Silber, so dafs der Dichter in jedem Falle berechtigt war, sich im Wechsel der Rede statt zweimal %gures zu sagen, des Wortes AAezrges zu bedienen, um so mehr, da dieses damals einen alterthümlicheren, daher gewählteren Klang haben mochte. Auch sind die Scholiasten über die Bedeutung einig; nur dafs es ein Irrthum ist, wenn es im Triklinianischen Scholion heifst: z@Ae rev Agurov NAenTgoV, dia To naIagev' Folürss Yag & NAEnToS, als ob dieses ein noch reineres Gold gewesen wäre, als xgures. Nun ist es aber besonders günstig, dafs wir in dieser Stelle auch das Geschlecht kennen lernen 6 NAenrooc, während es in allen früheren und den meisten späteren Stellen unsicher ist, ob wir 6 #Aexrgos, oder 75 Aex- rgev oder auch % #Aezrges zu sagen haben. Sicher ist zunächst nur, dafs Herodot (3, 115) r° #Aezrgev sagte für den Bernstein. Aus diesen bei- 1) Antigone, v. 1058. Philos.-histor. Kl. 1871. 15 138 Lersıvs: ‚len Stellen ein und derselben Zeit dürfen wir, wie mir scheint, mit Sicher- heit schliefsen, dafs dies überhaupt der hergebrachte Unterschied der Be- zeiehnung für diese beiden ganz verschiedenen Stoffe war. Buttmann und Andre stellen zwar die Möglichkeit auf, dafs die mineralogische Un- kunde der Alten so grols gewesen sei, dals man wirklich nur verschie- dene Kormen ein und desselben Stoffes vor sich zu haben geglaubt, und deshalb mit demselben Worte benannt hätte, Das scheint mir aber für jene metallurgisch bereits sehr gebildeten Zeiten denn doch zu viel, und läfst sieh mit andern allerdings grolsen Irrthümern in der Mineralogie nicht vergleichen. Buttmann will sogar in der Stelle des Pausanias (5, 12) ‚diese Unkunde noch annehmen, wo dieser von einem eixwv des Augustus, das aus AAsrrpov gefertigt sei, spricht, und dabei der beiden Stoffe gleiches Namens gedenkt. Diese Statue, oder vielleicht nur Büiste, war aber nicht, wie Buttmann meint, aus Silbergold, sondern wirklich aus Bernstein, wie dergleichen menschliche Bilder, (effigies hominis quamvis parva) aus sucC- einum auch von Plinius (37, 49) erwähnt werden. Der grammatische Unterschied von NAEHTgOS und NAEHTOOV ist auch keineswegs zufällig. Die Metalle im Griechischen sind ohne Ausnahme maskulinisch: © MOUTOS, ö aoyvpos, 6 WaAnos, 6 narmirepos, © ıönpes, ö noruß@dos. Die allein richtige, und friiher ohne Zweifel einzige Form für das Metall mufste daher 5 Aexr- rg: sein. Jibenso natürlich sind für den Bernstein die beiden Formen AAeerpos und ro Asergov. Jene findet sich sicher bei Aristophanes, wo es in den Rittern v. 532 heilst: dnmınrourWv Tav NAen rowv Kal ToV Tovov oUner &vovros av dpmovauv day,arrcovoWv. Hier schwankt nur die Lesart zwischen NAenrowv und yAsrrowv, das letztere als von 9 yAcurou abgeleitet; doch ist die erste Form ohne Zweifel vor- zuziehen. Es ist klar dafs hier nur von herausgefallenen Bernsteinver- zierungen die Rede sein kann. Insofern aber der Bernstein kein Metall, sondern eben ein Stein war, hatte er ein Recht auf die feminische Form; «denn die Steine, namentlich die Edelsteine, pflegen, wie 9 Ar9os als Mineral selbst, femininisch zu sein, also # Ar9os "Hoandsıc, Audi, nayınrıs, N TRapay- des, [Bnguaros, auch 9 yurbos, 9 iönpiris der Eisenstein, neben © rıöypos, das Risen, 9 %aAntrıs das Kupfererz neben 6 XaAxcs, das Kupfer, u. v. a.; ein Unterschied zwischen Metall- und Steinnamen, der sieh ebenso auch im die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 139 Aegyptischen vorfand. Nun konnte man aber auch den Bernstein nicht als einzelnes mineralisches Stück, sondern dem ursprünglichen Stoffe nach als ein versteinertes Harz, wie dies von Anfang an schon in der mytho- logischen Auffassung der verhärteten Pappelthränen erkannt war, ansehen, und dann war das Neutrum 75 #Aexrgev an seinem Platze, wie man 75 zenut, TO RU, TO nohkugıov, 76 orıupa, auch 76 -Seiov, der Schwefel, sagte; neben # wirrss, dem Mennig als Stein, stand 70 pirrwov, als Farbenpulver, ebenso 9 rriupı die Augenschminke neben 9 rippıs, das Spielsglas als Stein. Erst später, als das Metall NAERTpOS fast ganz aufser Gebrauch ge- kommen und dagegen der Bernstein um so häufiger und beliebter ge- worden war, trat auch eine Verwirrung der Geschlechter ein, und man findet nicht selten, wie in der angeführten Stelle des Pausanias 73 ez- rev auch für das Metall gebraucht, ein entschiedener Mifsbrauch. Die Römer sagten, so weit die späten Stellen dartiber Auskunft geben, immer electrum für beide Stoffe, weil bei ihnen alle Metalle Neutra waren. Kehren wir jetzt noch einmal zu den Homerischen Stellen zurück, so kann es wohl nicht mehr zweifelhaft sein, dafs wir in dem Palaste des Menelaos in dem Elektrum als Zimmerschmuck neben dem %aurss, dayvgss und yahrss auch nur den #Aerraes, also das strahlende Silbergold, nicht das Aerrzov, den Bernstein zu erkennen haben. Der Bernstein konnte besonders in so früher Zeit nur in kleinen kostbaren Stiicken vor- handen sein, die sich nicht, wie Gold und Elfenbein, zu grofsen Pracht- stlicken und zum Schmuck der Wände eigneten. Daher hat auch schon Plinius (33, 81. 36, 46) keinen Zweifel darüber, sondern führt für den frühen Gebrauch des electrum als Silbergold ausdrücklich den Schmuck im Palaste des Menelaus an. Ebenso hat jetzt die Stelle in der Eiresione keine Schwierigkeit mehr, wenn wir die reiche Braut am Webstuhle auf einem goldenen Bo- den stehend, &r NAEnTow Beßavia, denken, statt auf Bernstein. Dagegen ist es wohl nicht weniger sicher, dafs in den beiden an- dern Stellen der Odyssee, wo der Phönizische Schiffer einen rervoatanev ugureov oauev bringt, NhenTgcTIV Eeguevov, Aerıev ws, nur von Bernstein- kugeln, Perlen, oder andern kleinen Bernsteinzierrathen die Rede sein kann. Für Halsgeschmeide und ähnlichen Schmuck eignete sich der Bern- stein ganz vorzüglich. Entscheidend aber scheint mir zu sein, dafs in 18* 140 LEPRSIUS: beiden Stellen der Plural steht, ebenso wie in der früher erwähnten Stelle des Aristophanes, wo von herausgefallenen Bernsteinbuckeln die Rede war. Weder r& »Aexrga, noch oi oder «ai nAerrgeı hat einen Sinn, wenn vom Metall die Rede ist, so wenig wie etwa ein oplos Xourois Eeglevos denkbar ist, selbst im Munde emes Dichters. Der Ausdruck eignet sich aber vollkommen für die Bernsteinstücke, die eben als Stücke gefunden und verarbeitet wurden, nie wie Metall zu emer Masse zusammengeschmolzen werden konnten; und dann war auch das Femininum an der Stelle, weil es sich um Steine handelte. Theophrast kann von TETTABES Tuagaydeı sprechen als von vier Smaragdstücken, aber xgucor, NAenrgcı kann nicht von Metall- stücken gesagt werden. Wie wir also bei Aristophanes ai NAexrgaı wirk- lich gebraucht finden, so müssen wir auch in den beiden Stellen der Odyssee den Nominativ «i NAenTgon bilden und für Bernstemkugeln erklären. Um nun noch etwas von der Bildung des Wortes selbst zu sagen, so scheint mir die von Buttmann sprachgelehrt und sehr sorgfältig aufge- stellte Etymologie von NAenTooV statt EAKTGOV, „das Anziehende,“ von seiner eigenthümlichen Zugkraft hergenommen, dennoch eine unmögliche zu sein. Gesetzt auch seine Vergleichung mit wA«£ und #Aaxarn wäre sprachlich annehmbar was ich bezweifle, was wird aus dem Namen "HAexrga, welches nicht erst eine Ableitung von NAERTOOS, die goldene für MAERTEIVOG, sein könnte, sondern geradezu auch „die anziehende* bedeuten mülste, was keinen Sinn hat. Wir haben vielmehr ein altes Adjeetivum vor uns, von dem sich noch alle drei Endungen in gesonderten Substantivbedeutungen erhalten haben NAEnToos, "HAEKTIR, , NAenroov. Bei der grofsen Sippschaft dieses Wortes in NAERTWR, nAsxrgis, Sonne und Mond, beides auch adjekti- visch gebraucht in yAeurwg "Vregiwv und AAexrgis (Zeryum); "Hierrguwv; "HAez- ro@ı mvAcı in Theben, alles sehr alte Bildungen, ist es durchaus unwahr- scheinlich, dafs etwa ein Fremdwort herüber genommen wäre, woran man denken könnte, wie dies Ukert wirklich thut, wenn dies Alles von NAExTeoV, der Bernstein, ausgegangen wäre. Das Wort ist ächt und alt griechisch, und AAsrrgos ist unverkennbar ein und dasselbe, nur mit leichter Verände- rung der Endung und des Accents, wie #Aerrug!). So verhält sich vwe, in- dem sich der Accent weiter zurückzieht, zu evuäpes, avudges. Dals nun #ex- 1) Plin. 37, 32: electrum appellatum, quoniam sol voeitatus sit eleetor. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 141 up ein Beiwort der Sonne ist, #Aewrgis des Mondes, "HAexrga eine der Plei- aden, HAexrguwvn eine Tochter des Helios heifst, die Bernsteinthränen von den Heliaden, den Sonnentöchtern, geweint werden, alles dies führte schon die Alten und mufs auch uns darauf führen, dafs der erste Theil des Wortes zu dem Stamme von AAucs, AeAıos, gehört, lateinisch s0/ und gothisch sau, so wie zu reAas, der Glanz, ein, &%r, das Sonnenlicht. Auch dem ein- fachen #2 begegnen wir, das Abkürzung von #Aıs sein soll (wenn Meineke bei Strabo p. 364. richtig Ausv statt AAev liest). Ist aber 7A- der erste Theil des zusammengesetzten Wortes #Aexrges, so kann über den zweiten auch kaum ein Zweifel sein. -exrwg muls auf €4w, zurückgehen, wie das Simplex Enrwp, der Halter, der Anker, und der Name "Errwg gleichfalls auf &40, &£w zurückgeht. Dieser Theil ist also eine ältere Form der Endung, die für gewöhnlich -0%5 lautet, wie in vl-oyos, oder in Namen Aiyioyss, Murioyes; 9A-0y,05 also, wenn man dies gebildet hätte, oder AA-ER-TUg, NA-EX- g°s, wie man wirklich gebildet hat, bedeutet Licht habend, Licht füh- rend, also strahlend, glänzend, was ebensowohl von der Sonne selbst, als von dem das Gold an Glanz noch überbietenden NAENTROS oder dem ihn an Farbe und Licht ähnlichen #Asrrgev gesagt werden konnte. So ist auch ‚Hiezrga: die Lichtführende, die Strahlende, wie ägyptisch Rath „die silbergoldige“ ein Beiwort der Hathor, d.ıi. Aphrodite war,!) und die ruraı Hrezrgar brauchen nicht, was in dieser Form kaum zulässig ist, auf eine 'HAezrga zurückgeführt zu werden, sondern sind nach der Sonne selbst, dem "Häezrwg, dem dieses gegen Süden gelegene Thor, wie Bran- dis nachgewiesen, geweiht war, benannt worden). Es geht nun aber auch aus dieser Wortbildung selbst hervor, dafs Wort und Bedeutung in eine frühe Zeit der Sprache zurückgehen, weiter zurück ohne Zweifel als wir die Einführung des Bernsteins aus dem fernen Osten und die wohl erst spät daran geknüpften Mythen die wir bei den Tragikern zuerst finden, annehmen dürfen. Herodot erwähnt we- der dieser Sagen, noch der Zugkraft des Bernsteins. Im alten Aegypten hat der Bernstein bisher noch nicht nachge- wiesen werden können, obwohl uns von Plinius (37, 36) berichtet wird, dafs er von den Aegyptern sacal genannt werde, was an den gleichfalls !) Mariette, Dendera, I. pl. 25, 14. ?) Hermes, Bd. II, p. 278. 142 LEPsıvs: von Plinius (37, 40) überlieferten Sceythischen Namen saerium erinnert und es wahrscheinlich macht, dafs die Aegypter den fremden Namen bei- behielten. Dagegen ist gezeigt werden, dals das Metall #Asxrgos, von ihnen dsem genannt, so früh wie das Gold und Silber selber vorkommt. Es war sogar wahrscheinlich älter als beide, weil es die in der Natur vorhandene Mischung beider Metalle war, die erst durch Kunst geschie- den werden mulsten und dadurch nicht in jeder Beziehung gewannen. Jedenfalls ist es aus diesem ursprünglichen Verhältnifs zu erklären, dafs man für diese Mischung überhaupt ein einfaches Wort wählte, (ganz wie auch »arsiregcs zuerst die natürliche Michung von Blei und Silber be- zeichnet) und dafs sie für gewisse Zwecke und unter gewissen Umständen noch so lange Zeit in Gebrauch blieb, bis sie endlich aufser Mode kam und nur noch von den Mineralogen beachtet und näher in Bezug auf die Proportion der vermischten Theile bestimmt wurde. Selbst heutzu- tage würde man sicher keinen besondern Namen für diese Mischung in der Mineralogie besitzen, wenn er nicht von den Alten ererbt wäre. Was aber in der Blüthezeit des ägyptischen Reichs, in der Zeit ihrer häufigen und fernen Siegeszüge nach Norden und Osten, in Aegyp- ten bekannt, geübt, gefertigt und beliebt war, das war alsbald auch allen Völkern, die das Mittelmeer umwohnten, bekannt und wurde von ihnen aufgenommen, sobald sie durch ihre wachsende Bildung und die Verfeine- rung ihrer Bedürfnisse dafür empfänglich geworden waren. An der Ge- legenheit die damals gebildetsten Länder, Babylonien und noch leichter Aegypten, zu erreichen und kennen zu lernen, so wie an Vermittlern, wie es namentlich die Phönizier zur See waren, fehlte es nie. Kein Wunder daher, wenn auch das Misch-Gold unter dem besondern Namen des #Aexz- rocs bei Zeiten den Griechen bekannt wurde und wie in Aegypten neben dem Gold und Silber im Gebrauch blieb. Wie es aber später bei den Aesyptern verschwindet und namentlich nicht unter den Tributgaben in der Ptolemäerzeit erscheint, so kommt es auch bei den Griechen nur in den genannten Stellen des Homer und Hesiod im wirklichen Gebrauche vor. Denn schon bei Sophokles ist es nur ein poetischer Name für Gold und noch später wird es nur eine mineralogische Bezeichnung; ja man vergilst sogar das richtige Geschlecht für das Metall und macht es zum Neutrum wie den Bernstein. die Metalle in den Aegyptischen Inschriften. 143 So sind wir endlich gerade zu der entgegengesetzten Ansicht ge- langt, als sie namentlich seit Buttmann bisher die übliche war, dafs näm- lich nicht der Bernstein, sondern das metallische Elektrum das ältere war, und jenes nur von diesem seinen Namen erhalten haben kann, nicht um- sekehrt, so wie dafs der Bernstein zwar schon in den Homerischen Zei- ten den Griechen und folglich auch den Aegyptern bekannt war, aber nur in kleinen einfachen Perlen oder Buckeln, die von Phöniziern aus dem fernen Westen oder von der Pomündung, (wohin sie dann zu Lande von den nördlichen Meeren gekommen wären) mit andern Seltenheiten ge- bracht und namentlich zu Halsgeschmeiden verwendet wurden, wo sie frei hingen und so ihren durchsichtigen Glanz am besten zeigen konnten. Erst in Römischer Zeit finden wir den Bernstein als viel verwendeten Luxusartikel. !) 1) Die obigen, für mich beiläufigen, Bemerkungen über das Silbergold und den Bern- stein bei den Griechen sind hier unverändert so abgedruckt, wie sie vorgetragen wurden, obgleich seitdem eine Dissertation des Hrn. Dr. M. Scheins de electro veterum metallico, 3erlin S°1871. erschienen ist, welche diesen Gegenstand weit ausführlicher behandelt und namentlich eine vollständige Zusammenstellung aller auf diese Metallmischung bezüglichen Stellen, selbst bis in das späte Mittelalter herab, liefert. Ich habe mich dieser mit grolser Belesenheit und gesunder Kritik verfalsten Arbeit um so mehr erfreut, als sie im Wesent- lichsten, namentlich in Bezug auf die Priorität des metallischen Eleetrums gegen den Bern- stein, zu dem gleichen Resultate gelangt, wie meine Besprechung. Doch hat der Ver- fasser den ursprünglichen Unterschied der Bedeutung von 5 yAezrgos und re #7.8rrgov, der später verwischt wurde, mir aber von Wichtigkeit scheint und den frühen Gebrauch des Wortes auch ohne sonstige nähere Bezeichnung in beiden Bedeutungen erklärt, nicht in 3etracht gezogen, noch den weiteren Unterschied, der in dem Gebrauche des Singulars und Plurals liegen mufste. Daher kommt es unter andern, dals er die 7?ezrgcı des golde- nen Halsschmuckes in den beiden Homerischen Stellen, die meines Erachtens nur Bern- stein sein konnten, auch für Metallkugeln nimmt. ARORRSN u m: oe N, UL ER EN | a. ku % er ala uunbı serril Yale la u re Du TR en, Bun 1), Mugen ii kN nd Na BIRERATTR a ii u) Hk 1 Kinn I W urn: un n Tan as aan hut Mean u, 1 HR Dr Kon ral ARTE a N alu N Pa! Di Wr a ia MD I Un Dun ART 27 2 Kh DIESEN re N ki TG a ft an? Du h IT n wa nei ‚abi, IH ANNE Hg KR u A. Ay kan PM Mer Mu, ige 0 Yu j f OR van: p NARBEN DI. a Talk Mm fü Ü IME E win Bun N DE iii RA RA Ka EISPL EINEN IT in Wk ar ma ol muen umpnyhan, 711% lm Mt EDIT N oh he Kurelaohun Yan u Ba Ira, \ I HUULLUT w along va, ir sale, t Alk, WM isn, ner: AN rad OR, Di, banysa Ra u MILE vn Ku h ER ie he nike u DM A a rl nk, RN A Ye Y h si i ihn Yu an Ak, i let Yarı y LITE IN] DE VB" als 47 Mae Dev, dan? I Pen PER? Y ao. tl AL le Ban) 103 ar DEE TENE hi | th It Kuna Reli! a KR or ir Mi; er wm ne will mn, HEY RR. ini ah N mir, 7 Bi ‚anal Inhaltsverzeichniss. WOrDepIerkungen. cr. 2. 2 0. u) ge en ne ee ae Nub, das Gold. . „2. Eee EA ae: Asem, das Elektrum (ö ars lea ver, Keks ln Hat, das Silber. . . . . A U PATE Le 1 EN Bet Vorbemerkungen über zwei macieiaie. a; xesbet, der Lasurstein (lapis lazuli) . . » 22... IM afek dern BIaragd nr a a: PIOMERaSE KUpIer. a TE ie Men, tehäset, das Eisen. . AISUTEELE EIER A Teer Tahrzdas Blei, mie. ENEIR I NER A, Zusammenfassung der Resultate, und Erklärung der Tafeln. Nachtrag. — 123. über die 8 „ächten“ Mineralien und ihre Farben. Anhang, über die griechischen Bezeichnungen ö 77.xrg05 das Silbergold, 4 Y7sz- re05 (-«) die Bersteinverzierung, 75 7%e#rgov der Bernstein. . Pagina. 27. 31. 43. 49. 52. 55. 0. 91. 102. 112, 114. 121. 129. Nachträgliche Bemerkungen und Berichtigungen. (s. S. 121) 32, Z. 14. Es ist dieses ketem offenbar wie mir Prof. Dümichen richtig bemerkt 44, 2. das p. 39 angeführte hebräische un», ketem. . 11. S. Mariette, Dendera II, 8, a; Dümichen, Recueil IV, 71, 1. . 15. von unten: statt ausgeschmolzen lies: geschieden 2. von unten lies Denkm. III, 39, d. 5. füge am Ende der Zeile zu: oder Bronze (p. 906) 44, 7.18. Hr. Dr. Val. Rose macht mich auf das in einem Leydener griechischen Papyrus(Reuvens, Lett. sur les papyrus bil. et grecs de Leide, III, p. 66., pap. no. 66.) oft wiederkehrende Wort «rzuos aufmerksam, welches ein Metall zu sein scheine und der von mir hieroglyphisch nachgewiesenen Bezeichnung dsem für das metallische Elektrum auffallend gleiche. Diese Bemerkung ist sehr dan- kenswerth, da sie ohne Zweifel vollkommen zutrifft. Es geht schon aus der von Reuvens abgedruckten Liste der Überschriften der einzelnen Abschnitte klar hervor, dafs hier nur vom Blektrum die Rede sein kann. Bis $. 12 ist in 85 Artikeln nur von der Behandlung der Metalle ygures, &snmos, agyvaos, YRAHOS, AUOTiTEgoS, rcrıl2os die Rede. Davon sind 14 Artikel überschrieben donmou momsıs, 3 dsymouv molnıs Alyumriou, I arnou Ayrov roimsıs, 2 Ernnou Ölmiweıs, 2 doymov o#AngoU larıs (?szAngarıs = FRryeweıS), 2) dryuov zara- Rapn 1 arimov yexıby, 1 asynov dozımaria , zuletzt 6 arnmos oUrog Ageoüreı (l. agsıodraı, wie Berroüreı, oder agwıoöreı, wird aufgelockert), ete., also von der Anfertigung des Elektrum, des Acgyptischen, des gegossenen, von der Zusammensetzung, von der Heilung des (zu) spröden Elektrum, Färbung, Be- malung(?), Prüfung, Veredlung oder Auflockerung des Blektrum. Reuvens hält asnuos für gleichbedeutend mit agyugos, worin er Ducange, Gloss. Gr. v. arrım folgt, und vergleicht asnnov morsıs mit Ygvroroue im alchymistischen Sinne; daraus schliefst er dafs hier bereits von alchymistischen Prozessen und den Anfängen der alchymistischen Pseudowissenschaft die Rede sei. Darin irrt er aber, da es sich hier offenbar nur um wirkliche chemische und me- tallurgische Prozesse und von der Anfertigung des Elektrum durch Schmel- zung, Mischung, Prüfung und dergl. handelt. — Vielleicht wird mein gelehrter Freund Dr. Leemanns mir über diesen Papyrus einige nähere Mittheilungen machen können, die mich in den Stand setzen möchten, nochmals auf diesen Gegenstand zurückzukommen. Es wäre aber gewils auch in andern Bezie- hungen sehr wünschenswerth, wenn die Publication dieser chemisch-metallur- gischen Recepte bald erfolgen könnte. Für jetzt ist schon die Bestätigung ° meiner Lesung dsem für die viel bestrittene Gruppe des Elektrum eine durch die Übertragung in &ruos willkommen. 13. von unten; 64, 4. 84, 4. von oben lies: Quenstedt. . ist 50 zu streichen. . von unten lies: Löthrohr statt Gebläse. . statt meint dafs lies meint, das . von unten lies: mit mehr oder weniger weilsem Feldspath und Kalkspath gemengt ist. FHZRD - vu. Z. 7. lies: mit Feldspath vermengten Z. 6. von unten lies Feldspath statt Quarz. Z. 19. streiche Porphyr und Z. 9. lies: gehören zu den statt sind die beiden. Z. 7. von unten lies: auf das schmutzig grüne einfarbige granitische Gemenge. Z. 7. von unten füge zu: Denkm. Ill, 199, a, 18. 2. 17. lies: Centimeter, nämlich 000872 (genau gleich „5; Palm) dick. Z. 23. lies: 75 Sp mas man Yeo-Eipn r Be “ u ki BR: E; iR, ui m r . 1 an a Mi adaakaär 1%, ala 0 ‚ala NT . ’ ar wi, ne Au ia R Pay er . MR “Ar “ ar! Ani Sal BIN aaoy, RR Rh ot gie . doloke, an ‚esaoohl Ei Kan, du “ j an see \ela BEN ” ng # ) KrÜR 1 Er LS rl 2e 3205,77, ae nr he L nl! Mal, JLUNRONZ AnVAPR an MMAPHEESAT OB KORAN SOON, VAN PASRUNE Aue Ay Bu ' 4 i s he NT a Er a \ j BEREIT u r u \ } ' Y ’ * Zu Urnbopsties Abh:iber die altagypt Metalle: Shi. Ikst KL IST Ba REEL. N EN —y EEE: vo PELEFZNFFE = re FHHRTRN anaang2? SPERLEEE Ben ei | IR Zur Inndopsties Abhüber dıe altagypt: Metalle: Ihidl Ast, KL 871, Taf u, 7 SE re u /9897-61,66 1,67: Alta ajische studien. Von HZ ScHorT. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 1. März 1871.] Giebt es spuren von geschlechtsendungen in den Altai-sprachen? N denen sprachen Sibiriens welehe der verewigte Castren erlernt und kennen gelehrt, haben nur die der Kotten und der von ihm so genannten Jenisej-Ostjaken erweislich endungen oder vielleicht besser anhänge zu bezeichnung des weiblichen geschlechtes und zwar dieses allein. Der character beider idiome ist aber so ganz eigentümlich dass man sie kei- ner bekannten sprachfamilie zuweisen kann. Bei den Jeniszej-Ostjaken ist der mitlauter m, bei den Kotten der selbstlauter « am ende eines wortes weibliche zugabe!). Das m kann einen andern consonanten ver- drängen und dessen stelle einnehmen. Beider gebrauch ist übrigens sehr eingeschränkt und die wenigen angeführten beispiele sind nur benennun- gen lebender wesen mit natürlichem geschlechtsunterschiede. So entsteht im Jeniszej-Ostjakischen aus baghat greis, bayham greisin, aus edne schwiegersohn, ednam schwiegertochter. In chimd grosz- mutter (von chip groszvater, magyarisch ip schwiegervater!) erscheint m« statt @m. Im Kottischen hat man fu neffe, fua nichte. Der hinzukom- mende vocal verwandelt vorhergehendes s in € und wird dann zuweilen ed, 2. b. popes bruder, popeca schwester; aber hus pferd, huced stute, arpis greis, arpiced greisin. Was den zusatz m betrifft, so möchte ich in diesem das wörtchen am mutter (für weib überhaupt) erkennen dessen vocal sogar geblieben 1) Dem wortregister Castrens zufolge bezeichnet n (statt m) bei Kotten und Je- niszej-Ostjaken das weibliche geschlecht in fun tochter, von fup sohn. Ein zweites bei- spiel dieser art habe ich nicht gefunden. Philos.-histor. Kl. 1871. 2‘ (Abth.) | 2 SCHOTT: scheint. Hat nicht z. b. in eanam dieses wesentliche @« das unwesent- liche e von edne verdrängt? und liesze sich wider die annahme einer um- stellung des am, dm in chimd etwas triftiges einwenden ?!) Auf eine analoge erscheinung in der Bod-sprache (dem Tibetischen) habe ich schon früher aufmerksam gemacht. Der Tibeter weist nemlich jedem begriffe sein geschlecht an und verwendet zu diesem zwecke ge- wisse einsilbige wörtchen für vater und mutter die man dem betreffen- den nennworte unmittelbar beigiebt ohne sie jemals demselben einzukör- pern. Ire Formen sind pa, po, pho, bo (wo), und ma, mo. Gewöhnlich folgen sie nach, z. b. bu-pho sohn, bu-mo tochter?); isha-bo enkel, neffe, tsha-mo enkelin, nichte; rgad-pa und rgad-po greis, rgad-mo greisin; rgod-ma weibliches pferd. Dann mit übertragung auf dinge ohne natür- liches geschlecht: ri-bo berg, chu-bo wasser; dsub-mo finger, szgo-mo tür?). Wenden wir uns nun dem eigentlich sogenannten altaischen (ta- tarıschen) gebiete zu, so bieten sich uns nur unsichere oder doch schwache spuren des gesuchten. Mongolen, Tungusen und Türken besitzen ein gemeinsames wort für fürstin, weibliches familienhaupt, gemalin und eheweib überhaupt, welchem worte man unser frau mit seinen späteren ungerechten ent- wertungen an die seite stellen kann. Dasselbe lautet chatun, katun, und im munde der westlichen Türken kadyn. Von der letzten dieser formen ist lautlich nur ein kurzer schritt bis zu unserem "gattin’; obgleich aber selbst der wurzel des deutschen wortes eine mongolisch-türkische chat, kat anknüpfen, verbinden, vereinigen gleichsam neckisch zur seite steht, so dürfte doch wohl kein besonnener mensch ernsthaft annehmen, in chatun u. s. w. stecke die deutsche weibliche endung, oder das ganze deutsche wort sei mit haut und haren in die hochlande Innerasiens ge- wandert. 1) Wollten wir nicht chip-äm, chip-mä zum grunde legen und das p von chip aus- gefallen denken, so bliebe noch die annahme einer euphonischen verwandlung des p in m, und alsdann besäsze auch der Jeniszej-Ostjak die rein vocalische weibliche endung. 2) Gleichen diese zwei ww. nicht auffallend den in der ersten anmerkung erwähn- ten fup und fun (für um)? ») Was im Bod durch solche zusätze, das erreicht man in der Cassiasprache durch verschiedne artikel: s. meine academ. abhandlung über die letztere (Berlin 1859). Altajische studien. 3 Eine andere neckerei könnte, beiläufig bemerkt, in der tatsache liegen, dass ein mongolisches wort für weib küni lautet, also der grie- chischen und den keltisch-germanischen formen des bekannten arischen wortes merkwürdig nahe kommt. Aber genauere untersuchung führt uns zu einer grundbedeutung des mongolischen die es als bloszen scheinver- wandten jenes anderen beurkundet: Ani ist gleichbedeutend mit gtüger eifersüchtig und wird wie letzteres nur vom weibe gesagt; es erinnert an die türkische wurzel kün (im westen gün), woher kün-le beneiden und das mit künd sich deckende künü neid, eifersucht!). Der mongolische usus hat also die beiden sprachen gemeinsame bezeichnung eines abge- zogenen begriffes zu einem tadelnamen des weibes gestempelt?). Die jedenfalls am besten sich empfehlende ableitung des fraglichen wortes geben uns leute von denen man sie kaum erwarten sollte: es sind chinesische berichterstatter, welche das wort als titel fürstlicher frauen bei nordischen barbaren anführen®). Diese schreiben es nemlich ın älterer zeit noch nicht wie später 1j Er khö-tüun (kha-tin), sondern nJ (= e3 gi khö-ho-tüun (kha-ha-tün) und legen ihm ausdrücklich 'pf ur khöo-han (kha-han) d.ı. chaghan zum grunde. Sollte jene dreisilbige form, wie wahrscheinlich, nicht mehr vorhanden d. h. gh (durch A ausgedrückt) zwischen den beiden a überall verklungen sein, so beweist dies nichts gegen ir ehemaliges vorhandensein. !) Von gleichlautender aber der bedeutung nach wesentlich verschiedner wurzel ist das küni der Uigur-Türken (könö der Jakuten) welches aufrecht stehend, gerade nnd aufrichtig bedeutet, als wär es gleichen ursprungs mit dem semitischen 72. Da- her künit gerade stellen und machen wie 712! °) Hätte der Mongole das ihm ganz mundrechte gan? der Hindus in seine sprache herübergenommen, so würde er schwerlich küni daraus gemacht haben! 3) Der verfasser des gegen ende unseres 10ten jahrh. herausgekommenen ES = - ir La = = in Thai-phing huän-ju ki d. i. erdbeschreibung aus den jaren thäi-pling (all- gemeine ruhe: 976 — 984) lässt (buch 194), auf ältere quellen gestützt, einen türkischen häuptling des 5ten jahrh. sich zuerst den titel khö-hän beilegen und bemerkt dazu, die Tu-kju (Tzgzc: der byzantinischen schriftsteller) seien seinem beispiele gefolgt: xl Zr Die weibliche form khö-ho-tän finde ich zuerst in den von Chinesen aufbehaltenen pro ben der sprache der Tu-kju, z. b. in demselben 194ten buche des Huan-ju ki unter die- sem volksnamen. Meine vermutung über die grundbedeutung des wortes chaghan habe ich begründet im juli-hefte des monatsberichtes vom jahre 1851; wahrscheinlich bedeutet es spalter im sinne von entscheider, lites dirimens. 4 ScHoTT: Das ? von tun gehört also dem zusatz an. Ob dieser bei der zu- sammenschweissung mit chaghan etwas eingebüszt, muss ich dahingestellt sein lassen; aber chaghan oder das zusammengezogene chän hat sein schlieszendes n vor dem ? verloren, was im Mongolischen noch eine ebenso gewöhnliche erscheinung ist wie das zerflieszzen des gh zwischen vocalen. Leider muss ich aber hinzusetzen, dass die zugabe tun, mag man sie als ein ganzes oder als einen trumm betrachten, an kein wort für weib in irgend einer mir bekannten sprache anklingt. Kommen wir nun zu einer anderen, sehr wahrscheinlich nur dem Mongolischen angehörenden spur von darstellung des weiblichen durch eine besondere endung oder zugabe. Da muss ich nun zum rechten ver- ständniss etwas über die eyclische jahrbezeichnungsweise der völker Ost- asiens voranschicken. Es giebt nemlich einen zwölfteiligen und einen zehnteiligen zeitkreis aus deren verbindung ein sechszigteiliger entsteht. Die jahre des zwölfteiligen führen namen gewisser tiere welche, wenn man den affen und den mythischen drachen ausnimmt, in ganz Hoch- und Ostasien heimisch sind. Den zehnteiligen zeitkreis benennt man ent- weder nach den fünf grundfarben blau, rot, gelb, weiss, schwarz, oder nach angenommenen grundstoffen: holz, feuer, erde, metall, wasser. Da aber nicht fünf, sondern zehn jare zu benamsen sind, so lassen die Mandschu, welche der grundstoffnamen im cyelischen sinne nicht sich bedienen, jedem irer fünf farbenamen (genauer seinem reinen oder ge- trübten stamme) eine durch beigegebenes chon oder chün gekennzeichnete verkleinernde zugabe folgen, z. b. nach fulgian (stamm ful) rot, fula- chin rot-chen d. ı. rötlich; nach szachalian (stamm szach) schwarz, szacha-chün schwärzlich!). Die Mongolen bedienen sich im zehnteiligen zeitkreis bald der grundstoff-, bald der grundfarbenamen. Im ersten falle helfen sie sich, um zehn herauszubringen, so, dass sie jedem elemente zwei geschlechter, ein männliches und ein weibliches, anweisen, und zwar mittelst bloszer vorsetzung des wortes mann oder weib, z. b. ere-ghal mann-feuer, eme-ghal weib-feuer. Im zweiten falle bedienen sie sich irer farbenwörter bei der wiederholung mit angehängtem Acın oder cin, das den farben, genauer den im combinirten 60 järigen cyclus dabei genann- 1) Vgl. das 4te heft dieser “‘studien’ wo ich von den verkleinernden anfügungen ausführlich gehandelt. Altayische studien. 5 ten tieren, weibliches geschlecht zuteilen soll; also z. b. wlaghan morin rotes pferd schlechthin, wlaghakcın morin (nicht rötliches sondern) rotes weibliches pferd). Man kann dieser ostasiatischen d. h. nicht von Europäern ausge- gangenen deutung etwa folgende bedenken entgegenhalten: Erstens, lässt sich zugegebenes kcın und cin bis jetzt mit sicher- heit nur verkleinernd nachweisen. Vgl. das vierte heft dieser "studien. Zweitens, hat das weibliche tier im Mongolischen entweder seinen besonderen, von dem des männlichen tieres, ja öfter der betreffenden tiergattung überhaupt grundverschiednen namen, oder man lässt dem tiernamen ein ganzes wort vortreten welches das geschlecht des tieres als mas oder femina kennzeichnet. Wie den elementen (im cyelus) ere und eme, so wird den tieren erekcin und emekcin vorgesetzt. Hier darf aber, wie bei unserem männlein, weiblein, nur verkleinernde bedeu- tung des anhängsels angenommen werden, indem sonst emekein weibli- ches weib und erekcin weiblicher mann hiesze. Drittens ist die verkleinernde bedeutung der entsprechenden mandschuischen anhänge chon, chün gar keinem zweifel unterworfen. Diesen von mir selbst erhobenen einwürfen mögen nun auch meine eignen gegeneinwürfe folgen: Erstens, giebt es für die weibchen der fleischfressenden tiere ein ge- wort ülükein, dessen kein jedoch erst durch den dritten gegengrund wicht erhält?). Zweitens bietet uns Kowalewski’s mongolisch-russisches wörter- buch ausser den von der zeitrechnung in beschlag genommenen fünf farben mit dieser anfügung auch borokcım, welches er, auf zwei stellen zweier mir nicht zur hand seienden werke verweisend, russisch durch !) In Ideler’s ‘zeitrechnung der Chinesen’ (1839) liest man (s. 85) "grundfarben mit männlicher und weiblicher endung’. Dies ist falsch ausgedrückt da für männ- liches geschlecht erweislich gar keine endung existirt. 2) Ülük ist todte materie, rein stoffliches und — weibliches, wie Rz Jin (jdm) = der chinesischen naturphilosophie, im gegensatze zum KH Jäng, dem lebendigen, wirken- den und männlichen. Türkisch bedeutet ölük (von öl sterben) nur etwas todtes, ohne rücksicht auf ‘kraft und stoff’! Der Mongole sagt ülük szedkiltu d. i. todten oder stoff- lichen verstandes, für stupide. 6 SCHOTT: ebpaa d. i. cinerea wiedergiebt, also für weiblich erklärt obwohl grau (boro) niemals ceycelische farbe gewesen. Ich selbst finde borokein an einer dritten von Kowalewski nicht angeführten stelle, und zwar in der zu Petersburg gedruckten mongolischen chronik Altan tobei d. ı. goldner knauf (kostbare zusammenfassung, gedrungener inbegriff des geschichtlich wissenswerten)!). Daselbst ist es name der gemalin eines vorwesers Tschinggisz-chan’s?). Drittens, lehrt uns dasselbe wörterbuch ausser dem nur ceyclisch gewordenen sirakcın (von sira gelb) auch ein sirgakein kennen dessen westmongolische (kalmykische) form in Zwick’s lithographirtem wörter- buche dieses dialeetes sargakeıin lautet?). Nach Kowalewski ist dieses wort für sich allein benennung der isabellfarbigen stute, nach Zwick aber der weiblichen antilope. So gebrauchen die Burjat-Mongolen ir ölökseng, was nichts anderes als burätische form des unter eins er- wähnten ülükein, selbstständig in der engen bedeutung renntierkuh, obgleich das wort bei den Östmongolen nicht einmal weibliches tier im allgemeinen, sondern weibchen der fleischfresser allein bedeuten soll! Viertens endlich entdecke ich cin oder weicheres gın auch an kür- zungen der mongol. zahlwörter drei und vier, sofern ein drei- oder vier- jähriges weibliches rind gemeint ist. Darüber hinaus scheint der sprachgebrauch nicht zu gehen. Der ochse von drei jaren heisst yunan, kalmykisch gunun, der vierjärige dünen, kalmyk. dönin; die dreijärige kuh guna-cin, gun-in, die vierjärige düne-gin, dön-gin. Obgleich in die- sen wörtern nicht das kleinste bruchstück eines rindvihnamens zu ent- !) So sagt der Niederländer beknopt für gedrungen, bündig, kurzgefasst. In den turksprachen ist tob oder top kugel in jedem sinne, dann zusammenhäufung, haufen, top-la (zur kugel machen) zusammendrängen, sammeln. ?) Im tschaghatajisch-türkischen ist borein die weibliche ente; so erklärt Mir Ali Sir (Nevaji) das wort: sihe Quatremere’s chrestomathie, s. 15, und Vämbery’s Abuska, s. 36. 3) Sürga und sarga ergeben sich als schwerere formen von sira gelb, und zwar mit etwas abgeschatteter bedeutung. Sie bedeuten nicht gelb schlechthin. sondern stroh- gelb und isabellfarbig: s. morin ein pferd von dieser farbe. Die kalmykische form deckt sich mit dem sdrga der Magyaren dessen erstes (wesentliches) a jedoch gedehnt wird. Die Türken haben für gelb szaryk und szary; jeder von beiden formen entspricht, wie wan siht, eine schwerere und eine leichtere mongolische. Altapısche studien. 7 decken, so bedient man sich irer doch ohne die zugabe ochs oder kuh, wenigstens bei den Ostmongolen; denn Zwick fügt in seinem wörterbuche respective Zsar und üker bei!). Mein vorläufiges ergebniss lautet nun dahin dass die anhangsylbe um welche hier alles sieh dreht, ebenso wohl verweiblichen als verkleinern kann, und dass kein bedürfniss vorhanden ist nur zufäll- gen gleichlaut bei verschiednem ursprung anzunehmen. Aus drei-chen, vier-chen wurde so und so viel jähriges weibliches rind, aus gelb- chen gelbe stute oder weibliche antilope. Pflegt doch die norddeutsche frau, ire freundinnen zärtlich anredend, dem namen des mannes der- selben ein deminutiv anzuhängen! Der Estländer gebraucht sein schmei- chelndes penzkene, buchstäblich kleinchen, nur von weiblichen personen und zwar denkt er dabei nicht einmal an kleinen, sondern an langen und schmächtigen wuchs. Zusatz zu seite 6. Mandschuisch heisst borgin in verbindung mit neche (ente), und mongolisch dasselbe wort, verbunden mit nughuszun, nüszun (ente) eine nicht näher bestimmte art dieses geflügels.. Kowalewski setzt in seinem mongol. wörterbuche das tibetische ngur-/gang daneben, wel- ches canard verd bedeutet, und chinesisch entspricht nach dem drei- sprachenlexicon — Ar TH 3 Sän ho pjän lan SE He phü-ja, etwa schilf-ente, denn jenes phu erklärt pater Incarville durch masse d’eau d. i. wasserkolbe. Dass eine im schilf oder genauer in wasserkolben nistende wilde ente gemeint sei, leidet keinen zweifel. Vom indefinit, accusativ und genitiv in den Altai-sprachen. In dem Suomi Finnlands und in seinem nächsten verwandten, dem Ehstnischen hat die einheit für genitiv und bestimmten accusativ immer 1) Ersteres, ostmongolisch sar und sir, türkisch szyr aus szyghyr, bedeutet sonst gewöhnlich rind überhaupt. und üker (türk. öküs) ochse. S SCHOTT: gleiche form!): eine erscheinung die sich weiter unten als ergebniss rücksichtslosen strebens nach wohllaut, eines strebens dem viel weniger gebildete sprachen in diesem punkte nicht erlegen sind, ausweisen wird. Als accusativ dient den Östsee-Finnen aber oft auch ein soge- nannter indefinit, dessen gebrauch jedoch, da er eigentlich und ur- sprünglich beraubende partikel (s. w. u.), viel weiter reicht. Es kann nemlich das subject des satzes ebenso wohl als sein objeet diesen inde- finiten anhang haben, ja er kann, obgleich dem objecte angefügt, auf die handlung selbst sich bezihen. Im ersten falle steht er wo andere spra- chen eines sogenannten teilungsartikels, den auch (wie z. b. in slavischen sprachen) der genitiv vertreten kann, sich bedienen, oder denselben ne- gativ zu verstehen geben. Im zweiten falle bezeichnet er die handlung als dauernd, nicht mit einem schlage vollendet, sei sie es irer natur nach oder nur unter gewissen bedingungen. Sofern der indefinit dieses amt übernimmt, leistet er ungefähr dasselbe, was die sogenannten unvollen- deten verben der Slaven. Warum bezeichnet aber der Finne und Ehste diese eigenschaft nicht am verbum selbst, sondern an dessen objecete? Offenbar weil die dauernde handlung so gedacht wird, als ob sie stück um stück von dem objecte berühre, gleichsam beseitige. Den zeitverbrauch versinn- bildet eingebildeter verbrauch des tatziels. Bezeichnung des indefinit der Ostsee-Finnen ist nun ein dem nomen angehängtes ?(a), das jedoch aus euphonischen gründen wegfallen kann. Allen übrigen gliedern der finnisch-ugrischen familie in dieser eigenschaft entfremdet, ob auch in buchstäblich privativem sinne keinem derselben fremd, ja insofern noch weit drüber hinausreichend, findet es sich als angefestigter teilungsartikel merkwürdiger weise nur bei den Jakuten Östsibiriens, also einem türkischen volke, wieder. Beispiel: finnländisch Ävel, jakutisch ty! die zunge; finnl. Arel-tä, jaku- tisch Zyl/-ta zunge. !) Im Finnmärkisch-Lappischen fällt der genitiv mit dem von Friis sogenannten infinitiv (d. h. indefinit) zusammen welcher letztere zwar aus dem wahren indefinit entstanden sein muss, aber im gebrauche reiner accusativ ist, wie das accusative ? der Magyaren. S. w. u. Altapısche studıen. 9 Als reine abtrennende oder beraubende partikel (-los, ohne, aus, ab, von) begegnet uns dieses ? mit und ohne vocal in den verschiednen sprachen der familie (die finnländische und ehstnische eingeschlossen), und zwar bald allein (mit oder ohne schärfung), bald einem locative an- gehängt, bald endlich mit zugabe eines %, /, m, welche noch mehr erwei- terung veranlassen kann, wie z. b. im Zaka, tak der schwedischen Lappen, tom (ton), toma der Finnländer und täbme der norwegischen Lappen, tal, töl (tul), talan der Wogulen und Magyaren. Aus dem begriffe des abgelösten hat der des fehlenden (ohne) sich entwickelt, aus diesem der ablatıv, aus dem ablative der inde- finit. Dafs der indefinit wahrer accusativ werden und somit seine eigentliche bestimmung verläugnen kann, beweist die finnmärkisch -lap- pische Sprache. 1) Sehen wir jetzt in den übrigen Altaisprachen uns um, so bietet sich uns ein ablatives ? (d) der Samojeden, ein dergleichen tan, tang, tin (auch d für ? und @ für a) der Türken, ein mongolisches eise (für tse), tungusisches fuk (duk), mandschuisches dr. Das mongolische etse kann sehr wohl auf efe, te, das mandsch- uische & muls auf & zurückgehen, da der Mangu 4, wie auch d, vor i (wenigstens in wörtern seiner eignen sprache) ebenso wenig duldet als der Mongole. So verwandeln auch beide völker s vor © in s.?) An das tak der schwedischen Lappen erinnert das fuk der Tungusen. Im Jurak- Samojedischen ist die ablativpartikel had, gad, kad, im Tawgy-Samojedi- schen gata, kata. Diese formen vergleicht Castren gewiss richtig mit dem ablativen Arts, gits der Tscheremissen, übersiht aber das kätta, hätta !) Es muss daher auffallen, wenn herr Friis in seiner vortrefflichen sprachlehre des Finnmärkisch-Lappischen diesen easus immer noch infinitiv (d. h. indefinit) benennt, während er doch (s. 143) ausdrücklich sagt: „IS Infinitiv jüttes Objeftet ved tranjitive Werber eller den Perjon eller Ting, paa huilfen Subjeftets Handling Tigefrem indvirker og jom behandles af Subjeftet.“ Im Suomi hat dieser casus lange zeit mit der sehr engen bezeichnung accusativ sich behelfen müssen, während diejenige endung, welche dem genitiv und bestimmten accusativ entspricht, nur genitiv benamst ward! ?)- Vgl. im 4ten hefte dieser studien meine bemerkung über das mongol. ecige väterchen (vater), wobei ich aber das etige der Tatar-Türken übersehen. Auch der Pole lässt vor ö sein d, t oder s in verwandte zischlaute übergehen, die jedoch zarter und für viele ausländer schwieriger sind als €, 9 und, s. Philos. -histor. Kl. 1871. (2 Abth.) 2 10 SCHOTT: der nordfinnmärkischen (norwegischen) Lappen, welches einen caritiv von verben bildet und auch adjeetivisch gebraucht werden kann, z. b. oajne- kätta ohne zu sehen, und ungesehen.!) Merkwürdig ist übrigens der umstand, dass in diesen formen der sonst immer sich vordrängende srundlaut £ dem kehllaut seinen platz räumt; denn k-t, h-t, g-t sind offenbar blosze versetzungen; vgl. das taka, tak der schwedischen Lappen und Zuk der Tungusen. ?) Kommen wir nun zu dem genitiv und bestimmten accusativ, so sei zuerst eine stelle in Castren’s Samojedischer sprachlehre (s. i1) ange- führt, die ich mit nachträglicher ausfüllung kleiner lücken vollständig unterschreibe: ‘Der accusativ nimmt in allen samojedischen dialeeten (mit ausnahme des Jeniszej’schen, welcher seinen accusativ ebenso wie den genitiv bildet) das suffix m an. In dem Ostjak-Sa- mojedischen pflegt m in den meisten gegenden p zu werden. Auf dem gebiete der finnischen sprachen kommt die endung m im Tscheremissischen und p im schwedisch-lappischen dialecte vor. Im Finnischen und mehreren dialecten des Lappischen ist der accusatıv mit dem genitiv zusammengeflossen, da nach den gesetzen dieser sprachen ein auslautendes m in n über- S geht. Eine genaue übereinstimmung mit der samojedischen und den finnischen sprachen bieten aber rücksichtlich des 1) Dagegen z. b. oajdne-mättom unsichtbar. Da in mättom das md mit tom (ge- schärft für tom) unzertrennlich verbunden ist, so scheint herr Friis (s. 117 seiner gram- matik) das ganze als unteilbaren negativen zusatz zu betrachten. Dies ist aber gewiss nur tom allein, wie das finnländische ton (am ende für tom), welchem sonst täbme ent- spricht, und ma, mä verbal-substantiver anhang, welcher auch im Suomi die verbindung des in rede stehenden privativs mit der verbalwurzel vermittelt, z. b. syö-md-tön der nicht gegessen hat. Wenn die Lappen mättom auch an substantiven hängen, z. b. ibmel-mättom gottlos, so geschiht es missbräuchlich. Annahme eines verneinenden ma, mä, wie es die Türken im verbum haben, wäre schon wegen des ebenfalls verneinenden tom bedenklich. ?) Wer in dem tak der Lappen das gleichlautende altnordische etymon, welches nehmen bedeutet, wiederfinden will, dem gestatten wir gern, Sein synonymum tom aus dem Spanischen (tomar nehmen) abzuleiten!! Altajische studien. 11 accusativsuffixes die indo-europäischen sprachen dar; denn im Sanskrit, Lateinischen und Griechischen geht der accusativ ebenfalls auf m oder n aus. Diese endung ist in den tatari- schen sprachen weniger heimisch [?]. Wahrscheinlich ist aber im Tungusischen wa oder ba (we oder be) und in einigen tür- kischen dialeceten ne desselben ursprungs. Unter tatarischen sprachen versteht Castren die grosze türkische familie. Ich setze ergänzend hinzu, dass den accusativ im türkischen sprachgebiete zwar nirgends m kennzeichnet, dass aber fast alle östlichen und nördlichen dialecte dieser so weit ausgedehnten sprache nX oder ne (tschuwaschisch na) haben, welches selbst nach consonanten unverändert bleibt. Ferner ist nachzuholen, dass die accusativpartikel der Wogulen ma lautet, also mit einer tungusischen form, welche Castren in seiner srammatik des Nertschinsker Tungusischen neben wa erwähnt und hier übergeht, zusammenfällt. De ist das accusativzeichen der Mandschu- sprache; auch erkenne ich diese milderung des m in dem ein für- wort dritter person mit dem aceusativ verkoppelnden ban, ben der Mon- solen. !) Character des unmittelbaren objectsverhältnisses ist also, zum teil ohne mitbewerber, ein härterer oder weicherer lippenlaut in den meisten altajischen sprachfamilien, namentlich im Tungusischen, Mongolischen, in fast allen sprachen der Samöojeden, und in mehreren finnisch-ugrischen idiomen. Da die sprachen der westlichen Finnen (das Lappische der schwedischen Lappmark ausgenommen) einen labial als schlusslaut nicht dulden, so liegt die annahme mehr als nahe, dass angehänstes n im Suomi, sofern es den bestimmten oder wahren accusativ bezeichnet, ebenfalls aus m entstanden sei (wie z. b. das m des römischen und sanskritischen accusativs ım Griechischen und Deutschen n geworden). Die ehstnische sprache macht hier eine auffallende ausnahme:; denn sie hat den consonanten ganz abgeworfen und ir accusativ ist (gleich irem genitive, s. w. u.) auf einen bloszen vocal reducirt, der a, e, i und o sein kann. !) Sihe den ersten artikel des 4ten heftes dieser studien. 12 SCHOTT: Das accusative n der türkischen völker hat sich bei den Kirgisen in d, bei den Koibalen in £ verwandelt (vgl. den genitiv beider). Den ÖOszmanen ist es abhanden gekommen: nach mitlautern erscheint nur sein vocal, nach vocalen statt des n ein 7 zu vermeidung des hiatus. Reiner accusativ der Mongolen ist ebenfalls « nach mitlautern und ji nach selbstlautern, also genau wie bei den Oszmanen. 1) Mit dem suffixe verbunden erscheint jan (aus © + an) neben ban und gleichbe- deutend, aber nach mitlautern allein. Die einschiebung des 7 hinter vocalısch ausgehenden wörtern scheint in beiden sprachen nur euphonischen grund zu haben, da beide zwar doppellaute, nicht aber den zusammenstosz zweier zu verschiednen silben gehörender vocale sich gefallen lassen. Ist dieses 7 aber rein euphonisch, oder zugleich nachhall des verlornen n, so dass etwa % den übergang gebildet hätte? ?) Die genitivpartikel der Türken ist in irer unverdorbensten gestalt eine mit lingualem » anfangende und auf reines ng ausgehende silbe. Der eingeschlossene vocal ? kann den gesetzen der türkischen (besonders tschaghatajischen und oszmanischen) lautharmonie zufolge nach maszgabe vorhergehender vocale ö, dumpfes 2 (y), und x werden. In den meisten osttürkischen dialeeten bleibt ning consonantisch ebenso un- veränderlich wie das n? ires accusativs. Doch hat schon der Uigure nach Vämbery manchmal :ng, wenn der auslaut ein mitlauter ist. ?) Der Oszmane lässt das anlautende n (hier wie im accusativ) nach con- sonanten immer ausfallen, nach selbstlautern aber behauptet es unbe- rührt seime stelle. Das ng mildert sich (wie überhaupt jedes eine silbe schlieszende ng) bei den westlichen Türken bald zum französischen nasen- 1) In der Geszersage und in mund und schrift der Kalmyken ist es zu gi und jigi vergröbert. 2) Jedenfalls muss das andere, einem hiatus im dativ und optativ der Oszmanen zuvorkommende 7 aus dem gAh der meisten übrigen Türken entstanden sein, da der über- gang des gelinde schnarrenden gh (zwischen vocalen) in j sehr leicht stattfindet. 3) S. die einleitung zu Vämbery’s ‘Uigurische sprachmonumente’, s. 34. Herr Be- resin macht im ersten hefte seiner 'Recherches sur les dialeectes musulmans (s. 37) das ing, sofern es uigurisch, unrichtigerweise zur regel, und setzt fälschlich hinzu, die postposition des uigur. accusativs sei i. Altajische studien. 13 laute, bald zu schwachem #, und dürfte wohl mit der Zeit gänzlich verklingen. !) Bei den Mongolen gestaltet diese partikel sich mannigfach: sk u, Jin. un. nar, not. ai, ot. Nat, noi und at, oi gehören nach Bobrownikow ausschlieszlich der umgangssprache an: ersteres kommt an vocale und letzteres an mitlau- ter; das n soll aber hier nur ein abgeworfenes und wieder eintretendes nfinale sein. Wörter auf vocale mit dem von Bobrownikow so genannten harten beihauch (mzep,oe mpugsixanie) können gai, go annehmen.?) Sonst pflegt nach den meisten consonanten wm, nach n bloszes u, nach vocalen jin zu folgen. In den verschiednen formen dieses mongolischen genitivs ist also das anlautende rn des türkischen casus nicht mehr nachzuweisen und selbst das auslautende ng desselben (immer zu dem am schlusse mongo- lischer wörter so beweglichen » gemildert) kann verhallen, so dass ein bloszer vocal übrig bleibt. Für classisch gelten nur jin, un, u. Bei den Mandschu- Tungusen ist der genitiv gewöhnlich reines 7 nach » und selbstlautern, aber nr nach ng.?) In den sehr dürftigen !) Nach Beresin a. a. O. (s. 78) wandelt sich ng im dialeete von Daghistan in den bloszen vocal u, z. b. szev-du statt szev-ding du liebtest, szev-dus statt szev-dingis ir liebtet. Hier könnte also der genitiv schon zu reinem u werden, wie oft im Mongolischen! ?) Ich übersetze hier was der scharfsinnige und sehr gründliche Russe aus Daürien in seiner mongol. sprachlehre über diese lauterscheinung sagt: “Die mongolische sprache hat lange vocale, die aber nicht aus zwei kurzen entstanden sind: ire länge hangt von der anwesenheit des bei- hauchs ab, der weich oder hart sein kann. Dieser beihauch wird aber weder vor noch hinter dem vocale gehört, sondern gleichzeitig mit dessen aussprache, in die er gänzlich zerflieszt. Um beispielsweise @ mit hartem beihauch zu sprechen, muss man der kehle diejenige lage geben, die sie bei aussprache des tiefen gutturalen y% annimmt, und in dieser lage den vocal a aussprechen, doch so, dass weder gha noch agh herauskommt. ... ”) Zwar dient ö in der Mandschusprache auch als instrumental und bildet adverbien. Soll aber die gleichheit der form dieses ? mit dem genitiv auf entstehung der letzteren bedeutung aus der instrumentalen schlieszen lassen? Schwerlich, obschon auch der uigurische instrumental un, in (z. b. atak-un mit dem fusze, ilk-in mit der hand) dem genitive der Mongolen und westlichen Türken gleichkommt. $. w. u. 14 SCHOTT: sprachproben, die Middendorff bei Tungusen an der unteren Tunguska und an der chinesischen grenze (wo?) gesammelt und welche als anhang zu Castren’s grammatik des Nertschinsker Tungusischen wieder abge- druckt sind, begegnen uns folgende beispiele des genitivs: min? akımı meines (älteren) bruders; min? amıni meines vaters; min! inokun! meines (jüngeren) bruders. Da min? (meiner, mein), wie weiter unten sich erge- ben wird, am sichersten in min +? (nicht mi + ni) zu zerlegen, so dürfte auch in den übrigen beispielen das n vom genitiv getrennt werden müs- sen, obgleich vater und bruder eben so wohl amı als amın, akı als akın, inoku als inokun heissen können.!) Wär es aber gestattet, das 2 von inokuni der genitivpartikel zuzuschieben, so ergäbe sich hier eine mil- derung des nggi der Nertschinsker Tungusen, von welchem über ein kleines die rede sein soll. In den meisten finnisch-ugrischen sprachen ist der genitiv nur ohne vocal dahinter; in den Samojedischen bald n, bald ng. Die Ehsten haben auch dieses n preisgegeben und so reducirt sich ir genitiv gleich ihrem aceusative auf einen bloszen vocal (wiederum a, e, t, 0), welches schicksal er, wie wir bereits gesehen, auch bei den Mongolen (?, «) und den Mandschu (2?) haben kann. Auf dem wege der lautwandlung ist es also dahin gekommen: Erstens, dass in der einen altajıschen sprache als genitiv sich geltend macht, was in der anderen accusativ ist. Vergleiche das genitive ‘ der Mongolen und Mandschu mit dem accusativen 2 der westlichen Türken und das accusative n? der östlichen Türken mit dem genitiven nz der Mandschu. Zweitens, dass beide casuspartikeln sogar in einer und derselben altajiıschen sprache zusammenfallen können. So im Jeniszej-Samojedischen, im Suomi und im dessen ehstnischer schwestersprache. !) Inokun, woneben näkun gesagt wird, ergiebt sich nur als schmeichelnde ver- kleinerung von ino, welches auch ohne den zusatz schon "jüngerer bruder’ bedeuten muss, wie das osttürkische ini. Die verstümmelung nd für ino verhält sich zu diesem wie das nu des mongol. wortes nuchai (hund, eigentlich hündlein) zu dem ina, inda der ent- sprechenden tungusischen wörter inakin, indachün, von welchen letzteres die mandschuische form ist. Vgl. weiter unten. Altapische studien. 15 Jetzt bleibt uns noch die verheissene rückkehr zu dem nggi der Tungusen von Nertschinsk, irer alleinigen genitivpartikel, die auch nie eine andere bezihung ausdrückt, ein umstand, wovon jeder aus Castren’s sprachlehre dieses dialectes sich überzeugen mag. Wie man siht, ist diese lautlich beinahe identisch mit ngge, eimer ebenfalls angehängten bezihenden partikel der Mandschusprache, die, obgleich in gewissen ver- bindungen ngga, nggo werdend, nur als abkürzung der sleichbedeutenden und gleichfalls mandschuischen partikel ningge zu betrachten ist.!) Dass aber dieses ningge für nıng stehe, leidet keinen zweifel. Abkürzung muss ngge schon darum sein, weil kein wort und keine (andere) partikel dieser sprache ng zum anlaute hat.?) In dem dreisprachenwörterbuche San hö pjan lan steht (bl. 27 unter a-ngga, e-ngge, 0-n990): ER JE] Ei I ningge, d. h. ‘braucht man’s allein (isolirt, losgetrennt vom ziele der bezihung), so braucht man ningge. Nur die abkürzung wird nemlich affigirt. Nun drücken zwar ningge und ngge nicht (wie das türkische nıny und tungusische ngg:) ein genitiv-verhältniss aus, aber ir gebrauch be- weist, dass sie gleichsam auf dem wege sind, ein solches auszudrücken. An eimem fürworte verweisen sie auf dessen verstandenen besitz (sei er person oder sache), an einer verbalform auf das im sinne bleibende sub- jeet oder object; an substantiven gehängt, bilden sie adjeetiven, die eigen- schaften von etwas ım sinne behaltenem darstellen, also selber substan- tivische geltung haben. Doch wird wenigstens in einer art von ver- bindung das ziel der bezihung hinzugefügt und alsdann könnte recht gut ein genitiv die stelle des ngge ersetzen: so wenn man die jahre des tierkreises durch ngge zwischen dem tiernamen und dem worte ana (jar) bezeichnet, z. b. meiche-ngge ana, gleichsam schlang-iges jar, szinggeri- ngge ana maus-iges jar, für schlangenjar, also jar der schlange u. s. w. Im adjeetivischen ausdruck wird der vocal der partikel auch a und 0, wenn nemlich einer dieser vocale oder ? vorhergeht, z. b. tasschangga von taszcha !) Genauer ninge. Ein practischer kenner, der mit Mandschus viel verkehrt hat, versichert mir, dass sie ng in allen fällen seines gebrauches ohne nachtönendes g sprechen. obschon sie ngg schreiben. ?) Nur % (mit kaum vernehmbarem n), welches die Mandschu unbehülflicher weise nö + j schreiben. So wird nijalma (mensch) geschrieben, aber nalma gesprochen. 16 ScHoTT: tiger, choni-ngga von chont schaf, bono-nggo von bono afle; amura-ngga (oder amuran ningge) liebender, geliebter, doro-nggo dem weg (der lehre) folgender. Was ist also wahrscheinlicher als die ursprüngliche gleichheit dieser partikel mit dem nggi der Nertschinsker Tungusen, dem mng der Türken und den verschiednen trümmern desselben in anderen altajıschen idiomen? Freilich verwenden die Mandschu zum ausdruck ires wahren genitives n2 und 2, d. h. den anlaut von ningge statt des auslauts, was aber ebenso wenig bedenken erregen darf, als der umstand, dass dieser genitiv sogar mit ngge wieder zusammentriflt, z. b. in Ralma-i-ngge das menschliche, tere-i-ngge was diesem gehört. Die selbständig gewordene erste hälfte ist lange nach dem getrenntsein beider bei irer zeitlichen wiedervereinigung der zweiten entfremdet worden. Wem das entstehen eines genitivs aus einer bezihenden partikel noch paradox sein sollte, den verweise ich auf das chinesische 19 ti, welches abwechselnd bezihend im sinne von ningge, ngge ist, und ein wahres genitiv-verhältniss darstellt, z. b. s7«o klein, 740 % kleiner, s. v. a. sjao Zin kleiner mensch; ta schlagen, & ti der schlägt, schlagender; "m & sin des menschen herz. !) Wie soll man miningge der meinige, siningge der deinige, und das besitzanzeigende fürwort der Mandschu überhaupt zerlegen? Wohl nicht mi-ningge, sondern min-ingge, denn das n hinter mi, & bleibt auch vor den partikeln des dativs, accusativs und ablatıvs, daher mın-de mir, mim-be (für min-be) mich, min-ci von mir gesagt wird und nicht mi-de u. s. w. Auch bewahrt dieses » selbst in der absoluten form die erste und zweite person des fürworts der Türken: min, men oder ben ich, szin oder szen du, während ir dem han der Finnen zunächst kom- mendes an nur vor casuspartikeln wiedererscheint. Bei den östlichen Türken, deren genitiv immer nzng lautet, darf es uns nicht wunder neh- men, wenn sie min-ning, szin-ning schreiben, was auf geschärfte, beider n bewusst gebliebene aussprache schlieszen lässt; daher auch ir meimiger, deiniger ete. min-ning-ki, szin-ning-Ix (oszmanisch ben-im-kı, szen-Ür-kı). !) Vgl. auch die partikel ba in der Cassiasprache und s. 11—13 (resp. 425—427) meiner akademischen abhandlung über dieselbe (Berlin 1859). Altajische studien. 17 Die mongolischen formen min mein, dinu (für tinu) dein, minuchai (kei, -ki) meiniger etc. sind aber wieder min-u, min-u-chai u. s. w. ab- zuteilen, da keine genitivpartikel »u vorhanden ist. In den casus des persönlichen fürworts gehen die Mongolen iren eignen weg, doch lässt sich jenes schlieszende n auch hier vor consonantisch beginnenden par- tikeln nicht verdrängen. Meine im ersten hefte dieser studien entwickelte ansicht identi- schen ursprungs der hinten angefügten bezihungspartikel mit dem vor- tretenden kim und kr kann ich jetzt nicht mehr aufrecht halten, muss aber gestehen, dass der ganze gegenstand noch stoff genug zur aufstel- lung neuer unterstellungen von verschiedener art bildet. Zusatz. Da in der tibetischen sprache nur die abwesenheit des sz finale den genitiv vom instrumental unterscheidet, während er dessen anlaut in jeder variation sich bequemt (kjisz, kji; gjisz, ji; gisz, gi; jisz, ji), so muss man hier gewiss entstehung aus diesem instrumental annehmen: das werkzeug mit dessen hilfe etwas geschiht, wird als genesis der handlung, als etwas wodurch sie unmittelbar ge- schiht, betrachtet; an den begriff der hervorbringung schlieszt sich der 15 des angehörens. Der tibetische instrumental hat aber auch trennende kraft und zwar in dem aus zusammensetzung mit dem locative entstandenen einzi- gen ablative der Tibeter welcher /asz, nasz (aus la oder na und sz==jisz) lautet und sehr analog gebildet ist dem /ta, !t (von-bei) und sta, st (von- ın) der Finnen. Vergl. auch das hebräische 272 aus me für min von, und "im mit, bei. Den feinern unterschied zwischen dem verweilen bei und in bezeichnen aber nur die finnischen sprachen. Das isolirende anuw und inu der Mongolen. Im zweiten hefte dieser studien sagte ich (s. 154): “Soll man nu und anu nicht als zwei formen des absolu- ten fürworts dritter person betrachten?’ Phrlos.-histor. Kl. 1871. (2 Abth.) 3 18 SCHOTT: Auch Bobrownikow, der mehrerwähnte überaus gewissenhafte neueste be- arbeiter der mongolischen grammatik, hat, wie ich seitdem mich über- zeugt, beide als fürwörter angenommen. Derselbe widmet übrigens die- sem gegenstande nicht die sonst gewohnte aufmerksamkeit. Er sagt s. 78: "Als besitzanzeigende [?] fürwörter dritter person dienen in der alten büchersprache anu, inu, und in der sprache des umgangs na’). In einer anmerkung auf derselben seite bemerkt er: “Dieses fürwort ist wahrscheinlich aus einem verlornen per- sönlichen fürworte dritter person entstanden’. Dann äussert er die vermutung, dass inu die eimheit und anı die mehr- heit gewesen sein dürfte, bleibt jedoch gründe dafür schuldig. Auf s. 389 holt der verfasser nach: “Imu, amu und ni bedeuten auch s. v.a. der obenerwähnte (Bbiiteynonanymeıi), derselbe”. Das ist richtig geahnet; denn anıu, inu weiset immer auf etwas zurück und isolirt es gewissermaszen, mag nun der gegenstand der isolirung eine person oder sache, ort, zeit oder handlung sein, wie etwa wenn wir nach solcher erwähnung "dieser nun‘, “dies also’, ‘da nun’ sagen. Es ist deu- tewort (wie ursprünglich jedes fürwort dritter person), aber mit bezihung auf vorhergegangenes, nicht auf folgendes. So missbraucht bei uns der gemeine mann die fürwörter und deutenden adverbien, indem er z. b. mein sohn der . . . in unserem dorfe da... am anderen morgen da. ..'sagt. Eine sehr belehrende vergleichung bietet hier das japanische nach- setzwörtchen va, wa [auch euphonisch da], über welches Hoffmann m seiner vortrefflichen ‘Japansche spraakleer’ sich also vernehmen lässt: "Jedem der zum ersten mal einen Japaner reden hört, ist die be- ständige wiederholung des wörtchens wa auffallend, welches mit scharfer und hoher betonung ausgesprochen und von einer [kurzen] pause gefolgt, den gleichmäszigen strom der worte hemmt, und nach welchem der re- dende im gewohnten redeton fortfährt. Auf einen der sprache unkundi- gen hörer macht dies wörtlein mit seinem ruhepunkte den eindruck, als !) Von diesem weiter unten. Altayısche studien. 19 wolle der redende das eben gesagte benachdrucken und von dem folgen- den abscheiden. Und dies ist auch der rechte eindruck. Wa, (in der büchersprache va) ist ein emphatischer nachsetzling oder eigentlich ein zwischenwörtlein mit der bestimmung, ein wort oder etwas gesagtes zu isoliren und von dem unmittelbar folgenden abzuscheiden. Sein nächstes geschäft ist also scheidung des subjeetes vom praedicate, z. b. täma va jJama jöri idsu juwelen — berg aus kommen (die j. kommen aus bergen); und es darf nicht befremden wenn es darum als merkmal des subjectes und folglich als nominativendung aufgefasst wurde, was es streng genom- men nicht ist; denn es dient auch zur isolirung jeder anderen bezihung, jedes abhängigen casus. Die isolirende kraft des va findet ire deutung in ausdrücken wie was... betrifft, lat. quoad, ete. Wenn va das sub- jeet isolirt, entspricht es dem chinesischen de das “ein bestimmtes etwas’ bezeichnet und [gewöhnlich] für ein relatives fürwort passirt. Ob der Mongole sein anu, in ebenfalls mit pausen und erhebung der stimme ausspricht oder vielmehr einst ausgesprochen (da es im prac- tischen leben veraltet sein soll) kann ich nicht bezeugen, aber die der vorgedachten japanischen partikel sehr analoge bestimmung desselben ist augenfällig genug. Das mehrerwähnte dretsprachenwörterbuch San ho pyan lan verkündet also richtiges gefühl von der sache wenn es (cap. 1, a, bl. 28) nu so definirt: An 1# A X Zi IE Er ein das obere (vorangehende) festhaltendes leeres wort!). Und wirklich ist seine funetion die eines (freilich kurzen) festhaltens oder sistirens von etwas vor- angehendem, um die aufmerksamkeit wirksamer in anspruch zu nehmen. Als beispiel wird ebendaselbst ein zweigliedriger spruch eitirt in welchem die formen nu und anu beide, und zwar zweimal vorkommen: kaoli inu egüntse szajin anu ügei; szanaghan inu egüntse kün amu ügei d. h. gesetz — von ihm ab gutes — nicht-ist; gedanke — von ihm ab tiefes — nicht-ist, sinn: es giebt nichts besseres als das gesetz, nichts tieferes als der gedanke?). !) Leeres wort ist den Chinesen alles was wir partikel nennen. ”) Oder mit anderen worten: was das gesetz betrifft, besseres — es ist nicht vor. handen etc. Anu im zweiten der beiden glieder isolirt die wörter szajin gut und kün tief, auf die folgende verneinung nachdrücklich vorbereitend. Die mandschuische übersetzung des (chinesischen) spruches lautet: kooli ereci szajin ningge akü; günin ered a 20 SCHOTT: Lässt sich inu an manchen stellen, wie herr Jülg auf s. 146 sei- ner ‘Märchen des (kalmykischen) Siddhi-Küür’ vermutet, als besitzan - zeisendes fürwort auffassen, damit Bobrownikow’s ansicht (s. 0.) der begründung nicht ganz entbehre? Die angeführten beispiele können mich keineswegs überzeugen; eine beleuchtung jedes einzelnen in diesem sinne würde abar hier zu weit führen. Inu (nicht anu) begegnet uns auch in der Mandschusprache, wo es jedoch eine andere bestimmung hat. Im Sän hö pjän län wird dasselbe, sofern es manguische partikel, durch E st und die mongoli- schen ausdrücke basza-tsu, dsüb und miüän erklärt. Die zwei letzteren wörtehen bedeuten richtig, wirklich, ja, basza-tsu aber wiederum, noch, auch. Da nun das chinesische & zwar richtig, wirklich, so ist’s, dies ist, ja, aber nicht zugleich auch wiederum etc. bedeutet, so ist die mongolische dolmetschung ausführlicher. Dass ni in demselben sinne wie an, inu vorkommt, ist unläug- bar. Es fragt sich aber, ob dieses n! nur eine andere form von am, oder ob es aus Tibet verschrieben. So viel steht fest, dass auch die Tibeter ir nr besitzen, welches Schmidt in seinem wörterbuch eine “partikel zur auszeichnung des subjeetes nennt, ohne sich weiter darüber zu erklären. In der tibetischen grammatik (s. 61) sagt er: der nomina- tiv (die primitive form) habe, ob mit oder ohne artikel, durchaus keine zusatzpartikel, es sei denn zur hebung seiner eigenschaft als sub- jeet die sylbe nz, welche aber dieser eigenschaft wegen nie auf die anderen casus übergehen könne. Der tibetische text der von Schmidt selbst herausgegebenen legen- densammlung Dsang-lun liefert aber manches beispiel zur widerlegung dieser annahme. Da lesen wir z. b. s. 220: bu che-va ni khur-du thogsz, bu ehung-va nı pang-par khjer-te: den älteren knaben aufhockend, den jüngeren an die brust legend (ging sie weinend vor- wärts u. s. w.). Ebends. einige zeilen weiter: bu che-va nı chu-ı tshur log-tu bzag, bu chung pha-rol-tu szkjel: den älteren kna- ben diesseit des wassers legend, den jüngeren jenseit brachte (ich). giramin ningge aküu. Ningge giebt, wie man siht, den beiden adjeetiven selbständig- keit (s. oben). Altajische studien. 21 Ferner s. 233: chod-ci drin ni rtag-tu dran-pas tui benefieii sem- per memor. Nach einem dativ finde ich nz in der phrase: bdag-la ni lung ma bsztan-no mir weissagung nicht wird; nach einem locative in di-na ni an diesem. Die Oszmanen bedienen sich des »sze, der dritten person der ein- heit irer bedingenden art, oft unpersönlich im sinne von quoad, und insofern kann es jeden casus begleiten. Ergänzendes und berichtigendes zu den früheren heften. Heft 1, s. 599. An das mongolische gar (arm und hand) schliesst sich auch das gleichbedeutende kar der cagataischen Türken. Vgl. die monatsberichte der academie vom jare 1851, s. 200. Ebends. s. 611. Ejmu (tejmu) entsteht aus dem adverb ejn (tejn) und (sonst manguischem) emu, dessen m, nachdem sein e weggefallen, das n verdrängt hat: ejmu für ejnmu = ejn-emu. Ebends. s. 615. Zu den türkischen formen einer tatarischen ur- wurzel des hohen und steigens gehören noch: 1) jug (für jug) in juga hoch, erhaben; 2) ek in ek-it erhöhen, erzihen, ek-üsz (oder eg-üsz) hoch, erhaben; 3) ak steigen). Ebends. s. 617—18. An t-g, d-k reiht sich als starke form das türkische tagh berg (japanisch taka hoch). Sodann ist zu bemerken dass das mongolische tegüsz, gewöhnlich mit "vollkommen’ übersetzt, auf dieselbe wurzel zurückgehen muss, wie schon jenes egüsz der Uiguren ergiebt. Die bedeutung vollkommen’ hat hier “erheben zur basis, nicht ‘fertigen’ wie ich in einem artikel der monatsberichte für 1851 (s. 441), durch die finnische wurzel Zeh (tech) verleitet, fälschlich annahm?). 1) Vämbery’s Uigurische sprachmonumente, s. 135. 2) Darf man urverwandtschaft des tatarischen t-q mit dem altdeutsch-sanskritischen s-tig annehmen in erwägung der unmöglichkeit eines initialen s vor anderen conso- nanten in den altaischen hauptsprachen? Verhält sich das mandschu-mongolische taf, dab nicht ebenso zu unserem stapf? 185) 183) SCHOTT: Heft 2, s. 159. Hier ist dem magyarıschen hdt (rücken) ein hart (lappisch hardo, finnisch harto) als wahrscheinliche urform untergelest. Ich hatte damals ausser acht gelassen, dass schulter in altnordischer (is- ländischer) sprache herd heisst und also vom lautlichen standpunet wohl- begründeten anspruch darauf hätte, der erzeuger des lappisch- finnischen wortes zu sein. Vielhundertjährige berührung mit Scandinaven könnte solehen anspruch legitimiren, zumal ein ähnlich lautendes wort für schul- ter oder rücken den übrigen finnisch-ugrischen sprachen fremd zu sein scheint. Aber die Jurak-Samojeden haben harts! (für harti) hinterteil, die Türken gleichbedeutendes art, ard, und beide völker sind mit Scandi- navien und den angrenzenden Finnen ohne verbindung geblieben. Die annahme scandinavischer abkunft jener wörter würde also zu viel be- weisen. Das von herren Vämbery mit übersetzung und wortregister her- ausgegebene uigurische “sprachdenkmal’ Kudatku bilik lehrt uns in einem kat und einem at zwei grundwörter kennen die sich zu hart und art als blosze nebenformen verhalten und unentschieden lassen könnten ob hat eben jenes kat oder ob es hart zum erzeuger habe; denn ein ge- dehnter vocal magyarıscher wörter muss nicht notwendig rückwirkung eines ausgefallenen eonsonanten sein. Betrachten wir diese neu ans licht geförderten wörter oder for- men genauer: Kat erklärt Vämbery schon in dieser abstracten sestalt für eine postposition hinten, nach, unten. Er setzt hinzu: "kommt häufiger als adverbium katyn und selten in der wurzelform vor, so jer katy das un- tere [hintere] der erde. Dann folgt als neues alinea: "kata zurück, hin- unter, statt Aat-da im hintergrund, im rücken. Endlich erhalten wir, durch einen groszen, zu einem andern kat gehörenden artikel von jenem abgetrennt: "katın' rücklings, von hinten, hinten, unten. Erst in diesem letzten artikel vergleicht der verfasser das jakutische Akdta hinterkopf, nacken, und magyarische hat rücken. Da kata und katyn, mag nun letzteres alter locatıv (kat-yn) sein oder, wie verf. meint, für kat-din stehen, nur kat mit casuspartikeln, katy (kat-y) aber dasselbe mit einem suffix dritter person ist, so hätte er die drei alinea’s besser zusammengeschmolzen. Auch ist kat ohne anhänge Altajısche studien. 23 weder postposition noch adverb, sondern wird es erst durch solche. End- lich ist der ausdruck dass es selten in der wurzelform vorkommt, unrichtig gewählt, denn seine form bleibt ja vor jedem Anhang unver- ändert. Vermutlich will herr V. sagen, kat erscheine selten ohne anhang, bringt aber selbst für diese seltenheit keinen belag. Die nebenform at scheint nur in verbindung mit ra vorzukommen. Als belege für die bedeutung "zurück, rückwärts’ dienen folgende stellen unsers sprachdenkmals: meni atra szürdi, szösüm tutmaty mich zurück trieb er (setzte er), mein wort hielt (befolgte) er nicht; atyn mündi atra janıb sein pferd bestieg er zurück kehrend. Herr Vämb. setzt hinzu: "vgl. cagatajisch adra zurück, adarmak umkehren, magy. hat rücken, hatra zurück. Da herren Vämbery die zusammensetzung des magyar. hatra aus hat rücken und der häufigen postposition ra nicht unbekannt sein kann, so muss er annehmen das osttürkische atra sei ebenso aus at und r« entstanden, sonst ist die vergleichung unstatthaft. Nun liest man aber (s. 185) unter evre (das ebenfalls "zurück’ bedeutet), dieses sei von ewürmek sich umwenden, wie atra von atarmak umkehren. Es wäre aber gewiss eine beispiellose erscheinung, wenn die postposition ra (etwa als ar) schon im verbalstamme steckte und atra am ende nichts wäre als dieser stamm mit blosser umkehrung seines ar! Als ebenso abenteuerlich ergäbe sich vice versa die ableitung des verbalstammes selber von atra. Nein, das r oder ar des atar hat mit dem ra des atra nichts zu schaffen: es ver- wandelt nur das nomen at in ein verbum!). Obgleich aber eine selb- ständige bedeutung von kat und at zur zeit nicht nachgewiesen werden kann, so rechtfertigt dieser umstand doch nicht einen zweifel an irer ehe- maligen bedeutung “hintere seite. Auch die identität des türkischen ra segründeten bedenken obgleich mit dem ra der Ungarn unterliegt keinem geg 1) Mit evre verhält sich die sache anders. Dieses wort darf nicht in ev und v. zerlegt werden da es offenbar in seiner ganzheit substantiv ist, also missbräuchlich par- tikel wird; wir erkennen in ihm nemlich nur eine nebenform des gleichbedeutenden cevre welches für sich nie andere als substantive geltung (umkreis, kreislauf) hat. Dieses wird entweder unverändert oder als cevir verbum. Man vergleiche übrigens das gleichbedeutende oszmanische devir (aus teker). Auf die entstehung dieser formen hat die arabische wurzel 3.0. Fr . » . . „»? woher z.b. 5559 devret, devre umwälzung, kreislauf, gewiss einfluss gehabt. 24 SCHOTT: diese postposition gerade im türkischen einen viel eingeschränkteren ge- brauch hat als im magyarischen. Heisst aber szong-ra, tas-ra, üs-re nicht respective zum ende, zur aussenseite, zum oberteil, und ist das r? von ie-ri, joka-ry u.s.w. nicht blosze dämpfung desselben ra? Viel weiter schon erstreckt sich seine herrschaft im mongolischen, wo es sehr passend am verbalstamme supina bildet, z.b. abu-ra zu nehmen. Beispiele mon- golischer partikeln die durch zugabe des ra entstehen: doto-ra nach innen, uma-ra nach hinten, dege-re nach oben, u. s. w.!) Heft 3, s. 90, anm. 1. Zu jal glänzen gehört das uigur-türkische jaleyk mond, wie Vämbery in dem betreffenden artikel richtig bemerkt. Ebendaselbst leitet er jasyk sonne von 728, 25 leuchten, scheinen, statt von jas, der erst unter jasyk in dem abgeleiteten worte jasym (blitz) von ihm nachgeholten form desselben etymons. Jal und jas, jyl (il) und jis (iS) sind aber ursprünglich eins und dasselbe. So entsprechen die tschuwa- schischen Formen chxl winter, til begegnung und traum, pr! fünf, ı!d hören r den gewöhnlichen türkischen kys, tüs, bes, »sit. Ve zıschlaute und /! im Assyrischen in dessen prüfung des characters der auf l. auch Olshausen über assyrischen keilschriften enthaltenen sprache (s. 479 des bandes unserer akademischen abhandlungen vom jare 1865). In einer zugabe zu jalcyk erklärt herr Vamb. afitäb oder dbitäb, eine persische benennung der sonne, aus Zab schein und vorhergehendem af, ab, nap(?!) sonne, und übersetzt sonnenschein. Ich weiss nicht, ob af oder ab in irgend einer sprache des arıschen stammes sonne bedeutet — jedenfalls ist die zusammenstellung mit dem magyarischen nap bedenk- lich?) — hat man aber nicht ein sanskritisches @bhitab leuchten und brennen, aus tab und der praeposition abhi? !) An das ra dieser und ähnlicher bildungen kann noch ein sie in adjectiven ver- wandelndes Ai sich schmiegen: raki oder abgekürzt rki, rgi ist also selbst eine zusam- mensetzung. Wenn ich früher (im ersten hefte), durch diese verleitet, ri (und ra) von ergi, einem selbständigen manguischen worte das ort bedeutet, herzuleiten geneigt war, so muss ich jetzt davon zurückkommen. Das den dativ anzeigende r@ der heutigen Per- ser ist vielleicht selbst tatarischen ursprungs. 2) Dieses ist nemlich das wogulische nob, eine nebenform des num derselben sprache: himmel, oberes, erhabenes. Die samojed. sprachen haben dasselbe wort in den bedeutungen himmel und gott, und in den formen num, nom, nup und nop. Castren vergleicht das jum des finnischen jumala (gott, zunächst aber donner-wohnung, himmel). Altajische studien. 25 Ebds. s. 101. Heiss und warm heisst im Kottischen fal oder phal, ist also fast ganz gleich der slawischen wurzel pa/ brennen. Das Kottische ist, wie Castren sich ausdrückt, eine entstellte schwester des sogenannten Jeniszej-Östjakischen welches weder den heutigen Altai- sprachen noch denen unserer arischen sippschaft beigezählt werden kann (vgl. oben). Von erweislich den Russen abgeborgsten wörtern habe ich in den wortregistern zu Castren’s grammatik (St. Petersb. 1858) keine spur entdeckt. Ebds. s. 102. Jyl! in der bedeutung "sich wärmen’ ist hier über- sehen. Ebds. s. 105. Im Uigur-türkischen ist oty, otu (uty, utu?) schla- fen. Hier wie im Jakutischen kann auch ü allein schlaf bedeuten, z. b. bu ghaflet u-szindin küteszkil ja räbb vom schlaf dieser trägheit errett” mich, o Herr! Ebds. s. 109. Zu D. Mongolisch gobil aushölung; wohl auch gobi wüste, denn das mandschuische kobi bedeutet hohl und nasenloch, das uigur-türkische kobr aber leer, wüst, eitel!), z. b. in dem spruche: kö- venme kobi kutka kutluk kisı trau nicht dem eiteln glück, beglück- ter mensch (Vamb. a. a. o., s. 224). Hier bietet sich uns auch wieder .ein beitrag zu den beispielen von allitteration in der osttürkischen poesie. Vgl. w. u. Ebds. s. 123. Ein osttürkischer name der katze, kyszka, erinnert mit seinem unverkennbar verkleinernden ka an das mandschuische keszike. Dieses haustier kommt übrigens wieder zur sprache in den folgenden randglossen zu Ahlqvist’s Finska kulturord. Ebds. s. 151. Nachgeholt sei hier die acht und neun im Jeniszej- ostjakischen: ynd bese chuos ist 8, chusd bese chuos 9. Da yndm zwei, chusd eins, und chuos zehn bedeutet, so ergiebt sich ohne widerrede, dass 10—2, 10—1 g Heft IV, s. 275. Das scandinavische &} ist aus nej entstanden, edacht ist, wenn gleich bese unerklärt bleibt. nicht aus zkke. Ebds. s. 277. Das den Chinesen abgeborgte gu (muhme) ist kei- neswegs nur mehrheitlich im gebrauche, fort also mit dieser bemerkung. — 1) Gobi (nicht kobi) haben die Mandschu nur. in der bedeutung wüste; in dieser form scheint das wort also den Mongolen abgeborgt. Philos.-hıstor. Kl. 1871. (2 Abth.) 4 26 SICH OD.nE Kin für ken erscheint z. b. in dem tungusischen inakın hündlein, hund, mandschuisch ındachün. Wegen ina sihe zu s. 283. Ebds. s. 279, zu anm. 1. Im wepsischen dialecte des westfinni- schen sagt man hurakame mäuslein für Avira — hiiri maus. Ebds. s. 281ff. Auch das germanische bär erklärt Grimm in sei- nem deutschen wörterbuche durch vater. Ebds. s. 283. In dem na des tungusischen ina-kin hündlein ist, wie aus der manguischen form enda-chün sich ergiebt, ein wesentliches d ausgefallen. Auch ein jurak-samojedisches wort für hund: jando, jandu zeigt uns n und d noch unversehrt, während das d gewichen ist aus dem anderen gleichfalls jurak-samojedischen vueno, vueng, dem jeniszej- samojedischen buno und tavgy-samojedischen bäng nebst iren deminutiven. Hierher d.h. zu den formen mit bloszem n als inlaut gehört auch das offenbar aus der continentalen urheimat mitgebrachte inu der Japaner. Dagegen hat n allein weichen müssen aus dem osttürkischen z#, tschu- waschisch jida (für nt, jinda). Verhallt ist der erste vocal ? in dem mongolischen worte nuchar, welches gewiss für inu-chal = inu-chan steht, also wieder hündlein bedeutet. Gute parallele geben hierzu die tungu- sischen wörter wnokun und ndkun jüngerer bruder; an beiden hängt ver- kleinerndes Aum: ino entspricht dem gleichbedeutenden osttürkischen inz oder ent, und nd ist abkürzung von ind, einer tungus. nebenform des eleichfalls tungus. no. Merkwürdig sind noch zwei von Gerstfeldt und Middendorff ver- zeichnete tungusische formen des vorliegenden wortes für hund mit de- minutivem kin, welche beide statt des vocals mit rn anlauten während die eine das d ausgestoszen, die andere aber, wie aus der schärfung des wurzelhaften » hervorgeht, das wurzelhafte d demselben assimilirt hat: diese formen sind nanakın für dnakın = inakıin, und ninnakin für innakın — indakin!)! Wer nun die ursprüngliche gleichheit des samojedischen janda mit inda?) und wiederum des ebenfalls samojedischen vxeno, buno mit Jano !) Wegen des anlautenden n vgl. mein finnisch-tatarisches sprachengeschlecht s. 52 (332), und germanische wortformen wie narm, noom, nellebog neben arm, oom, ellebog. ?) Zu ja für i vgl. die türkischen etyma des leuchtens (und wärmens): jal, jyl, yl und jas, jis, is; dann jefek neben ipek faden in derselben familie. Altajische studien. 27 —= jando zugiebt!), dem wird hoffentlich ein schritt vom letzteren zu dem peni (stamm pene) der Östseefinnen nicht allzugewagt erscheinen. Es war der übergang des j in einen gelinderen oder härteren lippenlaut was die grosze wandlung vorbereitete. Das e des finnischen wortes, schon vorhan- den in dem we der einen samojed. form, kann auch dem a einer anderen (bäng für bän) sein dasein verdanken. Vgl. übrigens meine unten folgen- den bemerkungen zu den von Ahlgvist in seinen ‘Kulturwörter der Fin- nen’ gleich zu anfang beigebrachten haustiernamen. Ebds. s. 300. Bei unserem anderthalb d.ı. von der anderen eins die hälfte bleibt eins in gedanken wie in dem masyarischen Ar- /enc neun, was wörtlich (eins) ausser zehn heisst. Ebds. s. 303. Vel. den artikel hand in Grimm’s deutschem wör- terbuche. Einige randbemerkungen zn herren Ahlgqvist’s Westfinska Kulturord. Den zweck dieser sehr verdienstlichen arbeit wird man am besten aus den eignen, von mir ins deutsche übertragenen worten des berühm- ten verfassers (in der einleitung) kennen lernen. Herr Ahlqvist sagt: "Ein blick auf die eulturzustände der zwei groszen völkergeschlech- ter die man das arısche und das turanische benennt, reicht hin um zu zeigen dass die cultur bei ihnen von sehr ungleicher stufe und beschaf- fenheit war und ist. Während die arischen völker schon so frühzeitig ackerbau trieben, dass sie aus der gemeinsamen urheimat bis in die ent- legensten teile der erde ein gemeinsames wort, z. b. für den begriff pflü- sen mitbringen konnten, während sie städte bauten, staten gründeten, und alle die gesittung entwickelten welche mit dem landbau vereint ist, sehen wir die Turanier jarhundert um jarhundert ir vih über steppen 1) Im Jurak-samojedischen hat man noch neben einander: jab und weab loos, glück; ji und wi’ verstand; ji’ und wit (finn. wete, wesi) wasser; jedju und wetju darm; jesze und wesze eisen. 4% SCHOTT: 157 [oe] und eisfelder treiben oder den pelztieren des nordens nachjagen ohne irgend merkliche ve ‘änderungen und ohne merklichen fortschritt. Selbst nachdem gewisse turanische völker, wie Hunnen und Mongolen, die eul- tivirtesten arischen länder durehstürmt und erobert hatten, blieben sie von deren eultur fast unberührt, und als ire kurzdauernde herrschaft über eine gesittete welt vorüber war, kehrten sie wenig verändert, die- selben nomaden wie diejenigen, welche Attila und Tschinggisz zur welt- eroberung aufgerüttelt, in ire steppen zurück. Die arıschen völker sehen wir immer noch rastlos in der ganzen welt neue staten gründen, wäh- rend die letzte der wenigen herrschaften welche turanische völker ge- stiftet, schon lange zusammengestürzt wäre, hätten Arier sie nicht auf- recht gehalten. Ebenso rastlos sehen wir die Arier im gebiete der wis- senschaften und künste fortschreiten, die natur bändigen und ir leben auf jede weise verschönen, während der Turanier in seinen zelten, erdhütten oder elenden baracken denselben entbehrungen unterworfen ist und das- selbe träumerische dasein führt wie vor jartausenden. Die steppe macht den menschen überall zum nomaden, so zwar, dass selbst der landbauende Arier, wann er steppenbewohner wird, in einen nomaden sich verwandelt, wie es z. b. Spaniern und Portugiesen in den savannen America’s ergangen ist. In den steppen konnte also kein land- bau mit der ihm nachfolgenden höheren gesittung entstehen. Wenig mehr geeignet zur agrieultur war die im norden der steppen belegene waldre- sion, diese andre abteilung des gebietes der Turanier, da sie ob ires reichtums an pelztieren den menschen auf einem niedrigen culturgrade, dem des jägers, festhielt. Und endlich, konnte wohl irgend welche ceul- tur auf den öden tundern entstehen wo der mensch seine tierische ex- istenz mit mühe fristet? Erst nachdem sie mit Ariern in berührung ge- kommen und durch solehe fortwährend beeinflusst worden haben einzelne turanische völker das gebiet einer höheren cultur betreten. Hierbei kam es hauptsächlich darauf an was für Arier irgend eines turanischen vol- kes nachbarn und lehrer geworden. Nahm z. b. der Finnen wanderung aus irer urheimat eine solche richtung, dass sie statt christlicher Germa- nen muhammedanische Perser zu lehrmeistern bekamen, wie ganz anders und schlechter stünde es heute mit irer eivilisation! Altayische studien. 29 Es kann uns also nur von höchstem belange sein zu untersuchen, woher die eultur stammt die unserem volke zu teil geworden. Für eine solche untersuchung giebt es ausser der geschriebenen geschichte nur wenige quellen. Wo deren zeugniss aufhört, geben die altertüimer noch andeutungen über die beschaffenheit der eultur in früheren tagen. Am allerbesten aber künden uns die in der sprache enthaltenen eulturwör- ter woher die bildung eines volkes stammt. Jakob Grimm sagt: "es sieht ein lebendigeres zeugniss über die völker als knochen, waffen und gräber, und das sind ire sprachen’. Eine untersuchung der finmschen eulturwörter ist mir darum der bemühung eines finnischen sprachfor- schers® nieht unwert erschienen.uln.n 1. era VE. Der verfasser teilt seine gründlichen untersuchungen in folgende sieben abschnitte: vihzucht landbau — mechanische künste und hand- werke — wohnungen, hausrat, kleidung — seefahrt, handel u. s. w. — familie, gesellschaftliches leben [sociale existenz] — stat und kirche u. s. w. — schluss, rückblick. Ein ausführliches register verweist auf alle in dem buche berührten eulturwörter der finnisch-ugrischen sprachen. Das endergebniss auf welches herr A. kommt, lautet dahin, dass die urväter der Ostseefinnen bei irer ankunft in den baltischen ländern ungefähr denselben standpunkt von uneultur einnahmen wie ire heutigen verwandten zu beiden seiten des Ural. ‘Sie nährten sich hauptsächlich vom ertrage der jagd und fische- rei. Jr vornehmstes haustier war der hund, aber auch pferd und rind waren ihnen nicht unbekannt, obgleich sie von der milch der letzteren butter oder käse nicht zu bereiten verstanden. Das schaf, die ziege und das schwein lernten sie erst an der Ostsee kennen. Der landbau scheint ihnen nicht ganz unbekannt gewesen zu sein, aber sie übten blosz den nomadischen d.h. das abschwenden, und von getreidearten kannten sie nur die gerste, von wurzelfrüchten die rüben. Von iren nachbarn in den baltischen ländern lernten sie den eigentlichen ackerbau, dazu den gebrauch vollkommner öconomischer werkzeuge und den anbau von ggen, hafer und hülsenfrüchten. — Die wohnung einer familie war ein sogenanntes kota aus aufrechten stangen die entweder an einen weizen, TO baumstamm oder an einander concentrisch sich lehnten und für den win- ter mit tierfellen überzogen wurden; eine andere art bau, sauna benannt. 30 SCHOTT: bestand aus einer künstlichen erdhöle mit einem dachwerk über der erde!). Die einrichtung des kota war äusserst einfach: es hatte eine tür- ötfnung, einen rauchfang oben, und eine aus wenigen losen steimen be- stehende feuerstelle in der mitte, aber weder sgedielten fuszboden noch fenster, denn das licht fiel durch die geöffnete tür oder auch durch den rauchfang. Gezimmerte häuser mit diele und dach, mit dachlucken und (späteren) fenstern im den wänden, mit bänken und festgemauerter feuer- stelle lernte man erst nach der einwanderung kennen. Den hausrat bil- deten-einige gefäsze aus holz und birkenrinde. Das übrige bewegliche eigentum waren geräte zu jagd und fischfang, schneeschuhe, kleine schlit- ten und böte. Wanderungen unternahm man im winter auf schnee- schuhen oder mit renntieren, im sommer zu fusze, auf reitpferden oder in böten. Landstraszen und räderfuhrwerk gab es nicht. — Die kleidung bestand nur aus tierhäuten, welche die hausfrau mit knöcherner nadel zusammennähte. — Die männer zimmerten böte und fertigten gerätschaf- ten zu jagd und fischfang; sonst scheint nur des schmiedes handwerk bei unseren altvordern heimisch gewesen zu sein, obwohl es zweifeln un- terliegen kann in wie weit sie dieses handwerk aus der urheimat mit- brachten. Von metallen ist ihnen vermutlich nur silber und kupfer be- kannt gewesen. Von werkzeugen zur arbeit in holz besaszen sie nur messer; die steinaxt ist ihnen höchst wahrscheinlich bekannt gewesen, aber der name dieses instrumentes ist verloren, und eiserne äxte lernten sie erst an der Ostsee kennen. Was die bereitung von zeugen betrifft, so scheint es, dass man nur filz zu machen verstand, wohl aber konnte das finnische weib mittelst irer spindel aus den fibern einer art nessel- kraut zwirn spinnen. Vom schafe sowohl als von der kunst, aus dessen wolle garn und zeuge zu bereiten erlangten sie erst in der neuen heimat kenntniss. Dagegen konnten sie häute gerben und sowohl an dem nes- selgarn als an den gegerbten häuten einige einfache farben anbringen. — Von meer und meerfahrten erhielten sie am Weissen Meer und der Ost- see die erste kunde. Vor der ankunft in den baltischen ländern bestan- den ire fahrzeuge aus kleinen und einfachen böten zur fluss- und binnen- seefahrt; diese fahrzeuge waren ohne segel und wurden auch nicht auf !) Sauna wird noch jetzt der raum zum baden oder die badestube genannt. 2 Altajische studien. al die jetzt gewöhnliche art gerudert, sondern durch schaufelung mit einem oder mehren rudern von der art welche in den finnischen sprachen mela heisst, fortbewest. — Städte gab es keine. Der handel war tauschhandel. Geld als wertmesser kannten die Urfinnen nicht. Das tauschmittel be- stand aus fellen, besonders vom eichhorn, wofür man das wenige erhielt was von ausländischen waaren nötig war. Mit ausnahme gewisser län- genmasze lernte man den gebrauch von maszen und gewichten bei dem nachbarvolke an der Ostsee. — Das familienleben war, so scheint es, ziemlich entwickelt. Die zahlreichen benennungen für verwandtschafts- verhältnisse sind grösztenteils ursprünglich und zum groszen teile den verschiednen finnischen sprachen gemeinsam, ein beweis dafür, dass die mit denselben belegten begriffe allbereits in der östlichen urheimat sich vorfanden. Das eingehen ehelicher verbindung und die damit verbunde- nen bräuche scheinen jedoch schon in der heidnischen zeit nach der be- kanntschaft mit dem littauischen volke einige veränderung erlitten zu haben. Leibeigne gab es nicht, wohl aber gemietete freie diener oder arbeiter). Eine art gemeinde mit der benennung petäj)@ scheint wenig- stens bei einem teile der ‚Jämen bestanden zu haben, desgleichen das amt eines gewählten gemeinde- oder kriegshäuptlings welcher vielleicht auch nach billiskeit und altem herkommen die zwistigkeiten einzelner oab es oO schlichtete. Aber geschriebene gesetze und eigentliche richter nicht, eben so wenig erbliche fürsten oder irgend statliche einrichtungen. Überhaupt scheinen die Urfinnen, wie alle nomadische und jägervölker, auf unbegrenzte individuelle freiheit gröszeren wert gelegt zu haben als auf diejenige sicherheit welche in geordnetem gemeinwesen auf kosten eines teils einer solchen freiheit gewonnen wird. Aus dieser abneigung gegen einen statsverband, deren spuren noch jetzt im charakter des fin- nischen volkes zu erkennen, ist erklärlich, dass die angrenzenden völker von slawischer und germanischer abkunft, welche schon damals [gewis- 1) So erklärt der verfasser die orjat. Doch wird der junge ehemann in Kalewala ermahnt, seine gattin nicht orjan ruoskin d. i. mit der peitsche des knechtes (also wie sie der knecht zu fühlen bekommt) abzustrafen. Mussten freie mietlinge sich peit- schenhiebe gefallen lassen? Nach Koskinen (Oppi-kirja Suomen kansan histo- riassa, 1, s. [6) waren die orjat zum teil gekaufte, anderen teils vielleicht kriegsge- fangene leute. 32 SCHOTT: sermaszen] bürgerliche gemeinwesen bildeten, die baltischen Finnen ver- sleichungsweise so leicht überwältigen konnten. Religion war der allen ural-altajischen völkern, ehe Buddhismus, Iszlam und Christentum bei ihnen eingang erhielten, gemeinsame geistereultus. Doch scheinen die baltischen Finnen iren littauischen nachbarn bereits in heidnischer zeit verschiedne dem Schamanentum fremde religiöse vorstellungen abgeborgt zu haben. Das Christentum [nach rechtgläubig sein wollender griechi- scher verunstaltung] ist unseren vorvätern zu allererst vermutlich von russischer seite gepredigt worden!); es verbreitete sich aber und wur- zelte unter ihnen erst durch die bemühungen schwedischer und deutscher olaubensboteniN Hark 1%. NER sr RER nr Und nun endlich zu den angekündigten randglossen. S. 1—2. Herr A. sagt hier: unter den vielen benennungen des hundes bei den finnischen völkern sei die allgemeinste und durch alle finnisch-ugrischen sprachen gehende das wort pen, welches, nahe ver- wandt mit pentu (das junge eines hundes fuchses oder wolfes) nur als diminutiv in dem worte penikka welp enthalten sei. Dieses peni erkennt er mit recht auch wieder in dem eb der Ungarn und durch eimschiebung eines m entstandenen dmp, oamp der Wogulen und Ostjaken. Der con- sonant » ist schon ausgefallen m dem tscheremissischen pz (vgl. livisch pin, mordvinisch pine), und, setze ich hinzu, in einer der (von herren A. unbeachtet gelassenen) samojedischen formen die, wie oben gezeigt, zwischen peni und dem inda u. s. w. tungusischer, mongolischer und tür- kischer stämme ganz unverkennbare mittelglieder bilden. Jeniszej-samo- jedisch heisst der hund nach Castren buno und bü; ersteres ist aber bei- nahe gleich dem punu der Wotjaken und schliesst sich andererseits an das »ıteno welches die Jurak-Samojeden neben irem jJando besitzen. Das original’ von hurtta, kürta, hurt d. ı. jagd- oder windhund ıst nach herren A. in dem russischen chort, littauischen kurtas, und let- tischen kurts wiederzufinden. Mir scheint die sache noch unentschieden, denn auch die türkische sprache besitzt ein kurt, welches zwar nicht den hund, aber den verwandten wolf bedeutet, wie z.b. das deutsche hund im estnischen (hunt aus humt‘) die bedeutung wolf erhalten hat. Wie !) Was in [ ], nicht in ( ), eingeschlossen, sind meine eignen zusätze. Sch. Altajische studien. 33 tief dieses kurt in der türkischen sprache wurzelt, ergiebt sich nicht blosz aus seiner anwesenheit in sprüchwörtern!), sondern auch aus dem umstande, dass es (wie z. b. wolf im Niederdeutschen) zugleich die raupe (natürlich ob irer gefräszigkeit) bedeutet. Den östlichen und nördlichen Türken scheint kurt freilich unbekannt geblieben — diese besitzen dafür das den Oszmanen fremde oder längst entfremdete bür:, bürü, börü — ist es aber wirklich leihwort, was mag dann die Oszmanen bewogen ha- ben dem unzweifelhaft ursprünglichen andern namen des tieres so ganz zu entsagen? S.3. Rindvih, butter, milch. Sollte härka ochse von dem ma- syarischen ökör, mongolischen üker, türkischen öküs zu trennen sein? Ist nicht verschiedne stellung des r und % hier der wesentlichste unter- schied? Und wenn das bvka der Ungarn wirklich aus dem slawischen byk entstanden ist: gehört darum b-%k für gehörnte tiere nicht ebenso gut der türkischen und mongolischen sprache an wie unseren arischen? Beweis: die stärkere form der wurzel erzeugt im Türkischen bugha, bo- gha stier, im Mongolischen bughu hirsch, reh, im Mandschuischen buka schafbock?), bucha wilder ochse. Das schwächere büge ist mongolischer name des stiers. Aus dem härteren much entsteht nicht blosz das tschuwaschische mugur stier, und mandschuische muchasan wmännliches rind, stier, son- dern auch muchan männlicher tiger in der letzteren sprache. Also übertragung auf das männlein ungehörnter säugetiere, wie z. b. unser deutsches bock in dem niederdeutschen musbuck sogar die männliche maus bezeichnet)! Wie der Ostjake die milch brustwasser nennt, so der Japaner 1si-sziru für tsitsi-sziru brüste-trank. Beiläufig bemerkt, scheint mir noch 1) Beispiele: kojnumy jejen bary kurd olsza wär es nur ein wolf der mein schaf auffrisst! kurd kogajynga köpejin maszcharaszy olur wenn der wolf al- tert, wird er des hundes gespött; köpek-szis cobanyn kojuny kurd alyr des hundelosen hirten schaf raubet der wolf, u. Ss. w. 2) Nicht “schaf und hammel’ wie in europäischen wörterbüchern zu lesen, denn die einheimischen erklären es durch das sinische IN Es kung jang. 3) In much, bugh darf man, da es offenbar zunächst namen des männlichen rind- vihs erzeugt hat, denselben naturlaut wiedererkennen, dem das lateinische mugire sein dasein verdankt. Philos.-histor. Kl. 1871. 2“ (Abth.) 5) 34 SCHOTT: nicht beobachtet, dass die wörter für mileh ım Türkischen und Mongo- lischen aus denen für wasser entstehen, oder wäre das kalmykische üszün, ostmongolische szün oder szi“ milch etwas anderes als schwächung von uszun, uszu wasser, und verhält sich nicht im Türkischen sz&d milch ebenso zu szu wasser, obgleich ersteres wort noch um d (oder f) ge- wachsen!) ? S. 10— 11. Sollte wuhl zu dem türkischen Au nicht wie eine verschiebung sich verhalten? — Bei om, won, woon verdient vielleicht beachtung, dass oghono, öno im Mongolischen und onon im Manguischen das männchen der tibetischen ziege, sinisch A ir =S kung huang-Jang (nieht wie in europäischen wörterb. steht, “eine art schaf’) bedeutet. S. 14—15. Das finnische sika schwein ist, wie herr A. hier un- widerleslich zeigt, germanischen ursprungs, hat also mit- siska, sisna nichts gemein. Ich bitte daher, ein kleines alinea meines 4ten heftes (s. 289 die zwei letzten und 290 die zwei ersten zeilen des textes) als unbrauch- bar zu streichen. Meine sonstigen bemerkungen zu sisna u. s. w. halte ich noch aufrecht. Etwas zu kühn ist übrigens auch herr A., wenn er das ungarische disznd von dem türkischen dongus ableiten will. S. 16. Karju für eber ist vermutlich onomatopoetisch, wegen seines grunzens. So mag auch der bär von seinem brummen karhu ge- nannt sein. S.18. Katze. Herr A. bemerkt hier, aus dem instinete dieses tiers könne erst der landbauer nutzen zihen, und es seı darum kein wunder, dass die finnischen völker erst durch ire berührung mit den landbauenden Ariern die katze kennen gelernt und von diesen auch den namen derselben entlehnt hätten. Ich habe dawider nichts einzuwenden; wie soll man aber sich erklären, dass hinzens arıscher name auch bei allen oder fast allen Türkenstämmen und selbst in Tungusien heimisch geworden ist? Bei den westlichen Türken giebt es keinen anderen katzennamen als kedi, welchem tatar- und altai-türkisch kysz-ka, kısz-äk, mandschuisch keszr-ke entspricht. Vermutlich danken die Mandschu das tier mit seinem namen den ersteren, der verkleinernde zusatz lässt aber 1) Auch im dialecte der Jakuten ist © wasser und “t milch. Altayısche studien. 35 wenigstens bei tatar-türkischen stämmen schon auf eine gewisse anhäng- lichkeit an die katze (durch längere gewöhnung) schlieszen. Parallel dem k-t, k-sz in fast jeder gestaltung läuft ein mit m be- ginnender katzenname der ebenfalls selten ohne deminutives anhängsel erscheint: m-d, m-5, m-sz. Dieser begegnet uns in dem mady, mis-ek, mysz-yk türkischer stämme und dem macs-ka der Ungarn. Ist also das letztere zugleich im Südslawischen daheim, so würde mit annahme seiner entlehnung von dort her zu viel bewiesen sein. Das %-t, k-sz geht ohne zweifel auf versuchte nachbildung des zischens der katzen zurück, wie in m-6, m-s eine amalgamation dieses zischens mit dem heulen, miauen oder vielmehr mit dessen bloszem anfangslaute angestrebt sein mag. Rein oder roh vernehmbar ist der heulende katzenlaut noch in myr, einem anderen tatar-türkischen namen des tieres, desgleichen in dem mjui der Mongolen und mjao, mao der Chinesen, sofern nemlich diesem das schriftzeichen Aj1} entspricht). Dem 4-1, k-sz, k-€ finnisch-tatarischer völker steht nun unser sermanisch-romanisches A-t, k-tz, k-& (z. b. kitsche in Schlesien), dem parallelen mm-C u. s. w. aber unser miez, miez-chen (-ken) zur seite. 5.22. Ackerbau. ‘Der allgemeine name für den acker, pelto, ehstnisch pöld, lappisch pöldo, ungarisch föld, ıst das germanische feld'. Damit ist auch Grimm einverstanden. Dagegen bemerkt Gottlund im zweiten teile seines Otawa: das lappische pöldo oder puold (für pald) bedeute eine abschüssige anhöhe, dann einen hügel oder kleinen berg?), und die finnische form pelto lehne sich an diese bedeutung, “weil die Finnen alter zeit ire äcker und felder häufigst an abhängen bauten (koska Suomalaiset ennen wanhuudessa useimmittäin tekiwät peltojansa ja halmeitansa rinteillen). Hieraus resul- tirte also entweder zufälliger einklang des germanischen wortes mit dem 1) Ganz abweichend: das neko der Japaner. 2) Im Suomi selber ist paltta und palto declivitas, und kalta (k für p) status obli- quus. Verwandt scheint die mongolisch-manguische wurzel bald, balts in baltalja, balda- sita ausgleiten und das schwächere mongol. bäl elivus! Das finnische palto bedeutet ausser declivitas noch callidus (der zu entschlüpfen weiss) und ein der falle ent- schlüpftes tier. 5 * 36 SCHOTT: finnischen, oder gar erborgung des finnischen durch Germanen d. h. dureh die agrieulturae magistri der Finnen!! S.30. Das ostjakische und ungarische wort szem will herr A., sofern es same bedeutet, gleich dem finnischen siemen entweder einer germanischen oder slawischen sprache entlehnt wissen. Hiernach wäre die formgleichheit des ersteren mit szem auge nur zufällig. Aber die verschiedensten sprachen haben wenigstens ein und dasselbe wort für auge und keim, knospe, offenbar wegen der runden oder rundlichen form des augapfels, an welchen zunächst gedacht ist. So vereinigt diese bedeutungen: das türkische küs, gös!), finnische sılmd, japanische me, griech. öpSaAucs, latein. oculus. Der weg zum samenkorn ist be- greiflich nicht weit und erspürt man ihn besonders an folgenden bedeu- tungen des magyarischen szem: auge, beere, knospe, korn, körn- chen, samen. Sollte dieses wort sofern es same bedeutet, slawischer oder germanischer abkunft sein? S. 5ilff. Handwerke. Seppä, ehstnisch sep, lappisch caeppe, ge- wöhnlich mit schmied übersetzt, aber seinem gebrauche nach jeden der mit einem werkzeuge, sei es hämmernd, hauend, schneidend oder schni- tzend arbeitet, bedeutend, ja selbst auf geistesarbeit (in versen) übertra- gen, z. b. runo-seppä versifex (vgl. unser reimschmied)?), steht in dem finnisch-ugrischen gebiete hinsichtlich seiner wurzel nicht so verwaist wie herr A. anzunehmen geneigt ist. Denn der Magyar hat szab schnei- den, dessen partieip szabo den schneidenden handwerker, schneider be- zeichnet, wie im ehstnischen radt-sep aus rat tuch und obigem sep=seppa. Im Mongolischen aber giebt es ein szobr, szub mit der speciellen bedeu- tung eisen streeken, und das tschuwaschische szed hämmern (Mo10- mm) bewahrt die den Finnen selbst verlorne wurzel von sepp@ unver- 1) Redensart: gösü jaryldy ire knospe (nicht ir auge) ist geplatzt, d. h. sie ist entbunden. ?) Die Lappen bedienen sich desselben für meister in jedem sinne, z. b. caeppe son lae juökke duogjoi er ist meister in jedem gewerbe; caeppe son lae same- gilli er ist meister in der Same-(lappischen) sprache; caeppe son lae gacaldaghaidi, mutto cuörbe vastadusaidi er ist meister im fragen, aber stümper im antworten. Friis’ Lappisk grammatik, s. 161. Altajische studien. 37 sehrt! Sehr merkwürdiger weise finden wir sabbi in der bedeutung schmied bei den Eskimo’s. S.58. Dem finnischen worte vaski kupfer kommt unter allen metallnamen der näher oder entfernter verwandten sprachen keiner so nahe als — das uoszkr der gar nicht verwandten Armenier. Dieses be- deutet zwar gold, aber die verschiedenheit des metalls beweiset nichts gegen die gemeinsame quelle des finnischen und armenischen wortes, wie dichtes dunkel sie uns auch verhülle. So hat altan, der mongolische name des goldes (türkisch altyn), bei einigen Tungusenstämmen diese bedeutung behalten, während andere kupfer darunter verstehen — und doch gehören diese verschiednen stämme sogar zu einer und derselben nation! So ist das germanische eisen, iron u. s. w. verwandt mit aes, aer (aıs, air) welches harte (aber unedle) metalle überhaupt, wie das mandschuische azsz-ın jede art metall, dann erst, gleich dem 4 kin der Chinesen, auch gold bedeutet. Im groszen bereiche der finnisch-tatarischen sprachen erinnern ausser dem schon erwähnten mandschuischen axsz(-in) das magyarische vas (vas), samojedische wesze und jesze, tatar-türkische jasz, jesz, mongo- lische gesz, dsesz, tungusische dset an die erste silbe unseres vaskı dem laute, und an das ganze der bedeutung nach; nur das magyarische vas und samojedische wesze, jesze bedeuten eisen, nicht kupfer wie die übrigen. Bei dem leichten alterniren des w und 7 könnte nur fraglich bleiben, ob vasz, jasz als urform oder als fragment derselben (nach ab- geworfenem %k?) zu betrachten. Wegen der verwandtschaft des s und r, wie des A und 7 mag man die nemliche silbe in dem jurak-samojedischen narawa kupfer wiedererkennen. Jakob Grimm vermutet einen verwandtschaftlichen zusammenhang unseres germanischen eisen mit eis (glacies), weil der glanz des me- talls auf eis zurückgeführt werden konnte!). Bei dieser annahme müste !) Von einer wurzel des glänzens ist zuversichtlich das türkisch-mongolische wort für gold (altyn, altan) abzuleiten. Man vergleiche eld und uld in den mandsch. wörtern elden glanz, licht, ulden aurora. Auch aus dem mongolischen aldar ruhm, glorie scheint diese wurzel (vgl. illustris) hervorzuleuchten. Vgl. noch sanskritisch AYTeL splendor und gloria. 38 SCHOTT: man entweder nur zufällige übereinstimmung der arischen und finnisch- tatariıschen wurzel annehmen oder die germanische obenan stellen. S. 77. Die finnische wurzel kut für "weben’ glaubt der verf. nicht als eine umstellung des slavischen f-A betrachten zu müssen, da es bei- nahe unverändert durch den ganzen sprachstamm gehe und in der Suomi- sprache auch vom netzestrieken gebraucht werde. Hierin, vermutet er, liege eine andeutung des ältesten und ursprünglichsten gebrauches. Einwenden liesze sich etwa, dass die Magyaren in irem szö (szöv) ein ganz anderes etymon für weben besitzen!), denn takdes neben szövo (weber) steht vereinzelt und ist unmittelbar aus dem Slawischen. Aber die magyarische sprache hat auch köt binden, knüpfen, stricken, und schon dieses tut herren A’s vermutung groszen vorschub. Eine schwache form obiger wurzel besitzen ausserdem Finnen und Ehsten in irem köyt, köit binden, woher köyte (köysı, körs ete.) strick. Manguisch heisst das thema chuarta binden. Im oszmanisch-türkischen hat man für weben dok(w), was der slavischen form des vielleicht gemeinsamen urwortes am nächsten. S.82. Wie das finnische walkea licht und weiss zu dem magyar. vilag licht(allein), so verhalten sich k-/t und selbst das germanische gelb zu dem gilt und gilb der Mongolen in wörtern wie gelte glanz, leuchten, gilbaga und gelbina dasselbe. S. 88. Das finnische ump, omp nähen kann zu dem gleichbedeu- tenden wf(@) und /(i) der Mandschu und dem türkischen %p, jıp faden ebenso sich verhalten wie z. b. das samojedische hampa, wogulische kump welle zu dem magyar. hab, das wogulische amp hund zu dem magyar. eb, das finnische hampaha (hammas) zahn zu dem tatar-türk. kaba beissen. S. 95—96. Koto und kota ist ebensowohl mongolisch als finnisch, und dem syrjanischen kerka darf man das mongol. ger zur seite stellen. Ob huone, hoone von dem persischen chäne herkomme, mag dahingestellt bleiben; aber ganz vereinzelt steht es im finnisch-ugrischen gebiete nicht, denn bei den Magyaren entspricht hon, dialectisch honny. Zwar hat das wort, sofern es dieser sprache angehört, vorzugsweise, wo nicht aus- !) Diesem szöv der Magyaren entspricht im Wogulischen szäg. Altayısche studien. 39 schliesslich die bedeutung heimat, vaterland; aber auch das tatar-türki- sche jurt bezeichnet nicht blosz wohnstelle, sondern heimischer boden im weiteren sinne, land und reich (regnum), und sollte daher — setze ich hinzu — sein fast buchstäblicher einklang mit dem scandinav. jord nur zufällig sen? Vgl. das mongolische ordo und Grimm im wörterbuch unter “erde’N). S. 143. Zu kirja buch vergleiche meinen artikel über "zeichen- und striche-machen, malen und schreiben’ im dritten hefte dieser "studien‘, seite 112—114. S. 145. Das lappische appe für meer habe ich im dritten hefte dieser studien mit dem finnischen awa flach, weit, offen zusammengestellt und auf das gleichbedeutende awı, dw der Mongolen, desgl. auf das tür- kische owa ebene verwiesen. S. 151. Das livische Auoig, koig fahrzeug hält herr A. für eine umbildung des russischen [?] kajüuk. Er bemerkt: “In wie weit dieses wort ursprünglich slawisch oder dem Türkischen entlehnt sei, muss ich für jetzt unentschieden lassen, gewiss aber verdankt auch das magya- rische hajo schiff diesem worte seinen ursprung’. Die Oszmanen, setze ich hinzu, nennen den kahn kajyyk, was allerdings nahezu kajüuk ist; soll man aber bei dem unslawischen ansehen des wortes als reinen zufall gelten lassen, dass der Eskimo sein boot kajak nennt)?! S. 167. Dem tawara der Finnen mag merap» zum grunde liegen; dies letztere ist aber keineswegs urslawisch, sondern das schon in der ältesten uigurischen schöpfung vorkommende tatar-türkische tawar, dawar, welches zunächst die lebendige habe, den vihstand bedeutet, gleich dem arabischen, früh zu Persern und Türken übergegangenen Jh mal: pecora, dann bona, opes, dann pecunia. In folgendem verse des Kudatku-bilik steht /awar hinter dem synonymen, vermutlich nur todten besitz bezeichnenden neng: cikai-ga üledi ögüs neng tawar den armen verteilt er viel habe und vih?). !) Das türkische jurt ist Grimm übrigens unbekannt oder nicht gegenwärtig gewesen. ?) Eigentlich führt nur das männerboot diesen namen; das weiberboot heisst umiak. ») Ein andermal (XV, v. 17) heisst es: den armen verteilt er viel silber und gold. 40 SCHOTT: Beide wörter stehen z. b. auch im folgenden verse zusammen: üle neng tawar sen, tileme janut verteile die güter, nicht fordre entgelt! Die Mongolen haben das wort in derselben bedeutung und ver- binden es gern mit dem gleichbedeutenden ed irer eignen sprache: ed- tabar (tawar). S. 186. Dass auf dit! mutter die gothische form aithei eingewirkt, ist recht wohl möglich. Warum aber heisst vater bei Turk-Tataren und Mongolen dt, äci, wie auch in süddeutschen dialeeten die abschwächung des wortes ata lautet? Sihe das 4te heft dieser 'studien’, s. 280, wo aber das tatar-türkische diminutiv s&4) dt-ke paterculus (aus Abulgasi, s. 49 der Kasaner ausgabe) nachzuholen. Anlangend das wort poika erlaube ich mir verweisung auf s. 287 desselben heftes. S. 190. Dem worte kaly entspricht fast genau das „us aus, aus kılüm, kilin, kilen der Turk-Tataren: schwiegertochter und eheweib des jüngeren bruders. Manguisch ist keli schwager; insonderheit nennen ein- ander so die männer zweier schwestern. S. 204. Wenn woro und das ungarische or, or» für dieb slavi- schen ursprungs sein sollen, warum heisst dann der dieb auch oszmanisch sl oghry, ouru? selbst im Kudatku-bilik begegnen wir dem worte okrylyk verstohlen, heimlich, bei den Jakuten Sibiriens aber dem con- tracten or stehlen sowohl für sich als in dem abgeleiteten worte or- ach dieb! S. 213. Der finnische name des schiessbogens, jousı, joutsi (aus jout, wie noch die Wogulen sagen) ist gewiss verwandt mit dem türki- schen jai, welchem das ungarische iv noch eher entsprossen sein kann als einem jou —=jout. — Die kerbe in welche der pfeil gelegt wurde, nannte man juont, ehstnisch joon, welches wort nach meiner beobachtung in verwandten bedeutungen auch bei Türken und Mandschus sich vor- findet. An kerbe reiht sich rinne, fahrgeleise, fuszspur, ver- tiefter strich, dann strich oder linie ohne vertiefung, dann rich- tung. Der Ehste gebraucht sein joon auch für die narbe einer wunde, der Lappe nennt die spur des renntiers im schnee juone, der ungeheuer Altajische studien. 41 entfernte Mandschu die räderspur oder das fahrgeleise jun!)! Das Suomiwort drückt jetzt vorzugsweise die begriffe strich, linie, reihe, strecke aus; ein türkisches yün heisst strecke, gegend, richtung; daher jün-i einer richtung folgen, wohin abgehen. Das mit juoni! ohne zweifel verwandte Suomiwort vana vereinist in sich die bedeutungen schlittenspur, furche, auch im wasser (die ein fahrzeug ziht), riss oder spalt im eise, rinne, graben, strich?). S.229. Arka zeit und das magyar. ev jahr führt J. Grimm bei- des auf das gothische aw (altnordisch aefi lebensalter) zurück. Was vuosi (aus vuote jahr) betrifft, so soll dieses nach einigen aus dem sla- wischen god entstanden sein, aber das angeblich analog gebildete vuorı berg (slawisch gor&) kann nichts beweisen, da man sonst auch wogulisch vuor, ur, urom, magyarısch orom, tungusisch ürro, urö, urjd, türkisch or-man von demselben gora ableiten müste. Erinnert doch selbst das har, hör der Semiten an diese wurzel und sogar noch lebhafter als das sanskritische ger oder littauische gıra®)! S. 231. Herr A. sagt hier wo von finnischer volkspoesie die rede: "Ohne zweifel brachten die Finnen des gesanges gabe mit aus der ur- heimat. Aber zu bewusstsein und anwendung dieser gabe scheinen sie zuerst in den ländern an der Ostsee gekommen zu sein. Dies kann man unter anderem daraus schlieszen, dass ire östlichen stammverwandten weder ein entwickeltes volkslied noch regelmäszige verskunst, höchstens recitativartige kunstlose und dürftige balladen haben, ferner aus dem umstande, dass in diesen von allitteration keine spur sich fin- det, die sonach durch den einfluss der dichtkunst germanischer völker bei welchen dieses lautliche verschönerungsmittel der poesie bekanntlich stark angewendet worden, in die finnische volkspoesie gekommen’. !) Im San ho pjän län ist jun nur durch ii; cC’E rotarum vestigia erklärt. ?) Vgl. das chinesische FU wen welches die natürlichen einschnitte in den händen, adern der steine und bäume, striche oder streifen und schriftzeichen (eingeschnittene und aufgemalte) u. s. w., endlich gar schöne litteratur bedeutet! 3) Von den hier angeführten wörtern bedeuten das türkische orman und littauische girja nicht mehr berg, sondern wald, das wogulische vuor u. s. w. vereinigt beide be- deutungen. Ebenso gebraucht der Chinese sein sdn (berg) und der Spanier sein monte oft im sinne von bergwald und wald oder haide überhaupt. Philos.-histor. Kl. 1871. (2 Abth.) 6 42 SCHOTT? Anderer meinung ist herr Paul Hunfalvy, der schon im ersten bande seiner Reguly hagyomänyai (keguly’s nachlass, Pest 1864) die al- litteration bei den Wogulen nachweist. Nachdem dieser gelehrte auf den gedankenreim oder parallelismus der glieder hingewiesen, diese art echo mit variationen in den poetischen schöpfungen der Suomalaiset und Wogulen (wie der nichtverwandten Hebräer), und dann viele bei- spiele des anfangsreimes beigebracht, fährt er also fort: ‘Die altscandinavische poesie hat anfangsreime; die Finnen begeg- neten sich zu allererst mit den Scandinaven, ja sie standen noch ehe die Slawen des russischen reiches sie nach norden gedrängt hatten, schon lange zeit mit jenen in ausschlieszlichem verkehre. Das finnische volk konnte also den anfangsreim von den Scandinaven bekommen. Aber viele umstände sprechen für das gegenteil. Erstens entstand und ver- blieb Kalewala unter den östlichen Finnen die am allerwenigsten von Scandinaven etwas lernen konnten: die westlichen Finnen, nächste nach- barn der Scandinaven, taten sich in der diehtkunst nicht hervor; selbst unter den Ehsten waren die dem Deutschtum entfernteren östlichen poe- tisch begabter als die westlichen. Wollten wir aber auch der wahrschein- lichkeit entgegen annehmen, die finnische poesie sei durch scandinavischen anhauch erwacht und also von westen nach osten gezogen: so würden wir damit das dasein des anfangsreims bei den Wosulen noch nicht er- klären können, deren verkehr mit den Finnen des Kalewala wegen der zwischen beiden volksstämmen hausenden Sürjänen nur unbedeutend sein konnte. Viel mehr beweiskraft hat aber zweitens der umstand, dass so- wohl die Finnen als die Wogulen eine eigne mythologie erfunden haben; welches volk eine solche besitzt, das muss auch seine eigne poesie und eigne kunstform besitzen. Wenn ein volk sich glaubensmythen dichtete, sang es auch dieselben, und geschah dies, so goss es sie auch in eine bestimmte form. Diese drei dinge: glaubensmythe, lied und liederform, hängen wie ursache und wirkung Zusammen. .. 2... 2.2002. Yin nicht weniger beweisender umstand ist, dass parweiser ausdruck der gedanken [parallelismus membrorum] bei den Scandinaven nicht gefun- den wird: es hat aber gerade dieser und der anfangsreim bei den Fin- nen wie bei den Wogulen den gröszten Einfluss auf die entwicklung der sprache gehabt. Der wiederholte ausdruck eines und desselben gedan- Altajische studien. 43 kens veranlasste das aufsuchen ähnlichdeutiger wörter und ire vermeh- rung; der anfangsreim pflegte die nach naturlauten gebildeten wörter und bewahrte die zweierlei formen emes und desselben wortes. Aus natur- lauten gebildete wörter hat das Finnische, zweierlei formen der wörter das Wogulische am meisten herausgebildet. Wer Kalewala lieset, der wird meine behauptung sofort gutheissen (der beweis durch beispiele würde hier zu weit führen); hinsichtlich des Wogulischen aber können schon folgende zwei zeilen als belag dienen: Urn telem wr-loptä kalil joamnem kalt. Wuarn telem wuor-pori kalıl joamnem kalt. (auf dem berge gewachsen berg-blatt bis zu seinem sterben (abwelken) mein schreiten inmitten, im walde gewachsen wald-spinat bis zu seinem sterben mein schreiten inmitten) während ich einherschreite auf... . bis zu u. s. w.' “Wald oder berg ist wogulisch [vgl. oben] wuar, wuor und ur; diese drei wortformen sind nur ein wort, und in der lebenden volks- sprache gebraucht man entweder die ersteren beiden oder ur allein, jenes in der nördlichen, dieses in der südlichen mundart. Das lied aber wel- ches den zwiefachen ausdruck des gedankens und den anfangsreim, als seine eigentümliche gestalt, liebet, bedient sich aller formen dieses wortes für berg und wald, denn so erreicht es am leichtesten was es erstrebt. Ausser den zwei formen eines wortes gebraucht der wogulische verskünst- ler auch [wie so häufig der finnische] wörter von nur ähnlicher be- deutung, um den zwiefachen ausdruck herzustellen, z. b. Kerem kansep käsing jol-unlil&m, Juontom kansep käsing jol-unlil&m auf gestricktem buntem sitze sasz er, auf genähtem buntem sitze sasz er’. Herr Hunfalvy zeigt nun an sprüchwörtern und alten volksliedern der Magyaren, dass auch bei ihnen die allitteration und der parallelismus membrorum beliebt gewesen. Im zweiten bande seines erst kürzlich erschienenen sehr umfassen- den und reichhaltigen werkes über die Ostseeländer (Utazäs a Balt- tenger videkein) kommt derselbe forscher (I, s. 228 4f.) wieder auf dieses thema. Sagen und lieder der Wogulen hat man nur Reguly’s erfolg- v° 44 SCHOTT: reichen nachforschungen zu verdanken. Es scheint dass der junge ma- gyarische reisende gerade im letzten augenblick, als noch kenner von sagen und liedern vorhanden waren, dieses völkchen besuchte, denn herr Ahlqvist, der nur zehn jahre später dorthin kam, fand weder sagen noch lieder mehr vor. So schnell geht eines hinschwindenden volkes geistiger besitz, war er gleich der schätzenswerteste, in vergessenheit über! Dass die alliteration auch den arabisch-persischem einflusse teils weniger geistig erlegnen, teils von demselben ganz unberührt gebliebenen Türkenstämmen gar nicht fremd, kann man aus meinem artikel "über eine sammlung tatar-türkischer lieder’ in den monatsberichten unserer academie (1868, s. 492 ff.) ersehen und noch überzeugender aus einer kleinen abhandlung W. Radloff’s “über die formen der gebundenen rede bei den altaischen Tataren’. Beispiel: Kumdan kylchan korchonun cup eynkurcak kylamin, karkanalu bu kysyn karmap oldjo kylamin. Die aus sand gebaute feste will ich ganz unterhölen, das mädchen mit der fasanenfeder ergreifend gefangen nehmen. Diesen vier verszeilen gehen zwei andere vorher welche mit den zwei ersten einen wahren gedankenreim oder parallelismus bilden, sie lauten nemlich: Tastan szokkon korchonun takyr kylyp alchamyn. Die aus stein gemachte feste will ich glatt machend [rasirend] einnehmen. — Dem steine steht also der sand, dem rasiren oder der erde gleich machen das unterhölen gegenüber. Nachträglicher zusatz zu abuska (s. 297—298 des vierten heftes). oO In dem für uns ältesten uigur-türkischen sprachdenkmal Kudatku- bilik finden wir abucka und abuckalk, ersteres für greis, letzteres für alter im sinne von vieillesse und antiquite, z. b. kitäb abucka- Iyshyn ajor er bespricht das alter des buches. Altajische studien. 45 Zu s. 24 gegenwärtiger abhandlung. Der osttürkische name des wolfes (auch bei den Kotten böru) lautet einem türkisch-mongolischen worte für grau (boro, bürul) wohl nicht zufällig sehr ähnlich. Einen grund mehr für diese annahme liefert mir das ehstnische halj welches grau von farbe und bald mit dem zusatz kuub rock (also graurock), bald ganz ohne zusatz (also der graue) den wolf bedeutet. In russi- schen sagen ist emmili (blaugrau) stehendes epithet des wolfes, und das- selbe epithet (türkisch kö%) hat dieses raubtier z. b. bei den Sagajern vom geschlechte Kyrgys!). Der begriff “grau” mag dann wieder in einer tatarıschen verbal- wurzel bur, bür, bor welche bedecken, verhüllen und (in dessen folge) trüben bedeutet, seine quelle haben, denn es ist die farbe der wolken- decke wenn sie uns den blauen aether verbirgt. Türkisch und mongo- lisch ist buru, büri bedecken, verhüllen, trüben (im eigentlichen und über- tragenen sinne), magyarısch bor-ul dasselbe, bor-ong dasselbe rückwir- kend. Ferner ist mongolisch bürürl dämmerung, bürü-nggür verdunklung, verfinsterung, bür-ük dunkel, verdunkelt; magyarısch bort trübes, um- wölktes wetter; bur-ok hülle.e In dem letzten beispiel haben wir v als stammvocal, ebenso in denominativen dieses wortes wie burk-ol in ein bündel wickeln. Zu burok hülle gesellen sich: das türkische bürk, börk oder börek mütze, filzmantel (vgl. unser kappe in tarnkappe), pastete (vgl. das volkstümliche "türkischer bund’ für napfkuchen), mongolische bürgü som- mermütze, mandschuische murgrje-ken sommermützchen für burgye und mit angehängtem diminutive?). Nun giebt es aber auch ein mongolisches verbalthema bürgü, bürge, das mit dem worte für sommermütze zusammenfällt, aber ja nicht von demselben abzuleiten ist. In diesem erkenne ich eine verstärkung der wurzel d-r durch zugegebenen kehllaut wie sie im tatarischen gebiete 1) Sihe Radlow’s Proben der volkslitteratur der türkischen stämme Sibiriens, T. II, s. 391 des textes und 393 der übersetzung. 2) Das burka der Kosaken (filzmantel) ist erborgt und durch weibliche endung slawisirt. 46 Scuornt: Altajısche studien. öfter sich findet®). Von derselben sind also unmittelbar abzuleiten: bürgü-k, bürge-k finster, bürge-szün deckel, decke, bürgü-gel, bürgü-gül, bürg-ül deckel u. s. w. Zwei anhänge die nennwörter bilden, können nur dann auf einander folgen, wenn der zweite verkleinernd ist wie in mur- sijeken (s. oben). !) Vgl. z. b. korg, kerg neben kor, ker, forg neben for, perg neben pör unter den im dritten hefte dieser studien aufgezählten kernwörtern des drehens, kreisens, wirbelns, Nachträgliche Bemerkungen zu der Abhandlung über die Abfassungszeit des Herodotischen Geschichtswerkes. v4 Von HIIRKIRCHHUPE!: [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 21. December 1871.) 4 F ortgesetzte Beschäftigung mit dem fesselnden Problem, welches ich in der seiner Zeit der Akademie vorgelegten Abhandlung über die Ent- stehungszeit des Herodotischen Geschichtswerkes behandelt habe, hat mich auf einige Stellen aufmerksam werden lassen, welche ich damals noch nicht in Rechnung gestellt hatte, weil ıhre Bedeutung mir noch nicht klar geworden war. Wenn ich mir jetzt erlaube als Nachtrag zu jener Abhandlung eine ausführliche Besprechung dieser Stellen mitzu- theilen, so geschieht dies allerdings hauptsächlich deswegen, weil ich glaube, dafs durch sie meine früheren Aufstellungen in einigen Punkten bestätigt und näher bestimmt werden. Aber auch wenn ich mich hierin aus begreiflicher Voreingenommenheit täuschen sollte, meine ich doch, dafs auch dann eine solche Besprechung nicht ganz ohne Berechtigung sein würde, da die betreffenden Stellen auch abgesehen von ihrer von ir vielleicht überschätzten Bedeutung für die Lösung des oben bezeich- neten Problems ein selbständiges Interesse für sich in Anspruch nehmen dürfen. 'B 1, 34 ff. lesen wir die Geschichte von dem Unglück, welches König Krösus mit seinem Sohne Atys hatte. Ein böser Traum hat dem Kö- nige den Verlust des Sohnes durch eine Eisenspitze vorher verkündet und ihn veranlafst aufserordentliche Vorsichtsmafsregeln zu treffen. Da erscheint der wegen Todtschlages landflüchtig gewordene Phryger Adrastos am Iydischen Hofe, wird auf sein Bitten von Krösus durch herkömm- liche Sühngebräuche gereinigt und in seinem Palaste gastlich beherbergt. 48 Kırennorr: Nachträgliche Bemerkungen zu der Abhandlung Gleichzeitig werden die Felder der Myser von einem Wildschwein heim- gesucht, dessen sie sich nicht zu erwehren vermögen. Sie wenden sich daher an Krösus um Hülfe und bitten, dafs er ihnen seinen Sohn an der Spitze einer erlesenen Iydıschen Jägerschaar senden möge. Krösus verweigert anfänglich den Sohn, lälst ihn aber endlich auf seine eigenen Bitten ziehen, nachdem er ıhm den Adrastos zum Begleiter gegeben und diesen verpflichtet hat, über seines Sohnes Sicherheit zu wachen. Auf der Jagd im Olymp hat aber Adrastos das Unglück aus Versehen mit seinem Jagdspeer den seiner Hut anvertrauten Königssohn auf den Tod zu verwunden. Sofort eilt ein Bote nach Sardes, um Krösus die Trauer- botschaft zu überbringen, welcher sich untröstlich zeigt. Die Art, in der er seinem Kummer Ausdruck leiht, schildert nun Herodot im Verlauf von Kap. 44 ausführlich folgendermalsen: 6 de Koeisos 0 Savary Too Taıdcs GUVreTagayEVvoS aAAcv Tı EdewoAoyeiro orı Mw Mmextewve Tov auros bovov Exa- Ingev. mepmuerreuv ÖE 7 ouabopn dewas Erarcı mv Ai naSagoıov, Magrugc- - e x WEVOS TE UMo ToU Eesivou Tem IWs EN, Euahcı ÖE Emiotiev TE zul Eraupyiov, ev aurev rourov olvenaluv Geov, Tov ev Emiariov xaltwv, dor ON cixicınıw ÜmedeLd- mevos rov Zeivov bovea ToU maldos &ravSave Borrwv, rev de Eraupmıov, us buAazı suumsulas aurev eugyncı moAsuWrarov. Wenn Herodot sich hier herbeiläfst, seinen Lesern ausdrücklich und mit verhältnifsmäfsiger Ausführlichkeit zu erklären, weshalb Krösus in senem Kummer den Zeus nicht nur als nayuprıcs, sondern auch als Erisriss und Ereignis angerufen habe, so liegt nach meinem Gefühle in diesem Umstande der sichere Beweis dafür, dafs dieser Zug seiner Erzäh- lung nicht von ihm erfunden ist. Nun gehört aber das Motiv seiner ganzen Natur nach zweifellos nicht zu den wesentlichen Bestandtheilen der Ueber- lieferung selbst, sondern deutlich zu den Elementen einer individuellen, stark rhetorisirenden Darstellung des Ueberlieferten, welche erst von einem diese Darstellung als Quelle benutzenden Dritten als zum Wesen der Sache gehörig betrachtet werden konnte, wenn auch nicht nothwendig mulste: es hing das eben von der Beschaffenheit seiner Einsicht und seines Ur- theils ab. Es folgt hieraus meines Erachtens mit Nothwendigkeit, dafs Herodot für die vorliegende Partie semes Werkes eine Quelle benutzte, welche die Thatsachen in einer individuellen und fest ausgeprägten äufsern Form überlieferte; oder, mit andern Worten, diese Quelle war über die Abfassungszeit des Herodotischen Geschrchtswerkes. 49 eine schriftliche, das Geschichtswerk eines älteren Vorgängers oder Zeitgenossen. Denn dafs der Verfasser, dessen Erzählung sich Herodot anschlofs, ein Landsmann war, dafür bürgt der Umstand, dafs dessen Dar- stellung sich augenscheinlich ganz innerhalb des Kreises nationalhellenischer Anschauungen hielt. Sehen wir uns weiter in der Litteratur der damaligen Zeit nach eimem geschichtlichen Werk um, welches Herodot den Stoff für eine Dar- stellung der Geschichte des Iydischen Reiches liefern konnte, so hat keins mehr Anspruch darauf für seine Quelle angesehen zu werden, als die Avdieza des Xanthos. Wir vermögen eine solche Vermuthung zwar nicht zu prüfen und zu erhärten durch dasjenige, was in den Berichten der Späteren über Iydische Dinge, namentlich bei Nikolaos von Damaskos, scheinbar auf Xanthos zurückgeht; denn diese spätere Zeit benutzte ohne Zweifel nicht das ächte Werk, sondern das Fabrikat des Dionysios Skyto- brachion, dessen Verhältnifs zu jenem wir im Einzelnen festzustellen nicht im Stande sind; allein ein Mann, dem das ächte Werk des Xanthos zu benutzen noch vergönnt war, nämlich Ephoros. versichert, und wir haben keinen Grund seinem Urtheil zu mifstrauen, dafs Herodot den Xanthos als Quelle benutzt habe; vgl. Athenaeos 12, 515 — we irreget ZavScs 6 Audes 9 6 eis aürov Tus dvamsgousvas iTrogias Fuyyeygadus, Auvuriss 6 Ixurs- Roaywv, ws "Agrepuv dnsw 6 Karavögeus — dyvomı or "Eoepec © Fuyypa- beUs mynWoveucsı aürcl, ws mahuoTEgoU eures zu “Hocderw Tas dbepnas dsdwxcros, ein Urtheil, welches sich doch nur auf die Berührungspunkte gründen konnte, welche die Darstellung der Iydischen weschichte bei beiden, wenn nicht durchgängig, doch partienweise, aufmerksamer Beob- achtung und Vergleichung darbot. Benutzte also Herodot für die obige Stelle eine schriftliche Quelle, wie wir anzunehmen gezwungen sind, so irren mir auch sicher nicht, wenn wir als diese die Iydische Geschichte des Xanthos betrachten. Nun steht über die Abfassungszeit der letzteren so viel fest, dafs sie jedenfalls nach dem Regierungsantritt des Artaxerxes Ol. 78, 4 ge- schrieben ist. Denn dies ergiebt sich aus einer Notiz bei Strabo, welche aus Eratosthenes stammt und folglich aus dem ächten Werke geschöpft sein mufs, 1, 49: ratra ö° eizwv (nämlich Eratosthenes) ryv Irgarwrcs erawei deEuv Feb dusıncv zul erı ZavScu ToV Audev, rev uw Zavdev Acyovres Eml "Apra- Philos.-histor. Kl. 1871. (2 Abth.) 7 50 Kıronnorr: Nachträgliche Bemerkungen zu der Abhandlung EsaEeu yererdaı ueyavr auyuer, WET Endumeiv merauoüs zul Aıvas za dgsara u.s. w. Leider ist nieht auszumachen, wie lange nach jenem Zeitpunkte das Werk erschienen ist und benutzt werden konnte; man sieht nur, dafs es nicht gerade in den allerersten Regierungsjahren des Artaxerxes ge- schrieben sein kann. Indessen ergiebt sich für die Beantwortung der Frage, wann Herodot die Ausarbeitung seines Geschichtswerkes begonnen habe, doch wenigstens so viel, dafs, wenn er wirklich für den ersten sehr wesentlichen Theil seines ersten Buches die Iydische Geschichte des Xan- thos in der einen oder andern Weise zu Rathe gezogen und benutzt hat, der Beginn der Arbeit unter allen Umständen erst geraume Zeit nach dem Jahr 465 angesetzt werden kann. Dies Ergebnils läfst allerdings noch einen ziemlich weiten Spiel- raum; aber eine andere Stelle desselben ersten Buches scheint ihn mir wesentlich zu beschränken und eine annähernd genaue Bestimmung mög- lich zu machen, vorausgesetzt, dals man zugiebt, das Werk müsse vor Anfang 443 besonnen und bis zu einem gewissen Punkte gefördert ge- wesen sein. I. 1, 51 handelt Herodot von den Weihgeschenken, welche Krösus nach Delphi gestiftet hatte, und berichtet dabei unter Anderem Folgendes: za megipgavTydL« Öle aveSnze, KaUTEcV TE nal doyugesv, Tav Tu WouTen Emiye- Yoamraı Aaxedupoviav pausvuv eivaı dvasıuna, euz ögSws Asyovrec- EOTı Yap nal route Kooiseu, Emeygarbe ÖE ray rıs Asipav Aaneduunovias: BevAcusves Yapı- > Q ER r \ v > 3 ’ \ SAN, ie \ n x» = n len Fe, TOU EMIOTRUEVOS TO oUvoH« cur Eminvnoonat. AAN 6 MEv Tas, Öl CU Tis ’ \ er \ N N D > > ’ ‚ EV) yeiocs dee TO Vowp, Aazedwmoriwv EITTI, OU MEVTOL TÜV YE MELIKHEVTAILWV cüdE- N > > >>> > regov. Alle Ausleger dieser Stelle sind darin einig in der überlieferten Fassung derselben den Sinn zu finden, es habe ein ungenannter Delpher den Weihkessel des Krösus durch eine Aufschrift als ein Weihgeschenk der Lakedämonier bezeichnet, weil letztere die irrthümliche Behauptung aufgestellt hätten, das Stück sei von ihnen gestiftet worden: nur dals einige naiv genug sind, diesen Sinn aus den überlieferten Worten ohne Weiteres und unmittelbar herauszulesen, während andere zu diesem Zwecke eine Aenderung für nöthig halten. In der That haben die Worte Agze- dauoviwv — Asyovrss in der überlieferten Fassung weder diesen noch über- haupt einen Sinn; um den oben angedeuteten herauszubringen, mülste über die Abfassungszeit des Herodotischen Geschichtswerkes. öl man sich Aazedauneviwv gewissermalsen zweimal denken und ein Anakoluth, wie danevuv — Atyovres sich gefallen lassen. Das erstere ginge noch an, das letztere wird kein Verständiger sich durch die beigebrachten, ganz unzutreffenden Analogien als in der stilistischen Gewohnheit dieses oder irgend eines Prosaikers irgend einer Zeit begründet aufbinden lassen. Und gesetzt, man liefse sich auch das gefallen, so würde dadurch nichts weiter gewonnen werden, als die grammatische Möglichkeit Herodot den lächer- lichen Unsinn unterzuschieben, die Lakedämonier hätten irrthümlicher Weise behauptet, der Weihkessel sei ein Weihgeschenk, was einer Ver- sicherung nicht bedurfte und Niemandem Veranlassung sein konnte, das Stück als ein Weihgeschenk der Lakedämonier zu bezeichnen. Andere Ausleger, welche griechisch verstanden, haben eingesehen, dafs, da die überlieferten Worte den Sinn, den man in ihnen finden wollte, so wenig wie überhaupt einen Sinn haben können, die Annahme einer Textver- derbnils unvermeidlich sei, und vorgeschlagen, eine Pronominalform, wie spwv, einzuschalten. Indessen, ganz abgesehen davon, dafs damit keines- wegs alle Schwierigkeiten beseitigt werden, fragt es sich doch sehr, ob die verdorbene Fassung des Textes wirklich irgend eine Nöthigung oder auch nur Veranlassung enthalte zu der Annahme, Herodot habe gerade das und nichts anderes sagen wollen, als was man ihn durch jene Einschal- tung in ziemlich ungeschiekter Weise sagen läfst. Meinerseits läugne ich nicht nur dies auf das Bestimmteste, sondern behaupte geradezu, dafs Herodot so etwas ganz gewils nicht habe sagen wollen und auch nicht sagen können, weil ich es für ganz unglaublich halte, dafs es den Lake- dämoniern jemals eingefallen sein könnte Ansprüche auf ein Weihgeschenk zu erheben, dessen wahre Herkunft so notorisch war, wie die des frag- lichen Weihkessels. Was dagegen Herodot sagen konnte und meiner Ueber- zeugung nach auch wirklich gesagt hat, ist einfach nichts anderes, als ein Delpher habe seiner Zeit aus Liebedienerei gegen die Lakedämonier den Weihkessel des Krösus mit der Aufschrift "Aezedamcviwv’ versehen, in Folge wovon das Stück allgemein, aber irrthümlich, als ein Weihgeschenk der Lakedämonier betrachtet werde, was es doch nicht sei. Ich bin hier- von so fest überzeugt, dafs ich im Folgenden unbedenklich von der Vor- aussetzung ausgehen werde, der Sinn des verdorbenen Passus sei dieser und kein anderer gewesen, man möge über die ursprüngliche Fassung im 7* 52 Kırcunorr: Nachträgliche Bemerkungen zu der Abhandlung Uebrigen denken wie man wolle.!) Uebrigens ist die Sache für das, worauf ich es eigentlich abgesehen habe, von keiner wesentlichen Bedeu- tung und ich bin auf diesen Punkt nur eingegangen, weil bei der fol- genden Betrachtung die Stelle sich nicht wohl ganz umgehen liels und eine wenn auch kurze Rechtfertigung der Auffassung, welche ich für die richtige halte, darum unerläfslich schien. Nach dieser Vorbemerkung kann ich zur Sache selbst kommen. Was Herodot hier berichtet, beruht augenscheinlich einerseits auf dem, was er bei seiner Anwesenheit in Delphi mit eigenen Augen gesehen hatte, andererseits auf Mittheilungen, welche anknüpfend an das Gesehene die- jenige Person ihm gemacht hatte, deren er sich als Führer und Erklärer der Merkwürdigkeiten Delphis bediente. Was er gesehen hatte, war unter Anderm die vermuthlich am Eingange des Tempels aufgestellte, wahr- scheinlich aus Gold getriebene Figur eines Knaben, zu deren Fülsen ein goldener Weihkessel stand: das Wasser der Röhrenleitung, welche das Ge- fäls zu speisen bestimmt war, flofs durch die Hand’ der Figur, d. h., wie ich mir die Sache vorstelle, lief aus einem Giefser, den die Figur in der erhobenen rechten Hand hielt, in das darunter stehende Becken. Bei der engen Beziehung, in welcher die beiden’ Bestandtheile der Gruppe thatsächlich zu einander standen, mufste die Aufschrift, welche auf dem Weihkessel zu lesen war und Aazedamsviwv gelautet zu haben scheint, bei dem Beschauer die Vorstellung erregen, das Arrangement sei ein ursprüng- liches und die ganze Gruppe in ihren beiden Theilen ein Weihgeschenk der Lakedämonier. Was dagegen Herodot’s Cicerone ihm vermuthlich An- gesichts des Denkmals mitgetheilt, war, dafs die damalige Verbindung der beiden Theile keine ursprüngliche sei: die Figur des Knaben sei aller- dings von den Lakedämoniern gestiftet, der Weihkessel aber sei ein Ge- schenk des Krösus und die Aufschrift, welche ıhn und das Ganze als lakedämonische Stiftung bezeichne, sei jüngeren Ursprungs und rühre von einem Einwohner von Delphi her, der sich den Lakedämoniern habe ge- 1) Auf die Gefahr hin eine falsche Conjeetur zu machen und nur um zu zeigen, dafs der allein vernünftige Sinn ohne stark eingreifende Aenderungen unschwer herzu- stellen ist, schlage ich beispielshalber folgende Besserung vor: zav ro Ygurzw Erıyeygarrın “Aazsdrmoviwmv. Aazsdwımovinv dbasıv Dv aiwven war, 002 0eTuls reyovrec. Was den 08) . . .. N 5 . . Buchstaben nach näher zu liegen scheinen könnte, darsev wv, kommt mir bedenklich vor. fo) ’ e) über die Abfassungszeit des Herodotischen Geschichtswerkes. 53 fällig erweisen wollen. Auch den Namen dieser Person hatte Herodot sein Gewährsmann genannt; der Geschichtschreiber aber hielt sich ver- pflichtet diesen Namen zu verschweigen.!) Eine ähnliche Diseretion beob- achtet er auch sonst Lebenden gegenüber überall da, wo die Nennung des Namens nach seinem Urtheil ihnen in irgend einer Weise nachtheilig sein konnte und Schonung geboten erschien: die Gründe, welche ihn in den einzelnen Fällen bestimmten, sind nicht immer klar, lassen sich aber errathen. Den Reichthum einer Samischen Familie, mit deren Verhält- nissen er ohne Zweifel während seines Aufenthaltes auf der Insel bekannt geworden war, führte das umlaufende Gerede auf die Schätze eines Gliedes des persischen Königshauses zurück, mit denen unter der Regierung des Xerxes, also jedenfalls bei Lebzeiten Herodots und nicht lange vor seiner Auswanderung nach Samos, ein Eunuch des Hingerichteten sich nach der Insel geflüchtet hatte. Herodot erwähnt dieser Vorgänge 4, 43 mit folgenden Worten: roureu d& red Naranmeos elvouyos amedon Es Zauev, Emeire EmuSero TayıTTa Tov ÖETmorNV TETEAEUTNKETE, Ey,wv Aonuara neyara, ra Nduros ÄNE KATEOYE, ToV Emısrdusvos Fo cVvon@ Exwv ErıAysoua. Man erräth leicht, dafs Herodot zu wissen glaubte, die Art, in der der Schatz in den Be- sitz des ungenannten Samiers gelangt war, sei keine legitime und ehren- hafte gewesen, dals er aber Anstand nahm durch Nennung des Namens den wahrscheinlich noch Lebenden oder dessen Erben öffentlich an den Pranger zu stellen. Aehnliche Gründe müssen auch in unserem Falle ihm eine vorsichtige Zurückhaltung auferlegt haben. Wir müssen anneh- men, dafs zu der Zeit, als Herodot die Worte, von denen ich oben aus- gegangen bin, niederschrieb, die fragliche Person noch am Leben war, die Handlung, welche ihr zugeschrieben wird, einer nicht zu fernen Ver- sangenheit angehörte und der Berichterstatter Grund zu der Besorgnifs zu haben glaubte, die Nennung des Namens werde sie in irgend einer ihrem Wohle nachtheiligen Weise compromittiren. Jene That aber des Un- senannten ist nicht von der Art, dafs sie einen Schatten auf seinen Cha- 1) In späteren Zeiten war man nicht so diseret und erschrecklich neugierig. Gläu- bige Seelen können noch heutigen Tages von dieser Neugierde profitiren und von Ptole- mäus Chennus (bei Photius 190 p. 150. B) sich belehren lassen, dafs der Name des Mannes Aethos war. 54 Kırcunorr: Nachträgliche Bemerkungen zu der Abhandlung yacter als Privatmann werfen könnte oder dafs er sie überhaupt als Privat- mann hätte begehen können. Es ist ganz undenkbar, dals irgend jemand sich dergleichen auf eigene Hand ohne Wissen und Willen der Oberauf- siehtsbehörde des Tempels hätte erlauben können; hätte er es aus irgend einem Grunde dennoch gethan, so würde, da die Sache in Delphi ja no- torisch war, die Behörde die Tilgung der unbefuster Weise angebrachten Inschrift veranlafst und den Urheber zur Rechenschaft gezogen haben. Dies war nicht geschehen; denn Herodot las «die Inschrift bei seiner An- wesenheit und ihr Vorhandensein hatte sogar bereits irrige Vorstellungen von dem Sachverhalte hervorgerufen. Es ist darum nothwendig anzu- nehmen, dafs die Inschrift auf dem Weihwasserbecken auf Beschluls und ausdrückliche Anordnung der Behörde angebracht worden war, und wenn eine einzelne Person dafür verantwortlich gemacht wird, so kann dies seinen Grund nur darin haben, dafs sie als intelleetueller Urheber des offieiellen Beschlusses galt, was sich am einfachsten erklärt, wenn wir uns denken, dals sie ein besonders einflulsreiches Mitglied der Behörde war, welche die Mafsregel angeordnet hatte. Das Motiv war ein poli- tisches, Parteinahme für die Lakedämonier, und die That kann ihren Urheber überhaupt und auch in Herodot's Augen nur politisch com- promittirt haben. Um so gewisser ist es, dals der Geschichtschreiber durch Verschweigung des Namens einen Lebenden und nicht einen Todten schonen zu müssen glaubte. Wem gegenüber aber konnte der Ungenannte durch seine Handlungsweise sich compromittirt haben, wenn dies gegen- über seinen Landsleuten und den Lakedämoniern entschieden nicht der Fall war? Ich denke, man hat alle Veranlassung an die Athener zu den- ken. Dem athenischen Publieum wurde der Ungenannte durch Herodot’s Buch, wenn sein Name darin genannt wurde, ja zu allernächst denuncirt. Das Vorstehende betrachte ich als dasjenige, was sich über die Sache mit Sicherheit oder höchster Wahrscheinlichkeit ermitteln lälst; das Folgende, welches freilich die Stelle für meine Zwecke erst ver- wendbar macht, gebe ich als blofse Vermuthung, die ich indessen für zutreffend halte. Es ist bekannt, dafs seit alten Zeiten die Vorstandschaft und die Verwaltung des Delphischen Heilisthums den beständigen Zankapfel zwi- schen der Stadtgemeinde von Delphi und der phokischen Landschaft bil- über die Abfassungszeit des Herodotischen Geschichtswerkes. 55 deten und dafs die Athener auf Seiten der Landschaft standen. Unmittel- bar vor dem Jahre 448 befand sich die letztere im factischen Besitze des streitigen Objeetes; in diesem Jahre aber intervenirten die Lakedämonier zu Gunsten der Stadt Delphi und setzten sie mit Waffensewalt in das von ihr beanspruchte Recht ein. Kurze Zeit indessen nach Abzug ihres Executionsheeres schritten die Athener zu Gunsten der Landschaft ein und restituirten dieselbe ebenfalls mit Waffensewalt. Der Bericht des Thukydides über diesen sogenannten heiligen Krieg lautet 1, 112: Aaze- damevısı ÖE Wera TaDTa ToV iegov KaAcuUMmeEvov MOAENEY Enroareugav, zul nDaTATavTes red Ev Aerpels iepeu maptderav Acıpols‘ zul abdıs Unregev ’ASyvalı dreywen- Favruv aurov GTORTEUTUVTES zul nOaTNTavTes magedorav Puxeisw. Plutarch (Leben des Perikles 21) fügt aus einer andern Quelle einige Details hinzu, welche zu characteristisch sind, um sie hier zu übergehen: ewei yao ci Auredaıcvısı orgareusavres eis AeAbous bumeuv Ey,avruv To iepev AeAdols dmedw- zav, EUSUS Erewwv dramdayerruv 6 TlegızAds EmITTgareugas mar Eiloyyaye TÜs Bwaeus. ul Tüv Aaredammoviwv A Edwzuv aurois AcAbol FooMavreiav Eis TO METWroV Eyroialbavruv Tod yamnov Auzov, Aalwv zul auros mg0- Mavreiav rois '"AIyvaloıs eis Tov aurov Auzov nara ryv dekıdv mAcugav evey,agafev. Der weitere Verlauf der Angelegenheit in den unmittelbar folgenden Jahren ist uns nicht bekannt; es ist indessen möglich, ja wahr- scheinlich, dafs nach der Niederlage der Athener bei Koronea 447 und in Folge des Einfalles der Peloponnesier, welcher zu dem dreifsigjährigen Frieden von 446/45 führte, zu einer Zeit also, in der der athenische Ein- flufs in Mittelgriechenland einen Stofs erlitten hatte, ein Umschlag zu Gun- sten der antiattisch gesinnten Stadtgemeinde von Delphi eintrat. ‚Jeden- falls brachte der Friede von 421 ihr feierliche und ausdrückliche Be- stätisung ihres Rechtes (Thukydides 5, 18), welches in der Zwischenzeit schwerlich eine factische Beeinträchtigung erfahren haben dürfte. Es unter- liest nun wohl keinem Zweifel, dafs Vorgänge, wie die, welche Herodot berichtet, wenn die oben gegebene Deutung richtig ist, und wenn wir namentlich das Motiv berücksichtigen, welches er so nachdrücklich her- vorhebt, nur in eine Zeit gesetzt werden können, in der sich die Stadt- semeinde von Delphi im Besitze der Prostasie des Tempels befand und Veranlassung hatte, ihrer Dankbarkeit gegen die Lakedämonier einen de- monstrativen Ausdruck zu geben. Dies führt meines Erachtens mit Noth- 56 Kırennorr: Nachträgliche Bemerkungen zu der Abhandlung wendigkeit darauf, dafs das Ereignils, auf welches Herodot sich bezieht, frühestens während der kurzen Zeit Statt gefunden haben kann, welche im Jahre 448 zwischen dem Einmarsch der Lakedämonier und dem der Athener in Delphi verstrich. Es nicht in eine viel spätere Zeit zu setzen, was an sich nach dem Öbigen sehr wohl möglich wäre, hindert aller- dings nur meine Vorstellung von der Abfassungszeit des ersten Theiles von Herodot’s Geschichtswerk, also zunächst nur mich selbst und wer sonst etwa meine Ansicht theilen sollte. Veranlassung gab wahrscheinlich die sleichzeitig erfolgende Stiftung der Knabenfigur durch die Lakedämonier, welche von vornherein auf eine Verbindung mit dem älteren Stücke und die Vervollständigung des ganzen Arrangements scheint berechnet gewesen zu sein. Der Urheber des Beschlusses aber schien Herodot durch sein Verhalten unter den damaligen Umständen Athen gegenüber in dem Grade compromittirt, dals er es vorzog seinen Namen auf alle Fälle nicht zu nennen, und das um so mehr, als er die ausgearbeiteten Theile seines Geschichtswerkes zuerst, wie ich annehme, einem athenischen Publikum mitzutheilen von vornherein beabsichtigte und auch wirklich mittheilte. Ist aber die Vermuthung, welche ich mir auszusprechen erlaubt habe, richtig, so folgt, dals Herodot nicht vor dem Winter von 448 zu 447 Delphi besucht haben kann und dafs der Beginn der Ausarbeitung des ersten Buches, für welches nicht nur an unserer Stelle die Beobachtungen, welche bei Gelegenheit dieses Besuches in Delphi gemacht, und die Erkundigun- gen, welche dort eingezogen worden waren, verwerthet worden sind, un- möglich vor dem Sommer 447 angesetzt werden kann. Wenn ich also in der früheren Arbeit die Ausarbeitung der drei ersten Bücher in die Zeit von etwa 445 bis Anfang 443 gesetzt habe, so findet diese Annahme durch das Ergebnils der bisher angestellten Er- wägungen wenigstens in so weit Bestätigung, als dieses Ergebnils mit jenem Ansatze sich nicht im Widerspruch befindet. Von auschlielslicher Bedeutung für die Frage nach der Chrono- logie der späteren Theile des Werkes ist dagegen, was ich mit Bezug auf eine dritte Stelle zu bemerken habe. r über die Abfassungszeit des Herodotischen Geschichtswerkes. 57 III. 6, 102 ff. werden die Ereignisse, welche auf die Eroberung von Eretria und die Landung der Perser bei Marathon folgten, die Schlacht selbst und was an sie sich unmittelbar anschlofs, erzählt. Bei Gelegen- heit der Angabe, dafs die persische Flotte nach dem Verluste der Schlacht und der Wiedereinschiffung der geschlagenen Truppen den Versuch machte, rasch Kap Sunion zu umfahren und Athen von der Seeseite anzugreifen, ehe das siegreiche Heer vom Schlachtfelde zur Vertheidigung herbeigeeilt wäre, bemerkt Herodot nebenher Kap. 115: arm d& Eryev &v ’ASyvarırıv E "AAnuewvideuv unyavis aurols Taura Emwonsivar Teurous yag FuvSenuevous ransı Hegaysw avadeFaı drmida Eovaw An Ev rroı vrucw. Das folgende Kapitel berichtet vom Scheitern des Anschlages. Weiter wird nach mündlichen Mittheilungen eine Anekdote aus der Schlacht selbst nachträglich beige- bracht und sodann über die Rückkehr der persischen Flotte nach Asien und das endliche Schicksal der gefangen mitgeführten Eretrier das Nö- thige mitgetheilt. Kap. 120 berichtet das verspätete Eintreffen der lake- dämonischen Hülfsvölker in Athen, ihren Besuch auf der Walstatt und ihre Heimkehr. An dieser Stelle wird der Zusammenhang der Erzählung durch eine Episode, welche die Kapp. 121—131 einschliefslich umfalst, unterbrochen, um erst mit dem 132. wieder aufgenommen und weiter- geführt zu werden. Diese Episode selbst zerfällt in zwei Theile, von denen der erste (121—124 einschl.) sich mit der Widerlegung jener üblen Nachrede be- schäftigt, welche nach der Angabe im 115. Kapitel das Geschlecht der 131) eine Uebersicht über die Alkmäoniden verfolgte, der zweite (125 Geschichte und die Schicksale dieses Hauses bis zur Geburt des Peri- kles liefert. Dafs Herodot seine kritischen Bedenken nicht an der Stelle, wo er durch den Gang der Erzählung dazu veranlafst jenes für die Alkmäo- niden nachtheiligen Gerüchts zuerst erwähnt, nämlich im 115. Kapitel, sondern in Form einer Episode später nachbringt, ist durchaus in seinen (ewohnheiten begründet: er liebt es durchaus, dergleichen nebensächliche Erörterungen immer erst dann anzustellen, wenn die Erzählung bis zu emem vorläufigen Abschlufs gebracht und ein Ruhepunkt gegeben ist, Philos.-histor. Kl. 1871. (2 Abth.) 8 58 Kırcnunorr: Nachträgliche Bemerkungen zu der Abhandlung welcher den Faden des Berichtes für einige Zeit fallen zu lassen ver- stattet, ohne dafs der Zusammenhang dadurch in merklicher Weise ge- stört wird. Auch dafs er die sich scheinbar ungezwungen und von selbst ergebende Gelegenheit ergreift, eine Zusammenstellung alles dessen anzu- schliefsen, was ihm vom Geschlechte der Alkmäoniden sonst bekannt ge- worden war, ist im Allgemeinen betrachtet weder an sich unangemessen noch im Widerspruche mit seinem Verfahren in andern ähnlichen Fällen. Allein gewisse Besonderheiten der Darstellung in beiden Theilen der Epi- sode sind von der Art, dafs sie sich nicht aus den gewöhnlichen und zu Tage liesenden Motiven, welche die Darstellungsmanier Herodot’s bedin- gen, erklären lassen und eine besondere Veranlassung in Umständen vor- auszusetzen nöthigen, welche zu jenen Motiven in keiner Beziehung stan- den, vielmehr neben ihnen sich selbständig wirksam erwiesen. Um zunächst das den ersten Theil angehende hervorzuheben, so betont Herodot, dafs die den Alkmäoniden nachgesagte verrätherische Hand- lungsweise indirect auf eine Begünstigung der Wiedereimsetzung des Hippias hinausgelaufen sein würde, welcher sich bekanntlich zur Zeit der Schlacht bei Marathon im persischen Lager befand, und somit in schreiendem Wider- spruche stehe zu der Haltung des Geschlechtes während der Pisistratiden- herrschaft und dem hervorragenden Autheil, den es am Sturze des Ty- rannen gehabt habe, wobei er sich auf seine Darstellung der betreffenden Ereignisse im fünften Buche beruft (ws or moCTEgoV dednAwraı). Dals er dabei ausdrücklich hervorhebt, das Verdienst der Alkmäoniden um die Be- freiung Athens vom Joche der Tyrannen überwiege bei weitem das der gefeierten Tyrannenmörder Harmodios und Aristogiton, ist an sich durch- aus begreiflich und lag ıhm eine solche Vergleichung um so näher, als er selbst 5, 55ff. bereits der That des Harmodios und Aristogiton ausführ- lich gedacht, sie als erfolglos bezeichnet und im Gegensatz dazu die er- folgreichen Bemühungen der verbannten Alkmäoniden hervorgehoben hatte. Ganz unerfindlich aber ist auf den ersten Blick, was ihn dazu veranlafst haben möge, in eben so ausdrücklicher Weise und gar in erster Linie zu behaupten, der Tyrannenhafs der Alkmäoniden sei gröfser oder wenigstens gleich dem gewesen, welchen Kallıas, des Phänippos Sohn und Vater des Hipponikos, bewiesen habe, indem er jedesmal, wenn Pisistratos aus Athen vertrieben worden sei, als Käufer der eingezogenen Güter des Ty- über die Abfassungszeit des Herodotischen Geschichtswerkes. 59 rannen aufgetreten sei, und zwar allein von allen Athenern, auch sich sonst in den gröfsten Gehässigkeiten gegen ihn ergangen habe; denn von diesem Kallias ist in der Darstellung des fünften Buches nirgends die Rede gewesen. Die Sache schien schon Plutarch so seltsam, dafs er sich berechtigt glaubte, sie durch die Unterstellung zu erklären, Herodot habe aus blofser Liebedienerei gegen das zu seiner Zeit lebende Haupt der Fa- milie des Kallias ohne sonst berechtigte Veranlassung das Lob des letz- teren hier einfliefsen lassen (egi rs “Hgederev zancınSIeias 27. S. 863). In- dessen ist diese Vermuthung entschieden unrichtig; sie beruht, wie aus Plutarchs Worten deutlich hervorgeht, im Wesentlichen auf der leichtfer- tigen Verwechselung des zu Herodot’s Zeiten lebenden Hipponikos mit dessen Vorfahren, dem Sohne des Kallias, von welchem der Geschicht- schreiber handelt. Möglich ist aufserdem, dafs für seine Auffassung der Inhalt des 122. Kapitels mafsgebend war, welches in seinem Exemplar von Herodot’s Geschichte sich vorfinden mochte. In diesem Fall ist er durch eine offenbare Interpolation irre geleitet worden; denn dieses Ka- pitel, welches in den besseren Handschriften fehlt und nur durch die seringeren bezeugt ist, rührt entschieden nicht von Herodot her, wie von den Neueren übereinstimmend anerkannt wird. Sehen wir von ihm ab, so macht der ächte Text durchaus nicht den Eindruck, als erwähne He- rodot hier des Kallias, um dem Hause desselben nebenher ein Compli- ment zu machen; vielmehr ist deutlich, dafs es die Absicht des Erzäh- lenden ist, denjenigen, welche das Lob des Kallias sangen und die Ver- dienste der Alkmäoniden herabzusetzen bemüht waren, eine gelegentliche Zurechtweisung zu ertheilen. Denn es ist offenbar reine Ironie, wenn be- hauptet wird, die Alkmäoniden, welche ihren muthigen und offenen Wider- stand gegen die Tyrannen mit langjähriger Verbannung zu büfsen gehabt, hätten Anspruch darauf, für wenigstens eben so grolse Tyrannenhasser zu gelten (seien u&Arcev A öusiws oder äuews 9 cudEv Errov Kırorugavver gewe- sen) als ein Mann, wie der reiche Kallias, welcher seinem Hasse allemal erst nach der Niederlage des Tyrannen, also gegen den gefallenen Gegner, einen leidenschaftlichen Ausdruck gegeben und dabei freilich riskirt habe, was kein anderer Athener gewagt, was aber eben auch nur ein reicher Mann unternehmen konnte, und was lediglich eine wenn auch gewagte, doch möglicherweise reichen Gewinn bringende Speculation war. Zu einer = 60 Kırcunorr: Nachträgliche bemerkungen zu der Abhandlung solchen Aeufserung mufs aber Herodot entschieden eine ganz besondere, aulserhalb der Erfordernisse seiner Erzählung liegende Veranlassung ge- habt haben und eine solche kann meiner Ansicht nach nur darin gefun- den werden, dafs gerade zu der Zeit, als diese Partie geschrieben wurde, das Geschlecht der Alkmäoniden herabzuwürdigen versucht wurde von sol- chen, welche zu diesem Zwecke oder aus sonst einem Grunde die Ver- dienste jenes Kallias und seines Hauses herauszustreichen bemüht waren. Eine Polemik gegen das politische Verhalten der Alkmäoniden kann aber damals allein hervorgerufen worden sein durch die Opposition gegen den berufensten Anverwandten des geschmähten Hauses, Perikles, den leiten- den Staatsmann von Athen in dieser Zeit, für dessen Sache also Herodot hier eintretend zu denken wäre in der Rolle eines Vertheidigers der ver- unglimpften Ehre seines Hauses. Genau in dieselben Spuren führt eine Erwägung dessen, was in dem zweiten Theile der Episode nicht anders als auffallen kann. Zwar wenn Herodot in diesem Abschnitte aus der Geschichte des Alkmäonidenhauses nichts weiter giebt, als eine Darstellung der Art und Weise, wie Alkmäon durch seine Verbindungen mit den Iydischen Königen sein Haus zu An- sehen und Reichthum gebracht, und sodann die besonders ausführlich gehaltene Erzählung, wie dessen Sohn Megakles um Agariste, die Tochter des sikyonischen Tyrannen Kleisthenes, geworben und sie glücklich heim- geführt, woran sich eine kurze genealogische Notiz über die Nachkommen der Beiden bis in Herodot’s Zeiten anschliefst, so ist freilich deutlich, dafs auf Anderes und nicht minder Bedeutendes, namentlich auf die ein- flufsreiche politische Thätigkeit der Mitglieder dieser Familie während und unmittelbar nach der Pisistratidenherrschaft nur um deswillen nicht näher eingegangen wird, weil Herodot von diesen Dingen bereits an verschie- denen Stellen des ersten und besonders des fünften Buches mit gebüh- render Hervorhebung der Bedeutung des Alkmäonidenhauses ausführlich und eingehend gehandelt hat; allein es ist durchaus unerfindlich, wie er von dem Standpunkte eines blos historischen Interesses hätte auf den Einfall kommen können, die bezeichneten Notizen an unserer Stelle nach- zubringen, statt sie im fünften Buche zu verwerthen, wo sich mehr als eine passende Gelegenheit dazu bot. So hätte im Besonderen die Erzäh- lung von der Werbung des Megakles um Agariste ihren Platz da erhalten über die Abfassungszeit des Herodotischen Geschichtswerkes. 61 können und müssen, wo von den Thaten ihres Sohnes Kleisthenes die Rede ist, 5, 66 ff., zumal da Herodot bereits an dieser Stelle des Grofs- vaters Kleisthenes von Sikyon gedenkt und ihm sogar eine besondere Episode (Kap. 67. 68) gewidmet hat. Es ist aus diesem Grunde durch- aus nothwendig, ein besonderes und zufälliges, weil mit dem Plane und der Anlage des Werkes in keinem nothwendigen Zusammenhange stehen- des Motiv auch für diesen zweiten Theil der Episode anzunehmen, wel- ches zu errathen übrigens nicht schwer fällt. Denn die Tendenz dieses Abschnittes, welche überall deutlich zu Tage tritt, ist ganz offenbar, die Bedeutung und Ansehnlichkeit des Hauses der Alkmäoniden aus den That- sachen der Vergangenheit hervortreten zu lassen, und zwar zu Nutz und Frommen der Gegenwart; denn nur zu diesem Zwecke wird die Genea- logie des Hauses bis in die unmittelbare Gegenwart herabgeführt. Jeden Zweifel an der bewulsten Absichtlichkeit der ganzen Episode hebt für den aufmerksamen Leser der bekannte Schlufs ihres genealogischen Aus- ganges, Kap. 131: yıyveras — "Ayagırra an ame ns KrsırSevecs "Ayagırras Ey,uca 70 oWwveua, 9 Guvemsasa ve ZawSirrw To "Apibgovos zaı Eyauos Ecvce eidev ol iv TO Umvw: Edeneı de Acovra Tereiv" nal Mer ediyas AuEgas TirTei Ilegırrca ZavSirzmw. In dieser Tendenz aber berühren sich beide Theile der Episode und auch nur in ihr findet ihre Verbindung eine begreifliche Erklärung und damit, abgesehen von dem Zufälligen der äufsern Veran- lassung, eine anzuerkennende Berechtigung. Ehe ich weiter gehe, möge es mir verstattet sein, über die Quelle, aus welcher Herodot den Stoff zu den Erzählungen im zweiten Theile der Episode geschöpft hat, eine Bemerkung einzuschalten, welche ich nicht unterdrücken mag, obwohl ihre Richtigkeit auch mir nicht zweifellos ist; möge ein Jeder sich darüber nach dem Mafse seiner eignen Einsicht ein Urtheil bilden. Es will mir nämlich scheinen, als trügen diese Erzäh- lungen mit ihren chronologischen Ungenauigkeiten und sonstigen Unwahr- scheinlichkeiten das deutlich erkennbare Gepräge einer im Schoofse der gefeierten Familie selber entstandenen und ausgebildeten Tradition, welche über die Kreise derselben hinaus schwerlich in dieser Gestalt und Aus- führlichkeit bekannt gewesen sein dürfte und deren Kenntnifs eine nähere persönliche Beziehung des Berichterstatters zu der Familie oder einzelnen ihrer Mitglieder vorauszusetzen nöthigt. Mit einer solchen Voraussetzung 62 Kırcnnorr: Nachträgliche Bemerkungen zu der Abhandlung steht auch nicht im Widerspruch die allerdings nicht zu bestreitende That- sache, dafs die besonders ausführlich gehaltene Erzählung von der Wer- bung des Megakles um Agariste nach Inhalt und Form so beschaffen ist, dafs es schwer hält, sie auf mündliche Ueberlieferung zurückzuführen und man sich zu der Annahme versucht fühlt, Herodot folge hier einer bereits fixirten und zwar dichterischen Darstellung des Herganges; in der That sınd einzelne Partien, wie z. B. das Verzeichnifs der Freier, in einem Stile gehalten, der lebhaft an die Darstellungsform des Epos oder der epischen Bestandtheile eines Pindarischen Chorliedes erinnert. Denn lag Herodot wirklich für diese Partie eine solche schriftliche Quelle vor, so hindert doch nichts anzunehmen, dafs er mit ihr auf demselben Wege bekannt wurde, auf dem er zu den übrigen Elementen einer lediglich mündlichen Familienüberlieferung gelangt war; denn eine dichterische Verherrlichung einer Thatsache aus der Geschichte eines edlen Geschlechtes konnte trotz allem nie von so allgemeiner Bedeutung sein, dafs wir sie uns anders entstanden denken könnten, als ım Interesse und auf Veranlassung der Familie selbst, oder anders überliefert, als im engern Kreise eben dieser Familie. Es sei darum erlaubt, hier daran zu erinnern, dafs Pindar wie für Megakles, des Kleisthenes Sohn, die siebente pythische Ode, so auf Hippokrates, den jüngeren Bruder des Kleisthenes und Sohn jenes älteren Megakles und der Agariste, auf welche beide sich die episodische Erzäh- lung bei Herodot bezieht, bei dessen Tode einen Threnos gedichtet hatte (Schol. zu Pind. Pyth. 7, 17), welcher, wie von der Familie bestellt oder doch für sie bestimmt, jedenfalls anfänglich sich ausschliefslich in ihrem Besitze befand und in ihr von Geschlecht zu Geschlecht überliefert wurde, wobei zu beachten, dafs Hippokrates der Vater der Agariste, der Mutter des Perikles, war. Ich finde es denkbar, dafs in diesem Liede zur Ver- herrlichung des Todten der Eltern desselben und der besonderen, den Stolz der Familie bildenden Umstände gedacht war, unter welchen deren Verbindung zu Stande gekommen sein sollte, und dafs bei dieser Gelegen- heit ım Wesentlichen dasselbe Thema dichterisch behandelt wurde, wel- ches Herodot’s prosaische Darstellung verarbeitet, finde auch nicht un- glaublich oder unmöglich, dafs Herodot auf dem angedeuteten Wege Kenntnils gerade von dieser Dichtung erhalten hatte. über die Abfassungszeit des Herodotischen Geschichtswerkes. 63 Wie es hiermit nun auch stehen möge, so viel wenigstens geht aus den hervorgehobenen Momenten, wie mir scheint, mit völliger Sicher- heit hervor, dafs die besprochene Episode in ihren beiden Theilen nimmer- mehr die uns vorliegende Fassung erhalten haben würde, wenn für den Verfasser keine andere Veranlassung zu ihrer Einschaltung vorgelegen hätte, als die durch den Gang der Geschichtserzählung herbeigeführte zufällige Erwähnung dessen, was mit Bezug auf die Schlacht bei Marathon und die dieser unmittelbar folgenden Ereignisse den Alkmäoniden Uebles nach- gesagt worden war; was uns vorliegt, ist im Gegentheil nur verständlich, wenn wir voraussetzen, dals ebenfalls zufällig gerade in der Zeit, in wel- cher Herodot die Ausarbeitung seines Werkes bis in diese Gegend geför- dert hatte, Nachtheiliges von den Alkmäoniden, wie die hier berichtete Geschichte und Anderes, geflissentlich verbreitet und von Vielen geglaubt wurde, oder, was ebenso viel ist, in welcher die Unzufriedenheit mit Pe- rikles und seiner Politik in Athen einen besonders hohen Grad erreicht hatte und die Erfindung solcher Erzählungen hervorrief oder deren Ver- breitung begünstigte. In der That lälst sich nachweisen, dafs eine solche Voraussetzung durchaus mit dem übereinstimmt, was uns von der politi- schen Stimmung in Athen aus damaliger Zeit berichtet wird. In meiner früheren Abhandlung glaube ich durch unverwerfliche Gründe den Nachweis geliefert zu haben, dafs die Partie des Herodoti- schen Werkes, welche von wenigstens 6, 91 bis über 7, 26 hinaus gegen 7, 150 reicht, nach dem Sommer 431 und vor dem Spätsommer 430 niedergeschrieben worden ist. Unsere Episode fällt in diese Partie und liegt nach ungefährem Ueberschlage näher dem Ende als dem Anfange desjenigen Abschnittes, welcher in dem angegebenen Zeitraum fertig ge- stellt wurde. Ihre Abfassung läfst sich daher mit annähernder Sicherheit in das Frühjahr oder den Sommer von 430 setzen. Von der Stimmung der athenischen Bürgerschaft gegen Perikles gerade in dieser Zeit ge- winnen wir aus Thukydides’ Berichten eine anschauliche Vorstellung (2, HIE). Im Frühling des Jahres 430 fielen die Peloponnesier zum zweiten Male in Attika ein und verheerten das platte Land in seiner ganzen Aus- dehnung durch volle 40 Tage hin. Gleichzeitig wüthete die Pest in der 64 Kıncunorr: Nachträgliche Bemerkungen zu der Abhandlung Stadt und auf der Flotte, mit welcher Perikles als Stratege die Küste von Argolis und Lakonien beunruhigte und mit der er kurz nach dem Rückzuge des peloponnesischen Heeres aus Attika nach Athen zurück- kehrte. Mera de yv Öeuregav erßeriv av Hercrevvyeiov, erzählt uns nun weiter Thukydides 2, 59, ci "ASyvaioı, ws 4 re YA auruv Ererunne ro deuregev zul N voros Emeneıto apa nal 6 moAemos, MAcıwyro Tas yvWuas, Aal rev ev Ile- gizAca Ev aimıe eigor us meisavra obas mereueiv zaı di Eneivov rais Eumbogais MEDIMERTWACTES, 006 de ToÜs Aazedummovieus woumvro Euyxwgeiv. ra moeoeıs rwas meunbavres Ws aureus amgarrcı Eyevovro. TAVTay,oIev TE N Yun amegaı naSeotüres Eveneıvro 72 Nepindei. Perikles versuchte zwar den Sturm zu beschwichtigen, allein es gelang ihm dies nur theilweise: (65) ersıgaro reus >ASyvalous TIS TE Em aüurov eoyns magandeıy zul aTo Tuv mapcvrwv dewav ara- ya Tv yuwpmv. cr de Önmonie ev Tois Aoyaıs dvemsiovro zal oUre mges ToUs Aursdamevisus Er: Emsumov Es TE Tov moreWuoVv MARAoV WopnvTo, die de Fois maSy- narıv EAumeivre, 6 MV Öfros orı dm’ Eiaraevuv Eowpevos En regyro za Teuruv, ci 2 Öuvarcı zaAa zTYUara zara Tiv Kuwgav circdeuius TE zul MOAUTEAET: KaTE- Tuevals ÜmoAwAEroTEs, TO dE MEyırrov, more dvr eionung EXEVTES. CD JEVrEL mooregov ye ci Eummavres Eraucavro &v eoyy Ey,ovres aurov Fow Elnniwaav KEn- masw. Üoregev d& auSıs u.8.w. Die Angaben über die Höhe der aufer- lesten Geldbufse schwankten bei den Autoren, welche Plutarch (Perikles 35) aufser Thukydides benutzen konnte, zwischen 15 und 50 Talenten; Diodor (12, 45) spricht gar von 80 Talenten, was auf einem Schreibfehler beruhen dürfte. Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich in dem Zusammen- treffen dieses Berichtes mit dem, was Herodot’s Darstellung vorauszu- setzen gewissermalsen nöthigt, den Beweis finde, dafs die besprochene Episode wirklich eben in dieser Zeit höchster Aufregung gegen Perikles, kurz vor oder nach seiner Verurtheilung, Juni oder Juli 430, von Hero- dot niedergeschrieben wurde. Denken wir ihn uns bei Abfassung dieser Partie unter dem Eindruck dieser erschütternden Ereignisse stehend und durch sie seine Gedanken und Gefühle in bestimmter Richtung beeinflulfst, so begreifen wir sofort dıe hervorgehobenen Eigenthümlichkeiten und die unverkennbar vorherrschende Tendenz der Episode: es fällt von diesen gleichzeitigen Ereignissen ein helles Licht auf das, was ohnedem dunkel in ihr erscheint, und die Andeutungen, welche sie enthält, ergänzen um- über die Abfassungszeit des Herodotischen Geschichtswerkes. 65 gekehrt im Detail die allgemein gehaltene Schilderung des Thukydides. Denn man wird es nicht nur glaublich, sondern natürlich, fast möchte ich sagen nothwendig finden, dafs in diesem Stadium feindseligster Erbit- terung die alten und fast verjährten Beschuldigungen wider die Alkmäo- niden, denen Perikles von mütterlicher Seite angehörte, von Neuem her- vorgesucht und wohl gar durch neue und unbegründete Erfindungen vermehrt wurden, wenn man sich erinnert, in welcher Weise kurz vor dem Beginn des peloponnesischen Krieges die Mähr von der auf den Alkmäoniden lastenden Blutschuld selbst von den Spartanern als politi- schen Hebel gegen Perikles zu verwenden versucht worden war (Thuky- dides 1, 126 ff.). Andererseits ist zwar von einer feindseligen Parteinahme der Familie des Hipponikos gegen Perikles in politischen Dingen nichts bekannt; wir wissen nur, dafs die Frau des Hipponikos und Mutter sei- nes Sohnes Kallias eine nahe Anverwandte des Perikles war, welcher sıe nach ihrer Scheidung von Hipponikos ehelichte, um sie später einem drit- ten Manne zu überlassen. Sie war die Mutter seiner legitimen Söhne Xanthippos und Paralos, welche ihm bekanntlich durch die Pest gerade in dieser Zeit entrissen wurden. Ebenso war Perikles’ Mündel und naher Anverwandter Alkibiades, von mütterlicher Seite ebenfalls dem Alkmäo- nidenhause angehörig, später mit des Kallıas Schwester Hipparete ver- mählt. Allein alles dieses hindert doch auch in keiner Weise anzunehmen, dafs der reiche Hipponikos im Sommer 430 zu der Zahl jener dwarsı ge- hörte, welche der Ingrimm über die Schädigung ihrer materiellen Inter- essen durch die kriegerische Politik des leitenden Staatsmannes zu leiden- schaftlichen Gegnern desselben machte, ja dafs er in der Reihe der Oppo- sition eine so hervorragende Rolle spielte, dafs Herodot, der den Gang der Ereignisse damals aus nächster Nähe zu beobachten Gelegenheit hatte, zur Parteinahme für die Alkmäoniden und den in ihnen angegriffenen Pe- rikles bei sich gerade bietender Gelegenheit gleichviel aus welchen Beweg- sründen veranlafst, seiner Apologie der Alkmäoniden eine abfällige Bemer- kung über die Prätensionen der Familie gerade dieses politischen Gegners einfliefsen zu lassen sich nicht versagen mochte. Die hervorgehobenen Umstände scheinen mir sonach zu bestätigen, dafs die Kapitel 121—131 des sechsten Buches gerade im Sommer des Jahres 430 niedergeschrieben worden sind, und ich kann es nicht für Philos.-histor. Kl. 1871. (2' Abth.) 9 66 KırcHnorr: Nachträgliche Bemerkungen zu der Abhandlung zufällig halten, dafs das aus ihnen abgeleitete Ergebnifs mit meiner Ge- sammtansicht von der Abfassungszeit der Bücher 5—9 in einer Weise stimmt, wie sie genauer und vollständiger gar nicht gedacht werden kann. Andere mögen entscheiden, ob ich mich getäuscht und den Reflex einer vorgefalsten Meinung für Wahrheit und Wirklichkeit genommen habe. Ich scheide hiermit von einer Untersuchung, auf welche ich schwer- lich wieder zurückkommen werde, da ich mich durch sorgfältige Prüfung überzeugt habe, dafs ich der Sache neue Seiten abzugewinnen für meine Person aufser Stande bin. Zur Verdeutlichung meiner Ansicht, soweit sie die letzten Bücher vom fünften bis zum neunten angeht, füge ich zum Schlufs eine tabellarısche Uebersicht bei, mit deren Hülfe man sich über die einigermalsen complieirten Verhältnisse und meine Auffassung dersel- ben mit Leichtigkeit wird orientiren können. Die erste Spalte dieser Tabelle giebt eine chronologische Zusammenstellung der geschichtlichen Thatsachen aus den ersten Jahren des peloponnesischen Krieges, welche für die Frage nach der Abfassungszeit der letzten Bücher von Herodot’s Werke in Betracht zu ziehen sind, in der zweiten Spalte ist versucht, den allmälıgen Fortgang der Ausarbeitung dieser Bücher im Verhältnifs zu jenen Thatsachen zu veranschaulichen. n I Attisches | | Re | Jahr vor | rchonten- | R Chr. Geb. jahr | Ol. 56, 4 Sommer 433) | Apseudes | | Ende des Propyläenbaus | \ Ol. 87,1 | Sommer | Pythodoros | | Erdbeben auf Delos | | Ueberfall von Platää durch die | | Thebaner über die Abfassungszeit des Herodotischen Geschichtswerkes. 67 Attisches Tale Son Archonten- en NER R Chr. Geb. jahr Ol. 87,2 | Sommer Erster Einfall der Peloponne- Euthyde- sier mos Austreibung der Aegineten Herodot kehrt nach Athen zu- rück und beginnt bald darauf die Fortsetzung seines Werkes (von wenigstens 5, 77 an). 450 Perikles’ Leichenrede Zweiter Einfall der Pelopon- nesier Ol. S7, 3 | Sommer Perikles’ Verurtheilung Die Ausarbeitung ist bis 6, 121 Apollodoros gediehen ist über 7, 26 hinaus \ Hinriehtung der spartanischen Gesandten | steht bei 7, 151—157 Tag | er | Ol. 87,4 | Sommer Die Peloponnesier vor Platää Epameinon (Perikles 7) | 428 ist über 9, 15 hinaus 01. 88,1 | Sommer Dritter Einfall der Peloponne- Diotimos sier bei 9, 73 angekommen. | Der Rest des Buches (74—122 | wird vermuthlich bis Ende dieses Jahres fertig. 9* ee el NEE. et AN MR u " I ® M ) j | Ay f ER u I ira zul Eimaitea N 1 ö DR ir Ka i . i Ru Er} EM RL LE L 0 A. A 1 N | er { u j A I Ay N Al) Rn Aaen N rn Den ei ee er IR HELEN TR Aal | 5 ORRR a DR ! = j a [ { j ) ar ; t Ren Id: N len I PR Ben | au eh Nie TE Re f j v U Auiaheti \ \ ir N tH44 1, (ah | a ü t { u L) \ “ Über ein zum weifsen Yajus gehöriges phonetisches Compendium, das pratijnäsutra. we H" WEBER. [Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 9. und 13. November 1371.) h dem zu Anfang dieses Jahrh. (1817) abgefafsten Commentar des Rämagarman zum Väjasaneyi-Prätigäkhya!, dessen Abschrift ich der gütigen Mittheilung G. Bühler’s verdanke, finden sich (s. Ind. Stud. 10, 433) am Schlusse (fol. 42"ff.) drei verschiedene mit dem behandelten Ge- genstande in näherer Verbindung stehende Zugaben, die er ebenfalls aus- führlich kommentirt, an ihrer Spitze das pratijnäsutram, ein kleines, nur aus 27 Regeln? bestehendes Schriftchen, welches zunächst über die Accente im weilsen Yajus, resp. ihre Bezeichnung durch Handbe- wegungen, sodann über die Aussprache der Buchstaben darin handelt, und über dessen Herkunft einstweilen nichts weiter zu sagen ist, als dafs es, der dahin gehenden Angabe Ramagarman’s entsprechend, wirklich den Anschein eines freilich ziemlich modernen parrgishta, nach Art des von Kielhorn edirten bhäshikasütra, trägt. In der That wird auch im Caranavyüha das dritte der 18 parı- eishta des weilsen Yajus als pratijna bezeichnet?, und von den mir vor- liegenden, leider nur ganz fragmentarischen Sammlungen dieser parigishta ı derselbe ist nicht ein unmittelbar fortlaufender Commentar, sondern führt die in den einzelnen Büchern zerstreuten, aber ihrem Inhalt nach zusammengehörigen Regeln neben einander auf, läfst resp. manche sütra ganz aus. ? resp. nur aus 25, wenn die beiden als 19. 20 aufgeführten Regeln etwa vielmehr dem Comm. angehören (s. ad |.) 3 8. Ind. Stud. 3, 269; in der Recension des Devi-Puräna resp. als pratishthä ibid. p. 270. 70 WEBER: über ein zum weilsen Yayus führt wenigstens die eine (Bodley. Wilson 510") das dritte derselben auch wirklich, und zwar von vorn herein (der Schlufs fehlt), unter diesem Na- men, als pratıjnäparicıshtam, auf; in der zweiten (Chambers 66°) fehlt jede Benennung im Eimgange (der Schlufs fehlt ebenfalls). Es bezieht sich nun freilich der Inhalt dieses gewissermalsen katechetischen Schrift- chens, soweit es mir vorliegt wenigstens (beide Mss. brechen eben bald nach dem Anfange ab), auf ganz andere Dinge (s. den Appendix). Damit ist indefs bei dem geradezu quodlibet-artigen Charakter dieses In- halts, nicht ausgeschlossen, dafs nicht etwa im weitern Verlaufe auch un- serm Texte hier Entsprechendes darin seine Stelle hatte, und zum We- nigsten erklärt sich dadurch wohl, wie er gerade zu diesem Namen ge- kommen ist; jedenfalls bot sich hier eine passende Gelegenheit zu seiner Einreihung, resp. Anfügung dar. Den Text der ersten sieben vom Accent handelnden Regeln, so wie den Inhalt der übrigen Regeln in kurzer Übersicht, habe ich bereits in den Ind. Stud. 10, 436—43s mitgetheilt, meine aber, dals die nach- stehende Mittheilung des Ganzen, mit Einschlufs des Commentars doch nicht unwillkommen sein wird. Der Sprachgebrauch des Werkchens schliefst sich theils an das Vs. Prätieäkhya an, so antahstha (als masculinum indels) in 9. 15. 17, üshman in 9 (üshmäntya=h). 14. 18, avagraha 11, mürdhanya 18, prakrityd 21.25., — theils an die sonstige sutra-Literatur des weilsen Yayus, so bhäshrkasvara in 7, täna in 8, — theils an Panini, so hal in 9. 14. (27%), tu in 18, ädeca in 32. Selbständig ist der Gebrauch von svdra für svara in 7, von guru und /aghu für die Aussprache des v in 17, resp. von guru in 23 als „Position machend“*, ebenso der des Zeichens w als Stellvertreter für den anuısvira in 22, resp. des Wortes wkara in 24, von padadya 27 als „in der ersten Silbe des Wortes befindlich“ (nicht: initial), endlich die mehrfache eisenthümliche Verwendung von ishad in 25. 26. 27, und von samyukta in 9 (prägnant). 14. 16. 18. 27. Die Darstellung ist zum Theil eine höchst ungeschickte, unnöthig weitschweitig im Einzelnen. Der Zweck der Abfassung wird vom Vf. selbst (s. Regel 21) dahin angegeben, zur Erleichterung des Text-Hersagens An- leitung zu ertheilen; die Angaben zwar erscheinen freilich theilweise dazu wenig genug geeignet (s. z. B. Regel 9 und 17), mögen indefs doch in gehöriges phonetisches Compendium, das pratijnäsütra. a der That wirklich auf praktischem Usus und resp. traditioneller Überlie- ferung beruhen (s. das zu Regel 12. 13 Bemerkte). Und darin besteht gerade das Interesse, welches sich an dies Schriftchen knüpft, insofern es eben Zeugnils ablest für die gewaltigen Freiheiten, die man sich mit der Zeit in Bezug auf die Aussprache der vedischen Texte bei ihrer Reci- tation (adhyayane) gestattet hat, Freiheiten, die zu den eigentlich maals- sebenden Vorschriften der Prätiedkhya zum Theil in direkter Opposition stehen, zum Theil wenigstens erhebliche Abschwächungen und Weiterbil- dungen dazu enthalten, in einigen Fällen resp. direkte Beziehung zu der in den modernen indischen Dialekten üblichen Aussprache haben. Ihrer Unvereinbarkeit mit dem richtigen Verständnifs der Texte ist sich der Vf. sehr wohl bewulst (s. Regel 21), und stellt sich seine Arbeit dadurch einfach als eine direkte Concession an einen eingerissenen Schlendrian heraus. Als einen Nachtrag zum pratijndsütra citirt Rämacarman in seinem Commentar dazu mehrere Male (zu Regel 10. 17. 23) ein Werk Namens Amoghänandini, und beruft sich aufserdem noch auf die Yajnavalk- yacikshä (zu Regel 5). Letztere Schrift wird von ihm auch im Innern seines Comm. zum Prätie. zweimal (zu 1, 119. 121)! citirt, und führt er ein grölseres Citat daraus (in sechs eloka, über die Darstellung einzelner Buchstaben durch eine Art Fingersprache) hinter dem pratıjndsütra als zweiten Zusatz zu seinem eigentlichen Werke auf (s. unten). Dieselbe ist, nebst den andern beiden eikshäd-Texten, die er in diesem letztern noch anführt, der Vasish- thacıkshä (zu 3, 135)? und der Näradagıksh& (zu 1, 111), wohl als eine Art Nachtrag resp. Nachahmung? der ebenfalls von ihm (zu 4, 160 und zu v. 3 des Citats aus der Ydjn. eikshä) angeführten Püniniyacıkshä zu betrachten. Es sind uns ja überhaupt in neuerer Zeit allerlei Nachrichten über das faktische Vorhandensein zahlreicher Schriftehen des Namens: erkshä zugegangen, die theilweise sowohl an Bedeutung wie auch aller Vermu- thung nach an Alterthümlichkeit über die angeblich Päninz’sche eikshä 1 die erste Stelle lautet: dvayos tu svarayor madhye samdhir yatra na dricyate \ Y Y Y £ Y. 26% vivrift)tis tatra vijneyd ya ime ca nidarcanam \ Die zweite Stelle s. unten bei Regel 5. ?2 die Stelle lautet: svarandm änunäsikyam pratijananti sarvadd | varjayitvd tam aäkäram yatra lopo vidhiyate ° gikshäsütra heilst auch das erste, phonetische, Cap. der Adtantra- Grammatik, s. Aufrecht Catal. 169°. 72 WEBER: über en zum wesen Yayus hinausgehen. So finden sich zunächst in dem von Bäbu Räjendra Läla Mitra publieirten höchst dankenswerthen Oataloge neu aufgefundener, resp. zugänglich gewordener Sanskrit-Handschriften (Notices of Sanskrit Mess. Calc. 1870 p. T1f.) fünf del. eikshä aufgeführt, ausser Amoghänandini! und Näradiyacıkshä? nämlich die Kaugriki-gikshä?, Lomaei-cikshät und Manduka-eiksh@®. Hoffentlich erfahren wir über diese, ob auch ı so (°ghä°) hier; in 120 gloka. Beginnt: atha giksham pravakshydmi amoghänandakärinim | yasyäh gravanamdtrena sarvatra vijayt bhavet schlielst: svarahind tu ya vani vastrahind tu yoshitä (sie!) I evam varnd na gobhante pranahind yathä tanuk | 2 in 250 gloka. 3eginnt: athd 'tah svaracästrdndm sarveshäm veda nigcayam | uccanicavigeshäd dhi svaränyatvam pravartate \ schlielst: evam varndh prayoktavya nd 'vyaktd na ca piditäh I samyagvarnaprayogena brahmaloke mahiyate I zı khandah 1 iti dvitiyaprapathakah. Dazu (p. 7) ein Commentar von Bhatta-(obhäkara (schlielst: iti dvitiyddhydyasya "shtami kandikä). Der von Rämagarman eitirte Vers lautet: sayakdram savam vd yady aksharam svaritam bhavet | na codättam puras tasya jätyah svärah sa ucyate II 3 in 80 gloka. Beginnt: devedhä caiva samutpanne lakshanam nirmayo bhavet | lakshanam na vindgah sydt sampradayo vindgavan | schlielst: karena täritasyd ’ngam tadvat kaleshu rangayok | ahinaprahäro jnah (?) yathd a i om iti nidarganam (?) II iti kaugikdcäryamatänusdrini gikshä samäptd. * in 85 cloka. Beginnt: lomaginyäm (wohl "gikshäm?) pravakshydmi Gargäcdryena cintitam \ säbhidhändm yathoktdm nv deäryavacanam yatha | schlielst: gänyagrihe pigdcas tu garjate na ca drigyate I evam yakdrd vaktavyd dhiy agnir jyd (?) nidarcanam I 8 khandah II iti pra- thamah prapdthakah 1 iti lomagi gikshä samdptä. 5 in 184 cloka. Beginnt: tisro vrittir anukrantä druta-madhya-vilambitäh | yathänupärvam prathamä drutä vrittih pragasyate N schlielst: 70 Ai tattvena jändti brahmalokam sa gachati, brahmalokam sa gachati I ı6 II iti grimandükakritä gikshä samäptd. Bezieht sich nach Rajendra Läla Mitra speciell auf den Sämaveda (sämavediyasvaroccd- randdinirüpanam). Es ist dies offenbar die bereits durch Roth (zur Lit. und Gesch. des Weda pag. 55) benutzte Mändüki cikshä (152 vv. in 16 Abschnitten), das einzige gehöriges phonetisches Compendium, das pratijnäsütra. 73 wohl zum Theil gewifs ganz modernen, immerhin aber ein erhebliches Interesse in Anspruch nehmenden Schriftehen bald von Indien her Nähe- res. Insbesondere wäre es speciell mir von Interesse, zu sehen, ob sich durch dieses neue Material irgend welche Aufklärung über den kuriosen sechsten Vers (Y., 26 R.) der Päniniya cikshd, resp. über meine Vermuthung (s. Ind. Stud. 9, 350), dafs darin auf das griechische Grufswort xaıgew ange- spielt sei, gewinnen läfst. Ob nun ferner die im Comm. zum Taitt. Prät. neben der Päniniyä giksha mehrfach citirte andere crksha, s. Whitney p- 435, mit einem der eben genannten Werkchen dieses Namens identisch sei, ist mindestens höchst fraglich. Den nächsten Anspruch darauf er- hebt vielmehr wohl das zuerst in Wilson’s Mackenzie Colleetion 1, 8 (nro. 34 u. 36) genannte Schriftchen von „Dharadvdja, on eikshäa or ac- eentuation“, da dies ein in der Literatur des Taitt. Veda mehrfach vor- kommender Name ist. S. jetzt darüber die näheren Angaben in Bur- nell’s trefflichem Catalogue of a Collection of Sanskrit Mss., Part I Vedie Mss. London 1870. p. 8!. Daselbst findet sich übrigens endlich auch noch ein anderes Werkcehen der Art, als zum Black Yajurveda ge- hörig aufgeführt, die siddhäntagikshä des Orinivasa m 74 cloka?. Und dazu resp. ein Commentar (siddhäntagıikshävyäkhydanam) eines Unge- nannten, der in seiner Erklärung zu v. 2 folgende Auktoritäten nennt: Bhäradväja-, Vyäsa-, Pänini- (an dritter Stelle erst!), Cambhu-, Schriftehen der Art, das bisher aulser der Pänini-schen giksha, direkt bekannt war, s. Ind. Stud. 4, 345 Müller Anc. S. Lit. p. 146. Roth bezeichnet es als „jedenfalls werth- voller“ als das sogenannte vedangam. I beginnt: sainegam (sie) pranipatya "ha(m) samdehändm samnivrittaye | giksham anupravakshydmi vedandm mülakdäranam. Das lange ? in gikskd ist alterthümlich und knüpft unmittelbar an Taitt. Är. Tan, s. Ind. Stud. 2, 211. 4, 345. 2 beginnt: sampranamya sakalaikakäranam brahmarudramukhamaulibhäshanam | ... (3 akshara-u-fehlen) grutigiram trilakshanam (rinivasamakhind praniyate ill pürvagikshäh parämrigya praäticakhyam ca sarvagah | siddhäntagikshäm vakshydmi vedabhäshyänusdrinim U 21 akärddipadandm syäd atrodaharanakramah | ädimadhyäntatas tatra ydvadvedam nircpyate N 3 1 schliefst: grinivdsddhvarindrena catushkulasudhängung | clokas siddhäntagikshaydm catussaptatir iritäh N Philos. -histor. Kl. 1871. 2' (Abth.) 10 74 WEBER: über ein zum weilsen Yajus Kähala- (wohl Kohala?), Vagishtha-, Välmikı-, Härita-, Bodhäyana (-Bodhäyanoktagıkshädikam parämpieya ...); ob er alle diese Lehrer ge- rade als Vff. von gikshd-Schriften betrachtet, ist freilich nicht klar (er sagt ausdrücklich: erkshadikam), indessen sind doch drei darunter (Bhäd- radväja, Panini, Vagıshtha), von denen faktisch eben gerade Werkchen die- ses Namens vorliegen und Vyasa führt wenigstens, nach dem (abdakalpa- druma, in der (abdamäld speciell den Namen eikshäkära!. Möglich, dafs dieser Commentar identisch ist mit dem von Wilson am a. ©. (nro. 35) auf- geführten eikshavydkhyanam „the explanation of the accentuation and intonations used in reciting the texts of the YV.*; doch könnte dämit auch ein selbständiges Werk gemeint sein; wenigstens führt der Comm. des Taitt. Prat. zu 21, 1 eme Stelle in gloka aus einem cıikshävyakhyana an (in welcher, beiläufig bemerkt, Patanjalı als Auktorität eitirt wird). — Der Vf. des Caranavyıha kannte fünf zum weilsen Fajurveda gehörige eikshä (s. Ind. Stud. 3, 270). atha etacchäkhopayuktä dharma likhyante \ tatra pratijnäsüuträkh- yam parıgıshtam. N 1. atha pratijnd | atha pratigäkhyasütrakathananantaram, pratijnayata it pratijna jnäna- vishayam, ucyate it ceshah. Welche praegnante Bedeutung dem Worte pratijnd hier inne wohnt, bin ich nicht recht im Stande zu sagen. In der Verwendung als Name des dritten Yajuhparıgıshta könnte es etwa, von der Bedeutung: Antwort ausgehend, Katechismus bedeuten, denn der dortige Text geht eben in katechetischer Weise, in Frage und Antwort wechselnd, vor. Indessen wäre auch die Bedeutung: Anerkennung, d. i. allgemein aner- kannte Satzung möglich. 2. mantrabrähmanayor vedanämadheyam I mantrahk samhitärüpah, brahmanam gatapatharüpam tachesha evä ”ran- yakam, tayor ubhayor vedacabdavdeyatvam. ı! Im Schol. zu Taitt. Prät. (1,1. 21, 15) findet sich resp. für die Vff. von Werk- chen dieser Art die Form gikshäkdra. gehöriges phonetisches Compendium, das pratijndsütra. 75 > 3. tasmin chukle yajushämnäye Mädhyamdiniyake I tatva gukle Yäjnavalkyaprokte pancadagacikhätmake, tänt "mäni cukläni yayüunshi Väjasaneyena Yäjnavalkyend "khydyanta it! eruteh ((atap. 14, 9, 4, 33, wo aber: ddityäni "mäni) yayushäm samüho ydäjusham, taträ "mnäye maukhye [mündlich?], Madhyamdinena proktam Mädhyamdınam chandak adhiyate te Mädhyamdınah, teshäm ıdam Madhyamdiniyakam, tasmin, Mädhyamdinyam eäkhäyam. 4. mantrasvaraprakrıiya I mantre samhitätmake svaraprakaranam ucyate. „hastena te“ (Vs. Prät. 1, 121) ity uktatväd dhastapradarcanaprakäram äha: 5. hridy anudätto, mürdhny udättah, erutimüle svaritah | hridayasamipe hastam dhritwi 'nudatta uccäraniyah, mürdhasamipe dhritva udättah, erutimülasamipe dhritvä svaritah. pracayasyd ’pi ıdättamayam ti cabdeno "ktatväd (s.Vs. Prät. 4, 138) udättadharmavattvän mürdhasamatve präpte vigesho Yäjnavalkyagıkshäyäam: udättam tu bhru- vah pränte pracayam näsikägratah, näsıkägrasamipe. 2 „(Nur) Mantra und Brähmana führen den Namen Veda (mit Ausfchlufs also der in Regel 8 genannten Sutra). — 3—5 Was nun die Accentuation betrifft, so ist dieselbe hier im weifsen Yajus- Text, wie er von den Mädhyamdina überliefert wird, bei den Mantra (von Hand- bewegungen begleitet) in der Weise, dals der anudätta am Herzen, der udätta am Schädel, der svarita an der Ohrwurzel (zu markiren, d. i. die Hand bei der Aussprache je nach den angegebenen Stellen hin zu sen- ken, zu heben, resp. zu halten ist)“. Rämagarman fügt hiezu noch eine weitere Angabe aus der Fäjna- valkyagıkshä bei, wonach die Hand bei der Aussprache eines udätta an das Ende der Brauen, d. ı. doch wohl an die Stirn, und bei der eines pra- caya, d. 1. eines anudätta, der auf einen svarıta folgt, an die Nasenspitze zu legen wäre. Diese Angaben sind die specielle Ausführung der kurzen Notiz des Vs. Prätieakhya 1, 121, dals die Accente „mit der Hand“ zu machen, d. ı. mit Handbewegungen zu begleiten seien. Ob das Prät- eäkhya aber dabei wirklich sie bereits im Sinne gehabt, ist wohl höchst zweifelhaft. Uvata in seinem Comm. dazu (s. Ind. Stud. 4, 137) spricht nur von einem Heben und Senken der Hand im Allgemeinen (wohl 10* 76 WEBER: über ein zum werlsen Yajus nach Art der Tactbewegungen unserer Öoncertmeister), und die beson- deren Angaben, welche das Pratieäkhya in den unmittelbar folgenden Regeln (1, 122—124) über die Markirung der vier primären svarıta giebt, zeigen durchaus nichts von sö bestimmter Beschränkung auf einzelne Körpertheile, sondern sprechen nur ganz allgemein von verschiedenen Modifikationen in der Weise, wie die Hand zu senken sei. In Raämacar- man's Commentar zur Stelle freilich ist dies Thema ausführlich, speciell auf Grundlage der Yäjnavalkyagıkshä, erörtert, und zwar eben ganz in Übereinstimmung mit unseren Angaben hier, auf die er sich dabei auch beruft; offenbar hat eben auch gerade dies ihn zu dem Anschlufs des pratijnäsütra am Ende seines Commentars speciell mit veranlafst. Es er- giebt sich resp. daraus als neu, dafs der Ellenbogen an der Vereinigung des rechten Knies und Schenkels!, die Hand aber unter gegenseitigem Anschlufs der vier Finger aufrecht zu halten ist?; bei einem anudatta, der auf einen udätta folgt ist resp. die linke Braue zu berühren. — Zu vel. ist hier noch der hierdurch nunmehr seine Erklärung findende Vers der Oikshäd (R. v.48) anudatto hridi jneyo mürdhny udätta udähritah N svaritah karnamüliyah sarväsyet pracayah smritah \ und auf den Inhalt dieses Verses geht denn nun auch wohl das hastahinam und hastena ibid. in vv. 54.55 zurück. 6. evam jätyddayo 'bhrhrtäh I anena prakärena jätyddayah sapta (!) svaritabhedä lakshanena hasta- pradarganaprakärena ca pratieäkhye uktäh. 1 „22 es handelt sich eben um sitzende Stellung, vgl. Vs. Prät. 1,22 2 vgl. die Angaben Burnell’s über die Stellung der Hand beim Markiren der Sama- Noten (Catalogue of a coll. of S. Mss. p. 45): „the right hand is held out horizontally, with the palm upwards and the fingers close to one another“. 3’ seine Worte lauten: udättädayah svard hastena pradarcaniyäh, dakshinajanüru- samdhau küparam dhritva militacaturangula uttäno (udätdno Cod.) hasto dhäryah. etadw- cdras tu Yäjnavalkyagikshäydm drashtavyahz; yatha, udatta ürdhvahastena mürdhasam- mitena, anudätte pare tu vdmabhrüsammitena, uktam ca gikshäydm: udättäd anudätte tu vimäyd bhruva drabheti; anudätto adhohastena hridayasammitena; svarita, ubhayamadh- yam karnamilam, tatsammitena. uktam ca pratijnaäsütre: hridy anudatto mürdhny udättah crutimüle svarita iti. * sarvänge bei Whitney im Schol. zu Taitt. Pr. 25, 17 p. 411. 413, was aber wohl irrig ist, zumal die Lesart seiner Mss. sarvdsyah und saydsye zum gikshä-Texte stimmt. gehöriges phonetisches Compendium, das pratijnaäsütra. {hr „Die (primären svarita) jätya u. s. w. sind ebenso (wie im Pra- tieäkhya bereits) angegeben (ist, mit der Hand zu markiren).“ Da das Prätiedkhya die Markirung der vier primären svarıta aus- drücklich behandelt (1, 122-124), so war weiterer Specialisirung ein Rie- gel vorgeschoben. Dals Rämagarman von sieben svarita spricht, somit auch die übrigen svarita-Arten hier heranzieht, ist ein Verstols gegen den hiesigen Textlaut selbst (der nur von „jdtya u. s. w.*“ spricht), wie gegen den Wortlaut des Prätgeaäkhya. 7. brahmane ti "dättänudättau bhäshikasvarau | brähmane eatapathe tu udättah anudättag ceti dvav eva; bhäashikam näma brähmanasvaralakshanavidhäyakam (nam vi? God.) sütram parigish- tam: atha brähmanasvarasamskäraniyama ityddı, tallakshanalakshitau svärdv eva svdrau jneyau. taddikpradarcanam kriyate: udättasvaritau nicau nica uccas tathaiwa ca \ brähmanasvasvaro hy esha jnäyate vedapäragaih I udättasvaritau anudättau uccäraniyau, anudätta udättah svaritag ca uccd- raniya, ÜUyädı sütränusärena svarau jneyau. „Im Brähmana (sodann giebt es überhaupt nur) udätta und anu- dätta, (und zwar sind dies) die beiden in der (lebendigen) bhäsha übli- chen Accente.* Dals bhäshikasvärau hier nicht in der von Rämagarman belieb- ten Weise als „in dem bhäshikasütra gelehrt* aufzufassen ist, darüber verweise ich auf das bereits in den Ind. Stud. 10, 437. 438 Bemerkte. Wohl aber könnte man etwa meinen, bhäshika stehe hier nur als Ge- gensatz zu der in Regel 4— 6 angegebenen Weise, die Accente mit der Hand anzudeuten, bezeichne resp. die betreffenden beiden Accente als ausschliefslich nur durch die Sprache, den Ton, nicht zugleich auch durch die Hand zu markiren. Ich meine indefs, dafs dies doch seine Beden- ken hat. Zunächst ist es wohl besser bhäshrkasvärau als Apposition, nicht als Prädieat zu fassen; es würde ferner eine dgl. Angabe wohl klarer ausge- drückt sein müssen, etwa durch bhäshayd; es ist endlich der Gebrauch des Wortes bhäshikasvara bei Kätydyana 1, 8, 17 und bei Uvata zu Vs. Prät. 1, 129 (s. Ind. Stud. 10, 423. 428. 429) wohl entscheidend für die von mir vorgezogene Auffassung, zumal da in der nächsten Regel das Wort Zäna in derselben Bedeutung gebraucht ist, in welcher es auch bei Adtyayana in 78 Wener: über ein zum weisen Yayus der unmittelbar auf die Erwähnung des bhäshrkasvara folgenden Regel (1, 8, 18) verwendet wird. 8. tänasvardnt chandovat süutränt I sütränt grautasmärltakarmapratipädakant, tänah ehagrutih svaro yeshäam tänı, ekagrutya pathaniyanı. anye wdhayag chandovat prätigäkhyapra- jndsütränusärena pathaniyäk. „Die Sütra (endlich) sind mit eintönigem Accent (d. i. ohne Accent-Scheidung) zu sprechen, folgen (indels im Übrigen, also in Bezug auf die Regeln des Prätgäkhya so wie auf das nunmehr in Regel 8 fl. Angegebene) den für das Chandas (d. i. den Veda) gültigen Regeln.“ Zu täna, Dehnung, Hinziehung des Tones s. Ind. Stud. 10, 423 if. evam svarandımayam uktva tritayasädhäranam varnoccdrananige- sham dha: 9. athä ntalh)sthänam ädyasya padädisthasyd 'nyahal- asamyuktasya, samyuktasyd! 'pirephoshmäntyabhyäam, rikärena cd wigeshend, "dimadhyävasäneshü "ceärane Jakäroccedäranam N atha swvaraprakriyänantaram varnoccärananishaya ueyata ti geshah. hal vyanyanam ti paryayau, yaralavd? anta(h)sthäh, tesham dädyasya ya- kärasya padädan vidyamänasya anyahald asamyıktasyo "ceärame präpte Jakärocedranam syät. repha üshmasu gashasaheshu antyo hakärag (s. Vs. Pr. 1, 51) ca, täbhydm samyuktasya yasya? ädıimadh- yänteshu vidyamänasya jJahäroccäranam kartavyam. rtihärena yuktasya antgeshena anyahald asamyuktasyat samyuktasya vd ädimadhyänteshu Jahäroceäranam. yate, yunjate, ghrüdeir yantı Vs. 3, 4, haryata, sürya; krinuhy adhvaram 29, 26, pravähydya, vähyam. sado ’sy ritasya d, 33, vyrild)dhya. padädisthasyet kim? tatväya. anyahal xtyadıi kım? asmin yapne, yuktasyety eva siddhe samgabdena auyavahrtasyar "va, ha ” na, agmir Jyotih 3,9, vorshydya, bahvyas tanvahd 19, 44. I Oktasya svasamyuktasya Col. yaylavd Cod. padasyo God. t fehlt im Cod. ' tanvah ist unnöthig. gehöriges phonetisches Compendium, das pratynäsitra. 79 (Es folgen nunmehr die Regeln für die Aussprache der Buch- staben, und zwar sind dieselben für alle drei Gruppen vedischer Texte, Mantra, Brähmana und Sutra, gleichmäfsig gtiltig). „Der erste der Halbvokale, d. i. y, ist in folgenden Fällen als j zu sprechen: a. initiales y, welches nicht mit einem andern Öonsonanten ver- bunden ist, (yate, yunjate sprich: jate, junjate; dagegen in asmın yajne bleibt das y); b. jegliches y, das mit r, h oder pr direkt verbunden ist“ (sprich: ghritdeir jantu, harjata, sürja'; krinuhj adlwaram, pravähjäya, väh- Jam; sado ’sj ritasya, wjpiddhyar; aber unverändert agnir jyotih, varshydya, bahuyas, wo zwischen y und dem r resp. h noch ein anderer Öonsonant eingeschoben ist). 10. dvirbhäve 'py evam\ dvayor yakarayoh somyoge jakäranam sydt. nripdyyam, dhäyyäraıpam ; toj yajnam 31,9, say yaumı 1, 22, atra „antalh)sthäm antach)sthäsv* ty amena (Vs. P. 4,9) sanumdsiko dvitiyo? yakdrah; jardyyv asi 10, #, atra „svardt samyogadır* in (Vs. P. 4, 97) dvitwam. atra kagcana wiceshah. Amoghäünandinyam: upasargät parasya na jaköroeciranam, upa yayna- havih (17, 9); dvirbhäve ayam nishedho na, say yaumız padädiwena siddhe pädädau punah jakaroccaranavidhönem, tena upasargöt poramwe "pi: stulir upa yajnam ce "ty atra (8, 35) Jakörocecäranam. „ce. wenn es doppelt steht“ (sprich: nripsjjam, dhäyjaripam). Nach Kämagarman gilt dies auch von der sekundären Verdopp- Jung, und zwar sowohl da wo sich finales m vor folgendem y in nasalirtes y wandelt, wo dann das ursprüngliche y als j zu sprechen ist, also say joumi, als auch bei der nach Vocalen eintretenden Verdopplung des y, wobei wie es scheint beide y als j zu sprechen sind, also jardjjv ası (oder jardyjv ası?). — Er führt resp. sodann noch eine specielle Ausnahme zu Regel 9 an; nach Auktorität der Amoghanandini nämlich ist die- selbe nach Präpositionen ungültig, und somit upa yajnam zu sprechen (nicht jajnam); indessen macht dabei wieder theils der in Regel 10 spe- ı Statt dieses Beispiels erwartet man vielmehr ein dgl, für finales y, also etwa nüry asi 5, 22, zu Sprechen als närj asi. 2 8 Cod.; man erwartet jedenfalls: sönundsikah prothamo, Es mufs hier resn. dvitiya wohl in der Bedeutung von: sekundär gefafst werden! s0 WEBER: über ein zum weilsen Yayus ciell hingestellte Verdopplungsfall eine Ausnahme (saryj jaumi bleibt so), theils ist initiales y am Beginn eines päda auch nach Präpositionen als 7 zu sprechen (also stutir upa Jajnam ca). ll. avagrahe cal devayuwvam ıtı deva-yıwam, ty atra jakäroccaranam. „d. (auch inneres y wird als ) gesprochen, wenn es) im zweiten Gliede des avagraha (imitialer Laut wird, also devayımam it! deva-Juvam).* 12. athopürvakasya na | atho ye 16, 8. 12., atho yamasya! 12, 90. „Ausgenommen (von hegel 9) ist ein nach atho stehendes y“, welches also unverändert bleibt, nicht zu 7 wird; die drei angebenen Stellen finden sich im Catarudriya-Abschnitt und im Sämannsliede; letztrem gehört auch atho yüyam 12, 83 an; andre Stellen der Art kommen nicht vor. 15. nacabdapürvakasya vikalpena ! na yat parah (20, 82.) samyojate?, atra na; na yeshu - 7, 17. samyatety?, atrocearamam. atra vrkalpavıshaye sampraddya eva pramänam. „Ein nach na stehendes y (kann) beliebig (bleiben oder als 7 ge- sprochen werden).“ Ersteres geschieht z. B. in: na yat parah, Letzteres in: na jeshu die Überlieferung hat hierbei zu entscheiden. Es finden sich resp. ın Vs. nur noch vier Fälle der Art: na yaynam 6, 26. na yavase 15, 62. na yaman 17, 10. na yonau 27, 17. Hiermit schliefsen die Regeln über die Wandlung des y in j. Die- selben sind im höchsten Grade bemerkenswerth. Zunächst nämlich bilden sie eine Art Ergänzung, stehen resp. in einem gewissen Gegensatz zu Prät. 4, 163 (s. Ind. Stud. 4, 271, 272.), wo in gerade umgekehrter Rich- tung die Wandlung von innerem 7 (zwischen zwei Vocalen) in y gelehrt wird. Sodann aber stimmen sie zwar m Bezug sowohl auf einzeln stehen- des initiales y wie auf inneres »y in der That zum Prakrit?®, scheinen somit auf volkssprachlichem Boden zu ruhen; in den übrigen Beziehun- sen dagegen bedingen sie theilweise ganz absonderliche, im Präkrit vol- c oO eit>) 1 Patha mäsa Cod. ® 1 sam® Cod. Was diese beiden Wörter hier sollen, ist mir nicht klar. sa yojate (nicht: samy° ) findet sich 15, 33.; samyatd ist mir aus V’s. gar nicht zur Hand, nur samyat 15, 5. wo freilich »y nicht zu rj, sondern zu jj wird. gehöriges phonetisches Compendim, das pratijnasütra. sl lends ganz unerhörte, Lautkomplexe. Insbesondere gilt dies von der Aussprache von hy als hj, von sy und vy vor ri als 9 27, sowie überhaupt von der Verwandlung von finalem © nach r und Ah, oder vor folgendem ri, in) statt in y! Ebenso sind die Ausnahmen in Regel 12. 13. höchst eigenthümlich, zumal da sich Admagarman dabei ausdrücklich auf den sampradäya beruft, somit die wirklich faktische Existenz dieser Weise der Aussprache! erhärtet scheint! 14. athä 'paränta(h)sthasyd "yuktänyahalah? samyuktasyo ”"shmarikärair(\Jekärasahitoccäaranam \ antalh)sthädyasyo "ccaranavishayanantaram dvitiyäntalh)sthasya rephasya anyahald asamyuktasya, üshmabhıh rikärena ca samyuktasya, ekär.a- sahltam re ity uccäranam syat; dargatam, varsho varshiyasi (6, 11), barhih; nirrite. üshmety-ddi kim? ürje. ayuktetyadı? kim? varsvarh, vershydya, yaznapatır hwärshit (1, 2. 9.). „Der zweite Halbvocal (d. ı. r) ist in Verbindung mit den Sibilan- ten oder mit dem rr-Vokal, falls nicht noch ein andrer Consonant dazu- tritt, mit e (d. i. als ve) zu sprechen.“ Also darecatam, varesho vareshiyası, barehih; nirerite. Dagegen einfach, ohne Schwa, in ürje, resp. in varsvarh, varshyäya, yajnapatir hväreshit (in hvärshit selbst allerdings indessen als re). — Dies ist das praktisch -einfache Residuum der spitzfindigen svarabhakti-Lehre des Vs. Pr. (4, 16.) wie der übrigen Pratgäkhya, s. Ind. Stud. 4, 217.3. Whit- ! vgl. noch die zunächst freilich ziemlich unverständliche Angabe über die Aus- sprache des y im letzten Verse der Lomagi gikshä, oben pag. 72. Not. 4. 2 ?so der Cod., und so muls auch Rämagarman selbst faktisch gelesen haben, vgl. ayuktetyddi im Comm. und den Comm. zu Regel 17.; bei Regel 27. freilich zeigt er Ungenauigkeit in der Aufführung des Textes. ® zu den daselbst angegebenen Fällen wo die Handschriften selbst die svarabhakti, und zwar als i, angeben, füge ich hier noch nach: Pane. 4, 5, 11 tam sarvaih stomaih parydrishan, und ibid. 12, 13, 6 strinute yam tustürishate (so die 3 hiesigen Mss. während die Caleutt. Ausgabe bei 12, 13, 6. im Comm. und die Pariser Handschrift in beiden Stellen, im Text wie im Comm., rs" liest.). Aus dem Rik gehört hierher arharishvani, falls dies Wort nämlich mit dem Pet. Wört. als eine irregulär reduplieirte Form von yharsh zu betrachten sein sollte. Die Mss. zeigen übrigens hie und da auch die gerade umgekehrte Erscheinung, ursprüngliches rish nämlich als rsh geschrieben; so erscheint na ’rishama Panc. 12,5. 23 im Text der Pariser Handschrift des Commentars als nd ’rshäma, im Kaug. 33. findet sich: deipde catushpäd asmäkam ma "rshad (für md rishad) devy oshadhe,, Philos.- histor. Kl. 1871. (2 Abthl.) 11 32 Weser: über ein zum weilsen Yajus ney zu Ath. Prät. p: 671. und zu Taitt. Pr. p. 3914f.. — Der Wortlaut des Textes (ayuktäkaran) ist übrigens ziemlich ungeschickt abgefafst. 15. evam tritiyäntalh)sthasya kuvaciti evam eva tritiyasyd 'ntalh)sthasya lakärasya, kvacıid ity udäharandl- patvaparam, le ty uccäramam. gatavalgah, valhämast. „Ebenso (ist auch) der dritte Halbvokal [d. i. /] an einigen Stellen (als Ze zu sprechen).“ — Also gatavalegah, valehämasi, Ob Avacıt wirklich, wie Admacarman will, sich blos darauf be- zieht, dals es nur wenige Fälle der Art giebt, oder ob es an Stelle von vikalpena (s. Regel 13) steht, muls zunächst wohl noch zweifelhaft bleiben. Im Vs. Prät. ist die Regel über / unmittelbar mit der über » vereinigt, also ohne alle Einschränkung. Zur Sache vgl. Whitney zu Ath. Prät. 1, 46. p. 40. 16. rikärasya tu samyuktäsamyuktasyd 'vigeshena sar- varrar 'val evam sdvarnydät Iikärasyd 'pi le it, kliptam, kliptih. „Der rr-Vokal aber (wird) durchweg, mag er allem oder in Verbindung mit einem Öonsonanten stehen, ohne Unterschied (als re ge- sprochen). * Und zwar nach Rämacarman ebenso auch der !r-Vokal als le, also kleptam, kleptih. — Auch diese Regel ist gegenüber den feinen Distinc- tionen des Vs. Prät. (4, 145. 146.) wie der übrigen Prätigäkhya (s. Ind. Stud. 4, 260. 261. Zek-Pr. 13, 14. 14, 12. Whitney zu Ath. Prät. 1, 37. p. 88, zu Taitt. Prät. 2, 18 p. 59, so wie im Journ. Am. Or. Soc. 8, 363) eine höchst grobe, nur für die praktische Routine bestimmt. Das e ist resp. wohl hier, ebenso wie in den durch die Regeln 14. 15 behandelten Källen, kurz, als Schwa eben, zu sprechen? Schwierig freilich bleibt es immer, wie man sich nun also z. B. die Aussprache von sado "sy ritasya endlich ibid, 117, m& na dyünshi tärshat. — Nach Ajatagatru zu Pushpasätra 7, 5, 31 ist die svarabhakti stets zu beseitigen, wenn das betreffende Wort virdme steht (z. B. in apo vasdno arshasi Sam. 1, 5, 11 dprichyam dharunam vajy arshasi Sam. 2,26), und zwar betrachtet er dieselbe als Consonant(!), nämlich als ein vyanjanam apardänigam, nach Art des anuspara ete.; vgl. hierzu Whitney zu Taitt. Prat. 21, 6. (die Schreibung dhürushadam in T. Br. 1, 2, 1, 12. ist, beiläufig bemerkt, wohl nur ein Copisten-Fehler, vgl. die Vorrede zu meiner Ausgabe der Teitt. S. p. X. not. 5). gehöriges phonetisches Compendium, das pratijndsütra. 83 5, 33. zu denken hat; nach Regel 9 und 16 lautet dieselbe nämlich: s«a- do ’sj relasya! 17. athä’ntyasyd'nta(h)sthändm padädimadhyäntasthasya trividham gurumadhyamalaghwvrittibhir wecdranam | mandükaplıtyd "yuktänyahala (s. Regel 14) vty aträ "pi sambadhyate. atha rikärakathanänantaram anta(h)sthändm antyasya vakärasya ädan madhye ante ca vidyamänasya yathäkramam gurwvrittyd madhy avrittyd laghwrittya ca wecäranam. vvdyavah, vwodyav ritasya te! alträ ’pi kagcana wiceshah Amoghanandinyäm: ye-ye padädisthayakäravishaye nishedhäs te vakäre ’pr, pra vdyum (33, 55), athä väyam (12, 12); vigeshas tu Samhitäpäthe: vah väm vd val vi?, atra vakäro laghufch), devo vah (1,1), yd vam (7,11) cakshusho vä (18, 58), na v& u (23, 16), td w munca (27, 33), Padapäthe tu guru(k), vvah, vväim vty-ädt. „Der letzte der Halbvocale, d. i. v, ist (wenn er einzeln steht) als initialer Laut schwer, als inlautender mittel, als finaler leicht zu sprechen.“ Was hiermit gemeint ist, erhellt nicht recht. In der Handschrift ist das initiale » doppelt geschrieben, und soll dadurch wohl vermuthlich eben die Schwere der Aussprache, d.i. doch wohl das längere Aushalten des Stimmtones, angedeutet werden; in der That wird auch guru in 23. geradezu in der Bedeutung „Position machend“ gebraucht. Auch ist diese Verdoppelung des initialen » nach Vokalen in den Mss. der Ps. (speciell in den als dirghapätha bezeichneten) ziemlich regulär eintretend, und dem entsprechend auch in der neuen Ausgabe derselben, welche Giri Prasäda Varman, Räja von Besma (Beswan, Vievamitrapura) daselbst nebst einer Hindi-Übertragung des Vedadipa lithographirt erscheinen läfst®, fest- ! diese Stelle ist mir aus Vs. nicht zur Hand. ® 7? yah ydm (mit virdma) ydve I grivau | Cod.; was die letzte Silbe vau hier be- deutet, ist mir unklar. ° das neuste Heft derselben (pag. 203—399, Vs. 5, 6-10, 34.) führt den Titel: gri- guklayajushi \ Mädhyandiniyagakhiya Vajasaneya! samhits \ gri Vydghrapädänvaya Giripra- söda \ varmaracita I grivedärthapradipäkhya \ Giridharabhäshya \ sahitä \ khanda 21 Ciran- jivagarudadhvajena likhita \ Vegametii prasiddhim gate ’tipräeine Vigvdl mitrapuriyanavald- Ihyal durgastha\ vyäghrapddaprakdgakägmayantrdlaye Gangäprasdi davarmano ’dhikd- rüln mudritäl\ samvat 1928, gakd 1793, iara (year!) 1871. Es schliefst sich diese Aus- gabe resp. ganz genau an die meinige an, und zwar so genau, dafs sie auch die darin vor- 117 84 WEBER: über ein zum werfsen Yazus gehalten. Es ist dies insofern auffällig, als ja doch in der Sprache faktisch, ähnlich wie im Griechischen, initiales v» mehrfach gänzlich beseitigt wird, vgl. arna aus varna, rishabha aus vrıshabha. Dals das auslautende » (in vväyav) leicht, nur gehaucht etwa, zu sprechen ist, steht im Einklange mit der Angabe des Vs. Prät. 4, 124 wie der übrigen Pratieäakhya (s. Ind. Stud. 4, 251 ff. Whitney zu Ath. 2, 21-24 p. 83 zu Tautt. Prat. 10, 19-23 p. 239), welche grolsentheils ja geradezu in bestimmten Fällen die völlige Ausstoflsung desselben verlangen. Nach der Amoghonandini gelten die von derselben, resp. vom Texte selbst (s. Regel 12.), für anlautendes y stipulirten Ausnahmen auch hier, nach Praepositionen also und nach atho ! wäre anlautendes » nicht schwer zu sprechen. — Die nächst folgenden Worte Rämagarman’s sind sehr ver- derbt; mit Hülfe der ihnen sich anschliessenden Beispiele hoffe ich in- dess ihren Wortlaut richtig hergestellt zu haben. Danach ist bei den kurzen Wörtern vah, vidm, vd, var, vi? die von unserm Text hier ver- langte Schwere des initialen » überhaupt auf den Padapätha zu beschrän- ken, während für den Samhitäpätha dasselbe als leicht zu gelten habe! 18. atho mürdhanyoshmano "samyuktasya tum rite sam- yuktasya ca khakäroccaranam I athä ’nta(h)sthakathanänantaram mürdhasthänasyo "shmanah shakärasyd ’samyuktasya, tavargam vind anyahald samyuktasya ca, khakdroccära- nam; ishe twä (1, 1), bibharshy astave (16, 3.), eushkydya. „Einzelnstehendes, oder mit andern Consonanten als Lingualen ver- bundenes sh ist als kh zu sprechen.“ — Also ıkhe tva, bibharkhy astave, cukhkyäya. Dies ist eine ganz zu dem Gebrauch der modernen indischen Dia- lekte stimmende Aussprache, die überdem auch durch den häufigen Wechsel zwischen sk und kA in Sanskrit-Mss., vedischen und nicht- liegende Citirung des (übrigens ebenfalls nur in Übersetzung mitgetheilten) Kätiyasütra bei- behalten hat, während sich in meiner spätern Ausgabe dieses Werkes die sitra innerhalb der einzelnen kandik& mehrfach anders vertheilt, und dem entsprechend auch anders ge- zählt finden. ! die von Rdmagarman angeführte Stelle hat aber athd, nicht atho. 2) ? was das vau hinter vi (resp. grö im Cod.) bedeutet ist mir eben unklar; die Bei- spiele enthalten nichts Entsprechendes. gehöriges phonetisches Compendium, das pratijnäsütra. 85 vedischen, als volksthümlich beglaubigt ist. Bei einigen Wörtern ist dieser Wechsel in der That so konstant, dafs man aus den Handschrif- ten allein gar nicht recht zu einer sichern Schreibweise gelangen würde. So wird z. B. khinga ganz konstant shidga (mit fernerer Verwechslung von a und d) geschrieben, vgl. meine Bem. zu Häla v. 277. Ohne die Ma- gadhi-Form sanda (s. Ind. Stud. 10, 233) würde kaum auszumachen sein, ob das Wort shanda oder khanda lautet. Das Gleiche gilt von pdäshanda, welches ohne die Lät- und Mägadhi-Form päsanda mit Päli pakkhandin (praskandin Dhammapada v. 244.) zu verbinden und daher päkhanda zu schreiben am einfachsten wäre. Bei mayükha würde die Etymologie, resp. dessen Herleitung aus yYm? durch Affıx üsha, diese Schreibung unbedingt als die bessere erscheinen lassen, wenn nicht die grammatisch-lexikalischen Auctoritäten dagegen wären; und umgekehrt empföhle sich bei tushära die aus gleichem Grunde ausgeschlossene Schreibung mit ih, da sowohl tuhrna als der Name der Tocharer, Tukhära Texage:, der fast stetig mit tushära verwechselt wird, für dieselbe eintreten würden. Auch die kuriose Schrei- bung Turushka Toügzcı erklärt sich am Besten durch ein vorauszusetzen- des Turukhka; ebenso! dreshkäna durch drekhkäna. — Vgl. hierzu übrigens noch den jehvamüliya der Pratieäkhya (d. 1. wisarga vor einer gutturalen Tenuis), an dessen Stelle die Mss. meist sh (oder einfaches A) bieten, und der vermuthlich ja doch auch als kA, resp. y, zu sprechen sein wird. 19. kshakäre? shakäravat! avayavasambhavane "pr mätrıkadau ganandt, ekavarnatvät, avayavanbhägd- bhävena khakdroccäaranam na bhavatı. 20. kakärayoge? khakäroccäranäbhäva itiniyamas tuna | cushkam ity adau viparitasamyoge kakärayoge pi khakäraroccäranasat(Üvät. — tum rite kim? pratyushtam, ereshthatamdya, krishnah. 19. „In ksh ist es als sh zu sprechen +; — 20. das Verbot der Aus- sprache als kA gilt jedoch nicht wenn sh mit k verbunden wird“ (d. ı. k hinter sh tritt, wie in gushkam). 1 s. Ind. Stud. 2, 254. 2 kshekäre Cod. 3 kvekd? Cod. * denn wenn auch sh in ksh drin steckt, so gilt — sagt Rämagarman — ksh doch nur als ein Buchstabe, wird auch im Alphabet separat als solcher aufgeführt. und kann nicht in zwei Theile zerlegt werden. 36 WEBER: über ein zum weılsen Yayus Ich habe diese beiden Regeln zwar hier als Theile des Textes ge- geben; es ist jedoch sehr leicht möglich, dafs sie vielmehr nur Bemer- kungen des Commentators sind. Denn theils ist die als Regel 20 hinge- stellte Angabe in der That so ungeschickt abgefalst, dafs man sich nur schwer entschliefsen kann, sie als Theil des Textes anzuerkennen, wie täppisch auch derselbe noch sonst mehrfach lautet; theils ferner ist die Angabe am Schlufs des Scholion’s zu 20: tum rite kim? direkt zu Re- gel 18 gehörig, somit die Annahme zwar nicht gerade nothwendig, aber doch schwer abzuweisen, dafs auch alles Vorhergehende ebenfalls noch als Commentar zu dieser Regel zu betrachten ist. Wenn ich trotz dessen 19. und 20. als zwei besondere Regeln hinstelle, so ist es der Inhalt allein, der mich dazu bestimmt, da er, wenigstens was 19 betrifft, eine nothwendige Ergänzung zu 18. enthält, und der von 20. däzu wieder, freilich nur als ein etwa mögliches Mifsverständnifs von 19. beseitigend, gehört. 21. adhyayanddikarmasv, arthaveläyam prakrityal ayam wuccäranavigeshah adhyayane! brahmayajne, tadddishu karmasu päräyanädishu. arthavicire tu ye varnds ta eva, na tu arthabhedah. „(Diese, im Bisherigen geschilderte, Weise der Ausprache gilt nur) für das (Selbst-) Studium und dergleichen Gelegenheiten. Wo es (dagegen) auf den Sinn ankömmt, (da sind die Laute) in ihrer ursprünglichen Ge- stalt (zu sprechen).“ So nach Rämagarman. Und in der That ist das Zu, das er ein- schiebt, wohl nothwendig, da wir nur so einen leidlichen Sinn gewinnen ?. Bei allen den Gelegenheiten also, wo es sich blos um Memoriren oder um Herplärren handelt, mag man sich der im Bisherigen angegebenen Er- leichterungen (für uns erscheinen sie freilich nur theilweise als solche!) bedienen. Sobald es sich dagegen um das Verständnils des Textes han- delt, also wohl bei der Erklärung eines Textes vor Schülern, da ist da- von zu abstrahiren. — Hiermit sollte nun eigentlich von Rechts wegen dieses strebsame phonetische Compendium schliefsen, denn offenbar ge- hört eine sölche Angabe nicht mitten hinein, sondern an den Anfang I Oyanam Cod. ® Auch in 25. ist prakrityd gegensätzlich gebraucht. gehöriges phonetisches Compendium, das pratinäsütra. 87 oder an das Ende desselben. Es folgen aber noch sechs, und zum Theil gerade recht wichtige Regeln. 22. athä 'nusvärasya » ity ädecah gashasaharepheshu | gashasaharepheshv it! sambhaväbhipräyam, tatrai "vd "nusvärasya vi- dhändt. atho "shmakathanänantaram anusvärasamjnakasya ayogavd- hasya »kärädegah syät, gakärädishu; tri-gat, havisshi, payd-si, dri-hasva, sa» rdyah (3, 29). „Vor den Sibilanten und r tritt (das Zeichen) » als Substitut für den anusvära ein.“ Dies ist also geradezu nur eine Schreibevorschrift! an Stelle der in Vs. Prät. 4, 1-3 (Orikshä& 28) vorliegenden phonetischen Regeln über die Umwandlung von finalem m, resp. n. In der folgenden Regel (23.) wird übrigens dieses Zeichen geradezu wieder als Laut behandelt, und die Ungeschicktheit dieser Weise der Darstellung klar dokumentirt. Und nun gar die Benennung des Zeichens in 24 als »kära ist geradezu ein Curiosum, da Adra doch eben nur von einem Laute gebraucht werden kann, wie dies dort allerdings auch der Fall ist; dieselbe steht resp. ge- radezu in direktem Widerspruch mit Ps. Prät. 1,41. Taitt. Prät. 1, 18. — Rämacarman’s Bezeichnung des anusvära als ayogaväha veranlafst mich übrigens zu einer Abschweifung. Sie kehrt auch zu Vs. Prät. 8, 23 wie- der, wo er (fol. 2°) theils im Text ath& ’yogavahäh liest, theils im Comm. sagt: visargädayo varnd ayogavdhasamjnakäh syuh, vgl. hierzu Ind. Stud. 4, 325. 354. Und so (ayoga°) hat auch das Mahäbhäshya (ed. Ballantyne p- 166. s. Ind. Stud. 8, 212.), wo dieser dem visarjaniya, jihvämkliya, upa- dhmäniya, anusvära und den yama gemeinschaftliche Name dadurch erklärt wird, dafs dieselben (katham punar ayogavähäh?) ayuktä vahantı anupa- dishtäg ca grüyante. Wenn nun Kaiyata in seinem Scholion: ayuktäh, pratydhäralakshanena, päthäbhäväd asambaddhäh, Nägoji in seiner Glosse: pratyähärabodhakalakshanend "yuktäk, endlich dem ’ entsprechend Gold- stücker in seinem Wörterbuch (unter ayukta und ayogavdha): „which let- ters have not the mark of a pratyähära and therefore are not connected with other letters of the alphabet comprised by the pratyähäräs,“ dies ayuktäh damit erklären, dals die ayogaväaha nicht „mit einer pratyahära- Marke“ versehen seien, so ist dagegen zunächst zu bemerken, dafs das Väjas. Prät., wo das Wort eben zuerst (8, 23) vorkommt, auch gar keine 88 WEBER: über ein zum weisen Yazjus andren pratydhära in der Päninvschen Verwendung des Wortes kennt, somit es höchst auffällig wäre, wenn gerade bei diesen Lauten ein allen Lauten gemeinsamer Mangel so besonders pointirt sein sollte. Dagegen ist nun zwar allerdings einzuwenden, dafs das betreffende Cap. des Väj. Prät. offenbar ein secundärer Nachtrag ist (s. Ind. Stud. 4, 324), der sehr wohl aus einer Zeit herrühren kann, in welcher Pänin’s System längst bestand. Jeden- falls wäre es indessen eine äusserst gezwungene Bedeutung, die dem Worte ayukta sowohl wie in noch höherem Grade dem Worte ayogavdha durch die obige Auffassung aufgeheftet würde. Dagegen ist die, denn doch auch traditionell gestützte Erklärung Urata’s: akaradırarnasamudäyena sahitäh santah ete vahantı theils nichts der Art enthaltend, theils ent- weder die Lesart yogavdhäk indiceirend, die der Text-Codex des Prät. hat, oder das a von ayoga als akära (Vs. Prät. 1, 37. 38), nicht als « privans auffassend. Willman, was allerdings durch Patanjah’s ayukta (neben anupa- dishta) indieirt wird, bei der Auffassung des a als a privans bleiben, so erscheint die Böhtlinek-sche Auffassung des Wortes (Panini 2, 413) immer noch als die geeignetste; die betreffenden Laute lassen sich weder den Vokalen noch den Consonanten fest anschliefsen, stehen zwischen beiden, unverbunden damit, in der Mitte (als eine andere Art antahsthäs). Die Lesart yogavdha läfst sich indels ebenso gut vertheidigen, würde resp. darauf zu beziehen sein, dafs diese Laute stets nur in Verbindung mit andern Lauten, im Anschlufs an sie, resp. nur als Auslaut oder In- laut, nie als Anlaut, eines Wortes erscheinen. 23. tasya traividhyam äkhyätam hrasvadirghagurubhedair, dirghät paro hrasvo, hrasvät paro dirgho, gurau pare gurukl tasya w ity asya, tisrah vıdhah prakärd yasya [sa trividhah]!, tasya bhä- vah trividhatvam, uktam syät. kim tad? ity aha. dirghäd aksharät paro hrasvah ekamäträkdlah; hrasvdt paro dirghah dvimäträkälah; sam- yuktäkshare pare guruh dvwarndätmakah; tapisesht, gataw himäh 2, 27, bheshaja» eriyda 21 38, pydyatd» grotram 6,15. aträ "pi kageid vigeshah Amoghanandinydm: anusväro dvimätrah, duimäträt paro 'pi rikärodaye vyanjane pare, devände hridaye. „Dieser (Stellvertreter für anıısvdra) ist dreifach, kurz nach langer (Silbe, z. B. tapüsesht), lang nach kurzer (z. B. gataw himah), schwer (d. i. 1 diese beiden Worte fehlen im Cod. gehöriges phonetisches Compendüum, das pratijnasütra. 89 positionslang) vor einer schweren“ (d. i. Position machenden, mag der vorhergehende Vokal kurz sein, wie in bheshajaw eriyd, oder lang, wie in Pydyata» erotram). Kurz erklärt Ramacarman in der gewöhnlichen Weise durch: eine More haltend, lang durch: zwei dgl. haltend, schwer durch: aus zwei Buchstaben bestehend; letzteres ist nur eine Umschreibung, die über die Quantität selbst keine Auskunft giebt. Nach der Amoghanandini ist der anusvära zwei Moren haltend (wobei eben wohl zu ergänzen: nach einer kurzen Silbe), resp. auch nach einer langen Silbe, im Fall der folgende Consonant einen ri-Vokal hinter sich hat (devänd» hridaye).! Diese dreifache quantitative Theilung des nasalen Nachklanges er- innert an die Spielereien, welche in den Upanishad mit der ardhamäträ, dem vindu, näda etc. des pranava-Schlusses (om) vorgenommen werden, s. Ind. Stud. 2, 2.4. 9, 47 Räma Täp. 312. 315. 333. — Vgl. im Übrigen dazu bereits die Angaben des Ztik Prat. 15, 13 (Müller ad 1.) Vs. Prät. 4, 147. 148. Taxtt. Pr. 1, 34 (Whitney p. 28). 24. mämspacanyä (25,36) ity atra tu na »käroccäranam I anusväräbhävdt. rikprätigäkhye (4, 35) nakäralopä-"disvaränunäsikatvayor? vrdhänät? tadanusaranasyar 'vau ”cityat*, atra viceshänukteh. „In mämspacanydh indessen wird (der anusvära) nicht als » ausge- sprochen.“ Rämacarman beruft sich hiefür auf das Rikprätieäkhya, wo für dies Wort (2.1, 162, 13) sowohl der Ausfall des n in mänsa als die Nasalirung des vorhergehenden Vokals gelehrt sei; danach habe man sich zu richten, da hier (d. ı. doch wohl für den weilsen Yajus, im Vs. Prät. also) keine Differenz angegeben sei. Dies ist nicht nur richtig, sondern es ist sogar, was Rämagarman eurioser Weise übersehen hat, auch im Vs. Prät. geradezu (5, 43) dasselbe ausgesagt, indem daselbst dem Worte eine nasalische upadhä zu- geschrieben wird, wodurch eo ipso der Ausfall des Nasales bedingt ist. Ich habe bereits ad l. (Ind. Stud. 4, 309) meine Verwunderung über diese dortige und demgemäfs auch in den Mss. (leider nicht in meiner Ausgabe) der Vs. festgehaltene Behandlung des Wortes ausgesprochen, da ein Grund dazu nicht recht ersichtlich ist; mässa wird durchweg regulär geschrie- ı in Vs. kenne ich diese Stelle nicht, s. aber devänd» hridayebhyah 16, 46. 2 tyayor Cod. 3 °dhänd Cod. 4 doc? Cod. Philos.-histor. Kl. 1871. (2 Abth.) 12 7 90 WEBER: über ein zum weilsen Yayus ben, warum also nicht auch mässpacanyäh? In der Parallelstelle der Taztt. Samh. (4, 6, 9, 1) wird das Wort in der That sö geschrieben!, und hat demnach auch das Taitt. Prät. keine Regel nach Art derer des Rık Pr. und des Vs. Pr., behandelt vielmehr dasselbe (s. 16, 8) ganz auf gleichem Fufse mit den übrigen Formen von mässa. 25. parasavarna ishat?, prakrityäa ca, 'nyatra | gashasaharebhyo® "nyatra tu makärasya parapancamavidhänät? (s. Vs. Prät. 4, 11) tasya spashtam uccärane präpte parasya varnasya savarno yah pancamah tasya ishat sädrieyena? uccäranam syät. tan jJanan 12, 52 ıty ädau, väjan Jayatu 5, 37 ty ddivat, akäräder na spashtam® uccäranam. „Vor andern Lauten (als den Sibilanten und r) wird (der anusvära) denselben (nur) ein wenig homogen, und (bleibt dabei faktisch) unverän- dert“ (tam jänan wird tan jänan, resp. ähnlich gesprochen wie das aus väjän jayatu entstehende vajan Jayatu). Nach Rämagarman wäre parasavarna geradezu als „der dem fol- genden Laute homogene Nasal“ aufzufassen; dazu würden aber die Worte prakrityd ca (vgl. Regel 21), die er ganz ausläfst, nicht recht stimmen, denn wenn der anusvära geradezu, wenn auch nur „ein wenig“, zu einem andern Nasal wird, kann er nicht gut prakrityä bleiben. Freilich ist auch bei meiner Auffassung die Regel einen gewissen Widerspruch in sich tragend. Was Rämagarman’s Schlufsworte: akäräder .. besagen, ist mir nicht klar. — Die Regel steht, obschon die äufsere Form gewahrt bleibt, dennoch mit Vs. Prät. 4, 11 eigentlich in direktem Widerspruch. 26. visargeshv ishad virdmak | visargeshu antariyakärdhamäträkäläpekshayd? kimerid adhıko virämah avasinam kriwä agrimavarnoccäranım käryam, vasoh pavitram (1,2. 3). „Bei (der Aussprache) der vxsarga (findet danach eine) etwas (längere) Pause“ (als die jedem Consonanten zukommende halbe More, s. Vs. Pr. 1,59 Taxtt. Pr. 1, 37, beträgt, statt). Warum hier visarga im Plural steht, ist mir nicht klar. ! ebenso im Käth. Agv. 6, 4, wo übrigens die überhaupt ja ziemlich inkorrekte Handschrift durch ein Versehen nur md*p°, nicht md=sp” liest. 2.2 Oymesha° Cod. 3 Pshasahebhyo Cod. 4 dhänd Cod. 5 gyema Cod. 6 spatam Cod. ? Pgeshu näntari® Cod. gehöriges phonetisches Compendüm, das pratijnäsütra. 91 27. padädyasya samyuktäkärasye ”shad-dirghatä ca bhavatı | padasyd ”dibhütasya halsamyuktasya akärasya hrasvasya ishaddir- ghatö ca ekamäträkäläpekshay& kimerdadhikakäloccäranam sydt; vasoh pavitram 1, 2.3. padädısthasyeti! kim? väyavah. halyuktasya! "" ? kim? anu na. akärasyeti kim? dhruvam. „Auch? ein in der ersten Silbe eines Wortes befindliches, verbun- denes (d. i. nach einem Consonanten stehendes) @ wird etwas lang (d. ı. länger als die ihm eigentlich nur zukommende eine mäträ) gesprochen“ (z. B. vasoh pavitram als väsoh pävitram). a gilt nämlich im Vs. Prät. 1, 55. 56. Taitt. Prät. 1, 32. Rıik Pr. 14, 29 durchweg als Prototyp eines kurzen Vocals, dem resp. nach ibid. und Rik Pr. 1, 16. Ath. Pr. 1, 59 eine mäträ zukommt; und wenn Pänini 1, 2, 27 allerdings dafür z verwendet, so hat dies doch wohl nicht blos quan- titätliche Gründe, s. meine Bemerkung zu Vs. Prät. 1, 72. Ind. Stud. 4, 119. 5, 92ff. und im Monatsberichte der Akademie 1871 p. 616 Für diese Angabe ist mir Analoges nirgendwo sonst zur Hand. Rämagarman’s Gegenbeispiele vayavah, änu, dhrüvam zeigen die Be- schränkung auf die erste Silbe, auf das nach einem Consonanten stehende a, und schliefslich eben auf den a-Vocal allein. Ich schliefse hier denn noch das von Rämagarman unmittelbar nach dem pratijnäsütra aus der Yäjnavalkyagikshä mitgetheilte Citat über die Bezeichnung der Buchstaben durch eine Art Finger- sprache an; (seine dritte Zugabe zu seinem Commentar, die von den acht vikriti des kramapätha handelt, ist bereits von G. Thibaut in seinem dankenswerthen Schriftehen über den jatäpätha, das jatäpatala, Leipzig 1870 veröffentlicht worden). atha Yäjnavalkyagıkshoktä hastena pradarganiya vwishayd lıkhyante. ı dies ist eine nicht korrekte Weise, den Text zu eitiren; derselbe hat padddyasya, resp. samyuktä° ? halayuktasya Cod. 3 ca dient hier wohl nur zum Anschlufs an Regel 26? oder steht es in prägnanter Weise, an Stelle von vd? 12* - 92 WEBER: über ein zum weifsen Yajus 1. mushtyakritir makäre tu, nakäre tu nakhagrahah \ anusväre ngushthakshepag cd, "ngushthäkuncanam laghau \ kakäränte! takäränte nane ’dho "ngulindmanam \ pancängulyam? pakäre tu, takäre kundaläkritih \ 3. dirghe range ca tarjanydh prasärah parikirtitah \ ürdhvakshepäe ca yag co "shmä adhahkshepäc ca yo bhavet | 4. ekarkam utsryjed dhirah svarite tü "bhayam kshipet \ dvimätrike bhaved ekäd mätrike tu "bhayam kshipet \I [S>} 5. svaritam yad bhavet kimerd vakärasahasamyutam® N tatro ”shmani vijäntyän nikshepa ubhayor api \\ 6. jätye ca svarite cawva yakaro yatra drieyate \ kartavyas tü "bhayoh kshepah sadasyair it midarcanam | asyärthah. makdre mushtih, nakäre angushthena tarjaninakha- grahanam, pakäre pare pancängulimelanam, takäre kundaläkärah, ka- käre takäre nakäre nakäre ca tarjanimadhye nämayet, ete prakäräk pa- däntiyeshut varneshu. sarvatra anusväre angushthafhier ist wohl eine Lücke; etwa °kshepanam, laghäv angushtha)kuncanam, gurau tu angush- thaprasäranam. svaraparam anunäsikam ranga il gishtä vyavaharanti; uktam ca Pänini-eikshäydm (R v. 26): yatha Sauräshtrakä näri takra» ty abhibhäshate \ evam rangäh prayoktavyd khe arü=» wa khedayd N range tarjaniprasäranam. wudättät pare visarge tarjanyakh prasäranam, amu- dättät pracayde® ca pare kanishthikäyäh; hrasvät svarität pare ubhayoh, dirghät pare kanıshthrkäyäh; vakarayuktad dirghäd® api pare ubhayoh, yakdrayuktäj)? jätyasvarıtad dirghäd api dvayor eva. 1. „Bei einem m ist die Faust (mushte) zu ballen, bei n (mit dem Daumen) der Nagel (nakha, des Zeigefingers) anzufassen; bei anusvära ist der Daumen (angushtha) zu schnellen, bei einer leichten (Silbe) der- selbe resp. zu krümmen, (bei einer schweren vorzustrecken) ; — 2. bei einem auf k oder t endenden (Worte) und bei ä, » sind die Finger (wohl der Reihe nach ?) nach unten (nach der Mitte des Zeigefingers zu, schol.) zu I kakarote Cod. ? ob päne?? 32 °eid dakara” Cod.; das sahasamyukta ist sehr kurios, ebenso wie in v. 6 caiva neben ca. * avasdnasyeva Randbemerkung, wohl "syaiva zu lesen. > caydyde ca Cod. 6 2? yakära? Cod. ? Pktaj5 Cod. gehörtiges phonetisches Compendium, das pratimnäsütra. 93 neigen, bei p alle fünf (pancan) Finger an einander zu schliefsen, bei £ ist (damit?) ein Ring zu schliefsen; — 3. bei einer Länge und bei Nasa- lirung ist der Zeigefinger vorzustrecken. Wenn ein Sibilant (resp. nach Rämagarman: der visarga) nach einer Emporhebung (d. i. nach einem udätta) oder nach einer Senkung (d. i. nach einem anudätta) folgt, — 4. so entlasse der Kundige je einen (der beiden Finger). Beim svarıta aber schnelle er Beide aus; bei einem zwei Moren haltenden (svarıta?) wird es (zwar nur) ein (Finger) sein, bei einem einmorigen (dagegen) schnelle er Beide aus; — 5. wenn es (ferner) eine mit v versehene beliebige (kurze oder lange) svarıta-Silbe ist, da, bei (folgen- dem) Sıbilant (wsarga), wisse man, es sind auch alle Beide nieder zu schnel- len; — 6. und ebenso, wenn es sich um ein y bei einem jätya svarita handelt, z. B. sadasyaık, da sind (ebenfalls) Beide zu schnellen.“ Nach Rämagarman ist resp. der zweite äufserst prolix zwar, aber doch höchst undeutlich abgefafste Abschnitt (v. 3’”—6) folgenden Inhalts: Wenn ein vısarga nach einem udätta steht, ist der Zeigefinger, nach einem anudätta und pracaya aber der kleine Finger vorzustrecken; folgt er nach einem kurzen svarıta, so sind Beide vorzustrecken, nach einem langen nur der kleine Finger, alle Beide jedoch auch nach einem langen, wenn derselbe mit einem » verbunden ist, oder wenn er ein jältya svarita ist und zu einem y gehört. Diese Fingersprache ist ohne Zweifel wohl als eine weitere Entwicklungsstufe der Bezeichnungsweise der Accente durch Heben oder Senken der Hand zu erachten, und bildet immerhin ein gewisses Analo- gon zu unserer Taubstummen-Sprache. Die Wahl der Bezeichnungs- art ist dabei zum Theil ganz ersichtlich von dem Bestreben getragen, dem Gedächtnils dadurch zu Hülfe zu kommen, dafs man die Buchsta- ben je an Stellen knüpfte, deren Namen je damit beginnt, so anusvära an angushtha, n an nakha, p an pancängulya, m an mushti; bei den übri- gen Buchstaben liegt freilich nichts der Art vor, und erscheinen sie ganz willkürlich vertheilt. Die Angaben selbst sind übrigens sehr kurz und so unzureichend, dafs nicht einmal erhellt, ob unter kt? p blos diese Laute (wie bei ü%, n, n, m), oder auch die übrigen tenues und sonantes der be- treffenden Organe enthalten sind; die Palatalen, die Halbvokale, die Sibi- lanten sind gar nicht erwähnt, die Vokale nur durch dıe Kategorieen 94 WEBER: über em zum wersen Yazus leicht, lang und nasalirt vertreten. Diese anscheinende Unzureichendheit erklärt sich indefs ziemlich einfach. Nach Rämagarman handelt es sich nämlich hier überhaupt nur um am Ende eines Wortes stehende Buchstaben, und für die Richtigkeit dieser Auffassung treten denn auch die Angaben des Textes ein, wenn man näher zusieht. Es sind zunächst in der That nur solche Buchstaben aufgeführt, die als finale Laute stehen können (ein Fall, der übrigens bei k, t, n, p selten genug ein- tritt!). Es findet sich ferner in v.2 die ausdrückliche Angabe kaka- ränte takäränte, wobei es freilich auffällig bleibt, dafs bei den andern Buchstaben eine dgl. Angabe fehlt. Es zeugt dafür endlich, und zwar ganz speciell, der Umstand, dafs der Text in seiner höchst ausführlichen Be- handlung des visarga denselben einfach durch den Namen üshman be- zeichnet; er ist ja nämlich der einzige üshman, der in Pausa als finaler Buchstabe stehen kann, und es bleibt somit in der That trotz dieser allgemeinen Bezeichnung kein Zweifel darüber, was unter derselben zu verstehen sei. Es frägt sich nun, wie diese Beschränkung auf die finalen Buchstaben aufzufassen ist. Die Antwort hat wohl einfach dahin zu lauten, dafs die Bezeichnung sämmtlicher Buchstaben eben nicht gut auszuführen war; auch die der initialen Laute erschien vermuthlich noch zu schwierig, schon deshalb, weil ja fast sämmtliche Laute des Alpha- bets als solche erscheinen können, und so entschied man sich denn, um sich innerhalb der Gränze der bequemen Durchführbarkeit zu halten, für die Finalis. Bei den Regeln über die Aussprache des vesarga ist nun hier- bei specielle Rücksicht genommen auf den vorhergehenden Accent!. Eine ganz unmittelbare Bezeichnung der Accente selbst aber durch Fin- gerstellung liegt bereits in der erkshä R v. 43.44 vor (s. Ind. Stud. 4, 365): „Den udätta zeist an der Stier der Finger (d. ı. der Daumen), geneigten Hauptes zu des Zeigfingers Wurzel, — ! den svarita, wenn an die Mitt’ gehalten des Vorletzten, — den anudätt” am Kleinsten. I Als udätta den Zeigfinger, als pracaya den in der Mitt’ ı als nihata den kleinsten wıls’, den nächstkleinsten als svardta.* Il Und hierzu ist aus Whitney’s sorgsamer Bearbeitung des Tartt. Prät. aus ı dafs die beiden dabei zur Anwendung kommenden Finger der Zeigefinger und der kleinste Finger sind, wie Rdmagarman angiebt, wird ihm wohl zu glauben sein. gehöriges phonetisches Compendium, das pratijnäsütra. 95 dem Comm. zu 23, 17 zunächst nachzutragen, dafs der Schol. daselbst den ersten dieser beiden gikshä-Verse nicht als solehen, sondern als in dem Kauhaleyahastavinyäsasamaya „Kauhaleya’s system of motions of the hand“ seine Stelle habend anführt!, und ferner, dafs er dazu noch einen andern Vers, diesen resp. als einer giksh& entlehnt, beibringt; derselbe lautet: kanishthikä "ndmikä ca madhyamäd ca pradegink \ nicasväradhritodättän angushthägrena mirdiget \\ „Der kleinste (Finger), der Namenlose (Ringfinger), der Mittlere, der Zei- gefinger I bezeichnen in Verbindung mit der Spitze des Daumens je den nie- drigen (Ton), den svarıta, den gehaltenen (pracaya), den erhobenen Ton.“ Kauhaleya wird auch im Schol. zu 19, 4 (p. 430) als Auctorität eitirt, und ist theils zunächst mit dem Kauhaliputra des Textes (17, 2; auch im Schol. zu 5, 40) in Bezug zu bringen, theils wohl noch speciel- ler mit dem Kohala, welcher im Schol. zum eikshävyäkhyana (s. oben p- 74) direkt als Vf. einer gikshä genannt ist. Der Name Kohala, Ko- hara bezeichnet ein Volk im Norden, und werden damit speciell auch zwei Autoren auf grammatischem, resp. dramaturgisch-musikalischem Ge- biete bezeichnet, s. Ind. Stud. 8, 272-273. Im Gobhilagrihya 3, 4, 29 er- scheinen die Kauhaliya als eine Sama-Schule. Wir werden somit durch diesen Namen unmittelbar in die alten vedischen Schulen hineingewiesen, bei welchen somit eine dgl. Fin- gersprache, zur Bezeichnung der Accente beim Veda-Lernen oder -Recitiren, schon früh als Hülfsmittel verwendet worden sein mag. Und so mögen hier denn schliefslich zu der von mir bereits oben am a. O. der Ind. Stud. (4, 366) in Bezug auf die Symbolik und die dem entsprechende Verwendung und Benennung der Finger aus vedischen Texten bei- gebrachten Angaben noch einige weitere Data der Art folgen. Bereits in der Riksamhritä werden die Finger in höchst specieller Weise, insbesondere auf Grund ihrer Thätigkeit beim Reiben des Feuers und beim Pressen des soma-Saftes verherrlicht, und finden sich darin zahlreiche mystische Beziehungen darauf. Direkter Zeuge hiefür sind die zwei- undzwanzig Synonyma für Finger (angulinamänr) im Naighantırka 2, 5 (Nir. 3,8.9). Sie erscheinen daselbst resp. als Schwestern, Verschwisterte, Verwandte, Jungfrauen, — als Zügel, Joche, Bänder, Riemen, Gurte, — als Spitzen, Zweige, — als dünn, pfeilartig, — als verständig, hurtig, 96 WEBER: über ein zum weisen Yajus als Rehe (rehartig flink). Wenn sie uns hierbei stets eben nur in ihrer Gesammtheit vorgeführt werden, so treten sie dagegen in den Texten der Ritualperiode (Dräahmana wie Suütra) vielfach auch vereinzelt auf. Und zwar finden sich zunächst mehrfach specielle Versuche zur Erklä- rung ihrer Gesondertheit und ihres gegenseitigen Verhältnisses dabei, da- für dafs sie, obschon verbunden, doch verschieden wirken (Cat. 7, 5, 2, 62), insbesondere zur Begründung ihrer allmähligen Gradation, und speciell zur Motivirung des Übergewichts, welches dem Daumen über die übrigen vier Finger zukömmt. Die Daumen sind die Männer, die Finger die Frauen, heifst es im Cat. 10, 1,1,8. Und specieller in 7s. 6, 1,9, 5. „Sie (die Finger) haben verschiedene Kräfte, zu allen aber biegt man den Daumen hin, drum hat er ebensoviel Kraft wie alle übrigen; wenn man gleichzeitig mit allen Fingern die soma-Stengel aufmessen wollte, würden die Finger zusammengewachsen entstehen, man messe daher je mit einzelnen Fingern auf!, drum werden sie getheilt gebildet?.“ — An einer andern Stelle (Cänkh. er. 16, 24, 1-11) wird ihre Reihenfolge im Ein- zelnen mit der entsprechenden der stoma, resp. Tage, bei einem fünf- tägigen soma-Opfer in Bezug gebracht; sie werden dabei nicht besonders benannt, sondern nur durch „dieser hier,“ also durch direkte pantomi- mische Hinweisung (abhinayena) bezeichnet, womit denn eben offenbar die ursprünglich rein mündliche Überlieferung des betreffenden Textes eo ipso bedingt ist?: „dieser hier (der Kleinste) entspricht dem trivrit se, an welchem oO (aus neun Versen bestehenden stoma, resp. dem ersten Ta nur dieser sioma zur Anwendung kommt), dieser hier (der Finger dane- ben) dem pancadaca (aus 15 Versen bestehenden stoma, Tag 2), dieser hier (der Mittlere) dem ekawnca (aus 21 Versen bestehenden stoma, Tas 24 ( oO ı nach der Parallelstelle im Catap. 3, 3, 2,13 und Aaäty. 7,7, 14-18 findet das erste Aufwerfen mit allen Fingern statt, bei den folgenden Malen läfst man je einen Finger resp. je immer einen Finger mehr, aus, zuerst den Daumen, dann ihn und den Zeige- finger etc. Mit dem Kleinsten falst man zweimal zu, und steigt dann wieder aufwärts; beim zehnten Male nimmt man eine ganze Handvoll. ? tasmän ndändvirya angulayah, sarvdsv angushtham upa ni grihndti, tasmät samdvad- viryo 'nyabhir angulibhis, tasmät sarvd anu sam carati; yat saha sarväbhir mimita sasglish- td angulayo jäyerann; ekaikayo 'tsargam mimite, tasmad vibhakta Jayante. 3 vgl. hierüber das bereits in meiner Abhandlung „die neueren Forschungen über das alte Indien“ (1854), resp. in den Ind. Skizzen (1557) pag. 15 Bemerkte, gehöriges phonetisches Compendum, das pratijnäsutra. 97 3), dieser hier (der Namenlose! nach dem Schol.; man sollte den Zeige- finger erwarten, denn der Namenlose ist sonst der Finger neben dem Kleinsten) dem saptadaga (aus 17 Versen bestehenden stoma, Tag 4), die- ser hier (der Daumen) dem catushtoma atiraätra (dem fünften Tage, bei welchem alle vier stoma zur Anwendung kommen); und weil nun der ekavinga der gröfste der stoma, ist auch dieser hier (der Mittelfinger) der gröfste von diesen (Fingern); weil ferner der letzte Tag ein atirätra ist, bei welchem alle vier stoma verwendet werden, darum steht dieser Daumen hier allen Fingern (zusammen) gleich.“ Und ganz analog ist die Darstellung im (at. Br. 12, 2,4, 2-6, wo- selbst die Finger in der gleichen Reihenfolge mit den Metren, gäyatri nämlich, Zrishtubh, jagati, vira) und pankt! gleichgestellt werden und daraus ihr gegenseitiges Verhältnifs erklärt wird?: tasmäd iyam dsdm hrasishthä, tasmdd iyam asyal hrasiyasi, tasmäd iyam äsdm varshishthä (s. übrigens auch ibid. 11, 5, 2, 2), fasmäd iyam asdm anndditamä, tasmad ayam asdm prathishthah. Dals sich die hier vorliegende Bezeichnung des Zeigefingers, als des „von allen Fingern am meisten Nahrung ver- zehrenden“ in der That, wie ich bereits am a. ©. (Ind. Stud. 4, 366) vermuthete, auf die Verwendung desselben beim Essen bezieht, dafür ist zunächst eine andre Stelle des Catap. br. (2, 4, 2, 18) von Bedeutung, wo es zwar nur heilst: „sö opfert man den Göttern, (so) schöpft man (das Essen aus der Schüssel) für die Menschen, (so) für die Väter,“ wo aber zu diesem: sö eben speciell die entsprechende Pantomime mit den Fingern hinzugehört. Nun giebt zwar Sayana Näheres hierzu nur für den ersten und letzten Fall an (den Göttern opfert man mit der Fingerspitze, den Vätern mit dem Zwischenraum zwischen Daumen und Zeigefinger, für die Menschen schöpft man yathäayogam, wie es gerade palst), und die Scholien zu Kdäty. 4, 1,10 geben sogar ausdrücklich die Gegend des ' tad vd idam (aharyogarüpam) üsdm (angulindm) eva rüpene, "yam (kanishthd) eva trivrito rüpene, "yam (upakanishthika) pancadagasye, "yam (madhyamd) ekavingasye, '"yam (andmikd! dafür upängushthilkä] am Rande) saptadagasye, "yam (angushthah) catushtomasyd ’tirätrasya; tad yad ekavinga(h) stomändm varshishthas tasmdd iyam (madhyamd) dsdm var- shishthä, 'tha yac catushtomo "lirätra uttamam ahas tasmäd ayam anqushthah sarvda angulih pratyeti. ? in Bezug auf die pankti stimmt dies insofern, als dieselbe zwar nicht gröfser, aber doch mit ihren fünf kurzen pada breiter als die jagati mit ihren vier langen dgl. ist. Philos. - histor. Kl. 1871. (2' Abth.) 13 98 WEBER: über ein zum werfsen Yajus kleinsten Fingers (kanıshthikäpradegena mamıshyänäm uddharanam) als diejenige an, mit der man für die Menschen das Essen schöpft!; indessen jene Bezeichnung der pradegini als anndäditamä geht doch theils offenbar auf dieselben Beziehungen hin, theils finden sich ferner folgende direkte Angaben für die Verwendung derselben beim Essen. Zunächst Oänkh. Br. 2,2 atha yad dvih pradecinyä präendti, garbhän pürvena prindti tasmad anagnanto garbhäh pränantı, vayänsy ultarena tasmäd va- yansı bahu kim cit kim cid iva bhakshayanti evetam (päkam) wa prasräva- yantı (utsyyant); und Cänkh. er. 2, 9, 14 dvih pradeginyd präeyo ’pabdı- mat. Ebenso heifst es beim Verzehren der »/d-Portion im (ünkh. Br. 3, 7 atha yat pradeginydm vläydh pürvam anjanam adharaushthe nilimpaty uttaram uttaraushthe ...; im (änkh. er. 1, 10, 1 Wldm upahvdsyamdnasya dakshinasya päneh pradeeinydm anakty; und im Agval. ers, PR deginydh parvani uttame anjayıtvau "shthayor abhydtmam nimärshti; s. auch Aaty.3, 4,9 (und Schol. zu 10). 5, 4, 33. — An andern Stellen wird denn freilich das Zulangen als mit andern Fingern geschehend vorge- schrieben. So bei dem prägitram genannten Opferspeise-Antheil, der mit dem Nebenfinger des Kleinsten (upakamishthikayd) und dem Dau- men zu nehmen ist Cänkh. er. 4, 7. Käty. 2, 2, 18 (andmikängushthäbhyam prägnäti); ebenso bei der Ehrenspeise aus Honig ete., Namens madhu- parka Qänkh. er. 4, 21, 8. Ägval. g. 1,24,15. Beim agnthotra ist der in dem Löffel verbliebene Rest zu zweien Malen (blos) mit dem Namenlosen (and- mikaya, Ringfinger) zu verzehren Käty. 4, 14, 26. Einige theilen wenig- stens alle havıs mit der innern Seite des Daumens und Zeigefingers ab Katy. 2, 6,40. Nach dem Schol. zu Käty. 4, 1, 10 ist der Zwischenraum zwischen Daumen und Zeigefinger speciell für die Gaben an die Manen bestimmt. Die Knochen eines Leichnams werden resp. bei dem am vierten Tage nach der Verbrennung stattfindenden samcayanam mit dem Daumen und dem kleinsten Finger aufgenommen (Käty. 25, 8, 1); dagegen der bei einer Pollution entfallene Samen (Cat. 14, 9, 4, 5) mit dem Daumen und dem Namenlosen. Diese beiden Finger werden überhaupt noch ! wie es ja auch in unserm Kinderspruche heilst: „Der (der kleinste Finger) frilst sie (die Pflaumen) ganz allein.“ gehöriges phonetisches Compendium, das pratijndsütra. 99 mehrfach erwähnt. Für die anämrkd! speciell das Anbinden von Gold daran Käty. 7, 6, 27, das Aufwerfen von Schutt damit in eine Grube Kähy. 16, 3, 4, und resp. das Aufnehmen von Asche damit Katy. 16, 6, 29. Eine schnellende Bewegung mit beiden Daumen dient zur Abwehr des Feindes (at. 1, 3, 5, 7 (yam dvishyät tam angushthäbhyäm avabädheta). Käty. 3, 1, 7 (wonach auch die beiden grolsen Fulszehen dazu verwendet werden kön- nen). Insbesondere wird das Daumenglied als Maafs verwendet (an- gushthaparvamätra Katy. 1, 9, 6, angushthaparvavrıtta 1, 3, 38) und dies würde uns denn auf die Verwendung der Finger, resp. der drei Fin- gerglieder (Katy. 22, 8, 16-18), als Maafs überhaupt (s. (at. 10, 2, 1, 3) führen, damit aber weiter, als hier meine Absicht ist (vgl. übrigens u. A. hiezu Ind. Stud. 8, 432-438; acht yavamadıya, Gerstenkorn-Mitten, werden auch im Amuyogadvärasütra 32° und bei Vardhamihra 58,2 als Maafs eines angula angegeben). Von dem Mittelfinger scheint im Kaue. 36 erwähnt zu werden, dafs man, wohl um guten Schlaf zu sichern?, den Fuls der Lagerstätte daran anbindet?. Von ganz besonderer Bedeutung ist im Ritual die Beschneidung der Nägel, welche ebenso wie das Verschneiden der Haare, speciell das Rasiren des Bartes, mit der grölsten Ausführlichkeit geschildert wird. Auch dies würde uns hier zu weit führen, und bemerke ich daher nur, dafs man im gewöhnlichen Leben dabei mit dem kleinen Finger der lin- ken Hand, beim Opferritual dagegen mit dem Daumen der rechten Hand begann (at. 3, 1, 2, 4. Katy. 7, 2, 8. — Den Nägeln scheint man überhaupt eine ganz besondere Sorgfalt gewidmet zu haben, da das Wort kunakhin, ! über diese kuriose Bezeichnung des Ringfingers als des Namenlosen „in einer grolsen Anzahl von Sprachen verschiedenen Stammes“ s. die im Pet. Wört. s. v. ange- führten Stellen bei Böhtlingk über die Sprache der Jakuten p. 5° des Jakut. Deutschen Wörterbuchs, Bull. hist. phil. II, 345, Pott die quinäre und vigesimale Zählmethode p- 284. — Nach Närdyana zu Äcval. 9. 1, 24, 15 (s. Stenzler p. 61) verstehen übrigens Einige unter andmikä den Mittelfinger; und dafs gelegentlich auch, wohl aber irrig, der Zeigefinger so bezeichnet wird, dafür ist der Schol. zu (dnkh. gr. 16, 24, 9 (s. oben p: 97) ein Beweis, dessen andmikd daselbst indefs ja bereits am Rande durch wpdngush- thi(k&) verbessert ist. ® asthöäd dyaur Ath. 6, 44, 1 iti niveshtanam äveshtanena vangägram avabadhya madh- yamdyam badhndti gayanapddam; doch ist theils die Beziehung von madhyamd auf den Finger, so Pet. W., nicht sicher, theils ungewils ob gayanapddam nicht etwa zum Fol- genden gehört. Der angeführte Ath. Hymnus ist wohl als ein Schlafzauber zu verstehen. 19° 100 Werner: über ein zum wersen Yayus „einer der schlechte Nägel hat,“ in der älteren Literatur! durchweg ne- ben eyaävadant „einer der braune Zähne hat“ als Bezeichnung eines gemei- nen Menschen, mit dem man keinen Verkehr hegen darf (Ath. 7, 65, 3), erscheint. Das Austrecken aller zehn Finger nach Osten (resp. nach den verschiedenen Himmelsrichtungen hin) gilt als ein kräftiges Beschwö- rungsmittel 10, 34, 12 (dagd "ham präeih), vesp. als eine demüthige Ehren- erweisung Ath. 5, 28, 11 (tasmar namo daca präeih karomr). Gerade um- gekehrt aber ist auch das Binkneifen der Finger bei bestimmter Ge- lesenheit verordnet. Der zum soma-Opfer Geweihte nämlich (dikshita), und ebenso auch seine Gattin, muls während der ganzen Zeit der Weihe die Finger einkneifen? und damit — Daumen und Zeigefinger bleiben ! sg. Pet. Wört. 8. v. Statt: 7%. 2, 5, 17 lies daselbst 7. Dr. 3, 2, 8, 12 (Comm. zu Ts. 1, 1, 8 Roer p. 143) und füge noch Adth. 31, 8. Äpastamba 2, 12, 22 (ed. Büh- ler) hinzu. ” die hiezu praegnant verwandte Wurzel ac (anc, Yak, lat. une-), biegen, krümmen (die von der durch Joh. Schmidt behandelten yYak, scharf sein, getrennt zu halten ist; vgl. noch: udäcam, nydeam (at. 3, 3, 2, 14-16) liegt, wenn ich nicht irre, in derselben Bedeutung in dem Zahlwort: acht vor. akta nämlich fasse ich mit Ergänzung von: Hand als: geballt, den Dual aktau als: die beiden, unter Nreilassung der Daumen, geballten Hände Ns erscheint zwar allerdings im Sanskrit das Part. Perf. Pass. dieser y nicht als akta, sondern als akna, vgl. dkna (at. 3,2,1,5, paryakna ibid. 8, 1,3, 10, indessen dies steht der Annahme einer alten Bildung akta in keiner Weise im Wege (das im Pet. Wört, angeführte Part. Perf, Pass. nyakta gehört meiner Meinung nach nicht hierher, sondern zur yan)). — So gewinnt denn auch navan als die neue Zahl seinen erwünschten Bezug zu nava neu (welehes Wort seinerseits wohl mit Ysnu zusammenhängt, und ursprünglich: nals, feucht, dann: frisch, sehliefslich erst: neu bedeutet), in Analogie mit dem Zahlwort tri, welehes doch wohl auch nur das über das du, den Andern (tv«, vedisch), zweiten (dva) Hinausgehende (ytar) bedeutet. Im Anschlufs hieran bemerke ich noch, dafs die Beziehung von dagan zu Öwxrvros und Zehe sich am Besten durch eine Wurzel dak, dag lassen, halten vermittelt, zu der etwa noch alıd. zahi, zach, engl. take, ved. dägasyati, Int, decus und als altes Desiderativ Ydaksh nebst daksha Geschick, dsFios, dewter, zend. dakhsta gehören könnten (5 digitus dagegen gehört zu der ursprünglich gewils verwandten Wurzel dig, zeigen, eig. wohl auch nur festhalten, fixiren, während yYdäg wohl Weiterbildung ist aus dd, wie facere aus dhd). Auch pancan hängt wohl mit paksha, pugnus, wv&, goth. fahan, langen (eig. fest machen, pac-isei s. Kuhn Z. 6, 319) zusammen; es gehört hiezu resp., mit der gleichen Trübung des a nach dem labialen Anlaut wie in zux- zuyar pugil, auch wohl skr. mushti für pashti, pushti, schon von Bopp mit unserm füst, Kaust, verglichen, gebildet wie asııta aus akta (für das Deutsche sollte man dann freilich: fuht erwarten! vgl. etwa Kuchtel?). Für die heilige Zahl saptan gehöriges phonetisches Compendium, das pratynaäsutra. 101 jedoch ausgestreckt — zwei Fäuste machen (atap. 3, 1,3, 25. 2, 1, 6. 36. Käty. 7, 3, 7. 9. 10. 8, 7, 19. Er stellt sich damit nach dem (at. gleichsam als einen Embryo hin!, denn die Embryo tragen ihre Finger eingekniffen. Vermuthlich liegen indefs hierbei abergläubische Vorstellungen nach Art unseres Einkneifens des Daumens (s. Ind. Stud. 10, 358 Wuttke deutscher Volksaberglaube $ 401. 419. 450) zu Grunde. Bei der Öeremonie des gegenseitigen Treuschwures zwischen dem Opfernden und seinen Prie- stern (dem tänimaptram) schliefst Ersterer die Finger enger und zieht die Schärpe noch fester (at. 3, 4, 3, 2-5 (Ind. Stud. 10, 363). Endlich sind es — und wir kommen hiermit im Wesentlichen auf das zurück, wovon wir hier ausgegangen sind, — verschiedene Stellun- sen der Finger, welche bei den täglichen Gebeten und Observanzen der jetzigen Hindu eine grofse Rolle spielen, und denen die mannich- fachsten mystischen Bedeutungen beigelegt werden, vermuthlich eben im Zusammenhange mit einer der oben besprochenen ähnlichen Fingersprache; vgl. hierüber den Bericht von Herm. Brockhaus über das hierfür klassi- sche Buch der Mrs. Belnos „the Sundhya or the daily prayers of the Brahmins“ (1851) in der Z. der D. M. G. 6, 551ff. Dieselben führen den technischen Namen mudrä und gehören offenbar im Wesentlichen dem yoga, resp. tantra-Üeremoniell an, vgl. hiezu u. A. auch meine Abh. über die Räma Täp. Up. p. 300. Ind. Stud. 9 30 so wie Aufrecht im Oatalogus der Sanskrit-Mss. der Bodleyana p. 70° (Skandapurana). 94" (Tantrasära). 235" (Hathapradipikäa). 236” (Gorakshagataka). Indessen mögen sie wohl auch noch in ältere Zeit zurückgehen, wie denn offenbar von ihnen der Name samudrika? für die doch wohl eben bereits hoch hinauf zurückreichende Kunst der Chiromantie entlehnt ist. — Von Interesse ist in letztrer Beziehung, womit ich hier schliefsen will, dafs unter den 32 Kennzeichen böte sich etwa durch Ysap rer > arru der Begriff der steten Verbundenheit, oder dureh Ygap fluchen (müfste aus sap entstanden sein!) der der Schwurzahl (??); es macht hier indessen die ähnlich lautende Form des Semitischen ganz besondere Bedenken. Für eatvar und shash (kshvas, sex) bietet sich mir gar nichts zur Erklärung dar. I vgl. Ait. Br. 1,3 punar vd etam ritwijo garbham kurvanti yam dikshayanti; er wird symbolisch ein ganz neuer Mensch, frei von aller Schuld. ? der mit samudra Meer, oder einem Vf. Samudra, so im Gabdakalpadruma: Sa- mudroktastripumlakshanagrantha, nichts zu thun hat, trotz des dafür eitirten Textes: grinu Krisima pravakshyami Samudravacanam yathd. 102 WEBER: über ein zum weilsen Yayus eines mahdpurusha, welche die Buddhisten als am Körper Buddha’s be- findlich aufführen, s. Burnouf Lotus de la bonne loi p. 553 ff., sich auch die von Burnouf irrig auf netzförmige Linien in der Hand gedeutete Angabe findet, dafs seine Finger (und Zehen) je durch eine Membrane (Ansatz zu einer Schwimmhaut) verbunden sein sollen (so bereits Foucaux’s richtige Auffassung nach der Tibetischen Übersetzung, s. Burnouf p. 574.) Dafs dies nämlich der richtige Sinn der Wörter: Jdlängulihastapäda, jaläbandhanahastapäda, jaläbaddhawajrängulipänipäda- tala, jalahatthapäda sei, ergiebt sich mit Sicherheit aus dem in Act 7 der Cakuntala (ed. Böhtlingk p. 102, ed. Cowell. p. 155) sich findenden Ausdruck: jalagrathitängulih. Dushyanta erkennt darin ein Zeichen des cakravartin in der Hand seines Sohnes, dafs dieselbe „durch eine Netzhaut verbundene Finger“ habe. Und wenn auch hier gerade allenfalls, da Sarvadamana (Dharata) der Sohn einer Apsaras, Schwanenjungfrau, ist, diese seine Abkunft die Ursache dazu sein könnte, so sind doch theils die Worte des Dushyanta ganz allgemein davon, als einem Kennzeichen künftiger cakravwartin-Würde, sprechend, theils bietet auch (s. Pet. Wört.) das Mbhärata 12, 13339 noch einen weiteren Beleg für die solenne Be- deutung der betreffenden Vorstellung, indem nämlich daselbst sogar narandrdyanan als jüälapadabhujau bezeichnet werden. Appendix A. Ich lasse hier den Text des pratijndparieishta, so weit er mir in der parigıshta-Sammlung zugänglich ist, folgen (A. = Chambers 66‘, W — Bodley. Wilson 510"). atha pratijnäparigishtam! atha ’to gotracaranaprichäyam? ka prakritiv® brahmanasya?? madhya- decah®. kataro® madhyadecah?? präg Dagärnät, pratyak Kampilyäd®, udak Päriyäträd?, dakshinena Himavato; Gangd- Yamımayor antaram eke madhyaderam ity deakshate. atha kim bhavän äpah pürvo!. kimady? omkärddi sävitriprasthänam. katı!! tirthäni?!? mäta tirtham, pita tirtham®>, deäryas!t tirtham, ätma®’ türtham, tirtha‘ eva tirthäny!?. atha kim-sabrahma- gehöriges phonetisches Compendium, das pratijnasütra. 103 cüri!® bhavdn!?? adhvaryur asmi Väjasaneyi?®. samvidyante ’Ahwaryanag Carakd ndma, teshäm?! shadagitir?? bhedäs, tatraı ’va?? vyäkhydtah Ni ! fehlt A. 2 gopraca® W. 3 kälakritir A. % brähmana A. BScarA, W. ge W pr. m. 6 kah taro W. 7 Spa AW. ® prägädarginnyatkäpimjalydd A. 9 yätrd W. °yätrdd A. 10 2? sic! so A. W; liegt in dem o vor k etwa ein om? 11 karoti A sec.m. 1? fehlt A pr. m. 13 tirthem A. 1 deärya A.W. 15 dlpd W; in A fehlt dies Wort. 16 auch diese beiden Wörter fehlen in A. 17 firthah A. 18 ©oari A. W. 19 blos ein A. 20 7?asmi Vojasaneye ddied A; in W blos asmin Voajasaneye. 21 ndmaste? A. 22 shämdagiti A pr. m., shamd° sec. m. 23 80 A sec. m., bheddsütreva A pr. m., bheda sütre eva W; ob etwa: bheddh sütra eva? aber welches süötra könnte gemeint sein? 2. pancadaca Väjasaneyandam?*, tasye "me: Jäbald Baudheydh Känva Mädhyamdinäh Qäpheyas®® Tapaniydh?® Kapaläh?! Paundaravatsd?® Ävatikäh 9 Paramävatikäh?® Päragara Vaineya®® Vardheyd®! Aukhyd Bau- dhnyag?? ce ’t, tesham pancadaga yathäsvocarapratishthäh®? pratigäkham®* ca kuladharmah®®, so ’ham Vajasaneyy adhvwaryus?®. tasya te pratha- matah?? gäkhämantrah®® paurodägıkah (Vs. 1,188.) pitriyajniydh (Vs. 2, 29-34) II 2 II 24 Pyindm W. 25 cape® W. 26 tüpayani? A sec. m, 7 käpdvaldh A pr. m., koläpdh W. ?® paundaravachä W., paundakhatsa A.; zu kha für rava vgl. meine Abh. über die Bhagavati 1, 357. 9 ®%kdaA pr.m. °° so W., vainateyd A pr. m., cainetayd A sec. m. #1 in A sec, m. umgestellt mit dem vorhergehenden Namen. #2 80 A, vaudhyd W. #3 yathäsvarapratishthah W.; auf dies pratishth@d könnte sich der Name beziehen, den das Devipur. diesem parigishta giebt? #4 cdsham A. 55 so W., vaktum dh? A. 36 Pneyyo ’dh® W., °neyyddh? A sec. m. #7 Omanah A. #8 ?sdmndma® W., sömrämma? A pr. m., aber darüber steht gdshd, und dies wieder ist gebessert in gdkhdz hiermit bricht A. ab. 3. atha ’ta ürdhvam agnyddheyam (Vs. 3, 1-8) agnihotrafm) (Vs. 3, 9-10) dargapürnamäsäv (Vs. 1,1-2, 28) dgrayanam (in Vs.?) cäturmäsyäni (Vs. 3, 44-63) mirtdhapagubandho (5, 41-6, 22), ”dhwaro (4, 1-5, 40. 6, 23-377) grah@ (7, 1-8, 12), yajamanasya nava®? havinshi (Vs. 3, 15-22), tato ’shtd- padya manträ (Vs. 8, 28-32) adhıkäh, sättrikäg#% (Vs. 8, 38-53) ca, kälapra- meydnı*, tato väjapeyo (Vs. 9, 1-34), rdjasiyo (Vs. 9, 35-10, 34), ’ynih (Ps. 11-18), sauträmany (Vs. 19-21), agvamedhah (Vs. 22-25) 42, pärdyana- bandhag (Vs. 26-29?) cö ’ntyam® bhavatı, dvädagd ’nıwäkd rätran na ’Ahye- taryach) + N 3 Il 104 WEBER: über ein zum wer/sen Yazus 39 2? mändva W. AU ERBE #1 ?dentales n; ob: kalapräyageittäni ? s. Vs. 8, 54-63. #2 äcvamedha W. #3 ?cdnnam W. *# sind damit etwa die pra- vargyamantra Vs. 56-39 gemeint? vgl. Schol. zu Par. 2,11: yad divaiva kirtyate tad divakirtyam pravargyam; aber es sind nicht 12 anuväka in Vs. 4. sauryde(?) ca "jighra kalagavarjam (Vs. 8, 52) udite präk (mit virdma) bhojaniyd rmedha(?) rudrasya "cvamedhavarjam eukriyopanishadam® iti dväv eva märgau*® Kägyapinak*, Käcyapinac(!) ca pancäcatvevaryalika- gamanam(?) koshtitakam(?) shashtitäditamantra(?) shashtipatho* "eitipatho ’eitipathäpadyo(?) sammitah pancadagapathah catokthyah*? catätirdtra it sagandmarhita (2), vikaro "cvamedha(sya) purushamedho ’sti, vikärag cätur- mäsyändm pagubandhändm somavatäm. sakhılam parısamkhydätam Väjasa- neyinam’® ashtau sahasrdni catanı cd, 'nydny ashtau sammitäni rigbhir, vibhakta(?) sakhılam sagukrıyam?! samdsato yazushi nu veda N 4 Il % zu gukriya (Vs. 30-39?) vgl. Vorles. über Ind. Lit. Gesch. p. 103; upanishad ist Vs. 40. 46 ?’mägmai W. 4 ?kacyd® W. #5 zu shashtipatha s. Vorl. über I. L.G.sp. 114, #9 coto® W., °kthydh pr. m. 50 Syindm W. 51 sarukritayah W. 5. atha mantralakshanam, dcis, tesham nirdeca kriyäpratishedha®? it sütralakshanam vidhininda pracansä dhyd — (bricht ab). 52 °oedha W. Leider ist der vorstehende Text, speciell von da an, wo A uns im Stich läfst, also in $. 3—5, in einer Weise entstellt, dafs nur wenig daraus zu entnehmen ist, aber dies Wenige genügt, um den Defect eben wirklich schmerzlich empfinden zu lassen. Die im $ 1 gegebene Umgrenzung des madhyadeca, östlich von Dacarna (etwa an der Vetravati), westlich von Kämpilya (der Pancäla- Stadt), nördlich von Päriyatra (Theil des Vindhya), südlich vom Hima- vant — die Madtavdweı, Mädhyandına, an der Avdwuarıs fallen gerade mitten hinein — ist viel beschränkter als die im Manu 2, 21 gegebene. Die Tarttiriya-Schule der Mänava, deren Ansichten uns daselbst vorlie- gen, dehnte den madhyadeea zwischen Himavant und Vindhya vom Vina- cana bis nach Praydga aus, und geht dies auch noch über die Ansicht der Einigen hinaus, die hier in $ 1 genannt sind und nach denen der madhyadeca eben das ganze Land zwischen Gangd und Yamund um- falste. Im Taitt. Ärany. 5,1 (s. Ind. Stud. 1, 78) werden resp. für das Kurukshetra der Khandava, Türghnam, Parinah, Maravah als Gränzen angegeben, dieselben somit noch weiter nach dem Westen zu geöffnet. gehöriges phonetisches Compendium, das pratjnäsütra. 105 Der weilse Yajus gehört schliefslich in der That eben wohl mehr nach Osten (zu den Videha?), der schwarze dagegen mehr nach Westen (zu den Kuru?). — Die Angaben in $ 1. 2 über die 86 adhvaryu-Schulen, spe- ciell über die 15 der Väjasaneya, stimmen im Wesentlichen zu denen des Caranavyüha $ 10.11.19 (Ind. Stud. 3, 256. 262)1. — Die in $ 2—4 ent- haltenen Data über die Reihenfolge der Abschnitte in der Vay. S. stim- men mit dem vorliegenden Bestande derselben im Wesentlichen überein, jedoch nicht ohne einige erhebliche Differenzen; so sind hier die darca- pürnamdsau von den gäkhämanträh paurodägıkah getrennt; das dgraya- nam wird besonders aufgeführt, dagegen fehlt das agnyupasthänam Vs. 5, 11-43; die soma-mantra sind anders vertheilt. Die Angaben über die letz- ten Bücher von (Vs. 26 an, diväkirtya, gukriya) sind eben leider zu in- korrekt, um benutzt werden zu können. Ebenso die Angabe in $. 4 über die Käeyapinah, über shashtipatha und agitipatha (gatapatha ist dabei gar nicht genannt), so wie endlich auch die am Schlusse befind- lichen Data über den Gesammtumfang des Textes der Vajasaneyin, die zum Wenigsten zu den nicht minder dunklen Angaben im Caranavyüha $ 21 (s. Ind. Stud. 3, 266. 267) ein weiteres Moment hinzuliefern. 1! Im Cabdakalpadruma unter veda p. 4373 heifst es (ebenfalls nach dem Carana- vyüha): tatra Vajasaneydnam saptadaga bhedä bhavanti: Jävaldh 1, Augheyah (sie! s. nro. 14) 2, Känvah 3, Mädhyandindh 4, Capiyah 5, Tapdyaniyah 6, Kapdlah 7, Paundravat- säh 8, Ävatikäh 9, Pämävatikäh (sie) 10, (Paramävatikä [a]pi päthah!), Pärdgariyäh 11, Vai- dheyäh 12, Vaineyah 13, Ogheyäh (sie! s. nro. 2) 14, Gälavdh 15, Vaijavah 16, Katydya- niyag ceti 17. Und dem entsprechend lautet die Aufzählung in einer leider auch sehr verderbten Grantha-Handschrift des Caranavyüha, deren Varianten mir durch J. Eggeling’s freundliche Mittheilung vorliegen (dieselben schliefsen sich mehrfach an die Lesarten Rämakrishna’s im Comm. zu Päraskara an): tatra Väjasaneyandm panca (!) bhedä bhavanti: Känvd Mädhyandinäg Qäbiyäs (!) Thapäyaniyalh) (!) Käpalä(lk) Paundravatsä Ävatikäh Paramära- tikah Pärägarya Vaidheyä Vaineyd Augheyd Gälava Vaijava Kätydyaniydäg ceti. — Ich bemerke hiezu noch, dafs auch jene höchst kuriose und verderbte Aufzählung der 18 Yajus-parigishta, die ibid. im (abdakalpadruma vorliegt — sie beginnt: upajyotisham (statt yüpalakshanam!), sängalakshanam (statt chäga°!), pratijnänaväkyam ... — sich ebensö, und zwar fast ganz identisch, in dieser Grantha-Handschrift vorfindet! Der Name des dritten parigishta enthält übrigens (s. eben) ja auch da das Wort pratijnd. Philos.-histor. Kl. 1871. (2 Abth.) 14 106 WEBER: über ein zum werfsen Yajus Appendix B. Durch einen eigenthümlichen Zufall kommt mir gerade jetzt, bei der Correktur dieser Bogen, eine Abschrift der oben pag. 72 erwähnten Man- düka-eikshä (foll. 10) zu, welche von Prof. Bühler nebst einigen andern auf den Atharvaveda bezüglichen Schriften (einer brihatsarvänukramanıkä foll. 74, einer Art paddhati zum Kaugikasütra foll. 34, und einem angeb- lichen Jyotisham toll. 10) als Geschenk für die hiesige Königl. Bibliothek eingesandt worden ist. Ich halte es daher für angemessen theils eine kurze Inhaltsangabe des Schriftchens, theils einige speciell zum Bisherigen in Beziehung stehenden Angaben daraus hier noch anzufügen. Abweichend von der Angabe Räjendra Läla Mitra’s wird das Werk- chen hier speciell eben dem Atharvaveda zugewiesen; die Abschrift be- ginnt nämlich: om namo "tharvavedäaya om tisro vrittir anukräntä ...; (eine Unterschrift fehlt, da der Text auf fol. 10° im Anfang des sechs- zehnten Cap. abbricht). Die eigentlichen saämavediyasvara treten jeden- falls darin nicht gerade besonders hervor. Freilich zeigen sich auch durchaus keme speciellen Beziehungen darın zum Atharvaveda; und da die Schule der Mändüka, Maändükeya, Mändükdyana (ebenso wie die der Mandu-Mändavya) zum Rik gehört (s. Ind. Stud. 1, 391. 3, 253 Aeval. I. 3,4 (dänkh. g. 4, 10), so sollte man meinen, dafs das Schriftehen (vgl. darin 2,3 Mandükasya matam yatha) eigentlich eher eben diesem Veda zuzutheilen sei. Es tritt hiefür zudem ferner noch der Umstand ein, dals darin einige sehr specielle Beziehungen zum Ztkprätigäkhya, vesp. der angeblichen Zik-Recension der Pänimiya-eiksha vorliegen (Letzteres übrigens ohne irgend welchen Anhalt an die eigenthümliche Terminologie Pänini’s), obschon freilich auch zu den drei übrigen Prätieäkhya einige besondere Anklänge sich darin vorfinden, so zu Vs. P. in 7, 2.9. 10, zu Ts. Pin2,1, zu An-P mn. 2. Cap. 1, mit 14 vv., handelt zunächst von den drei vritti: drutd, madhyd, vılambitä v. 1—6; zwei dieser Verse (1 u. 3) finden sich wesent- lich identisch im ik Prät. (15, 18, 19 s. (rkshä v. 22) wieder. — Von den sieben svara, welche dıe „Samaga beim Singen der säman verw enden, gehöriges phonetisches Compendium, das pratijnästtra. 107 4 I D während nur vier davon den chandas zukommen“!, d. 1. shadga (so hier durchweg), rishabha, gändhära, madhyama, pancama, dhaiwata, nishäda, v. 7ff.; dieselben werden mit verschiedenen Thierstimmen verglichen ete. (vw. 910) Cap. 2 (mit 14 vv.) Fortsetzung; von der Bezeichnung der 7 svara durch die Finger v. 1.2 (s. unten); die beiden ersten und die beiden letzten kommen nach Ansicht des Mandüka den chandas überhaupt zu? v. 3 Von der Beziehung derselben (v. 4) zu den vier Accenten: swarıta, pracaya, ucca (udätta), nica (anudätta). Von der Bezeichnung dieser letz- tern mittelst der Hand v. 6#f. Cap. 3, mit 7 vv., von der hohen Bedeutung der Hand für die Markirung der Accente sowohl wie der varna: yatha väni tathä pänk, riktam tu parivarjayet, yalrawva tu sthitä vÄni pänis tatrawa dhäryate N ı I sparac cawa tu hastag ca dvdv etau yugapad bhavet (Singular!) ı hastäd bhrashtah svardd bhrashto na vedaphalam agnute N 21 hastahinam (Cikshaä R. v. 54) Is... Cap. 4, mit 15 vv., von der Reinigung der Zähne, und des Mun- des überhaupt, behufs richtiger Aussprache v. 1—3; von dem Sitz dabei (v. 4); von dem leisen ete. Ton v. 5.6 (= C(ihshä It v. 36. 37), von der richtigen Lautirung v. 7.8 (= (ihshä Y. v. 20. 21, A v.25. 31); von der Bezeichnung der finalen Buchstaben (der Wörter) durch die Finger v. 10—13 (s. unten). Oap. 5, mit 11 vv., von den Accenten. Cap. 6, mit 9 vv., von den Vocalen, ihrer Accentuirung, ihrem Verhältnifs zu den vyanjana ete. v. 1—6. Von den acht sthänäni der varna v. 7 (= (ikshä v. 13), ihren vier karana, samwrita für die yama, viorita für die svara und üshman, sprishta für die sparga, asprishta kur die antahsthä v. 8.9. Cap. 7, mit 10 vv., von den sieben svdra, d.i. svarita, näm- lich: abhinihita, präkglishta, jätya, ksharpra, pädavritta, tawrovyanjana, t- rovirdma v. 1—9, vgl. hiezu Vs. Prät. 4, 114 ff. Ind. Stud. 4, 134ff.; die I sapta swards tu giyante shmabhih sämagair budhaih \ catwära eva chando- bhyas, trayas tatra vivarjitdh N 2 prathamdv antiman caiva wartante chandasah (chandah pr. m.) svardh | trayo madhys nivartante Mandüikasya matam yatha \I 14" 108 WEBER: über ein zum weilsen Yazus Form präkglishta gehört dem Ath. Prät. an!, der Name tairowirdma dem Vs. Prät.; — vom kampa täthäbhävya v. 10, s. Roth Einl. zum Nir. p. ıxv; der Vers lautet hier: dvayor udättayor madhye nico yalk) syäd avagrahak \ tüthäbhävyo bhavet kampas, tanünapän nidarcanam Noll ist resp. wesentlich identisch mit dem zu Vs. Prät. 4, 120 eitirten Verse der Aujjt- hänakdh Mädhyandinamatänusärinah. Cap. 8, mit 11 vv., von den 7 svarita v. 1—7, wovon v. 2.3 im Schol. zu Vs. Prät. 4, 125 und zu Ath. Pr. 3, 54 eitirt werden, s. Ind. Stud. 4, 139 Whitney Ath. Pr. p. 154; — vom riphita v.8.9; — vom anusvära v.10. 11. Cap. 9, mit 13 vv., von den vier vivritti?: pipilikä oder pipih- kamadhya (-+-), päkavati oder yavamadıyd (oe +»), vatsänusärini (- + o) anusriavatsä oder vatsänusritä (+) v.1—6; finales m vor Halbvokalen ete. v. 7; svarabhakti bei r, ! ete. v. 8—10; fünf svarabhaktiv. 11—13, nämlich karıni (bei + r, harayoh), karvint (bei + h), harini (bei r—+ 6; für rashayoh lies ragayoh!), häritä (bei ++ c), hansapadä (bei r + sh, re- phashakärayoh), letztre auch käkint genannt, s. hiezu das Citat im Schol. zu 7's. P. 21, 15 bei Whitney p. 392. Cap. 10, mit 11 vv., von der Aussprache des repha v. 1—3; acht gati des üshman v.4.5 (= (ikshä Y. v. 15, 16 R. v. 14. 15); von dem samdpddya (durch shatvam natvam updeäro dirghibhävah, s. Rik-Prät. 13, 12. Ind. Stud. 4, 183) v. 6; von der Nasalirung v. 7—10, dabei der Vers über den ranga in folgender Gestalt: yatha Sauräshtrikä näri arom ity abhibhäshate \ evam ramgäh prayoktavya nakäraparivaritäk (1) Io 11; von der Positionslänge v. 11. Cap. 11, mit 11 vv., von Positionslänge v.1; von den vieryama, die bei Verbindung der sparea mit ihren Nasalen entstehen (Namens rukma, nri- caksha, padma, gankhadhma) v. 2—5; von dem Zusammentreten von Con- sonanten, samyoga v. 6—8; — von dem dvirbhäva, der übrigens nur 21 varna betrifft (die je 5 prathama, madhyama, antya, ferner ylveshs). ' s. Whitney zu Ath. Pr. 3,56. Das Rik Prät. 3, 8 beruft sich bei Gelegenheit des praglishta (s6 dort) auf die Auetorität des Mändükeya. ” pürvam hrasvam param dirgham aksharam yatra drigyate | sd vatsdnusritä jneyd vyatyase 'ty-anusarini (für °sa ity?) All ubhäbhydm eva hrasvabhydm yavamadıyam vi- nirdiget 1 täbhydm eva tu dirghäbhydm vijneyd sa pipilika N 51 gehöriges phonetisches Compendium, das pratjnäsütra. 109 Cap. 12, mit 10 vwv.; vom abhimidhäna bei ps, psn, pp, gy v- 1; vom krama (d. i. varnakrama) bei Gruppen von drei Consonanten, die resp. ein € sh oder s enthalten v. 2; von Gruppen mit r, px v. 3. 4; von den Fehlern bei der Aussprache im Allgemeinen v. 5—10. Cap. 13, mit 10 vv.; von der Quantität v. 1.2; die mätrd der Vogelstimmen v. 3 (= Rik-Prät. 13, 20 und zwar mit dem Schluls: esha mäträparigrahah; vgl. Qiksh&ä R v. 49); vom virdma v.4.5; von ver- schiedenen dosha für das Verständnils (samjnäne), z. B. ob vievd oder vievdh zu verstehen ist (vgl. Vs. Prät. 4, 26)! u. dgl. v. 6—10. Cap. 14, mit 10 vv.; vom samdhiz.B. vänme, banmahän, yannah, tri- shtum me v.1—6; vomämndy a, dessen Lohn, und derrichtigen Weise v.”—10. Cap. 15, mit 10 vv., Fortsetzung, speciell vom Verhältnifs des Schülers (eikshuka) zum Lehrer (gurw) und von den materiellen Be- dingungen des richtigen Lernens; v.2—4 = (ikshä v.19 (fehlt in R). 17.18 (R 50. 51). Cap. 16 bricht in v.2 ab, von der Bedeutung der vidya überhaupt. Ehe ich nunmehr auf die im Cap. 2 und 4 sich findenden spe- ciellen Parallelstellen zu der oben p. 91fl. behandelten Fingersprache übergehe, halte ich es für angethan, der ersten derselben, die sich auf die Bezeichnung der 7 svara dadurch bezieht, erst noch folgende Verse von ebenda vorauszuschicken?: shadge vadati mayüro gävo rambhänt! (hambhP?) ca 'rshabhe \ ajä vadati gändhäre krauncanddas tu madhyame I ol pushpasädhärane käle kokılah pancame svare \ agvas tu dhaivate präha kunjaras tu nishädavan II 10 || Hierzu sind nämlich zunächst die von mir Ind. Stud. 8, 267 angeführten ähnlichen Angaben zu vergleichen, sodann aber folgende Verse aus der ausführlichen Darstellung über die 7 svara im Ammyogadvarasütra (fol. 24°" s. meine Abh. über die Bhagavati der Jaina 1, 371. 373-4): sayyam raval mayüro kukkudo risaham saram \ hamso ravai gamdhäram majjhimam tu gavelayda \ I vienändm üshmasamdehe "rdharcam (! ein akshara fehlt) sydn napunsakam | parastdd uparishtädd vd sarve vigvd nirüshmakah N81 vasıu dhämdni rüpdani vigvani bhuvandni ca | yeshiäm pagcdd uparishtät sarve vigvd nirüshmakah \ 9 \I ?2 Radhäkänta im (abdakalpadruma unter svara eitirt dieselben mit Varianten aus Närada, d.i. wohl aus der Nüradagiksh@? 110 WEBER: über ein zum wer/sen Yajus ahäkusumasambhave (yathäk° oder mahak??) käle korlä pancamam \ chattham ca särasd kuncd nesayam sattamam gaü (d. 1. gayah) IN Besonders merkwürdig ist hier die Übereinstimmung in den gar nicht recht zur Sache gehörenden Angaben über die Jahreszeit, in welcher der kokıla singt!. — Die Angaben nun über die Bezeichnung dieser 7 svara durch die Finger lauten in Cap. 2. wie folgt: bähyängushtham tu krushtam syad, angushthe (?°shtha Cod.) madhya- mah svarah \ prädeeinyam tu gändhäro madhyamdyam tu pancamah Wil andmikdyim shadgas tu kanıshthäyam tu dhaivatah | tasyd "dhastät tu yo nyasyam(nyasyo?) nishada it! tam viduh u 2 N Auffällig ist hier zunächst, dafs die 7 svara nicht in ihrer gewöhnlichen Reihe, sondern in der Reihenfolge 2. 4. 3. 5. 1. 6. 7. stehen, sodann aber dafs der rishabha hier nicht sö, sondern krushta genannt ist, wozu offenbar der krishta des Taitt. Prät. 23, 12 heranzuziehen sein wird, da auch für ihn sich die Variante krushta findet, s. Whitney dazu, Müller zu Rık Prät.13, 17. und Ind. Stud. 8, 261. 263. Derselbe erscheint daselbst wie hier in der Spitze der 7 svara, die indess dort im Übrigen ganz andre Namen haben, als hier. Der krushta also ist aufserhalb des Daumens, der madhyama am Daumen, der gändhära am Zeigefinger, der pan- cama am Mittelfinger, der shadga am Namenlosen, der dhaivata am Kleinsten, der nishäda an dessen Wurzel (?) zu bezeichnen. Die übrigen Angaben in Cap. 2. 3. über die Verwendung der Hand zur Bezeichnung der Accente etc. sind ganz allgemein, ent- halten keine Specialitäten nach Art der oben p. 94. 95 angegebenen, und ! Die kuriosen Angaben in v. 11. 12 über die Körpertheile, welchen die 7 svara speciell zugetheilt werden, stimmen zwar nicht direkt zu denen des Anuyogadvärasütra, beruhen aber auf demselben Princip. kanthad uttishthate shadga rishabhah girasas tathä | näsikäyas tu gändhära uraso madhyamas tatha 11 urahgirobhyäm kanthäc ca pancamah svara ucyate | dhaivatag ca laldtäd vai, nishädah sarvaru (sarvas tu) puman 121 hierfür heilst es dort: sayyam ca aggajihde urena risaham saram | kanthuggamena gam(dhäram) majjhajihae majjhimam | näsde pancamam büyd damtotthena ya dhevayam | bhamuhakkhave(?) nesde, saratthänd viyahiya gehöriges phonetisches Compendum, das pratijnäsütra. It sind nur insoweit von Interesse, als darin, s. den auch der (rkshä angehörigen Vers (3, 13), diese Bewegungen als nothwendige Begleiter der Stimme hingestellt werden; es soll resp. das Gehör (des Schülers) stets der Stimme (des Lehrers), die eigne Stimme dem Geist, der Blick der Hand (des Lehrers) folgen: 2, 14 erutim väco 'nugäm kritvä väcam kritv& mano-"nugdm \ drishtim hastänugam kritvä tatah padavıd arabhet \ Vgl. 2, 6 nishkrishya hastam vinyastam pänau drishtim nivegayet. Den Daumen soll man von den übrigen Fingern getrennt halten 2, 7. s: prasärya ca "ngulih sarvä ropayet karamandalam U na cä 'ngulibhir angushtham upeyäd doshavit tatah \ ürdhvam äyastam äkuncam angushtham sthäpayed budhah Us Auf Reisen soll man langsam gehen (4, 9), auf dem (ordentlichen) Wege, nicht über ein yojana weit, denn die Stimme reicht nicht aus, wenn sie von Ermüdung betroffen ist: canair adhvasıu märgena! na param yojandd vrajet \ na hi glänihatö? vani prayogän vaktım arhati ug Und hier schliefsen sich nun jene Angaben über die Bezeichnung der finalen Buchstaben durch die Finger an, die im Wesentlichen mit denen der Fäjnavalkyagıksha identisch sind: mänte mushtyäkritim kuryät takaräntam vieleshayet \ nakhasya dakshine pärgve nakäräntam nivecayet N 101 ka-täntayos tu kartavyam angulyagraprakuncanam \ na-na-nänte tathawa syat pänte to angulipidanam Wıı ürdhvakshepä "pi ya mäträ adhalh)kshepä ’pi ya bhavet \ ekaikäm utsrijed dhirah pracıte tu "bhayam tatha 1 12 hrasvänusvärakarane tv angushthägraprakuncanam \ dirghe tu sürayah prähuh prädeeinydk prasäranam W131 10. „Bei einem auf m endenden (Worte) balle man die Faust (mushti), bei einem auf £ endenden löse man (sie? d. i. spreize die Fin- ger aus?); ein auf » endendes (Wort) markire man an der rechten Seite 1 so conjieirt Freund Roth, dessen Rath ich einholte; das Mspt hat vagrena, resp. g mit doppeltem Strich, also eigentlich vagtrena (!). 2 2 so Roth’s Vermuthung; das Mspt. hat pänir hata! 112 WEBER: über ein zum wesen Yayus des Nagels (welches Fingers?). — 11. Bei (Wörtern) auf A oder t krümme man die Spitze des Fingers (? resp. der Finger?); ebenso bei Wörtern auf R, n, n; bei (Wörtern) auf p presse man die Finger zusammen. — 12. Wenn ein Wort erhoben (udätta) oder gesenkt (anudätta) ist, lasse man je einen (der beiden in 13 genannten) Finger los, bei einem pracita aber alle Beide. — 13. Bei einem kurzen anusvära (d. 1. anusvära nach kur- zer Silbe?) krümme man die Spitze des Daumens, bei einem langen strecke man den Zeigefinger vor.“ Abweichend sind hier die Angaben in Bezug auf ? in v. 10° und in Bezug auf den langen anusvära in 13” (Zeigefinger an Stelle des Dau- mes). Im Übrigen stimmt Alles; nur ist die Darstellung der visarga- Regeln hier weit kürzer, vorausgesetzt überhaupt, dafs v.13 sich auf den wisarga bezieht, was nicht einmal direkt gesagt ist, durch die Ver- gleichung mit v. 3° 4* der Yan. giksh@ indessen doch wohl erhärtet wird. Nachträge. pag. 69. In dem soeben erhaltenen, ungemein reichhaltigen Catalogue of Sanskrit Mss. contained in the private libraries of Gujarät ete., herausgegeben durch Prof. Bühler (Bombay 1871), findet sich auf p. 180 auch eine selbstständige Handschrift des Pratijnäsütra (7 foll., je zu 16 Zeilen) verzeichnet. — pag. 72—74. Bühler’s „Catalogue of Mss. from Gwjardt* führt aufser einer ganzen Reihe (p- 2085) von Mss. der gikshä, womit vermuthlich die Paniniyd g. gemeint ist, speciell (p. 202) eine Taittiriydndm gikshä und Näradi gikshd, sodann (p. 206) eine Bhäradvdji gikshä, endlich (p. 210) auch ein Mspt. unter dem Namen gi- kshäsäüträni auf. — Nach Dr. R. Rost’s gütiger Mittheilung finden sich resp. die bei Burnell unter No. xxIv. NXVI—xLIx verzeichneten Texte sämmtlich, ob- schon in sehr abweichender Gestalt, in der Handschrift der Mackenzie-Colleetion No. xxxıv (1, 8 bei Wilson) vereinigt und enthält dieselbe aufserdem auch noch eine Vydsagikshä. In einem späteren Briefe erwähnt er die Auffindung einer sarvasammata-gikshd, sowie dals Burnell eine zum Samaveda gehörige Gautama- ciksh@ aufgefunden hat. pag. 83, not 9 Bei der Correetur kommt mir ein weiteres Heft dieser Ausgabe zu (no. 3), welches auf p. 401—600 Vs. 11, 1— 16, 27 umfalst. 5. April 1872. gehöriges phonetisches Compendium, das pratijnäsütra. 113 INDEX. Yak 100 antariyaka 90 änundsikatva 39 likara 82 akära 90 anta(h)stha 70. 8. 83. dnundäsikya 71 ekavinga (stoma) 96 agnyupasthäna 105 107 (fem.) dmndya 75 (ydjusha°). ekagruti 78 angula 99 antya (Labial) 108 109 ekära 81 anguli 96. 111 anndditamd 97. 8 Avatika 103. 5 Ogheyds(!) 105 — ndmana 92 anyahal 78. 81 äveshtana 99 omkärädi 103 — ndmäni 95 aparänta(h)stha (= r) i (als svarabhakti) 81 Aukhyds 103 angushtha92.6-9. 110. 81 ilä 98 Augheyds 105 111 abhinayena 96 ishad 70. 90. 1 Aujjihäanaka 108 — kshepa 92 abhinidhäna 109 ucca 77. 107 “kära 70. 87 — parva 99 abhinihita 107 uccärana 78. 81. 3-5 “kärocedrana 89 — "äkuncana 92. 3 abhihita 76 udätta 75-7. 92-5. 107 kakärayoga 85 — Pägra 95 amoghanandini 71. 9. — maya 75 kakäränte 92. 4 Vac, anc 100; — akta, 83. 4. 8. udattänudättau 77 kanishthaä 97. 110 akna 100 amoghänandakärini 72 upakanishthikä 97 kanishthika 92. 5 Ajätagatru 82 amoghänandini 72 upajyotisha 105 kampa 108 atirätra 97 ayam, iyam, dsäm 97 upanishad 104 vier karana 107 athä (atho!) 34 ayukta 87. 8 upasarga 79 karamandala 111 atho-pürvaka 80 ayuktänyahal 81. 3 upöngushthikä 97. 9 karini 108 adhahkshepa 92. 111 a-yoga 88 upäcdra 108 karnamüliya 76 adhyayana 71. 86. ayogavaha 87. 8 ubhayam 92 karvini 108 adhvaryu, adhvaryavas arthavelä 36 Uvata 88 käkini 108 103 ardhamätr& 39. 90 ürdhvakshepa 92. 111 Känvds 103. 5 andmika 95. 8. 9. 110 arharishvani 81 üshman 70. 81. 4. 107, Kätantra 71 anudätta 75-7. 92-5. avagraha 70. 80. 108 108 Kätydyaniyas 105 107 avigeshena 78. 82 — (=) 92-4. 109 Käpdläs 103. 5 anuyogadvdrasütra 99 agitipatha 104. 5 üshmäntya 70. 8 Kämpilya 102. 4 109. 10 agvamedha 104 rikära 78. 81. 2 °kära 70. 111 anusritavatsa 108 asamyukta 78. 82. 4 rikdrodaya 88 Käcyapinah 104. 5 anusvära 87-9. 92. 3. asprishta 107 rite 84 Kodhala (Ko°) 74 111. 2 ägrayana 103. 5 rishobha (svara) 107. kunjara 109 — (kurz, lang) 111 ddega 70. 87 9. 10 kundaläkriti 92 Philos. -histor. Kl. 1871. 2" (Abth.) 15 114 caranavyüha69. 104. 5 caturmäsya 103. 4 chandas 107 (plur.) chandovat 78 jakära 78 kunakhin 99 Kuru 105 Kurukshetra 104 krishta 110 Kaiyata 87 kokila 109 Kohara, Kohala (74). jakäroccarana 79 95. jatäpdätha 91 Kaugikasütra 106 jätya 72. 6. 7. 92. 3. Kaugiki giksha 72 107 Kauhaliputra 95 Jäbaäläs 103. 5 Kauhaleya 95 jala-grathitängula 102 krama 109 (= dvir- — pädabhuja 102 bhäva) — hatthapdda 102 krushta 110 jihvdmäliya 85 kraunca 109 Vind + prati 71 kvaeit 82 jyotisha 106 s. upa° Vkship 92 takäränte 92. 4 kshepa 92. 111 tu 70. 84 kshaipra 107 natva 108 khakära 84. 5 takära 92 Khändava 104 larjani 92 jakdärana 79 khinga 85 tathabhäavya 108 khila 104 täna 70 Gangd-Yamunayoh102. — svara 78 104 tänünaptra 101 acht gati 108 Täpaniyas 103 Gargäcärya 72 Täpäyaniyas 103. 5 gändhära (svara) 107. tirovirdma 107 9210 tirthani 105 Gälavas 105 Tukhära 85 Giriprasädavarman 83 Turushka 35 guru 70. 83 (v). 8. 9 tushära 85 — Position machend Türghna 104 70. 89 tritiyänta(h)stha (= |) gotracaranaprichä 102 84 Gautamagikshä 112 tairovyanjana 107 nakära 108 tri 100 (etymol.) nane 92 — vidha 83 — vrit 96 (stoma) traividhya 88 wa 100 cakravartin 102 catushtoma (atirätra)I7 catvar 101 Ydaksh 100 dagan 100 (etymol.) daga präcih 100 dagasyati 100 Dagärna 102. 4 diväkirtya 104. 5 Vdikshay 101 dikshita 101 WEBER: über ein zum wesen Yajus nishäda (svara) 107. 9. 10 nishädavdn 109 nihata 94 nica 77. 95. 107 nricaksha 108 pakära 92 paksha 100 (etym.) dirgha 88. 9. 92. 108 pankti 97 dirghata 91 dirghapätha 83 dirghibhäva 108 dosha 109 druta 106 dreshkäna 85 pancadaga 96 (stoma) pancan 100 (etym.) pancama (svara) 107. 3.10 pancängulya 92. 3 Patanjali 74 dvitiya (= sekundär) padädistha 73 79 dvimätra 88 dvimätrika 92 dvirbhava 79. 108 padädya 70. 91 padäntiya 92. 4 padma 108 Paramävatikäs 103. 5 dhrita (= pracaya) 95 parasavarna 90 dhaivata (svara) 107. parigishta 69. 102 9. 10 Parinah 104 nakära 92 päkavati 108 nakha 111 pani 107. 11 — graha 92. 3 Pänini 70. 3 nava, navan 100 (ety- — giksha 71-4 (Pni- mol.) ya). 92. 106 na-cabda 80 Nägoji 87 ndmana 92 Naärada 109 pädavritta 107 Pämävatikäs (!) 105 pärdyanabandha 103 Pärägara 103 — giksha71.2 (°diyd). Päragariya 105 109 näsikägratas 75 nikshepa 92 nidargana 71. 2. 108 niyama 85 92. pipilikamadhya, Päriyätra 102. 4 päshanda 85 pitriyajniyah 103 Plika 108 pigdca 72 nirüdhapagubandhal05 purushamedha 104 nirüshmaka 109 niveshtana 99 pushpasütra 82 °pürvaka 80 gehöriges phonetisches Compendium, das pratiynasütra. Paundaravatsa 103. 5 makära 92 (’ndra°) paurodägikäh 103. 5 prakuncana 111 prakritya 70. 86. 90 pracaya75.6.92-5.107 pracita 111 pranava 89 pratijnd 69. 74 — parigishta 102 pratijndnaväkya 105 pratigäkham 103 pratishthä 69. 103 pratyähära 87. 8 prathama (Gutturalis) 108 prathishtha 97 pradegini 95-8 s.präd’ Prayäga 104 pravargya 104 praglishta 107. 8 prasära 92 prasärana 92. 111 präkglishta 107. 8 (daga) pröcih 100 prätigäkhya 70. 3. 6. 3. 106ff. prädegini 110. 1 prägitra 98 brihatsarvönukrama- nika 106 Bodhöyana 74 Baudheyds 103 Baudhnyas 103 bröhmana 74. 5. 7 — svara 17 Bhäradvsja 73 bhashika 77 — sütra 69. 77 — svara 70. 7 — sedra 77 bhrü 76 mandükapluti 83 Mandüka 106. 7 — gikshä 72. 106 madhuparka 93 madhya (vritti) 83 (des v). 106 Madhyadega 102. 4. Madhyamdina 75 madhyama (Lingualis) 108 — (svara) 107.9. 10 madhyamd (Finger) 95. TEIEITD) mantra-brähmanayor 74.5 — lakshana 104 —- svara 75 mayükha 85 mayüra 109 Maravas 104 mahäpurusha 102 mahdbhäshya 87 mä-sa 89. 90 mänspacani 39. 90 Mändüka 106 Mändüki 72 Mändükeya 106. 8 mötrikadau 85 möätrd 109 mötrika 92 Maädhyamdina 75. 103 -105 — mata 108 Moadhyamdiniyaka 75 Mänovds 104 militacaturangula 76 mudra 101 mushti 100 mushtyäkriti 92.3. 111 mürdhan 75. 6 mürdhanya 710 mürdhanyoshman 84 melana 92 yakdra 72. 9. 92 vier yama 107. 8 acht yavamadıya 99 yavamadıya 108 ydjushämndya 75 Yijnavalkyagikshä 71. 9. 91. 2 yogavdha 88 yoshitd (1) 72 ranga 72. 92. 108 rambhänti(!) 109 (3 pers. plur.) Rämakrishna 105 Rämagarman 69F. riphita 108 rish als rsh 81 rukma 108 repha 78. 87. 108 laghu 70. 92 — (vritti des v) 83 Lomagi giksha 72. 81 vangägra 99 vakdra 92 vatsdnusdrini 108 vatsänusritd 108 varna 107. 8 varshishtha 97 Vasishthagikshö 71. 4 (Var?) vde 111 Vejasaneyds 103. 5 Vajasaneyin, "neyinas 103. 4 Vojasaneyi-pratigdkh- ya 69 ff. — samhits 100 vini 72. 107. 1] voma (bhrü) 76 Välmiki 74 (giksha) rikalpena 80 115 vikära 104 Videha 105 vidyd 109 Vinagana 104 Vindhya 104 virdma 832. 90. 8. tirovirdma vilambitd 106 vivrita 107 vivritti 71. 108 (vier) Vievamitrapura 83 visarga 90 (plur.). 2.4. vritti 72 (drei). 83. 108 (drei) veda 74. 5 Vaijawds 105 Vaidheyds 103. 5 Vaineyds 103. 5. 109; vyanjana 107. Vydghrapddänvaya 83 Vydsa 73 (gikshd).112 gankhadhma 108 gatdtirätra 104 gotokthya 104 Cambhu 72 (gikshd) cayanapdda 99 gäkhämanträs 103. 5 Cöpeyds (ph, °bi°) 103. 5 eiksha 71-4. 95. 106 ff, — kara 74 — köra 714 — vydkhyöna 73. 4 — sütra 71. 112 gikshuka 109 giksha 73 gukriya 104. 5 pe, gukla ( Yojushämndya) 75 Cobhäkara 72 gydcadant 100 Orinivdsa 73 13° 116 eruti 111 samadpädya 108 grutimüla 75 shakara 85 shadagiti 103 shadga 107. 9. 10 shanda(!) 85 shatva 108 shash 101 shashtipatha 104. 5 shidga(!) 85 samyukta 70. 8. 81. 4 samyuktäkdära 90 i sa-mudra, Samudra 101 sampradaya 72. 80 Vsarj + ud 92 sarvasya 76 sarvasammatagiksha 112 savarna 90 sängalakshana 105 sättrika 103 sänunäsika 79 samagas 106. 7 sdman 106. 7 sdmavediyasvara 106 sdmudrika 101 samjnana 109 sävitri 103 samdhi 109 siddhänta-gikshä 73. saptadaga 97 (stoma) — — vyäkhyana 73 saptan 100 (etymol.).1 sätra 78 (plur.). 103 samyuktäsamyukta 82 samyoga 108 72 samvrita 107 samcayana 93 . svaränyatva 72 WEBER: über ein zum weilsen Yajus sütralakshana 104. hal 70. 8. 81 Sauräshtrika 92. 108 hasta75.6. 91. 107.11 stoma 96. 7 hasta-vinydsa 95 acht sthäna 107 — hina 107 sparca 107 hastänuga 111 sprishta 107 haritä 108 svara (Klang) 107 Harita 74 (giksha) — sieben 107. 9. 10 Himavant 102. 4 — (Vocal) 107 hrid 75. 6 svaraprakriyd 75 hrasishthä 97 svarabhakti 81. 2. 108 Ahrasiyasi 97 hrasva 88. 9. 108 Chiromantie 101 Finger, Einkneifen der svarita 75-7. 92-5.107 101 svdra (= svara) 70 Thierstimmen 109 — (= svarita) 95. 107 Vogelstimmen 109 — sieben 108. 9 Zahlwörter, Etymolo- hansapada 108 gie der 100 harini 108 (vier) svaragästra 72 gehöriges phonetisches (ompendium, das pratijnasütra. Inhalts-Übersicht. Einleitung a le Er OD EEE das pratijndsütra als Zugabe in Ramagarman’s Commentar zum Vaja- saneji-Prätigäkhya vorliegend etwaige Beziehung desselben zum pratijnäparigishta Sprachgebrauch des Werkchens. Ungeschicktheit der Darstellung: Zweck der Abfassung . B Amoghanandini, eine Art Nachtrag dazu . Yäjnavalkyagıkshä, im schol. eitirt Aw BOEREC? 5 neuerdings bekannt gewordene sonstige gikshäd-Texte; Varhihns: Na- rada-, Kaugiki-, Lomagi-, Mandüka-cikshd;, siddhäntagikshä etc. Text und Erläuterung des pratijnasütra süba 1-3 Emleitung . . . : 2... — 4-8 von den Accenten See EARDR: in den Mantra Nocsnibezeichnine daR Handbewertiren: ; Im Brähmana bhashikasvarau; tina ın den Sütra. sütra 9-27 von der Aussprache. 9-17 von den Halbvokalen . SE : yalsj; r und rials re, Z und lals le, v in Breifacher w eise 18-20 linguales sh als Ah. ee ee, 21 Beschränkung dieser Regeln über ir Aussprache auf gewisse Gelegenheiten 22-25 von der Aussprache des anusvdra a a En. Ersetzung desselben durch »; dreifache Quantität des anuscdra; die Verwandlung in » bei dem Wort manspa- canydh ausgeschlossen; Assimilation an folgende Laute. 26 von der Quantität des visarga i i ß 27 von der Quantität eines in der ersten Silbe befindlichen, abe nicht initialen a Citat aus der Fäjnavalkyagikshä über Bezeichnung der finalen Buchstaben durch eine Art Fingersprache m 69 69-70 70-71 71 ‘1 71-74 74-91 74-75 75-78 78-91 78-84 91-94 118 WEBER: über en zum weisen Yayus geh. phonet. Compendium. Bezeichnung der Accente durch Fingerstellung Finger-Symbolik in den vedischen Texten, im Ritual etc. Namen der Finger in der Nighantu, resp. ihre Stellung in der Riksamhitd. Gegenseitige Beziehung der Finger zu ein- ander, resp. zum Daumen nach den Ritual-Texten. Benennung und Verwendung der Finger darin, unndditamd, andmikd; als Maals; Beschneidung der Nägel, Aunakhin. Ausstrecken der Finger; Einkneifen derselben (Etymologie der Zahlwörter: acht, neun, zwei, drei, zehn, fünf). Stellungen der Finger beim Gebet (mudrä), sdmudrikam Chiromantie; Verbundensein der Finger durch Ansätze zu einer Schwimmhaut als Zeichen hoher Bestimmung, resp. Stellung. Appendix A. der Text des pratijndparigishta ARE ILR Differenz der Angaben über den madhyadera darin von denen bei Manu etc.; abweiehende Angaben über die funfzehn Schulen des weilsen Yajus Appendix B. über die Mandükagikshdä . . .» . . Su { Inhaltsübersicht; Angaben über die sieben svara Ansyaradvane sötra) und deren Bezeichnung durch Handbewegungen; mit der Yäjnavalkyapikshä übereinstimmende Angaben über die Fingersprache. Nachträge 20.2.5 Index... zes pag- 94-95 95-102 102-105 106-112 112 113-116 III 3 8088 01298 8606 IP EFEREFE IE TT RRTTEHES TR] SMITHSONIAN INSTITUTION LIBRARIES mererremuer en. ren er 2 ne ee